u ’ Pe ’ vımpın % .;,.9 A vıoybt LILER EEE SIE} KLFLELELDE SAFT SE eh N ’ {N ONIHARCERA LEER s u) vr Bi er Lau Hi win imı On} ki» u, vd % EL EIER AIR . “or PaDerL vu 7 Ta ) ’ Fake » ya un A EURER BE FRI EFERRERREFRER FRRRIER FIR U NLHRIRETETELRNTIER NICH HE run nr fr el vun IUTEREFETT EL TEST TEZTT , Yu lea “ Hand, ru er Briefing ii hat any FuENIIKEE ranpııaaı Ya LIFE img 1) etavsdıhlh {N Ayin urn Ent CE une Yan ya able Di) Ye AA BEI PE TI Ben aan] i of \ var vır \ ‘ { \ IAvd ur} [3 4 ‘ a Fre „a 11. hi aan WEN "1 ‘ ’ hen td x ’ wi DR u lernten, Ya } eiı . Pa D ungen (ra MT A I, ie un. s AR A ne Ri 4 HEN er ) Tun, “ A f x m ” . ‘ D fat ne) r IR % Fr ee ARE BLL ETF ar ln lite Nah Or . PR WER PIE Ben K Sohle) ILTErID Ri Da n [BAU EEFE EL A SE EEE | N hehannge ne 4 ee DI RL ZI 1 “ a \ leitet AR era aM DS ET we ne ET gl OHREN Hi N Var naar HERISAU IE WU DE WIRT ESTETRRL ii Ki, valtınam ParaaTz Ms A a N I a ats nenn, In, rate ID TERFERGE AIR D zur ur rigernt ji DEE UTBUTWR TRIER ICYET ER THEER IL PRTFEILTSTLEET ner me PERLE CE BE RT TE IEIDIE NE FL TA DOIEIRLRTIE Fa \arıte ER FRTUR 516) wur Ike N " ad mann ne ont RG N en EA FOR TC N F ’ , , PaUrsuuT DEU UeN . TET TEE TEL SEE DERETEL EL FABBEE ER TEEN ZEIT E Kr FERPEET » a IR: el apa en" u \ MN ey u r. En si sn hingen hd ML H PER LU URL - vr ’ ia ’ ' Ih) Hei KIN RE IIHRANEIN, TERITITE ‘ ıvY Ye Y Ya Vale un ARRIE LET, adr EEE Y EWG m, ORT Inka) ALLTL vo RS TAT pi MANS 'r yu ıW FOR KERLE VE 1“ IR An Hua Aitkat .1 t = ; lt ylı HORtENN Rn! Aa 1 "\ ’ ar N r a! IN Hl Stat he u. ün f' Ye A u Au It Mn Krane Pe LLER! r BER UT TER TORI LA ES FLTETTELRIELIL SL ALLAREET hl ws r ash Tun Y AM ın® x IRRE NRLHYCHRURR f ) In NORA PIE a * ’ ‘ Al une ER Al FERHANE Yen Re A%,3r " ae NT a PRFTEFL TI ET rast > an NERRTRK) FLFRLEEN ERrTE hy vınıa Hr va hanite a Aue, Dep a © Darıe uee EESITEEH ah ir ge hadjelh ! Fine Ar BEREIT ERIRRATr Ber: nt, DIE LH ITEN RE R RR Au vd Au: ne ad viren ven ‚aid LIE IE ER LI RID EWR RER RR EEE HHITELF aa MAT . ir jr \: era) ren verbr Hal s {4 » Ba 9 nn 2 DE I Au, ber Run ah Po a ro Ne Te BP RERRRHLAT, ‚ ha Pe Be LH LP nu wehren ns! Bu higeyen itanı“ FR GE . l PER FRA RIEF Hure Klıd hi, PERWAFTIEFACRTELT a FE I er Eee Er DIE Er TEE Er kin END "iate\a pi BE EU ul RL ' ‘ wre ed \ ad en u Ir u ARCHE NE h, D nt an ih] ALL WET IE EEE LUFT l “ n. U j a RAN RATE # uhr 5 ir, aha Ken ur are Hi ıy'marır eh [7 u Pre ET we PLrUIEr N [PIE 1) { De en „e. . nid RAT Pure TERN HT ’»® [ Pa r} PR RE rr,nen PAARE N IR N EN Na TEL Bu 2) [Bar Base vu Br I Ah rn lee erhal 4 vası = ' vr. dr u ee we D Ze ten LAUHRSEAT.E) A verrninihir ran erde? Pe . ’ * . * ‚* BA IEE DEE or. “4 ‚+ “4 Er ’ IPTFEET Pete VERY Du BET IC EEE BC BR UEIT um DTLALFLELERT BLUE “s Art teen EREHEEE “ |] a Ln Brunee) a FR an ahead dran N) ar Di RI Aıasıma as . . “ RER Ka RN RR AR Fr Ta FTPR THE UNIVERSITY OF ILLINOIS LIBRARY NATURAL HISTORY SURVEY 88905 GE v.öl Bmoav Return this book on or before the Latest Date stamped below. University of Illinois Library L161—H41 CENTRALBLATT für Bakteriologie, Parasitenkunde u. Infektionskrankheiten. Erste Abteilung. XXXI. Band. Originale. - SV u”. r 13: CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten. —— nl In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Professor Dr. Loeffler in Greifswald, Professor Dr. R. Pfeiffer in Königsberg und Staatsrat Professor Dr. M. Braun in Königsberg herausgegeben von Dr. Oscar Uhlworm in Berlin. Erste Abteilung. XXXI. Band. Medizinisch-hygienische Bakteriologie und tierische Parasitenkunde. Originale. Mit 11 Tafeln und 66 Abbildungen im Texte, B'6.08, Verlag von Gustav Fischer. 1902. CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten | Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Orierinale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. O0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXI. Band. —- Jena, den 18. Januar 1902. —- No. 1. Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Jährlich erscheinen zwei Bände. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskrift schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer ın Jena, gelangen xu lassen. Originai-Mitte! lungen. Nachdruck verboten. Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen- Immunproteidine als Ursache der natürlichen und künst- lichen Immunität. Von Prof. Dr. Rudolf Emmerich, Prof. Dr. Oskar Löw und Dr. A. Korschun. Mit 1 Tafel. Die von uns festgestellten Thatsachen über die bakterieiden Wir- kungen der Pyocyanase (Alkoholniederschlag der auf !/,, Volumen kon- zentrierten, filtrierten und dialysierten Pyocyaneus-Kultur) wurden von Privatdocent Dr. Dietrich!), welcher unter Prof. Dr. von Baum- 1) Beruht die bakterienvernichtende Wirkung bakterieller Stoffwechselprodukte nach den von Emmerich und Löw dafür angeführten Beweisen auf proteolytischen Enzymen (Nucleasen)? Habilitationsschrift. Braunschweig 1901. Druck von A. Limbach. Erste Abt. XXXI. Bd, 1 732013 9 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, garten’s!) Leitung arbeitete, und durch Dr. J. Klimoff in Prof. Dr. Flügge's hygienischem Institut bestätigt. Dagegen bezweifeln beide, daß die baktericiden Wirkungen der Pyocyanase durch ein bakteriolytisches Enzym bedingt sind, so daß also der Name Pyocyanase gar nicht berechtigt wäre. 1. Hitzebeständigkeit der Pyocyanase und Cikechei- dung vom peptonisierenden Enzym des Bac. pyocyaneus, Klimoff führt als Hauptgrund gegen die enzymartige Natur des baktericiden Stoffes der Pyocyaneus-Kulturen die schon von uns kon- statierte hohe Hitzebeständigkeit an, da auch er nachweisen konnte, daß 2-stündiges Verweilen in Dampf von 100° die baktericide Wirkung nicht aufhebt. In 1 ccm !/, Stunde gekochter Pyocyanaselösung waren 61 500 Milzbrandbacillen ebenso rasch (d. h. in 3 Stunden) völlig ver- nichtet wie in 1 ccm ungekochter Pyocyanaselösung. Erst 21,,-stündiges Erhitzen in strömendem Dampf hebt, wie wir konstatierten, die aggluti- nierenden und bakteriolytischen Wirkungen der Pyocyanaselösung teil- weise auf. Diese allerdings ziemlich bedeutende Hitzebeständigkeit steht nun aber der enzymartigen Natur der baktericiden Substanz in keiner Weise entgegen. Der Bac.pyocyaneus erträgt nämlich ähnlich hohe Hitze, ohne seine Entwickelungsfähigkeit zu verlieren, wie die von ihm ge- bildete Pyocyanase. Wenn das Protoplasma dieser Bakterien die Lebens- fähigkeit durch 1-stündiges Kochen nicht verliert, warum sollte das von diesem Protoplasma erzeugte bakteriolytische Enzym nicht die gleiche Hitzebeständigkeit besitzen ? Die Widerstandsfähigkeit gegen hohe Temperaturen schwankt übrigens nicht unwesentlich bei verschiedenen Varietäten des Bac. pyocy- aneus und bei den von diesen gebildeten bakteriolytischen Enzymen, d. h. Pyocyanasepräparaten. Es giebt sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Organismen Fermente, welche ebenso hohe oder noch höhere Hitzegrade, ohne un- wirksam zu werden, ertragen als der Bac. pyocyaneus. So fand W. Spitzer?) in tierischen Organen (Leber etc.) oxydierende Enzyme, welche trotz Erhitzung über die Gerinnung hinaus — selbst bis 120° — die Fähigkeit H,O, zu zerlegen und Guajactinktur, die mit dem Super- oxyd auf das Gewebe gebracht war, zu bläuen, nicht verlieren. Raciborski?°) und J. Grüss*) fanden im Zuckerrohrstengel und zwar im Leptomteil der Leitbündel eine Oxydase (Leptomin), welche kräftig mit H,O, Guajak reagiert, durch Alkohol nicht alteriert und erst bei 95° zerstört wird. Nach Grüss kommen auch im Wundepiderm der Kartoffel Oxydasen vor, welche durch 1-stündiges Kochen mit Alkohol nicht zerstört werden. Es giebt lebendes Protoplasma, welches durch 12-stündiges Erhitzen in Dampf von 100° nicht zerstört wird (Heubacillensporen etc.), so daß es nicht im mindesten befremdend ist, wenn ein bakteriolytisches Enzym diese Hitzegrade 2 Stunden aushält, ohne unwirksam zu werden. Eine Abschwächung der Wirkung tritt aber bei dieser Temperatur unzweifelhaft ein, wie dies auch aus den wenigen Versuchen, die Dr. Dietrich hierüber ausgeführt hat, hervorgeht. 1) Zur ] Frage der Immunstoffe des Organismus, (Zeitschr. f. Eyaen u. Infektions- krankheiten. Bd. XXXVII. 1901. p. 115 ff.) 2) Pflüger’s Arch. Bd. LXVII. p. 615. 3) Ber. d. Botan. Gesellsch. 16. No. 3 u. 5. 4) Botan. Zeitung. 1898. Zr Au Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 3 Es giebt Enzyme, wie z. B. die Urease, welche schon bei 35° C abgeschwächt werden, während andere, wie z. B. die Amylase, durch 80° im feuchten Zustand nicht beeinträchtigt werden. Diese Verschiedenheiten der Hitzegrade, welche den Verlust der enzymatischen Kraft bewirken, erscheinen erklärlich, wenn, wie man jetzt allgemein annimmt, die Enzyme zum Teil den Eiweißstoffen, den - Albumosen und den Nucleoalbuminen nahestehen, zum Teil aber keine eiweißartigen Stoffe sind. Die Pyocyanase paßt also ganz in die Gruppe der oben erwähnten hitzebeständigen Fermente. Die von Bakterien gebildeten bakterioly- tischen Enzyme sind bis jetzt in Bezug auf ihr Verhalten gegen hohe Temperaturen noch nicht untersucht. Geschieht dies, dann wird sich wahrscheinlich, ähnlich wie beim Bac. pyocyaneus und der Pyocyanase, herausstellen, daß sich diese Enzyme ebenso gegen höhere Hitzegrade verhalten wie die Bakterien, durch welche sie erzeugt wurden. Wenn das Protoplasma des Bac. pyocyaneus 100° verträgt, so läßt sich diese Widerstandsfähigkeit gegen Hitze bei seinen Enzymen noch viel eher begreifen. Es ist dies um so leichter erklärlich, wenn die bak- teriolytischen Enzyme, wie Halliburton u. A. behaupten, eine Kalk- verbindung des Nucleo-Albumins sind, und Nucleo-Albumin das Zymogen des Enzyms ist. Wenn auch die Arbeit von Dr. A. Dietrich den von uns ange- bahnten Fortschritt vielleicht einige Zeit aufhalten wird, so war sie andererseits doch auch von Nutzen bei der Entscheidung über die Be- deutung der Nucleasen für die natürliche und künstliche Immunität, weil wir durch die Einwendungen Dietrich’s veranlaßt wurden, einige Detailfragen, z. B. jene über die Eigenschaften der Pyocyanase, genauer zu untersuchen. Dabei hat sich u. a. die wichtige Thatsache ergeben, daß das peptonisierende Enzym des Bac. pyocyaneus, welches von Fermi früher genauer untersucht wurde, mit der Pyocyanase nicht identisch ist. Erhitzt man nämlich die Pyocyanaselösung (d.h. die auf !/,, Volumen konzentrierte, filtrierte und dialysierte Pyocyaneus-Kultur) '/, Stunde in kochendem Wasser bad, dann verliert dieselbe vollkommen das Vermögen, Gelatine zu ver- flüssigen, während die agglutinierende und bakteriolytische Wirkung unverändert erhalten bleibt. Die diesbezüglichen Versuche wurden unter Anwendung der nach Fermi’s Vorschrift bereiteten Thymolgelatine ausgeführt. Giebt man zu einer im Reagenzglase befindlichen 10 ccm großen Probe von Thymol- gelatine 1 cem der konzentrierten, filtrierten und dialysierten Pyocy- aneus-Kultur, dann ist in 2 Tagen eine 1—2 cm hohe Schicht der Gelatine verflüssigt. Verfährt man in gleicher Weise mit der !/,—!/, Stunde im Wasserbad gekochten Kultur, dann zeigt sich auch nach Wochen keine Spur von Verflüssigung. Diese gekochte Pyocyanaselösung wirkt aber noch bakterieid und bakteriolytisch. Das peptonisierende Enzym des Baeillus pyocyaneus 1st also verschieden von dem bakteriolytischen, d.h. der Pyocyanase. ‚ Daß in der !/,—!/, Stunde gekochten Pyocyanaselösung das bak- teriolytische Enzym unverändert enthalten ist, geht daraus hervor, daß Diphtherie-Typhusbacillen etc., welche man in üblicher Menge der ge- kochten Pyocyanaselösung zusetzt, schon nach 10 Minuten bis 4 Stunden agglutiniert und zum großen Teil vernichtet und aufgelöst werden. 1* 4 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, Hierbei handelt es sich nicht etwa um ein gewöhnliches Absetzen Wieser Bakterien am Boden des Reagenzglases, sondern um echte Ag- slutination; die anfangs in Form einer gleichmäßigen Trübung in der Flüssigkeit verteilten Bacillen ballen sich zu größeren, lockeren Klümp- chen zusammen und fallen allmählich zu Boden. Auch im hängenden Tropfen kann man den typischen Verlauf des Agglutinationsvorganges bei 1000 facher Vergrößerung schön beobachten. J. Klimoff konnte bei Anwendung einer durch Eindampfen von 10 Teilen auf 1 Teil gewonnener Pyocyaneus-Bouillon typische Ag- glutination der zugesetzten Typhusbacillen nicht beobachten und dies ist ein Hauptgrund, weshalb er die Enzymnatur der Pyocyanase in Zweifel zieht. Die auf !/,, Volumen konzentrierte Pyocyaneus-Bouillon ist nun aber sehr reich an Salzen und organischen Stoffen, und es ist selbst- verständlich, daß die Möglichkeit der typischen Agglutination von dem spezifischen Gewicht der Flüssigkeit abhängig ist. Nun hat Klimoff die auf !/,, Volumen konzentrierte Pyocyaneus-Bouillon nicht einmal dialysiert, so daß das spezifische Gewicht derselben größer als das der zugesetzten Bakterien war und ein Niederfallen (Agglutination) derselben nicht!) mehr stattfinden konnte. Wenn Klim off die von uns angegebenen . Nährlösungen zur Kultur des Bac. pyocyaneus und nach der Fil- tration, Konzentration und Dialyse zur Ausführung des Agglutinations- versuches verwendet, dann wird er, wie wir, den typischen Ablauf des- selben beobachten. Die typische agglutinierende Wirkung der Pyocy- anase ist und bleibt somit einer der wesentlichsten Be- weise für die Enzymnatur derselben. 2. Baktericide Wirkung der Pyocyanase bei verschiedener Konzentration. Dietrich glaubte die Baktericidie der Pyocyanase als osmotische Wirkung erklären zu können. Er stellte sich zunächst die einer Pyocy- anaselösung isotonische Kochsalzlösung her und glaubt gefunden zu haben, daß Milzbrandbacillen in derselben ebenso, oder wenigstens bei- nahe ebenso rasch und sicher vernichtet werden wie in der entsprechenden Pyocyanaselösung. Dies ist nun aber eine grobe Täuschung, die dadurch herbeigeführt wurde, daß Dietrich eine zu kleine Menge Milz- brandbacillen in die Pyocyanaselösung und in die isotonische Kochsalz- lösung einsäte. Daß beim Uebertragen von Milzbrandbacillen von einer Agarkultur in 1,9-—3,0-proz. Kochsalzlösung eine gewisse Anzahl der letzteren in kurzer Zeit zu Grunde geht, ist seit den Untersuchungen Fikker’s bekannt. Hätte Dietrich die hundert- bis tausendfache Anzahl von Milzbrandbacillen zur Aussaat gebracht, so würde er ge- sehen haben, daß diese Menge von der Pyocyanaselösung in wenigen Minuten völlig vernichtet wird, während in der 1,9-proz. Kochsalzlösung nur eine unbedeutende Keimverminderung zu konstatieren ist. Aber auch bei der geringen Aussaat, die Dietrich wählte, ist ein ganz bedeutender Unterschied in der Wirkung der Pyocyanase gegenüber der Kochsalzlösung erkennbar, insofern die Pyocyanase die ausgesäten 380 Milzbrandbacillen sofort oder in wenigen Minuten vernichtete, eng in der Kochsalzlösung die Abtötung erst in !J,—!/, Stunde erfolgte. 1) Auch durch die welter unten im Kapitel „Agglutination von Bakterien in Pyocyanase- "Äsung‘“ angegebenen Gründe kann das Ausbleiben der Agglutination erklärt werden. Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine ete. 5 Dietrich sagt ganz mit Recht: „Wenn eine verdauende Wirkung das wesentliche Moment der Bakterienvernichtung in der Pyocyanase ist, so muß man verlangen, daß 1) mit zunehmender Zeit proportional steigende Mengen von Bakterien vernichtet bezw. aufgelöst werden; 2) daß verdünntere Lösungen dementsprechend längere Zeit brauchen, um die gleiche Bakterienmenge zu verarbeiten. Die Pyocyanase erfüllt diese beiden Forderungen in eklatanter Weise. So findet z. B. J. Klimoff bei Anwendung sehr verdünnter Pyocyanaselösung (nicht konzentrierte, filtrierte Pyocyaneus- Bouillon) und großer Aussaatmenge folgende Zahlen: 1) Vernichtung von Typhusbacillen in Pyocyanaselösung.: Zahl der Typhusbacillen Zeit in 1 cem Pyocyanaselösung Sofort nach Aussaat 22 125 700 24 Stunden ‚, “ 16 267 500 48...» » » 969 900 120 „ „ ” 0 2) Abtötung von Staphylokokken in nicht konzentrierter Pyocy- aneus-Bouillon: Zahl der Staphylokokken Zeit in 1 ccm Pyocyanaselösung Sofort nach Aussaat 59 500 24 Stunden „, L: 14 662 500 48 “ “ 7 39 577 5001) 96 ı ei B 2 845 900 168 ”„ ” ” 989 700 Mit diesem Resultate stimmen die von uns bei Anwendung schwacher Pyocyanaselösung und mittels großer Aussaat erlangten Zahlen vollkommen überein. Wir fanden bei Anwendung einer Pyocyanaselösung, welche 0,2—0,5 g durch Alkohol fällbare Substanz pro Liter enthielt. 3) Abtötung von Anthraxbacillen: Zeit 1 cem Pyocyanaselösung enthält Anthraxbacillen Sofort nach Aussaat 3.1 060 000 24 Stunden „, ei 6 890 000 72 s 2 ., 1 376 000 96 # . “ 654 000 120 Mr r R 329 000 144 ”„ „ „ 0 Verwendet man aber die auf !/,, Volumen konzentrierte Pyocy- aneus-Kultur, welche sehr große Mengen von Pyocyanase enthält, zum baktericiden Versuche, so werden natürlich auch sehr bedeutende Massen von Bakterien in wenigen Minuten völlig vernichtet. Bei Anwendung einer Pyocyanaselösung, welche 1—1,2 g durch Alkohol fällbare Stoffe pro Liter enthielt, ergaben sich bei mittelgroßer Aussaat folgende Zahlen: Zahl der Typhusbacillen Zeit in 1 ccm Pyocyanaselösung Aussaatmenge ?) 13 125 000 2 Minuten nach Aussaat 3 507 000 3 Stunden „, ” 1 241 666 1) r ei b 105 000 1) Diese scheinbare Zunahme ist dadurch verursacht, daß vor der Aussaat sehr gut geschüttelt und dadurch Staphylokokkenhaufen zerteilt wurden. 2) Die Aussaatmenge wurde in der Weise ermittelt, daß 1 Oese Anthraxbacillen- aufschwemmung einerseits in 1 cem Pyocyanaselösung, andererseits in 1 ccm sterilisiertes 6 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, Veit Zahl der Diphtheriebacillen n in 1 ccm Pyocyanaselösung Aussaatmenge 24 150 000 2 Minuten nach Aussaat 17 850 000 3 Stunden ,, = 0 Zeit Zahl der Diphtheriebacillen a; in 1 ccm Pyocyanaselösung Aussaatmenge 12 387 500 2 Minuten nach Aussaat 0%) Zahl der Cholerabacillen Zeit in 1 ccm Pyocyanaselösung Aussaatmenge 5 422 500 2 Minuten nach Aussaat 0 Zahldes Streptococcus pyogenes ?) den in 1 ccm Pyocyanaselösung 2 Minuten nach Aussaat 165 000 !/, Stunde “ > 0) Bei einem Gehalte der Pyocyaneus-Kultur von 1-3 g durch Alkohol fällbarer Substanz pro Liter und sehr großer Aussaat erhielten wir die folgenden Zahlen: Zahl der Typhusbacillen - in 1 ccm Pyocyanaselösung Aussaatmenge 236 250 000 2 Minuten nach Aussaat 220 500 000 2 Stunden „, ei 105 000 000 9 > 5 Y 53 550 000 Veit Zahl der Typhusbacillen ; in 1 ccm Pyocyanaselösung Aussaatmenge 168 000 000 2 Minuten nach Aussaat 136 500 000 15 > 4 47 250 000 3 Stunden R: R 14 175 000 8 ; * u 1 575 000 24 » » „ Ö Der folgende Versuch wurde mit Pyocyanaselösung, welche 1,3 g Alkoholniederschlag pro Liter ergab, ausgeführt: Zahl der Typhusbacillen 5% in 1 ccm Pyocyanaselösung Aussaatmenge 157 500 000 2 Minuten nach Aussaat 82 340 000 : Stunden ,, R 1.370 000 „ Er ” 0 Wenn man also eine genügend große Aussaat anwendet, so zeigen die Versuche in eklatanter Weise 1) daß mit zunehmender Zeit proportional steigende Mengen von Bakterien vernichtet bezw. aufgelöst werden; 2) daß verdünntere Mengen dementsprechend längere Zeit brauchen, um die gleiche Bakterienmenge zu verarbeiten. Es besteht also eine direkte bezw. umgekehrte Pro- Wasser gebracht und aus beiden je eine Oese sofort zu Gelatineplatten verarbeitet wurden. Hierzu waren 1—2 Minuten Zeit nötig. Die Differenz zwischen Aussaatmenge und 2 Minuten nach Aussaat ergiebt die Anzahl von Bakterien, welche schon nach 1—2 Minuten in Pyocyanase vernichtet wurden. Diese Zahl zeigt, daß in den ersten Minuten die Bakterienvernichtung eine enorme ist, ungeinein viel größer als in den später folgenden Zeiten. 1) Auf Löffler-Serum entwickelten sich nach 2 Minuten aus 1 Oese ER a Ko- Jonieen = 11250 in 1 cem Pyocyanaselösung. 2) Aus der Milz eines an ‚Diphtherie verstorbenen Kindes. Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 7 portionalität der Konzentration, der Bakterienmenge und der Zeit. Daß Dr. Dietrich dies nicht erkannt hat und zu einem entgegen- gesetzten Resultat kam, liegt einzig und allein in fehlerhafter Versuchs- anordnung, d. h. in der von ihm viel zu gering bemessenen Aussaat gegenüber dem Gehalt der angewendeten Lösungen an wirksamer Pyocyanase. Sowohl unsere Versuche, als auch jene von J. Klimoff zeigen mit unverkennbarer Regelmäßigkeit, daß konzentrierte Lösungen der Pyocyanase in der Zeiteinheit größere Mengen von Bakterien ab- töten als verdünnte Lösungen. Die mikroskopisch verfolgbaren Auf- lösungserscheinungen gehen bei ersteren schneller und in größerem Umfang vor sich als in letzteren. Die Wirkung der bakteriolytischen Enzyme vollzieht sich also ebenfalls nach einem „Proportionalitätsgesetz“, ähnlich wie es Kjeldahl für die Diastase und die in der Zeiteinheit verzuckerte Stärke fest- gestellt hat. Die verdauende Wirkung ist somit das wesentlichste Moment der Bakterienvernichtung in der Pyocyanase, während eine osmotische Wirkung nicht in Betracht kommen kann. Dies geht übrigens zur Evidenz auch aus Dr. Dietrich’s Ver- suchen hervor, bei welchen er länger, d. h. 96 Stunden dialysierte Pyocyanase anwendete und die letztere im Vacuum auf das ursprüngliche Volumen konzentrierte. Auf diese Weise erhielt er Lösungen von gleichem Enzymgehalt, aber verminderter Salzmenge. Dabei zeigte sich die dialysierte Pyocyanase erheblich stärker baktericid als die ent- sprechende Salzlösung, und dieser Unterschied trat, wie Dietrich selbst sagt, in noch weit stärkerem Maße hervor, wenn sehr reichliche Einsaat gewählt worden war. „Ein ähnliches Resultat“, sagt er weiter, „ergaben Plattenversuche mit Verdünnungen der Pyocyanase und der entsprechend verdünnten NaCl-Lösung. In die im Verhältnis von 1:3 verdünnte isotonische Kochsalzlösung (= 7,5 °/o NaCl) wurde ein großer Spatel Milzbrand- bacillen direkt von der Agarkultur ausgesät. Auf der sofort hergestellten Zahlplatte entwickelten sich unzählbar viele Kolonieen und auch auf den 45 Minuten, 1 '/, Stunden, 3 Stunden, 9 und 26 Stunden nach der Einsaat hergestellten Agarplatten wuchs eine unzählbare Anzahl von Kolonieen. In der im Verhältnis 1:3 verdünnten Pyocyanaselösung dagegen wurde die gleiche Anzahl eingesäter Milzbrandbacillen sofort vernichtet, insofern auf der sofort hergestellten Agarplatte schon keine Kolonie mehr zur Entwickelung kam. Dr. Dietrich giebt also zu, „daß die isotonische NaCl-Lösung in schwächeren Konzentrationen einer beträchtlichen Bacillenmenge gegen- über sich machtlos verhält, während die Pyocyanase auch in Verdünnungen diese noch rasch vernichtet“. „Dies scheint, sagt Dietrich, beim ersten Augenblick gegen meine oben aufgestellte Behauptung zu sprechen, daß die osmotische Wirkung des Wesentliche sei, da ja sowohl die salzärmere, als die verdünnte Pyocyanase die gleiche bakterienvernichtende Kraft hat wie die ursprüng- lich konzentrierte Lösung.“ (?) Anstatt nun zuzugestehen, daß eine so energische und ausgedehnte Bakterienvernichtung nicht auf osmotischen Wirkungen beruhen kann, sucht sich Dietrich über die Klippe, an welcher seine Aufstellungen so gänzlich scheitern müssen, dadurch hin- wegzuhelfen, daß er auf die in seinen Versuchen beobachtete sofortige 8 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, Vernichtung der in die Pyocyanaselösungen gebrachten Bakterien auf- merksam macht, „während eine Verringerung des Enzyms (durch die angewendete Dialyse oder Verdünnung) sich wohl hätte in einer Ver- längerung der Reaktionszeit äußern müssen.“ Daß dieser Einwand gänzlich hinfällig ist und daß Dr. Dietrich nur deshalb in den verdünnteren Lösungen eine sofortige Bakterienver- nichtung beobachtet hat, weil er eine viel zu geringe Einsaat wählte, haben wir oben bereits durch Zahlen nachgewiesen. Wenn wir nicht davon überzeugt wären, daß Dr. Dietrich ehrlich bestrebt war, die Wahrheit zu finden, so müßten wir ihm schwere Vor- würfe machen, weil er auf Grund ungenügender Versuche den Nachweis bakteriolytischer Enzyme in den Kulturen pathogener Bakterien, auf welchen sich unsere Lehre von der Ursache der künstlichen Immunität gründet, anzuzweifeln und zu bekämpfen wagte. Noch viel schlimmer steht es mit der Behauptung Dr. Dietrich’s, „daß in der Alkalescenz der Pyocyanase ein weiterer Faktor zu er- blicken sei, der mit der osmotischen Wirkung vereint und diese ver- stärkend, den Tod der Bakterien in der Pyocyanose erklären läßt.“ Diese Behauptung steht auf ganz schwachen Füßen, sie ist gänzlich unbegründet und läßt sich leicht widerlegen. Um seine absurde Behauptung zu begründen, führt Dr. Dietrich einen ganz ungeheuerlichen Versuch aus. Er bestimmt die Alkalescenz einer Pyocyanaselösung und findet, daß dieselbe einer 1,5-proz. Sodalösung entspricht.. Da er aber früher schon ermittelt hat, daß seine zur Hälfte mit Wasser verdünnte Pyo- cyanase eine Gefrierpunktserniedrigung von 1,04° ergiebt, so begnügt er sich nicht damit, die bakterientötende Wirkung einer 1,5-proz. Soda- lösung zum Vergleiche mit der der Pyocyanaselösung festzustellen, er stellt vielmehr ganz willkürlich eine Lösung her, welche sogar 2,86 Proz. Soda und dazu noch 3,16 Proz. Kochsalz enthält und eine Gefrierpunkt- erniedrigung von 1,05° zeigt. Er findet nun, was durch die Unter- suchungen von Miquel schon seit 1889 bekannt war, daß diese nahezu 3-proz. Sodalösung eine mittelgroße Anzahl von Milzbrand-, Typhus- und Cholerabacillen ebenso abtötet wie die zur Hälfte mit Wasser verdünnte Pyocyanaselösung. Daß ein so willkürlicher Versuch, welcher an Stelle der 1,5—1,9 Proz. thatsächlich bestimmter Menge anorganischer Stoffe in der Pyocyanase- lösung eine wässerige Lösung von 6,0 Proz. Soda und Kochsalz setzt, absolut keinen Wert besitzt, wird jedermann zugeben. Wir wollen dem- gegenüber einen gänzlich einwandfreien Versuch mitteilen, welcher so- wohl die osmotische Wirkung als die der Alkalität als völlig belanglos für die bakterientötende Wirkung der Pyocyanase erkennen läßt. 20 cem Pyocyanaselösung wurden gegen 3 Liter sterilisiertes (öfter erneutes) Wasser so lange dialysiert, bis die Reaktion nahezu neutral war. Die . dialysierte Pyocyanase wurde alsdann im Vacuum auf 10 ccm eingedampft und durch Zusatz von destilliertem Wasser wieder genau auf 20 ccm gebracht. Diese Pyocyanaselösung konnte nunmehr nur noch sehr ge- ringe Mengen anorganischer Stoffe enthalten. Die bakterientötende Wirkung dieser Pyocyanase war unverändert. . l ccm dialys. Pyocyanaselösung Zeit tötete Milzbrandbaeillen Sofort nach Aussaat 2 105 000 Nach 3 Stunden 980 000 Ma 71 500 „ 24 „ ) Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 9 Es ist klar und unzweifelhaft, daß bei diesem Versuche der minimalen Menge anorganischer Stoffe und der Alkalität keinerlei bakterientötende Wirkung zugeschrieben werden kann, da die Lösung fast neutral war), Schon vor der Veröffentlichung der Abhandlung Dr. Dietrich’s wurden von uns folgende Versuche ausgeführt: Eine schwachalkalische Pyocyanaselösung wurde im Verhältnis von 1:5 mit Wasser verdünnt, ‚bis die Reaktion nur noch gerade merkbaralkalisch war. Diese nahezu neutrale Pyocyanaselösung war noch energisch baktericid. Zeit lcem 1:5 verdünnt. Pyocyanase- lösung enthielt Diphtheriebacillen Sofort nach Aussaat 6 300 000 Nach °/, Stunden 0 Weiterhin wurde die gleiche unverdünnte Pyocyanaselösung mit verdünnter Essigsäure genau neutralisiert und zu 1 ccm derselben, sowie zu 1 ccm sterilisiertem Wasser je 2 Oesen Diphtheriebacillenauf- schwemmung zugesetzt. Agarplattenaussaat ergab, daß in 1 cem dieses Wassers 6 150000 Diphtheriebacillen enthalten waren. Dagegen Zeit l ccm neutralisierter Pyocyanase- lösung enthielt Diphtheriebacillen Sofort nach Aussaat 0 Der mit Essigsäure vorsichtig neutralisierte 1 ccm Pyocyanaselösung vernichtete also in den 2—3 Minuten, welche bis zur Plattenaussaat vergingen, 6 Millionen Diphtheriebacillen!! Das Gleiche hat auch Dr. Dietrich konstatiert. Er hat gefunden, daß nach Neutralisation der Pyocyanaselösung mit Salzsäure die bak- tericide Wirksamkeit nicht abgeschwächt war. Man kann also die Alkalität der Pyocyanase durch Dialyse, durch Verdünnung, durch Neutralisation mit Salzsäure oder mit Essigsäure herabsetzen oder ganz aufheben, die Wirksamkeit der Pyocyanase wird hierdurch nicht vermindert. Die Behauptung Dr. Dietrich's, daß die Alkalität der Pyocyanase bei deren Bakterienvernichtung eine Haupt- rolle spiele, ist somit hinfällig, ja geradezu absurd in Anbetracht dieser Thatsachen. Dagegen stimmen wir mit Dr. Dietrich überein, wenn er sagt, daß diese Thatsachen gegen die Thätigkeit eines nur bei alkalischer Reaktion wirksamen Fermentes sprechen. Wir hielten anfangs das peptonisierende Enzym des Bac. pyocy- aneus und das von demselben gebildete bakteriolytische für identisch und da wir nachweisen konnten, daß das proteolytische Enzym bei alkalischer Reaktion mehr Eiweiß in der Zeiteinheit auflöst als bei neutraler, so glaubten wir annehmen zu dürfen, daß auch die Bakterio- Iyse durch die alkalische Reaktion begünstigt werde. Späterhin aber haben wir festgestellt, daß der Bac. pyocyaneus außer dem peptonisierenden noch ein bakteriolytisches Enzym bildet, welches die außerordentlich energischen baktericiden Wirkungen entfaltet und welches ganz andere Eigenschaften hat als ersteres. Das peptonisierende Enzym wird schon bei !/,-stündigem Kochen im Wasserbad zerstört, das bakteriolytische aber erst bei 2!/,-stündigem Kochen im strömenden Dampf beeinträchtigt. Das peptonisierende Enzym wirkt am besten bei alkalischer Reaktion, das bakteriolytische ebenso gut bei neutraler wie bei alkalischer Reaktion. 1) Oft haben wir so lange dialysiert, bis mit salpetersaurem Silber auf Zusatz von Salpetersäure kein Niederschlag mehr erhalten wurde; diese salzfreien neutralen Lösungen waren aber unvermindert baktericid. - 10 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, Diese Thatsachen erklären auch eine Beobachtung von Dr. Dietrich, welche er gegen die Existenz eines bakteriolytischen Fermentes in der Pyocyaneus-Kultur verwertet. Er fand nämlich, „daß neutrale Pyocyanase sogar in der Verdünnung 0,3:2 ccm, einer Lösung, die sicher als hypotonisch anzusehen ist, Bakterien noch lebhaft vernichtet, während Kochsalz in gleicher Verdünnung der ursprünglich isotonischen Lösung absolut unschädlich ist.“ „Wie kräftig, sagt er weiter, müßte dieses Ferment sein, das in so starker Verdünnung noch so rapide Wirkungen entfalten könnte, und doch läßt sich zeigen, daß selbst geringere Verdünnungen der gleichen Pyocyanaselösung auf Gelatine wirkungslos sind.“ Die Wirkungslosigkeit auf Gelatine erklärt sich nunmehr einfach aus der Verschiedenheit des peptonisierenden und des bakteriolytischen Enzyms des Bac. pyocyaneus. Wenn eine hypotonische neutrale Lösung der Pyocyanase noch energische baktericide Wirkungen entfaltet, so bleibt für Dr. Dietrich, nachdem alle seine übrigen Einwände widerlegt sind, kein Grund mehr, welcher ihn abhalten könnte, die Wirkung der Pyocyanase auf ein bakteriolytisches Enzym zurückzuführen ; denn daß bei diesem Versuch die Baktericidie schon nach °?/, Stunden erreicht war, beruht lediglich in zu geringer Einsaat. Dietrich selbst hat, ohne es zu wollen, einen wertvollen Beweis dafür erbracht, daß die bakteriecide Wirkung der Pyocyanase nicht durch osmotische Störungen erklärbar ist, sondern durch ein Enzym bewirkt wird. A. Fischer hat nämlich gezeigt, daß die osmotischen Störungen unterbleiben, wenn die Bakterienzellen gleichzeitig Nährstoffe erhalten, indem diese die nötigen Mittel gewähren, die osmotischen Einflüsse zu überwinden. Dr. Dietrich fand nun, entgegen seiner Erwartung, „leider“, wie er sagt, daß die Bakterien bei Zusatz von Nährstoffen (Pepton und Zucker) zu Pyocyanaselösung ebenso rasch zu Grunde gingen, als in reiner Pyocyanase. Das Zugrundegehen der Bakterien kann also nicht auf osmotischen Störungen beruhen. Zu dem gleichen Resultate kam J. Klimoff, welcher die Frage entscheiden wollte, ob bei der bakteriolytischen Wirkung alter Pyo- cyaneus-Bouillon die Erschöpfung des Nährbodens eine Hauptrolle spielt. Er fand, daß Milzbrandbacillen auch in der zur Hälfte mit Nährbouillon versetzten Pyocyanaselösung zu Grunde gingen, obgleich das Gemisch genügende Nährstoffe für die Vermehrung der Milzbrand- bacillen enthielt, wie Kontrollversuche ergaben. Morphologische Veränderungen der Bakterienin Pyocyanase. Damit haben wir alle Einwände, welche Dr. A. Dietrich und Dr. J. Klimoff gegen das Vorhandensein eines bakteriolytischen Enzyms in der Pyocyaneus-Kultur erhoben haben, bis auf’ einen einzigen widerlegt. Es ist dies ein Einwand, welchen beide geltend machen, Dr. A. Dietrich und Dr. J. Klimoff, und derselbe scheint auch uns der wichtigste zu sein, dessen Widerlegung erfolgen muß, soll unsere Lehre von der Bedeutung bakteriolytischer Enzyme für das Zustandekommen der künstlichen Immunität zu Recht bestehen. Dr. Dietrich sowohl, als Dr. Klimoff behaupten, in der Pyo- cyanaselösung eine ausgesprochene Bakteriolyse, eine Auflösung des Zellleibes der Bakterien, wie sie von Emmerich und Saida be- Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 11] schrieben wurde, nicht gesehen zu haben. Daß Klimoff diese Be- hauptung aufstellt, ist uns deshalb unerklärlich, weil er Veränderungen beschreibt, die nur als durch die Pyocyanase bedingte Auflösungs- erscheinungen zu erklären sind. So sagt er z. B. über die Verände- rungen der Typhusbaecillen durch Pyocyanase: „Viele von ihnen werden in Pyoeyanaselösung so geschädigt, daß sie Lücken aufweisen oder nur -noch als blasse Schatten oder als verschiedene große oder kleine, lange, gebogene, angeschwollene, ausgebuchtete Involutionsformen in die Er- scheinung treten. Zwischen solchen Bakterien findet man schon nach 48 Stunden besonders viele Körnchen oder Zerfallsprodukte. Die Choleravibrionen erleiden ebenso wie die Typhusbacillen sehr starke Veränderungen in ihrer Form und Struktur.“ Dr. Dietrich hat ebenfalls weitgehende Veränderungen an Milzbrandbacillen in Pyocyanase- lösung beobachtet, aber er behauptet, daß in isotonischer Kochsalz- lösung die gleichen Erscheinungen zu sehen seien. Daß dies nicht richtig ist und daß die in isotonischer Kochsalz- lösung zu beobachtenden morphologischen Veränderungen nach In- und Extensität sowie zeitlich grundverschieden sind von den in Pyocyanase auftretenden, soll alsbald gezeigt werden. Milzbrandbacillen zeigen schon in 24 Stunden bei 37° C gehaltenen Kulturen ähnliche „Ivolutions- formen“, wie sie anfangs in Pyocyanase auftreten. Dieselben sind durch die Einwirkung des von den Milzbrandbacillen gebildeten bakterio- Iytischen Enzyms, die Anthracase, verursacht. Fischer hat dies offenbar nicht berücksichtigt und die von ihm beschriebenen Erscheinungen der Plasmolyse und Plasmoptyse sind zum Teil als Auflösungserscheinungen durch Anthracase aufzufassen, wobei allerdings die Kochsalzlösung be- schleunigend, namentlich auf die Plasmoptyse, gewirkt haben mag. Dr. Klimoff sowohl als Dr. Dietrich sind der gänzlich unzu- treffenden Meinung, daß die Bakterienveränderungen in der Pyocyanase erst viel später zu beobachten seien, als die durch den Plattenversuch nachweisbare Abtötung der Bakterien, welche in starken Pyocyanase- lösungen schon nach wenigen Minuten erfolgt. Dr. Dietrich schreibt hierüber folgendes: „Es hat Emmerich leider nicht angegeben, zu welcher Zeit in diesen Versuchsreihen, die ihm das Material für die mikroskopischen Präparate lieferten, ein paralleler Plattenversuch den Unter- gang der Milzbrandbacillen zum Ausdruck brachte. Es ist ein solcher paralleler Plattenversuch aber unbedingt notwendig, um festzustellen, ob der Tod auf der Platte mit den sichtbaren morpho- logischen Veränderungen zusammenfällt oder nicht.“ Da wir nun meist Pyocyanase von maximaler Wirksamkeit anwendeten, von welcher 1 cem Millionen von Milzbrandbacillen innerhalb weniger Minuten abtötete, so glaubt Dr. Dietrich annehmen zu dürfen, daß die sichtbaren Ver- änderungen viel später auftraten, als der Plattentod. Er glaubt, daß erst nach 10 Stunden eine starke Aufquellung etc. der Milzbrandbacillen zu beobachten sei und fügt hinzu: „Es ist also aus den von Emmerich beobachteten morphologischen Veränderungen der rasche Untergang auf den Platten nicht erklärt, das Zusammenfallen dieses mit einer Auf- lösung der Milzbrandbacillen, wie sie erst nach 18 Stunden vielleicht beginnt, nach 24 Stunden erst manifest wird, nicht bewiesen.“ Diese Annahmen des Herrn Dr. Dietrich sind gänzlich unzutreffend und es muß im Gegenteil hier mit allem Nachdruck hervorgehoben werden, daß die morphologischen Veränderungen der in kon- 12 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, zentrierte Pyocyanaselösung gebrachten Bakterien so- fort beginnen und daß mit Eintritt des Plattentodes bei einer großen Anzahl der Zellen so kolossale Volum- vergrößerungen, so weitgehende Form- und Inhalts- veränderungen sichtbar sind, daß an der Abtötung dieserin rascher und weit fortgeschrittener Auflösung begriffenen Bakterien nicht mehr zu zweifeln ist. Der durch den Plattenversuch konstatierte Bakterientod ist sofort nach seinem Eintritt fast ebenso sicher durch das mikroskopische Aus- sehen einer großen Zahl von Bakterienzellen erkennbar. Ein Blick auf die Abbildung 1 und 2 zeigt klar und unzweifelhaft die Richtigkeit dieser Behauptung. Diese Abbildungen zeigen die Veränderungen, welche der Streptococcus pyogenes!) schon nach 1 bis 2 Minuten in Pyocyanase erleidet. Wer zweifelt z. B. noch an der Abtötung der in Abbildung 2 rechts urten liegenden Streptokokkenkette? Oder hält Dr. Dietrich diese Streptokokken, deren Membran geborsten, d. h. teilweise aufgelöst, deren Inhalt bis auf sehr spärliche Reste gänzlich verschwunden, d. h. ebenfalls gelöst ist, noch für lebensfähig? In einer 3,.022-proz., isotonischen Kochsalzlösung sind, davon kann keine Rede sein, solche kollossalen Veränderungen in der gleichen Zeit nicht zu beobachten. Die Streptokokkenketten in Abbildung 3 befanden sich ebenfalls 1-—5 Minuten in der isotonischen Kochsalzlösung, aber ihr Aussehen ist völlig normal! Wenn man die schon in der kurzen Zeit von 2—5 Minuten bis zur fast völligen Zerstörung der Zellstruktur gediehene Auflösung mikro- skopisch zur Anschauung bringen will, so muß natürlich die Herstel- lungsmethode des mikroskopischen Präparates derart sein, daß durch dieselbe die so leicht mögliche gänzliche Zerstörung der nur noch in sehr lockerem Zusammenhange befindlichen, stark veränderten Zell- bestandteile verhütet wird. Durch die gewöhnliche Art der Herstellung mikroskopischer Prä- parate, durch das Herausnehmen der in Pyocyanase befindlichen Bak- terien vermittelst der Oese, durch das Ausstreichen auf dem Deckglas etc. wird die Kontinuität der vielfach durchlöcherten, ihres Inhaltes größten- teils beraubten Zellmembranen völlig aufgehoben und es bleiben nur kleine, unregelmäßige, d. h. nicht mehr im Verlauf der ursprünglichen Streptokokkenkette gelagerte Membran- und Protoplasmareste zurück, die aber nicht mehr als solche zu erkennen sind. Es verhält sich dies etwa ebenso, wie wenn jemand die in einen Becher gelegten Aschebrocken einer gerauchten Cigarre mit der Hand herausnimmt, um sie der Reihe nach aneinander zu legen und die ur- sprüngliche Form der Cigarre zu rekonstruieren. Die Ascheteile, welche ursprünglich noch die Form der Cigarre deutlich erkennen ließen, werden bei der Berührung dnrch die Finger auseinanderfallen und es wird schwer sein, zu sagen, ob die aus dem Becher herausgenommene Asche von einer Cigarre oder aus einer Pfeife stammt. Wenn aber der Raucher der Cigarre die Aschebrocken der Reihe nach mit Sorgfalt auf einen Teller legt, dann wird ein anderer aus der Form derselben sogar entscheiden können, ob sie von einer langen und dünnen Virgina oder von einer kurzen und dicken Üigarre herrühren. 1) Dieser Streptococcus war aus der Milz eines an Diphtherie verstorbenen Kindes einen Tag vor Ausführung der Versuche rein gezüchtet worden. ne an & ee Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 13 Der Zusammenhang der durchlöcherten, durch die Enzymwirkung erweichten und ihres Inhaltes beraubten Zellmembranen dürfte kaum viel fester sein, als der der einzelnen Aschebrocken einer gerauchten Cigarre. Dieselben fallen bei der gewöhnlichen Herstellung der mikro- skopischen Präparate auseinander und sind nun, da sie sich nur noch sehr schwach färben und durch andere, stärker gefärbte Ausscheidungen aus der Pyocyanaselösung verdeckt werden, nicht mehr als Reste in ‘ Auflösung begriffener Bakterienzellen erkennbar. Man muß also bei der Herstellung gefärbter mikroskopischer Prä- parate, durch welche der Auflösungsprozeß verfolgt werden soll, sehr sorgfältig zu Werke gehen. Wir verfuhren unter anderem so, daß wir eine kleine Oese einer dünnen Aufschwemmung der Bakterien (Streptokokken, Diphtherie-, Typhusbaeillen etc.), sowie die einfache Menge einer starken Pyocyanase- lösung auf ein Deckglas brachten. Nach 1 oder 2 Minuten wurde der größte Teil der Pyacyanaselösung mit sterilisiertem Filtrierpapier ab- gesaugt, der Rest und die Bakterien bei gelinder Wärme (25—40° C) angetrocknet mit Methylenblaulösung gefärbt. In solchen Prä- paraten, bei welchen die Pyacyanase nur 2—5 Minuten einwirkte, kann man eine große Anzahl von nahezu ganz aufgelösten Streptokokkenketten sehen. Die Abbildung 1 zeigt solche Streptokokkenketten, auf welche die Pyocyanase vor der Antrocknung nur etwa 1 Minute einwirkte. Ein Teil dieser Streptokokkenketten sieht thatsächlich wie verflüssigt aus, wie wenn das Protoplasma und die Membran der Kugelzellen in eine schleimige Masse verwandelt und zerflossen wären. Um Kunstprodukte kann es sich bei diesen, in jedem Präparat zahlreich vorhandenen, enorm gequollenen oder verflüssigten Streptokokkenketten nicht handeln, weil jeder mechanische Eingriff (Ausstreichen etc.) sorgfältig verhütet wurde. Die Abbildung 2 zeigt ebenfalls Streptokokkenketten, auf welche die Pyacyanase nur 1 Minute eingewirkt hatte. Bei einzelnen Kokkenketten läßt sich nur noch aus spärlichen, in ihrer ursprünglichen Lage erhaltenen Membran- und Protoplasmaresten die frühere Länge, Form und Krüm- mung erkennen. Schönere Bilder der Auflösung und Verflüssigung von Bakterien kann man sich kaum vorstellen. Wie energisch muß dieses Enzym sein, welches die seiner Einwirkung ausgesetzten Bakterien zum Teil fast momentan verflüssigt. Erklärlich ist dieser rasche Verflüssigungs- proceß sehr wohl, wenn man bedenkt, daß es ja nur minimale, unwägbare Mengen von Nucleoproteiden sind, die in der Zeit von 1 Minute nahezu oder ganz aufgelöst werden. Die zurückbleibenden Reste sind wohl größtenteils anorganische Stoffe, in welche minimale Mengen organischer Substanz eingelagert sein mögen. Die bei diesen Versuchen verwendete Pyocyanaselösung war aller- dings sehr konzentriert, insofern in 10 ccm auf !/,, Volum eingeengter Kulturflüssigkeit nach der Dialyse noch 0,2 g durch Alkohol gefällter Pyocyanase gelöst worden waren. Die zu den Versuchen benützte Bouillonkultur von Strepto- cocecus pyogenes (Diphtheriefall) war 18 Stunden bei 37° C ge- wachsen und in derselben waren keinerlei Involutionsformen aufzufinden. Wie ganz anders sehen die Präparate aus, bei welchen eine 3,02- und eine 5-proz. Kochsalzlösung 1 Minute lang oder auch länger auf die Streptokokken eingewirkt hatte. 14 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, Abbildung 3 zeigt solche Streptokokkenketten. Dieselben haben ganz das gleiche Aussehen wie in einem direkt aus der Kultur her- gestellten Präparat. Wir geben aber gern zu, daß man auch in starken Salzlösungen mitunter ähnliche Quellungs- und Auflösungserscheinungen wahrnehmen kann, wie in Pyocyanase. Dieselben unterscheiden sich aber doch in qualitativer und quantitativer Beziehung. Hier wie dort handelt es sich um eine Auflösung von Bakterienzellen, deren Ursachen aber ganz verschieden sind. Zu diesen Versuchen, durch welche man die Veränderungen der Bakterien in Pyocyanase verfolgen will, darf man selbstverständlich keine alten Kulturen verwenden, welche schon lange im Laboratorium fort- gezüchtet wurden, weil diese meistens sehr viele durch das konforme Enzym zur Quellung etc. gebrachte Wuchsformen enthalten. Will man nicht bloß die in der Pyocyanase sofort nachweisbaren, sondern auch die später eintretenden Lösungserscheinungen beobachten, dann bringt man die in der oben beschriebenen Weise auf Deckgläsern hergestellten Mischungen der Bakterien mit Pyocyanaselösung in eine feuchte Kammer, stellt dieselbe bei 37° C in den Brutschrank und nimmt von Zeit zu Zeit ein Deckglas heraus, um nach Absaugung der Pyo- cyanaselösung nach Nakanishi oder in der schon erwähnten Weise zu färben. | In solchen Präparaten kann man die Veränderungen der Diphtherie-, Typhus-, Cholerabacillen ete. in Pyocyanase sehr schön verfolgen. Die in der späteren Zeit eintretenden Auflösungsvorgänge sind jedoch nur in quantitativer Hinsicht, d.h. in Bezug auf die Anzahl der veränderten Bakterien, von den in den ersten Stunden zu beobachtenden verschieden. Bei richtiger Ausführung dieser Versuche ist bei einer großen Anzahl von Bakterienzellen die Auflösung nach 2—3 Stunden bereits vollständig, insofern nur noch aus der eigentümlichen Anordnung der restierenden Membranteilchen und Plasmakörner oder Kerne die frühere Form des Stäbchens oder der Streptokokkenkette zu erkennen ist; daneben findet man namentlich in den durch die Agglutination gebildeten Häufchen Bakterien in allen möglichen Stadien der Auflösung. Wenn die in die Pyocyanaselösung gebrachte Bakterienmenge eine sehr große war, dann sieht man natürlich, oft sogar in Ueberzahl, Bakterienzellen von schein- bar völlig normalem Aussehen im Präparat. Beim Aufsuchen der Ver- änderungen beachtet man diese gut gefärbten Wuchsformen anfangs nicht und sucht zunächst nur nach schwach gefärbten. Die Veränderungen der Diphtheriebacillen in Pyocyanase geht in der Weise von statten, daß viele derselben schon nach U, Stunde das Vermögen, Farbstoff (Methylenblau) aufzunehmen, infolge der Auflösung ihres Inhaltes mehr und mehr verlieren. Daneben sieht man mitunter bei bestimmter (nicht zu starker) Konzentration der Pyocyanaselösung blaßblau gefärbte, enorm aufgequollene, keulenförmige Stäbchen, sowie solche, die ganz farblos erscheinen und im Inneren nur vereinzelte, wandständige, stärker gefärbte, punktförmige, noch nicht aufgelöste Proto- plasmareste erkennen lassen. Abbildung 4 zeigt nach Nakanishi ge- färbte Diphtheriebacillen, welche sich !/,—1 Stunde in Pyocyanaselösung befunden und die beschriebenen, in der ersten Zeit eintretenden Auf- lösungserscheinungen deutlich erkennen lassen. Ein Vergleich mit Fig. 6, welche ebenfalls mit Methylenblau gefärbte normale Diphtheriebacillen aus derselben Kultur zeigt, läßt die enorme Volumvergrößerung (Auf- quellung) schön ersehen. Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 15 Einzelne Polkörner bleiben in den schwach blau gefärbten oder farblosen Stäbchen noch lange intensiv gefärbt, ja dieselben sind auch dann noch sichtbar, wenn der übrige Teil der Bacillen und die in der Mitte gelegenen Körner verschwunden sind. Oft sieht der einzige, noch erkennbare Polkern einer Keule wie zerflossen oder verwaschen aus, indem das obere Ende intensiver gefärbt ist und die Färbung nach der Mitte des Stäbchens abnimmt (Beginn der Lösung). Schon nach - 1/, Stunde Aufenthalt in Pyocyanase sieht man namentlich in der Mitte von agglutinierten Häufchen viele nur noch ganz schwach gefärbte Keulen, Handeln etc. Die Farbaufnahme wird schließlich so gering und die Contour der wie zerflossen und verwaschen erscheinenden Stäbchen so undeutlich, daß man nur noch aus vereinzelt übrig gebliebenen, in ihrer ursprüng- lichen Lage erhaltenen und noch stark gefärbten Polkörnern ermitteln kann, daß die blaßblauen, aus undeutlichen stäbchenartigen Gebilden zusammengesetzten Farbhäufchen die Protoplasmareste aufgelöster Diph- theriebacillen darstellen. Diese Deutung wird noch dadurch gesichert, daß in der Mitte oder in der Peripherie eines solchen, aus kaum er- kennbaren Stäbchenformen zusammengesetzten blaßblauen Farbflecken meistens noch einzelne, mehr oder weniger gefärbte Diphtheriebacillen mit gut erhaltener Contour und Form vorhanden sind. Diese Verhält- nisse werden sehr gut durch Abbild. 5 illustriert, welche Diphtherie- bacillen nach !/,—!j/,-stündiger Einwirkung der Pyocyanase (bei 37°C) zeigt und die verschiedenen Stadien der Auflösung, sowie die nach Voll- endung derselben übrig bleibenden Membran- und Protoplasmareste (das am weitesten rechts liegende Häufchen) erkennen läßt. Man kann leicht ersehen, daß das in Abbild. 5 ganz rechts liegende Häufchen aus leeren Membranen von Diphtheriebacillen, deren Inhalt völlig aufgelöst ist, sowie aus vereinzelten, stark gefärbten Plasmakörnern besteht. Diese ihres Inhaltes beraubten Membranen sind zum Teil zusammengefallen, einzelne an einer Stelle um die Längsachse gedreht, wie ein nasses Tuch, welches man durch Drehen auszuwinden beginnt. Hierdurch wird die Gestalt des ursprünglichen keulenförmigen Stäbchens zwar sehr ver- ändert, aber bei einzelnen ist dieselbe noch deutlich zu erkennen. Je länger die Bacillen in der Pyocyanase waren, um so zahlreicher sind diese gleichmäßig blaß gefärbten Stäbchenformen, deren Inhalt völlig aufgelöst und zum Teil entleert ist. Nach 2 und besonders nach 4 Stunden sind sie bei mäßiger Aussaat oft zahlreicher, als die noch gut gefärbten und wohlerhaltenen Stäbchen. Die zu diesen Versuchen verwendete Zuckerserumkultur der Diphtheriebacillen war 18 Stunden bei 37° C gewachsen und dieselbe enthielt vorherrschend Keulenformen (s. Fig. 6). Abbildung 7 giebt ein Gesichtsfeld eines nach Nakanishi ge- färbten Präparates von Typhusbacillen, welche sich !/,—1 Stunde in Pyocyanase befanden. Vergleicht man diese Abbildungen mit normalen direkt einer 18 Stunden alten Agarkultur (37° C) entnommenen und nach Nakanishi gefärbten Typhusbacillen, so fällt, wie bei den Diphtheriebacillen, die bedeutende Volumzunahme auf. Einzelne Stäb- chen erscheinen fast farblos und im Inneren sind nur noch, wie wir dies auch bei gleich lang der Pyocyanase ausgesetzten Diphtheriebacillen gesehen haben, vereinzelte, wandständige oder an den Polen liegende punktförmige und stärker gefärbte Protoplasmareste vorhanden. Abbildung 8 zeigt die Reste völlig aufgelöster Typhusbacillen nach 4-stündiger Einwirkung der Pyocyanase. 16 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, Es muß übrigens bemerkt werden, daß wenn große Bakterienmengen in die Pyocyanaselösung gebracht werden, auch nach 12 oder 24 Stunden noch viele scheinbar normale Wuchsformen zurückbleiben, obgleich durch Plattenaussaat die Abtötung aller Bakterien nachgewiesen werden kann. Dies ist wahrscheinlich in der Verschiedenheit der in die einzelnen Zellen eingedrungenen Enzymmenge oder darin begründet, daß ein Teil des eingedrungenen bakteriolytischen Enzyms von den jungen, lebens- kräftigen Zellen oxydiert wird. Ist die eingedrungene Menge sehr klein oder wurde ein großer Teil oxydiert, so wird das Protoplasma abgetötet, aber nicht mehr aufgelöst. Es ist bisher nicht genügend beachtet worden, daß die durch das bakteriolytische Enzym bewirkte, soge- nannte Auflösung keine vollständige, auf alle Zellele- mente sich erstreckende zu sein braucht, um den Tod der Bakterien zu verursachen. Es genügt, daß der proto- plasmatische Zellinhalt oder gewisse organisierte Be- standteile desselben verflüssigt oder nur chemisch ver- ändert werden. Die baktericide Wirkung kann also durch ein bakteriolytisches Enzym verursacht sein, obgleich viele Bakterienzellen, bei denen gewisse Protoplasma- elemente nur eine Umänderung der Atomgruppen er- fahren haben, gar nicht sichtbar verändert erscheinen. Bei den sogenannten Lysinen des Serums ist dies ja längst bekannt. „Die Lysine“, sagt M. Nicolle!), „töten die Bakterien meist, ohne sie äußerlich zu verändern — mitunter freilich wird dabei auch ihre Gestalt in charakteristischer Weise modifiziert. So verwandeln manche Sera die Vibrionen in Granula. Bisweilen erfolgt vor dem Tode der Mikroorga- nismen Agglutination derselben.“ Warum sollte sich dies bei der Pyo- cyanase nicht ebenso verhalten ? Jedenfalls sind die Zellveränderungen, die auch Klimoff gesehen hat, beweisend genug für die Thätigkeit eines bakteriolytischen Enzyms. Agglutination von Bakterien in Pyocyanaselösung. Wir müssen hier zunächst auf einige Einwände entgegnen, welche gegen unsere Ansicht, nach welcher die Agglutination durch die bak- teriolytischen Enzyme und nicht durch besondere Agglutinine verursacht werden. P. Th. Müller?) verlangt von uns den Beweis, daß die Agglu- tinine identisch mit dem bakteriolytischen Enzym sind, während doch umgekehrt der Beweis von ihm geliefert werden müßte, daß beide ver- schieden sind! Er betont besonders, daß die „echte“ Agglutination anders aussieht wie eine Verschleimung. Dieser unwesentliche Unter- schied ist jedenfalls nur durch Nebenumstände, wahrscheinlich aber darin bedingt, daß in den Kulturen die agglutinierten Bakterien noch langsam weiter wachsen. Das Gleiche beobachtet man aber auch in Bouillon- kulturen von Typhus- und Cholerabacillen, in welchem man durch Zu- satz von Immunserum Agglutination bewirkt hat. Gruber hat zuerst angegeben, daß in solchen agglutinierten Kulturen, die Bakterien in Form langer, verfilzter Fäden weiterwachsen, so daß das Bakteriensedi- ment nach einiger Zeit ein ähnliches Aussehen hat, wie die Bouillon- 1) Grundzüge der allgemeinen MD Org Berlin 1901. Verlag von August Hirschwald (deutsch von Dünschmann). . 167. 2) Centralbl. f. Bakteriol. 1. Abt. Bd. XXX. p. 65. Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 17 kulturen durch die allmähliche Anreicherung mit bakteriolytischem Enzym agglutinierten, am Boden des Reagenzglases liegenden Schweinerotlauf- baeillen. Auch kann das Ansehen des Agglutinationsphänomens mög- licherweise etwas verschieden sein, je nachdem dasselbe durch freies, bakteriolytisches Enzym oder, wie beim Immunserum, durch Immun- proteidin verursacht wird. Wir werden diesbezügliche Versuche dem- nächst ausführen. Wenn P. Th. Müller mit seinen Pyocyaneus-Bouillonkulturen weder Agglutination noch Abtötung der Bakterien erzielt hat, so ent- hielten dieselben eben kein oder sehr wenig bakteriolytisches Enzym. Castellani!) schließt zuerst ganz richtig, daß agglutinierende und schützende Substanz sich gleich verhalten, aber schließlich glaubt er doch annehmen zu müssen, daß beide verschieden sind, weil er nach Injektionen der Dysenteriebacillen nur ein agglutinierendes, aber kein schützendes Serum erhalten konnte. Dies erklärt sich aber auf Grund unserer Theorie sehr leicht. Entweder (a) ist nicht genug Kultur injiziert, die Immunisierung also nicht hoch genug getrieben worden, so daß nur schwache Enzymwirkung vorhanden war, oder aber (b) das Dysenteriebacillen-Enzym (Dysenterase) erfährt im Kaninchen- körper eine solche Abschwächung, daß es nicht mehr zu schützen, wohl aber noch zu agglutinieren vermag. Der Unterschied zwischen aggluti- nierenden und schützendem Prinzip ist hier lediglich quantitativ (im Falle a), kein qualitativer und im zweiten Falle (b) beruht er auf einer partiellen Veränderung des immunisierenden Stoffes. Es wurden in neuerer Zeit auch einige Beobachtungen publiziert, nach welchen Lösung von Bakterien ohne vorherige Agglutination stattfand. Daraus wurde geschlossen, daß es besondere Agglutinine giebt, mit denen die bakteriolytischen Enzyme nichts zu schaffen haben. Dieser Schluß ist aber irrig! Auflösung von Bakterien ohne vorherige Agglutination erfolgt oft dann, wenn die Flüssigkeit einen sehr hohen Gehalt an bakteriolytischem Enzym hat. Außerdem gehören aber zur Asglutination zwei Dinge: 1) eine Membran der Bacillen, welche über- haupt verschleimen kann, und 2) das bakteriolytische Enzym. Diese Hüllen sind nun von verschiedener Zusammensetzung; in manchen Fällen bestehen sie aus Körpern, welche Verbindungen von Protein- stoffen mit Kohlehydraten sind, in anderen aus chitinartigen Stoffen etc. Die Dicke der Membran kann je nach der Nährlösung ebenfalls sehr variieren und deshalb wird die Verschleimung, das Zusammenkleben in ganz verschiedenem Grade eintreten können. Wir lassen hier wörtlich eine diesbezügliche Erörterung von OÖ. Löw und Y. Kozei?) folgen: „Dasselbe gilt aber auch für die Bildung von „Schleim“, welche beim Bac. pyocyaneus auftreten oder ausbleiben kann. Die Schleim- bildung ist bekanntlich nach Nägeli Folge einer weit getriebenen Aufschwellung der Zellmembranen. Man kann also folgern, daß bei ausbleibender Schleimbildung weit weniger Membransubstanz gebildet wird, oder daß in der betreffenden Nährlösung Enzyme gebildet werden, welche die Membranen völlig wieder auflösen. Marpmann schreibt in Bezug auf die Membranbildung (Centralbl. f. Bakt. ete. II. Abt. Bd. VI. p- 674): „Es steht somit fest, daß die Substanz der Hülle, resp. Kapsel, nicht bei allen Spaltpilzen aus denselben Stoffen gebildet ist und daß 1) Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 37. p. 391 , 2) Zur Physiologie des Bacillus pyocyaneus. (Bulletin des College of Agriculture. Universität Tokio. Vol. IV. 1901. No. 4.) Erste Abt. XXXI, Ba. 2 18 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, die Stoffe nach Art der chemischen Zusammensetzung des Nährbodens sehr variieren und endlich, daß diese Hüllen bei besonderen Verhältnissen von Temperatur und Nährboden überhaupt nicht gebildet werden.“ Hier muß ein sehr merkwürdiges, mikroskopisch zu beobachtendes Phänomen erwähnt werden, welches vielleicht geeignet ist, auf den noch so dunklen Mechanismus der Enzymwirkungen überhaupt Licht zu werfen. Bringt man geeignete Bakterien mit Pyocyanase zusammen und untersucht man sofort im hängenden Tropfen, so kann man z. B. sehr deutlich bei Typhusbacillen beobachten, wie sich alsbald außerordentlich feine Stoffteilchen aus der Flüssigkeit ausscheiden, welche sich an der Membran der Bacillen sammeln und die einzelnen Bacillen einhüllen, die gleichzeitig zu Häufchen verklebt werden. Färbt man einen kleinen Tropfen Pyocyanaselösung, der man eine Spur Bouillonkultur von Streptococcus pyogenes zugesetzt hat, nach Nakanishi, so sieht man ebenfalls bei 1000-facher Vergrößerung, wie die einzelnen Kokkenketten oder Häufchen von solchen außer- ordentlich feinen, zum Teil schwächer, zum Teil stärker blau gefärbten Stoffpartikelchen eingehüllt werden. Oft ist die Masse derselben so sroß, daß die Kokkenhäufchen fast ganz verdeckt werden und nur noch einzelne Ketten sichtbar bleiben. Daß diese die Bakterien einhüllenden Stoffteilchen resp. Nieder- schläge, zum Teil wenigstens, organischer Natur sind, bekundet sich auch durch ihre Färbbarkeit. Mit wässeriger Methylenblaulösung färben sich dieselben teils hellblau, teils dunkelblau und eine Mischung von Methylenblau und Fuchsinlösung bewirkt hellblaue Färbung. Diese Beobachtung kann nur in der folgenden Weise erklärt werden: Aus der chemischen Pflanzenphysiologie ist längst bekannt, daß beim Ab- sterben des Protoplasmas die osmotischen Eigenschaften desselben total verloren gehen und deshalb die löslichen Stoffe, welche bei Lebzeiten festgehalten wurden, beim Absterben austreten; ausgenommen sind nur solche Proteinstoffe, welche mechanisch sich auf dem toten Protoplasma niederschlagen können und so wie ein Farbstoff von fein verteilter Kohle festgehalten werden. Jenes Prinzip gilt natürlich auch für rote und weiße Blutkörperchen und erklärt manche, bisher nicht richtig gedeutete Erscheinungen. Auch in diesem Falle, bei der Einwirkung der Pyocyanase auf lebende Bakterien ist jenes Prinzip anzuwenden, um die Ausscheidung feiner Partikel bei dem Vorgange der Agglutination zu erklären. Man möchte hier leicht in Versuchung kommen, die Agglutination als Folge der Niederschlagsbildung aufzufassen, was aber unrichtig wäre. Beide Erscheinungen sind jedoch enge miteinander verknüpft in folgender Weise: Die Pyocyanase greift die lebenden Bakterien an und bringt sie zunächst unter Verquellung zur Agglu- tination; die absterbenden Bakterien lassen nun ihre löslichen Bestand- teile austreten und einer derselben verbindet sich mit einer gewissen Menge Pyocyanase zu einer unlöslichen, sich ausscheidenden Ver- bindung. Sehr oft bleibt die durch die Enzymwirkung bedingte Veränderung der Bakterien in diesem Stadium stehen und es erfolgt alsdann keine vollständige Auflösung derselben. Die Beobachtung von Ch. Nicolle!), „daß durch die 1) Annales de l’Institut Pasteur. T. XII. 1898. p. 161 etc. Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 19 agglutinierende Substanz Koagulation in der Flüssigkeit und rings um die Bakterienmembran erzeugt wird, wodurch die Mikroorganismen mechanisch mit niedergerissen werden“, gehört wohl auch hierher und ist in gleicher Weise zu erklären. Ein weiterer, von Dr. Dietrich nicht genügend gewürdigter Beweis für die Enzymnatur der baktericiden Substanz in Pyocyanaselösungen ist der Eintritt typischer Agglu- - tination beim Zusatz bestimmter Bakterien. Wir haben zu Anfang dieser Abhandlung gezeigt, weshalb Dr. Klimoff keine Agglu- tination in seiner konzentrierten Pyocyaneus-Bouillon beobachtet hat. Dr. Dietrich dagegen sagt, daß er beim Zusatz von Cholera- vibrionen zur Pyocyanaselösung „stärkere Agglutination‘‘ gesehen habe. Der Agglutinationsvorgang in Pyocyanaselösung ist bei fast allen Bak- terien, welche durch dieselbe abgetötet werden, sowohl makroskopisch als mikroskopisch in typischer Weise meistens zu beobachten. In starken Pyocyanaselösungen tritt die Agglutination schon nach wenigen Sekunden ein. Die Zeit des Eintrittes der Agglutination in der gleichen Pyo- cyanaselösung ist aber bei den verschiedenen auflösbaren Bakterien ver- schieden. Eine Pyocyanaselösung, welche die zugesetzten Diphtherie- bacillen nach 5 Minuten agglutinierte, bewirkte beim Zusatz von Staphy- lococcuspyogenesaureuserstnach 15 Minuten Agglutination. Auch mikroskopisch ist sowohl die Agglutination als auch der Auflösungs- prozeß der Bakterien im hängenden Tropfen sehr schön zu beobachten. So kann man z. B. bei Typhusbacillen beobachten, daß dieselben im hängenden Pyocyanasetropfen sofort die Eigenbewegung verlieren und nach 4—5 Stunden bis auf kleine Protoplasmakörner völlig auf- gelöst werden. Bei Beobachtung der in Pyocyanaselösung suspendierten Streptokokken (Streptococcus pyogenes diphtheriae) im hängenden Tropfen sieht man schon nach 5—10 Minuten viele Ketten zu Haufen agglutiniert. Einige, namentlich endständige Kokken, sind bereits um das Doppelte ihres Volumens vergrößert und stark lichtbrechend. Nach ca. 2 Stunden sind viele Kugelketten ganz verschwunden, andere sehen wie Fäden aus, d.h. die einzelnen Kugeln sind nicht mehr zu sehen, sondern ein Faden von der Länge der ursprünglichen Kette, welcher aus einer allen Gliedern gemeinsamen Membran zu bestehen scheint. Es ist schwer zu ent- scheiden, ob die letztere leer oder mit einer wasserklaren Flüssigkeit gefüllt ist, in welcher jedwede Differenzierung fehlt. Am Ende ist die Membran bei einzelnen dieser Fäden wie zerfasert und zwischen den außerordentlich feinen Fäserchen liegen Gebilde, welche wie mit wasser- klarem Inhalt gefüllte Einzelkokken (hell, farblos) oder wie dunkle, punktförmige Kerne aussehen. Mit der Zeit nimmt die Zahl der Kokken- ketten ab und die der leeren Fäden zu. Die mit unbewaffnetem Auge zu beobachtende Auflösung von Cholerabacillen in Pyocyanaselösung. Wenn man die sofortige vollständige Auflösung von pathogenen Bakterien in Pyocyanaselösung in Kursen oder Vorlesungen oder solchen makroskopisch demonstrieren will, die daran zweifeln, so verfährt man in folgender Weise: Man stellt eine Aufschwemmung von Cholerabacillen her, indem man in !/, ccm einer 24 Stunden alten Bouillonkultur eine halbe oder ganze Kultur von schief erstarrtem Agar-Agar gut verreibt. Weiterhin bereitet man eine starke Pyocyanaselösung, indem DE 20 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, man in 10 ccm der filtrierten, auf !/,, Volumen konzentrierten und dialysierten Flüssigkeitskultur des Bac. pyocyaneus noch 0,2 g mit Alkohol gefällte Pyocyanase löst. Als verdünnte Pyocyanaselösung dient die im Verhältnis von 1:5 mit sterilisiertem, destilliertem Wasser verdünnte, filtrierte, auf !/,. Vol. konzentrierte und dialysierte Pyo- cyaneusflüssigkeitskultur. Bringt man nun von der obigen auf 37—38° C erwärmten kon- zentrierten Cholerabacillenaufschwemmung 0,05—0,1 cem in 1— 2 cem starke, ebenfalls auf 33° C erwärmte Pyocyanaselösung, so wird die Flüssigkeit sehr trüb und völlig undurchsichtig; aber schon nach eine Minute langem Schütteln klärt sich die Flüssigkeit auf, die enorme Menge zugesetzter Cholerabacillen wird aufgelöst und nach 2—5 Minuten ist die Pyocyanaselösung wieder völlig klar, durch- sichtig und glanzhell, wie wenn sie filtriert worden wäre. Das gleiche Phänomen beobachtet man, wenn man eine geringere Menge Cholera- bacillenaufschwemmung zu 1—2 cem verdünnter Pyocyanaselösung setzt. Nur dauert es hier einige Minuten länger, bis die durch die Cholerabacillen getrübte Flüssigkeit wieder klar und durchsichtig ge- worden ist. Wenn man der nicht neutralisierten, gut alkalisch reagierenden blaugrünen Pyocyanaselösung auf einmal sehr viel Cholerabacillen zu- setzt, dann färbt sich dieselbe infolge der Reduktion des Pyocyanin und Umwandlung in Pyoxanthose mehr oder weniger stark gelb. Auch wenn man diese Pyocyanaselösungen bis zu ganz schwacher, gerade noch merkbarer alkalischer Reaktion mit verdünnter Salzsäure oder Essigsäure oder mit beiden zu etwa gleichen Teilen neutralisiert, so tritt nach Zusatz von Cholerabacillenaufschwemmung die gleiche Erscheinung der vollständigen Auflösung der Bacillen und Klärung der Pyocyanaselösung in genau der gleichen Zeit ein, wie in der stärker alkalischen Lösung. Da nicht nur die konzentrierte und stärker alkalische Pyocyanase- lösung das mit unbewaffnetem Auge verfolgbare Phänomen der Auf- lösung der Cholerabacillen in wenigen Sekunden bis Minuten hervor- bringt, sondern auch die verdünnte und die nahezu neutralisierte Pyo- cyanase, und da es gleichgiltig ist, ob man dabei mit Salzsäure oder Essigsäure neutralisiert, so kann diese Erscheinung unmöglich durch osmotische Salzwirkung, sondern nur durch die Thätigkeit eines bakterio- lytischen Enzyms erklärt werden. Die !/, und 2 Stunden im strömenden Dampf erhitzte Pyocyanase wirkt zwar etwas schwächer, aber doch noch sehr energisch bakteriolytisch auf Cholerabacillen, gleichviel, ob man diese erhitzten Lösungen nahezu neutralisiert oder nicht. Sowohl Dr. Dietrich als Dr. Klimoff haben eine Anzahl stich- haltiger Beweise, welche wir für die Enzymnatur der baktericiden Sub- stanz in filtrierten Pyocyaneus-Kulturen erbracht haben, gänzlich un- beachtet gelassen. Insbesondere ist es die interessante und bedeutsame Thatsache, daß die Pyocyanase nicht nur gewisse pathogene Bakterien, sondern auch deren Gifte im tierischen Organismus zerstört, d. h. un- wirksam macht, welche Herrn Dr. Dietrich so unbequem zu sein scheint, daß er diesen wichtigen Beweis für die Enzymnatur der Pyo- cyanase gar nicht erwähnt. Dieses Unwirksamwerden des Diphtheriegiftes im tierischen Or- ganismus nach Pyocyanaseinjektionen ist daraus leicht erklärbar, daß die Pyocyanase ein Enzym ist. Die löslichen Bakteriengifte, insbesondere Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 2] das Diphtherietoxin, sind ja nach Roux und Yersin!) Enzyme, oder wie die Franzosen sagen: „Diastasen“. „Wie diese wirken sie in außer- ordentlich schwachen Dosen, sind in Glycerin und Wasser löslich, dialy- sieren sehr langsam und werden durch Filtration abgeschwächt. Sie sind. dabei sehr empfindlich gegen Hitze, Licht und oxydative Einflüsse, gegen Aenderung der Reaktion und verschiedene chemische Reagentien. Sie haften an den Präcipitaten und Coagulis, die man in den Flüssig- keiten hervorruft, worin sie sich gebildet hatten und schlagen sich auf mancherlei Substanzen nieder etc. (M. Nicolle)?).“ In unserer in Bd. XXX dieser Zeitschrift publizierten Abhandlung haben wir p. 51—53 gezeigt, daß man mit Diphtheriegift tödlich ver- giftete Meerschweinchen durch wiederholte Pyocyanaseinjektionen heilen kann. Die Pyocyanase macht also das Diphtherietoxin unwirksam, d. h. sie bewirkt eine Umänderung der aktiven Atomgruppen desselben. Daß ein Enzym ein anderes zerstören kann, ist durch eine schöne Beobach- tung von R. Hartig erwiesen. Wir führen diesen klassischen Fall hier noch einmal an, da er offenbar nicht die verdiente Beobachtung gefunden hat. „Wenn die Eiche von zwei bekannten Parasiten befallen wird, nämlich von Polyporus igniarius und Polyporus chya- deus, und die Mycelfäden dieser Pilze sich einander im Holze be- gegnen, so bleibt das im Holze gespeicherte Stärkemehl intakt, obgleich jeder dieser Pilze eine energisch Stärkemehl lösende Diastase absondert. Es bleibt hier nur der Schluß übrig, daß die beiden Diastasen ineinander eingegriffen, sich vielleicht zu einem Körper verbunden haben, der keine stärkelösende Wirkung mehr hat.“ Die interessante Beachtung von Kraus°), nach welcher im Choleraimmunserum beim Zusatz alter, klar filtrierter Cholerakultur ein Niederschlag entsteht, deutet darauf hin, daß das agglutinierende bakteriolytische Enzym nicht nur die Cholerabacillen vernichtet, sondern auch das Bakteriengift ausfällt und unwirksam macht. Dies stimmt mit unserer Beobachtung überein, nach welcher die Pyocyanase nicht nur die Diphtheriebacillen abtötet, sondern auch das Diphtherietoxin zerstört. Die Diphtheriegift zerstörende Wirkung der Pyocyanase spricht also entschieden für deren Enzymnatur. Dr. Dietrich und Dr. Kli- moff sind dagegen nicht imstande, diese merkwürdige Wirkung der Pyocyanaseflüssigkeit zu erklären. Auch die sogenannte antagonistische Thätigkeit des Bac. pyocyaneus muß als Beweis für die Wirksamkeit des bakterio- Iytischen Enzyms in Pyocyaneus-Kulturen aufgeführt werden. Wenn man Cholera-, Typhus- oder Diphtheriebacillen gleichzeitig mit dem Bac. pyocyaneus auf schief erstarrtem Nähragar oder auf Loeff- ler’s Blutserum impft, so wächst nur der Bac. pyocyaneus, während die anderen Bakterien schon nach 24 Stunden vernichtet und durch das Plattenverfahren nicht mehr nachweisbar sind. Ja selbst wenn man den Bac. pyocyaneus auf schon entwickelte Agar- oder Serumkulturen von Cholera-, Typhus- oder Diphtheriebacillen überträgt, so löst der- selbe die letzteren in wenig Tagen so vollständig auf, daß sie durch die Plattenkultur nicht mehr aufzufinden sind! Bei diesem Vorgange, den 1) Annales de l’Institut Pasteur. 1888 et 1890. 2) Grundzüge der allgemeinen Mikrobiologie (deutsch von H. Dünschmann). Berlin (Hirschwald) 1901. p. 124. 3) Wiener klin. Wochenschr. 1897. No. 32. p. 736. 22 Rudolf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, man früher als „Antagonismus der Bakterien“ bezeichnet hat, kann von einer Salzwirkung keine Rede sein. Die mächtige Waffe, durch welche der Bac. pyocyaneus so enorme Massen von Bakterien vernichtet, kann nur das bakteriolytische Enzym, die Pyocyanase, sein. Ein weiterer Beweis dafür, daß die osmotische Wirkung bei der Bakterieidie der filtriertten Pyocyaneus-Kulturen nicht das Wesent- liche ist, liegt in dem Umstande, daß man den Bac. pyocyaneus in Nährbouillon und in den verschiedensten salzarmen (1,6 g Salze pro Liter) oder salzreichen Nährlösungen (10,5 g Salze pro Liter) züchten und doch stets annähernd gleich stark baktericid wirkende Flüssigkeiten nach der Dialyse erhalten kann. Einen schlagenden Beweis dafür, daß die baktericide Wirkung der filtrierten Pyocyaneus-Kulturen nicht auf osmotischen Störungen, sondern auf der Thätigkeit eines bakteriolytischen Enzyms beruht, liefern die Versuche, nach welchen mit Milzbrand tödlich infizierte Tiere sicher geheilt werden können, wenn man ihnen genügende Mengen Pyocyanase wiederholt injiziert. Gelingt ein Heilversuch nicht, so ist eine zu ge- ringe Menge Pyocyanase injiziert worden und die Wiederholung des Versuches mit einer gerade ausreichenden tödlichen Dosis Baecillen, aber mit größeren Quantitäten Pyocyanase, wird ein positives Resultat er- geben. Dr. Dietrich giebt nun zwar an, daß es ihm in einigen Ver- suchen gelungen sei, mit Anthrax infizierte Kaninchen durch Behand- lung mit 3-proz. Kochsalzlösung 1—5 Tage länger am Leben zu er- halten als die am 2. Tage post inf. gestorbenen Kontrolltiere. Abge- sehen davon, daß durch „einige Versuche“ nichts bewiesen wird, ist hier einzuwenden, daß bei ganz gleicher Infektion mit Milzbrandbacillen die einzelnen Tiere nach sehr verschieden langer Zeit sterben. Dies ist ganz besonders dann der Fall, wenn die Anthraxkultur nicht voll- virulent war. Daß man auch in unbehandelten Tieren, wenn sie sehr spät sterben, eine große Anzahl von Milzbrandbacillen in allen Stadien der Auflösung findet, habe ich schon früher mitgeteilt. Diese Auf- lösung der Bacillen wird aber nicht durch die Kochsalzlösung, sondern durch das bakteriolytische Enzym des normalen Blutes oder durch mit der Kultur eingeführte Anthracase verursacht. Die Einwände des Herrn Dr. Dietrich könnten nur dann auf Berücksichtigung Anspruch machen; wenn er mit vollvirulentem Anthrax infizierte Kaninchen ebenso regelmäßig und sicher durch Salzlösungen heilen könnte, wie wir es mit Pyocyanase vermögen. Zusammenfassung der Resultate. Nach den oben mitgeteilten Thatsachen entfaltet das bakteriolytische Enzym des Bac. pyocyaneus, die Pyocyanase, geradezu bewunderns- werte Aktivität und Energie. Eine außerordentlich geringe, kaum wäg- bare Quantität desselben vernichtet Millionen von Diphtherie-, Cholera-, Typhus- und Pestbacillen oder pyogene Streptokokken und Staphylo- kokken in wenig Sekunden und macht die Gifte der Bakterien, z. B. das der Diphtheriebacillen, unwirksam. Der Niederschlag, den man durch Vermischen alter, filtrierter, auf !/,. Volumen konzentrierter und dialysierter Pyocyaneus-Kulturen mit der 10-fachen Menge Alkohol unter Aetherzusatz erhält, besteht zum geringsten Teil aus Pyocyanase und enthält neben anorganischen Stoffen noch eine große Menge organischer Substanzen, nämlich: Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 23 4,179 Proz. organische Stoffe, 2,093 „ anorganische Stoffe. Das Protoplasma des Bac. pyocyaneus erzeugt, soviel bis jetzt be- kannt, zum mindesten 6 verschiedene Enzyme, nämlich 1) Katalase (0. Löw), 2) ein peptonisierendes, trypsinähnliches, eiweißlösendes En- zym (Fermi), 3) Lab, 4) Casease, 5) Invertin, 6) das bakteriolytische - Enzym (Pyocyanase). Die Enzymnatur der Pyocyanase wird durch folgende Thatsachen erwiesen: 1) Es sind völlig ausreichende zahlenmäßige Beweise von uns und Anderen dafür erbracht, daß die Wirkung der Pyocyanase proportional der Zeit, der Konzentration, umgekehrt proportional der Menge der Bakterienaussaat erfolgt, wie es bei einer Enzymwirkung sein muß. 2) Die unverminderte Baktericidie von filtrierten Pyocyaneus-Kul- turen mit sehr geringer oder gänzlich fehlender „tryptischer“ Wirkung beweist nichts gegen die Verursachung der ersteren durch ein bakterio- Iytisches Enzym, weil die „tryptische“ resp. peptonisierende Wirkung durch ein ganz anderes Enzym verursacht wird als die bakteriolytische. Das peptonisierende Enzym wird schon durch !/,-stündiges Kochen im Wasserbade unwirksam, während das bakteriolytische Enzym erst durch 2-stündiges Erhitzen im strömenden Dampfe abgeschwächt wird. 3) Die Beständigkeit der bakterienvernichtenden Wirkung gegen Hitze widerspricht nicht der Enzymnatur der Pyocyanase, weil das Protoplasma des Bac. pyocyaneus eine ähnlich hohe Hitzebeständig- keit besitzt und weil dieselbe von anderen, in tierischen Organen vor- kommenden Enzymen sogar noch übertroffen wird. 4) Der Vergleich mit isotonischer Kochsalzlösung zeigt, daß die- selbe nicht im entferntesten die baktericide Wirkung entsprechender Pyocyanaselösungen besitzt, so daß die ungemein viel energischeren Wirkungen der letzteren nicht durch osmotische Störungen bedingt sein können. Auch durch die alkalische Reaktion kann die Bakterieidie un- möglich verursacht sein, weil sowohl mit Salzsäure als mit Essigsäure neutralisierte oder bis zur gerade noch merkbaren, alkalischen Reaktion dialysierte, oder mit Wasser verdünnte Pyocyanaselösungen fast unver- mindert baktericid sind. 5) In Uebereinstimmung mit der Theorie der Enzymthätigkeit er- höht Anaörobiose die bakterienvernichtende Wirkung der Pyocyanase in hohem Maße, während bei derselben die betreffenden Bakterien (z. B. Cholerabacillen, Typhusbacillen) in pyocyanasefreien Nährlösungen nicht nur keine Keimverminderung, sondern eine beträchtliche Vermehrung a (s. Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh. Bd. XXXI p. 43 u. 46). 6) Die Veränderungen der Bakterien in Pyocyanase unterscheiden sich von denjenigen in isotonischer Kochsalzlösung in qualitativer und quan- titativer Hinsicht ganz bedeutend. Dieselben treten ebenso rasch ein, wie der Plattentod, und können nur als Bakteriolyse aufgefaßt werden. 7) Die Möglichkeit, Tiere zu heilen, insbesondere aber die den theoretischen Ueberlegungen entsprechend gelungene Ueberführung der Pyocyanase in die immunisierend wirkende, hochmolekulare Eiweißver- bindung (Immunproteidin) sprechen ebenfalls für die Enzymnatur. Die 24 Rudölf Emmerich, Oskar Löw und A. Korschun, Veränderungen, welche die Milzbrandbacillen im behandelten Tierkörper erkennen lassen, sind ebenfalls nur als Auflösungserscheinungen zu er- klären, da sich die einzelnen Stadien der Auflösung sehr gut verfolgen lassen und schließlich nur Membranreste und Granula übrig bleiben. 8) Auch die Diphtheriegift-zerstörende Wirkung der Pyocyanase erklärt sich am besten aus der Enzymnatur derselben, insofern hierbei die beiden Enzyme ineinander eingreifen, wodurch eine Umänderung der aktiven Atomgruppen bewirkt wird. Dagegen kann die Zerstörung des Diphtheriegiftes im tierischen Organismus unmöglich durch den Salzgehalt der injizierten Pyocyanaselösung bedingt sein. 9) Auch die Vernichtung entwickelter Bakterienkulturen auf festem Nährboden (Nähragar) durch den Bac. pyocyaneus kann wohl durch die Wirkung des bakteriolytischen Enzyms (Pyocyanase) erklärt, un- möglich aber als bloße Ueberwucherung aufgefaßt werden. Als weitere Beweise für die Enzymnatur der Pyocyanase sind zu nennen: 10) Die typische Agglutination, welche in Pyocyanaselösung beim Zusatz homöoformer Bakterien eintritt. 11) Die mit bloßem Auge sichtbare Auflösung von Cholerabacillen in alkalischer und nahezu neutralisier- ter Pyocyanaselösung, welche beim Zusatz großer Mengen von Bacillen gänzlich trüb und undurchsichtig, nach wenigen Minuten aber wieder völlig klar und glanzhell wird, wie wenn sie filtriert worden wäre. 12) Auch andere pathogene Bakterien, wie z. B. die Anthrax- bacillen, die Schweinerotlaufbacillen, bilden, wie wir nachgewiesen haben, homöoforme bakteriolytische Enzyme, welche aber nur diejenige Bak- terienart auflösen, von welcher sie erzeugt wurden. Diese bei der be- treffenden Infektion heilend wirkenden Nukleasen können, wie die Pyo- cyanase, in eine immunisierend wirkende Eiweißverbindung (Immun- proteidin) übergeführt werden. Es sind somit überzeugende Beweise dafür erbracht, daß es ein in der Kulturflüssigkeit des Bac. pyocya-- neus enthaltenes bakteriolytisches Enzym ist, welches die bakterienver- nichtende Wirkung in vitro, die heilende und (als Immunproteidin) die immunisierende im Tierkörper bedingt. Die Produktion bakteriolytischer Enzyme ist eine den meisten pathogenen Bakterien zukommende Eigenschaft. In der Regel bildet eine Bakterienart nur ein homöoformes bakteriolytisches Enzym, welches ausschließlich die es erzeugende Art zu vernichten vermag. Der Bac. pyocyaneus dagegen produziert ein heteroformes bakteriolytisches Enzym, welches auch das Protoplasma anderer Bakterien, z. B. der Cholera-, Typhus-, Diphtherie- und Pestbaecillen, sowie das des Strepto- coccus pyogenes und des Staphylococcus pyogenes aureus auflöst. Die bakteriolytischen Enzyme werden im tierischen und mensch- lichen Körper unter Mitwirkung der Alkalität des Blutes oder der Organ- flüssigkeiten in hochmolekuläre Eiweißverbindungen (Immunproteidine) übergeführt, welche die bakteriolytischen Wirkungen des freien Enzyms in vollem Maße besitzen und im Körper haltbar sind. Auf der bakteri- ciden Wirkung der bakteriolytischen Enzyme resp. der Immunproteidine, welche nicht nur im Blute, sondern auch in anderen Körperflüssigkeiten enthalten sind, beruht die natürliche und künstliche Immunität. Die in | | Ceninalbioht F Bakteriologie At I BANN. Enmench low karschın Deren Frame x are . ein LT u 17 re - ee N 7 ! FE EEE v 2) Verkgv. Gustav Fischer aa Lith Änstv P\Weise Jena. Die bakteriolytische Wirkung der Nucleasen und Nucleasen-Immunproteidine etc. 25 Bakterienkulturen erzeugten bakteriolytischen Enzyme lassen sich auch künstlich (in vitro) durch Digerieren ihrer mit 0,1—0,3 Proz. Kali (resp. kohlensaures Kali) und Blut oder Milzmasse versetzten Lösung in im- munisierend wirkende Immunproteidine überführen. Die durch die bak- teriolytischen Enzyme verursachte bakterieide Wirkung beruht oft nur auf einer chemischen Veränderung oder teilweiser Verflüssigung des Zellinhaltes, so daß die abgetöteten Bakterien keine auffallenden Ver- - änderungen mikroskopisch erkennen lassen. Die Pyocyanase hat nichts mit dem hitzebeständigen, bakterieiden Körper zu thun, den Conradi!) bei der Autolyse tierischer Organe beobachtete. Dieser Körper dialysiert leicht und ist löslich in Alkohol, unsere Pyocyanase dialysiert schwer und wird durch Alkohol gefällt. Mit der „Autolyse“ hat die Pyocyanase keinen Zusammenhang, da bei der Autolyse tierischer Organe nukleinlösende Enzyme nicht entstehen, überhaupt nur trypsinartige Enzyme thätig sind, deren Verbreitung im Tierkörper bekannt war. Immerhin ist die Beobachtung Conradi’s von hohem Interesse. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Streptococcus pyogenes (aus der Milz einer Diphtherieleiche) 18- stündige Bouillonkultur (37° C) nach 1 Minute langer Einwirkung starker Pyocyanase- lösung. Präparat getrocknet und mit Loeffler’s Methylenblau gefärbt. Zeiss Im- mersion '/,,, Okular 2. Fig 2. Streptococcus pyogenes (gleiche Kultur) nach 1—2 Minuten langer Einwirkung starker Pyocyanaselösung. Methylenblaufärbung wie Fig. 1. Seibert Immersion '/,,, Okular 2. Fig. 3. Streptococcus pyogenes (gleiche Kultur) nach 1 Minute langer Passt 5-proz. Kochsalzlösung. Färbung wie bei Fig. 1. Seibert Immersion '/,,, ar 2. Fig. 4. Diphtheriebacillen (18-stündige Kultur auf Loeffler’s Zuckerserum) nach '/,—1-stündiger Einwirkung gewöhnlicher Pyocyanaselösung. Färbung nach Na- kanishi mit Methylenblau. Zeiss Immersion !/,,, Okular 4. Fig. 5. Diphtheriebacillen (gleiche Kultur) nach !/,-stündiger Einwirkung starker Pyocyanaselösung. Präparat getrocknet und mit Loef£fler’s Methylenblau gefärbt. Zeiss Immersion !/,,; Ökular 4. Fig. 6. Normale Diphtheriebacillen (gleiche Kultur). Präparat getrocknet und mit Loeffler’s Methylenblau gefärbt. Zeiss Immersion !/,,, Okular 4. Fig. 7. Typhusbacillen (18 Stunden bei 37° C auf Nähragar gewachsen) nach !/, bis 1-stündiger Einwirkung gewöhnlicher Pyocyanaselösung. at nach Naka- nishi. Zeiss Immersion '!/,, Okular 4. Fig. 8. Reste aufgelöster 'Typhusbacillen (gleiche Kultur) nach 4-stündiger Ein- wirkung gewöhnlicher Pyocyanaselösung. Zeiss Immersion '/,, Okular 2. 1) Hofmeister, Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie. Bd. I. p. 222. 26 B. Issatschenko, Nachdruck verboten. Untersuchungen mit dem für Ratten pathogenen Bacillus. Von B. Issatschenko, Privatdozent der K. Universität in St. Petersburg. I: Im Jahre 1898 hatte ich Gelegenheit, einen von mir aus grauen Ratten!) (Mus decumanus) erhaltenen Bacillus kurz in dieser Zeit- schrift?) zu beschreiben. Bei näherer Untersuchung erwies sich dieser Bacillus als sehr virulent für Ratten und Mäuse, dagegen waren Haus- tiere verschiedener Art unempfänglich, aus welchem Grunde der Ge- danke nahe lag, obigen Bacillus als Vertilgungsmittel von Ratten in Speichern und Wohnräumen anzuwenden. Nähere hierauf bezügliche Beobachtungen bekräftigten diese Annahme völlig, Zur Prüfung der Wirksamkeit dieses Bacillus auf einzelne Arten von Haustieren verfütterte ich stark virulente Kulturen derselben (Kontrollratten krepierten beim Verfüttern mit infizierter Speise 7, 8, 10 und 11 Tage nach der An- steckung) folgende Tiere: 2 Katzen a 100 ccm 1 Hund 200. „ 2 Hühner 280 I 4 Tauben a, 20.202 Alle genannten Tiere blieben gesund; die Beobachtung dauerte 35—40 Tage. Nach Beendigung des Experimentes wurden die zur Prüfung verwandten Hühner und Tauben getötet, und es konnten bei der hierauf erfolgten bakteriologischen Untersuchung der einzelnen Organe in denselben keine Bakterien ermittelt werden, dieselben hatten über- haupt ein vollkommen normales Aussehen. Mein zweiter Versuch hatte insofern einen anderen Charakter, indem ich 2 Katzen im Laufe von 2 Wochen täglich, außer sonstiger Speise, mit Mäusekadavern fütterte, welche infolge Ansteckung durch die Ratten- bacillen ihren Tod gefunden hatten, oder auch lebende Mäuse, welche gleichfalls mit dem oben genannten Bacillus infiziert waren. Trotz der- artigen Fütterns mit infizierten Mäusen konnte bei den Katzen kein Zeichen von Erkrankung beobachtet werden. An größeren Haustieren und Geflügel machte Feoktistoff?°) ent- sprechende Versuche, welche darin bestanden, daß Bouillonkulturen des rattenvernichtenden Bacillus (deren Virulenz 4,5 Tage betrug) an nach- stehende Tiere verfüttert wurden: 1 Pferde 500 cem 1 Katze 50 ccm , 1 Ochsen 3: 73; Truthühnern a 1 Schweine 400 „ Hühnern a 1 Schafe 200° 5 Gänsen a ae 1 Hunde 300 „ Enten ä 20 ” Wiewohl die krankheiterregenden Kulturen den Versuchstieren in verhältnismäßig großen Dosen verabreicht wurden, ist keines derselben umgekommen, und es konnte nur bei einigen von ihnen (dem Ochsen, dem 1) Danysz ist im Irrtum, indem er, auf mein Referat hinweisend, behauptet, ich hätte den von mir beschriebenen Bacillus aus weißen Ratten ausgeschieden. (Uf. seine Abhandlung in Annal. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 4.) 2) Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Bd. XXIII. 1898. p. 873. 3) Jahresbericht des landwirtschaftl. Laboratoriums. 1897. Untersuchungen mit dem für Ratten pathogenen Bacillus. 27 Schweine und dem Schafe) Durchfall konstatiert werden. Somit sprechen die ausgeführten Versuche einstimmig für die relative Unschädlichkeit des ausgeschiedenen Rattenbacillus Haustieren gegenüber. Ganz andere Resultate wurden erzielt, als wir Bouillonkulturen dieses Bacillus zwecks Erprobung ihrer Wirkung auf Ratten und Mäuse genommen hatten. Bis zum November 1900 machte ich 443 Impfversuche mit Reinkulturen des Erregers an Ratten, wobei den Tieren Teig, welcher mit Kulturen ‘ des Erregers vereinigt war, verabreicht wurde. Anzahl der umge- | An welchem Tage | Anzahl der umge- An welchem Tage kommenen Ratten | nachderAnsteckung | kommenen Ratten | nach der Ansteckung | V i E 16 2. 10 20. 24 4. 3 22. 44 5: 3 24. 20 6. 5 25. 87 7. 3 Zr 32 8. 2 29. 32 9. 4 30. 20 10. 3 36. 20 11 | 39. 20 12 1 23. 20 13. 1 RX. 20 14. 12 sind nicht umgekommen 8 15. 143 8 16. 12 Ve 12 18. Wie aus dieser Tabelle hervorgeht, trat bei den 431 Ratten die Sterblichkeit durchschnittlich am 10,5 Tage ein; die größte Sterblichkeit wurde während der ersten 15 Tage beobachtet (84,2 Proz.), und zwar am 7. Tage am stärksten (20,1 Proz.). Die Zahl der erst nach Verlauf von 15 Tagen krepierten Ratten ist viel geringer (15,8 Proz.); Fälle, wo der Krankheitszustand einen längeren Verlauf genommen hatte, waren verhältnismäßig selten (je 1 Ratte erlag am 39, 73 und 90. Tage). Der- artige Fälle dürfen nicht auf das Einbüßen der Virulenz seitens der Kulturen zurückgeführt werden, denn während z. B. eine Ratte erst am 90. Tage ihr Leben aufgegeben, hatte eine andere, welche an demselben Tage infiziert wurde, und zwar mit derselben 10-tägigen Kultur, bereits am 10. Tage ihren Tod gefunden. Es bleibt daher bei der Annahme, daß wir esin diesen Fällen eventuell mit weniger empfänglichen Organismen zu thun hatten. Die Zahl der Fälle, wo die mit virulenten Kulturen infizierten Ratten am Leben ge- blieben sind, beträgt genau 12 (2,7 Proz.). Zu dieser Zahl gehören bei- spielsweise folgende, ihnen ähnliche Fälle: Zum Experimente wurden 15 Ratten genommen, welche allesamt in einen Käfig gesetzt und mit Teig gefüttert wurden, welchem 150 ccm 2-tägiger Bouillonkultur beigemischt war, welch letztere vorher durch Uebertragung auf Ratten in ihrer Wirksamkeit verstärkt war. Von diesen 15 Ratten kamen 14 im Laufe von 13 Tagen um, und zwar in folgender Reihenfolge: 2 Ratten am 6. Tage 2 Ratten am 11. Tage Kae „7 „ BE EN. ur FE 1 ” 8. ” 2 b2) „ 18. ” „ 4 Ratten „ 9 „ 28 v. Linstow, Die 15. Ratte war 2 Monate nach der Ansteckung unversehrt, in diesem Falle muß anerkannt werden, daß die am Leben gebliebene Ratte sich durch vollständige Immunität auszeichnet; einer speziellen Unter- suchung unterworfen, und selbst nach einer zweiten Ansteckung mit virulenter Kultur (als die thatsächliche Infizierung keinem Zweifel mehr unterlag) blieb sie noch weitere 27 Tage leben. Als sie hierauf getötet und ihre Eingeweide (Leber, Milz, Herzblut) bakteriologisch unter- sucht wurden, konnte vollkommene Abwesenheit von krankheitserregen- den Bakterien konstatiert werden, während das Blut ausgesprochen mikrobicide Eigenschaften aufwies. Desgleichen hatte ich Gelegenheit, solche Erscheinungen wiederholt bei anderen Ratten zu beobachten, und glaube ich, daß durch derartige individuelle Eigenschaften einzelner un- empfänglicher Organismen das Lebenbleiben einiger Ratten erklärt wird, trotz deren Ansteckung mit virulenter Reinkultur des Rattenbacillus, welcher selbst auf andere Ratten vernichtend wirkte, ihren Tod nach Verlauf eines normalen Zeitraumes hervorrufend. Da sämtliche angeführten Versuche die Verwendbarkeit des be- sprochenen Bacillus zur Vertilgung von Ratten bewiesen hatten, ge- langten im Jahre 1888/89 Bouillonkulturen desselben in viele Gegenden Rußlands zur Versendung, und ist aus den erhaltenen Antworten zu er- sehen, daß in 70,1 Proz.!) der Fälle günstige Resultate erzielt wurden. Im Jahre 1899 wurden im ganzen 7881] des rattentötenden Bacillus aus dem bakteriologischen Laboratorium des K. Ministeriums für Acker- bau (wo ich obige Versuche angestellt habe) zu Versuchszwecken ver- sandt. Nachdruck verboten. Atractis cruciata und Oxyuris monhystera, zwei neue Nematoden aus Metopoceros cornutus. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Mit 1 Tafel. Die Gelegenheit der Untersuchung dieser Arten verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Dr. Spengel in Gießen, dem ich an dieser Stelle nochmals bestens für die freundliche Uebersendung des interessanten Materials danke. Das Genus Atractis. Das Nematoden-Genus Atractis wurde von Dujardin 1845 für die Art dactylura gegründet, Leidy beschrieb 1891 die Art opeatura und die hier beschriebene Art ist die dritte. | Am Kopfende stehen im Kreise 3—6 Papillen; der Oesophagus besteht aus einer vorderen, muskulösen und einer hinteren, drüsigen Hälfte, die in einen Bulbus mit 3 Ventilklappen endigt; das Schwanz- ende ist lang und fein zugespitzt; die Seitenwülste sind stark entwickelt und führen ein Längsgefäß, das in einen Porus excretorius mündet; die Gattung gehört also zu den Secernentes, den Muskeln nach zu Schneider’s Meromyariern. Das männliche Schwanzende trägt P>- pillen, die ventral, lateral und dorsal stehen und zeigt zwei ungleichs Spicula, daneben ein röhrenförmiges, hinten verengtes Organ mit einer 1) Cf. Bericht des Laboratoriums. 1899. Atractis eruciata und Oxyurus monhystera, zwei neue Nematoden etc. 29 Oefinung, das als modifizierte Cloake anzusehen ist; bei A. dactylura ragt es frei hervor; beim Weibchen liegt die Vulva ganz hinten, dicht vor dem Anus; es ist vivipar und die Embryonen wachsen im Uterus zu sroßen Tieren heran; nur wenige werden zur Zeit entwickelt und werden in den Darm des Wohntiers hinein geboren, wo sie sich zur Geschlechts- reife entwickeln ; die Tiere werden daher in kolossalen Mengen im Darm ‚ihrer Wirte gefunden. Die Arten leben im Darm von Land- und Süß- wasserschildkröten und von Eidechsen. Atractis dactylura Rud. Dujardin, Histoire des Helminthes. Paris 1845. p. 233 u. 654. Schneider, Monographie der Nematoden. Berlin 1866. p. 124—125. Tab. XI. Fig. 2 a—C. v. Linstow, Arch. f. Naturgesch. Berlin 1883. p. 296. Tab. VIII. Fig. 32. v. Drasche, Verhandl. d. k. k. zoolog.-bot. Gesellsch. Wien 1883. p. 326. Tab. XIX. Fig. 1. Massenhaft in Testudo graeca, Chersus marginatus, Podocnemis expansa, Podocnemis tracaxa, Rhinemys nasuta und Homopus Horsfield:. Atractis opeatura Leidy. Pass ‚ Proceed. Acad. nat. sc. Philadelphia 1890. Philadelphia 1891. Part 3. p. 411 —4l2. Massenhaft (über 1 Unze an Gewicht) im Darm von Cyclura baeo- lopha Cope, New Providence-Insel. Atractis cruciata n. Sp. Fig. 1—5. v. Linstow, Arch. f. mikr. Anat. Bd. LVIII. 1901. p. 190-191. Tab. VIII. Fig. 15. In kolossalen Mengen aus dem Darm von Metopoceros (Iguana) cor- nutus, Haiti. Die Cuticula ist derbe, 0,0054 mm dick, die äußere Schicht zeigt eine feine Querringelung in 0,0016 mm Abstand, die im optischen Quer- schnitt wie gekörnelt aussieht. Die nicht sehr kräftige Muskulatur ist in der Dorsal-, der Ventral- und in den Seitenlinien unterbrochen; die Seitenwülste sind, besonders in den Larven, gewaltig entwickelt; ich habe sie an der angegebenen Stelle beschrieben und abgebildet (Fig. 15, )); am Kopfende (Fig. 1) stehen im Kreise 6 Lippen, die von einer finger- förmigen Pulpa gestützt werden; am Gipfel steht eine feine Papille; in jeder Seitenlinie steht eine Lippe und eine in jeder der vier Sub- medianlinien; die spaltförmige Mundöffnung steht dorsoventral. Der Oesophagus besteht aus 2 scharf getrennten Hälften, wie v. Drasche es für A. dactylura abbildet; die vordere, muskulöse ist etwas breiter als die hintere, drüsige; die Länge der ersteren verhält sich zu der der zweiten wie 13:12; auf Querschnitten erkennt man, daß das dreischenk- lige Lumen an den 3 Winkeln zu 3 Röhren erweitert ist (Fig. 2); im Innern des Lumens liegen 6 dunkle Leisten, an der Außenseite 6 helle, und außerdem sieht man zwischen je zweien der letzteren dem Kopt- ende nahe Röhren in das Lumen einmünden, welche die Mündungen von Drüsen sind; die zweite, hintere Hälfte des Oesophagus ist drüsiger Natur, auf Querschnitten (Fig. 3) sieht man ein großes, dreischenkliges Lumen und nach außen davon eine doppelte Lage von Zellen mit großen, kugelförmigen Kernen; der Oesophagus endigt mit einem großen Bulbus, der 3 Ventilklappen enthält. Der Darm (l. c. Fig. 15, d) ist anfangs breiter als der Bulbus, dann aber verdünnt er sich stark und nimmt beim Weibchen nur !/,—!/, der Körperseite ein; er ist schwarz pigmen- tiert, besonders stark beim Männchen. 30 v. Linstow, Der Nervenring ist mächtig entwickelt; er enthält viele Ganglien- zellen und umgiebt den Oesophagus an der Grenze zwischen dem ersten und zweiten Abschnitt. Dicht vor dem Beginn der zweiten Oesophagus- abteilung, 0,48 mm vom Kopfende entfernt steht links und rechts in den Seitenlinien eine knopfförmige Nackenpapille. Der Porus excre- torius, beim Männchen 0,79, beim Weibchen 0,83 mm vom Kopfende entfernt, liegt nicht weit vom Oesophagus-Bulbus; er ist sehr merk- würdig gebildet (Fig. 4); die Mündung ist von einem Kranz von gelb- lichen Chitinstäbchen eingefaßt, deren Spitzen frei hervorragen. Das Männchen ist an der hinteren Hälfte oder am ganzen Körper eingerollt, die Länge beträgt 5, die Breite 0,28 mm; der Oesophagus nimmt !/,, das Schwanzende !/ıss der ganzen Länge ein; die Cirren sind ungleich und gebogen, der eine ist 0,44, der andere 0,29 mm lang; sie sind quergestreift und an sie setzt sich vorn ein Musculus retrac- tor; an ihrer Ventralseite liegt ein röhrenförmiges Organ, das hinten verengt ist und hier eine Oeffnung hat (Fig. 5, r); es ist die umgebildete Cloake, denn Darm und Vas deferens münden vorn hinein; bei A. dac- iylura ragt es weit ins freie hervor und funktioniert hier ohne Zweifel sowohl als Penis wie als Anus; die Länge bei unserer Art beträgt 0,176 mm: Papillen finden sich jederseits 7 (Fig. 5), 3 prä- und 4 postanale; die 2. und 3. sowie die 5. und 6. stehen einander genähert, die 7. dorsal. An der hinteren Körperhälfte finden sich außer den Längsmuskeln nach außen von ihnen 2 Lagen von isolierten Muskel- bündeln, welche sich kreuzen; sie treffen von beiden Seiten in der Ventrallinie zusammen, und die äußeren Strahlen mit dem freien, dor- salen Ende nach der Schwanz-, die inneren nach der Kopfseite; nach diesen sich kreuzenden Muskeln ist die Artbenennung gewählt. Das Weibchen hat eine Länge von 6,22 mm und eine Breite von 0,355 mm; der Oesophagus nimmt Yss, der Schwanz !/, der Körperlänge ein, die Vulva mündet ganz hinten, dicht vor dem Anus; sie teilt die Länge des Körpers im Verhältnis von 19:5; die Vagina hat eine Länge von 0,16 mm, dann mündet sie in 2 Uteri; der Darm ist 0,19 mm von dem Anus entfernt ringförmig eingeschnürt, und die letzte Strecke, die man hier Rectum nennen könnte, ist, entsprechend der Oloake des Männchens, ohne Epithelbelag, die Wandung ist nur muskulös; die Vulva ist oft stark prominent. Die Eier sind 0,18—0,19 mm lang und 0,062—0,079 mm breit; sie haben eine membranöse Hülle, welche der Embryo schon im Uterus durchbricht; in demselben findet man 1—3 gestreckte Embryonen, die 2,15—2,37 mm lang und 0,12 mm breit sind; der Oesophagus nimmt !/;4, der Schwanz, der lang und fein zugespitzt ist, !/4s der ganzen Länge ein; das Kopfende ist stets nach der Vulva des Muttertieres ge- richtet. Oxyuris monhystera n. sp. Fig. 6—9. Mit der vorigen Art zusammen in denselben Gläsern fand sich in großer Menge eine Oxyuris von spindelförmiger Gestalt; die Cuticula ist 0,0078 mm dick und in Abständen von 0,0169 mm mit doppelten Linien quergeringelt. Am Kopfende stehen 2 seitliche, rundliche Lippen; die Mundöffnung ist dorsoventral (Fig. 6, 0) und auf der Höhe der Lippen münden die noch zu erwähnenden Halsdrüsen (Fig. 6, m). Der Oesophagus ist sehr lang und schmal, nicht in einen vorderen und hinteren Abschnitt geteilt, und endigt in einen starken Bulbus mit Atraetis cruciata und Oxyuris monhystera, zwei neue Nematoden etc. 31 3 Ventilzähnen; die Breite des Oesophagus beträgt 0,053 mm, die des Bulbus 0,26 mm; das Lumen ist dreieckig und an den 3 Ecken stehen Ausläufer, die sich zu Röhren erweitern (Fig. 7 u. 8). Der Darm ist im Beginn rundlich verdickt und 0,19 mm breit, dann verschmälert sich der Durchmesser auf 0,044 mm. Das Schwanzende beider Geschlechter ist nicht lang und kegelförmig zugespitzt. Der Nervenring umgiebt den . Oesophagus 0,26—0,31 mm vom Kopfende. Die Muskeln entsprechen Scehneider’s Meromyariern und auf Querschnitten sieht man 8 oder 12 Zellen. Die Seitenwülste sind stark entwickelt; sie sind durch eine Scheidewand in eine dorsale und eine ventrale Hälfte geteilt, und die Scheidewand spaltet sich nach innen zu einem großen Gefäß, das ?/, der inneren Ausdehnung einnimmt (Fig. 8, 9); die Seitenwülste zeigen ein reiches Gefäßnetz, das besonders von innen nach außen verläuft (Fig. 8, s). Der Porus excretorius ist weit nach hinten gerückt; er liest dicht vor dem Bulbus des Oesophagus oder ventral neben ihm, beim Männchen 2,52, beim Weibchen 2,38 mm vom Kopfende entfernt; er ist von einem ovalen, hyalinen Hofe umgeben, der 0,31 mm lang und 0,11 mm breit ist. Am Kopfende sieht man seitlich und dorsal vom Oesophagus 2 Drüsen, die ich Halsdrüsen nennen möchte; sie sind schmal und langgestreckt und 0,62—0,64 mm lang; in der Mitte sind sie verdickt und zeigen in ihrem Inneren runde Kerne mit sich stark fär- benden Kernkörperchen, die oft doppelt sind (Fig. 7, h); die Drüsen münden durch einen röhrenförmigen Gang an der Spitze der beiden Lippen nach außen. In der Cuticula, besonders in den Grenzlinien der Querringel, in der inneren Auskleidung der Vagina und der Porus- mündung, ın den Eiern liegen Konkretionen von 0,0017—0,0130 mm Größe. Das Männchen ist viel seltener als das Weibchen; auf 50 Weibchen kommt nur 1 Männchen; die Länge beträgt 7,11 mm, die Breite 0,62 mm; das Schwanzende ist nach der Bauchseite hakenförmig gekrümmt; der Oesophagus nimmt !s,, das Schwanzende !/gs, der Gesamtlänge ein; das Spieulum ist auffallend lang; es mißt 1,97”—2 mm; das Schwanzende ist in der Seitenlage gesehen schräg nach der Bauchseite und vorn abge- stutzt; an der Ventralseite des Vorsprungs stehen nahe bei einander 2 prominente Papillen; von der Bauchfläche gesehen erscheint das Schwanzende eiförmig (Fig. 9); ventralwärts vom Schwanzende steht ein kürzerer, hinten gerade abgestutzter Vorsprung, seitlich von ihm je 2 Papillen tragende, spitze Kegel, von denen die beiden äußeren kürzer sind; außerdem sieht man jederseits 2 große, rundliche Vorwölbungen ; die vorderen sind der Bauchseite mehr genähert; 1,45 mm vom Schwanz- ende entfernt verbreitert sich das 0,053 im Durchmesser zeigende Vas deferens zu einer vorn 0,19 mm breiten Samenblase, die hinten schmal wird; die Kloake ist 0,531 mm lang. Das Weibchen ist 7,60 mm lang und 0,67 mm breit; der Oesophagus macht !/ss, das kegelförmige Schwanzende '/,, der ganzen Länge aus; die Vagina mündet etwa im hinteren Drittel, sie teilt den Körper im Ver- hältnis von 9:5. Die meisten Nematoden haben 2 Uteri, andere 4, wie Ascaris attenuata Molin, Ascaris rubicunda Schneider, Ascaris qua- drangularıs Schneider, Physaloptera abbreviata Rud. 4; hier entspringen am Ende der Vagina 4 Uterusschläuche neben einander; Frlaria labiata Crepl. soll sogar einen 5-fachen Uterus haben; andere Genera haben nur einen Uterus, wie Trichocephalus, Trichosoma, Trichina, Monhystera, auch einzelne Arten anderer Genera, wie Rhabditis monhystera Büt- schli; dasselbe ist bei unserer Art der Fall, während Ozyuris sonst 2 Uteri besitzt. Die Vagina verläuft hier 1,74 mm nach vorn, dann 39 ER Inhalt. folgt eine Verengerung mit einem Sphincter, und hier entspringt ein nach hinten ziehender Uterus; das Ovarium ist 0,053 mm breit und das kolbig verdickte Ende liegt etwa in der Mitte zwischen Vulva und dem Beginn des Darmes; Der Vorderrand der Vulvamündung ist blasig verdickt und erscheint im Profil als eine halbkugelförmige Vorragung. Die Geschlechtsröhre läßt die vorderen °/,, und die hinteren °/,, des Körpers frei. Die Eier sind 0,13 mm lang und 0,073 mm breit. Die Art lebt mit Atractis cruciata zusammen im Darm von Meto- poceros (Iguana) cornutus von Haiti. Eine Oxyuris- Art, Oxyuris megatyplon Rud., von Dujardin in das Genus ÖOzolaimus gesetzt, aus Iguana tuberculata hat auch einen sehr langen Cirrus; abgesehen von zahlreichen anderen Unterschieden besteht hier aber der Oesophagus aus 2 verschiedenen Abschnitten, von denen der vordere breiter und in der Mitte spindelförmig verdickt ist. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1—5. Atractis cruciata. 1. Kopfende von der Seite; 2 u. 3. Durchschnitte durch den vorderen und hinteren Oesophagusabschnitt; 4. Porus exeretorius von der Seite; 5. männliches Schwanzende von der linken Seite; » röhrenförmiges Organ (Cloake). Fig. 6-9. Oxyuris monhystera. 6. Kopfende von der Scheitelfläche; o Mund- öffnung, m Mündung der Halsdrüse; 7. u. 8. Querschnitt durch die Oesophagusgegend ; 7. ganz vorn, Halsdrüse; s Seitenwulst, 9 Gefäß; 9. männliches Schwanzende von der Bauchseite. Taenia Trichoglossi. Diamare bespricht in diesem Journal Bd. XXX. No. 9. p. 369 eine von ihm beschriebene Tänie, Paronia Carinoi, von der vermutet wurde, sie sei mit meiner Taenia Trichoglossi identisch; hierzu bemerkt Diamare: „In dem Falle v. Linstow’s erfahren wir kaum genug, um uns zu überzeugen, daß es sich um eine Tänie handelt.“ Heutzutage, wo auf dem Gebiete der Anatomie der Vogeltänien viel gearbeitet ist, ist es kaum möglich, eine der ungemein zahlreichen Vogeltänienarten lediglich nach inneren, anatomischen Merkmalen zu kennzeichnen; zu der Zeit, als ich Taenia Trichoglossi anführte, war man nach Krabbe’s Arbeiten fast lediglich auf Form, Größe und An- zahl der Haken am Rostellum als artunterscheidende Merkmale ange- wiesen; da nun diese Taenia Trichoglosse ohne Scolex war, habe ich eine Beschreibung und Artbenennung unterlassen; Taenia Trichoglossi heißt nach Rudolphi’s Vorgange nichts weiteres, als „eine unbestimmte Tänie aus Trichoglossus“. Ein Artname ist „Taenia Trichoglossi“ nicht; diese seit Rudolphi’s Zeiten gebräuchliche Nomenclaturregel ist Diamare offenbar unbe- kannt. Daß ich imstande bin, eine Tänie so zu beschreiben, daß man auch erkennt, daß es sich um eine Tänie handelt, glaube ich wiederholt gezeigt zu haben; hier lag diese Absicht nicht vor. Inhalt. Issatschenko, B., Untersuchungen mit dem für Ratten pathogenen Baeillus, p. 26. v. Linstow, Atractis cruciata und Oxyuris monhystera, zwei neue Nematoden aus Originalmitteilungen. Emmerich, Rudolf, Löw, Oskar und Korschun, A., Die bakteriolytische Wir- kung der Nucleasen und Nucleasen- Immunproteidine als Ursache der natür- lichen und künstlichen Immunität, p. 1. Metopoceros cornutus, p. 28. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. Centralblatt I. Bakteriologie Abt I Bad AM elinstowÄbocis auaala u. Oxyuris monkystero. Lith.Anst: v. PWeise Jena Verlag vor. Gustav Fischer Jena v.Linstow del. Er _ CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXI. Band. —- Jena, den 24. Januar 1902. —- No. 2. Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Jährlich erscheinen zwei Bände. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr, Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Originai-Mitieilungen. Nachdruck verboten. Virulente Diphtheriebacillen bei einfacher Rhinitis. [Aus dem hygienischen Institut zu Kiel.] Von Dr. med. et phil. R. 0. Neumann, 1. Assistent am hygien. Institut. Die auf diphtheritischer Basis beruhenden Nasenaffektionen teilte man bisher ein in die sog. primäre oder latente Nasen- diphtherie ohne Membranbildung und in die mit Membran- bildung einhergehende sog. Rhinitis fibrinosa!). Beide Krankheits- formen zeigen mehr oder minder charakteristische Symptome, die aber — wie man sich leicht beim Durchlesen der beschriebenen Fälle über- zeugen kann — nicht immer typisch sind und eine exakte Unterscheidung 1) Die durch andere Ursachen, wie Pneumonie Fränkel, Chemikalien, - Ozaena, mechanische Reizungen, Streptokokken entstandenen fibrinösen _ Rhinitiden sollen hier nicht in Betracht gezogen werden. Erste Abt. XXXI. Bd, 3 34 R. OÖ. Neumann, in sehr vielen Fällen nicht zulassen. Weder die Schwere des Verlaufes, die bei primärer Nasendiphtherie besonders hervortreten soll, noch das frühere oder spätere Auftreten von Membranen in der Rachenhöhle und auf den Tonsillen sind sichere Differenzierungsmerkmale. Die „Rhinitis fibrinosa“ ist nach den Litteraturangaben im Verhältnis zur Rachendiphtherie nicht besonders häufig, Abel?), der sich mit dieser Krankheitsform eingehend beschäftigt hat, konnte nur 45 Fälle ausfindig machen. Die „primäre Nasendiphththerie“ scheint aber noch seltener zu sein. Ich fand in einem Referat?) eine Angabe von W. Welch, die dieser auf dem Budapester Hygienekongreß hatte machen lassen, daß er unter 6156 diphtherieverdächtigen Fällen nur 4 derartige Fälle vorgefunden habe. Die Richtigkeit seiner Angaben ist nicht an- zuzweifeln, wohl aber die Thatsache selbst, daß überhaupt nicht mehr „Nasendiphtherie“ vorhanden sein sollte, da doch die Rachen- diphtherie eine so weit verbreitete Krankheit ist. Wenn man be- denkt, daß die „Nasendiphtherie“, wie es auch bei einem Teil unserer Fälle konstatiert werden konnte, nur in Form eines einfachen Schnupfens sich bemerkbar macht, so ist leicht einzusehen, daß die Krankheit wegen ihres milden Verlaufes vom Publikum sehr oft ganz unberücksichtigt bleibt und ein Arzt überhaupt nicht konsultiert wird. Aber selbst auch dann dürfte ohne bakteriologische Unter- suchung mancher Fall dem Arzt entgehen und schon entgangen sein. Wollte man nur systematisch danach suchen, so glaube ich mit Be- stimmtheit, daß man viele Fälle finden und die „Nasendiphtherie“ als gar nicht so seltene Erscheinung ansehen würde. Die von uns beobachteten 5 Fälle sind uns teils zufällig in die Hände kommen, teils wurden sie uns zur Untersuchung von der Uni- versitäts-Nasenklinik übersandt. Den ersten Fall betraf ein 3 Wochen altes Kind, welches, sonst scheinbar gesund, seit einigen Tagen an einer eiterigen Se- kretion aus der Nase litt. Da es keine Fiebererscheinungen zeigte und sich im allgemeinen wohlbefand, dachte man zunächst nicht an Diphtherie. Dem Ausfluß aus der Nase schloß sich nach 4 Tagen lebhafte Rötung und Schwellung der CGonjunctiva nebst leichter Sekretion aus dem Auge an, wodurch ein gewisser Verdacht auf Gonorrhöe be- gründet erschien. Die erste bakteriologische Untersuchung des Nasen- und Augensekretes ergab aber keine Gonokokken, es fanden sich allerdings zunächst auch keine Diphtheriebacillen. Der Rachen, die Mundhöhle, die Tonsillen waren frei von jedem Belag, selbst die Mundschleimhaut erschien nicht gerötet. Infolgedessen wurden thera- peutisch auch nur indifferente Mittel wie Oeleinträufelung und Aus- spülungen mit Borsäurelösung angewendet. Da die eiterige Sekretion aus der Nase nicht nachließ und das Kind beim Trinken wiederholt Atemnot zeigte, wurde noch eine bakteriologische Untersuchung an- geordnet. Es fanden sich im Ausstrichpräparat des Naseneiters längere und kürzere diphtherieähnliche Stäbchen, die auf Loeffler- 2) Abel, Zur Aetiologie der Rhinitis fibrinosa. (Centralbl. f. Bakt. Bd. XII. p. 843.) ee . William H. Welch. Referat von Schnirer. (Centralbl. f. Bakt. Bd. XVI. p- 961.) Virulente Diphtheriebacillen bei einfacher Rhinitis. 35 serum und Glycerinagar typische Diphtheriekolonieen zeigten. Auf den Glycerinagarplatten fielen neben üppigeren auch sehr zarte Kolonieen auf, deren Stäbchen relativ kurz erschienen und an die Möglichkeit von dem gleichzeitigen Vorhandensein von Pseudodiph- therie denken ließen. Die positive Neißer’sche Färbung und das Tierexperiment bewiesen jedoch, daß es sich in der That nur ‚um echte Diphtherie handelte. 2 Meerschweinchen, von denen das eine 1 ccm einer 48-stündigen Bouillon von der zarten Kolonie, das andere 1 cem von der üppigen Kolonie am Brustbein subkutan injiziert bekam, starben nach 38 Stunden. Bei der Sektion fanden sich die cha- rakteristischen Veränderungen: Sulziges Oedem an der Impfstelle, Nebennierenhyperämie und Pleuraexsudat. Von der Impf- stelle und auch aus dem Herzblute ließen sich im Ausstrichpräparate und auf der Platte Diphtheriebacillen nachweisen und züchten. Auffallenderweise wurde der Nasenausfluß ohne weitere Therapie geringer, die Atmung wurde freier, die Augenaffektion ging zurück, das Allgemeinbefinden war gut. Rachen und Mundhöhle boten keine Be- sonderheiten bis auf etwas Schleim an der hinteren Rachenwand. Um diese Zeit, 13 Tage nach der ersten bakteriologischen Unter- suchung, ergab eine neuerliche Untersuchung an Auge und Nase beide Male Diphtherie und außerordentlich viel Strepto- kokken, ein Befund, der möglicherweise eine Komplikation und eine Verschlimmerung des Zustandes erwarten ließ. 4 Tage später wurde das Kind wieder unruhiger, schrie öfter, es zeigte sich leichter Stridor laryngis, starke Atembeschwerden und esstarb trotz spezifischer Behandlung 3 Tage darauf im dyspnoischen Anfall. Leider wurde die Sektion nicht ausgeführt. Rachen, Tonsillen, Nase waren von Membranen frei. Nach dem Tode dieses Kindes erkrankte dessen ältere Schwester an typischer Rachendiphtherie, und es unterliegt in diesem Falle wohl keinem Zweifel, daß hier eine Uebertragung von dem einen Kinde auf das andere stattgefunden hatte. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei einem anderen kleinen 14 Tage alten Mädchen. Ohne daß im Rachen oder auf den Tonsillen ein Belag zu konstatieren gewesen wäre, zeigte sich das Kind unruhig, litt an Atemnot beim Trinken und secernierte etwas serösen Schleim aus der Nase. Die Mutter dachte an einfachen Schnupfen und suchte nur wegen der Atemnot des Kindes die Nasenklinik auf. Der Befund konnte, ähnlich wie beim ersten Kinde, als gonorrhoische Affektion ge- deutet werden, die Untersuchung ergab indes im Ausstrichpräparat zahl- reiche diphtherieverdächtige Stäbchen, die sich auf Loeffler-Serum und Glycerinagar als typische Kolonieen erwiesen. Das Tierexperiment (1 ccm 48-stündige Bouillon, am Brustbein subkutan injiziert) bestätigte die Diagnose. Das Meerschweinchen ging nach 30 Stunden ein mit dem für Diphtherie charakteristischen Befund. Auf diese Diagnose hin wurde Heilserum injiziert, worauf völlige Genesung eintrat. Weder in der Nase, noch im Schlunde, noch auf den Tonsillen waren Diphtheriemembranen nachzuweisen. Nichtsdestoweniger fanden sich bei einer zweiten Untersuchung des Naseninhaltes nach 10 Tagen noch virulente Bacillen. Die eben mitgeteilten beiden Fälle stehen wegen ihres anfänglichen milden Verlaufes im Gegensatz zum dritten Falle, der einen der In- stitutsassistenten betraf. Er litt an einer chronischen Schwellung der 3% 36 R. OÖ. Neumann, Nasenschleimhaut, ohne daß Beschwerden irgend welcher Art aufgetreten wären, nur die Stimme hatte einen etwas nasalen Beiklang. Anormale Sekretion hatte er nie gehabt und die bakteriologische Flora, die zufällig vorher festgestellt worden war, bot nichts Besonderes. Bemerkt sei nur, daß neben anderen Bakterien auch Pseudodiphtherie, die für Meerschweinchen nicht pathogen war, gefunden wurde. Ohne besondere Veranlassung bekam Patient Brennen in der Nase und rote Flecke auf der Nase. Nach 2 Tagen stellte sich lebhafte Sekretion der Nase ein, Kopfschmerzen, Rücken- und Gliederschmerzen und Schüttelfrost. Später gesellte sich Herpes labialis hinzu. Die bakteriologische Untersuchung ergab neben zahlreichem Micr. pyogenes albus kürzere und längere diphtherieartige Stäbchen, die auf Löffler- Serum typische Diphtheriekolonieen bildeten. Auf Glycerin- agar sahen wir neben üppigen Kolonieen auch eine Menge sehr zarter,durchscheinender Kolonieen, die mit ihren sehr plumpen kurzen Stäbchen an Pseudodiphtherie denken ließen. Zunächst wurde ein Meerschweinchen mit 1 ccm einer 48 Stunden alten Bouillonkultur (Ausgangsmaterial war eine Kolonie von der Serum- platte) subkutan am Brustbein geimpft. Das Meerschweinchen starb nach 36 Stunden. Die Nebennieren waren in diesem Falle kaum -vergrößert und nicht hämorrhagisch. Pleuraexsudat und sulziges Oedem an der Impfstelle war vorhanden. An letzterem konnten die Diphtherie- bacillen wieder gezüchtet werden. Es lag uns in diesem Falle daran, den Effekt des Heilserums gegen- über dieser virulenten Kultur zu konstatieren. Wir griffen auf die Serumplatte zurück, stellten eine 48 Stunden alte Bouillon dar und in- jizierten 2 Meerschweinchen je 1 cem dieser Bouillon subkutan. Das eine erhielt außerdem noch 0,02 Diphtherieantitoxin. Man hätte nun erwarten müssen, daß das nicht mit Heilserum behandelte Tier ge- storben wäre. Doch es blieb ebenso wie das andere am Leben. Es mußte infolgedessen an die Möglichkeit gedacht werden, daß die ver- wendete Kultur Pseudodiphtherie gewesen sei. Wir benutzten daher als Ausgangsmaterial noch einmal Kolonieen der Serumplatte, welche zur Injektion des ersten verendeten Meerschweinchens gedient hatten, impften wiederum ein Meerschweinchen mit Diphtheriebacillen allein, ein anderes mit Diphtheriebacillen und Antitoxin. Nun war der Erfolg ein anderer: Das mit Antitoxin ge- spritzte Tier blieb am Leben; es zeigte sich nur an der Infek- tionsstelle ein geringes, etwas hartes Infiltrat.e. Dagegen starb das andere nach 48 Stunden mit einem sulzigen Oedem an der ganzen Bauchseite. In der Bauchhöhle fand sich ein reichliches wasserklares Fxsudat, nicht aber in der Bauchhöhle. Die Nebennieren waren nicht hämorrhagisch und nur wenig vergrößert. Es geht daraus hervor, daß unsere Vermutung richtig und in der That neben echten Diphtheriebacillen Pseudodiphtherie in der Nase vorhanden war. Der Zustand des Patienten wurde ohne Serumbehanalung und ohne anderweitige Therapie vom 7. Tage an besser, das Sekret verschwand, im Rachen und auf den Tonsillen waren weder Beläge noch Membranen zu beobachten. Im Anschluß daran erkrankte der 2. Assistent Dr. F. unter den- selben Anzeichen wie S. Mich selbst befiel ein äußerst heftiger Schnupfen 2 Tage später. Virulente Diphtheriebacillen bei einfacher Rhinitis. 37 Die bakteriologische Untersuchung des Nasensekretes von Dr. F. ergab neben anderen Bakterien diphtherieähnliche, etwas plumpere Stäb- chen, deren Kolonieen auf Serum und Glycerinagar ebenfalls diphtherie- ähnlich aussahen, welche aber die Neißer’sche Körnerfärbung nicht gaben. Bouillonkulturen davon einem Meerschwein injiziert, vermochten das Tier nicht zu töten. An der Impfstelle zeigte sich während einiger Tage ein nur geringes Infiltrat. | In meinem Nasensekret wurden ebenfalls diphtherieähnliche Stäb- chen angetroffen, die für Meerschweinchen aber nicht virulent waren. An der Einstichstelle entstand kein Infiltrat. Unser Wohlbefinden war nach 4—5 Tagen wieder hergestellt, nur eine geringe Sekretion aus der Nase blieb zurück. Endlich sind noch 2 Fälle zu registrieren, bei denen einmal nur die Symptome eines stärkeren Schnupfens, das andere Mal ein für Nasen- diphtherie bekanntes Zeichen, geringe Blutung, vorhanden waren. Patient war ein 18-jähriger Landmann. Seit 8 Tagen hatte sich bei ihm ein zähflüssiges eiteriges Sekret in der Nase eingestellt. Irgend- welche Beschwerden hatte er nicht. Weder in der Nase noch auf den Tonsillen, noch im Gaumen zeigten sich Membranen. Die bakteriologische Untersuchung ergab Streptokokken, Diph- theriebacillen und Pseudodiphtheriebaeillen in gleich großen Mengen. Ein Meerschweinchen mit den mikroskopisch und kulturell als Pseudodiphtherie anzusehenden Bacillen infiziert, blieb am Leben. Ein anderes mit den vermutlichen „echten“ Diphtheriebacillen ging nach 6 Tagen zu Grunde, nachdem sich ein enorm großes sulziges Oedem an Brust- und Halsgegend gebildet hatte. Merkwürdigerweise fand sich bei der Sektion keine Nebennieren- hyperämie, auch kein Exsudat in der Bauchhöhle. Aus dem sulzigen Oedem konnten Diphtheriebacillen gezüchtet werden. Der Patient „genas“ nach kurzer Zeit ohne Serumbehandlung, d. h. die Sekretion wurde schwächer und schwächer, bis sie ganz verschwand. Eine spätere Unter- suchung auf Diphtheriebacillen konnte leider nicht gemacht werden. Der letzte Fall betraf ein kleines Mädchen von 3 Wochen, welches bei reichlichem Sekret aus der Nase zuweilen etwas blutetee Weder in der Nase, noch im Mund, noch auf den Tonsillen waren Belege oder Membranen vorhanden. Das Kind war unruhig und fieberte etwas. Wir konnten aus dem Sekret virulente Diphtherieba- cillen züchten, welche ein Meerschweinchen in 40 Stunden töteten (1 ccm 48-stündige Bouillon). Bei der Sektion waren die charakteristischen Veränderungen vorhanden, aus Blut und sulzigem Oedem ließen sich die Organismen züchten. Nach Feststellung der Diagnose wurde das Kind mit Heilserum behandelt und schien bereits nach einigen Tagen „gesund“. Eine spätere nochmalige Untersuchung des Nasensekretes erwies aber, daß Diph- theriebacillen nach 4 Wochen noch vorhanden waren. Rachen, Tonsillen und Nase blieben von Membranen frei. Dem Kinde ging es an- dauernd gut. Diese Beobachtungen haben also das Gemeinsame, daß in allen Fällen weder im Rachen, noch in der Nase, noch auf den Tonsillen eine Membran zu finden war, und zwar weder vor, noch während, noch nach dem 38 | R. OÖ. Neumann, Schnupfen. Die diphtheritische Affektion mußte in- folgedessen primär iin der Nase entstanden sein. Es deckt sich dieser Befund mit den von Emmet Holt!) be- schriebenen 2 Fällen, dem Fall von Goncetti?) und den 4 Fällen von Welch?°). Allerdings ist der Verlauf der Krankheit bei den Welch- schen Fällen nicht im Bericht angegeben, doch scheint kein Todesfall vorgekommen zu sein. Es würden demnach nur das Kind in dem einen Fall von Holt, welches am 29. Krankheitstage im Kollaps starb, und das Kind in unserem ersten Falle, welches dem Stridor laryngis erlag, eingegangen sein. Danach betrüge die Mortalität bei Nasendiphtherie — wenn man überhaupt eine so geringe Zahl von im ganzen 11 Fällen vergleichsweise benützen will — 18 Proz., eine Zahl, welche nicht größer ist als die Durchschnittsmortalität bei Rachendiphtherie. Die Gefahr einer primären Nasendiphtherie quoad vitam ist im Gegensatz zu der landläufigen Meinung demnach auch nicht be- deutender als bei gewöhnlicher Rachenerkrankung. Eins ist aber daraus ersichtlich, daß die Nasendiphtherie recht ver- ne verlaufen kann und nicht nach einheitlicher, bestimmter Norm verläuft. Folgen wir Abel“), welcher eine große Reihe diphtheritischer Nasen- affektionen beobachtet hat, „so versteht man unter „Nasendiphtherie“ ein Weiterschreiten der diphtheritischen Rachenerkrankung auf die Nase; selten tritt die Nasenerkrankung primär auf. Zu dem Krankheits- bilde gehören Fieber, schwere Allgemeinsymptome und in der Regel zersetzt sich das Sekret foetide. Die „fibrinöse Rhinitis“ ist dagegen ein akuter Krankheits- prozeß, bei welchem in reinen Fällen nur die Nasengänge ohne Be- teiligung der Rachenschleimhaut sich mit membranösen Auflagerungen bedecken, während Temperatur und Allgemeinbefinden ungestört bleiben. Sie ist eine außerordentlich leichte Erkrankung; die Beschwerden, die sie macht, sind namentlich in den Fällen, wo die Membranen keinen völligen ‘Verschluß der Naseneingänge bewirken, kaum andere als die eines einfachen Schnupfens. Sie tritt primär auf und pflanzt sich nicht über die Choanen hinaus fort“ °). Von dieser Definition „der Nasendiphtherie“ weichen die Mehrzahl unserer Fälle doch erheblich ab, denn schwere Allgemein- symptome, mit Ausnahme eines Schüttelfrostes, sehen wir gar nicht und erhebliches Fieber auch nur in diesem einen Falle. Eine fötide Zer- setzung des Nasensekrets konnten wir nicht konstatieren. Die Affektion trat primär auf. Andererseits würden aber auch unsere Beobachtungen auch nicht mit den Symptomen einer Rhinitis fibrinosa übereinstimmen, denn es fehlt vor allen Dingen die Membran. Daraus ist ersichtlich, daß sich keine bestimmte 1) Emmet-Holt, Verborgene Nasendiphtherie bei Kindern. (Ref. Centralbl. f. Laryngol. 1891. No. 9. p. 444.) 2) Concetti, Untersuchungen über die chronische Diphtherie der Nase vom bakteriologischen Standpunkte aus. (Ref. Oentralblatt f. Laryngol. 1892. p. 503.) 3) Welch,l.c. 4) Abel, Zur Kenntnis der Diphtheriebacillen. (Deutsche med. Wochenschr. 1894. No. 35. p. 693.) | 5) Abel, Zur Aetiologie der Rhinitis fibrinosa. (CUentralbl. f. Bakt. etc. Bd. XI. p-. 842.) Virulente Diphtheriebacillen bei einfacher Rhinitis, 39 Grenze zwischen beiden Formen ziehen läßt, da bald die Form der Nasendiphtherie von Symptomen der Rhinitis fibrinosa und letztere von Symptomen der Nasendiph- therie begleitet wird. Besonders für die Verschiedenheit des Auftretens der besser unter- suchten Rhinitis fibrinosa giebt es in der Litteratur eine Menge Beläge. Ich erwähne nur den Fall von Abel, bei welchem sich nach einer abgelaufenen Rachendiphtherie eine membranöse Nasendiphtherie entwickelte, letztere also nicht primär entstand. | Dann der Fall von Czemetschka!), bei dem neben diphtheritisch eiterigem Nasensekret Membranen im Rachen nachweisbar waren. Pluder?) beschreibt einen Fall, bei dem einer Nasendiphtherie die Rachendiphtherie eine Woche später folgte und Gerber und Podack?), welche 5 fibrinöse Rhinitiden beobachteten, sahen in 2 Fällen auch den Rachen erkrankt und in einem Falle noch 2!/, Monate nach der Nasen- infektion Tonsillenbeläge entstehen, nachdem schon die virulenten Diphtheriebacillen in der Nase nicht mehr nachgewiesen werden konnten. Diese Fälle verliefen — auch abweichend von Rhinitis fibrinosa — zum Teil mit starkem Fieber. Leider wurde die Sektion des bei uns untersuchten und an Stridor laryngis gestorbenen Kindes nicht gemacht, möglicherweise hätte man auch hier ein Herabsteigen der primären Nasendiphtherie und Entstehung von Membranen im Schlunde nachweisen können. Jedenfalls genügen diese Beispiele, um zu zeigen, daß sich beide Formen nicht streng auseinander halten lassen und nur in ihren extremsten Formen voneinander verschieden sind. Pluder machte den Vorschlag, die extremsten Formen der primär auftretenden Nasendiphtherie als typisch festzuhalten und so „die der fortgeleiteten Nasendiphtherie gleichstehende nekrotisch toxische, fast ausschließlich progrediente Form, der rein lokalen croupösen Form gegenüberzustellen. Alle anderen abweichenden Formen müßte man dazwischen einreihen. Da nun aber beide genannte Arten ätiologisch zusammengehören und ein sicheres Unterscheidungsmerkmal nur die Mem- bran bildet, so würde ich es für noch einfacher und den wirklichen Verhältnissen am meisten entsprechend erachten, wenn man überhaupt nur von einer Nasendiphtherie mit oder ohne Membran- bildung sprechen wollte. Wie steht es nun mit der Infektiosität der „Nasendiphtherie“? Hier kann die Antwort lauten: Die Infektionsgefahr ist genau so groß oder vielleicht noch erheblich größer als bei Rhinitis fibrinosa oder Rachendiphtherie.. Gerade dadurch, daß die Krankheit wegen ihres oft so milden Verlaufes ganz übersehen und nur als einfacher Schnupfen hingenommen oder auch zuweilen vom Arzt nicht als diphtheritische Erkrankung erkannt wird, können die Bacillen unbemerkt sich weiter entwickeln und es wird auf diese Weise der Ausbreitung der Krankheit l) Czemetschka, Ein Fall von Rhinitis diphtheritica bei einem Säugling. (Prager med. Wochenschr. 1894. No. 38/39.) 2) Pluder, Ueber Rhinitis fibrinosa diphtherica. (Deutsche med. Wochenschr. 1896. No. 44/46.) ..3) Gerber und Podack, Ueber die Beziehung der sogen. primären Rhinitis fibrinosa und des sog. Pseudodiphtheriebacillus zum Klebs-Loeffler’schen Diphtherie- bacillus. (Deutsch. Archiv f. klin. Medizin. No. 54. p. 262.) 40 et R. O0. Neumann, Vorschub geleistet. Dazu kommt die lange Lebensfähigkeit der Bacillen im erkrankten Organismus. Bekannt ist, daß sie sich 2-3 Monate und noch länger lebensfähig halten können [Abel!), Tobiesen?)], selbst wenn der Patient bereits als vollständig gesund bezeichnet werden kann. Ganz besonders scheint dies, wie Neißer und Heymann’) angeben, bei Nasendiphtherie zuzutreffen. Auch unser Fall No. 5 bestätigt das Gesagte, das aus der Nase des wieder „vollständig gesunden“ Kindes nach 4 Wochen virulente Diphtherie gezüchtet werden konnte. Die Infektiosität der Nasendiphtherie wird erwiesen durch unseren ersten Fall, bei dem kurze Zeit nach Erkrankung des Kindes die Schwester desselben von typischer Rachendiphtherie befallen wurde. Solche Fälle erwähnt auch Abott). Man könnte sogar geneigt sein, unsern Fall 3, bei welchem Dr. F. und ich, gleich dem diphtheriekranken Assistenten S., von heftigstem Schnupfen befallen wurden, als eine Diphtherieansteckung von seiten des Assistenten S. zu denken, da das dauernde Zusammensein in engen Räumen eine Ansteckung sicher begünstigte. Es schienen ja auch die heftigen Symptome, das Fieber, der Schüttel- frost, die im Ausstrichpräparate des Nasensekretes sehr verdächtigen Stäbchen dafür zu sprechen. Und wollte man dem geringen Infiltrat an der Einstichstelle bei dem einen infizierten Meerschweinchen be- sondere Beachtung schenken, so ließe sich wohl die echte Diphtherie als Ursache der Nasenaffektion in den Kreis der Erwägungen ziehen. Aber der Gesamteindruck des Krankheitsbildes mit seiner kurzen Dauer, dem raschen Abklingen der Symptome und das Gesamt- ergebnis des bakteriologischen Befundes sprachen doch gegen echte Diphtherie. Besonders der Umstand, daß in unseren Nasen sowohl vor wie nach dem Schnupfen nur nicht virulente Diphtherie ähnliche Stäbchen vorhanden waren, daß die während des Schnupfens isolierten Stäbchen die Neißer’sche Färbung nicht gaben und auch im übrigen bis auf die Wirkung eines geringen Infiltrates beim infizierten Meerschweinchen mit diesen überein- stimmten — dies also bestimmte uns, in diesen beiden Fällen den Zusammenhang mit echter Diphtherie abzulehnen und unsere beiden akuten Nasenaffektionen nicht als auf diphtheritischer Basis beruhend anzunehmen. Ein so schnelles Ansteigen und ebenso plötzliche Abnahme einer Virulenz von Pseudodiphtheriebacillen wäre nach allem, was man bisher weiß, kaum anzunehmen. Gerber und Podack?°) halten einen Zusammenhang zwischen Pseudodiphtherie und echter Diphtherie allerdings für möglich, da sie in einem Falle von gleichzeitiger Nasen- und Rachendiphtherie nach 2 Monaten nur noch auf den Tonsillen virulente Bacillen, in der Nase 1) Abel, Zur Kenntnis der Diphtheriebacillen. (Deutsche med. Wochenschr. 1894 No. 35. p. 693. 2) obies en, Ueber das Vorhandensein des Loeffler'schen Bacillus im Schlunde bei Individuen, welche eine diphtheritische Angina durchgemacht haben. (Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XII. p. 587.) 3) Neißer und Heymann, Bericht über die Diphtherieuntersuchungsstation Breslau. (Klinisches Jahrbuch 1899.) 4) Abott, The etiology of membranous rhinitis. (The med. News. 1893. — Ref. Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XIV. p. 252.) 5) Gerber und Podack, Ueber die Beziehungen der sogenannten primären Rhinitis fibrinosa und des sogenannten Pseudodiphtheriebacillus zum Klebs-Loeffler’schen‘ Diphtheriebacillus. | Virulente Diphtheriebacillen bei einfacher Rhinitis. 4l aber nur „Pseudodiphtherie“ vorfanden. Hier könnte es sich allerdings auch so verhalten, daß die nach 50—80 Tagen noch vorhandenen „Pseudo- diphtheriebaeillen“ nicht etwa avirulente Diphtherie gewesen sind, sondern normal oder fast normalerweise anwesende saprophytische Diphtherie- ähnliche Stäbchen !). Die ganze Frage über den Zusammenhang der echten Diphtherie und der Pseudodiphtherie ist noch immer nicht einheitlich beantwortet. Ich möchte aber glauben, daß die sogenannte Pseudo- diphtherie als niehts anderes als ein harmloser Sapro- phyt aufzufassen ist; jedenfalls haben mir die Beobachtungen, die ich in mehr als 200 Fällen von Nasenuntersuchungen machte ?), bei denen ich Pseudodiphtherie fand, den Eindruck erweckt, als habe sie gar keine besondere Bedeutung’). Diagnostisch ist bei der einfachen Rhinitis ohne Membranbildung wohl nur ein Symptom wichtig, vorausgesetzt, daß es überhaupt vor- handen ist, das ist eine leichte Blutung der Nase. Wir sahen dieselbe in diesen 5 Fällen aber nur einmal. Im übrigen besteht eben nur ein einfacher Schnupfen, der sich mehr oder weniger lange hinzieht. Die bakteriologische Diagnose ist unerläßlich und so bald wie möglich zu stellen. Es kann alsdann bei schleuniger Applikation von Diphtherieheilserum die Gefahr, die dem Kinde oder dem Erwachsenen droht, in vielen Fällen noch abgewendet werden. Ob freilich immer eine Isolierung solcher Personen, die sich im allgemeinen ganz gesund fühlen, praktisch durchzuführen sein wird, dürfte zweifelhaft erscheinen. Zusammenfassend können wir schließen: Einfache Rhinitis mit virulenten Diphtheriebacillen ist zweifellos häufiger, als allgemein angenommen wird. Die Symptome dieser Krankheit sind nicht einheitlich. Sie verläuft oft sehr milde und zuweilen ganz unbemerkt, jedoch im Gegensatz zur Rhinitis fibrinosa ohne Membranbildung. Da beide Formen auf gemeinsamer ätiologischer Basis beruhen, so sollte man sie nicht als zwei verschiedene Krankheiten ansehen, sondern nur von einer Nasendiphtherie mit und ohne Membran- bildung sprechen. Da sowohl die Rhinitis fibrinosa wie auch die Nasendiphtherie — letztere aber noch in größerem Maße — eine immerwährende Ansteckungs- gefahr für die Umgebung darstellen, so sollten zweifelhafte Schnupfen- fälle, wenn es irgendwie angängig, auf Diphtheriebacillen untersucht werden, um im gesetzten Falle sofort prophylaktische Seruminjektionen vornehmen zu können. Die bei den meisten Fällen anwesenden sogenannten Pseudo- diphtheriebacillen sind für den Verlauf der Affektion ohne Be- deutung. 1) Lehmann und Neumann, Atlas und Grundriß der Bakteriologie. II. Aufl Textband. p. 383. Ei 2) Diese Untersuchungen erscheinen in der Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh. '3) Vergl. auch v. Behring, Diphtherie. (Bibliothek v. Coler. p. 134.) 42 Andrea Zinno, Nachdruck verboten. Beitrag zum Studium der Entstehung der Toxine, mit besonderer Berücksichtigung neuer Kulturböden mit starker Erzeugung von Toxinen. |Medizinisch-mikrographisches Kabinet des Municipiums Neapel.] Von Dr. Andrea Zinno, Direktor, Privatdocenten der allgemeinen Pathologie. $ 1. Die so zahlreichen, bisher über die Bakterientoxine ausge- führten Untersuchungen haben sich mit großem Eifer den Einflüssen zugewendet, welche die chemische Beschaffenheit des Nährbodens auf die Entstehung der toxischen Substanzen ausüben kann. Dies ist ohne Zweifel eine sehr wichtige Frage, und hat die Aufmerksamkeit vieler Forscher stark angezogen. Man muß sich jedoch über diesen Gegenstand verständigen, denn die Verschiedenheit der theoretischen Ansichten und der Untersuchungs- methoden hat zu sehr abweichenden Resultaten geführt. Der Körper des Bakteriums, so viele man ihrer bisher chemisch untersucht hat, enthält immer eine Proteinsubstanz; also ist das Wachs- tum der Bakterien und folglich die Erzeugung toxischer Stoffe an die Gegenwart albuminoider Substanz gebunden. Allerdings hat Fermi behaupten zu können geglaubt, daß die Mikrobien sich auch auf vollkommen stickstofffreien Kulturböden fort- pflanzen können, so daß das albuminoide Molekül zum Leben der Mikro- phyten nicht unentbehrlich sei. Aber Winogradsky hat durch zahl- reiche, sehr feine Untersuchungen nachgewiesen, daß unter diesen Um- ständen der Stickstoff auf synthetischem Wege aus dem freien Stickstoffe der Luft fixiert wird; und ich selbst bin schon vor einiger Zeit durch zahlreiche Untersuchungen zu demselben Resultate gekommen. Die Frage kann sich also nicht damit beschäftigen, ob das Eiweiß für das Leben der Bakterien notwendig ist oder nicht, sondern damit, ob die Proteinsubstanz des Bakterienkörpers und die Toxine, die von ihm her- kommen, ein synthetisches oder ein analytisches Produkt sind. Mit anderen Worten: Die Forscher haben sich bemüht, festzustellen, ob die Mikroorganismen gleich den Pflanzen mit Chlorophyllorganen, von den Elementarstoffen oder von den einfachsten Verbindungen ausgehend, durch allmählichen, immer komplizierter werdenden Aufbau bis zur Hervorbringung des Albumins gelangen können, oder ob die Bakterien, gleich den Tieren, nur das Vermögen besitzen, komplizierte Atomgruppen zu spalten, die ihnen direkt geliefert werden müssen, damit sie sich vermehren und ihre Sekretionsprodukte hervorbringen können. Schon vom Anfang der Untersuchungen über die Toxine an hat man behauptet, sie kämen direkt von dem Albumin her, sowie von den in der Kultur vorhandenen Albuminoiden. Brieger und Fränkel haben diese Herkunft betont, und Hüppe, Gamaleia und Andere sagen dasselbe. Zuerst hat Guinochet be- hauptet, der Bac. diphtheriae könne sich in Urin entwickeln und Toxine hervorbringen. Bei der auf seine Mitteilung folgenden Be- sprechung bemerkten Charrin und Andere mit Recht, man könne den Urin nicht für frei von Proteinsubstanzen halten; wenn nicht durch anderes, würden sie durch die Bestandteile der Zellen dargestellt, die En | Beitrag zum Studium der Entstehung der Toxine etc. 43 immer mit dieser Flüssigkeit gemischt sind. Büchner säte in eine ganz eiweißfreie, Asparagin enthaltene Flüssigkeit den Tetanusbaeillus aus und erhielt Produktion von Toxinstoffen. Ouchinsky bekam auf einem anderen künstlichen Nährboden, der auch Asparagin und milch- saures Ammoniak enthielt, mit dem Diphtherie- und Cholerabaeillus ziemlich entscheidende Resultate. Brieger und Boer erhielten mit dialysierten, also der möglichen Spuren von Eiweiß beraubtem Urin Toxine von dem Tetanusbacillus. Endlich nahm auch Kossel an, der Diphtheriebacillus bringe auf synthetischem Wege die Proteinsubstanz hervor, die den Bakterienkörper bildet, und im Körper des Bakteriums entstehe auch synthetisch das Toxin, das dann schnell von ihm secer- niert wird und sich schon in den ersten Tagen in dem Kulturmittel anhäuft. Dagegen erreichten Fermi und Pernossi, die den Tetanus- bacillus in den verschiedensten eiweißfreien Nährböden kultivierten, nicht die geringste Entwickelung. Van Tourenhout erhielt bei Ab- wesenheit von Albumin niemals von dem Diphtheriebacillus die geringste Bildung von toxischen Substanzen, und damit übereinstimmend konnten Fränkel und dann Hougounencq und Doyon niemals in der Flüssigkeit von Ouchinsky die Entwickelung dieses Bakteriums er- reichen. Blumenthal glaubte darzuthun, daß in Lösungen von reinen Albumoidsubstanzen oder deren Derivaten niemals toxische Substanzen entstehen; er glaubt vielmehr, daß in Flüssigkeiten, in denen Toxine entstehen, das Eiweiß nicht angegriffen wird, und also zu deren Pro- duktion nicht beitragen kann. Wie man aus dem bisher kurz Vorgetragenen sieht, gehen die Meinungen über diese wichtige Frage sehr weit auseinander. Dies scheint mir von mehreren Ursachen herzurühren, die ich glaube, kurz darstellen zu sollen, damit man den Wert jeder Untersuchung richtig abschätzen kann, und vorzüglich, damit sie die Führung und Erklärung für die Experimente liefern, die weiterhin anzustellen es nötig sein wird. Vor allem muß man die verschiedenen Arten des Experimentierens in Betracht ziehen, welche, wie man begreift, zu sehr verschiedenen Resultaten führen. Viele von den genannten Autoren haben nicht alle Bedingungen (die ich eben auseinandersetzte) beachtet, welche die Produktion der Toxine beeinflussen. So spricht zum Beispiel Blumenthal niemals von der Reaktion der Flüssig- keiten mit den verschiedenen Arbeiten von Eiweiß (Antipepton, Oa- sein u. S. w.). Nun findet in vielen dieser Flüssigkeiten, wie man bei der Darstellung meiner Untersuchungen sehen wird, schon nach wenigen Tagen starke Bildung von Säuren statt, die das schon gebildete Toxin konstant und schnell zerstören. Aber es ist nötig, die Aufmerksamkeit auf etwas Anderes zu lenken, nämlich auf die Notwendigkeit, bei der Zubereitung dieser Flüssigkeiten die größte Vorsicht anzuwenden, die keine Albuminsubstanzen enthalten, und bei der Impfung der Bacillen die Uebertragung selbst der kleinsten Mengen von Proteinsubstanzen zu vermeiden. Denn nach den Untersuchungen von Meade-Bilton ist es allgemein bekannt, daß die Mikroorganismen sich auch mit den geringsten Mengen von Proteinsubstanz begnügen. Ich habe versucht, ein Urteil über die Größe dieses Bedürfnisses bei dem Diphtherie- bacillus zu erlangen. Durch Filtrierung einer reichlich 10-tägigen Kultur desselben in 600 cem Fleischbrühe konnte ich auf dem tarierten Filter eine Menge von Bakterienkörpern sammeln, die, getrocknet, 22!/, cg wog. Da die chemischen Bestandteile der Bakterien bekannt 44 Andrea Zinno, sind, so mußte davon mehr als die Hälfte aus Cellulose, Fett- und Mineralsubstanzen bestehen. Wenn man also großmütig sein und auch das aus den zerstörten Bakterienkörpern hervorgegangene und in die Flüssigkeit übergetretene Albumin berücksichtigen wollte, hatten 16 cg Proteinsubstanzen höchstens 600 cem Toxin hervorgebracht, die fähig waren, ein 300 g schweres Meerschweinchen in 48 Stunden mit der Dosis von 0,005 cem zu töten. Nun erkennen alle jene Autoren, die toxische Substanzen aus albuminfreien Flüssigkeiten erhalten haben wollen, sämtlich an, daß das erzeugte Toxin sehr schwach ist. Das vom Diphtheriebacillus hervorgebrachte Maximum ist nämlich ein Toxin, das ein Meerschweinchen mit der Dosis von 1!/, ccm zu töten ver- mag (Ouchinsky), eine, wie man sieht, ganz ungeheuere Dosis. Diese Dosis ist ungefähr 300 mal kleiner, als das erhaltene Gewicht der Albuminoidsubstanzen der Bakterienkörper, also 0,033 eines Milli- gramms. Wie man sieht, ist es sehr leicht möglich, daß die ge- ringste Verunreinigung der Substanzen, die bei der Zubereitung der Kulturböden angewendet werden, genügen kann, um solche Mengen von toxischen Substanzen hervorzubringen. Aber es ist noch leichter, aus einer Kultur in Fleischbrühe oder einem anderen, an Proteinstoffen reichen Kulturboden, mit einer, oder, wie es gewöhnlich in solchen Fällen geschieht, mit mehreren Oesen eine hinreichende Menge von Albuminoidsubstanz überzuführen, um so kleine Mengen von Toxin zu erzeugen. Und man beachte, daß ich die Rechnung für den Diphtherie- bacillus gemacht habe; für den B. tetani, bei dem die Produktion der toxischen Substanz bedeutend größer ist, muß die Menge des zur Er- zeugung des Toxins nötigen Eiweißes sicher viel geringer sein. Denn da einige Hundert Bacillen, wie es bewiesen zu sein scheint, fähig sind, soviel Toxin auszuscheiden, daß es einen Menschen tötet, müßten wenige Tausendstelmilligramme Eiweiß zur Entstehung der absondernden Ba- cillen genügen. Aus diesen wenigen Bemerkungen kann man sehen, wie viel Vorsicht bei der Ausführung solcher Untersuchungen nötig ist, und mit welchem Vorbehalt man an die Aufstellung endgültiger Schlüsse herantreten muß. $ 2. Mit der bisher besprochenen Frage hängt eine andere un- mittelbar zusammen, nämlich die nach dem besten Kulturboden für Bak- terien, um in der Praxis eine große Menge von Toxin zu erhalten. Diese Untersuchung hat außer dem theoretischen, mit der Frage verbundenen Interesse, besonders großen Wert für die Serotherapie; und obgleich kein genaues Verhältnis zwischen der Kraft des injizierten Toxins und der Menge des hervorgebrachten Antitoxins vorhanden ist, so entspricht doch, wie Behring und besonders Martin deutlich ge- sehen haben, der Injektion eines stärkeren Toxins im allgemeinen die Entstehung eines Antitoxins von höherem Vermögen. In dieser Be- ziehung haben die immer ganz empirischen Versuche zur Zusammen- setzung eines geeigneten Kulturmaterials zu sehr verschiedenen Resul- taten geführt. Die am meisten gebrauchten Nährböden haben zur Grund- lage immer Fleischbrühe von dem Fleisch geschlachteter Tiere. Nach Nicolle erhält man treffliches, starkes Toxin von ganz frischem Fleische, in dem nämlich, wie Martin nachgewiesen hat, das Glykogen noch nicht in Glykose verwandelt worden ist. Dagegen benutzen V. Touren- hout und Spronck Fleisch im Zustande beginnender Fäulnis, gerade weil in diesem Zustande die Hydrokarbonate schon zersetzt sind. Aber dies ist nicht immer der Fall, wie Madsen richtig erkannt hat, und Beitrag zum Studium der Entstehung der Toxine etc. 45 darum hat man oft mit dieser Art von Fleisch Mißerfolge. Auch Smith hält die Fäulnis des Fleisches für das beste Mittel, um die Glykose auszuscheiden und vorzügliches Toxin zu erhalten. Dungern und Wood dagegen erhielten stark toxische Produkte, wenn sie Blutserum von Tieren oder Aseitesflüssigkeit mit Brühe von Kalbfleisch mischten. | Ahronson wieder erhielt gute Resultate bei Benutzung des Liebig- schen Fleischextrakts zur Bereitung der Nährbrühe. Martin erhielt ungewöhnlich starkes Toxin, so daß !/,,, ecm ein Meerschweinchen von 2-300 g tötete, indem er mit dem gewöhnlichen Fleischaufguß künst- lich bereitetes Pepton mischte, durch Digestion von Ochsenfleisch mit 6 Schweinsmagen, worauf er den Ueberschuß der Salzsäure neutralisierte und filtriertee Dagegen erhielt Marenghi gute Resultate bei Be- nutzung von Pferdefleisch und Bereitung der Brühe auf die gewöhnliche Weise; die Produktion war auf diesem Kulturboden viel bedeutender, als nach der Methode von Martin. Spronck benutzte einen Aufguß ‚der käuflichen Bierhefe mit Hinzufügung von ?/,o. Pepton, um den von den französischen Autoren so sehr gefürchteten Einfluß der Gegen- wart von gärungsfähigen Kohlehydraten zu vermeiden. Es wäre jedoch zu bemerken, daß gerade das Pepton gärungsfähige Kohlehydrate ent- hält; daher mußte man bei diesem Nährboden, der übrigens, wie ich später angeben werde, nur mäßige Resultate giebt, die Möglichkeit aus- schließen, daß schlechtes Pepton seine Wirkung schädigen könnte. Diese Untersuchungen über die Zusammensetzung des Kulturbodens sind sämt- lich für den Diphtheriebacillus angestellt worden. Für den Tetanus- bacillus giebt es, außer einigen unbestimmten, spärlichen, allgemeinen Angaben keine systematischen Untersuchungen. Mir scheint es, daß dies von der verschiedenen Gärungskraft der beiden Mikroorganismen herrührt. Wenigstens habe ich an den Exemplaren der beiden Bakterien, über die ich verfügen konnte, beobachten können, daß der Diphtherie- bacillus, wenn er sich üppig entwickelt, eine kräftige Gärung der Kohle- hydrate hervorbringt, die fast immer in den Kulturen vorhanden sind. Der Tetanusbacillus entwickelt sich viel langsamer und bringt diese Gärung nur teilweise und sehr spät hervor, wenn das Toxin, daß da- gegen sehr schnell entsteht, in den Kulturen schon sehr reichlich vor- handen ist. Gewiß finden sich in diesen, mit gewöhnlicher Fleischbrühe hergestellten Kulturen im Verlauf der Zeit bedeutende Verschieden- heiten, sowie je nach der verschiedenen Herkunft des Fleisches, aber diese Umstände sind nicht so bedeutend, wie bei dem Diphtheriebacillus, wo sie große Spärlichkeit und völligen Mangel des Toxins hervorbringen. Bei dem Tetanus erhält man, vorausgesetzt, daß alle anderen notwen- digen Vorsichtsmaßregeln zur Erzeugung guter Kulturen angewendet werden, immer eine bedeutende Produktion von Giftstoffen ; darum war es nicht nötig, den Nährboden zu verändern. Tizzoni hat jedoch neuerlich die Notwendigkeit, besonders für die Praxis, anerkannt, auch für den Tetanus einen Kulturboden zu besitzen, der ein Gift von großem, konstantem und dauerndem Vermögen hervorbrächte, was bei der ge- 'wöhnlichen Fleischbrühe nicht der Fall ist. Nach seinen früheren Unter- suchungen taugt dazu Gelatine besser, und noch besser ein Nährstoff, der Blutflüssigkeit enthält. Er hat es neuerdings für nötig gehalten, Versuche anzustellen, um einen besseren Kulturboden zu erhalten, aber bis jetzt seine Resultate noch nicht veröffentlicht. Chantemesse hat zur Erzeugung seines sogenannten Typhustoxins einen nach der Methode 46 | Andrea Zinno, von Martin zubereiteten Nährboden benutzt, gebraucht aber frische Rindermilz statt des Fleisches, und versichert, so gute Resultate erhalten zu haben. Roux, Metschnikoff und Taurelli-Salimbeni haben gewöhnliche peptonisierte Fleischrühe mit Hinzufügung von 2 Proz. Gelatine angewendet, um ein gutes Choleratoxin zu erhalten. Endlich sind zur Darstellung mehr oder weniger sicherer Toxine anderer Mikro- organismen andere Kulturmethoden angewendet worden, besonders Blut- serum, mit gleichen Teilen gewöhnlicher Fleischbrühe verdünnt (Mar- morek) oder Blutserum des Kaninchens (de Christius). Bei allen Unsicherheiten, die in dieser übrigens sehr interessanten Frage herschen, wollte ich mich, mit Beziehung auf eine Reihe von mir über die Toxine ausgeführten Untersuchungen, auch mit diesem wich- tigen Gegenstande beschäftigen. $ III. Vor allem muß man sich, wenn man sich diesem Studium zuwendet, die bedeutenden Schwierigkeiten des Subjekts und die oft sehr tiefen Variationen vergegenwärtigen, die kaum bemerkbare Modi- fikationen den Bedingungen des Experiments den Resultaten mitteilen können, denen man nachgeht. Wie ich eben sagte, ist dies die Haupt- ursache, warum die Autoren nicht übereinstimmen; einige unterlassen einige Vorsichtsmaßregeln, andere vernachlässigen oft unentbehrliche. Daher habe ich bei der Unternehmung solcher Untersuchungen vor allem darauf geachtet, daß alle Umstände gleich wären, um dadurch die Hauptursachen des Irrtums zu vermeiden, welche die Resultate beein- flussen könnten. Ich halte es auch nicht für unnütz, diese Vorsichtsmaßregeln zu besprechen, denn es scheint mir nötig, in Bezug auf die Technik alle Einzelheiten anzugeben, damit die Wiederholung und folglich die Kon- trolle möglich werde. Ich gebrauchte also die Vorsicht i) Neue Kolben von derselben Gestalt und Größe zu benutzen und alle sorgfältig mit kochendem Wasser, Alkohol, Aether und zuletzt mal mit destilliertem Wasser auszuwaschen. 2) In diese Kolben immer dieselbe Flüssigkeitsmenge einzubringen und sie trotz der bedeutenden Schwierigkeit gleichzeitig zu füllen, um zu vermeiden, daß das Altern einiger von den Kulturmaterialien die Resultate verändern könne. 3) Die Sterilisierung immer gleichzeitig auszuführen mit Vermei- dung des Gebrauchs des Autoklaven und Beschränkung der fraktionierten Sterilisierung (in der Koch’schen Wärmekammer) auf die Grenze des kürzesten Aufenthalts (15 Minuten). 4) Die Impfung mit besonderer Vorsicht ana urae denn dies ist, wie ich schon sagte, die oft vernachlässigte Hauptursache des Irrtums. Zu diesem Zwecke wurde sie mit Röhren ausgeführt, in denen der Ba- cillus zur Entwickelung gebracht worden war und die dasselbe Nähr- material enthielten, in welches die Ueberpflanzung stattfinden sollte. In Fällen, in denen dies unmöglich war, wurde die Impfung aus frischen Agarkulturen gemacht, wobei man dafür sorgte, niemals eine Spur des Nährbodens zu übertragen. Diese Impfung wurde immer an der Öber- fläche gemacht, denn man weiß, daß dies die beste Methode ist, um von sehr vielen Bakterien gute Resultate zu erhalten. 5) Nach der Impfung alle Kolben in demselben, vollkommen regu- lierten Thermostaten zu halten, der während der ganzen Entwickelung verschlossen blieb. Ich will hier nicht alle die anderen Vorsichtsmaß- Beitrag zum Studium der Entstehung der Toxine etc. 47 regeln erwähnen, da es dieselben sind, die man in jedem Laboratorium beobachten muß. Die zur Feststellung des Ursprungs des Toxins benutzten Substanzen waren von sehr verschiedener Art, und bei der Wichtigkeit der Frage nach seiner Entstehung verfolgte ich einen doppelten Weg; ich bereitete Lösungen von Albumin in reinem Zustande, oder ich wählte von dieser Substanz freie Flüssigkeiten, die möglicherweise als Nährmaterial dienen könnten. Von Eiweißlösungen wurden benutzt: 1) Eiereiweiß und Serin. Diese wurden mit der größten Sorgfalt gesammelt, das erste aus dem Ei, das andere aus dem Serum von Rindsblut, in Wasser mit Kochsalz (0,75 Proz.) gelöst und mit reinstem, frisch destilliertem, absolutem Alkohol niedergeschlagen. Der Niederschlag wurde mehrmals mit Wasser ausgewaschen und bei geringer Wärme in einer schwachen Natronlösung zu 0,5 Proz. wieder gelöst. Aus dem so gebildeten Albuminate wurde das Eiweiß von neuem durch Salzsäure niedergeschlagen; das so er- haltene Albumin wurde wieder in der schwachen Natronlösung aufgelöst, im Verhältnis von 2 Proz. der Trockensubstanz und die Lösung der Dialyse unterworfen, um den Ueberschuß des Natrons und etwaige letzte Spuren von fremden Substanzen zu entfernen. Jede von diesen so dialysierten Lösungen wurde in zwei Teile geteilt; der eine wurde so, wie er war, in die Kolben gefüllt, der andere auf eine Weise alkalini- siert, die ich bei der zweiten Reihe der Untersuchungen angeben werde. Ebenso wurden Lösungen von Albumosen im Sinne von Kühne und von echten Peptonen benutzt. Bei der Zubereitung dieser Sub- stanzen ging man von dem Witte’schen Pepton aus, indem man es reinigte und die in ihm enthaltenen Albumosen von dem echten Pepton, im modernen Sinne des Wortes, trennte. Man verfuhr nach der von Gautier in seiner Abhandlung über Toxine angegebenen Methode, die ich hier nicht zu wiederholen brauche. Die in reinem und trockenem Zustande erhaltenen Substanzen wurden im Verhältnis von 2 Proz. in destillierttem Wasser gelöst, und auch hier wurde ein Teil in diesem Zustande gelassen, einem anderen wurde Natronlösung hinzugefügt. Außerdem setzte man einem dritten Teile wegen der von vielen nach- gewiesenen Unentbehrlichkeit von Salzen zur Entwickelung der Bak- terien phosphorsaures Natron und schwefelsaures Kali im Verhältnis von 2 °/,, und !/, Proz. NaCl hinzu. Endlich benutzte man auch eine einfache Peptonlösung mit 2 Proz. und !/, Proz. Chlornatrium, wobei man aber das Kahlbaum’’sche Pepton benutzte, das sich als das reinste von allen ähnlichen Produkten auswies. Aus der Gruppe der Nukleine wurde die Nutrose und die Bierhefe (von Merk) gewählt. Auf die erstere Substanz mußte man aber ver- zichten, weil man bei fünf aufeinander folgenden Untersuchungen nie- mals in ihr auch nur die geringste Entwickelung der verschiedenen zu untersuchenden Mikroorganismen erhalten konnte, auch wenn man die Bedingungen der Versuche bedeutend abänderte, indem man die Lösung auf verschiedene Weise alkalinisierte, verschiedene Salze hinzufügte u.s. w. Das Nuklein der Hefe wurde in der Wärme in Natronlösung (1 Proz.) gelöst, die Lösung filtriert, dialysiert und mit Salzsäure niedergeschlagen und dann wieder gelöst und dialysiert, so daß man zuletzt eine 2-proz. Lösung der Trockensubstanz erhielt, die ebenfalls in 3 Teile geteilt wurde: einen einfachen, einen alkalinisierten und einen mit Salzen ver- sehenen, wie oben angegeben wurde. 48 Andrea Zinno, Unter den eiweißfreien Flüssigkeiten wählte man die von Ouschinisky, besonders die von Fränkel abgeänderte und die von Raulin. Aber ich wollte mich mehr einigen natürlichen Verhältnissen nähern, die wir mit dem Experiment schwer reproduzieren können. Zu diesem Zwecke unterwarf ich, um eine Lösung von Salzen zu erhalten, wie man sie in dem natürlichen Blut- und Milchserum findet, und zuletzt auch die nach Loeffler’s Methode zubereitete Fleischbrühe einer ge- nauen Dialyse. Das Produkt der Dialyse wurde im Wasserbad abge- dampft und zu der Konzentration gebracht, die es in der ursprünglichen Flüssigkeit hatte. Zu dieser Salzlösung wurde 2 Proz. Asparagin und milchsaures Ammoniak in demselben Verhältnis hinzugefügt. Um jedoch den Einfluß stickstoffhaltiger Krystalloidsubstanzen auszuschließen, die sicher in den natürlichen Flüssigkeiten vorhanden sind und dialysiert werden mußten, veraschte ich das Produkt, und nach Wiederauflösung der Asche, immer im Verhältnis der ursprünglichen Flüssigkeit, fügte ich ebenso und in demselben Verhältnis Asparagin und milchsaures Ammoniak hinzu. Die für diese Art von Untersuchung benutzten Mikroorganismen waren der Diphtheriebacillus, eine pathogene Varietät von Proteus vulgaris, aus einem Absceß isoliert, der Tetanusbacillus und eine sehr virulente Varietät von Staphylococcus. Wie man aus den schon weitläufig vorgetragenen Angaben sieht, wurden die genauesten Untersuchungen mit dem ersten dieser Mikroorganismen gemacht, aber man hat auch den anderen angeführten Mikrobien die größte Sorgfalt zugewendet. Der Diphtheriebacillus wurde durch ein wegen seiner starken Virulenz und Toxicität aus vielen anderen ausgewähltes Exemplar vertreten, so daß es mit Recht dem amerikanischen Mikrobium ver- glichen werden kann, das im Institut Pasteur gebraucht wird. Nach wiederholten, mehrere Monate dauernden Uebertragungen hat er das Vermögen erreicht, ein, 500 g schweres Meerschweinchen in der Dosis von !/,, ccm einer 24 Stunden alten Fleischbrühekultur in der Zeit von 24—36 Stunden zu töten. Auch der Proteus vulgaris war sehr virulent und tötete in der Dosis von !/, cem, ebenfalls durch subkutane Impfung, die Meer- schweinchen. Der Tetanusbacillus gehörte einem Exemplar des Laboratoriums an und wurde mit allen gewöhnlichen Maßregeln immer virulent erhalten. Der Staphylococcus endlich wurde aus einem schweren Falle von septischer Phlegmasie isoliert und durch wiederholte Uebergänge so virulent gemacht, daß !/, cem frischer Kultur ein Meerschweinchen in weniger als 28 Stunden töteten. $ IV. Eine zweite, noch längere Reihe von Untersuchungen wurde zu dem Zweck gemacht, zu erforschen, welcher künstliche Kulturboden zur Erzeugung toxischer Substanzen am geeignetsien wäre. In dieser Absicht wurden sehr viele Nährmittel zubereitet, und zwar außer allen den von verschiedenen Autoren als die zu diesem Zwecke geeignetsten empfohlenen noch sehr viele andere, welche, soviel ich weiß, bis jetzt noch nicht, wenigstens mit der Absicht gebraucht worden sind, gute Toxine zu erhalten. Die ersteren waren: die gewöhnliche Nährfleisch- brühe mit 2 Proz. Pepton, die von Ahronson empfohlene Brühe mit Fleischextrakt, die von Marenghi empfohlene Brühe von Pferdefleisch, die Flüssigkeit von Spronck. Die Methode von Martin wurde nur einmal nach der genauen Vorschrift des Autors angewendet. Wegen Beitrag zum Studium der Entstehung der Toxine etc. 49 der größeren Genauigkeit und auch wegen der größeren Leichtigkeit zog ich dann vor, das Fleisch mit sehr reinem, künstlichem Pepsin (von Grübler) zu digerieren, dem ich im Verhältnis von 1 Proz. der Flüssig- keit und 1 Proz. Salzsäure zusetzte. Ich habe auch bei der nach diesen letzten Angaben zubereiteten Brühe bei ihrer Anfertigung das gewöhn- liche Fleisch durch andere innere Organe ersetzt. Besondere, zahlreiche Versuche wurden mit dem Gehirn gemacht, und zwar aus zwei Gründen: vor allem nämlich, weil dieses Organ, das eine viel konstantere Be- schaffenheit hat, als das Muskelfleich, sich besser zu vergleichenden Studien eignet, besonders aber, weil man wiederholt wahrgenommen hat, daß alle Mikroorganismen und besonders ihre Toxine eine viel stärkere Wirkung ausüben, wenn sie direkt in das Gehirn injiziert werden. Zu diesem Zwecke also wurden Rinder- und Lammsgehirne von mittlerer Größe fein zerrieben und mit doppelt soviel Wasser 24 Stunden lang kalt (8—10°) infundiert. Darauf wurde das Gemisch 1—2 Stunden lang in der Koch’schen Wärmekammer gehalten. Ein anderer Teil dieses Aufgusses wurde mit salzsaurem Pepsin in dem angegebenen Verhältnis versetzt und im Thermostaten bei 40° 15—13 Stunden lang der künstlichen Verdauung überlassen. Dann wurde die Flüssigkeit gekocht, dann neutralisiert und endlich nach neuem Kochen filtriert und in die Kolben verteilt. Mit derselben Vorsicht bereitete ich Kulturböden aus Milzsaft. Ich habe noch viele andere Organsäfte versucht, aber mit Resultaten, die von Anfang an weniger gut waren, als die mit Gehirn; darum habe ich sie nicht weiter wiederholt. Ich muß jedoch bei dieser Gelegenheit bemerken, daß ich mehrfach Leberbrühe angewendet habe, die nach der Vorschrift von Cesaris-Demel bereitet war. In ihr entwickelte sich der Diphtheriebacillus sehr spärlich und das Wachstum steht schon nach einigen Tagen still, ohne wieder zuzunehmen, da der Nährboden schon am 2. oder 3. Tage sauer wird. In keinem Falle hat bei den zahlreichen, zu diesem Zweck unter- nommenen Versuchen auch nur die geringste Produktion von Toxin stattgefunden. Dies beweist von neuem, daß auch kleine Mengen von Glykose, auf deren Kosten, wie Gesaris-Demel selbst nachgewiesen hat, die Säuerung der Flüssigkeit zustande kommt, fähig sind, jede Ent- wickelung von Toxin durch den Diphtheriebacillus aufzuhalten oder zu verhindern, für welchen dieser Nährboden vorzugsweise angewendet worden ist. Außer diesen mit verschiedenen organischen Säften ver- fertigten Nährböden habe ich versucht, Nährstoffe mit künstlichen Sub- stanzen zuzubereiten. Auf diesem Wege ließ ich mich immer durch das Bestreben leiten, das alle Forscher beschäftigt hat, ein gutes Kulturmaterial zu erhalten, das fähig wäre, bedeutende Mengen von Toxin zu liefern und eine konstante, leicht reproduzierbare Zusammensetzung besäße. Es durfte nicht, wie die gewöhnlichen Kulturböden, aus zahlreichen Stoffen bestehen, von einem Male zum anderen die Produktion des Toxins ab- ändern oder vermindern, oder die schnelle Abnahme des toxischen Ver- mögens herbeiführen. Zu diesem Zwecke wurde eine große Zahl von Präparaten benutzt, die im Handel als Derivate des Eiweißes oder als Hilfsmittel der Er- nährung vorkommen und so sehr bei adynamischen Krankheiten und bei denen des Verdauungsrohres gerühmt werden. Die erste zu diesem Zwecke benutzte Substanz war das Sarkolin, das schon nach den Studien Erste Abt. XXXI. Bd. 4 50 u Andrea Zinno, Simonetta’s als nützlich für die Entwickelung einer großen Zahl von Bakterien befunden worden war. Die zweite war die Albumose, die im Handel unter dem Namen „Nährstoff von Heyden‘ vorkommt, denn auch diese ist zur Bereitung von Nährböden für Bakterien angewendet worden und nach Hesse und Niedner mit gutem Erfolg. Es war nicht mög- lich, das Tropon. zu benutzen, das in Wasser und selbst in verdünnten Alkalien so schwer löslich ist; es ist nicht empfehlenswert, dazu starke Natronlösungen zu gebrauchen. Leicht löslich und leicht anwendbar war dagegen die Somatose, besonders in der Varietät von Eisensoma- tose, wie sie im Handel vorkommt. Ich übergehe einige andere, eben- falls angewendete Substanzen, weil ich wegen der Schwierigkeit der Zubereitung oder wegen mangelnder Resultate nicht auf Einzelheiten eingehen kann. Endlich gebrauchte ich auch nach dem Vorgang Wood ’s und Anderer eine Mischung von sorgfältig gesammeltem Rinderblutserum mit gewöhnlicher Fleischbrühe; die Mischung wurde mit den gewöhn- lichen Vorsichtsmaßregeln mit Unterbrechungen 8 Tage lang bei 60—62° sterilisiert. Bei der Zubereitung dieser langen Reihe von Nährstoffen sind alle schon oben angegebenen Vorsichtsmaßregeln angewendet worden und ich brauche sie hier nicht zu wiederholen. Die größte Sorgfalt hat aber die der Flüssigkeit mitzuteilende Reaktion beansprucht, denn da es sich um vergleichende Untersuchungen handelte, mußte man unter in jeden Beziehungen gleichen Bedingungen vorgehen. Man begreift, daß es sehr schwer ist, Flüssigkeiten eine gleiche Reaktion zu geben, die von so verschiedener Zusammensetzung sind und so verschiedene Mengen von Phosphaten enthalten, denn diese haben, wie besonders Ducleaux nachgewiesen hat, die größte Wichtig- keit für die Bestimmung der Alkalinität organischer Flüssigkeiten. Zu diesem Zwecke neutralisierte ich zuerst genau mit Hilfe von sehr empfindlichem Lackmuspapier die erhaltenen Flüssigkeiten und fügte dann einer jeden soviel von einer Normalnatronlösung hinzu, daß ich ihnen dieselbe Alkalinität mitteilte, die durch Lackmuspapier nach- gewiesen wurde, das als Probe diente. Dies wurde erreicht mittels der Einwirkung einer normalen Lösung von Natron in destilliertem Wasser im Verhältnis von 8 ccm pro mille. Dieses Verfahren war nach verschiedenen Versuchen gewählt worden, denn man hat wiederholt beobachtet, daß man bei einer solchen Alkalinität den höchsten Ertrag von toxischen Substanzen erhielt. Die Zeit, während welcher diese Nährstoffe nach der Impfung im Thermostaten gehalten wurden, betrug für den größten Teil 7 Tage. Nur wurden bei der zweiten und dritten Wiederholung der Experimente die Materialien, die gute Resultate geliefert hatten, 15—22 Tage darin gelassen. Nur ausnahmsweise wurde die Kultur auf einen Monat oder länger ausgedehnt, aber ich will diese Resultate hier nicht im einzelnen an- führen und nur sagen, daß diese lange dauernden Kulturen keine guten Resultate gegeben haben; das vielleicht schon gebildete Toxin war fast gänzlich zerstört. Jedenfalls wurde es in geradem, abnehmendem Ver- hältnis zu der Zeit des Verweilens im Thermostaten gefunden. Nach der Entwickelung wurden die Flüssigkeiten mit Hilfe des Aspirators von Fischer durch mehrfach verdoppeltes Pergamentpapier oder durch Pukal’s Filter filtriert, und das Filtrat, wenn es bei Fär- bungen und Kulturen noch Keime zeigte, wieder durch doppeltes Papier Beitrag zum Studium der Entstehung der Toxine etc. 51 filtriert, und man machte erst Injektionen, wenn man sicher war, daß die Flüssigkeit steril sei. In jedem Falle mischte man, nach dem all- gemein angenommenen und neuerlich von Behring auch bei Tetanus befolgten Verfahren von Ehrlich, die filtrierten Flüssigkeiten mit Toluol und bewahrte sie in dunklen Gläsern unter einer Schicht derselben Flüssigkeit auf. | Ich beabsichtige nicht, hier alle die zahlreichen Tabellen über eine Reihe von langen und mühsamen Experimenten vorzuführen. Ich be- schränke mich auf die erhaltenen Resultate. Der Diphtheriebacillus hat sich in der ersten Reihe der Versuche mäßig entwickelt: 1) in der Flüssigkeit aus Serin und Salzen, 2) im Eieralbumin mit Salzen, 5) im Nuklein der Hefe, 4) im einfachen Pepton, Dagegen war die Entwickelung sehr spärlich: 1) in gereinigtem Pepton mit Salzen, 2) in gereinigter Albumose mit Salzen. Sie war sehr spärlich im Asparagin mit hinzugefügten Salzen und blieb trotz allen Versuchen bei den anderen mineralischen Flüssigkeiten ganz aus. Filtrierte Flüssigkeiten, in denen Entwickelung stattgefunden hatte wurden Tieren eingespritzt, wobei die größte, im allgemeinen Teile dieser Arbeit beschriebene Sorgfalt angewendet wurde; zur größeren Sicher- heit der subkutanen Injektion wurde, wie es jetzt meistens geschieht, die Sternalgegend gewählt. Von diesen filltrierten Flüssigkeiten zeigte das Nuklein eine Toxicität, die bei den verschiedenen Versuchen im Mittel gleich 0,06 cem für im Mittel 250 g Meerschweinchen gefunden wurde. Das Seroalbumin dagegen war nur in der Dosis von 0,12 cem giftig. Die anderen Präparate waren nur in so starker Dosis giftig, daß man es für den beabsichtigten Zweck für unnütz hielt, die Experimente fortzusetzen. Der mit aller möglichen Sorge für seinen Anaerobismus kultivierte Bac.tetani hat sich nur in Nuklein und in sehr geringem Maße in dem einfachen Pepton entwickelt. Die Kulturen nach Filtrierung in der Dosis von !/,,, der ersten Substanz und von !/,,, der zweiten haben einen typischen experimentellen Tetanus hervorgebracht, der immer an dem inokulierten Gliede anfıng (beim Tetanus ist dies der Injektion ins Sternum vorzuziehen) und die Meerschweinchen in 4—5 Tagen tötete. Aber viele der mit schwächeren Dosen inokulierten Meerschweinchen sind nach verschiedener Zeit gestorben, das eine nach 35 Tagen mit deutlichen Zeichen von chronischem Tetanus. Es ist aber gut, hinzu- zufügen, daß ich die kleinste tödliche Dosis auf die soeben angegebene Menge bestimmt habe. Dabei folge ich dem gewöhnlich angenommenen Kriterium, nämlich dem von Behring und Ehrlich, welche die kleinste tötliche Dose diejenige nennen, die Meerschweinchen von bekanntem Gewicht für die Diphtherie in 2—4 und für den Tetanus in 2—7 Tagen tötet. Der Proteus vulgaris dagegen entwickelt sich gut auf allen Kulturböden und war nur spärlich, aber immer deutlich, im Pepton und in der gereinigten Albumose ohne Hinzufügung von Alkali und Salzen. Er entwickelte sich gut in den speziellen mit Organsäften zu- bereiteten Flüssigkeiten. Aber in keiner davon hat er eine Substanz mit den Eigenschaften eines echten Toxins hervorgebracht. Nur die vom digerierten Gehirn abfiltrierte Flüssigkeit tötete Meerschweinchen in der Menge von 0,63 ccm auf jede 100 gihres Gewichts nach 3!/, Tagen unter Erscheinungen von starker Abgeschlagenheit und Dyspno@. Da 4* 52 Andrea Zinno, man also nicht behaupten kann, es handele sich um ein echtes Toxin, will ich über die Resultate der Experimente nicht eingehend berichten. Im allgemeinen folgt aus diesen Untersuchungen, daß der Tetanus- und Diphtheriebacillus sehr schwer zu kultivieren sind auf Kulturböden, denen entweder das Eiweiß und seine Derivate oder die Salze fehlen. Indessen ist es etwas leichter, diese beiden Mikroorganismen an das Fehlen der letzteren anzupassen, aber unmöglich Kulturen von ihnen in eiweißfreien Kulturmitteln zu erhalten!);, Aber man hat in Natrium- Albuminat mit Salzen und besonders in Natrium-Nukleinat eine ziemlich . in die Augen fallende Kultur erhalten, die merkliches toxisches Ver- mögen besaß. Da ich mich also mit allen Vorsichtsmaßregeln umgeben habe, glaube ich mit Recht behaupten zu können, daß nur bei Gegenwart von Eiweiß- substanzen die Entwickelung und die Produktion von Toxinen möglich ist. Ich habe nämlich Fleischextrakt zu 2 Proz. in destilliertem Wasser gelöst und der einen Hälfte davon gereinigtes Pepton auf die angegebene Weise zugesetzt. Wenn ich die beiden genannten Mikroorganismen in diese beiden Lösungen übertrug, entwickelten sie sich gut in der Pepton enthaltenden Flüssigkeit, aber trotz aller Mühe gelang es nicht, in dem Fleischextrakt allein Kulturen hervorzubringen. In der ersten Flüssigkeit war die Toxicität des Diphtheriebaecillus sehr stark; sie betrug 0,005 bei den gewöhnlichen Meerschweinchen. Wie wir sehen, vermag das reine Pepton nicht, merkliche Toxicität hervorzubringen. Das Extrakt ohne Pepton bringt durchaus keine Ent- wickelung oder Toxicität hervor. Der Diphtherie- und der Tetanus- bacillus brauchen also zum Leben einerseits eine Eiweißsubstanz und andererseits viele in dem Extrakt enthaltene Stoffe. Indessen wird die Unentbehrlichkeit der ersteren deutlich durch die Thatsache bewiesen, daß, wenn man dem Extrakt, der für sich allein unfähig ist, irgend eine Kultur hervorzubringen, nichts anderes zusetzt, als ganz reines Pepton, diese Mischung starke kulturelle und toxigene Eigenschaften erwirbt. Folglich bilden die Albuminoide die Hauptbedingung für diese Ent- wickelung, bedürfen aber einer gewissen Zahl von anderen Substanzen, wie aus den von mir ausgeführten verschiedenen Kombinationen von Flüssigkeiten hervorgeht, die vorzüglich in Salzen bestehen. Wenn man zu dem reinen Pepton Phosphate, Sulfate oder Chlorüre hinzufügte, trat keine Entwickelung ein und besonders kein toxigenes Vermögen, wohl aber, wenn man Fleischextrakt beigab. Denn dieses letztere enthält noch andere Salze und vorzüglich Eisen, die sicher die Erzeugung des Toxins besonders begünstigen müssen. Ich wollte nicht fortfahren, dem Pepton diese anderen Salze zu- zusetzen, weil es mir für jetzt nur darauf ankam, den Einfluß des Ei- weißes auf die Produktion des Toxins festzustellen. Man begreift, daß man auf diesem, nicht wie bisher empirischen, sondern chemisch rationellen Wege nur die Bildung eines Nährbodens von bekannten Bestandteilen in bestimmten Verhältnissen erreichen kann. 1) Es ist mir allerdings mit großer Mühe gelungen, eine Anpassung des Diphtherie- bacillus an das Leben in den oben genannten mineralischen Flüssigkeiten zu erhalten. Ich habe es dadurch bewirkt, daß ich der letzteren Pepton in immer abnehmender Menge zusetzte, von 2 Proz. bis zu 0,01 Proz., und den Mikroorganismus nach und nach aus der an peptonreicheren Kultur in die daran ärmere übertrug. Nach ungefähr 2 Monaten vermochte der Bacillus, wenn auch sehr mühsam, in den genannten Flüssig- keiten zu vegetieren, hatte aber alle Virulenz und jedes toxigene Vermögen eingebüßt. Beitrag zum Studium der Entstehung der Toxine etc. 53 Man wird also alle die vielfachen Ursachen von Variationen aus- schließen können, die sich in den jetzt gebräuchlichen Flüssigkeiten beständig finden, und der theoretischen und praktischen Kenntnis eines so wichtigen Gegenstandes so viel Schaden bringen. Zuletzt bemerke ich noch, daß von den 3 Reihen der angewendeten Albuminoidstoffe die mit dem kompliziertesten Molekül von den Mikro- organismen am besten ausgenutzt wurden. Dies würde immer mehr das analytische und nicht synthetische Vermögen der Bakterien beweisen. Aber ich will daraus keine übereilten Schlüsse ziehen, denn zuerst müssen die Untersuchungen erweitert und vermehrt werden, um nicht in Generalisierungen zu verfallen, die den Thatsachen nicht entsprechen. $S V. Aus der zweiten Reihe von Untersuchungen, deren Technik ich beschrieben habe, erhielt ich sehr bemerkenswerte Resultate, auf die ich nicht umhin kann, die Aufmerksamkeit zu lenken. Die ausgeführten Untersuchungen waren sehr zahlreich und wurden immer kontrolliert, um Irrtümer zu vermeiden. Die erste aus ihnen folgende Thatsache ist die, daß die Hirnpräparate für die Erzeugung toxischer Substanzen von außerordentlicher Wichtigkeit sind. Ich kann daher nicht unter- lassen, hier wenigstens einen kleinen Teil der zu diesem Zweck aus- geführten Experimente anzuführen. Am 11. November 1899, 2 Uhr nachmittags. Meerschweinchen von 283 g Tetanustoxin in 7 Tage lang digeriertem Gehirn 0,00004, Tod nach 58 Stunden. = A BE; SE OR, ı PR Er. 0 s; ungefähr. se nn... 20, 0.00001. fe u 5 Tagen. „ „ 281 „ do. 0,000008, 2) „ 8 „ „ „ 280 „ do. ) ‚000007, 2) ” 7 „ 7 BANBOT-,, ---G0./u:0, ‚000005, nen z EB „do. in gewöhnlicher Fleischbrühe 0,0001, Tod nach 21/, Tagen. „» ».255..::.do.. 0,0@005, "Tod nach 16 Tagen. 5 „ 270 „ do. 0,00001, blieb am Leben. Für das Diphtherietoxin sind die Resultate zwar nicht so außer- ordentlich, aber ebenso beweiskräftig. Meerschweinchen 352 g, Gehirn semp. 0,005, Tod nach ungefähr 48 Stunden. e 262 „, F = 0,003, 4 Tagen. 2. 202 „; 0,002, blieb am Leben. 4 u . Gehirn digeriert 0,003, Tod nach 48 Stunden. 276 , 3 E 0.002, » „» ungefähr 3 Tagen. „ 282 „ „ „ 0,0016, ” ” 3 Tagen. 2) 290 ” 2) 12) 0,0015, ” „ I „ ” 278 ” „ „ 0,0015, 6 5 284 „, R " 0,0012, blieb am Leben. ri 251 „, 0.0010, ebenso. R 298 „ Toxin in einfacher Fleischbrühe 0,01, Tod nach 3 Tagen. ” 289 ”„ „ „ „ ” 0,008, ” „ 2 » „ 301 2) „ ’ ” „ 0,006, ra) ’e 264 „ 0,005, leichtes AT Oedem. » 5, R .. 0,004, dasselbe. ie BERN LLDU Y # 0,008, blieb am Leben. „ 252 „ Pferde-Fleischbrühe 0,004, Tod nach ungefähr 3 Tagen. ” 292 „ „ „ 0.008, 9 Tagen. » 279 „ 0,0015, blieb am Leben. „ 260 „, mit Serum und Brühe 0,018, Tod nach 4 Tagen. > I, 5 u 0.015 5, blieb am Leben. » 290 „ Sarcolin Li a 0.03, Tod nach 2 Tagen. „ 296 , ee 3 „ 0,015, blieb am Leben. Bei den Injektionen gebrauchte ich sorgfältig die von Ehrlich angegebene Technik; es ist nicht nötig, Einzelheiten anzuführen. An 54 Andrea Zinno, den gestorbenen Meerschweinchen habe ich immer die Sektion ausgeführt, wobei ich mich nur mit denen beschäftigte, welche die charakteristischen Zeichen der Intoxikation aufwiesen. In der vorhergehenden kurzen Tabelle habe ich nur die wichtigsten Resultate angegeben. In einer zweiten Reihe von Untersuchungen wurden sie wiederholt, wobei den Meerschweinchen das Gift im Ver- hältnis zu einem Gramm des Körpergewichts injiziert wurde, und das Resultat war ungefähr dasselbe. Einige von den vorhandenen geringen Widersprüchen sind auch verschwunden, da ich diese genauere, von Behring angegebene Methode befolgtee Endlich wurden in einer dritten Serie mit großer Anstrengung an demselben Tage 2 Reihen von Meerschweinchen alle gleichzeitig zur Entwickelung gebrachten und filtrierten Präparate inokuliert. Der ersten Reihe wurde !/,.. cem und der zweiten !/,, eem injiziert. Die Resultate waren immer den vorher- sehenden gleich. Zuerst starben immer die mit Gehirn und dann die mit Pferdefleischbrühe und mit Rindfleischbrühe mit Extrakt inokulierten Tiere, zuletzt die mit Serum und Fleischbrühe inokulierten. Ich lasse jetzt das Verzeichnis der angewendeten Substanzen mit bezüglicher An- gabe der Toxieität für jedes Gramm Meerschweinchen folgen und zwar als Ergebnis der Mittelzahlen der sehr zahlreichen gemachten Experimente. Für den Tetanus wurde erhalten: 1) Gehirn, digeriert — 12000 000 M. 2) Gehirn, einfach — TO DONE 3) Fleischbrühe, einfach — "BD OLD 4) Fleischbrühe mit Extrakt = 2300000 _„, 5) Brühe von Pferdefleisch = 2200000 „ 6) Fleischbrühe mit Serum = 1800000 _J,, 7) Sarcolin — 700008 Die anderen Substanzen erwähne ich nicht, weil das toxische Ver- mögen sehr gering gefunden wurde oder ganz fehlte. Für die Diphtheritis dagegen erhielt man folgende Resultate: 1) Gehirn, digeriert —= 180000 M 2) Gehirn, einfach — 150000 5, 3) Pferdefleischbrühe — 159005 4) Gewöhnliche Fleischbrrühe = 55000 „, 5) Fleischbrühe mit Extrakt = 51000 „, 6) Serum und Fleischhrühe = 15000 „ 7) Fleisch, digeriert — Im 8) Sarcolin — »70W , 9) Somatose =. A 10) Albumose =, 300 Von den anderen Substanzen ist hier nichts zu sagen, denn sie zeigten sich weniger toxisch, als die Albumose, nämlich in zu hohen Dosen, um hier in Betracht gezogen zu werden. Ich habe bis jetzt über die Resultate berichtet, die mit 7 Tage in der Wärmkammer gebliebenen Kulturen angestellt wurden; die Resultate der 15-tägigen unterscheiden sich wenig, und bei dem größten Teile der 22-tägigen bemerkt man eine leichte Abnahme. Daher scheint es mir nicht ratsam, diesen Aufenthalt übermäßig zu verlängern; dies ist übrigens schon von Anderen beobachtet worden. Ich muß noch bemerken, daß im digerierten Gehirn die Entwickelung vom ersten Tage an sehr üppig war, so sehr, daß ich in vielen Fällen die Kulturen geöffnet und untersucht habe, weil ich eine Verunreinigung ’ | 2 | Ä Beitrag zum Studium der Entstehung der Toxine etc. 55 fürchtete. Dies ist jedoch nicht der Fall, und die dicke auf der Ober- fläche gebildete Schicht bewahrt immer die Eigenschaften der Kulturen des Diphtheriebaecillus; nur sind die einzelnen Elemente sehr zahlreich. Ich sammelte diese Schicht nach 26—28-stündiger Entwickelung auf starkem Filtrierpapier, und nach langem Auswaschen mit destilliertem, sterilisierttem Wasser, bis aus dem Filtrat die Chlorüre verschwunden waren, suspendierte ich den Bacillus in soviel Wasser, als die ursprüng- liche Flüssigkeit betrug, fügte !/,-prozentige Phenylsäure hinzu und ließ dann 8 Tage lang im Thermostaten macerieren. Nachher filtrierte ich, und die filtrierte Flüssigkeit besaß mäßiges toxisches Vermögen; 0,6 cem tötete ein Meerschweinchen von dem sewöhnlichen Gewicht in wenig mehr als 48 Stunden. Wenn man die- selbe Behandlung bei alten Kulturen wiederholte, war es fast unmöglich, ein gleiches Resultat zu erhalten. Dies scheint mir Aufmerksamkeit zu verdienen, denn es beweist, daß zu Anfang das Toxin intracellulär ist, während es sich später schnell in der Flüssigkeit verbreitet. Denn in diesen ist schon nach 2—3 Tagen die Anhäufung des Toxins recht bedeutend, und dies kann nicht vom Zerfall der Bacillenkörper herrühren, denn in diesem Falle mußten auch die Bacillen der alten Kulturen bei der Maceration toxische Substanzen liefern. Aus dem Vorhergehenden scheint mir mit hinreichender Klarheit hervorzugehen, daß vor allem das Diphtherietoxin aus albuminoiden Molekülen entsteht, die schon vorher in den Kulturmaterialien vorhanden sind, und daß es im allgemeinen kein echtes Produkt der Synthese darstellt. Zu seiner Entstehung jedoch und besonders zur Reproduktion des dasselbe erzeugenden Mikrobiums sind noch andere Substanzen nötig, worunter die mineralischen die wichtigsten sind. Man ersieht auch aus dem bisher Vorgetragenen, daß es möglich ist, mittels besonderer Kulturmethoden ein viel wirksameres Diphtherie- und besonders Tetanustoxin zu erhalten. Darunter nimmt das digerierte Gehirn die erste Stelle ein, denn mit ihm hat man Resultate erhalten, die gewiß verdienen, die Aufmerksamkeit zu erregen. Bibliographie. Fermi, Centralbl. f. Bakteriol. Winogradsky, C. r. de l’Acad&mie des Sciences. 1895. Zinno, Sulla costituzione chimica della materia vivente. Riforma medica. 1894. Agosto. Brieger u. 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No. 18 u. 19) eine nur auf ganz wenige Ver- suche basierte Arbeit: „Ueber die Einwirkung des Alkohois auf die natürliche Immunität von Tauben gegen Milz- brand und auf den Verlauf der Milzbrandinfektion“ ver- öffentlicht und hierauf meine Abhandlung „Ueber den Einfluß des Alkohols auf dieEmpfindlichkeit des tierischen Körpers für Infektionsstoffe“ (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskr. Bd. XXXIV. 1900.) einer abfälligen Kritik unterzogen. Diese Kritik bitte ich hier mit einigen Worten beleuchten zu dürfen. Was zuerst die bemängelten Versuche mit Tuberkelbacillen anbe- trifft, so zeigen meine Tabellen, für deren Richtigkeit ich natürlich jede Gewähr übernehme, daß die alkoholisierten Tiere der ersten Serie durch- schnittlich nach 27 Tagen (jedenfalls innerhalb 30 Tagen) gestorben Sind, die Kontrolltiere dagegen erst nach 34 Tagen der Infektion zum Opfer fielen, daß in der zweiten Serie die mit Alkohol behandelten Tiere im Durchschnitt nach 20, die Kontrolltiere nach 22 Tagen starben. Diese Versuche hätten nun nach Herrn Dr. Goldberg’s Ansicht „ausschließ- lich erwiesen, daß die alkoholisierten Tiere ebenso rasch zu Grunde gehen wie die Kontrolltiere“. Der geehrte Verfasser scheint einige Tage im Kaninchenleben nicht hoch zu schätzen, während jeder unbefangene Beurteiler zugeben wird, daß eben die alkoholisierten Tiere doch etwas früher gestorben sind, als die Kontrolltiere. Ich empfehle Herrn Dr. Goldberg diejenigen Bemerkungen zu beachten, in denen ich selbst schon diese Ergebnisse besprochen, nämlich: „— — — während bei den Versuchen mit Tuberkelbacillen der Unterschied zwar gleichfalls zur Genüge hervortritt, aber doch durch die Thatsache etwas verschleiert steh ra En 5 — 4 nn u au 0 nn m Erwiderung auf den Artikel von Herrn S. J. Goldberg etc. 57 wird, daß die angewandte Menge des Infektionsstoffes auch für die ge- sunden Kontrolltiere augenscheinlich die Grenze der Dosis letalis minima noch weit übertroffen hatte. Hier werden weitere Experimente einsetzen müssen, die ich mir vorbehalte, u. s. w.“ Diese letzteren sind nur einige Monate später, aber noch in demselben Jahre in einer Arbeit!) erschienen, welche über 556 eigene Tierversuche in Bezug auf Alkohol und Infektion berichtet. Die genannte Arbeit hat Herr Goldberg ganz außer Acht gelassen, obwohl sie in dem von ihm besprochenen Aufsatz aus der Zeitschr. f. Hyg. citiert ist! ;?& Der Verf. behauptet weiter: „Auch die Ergebnisse der Versuche, in denen Hunde (Tab. II) und Hühner (Tab. V, VI u. VID mit Milz- brandkulturen infiziert wurden, sind derartige, daß eine Schluß- folgerung, wie sie der Verf. macht, unberechtigt erscheint.“ Aus der Tab. II ersehen wir, daß alle 5 alkoholisierten Hunde 24—60 Stunden nach der Infizierung starben, während von 5 Kontrolltieren nur 2 nach resp. 84 und 108 Stunden zu Grunde gingen ?). Beweisen die Ergeb- nisse nicht auf das deutlichste eine erhebliche Herabsetzung der Em- pfindlichkeit? Die Tab. V zeigt wieder, daß von 11 Alkoholtieren 7 und von 5 Kontrolltieren nur eines zu Grunde gingen; in der Tab. VI starben von 5 Alkoholtieren 4 und von 4 Kontrolltieren nur eines, in der Tab. VII von 4 Alkoholtieren 3 und von 4 Kontrolltieren keines. Es ist danach wirklich recht erstaunlich, wie Herr Goldberg behaupten kann: „Die Ergebnisse sind derartige, daß eine Schlußfolgerung, wie sie der Verf. macht, unberechtigt erscheint.‘ Daß die Alkoholisation als solche zum frühzeitigen Tode einiger Tiere beigetragen hat, steht außer allem Zweifel; doch zeigen die Sektionsbefunde deutlich genug, daß die Tiere zufolge der Milzbrandinfektion (in den allermeisten Fällen sind Milzbrandbakterien aus allen inneren Organen gezüchtet) und nicht etwa an einfacher Alkoholintoxikation gestorben sind. Einige Tiere sind nach langdauernden Alkoholgaben etwas schlaff und träge geworden; dies giebt dem Verf. Veranlassung, zu behaupten, daß die Alkoholtiere „vor der Infektion krank waren“! | Was die eigentümliche Bemerkung, daß die von mir zur Infektion gebrauchte Milzbrandkultur nicht rein gewesen wäre, anbetrifft, so be- _ weist sie nur das eine, daß der Verf. bisher jedenfalls nur sehr wenige Tierversuche angestellt hat. Er müßte sonst unter allen Umständen wissen, daß sehr häufig in den Kulturen, die bei der Sektion der Tiere, d.h. mehrere Stunden nach dem Tode angelegt worden sind, auch einige fremde Bakterienkolonieen entstanden, obwohl die eingespritzte Kultur vollkommen rein gewesen war. Herr Dr. Goldberg behauptet ferner: „Auch die Dosierung ist in des Verf.’s Versuchen eine zu ungenaue.“ Es ist wahr, daß bei der Dosierung eingespritzter Bakterienmengen gewisse Ungenauigkeiten kaum zu vermeiden sind; hat man aber in derselben Versuchsserie stets die- - selbe Bouillonkultur oder Bouillon - Bakterienmischung (die Kulturen waren in kleinen Erlenmeyer’schen Kolben gewachsen, um genügende Mengen zu erhalten) eingespritzt, so wiederholt sich eben überall der gleiche Fehler und wird die Bemerkung über diesen Punkt also völlig gegenstandslos. Herr Goldberg sagt weiter: „Die Dosis von einer 1) Acta societatis scientiarum Fenniae. Bd. XXIX. No. 7. (In der Verlagsbuch- dlung von Gustav Fischer, Jena, zu erhalten.) 2) Obwohl die Versuchstiere ganz unter denselben Verhältnissen gelebt hatten, nahezu von demselben Alter und Gewicht und zum Teil sogar Geschwister waren, 58 Theodor Odhner, !/, Oese ist zu gering, als daß mit ihr genügende: Genauigkeit erzielt werden könnte.“ Man kann sich des Lächelns kaum erwehren, wenn man hieraus ersieht, wie der geehrte Verf. überhaupt gar nicht verstanden hat, daß man, um die !/, Oese zu erhalten, zunächst eine ganze Oese mit einer entsprechenden Menge von Bouillon (z. B. 4 ccm) gemischt und davon nur den vierten Teil (z. B. 1 ccm) genommen hat. Selbst- verständlich hat man immer in derselben Versuchsserie dieselbe Mischung für alle Tiere (sowohl Alkohol- als Kontrolltiere) gebraucht. Es würde mich sehr interessieren, zu erfahren, wie Dr. Goldberg den 12. oder 24. Teil einer Agarkultur mit größerer Genauigkeit entnehmen kann! Herr Goldberg hat mir ferner zur Last gelegt, daß ich aus den Ergebnissen der Tab. IV „keine Schlußfolgerung gewagt“. Die Sache ist folgende: Die ebengenannte Tabelle giebt an, daß alle 4 Alkohol- tiere 11/),—91), (1’/g, 2:/5, 3'/, und 9!/,) Tage nach der Infektion starben, während von 4 Kontrolltieren 5 innerhalb 1—4 (1,1 und 4) Tage zu Grunde gingen und eines die Infektion überlebte. Das soll nach Herrn Goldberg’s Ansicht beweisen, daß die Kontrolltiere früher gestorben sind, während ich der Meinung war und bin, daß die Ergeb- nisse weder in dem einen noch in dem anderen Sinne verwertet werden können. Zum Schlusse sehe ich mich veranlaßt, meinem freundlichen Kritiker zu empfehlen, daß er seine Schlußbemerkung: „Die eben aufgezählten Fehler und Mängel verringern den Wert der Abhandlung um ein be- deutendes und zwingen uns, den Schlußfolgerungen des Verf.’s einiges Mißtrauen entgegenzubringen“, hätte sparen sollen, bis er etwas mehr als nur 15 Taubenversuche auf diesem Gebiete angestellt hat, besonders da er beinahe zu demselben Resultate wie ich gekommen ist. Nachdruck verboten. Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. 1. Von Theodor Odhner, Upsala. Mit 3 Figuren. 1. Ueber die Gattung Zoogonus Lss. In einem in dieser Zeitschrift unlängst erschienenen Aufsatze!) hat Looss unter dem Namen Zoogonus mirus n. g. n. Sp. eine für die Wissenschaft neue, sehr interessante Distomenform beschrieben, die er im Enddarme von Labrus merula des Triester Hafens angetroffen hatte. Der am meisten auffallende Charakter dieser von der Mehr- zahl der Distomen sehr abweichenden Art lag darin, daß die Eier sich ohne Bildung einer chitinösen Schale frei im Uterus zu bewimperten Miracidien entwickelten. Weiter war ein sehr kleiner, ovaler Körper allem Anscheine nach als ein in hohem Grade reduzierter Dotterstock 4 in Anspruch zu nehmen. Das spärliche Material von nur 2 Exemplaren, worauf der Fund beschränkt war, ermöglichte indessen keine vollstän- dige Analyse der weiblichen Genitalorgane, und vor allem war der Zu- sammenhang des fraglichen kleinen Körpers mit den inneren weiblichen Geschlechtswegen nicht zu eruieren. Als eine mit dieser Form nahe 1) Ueber einige Distomen der Labriden des Triester Hafens. (Centralbl. f. Bakt. u. Paras. Bd. XXIX. 1901. p. 459. Fig. 6.) Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. I. 59 verwandte Art wurde vom Verf. das von Olsson aus dem Magen von Pleuronectes microcephalus beschriebene Dist. viviparum'!) betrachtet, das zusammen mit der neuen Art in die Gattung Zoogonus eingereiht wurde. An unserer schwedischen Westküste habe ich nun im jetzt ver- flossenen Sommer ein Distomum gefunden, das mit der Looss’schen Form äußerst nahe verwandt ist und sich sowohl durch seine Organi- sation wie durch seinen Wohnsitz als eine nordische Parallelart dazu erweist. Anfänglich hielt ich die Art für neu, bis ich auf das von Olsson aus Labrus maculatus nach einem einzigen unreifen Exemplar beschriebene und von ihm der Unvollständigkeit . seiner Schilderung wegen als Species inquirenda bezeichnete Dist. rubellum :) aufmerksam wurde. Bei einem genaueren Vergleich zeigte es sich dann, daß meine Form allem Anscheine nach auf diese bis jetzt so gut wie unbekannte Art zu beziehen war. Weiter habe ich Dist. viwiparum Olss. einer näheren Untersuchung unterworfen, wobei es sich herausstellte, daß diese Art, obschon mit den beiden Zoogonus-Arten, Z. mirus Lss. und Z. ru- bellus (Olss.) nahe verwandt, doch in mehreren Hinsichten von diesen beiden Arten dermaßen abweicht, daß ihr Einreihen in die Gattung Zoogonus die Natürlichkeit derselben aufheben würde. Ich werde daher im Folgenden für diese Art eine besondere Gattung creieren, welche zusammen mit Zoogonus eine natürliche Unterfamilie bilden dürfte. Zoogonus rubellus (Olss.). Bis jetzt von mir nur in Labrus berggylia (= Labr. maculatus) an der zoologischen Station Kristineberg gefunden, und zwar unter ungefähr 20 untersuchten Exemplaren dieses Fisches nur 2mal und in sehr beschränkter Anzahl. Soweit ich gefunden habe, bewohnt er in Uebereinstimmung mit der Looss’schen Art aus dem Mittel- 3 meere ausschließlich den Enddarm seines Wirtes, in dessen Falten die kleinen gelben Würmer sehr leicht der Aufmerksamkeit entgehen. Eine solche gellliche oder rötliche Färbung scheint übrigens für die ganze Gruppe charakteristisch zu sein, denn sie findet sich auch bei der _ anderen nordischen Form. Die Körperlänge: beträgt 1,1—1,4 mm, die größte Breite, in der Höhe des Hinterrandes des Bauchsaugnapfes ge- legen, durchschnittlich 0,45 mm. Vorder- und Hinterkörper nach den ‚beiden abgerundeten Körperenden zu sehr schwach und langsam ver- _ jüngt. Der ganze Körper ist mit Stacheln besetzt, welche wie gewöhn- lich am Vorderkörper am dichtesten stehen und gegen das Hinterende spärlicher und schwächer werden. Doch ist nicht einmal die äußerste Partie des Hinterkörpers von ihnen frei. Der Mundsaugnapf ist kleiner als der Bauchsaugnapf. Aus Messungen an 6 Exemplaren habe ich für - sie die durchschnittlichen Durchmesser von 0,15 resp. 0,18 mm bekommen. Ersterer scheint für gewöhnlich ein wenig in die Quere ausgezogen zu - sein, während der Bauchsaugnapf kreisrund ist und ungefähr am Anfang des zweiten Körperdrittels liegt. Der Pharynx steht durch einen wohlentwickelten Präpharynx mit dem Mundsaugnapfe in Verbindung. Er scheint gewöhnlich eine cylin- drische Form zu behaupten mit einer Länge von 0,09—0,11l mm und 1) Entozoa, iakttagna hos Skandinaviska hafsfiskar. (Lund’s Univ. Ärsskrift T. IV. 1868. p. 28. Tab. 4. Fig. 73—75.) 2) l. c. y. 40. Tab. 4. Fig. 89. 60 Theodor Odhner, eine Breite von ca. 0,085 mm. Darauf folgt ein ziemlich langer Oeso- phagus, der sich in der Höhe des Bauchsaugnapfes in die beiden weiten und immer stark hervortretenden Darmschenkel gabelt. Letztere en- digen am Schlusse des zweiten Körperdrittels und ihre blinden Enden liegen da an beiden Seiten ungefähr mitten zwischen dem Körperrande und der Medianlinie. — Die im äußersten Hinterende gelegene Sammel- blase des Exkretionsapparates ist klein und mehr oder weniger sphärisch. Ein längsgehendes Gefäß tritt an jeder Seite aus ihr hinaus und läuft nach vorne zu. Der Genitalporus liegt, ganz wie bei Zoog. mirus Lss., auf der Höhe des Bauch- saugnapfcentrums, nach links bis nahe dem Körperrande verschoben. Der Cirrusbeutel schlägt sich dagegen nicht wie beijener Art bogenförmig um den Bauchsaugnapf, sondern verläuft in gerader Richtung schräg nach hinten und innen zu, um mit seinem Hinterende die Medianlinie dicht hinter dem Bauchsaug- napfe zu erreichen. Sein Inhalt ähnelt sehr demjenigen bei Zoog. mirus. In den kleinen Genitalsinus mündet ein sehr kurzer und unbestachelter Cirrus aus. Ihm folgt eine ebenfalls sehr kleine Pars prostatica, wäh- rend die hinteren drei Viertel des Cirrus- beutels von den beiden durch einen sehr kurzen und feinen Kanal verbundenen Samenblasen eingenommen werden. Von diesen ist die hintere wenigstens doppelt so lang wie die vordere und oft ein wenig geschlängelt. Die beiden Hoden liegen als kugelige oder ein wenig längsovale, ganz- randige Körper ungefähr symmetrisch, un- mittelbar hinter dem Bauchsaugnapfe, dicht an den Körperrändern gelagert. Ihr Durch- messer beträgt ca. 0,12 mm. Der Verlauf DE der Vasa deferentia ist aus der Figur zu Fig.1. Zoogonus rubellus (Olss.), ersehen. Der Keimstock liegt als kugeliger von der Bauchseite. Vergr.ca.80. oder längsovaler Körper in der Medianlinie ‚Für sämtliche Figuren gelten zwischen den blinden Enden der Darm- en re schenkel. Die Keimzellen sind, wie sie ie Da rs 'Kanal, Rs 1L00ss bei Zoog. mirus geschildert hat, mit Receptaculum seminis. ungewöhnlich großen Eikernen von 0,015 mm Durchmesser und Dotterkernen ausgerüstet. Der Keimgang entspringt vom hinteren Ende des Keimstockes und zieht nach hinten zu. Bald nach seinem Ursprunge nimmt er den kurz vor seiner Verbindung mit dem Keimgange zu einer kleinen sackförmigen Samen- tasche erweiterten Laurer’schen Kanal auf und ein kleines Stück weiter distalwärts tritt der Dottergang in ihn ein. Der kleine ovale Körper, der sich, wie bei Zoog. mirus, dicht an der Seite des Keimstockes und gewöhnlich auch ein wenig vor demselben befindet, ist, wie es Looss richtig vermutet, ohne jeden Zweifel der Dotterstock, der an Größe ganz außerordentlich reduziert ist und dessen histologischer Aufbau von dem ET Re ER a Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. I. 61 gewöhnlichen Verhalten dadurch abweicht, daß in seinen Zellen keine Dotterkörner aufgespeichert sind. Er mündet nämlich an dem gewöhn- lichen Orte durch einen kurzen Gang in den Keimgang aus. Relativ zum Keimstocke dürfte er bei der nordischen Art ein wenig größer sein als bei Zoog. mirus. Eine Schalendrüse fehlt, was ja bei dem merk- würdigen, von Olsson und Looss schon erwähnten Umstande, daß die Eier bei Dist. viviparum resp. Zoog. mirus der sonst bei den Trematoden immer vorkommenden, chitinösen Schale entbehren, unschwer begreiflich ist. Die von Miracidien in allen Entwickelungsstadien erfüllten Uterus- windungen nehmen den größten Teil des Körpers hinter den Hoden ein und stehen durch eine anscheinend weniger als bei Zoog. mürus differenzierte Vagina mit der Außenwelt in Verbindung. Was die Entwickelung der Miracidien betrifft, so habe ich nicht viel Besonderes zu erwähnen. Der unbedeutenden Quantität von Nährmaterial, die von den Dotterstockzellen geliefert werden kann, entsprechen, wie in anderen ähnlichen Fällen, z. B. bei Anaporrhutum Richiardü (Lopez), eine un- gewöhnliche Größe der Keimzellen und das Vorhandensein von in diesen eingelagerten Dotterkernen. Daß irgend welche bestimmte Zahl von Dotterzellen bei der Bildung des Eies sich jeder Keimzelle anschließt, habe ich nicht konstatieren können. Die zellige Hüllmembran, welche zuerst den Embryonalkörper nach außen begrenzt, wird später abgestreift und umhüllt das aus der Genitalöffnung herauskommende Miracidium als eine hyaline, strukturlose Haut, welche neben dem Jungen auch einige unverbrauchte Dotterreste einschließt und bei den Bewegungen des ersteren ziemlich bald platzt. Der ganze Körper des reifen Mira- cidiums ist mit Wimpern bekleidet, und dies dürfte wohl dann auch bei dem Zoog. mirus der Fall sein, obschon Looss es für wahrscheinlicher hält, daß, wie es Olsson für die Miracidien von seinem Disi. viviparum an- giebt, nur das Vorderende bewimpert ist. Wie wir im Folgenden sehen werden, ist aber diese Angabe von Olsson unrichtig. Die Länge der ovalen Flimmerlarveu beträgt ca. 0,1 mm. Bei einem Vergleich mit der Beschreibung Olsson’s von Dist. rubellum finden wir da die charakteristischen, immer scharf hervortretenden Darmschenkel wieder und weiter auch die gelbliche Färbung und den sroßen Pharynx. Beide Formen kommen in demselben Wirte vor und unter den übrigen meines Wissens in dem fraglichen Fische schma- rotzenden Distomen findet sich keine, worauf das Dist. rubellum Olss. zu beziehen wäre. Daß Olsson seine Form als unbestachelt aufführt, kann ja darauf beruhen, daß die Stacheln bei seinen Expemplaren schon verloren gegangen waren, was meiner Erfahrung nach sehr leicht ge- schieht, und bei dem geringen Größenunterschied, der zwischen den Saugnäpfen existiert, bietet seine Angabe, daß sie ungefähr gleich groß sein sollen, nichts Befremdendes. Daß die hier beschriebene Form von dem Zoog. mirus Lss. specifisch verschieden ist, dürfte unzweifelhaft sein. Ich brauche nur auf das verschiedene Größenverhältnis der Saugnäpfe und auf die abweichende Länge der reifen Miracidien (0,13 bei Zoog. mirus, 0,1 bei Zoog. rubellus) hinzuweisen. Ich gehe jetzt zur Beschreibung der zweiten nordischen Form, die dem Verwandtschaftskreis von Zoog. mirus Lss. zugehört, Dist. vivi- parum Olss., über und creiere für diese Art die neue Gattung Zoo- gonoides. 62 Theodor Odhner, Zoogonoides viviparus (Olss.). Nach Olsson würde diese Art zu den selteneren Formen der nor- dischen Trematodenfauna zu rechnen sein, denn sie ist von ilım niemals an der schwedischen Westküste und nur ein einziges Mal zu Bergen in zwei Exemplaren in Pleuronectes microcephalus angetroffen worden. Dies ist indessen keineswegs der Fall, sondern sie ist wenigstens an der zoolo- gischen Station Kristineberg eine von den am häufigsten vorkommenden. Sie ist in den meisten dort von mir untersuchten Schollenarten, nämlich Pleuronectes flesus, Pl. limanda, Pl. platessa, Pl. microcephalus, und Hippo- glossoides platessoides, sehr oft gefunden worden und außerdem auch in Callionymus !yra. Olsson giebt den Magen als Wohn- sitz der beiden von ihm gesammelten Exemplare an. Dies ist aber unzweifelhaft entweder als ein ganz zufälliges Vorkom- mens oder als ein Irrtum zu betrachten. Nach meinen Befunden ist nämlich, wie für die beiden Zoogonus-Arten, so auch für diese Form der Enddarm der eigentliche Aufenthaltsort, wenn man auch vereinzelte Exemplare in den angrenzenden Teilen des Dünndarmes auffinden kann. Die Länge des von einem gelben oder rötlichen Pigmente oft sehr stark gefärbten Wurmes schwankt bei erwachsenen Indivi- duen zwischen 1 und 1,25 mm, während die Maximalbreite auf der Höhe des Bauch- saugnapfes ca. 0,4 mm beträgt. Von dieser aus verschmälert sich der Körper langsam ein wenig nach den beiden abgerundeten Enden zu und zwarda bei ein bischen mehr nach hinten. Der Bauchsaugnapf ist beinahe aus den folgenden Durchschnittszahlen her- vorgeht: B. 0,25—0,31 mm, M. 0,14 bis 0,16 mm. Ersterer liegt ungefähr auf der BE Körpermitte und ist kreisrund mit quer- (Olss.), von der Bauchseite. Vergr. gestellter, ovaler Lichtung. Die Cuticula ca. 80. des ganzen Körpers ist mit Stacheln be- setzt, welche gegen das Hinterende spär- licher werden. Ein kurzer Präpharynx leitet aus der Mundsaugnapf- höhle in den kleinen kugeligen Pharynx hinein, dessen Durchmesser ca. 0,045 mm beträgt. Der Oesophagus erstreckt sich in der Medianlinie nach hinten und gabelt sich in die beiden Darmschenkel ungefähr mitten zwischen Vorderende und PBauchsaugnapfcentrum. Letztere, welche immer sehr schmal und gleich breit sind, gehen auseinander nach den Körpereeiten zu und endigen in der Höhe des Bauchsaugnapfcentrums. Die Angaben Olsson’s, daß der Oesophagus kürzer als der Pharynx wäre und daß die Darmschenkel beinahe die Exkretionsblase erreichten, sind demnach unrichtig. — Die Exkretionsblase ist auch bei dieser Art kugelig und zeigt beim lebenden Tiere meridional verlaufende Linien. Wie man auf Querschnitten finden kann, dürfte diese Zeichnung von doppelt so groß als der Mundsaugnapf, wie . Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. I. 63 einer Faltenbildung, welche an die von Looss bei Notocotyle verucosa beschriebenen!) Verhältnisse erinnert, hervorgerufen sein. Zwei längs-. gehende Gefäße ziehen aus der Blase nach vorn. Die Genitalöffnung liegt nahe dem linken Körperrande in der Höhe der Darmgabelung. In den kleinen Genitalsinus münden teils die in einem Cirrusbeutel eingeschlossenen Endteile der männlichen Leitungs- wege, teils die wenig entwickelte Vagina. Der Cirrusbeutel verläuft in einem Bogen nach hinten und innen. Sein Hinterende liegt median in Kontakt mit dem Vorderrande des Bauchsaugnapfes. Die in seinem hinteren Teile gelegene Samenblase ist scharf zweigeteilt und aus zwei sphärischen gleichgroßen Blasen zusammengesetzt. Die darauf folgende Pars prostatica ist recht wohl entwickelt und hat eine distalwärts ein wenig verjüngte cylindrische Form. Der kurze Cirrus endlich ist mit feinen Stacheln bewaffnet, welche bei eingezogenem Begattungs- apparat nach vorne gerichtet sind und von Olsson als Haare schon erwähnt wurden. Zwei elliptische Körper, welche mit ihren Längsachsen ' der Längsachse des Wurmes parallel an beiden Seiten des Bauchsaug- napfes oder teilweise hinter demselben dicht an den Körperseiten liegen, sind die Hoden. Ihre durchschnittlichen Maße sind 0,16 mm in der Länge und 0,03 mm in der Breite. Die Vasa deferentia nehmen ihren Ursprung von ihrer Innenseite an einem ihrem Vorderende nahe ge- legenen Punkte. In der Medianlinie ziemlich dicht hinter dem Bauch- saugnapfe finden wir den kugeligen oder längsovalen Keimstock, der wie übrigens sämtliche Keimdrüsen und auch das Receptaculum seminis schon von Olsson gesehen und ziemlich richtig abgebildet war, wenn auch freilich dieser Verf. nicht den Dotterstock als solchen erkannte. Der Zusammenhang der inneren weiblichen Geschlechtswege ist ganz der- selbe wie bei Zoog. rubellus. Receptaculum seminis und Laurer’scher - Kanal wie bei jener Art ausgebildet. Der rundliche Dotterstock ist aber nur ein wenig kleiner als der Keimstock und somit an Größe nicht so redu- ziert wie bei den Zoogonus-Arten. Seine Zellen entbehren gleichfalls der Dotterkörnchen. Der Uterus verläuft im ganzen Hinterkörper und ‚seine letzten Windungen sind von in ihren abgeworfenen Hüllenhäuten eingeschlossenen reifen Miracidien gefüllt. Diese sind viel lebhafter ‚als bei Zoog. rubellus, und man sieht, wie sie innerhalb des Muttertieres schon in ziemlicher Entfernung von der Genitalöffnung mit den Wim- pern zu schlagen beginnen. Sie messen in der Länge, wie Olsson richtig angiebt, ca. 0,07 mm gegen eine Breite von ca. 0,03 mm und sind über den ganzen Körper bewimpert. Die Hüllenhaut hat bei der Geburt eine Länge von ca. 0,08 mm. Außer dem Jungen schließt sie nämlich auch einige unverbrauchte Dotterkügelchen ein. Zuletzt gebe ich folgende Diagnosen der neuen Unterfamilie Zoo- Jominae und der beiden ihr zugehörenden Gattungen. Zoogoninae n. subfam. Kleine „Distomen“ von ca. 1—1,5 mm Länge, welche einen mäßig muskelkräftigen, eiförmigen und von gelblichem Pigmente gefärbten - Körper haben, welcher bis zum Hinterende mit Stacheln besetzt ist. Pha- rynx vorhanden. Oesophagus wohl entwickelt. Die Darmschenkel von verschiedener Länge, aber niemals das Hinterende des Körpers erreichend. —___ f 1) Recherches sur la faune parasit. de l’Egypte. (M&m. Inst. Egypt. T. V. 1896. No. 3. p. 150. pl. X. Fig. 99.) 64 Theodor Odhner, Exkretionsblase klein und von kugeligem Umrisse. Genitalöffnung nahe dem linken Körperrande verschoben und zwischen den Saugnäpfen oder in der Höhe des Bauchsaugnapfes gelegen. Begattungsorgane entwickelt. Cirrusbeutel eine zweigeteilte Samenblase, eine Pars prostatica und einen kurzen, wenig kräftigen Cirrus enthaltend. Hoden stets ziemlich sym- metrisch gelagert in der unmittelbaren Nähe des Bauchsaugnapfes, entweder in derselben Höhe wie dieser oder ein bischen dahinter. Keimstock rundlich, ganzrandig, in der Medianlinie hinter dem Bauch- saugnapfe gelegen. Dotterstock unpaarig, dicht neben dem Keimstocke und kleiner als dieser, von ovaler oder unregelmäßig rundlicher Form. Seine Zellen enthalten keine Dotterkörnchen. Ein kleines Receptaculum seminis und ein Laurer’scher Kanal vorhanden. Eine Schalendrüse fehlt und eine chitinöse Eischale wird nicht gebildet, sondern die Eier ent- wickeln sich frei im Uterus und reife Miracidien werden geboren. Die Windungen des Uterus im Hinterkörper verlaufend. Bewohner des End- darmes von Meeresfischen. Gattung Zoogonus Lss. Saugnäpfe von geringem Größenunterschiede, Pharynx groß. Ga- belung der weiten, sackförmigen Darmschenkel über dem Bauchsaugnapfe. Ihre blinden Enden am Anfange des letzten Körperdrittels. Genital- öffnung in der Höhe des CGentrums des Bauchsaugnapfes. Die beiden Teile der Samenblase durch einen feinen Kanal in Verbindung mitein- ander. Cirrus unbestachelt. Dotterstock an Größe sehr reduziert und höchstens ein Drittel von der Größe des Keimstockes. Typus: Zoog. mirus Lss. Weitere Art: Zoog. rubellus (Olss.). Gattung Zoogonoides n. Q. Bauchsaugnapf bedeutend größer als der Mundsaugnapf. Beide ziemlich kräftig. Pharynx klein. Darmgabelungsstelle auf der Mitte des Halses. Die Darmschenkel endigen in der Höhe des Bauchsaugnapfes. Genitalöffnung auf der Höhe der Darmgabelung. Cirrusbeutel vor dem Bauchsaugnapfe. Die Teile der Samenblase direkt kommunizierend. Cirrus bestachelt. Dotterstock nur wenig kleiner als der Keimstock. Typus und bis jetzt einzige Art: Zoog. viwiparus (Olss.). Ueber die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Gruppe vermag ich vorläufig nichts näheres auszusagen. 2. Zur Kenntnis der Harnblasedistomen der Fische. Die ein wenig divergierenden Ansichten über die Prinzipien, worauf die in den beiden letzten Jahren so eifrig vorwärts geführte natürliche Gliederung der Distomen zu basieren wäre, die sich zwischen den beiden Hauptverfassern auf diesem Gebiete, Braun und Looss, geltend ge- macht haben, sind unter anderem auch bei der Systematisierung der relativ wenigen in der Harnblase niederer Wirbeltiere schmarotzendeu Distomenformen zu besonderem Ausdrucke gelangt. Zuerst hat Braun!) die sämtlichen vier damals bekannten Harn- blasedistomen, Dist. folium v. Olf, D. patellare Sturg., D. cygnoides Rud. und D. cymbiforme Rud., deren gegenseitige Verwandtschaft offenbar war, als eine Gruppe von Gattungswert aufgefaßt und dafür das Genus Phyllodistomum kreiert mit D. folium als Typus. 1) Ueber Clinostomum Leidy. (Zool. Anz. 1899. p. 492,) ne Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen, 1. 65 In dem bald darauf und unabhängig davon erschienenen Looss- schen !) Distomensystem entspricht die neue Unterfamilie G@orgoderinae mit den beiden Gattungen Spathidium Lss. und Gorgodera Lss., der Braun’schen Gattung Phyllodistomum. Die erstgenannte von diesen beiden Gattungen, welche sich voneinander hauptsächlich durch die ziem- lich verschiedene Körperform und durch verschiedenartige Hoden unter- scheiden, ist auf D. folium gegründet und umfaßt bei Looss außer dieser Art auch D. patellare Sturg. und das nicht genügend bekannte D. conostomum Olss. (der Name Spathidium hatte also dem Braun’schen Namen Phyllodistomum zu weichen). Die zweite Gattung ist auf D. cygnoides gegründet und umfaßt weiter auch zwei amerikanische Formen, welche ebenfalls der Harnblase von Amphibien entstammen. D. cymbi- forme wäre dagegen nach Looss als Repräsentant einer dritten beson- deren Gattung aufzufassen, wenn die bisherigen Angaben über das Vorhandensein eines Pharynx bei dieser Art sich bestätigen würden. Gegen diese seiner Ansicht nach allzu enge Auffassung des Gat- tungsbegriffes opponierte Braun?) zuerst sehr bestimmt. Looss hatte den Mangel eines Pharynx als Charakter einer ganzen Unterfamilie aufgestellt. Braun will dagegen das Vorhandensein oder den Mangel dieses Organes an und für sich nicht einmal als für einen Gattungs- unterschied ausreichend anerkennen. Auf diese Bemerkungen antwortet Looss°) mit der definitiven Aufstellung einer besonderen Gattung, Plesiochorus genannt, für das von ihm unterdessen persönlich untersuchte Dist. cymbiforme. Er findet, daß diese Art nicht nur durch den Besitz eines Pharynx, sondern auch in anderen Hinsichten von den Gorgoderinen abweicht. Als mit Plesiochorus nächstverwandt betrachtet er die Gattung Anaporrhutum v. Ofenh. und führt beide Gattungen zu einer neuen Unterfamilie Anaporrhu- tinae zusammen. Als weitere Stütze für seine Ansicht, daß der Mangel eines Pharynx ein wichtiger Charakter der Gorgoderinen sei, be- schreibt er eine neue Phyllodistomum-Art, die in ihrem ganzen Baue die Charaktere der Gorgoderinen deutlich zur Schau trägt, dabei aber auch keinen Pharynx besitzt. Braun hat später‘) seinen Standpunkt insofern modifiziert, als er die Gattung Plesiochorus Lss. zu acceptieren nicht ungeneigt zu sein scheint. Er will jedoch ihrem Einreihen in die Unterfamilie Anapor- rhutinae nicht beistimmen, sondern rechnet sie noch immer zu den Gor- goderinen. Unter dem zu meiner Verfügung stehenden Distomenmateriale be- finden sich nun nicht weniger als fünf für die Wissenschaft neue, der Harnblase von Fischen entstammende Arten, von denen vier von mir selbst während einer in der ersten Hälfte von 1901 vorgenommenen Reise nach Nordostafrika gefunden wurden. Die fünfte Art stammt aus den Sammlungen des Kopenhagener Museums. Die vier von mir selbst gesammelten Formen, von denen ich hier nur vorläufige Diagnosen geben werde, liefern eine weitere kräftige Stütze für die Ansicht Looss’, daß die echten Gorgoderinen niemals einen Pharynx besitzen, 1) Weitere Beiträge zur Kenntnis der Trematodenfauna Aegyptens. (Zool. Jahrb. [Syst. ete.]. Bd. XII. 1899. p. 604.) 2) Referat von 1). (Zool. Centralbl. Bd. VII. 1900. p. 396.) 3) Natura doceri etc. (Oentralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXIX. 1901. p. 202.) 4) Trematoden der Chelonier (Mitt. Zool. Mus. Berlin. Bd. II. p. 9) und Referat von Looss, Natura doceri etc. (Zool. Centralbl. Bd. VIII. 1901. p. 232.) Erste Abt. XXX]. Bd, 5 66 Di Theodor Odhner, während die fünfte Art, die unzweifelhaft die interessanteste ist, deut- lich zeigt, daß durchaus nicht alle Harnblasedistomen auf Grund ihrer ähnlichen Lebensweise so nahe miteinander verwandt zu sein brauchen, wie man es bis jetzt möglicherweise annehmen könnte. Zuerst erwähne ich zwei Formen, die sich ohne weiteres der Gattung Phyllodistomum, im Looss’schen Sinne genommen, anschließen. Phyllodistomum unieum n. Sp. Länge des einzigen Exemplars 5!/, mm, Maximalbreite im Hinter- körper 2!/, mm. Beide Saugnäpfe ungefähr gleich groß (0,43 mm), der Bauchsaugnapf am Ende des ersten Körperdrittels gelegen. Pharynx fehlt. Darmgabelung am Anfange des mittleren Drittels der Länge des Halses. Hoden schräg hintereinander, der eine schwach eingekerbt, der andere ganzrandig. Keimstock ganzrandig, rundlich. Dotterstöcke ebenfalls ganzrandig, oval und klein. Die Schlingen des Uterus liegen sehr dicht und gehen nicht außerhalb der Darmschenkel. Eier ca. 0,048 mm lang. Genitalöffnung mitten zwischen Darmgabelung und Bauchsaugnapf. — Steht Ph. acceptum Lss. am nächsten. In der Harn- blase einer noch nicht bestimmten Serranus-Art des Roten Meeres (Tor auf der Sinaihalbinsel Juni 1901). Phyllodistomum linguale n. sp. Die Körperform und die Lagerung der inneren Organe auch hier ungefähr wie bei Ph. acceptum Lss. Länge und Maximalbreite des ein- zigen Exemplares genau dieselben wie die der vorigen Art. Bauch- saugnapf mehr als anderthalbmal so groß als der Mundsaugnapf (0,73 mm gegen 0,43 mm); er liegt ungefähr am Anfang des zweiten Körper- drittels. Pharynx fehlte. Darmgabelung wie bei der vorigen Art ge- legen. Hoden schräg hintereinander, unregelmäßig eingekerbt. Keim- stock genau kleeblattähnlich. Dotterstöcke klein, unregelmäßig geformt und nicht völlig ganzrandig. Uterusschlingen wenig dicht verlaufend, die Darmschenkel nur zufällig überschreitend. Eier ca. 0,033 mm lang. Genitalöffnung mitten zwischen Vorderende und Bauchsaugnapf. — In der Harnblase von Gymnarchus niloticus (Omdurman, Sudan, April 1901). Eine dritte Art, der Harnblase von Nilfischen entstammend, weicht von den bis jetzt bekannten Phyllodistomen durch symmetrisch gelagerte Hoden und einen von dem sehr verbreiterten Hinterkörper zapfenartig abgesetzten Vorderkörper ein wenig ab. Ich führe sie trotz- dem aber zu dieser Gattung. Phyllodistcomum spatula n. sp. Länge ca. 5—5,75 mm. Der Körper zerfällt in einen zapfenförmigen Vorderkörper, dessen Länge ungefähr ein Drittel der ganzen Körper- länge beträgt, und einen bis zu kreisrunder Form verbreiterten Hinterkörper von etwa 3,3—3,6 mm Durchmesser. Bei oder wenigstens ganz nahe dem Uebergange beider Abschnitte ineinander liegt der Bauchsaugnapf. Dieser ist ein wenig größer als der Mundsaugnapf (bei einem Exemplar 0,52 gegen 0,48 mm). Pharynx fehlt. Darmgabelung wie bei den vorigen Arten. Hoden symmetrisch gelagert, indem der hintere in die Höhe des vorderen hervorgerückt ist, ziemlich gelappt. Keimstock relativ groß, rundlich oval, ausgeprägt ganzrandig. Dotterstöcke sehr klein, ein- kerbt. Uterusschlingen nur hinter den Genitaldrüsen, einzelne die Darm- schenkel überschreitend. Eier ca. 0,03 mm lang. Genitalöffnung etwa Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. 1. 67 zwei Drittel der Halslänge vom Vorderende entfernt. — In der Harn- blase von Bagrus docmac und B. bayad (Omdurman, April 1901). Die folgende Art hat ungefähr dieselbe Körperform wie Ph. spatula. In Bezug auf die Lagerung der Hoden hält sie etwa die Mitte zwischen jener Art und den übrigen Phyllodistomen, indem diese Organe sich nicht ganz in derselben Höhe vorfinden. 4. Phyllodistomum spatulaeforme n. Sp. Länge eines vollreifen, aber gepreßten Exemplares ca. 4,75 mm. Größte Breite dabei 2,3 mm. PBauchsaugnapf ein bischen größer als der Mundsaugnapf (0,4 gegen 0,35 mm), wie bei der vorigen Art ge- legen. Pharynx fehlt. Hoden ziemlich stark gelappt, den übrigen Keim- drüsen dicht angelagert. Keimstock nierenförmig. Dotterstöcke unregel- mäßig rundlich, aber ohne eigentliche Einkerbungen. Uterusschlingen wie bei der vorigen Art. Eier ca. 0,028 mm lang. Genitalöffnung wie bei der vorigen Art. In der Harnblase von Malapterurus electricus (Omdurman, April 1901). Durch diese jetzt hier beschriebenen Formen hat sich die Zahl der sicheren Arten der Gattung Phyllodistomum von drei auf sieben vermehrt, welche sämtlich eine so natürliche und homogene Gruppe bilden, daß wohl niemand mehr wagen wird, für die Einreihung von Dist. cymbi- forme Rud. in sie zu plädieren. Was Dist. conostomum Olss. betrifft, habe ich die Originale davon zur Untersuchung in meinen Händen ge- habt. Sie waren aber leider, wahrscheinlich auf Grund von Eintrock- nung, so verdorben, daß durchaus nichts an ihnen zu sehen war. Doch glaube ich, nach der Figur Olsson’s zu urteilen, ganz bestimmt, daß der von ihm als ein sehr langgestreckter Körper gezeichnete Pha- rynx der Oesophagus ist und daß somit kein Pharynx existiert, was um so mehr wahrscheinlich ist, als die ganze übrige Organisation mit der der Phyllodistomen übereinstimmt. Diese Form kann somit, meine ich, ziemlich ruhig, wenn auch vorläufig als sp. inquir., den der Gattung Phyllodistomum sicher zugehörenden Arten angereiht werden, wie es Looss schon gethan hat). Die Looss’sche Diagnose der Gattung würde jetzt folgendermaßen zu verändern sein: Kleine bis mittelgroße Formen mit mehr oder we- niger flächenartig verbreitertem Hinterkörper. Hoden stets einfach und in der Zweizahl. Was die Stellung der Gattung Plesiochorus Lss. betrifft, so will ich gerne zugeben, daß dieselbe auf den ersten Blick hin viel näher den Gorgoderinen als den Anaporrhutinen zu stehen scheint. Bei einem genaueren Vergleich findet man aber, daß zwischen Plesiochorus und der letzteren Gruppe nur Verschiedenheiten in der Form und Lagerung der inneren Organe sich vorfinden, während dagegen zwei ganze Organe, Pharynx und Receptaculum seminis, bei sämtlichen genau bekannten Gorgoderinen fehlen, bei Plesiochorus aber vorhanden sind. Daß diese Gattung nicht, wie Braun annimmt, in die Unterfamilie Gorgoderinae eintreten kann, davon fühle ich mich daher fest überzeugt. Dagegen scheint mir eine ein wenig genauere Kenntnis von ihrem Baue wün- schenswert, ehe man sie mit Sicherheit als derselben Unterfamilie wie Anaporrhutum zugehörend betrachten kann. Es wäre ja denkbar, daß in den noch unbekannten Teilen ihrer Organisation Charaktere sich 1) Weit. Beitr. etc. (l. c. p. 605.) A* 63 Theodor Od hn er, Mitteilungen: zur Kenntnis der Distomen. I. finden können, welche sie auch von der Unterfamilie Anaporrhutinae entfernen ?). Zuletzt will ich eine von den übrigen Harnblasedistomen ziemlich abweichende Form beschreiben, die aus den Sammlungen des Kopen- hagener Museums stammt und die laut der Etikette von Steenstrup in der Harnblase von Anarrhichas minor s. pantherinus auf Island ge- sammelt ist. Etwa ein Dutzend Exemplare sind vorhanden. Lepidophylium Steenstrupi n. 2.n. Sp. Der blattähnliche Körper erreicht eine Länge von ca. 2,1—2,4 mm und eine größte Breite von 1,1—1,4 mm. Letztere liegt gewöhnlich am Ende des mittleren Körperdrittels (am abgebildeten Exemplar liegt sie aber ungewöhnlich weit nach vorn). Beide Körperenden sind abgerundet. Die Verschmälerung ist jedoch ein wenig stärker nach vorne zu. Sehr dichtsitzende, kleine nn Schuppen bekleiden, in Quer- N reihen angeordnet, den ganzen EN Körper bis zum äußersten Hin- EB 5‘ terende. Ihr freier Rand ist d | | fein gezähnelt und sie werden \ x nach hinten zu kleiner. Der Mundsaugnapf liegt beinahe \ Durchmesser von ca. 0,18 mm. Der Bauchsaugnapf, dessen Vor- \ derrand ein wenig hinter dem \ Ende des ersten Körperdrittels = NN is liegt, mißt ca. 0,17 mm im Be Si Durchmesser und ist somitnur E u Kt wenig kleiner als der Mund- Sa) | saugnapf. Durch einen kurzen {+ Dst Präpharynx gelangt man aus N _ | dem Mundsaugnapfe in den “) | kräftigen, kugeligen Pharynx, | dessen Durchmesser 0,12 bis 0,13 mm beträgt. Darauf folgt ein doppelt so langer Oeso- phagus, der sich ein wenig i | hinter der Mitte des Halses in \ : / zwei kurze ziemlich weite Darm- \ I} / schenkel gabelt, welche, wenig \ / auseinander divergierend, dicht | hinter der Körpermitte endigen, } ' \ ; \ (4 "2 wobei ihre blinden Enden sich See lkaıyf nicht weit von der Medianlinie Su befinden. — Die Exkretionsblase Fig. 3. Lepidophyllum Steenstrupi n. g. N. Sp., ist schlauchförmig und kurz. von der Bauchseite. Vergr. ca. 45. Der Porus ist rückenständig. 1) Zusatz bei der Korrektur: Nachdem dies schon geschrieben war, ist ein Aufsatz von Looss erschienen (Notizen zur Helminthologie Egyptens. IV. Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXX. p. 555), worin der Bau von Plesiochorus eymbiformis (Rud.) ein- gehend geschildert wird. Die Zugehörigkeit dieser Art zu den Az scheint" nur dort von ihm zur Genüge bewiesen zu sein. ganz terminal und zeigt einen | i Alfred Wolff, Die Ergebnisse der Neutralrotmethode etc. 69 Dicht hinter dem Ende jedes Darmschenkels liegt ein kleiner, un- regelmäßig eingekerbter Körper, dessen Länge größer als seine Breite ist. Das sind die beiden Hoden. Die von ihren Vorderenden ent- springenden Vasa deferentia ziehen konvergierend nach vorne zu. Die Endteile der männlichen Ausführungswege sind von einem Cirrusbeutel umschlossen, dessen Hinterende den Vorderrand des Bauchsaugnapfes in der Medianlinie berührt. Von hier aus erstreckt er sich, schwach geschlängelt, nach dem nahe dem linken Körperrande in der Höhe der Darmgabelung gelegenen rückenständigen Genitalporus. So eigen- tümlich auch diese letzte Angabe klingen muß, steht sie doch völlig außer Zweifel. Was den Inhalt des Cirrusbeutels betrifft, besteht er, so weit ich ihn zu analysieren vermochte, aus einer ein wenig gewundenen Samenblase, die durch einen feinen, kurzen Ductus ejaculatorius mit dem Cirrus in Verbindung steht. Von den weiblichen Geschlechtsdrüsen liegt der winzige, rundliche und ganzrandige Keimstock ein Stück hinter dem Bauchsaugnapfe zwischen der Medianlinie und dem linken Darmschenkel. Schräg hinter dem- selben auf der anderen Seite der Medianlinie liegt das etwa doppelt so sroße Receptaculum seminis und zwischen diesem und den Hoden an beiden Seiten der Medianlinie die traubenförmigen Dotterstöcke, von denen jeder aus einer geringen Zahl (8—11) von kleinen kugeligen oder eiförmigen Follikeln besteht. Die quergehenden Dottergänge begegnen einander in der Medianlinie am Hinterrande des Receptaculums. Ein La urer’scher Kanal ist vorhanden, obwohl ich seinen Verlauf nicht weit habe verfolgen können. Dss Zusammentreffen der inneren weiblichen Genitalwege ist das bei den Distomen gewöhnliche. Die Windungen des Uterus liegen in einem Knäuel zwischen den beiden Hoden und un- mittelbar hinter ihnen. Die Eier erreichen bei völliger Reife eine Länge von ca. 0,043 mm bei einer Breite von ca. 0,021 mm. Sie sind gedeckelt mit an den Polen gewöhnlich verdickter Schale. Die Vagina überquert den linken Darmschenkel, aber nicht, wie man möglicherweise aus der beigegebenen Figur schließen könnte, dorsal über ihm verlaufend, son- dern ventral von ihm hinziehend. Was die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Form betrifft, scheint sie mir am meisten an die Pleurogenetinen zu erinnern, ohne jedoch mit irgend welcher schon bekannten Art näher verwandt zu sein. Nachdruck verboten. Die Ergebnisse der Neutralrotmethode zur Unterscheidung von Bact, typhi und Coli’), [Aus dem städt. Krankenhause Gitschinerstr. 104/105 (dirig. Arzt: Prof. M. Litten).] Von Dr. Alfred Wolff in Berlin. In diesem Centralblatte veröffentlichte ich 1900. Bd. XXVII, in No. 25 eine vorläufige Mitteilung über Reduktion der Bakterien, in welcher der praktisch wichtigste Punkt die Empfehlung der schon früher 1) Ueber die Diplokokkenform bei Bact. typhi und Coli und über vital auf dem Nährboden gefärbte Granula. 70 Alfred Wolff, einmal von Rothberger!) angegebenen, aber ganz in Vergessenheit geratenen Neutralrotmethode zur Unterscheidung von Bacillus typhi und Bacterium coli war. Die Methode war gegen die Rothberger’sche Schüttelkultur sehr vereinfacht worden und bestand nur in der Anlegung einer Stichkultur in Neutralrotagar. Von Scheffler waren in diesem Centralblatt?) die Befunde für alle Fälle auch mit den verschiedensten C oli-Stämmen bestätigt worden. Bei weiter fortgesetzten Untersuchungen hat sich mir diese Methode ohne Ausnahme bewährt, und es gelang mir leicht die Isolierung der Typhusbacillen aus Stuhlgang oder bei Sektionen aus der Milz. Ich ging dabei so vor, daß ich erst in gewöhnlicher Weise Platten goß und dann mit besonderer Berücksichtigung der kleineren Kolonieen ca. in 10 Neutralrotagar-Röhrchen Stichkulturen anlegte. Die nicht reduzierten, d. h. nicht entfärbten Röhrchen ent- hielten Typhusbakterien, und es gelang mir, selbst aus Stuhlgang in ca. 10 Röhrchen 2—3 echte Typhusbacillenkulturen zu erhalten. Als Kuriosum sei erwähnt, daß, als einst bei einem klinisch sicheren Typhusfall die Widal’sche Reaktion negativ ausfiel, durch einen Stich in ein bereit- stehendes Neutralrotagarröhrchen die benutzten Bacillen sich als Bac- terium coli erwiesen. Diese wenig mühsame differentialdiagnostische Methode hat den Vorzug, daß sie niemals versagt, wie die übrigen, wie z. B. Gasbildung, Indolbildung etc. etc. Die mühselige Piorkowski’sche Methode ist, wie außer anderem die außerordentlich gründliche Unter- suchung von Peppler?) ergiebt, bisweilen sehr brauchbar, aber absolut nicht zuverlässig. Der Neutralrotmethode haftet nur ein Fehler an: es ist nicht möglich, auf der Neutralrot enthaltenden Platte die ein- zelnen Kolonieen ohne Ueberimpfung mittels Stich als Bacillus typhi und Bac. coli zu unterscheiden. Es lag nahe, diesen Mangel durch Versuche zu beseitigen, doch gelang dies auf keine Weise; nicht durch Luftabschluß weder bei dem durch Ueberschichtung noch bei dem durch Pyroyalloleinwirkung herbei- geführten; doch fand sich bei diesen Versuchen eine überaus merk- würdige Erscheinung. Nach einigen Tagen bemerkte man bei Betrach- tung mit schwacher Vergrößerung, aber auch schon mit bloßem Auge, daß die einzelnen Kolonieen und CGoli und Typhus ohne besonderen Unterschied Eigenfärbung angenommen hatten und zwar war die Farbe konzentrierter, als die des ursprünglich verwandten Agarnährboden. Es mußte sich um eine vitale Färbung handeln, zu der, wie durch Ehrlich’s und Anderer Untersuchungen bekannt ist, Neutralrot sich besonders eignet. In Wasser ließen sich die gefärbten Bakterien nicht betrachten, weil mit außerordentlicher Geschwindigkeit der Farbstoff wieder aus- gezogen wurde. Man war genötigt, die Bakterien in einer ganz schwachen Neutralrotlösung zu untersuchen; in diesem Fall enthielt jedes Bakterium 1-—2 purpurrot gefärbte Punkte; bei zugezogener Blende konnte man auch noch den übrigen ungefärbten Bakterienleib erkennen. Die farbstoffhaltigen Bakterien befanden sich in lebhaftester Bewegung. 1) Rothberger, Differentielldiagnostische Untersuchungen mit gefärbten Nähr- böden. (Centralbl. f. Bakt. Bd. XXIV und XXV. 2) Scheffler, W., Das Neutralrot als Hilfsmittel zur Diagnose des Bact. coli. (Centralbl. f. Bakt. Bd. XX VII. 1900. No. 6 u. 7.) 3) Peppler, Zum Nachweis der Typhusbakterien mit besonderer Berücksichtigung der Piorkowski’schen Methode. 1.-A. Erlangen. 1900. Die Ergebnisse der Neutralrotmethode zur Unterscheidung von Bact. typhi u. Coli. 71 Obwohl der makroskopische Anblick der Kolonieen auf der Platte schon dagegen spricht, könnte man einwenden, daß die vitale Färbung erst durch die zugesetzte gefärbte Flüssigkeit bedingt würde, doch hatten die sich in wässeriger Lösung färbenden Granula eine gelblich rötliche Färbung, wie man das beim Neutralrot im Reagenzglas durch leichte Alkali- sierung herbeiführen kann, während die vitalauf dem Nährboden gefärbten und durch wässerigen Neutralrotzusatz konservierten Granula purpurrote Farbe haben. Es ließ sich jedoch der Beweis führen, daß diese gesamten Granula präformiert sind, wenn man von der gefärbten Kolonie ein Trockenpräparat herstellte. Schon makroskopisch hatte der beschickte Objektträger ein rotes Aussehen, es gelang durch Fixation in der Flamme, die vital gefärbten Körnchen zu konservieren. (Allerdings blassen die Präparate nach einiger Zeit wieder aus, da das Neutralrot ein un- beständiger Farbstoff ist.) Die so erhaltenen Granula erfüllen das ganze Gesichtsfeld als kleine rote Punkte, hart an der Grenze der Sichtbarkeit stehend, ja man kann sagen, daß die homogene Immersion zu ihrem genaueren Studium nicht ausreichend ist. Die Bakterien (Typhus und Coli) erscheinen bei dieser vitalen Färbung konstant als Kokken. Es ist dieser Punkt von Interesse, weil bisweilen auch mit anderen Methoden Erscheinungen sich zeigen, die auf präformierte kokkenartige Gebilde bezogen werden müssen, be- sonders bei Anwendung der Romanowsky’schen Methode. Diese Färbung der Polstücke wurde sogar zu differentialdiagnostischen Zwecken zu verwerten gesucht, und Migula führt in seinem Kompendium der Wasseruntersuchung 1901 die Färbung der Polstücke als ein sicheres diffe- rential-diagnostisches Kennzeichen für Bact. typhi an. Daß diese Behauptung nicht immer zutreffend ist, kann ich mit einer Kultur beweisen, die ich aus einem Absceß am After gewann. Sie zeigte im Abstrich!) Diplokokkenform und behielt diese morphologische Form in 3 Generationen auf Agarnährboden bei. Dennoch bestand von Anfang an der Verdacht, daß es sich um einen Coli-Absceß handeln müsse, da der Eiter starken Indolgeruch zeigte, die Diplokokken im frischen Präparat Bewegung zeigten und das betreffende Bakterium Neutralrot reduzierte. Endlich in einer Bouillonkultur in der vierten Generation nach der ersten Abimpfung gelang es, Stäbchen nachzu- weisen und somit endlich den Beweis zu führen, daß es sich um Bact. coli handelte, da abgesehen von der morphologischen Struktur, die betreffenden Bakterien schon vorher alle für Coli charakteristischen Kennzeichen dargeboten hatten. Wir müssen also stets daran denken, daß sowohl Bac. typhi wie Bact. coli stets das Bild von Diplokokken resp. Kokken darbieten können. Abgesehen von der Möglichkeit, Körnchen in Bakterien in einwands- freier Weise vital zu färben, haben diese Beobachtungen noch ein weiteres Interesse. In der letzten Zeit ist die Frage aktuell geworden, können die Typhusbaeillen als Eitererreger wirken? Von A. Fränkel, Valen- tini, Foä, Bordoni-Uffreduzzi ist die Frage bejaht, von E. Fränkel und Baumgarten verneint worden. In dem Fall von 1) Mit Loeffler’s Methylenblau, mit reinem Methylenblau und mit Bismark- braun gefärbt. N | ’ Inhalt. Sudeck ergab das Kulturverfahren eine Reinkultur von Typhusbaecillen, während die histologische Untersuchung des Gewebestückes neben Bacillen in Diploform angeordnete Kokken ergab. Jochmann (Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 38) kritisiert den Befund folgendermaßen: „Un- begreiflicherweise ist dieser Fall verschiedentlich für die eitererregenden Eigenschaften des Typhusbacillus verwertet worden.“ Nach unseren Befunden ist also die Diploform durchaus nicht als Beweis gegen die Typhusnatur!) der betreffenden Bakterien anzusehen, besonders wenn man auf Nährböden eine Typhusreinkultur erhielt. Nach Abschluß dieser Arbeit erfuhr ich von Untersuchungen Plato’s und Guth’s?), dem es gelungen ist, mit Neutralrot in Schimmel- pilzen eigenartige Granula nachzuweisen. Ich glaube, daß sich die von mir gefundenen viel kleineren Gebilde trotz der anderen Technik mit den von Plato beschriebenen in Beziehung setzen lassen. Meinem verehrten Chef, Herrn Prof. Litten, spreche ich meinen ergebensten Dank für sein Interesse und die Durchsicht dieser Arbeit aus. 1) Bei degenerativen Veränderungen sind von Heim (Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 18) bei Bact. typhi Körnchenformen beobachtet. Es sei die betreffende Mitteilung hier kurz citiert: Es wurden Typhusbacillen durch die Einwirkung roter Blutkörperchen zur Auf- lösung gebracht. „Mit dem Eintritt dieser Erscheinung machte sich eine Veränderung der Bakterien bemerkbar; fast alle hatten ihre Beweglichkeit eingebüßt, sie lagen viel- fach in Haufen zusammen, aber nicht so typisch wie bei der Agglutination; in den folgenden Tagen verschwand jede Bewegung, die Stäbchen sahen gequollen aus; außer- dem waren viele feinste Körnchen, Granula, wahrzunehmen. Die Färbung mit schwach alkalischer Methylenblaulösung zeigte nur wenige Stäbchen, kleiner wie die Schweine- rotlaufbakterien, der Hauptsache nach kleinste Pünktchen, alle von mangelhaftem Farb- stoffaufnahmevermögen. Aussaaten von solchen Tropfen auf Agar gaben zumeist noch Entwickelung, manchmal keine mehr.“ 2) Ueber den Nachweis feinerer Wachstumsvorgänge in Trichophyton und anderen Fadenpilzen mittels Neutralrot. (Zeitschr. f. Hyg. u. Inf. 1601.) Inhalt. Originalmitteilungen. Wolff, Alfred, Die Ergebnisse der Neutral- Laitinen, T., Erwiderung auf den Artikel rotmethode zur Unterscheidung von Bact. \ - typhi und Coli, p. 69. Bd. m n De in No. 18 u, 19 Zinno, Andrea, Beitrag zum Studium der 2 3 ; Entstehung der Toxine, mit besonderer Neumann, R. O., Virulente Diphtherie- En a et l 3 : bacillen bei einfacher Rhinitis, p. 38. Berücksichtigung neuer Kulturböden mit Odhner, Theodor, Mitteilungen zur Kennt- starker, Erzeugung. you EEEEuEE TS nis der Distomen. I., p. 58. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. O0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXT. Band. —- Jena, den 5. Februar 1902. — No. 3. j | > i . } | Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pig. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ _ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu _ wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Original=-Mitteilungen. Nachdruck verboten. Osteomyelitis und Phlegmone erzeugt durch den Bacillus | pneumoniae (Friedländer). Von Privatdocent Dr. Friedrich Sehlagenhaufer, k. k. Prosektor in Wien. Immer zahlreicher wird die Kasuistik jener Fälle, in denen der -Friedländer’sche Pneumoniebacillus als Erreger eiteriger Prozesse nachgewiesen werden konnte, wie primäre Pleuritis, Otitis media, Paro- ‚titis, Meningitis, Cystitis, vereiterte Hämatocele, Peritonitis, Gehirn- und Lungenabscesse, Cholangioitis, Septikämie, Tubeneiterung etc. Ich bin nun in der Lage, einen Fall von akuter Osteomyelitis _ des Femur mit Vereiterung des Kniegelenkes und aus gebreiteter eiterigerPhlegmone den obigen Prozessen anzureihen.- k Erste Abt. XXX1. Bd. 6 j 14 Friedrich Schlagenhaufer, r Die Krankengeschichte ist kurz folgende: Carl E., Oberrevident, 49 Jahre alt, aufgenommen am 6. Juli 1901 auf die chirur- gische Abteilung des k. k. Elisabeth-Spitales. ; Pat. giebt an, sich Anfang Juni d. J. im Bureau an der Kante seines Schreib- tisches am rechten Knie angestoßen zu haben. Bald darauf trat im r. Kniegelenk eine immer mehr zunehmende Schwellung auf. Am 26. Juni bekommt Pat. plötzlich einen heftigen Schüttelfrost, der sich un- regelmäßig wiederholt. Seit dieser Zeit fühlt sich Pat. schwer krank. Status pr.: Pat. ist kräftig gebaut, gut genährt. Ikterische Färbung der Haut und der sichtbaren Schleimhäute, Zunge feucht, Temperatur 38,7°, geringe Somnolenz, Singultus.. An den inneren Organen nichts Abnormes nachweisbar. Im Urin Spuren von Eiweiß, kein Zucker. Das rechte Bein ist Ödematös. Das rechte Kniegelenk ist bedeutend geschwollen ; zu beiden Seiten der Patella ist deutliche Fluktuation nachweisbar, Ballotement. Das Gelenk selbst ist sehr empfindlich. In Schleich’scher Narkose wird sofort das Kniegelenk seitlich, oberhalb der Patella eröffnet. Es entleert sich eine große Menge Eiters, Anlegung von 2 Gegen- öffnungen, Drainage. In den folgenden Tagen ist Pat. somnolent, der Ikterus nimmt zu, Febris continua, beim Verbandwechsel entleert sich sehr reichlicher Eiter aus dem Kniegelenk. Unter zunehmendem Sopor Exitus am 8. Juli, 10 Uhr abends. Die am 9. Juli vormittags ausgeführte Sektion ergiebt in den inneren Organen eine parenchymatöse Degeneration des Herzens, der Leber und akuten Milztumor sowie Fettherz. An der rechten unteren Extremität ist fast im ganzen Bereich des Oberschenkelis, sowie im oberen Drittel des Unterschenkels und um das Kniegelenk, sowie im Gelenk selbst eine ausgebreitete, das Bindegewebe, die Fascien und Muskeln durchsetzende Eiterung vorhanden. Beim Einschneiden entleeren sich reichliche Mengen Eiters. Die Eiterung reicht bis an den Oberschenkelknochen, der in breiter Ausdehnung von Periost entblößt, rauh erscheint. Eine besondere Viseidität des Eiters fällt nicht auf. Von den Knochen der unteren Extremität ist die Tibia und Fibula normal; dagegen zeigt der Femur folgende Verhältnisse: die hintere und innere Seite des mittleren und unteren Drittels des Oberschenkelknochens ist zum Teil rauh, das Periost eiterig infiltriert, Am Längsschnitt des Knochens sieht man das ganze Mark mit Ausnahme der proximalen Epiphysein eine schmutzig graugrüne, stellenweise auch von Gasblasen durchsetzte Eitermasse umgewandelt, zwischen der auch noch Inseln von Fettmark erkennbar sind. Die sofort angestellte bakteriologische Untersuchung ergab folgendes Resultat: Im Deckglaspräparate aus der Phlegmone und von der Osteomye- litis ungeheuere Mengen eines pleomorphen, verschieden langen, faden- bildenden Bacillus mit breiter Kapsel. In den nach Gram mit Kontrastfärbung behandelten Präparaten finden sich auch vereinzelte positiv sich verhaltende Kokken von der Größe und Form von Streptokokken. Auf den Agarplatten (Strich) gehen zahllose, viscöse, oft zusammen- fließende Kolonieen in Reinkultur auf. Im Deckglaspräparat erweisen sich dieselben als aus Bacillen mit Kapseln bestehend; Gram negativ. Bei der Weiterzüchtung zeigt der Bacillus auf schiefem Agar einen üppigen, viscösen Rasen; auf der Gelatineplatte und im Stich eine deut- liche Nagelkultur, in Zuckeragar Gasbildung. Von der Aufischwemmung einer Agarkultur wird eine Maus mit O,1, ein mittelgroßes Kaninchen mit 0,5 ccm intraperitoneal geimpft. Tod der Maus nach 24 Stunden, des Kaninchens nach etwa 48 Stunden. Bei beiden Tieren ein reichliches viscides peritoneales Exsudat mit zahl- reichen Kapselbacillen. Histologische Untersuchung. Es wurden Stücke von der Phlegmone und dem Knochenmark in 10-proz. Formalin konserviert, dann in Alkohol etc. übertragen und in Pe ÖOsteomyelitis und Phlegmone erzeugt durch den Bacillus pneumoniae. 75 Celloidin geschnitten. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, daß sich sowohl im Formalin wie im Alkohol durch das Einlegen der Stücke ein reichlicher, weißer, sich allmählich fest an die Wände des Glases an- haftender Niederschlag gebildet hatte, und daß die phlegmonösen Gewebs- stücke durch die Konservierung einen grauweißen, mörtelartigen Aspekt bekamen. Ob diese Erscheinung etwa durch eine chemische Eigen- tümlichkeit des Exsudates oder durch die in ungeheueren Mengen vor- handenen Kapselbacillen selbst bedingt ist, möchte ich nicht entscheiden. Knochenmark: Dasselbe trägt im allgemeinen den Charakter eines Fettmarkes. In diesem finden sich nun allenthalben mehr oder weniger ausgedehnte Herde von teils gut tingierten, teils zerfallenen polynukleären Leukocyten, zwischen denen derart massenhafte Stäbchen zu sehen sind, daß sie schon bei schwacher Vergrößerung als Rasen er- kennbar sind. Mit der Immersionslinse erweisen sich dieselben als ver- schieden große, auch lange Fäden bildende, dicke Stäbchen, an denen bei entsprechender Behandlung der Schnitte eine Kapsel differenzierbar ist. Nach Gram sind die Bacillen nur schattenhaft zu sehen; nach Weigert sind sie schwach bläulich gefärbt; Kokken sind nicht nach- weisbar. Fibrin ist nur in geringer Menge vorhanden. Phlegmone. Die eiterige Infiltration verbreitet sich diffus auf alle Gewebsbestandteile; die Muskelbündel sind zerklüftet und als fast homo- gene, unregelmäßig contourierte Schollen mit oft undeutlicher Quer- streifung zu sehen. Das Exsudat besteht aus polynukleären Leukocyten und spärlichem Fibrin. An Bakterien lassen sich riesige Mengen eines polymorphen Kapsel- bacillus nachweisen, der zum Teil auch innerhalb der Leukocyten liegt. Tinktoriell verhält sich derselbe hier gleich wie der Bacillus der Osteo- myelitis. Kokken konnten keine nachgewiesen werden. Endlich wäre noch zu erwähnen, daß am macerierten Knochen der * Markraum und die Compacta keine Veränderungen zeigen, dagegen | die Oberfläche des Femurs namentlich in der Mitte der Diaphyse aus- gebreitete Rauhigkeiten, erweiterte Gefäßlücken und geringe Osteophyt- bildung aufweisen. Auf Grund der vorstehenden Untersuchungen glauben wir uns dem- nach berechtigt, den gefundenen Bacillus als den Erreger der Osteo- myelitis resp. der Phlegmone anzusehen und denselben nach seinem - biologischen und morphologischen Verhalten als zur Gruppe der kapsel- bildenden Bacillen gehörig zu betrachten und ihn mit dem Baecillus pneumoniae (Friedländer) identifizieren zu können. Ob jedoch nicht den im Deckglaspräparate nachgewiesenen Kokken eine gewisse Rolle für das Zustandekommen des Prozesses zugeschrieben werden müsse, vielleicht im Sinne einer Mischinfektion, wie wir sie auch bei den Friedländer’schen Pneumonieen mit dem Diplococceus zu sehen in der Lage sind, möchte ich nicht ausgeschlossen wissen. Jeden- falls beherrschte zum Schlusse der Bac. pneumoniae die Situation _ und gab dem Prozesse einen zum Teil eigentümlichen pathologischen Charakter, während die im Schnitt und in der Kultur nicht nachweis- baren Kokken zurücktraten. Charakterisiert erscheint uns besonders die Osteo- myelitis durch die makroskopisch sichtbare Gasbildung, was mit den biologischen Eigenschaften des Pneumobacillus gut in Ein- klang zu bringen ist. Warum sich jedoch die Gasbildung auf dem 6* 76 E. Klein, Knochenmarksprozeß beschränkte und nicht auch in der Phlegmone auf- trat; ob diese Gasbildung intra vitam oder vielleicht erst postmortal entstanden war, entzieht sich vorläufig unserer Beurteilung. . Was die Phlegmone betrifft, so möchten wir dieselbe durch die hochgradige Zerklüftung und Einschmelzung der Muskelsubstanz differenziert wissen von Strepto- oder Staphylokokkenphlegmonen.. Die Frage, ob die Osteomyelitis oder die Phlegmone das Primäre war, ist schwer zu entscheiden, dürfte sich aber mit Berücksichti- gung des Umstandes, daß gerade der Femur erkrankt war, der doch fast in allen Statistiken bezüglich der Häufigkeit der osteomyelitischen Erkrankung an erster Stelle steht und daß klinisch am frühzeitigsten die Vereiterung des Kniegelenkes in den Vordergrund trat, mehr zu Gunsten der ersteren Ansicht neigen. Kraske’s Vermutung, daß sich bei späteren Untersuchungen über- haupt jeder Mikroorganismus, der pyogene Eigenschaften besitzt, als fähig erweisen dürfte, für sich eine typische Osteomyelitis herbeizuführen, hat sich demnach auch für den Bacillus pneumoniae als richtig er- wiesen und wird durch vorstehenden Fall die Gruppe der bei Osteo- myelitis gefundenen Bakterien: Staphylokokken, Streptokokken, Pneumo- kokken, Typhusbacillus, Bact. coli und Gonokokken durch den Fried- länder’schen Bacillus erweitert. Nachdruck verboten. Ueber eine neue Species, zu der Gruppe der Bacillen der hämorrhagischen Septikämie gehörig, Bacterium phasianicida. Von E. Klein in London. Auf einer englischen Wildfarm waren die Verluste an erwachsenen Fasanen während des letzten Spätsommers so erheblich, daß die Eigen- tümer der Farm eine infektiöse tödliche Krankheit vermuteten und mir solche verstorbene Fasanen zur bakteriologischen Analyse einschickten. Nach der Aussage der Farmaufseher sollen die Fasanen keinerlei Krank- heitssymptome zeigen und der Tod ganz plötzlich eintreten; solche tote Vögel sind plump und ihr Kropf mit unverdautem Futter angefüllt. Bei der Sektion zeigen die Vögel folgenden Zustand: Die Därme sind stark gerötet, die Milz aufs Dreifache vergrößert, weich, dunkelrot:; die Leber ist stark mit Blut überfüllt und zeigt auf der Oberfläche unter der Kapsel blutige Streifen; das Herz ist mit geronnenem Blute erfüllt; der Kropf mit Futterresten erfüllt. Ausstrichpräparate des Blutes zeigen ovale Stäbchen, die an Größe und Tinktionsvermögen den Ba- cillen der Hühnercholera gleichen. Die Bacillen im Blute sind nur mäßig reichlich vorhanden, denn selbst ein großer Tropfen Blut auf der Gelatineplatte verstrichen, bringt eine noch zählbare Menge von Kolo- nieen hervor. Anders ist es mit der geschwellten Milz, denn hier sind die Stäbchen ganz außerordentlich reichlich vorhanden. Das Studium der Stäbchen in der Kultur und durch das Tier- experiment zeigt: Ueber eine neue Species, Bacterium phasianicida. 17T 1) Der Mikrobe ist ohne Eigenbewegung; der Größe und dem polaren Tinktionsvermögen nach gleicht er dem Bacillus der Hühner- cholera und gleich diesem färbt er sich nicht nach Gram. 2) Auf Gelatine wächst unser Mikrobe viel rascher als der Bacillus der Hühnercholera, seine Kolonieen auf der Plattenoberfläche gleichen denen eines langsam wachsenden Bacillus der Coli- Arten, nämlich graue durchscheinende Scheiben mit dickem erhabenen Centrum und flachem peripheren Teile, der Rand unregelmäßig gezackt. Die Gelatine wird nie verflüssigt und in Gelatineschüttelkultur werden keine Gas- blasen gebildet. 3) Der Mikrobe bildet keine Säure, im Gegenteile in der Litmus- milch und in der Litmusbouillon bildet er deutlich Alkali; die Milch wird nicht koaguliert und in der Bouillon wird kein Indol gebildet. 4) Auf der im Dampfkessel sterilisierten Kartoffel ist das Wachs- tum etwas beschränkt und bildet der Mikrobe eine dünne farblose Auf- lagerung. Aus den Charakteren sub 2, 3 und 4 geht hervor, daß unser Mi- krobe von dem Bacillus der Hühnercholera bestimmt verschieden ist. Noch weiter wird dies durch das Tierexperiment bestätigt, denn 5) Hühner sind selbst gegen große Dosen unseres Mikroben refraktär, sie zeigen lokal oder im Allgemeinbefinden keine Veränderung. 6) Meerschweinchen sind ebenfalls refraktär, doch entwickeln sie - lokal leichte Schwellung, die in wenigen Tagen zur Absceßbildung führt. ‘ Die Tiere bleiben im Allgemeinbefinden normal. | 7) Kaninchen sterben innerhalb 48 Stunden nach der subkutanen - Infektion; bei der Sektion sind die Därme injiziert, die Milz stark ge- schwellt und dunkelrot. Das Blut enthält relativ wenige, die Milz sehr reichliche Stäbchen. 8) Tauben sind durch subkutane Impfung leicht zu infizieren. Ge- rade so wie die Fasanen sterben die Tauben plötzlich, ohne vorher Krankheitssymptome zu zeigen. Die postmortalen Erscheinungen und die Verbreitung des Mikroben sind genau so wie bei den Fasanen. 9) Mäuse sind nicht besonders empfänglich; von den mit großen Dosen subkutan geimpften Mäusen bleiben 50 Proz. am Leben; die anderen sterben beiläufig am Ende einer Woche und zeigen bei der Sektion graue nekrotische Herde — Knötchen — in der Leber und Milz; die Knötchen enthalten die Mikroben reichlich, hauptsächlich als 'Embolieen in den kleinen Blutgefäßen. Unser Mikrobe ist daher eine von dem Bacillus der Hühnercholera verschiedene Varietät der Gruppe der Bacillen der hämorrhagischen Septikämie, und schlage ich für denselben die Bezeichnung Bacterium phasianicida vor, um ihn von dem Bacillus phasiani zu unter- scheiden, denn letzterer (von mir im Journal of Pathology and Bac- teriology November 1393 beschrieben) war für ganz junge Fasanen töd- lich, war ein beweglicher Bacillus, der Milch koagulierte, Säure, Indol in Bouillon und Gasblasen in Gelatine bildete. u Ze 78 H. Herzog, Nachdruck verboten. Zur Tuberkulose im Kaltblüterorganismus, [Aus der Untersuchungsstation des kgl. Garnisonlazarettes Würzburg.] Von Dr. H. Herzog, Assistenzarzt im kgl. bayer. 9. Inf.-Rgt. Wrede. Mit 2 Figuren. Die widersprechenden Angaben der verschiedensten Autoren, ins- besondere Lubarsch (10) und Sion (15), über die Ausbreitung und Wirksamkeit der Tuberkulose im Kaltblüterorganismus haben Herrn Privatdocenten Stabsarzt Dr. Dieudonn& Veranlassung gegeben, mich mit der Untersuchung dieser Frage zu beauftragen. Nach Durcharbeitung der einschlägigen Litteratur ergaben sich folgende Gesichtspunkte: 1) Welche pathologischen Erscheinungen erzeugen die Pilze der Fischtuberkulose im Froschkörper ? 2) Ruft der Erreger der Säugetiertuberkulose im Kaltblüter charakte- ristische Veränderungen hervor, wie dies von Auch& und Hobbs Q), sowie Dubard (5) behauptet wird, verbreitet er sich bloß in den Or- ganen, ohne erhebliche morphologische Veränderungen in denselben nachweisen zu lassen, wie Lubarsch (10) angiebt, oder bestätigen sich die Resultate Sion’s (15), daß nach Einverleibung der Tuberkelbacillen in den Froschorganismus — 10 Tage bis 6 Monate — diese nur an der Impfstelle — Lymphsack oder Peritonealhöhle —, nicht aber in den inneren ‚Organen nachweisbar sind, noch irgend eine Reaktion des Ge- webes erkenntlich ist? 5) Ist der Erreger der Säugetiertuberkulose nach Passage durch den Kaltblüter noch infektionstüchtig für Warmblüter, wie Auch&@ und Hobbs (1), Hormann und Morgenroth (7), Sion (15), sowie Nicolas und Lesieur (13) gesehen haben, oder wird derselbe im Kaltblüterorganismus so abgeschwächt, daß er Warmblüter nicht mehr infiziert, wie Bataillon, Dubard und Terre (4, und zum Teil Lubarsch (10) behaupten ? Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, daß je 1 Agarkultur mit einer kleinen Menge physiologischer Kochsalzlösung aufgenommen, im Achatmörser fein verrieben, durch weiteren Zusatz der Salzlösung bis etwa zu 10 ccm verdünnt und dem Frosche 2—3 cem dieser Emul- ° sion in den Lymphsack injiziert wurden. Nachdem das Tier eingegangen, bezw. getötet war, wurden von der Lymphsackflüssigkeit sowie den inneren Organen sofort Ausstrichpräparate angefertigt. Die Fixierung der Organstückchen wurde in Alkohol, in Zenker’scher Flüssigkeit sowie nach Tellyesnicky vorgenommen. Als Färbemethoden gelangten Kombinierungen der Verfahren Hämatoxylin-Eosin, Ziehl-Nelsen, van Gieson und Weigert’sche Fibrinfärbung zur Anwendung. I. Fisehtuberkulose. Versuch 1. 8 Frösche wurden mit Fischtuberkulose geimpft, in Wasser gesetzt und bei Zimmertemperatur (15°—16° C) beobachtet. Das Wasser wurde täglich erneuert, nachdem es vorher entsprechend er- wärmt worden war. za A ui Zn A TE 1 Ze I 1 a Un, Zur Tuberkulose im Kaltblüterorganismus. 79 Frosch 1 und 2 wurden am 14. Tage, Frosch 3 am 16. Tage, Frosch 4 und 5 am 33. Tage post infectionem getötet. Die Sektion ergab in den ersten Fällen spärliches, in den späteren reichlicheres, sulziges, rötlich tingiertes Exsudat im Lym au geke. mit der Haut und Rücken- obertläche zum Teil verklebt. In Leber, Nieren und Lunge keine Abweichungen von der Norm. Die Milz schien etwas vergrößert, dunkelrot. Frosch 6 ging am 53. Tage, Frosch 7 am 60. Tage und Frosch 8 am 75. Tage post infectionem unter dem Bilde einer schweren Allgemein- erkrankung ein. Frosch 6. Kleines, sehr abgemagertes Tier; über der Rückenhaut vereinzelte, stecknadelkopfgroße Hautdefekte. Nach Oeffnung des dorsalen Lymphsackes erscheint die Innenfläche der Haut fast allseitig mit der Rückenoberfläche durch dünne fibrinöse Stränge verwachsen; nach Lösung derselben zeigt sich die Rückenoberfläche bedeckt von zahlreichen, kleinen, grauroten Knötchen, die größtenteils konfluieren, und dadurch eine Art membranöser Auflagerung bilden. Die Innenseite der Haut ziemlich gerötet und sehr gefäßreich. An einigen Stellen, entsprechend den Durchlöcherungen der Rückenhaut, frische, fast kirschkerngroße Blutgerinnsel. Leber groß, blutreich. Ueber das ganze Organ zerstreut zahlreiche miliare und submiliare grauweißliche Pünktchen. Milz vergrößert, dunkelrot, bedeckt mit hirsekorn- oßen, über die Oberfläche hervorspringenden Knötchen. Beide Nieren dunkeirot; im Gewebe eingestreut lassen sich auch hier vereinzelte, bis hirsekorngroße Knötchen erkennen. Lungen ohne Befund. Frosch 8. Sehr abgemagertes Tier. Am Rücken ein gut erbsengroßer Defekt in der Rückenhaut mit scharfen Rändern, kreisrund, der Grund blutig tingiert. Außerdem am Rücken noch vereinzelte stecknadelkopf- bis erbsengroße Erhebungen, central, zum Teil rötlich verfärbt und durchscheinend. Die Haut vollständig mit der Rückenober- fläche verklebt; nach Trennung der Adhärenzen erkennt man die Innenfläche der Haut, sowie Rückenoberfläche bedeckt mit mächtigen, sulzigen, geiblichen Granulationen, die stellenweise durch Blutungen intensiv gerötet erscheinen. Im Lymphsacke ziemlich reichliche, seröse Flüssigkeit. Leber übersät mit zahlreichen, hirsekorn- bis stecknadelkopfgroßen Knötchen, weiche zum Teil konfluieren. Milz geschwollen, mit vereinzelten Knötchen bedeckt. Nieren durchsetzt von zahlreichen derartigen Prominenzen. Hier erscheint die Er- krankung neben der Leber am ausgedehntesten. Frosch 7 zeigt ähnliche Verhältnisse. Von besonderem Interesse erschienen hier die Durchlöcherungen der Rückenhaut. Ledoux-Lebard (8) erwähnt nur, daß einige Male blutige Ulcerationen in der Rückenhaut zur Beobachtung kamen: „par- fois des ulc&rations sanguinolents se produisent sur le t&gument“, ohne ‚genauer den Zeitpunkt, sowie die Art und Weise ihrer Entstehung an- zugeben. Nach unseren Beobachtungen entwickelten sich bei Frosch 6 und 8 nach der 6. Woche kleine, bis zu Stecknadelkopfgröße schwellende Erhebungen über der Rückenhaut mit vollkommen normaler Haut- zeichnung. 2—3 Tage nach ihrem Erscheinen nahmen dieselben, in der Mitte beginnend, einen rötlichen Ton an, wurden glasig, central fast durchscheinend, um nach weiteren 2—3 Tagen einzubrechen; nun zeigte sich die Haut im ganzen durchlöchert, die Rückenoberfläche bloßgelegt. Die Defekte waren kreisrund, wie mit dem Locheisen gebrannt, die Ränder scharf, mit der Unterlage nicht verwachsen. Bei Frosch 7 war, wiewohl er sich unter den gleichen Bedingungen befand, die Rückenhaut intakt. Auffallend war ferner der ausgesprochen hämorrhagische Charakter,’ den die entzündlichen Erscheinungen des Lymphsackes boten: Die größeren Gefäße prall gefüllt, tiefrot, die Exsudatflüssigkeit rötlich tin- giert, die sulzigen Massen, sowie die Rückenoberfläche von zahlreichen kleinen punkt- und streifenförmigen Petechien durchsetzt; daneben auch 80 H. Herzog, größere Blutgerinnsel. Uebereinstimmend damit erschienen die Organe fast durchweg sehr gerötet, zum Teil vergrößert, gequollen. Versuch 2. 2 Frösche (9 u. 10) wurden nach der Impfung im Brutschrank bei 22° C gehalten, das Wasser, vorher entsprechend er- wärmt, täglich erneuert. Die beiden Tiere gingen am 71. Tage plötzlich ein; nachdem dieselben zur Erneuerung des Wassers aus dem Schranke entnommen, fingen sie an, äußerst lebhafte Bewegungen zu machen, stießen gegen die Wände und den Deckel des Behälters und wurden in diesem Erregungszustand wieder zurückgebracht. Nach etwa 1 Minute veran- laßte lautes Quaken mich nach den Tieren umzusehen und ich fand dieselben leblos im Wasser liegen. Vielleicht handelt es sich hier um ähnliche Verhältnisse, wie sie Ledoux-Lebard (8) beobachtet hat: „Alors, sans amaigrissement notable, l’animal peut mourir apres des convulsions qui rappellent celles du strychnisme“. Temperaturen von 22—27° GC sind nach Dubard (4) das Optimum für das Wachstum der Fischtuberkelbacillen. Trotzdem zeigten sich hier — bei gleicher Krankheitsdauer — die pathologischen Verände- rungen weniger fortgeschritten, wie im vorigen Versuch: Im Lymphsacke reichliche Granulationen von gelbrötlichem Aussehen, Haut- decke und Rückenoberfläche miteinander verklebend. Leber sehr groß, dunkelbraunrot; bei Frosch 9 mit miliaren, weißlichen, nicht prominenten Pünktchen übersät. In der Niere reichliche, bis hirsekorngroße Knötchen. Bei Tier 9 in der rechten Niere ein einziges sichtbares Knötchen, linke Niere scheinbar intakt. Milz gequollen, ohne Ein- lagerungen. Lungen frei. Mikroskopische Veränderungen. Frosch 1—6. (Sichtbare Organveränderungen fehlten !) Leber: Im Gewebe eingestreut kleine, rundliche, knötchenartige Bildungen, vom gesunden Gewebe durch einen ringförmigen Spalt ab- gesetzt, der meistens an einer oder mehreren Stellen von Leberbälkchen überbrückt ist. Diese Knötchen bestehen zum Teil aus den großen, für die Froschleber charakteristischen Pigmentzellen; letztere breiten sich entweder über das ganze Knötchen aus, alles übrige Gewebe ver- deckend, oder sie häufen sich an einem Pole klumpenförmig an, peri- pherwärts sichelförmige Ausläufer bildend. Sind sie spärlich aufgelagert, oder fehlen sie vollständig, so lassen sich die das Knötchen bildenden Elemente folgendermaßen analysieren: den Hauptbestandteil bilden Leberzellen, erkenntlich an den großen bläschenförmigen Kernen, mit mehreren, nicht selten wurstförmigen Nucleolis; zum Teil sind die Zellen noch zu Balken vereint; an der Peripherie der Knötchen ordnen sie sich meist ringförmig an. Daneben in weit geringerer Anzahl Zellen mit einem verhältnismäßig großen, sich intensiv färbenden Kerne und kleinem Zellleib, sowie weiterhin ab und zu sternförmig verästelte Zellen. An Stellen, wo der Zusammenhang des Knötchens mit dem Lebergewebe erhalten ist — Brückenbildung — erkennt man deutlich die Beziehung der fixen Gewebszellen zur Knötchenbildung: man sieht häufig, wie eine oder mehrere Zellen von einem in das Knötchen hinein- ragenden Leberbälkchen sich losgelöst haben, und nun zu den die Neu- bildung konstituierenden Elementen gehören. An einzelnen Stellen macht sich bereits centrale Nekrose bemerkbar. In älteren Herden — Frosch 5 — ist die Peripherie von 2—3 konzentrischen Ringen um- säumt, deren Zellen schon ausgesprochen bindegewebigen Charakter haben — langgestreckte Zellen mit stäbchenförmigen Kernen. Stellen- > AZ vs : Zur Tuberkulose im Kaltblüterorganismus. S1 _ det die Regel; nach Im Gegensatze dazu - bereits in bindegewe- fanden, indem von Erkrankungsprozesses weise erkennt man mitten im gesunden Gewebe ohne scharfe Abgrenzung kleine Bezirke aus nekrotischen Leberzellen bestehend. Niere: Vereinzelt Tubuli, deren Epithel nekrotisch geworden, so daß Detritusmassen und Kernfragmente im Lumen sichtbar sind, die Kapillaren ausgedehnt und stark gefüllt; spärliche Knötchenentwickelung. Bei Frosch 5 fand sich eine ungefähr kirschgroße (Seibert, Okul. 7) Neubildung, das Centrum vollständig verkäst; um die Käsemasse in direkter Anlagerung ein breiter bindegewebiger Wall (intensiv rot mit van Gieson gefärbt). Das Nierengewebe der nächsten Umgebung zeigt Nekrose, zum Teil vollständigen Zerfall des Tubulusepithels. Milz: Aehnliche, sequesterartig — wie Ledoux-Lebard (8) sie bezeichnet hat — sich absetzende Knötchen, wie in der Leber, sind in der Milz erkenntlich, nur daß hier die Bestandteile fast ausschließlich kleine, runde, einkernige Zellen sind. An der Peripherie der Neubil- dungen ist auch hier ab und zu Bindegewebsentwickelung bemerkbar, so daß die Tendenz zur Abgrenzung deutlich zu Tage tritt. Die Gefäße und Gewebsmaschen sind überreich mit Blutelementen ausgefüllt. - Frosch 6—10. (Zum Teil bereits ausgedehnte makroskopische Veränderungen |) Leber: Der Erkrankungsprozeß ist ein fortgeschrittener: Durch Aneinanderlagerung benachbart aufgetretener Neubildungen findet man ausgedehnte Bezirke, die nur in den zwischen den Knötchen freige- bliebenen Spalten typische Leberbälkchen erkennen lassen. Neben den proliferierenden Prozessen machen sich nunmehr in ausgesprochener Weise regressive Erscheinungen geltend: Die Centren der Eruptionen sind umgewandelt in eine homogene, glasige, meist intensiv sich färbende Masse, zum Teil noch Zerfallspartikel erken- nen lassend. Der Aus- gang in Nekrose bil- Ledoux-Lebard (8) ist sie aus nahmslos. konnten wir Knötchen beobachten, die, ohne centralen nekrotischen Zerfall zu zeigen, sich biger Umwandlung be- der Umgebung jun- ges Bindegewebe mit reichlicher Kapillar- bildung gegen das Centrum vordrang. Damit ist die Möglich- keit einer Heilung des % da egeben. Auch hier an starke Füllung Fig.1. Fischtuberkulose: (Niere, Frosch 8.) Knöt- ie chen, größtenteils nekrotisch; an einem Pole stärkere Zell- der Gefäße und Ka- anhäufung; nach außen bindegewebige Abgrenzung. Ver- pillaren auffallend. größerung: ca. 500. 82 H. Herzog, Die Organe von Frosch 9 und 10 sind weniger stark affıziert. Niere: Die Knötchen erreichen hier die größten Dimensionen ; häufig nehmen sie das ganze Gesichtsfeld (Seibert, Okul. 7) ein und erinnern ihrem Aussehen nach an die von Meyer (11) beschriebenen Formen. In den meisten Fällen sind dieselben von einem mächtigen bindegewebigen Wall umgeben und zwar derartig, daß um das käsige Centrum eine mehr oder minder breite Zone von Zellen folgt, und dann sich in konzentrischen Ringen Bindegewebe herumlagert. Der Zellgürtel besteht aus großen, epitheloiden Zellen, kleinen Rundzellen, Zellen mit länglichen oder wurstförmigen Kernen, polymorphkernigen Zellen. Da- zwischen Kerntrümmer und Detritus. Die Zellleiber sind, besonders an der Peripherie, häufig durch Ausläufer miteinander verbunden, und zeigen nicht selten dendritusartige Verzweigungen. Auch hier sind leb- hafte Reparationsvorgänge zu beobachten. Milz: Knötchenbildung, mit teils bindegewebiger Abgrenzung nach außen, wie bereits in anderen Organen beschrieben ; nekrotischer Zerfall der Neubildungen, selten organisatorische Erscheinungen. Eine beinahe unglaubliche Schädigung zeigt die Milz von Frosch 6: fast das ganze Organ bildet eine einzige Detritus- bezw. Käsemasse, vermischt mit sroßen, unregelmäßig gestalteten Blutansammlungen. Im Gegensatze dazu zeigt Tier 9 (71 Tage auf 22° C gehalten) nur Knötchenbildung im Anfangsstadium, keinerlei Verkäsung. Auffallend sind Anhäufungen von großen Zellen mit hellen Kernen; dazwischen liegen pigmenthaltige, sowie ein- und mehrkernige Rundzellen. Das ganze Organ ist äußerst blut- und zellreich. Lunge: Außer Blutreichtum des Organs keinerlei Gewebsreaktion erkenntlich. Haut: Die Durchlöcherungen der Haut bieten nichts Besonderes: Epidermis, Pigmentzone sowie Unterhautzellgewebe brechen mit scharfen Rändern beiderseits ab; die Grenzpartieen ohne jegliche Reaktion. In keinem Organe konnten Langhans’sche Riesenzellen ge- funden werden, trotzdem mit besonderer Sorgfalt dar- nach gesucht wurde. II. Säugetiertuberkulose. Versuch 3. Vier Frösche (11—14 inkl.) wurden mit Säugetier- tuberkelbacillen geimpft, und bei gewöhnlicher Temperatur (Labora- torium) beobachtet. Frosch 11 wurde am 16. Tage, Frosch 12 am 17. Tage, Frosch 13 am 24. Tage post infect. getötet. Frosch 14 ging am 60. Tage post infect. ein. ; Frosch 11 und 12. Ohne Besonderheit. Frosch 13. Geringe, sulzige, rötlich tingierte Exsudatmassen im Lymphsacke, Schwellung der Milz; sonst negative Befunde. Frosch 14. Abgemagertes Tier. Lymphsack ohne Veränderung. Leber sehr groß, dunkelbraunrot, bedeckt mit zahlreichen miliaren weißen Pünktchen, die nicht über die Oberfläche prominieren; Milz dunkelrot gequollen; Nieren und Lungen ohne Abweichung. Versuch 4. Von Frosch 14 wurden zwei je 1 gem große Leber- stückchen im Achatmörser möglichst fein und gleichmäßig verrieben, dieser Brei mit physiologischer Kochsalzlösung — 15 ccm — aufge- schwemmt, und damit 2 Frösche (Frosch 14 und 15) in den Lymphsack, 1 Meerschweinchen in die Peritonealhöhle geimpft. Die Frösche wurden bei gewöhnlicher Temperatur beobachtet. | ah de F Zur Tuberkulose im Kaltblüterorganismus. 33 Frosch 15 ging am 4. Tage, Frosch 16 am 22. Tage post infectionem ein. Frosch 15. Der Binpnnack ist ange- füllt mit einer braunen schmierigen Masse ; sonst keine Abweichun- gen von der Norm. Frosch 16. Im Lymphsacke eine ge- ringe Menge seröser Flüssigkeit. Haut mit Rückenoberfläche ver- klebt durch vereinzelnte, blutig tingierte Spangen. Sulzige gelbbraune Ex- ' udatmassen. Innen- fläche der Haut, sowie Rückenoberfläche zei- en, besonders in der end der Impfstelle, ww unktförmige und strei- er fenförmige Blutungen. RR, Leber dunkel- ne braunrot, bedeckt mit De ee zahlreichen miliaren, Fig. 2. Säugetiertuberkulose: (Niere, Frosch 14.) nicht prominenten Knöt- Knötchen mit centraler Nekrose; um dasselbe herum ein chen, Milz sehr groß, Zellgürtel, daran anschließend, konzentrischer bindegewebiger dunkelrot. Nieren und Ring. Vergrößerung ca. 300. Lungen ohne Ab- weichung. Das Meerschweinchen wurde, nachdem es ca. 8 Wochen post in- _ fectionem keine krankhaften Erscheinungen bot, am 56. Tage getötet. Die Organe zeigten nicht die geringsten tuberkulösen Veränderungen, Mikroskopische Veränderungen. Zum Teil in den Organen keinerlei Läsion wahrzunehmen; sonst sind die Gewebsveränderungen im allgemeinen dieselben wie sie bereits für die Fischtuberkulose beschrieben: Knötcheneruptionen, durch ring- förmigen Spalt vom Gesunden getrennt; Brückenbildungen ; binde- gewebige Abgrenzung, wenn auch seltener und spärlicher ; vereinzelt centraler Zerfall und Verkäsung der Neubildungen; Fehlen von Riesen- zellen; Blutüberfüllung der Organe. Ein Unterschied in den beiden Prozessen ist lediglich darin zu erkennen, daß die Veränderungen der Säugetiertuberkulose in viel jüngeren Stadien erscheinen, als die der Fischtuberkulose, d. h. die Gewebsproliferation bedeutend das Ueber- gewicht über Degeneration und Reparation besitzt. Die bakteriologische Untersuchung der Ausstrichpräparate von Lymphsackflüssigkeit, Leber, Milz, Nieren, Lungen ergaben jedesmal positive Befunde: Am reichlichsten im Lymphsacke — Injektions- bezirk —, am spärlichsten, nicht selten sehr vereinzelt, und erst nach wiederholter Anfertigung von Präparaten in der Lunge. In den Organen liegen die Bacillen entweder vollständig regellos im Ge- 'webe, vereinzelt oder in Haufen zusammengesintert und verfilzt, oder aber sie sammeln sich mit Vorliebe in den Knötchen an, und grup- 34 H. Herzog, pieren sich da wiederum meistens polständig. Vielleicht weist dieses Verhalten auf eine Beziehung zu den Pigmentzellen, wie es von Ledoux- Lebard (8) für die Bacillen der Fischtuberkulose auch ausgesprochen wurde. Bei Fischtuberkulose konnten wir einige Male Riesenkolonieen finden, ganz selten Zellen, die mit Pilzen vollgepfropft sind, dagegen häufig vereinzelte Stäbchen innerhalb der Zellleiber. Nicht immer sind die Bacillen gut färbbar und präsentieren sich als schlanke Stäbchen: häufig findet man in Zerfall begriffene, nur mehr aus einzelnen Krümeln bestehende, aber doch noch die frühere leicht geschwungene Form bei- behaltende Mikroben, auch wohl Trümmer und Reste von Zerfallenen, besonders in den nekrotischen Oentren von Neubildungen. Auf Grund unserer Resultate müssen wir folgern: 1) In Uebereinstimmung mit Bataillon und Terre 8), Dubard (5 u. 6), Auch& und Hobbs (2), Ramond und Ravaut (14), und im Gegensatz zu Sion (15) und zum Teil Lubarsch (10): Der Säuge- tiertuberkelbacillus ruft im Kaltblüter — Frösche — Veränderungen makroskopischer und mikroskopischer Natur hervor; diese sind in prin- zipieller Hinsicht vollständig gleichwertig mit den von Fischtuberkel- bacillen gesetzten charakteristischen Schädigungen. 2) Mit Lubarsch (10) gegen Sion (15), Auch&@ und Hobbs Q): Der Säugetiertuberkelbacillus verharrt nicht längere Zeit an der Impf- stelle, sondern ist sehr bald in allen Organen nachweisbar und findet dort, auch bei gewöhnlicher Temperatur Bedingungen zur Vermehrung. 5) Ueber die Frage der Pathogenität des Säugetiertuberkelbacillus für Warmblüter nach seiner Passage durch den Kaltblüter steht uns vorläufig nur ein Versuch zur Verwertung, so daß die Beantwortung nur eine teilweise sein kann. Weitere Versuche hierüber sind angelegt und werden später Berücksichtigung finden. Wir möchten aber gerade diesem Versuch besondere Beweiskraft beimessen: Mit Leberemulsion eines Frosches (14), der 60 Tage Tuberkelbacillen in seinem Organismus beherbergt hat, wird zu gleicher Zeit ein Frosch und ein Meerschweinchen infiziert; der Kaltblüter geht am 22. Tage post infectionem unter charakteristischen Veränderungen ein, der Warm- blüter wird nach 8 Wochen gesund befunden. Demnach kam sicher tuberkelbacillenhaltiges Material zur Verwendung (Generali- sierung); weiter waren diese Tuberkelbacillen während ihres 60-tägigen Aufenthaltes im Kaltblüter derartig modifiziert worden, daß ein Kalt- blüter in verhältnismäßig sehr kurzer Zeit den infektiösen Einflüssen unterlag, ein Warmblüter sich gegen dieselben refraktär verhielt. Diese Herabminderung der Virulenz von Säugetiertuberkelbacillen durch Aufenthalt im Kaltblüterorganismus haben auch die verschiedensten Autoren bestätigt; allerdings gehen in Bezug auf die Zeit, während welcher dieser Einfluß sich geltend machen soll, die Angaben sehr aus- einander: nach Bataillon und Terre (2) bereits nach 11-tägigem Verweilen; nach Lubarsch (9) in 6—8 Wochen; Auch& und Hobbs (1) konstatierten ebenfalls Abschwächung mit der Länge der Zeit, doch jedenfalls nicht vor dem 158. Tage; auch Hormann und Morgen- roth (7) sahen Abnahme der Virulenz. Vollständig verneint Sion (15) diese Abschwächung durch Einfluß des Kaltblüterorganismus und will selbst von Tuberkelbacillen, die 6 Monate in der Peritonealhöhle des Frosches verweilt haben, Virulenz für Warmblüter gesehen haben. ae- Zur Tuberkulose im Kaltblüterorganismus. 55 Die Thatsache, daß Tier 15 nach 22 Tagen fast dieselbon Läsionen — im Lymphsacke sogar weit ausgedehntere — zeigte, wie Tier 14 nach 60 Tagen, läßt wohl den Schluß zu, daß der Säugetiertuberkelbacillus eine gewisse Zeit beansprucht, sich den neuen Bedingungen, in die er versetzt, anzupassen, bevor er seine deletäre Wirksamkeit entfalten kann. Die Dauer dieser Anpassungszeit wird andererseits je nach .den individuellen Verschiedenheiten der Pilze — Virulenz etc. — variieren. In unserem Falle scheint dieser Termin offenbar bereits verstrichen zu sein, wenn anders die krankhaften Veränderungen überhaupt einen Rückschluß auf den Krankheitserreger gestatten. Zugleich läßt uns der Versuch verstehen, warum bei direkter Uebertragung der Säugetier- tuberkulose — Kulturen — auf den Frosch die Veränderungen, wenn solehe vorhanden sind, zeitlich nicht gleichen Schritt mit den Krankheits- erscheinungen der Fischtuberkulose halten können, sondern durchweg — unter Berücksichtigung der Krankheitsdauer — den Anfangsprozessen der Fischtuberkuloseerkrankung näher stehen als deren Endstadium. Herrn Privatdocenten Stabsarzt Dr. Dieudonn& erlaube ich mir für die Anregung zur Arbeit, sowie für die wiederholte, vielseitige Unterstützung bei Ausführung derselben meinen ergebensten Dank aus- zusprechen. Litteratur. 1) Auch, B. et Hobbs, J., Etat de la virulence de la tuberculose humaine apr&s son passage sur la grenouille. (Comptes rendus de la Soc. de Biol. 1898. p. 13.) ) — —, Evolution de la tuberculose aviaire chez la grenouille. (Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1899. p. 816.) 3) Bataillon et Terre, Tuberculose et pseudotuberculose. (Compt. rend. de l’Aca- demie des Sciences. 1898. p. 538.) 4) Bataillon, Dubard et Terre, Un nouveau type de tuberculose. (Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1897. p. 446.) 5) Dubard, Sur quelques proprietes nouvelles du bacille de Koch obtenus sans /intervention des passages sur l’animal ä sang froid. (Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1898. p. 474.) 6) — —, La tubereulose des animaux ä sang froid et ses rapports avec la tuberculose des animaux ä temperature constante. (Revue de la tuberculose. 1898. p. 13.) 7) Hormann u. Morgenroth, Ueber Fütterung von Fischen mit tuberkelbacillen- haltiger Nahrung. (Hyg. Rundschau. 1899. p. 857.) 8) Ledoux-Lebard, Le bacille pisciaire et la tuberculose de la grenouille due ä ce bacille. (Ann. de l’Institut Pasteur. 1900. No. 14. p. 540.) 9) Lubarsch, Zur Kenntnis der Strahlenpilze. (Zeitschr. f. Hygiene. Bd. XXXI. . 187.) 10) e —, Der Einfluß des Organismus kaltblütiger Tiere auf den Bacillus der mensch- lichen Tuberkulose. (Oentralbl. f. Bakt. Bd. XX VII. p. 710.) 11) Mayer, Zur histologischen Differentialdiagnose der säurefesten Bakterien aus der Tuberkulosegruppe. (Virchow’s Archiv. Bd. OLX. 1900. p. 324.) 12) Möller, Ueber dem Tuberkelbacillus verwandte Mikroorganismen. (Therapeut. Monatsh. 1898. Nov.) 13) Nicolas et Lesieurs, Effets de l’ingestion des crachats tuberculeux humaines chez les poissons. (Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1899. p. 774.) 14) Ramond, F. et Ravaut, P., Virulence du bacille tuberculeux aviaire, vis-ä-vis des animaux ä sang froid. (Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1898. p. 589.) 15) Sion, Der Einfluß des Organismus kaltblütiger Tiere auf den Bacillus der mensch- liehen Tuberkulose. (Centralbl. f. Bakt. Bd. XX VIII. p. 710.) 86 W. K. Stefansky, Nachdruck verboten. Ueber ein neues, Eiterung hervorrufendes, verzweigtes Bakterium. |Aus der bakteriologischen Station zu Odessa.] Von Dr. W. K. Stefansky in Odessa. Mit 4 Figuren. In der letzten Zeit lassen sich im Gebiete der Bakteriologie mehr und mehr Thatsachen sammeln, welche zeigen, daß die biologischen Eigenschaften, welche irgend einer Art der Bakterien zukommen und dieselbe streng von anderen Arten unterscheiden, sich als äußerst un- beständig erweisen. Bekanntlich galten früher die Arten als scharf von- einander verschieden, und man glaubte, daß die Anwesenheit geringer Unterschiede zwischen den Bakterien hinreichend ist, um die letzteren als verschiedenen Arten zugehörig zu betrachten. Dieser Standpunkt hatte zur Folge, daß auf dem Gebiete der Bakteriologie Beschreibungen einer Menge von neuen Bakterienarten fast alltäglich erscheinen. Es erscheint als eine nicht ganz leichte Arbeit, dieses kolossale Material sich klar zu machen, und es ist daher unvermeidlich notwendig, alles bisher Gesammelte und Beschriebene in ein System zu bringen. Leider kann keines der bestehenden Systeme als befriedigend angesehen werden, um so mehr, als beständig neue Beobachtungen erscheinen, welche zeigen, daß die Eigenschaften und Zeichen, die früher als für eine bestimmte Art charakteristisch gehalten wurden, auch bei ganz verschiedenen Bak- terienarten vorkommen können. Somit erweisen sich viele Bakterien, die scheinbar ganz stabile und beständige Zeichen besaßen, zur Zeit als pleomorph; in Abhängigkeit von verschiedenen Bedingungen verändern sie nicht nur ihre charak- teristische Form, sondern auch viele biologische Eigenschaften. Als bestes Beispiel kann der Tuberkelbacillus dienen, welcher unter gewissen Bedingungen verzweigte Formen (Roux und Nocard [1], Metschni- koff [2]) und sogar Gebilde, die an den Strahlenpilz erinnern, bildet Friedrich [3], Schultze |[4]l). Derselbe Bacillus kann seine bio-- logischen Eigenschaften ändern, indem er nicht nur bei 385—40°, son- dern auch bei 20° wächst: bekanntlich muß man zu diesem Zwecke die Kultur durch die Blindschleiche durchführen (Möller [5]). Besonders zahlreich sind die Beobachtungen in Bezug auf die Ver- änderung der Form bei den Bakterien, die bis dahin als für die letz- teren charakteristisch angesehen wurde. Jetzt wissen wir, daß der Diphtheriebacillus (C. Fraenkel |[6]), der Rotzbacillus (Marx [7]), der Pestbacillus (Skschiwan [8]), der Bacillus des Typhus abdominalis (derselbe |9]) und der Bacillus pseudotuberculosisrodentium (derselbe [10]) verschiedenartige verzweigte Formen bilden können. In- teressant in dieser Beziehung ist der Bacillus proteus fluor- escens, welcher von Jaeger [11]) im Jahre 1892 bei der Weil- schen Krankheit gefunden worden ist, und noch ein Wasservibrio, eben- falls der Gruppe des Proteus angehörig, welcher von Kohlbrugge (12) in morphologischer Hinsicht ausführlich studiert worden ist. Beide Mikroben erschienen in der Form eines Bacillus, eines Coccus und sogar > Ku if‘ Ueber ein neues, Eiterung hervorrufendes, verzweigtes Bakterium. 87 eines Vibrios. Die. letzte Form bei dem Kohlbrugge’schen Mikro- organismus konnte man nicht als eine Involutions- oder degenerative Form betrachten, da sie in dem Falle, wenn die Kultur sich in un- günstigen Bedingungen in Bezug auf Nahrung und Wachstum befand, fehlte. Das Bakterium, zu dessen Beschreibung wir jetzt übergehen, er- wies sich ebenfalls in Bezug auf die Form als sehr veränderlich. Das- selbe wurde isoliert bei einem Fußgeschwüre. Bei einer bis dahin ganz gesunden, gut genährten Frau, 45 Jahre alt, traten im Oktober 1900 in den Gelenken der Endglieder rheuma- tische Schmerzen auf, die nach Einnahme von Natr. salicyl. bald ver- schwunden waren. Nach 5—6 Tagen begann die Kranke einen starken Schmerz in dem Schienbein zu fühlen. Bei der Untersuchung am nächsten Tage wurde folgendes festgestellt: In dem unteren Drittel der vorderen Schienbeinfläche läßt sich eine Geschwulst und eine Röte, die an Rotlauf erinnert, bemerken; bei der Palpation erscheint die rötliche Partie äußerst schmerzhaft. Nach 5 Tagen bildete sich an dem Orte der Geschwulst ein Absceß, welcher geöffnet wurde, wobei sich ca. 1 Eßlöffel voll Eiter entleerte. Die Heilung erfolgte nach 3 Wochen. Vor der Operation schwankte die Temperatur zwischen 37,6° und 38°, nach der Operation blieb sie normal. Am Tage vor dem Oefinen des Abscesses (am 4. Tage der Krank- heit) wurden mittels sterilisierter Spritze 2—3 ccm Eiter herausgenommen und auf Agar gesät. Der Eiter erwies sich als sehr dicht und geruch- los. Auf Strichpräparaten, die mittels wässeriger Methylenblaulösung gefärbt waren, wurden in großer Menge nur Kokken entdeckt, die meistenteils sich innerhalb der Eiterzellen befanden. Dagegen erhielten wir auf Agar einen Tag nachher eine reine Kultur eines kurzen, ziem- lich dicken Stäbchens.. Die Kultur wurde auf Gelatine in Petri’s Schalen übersät, so daß alle folgenden Beobachtungen an der Kultur, die aus einer Kolonie stammte, ausgeführt worden sind. Wie oben erwähnt, erschien der zu beschreibende Mikrobe in Form von Kokken, die paarweise geordnet waren. In den Nährmedien da- gegen (Agar, Bouillon, Gelatine, geronnenes Ochsenserum, Milch) hatte er das Aussehen eines kurzen Stäbchens mit runden oder spitzen Enden. Der Größe nach erinnert das Stäbchen an den Bacillus des Typhus ab- dominalis, nur ist es etwas kürzer und dicker. In allen Nährmedien kann man außer den kurzen Stäbchen auch längere finden, sowie auch lange Ketten und ziemlich viele Fäden, die oft den ganzen Durchmesser des Gesichtsfeldes einnehmen. Manchmal sind die Fäden dicker als die sie umgebenden Stäbchen, oder es erscheinen auf ihnen spindel- und kolbenförmige Anschwellungen. In Bouillon kommen außer Stäbchen und Fäden ziemlich viele Kokken, große Kugeln und Kolben vor. Selten finden sich an den Stäbchen, sowie auch an den Fäden, meistenteils kurze Verzweigungen, welche die Form Y haben. Es muß bemerkt werden, daß alle diese Mannigfaltigkeit der Formen in den Nährmedien erst 24 Stunden nach der Uebersaat auftritt. Eine unvergleichlich größere Mannigfaltigkeit der Formen erhalten wir auf Agar mit 5- Proz. NaCl, der von Skschiwan als vorzügliches Reaktiv zur Konstatierung der Verzweigungen bei den Bakterien empfohlen wird. Nach 24 Stunden wird eine ziemlich reiche Kultur er- halten, wobei unter dem Mikroskope eine solche Mannigfaltigkeit der 88 W.K. Stefansky, Formen sichtbar wird, daß man an eine beträchtliche Verunreinigung der Kultur denken kann. Am häufigsten ist die Form des Stäbehens — von der kürzesten, schwierig vom Coccus unterscheidbaren, bis zur Größe der langen Fäden, die den Durchmesser des Gesichtsfeldes über- treffen. Außer Fäden und Stäbchen finden sich Kokken der verschieden- Fig. 2, Fig. 4. Fig. 1. 2-tägige Bouillonkultur. Fig. 2. 2-tägige Kultur auf Agar mit Taubenblut. Fig. 3. Ausstrichpräparat aus den Brustmuskeln einer Taube. Fig. 4. 1-tägige Kultur auf Agar mit 5-proz. NaCl. Die Photogramme sind sämtlich bei 1000-facher Vergrößerung aufgenommen. artigsten Größe, große Kugeln, Ringe, Kolben- und Spindelformen, Spi- rillen und spyrochätenähnliche Formen. Fast in jedem Gesichtsfelde kann man 1—2 verzweigte Formen finden, die entweder die Form der kurzen Wurzelsprossen oder der Y-Form haben. Sehr pleomorph erscheint das Stäbchen im Agar, dem Taubenblut beigemengt ist. Nach 24 Stunden finden wir, außer den kurzen Stäb- F 4 L b =. A re 5 - - } # Ueber ein neues, Eiterung hervorrufendes, verzweigtes Bakterium. 89 chen, lange Fäden mit spindelförmigen Verdickungen, Kokken, Spirillen, kolbig angeschwollene Stäbchen und verzweigte Formen. Injiziert man mit Agar- oder Bouillonkultur die Muskel einer Taube (für welche, wie wir später sehen werden, das Bakterium sehr pathogen ist), so er- scheinen nach 24 Stunden auf den Strichpräparaten aus dem Injektions- ort Stäbchen, die sich bei der Färbung von Pestbacillen gar nicht unter- scheiden; alle Stäbchen erscheinen kurz und dick mit bipolarer Färbung und ungefärbter Mitte. Dies sind die Daten in Bezug auf die morphologischen Eigentüm- lichkeiten unseres Stäbchens.. Was die anderen Eigenschaften anbe- trifft, so sei folgendes bemerkt: Das Stäbchen ist sehr beweglich, gut färbbar durch Anilinfarben und läßt sich nicht nach Gram färben; es wächst auch in Abwesenheit von Sauerstoff. Das Optimum des Wachs- tums liegt bei 37°, obgleich gutes Wachstum auch bei 10—12° beob- achtet wird. Der Mikrobe besitzt die Fähigkeit, sich schnell zu ver- mehren. Wenn man eine Oese der Kultur in einen Kolben, der 300 — 400 eem Bouillon enthält, einsät und den Kolben bei einer Temperatur von 37° aufbewahrt, so wird nach 1!/,—2 Stunden die ganze Bouillon trübe. In anderen Nährmedien zeigt das Stäbchen ebenfalls ein reich- liches Wachstum. Die Kulturen zeichnen sich überhaupt durch ihre Resistenz aus und können mehr als !/, Jahr ohne Uebersat erhalten bleiben. Die Reaktion des Mediums übt keinen wesentlichen Einfluß auf die Schnelliskeit des Wachstums aus; ein gutes Wachstum wird sowohl in saueren als in alkalischen Medien erzielte. Beim Aufsäen auf Medien, die Trauben-, Rohr- oder Milchzucker enthalten, ruft das Stäbchen die Bildung von Gasblasen hervor. Die Indolreaktion ist ziemlich merklich. Was das Ertragen von hoher Temperatur anbelangt, so ist in dieser Beziehung das Bakterium nicht sehr resistenzfähig; bei 70° sterben die Bouillonkulturen nach 30 Minuten, beim Kochen schon nach 1 Minute. Speziell zeigt das Wachstum des Mikroben in verschiedenen Nähr- medien folgende Eigentümlichkeiten : Agarstrich: Reichliche Auflage, glänzend, von gelbgrauer Farbe, - mit glatten Rändern; das Kondenswasser klar, Bodensatz grauweißlich. Agarstich von grauer Farbe, fadenförmig. Nach 24 Stunden ist die ganze Agarfläche bis zu den Wänden des Reagenzglases mit Auf- lage bedeckt. — Agarplatten: Bei einer Temperatur von 15° sind schon nach 2—3 Tagen Kolonieen bemerkbar. Dem unbewaffneten Auge erscheinen sie als schwach bläulich gefärbt und matt. Bei 50-facher Vergrößerung zeigen die Kolonieen runde oder ovale Form; sie sind fein granuliert, mit glattem Rande, von brauner Farbe. Auf Glycerinagar reichliches Wachstum. Auf Agar mit 5 Proz. NaCl wächst das Stäbchen ziemlich gut, _ indem es in großer Menge Verzweigungen bildet. Gelatine wird nicht verflüssigt. Gelatinestich hat das Aussehen eines weißlichen Fadens. Auf der Oberfläche eine Auflage von grauer Farbe, durchsichtig, mit zackigen Rändern. Gelatineplatten: Dem unbewaffneten Auge erscheinen die Ko- lonieen: Erste Abt. XXXI. Bd. 7 90 | W.K. Stefansky, 1) Aufliegende: Im Anfange punktartig, !durchsichtig, an Tau- tropfen erinnernd; später von schwach bläulicher Farbe, glänzend, mit Perlmutterstich, die Ränder der Kolonie besitzen Ausbuchtungen. Die Kolonieen sind denen des Typhus abdominalis sehr ähnlich. 2) Tiefliegende: Anfangs punktartig, nachher rund, schwach bläulich. Bei 50-facher Vergrößerung nach 2—3 Tagen: 1) Aufliegende: Ganz farblos, durchsichtig, Rand lappig, ge- buchtet, glatt; die Oberfläche der Kolonie scheint aus 3—4 Schichten zu bestehen, wobei die Oentralschicht etwa ?/, der Kolonie ausmacht und mit ziekzackigen Linien durchzogen ist; die peripheren Schichten sind homogen. Später merkt man keine ‚Schichten mehr und die ganze Kolonie wird wie gestrichen. 2) Tiefliegende: Rund oder oval, mit glattem Rande, von gelb- licher oder brauner Farbe. Bouillon: Das Stäbchen trübt gleichmäßig und giebt einen schleimigen Niederschlag. Nach 24 Stunden bildet sich ein dünnes, sräuliches Häutchen. Die Kultur zeigt einen schwachen Fäulnisgeruch. Außer den Stäbchen kommen in Bouillon sehr häufig Kokkenformen vor. In der Milch wächst es gut, bringt die Milch nicht zum Gerinnen. Nach 2—3 Tagen bildet sich ziemlich viel Säure. Auf der Kartoffel bildet sich eine dicke, saftige, gelbliche Auflage. Auf der Mohrrübe wächst es ziemlich gut. In Fraenkel’s Medium (Kochsalz 5, Kaliumbiphosphat 2, Am- monium lacticum 6, Asparagin 4, Aquae 1000) zeigt sich merkliches Wachstum, trübt das Medium und bildet ein Häutchen; auf dem Boden des Reagenzglases bildet sich ein schleimiger, in lange Fäden sich aus- ziehender Niederschlag. Ferneres Uebersäen gelingt immer. In 0,4-proz. Asparaginlösung wächst es ebenfalls, trübt das Medium, bildet ein Häutchen und einen weißlichen schleimigen Nieder- schlag. Das Stäbchen kann bei 2—3maligem Uebersäen auf demselben Medium wachsen. In Heuinfus zeigt es ein merkliches Wachstum. Das Meer- wasser wird merklich trübe schon nach 24 Stunden, auf dem Boden bildet sich ein unbedeutender Niederschlag. Die Kultur kann bei 2— Smaligem Uebersäen erhalten werden. In Leitungswasser wächst es ebenfalls; nach 2 Tagen wird das Wasser trübe und es bildet sich ein kleiner Niederschlag. Außer den Stäbchen kommen in der Kultur auch verzweigte Formen vor. Ferneres Uebersäen auf dasselbe Medium gelingt nicht. Zwar wächst unser Bakterium in den letzten 4 Medien (0,4-proz. Asparaginlösung, Heuinfus, Meerwasser und Leitungswasser), die sich durch einen geringen Gehalt an Nährstoffen unterscheiden, doch erleidet es dabei chromatolytische Veränderungen. Es wird unvergleichlich schwächer gefärbt, die Färbung ist ungleichmäßig; oft werden nur ein- zelne Teile gefärbt und das Stäbchen sieht wie zerfressen aus; in jedem Gesichtsfelde kommen auch ganz ungefärbte Mikroben vor, es bleiben von ihnen sozusagen nur Schatten. Diese Gebilde erinnerten sehr an die degenerativen Veränderungen der pathogenen Bakterien in destilliertem Wasser, die von Braem (13) beschrieben sind. PL ER u af 2087 8 9 ST Lt ZU ZU Ueber ein neues, Eiterung hervorrufendes, verzweigtes Bakterium. 9] Was nun die pathogene Wirkung unseres Stäbchens anbetrifit, so hat sich herausgestellt, daß die subkutane Injektion der Tiere mittels der Kultur Absceßbildung zur Folge hat. Unterwirft man Meerschwein- chen oder Kaninchen der subkutanen, Injektion (1 cem 1-tägiger Bouillon- kultur oder einige Oesen Agarkultur), so bildet sich nach 5—4 Tagen ein Absceß, der sich bald öffnet und schnell geheilt wird. Im Eiter kommt das Bakterium rein vor, in Form von kurzen Stäbchen und Kokken. Solche Abscesse bilden sich auch bei Katzen und Hunden, wobei sie manchmal eine beträchtliche Größe erlangen (wie die einer sroßen Apfelsine).. Wenn man sehr große Mengen der Kultur in das Blut oder in das Darmfell der Meerschweinchen, Kaninchen und weißer Ratten einführt, so ist keine pathogene' Wirkung zu merken. Schon nach £ Stunden kann man in dem Darmfell kein einziges Bakterium mehr nden. Sehr pathogen hat sich das Stäbchen für Tauben erwiesen. Bei Injizierung von 2—3 Oesen Agarkultur in die Brustmuskeln war das Tier nach 20—40 Stunden tot. An dem Injektionsort wurden Ver- änderungen gefunden, die der nekrotisierenden Myositis eigen sind. An Strichpräparaten aus dem Injektionsort wurde unser Mikrobe konstatiert; dem äußeren Aussehen und der Färbung nach erinnerte er an den Pestbacillus. Im Blute und in den inneren Organen kam der Mikrobe nur in geringer Menge vor und konnte, und das auch nicht immer, nur mittels Kultur konstatiert werden. Die Tauben starben auch bei In- jektion der durch Kochen getöteten oder durch Chamberland's Kerze filtrierten Kulturen. Eine subkutane Injektion von 1—2 ccm einer 6—7-tägigen Bouillonkultur, die entweder gekocht oder filtriert war, war schon genug. Das Tier starb nach 5—6 Tagen. Bei der Sektion wurde, außer ausgeprägter Abmagerung, nur Darmhyperämie gefunden. Eine gleiche toxische Wirkung wurde bei der Injektion der Ziesel beobachtet. Führt man unter die Haut oder in das Darmfell I—2 Oesen der Agarkultur ein, so stirbt das Ziesel nach 18—20 Stunden. Bei der Sektion fand sich eine ausgeprägte Hyperämie des Darmfelles und der inneren Organe. Eine Kultur aus dem Blute oder den Organen kann man nur in seltenen Fällen bekommen. Wir sehen also, daß das zu beschreibende Bakterium vor allem die Eigentümlichkeit besitzt, daß dasselbe sehr pleomorph ist, wobei der Pleomorphismus am stärksten bei den jungen Kulturen, die sich unter günstigen Nahrungs- und Wachstumsbedingungen befinden, ausgeprägt ist. In den alten Kulturen (1—2 Monate nach dem Uebersäen) sieht man die Mannigfaltigkeit der Formen nicht; die ganze Kultur besteht aus kurzen, dicken, kokkenförmigen Stäbchen. Bei subkutaner Injektion von Meerschweinchen, Kaninchen, Hunden und Katzen bilden sich Ab- scesse. Das Bakterium übt eine zweifellose toxische Wirkung auf die Tauben und Ziesel aus. Interessant ist es, zu bemerken, daß der Mikrobe in Bezug auf das Nährmaterial sehr bescheiden ist und sogar in einer (0,4-proz. Asparaginlösung, Meerwasser und Leitungswasser (erstes Uebersäen) gut wachsen kann. Die oben beschriebene Mannigfaltigkeit der Formen giebt uns das Recht, unser Bacterium pyogenes ramosum, als der Gruppe des Proteus angehörig, zu betrachten. Von den bekannten 7* 99 | 0. IOBSAUBE, Arten dieser Gruppe unterscheidet es sich dadurch, daß es sehr leicht und in allen Nährmedien verzweigte Formen bildet '). Litteratur. 1) Nocard et Roux, Sur la culture du bacille de la tuberculose. (Annal. de l’Inst. Pasteur. 1887.) 2) Metschnikoff, Ueber die phagocytäre Rolle der Tuberkelriesenzellen. (Virchow’s Archiv. Bd. OXILI. 1888.) 3) Friedrich und Nösske, Studien über die Lokalisierung des Tuberkelbacillus. (Ziegler’s Beiträge. Bd. XXV1I.) 4) Schulze, Untersuchungen über Strahlenpilzformen des Tuberkuloseerregers. (Zeit- schrift f. Hyg. Bd. XXXL) 5) Möller, Ueber dem Tuberkelbacillus verwandte Mikroorganismen. (Therap. Mo- natsschr. 1898. Nov.) 6) Fraenkel, C., Eine morphologische Eigentümlichkeit jdes Diphtheriebacillus. Hyg. Rundschau. 1895.) 7) Marx, Zur Morphologie des Rotzbacillus. (Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXV.) 8) Skschiwan, Zur Morphologie des Pestbakteriums. (Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XXVIL.) 9) Ibidem. 10) Ibidem. 11) Jäger, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XII (Citat nach Kohlbrugge). 12) Kohlbrugge, Vibrionenstudien. II. (Centralbl. £. Bakt. Bd. XX' VIII.) 13) Braem, Untersuchungen über die Degenerationserscheinungen pathogener Bakterien in destillierttem Wasser. [Diss.] Königsberg 1881. | Nachdruck verboten. Babes-Ernst’'sche Körperehen und Virulenz bei Bakterien. |Aus dem hygienischen Institute zu Göttingen (Direktor: Professor Dr. von Esmarch).] Von Dr. €. J. Gauss, derzeitigem Vol.-Assist. am pathologisch-anatomischen Institute zu Göttingen. Man ist in unserer Zeit geneigt, in der Aetiologie der Krankheiten des menschlichen bezw. tierischen Körpers kleinsten Lebewesen, die uns zum Teil nur mit dem aufs schärfste bewaffneten Auge wahrnehmbar sind, eine große, ja vorherrschende Rolle zuzuschreiben. Was Wunders, wenn die Erforschung der biologischen Eigenschaften dieser Individuen — seien es nun Amöben, Sproßpilze, Bakterien oder sonstige Gebilde — immer größeres Interesse erregt. Es liegt nun in der Natur der Ent- wickelung der bakteriologischen, sowie der normal- und pathologisch- anatomischen Wissenschaft, daß man dem Ziele näher zu kommen suchte durch die Erforschung einer besonderen Eigenschaft der Zelle, der Eigenschaft, sich mit bestimmten angebotenen Farbstoffen intensiv zu färben oder aufgenommene Farben abzugeben und durch andere zu er- setzen. Mit dem Fortschreiten der feineren Färbetechnik ist die Auf- merksamkeit naturgemäß auf feinere Bestandteile der Zellkörper ge- 1) Anmerkung bei der Korrektur. Jetzt, also 1 Jahr, nachdem wir die Kultur erhalten haben, verlor zum Teil unser Stäbchen die Fähigkeit, Verzweigungen zu bilden. Wir konnten aber viele verzweigte und pleomorphe Formen bei der ersten Uebersaat der alten 3—4-monatlichen Kulturen auf 5 Proz. Kochsalzagar erhalten. | | ; Babes-Ernst’sche Körperchen und Virulenz bei Bakterien. 93 lenkt, die man bis dahin nicht Gelegenheit hatte wahrzunehmen. So verhält es sich auch mit gewissen, zu Zeiten beobachteten Formbestand- teilen des Bakterienleibes, die sich nach bestimmten Methoden von den umgebenden Zellbestandteilen durch deutliche Eigenfärbung abheben und die nach ihren ersten Beschreibern den Namen der Babes-Ernst- schen Körperchen tragen. Die Litteratur über diese kleinsten färberisch darstellbaren Bestand- teile des Bakterienleibes ist inzwischen so groß geworden, daß es un- möglich ist, im Rahmen dieser Abhandlung eine Uebersicht der teil- weise sehr widerstreitenden Ansichten zu geben. Es muß daher auf die wichtigeren Originalarbeiten — von Ernst, Babes, A. und M. Neisser, Bunge, Marx und Woithe, Feinberg, Ascoli, Nakanishi, Krompecher!) — verwiesen werden, die einzelne be- deutsame Etappen in der Erforschung der Babes-Ernst’schen Kör- perchen darstellen und zum Teil zugleich übersichtliche Zusammen- fassungen der verschiedenen Ansichten bringen ?). Aus dem Rahmen der biologisch-physiologisch-färbetechnischen Ab- handlungen dieser Autoren über die Babes-Ernst’schen Körperchen treten die Arbeiten von Marx und Woithe insofern heraus, als sie den Befunden ihrer Untersuchungen Deutungen anschließen, die speziell für die ärztliche Praxis von hoher Bedeutung sein müßten. In Rücksicht auf diese ihre Schlußfolgerungen für die Praxis ver- anlaßte mich Herr Geheimrat Orth, die Marx-Woithe’schen Ver- suche einer Nachprüfung zu unterziehen. Wenngleich mir nun Zeit und Material nicht in so reichlichem Maße zur Verfügung standen, daß ich alle ihre Versuche in der von ihnen gemachten Anordnung hätte an- stellen können, so glaubte ich doch, daß eine kritische Betrachtung der von Marx und Woithe entwickelten Theorieen und der Ausfall meiner auf ihre Richtigkeit gemachten Stichproben für die Bedeutung ihrer Thesen nicht ohne Wert sein würden. Ehe ich nun meine Ueberlegungen und die darauf basierenden Ver- suche expliziere, drängt es mich, meinen hochverehrten Lehrern den schuldigen Dank zu sagen; Herrn Geheimrat Orth, der mir die An- regung zu dieser Untersuchung gab, Herrn Professor Esmarch, unter dessen Aufsicht mir meine, von ihm durch Rat und Hilfe geförderten Versuche anzustellen vergönnt war, Herrn Dr. Reichenbach, der mir sein Interesse für den Fortgang der Arbeit freundlichst des öfteren be- thätigte. Es lag — wie bereits gesagt — weniger in meiner Absicht, die biologische als vielmehr die praktische Seite der Marx-Woithe’schen Resultate zum Gegenstand meiner Untersuchungen zu machen. Es 1) Die Abhandlungen der 3 letzten Autoren kamen mir erst beim Niederschreiben dieser Arbeit zu Gesicht. Während Nakanishi genauere Untersuchungen über seine damals nur kurz publizierte Auffassung des Bakterienleibes als einer kernhaltigen Zelle bringt, ist Ascoli’s Aufsatz eine kritische Beleuchtung der Ansichten von Marx und Woithe; Krompecher’s Untersuchungen ergaben eine scharfe Trennung der Granula des Bakterienleibes in die eigentlichen Babes-Ernst’schen Körperchen, die „metachromatischen“ Krompecher’schen und die Bunge’schen Körnchen, wobei der Verf. speziell zu Marx’ und Woithe’s Standpunkt Stellung nimmt. 2) Eine Zusammenstellung der benutzten einschlägigen Litteratur ist am Schlusse angefügt. 94 | C. J. Gauss, bleibe also dahingestellt, ob man in den Babes-Ernst’schen Körper- chen Sporenvorstufen, Kerne, Richtungskörperchen, Degenerationsprodukte oder sonst etwas zu sehen habe. Von weit größerem Interesse war mir derjenige Teil der Abhandlungen von Marx und Woithe, der sich mit der Bedeutung der Babes-Ernst’schen Körperchen für die klinische Diagnose und Prognose der Infektionskrankheiten beschäftigte. In ihrer ersten Veröffentlichung kommen die Verff. nach eingehender Schilderung ihrer Versuche zu folgenden Resultaten: 1) Die Babes-Ernst’schen Körperchen stellen Kerne im Sinne der gewöhnlichen Zellkerne nicht dar; 2) die Zahl der Babes-Ernst’schen Körperchen nimmt um so schneller ab gegen die vorhergehende Generation, je schärfer der Kon- trast zwischen den Lebensbedingungen in den beiden Generationen ist; 3) das Vorhandensein von Babes-Ernst’schen Körperchen in möglichst vielen bezw. allen Individuen derselben Art bedeutet ein Zeichen für die höchste Lebensentfaltung dieser Art; die Körnchen kommen ferner allen Bakterien in ihren natürlichen Daseinsverhält- nissen zu; auch bei den für den Menschen nicht pathogenen Arten ist das Vorhandensein Babes-Ernst’scher Körperchen in großer Zahl als Zeichen einer hohen Lebensintensität anzusehen. Wenn somit bis hierher die Frage, in welchen näheren Beziehungen die Babes-Ernst’schen Körperchen zur Virulenz der Bakterien stehen, nur vorsichtig gestreift wird, so erfolgt eine bestimmte Behauptung hierüber, in Form eines biologischen Gesetzes ausgesprochen, erst in zwei weiteren Arbeiten von Marx. In diesen zieht der Verf. die logischen Folgerungen aus den Resultaten der gemeinsamen Unter- suchungen. In der ersten entwickelt er eine Infektionstheorie, auf welche er die in der zweiten explizierte Desinfektionstheorie gründet. „Der Maßstab für die gegenwärtige Virulenz eines Bakteriums ist die Zahl der Babes-Ernst’sche Körperchen tragenden Individuen; für die zukünftige Virulenz (in der Menschen- und Tierinfektion) die Fähigkeit der Zellen, Babes-Ernst’sche Körperchen zu bilden.“ „Ein Bakterium vollzieht seinen Uebergang vom nicht infizierenden (avirulenten) zum infizierenden (virulenten) dadurch, daß sich in den Zellleibern seiner Individuen jene Kondensation und Lokalisation (der euchromatischen Substanz) vollzieht, die zur Bildung der Babes- Ernst’schen Körperchen führt.“ Die Umkehrung dieser Infektionsformel ergiebt — in der zweiten Abhandlung von Marx — seine Desinfektionsformel. „Ein Bakterium verliert seine Virulenz (Infektionstüchtigkeit) zu- gleich mit der Vernichtung der Babes-Ernst’schen Körperchen seiner Individuen.“ Die Desinfektion braucht daher nach Marx nicht auf die Spitze einer möglichst großen Keimfreiheit der Hände, Instrumente, Räume etc. getrieben zu werden, sondern soll hauptsächlich eine Schädigung der nicht ganz zu beseitigenden Keime in ihrer Existenz und Fortpflanzung bezwecken, wie sie nach seiner Ansicht im Verlust der Babes-Ernst- schen Körperchen zu erkennen ist. „Die Babes-Ernst’schen Körperchen sind — in diesem Satze gipfeln die Folgerungen Marx’ — Träger des spezifischen Lebens, des Babes-Ernst’sche Körperchen und Virulenz bei Bakterien. 95 infizierenden Daseins, ihre Vernichtung ist der Tod des Mikroorganismus, darum Endzweck der Desinfektion. Unsere wirksamsten Desinficientien sind zugleich die gefährlichsten Feinde jener winzigen Biophoren ..... der winzigsten Organismen.“ In einer weiteren Arbeit beschäftigen sich wieder beide Autoren noch ausführlicher mit ihrer Methode der Virulenzbestimmung der Bak- terien. Die bisher dafür angewandten Methoden, Tierimpfversuch und spezifische Serumreaktion, basieren — so führen sie aus — beide auf den Wirkungen, die ein pathogener Organismus im Tierkörper hervor- bringst. Da diese ihre Wirkungen aber unter meist unbekannten Be- dingungen zustandekommen, so können beide keine wissenschaftlich-exakte Virulenzbestimmung gewährleisten. Der Tierimpfversuch nicht, weil die pathogene Wirkung der Bakterien bei Tier und Mensch, ja sogar bei einzelnen Individuen derselben Species verschieden sind, abgesehen davon, daß es pathogene Arten giebt, mit denen man bisher noch kein Tier hat infizieren können. Spezifische Serumreaktionen nicht, weil bis- her „die bakteriologisch-aktiven chemischen Körper einer exakten quali- tativen und quantitativen Analyse noch nicht zugänglich“ sind. Nun war von den Autoren in ihren bisherigen Arbeiten ein enger Zusammen- hang zwischen Virulenzschwankungen einer Bakterienart einerseits und den morphologischen Veränderungen der Bakterienzelle selbst anderer- seits konstatiert, die durch Differenzierung ihrer „euchromatischen“ Sub- stanz zur Bildung der Babes-Ernst’schen Körperchen führt; damit wäre es also möglich, in Berücksichtigung dieser mikroskopisch leicht wahrnehmbaren Gebilde den durch sie ausgedrückten maximalen funk- tionellen Wert genau zu bestimmen, einen sicheren Maßstab für die Intensität der Lebensenergie einer Art und ihrer Virulenz zu bekommen. Leider ist dies ihr Verfahren nach eigener Angabe jedoch nur auf pa- thogene sporenlose Arten, die nicht der Tuberkulosegruppe angehören, anwendbar. „Wir haben — so schließen sie nach Angabe technischer Vorschriften und Schilderung ihrer Versuche — an die Stelle unzureichender Ver- fahren der Virulenzbestimmung, deren Fundament teils unbewiesene, teils unbeweisbare Hypothesen bildeten, ein dem Auge sichtbares Kriterium gesetzt, das — wir wagen es zu behaupten — niemals täuschen kann, ein Kriterium der Virulenz, begründet in der Morphologie der Zelle. Die morphologische Umwandelung der Zelle ist die conditio sine qua non für jede veränderte Aeußerung des Lebens.“ Diese Infektions- und Desinfektionsformel würde — wenn dem so ist — geeignet sein, durch ihre Anwendung große Umwälzungen in der medizinischen Wissenschaft und Praxis hervorzurufen. Der Bakteriologe brauchte zur Erkennung der Bakterienvirulenz nicht das immerhin umständliche und zeitraubende Tierimpfexperiment; er färbte seine Bakterien auf Babes-Ernst’sche Körperchen hin und wüßte damit, was er wissen wollte. Der innere Mediziner würde aus den Faeces seines Typhuskranken die Prognose stellen können. Ein Absceß, mikroskopisch ohne Babes-Ernst’sche Körperchen in den Bakterien, würde dem incidierenden Arzt kein Hindernis sein, noch am selben Tage ohne Vollbad und Kleiderwechsel und trotzdem mit gutem Gewissen eine geburtshilfliche intrauterine Operation zu machen. Der Eiter einer Pyosalpinx, schon während der Laparotomie in wenigen Mi- 96 C. J. Gauss, nuten nach Neisser gefärbt, würde bei negativem Ausfall der Färbung Peritoneum und Operationswunde als steril benetzen können ohae die Gefahr einer drohenden Wundeiterung und Peritonitis. Die chronische (Gonorrhöe des Mannes würde, wenn im Urethralsekret zwar Gono- kokken, aber nur invalide, körperchenlose gefunden würden, den ärzt- lichen Ratgeber nicht mehr zwingen, seinem heiratslustigen Patienten gegenüber ein gebieterisches Veto einzulegen, um dadurch die zukünftige Gattin vor lebenslangem Siechsein zu bewahren. Solche Uebersetzungen der Marx’schen Theorieen in die Praxis entbehren aber leider nicht eines sehr phantastischen Beigeschmackes und mahnen zu kritischer Skepsis. Wenn man alle die zahlreichen Ansichten über Wesen und Bedeutung der Babes-Ernst’schen Körnchen vergleicht, so drängt sich einem schon unwillkürlich der Gedanke auf, daß die verschiedenen Autoren ganz heterogene, in ihrer physiologischen Bedeutung weit auseinander- liegende Gebilde des Bakterienleibes unter diesem Sammelnamen be- schrieben haben. Bunge zuerst schränkte den Begriff der Babes- Ernst’schen Körperchen ein, indem er aus ihrer Reihe alle die körn- chenartigen (zebilde strich, die von Ernst und Neisser bei den Sporen- bildnern als „sporogene Körnchen“ — Sporenvorstufen — beschrieben sind und die den Namen der Bunge’schen Körnchen bekommen haben. Krompecher hat neuerdings auch bei Sporenträgern neben den sporogenen Körnchen noch wirklich Babes-Ernst’sche Körperchen beobachtet. Marx und Woithe schließen sich Bunge’s Ansicht an, ja beziehen ihre Deduktionen sogar nur auf die nachgewiesen pathogenen Nichtsporenbildner mit Ausnahme der Bakterien der Tuberkulosegruppe. Wie weit übrigens bei allen bisherigen Unter- suchungen auf Babes-Ernst’sche Körnchen die von Feinberg und neuerdings genauer von Nakanishi beschriebenen Kerne und deren Teilungsphasen — bei sporentragenden und sporenlosen Bakterien — sowie die metachromatischen Körnchen Krompecher’s in Betracht kommen, entzieht sich vorläufig noch der Beurteilung; möglich, daß die letzteren Forschungen ganz neues Licht in die Morphologie und Physiologie der Babes-Ernst’schen Körperchen zu werfen geeignet sind. Nun beschränken Marx und Woithe, wie erwähnt, ihre Folgerungen auf die nachgewiesen pathogenen Nichtsporenbildner, ausgenommen die Tuberkulosegruppe. Warum letztere allein eine Ausnahme von den pathogenen, nicht sporenbildenden Bakterienarten machen dürfen, ist nicht gesagt; bei den nicht pathogenen Nichtsporenbildnern kann eine Virulenzbestimmung natürlich nicht vorgenommen werden, soweit man unter Virulenz die Infektiosität versteht, die eben nur den pathogenen Arten zukommt. Der Begriff der Pathogenität ist aber doch ein durch- aus relativer: Ein Bakterium ist pathogen, wenn es vermöge seiner hochentwickelten Lebenskraft irgendwelche andere Individuen zu schädigen vermag; ob wir uns nun unter diesen geschädigten Organismen Amöben, Vögel, Kaninchen oder Menschen denken, ist für den Begriff der Pa- thogenität gleichgiltig. Wenn nun bisher noch nicht als pathogen an- gesehene Bakterienarten trotzdem Babes-Ernst’sche Körperchen tragen, so müßte man logisch nach Marx und Woithe entweder annehmen, daß die Körnchen in diesem Falle eine ganz andere physiologische und morphologische Bedeutung als bei den pathogenen Bakterien hätten — x Babes-Ernst’sche Körperchen und ,Virulenz bei Bakterien. 97 das wäre sehr paradox — oder aber, daß wir von den Organismen, welche für diese betreffende Bakterienart speziell empfänglich ist, noch keine genügende Kenntnis haben. Da die Nosologie so vieler Lebe- wesen bisher aber noch nicht entsprechend bekannt ist, so kann man über die absolute Pathogenität oder Nichtpathogenität bisher noch als indifferent angesehener Bakterien nichts Sicheres sagen. Man müßte daher logisch bei allen körnchentragenden, nicht sporenbildenden Bak- terienarten eine höchste Entfaltung spezifischer Funktionen und damit eine erhöhte Virulenz auch für sie insgemein annehmen, vielleicht mit der stillschweigenden Voraussetzung, daß man ihre spezifischen Wirte noch nicht kennt. Inwieweit ein Handinhandgehen von Babes-Ernst’schen Körper- chen und Virulenz der Bakterien wirklich besteht, läßt sich nach den bis jetzt noch sehr spärlichen Beobachtungen in der Litteratur noch nicht beurteilen. Am ehesten eignen sich noch die Erfahrungen über die Diphtheriebacillen und die ihnen ähnlichen Mikroorganismen zur Anstellung kritischer Betrachtungen. Bekanntlich unterscheidet man noch immer zwischen echten und Pseudodiphtheriebacillen, wenngleich ein Teil der Forscher der Ansicht ist, es handele sich bei den letzteren lediglich um echte, aber avirulente Stämme derselben Species. Wie dem auch sei — ihr morphologisches Verhalten mit Berücksichtigung ihrer Pathogenität und ihres Virulenz- srades wäre für die Marx-Woithe’schen Theorieen von Wert und Interesse. | Nach Neisser treten unter Beobachtung einer genau vorge- _ schriebenen Züchtungs- und Färbetechnik die polar gelegenen Babes- - Ernst schen Körnchen nur an den echten Diphtheriebacillen hervor, - während sie bei den Pseudodiphtheriebacillen stets vermißt werden sollen. - Das würde nach Marx und Woithe also so zu verstehen sein, daß die _ bei echten Diphtherieerkrankungen gefundenen Bakterien eine maximale - Virulenz besäßen. Nun sind Diphtheriefälle beschrieben, wo die Bacillen Körnchen _ trugen, aber keine Tierpathogenität besaßen. Da für die Diagnose und - die Virulenzbestimmung der Diphtheriebacillen bisher aber das Tier- _ experiment noch nicht zu entbehren, ja fast allein maßgebend ist, so müssen wir für die Fälle eine Erklärung dieses Widerspruches suchen. Das könnte auf zweierlei Weise geschehen. Entweder wir nehmen an, daß trotz der vorhandenen Körnchen keine Vollvirulenz da war. Es handelte sich also vielleicht um einen - wenig widerstandsfähigen Körper, bei dem schon ein relativ geringer | Virulenzgrad der eindringenden Diphtheriebacillen zu Infektionserschei- nungen führte. Denn da der Begriff der Virulenz wegen des in Be- _ tracht kommenden Begriffes der Disposition ein ebenso wenig konstanter _ ist wie der der Pathogenität, so werden sich verschieden widerstands- fähige Organismen Bakterien von bestimmter Virulenz gegenüber ver- schieden vulnerabel zeigen; anders ausgedrückt: ein relativ wenig viru- lenter — nach Marx und Woithe mußte man also erwarten: körnchen- loser — Bakterienstamm ist vielleicht einem nichtdisponierten Körper völlig unschädlich, kann dagegen imstande sein, einen disponierten, d.h. irgendwie in seiner Widerstandskraft geschwächten Organismus empfind- _ lieh zu schädigen. Damit würde auch der Wert der Virulenzbestimmung 98 C. J. Gauss, nach Marx und Woithe durch die veränderlichen Begriffe der Dis- position und Immunität erhebliche Einbuße erleiden. Oder es handelte sich bei der Infektion nicht um echte, sondern um Pseudodiphtheriebacillen. Dieselben sind nun nach Untersuchungen von Spronck, Fraenkel, Roux und Yersin, sowie Trumpp scharf zu sondern in zwei voneinander ganz unabhängige Gruppen: die eigentlichen Pseudodiphtheriebacillen, die nur die morphologischen Merkmale mit den echten Diphtherieerregern teilen, und die echten, aber avirulent gewordenen Diphtheriebacillen. Das letztere — echte avirulente Diphtheriebacillen mit Babes-Ernst’schen Körperchen — anzunehmen, wäre, von Marx’ und Woithe’s Standpunkt aus be- trachtet, eine Oontradietio in adjecto; Reichenbach freilich hält diese Erklärung für durchaus möglich und würde in der positiven Neisser- Färbung bei gleichzeitigem Versagen des Tierversuches eine glänzende Probe auf die Exaktheit der Neisser’schen Methode sehen, für den Fall, daß sich auf andere Weise, z. B. durch Wiederanzüchten der Viru- lenz, die Zugehörigkeit des betreffenden Stammes zur echten Diphtherie nachweisen ließe. Das erstere — echte Pseudobacillen mit Körnchen — anzunehmen, bietet nicht viel mehr Aussicht auf eine befriedigende Erklärung im Sinne der Marx-Woithe’schen Theorie. Wenngleich von wenigen Autoren eine gewisse Pathogenität der Pseudobacillen nachgewiesen ist, so muß man als das Hauptmerkmal der Pseudobacillen doch noch immer die Nichtpathogenität für den sonst empfänglichen tierischen Organismus beibehalten. Die von Neisser allein für die echten Diphtheriebacillen in Anspruch genommene Eigenschaft, Körn- chen zu bilden, ist neuerdings wieder durch Gromakowsky’s Ver- suchsreihen stark in Frage gestellt, der eine Unterscheidung von echten und Pseudodiphtheriebacillen als nur durch Anstellung von Tierkontroll- versuchen möglich ansieht. Giebt man übrigens zu, daß echte Pseudo- diphtheriebacillen Babes-Ernst’sche Körnchen haben können, so ist die Lehre der Coincidenz von Virulenz und Körnchen für diagnostisch- prognostische Zwecke für Diphtheriefälle im speziellen und andere infektiöse Erkrankungen im allgemeinen von recht zweifelhaftem Werte. Wenn somit das Vorkommen von Babes-Ernst’schen Körper- chen bei völlig avirulenten Diphtherie- resp. Pseudodiphtheriebacillen zur Vorsicht in der Wertschätzung der Behauptungen Marx’und Woithe’s mahnt, so sind die Fälle noch auffälliger, wo bei sicher nachgewiesener Diphtherieinfektion die Neisser’sche Methode der Doppelfärbung un- zweifelhaft versagte.e Kurth beschreibt 3 Fälle, in denen er trotz vollgiftiger Diphtheriekultur keine Polkörnchen darstellen konnte; viel- leicht — meint er erklärend! — lag eine besonders kräftige Form des Diphtheriebacillus vor. Auch eine von Reichenbach aus einem Falle von Rhinitis fibrinosa isolierte echte Diphtheriekultur ließ die Neisser- sche Reaktion in der ersten Zeit immer vermissen, obwohl sich ihre Virulenz gleich nach der Isolierung als recht beträchtlich erwies: 0,2 Proz. des Körpergewichtes von einer 48-stündigen Bouillonkultur tötete ein Meerschweinchen in spätestens 2 Tagen; daß späterhin nach 1°/, Jahren neben geringer Abnahme der Virulenz zeitweise Körnchen- bildung beobachtet wurde, trotzdem die Fortpflanzung nur auf künst- lichem Nährboden stattfand, muß — vom Standpunkte Marx’ und Woithe’s betrachtet — zudem sehr paradox erscheinen, da man bei | | | ed a ie nn um m u U 1 2 2 Mm a LG a nn u Lu DL 2 2 u Du 1 10 a u 1 A Babes-Ernst'sche Körperchen und Virulenz 'bei Bakterien. 099 der künstlichen Fortzüchtung eine Abnahme der Virulenz erwarten müßte. Alle diese Erwägungen und Beobachtungen weisen darauf hin, daß der Zusammenhang zwischen Virulenz und Körnchenbildung bei den nicht sporenbildenden pathogenen Bakterien doch nicht ganz so einfach und schulmäßig sein muß, wie das beim Lesen der Publikationen von Marx und Woithe scheinen könnte. Inzwischen haben — wie ge- sagt — bereits zwei Autoren gegen diese Theorie Stellung genommen: Ascoli und Krompecher können auf Grund ihrer Versuche eine allgemein giltige Beziehung der Körnchen zur Vitalität und Virulenz der betreffenden Bakterien nicht anerkennen. Immerhin mußte es sich trotz allem lohnen, durch eigene praktische Nachprüfung sich ein Urteil über die Beobachtungen dieser Autoren zu bilden. Ausgehend von der Annahme, daß jeder vollvirulente, dem kranken tierischen Organismus entnommene Bakterienstamm — ich spreche na- türlich jetzt immer nur von sporenlosen pathogenen Arten — Babes- Ernst ’sche Körperchen aufweisen müsse, prüfte ich verschiedene frisch- akutenFällen entnommene Eiterpräparate auf Körnchen; ich bin jedoch in dieser Hinsicht nur zu negativen Resultaten gekommen. Da mir zu eingehenderen und umfassenderen Versuchen leider genügend reichliches Material fehlte, so schlug ich zur Nachprüfung der Marx-Woithe- schen Sätze einen anderen Weg ein. Um von vornherein Einwürfen begegnen zu können, war es zuerst wünschenswert, kein Bakterium zu benutzen, das durch Züchtung auf künstlichen Nährböden irgendwelche Einbuße an seinem morphologischen Charakter gelitten haben konnte; ich suchte daher, dem Marx-Woithe’schen Verfahren folgend, in menschlichen Ex- und Sekreten nach passendem Material. Weiterhin kamen gemäß der Einschränkung der Autoren für die Auswahl nur pathogene sporenlose Bakterienarten in Betracht. Schließlich schien es mir von Interesse, meine Versuche mit einem Bakterium anzustellen, das auch von Marx und Woithe untersucht wurde. Alle diese Vorbedingungen für meine Versuche boten sich mir zu- sammen erfüllt in einem Stamme vom Bacillus pyocyaneus, den ich aus dem Bronchialsekret einer frisch secierten pneumonischen Lunge isolierte und für meine Zwecke in nachher zu schildernder Weise be- nutzte. Der Bacillus wuchs auf Glycerinagar in üppigen gelblichen Kolo- nieen mit intensiver grüner Farbstoffbildung im umgebenden Nähr- boden, und zwar bei 37° schneller und üppiger als bei Zimmertempe- ratur. Gelatine wurde mäßig schnell verflüssigt, ebenfalls unter inten- siver grüner Fluorescenz des schon verflüssigten und noch unverflüssigten Nährbodens. Der Farbstoff bildete sich, ohne daß — was Gessard als Vorbedingung betrachtet — der Nährboden ein phosphorsaueres Salz enthielt. Die beschickte Bouillon wurde trübe, leicht grünlich gefärbt und bedeckte sich nach etwa 1-wöchentlichem ruhigen Stehen im Brüt- schranke mit einer dickschleimigen Kahmhaut. Die Eiweißstoffe der Milch wurden unter leicht grünlicher Verfärbung peptonisiert. Die Bacillen selbst waren klein und schlank, mit intensiver Eigen- bewegung begabt. Sie zeigten im Ausstrichpräparate, das sowohl direkt vom organischen als auch vom künstlichen Nährboden gemacht wurde, keine Babes-Ernst’schen Körperchen. 100 C. J. Gauss, Nach Jakowski’s Litteraturzusammenstellungen ist die Patho- genität des Bacillus pyocyaneus an Tieren nachgewiesen bei Tauben, Meerschweinchen, Kaninchen und weißen Mäusen. Die in der Litteratur verzeichneten Fälle von Pyocyaneus-Infektionen des menschlichen Körpers hat Kossel einer genaueren Kritik unterzogen und kommt dabei zu dem Schlusse, daß der Pyocyaneus dem mensch- lichen Organismus besonders im Kindesalter zweifellos gefährlich werden kann. Serkowsky’s neuere Zusammenstellung der einschlägigen Litteratur war mir leider nicht zugänglich. Aus äußeren Gründen wählte ich zu meinen Versuchen weiße Mäuse. Der Plan ging nun darauf hinaus, einige unter möglichst ver- schiedenen Bedingungen gewachsene Stämme des Bacillus pyocya- neus auf ihren Gehalt an Babes-Ernst’schen Körperchen zu unter- suchen. Leitend war die Vermutung, daß man bei den frisch dem organischen Nährboden entnommenen Bakterienstämmen am ehesten Babes-Ernst’sche Körperchen würde finden können, während andere lange auf künstlichem Nährboden fortgezüchtete Generationen derselben vielleicht verlustig gingen. Andererseits mußte sich, wenn der Bacillus überhaupt für den betreffenden Tierkörper pathogen war, seine Virulenz mit Wahrscheinlichkeit durch dauernd fortgesetzte Tierpassage erheb- lich steigern lassen. Man hätte also auf diese Weise dem Bacillus nach Marx die morphologischen Zeichen der maximalen Virulenz, die Babes-Ernst’schen Körperchen, anzüchten können und können müssen. Schließlich war das morphologische Verhalten aller unter ver- schiedenen Existenzbedingungen beobachteten Stämme für die be- sprochenen Theorieen von Interesse und Wichtigkeit. Die Erwartung, in dem benutzten Bronchialsekrete — es war ein klinisch ziemlich akuter Fall von Pneumonie — Bakterien mit Babes- Ernst’schen Körperchen zu finden, bestätigte sich nicht; weder die Pyocyaneus-Stäbchen noch die wenigen, außerdem im Sekrete ge- fundenen anderen Bakterien besaßen solche, trotzdem sie alle doch einem natürlichen, nicht künstlichen Nährboden entstammten. Nach Marx hätte man nun annehmen müssen, daß die betreffenden Bakterien keine oder jedenfalls keine hohe Virulenz besaßen. Ob nun doch eine dieser Bakterienarten die Ursache der Infektion gewesen war und den Ausdruck seiner infizierenden Kraft, die Babes-Ernst’schen Körper- chen, ante oder post mortem des befallenen Körpers aus irgendwelchen Gründen verloren hatte, war nicht mehr zu entscheiden; man könnte vielleicht sagen, daß zur erfolgreichen Infektion eines nur wenig wider- standsfähigen Organismus ein Virulenzgrad der infizierenden Bakterien ausreiche, der noch nicht durch Babes-Ernst’sche Körperchen charakterisiert wäre; oder aber es könnten die gefundenen Bakterien nur als zufälliger Nebenbefund — intra vitam oder post mortem inva- dierte Saprophyten — angesehen werden. ; Von dem isolierten Pyocyaneus-Stamme — ohne Babes- Ernst’sche Körperchen — wurden nach 1-tägiger Bebrütung auf Glycerinagar bei 37° 2 gehäufte Platinösen des gewachsenen Belages einer weißen Maus subkutan am Rücken eingebracht. Das Tier wurde krank und starb am 4. Tage nach der Impfung. Das klinische Krank- heitsbild bei dieser wie auch bei allen weiterhin geimpften Versuchs- u 0 a eu ee ee ee A Zu Ba Babes-Ernst’sche Körperchen und Virulenz .bei Bakterien. 101 mäusen bestand in einem durch Stumpfheit und erhöhte Atemfrequenz charakterisierten Fieberzustande, in mangelnder Freßlust und Obstipa- tion. Bakteriologisch ließen sich im Herzblute schlanke Stäbchen nach- weisen — ohne Babes-Ernst’sche Körperchen — die, auf Agar ver- impft, eine Reinkultur von Bacillus pyocyaneus — wieder ohne Babes-Ernst’sche Körperchen — ergaben. Pathologisch-anatomisch fanden sich außerdem bei der Sektion multiple pyämische Herde, be- sonders in Niere und Leber, zudem starke Gefäßinjektion der Darm- serosa und Kotstauung. Ein Teil der Organe wurde in Orth'schem Müller-Formol und nachfolgendem Alkohol in steigender Konzentra- tion gehärtet und über Xylol, Xylolparaffin in Paraffin eingebettet. In den mikroskopischen Bildern fanden sich vielfach Abscesse in den Organen mit zahlreichen Eiterkörperchen und dabei regelmäßig ungezählte schlanke Stäbchen vom Aussehen des Bacillus pyocyaneus. Daß dieselben wirklich die infizierenden Pyoycaneus-Bacillen waren, be- wies eine aus einem frischen Abscesse angelegte Reinkultur von — übrigens wieder Babes-Ernst’schen Körperchen-losen — Pyocya- neus. Klinisch, bakteriologisch und pathologisch-anatomisch war somit die Pathogenität des Bacillus pyocyaneus für meine weißen Mäuse als erwiesen und derselbe auch deswegen für meine Versuche als ge- eignet zu betrachten. Diese mußten zuerst eine Steigerung der Infek- - tionstüchtigkeit des Bakteriums bezwecken mit einer fortlaufenden Prüfung desselben auf das Vorhandensein von Babes-Ernst’schen Körperchen in seinen verschiedenen Virulenzgraden. Die Anordnung der Versuche war durchweg so, daß das verimpfte Material und später die im Herzblute des eingegangenen Versuchstieres gefundenen Bacillen auf Babes-Ernst’sche Körperchen untersucht wurden. Aus dem Herzblute wurde ein Ausstrich auf Agar gemacht und die nach 1-tägigem Bebrüten bei 37° gewonnenen Kolonieen — immer Reinkulturen von Bacillus pyocyaneus — wieder zur näch- sten Impfung benutzt. Da die Babes-Ernst’schen Körperchen von verschiedenen Autoren als in zeitlich beschränkten Grenzen auftretend beobachtet sind, so wurden die angelegten Kulturen zu verschiedenen - Zeitpunkten innerhalb der ersten 43 Stunden nach der Aussaat unter- - sucht; um das weitere Verhalten der Agarkulturen zu verfolgen, wurden - sämtliche vorhandenen Stämme einmal wöchentlich auf Babes-Ernst- - sche Körperchen geprüft. Auch beschickte ich zeitweise Bouillon und ließ sie zwecks Bildung einer Kahmhaut — in der sich nach Marx- - Woithe mit Vorliebe Babes-Ernst’sche Körperchen tragende Bak- terien entwickeln sollten — bei 37° längere Zeit ruhig stehen; die _ entstandenen Kahmhäute wurden dann ebenfalls einer färbnerischen Prü- fung unterzogen. Die Technik der von mir angewandten Färbemethoden sei an dieser Stelle kurz erwähnt. Ich hielt mich genau an die von Marx und - Woithe befolgten Vorschriften der zuerst von Ernst angegebenen und später meist nach Neisser benannten Doppelfärbung; ich färbte mit Loeffler’s Methylenblau (ca. 5—10 Sekunden) vor, spülte in Wasser ab und machte eine Nachfärbung (ca. 15 Sekunden) mit 2°/,, wässeriger Vesuvinlösung. Als Kontroilfärbung wandte ich späterhin des öfteren die von Piorkowski angegebene Modifikation der Diphtheriebacillen- färbung an; diese besteht in Vorfärbung (ca. 1 Minute) mit alkalischer 102 C. J: Gauss, Methylenblaulösung unter Erwärmen, Differenzieren (5 Sekunden) in 3-proz. Salzsäurealkohol, kurzem Abspülen in Wasser und Nachfärbung (5 Sekunden) mit I1-proz. wässeriger Eosinlösung. Um alle eventuell die Färbetechnik betreffenden Einwände zu entkräften, wurden an 2 Bak- terien mit Babes-Ernst’schen Körperchen — dem Spirillum vo- lutans und einem in der Sammlung des hygienischen Institutes unter dem Namen Trommelschlägelbacillus von Kitasato fortgezüchten Ba- cillus — Kontrollfärbungen gemacht, die immer die vorschriftsmäßigen färbnerischen Bilder ergaben. Die nach Piorkowski gefärbten Präpa- rate waren im allgemeinen kontrastreicher und daher in zweifelhaften Fällen leichter zu deuten. Fixiert wurden die Ausstrichpräparate nach völliger Lufttrocknung in der Flamme; vergleichsweise fixierte ich die Ausstriche auch in ab- solutem Alkohol oder in Formol oder in Orth’schem Formol-Müller und fand dabei, daß die letzteren Fixationsmethoden — wenn auch um- ständlicher, doch — erheblich präcisere Bilder ergaben. Um nun eine möglichst sichere Wirkung der Tierimpfung zu er- zielen, hätte man nach Ledderhose die intravenöse Injektion vor- nehmen sollen; wegen der Kleinheit der Verhältnisse bei den Versuchs- tieren mußte jedoch davon Abstand genommen werden. Es wurde anstatt dessen der intraperitoneale und der subkutane Weg der Einverleibung begangen. Die subkutane Impfung wurde anfänglich durch direkte Uebertragung mit der Platinöse, nachher — der größeren Genauigkeit wegen — durch Injektion einer Bakterienaufschwemmung vorgenommen. Die für die subkutanen wie für die intraperitonealen Injektionen ge- brauchten Aufschwemmungen wurden durch Verrühren des mit der Platinöse dem Agarnährboden entnommenen Bakterienbelages in einer bestimmten Menge Peptonwassers hergestellt. Die benutzte Platinöse war geaicht auf 1,3 mg, d.h. sie wog, wenn sich in ihr eine feine, gleichmäßig grüne, aus Impfmaterial bestehende Membran ohne Luftblase ausspannte, 1,5 mg schwerer als ihr Eigen- gewicht. Es versteht sich von selbst, daß auf diese Weise immer nur annähernd giltige Werte gefunden werden konnten, doch reichten die- selben für den gewünschten Zweck wohl völlig aus. Um zu bestimmen, wieviel Keime ungefähr diesem 1,3 mg wiegenden Impfmateriale ent- sprachen, wurde verschiedentlich der Inhalt der geaichten Oese in einer bekannten Menge sterilen Wassers aufgeschwemmt; von einer bekannten Verdünnung dieser Aufschwemmung wurden Platten gegossen und die Anzahl der auf ihnen wachsenden Kolonieen — jede entsprechend einem Keime — festgestellt. Die Gesamtsumme der ausgesäten Bakterien — entsprechend 1,3 mg = 1 Oese — schwankte gemäß der relativen Grob- heit der Zählmethode; sie belief sich im Mittel auf 165 Millionen Keime. Da die zu den Versuchen benutzten weißen Mäuse im Durchschnitt 17 g wogen, so ließ sich mit annähernder Sicherheit feststellen, wieviel infizierende Keime für eine Gewichtseinheit des geimpften Tieres nötig war, um dieses zu töten. Die Ergebnisse der angestellten Impfversuche seien im Folgenden nun kurz geschildert. Zur besseren Uebersicht möge die beigefügte Tabelle dienen. 103 Babes-Ernst’sche Körperchen und Virulenz bei Bakterien. | ga] 9s9O / 'IXX Me ga] RO ""/; “AIX SUeW j fi | 1q07 90 /, XX men 1ao7 90 9; ‘TITX SUEN N ' 88, F we LO "h ‘XIX N 8sBL-z me Los %/, :TIX A ir 9qa] ‘0 "%ı "AIXX SUN Se, 'T we 4 0880 ""/ı ‘IIIAX Me ou 'g we d. 9Q "“, ‘IX EM oo. k h yqaı 90 "'h "TIIXX Ne BL 'z we 1 0880 "r 'TIAX a oe] 'z we 4 000 "ı ‘X en BL 'z we. SO "h 'IAX FeM oe] 'z we L 990 "/ı ‘XI meM h Ä | eg we 4 08Q °ı ‘'AX me ou], 'z we. 08809 %ı ‘TITA nem | u \L'S et 'L Te '® 4 'L’C® 4.990 1 TIXX UeN OO TLAMEN LP ODOTTAMEN | OT AMEN "L’61R4WO ZAIMEM °L02'°4°O Z’IITSNEN R—ne, Be N | re ee L. ee Ta Er a ie Ze i 7979n293310J 88, 'F we .. ‘wWSO Z ‘I meW orvssedior], 9uyo) g wuwmIg (99FY9NZ93I107 Odessed.rı], Ydanp) Y wureIs :Zungduf ojeauogıaodwıyu] | :3ungduf ouvgnyqng — — m [III ILL "WOTONSIRAJÄWLITT, uop nz ofoqwgysgyarsaogeNn. mn a a ae Ds ce ee ee 4 eu Be a eh a a a u 2 Eu Ben 104 - C. I. Gauss, Die ersten Impfungen wurden, wie schon erwähnt, vorgenommen durch Einbringen von 2 Oesen Bakterienmaterials in das Unterhautzell- gewebe der Oberschwanzgegend. Maus I war am 4. Tage nach der Impfung gestorben; die im Herz- blute enthaltenen Bacillen hatten, wie auch die der zur Impfung ge- brauchten Kultur, keine Babes-Ernst’schen Körnchen. Von der durch Ausstrich des Herzblutes erzielten, typisch gewachsenen Pyocyaneus- Kultur, die ebenfalls keine Babes-Ernst’schen Körnchen aufwies, wurde Maus II geimpft; dieselbe starb am 3. Tage und ergab denselben bakteriologischen Befund. Die mit der von ihr angelegten Kultur ge- impften Mäuse III, IV und V ließen länger warten; sie starben am 20., 19. und 24. Tage nach der Impfung mit positivem Pyocyaneus-, aber negativem Babes-Ernst’schen Körperchenbefunde. Diese Ver- zögerung der Wirkung glaubte ich als eine Folge der unzweckmäßigen Impfmethode ansehen zu müssen, insofern an der kleinen Schnittwunde der Impfstelle eine eiterige Entzündung (Pyocyaneus +, Babes- Ernst’sche Körperchen —) eintrat und der Organismus sich zugleich mit dem Wundsekrete mit Wahrscheinlichkeit auch eines Teiles der in- vadierenden Bakterien entledigte. Daher wurden von einer aus Maus II stammenden Subkultur nochmals 2 Mäusen, Maus VI und VII, eine Platinöse Bakterienmaterial als Peptonwasseraufschwem- mung intraperitoneal injiziert. Beide starben am 2. Tage; Pyocya- neus-+, Babes-Ernst’sche Körperchen —. Um bei der Fortsetzung der Versuche einen Anhalt für das Maß der erreichten Virulenzsteige- rung zu haben, wurde nunmehr die oben erwähnte geaichte Platinöse gebraucht. Um ferner Vergleiche ziehen zu können zwischen dem Ab- laufe der Infektion bei verschiedenen Impfmethoden, so wurde die Bak- terienaufschwemmung den Tieren der einen Versuchsreihe intraperitoneal, denen einer anderen subkutan injiziert. Ich will mit den subkutan geimpften Tieren beginnen. Maus VIII starb an 0,65 mg den 2. Tag, Maus IX an 0,325 mg den 2. Tag, Maus X an 0,163 mg den 2. Tag, Maus XI an 0,065 mg den 3. Tag, Maus XII an 0,026 mg den 2. Tag; Maus XIII, mit 0,013 mg geimpft, blieb am Leben, ebenfalls die zur Kontrolle mit derselben Menge ge- impfte Maus XIV. Bei sämtlichen obduzierten Mäusen wurden im Herzblute zahlreiche Pyocyaneus-Bacillen gefunden, die jedoch — wie auch die aus dem Herzblute angelegten Kulturen — keine Babes- Ernst’schen Körperchen besaßen. Aehnliche, nur wenig andere Resultate erzielte ich bei den intra- peritoneal geimpften Tieren. Maus XV starb an 0,65 mg den 3. Tag, Maus XVI an 0,325 mg den 2. Tag, Maus XVII an 0,163 mg den 2. Tag, Maus XVIII an 0,081 mg den 1. Tag, Maus XIX an 0,026 mg den 4. Tag; Maus XX, mit 0,013 mg geimpft, blieb, wie auch die Kon- trollmaus XXI, am Leben. Der bakteriologische Befund war bei der intraperitonealen Injektion genau derselbe, wie bei den subkutan ge- impften Tieren. Zum Vergleiche wurde nunmehr noch ein Pyocyaneus-Stamm auf seine Virulenz geprüft, welcher derselben Herkunft wie der bisher benutzte, aber lediglich auf Agarnährböden fortgezüchtet war. Maus XXI, XXII und XXIV wurden mit 1,3, 0,13 und 0,026 mg davon intraperitoneal geimpft. Maus XXII starb am 5. Tage; es fanden sich u I 00 02 Se Pr" Pi Babes-Ernst’sche Körperchen und Virulenz bei Bakterien. 105 im Herzblute Pyocyaneus-Stäbcehen ohne Babes-Ernst’sche Körperchen. Maus XXIII und XXIV blieben leben, nachdem sie einige Tage offenbar krank gewesen waren. Die hier cefundene Virulenz kam also der anfänglichen, bei Maus I beobachteten” ungefähr gleich, indem 1,3 mg tödlich wirkte, die Einverleibung kleinerer Dosen jedoch resultat- los verlief. Damit waren die Versuche nach verschiedenen Richtungen hin als abgeschlossen zu betrachten. Es hatte sich ergeben, daß der Bacillus pyocyaneus durch fortgesetzte Tierpassage erheblich in seiner Virulenz gekräftigt werden kann und zwar bis zu einer oberen Grenze, wo 0,0015 mg des Bakterien- materials — entsprechend etwa 3300000 Keimen — genügt, um 1 g des Mäusekörpers abzutöten; weniger als 0,0015 mg auf 1 g des Tier- körpers gerechnet erwies sich als nicht genügend zu erfolgreicher, mit dem Tode des Versuchstieres endender Infektion. Es wurden annähernd dieselben Werte bei der subkutanen wie bei der intraperitonealen Impfung gefunden, nur schien die intraperitoneale Einverleibung des Bakteriengiftes um ein Geringes prompter zu wirken. Andererseits zeigte der ohne Tierpassage fortgezüchtete Pyocya- neus-Stamm auch eine beschränkte, ungefähr der anfänglich beobach- teten entsprechende Virulenz, bei der 0,076 mg Bakterienmaterials fähig _ war, 1 g des tierischen Körpers zu vernichten, während kleinere Dosen in der Wirkung versagten. | Was nun endlich die versuchte Anzüchtung von Babes-Ernst- _ schen Körperchen anbetrifft, so hat sich der anfängliche Skeptieismus als berechtigt erwiesen. Trotz fortgesetzt gesteigerter. maximaler Viru- lenz fehlte den infizierenden Individuen jede Andeutung von Babes- _ Ernst’schen Körperchen und zwar sowohl in den dem Herzblute als _ auch den verschiedenen Nährböden entnommenen Präparaten, sowohl den nach Neisser als auch den nach Piorkowski gefärbten Aus- strichen. Damit fällt die in Form eines biologischen Gesetzes gefaßte Ver- allgemeinerung der Marx-Woithe’schen Versuchsresultate Und mit jeder in die Mauer ihrer Behauptungen geschlagenen Bresche gerät doch das ganze Bauwerk erheblich ins Wanken. Sobald es Ausnahmen von der als strikt hingestellten Regel giebt — Ascoli’s, Krom- pecher’s und Verf.’s Resultate sprechen gegen dieselbe — kann an _ eine Verwertung der Babes-Ernst’schen Körperchen auf bakteriologi- schem und klinischem Gebiete in dem Marx-Woithe’schen Sinne nicht gedacht werden. Die Theorieen Marx’ und Woithe’s mögen sich unter gewissen, noch nicht näher bekannten Bedingungen bei ge- _ wissen Bakterienarten praktisch bewahrheiten — eine Verallgemeine- rung in der Form eines Naturgesetzes ist vorläufig unberechtigt und _ unhaltbar. Im übrigen spielen die in ihrem Werte schwankenden Fak- toren der Immunität und Disposition des infizierten Organismus sowie die Menge der eingeimpften Bakterien eine viel zu gewichtige Rolle in der Beurteilung eines Krankheitsbildes nnd -verlaufes, als daß man sie, allein vertrauend auf die Marx-Woithe’sche Methode der Virulenz- bestimmung, vernachlässigen könnte. E Doch steht zu hoffen, daß bei dem Fortschreiten einer wissenschaft- lichen Deutung unserer färbetechnischen Erfahrungen — ich erinnere Erste Abt. XXXI. Bd. — 8 Zu ur Bel 2 u 2 0 Zu a 106 G. 5 Gauss, an das Buch von Pappenheim — bei der verfeinerten Färbemethodik und bei dem wachsenden Interesse für die feinere Bakterienstruktur das Rätsel der Babes-Ernst’schen Körperchen in absehbarer Zeit gelöst werde; ob damit etwas für die praktische Medizin gewonnen sein wird, muß die Zukunft lehren. Zum Schlusse seien noch kurz einige nach Beendigung obiger Ver- suche (im März 1901) gemachte Beobachtungen erwähnt. Ich fand, daß sich der Körnchengehalt des schon obengenannten, dem hygienischen Institute Göttingen entstammenden Trommelschlägel- bacillus willkürlich durch Aenderung des Säure- und Alkaligehaltes seiner Nährböden beeinflussen ließ. Die im übrigen ganz gleich be- reiteten Nährböden wurden mit ungleichen Mengen von Alkali bezw. Säure versetzt und dann mit demselben Bakterienstamm unter gleichen Bedingungen beschickt und bebrütet. Das Ergebnis der an den ver- schiedenen Nährböden angestellten vergleichenden Untersuchungen war bemerkenswert: Einige dieser Nährböden zeigten mit einer gewissen Regelmäßigkeit besonders günstige Bedingungen für die Körnchen- bildung; auf ihnen kamen Bakterienstämme mit schönen und reichlichen Babes-Ernst’schen Körperchen zur Beobachtung. Anderen, gleich- alterigen Kulturen fehlten dagegen die Körnchen bei sonst gleicher Wachstumsenergie gänzlich. Ferner konnte ich auf diese Weise gleichfalls die Form der Ba- cillen wie auch ihrer Körnchen beeinflussen: Die verschiedenen Nähr- böden erzeugten unter sonst ganz gleichen Bedingungon teils schlanke, teils plumpe Stäbchen, teils deutliche kleine, teils mehr verschwommene, große Körnchen. Das Auftreten der Körnchen auf den geeignet er- scheinenden Nährböden war deutlich an relätiv enge, zeitliche Grenzen gebunden. Um auszuschließen, daß auf den für die Körnchenbildung als un- günstig angesehenen Nährböden die Körnchen etwa doch und zwar unerwartet früh oder spät aufträten, nahm ich die Untersuchungen gleichmäßig zu verschiedenen Zeiten nach der Aussaat bei allen Stämmen vor. Man könnte vielleicht auf dem hier angedeuteten Wege dem Ziele — i. e. der Frage von Herkunft und Bedeutung der Babes-Ernst- schen Körperchen dieser speziellen Bakterienart — näher kommen. Ob man die dabei erhobenen Befunde auf die Biologie aller Bakterien ver- allgemeinern dürfte, würde allein durch exakte Einzelprüfung bei allen in Betracht kommenden Bakterien festzustellen sein. Leider war es mir nicht möglich, meine groben Tastversuche nach der angegebenen Richtung hin fortzusetzen und auszubauen. u ee ee ee ee De u en Litteratur. Auckenthaler, Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XXIII. Ascoli, Dtsch. med. Wochenschr. 1901. No. 20. Babes, Zeitschr. f. Hyg. Bd. V. — —, Ibid. Bd. XX. Boström, Hygienekongreß London 1892. Bütschli, Ueber den Bau der Bakterien etc. Leipzig 18%. Bunge, Fortschr. d. Med. Bd. XIII. Buttersack, Arb. a. d. kais. Ges.-A. Bd. VIII. 183. Coppen-Jones, citiert nach Babes, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XX. Ernst, Zeitschr. f. Hyg. Bd. II. u. U - rv ii. . y E - Babes-Ernst’sche Körperchen und Virulenz bei Bakterien. 107 Ernst, Ibid. Bd. IV. — —, Ibid. Bd. V. Feinberg, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XVII. Fischer u. Brebeck, Zur Morphologie, Biologie und Systematik der Kahmpilze etc. Jena 1894. Fraenkel, ©., Dtsch. med. Wochenschr. 1897. p. 1087. Fraenkel u. Franke, Arch. f. Augenheilk. Bd. XVII. Golowkow, Dissert. Petersburg 1897 u. Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XXIV. Hueppe, Die Formen d. Bakt. 1886. Heinersdorf, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXIII. Jakowski, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XV. Klebs, Allg. Pathol. Bd. I. p. 76. Kossel, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XVI. Krompecher, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXX. Kurth, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXVIII. K Br De u. Neisser, Med. Wochenschr. 1894. No. 2 u. Breslauer ärztl. Zeitschr. | 3. No. 4. Ledderhose, Dtsch. Zeitschr. f. Chir. Bd. XX VIII. 1888. Marx u. Woithe, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXVII. © — —, Arch. £. klin. Chir. Bd. LXII. - Marx, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXVIII. — —, Ibid. Bd. XXIX. _—— —, Ibid. Bd. XXV. — —, Dtsch. med. Wochenschr. 1900. No. 38. Nakanishi, Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 6. — —, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXX. Neisser, A., Zeitschr. f. Hyg. Bd. IV. Neisser, M., Ibid. Bd. XXIV. Nocht, Uentralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXV. Pappenheim, Grundriß der Farbehemie zum Gebrauch bei mikroskopischen Arbeiten. Berlin 1901. | Piorkowski, Allgem. med. Centralztg. 1901. No. 2. Preisich, Jahrbücher f. Kinderheilk. Bd. XLXIII. Raum, Zeitschr. f. Hyg. Bd. X. Reichenbach, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. XXXVIII. 1899. Heft 4, 5, 6. Romanowski, Zur Frage der Parasitologie etc. 1891. Rosin, Berl. klin. Wochenschr. 1899. No. 12. Roux et Yersin, Ann. de /’Inst. Pasteur. 1890. Ruzicka, Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XXI. Schottelius, Ibid. Bd. IV. — —, Festschrift für Kölliker. 1887. Serkowsky, Eshenedelnik. No. 33. (Baumgarten’s Jahresbericht. 1899. II.) Sjöbring, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XI. Slawyk u. Manicatide, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXIX. Spronck, Semaine medicale. 1896. p. 317. Trambusti u. Galeotti, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XI. Trumpp, Ibid. Bd. XX. Zettnow, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXX. Ziemann, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXIV. 108 Hugo Marx, Einige Bemerkungen zu Krompecher’s Arbeit ete. Nachdruck verboten. Einige Bemerkungen zu Krompechers Arbeit über metachromatische Körnehen und Babes-Ernst'sche Körperchen in No. 10 und 11 dieses Bandes. Von Dr. Hugo Marx. Krompecher beschäftigt sich in seiner Arbeit mit der von mir und Woithe!) vertretenen Ansicht, daß der Virulenzgrad der Bakterien in einem direkten Verhältnis zur Zahl der Babes-Ernst’schen Körperchen stehe. Nachdem Krompecher auf p. 394 hervorgehoben hat, daß sich unsere Untersuchungen auf frisches, dem Menschen- bezw. Tierkörper entstammendes Infektionsmaterial beziehen, im Gegensatz zu seinen Untersuchungen, die sich nur mit Kulturmaterial befassen, Woithe und ich aber andererseits immer wieder betont haben, daß sich das von uns aufgestellte Gesetz nur auf nicht sporenbildende Arten erstreckt, ist es höchst erstaunlich, daß Krompecher sich in der siebenten seiner Schlußfolgerungen (p. 427) ' gegen unseren Satz wendet, indem er ihm eine allgemeine Gültigkeit abspricht, die wir nie und nirgends behauptet haben, gegen die wır, in gewissem Sinne, vielmehr selbst protestieren müssen. Ich mache Krompecher besonders aufmerksam auf unsere im Archiv für klinische Chirurgie. Bd. LXII Heft 3 erschienene Arbeit. Diese Entgegnung ist geschrieben worden, weil man gerade aus Krompecher’s „Schlußfolgerung 7“ die Ansicht gewinnen kann, als wolle er unseren Sätzen über das Verhältnis zwischen Virulenz und Babes-Ernst’schen Körperchen, die wir, wohlgemerkt, nur für sporenlose Arten aufgestellt haben, die Gültigkeit absprechen. Die Entdeckung Babes-Ernst’scher Körperchen bei sporen- bildenden Arten ist in hohem Grade interessant; indessen ist es doch fraglich, ob diese nur in Kulturen, nicht im Tierkörper an- zutreffenden Gebilde morphologisch und biologisch gleichwertig sind den Babes-Ernst’schen Körperchen der sporenlosen Arten. Lübbecke, im Oktober 1901. 1) Dieses Centralblatt. Bd. XXVIII, No. 1—5 und Arch. f. klin. Chirurgie. Bd. LXII. Heft 3. E. Friedberger, Ueber die Wirkungsweise anorganischer Salze etc. 109 Nachdruck verboten. Ueber die Wirkungsweise anorganischer Salze und organischer Krystalloide auf die Agglutination der Bakterien. Kritische Bemerkungen zu derin Bd. XXX. No. 23 erschienenen Erwiderung von Dr. A. Joos. [Aus dem hygienischen Institut der Universität Königsberg i. Pr. (Direktor Prof. Dr. R. Pfeiffer.)] Von Dr. E. Friedberger, Assistenten am Institute. In No. 23. Bd. XXX der vorliegenden Zeitschrift unterzieht Joos meine in Bd. XXX. No. 8 erschienene Arbeit „Ueber die Bedeutung anorganischer Salze und einiger organischer krystalloider Substanzen für die Agglutination der Bakterien“ einer Kritik. Die Ausführungen von Joos veranlassen mich zu der folgenden Erwiderung: Joos bemängelt zunächst den von mir angewandten Dialysator — Schleicher & Schüll — da dieser für Bakterien durchlässig sei. _ Wieweit diese Durchlässigkeit, selbst wenn sie vorhanden wäre, auf den ' Prozeß der Dialyse von irgend welchem schädigenden Einfluß sein soll, das ist unverständlich. Wenn ich das zur Dialyse benutzte Wasser in -Sublimatlösung abgeleitet habe, so hat mich dazu nicht, wie Joos meint, Eie von mir selbst erkannte „Mangelhaftigkeit des Apparates“ bestimmt; es war das eine Vorsichtsmaßregel, die beim Arbeiten mit hochvirulenten Cholerakulturen jedermann so selbstverständlich erscheinen muß, daß ich darüber kein Wort weiter zu verlieren brauche. Joos erkennt den Endpunkt der Dialyse nicht aus dem Fehlen von Salz in dem zur Dialyse benützten Wasser, sondern aus dem Fehlen des NaCl in der eingedampften Bakterienemulsion. Abgesehen davon, daß auch in der Asche von „einigen Kubikcentimetern“ Bakterien- 'emulsion letzte Spuren des Salzes der Beobachtung entgehen können, scheint mir dieser Streitpunkt irrelevant. Die Thatsache, daß die dialysierten Bakterien bei Zusatz überschüssiger Mengen dialysierten Serums in meinen Versuchen nicht im geringsten agglutiniert wurden, beweist, daß die Dialyse genügend lange durchgeführt worden war. Sofern die Ablesung unmittelbar nach der vollständigen Sedimen- tation erfolgte, konnte ich in sehr zahlreichen Versuchen nie eine Höhen- differenz der Niederschläge, abhängig von der Kochsalzmenge bemerken. Selbstverständlich wurden zu diesen Versuchen enge Röhrchen von gleichem Durchmesser benutzt. Die Schnelligkeit des Phänomens ist dagegen bei geringen Dosen der Kochsalzmenge gleich. Da der Niederschlag bei einer Agglutination nur aus den agglutinierten Bakterien und eventuell dem Präcipitin besteht, so muß er bei der gleichen Menge dieser Elemente das gleiche Volum haben; es ist gar nicht zu verstehen, wie dieses Volumina durch die minimalen Kochsalz- mengen alteriert werden sollen, die nach der Auffassung von Joos mit dem Bakterienleib sich chemisch verbinden. 3 i 110 E. Friedberger, Ueber die Wirkungsweise anorganischer Salze etc. Bei meinen Versuchen, in denen statt Kochsalz andere Substanzen zur Auslösung des Agglutinationsphänomens mit dialysierten Bakterien und dialysiertem Serum verwandt wurden, kam es mir vor allem darauf an, diese Möglichkeit zu demonstrieren und zu zeigen, daß alle diese Substanzen in der Intensität ihrer Wirkung sich verschieden verhalten. Da es außerhalb des Rahmens meiner früheren Arbeit lag, für jedes Salz den optimalen Konzentrationsgrad und die Grenzen der Wirkung zu ermitteln, wie es für das Kochsalz geschehen war, so kamen die Kry- stallwassermengen weniger in Betracht. Mir lag es bei diesen Versuchen vor allem daran, zu zeigen, wie unwahrscheinlich die chemische Bindung des NaCl sei, wo eine so große Reihe anderer Salze gegenüber derselben Bakterienart eine analoge Wirkung entfalteten. Diese Unwahrscheinlichkeit ist die gleiche, ob man nun für das Salz eine echte chemische Substitution oder eine Addition oder einen der Bildung eines Doppelsalzes analogen Prozeß annehmen will. Als Hauptargument gegen die chemische Hypothes von Joos habe ich aber an der betreffenden Stelle meiner Arbeit und an verschiedenen anderen Punkten die Thatsache hervorgehoben, daß es mir gelang, das Salz durch organische Substanzen zu ersetzen, von welchen nicht an- zunehmen ist, daß sie gleichwertig mit dem Eiweißmolekül an Stelle anorganischer Salze in eine chemische Reaktion eintreten. Auf diese Versuche geht Joos in seiner Erwiderung mit keinem Wort ein. Um zu beweisen, daß dialysierte Bakterien bei der Agglutination einer Salzlösung mehr Salz entziehen, als die gleiche Menge nicht in den Zustand der Agglutination übergeführter, hat Joos gleiche Filtrat- mengen derartiger Bakterienaufschwemmungen mit gleichen AgNO,- Mengen versetzt und aus dem verschiedenen Grad der Chlorsilberfällung Schlüsse gezogen. Wollte man mit einer derartigen approximativen Me- thode Differenzen erkennen, so mußte man von vornherein sehr ver- dünnte Salzlösungen verwenden. Anders liegen die Verhältnisse bei der von mir benutzten Titrations- methode. Hier ist die Genauigkeit der Bestimmung innerhalb weiter Grenzen unabhängig von dem Konzentrationsgrad der Lösung, so daß die höhere Konzentration der Salzlösung nicht die Zuverlässigkeit der Titrierung beeinträchtigt, wie Joos das meint. Der angebliche Nach- teil der geringeren Agglutinationskraft meines Serums wird durch die Verwendung größerer Mengen aufgehoben; natürlich muß man dabei im Kontrollversuch einen entsprechenden Serumzusatz machen. Es gelang mir, mit dieser Methode im Gegensatz Joos nicht eine stärkere Absorption von Kochsalz durch dialysierte Bakterien bei der Aggluti- nation nachzuweisen. Ich habe indessen die Möglichkeit keineswegs bestritten, daß nicht nachweisbare geringe Mengendifferenzen in der Aufnahmefähigkeit für NaCl (bei agglutinierten und nichtagglutinierten Bakterien) bestehen könnten, was aber noch keineswegs die Annahme einer chemischen Bindung fordert. i Eine Agglutination in salzfreier Lösung suchte Joos dadurch zu erreichen, daß er mit Kochsalz beladene Bakterien in dialysiertes Serum brachte, wo sie prompt agglutiniert wurden. Die filtrierte Flüssigkeit enthielt, wie Joos auf p. 861 seiner Erwiderung angiebt, „nicht die min- deste Spur von NaCl“, während er vorher p. 858 sagt, daß die filtrierte ar A. Rodella, Einige Bemerkungen zu dem Aufsatz von Dr. Cahn etc. 111 Flüssigkeit „gar kein NaCl oder doch nur eine unbedeutende Spur davon enthält“. Ich konnte stets im Filtrat Kochsalz nachweisen, obwohl auch ich durch reichlichen Zusatz dialysierten Serums eine schnelle Agglutination bewirkt hatte. Dies wird ja ohne weiteres verständlich, wenn man erwägt, daß das den Bakterien durch die Vorbehandlung anhaftende Kochsalz sofort in Lösung geht, ganz abgesehen von den Mengen, die auch bei der schnellsten Agglutination aus den Bakterienleibern austreten. Ob diese Mengen nicht an sich ausreichend wären, um die Asglutination dialysierter Bakterien zu bewirken, habe ich nicht näher untersucht; Joos leugnet es. Man muß aber erwägen, daß diese Kochsalzmengen, wenn sie schon nicht ausreichend sind, um dialysierte Bakterien zu agglutinieren, hier unter ganz anderen Bedingungen wirken, indem sie gegenüber reichlich mit Kochsalz beladenen Mikroorganismen in Aktion treten. Zum Schluß möchte ich erwähnen, daß auch Joos seine in der früheren Arbeit vorgebrachte Anschauung wesentlich modifiziert zu haben scheint; ich führe zum Beleg folgende Stelle aus den Joos’schen Ver- öffentlichungen an. In der ersten Publikation sagt er: „das NaCl tritt wahrhaftig in die yerbindung der a user nlen und agglutinierbaren Substanz ein.' In der Erwiderung auf meine Arbeit schreibt er dagegen: „Indem wir sagten, daß die Agglutinationserscheinung chemischer Ordnung sei, wollten wir nur das eine behaupten, daß die spezifischen Substanzen, indem sie unter Vorhandensein von Salz aufein- ander wirken, sich eng verbinden, ohne daß wir damit im voraus über den Mechanismus der Reaktion aburteilen wollten.“ Dort spricht er von einem Eintreten des Salzes in die Verbindung, ‚hier soll nur die Gegenwart des Salzes für die Verbindung der spezi- fischen Substanzen nötig sein. Königsberg i.Pr., 9. Jan. 1901. sum. 4 Nachdruck verboten. Einige Bemerkungen zu dem Aufsatz von Dr. Cahn „Ueber die nach Gram färbbaren Bacillen des »äuglings- | stuhles“. [Aus dem Hygiene-Institut der Universität Zürich.] | Von Dr. A, Rodella, Assistenten am Institute. In der vor kurzem in dieser Zeitschrift!) veröffentlichten Arbeit beschreibt Verf. neben dem Bacillus acidophilus Moro’s eine neue Art unter dem Namen Bacillus aörobius ramificatus. Die Veröffentlichung Cahn’s veranlaßt mich zu folgenden Bemerkungen: 1) Centralbl. f. Bakt. Bd. XXX. 1901. No. 19. 112 Inhalt. Cahn giebt an, daß ich gar nicht mit Reinkulturen gearbeitet habe. Dies beruht auf einem Mißverständnis. Ich habe die in meiner Arbeit !) beschriebenen Mikroorganismen isoliert und durch mehrere Genera- tionen hindurch weiter rein gezüchtet, betonte aber gleichzeitig, daß es mir nicht möglich war, die verschiedenen Kulturen zu identifizieren. Ich sprach vielmehr die Vermutung aus, daß die nach der von Finkel- stein angegebenen Methode isolierten Mikroorganismen verschiedenen Varietäten einer und derselben Art entsprechen. Ich habe es absichtlich unterlassen, die einzelnen Mikroorganismen mit Namen zu versehen, da mir deren morphologische und biologische Eigenschaften noch nicht genügend ergründet erschienen. In dieser Beziehung erachte ich auch die Angaben von Cahn als nicht er- schöpfend. Ich möchte ferner nochmals die Benennung „Bacillus acido- philus“ als nicht zutreffend, ja geradezu als unrichtig bezeichnen, da die in Frage kommenden Mikroorganismen besser in alkalisch als in sauer reagierenden Nährböden gedeihen und in ersteren längere Zeit lebensfähig bleiben. Die Essigbouillon dient nur zur Isolierung gegen- über wenig säurewiderstandsfähigen Arten. Ob das Vorkommen oder Fehlen von Verzweigungen in bestimmten Kulturen ein genügender Grund zur Aufstellung einer weiteren Gattung ist, möchte ich ebenfalls bezweifeln. Wir wissen heutzutage, daß bei vielen verzweigten Mikroorganismen, wie z. B. der Tuberkelbacillus, Aktinomykose, Diphtheriebacillus u. s. w. die Verzweigungen nicht in allen Kulturen nachweisbar sind. In einer demnächst in der Zeitschrift für Hygiene und In- fektionskrankheiten erscheinenden Arbeit habe ich die Resultate einiger Untersuchungen über anaörobe Bakterien im Säuglingsstuhle ° mitgeteilt. | | ZüTich, 7. Nov. 1901. 1) Ueber die sogenannten säureliebenden Bacillen im Säuglingsstuhle. (Centralbl. f. Bakt. Bd. XXIX. Abt. I. 1901. No. 18.) Inhalt. Marx, Hugo, Einige Bemerkungen zu Krompecher’s Arbeit über metachroma- tische Körnehen und Babes - Ernst’sche Körperchen, p. 107. Originalmitteilungen. Friedberger, E., Ueber die Wirkungs- weise anorganischer Salze und organi- scher Krystalloide auf die Agglutination der Bakterien, p. 108. Gauss, C. J., Babes - Ernst’sche Körper- chen und Virulenz bei Bakterien, p. 92. Herzog, H., Zur Tuberkulose im Kalt- blüterorganismus, p. 78. Klein, E., Ueber eine neue Species, zu der Gruppe der Bacillen der hämor- rhagischen Septikämie gehörig, Bacte- rium phasianicida, p. 76. Rodella, A., Einige Bemerkungen zu dem Aufsatz von Dr. Cahn „Ueber die nach Gram färbbaren Bacillen des Säuglings- stuhles“, p. 111. Schlagenhaufer, Friedrich, Osteomyeli- tis und Phlegmone erzeugt durch den Bacillus pneumoniae (Friedländer), p. 73. Stefansky, W. K., Ueber ein neues, Eiterung hervorrufendes, verzweigtes Bakterium, p. 86. | Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Fonle) in Jena. ee % CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXI Band. —- Jena, den 14. Februar Igo2. —— No. 4. Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. r Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ _ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Originai-Mitteilungen. Nachdruck verboten. Dr u Ueber das Verhalten des Bacterium coli commune (Escherich) zu gewissen Stickstoffsubstanzen und zu Stärke, [Aus dem chemischen Laboratorium der Universitäts-Kinderklinik in Graz (Vorstand: Prof. Th. Escherich).] Von Dr. med. Meinhard Pfaundler, Privatdoc. u. Assist. der Klinik. Wer sich über die biologischen Charaktere der zur Gruppe des B. coli zählenden Mikroorganismen unterrichten will, findet beim Studium der einschlägigen Litteratur manche elementare Frage noch unbeantwortet. Es muß dies überraschen, da die eigenartige Stellung, die das B. coli (nebst seinen Verwandten) als einziger obligater Darm- bewohner in der ganzen Säugerreihe einnimmt, vermuten läßt, daß ge- wisse, sehr kennenswerte biologische Eigentümlichkeiten dasselbe zu einer Art von Symbiose mit dem Organismus, zu einer für beide Teile Erste Abt. XXXI. Ba. 9 DE 1 TI a Da LU 114 Meinhard Pfaundler, fruchtbaren Wechselbeziehung besonders eignen (Escherich), somit gerade bei diesem Mikroben ein spezielles physiologisches Inter- esse neben dem systematischen hinsichtlich seiner Lebensbedingungen und -äußerungen vorliegt. Mit der Aufgabe betraut, das einschlägig vorliegende Material für ein neu erscheinendes bakteriologisches Handbuch darzulegen, empfand ich die besagten Lücken in erhöhtem Maße. Ich trachtete daher, durch einige vorläufig orientierende Versuche, deren Ergebnisse hier mitge- teilt seien, wenigstens zu weiterer Bearbeitung solcher Themen anzu- regen und zur Fragestellung auf diesem Gebiete beizutragen. I. Vermag Bacterium coli natives Eiweiß anzugreifen? B. coli verflüssigt bekanntlich beim Wachstume auf Gelatine den Nährboden nicht (oder wenigstens nur in dem Maße, als dem un- mittelbaren Nahrungsbedürfnisse der Kolonie entspricht); solche nicht verflüssigende Bakterien bilden nach Fermi kein auf Eiweiß wirkendes Ferment. Aus dem Verhalten des B. coli zu Casein und Pepton schließt man, daß dasselbe nur eine sehr beschränkte eiweißlösende Thätigkeit entfaltet (Ide); Fermi konnte Peptonisation von Eiweißkörpern durch B. coli nicht nachweisen. Aus alledem geht hervor, daß B. coli keinesfalls zu den „proteolytischen Bakterien“ im gewöhnlichen Sinne des Wortes zählt. Dennoch vermag es unter gewissen bedingungen aus Substanzen der Proteinreihe kleinere stickstoffhaltige Atomgruppen („Elementargruppen“ ?) abzuspalten. Den ersten bestimmten Hinweis darauf bot der Befund Kitasato’s, daß sich in Kulturen auf gewissen flüssigen Nährböden, welche sogenanntes „Pepton“ enthalten, Indol nach- weisen lasse. Dieser Befund wurde von allen späteren Autoren bestätigt und thatsächlich ist die Indolbildung auf solchen Substraten eines der meist kennzeichnenden Merkmale der Colikultur. Auch andere Bruch- stücke von Proteinsubstanzen, wie Skatol, Phenol, Schwefelwasserstofft, namentlich aber Ammoniak, wurden in Colikulturen nachgewiesen. Daß reine native Eiweißkörper unter Indol- und Ammoniakbildung zerlegt werden, findet sich zwar in der Litteratur da und dort ange- deutet; doch wurde anscheinend noch nicht versucht, den Nachweis dessen einwandsfrei zu führen ). Wenn, wie P&r& meint, die Anwesen- heit fremder peptonisierender Fermente unumgängliche Bedingung für das Auftreten von niederen Eiweiß-Abbauprodukten in eiweißhaltigen Colinährböden ist, so läßt dies auch eher vermuten, daß das intakte Eiweißmolekül von B. coli nicht angegriffen oder wenigstens nicht 1) Baginsky hat kurze Zeit nach Entdeckung des B. coli commune und des B. lactis aöärogenes im Säuglingsdarme durch Escherich die biologischen Eigenschaften der beiden Mikroben zum Gegenstande einer eingehenden, ergebnisreichen Forschung gemacht. Er fand, daß B. lactis aörogenes auf Wasser und auf anor- ganische Nährsalzlösungen verimpft, in welchen rohes Casein suspendiert worden war, zur Bildung von Phenol, Kresol und Tryptophan nicht führt, sondern abstirbt. Auf sterilisierter Milch wurde von B. lactis aärogenes kein Leuein, noch Tyrosin ge- bildet, doch konstatierte Baginsky bei der Bestimmung der Gesamteiweißkörper einen geringen (über die Versuchsfehler hinausreichenden? Verf.) Stickstoffverlust. Ueber B. coli fand ich bei ihm nur angegeben, daß es auf sterilisierter Milch kein Phenol noch Indol bildet. Zur Versuchsanordnung in Baginsky’s Arbeit wäre zu bemerken, daß gewisse Erfahrungen aus jüngerer Zeit allerdings weder das Üasein noch die Milch zu solchen Versuchen als geeignetes Material erscheinen lassen. Das Casein an sich widersteht, wie Bienstock fand, sogar der Putrifieus-Fäulnis unter allen Umständen und die Milch enthält den nach Seelig die proteolytische Zersetzung durch B. coli hemmenden Milchzucker. Pr Verhalten des Bact. coli comm. zu gewissen Stickstoffsubstanzen ete. 115 weiter zerlegt wird. Hierfür spricht wohl schon der Umstand, daß sich die Vegetation des Colibacillus und seiner Verwandten der eiweißzer- legenden Fäulnisflora gegenüber in gewissem Sinne antagonistisch ver- hält (Escherich, Baginsky, Bienstock). Ich versuchte also zunächst, B. coli auf dem Substrate eines nativen, völlig intakten, echten Eiweißkörpers zum Wachstume zu bringen. Hierbei entstehendes Indol oder Ammoniak sollte als Indikator für einen eventuell stattgehabten Abbau des Proteinmoleküls dienen. Da die Gewinnung einer dazu geeigneten, von Anfang an keimfreien Substanz vorraussichtlich Schwierigkeiten bereitet, eine nachträgliche Sterilisierung durch Desinficientien oder Temperaturerhöhung aber mög- licherweise schon eine vorbereitende Spaltung oder sonstige Modifikation herbeigeführt hätte, wählte ich Rinderblutserum als Nährboden, das ich durch Kaolinfiltration keimfrei gewann. | | Rinderblutserum enthält neben den Eiweißkörpern nur so geringe _ Mengen stickstoffhaltigen Materiales, daß von diesem füglich abgesehen werden konnte (höchstens etwa 2 Proz. des G@esamtstickstoffes im Rinder- blutserum entfällt auf Harnstoff- und Ammoniakstickstoff). Der zu allen Versuchen ausschließlich verwendete Colistamm wurde aus dem Stuhle eines gesunden, künstlich genährten Säuglings frisch gezüchtet und durch die entscheidenden morphologischen und kultu- rellen Merkmale als typischer Colistamm im Sinne Escherich’s identifiziert (Gasbildung und Säuerung auf Milch und Traubenzuckeragar, Indolbildung auf Peptonwasser, charakteristische Kartoffelkultur etec.). 1. Versuch. Ca. 2—5-proz. sterile Lösung von frischem Rinder- blutserum in Brunnenwasser wird in Kulturröhrchen verteilt, mit B. coli geimpft und im Brütschranke aufbewahrt. Nach wenigen Tagen ist eine schwache, gleichmäßige Trübung der Flüssigkeit entstanden; es haben sich überdies kleine, kaum '!/, mm im Durchmesser haltende, runde _Knöllehen gebildet, welche sich namentlich an der Oberfläche sammeln und die nach dem Ergebnisse der Untersuchung im Ausstrichpräparate aus agglomerierten Massen (Keimcentren) zumeist schlecht färbbarer "Bakterien bestehen. In weiteren 14 Tagen tritt keine wesentliche - Aenderung im Aussehen der Kultur ein. Zu keinem Zeitpunkte läßt sich in der Flüssigkeit Ammoniak oder Indol nachweisen. Die Reaktion bleibt unverändert neutral. Um die vielleicht unzureichenden qualitativen Proben auf Ammoniak durch quantitative Bestimmungen ersetzen zu können, wird folgender Versuch ausgeführt. 2. Versuch. Der Inhalt eines in gleicher Weise beschickten Röhr- chens enthält pro 100 cem 50,40 mg Stickstoff. 10 Tage nach der Impfung wird behufs Entfernung eventuell gebildeten Ammoniaks mit ein paar Tropfen reiner, starker Lauge alkalische Reaktion hergestellt „und durch die auf 35° C erwärmte Flüssigkeit !/, Stunde lang ein "Strom gewaschener Luft geleitet. Wiederherstellung des ursprünglichen - Volumens. 100 ccm enthalten 51,10 mg Stickstoff. Die Differenz der beiden gefundenen Werte liegt innerhalb der Fehlergrenzen der Be- ‚stimmung (Differenz der Originalwerte 0,05 cem n/, , Säure). Man könnte gegen diese Versuche den Einwand erheben, daß das Eiweiß nur deshalb verschont blieb, weil eine üppige Entwickelung der eingesäeten Keime nicht zustande kam, und hierfür als Grund an- ‚führen, daß das Serum baktericide Eigenschaften besitze oder daß das- ‚selbe überhaupt keinen geeigneten Nährboden für Mikroorganismen | re 116 Meinhard Pfaundler, darstelle. Die baktericide Fähigkeit kann aber bei so hochgradiger Ver- dünnung wohl kaum zur Wirksamkeit gelangen und auch der zweite Einwand scheint mir prinzipiell ungerechtfertigt. In der mangelhaften Entwickelung der Bakterien sehe ich eher einen Ausdruck der Unan- greifbarkeit des Substrates, als umgekehrt in letzterer eine Folge der ersteren. Wäre das native Eiweiß angreifbar, so würde die Lösung voraussichtlich einen durchaus geeigneten Nährboden darstellen, da sich peptisch oder tryptisch angedautes Serum, ja auch bloß durch Erhitzung koaguliertes (und oberflächlich gespaltenes?) Serumeiweiß zur Züchtung von Colibacillen erfahrungsgemäß eignet !). Trotzdem trachtete ich solchen Einsprüchen durch Modifikation der Versuchsbedingungen gerecht zu werden. Ich fügte der Serumlösung gewissermaßen als Anlockungsmittel für den intensiv vergärenden Mi- kroben Milchzucker hinzu. Man weiß zwar, daß der Milchzucker die „Eiweiß-“, nämlich die Peptonzersetzung, durch B. coli hemmt (Seelig u. A.), indem er bei gleichzeitiger Anwesenheit neben den Protein- substanzen zunächst ausschließlich als Angriffsobjekt dient, daß aber, wenn der Zucker erst vergoren ist und die dabei gebildete Säuremenge nicht an sich eine Schädigung der Vegetation herbeigeführt hat, eine um so energischere Proteolyse Platz greift. Auch wurde in den weiteren - Versuchen die Einwirkungsdauer verlängert. 3. Versuch. 5-proz. Rinderblutserumlösung in Brunnenwasser mit 0,75-proz. Laktose und etwas Lacmoid wird nach der Filtration durch Porzellanerde (wobei sich der Eiweißgehalt vermindert) mit B. coli geimpft und durch 67 Tage in einem verschlossenen Kolben im Brüt- schranke gehalten (31. August bis 6. November). Die Reaktion der mäßig getrübten Flüssigkeit ist nach dieser Zeit eine schwach sauere; eine Bläuung des Indikators war niemals aufgetreten. Es betrug der Gesamtstickstoffgehalt in 100 ccm der Flüssigkeit am 31. August 8,99 mg 6. November 8,96 der Gehalt an Stickstoff, der durch Destillation mit Kalkmilch im Vakuum (bei 35° C) in Form von Ammoniak austreibbar war, am 31. August 0,56 mg 6. November 0,52 Füchtige, stickstoffhaltige Basen waren mithin auch in diesem Versuche nicht gebildet worden. Von dem Gedanken ausgehend, daß in dem letztgenannten Ver- suche vielleicht die mangelhafte Lüftung das Wachstum der Bakterien und den Eiweißabbau behindern konnte, führte ich einen analogen Ver- such, aber mit täglicher Aöration in folgender Weise durch: 4. Versuch. 250 ccm einer 5-proz. Serumlösung in Brunnenwasser mit 0,75-proz. Laktose und je 1 Proz. NaCl und Na;,HP, werden durch 7 ein Chamberland-Filter in eine geräumige Wulff’sche Flasche gesaugt und nach mehrtägigem Stehen im Brütschranke (zur Kontrolle ” der Keimfreiheit) am 30. August mit einigen Oesen der Coliagarkultur 7 seimpft. Beide Flaschenhälse .werden mit Gummipfropfen versehen, durch deren Bohrungen verschieden lange Glasröhren luftdicht einge- fügt sind. Das eine Glasrohr reicht bis nahe an den Grund der Flasche, | 1) Man könnte ferner an die Hemmung proteolytischer Enzymwirkung denken, die frischem, unverdünntem Rinderblutserum zukommen soll. Ich fand aber, daß obiger Serumlösung zugefügtes Wittepepton von dem eingesäten Oolistamme rasch unter Indol- und Amoniakbildung zerlegt wird. an Be [4 m Verhalten des Bact. coli comm. zu gewissen Stickstoffsubstanzen etc. 117 das andere in deren Luftraum, beide sind mit bakteriendichten Baum- wollbäuschen gestopft. Durch das längere Rohr und die Kulturflüssig- keit wird anfangs täglich, später in größeren Intervallen je !/, Stunde lang ein mit Lauge und Säure gewaschener, getrockneter Luftstrom ge- sogen, der den Kolben durch das kürzere Rohr verläßt, einen Chlor- caleiumapparat zur Bestimmung des hierbei verlorenen Wassers und dann zwei mit bestimmter Menge n/,, Säure, bezw. n/,, Lauge be- schickte Vorlagen passiert. Nach jedesmaliger Lüftung wird aus dem Kolben unter möglichster Vermeidung jeglicher Infektionsgelegenheit !) eine bestimmte Probe (20 ccm) der vorher aufgeschüttelten Flüssigkeit behufs Bestimmung von Gesamt- und Ammoniakstickstoff entnommen und die in beiden Vorlagen durch übergegangenes flüchtiges Alkali, bezw. Säure neutralisierte Säuren-, bezw. Laugenmenge titrimetrisch ermittelt. Hierauf wird der Kolben in den Brütschrank zurückgebracht. Als beim ersten derart durchgeführten Versuche nach etwa 5 Wochen vom Kolbeninhalte Platten gegossen wurden, um die Reinheit der Kultur zu prüfen, zeigte sich, daß nebst den Colistäbchen in allerdings nur sehr geringer Menge ein fremder Mikrobe (größeres Stäbchen, vielleicht aus der Gruppe des B. mesentericus?) als Verunreinigung anwesend war. Das Protokoll dieses Versuches wird hier nicht mitgeteilt, sondern nur jenes eines zweiten, gleichzeitig und ganz ähnlich durchgeführten, gelungenen Versuches, in welchem die Kontrolle nach Beendigung aus- schließlich den verimpften Colistamm in der Flüssigkeit erkennen ließ. Die Flüssigkeit trübte sich bald ziemlich stark und es trat eine leichte Sedimentierung ein. Eine durch Blaufärbung erkennbare Re- aktionsveränderung in der ursprünglich gegen Lackmuslösung neutral reagierenden Flüssigkeit wurde zu keiner Zeit beobachtet. Die Stickstoff- und Ammoniakbestimmungen und die Titrationen in den beiden Vorlagen ergaben folgendes: | | nk De > ' 'Flüchtige Säure Flüchtiges Alkali ‚Gesamtstickstoff F SIT in der Laugen- in der Säuren- Datum ' Form von NH, ab- aa BENNE spaltbarer Stickstoff Ber Dres | mg auf 100 ccm der Flüssigkeit ccm »/,, Lösung I 30. August | 21,70 0,74 00 0,00 31. n 21,70 0,42 | 0,00 | 0,00 1. Septbr. | 20,44 1,54 0,21 | 0,00 , | 20,02 0,00 | 0,08 | 0,00 4. 3 20,58 | 0,98 | 0,13 | 0,00 8. 5 19,60 1,54 0,18 0,00 u, | 19,74 | 0,14 | | 5. Novbr. | 18,62 0,42 | 0,24 0,00 Summa | | 0,84 0,00 Am Ende des Versuches reagierte der Rest der Flüssigkeit schwach sauer (Lackmuslösung). Zucker und unverändertes Eiweiß waren nach- weisbar. Nach Koagulation des Eiweißes blieb im Filtrate die Biuret- probe negativ, desgleichen trat eine Rotfärbung auf Zusatz von Kalium- nitritlösung und Schwefelsäure nicht ein. Das Ergebnis dieses Versuches ist mithin folgendes: Der Gesamtstickstoffgehalt der Lösung (die geringe Eindickung derselben durch Wasserverluste bei der Aöration wurde bei der Be- 1) Sterile Pipette, Abbrühen des Flaschenverschlusses etc. 118 Meinhard Pfaundler, rechnung berücksichtigt) zeigt eine fortlaufende Verminderung, welche jedoch die Fehlergrenzen der Bestimmung kaum übersteigt und daher wohl außer Betracht gelassen werden kann!). Der Gehalt der Flüssigkeit an Ammoniak, bezw. in Form flüchtigen Alkalis leicht ab- spaltbaren Stickstoffe blieb ein sehr geringer und schwankt gleichfalls nur innerhalb der Fehlergrenzen der Bestimmung (ÖOriginalwerte 0,00 — 0,21 cem »/,, Säure). Flüchtige (stickstofffreie) Säuren wurden im weiteren Laufe der Bakterienentwickelung — offenbar aus dem Milch- zucker — in geringer Menge gebildet. Flüchtiges Alkali hingegen konnte in keiner Vorlage jemals nachgewiesen werden. Die im 3. und 5. Stabe der Tabelle enthaltenen Daten lehren, daß eine Bildung von Ammoniak auf unserem Nährboden nicht statthatte. Pepton und Indol konnten gleichfalls nicht nachgewiesen werden. Zum Vergleiche mit diesen Eiweißversuchen wurde in ähnlicher Weise ein Versuch gemacht, denselben Colistamm auf „pepton“-haltigem Nährboden zu züchten. 5. Versuch. 1-proz. wässerige Lösung von „Witte-Pepton“ mit l-proz. NaCl. Durch Erhitzen im Autoklaven ?) sterilisiert, mit B. coli geimpft, nach 8-wöchentlichem Aufenthalte im Brütschranke neuerdings untersucht. Gesamtstickstoff | Leicht abspaltbarer | | Stickstoff ?) KR mg in 100 ccm der Flüssigkeit In sterilisierten, nicht geimpften Nährböden 275,1 | 1,68 Nach 8-wöchentlichem Wachstume von B. coli | 281,7 | 15,33 Während hier also der Gesamtstickstoffgehalt annähernd unver- ändert blieb, stieg der Gehalt an leicht abspaltbarem Stickstoffe auf den nahezu 10-fachen Wert an. In der Kultur war reichlich Indol nach- weisbar. Ich schließe somit, im Hinblicke auf das Ergebnis der Versuche 1—4, daß unter den hier eingehaltenen Bedingungen und insofern die Bildung von Ammoniak und Indol einen zuverlässigen Indikator für zustandegekommenen Eiweißabbau darstellt, der angewandte ty- pische Stamm vonB.coli nichtimstandeist, einen solchen Abbau an den nativen Serumeiweißkörpern einzuleiten oder an diesen auch nur eine nachweisbare Lockerung im Gefüge des Eiweißmoleküls herbeizuführen. Die Stick- stoffsubstanzen des „Witte-Peptons“ (bekanntlich hauptsächlich ver- schiedene Albumosen) sind hingegen für B. coli (Versuch 5) wenigstens zum Teile angreifbar. 1) Nur der auffallend gleichmäßige Verlauf dieser Verminderung des Stickstoff- gehaltes könnte darauf hinweisen, daß es sich thatsächlich um einen geringen fort- dauernden Stickstoffverlust handelt, für den jedoch eine Erklärung aussteht (Ab- scheidung in elementarer Form, Denitrifikation?.. Schlossmann fand bekanntlich, daß B. coli (anaörob gezüchtet) aus „Eiweiß“ und Pepton freien Stickstoff in sehr be- trächtlicher Menge abspaltet. Er bezeichnet diesen Vorgang als „Nitrolyse“ und ver- gleicht ihn direkt mit der Stickstoffabspaltung aus Amiden durch Bromlauge. 2) Hierdurch wird bereits die Menge des durch Kalkmilch abspaltbaren Stick- en vermehrt, worauf bei den vergleichenden Bestimmungen Rücksicht genommen wurde. 3) Siehe oben. Po’ a u Verhalten des Bact. coli comm. zu gewissen Stickstoffsubstanzen etc. 119 Die proteolytische Wirksamkeit der Bakterien wird nach Fermi darauf zurückgeführt, daß jene Arten, welche eben Eiweiß zu lösen ver- mögen, bei ihrem Wachstume auf stickstoffhaltigem Substrate ein Fer- ment ausscheiden, das nach Art des Trypsins (in alkalischer Lösung) verdauend auf die Proteinsubstanzen wirkt. In Analogie dessen müßten wir nach dem Gesagten annehmen, daß das B. coli ein Ferment liefert, welches Peptone und Albumosen, nicht aber genuine Eiweißkörper ‘zu spalten vermag. Es scheint mir nun hier erwähnenswert, daß ein solches Ferment bereits bekannt ist, und zwar in dem von OÖ. Cohn- heim!) entdeckten „Erepsine“, das gerade nahe dem uns namentlich interessierenden Wirkungsbereiche des B. coli, nämlich in der Darm- wand verschiedener Säuger, seinen Sitz und Ursprung hat. Das von der Darmschleimhaut gebildete, auf genuines Eiweiß nicht einwirkende Fer- ment Cohnheim’s baut die resorbierten Albumosen und Peptone in der Darmwand zu niederen Spaltungsprodukten ab; darauf soll eben nach Cohnheim deren Verschwinden aus überlebendem Darme, das von anderen Autoren auf Restitution zu Eiweiß gedeutet wurde, beruhen. Daß dem Erepsine die Fähigkeit der Einwirkung auf genuines Ei- weiß abgeht, können wir teleologisch ebenso gut verstehen und zweck- mäßig finden, wie den Umstand, daß sich das Ferment des B. coli ähnlich verhält. Beide haben im Organismus einerseits keine Gelegen- heit, auf natives, unverändertes Nahrungseiweiß zu stoßen, sondern ihre Aufgabe ist es, die groben Trümmer des Eiweißmoleküls zu bearbeiten (die — wenigstens vom Pepsine — sicher nur träge weiter zerlegt werden), andererseits bietet ihr auf verdautes Eiweiß beschränktes An- griffsvermögen Gewähr für Schonung der arbeitsfähigen Körpergewebe. II. Woraus bildet B. coli auf Kartoffeln Ammoniak? Escherich pflegt bei Versuchen, ein coliartiges Darmbakterium zu identifizieren, die Kartoffelkultur auf Ammoniakbildung zu prüfen. Sehr häufig konnte er uns hierbei demonstrieren, daß um den mit Salz- säure befeuchteten Glasstab, den er in die Nähe einer etwa 2—3-tägigen Colikartoffelkultur brachte, dichte Salmiaknebel entstehen. Escherich findet, daß diese sonst wenig beachtete Reaktion besonders deutlich dann eintritt, wenn es sich um eine jener Abarten des B. coli handelt, die auf Kartoffeln einen mehr schmierigen, glänzenden, rotzigen Belag bilden. Doch geben auch durchaus typische Colistämme, wie z. B. der a 7 u a HE a zo IE EZ 4 in obigen und den folgenden Versuchen verwendete, die Reaktion in sehr ausgesprochenem Maße. Die Erscheinungsweise der Reaktion verleitet zu der Annahme, daß es sich um recht beträchtliche Ammoniakmengen handeln müsse und da das Substrat jenes Nährbodens, das überdies nur in den oberfläch- lichsten Schichten verändert wird, an stickstoffhaltigen Substanzen sehr arm ist, erschien es mir prüfenswert, woher wohl der Stickstoff dieses Ammoniaks stamme. A priori ließ sich nicht ausschließen, daß der ‚Stickstoff aus der umgebenden Atmosphäre assimiliert und in Form von Ammoniak wieder teilweise abgeschieden werde, wofür ja gewisse Ana- logieen aus der Biologie anderer Mikroben (stickstofffixierende Bakterien in den Wurzelknöllchen der Leguminosen) anzuführen wären. Nun liegt aber auf der Hand, daß, falls Colibacillen im Darminhalte auf stärkemehl- haltigen Nährböden wuchernd in gleicher Weise thätig wären, dies für 1) Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. XXXII. p. 451 ff. 120 Meinhard Pfaundler, den Stickstoffhaushalt des Organismus, für Stoffwechselforschungen etc. bedeutungsvoll sein könnte. Ich sagte mir, daß, falls mehr Stickstoff in Form von Ammoniak erschiene, als der gesamte Nährboden Stickstoff enthält, die Stickstoff- beschaffung aus atmosphärischer Quelle erwiesen wäre, und stellte folgende Versuche an. 6. Versuch. Ein aus 1-proz. Sodalösung und gekochten Kar- toffeln hergestellter dünnflüssiger, gleichmäßiger Brei wird sterilisiert und mit B. coli geimpft. Es soll die Ammoniakbildung quantitativ verfolgt werden, und zwar a) bei Luftabschluß, b) bei häufiger Lüftung. ad a) 20 ccm des infizierten Breies werden in einem sterilen Schäl- chen in einen geleerten, gereinigten Exsiccator mit hermetisch schließen- der Glocke gebracht. Unter dem Schälchen mit der Kultur steht (in ähnlicher Anordnung wie beim Schlösing’schen Verfahren zur Be- stimmung des Harnammoniaks) ein zweites Schälchen mit bestimmter Menge n/,, Säure. Der Exsiccator verbleibt derartig beschickt und verschlossen durch 35 Tage im Brütschranke. Als nach dieser Zeit die Colikultur auf dem Kartoffelbrei rein, ihre Reaktion sauer befunden wurde, wird der Gesamtstickstoff des Kartoffelbreies, dessen ehemaliger Wert in anderen Proben ermittelt ist, bestimmt und die Säure im zweiten Schälchen titriert. 20 ccm des Kartoffelbreies enthalten vor der Züchtung im Mittel 18,12 mg N 20 EB) ” ” nach ” ” ”„ ” 1 ) ” » Zur Herstellung neutraler Reaktion in dem mit 20,00 cem n/,, Säure beschickten Schälchen werden 19,59 cem n/,, Lauge benötigt. ad b) 20 ccm des gleichen Kartoffelbreies werden in einen Kolben mit Lüftungsvorrichtung gebracht mit B. coli geimpft und täglich acriert. Der durchgesaugte (vorher gewaschene) Luftstrom wird hinter dem Kolben durch eine Säurevorlage geleitet, wobei jedoch eine Neu- tralisation durch übergehendes Ammoniak niemals gefunden werden kann. Nach 5-wöchentlichem Stehen in der Wärme wird die Menge des aus der ganzen Breimasse durch Kalkmilch (Vakuum 35° C) in Form von Ammoniak entbindbaren Stickstoffes auf nur 1,04 mg be- stimmt. In diesen beiden Versuchen wurde also nur eine minimale Ammo- niakbildung erzielt, welcher Umstand mich bewog, B. coli auf Kar- toffelbrei in Kulturröhrchen zu züchten und die Ammoniakreaktion unter solchen Bedingungen zu prüfen. Auch hier entstanden nun keine Nebel oder kaum erkennbare, wogegen, auf die Oberfläche von Kartoffelstücken überimpft, derselbe Stamm eine sehr deutliche Reaktion lieferte. Es muß also die Breiform ungünstige Bedingungen für die Ammoniak- bildung bieten (kleinere Oberfläche, hoher Wassergehalt?). Nun stellte ich Versuche wie 6b wiederholt an mit dem Unterschiede, daß an Stelle. des Kartoffelbreis fein geschnittene Scheiben verwendet wurden, deren Impfung durch Imprägnierung mit Bakterienemulsion geschah. Der Gesamtstickstoffgehalt des verwendeten Materials wurde in abgewogenen Proben aus derselben Frucht, der Gehalt an abspaltbarem Stickstoff durch Destillation mit Kalkmilch vor und nach erfolgter Züchtung, die in der Periode zwischen je 2 Aörationen freiwerdende Ammoniakmenge durch Titration in der Säurevorlage bestimmt. Das Ergebnis der ein- schlägigen Versuche (7a, b, c) ließ erkennen, daß die Ammoniakbildung Verhalten des Bact. coli comm. zu gewissen Stickstoffsubstanzen etec. 121 ceteris paribus um so reichlicher erfolgt, je trockener das Substrat ge- halten wurde. In einem Falle ging merkwürdigerweise die Kultur nach mehrtägigem Wachstume völlig ein, so daß die Kartofielscheiben später steril befunden wurden. Der (Geruch der Kulturen war stets ein aro- matisch-esterartiger. Die besäte Masse von je 20 g Kartoffelschnitten enthielt in dieser Versuchsreihe je 51,17 mg Gesamtstickstoff. Im Verlaufe von 4 bis 6 Wochen wurden in Summa 2,053—8,26 mg Stickstoff in Form von Ammoniak frei und schien dieAmmoniakbildung aufKosten der im Substrate enthaltenen Stickstoffträger vor sich zu gehen. Diese sind in der Kartoffel nebst löslichen und unlöslichen Eiweißkörpern und Peptonen (in Spuren) namentlich Amidosäuren und deren Amide (die beiden letzteren enthalten in Summa 35—56 Proz. des Gesamtstickstoffes). III. Bildet das B. coliaus dem Harnstoffe im Harn Ammoniumkarbonat? Die vorliegende Frage, deren praktisches Interesse namentlich mit Rücksicht auf die Rolle des B. coli bei Cystitiden auf der Hand liegt, wurde mehrfach bearbeitet, aber noch nicht einwandsfrei beantwortet. Von jüngeren Arbeiten, die über Versuche mit Züchtung des B. coli auf Harn berichten, kommt hier namentlich jene von Halle und Dissard in Betracht. In der neuesten Auflage von Neumann- Lehmann’s Handatlas ist auf eine eingehende, von Mann im Würz- burger Laboratorium angestellte Untersuchung verwiesen, doch steht die betreffende Mitteilung leider noch aus. | Halle und Dissard fanden (im Gegensatze zu früheren Autoren), daß B. coli der verschiedensten Provenienz auf keimfrei filtriertem, normalem Harne gut gedeihe und daß es den Harn bei seinem Wachs- tume durch Ueberführung von Harnstoff in kohlensaures Ammon alka- lisch mache. Der Reaktionsumschlag tritt je nach dem nativen Aciditäts- srade des Harnes früher oder später (bei Brüttemperatur in 2—30 Tagen) ein. Die durch B. coli zustande kommende ammoniakalische Harn- gärung erfolge langsam und führe niemals zur Zersetzung des ganzen anwesenden Harnstoffes, wodurch sie sich von der durch andere Mi- kroben erzeugten Harnstoffzersetzung unterscheide. Hall&@ und Dis- sard sprechen davon, daß neben dem Ammoniak auch „albuminoid e Körper“ gebildet werden, über die wir jedoch nicht mehr erfahren, als daß sie durch Phosphorwolframsäure fällbar sind. Die Methodik in Hall& und Dissard’s Versuchen ist — inso- weit die aphoristische Mitteilung der Protokolle ein Urteil gestattet -- nicht geeignet, die Thesen der Autoren hinreichend zu stützen. Halle und Dissard führen aus, es gäbe zwei Wege, die Verwandlung des Harnstoffes in Ammoniumkarbonat zu erweisen. Man könne einerseits die Verminderung des Harnstoffes, andererseits die Vermehrung des Ammoniaks konstatieren. Nur letzteres scheint ihnen einwandsfrei ge- lungen zu sein. Zu ersterem Zwecke bedienen sie sich der Stickstoff- bestimmung mit Hypobromitlauge nach Knop-Hüfner, welche, auf den normalen Harn angewandt, genügend annähernde Harnstoffwerte ergebe. Bei dem durch B. coli zersetzten Harne jedoch müsse man die gewonnenen Stickstoffwerte durch Subtraktion des leicht abspaltbaren _ Stickstoffes im Phosphorwolframsäure-Niederschlage und des Ammoniak- stickstoffes korrigieren. Hierbei wird also vom Ammoniakgehalte des 122 Meinhard Pfaundler, normalen, nativen Harnes völlig abgesehen ; was aber nebst der für die vorliegenden Zwecke nach meiner Erfahrung unzureichenden Genauig- keit der Hüfner’schen Bestimmungsmethode überhaupt noch mehr in die Wagschale fällt, ist, daß nach dem Vorgehen von Halle und Dis- sard der Ammoniakwert von dem Gesamtwerte des entbindbaren Stick- stoffes zweimal in Abzug gebracht wird, da die Phosphorwolframsäure (wenigstens die meist verwendeten der unter diesem Namen gehenden Präparate) das Ammoniak aus dem Harne fällt. (Auch kann dieselbe aus höher gestellten, unverdünnten Harnen einen Teil des Harnstoffes. fällen) Hall& und Dissard mußten also in dem zersetzten Harne zu wenig Harnstoff finden. | Aber selbst wenn sie nur den einfachen Ammoniakwert in Abzug gebracht hätten, ließe sich der berechtigte Einwand erheben, daß — da die Quelle der Ammoniakvermehrung erst zu erweisen ist — eine solche indirekte Harnstoffbestimmung hier nicht angängig ist. Die vermutete Harnstoffverminderung muß vielmehr unabhängig von einer even- tuellen Ammoniakvermehrung nachgewiesen werden. Hall& und Dissard wollen anscheinend den Harnstoffverlust auch auf dem Wege berechnen, daß sie in dem zersetzten Harne von dem Hüfner-Stickstoffwerte den bei Bestimmung des Harnstoffes als Nitrat gefundenen Wert abziehen. Für dieses Vorgehen fehlt mir jedes Ver- ständnis. Aus dem bloßen Befunde eines vermehrten Gehaltes an entbind- barem Stickstoffe im Phosphorwolframsäure-Niederschlage ist man nicht berechtigt, auf Bildung „albuminoider Substanzen“, also auf synthetische Prozesse zu schließen, zumal dann nicht, wenn Ammoniakvermehrung, die diesen Befund erklären kann, nachgewiesen ist. Der Stickstoff der Bakterienleibessubstanz kann in solchen Versuchen bei Hüfner-Be- stimmungen nicht zum Nachweise kommen. Meine Versuchsanordnung war die folgende. Etwa 11 frischen, sauren Harnes von einem gesunden Erwachsenen wird durch ein Chamberland-Filter in einen geräumigen Kolben ge- saugt und als nach 4-tägigem Stehen im Brütschranke eine bakterielle Zersetzung der Flüssigkeit nicht erkennbar wird, mit einer Oese Coli- agarkultur geimpft. Der Kolben steht von da ab noch 6 Wochen unter Luftabschluß im Brütschranke. Dabei bildet sich bald eine leichte Trü- bung, die später zunimmt und teilweise sedimentiert. Nach den 6 Wochen zeigt der Harn einen eigentümlichen [nicht fauligen !)] Ge- ruch (nach Oxyproteinsäure?), wie man ihn schon in frischen Proben wahrzunehmen pflegt, nur viel intensiver. Die Farbe ist deutlich ° dunkler, die Reaktion gegen Lackmuslösung alkalisch geworden. Am Boden hat sich ein winziger, krystallinischer Niederschlag gesammelt, der nach dem mikroskopischen Aussehen und mikrochemischen Verhalten aus harnsaurem Ammoniak und Tripelphosphat besteht. Dieser Nieder- schlag enthält 2,98 mg Stickstoff. (In Anbetracht dieses relativ mini- malen Stickstoffgehaltes wird von der Niederschlagsbildung beim Studium der Stickstoffverteilung abgesehen.) Plattenguß ergiebt das ausschließ- liche Wachstum des eingeimpften Colistammes. | Sowohl in Proben des unveränderten frischen Harnes, als auch in 1) In Halle’s und Dissard’s Versuchen war der Geruch „fötid“; dies könnte » nach bisher vorliegenden Erfahrungen einen Zweifel an der Reinheit ihrer Kulturen aufkommen lassen. ee Verhalten des Bact. coli comm. zu gewissen Sticksteffsubstanzen etc. 123 dem Filtrate der Kulturflüssigkeit wird in völlig analoger Weise die Stickstoffverteilung in ihren wichtigsten Posten bestimmt. Hierzu diente mir die Methode, welche ich in Prof. Hofmeister’s Laboratorium ausgearbeitet und in der Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. XXX. p. 75 ft. beschrieben und begründet habe. Ueberdies wird der durch Bromlauge austreibbare Stickstoff und das präformierte Ammoniak durch Destilla- tion im Vakuum bei 35° quantitativ ermittelt. | Das Ergebnis dieser Bestimmungen ist in den beiden folgenden Tabellen enthalten. Tabelle I. Originalwerte. ccm der in der Vorlage durch über- *, destillierttes Ammoniak neutralisierten n/,„Däure vor nach der Coli-Züchtung 1 Gesamtstickstoffbestimmung nach Kjeldahl; 28,32 . a 5 ccm Harn 28,13 N 28,23 27.93 N 28,03 Ammoniakbestimmung durch Destillation im 4,611 \ Vakuum mit Ca(OH),; natives NH, in 44] N 4,51 9770 f 9,71 20 ccm Harn i 3 Bestimmung der Stickstofffraktion „f,“, d. i. des durch Phosphorsäure abspaltbaren Stick- 38,70 \ ag74 38,18 | ag 46 stoffes im Phosphorwolframsäure-Filtrate; 38,18 4,7, 38,73 : 40 ccm Filtrat = 8 ccm Harn Bestimmung der Stickstofffraktion „F=f, + “ d.i. des Gesamtstickstoffes im Phos- 20,05 20.05 19,82 19.88 phorwolframsäure-Filtrate; 20 ccm Filtrat 20,05 N - 19,94 l = 4 ccm Harn Tabelle II. Berechnete Werte. ı mg Stickstoff auf 100 cem | Prozent des Ge- Harn samt-N | DI ET vor nach k - vor nach Züchtung Züchtung Bern Züchtung |Züchtung - Gesamtstickstoff 793,3 787,6 77520000 7 200,00 Stickstoff des präformierten Ammo- | jaks 31,68 68,21 | + 36,53 3,99 8,66 B ni Stickstoff der Fraktion „f,“ [Harn- stoff‘)-N] ; 675,5 — 4,9 85,77 85,77 Stickstoff der Fraktion „f,“ (Amido- säuren-N) 23,8 22,8 — 10 3,01 2,89 Aus den Daten der letzteren Tabelle ergiebt sich Folgendes: Der Gehalt des Harnes an Gesamtstickstoff, an Harnstoffstickstoff und Amido- säurestickstoff blieb während des Wachstums der Kolonie fast völlig unverändert. Die sehr geringen Differenzen der hierfür berechneten Werte erklären sich durch unvermeidliche Bestimmungsfehler (0,56 bis 1) In diese Fraktion fällt nebst dem Stickstoffe des Harnstoffes nach meiner Aus- g a. a. O. auch jener des Allantoins, der Oxalursäure und allenfalls ein Teil des Kreatinin- (nicht „Kreatin“-)stickstoffes. In Anbetracht der relativ sehr geringen Eengen, welche von den letztgenannten Körpern in Frage kommen, wurde von ihnen jedoch im weiteren abgesehen. 1 124 Meinhard Pfaundler, 0,385 Proz. Fehlergröße bei den Originalwerten). Hingegen vermehrte sich, wie nach der stattgehabten Reaktionsänderung schon erwartet werden konnte, und wie auch Hall& und Dissard gefunden hatten, die Menge des durch Kalkmilch als Ammoniak abspaltbaren Stickstoffes auf mehr als das Doppelte. Demnach würde es sich anscheinend also um eine Ammoniakvermehrung ohne Harnstoffverminde- rung handeln; es müßte angenommen werden, daß das neugebildete Ammoniak aus einer anderen Quelle stammt, als aus dem Harnstoffe, und da eine Vermehrung des Gesamtstickstoffes nicht zustande kam, müßte diese Quelle wohl in einer anderen Stickstoffsubstanz des Harnes gesucht werden. Nach allem, was bisher einschlägig bekannt wurde, ist es höchst unwahrscheinlich, daß bei Anwesenheit des labilen Harnstoffes nur andere, sonst ungleich fester gefügte Stickstoftkomplexe gelöst werden sollen. Ich versuchte daher, den durch gut stimmende Analysenzahlen belegten Befund anders zu deuten. 1) Es wäre denkbar, daß der Harnstoff durch das B. coli teilweise in einen (Amid-?)Körper übergeführt wird, welcher zwar durch Phos- phorwolframsäure noch nicht fällbar (wie Harnstoff in geringer Kon- zentration), aber durch Kalkmilch unter den angegebenen Bedingungen schon zerlegbar ist (also wie das Ammoniak und als solches bei der Kalkmilchdestillation übergeht). In diesem Falle müßte der dieser Sub- stanz angehörende Stickstoff sowohl bei der angewandten Harnstoff- bestimmung, als bei der Ammoniakbestimmung in Rechnung kommen; es könnte somit Ammoniakvermehrung bei unveränderten Harnstoft- und Gesamtstickstoffwerten vorgetäuscht werden. Gegen diese Auffassung spricht jedoch der Umstand, daß in dem Phosphorwolframsäure-Filtrate beträchtliche Mengen einer durch Kalk- milch als Ammoniak austreibbaren Stickstoffsubstanz nicht nachweisbar waren. Der Versuch, durch Zersetzung des Harnes mit Bromlauge nach Knop-Hüfner in Erfahrung zu bringen, ob die Gesamtmenge des leicht abspaltbaren Stickstoffes durch Einwirkung des Mikroben ver- mehrt wurde, scheiterte leider daran, daß die Fehlergrenzen bei der betreffenden Bestimmung zu weite, die erhaltenen Werte zu wenig über- einstimmende sind). Die Mehrzahl der Hüfner-Bestimmungen ergab jedoch eine deutliche Vermehrung des leicht abspaltbaren Stickstoffes, wie sie mit der ersterwähnten, an sich unwahrscheinlichen, oder mit der folgenden Annahme vereinbar wäre. 2) Es wäre denkbar, daß gewisse Harnstoffmengen zu kohlensaurem Ammoniak zerlegt und gleichzeitig annähernd entsprechende Mengen anderen stickstoffhaltigen Materiales in Harnstoff oder aber in eine bei der angewandten Methode in der Harnstofffraktion erscheinende Form umgewandelt wurden. Die Entscheidung der vorgelegten Frage muß wohl weiteren For- schungen, denen ich mich gelegentlich noch zu widmen gedenke, vorbe- halten bleiben. Im Gegensatze zu früher vertretenen Ansichten scheint mir aber heute schon festgestellt zu sein, daß die „ammoniakalische 1) Der Grund hierfür scheint mir namentlich darin gelegen, daß — wenigstens in meinen Versuchen — das Volumen des Stickstoffes im Eudiometer noch mehrere Stunden nach anscheinend vollendeter Zersetzung des Harns fortdauernd, wenn auch nur langsam zunimmt, die abgelesene Menge somit auch eine Funktion der seit begon- nener Zersetzung abgelaufenen Zeit ist. FR I. — A ee > Zn te a A re re denn a I ee 7 z Verhalten des Bact. coli comm. zu gewissen Stickstoffsubstanzen ete. 125 Gärung“ des Harnes durch B. coli nicht dem einfachsten Schema der Umwandlung von Harnstoff in kohlensaures Ammon folgt. IV. Wird Stärke von Bacterium coli angegriffen? Was mir aus der einschlägigen Litteratur hierüber bekannt wurde, ist kurz folgendes. Eine diastasierende Wirkung, sei es durch unmittelbare Aktion des Mikroben, sei es durch Ausscheidung einer Amylase, hat weder auf reinen Stärkekleisternährböden noch auf stärkehaltigen Substraten mit Nährsalzen und Peptonen statt. Dies wurde unter aöroben und anaöroben Versuchsbedingungen vor langem von Baginsky konstatiert und in jüngster Zeit von Moro bestätigt gefunden. Auch Deeleman sah durch (atypische) Colistämme auf Peptonwasser-Stärkekleisterkulturen eine Hydratation des Amylums nicht eintreten und Pregl kam bei der Prüfung der Darmbakterien des Schafes (unter welchen B. coli vertreten ist) auf diastatische Fähigkeit zu einem negativen Ergebnisse. Fermi’s Angabe, daß sein „Faecesbacillus“ — sogar auf stärke- freien Substraten — Amylase produziere, ist mangels genauerer Spezifi- zierung der Natur des Mikroben hier nicht verwertbar. Wenn somit eine Verzuckerung der Stärke durch B. coli nicht nachweisbar geworden war, so blieb doch die Frage noch offen, ob die Stärke dem Spaltpilze überhaupt unangreifbar ist. Das üppige Wachs- tum von B. coli auf stärkehaltigen Nährböden, z. B. Kartoffeln, legte a priori eher die Vermutung nahe, daß eine Amylolyse und Assimilation der Abbauprodukte statthat, sei es nun, daß träge fortschreitende Dia- stasierung zustande komme, aber die gebildeten Zucker sogleich weiter zerlegt werden, sei es, daß eine Zersetzung des Stärkemoleküles nach ganz anderem Typus vor sich gehe. Baginsky und Schlossmann neigen zu letzterer Annahme. Schlossmann fand, daß in !/,—1-proz. Lösungen verschiedener Stärke- und Mehlsorten in Koch ’scher Bouillon, auf denen B. coli anaörob gezüchtet wurde, eine lebhafte Zersetzung der Kohlehydrate zustande komme, derart, daß in 48—72 Stunden nur mehr ca. 61--87 Proz. der ursprünglichen Menge nachweisbar ist. Als regelmäßige Zersetzungsprodukte „dürften“ nach ihm Essigsäure, Diacet- essigsäure, Propionsäure, Bernsteinsäure, Aceton und Buttersäure zu be- zeichnen sein. Ich trachtete zur vorliegenden Frage durch aörobe und anaörobe Züchtung von B. coli auf Nährlösungen mit chemisch reiner lös- ner‘) Stärke beizutragen. Das Protokoll dieser Versuche ist fol- gendes. Es werden folgende Lösungen bereitet: A. Natrium chloratum 30 Natrium phosphoricum (Na;HPO,) 1,0 Ammonium lacticum (venale) 3,0 Asparaginum 2,0 Aqua destillata 500,0 B. Dasselbe mit annähernd 1-proz. Zusatz von löslicher Stärke ?). Ein kleiner, ungelöster Rest der Stärke wird nach 24-stün- digem Stehen in der Kälte durch Filtration (Berkefeld- Filter) entfernt. . 2) Ein von Merck bezogenes Präparat erwies sich für meine Zwecke als unge- eignet, da sich dasselbe bei Zimmertemperatur nicht klar löste (1 Proz.) und beträcht- 126 Meinhard Pfaundler, Die Lösung A bietet erfahrungsgemäß dem B. coli einen günstigen Nährboden. Daß dies auch für den angewandten Stamm zutrift, ergiebt ein Vorversuch (a&robe Züchtung). Der Stärkegehalt der Lösung B wird auf polarimetrischem Wege ermittelt. Die Lösung enthält nebst der Stärke noch andere, die Polarisationsebene drehende Bestandteile (milchsaures Ammon, Asparagin); es dienen daher zur Bestimmung der Stärkerotation folgende Ablesungen an einem Halbschatten-Apparat nach Laurent (Firma Reichert): Temperatur 20° G; Röhrenlänge 2,0 dm; Natriumflamme. Drehung der Polarisationsebene nach dem Mittel von je 10 Einstellungen: Lösung A Lösung B B—A (Stärkewirkung für sich) —+ 0,353 ° + 3,563 ° + 3,210° Hieraus berechnet sich unter Zugrundelegung des spezifischen Drehungs- wertes der angewandten Stärke («)» = + 191,50° ein Stärkegehalt der Lösung von 0,8381 Proz. Beide Lösungen werden in 3 Portionen zu je 150 ccm in gleich- förmige konische Kochkolben verteilt und an 2 aufeinander folgenden Tagen durch je 1-stündige Erhitzung bei Watteverschluß sterilisiert. Von den mit Lösung A gefüllten Kolben wird einer nach Abkühlung auf Brüttemperatur mit B. coli geimpft (Gelatinekultur) und zur aöroben Züchtung für 10 Tage in den Brütschrank gebracht, ein zweiter in gleicher Weise geimpft und 10 Tage lang zur anaöroben Züchtung hin- gestellt, der dritte zur Kontrolle des Einflusses der Sterilisierung auf die Zusammensetzung der Lösung verwendet. In gleicher Weise wird mit den die Lösung B enthaltenden 3 Kolben verfahren. Die polarimetrische Untersuchung der sterilisierten Lösungen (nach Ersatz des verdunsteten Wassers ausgeführt) ergiebt: Lösung A Lösung B B—A (Stärkewirkung für sich) + 0,366 ° —+ 3,536 ° + 3,170’ woraus sich in Lösung B ein Stärkegehalt von 0,8277 Proz. be- rechnet. Der, wie hieraus ersichtlich, minimalen Abnahme des Stärke- gehaltes durch die Erhitzung (um 0,0104 Proz.) entspricht das Auftreten von Spuren einer reduzierenden Substanz, welche, nach Fehling be- stimmt und auf Dextrose berechnet, einen Zuckergehalt der Lösung von 0,0025 Proz. ergeben würde. Von diesen Spuren reduzierender Sub- stanz konnte im weiteren Verlaufe der Versuche füglich abgesehen werden. Ergebnis des aöroben Züchtungsversuches. Nach 10 Tagen ist die Lösung A im aörob gehaltenen Kolben ziemlich stark getrübt; sie riecht nach Ammoniak, bläut rotes Lackmus- papier; sie enthält eine Reinkultur des eingeimpften Colistammes. Der liche Mengen reduzierender Substanz präformiert enthielt. Das verwendete, nach Zul- kowski dargestellte Präparat verdanke ich der Güte des Herrn Privatdozenten Dr. Pregl in Graz. Dasselbe ist fast analysenrein, klar löslich, vollkommen frei von Fehling’sche Lösung bei Siedetemperatur reduzierenden Substanzen. Seine spezifische Drehung beträgt nach Pregl (Sitzungsber. d. Wien. Akad. Bd. CX. 1901) bei 20° © («)p = + 191,27°, (a)p = + 191,73°, im Mittel («)p = 191,50°. 1) Hierzu diente folgendes, von Hamm erl-Graz jüngst empfohlenes, sehr zweck- mäßiges Vorgehen. Die Kolben wurden in eine durch Glasschliffe und Fett vollkommen luftdicht verschließbare Glasdose von 2400 ccm Luftraum eingebracht neben 3 mit je 15 ccm einer frisch bereiteten, 130-proz. Lösung von Pyrogallussäure in 50-proz. Kali- laugegetränkten Bierfilzen. i Bem- a Verhalten des Bact. coli comm. zu gewissen Stickstoffsubstanzen etc. IN Kolbeninhalt wird auf 150 ccm aufgefüllt und durch ein Berkefeld- Filter klar filtriert. Die (stärkehaltige) Lösung B ist stärker getrübt als jene und ent- hält einen kleinen, körnigen Niederschlag, der aus agglutinierten Bak- terienmassen besteht. Die Oolikultur ist rein; die Bakterien in jenen Klumpen sind schlecht färbbar; sie bieten vielfach Involutionsformen. Die Lösung riecht nach Ammoniak und Stärke, bläut Lackmuspapier, reduziert Fehling sche Lösung in der Hitze nicht spurweise, giebt intensiv blaue Jodreaktion. Der Kolbeninhalt wird auf das ursprüng- liche Volumen gebracht, durch Berkefeld-Filter klar filtriert. Das Filtrat wird nach Ausführung der untenstehenden polarimetrischen Be- stimmung mit etwas Lauge destilliert, wobei kein Alkohol in das Destillat übergeht. Bei der folgenden Destillation des Rückstandes mit Phosphor- säure enthält das Destillat kaum nachweisbare Spuren flüchtiger Fettsäuren. Polarimetrische Untersuchung der Filtrate ergiebt: Lösung A Lösung B : DB-—-A (Stärkewirkung für sich) —+ 0,282 —+ 3,522 ° + 3,240 ° Hieraus berechnet sich ein Stärkegehalt der Lösung von 0,8460 Proz. Ergebnis des anaöroben Züchtungsversuches. Der Inhalt der in gleicher Weise behandelten, anaörob gehaltenen - Kolben ist etwas minder stark getrübt und etwas stärker alkalisch, ver- hält sich sonst wie jener im a@roben Versuche. Die Kulturen sind rein. Polarimetrische Untersuchung der Filtrate ergiebt: Lösung A Lösung B B—A (Stärkewirkung für sich) + 0,273" + 3,324 ° —+ 3,051 Hieraus berechnet sich ein Stärkegehalt der Lösung von 0,7966 Proz. Die mit je 150 cem der Lösung B beschickten Kolben enthielten somit nach aörober Züchtung von B. coli 1,2690 g Stärke, nach an- aörober Züchtung 1,1949 g Stärke. Da der Stärkegehalt der gleichen Lösungsmenge vor der Züchtung 1,2415 g betrug, so hat im aöroben Versuche eine minimale Vermehrung des gefundenen Wertes, nämlich um 0,0275 g = 2,21 Proz., im anaöroben Versuche eine Verminderung um 0,0466 g = 3,75 Proz. stattgehabt. Die gefundenen Differenzen können innerhalb der Grenzen unver- meidlicher Bestimmungsfehler liegen. Gegen die hier durchgeführte polarimetrische Bestimmung der Stärke ließe sich nur dann ein stichhaltiger Einwand erheben, wenn man die äußerst unwahrscheinliche Annahme machen wollte, daß sich das optische Verhalten der Bestandteile der Lösung A durch das Wachstum des Spaltpilzes bei Anwesenheit von Stärke in anderem Sinne ändere, als bei Anwesenheit derselben, oder daß die Stärke durch das B. coli in jodbläuende, nicht reduzierende, in ihrer Gesamtheit die Ebene des polarisierten Lichtes in annähernd gleichem Maße wie die Muttersubstanz drehende Körper zerlegt werde. Die Abnahme des Rechtsdrehungsvermögens der Lösung A während des Coliwachstums kann gleichzeitig mit dem Auftreten stärkerer am- moniakalischer Reaktion wohl auf die durch B. coli zustande kommende Spaltung von Asparagin in Asparaginsäure und Ammoniak bezogen werden. (Asparaginsäure in alkalischer Lösung linksdrehend.) Das Ergebnis der Versuche möchte ich, wie folgt, präzisieren: Der angewandte Stamm von B. coli vermag auf den darge- botenen Lösungen aörob, sowie anaörob gut zu gedeihen. 128 4, Wiıldbolz; ? Eine Zersetzung der beigemengten löslichen Stärke er- folgt unter den angegebenen Bedingungen weder bei Sauerstoffabschluß noch bei Sauerstoffzutrittin irgend erheblichem Ausmaße. Es ist vorderhand nicht angängig, diesen Befund zu verallgemeinern, da in Bezug auf andere Üolistämme, Nährmedien und Stärkesorten die oben citierten widersprechenden Angaben Schlossmann’s vorliegen, auf dessen Versuche ich zurückzukommen gedenke. Ueberdies ist durch die Forschungen von Lehmann und Wolffin bekannt, daß typische Colistämme und diesen nahestehende Bakterien eine Gärung im Brot- teige hervorrufen, welche der Sauerteiggärung mindestens sehr verwandt ist und auf Kosten der Stärkesubstanzen erfolgt. Hier möchte ich nur noch auf die immerhin bemerkenswerte Analogie hinweisen, daß B. coli unter den von mir gewählten Versuchsbedingungen gegenüber dem intakten Eiweißmolekül ebensowenig wie gegenüber dem großen Stärke- molekül [(C,H,o05)n , un > 8] angriffsfähig ist, wogegen es die Bruch- stücke beider Moleküle (Pepton, Albumosen, Zucker) weiterhin abzubauen und sich als Nährstoffe zu nutze zu machen, in hohem Grade befähigt ist. Analoges gilt von der Einwirkung auf Fette. Dieses Verhalten mag unter anderem dem B. coli eine besondere Qualifikation zu seiner Rolle als obligater Darmsaprophyt verleihen. Für den mir bei der Bearbeitung dieser Fragen aus der Biologie des B. coli doppelt wertvollen Rat meines verehrten Chefs, des Prof. Escherich, sage ich diesem meinen ergebenen Dank. Litteratur. Escherich, Therap. Monatshefte. 1887. Ide, La cellule. 1891. Fermi, Arch. f. Hygiene. Bd. X. : Kitasato, Zeitschr. f. Hygiene. 1889. Baginsky, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. XII u. XIII; Dtsch. med. Wochenschr. 1888. Bienstock, Arch. f. Hygiene. 1900. Seelig, Virchow’s Arch. Bd. OXLVI. Schlossmann, Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. XLVII. Cohnheim, Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1901. Halle et Dissard, Compt. rend. de la soc. de biol. 1893. 18. III. (Die gleich- zeitige [gleichlautende?] Publikation der Autoren in „Arch. de malad. des organes genito-urin. 1893“ ist mir nicht zugänglich.) Moro, Jahrkb. f. Kinderheilk. Bd. XLVII. Deeleman, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXVl. Pregl, eitiert bei Moro. Lehmann u. Wolffin cit. in Flügge’s „Mikroorganismen. II“. Nachdruck verboten. Zur Biologie der Gonokokken. [Aus der dermatalog. Univers.-Klinik Bern (Prof. Jadassohn).] Von Dr. H. Wildbolz, Bern. Mit Untersuchungen über Gonokokken beschäftigt, bin ich auf eine Thatsache gestoßen, die ich ihrer praktischen Bedeutung wegen schon jetzt — gesondert von meinen anderen Resultaten — mitteilen möchte. | | | | | DS a a a 1 6 Al al a Luc Zu > A nn u Lo u 5.1 Ba u A | | Zur Biologie der Gonokokken. 129 In der Litteratur der letzten Jahre wird als Hauptcharakteristikum der Gonokokken neben Form und Färbungsverhalten stets das Aus- bleiben jeglichen Wachstums auf den gewöhnlichen Nährböden an- segeben. So fordert z. B. Steinschneider (1) zur Sicherung der Diagnose „Gonokokken“ : a) daß die in Frage stehenden Kolonieen nicht nur mikroskopisch einer Gonokokkenreinkultur gleichen, sondern auch | b) auf einfachen Agar überimpft, nicht aufgehen; c) Präparate derselben nach Gram scher Methode behandelt, sich nicht färben. Aehnlich sagt Wassermann (2): „Ich glaube, daß die 3 Kriterien: Gestalt, promptes Entfärben nach Gram und negatives Wachs- tum auf gewöhnlichen Nährböden stets ausreichend sind für die Diagnose Gonokokken.“ Diese Angaben stehen in vollem Einklange mit den Erfahrungen Neisser’s (3), welcher 1889 am 1. Kongreß der deutschen dermatologischen Gesellschaft betonte: „Wenn wir daher heute Gonorrhöeeiter auf diesen Nährböden (d. h. den gewöhnlichen Nährböden, wie Agar, Bouillon, Gelatine) kultivieren, können wir nur sagen: Alles, was wächst, sind sicher keine Gonokokken.“ — Die scheinbar feststehende Thatsache, daß Gonokokken auf gewöhn- lichen Nährböden absolut nicht wachsen, wurde auch speziell zur Differentialdiagnose zwischen Meningococcus intracellularis und Gonococcus Neisser verwertet. So äußert sich z.B. Kiefer (4): „Der grundlegendste Unterschied, der in jedem Fall sofort Aufklärung giebt, ist jedoch der Umstand, daß im Gegensatz zum Gonococceus der Meningococcus ausgezeichnet und sehr üppig auf Glycerinagar gedeiht. — Noch wichtiger für meine Mitteilung ist, daß Fränkel (5) für den von ihm bei 3 Fällen von Conjunctivitis gefundenen Meningo- coccus als Merkmal gegenüber dem Gonococeus anführt: Die Ge- stalt, die langsamere Entfärbung nach Gram und die allmähliche Gewöhnungan die einfachen Nährböden. Diese wenigen Citate aus der Litteratur zeigen wohl zur Genüge, wie allgemein den Gonokokken die Fähigkeit abgesprochen wird, auf den allgemein üblichen Nährböden zu wachsen. Dieser bis jetzt geltenden Ansicht gegenüber muß ich, gestützt auf Untersuchungen an 20 Gono- kokkenstämmen, konstatieren, daß Gonokokken auch auf serumfreiem Agar und serumfreier Bouillon kultiviert werden können. Indem ich mir die näheren Angaben für eine spätere Publikation vor- behalte, teile ich an dieser Stelle nur kurz mit, daß es mir bei 16 Gono- kokkenstämmen aus Genitalgonorrhöen gelungen ist, ein ziemlich üppiges, manchmal etwas langsames Wachstum der Gonokokken auf Agar zu erzielen, während nur 4 meiner darauf untersuchten Gonokokkenstämme bisher nicht dazu zu bringen waren. Eine Ueberimpfung aus der l. Serumagargeneration der Gonokokken auf gewöhnlichen Agar gelang mir allerdings nur 2mal, selten auch aus der 2. und 3. Serumagar- ‚generation. Meist gingen die Gonokokken erst dann auf Agar-Agar auf, wenn sie schon 4—5 und mehrere Generationen hindurch auf Serumagar gezüchtet worden waren, bei einem Stamme sogar erst nach einer Züchtung von 62 Generationen auf Serumagar. Die meisten Gonokokken bedurften also erst einer Angewöhnung an den ihnen zu- sagenden Serumagar, bevor sie auch auf dem ihnen weniger günstigen, einfachen Agar wachsen konnten. Daß eine derartige Angewöhnung der Gonokokken an die ver- Erste Abt. XXXI, Ba. 10 130 H. Wildbolz, änderten Lebensbedingungen stattfindet, zeigte sich bei der Weiter- züchtung der Gonokokkenstämme. Die ersten gelungenen Ueberimpfungen der Gonokokken von Serumagar auf Agar-Agar ergaben meist nur ein ziemlich spärliches Wachstum und eine Weiterzüchtung der Gonokokken auf Agar-Agar gelang gar nicht oder höchstens 2—3 Generationen hin- durch. Die Abimpfungen aus den späteren, den 10.—20. Serumagar- generationen ergaben dagegen — freilich zunächst mehrmals auch noch nicht gesetzmäßig — auf Agar-Agar üppige Gonokokkenkolonien, die sich allmählich immer besser weiterzüchten ließen, so daß es schließlich gelang, 15—20 Generationen auf Agar-Agar zu erzielen. Es zeigten also die Gonokokkenstämme nicht nur insofern ein verschiedenes Ver- halten, als sich die einen schon nach kurzer, die andern erst nach lange fortgesetzter Züchtung auf Serumagar von diesem auf gewöhnlichen Agar übertragen ließen, sondern es bestanden zwischen ihnen auch Differenzen bezüglich ihrer Fähigkeit, auf letzterem mehrere Generationen hindurch weiterzuwachsen. Bei dem einen Stamme z. B. gelang schon aus der 2. Serumagar- generation eine Ueberimpfung auf serumfreiem Agar; aber eine Weiter- züchtung auf diesem mißlang. Eine Abimpfung aus der 6. und ebenso eine solche aus der 10. Serumagargeneration ergaben nur 2 Generationen, eine Abimpfung aus der 22. Serumagargeneration 3 Generationen auf einfachem Agar. Erst aus der 24. Serumagargeneration ließen sich die Gonokokken 15 Generationen hindurch auf gewöhnlichem Agar weiter- züchten. Ein anderer Stamm hatte erst nach 62 Serumagargenerationen die Fähigkeit erworben, auf Nähragar zu wachsen; doch gelang hier sogleich die Weiterzüchtung auf Agar-Agar 5 Generationen hindurch und aus der 83. Serumagargeneration ließen sich 16 Generationen auf Agar-Agar züchten. Meine Versuche, durch allmählich verminderten Serumzusatz zum Agar die Gonokokken rascher an das Fehlen des Serums zu gewöhnen, schlugen fehl. Genau gleich wie zum Agar-Agar verhielten sich die Gonokokken auch zu serumfreier Bouillon. Ihre Vitalität blieb sowohl auf dem festen wie auf dem flüssigen Nähr- boden lange erhalten; sie erwiesen sich noch nach 4 Wochen lebensfähig. Ihre Rückimpfung von Agar auf Serumagar ergab immer wieder typische, üppige Gonokokkenkulturen. v4 Die Nährböden, die ich zu den erwähnten Versuchen benutzte, wurden immer aus Rindfleischwasser hergestellt mit einem Zusatz von 0,5 Proz. NaCl, 1,0 Proz. Pepton und 1,5 Proz. Agar. Die Reaktion war ganz schwach alkalisch. Obschon die Nährböden stets nach dieser Vorschrift in genau gleicher Weise von mir selbst hergestellt wurden, waren die verschiedenen Agargüsse doch sehr ungleichwertig für das Wachstum der Gonokokken. Verschiedene Agararten, die mit Serum- zusatz einen sehr guten Nährboden für Gonokokken ergaben, waren ohne Serumzusatz ganz unbrauchbar zur Kultur auch solcher Gono- kokken, die schon mehrere Generationen hindurch auf Agar- Agar gewachsen waren und die sich auch weiterhin auf dem ihnen zu-- sagenden Agar-Agar weiterzüchten ließen. Um auf gewöhnlichem Agar eine Gonokokkenkultur zu erzielen, muß dieser demnach bestimmte Eigenschaften besitzen — Eigenschaften, die wir leider noch nicht genau präzisieren können und die von Zufälligkeiten abhängig zu sein scheinen. Darin liegt auch wohl der Grund, warum bis jetzt so wenig über Gonokokkenkulturen auf gewöhnlichen Nährböden in positivem Sinne berichtet wurde. ä Zur Biologie der Gonokokken. 131 Daß die Diplokokken, mit denen ich die erwähnten Untersuchungen anstellte, wirklich Gonokokken sind, glaube ich des bestimmtesten ver- sichern zu können, obschon ich keine Ueberimpfungen auf den Menschen vorgenommen habe. Sie hatten im Präparate die Form der Gono- kokken und entfärbten sich nach Gram sehr prompt. Die Kolonieen auf Serumagar zeigten das Aussehen der Gonokokkenkolonieen, wie es von vielen Untersuchern als typisch geschildert wird. Vor allem aber mache ich für meine Diagnose Gonokokken den Umstand geltend, daß alle meine Stämme aus typischen Genitalgonorrhöen, meist akuten Gonorrhöen bei Männern, kultiviert wurden und gewöhnlich schon in der 1. Generation auf Serumagar fast in absoluter Reinkultur auf- ingen. ? Eine Täuschung durch andere, nach Gram sich rasch entfärbende Diplokokken, wie sie in der Urethra in sehr seltenen Fällen gefunden wurden, ist bei der ziemlich großen Zahl meiner Fälle auch darum aus- geschlossen, weil solche Diplokokken, soweit wir wissen, auf gewöhn- lichem Agar sehr gut wachsen und nicht die bei meinen Mikroorganis- men doch vorhandenen großen Schwierigkeiten darbieten. Ich glaube deshalb, aus meinen Untersuchungen die Schlußfolgerung ziehen zu dürfen, daß auch der GonococcusNeisser aufgewöhnlichem Nährboden wachsen und mehrere Generationen hindurch weitergezüchtet werden kann. Dieses Resultat meiner Untersuchungen steht in Einklang mit Ergebnissen von Dr. Urbahn, der zur selben Zeit wie ich an anderem Materiale das Wachstum der Gonokokken auf gewöhnlichen Nährböden prüfte und darüber demnächst in der Festschrift für Prof. Pflüger (Bern) berichten wird. Obscehon in den letzten Jahren einzelne Fälle erwähnt wurden, in denen es gelang, Gonokokken auf gewöhnlichen Nährböden zum Wachs- tum zu bringen [Nicolaysen (6), Busch (7)], dürfte doch meine Behauptung in ihrer Allgemeinheit als etwas Neues erscheinen. Dem- gegenüber muß ich betonen, daß meine Untersuchungen nichts wirklich Neues lehren, sondern nur früher bereits Mitgeteiltes, aber später, wie es scheint, fast völlig in Vergessenheit Geratenes bestätigen und er- gänzen. Denn schon im Jahre 1892 schrieb Wertheim in seiner klassischen Arbeit über Gonokokken wörtlich: „Der Gonococeus gedeiht auf Agar, sowohl auf dem gewöhnlichen als auf dem glycerinhaltigen; allerdings viel weniger gut, als auf dem koagulierten menschlichen Serum. ... Mir ist die Züchtung auf Agar von Rein- zuchten auf menschlichem Blutserum her niemals miß- Jungen.“ Es schien mir notwendig, diese Thatsache auf Grund meiner neueren Untersuchungen zu betonen, weil die eingewurzelte Anschauung von der Unmöglichkeit des Wachstums der Gonokokken auf gewöhnlichen Nährböden gewiß in manchen Fällen die Diagnose „Gonokokken“ bei Mikroorganismen verhindert hat, die wirklich Gono- kokken waren. Nur um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich noch hervorheben, daß die meist vorhandenen Schwierigkeiten der Züchtung erster Generationen von Gonokokken auf Agar auch jetzt noch meiner Ansicht nach eine wichtige differential-diagnostische Be- deutung haben — nicht aber (cf. die oben eitierte Bemerkung Fraen- kel’s) gegenüber den Meningokokken, welche sich in dieser Beziehung ähnlich wie die Gonokokken zu verhalten scheinen. 10” 132 Aladär Aujeszky, Zum Schlusse sei es mir gestattet, Herrn Prof. Jadassohn meinen verbindlichsten Dank auszusprechen für die Unterstützung meiner Arbeit, die ich in seiner Klinik ausführte. Litteratur. 1) Steinschneider, Ueber die Differenzierung der Gonokokken durch das Züch- tungsverfahren und das Färbungsverfahren. (Wien. med. Wochenschr. 1897.) 2) Wassermann, Ueber Gonokokkenkultur und Gonokokkengift. (Zeitschr. für Hyg. Bd. XX' VIII. 1898.) 3) Neisser, Ueber die Bedeutung der Gonokokken für Diagnose und Therapie. (Ver- handlungen der deutschen dermatologischen Gesellschaft. I. Kongreß. 1889.) 4) Kiefer, Zur Differentialdiagnose des Erregers der epidemischen Üerebrospinal- meningitis und der (Gonorrhöe. (Berl. klin. Wochenschr. 1896.) 5) Fränkel, Ueber das Vorkommen des Meningococeus intracellularis bei eiterigen Entzündungen der Augenbindehaut. (Zeitschr. f. Hyg. 1899. Bd. XXXI.) 6) Nicolaysen, Bemerkungen über das Verhalten des Gonococcus zum Agar. (Referat in d. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 27.) 7) Busch, The cultivation of the gonococcus. (Ref. in Baumgarten’s Jahres- bericht. 1898.) Nachdruck verboten. Ueber das Vorkommen der Tuberkelbacillen in der Budapester Marktbutter. ]Aus dem Kegel. ung. bakteriologischen Institut in Budapest.] Von Dr. Aladär Aujeszky, Adjunkt der kgl. ung. tierärztl. Hochschule. Im Folgenden möchte ich über jene Untersuchungen referieren, welche ich vor kurzem über das Vorkommen der Tuberkelbaecillen in der Budapester Marktbutter machte. Daß die tuberkulösen Erkrankungen der Rinder auch in Ungarn nicht selten sind, ist wohl bekannt, und wurde jüngstens durch die Untersuchungen Breuer’s!) auch bestätigt. Aus diesen Unter- suchungen geht hervor, daß von den im Jahre 1899 an der Budapester Centralschlachtbank geschlachteten 98531 Rindern 12,23 Proz. der ungarischen, und 15,77 Proz. der westländischen Rasse angehörenden Tieren an Perlsucht erkrankt waren, und daß 34,88 Proz. dieser kranken Tiere eben an Eutertuberkulose litten. Eben darum konnte man auch folgern, daß das Vorkommen der Tuberkelbacillen in der Milch und in den Milchprodukten, und so auch in der Marktbutter keine große Seltenheit sei. Die Zahl der von mir untersuchten Butterproben (20) ist zwar nicht so hoch, daß man aus den Resultaten weitgehende Folgerungen ziehen dürfte; eins scheint mir aber durch diese Untersuchungen fest- gestellt zu sein: nämlich, daß das Vorkommen der Tuberkelbacillen in der Budapester Marktbutter nicht häufiger ist, als in jener der meisten Großstädte. Die untersuchten 20 Butterproben stammten aus 20 verschiedenen Bezugsquellen (Markthallen, Milchhallen und anderen Verkaufs- plätzen). Ich muß vorerst bemerken, daß ich mich vor der Unter- 1) Breuer, Albert, A szarvasmarhäk gümökörja vagöhidi statisztika alapjan. Budapest 1900. Herausgeg. vom ung. Veterinärverein. Bit Ueber das Vorkommen der Tuberkelbaeillen in der Budapester Marktbutter. 133 suchung der einzelnen Butterproben immer überzeugte, ob die Probe zum experimentellen Nachweis der Tuberkelbacillen geeignet sei. (Daß dies nicht überflüssig ist, beweist ja jene Thatsache, daß die Tuberkel- bacillen in der schlecht konservierten, sauer gewordenen Butter zu Grunde gehen, und daß die intraperitoneale Injektion solcher Butter in den Meerschweinchen keine Tuberkulose hervorruft.) Zum Nachweis der Tuberkelbacillen verwendete ich die in neuerer Zeit schon allgemein gebräuchliche und zu ähnlichen Untersuchungen sehr geeignete Obermüller’sche Methode!) Den 350-450 g schweren, gesunden Meerschweinchen (3—4 Tiere bei jeder Butterprobe) wurden !/s—2 cem des durch Centrifugieren gewonnenen, fettfreien Bodensatzes intraperitoneal injiziert. Die ganze Manipulation wurde mit der peinlichsten Reinlichkeit ausgeführt und darum hielten wir die von Obermüller empfohlenen minutiösen Vorsichtsmaßregeln — wie die Einreibung der Impfstelle mit Jodoformeollodium, die Bewahrung des geimpften Tieres eine Stunde lang im desinfizierten Steinbottich — für unnötig. Unter den untersuchten 20 Butterproben befanden sich 3, welche virulente Eiterungsmikroben (Streptococcus pyogenes, Sta- phylococcus aureus und Bact. coli) enthielten und die geimpften Meerschweinchen binnen einigen Tagen töteten. So blieben zur weiteren Untersuchung 17 Butterproben übrig. Das Resultat war, daß drei von den 17 Butterproben e-776 Proz.) mit virulenten Tuberkelbaecillen infiziert wareu. Die mit diesen 3 Butterproben geimpften Meerschweinchen gingen am 35.—80. Tage nach der Injektion zu Grunde, und die aus- geprägte Tuberkulose ihrer Bauchorgane wurde anatomisch, histologisch und bakteriologisch festgestellt. Die mit den übrigen Butterproben geimpften Versuchstiere wurden teils ca. 3 Monate lang beobachtet, teils (1 oder 2 Tiere jeder Probe) 4-6 Wochen nach der Butterinjektion getötet und gänzlich gesund befunden. Ich muß noch bemerken, daß ich in den Organen der verendeten oder getöteten Versuchstiere tuberkelbacillenähnliche säurefeste Bakterien — welche von mehreren über Butteruntersuchungen berichtenden Autoren häufig beschrieben wurden — in keinem Falle konstatieren konnte. Einmal gelang es mir wohl, aus einem Tiere, welches 3 Tage nach der Butterinjektion an Peritonitis verendete, einen relativ säurefesten Bacillus zu züchten, aber absolute säurefeste, tuberkel- baeillenähnliche Bakterien fand ich nie. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich behaupte, daß die Ursache dieses Resultates dem Umstande zu- zuschreiben ist, daß ich den Meerschweinchen centrifugierte, fettfreie Butter injizierte. Es ist nämlich aus den Untersuchungen mehrerer Autoren bekannt und ich selbst machte auch Erfahrungen darüber, daß die genannten säurefesten Bakterien sich im Organismus intensiver ver- mehren, wenn man sie mit Butterfett (oder anderen Fetten) gemischt injizierte. Was endlich den von mir aus einem Versuchstier gezüchteten relativ säurefesten Bacillus betrifft, so sei bemerkt, daß dieser in allen seinen tinktoriellen und kulturellen Eigenschaften, wie auch in jenen, 1) Obermüller, Weitere Mitteilungen über Tuberkelbaeillen in der Marktbutter. (Hyg. Rundsch. 1899. No. 2.) 134 E. B. Vedder and C. W. Duval, welche das Tierexperiment darbietet, mit dem von Grassberger!) ge- züchteten, relativ säurefesten Butterbacillus vollständig übereinstimmt und daher keiner näheren Beschreibung benötigt. Budapest, den 17. November 1901. Nachdruck verboten. Ihe etiology of acute dysentery in the United States, [From the Pathological Laboratory of the University of Pennsylvania, Philadelphia.] By E. B. Vedder and €. W. Duval. In No. 12 of the Centralblatt Dr. Flexner published the results of a comparative study of the dysenteric bacilli isolated by Shiga, Strong, Kruse and himself. The conclusion which he drew was to the effect that, they were indistinguishable. In the same communication he draws attention to the fact that the blood serum obtained from sev- eral convalescent cases of dysentery which occurred in North Carolina, showed positive agglutination reactions for the bacilli, and he remarks that there is little doubt that the acute epidemic dysenteries of the United States are caused by the same microorganism. During the past summer we have studied several outbreaks of dys- entery in the eastern part of the United States. The study was made under Dr. Flexner’s direction, the means for its pursuit being supplied by a grant from the Rockefeller Institute of Medical Research. The disease prevailed to a mild degree in Philadelphia and in an epidemic form in Lancaster, Pa., and New Haven, Conn. In the last places the epidemics were limited to the Almshouses and Insane Asylums. The majority of the Philadelphia cases also occurred in the Almshouse and Asylum for the Insane. The method of study was similar to that pursued by Dr. Flexner in his investigation of the Manila disease. Plates and cultures were employed; the bacilli thus isolated being studied in respect to morpho- logy, cultural properties and agglutination reactions. In all cases bacilli indistinguishable from the several standard cultures of B. dysenteriae in our possession — Shiga, Flexner, Strong, Kruse — were obtained. The numbers of colonies of this organism upon the plates varied considerably. The Philadelphia and Lancaster cases which were less acute contained least; the New Haven cases in which the acute stages were secured gave them as the predominating organisms on the lates. i The initial distinetion between colonies of B. coli and B. dys- enteriae was made from inoculations into glucose agar. tubes. As the latter organism produces no gas distinction from the former was readily accomplished. It was, however, discovered, that the colonies of B. coli grow more quickly than those of B. dysenteriae, and consequently if the colonies appearing the second twenty-four hours are chosen 1) Grassberger, Ueber die nach intraperitonealer Injektion von Marktbutter bei Meerschweinchen entstehenden Veränderungen. (Münch. med. Wochenschr. 189. No. 11/12.) | The etiology of acute dysentery in the United States. 135 for transplantation a greater number of successful tubes will be ob- tained. In each place certain of the cases were among the insane patients, and the New Haven and Lancaster out-breaks were typical institutional epidemies. Especial attention is invited to this fact on account of the views held by Kruse who would separate the institutional dysentery from that occurring generally. He obtained from a small number of insane patients bacilli resembling B. dysenteriae, but agglutinating less actively with blood sera from persons or animals infected with the latter organism. On the basis of this observation he would call the in- stitutional disease ‘‘pseudo-dysentery”. That there are no good grounds for such a distinetion our studies prove; and we regard, therefore, such a position as untenable. The great majority of the sick studied by us were inhabitants of institutions. The clinical course and pathological anatomy of the disease agrees with acute dysentery as commonly described. Moreover, the baecilli isolated from the dejecta and the intestinal mucosa are indistinguishable from cultures of standard bacilli, including cultures of Kruse’s organism. Besides the usual tests of morphology and cultural properties, the behavior with positive blood sera was studied. For the tests human blood taken from dysenterie patients and anti-dysenteric serum, derived doubt less from the horse, sent by Dr. Shiga to Dr. Flexner, were employed. The grades of dilution varied from 1— 20 to 1—500. From the results of these tests the conclusion could be drawn that there are no essential differences in the several dysenteric bacilli thus far obtained. The agglutination reactions upon which so much weight is laid do _ not appear in the blood immediately upon the appearance of clinical _ symptoms. This is shown by the fact that in some patients suflering from dysentery, from whose stools B. dysenteriae was secured, the blood serum was negative or nearly so. The reaction is, moreover, capable of disappearing from the blood in a rather sudden manner. Differences in degree of agglutination were also noted. Certain strains of baeilli react better with a given serum than do others, as is shown _ by the fact if high dilutions are used, some forms will always drop out _ sooner than others. Motility was not discovered in the bacilli obtained by us. In this respect our observation is in agreement with Kruse’s; but the demon- stration of flagella must have an important bearing upon the ultimate solution of the question of motility. Our studies have lead us to the conclusions: 1) the acute dysentery of the United States is due to a bacillus indistinguishable from that obtained from the epidemics of dysentery in several other parts of the world; 2) the sporadie and institutional outbreaks of acute dysentery are caused by the same microorganism, and this organism is identical with that causing epidemie dysentery; and 3) the cause of acute dys- entery, whether sporadic, institutional, or epidemic is Bacillus dys- enteriae Shiga. The full report of our investigations, of which this is a brief ab- a. will appear in the Journal of Experimental Medicine. Vol. VI. 0. 2. 136 OÖ. Voges, Nachdruck verboten. Beobachtungen und Studien über eine in Südamerika bei jungen Rindern vorkommende Erkrankung der Extremitäten). Von 0. Voges in Buenos-Aires. Gelegentlich des Ausbruches der Bubonenpest in Paraguay in Süd- amerika im Jahre 1899 lernte ich auf einer Expedition nach dem Inneren des Landes eine bis dahin meines Wissens wissenschaftlich noch nicht studierte Krankheit bei Kälbern und jungen Rindern kennen, welche von den Eingeborenen in ihrer Sprache Guarini mit dem Namen Paleta-Rurü genannt wird. Ganz dieselben Symptome hat eine Krankheit, die in Brasilien unter dem Namen Manquea bekannt ist. Von dem Professor für allgemeine Pathologie an der Universität Buenos-Aires, Dr. Robert Wernicke, sind in Gemeinschaft mit seinem Schüler, dem Tierarzt Gonzales Herrera, Beobachtungen über eine ähnliche Rindererkrankung in Entre-Rios, Argentinien, ver- öffentlicht, welche unter dem Namen Cawhuä dort bekannt ist. Alle drei Krankheiten sind, um das gleich vorwegzunehmen, völlig identisch, die verschiedenen Namen verdanken ihren Ursprung nur ver- schiedenen Sprachen; will man die Krankheit wissenschaftlich benennen, so könnte man sie am besten als Phlegmona periarticularis bovina be- zeichnen. Was zunächst die geographische Ausbreitung der Krankheit betrifft, so umfaßt sie das ganze tropische wie subtropische Südamerika, und konnte ich sie nach Süden zu bis nach Rosaria de St. F& feststellen. Nach dem Norden zu ist es meinen Nachforschungen seither nicht ge- lungen, eine Grenze aufzustellen. Ich muß es auch unentschieden lassen, ob die Krankheit in Centralamerika und dem Süden von Nordamerika, also den Südstaaten der Union und Mexiko, vorkommt. Ich bin per- sönlich sehr geneigt, eine derartige Ausbreitung als sehr wohl möglich anzunehmen. Es ist mir nicht bekannt geworden, daß die in Rede stehende Krankheit außerhalb Amerikas vorkommt. Im Süden Amerikas ist sie endemisch, und wie schon die Bezeichnung mit Indianernamen schließen läßt, seit langer Zeit bekannt. | Für die Viehzucht ist die Krankheit keineswegs von untergeord- neter Bedeutung. Wenn man in den südlichen Gegenden Argentiniens in großen Herden immer nur ein oder das andere Tier erkrankt findet, so konstatierte ich in Paraguay bereits ein Befallensein von 40 Proz. der Kälber und Rinder; in Brasilien giebt es Länderstriche und ganze Provinzen, in denen die Rindviehzucht einfach unmöglich geworden ist wegen der ganz enormen Sterblichkeit an der Manquea. Die Symptome der Krankheit sind ganz außerordentlich charak- teristisch, so daß jeder Laie sofort die richtige Diagnosis zu stellen vermag. Als das hervorstechendste Merkzeichen muß ich die Lahmheit eines Beines und ein dadurch veranlaßtes Hinken ansehen, wodurch es 1) Nach einem Vortrage, gehalten auf dem spanisch-südamerikanischen Kongresse in Montevideo 1901. - Studien über eine in Südamerika bei jungen Rindern vorkommende Erkrankung. 137 möglich wird, selbst in Herden von mehreren Tausend Stück die etwa Erkrankten sofort ausfindig zu machen. Dieses Symptom hat denn auch der Krankheit die verschiedenen Namen gegeben. Bei neugeborenen Kälbern beobachten wir dieses Hinken infolge einer Erkrankung nie, aber bereits wenn die Tiere wenige Wochen alt sind, kann man das Auftreten der Krankheit beobachten. Am häufigsten sind Erkrankungen im ersten Lebensjahre, während sie im zweiten schon relativ seltener sind und späterhin bei ausgewachsenen und älteren Tieren nie mehr akute Krankheitsfälle gefunden wurden. Die Symptome sind im Einzelnen bei dieser Krankheit sehr variabel; - ieh habe eine große Reihe von Fällen in allen Stadien der Krankheit sehen können, und will versuchen, daraus ein Bild zusammenzustellen. Im Beginne der Krankheit begegnen wir an irgend einem Teile des Vorder- oder auch Hinterbeines einer geringfügigen Anschwellung der Haut, die aber bei längerer Beobachtung des betreffenden Falles all- - mählich zunimmt und tumorartig anschwillt.e Dieser Tumor von Wall- nuß- bis Eigröße ist keineswegs sehr hart, sondern zeigt eine mehr teigige Konsistenz. Oeffnet man ihn, so entleert sich Eiter aus dem- selben, auf dessen nähere Beschreibung ich weiter unten noch zurück- komme. | Da eine spontane Oeffnung des Tumors infolge der äußerst dicken - Haut nur ausnahmsweise vorkommt, so tritt die Erkrankung bald in ihr ii _ u 2. 1 220.u. 22 uch ne 4 ——- Ha Ic u u a a Aa N LG TI5 oe Fi A Zt zweites Stadium ein. Der Absceß), denn als solchen müssen wir die krankhafte Veränderung bezeichnen, nimmt an Ausdehnung zu, es ent- stehen außerordentlich große Anschwellungen, hervorgerufen durch die Bildung ganz enormer Eitermassen im Unterhautbindegewebe. Es bilden sich weiter Phlegmonen, die um so größeren Umfang annehmen können, je höher der Sitz des ursprünglichen Herdes ist; sie treten also vor- nehmlich als Senkungsabscesse auf, die von dem Ursprung in der Gegend der Schulter oder Hüfte das ganze Bein umgreifen. Wir müssen also die beiden ersten Stadien als Stadium der. ent- zündlichen Anschwellung und Stadium der allgemeinen Phlegmone be- zeichnen. Das weitere Schicksal des Tieres hängt ganz von dem Schicksal des Eiters ab, der die Anschwellungen bedingt hat. Es ist daher not- wendig, zunächst diesen etwas eingehender zu betrachten. Oeffnen wir den Tumor in den ersten Anfängen, so finden wir immer nur eine geringe Menge eines ziemlich dickflüssigen Eiters, der die Farbe wie Rahm hat. Selbst das kleinste Eitertröpfchen verbreitet einen ganz entsetzlichen Gestank. Den Geruch muß man als ganz spe- zifisch bezeichnen, denn ich kenne nichts, was einen ähnlichen Geruch aufweisen könnte. Dieser Geruch ist das beste diagnostische Hilfsmittel zur Diagnosenstellung. Oeffnen wir im zweiten, dem phlegmonösen Stadium, den Absceß, so entleert sich eine große Menge Eiter, welcher denselben stinkenden Ge- ruch hat, wie in dem Anfangsstadium. Die Farbe desselben ist indes _ verändert, denn an Stelle des gelbweißen rahmigen Eiters finden wir . einen Eiter von schmutziggrau-weißer Beschaffenheit, durch beigemischtes Blut manchmal rötlich erscheinend, der auch bedeutend dünnflüssiger ist, daneben entleeren sich kleinere und größere, ja selbst ganze Stücke von Fibrin und Gewebsfetzen. Auch diese großen Eitermassen können sich nur selten nach außen entleeren, da die dicke Haut denselben einen zu derben Widerstand _ entgegensetzt. 138 O0. Voges, Die Krankheit muß daher noch weiteren Fortgang nehmen und kann das in zweierlei Weise thun. Infolge des vermehrten Druckes, den die wachsenden Eitermassen auf die Umgebung des Gewebes aus- üben, tritt die Möglichkeit ein, daß Teile der Flüssigkeit durch die Lymphspalten in Lymph- und Blutbahn treten. Damit ist die Allgemein- infektion gegeben. Es entsteht das dritte Stadium, die Septicaemia ge- neralis. In diesem Stadium erliegen die Tiere der Krankheit regel- mäßig. Die Sektion zeigt uns das Bild, welches wir gewöhnlich bei einer allgemeinen Blutvergiftung zu sehen gewohnt sind: Geschwollene und vergrößerte Milz, sowie desgleichen Zunahme der Lymphdrüsen, venöse Stauung und Blutreichtum in den inneren Organen, nicht selten sind auch kleinere und kleinste Hämorrhagieen. Haben wir es mit kräftigeren Tieren zu thun, so ist der Verlauf der Krankheit meist ein anderer, desgleichen wenn das Virus nicht so hohe Virulenzgrade aufweisen kann. Die Allgemeininfektion wird dann zurückgehalten, dagegen dringen die Eitermassen in der betreffenden Extremität immer mehr vom Unterhautzellgewebe aus in die tieferen Teile, bis sie an die Gelenke kommen. Hier wird das Periost der Knochen angegriffen und bald sehen wir auch den Eiter sich in der (selenkkapsel ausbreiten. Bei längerer Dauer kommt es hier zu ganz argen Zerstörungen der Gelenkenden der Knochen, verbunden mit partiellen Auftreibungen der Knochenmassen an anderen Teilen, derart, daß die Gelenkknochen vollständig entstellt werden und kaum als solche wiedererkannt werden. Kommt in späteren Stadien der Prozeß zum Stillstand, ‚so tritt in der Regel eine Verwachsung der Epiphysenenden ein und ist das Resultat eine komplette Ankylose. Der Prozeß kommt aber nie eher zum Stillstande, als bis sich irgendwo eine Oeffnung ge- bildet hat, und so finden wir bei frischeren Ankylosen immer eine Ge- lenkfistel, aus der der stinkende schmutzige Eiter abfließt. Diese Fisteln können wochenlang dauern. Es ist selbstverständlich, daß die Tiere in- folge der Schwere des Leidens ganz enorm abmagern. Am unglück- lichsten sind die jüngsten Tiere daran; da die Mutter mit der Herde davongeht, liest das Tier hilflos da und vermag nur ganz mühsam zu folgen. Das junge Kalb ist aber ganz auf die Muttermilch angewiesen; so ist es verständlich, daß dasselbe allmählich zu Grunde geht, und gilt der Satz, je jünger das Tier, desto sicherer der Tod. Aeltere Kälber und junge Rinder kommen meist mit dem Leben davon, wenn sie reich- lich Gras finden. Man findet sie fast stets allein im Kamp und erkennt den Patienten schon von weitem am Hinken. Meist sind sie auch enorm abgemagert. Es kommt aber vor, daß Tiere, welche ausgeheilt sind, auffallend schnell dick und fett werden. Es hat diese unerwartete Er- scheinung darin ihren Grund, daß die Tiere nicht so gut laufen können und nicht so viel herumrennen, sondern ruhiger sind, wodurch der Fett- ansatz begünstigt wird. In jedem Falle aber ist das Resultat ein schlechtes. Der Estanciero erleidet entweder einen Totalverlust oder aber er behält günstigenfalls ein minderwertiges Objekt, welches niemals als Marktware dienen kann. In Entre-Rios und St. F&, wo die Verluste 1 Proz. pro Jahr kaum über- steigen dürften, wird man sie noch verschmerzen, aber je weiter nach Norden, dem Tropenklima zu, werden die Verluste unangenehmer und können so enorm werden, daß die Möglichkeit, Rindviehzucht zu treiben, absolut aufhört. Es war daher durchaus keine unwichtige Aufgabe, wenn wir uns Pe Studien über eine in Südamerika bei jungen Rindern vorkommende Erkrankung. 139 daran machten, die Ursache dieser interessanten Krankheit festzustellen. Es lag nahe, zunächst mit dem Eiter der Abscesse Infektionsversuche zu machen. In der That hatte eine Verimpfung der kleinsten Menge von Eiter in das Unterhautbindegewebe eines Kalbes am Beine eine Reproduzierung der Krankheit zur Folge, derart, daß sämtliche Stadien derselben erzeugt werden konnten. Damit war der Nachweis erbracht, daß das schädliche Agens in der That im Eiter enthalten war, fraglich blieb nur, ob es sich um einen Giftstoff oder ein infektiöses Lebewesen handelte, welches sich selbständig reproduzieren konnte. Es gelang nun unschwer, eine Reihe von Tieren zu infizieren, derart, daß von dem vorigen Tiere immer wieder ein Eitertröpfchen auf ein neues geimpft wurde. Dies konnte durch verschiedene Generationen fortgesetzt werden, daraus aber ergiebt sich, daß das dem ersten Tiere entnommene Infek- tionsmaterial so unendlich verdünnt war, daß es sich z. B. beim 6. Tiere unmöglich noch um Giftwirkung handeln konnte. Die Annahme eines lebendigen selbständigen Lebewesens, das sich vermehren kann und auch infektiös wirkt, war nicht von der Hand zu weisen. Es mußte also der Erreger im Eiter gesucht werden. Wernicke und Herrera haben das bereits gethan, aber beide sahen in direkten mikroskopischen Aus- strichpräparaten nichts, was ihnen verdächtig vorgekommen wäre, und auch die von ihnen angelegten Kulturen blieben immer steril. Meine eigenen Studien haben nun zu einem besseren Resultäte geführt. Streicht man ein ganz klein wenig Eiter auf dem Deckglase auf, trocknet und härtet das Präparat an der Luft und in Alcohol absol. und färbt es dann einige Minuten in der Kälte mit Ziehl’scher Karbol- fuchsinlösung, so sieht man mit einer guten Oelimmersion eine An- zahl wohlgebildeter Leukocyten, daneben einzelne rote Blutkörperchen, aber der größte Teil der Ausstrichmasse scheint aus einem feinkörnigen Detritus zu bestehen, den auch Wernicke und Herrera schon ge- sehen haben. Beobachtet man diesen angeblichen Detritus indes etwas genauer, so fällt zunächst auf, daß die kleinen Körnchen alle von annähernd gleicher Größe sind, sie erscheinen als denkbar kleinste Punkte, deren einer Durchmesser aber die anderen überragt, sie erinnern lebhaft an die Bacillen der Hühnercholera, nur daß sie noch unendlich viel kleiner und zarter sind. Diese kleinsten Stäbchen finden sich zu Milliarden im - Eiter, so daß der Eiter außer den spärlichen Blutzellen nichts enthält als } diese Bakterien, denn das sind sie in der That. Es sind kleinste Stäb- chen, an den Ecken leicht abgerundet; das Centrum nimmt die Farbe weniger gut auf als die Pole. Wenn Wernicke und Herrera diese Gebilde nicht erkannt haben, so ist das sehr wohl erklärlich, denn sie ‚sind eben gar zu klein; es sind die kleinsten Bacillen, die überhaupt bekannt sind, weit kleiner noch als die Influenzabacillen, so daß sie an den Grenzen der Sichtbarkeit stehen, wenn man sie mit Zeiss’ Oel- immersion ?!/,, beobachtet. Ich habe versucht, dieselben in Gemein- schaft mit dem Universitätsphotographen, Herrn Prof. Levy — einem ausgezeichneten Schüler Lumi&@res — zu photographieren, aber die Platten gaben kein klares Bild mehr; sie sind so klein, daß sie mit den uns zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln nicht mehr photographierbar waren. Um zu beweisen, daß es sich wirklich um Bacillen und nicht etwa um Detritus handelt, benötigen wir der Kultur, aber alle Be- mühungen waren vergeblich, überall dort, wo es sich um reinen Eiter handelte, der meist sekundär infiziert war, blieben die Platten und 140 O. Voges, Röhrchen steril, sei es in Agar, Gelatine, Bouillon, Serum, Blut, Milch, Kartoffeln etc. Es war auch gleichgiltig, welche Temperaturgrade an- gewandt wurden. Der entsetzliche Gestank des Eiters brachte mich aber bald auf die Idee, daß wir einen Anae@roben vor uns hätten, und in der That erwies sich dieser Gedanke als äußerst fruchtbar. Mit Eiter geimpfte Bouillonkulturen, die nach 24-stündigem Auf- enthalt im Thermostaten steril geblieben waren, wurden durch Einleitung _ von Wasserstoffgas anaörob gemacht und nun hatte sich nach weiteren 24 Stunden ‘die Bouillon getrübt und in den weiteren Tagen bildete sich ein nicht unbeträchtlicher Bodensatz. Die Probe ergab, daß es sich um eine neu entstandene Reinkultur handelte, die sich auch auf weitere Bouillonröhrchen übertragen ließ. Im mikroskopischen Bilde erschienen die Bacillen besser gefärbt als im Eiter, was natürlich war, da sie jünger waren. Dadurch wurde bedingt, daß sie auch etwas größer erschienen. Die Reinkulturen haben denselben charakteristischen stinkenden Geruch, der so ganz unverkenn- bar ist, so daß dadurch allein bewiesen war, daß die Kulturen den im Eiter gefundenen Bacillen entsprachen. In der Folge gelang nun auch die Reinkultur in der überschichteten Agarstichkultur. Im Grunde des Impfstiches entwickelten sich kleinste grauweiße Perlknötchen, die nicht einmal Stecknadelkopfgröße erreichten. Ihre Entwickelung erreicht den Höhepunkt erst nach 2—3 Tagen Wachs- tum bei 37°C. Auch bei 40° gedeihen sie noch, bei 50° aber werden sie in kürzester Zeit abgetötet. Bei 20—25°C findet auch noch Wachs- tum statt, dieses ist aber äußerst verlangsamt. Es ist mir gelungen, von den anfänglichen Reinkulturen 4—5 neue Passagenkulturen anzulegen. Versuchte ich indes darüber hinaus die Kulturen fortzuzüchten, so ist mir das nie gelungen. Das Wachstun ° war offenbar nicht sehr günstig in unseren Nährmedien. | Um zu beweisen, daß der von mir gezüchtete und in jedem Falle im Eiter nachgewiesene Bacillus auch der Erreger der Seuche sei, fehlte noch der Nachweis der Reproduzierung der Krankheit mit der Reinkultur. Ich habe nun mit der 5. Generation einer Reinkultur mit positivem Erfolge die vollständige Krankheit erzeugen können; damit ist die Stellung des Ba- cillus als Erreger der Krankheit wohl für immer unumstößlich festgestellt. Die Infektion gelingt noch mit 4 Wochen alten Kulturen; mit Eiter ° habe ich noch nach Monaten positive Uebertragungen der Krankheit erzielt. Diese positive Infektion erreicht man schon mit wenigen Tropfen einer Bouillonkultur. Wenn die geimpften Tiere sterben, so Be sie in der Regel#@ nach 8 Tagen. Es ist mir aber nur dann gelungen, den Tod der Tiere herbeizuführen, wenn die Lufttemperatur eine hohe, zwischen 35 —45°C, war; in kälteren Jahreszeiten ist es mir nicht ein einziges Mal ge- lungen, ein Tier zu töten, ich erzielte immer nur die chronische Form, die ich oben beschrieben habe. Es ist dieses ein sehr bemerkenswertes Faktum, welches aber sehr wohl mit der epidemiologischen Beobachtung in Einklang zu bringen ist, daß die Todesfälle häufiger werden, je heißer das Klima ist. In den gestorbenen Tieren fand ich mit Regelmäßigkeit, sowohl bei den mit Eiter wie den mit Reinkulturen geimpften, die fraglichen Mikro- bacillen im Blute und in den inneren Organen wieder, so daß es sich ° dabei um eine echte Septikämie gehandelt hat. H F x | Studien über eine in Südamerika bei jungen Rindern vorkommende Erkrankung. 141 £ Mit den Reinkulturen habe ich nun eine Reihe weiterer Experi- mente an unseren gebräuchlicheren Laboratoriumstieren gemacht, wie z. B. Mäusen, Ratten, Kaninchen. Diese 5 Tiergattungen erwiesen sich als vollständig refraktär selbst bei Einverleibung größerer Dosen. Indes ist es mir gelungen, Meerschweinchen intraperitoneal mit Erfolg zu in- fizieren. Die Tiere starben nach 24—48 Stunden infolge von Allgemein- infektion. Bei der Autopsie findet man die Bacillen wieder in der Bauchhöhle, im Herzblute und allen inneren Organen. In gewisser Beziehung ist dieses sehr wertvoll. Es ist mir nämlich gelungen, durch Infizierung eines Meerschweinchens auf einfachste Weise zu einer Rein- kultur zu gelangen in all den Fällen, wo der Eiter durch Luftbacillen etc. _ verunreinigt war. Durch Verimpfung einer Oese Herzblut konnte ich immer die gewünschte Reinkultur leicht herstellen. Ich erwähnte schon, daß es Schwierigkeiten macht, die Kulturen dauernd fortzuzüchten. Ich habe nun versucht, durch Meerschwein- _ passagen die Kultur zu erhalten, derart, daß etwas Bauchhöhlenflüssig- keit eines gestorbenen Tieres auf ein neues Tier intraperitoneal ver- impft wurde. Auch hier riß der Faden nach einigen wenigen Passagen. Da die bekanntesten pathogenen Anaörobier, wie Tetanus und Rauschbrand, durch wasserlösliche Gifte wirken, so interessierte es mich, zu erfahren, ob .auch Aehnliches bei unserem Microbacillus statt- findet. Keimfreie Bouillonkulturfiltrate waren aber stets für Meer- schweinchen ungiftig, einerlei nach welchen Zeiträumen des Wachstums das Filtrat gewonnen wurde. Wir!haben es also nicht mit wasserlös- lichen Giften zu thun, ein Resultat, welches nicht unerwartet kommen kann, wenn man den klinischen Verlauf der natürlichen Krankheit be- rücksichtig. Wir dürften wohl nicht fehlgehen, wenn wir annehmen, - daß es sich lediglich um bakterielle Zellgifte handelt. Auf einen Punkt möchte ich noch aufmerksam machen. In dem Eiter der kranken Rinder finden wir stets eine Reinkultur des Micro- bacillus, solange die Abscesse geschlossen sind. Mit derselben Regel- mäßigkeit begegnen wir aber einer Mischinfektion, sobald der Absceß eine Oeffnung nach außen hat. Ich habe dabei die verschiedensten Bakterien isolieren können, aber kein einziger der angetroffenen Bakterien kann Anspruch auf eine ätio- logische Bedeutung bei dieser Krankheit erheben. Zum Schlusse noch ein Wort über die Therapie. Es könnte der Ge- danke naheliegen, ein Schutzimpfungsverfahren zu suchen oder ein Heil- _ serum zu erforschen. Das ist in diesem Falle absolut nicht von Nöten. Die Therapie ist die denkbar einfachste. Man braucht nur mit einem beliebigen scharfen Messer den Absceß, und zwar möglichst früh- zeitig, breit zu spalten und den Eiter abzulassen, so tritt ohne weiteres Zuthun in kürzester Zeit komplette Heilung ein. Durch diese einfache und ganz selbstverständliche Maßnahme kann man jeden Verlust vermeiden, und für mich bleibt nur das eine wunder- bar, wie man nicht längst auf dieses einfache Auskunftsmittel verfallen ist und wie bis heute solch enorme Verluste, wie sie in Brasilien bis zur Stunde vorkommen, überhaupt vorkommen konnten. Ich hoffe, daß in dieser Hinsicht mein Studium einen guten Erfolg haben wird. Die Bakteriologie ist bereichert um den kleinsten Micro- bacillus, der noch dadurch besonders bemerkenswert wird, daß er ein Anaörobier ist. 142 O. Voges, Nachdruck verboten. Panophthalmia bovina careinomatosa ). Von Dr. ©. Voges in Buenos Aires. Mit 1 Figur. Im Frühjahre 1900 war ich von der Provinzialregierung in Entre-- Rios beauftragt, Studien über den Ausbruch der Maul- und Klauen- seuche in den Distrikten Gualeguay und Gualeguaychu zu machen und die Maßnahmen anzuordnen, welche zur wirksamen Bekämpfung dieser Seuche getroffen werden sollten. Bei dieser Gelegenheit begegnete ich auf der Estancia eines mir befreundeten Herrn einer Augenerkrankung bei Rindern, welche mir bisher unbekaunt gewesen war. Da mir eins von den beiden vorgefundenen Stücken Rindvieh bereitwilligst zur Sektion überlassen wurde, so bin ich in der Lage, ausführlicher über diese Krankheit berichten zu können. Der Fall betraf einen alten Stier der Hearesforth-Rasse und war das Tier absolut reinrassig. An der Stelle, wo man das rechte Auge sehen sollte, entdeckte man einen enorm großen Tumor, der wallförmig die Augenhöhle umgab. Die Oberfläche dieser -Tumormassen war bröckelig und zum Teil eiterig zerfallen und mit Blut- und Eiter- borken bedeckt. In die Tiefe der Augenhöhle hinein waren große Tumor- massen hineingewuchert und hatten den Augapfel derartig zusammen- gedrückt, daß das Tier vollständig auf dem Auge erblindet war. Das ganze Bild erinnerte lebhaft an einen ausgebrannten Krater. Die Situa- tion wurde kompliziert dadurch, daß sich Fliegenmaden im Grunde entwickelt hatten, wodurch ein stinkender Fäulnisprozeß gebildet war. Die eigentlichen Tumormassen fühlten sich derb und hart an, ließen sich aber bequem von den unterliegenden Knochenmassen abheben. Der Prozeß war somit ausgedehnt auf die Conjunctiva des Auges, die Augenlider und die Umgebung derselben bis zu den Brauen. Das andere Auge war gesund. Das Tier war indes trotz bester Pflege ganz enorm heruntergekommen und abgemagert, so daß sein Tod in nicht allzu ferner Zeit erwartet wurde. Bei der Sektion fand sich sonst nichts Pathologisches. Alle inneren Organe waren vollkommen gesund, auch die benachbarten Drüsen waren, was ich noch besonders betonen möchte, vollkommen intakt. Es lag der Gedanke nahe, daß es sich um eine unbekannte Infek- tionskrankheit handelte, die durch irgend einen Bacillus verursacht sei, zumal da man bei Lepra ähnliche Knotenbildung beobachtet hatte. Es war leider unter den obwaltenden Umständen durchaus unmög- lich, irgend welche Kulturen zu machen, ich bedaure das sehr, da mir dadurch wichtige Aufschlüsse unmöglich geworden sind. Es wurden indes in der Tiefe liegende Teile der Tumormassen gehärtet und Schnitte angelegt. Dabei ließ sich bereits an den Fuchsinpräparaten erkennen, daß es sich um eine bekannte maligne Geschwulst handelte und die nunmehr angewandte Färbung mit Hämatoxylin ließ unzweifelhaft er- kennen, daß es sich um ein Carcinom handelte. Wir hatten alles andere als das erwartet und war unsere Ueberraschung vollständig. 1) Nach einem Vortrage, gehalten auf dem spanisch-amerikanischen Kongresse iu Montevideo, April 1901. Panophthalmia bovina carcinomatosa. 143 In der beifolgenden Zeichnung gebe ich ein naturgetreues Bild des Tumors. Ich verdanke sie der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Friedrich Delius, Chefarzt des deutschen Hospitals in Buenos Aires, und versäume ich nicht, ihm auch hier meinen Dank zu sagen. Die Zeichnung muß als sehr gelungen bezeichnet werden. Ich möchte noch bemerken, daß wir speziell auch auf Hefezellen untersucht und die von Busse empfohlenen Färbe- methoden angewandt haben, aber es wurde nichts Verdächtiges gesehen. Die Geschwulst macht genau den Eindruck eines Hornkrebses. Es unter- liegt gewiß keinem Zweifel, daß es sich um ein Epithelialcarcinom handelt. Interessant war zu wissen, ob auch Metastasen vorkommen, aber nichts der- gleichen wurde beobachtet, selbst die nächstgelegenen Lymphdrüsen waren normal. Nachdem diese Thatsachen festge- stellt waren, haben wir eifrig Nach- forschungen nach weiteren Erkrankungsfällen angestellt.. Ein glücklicher Zufall hat uns dann noch einige weitere Fälle finden lassen. Ich will hier im Zusammenhange die Forschungsergebnisse berichten. Die in Frage stehende Augenerkrankung kommt nur bei Heares- forth-Rindvieh vor, und zwar nur bei alten Tieren, einerlei ob männ- lichen oder weiblichen Geschlechtes. Auch bei dieser Rindviehrasse müssen wir noch eine Einschränkung machen insofern, als nur die Tiere befallen wurden, die einen rein weißen Kopf haben, dagegen ist die Erkrankung bei den Tieren, welche einen Kranz von roten Haaren um die Augen haben, nie beobachtet worden, eine höchst bemerkenswerte Beobachtung; offenbar ist mit dem Auftreten von Pigment die Disposi- tion für diese Erkrankung aufgehoben. | Das Vorhandensein der Krankheit, die auch bei dieser Tierrasse ziemlich selten ist, wird zunächst erkannt an dem Thränen des Auges. Die Krankheit scheint von der Conjunctiva des linken Augenwinkels ihren Ausgangspunkt zu nehmen. Hier findet man auf der Conjunctiva ‚kleinste Knötchen. Diese beginnen nun zu wuchern und greifen auf ‚die Conjunctiva der Augenlider über. Die Tumoren wachsen allmählich ‚und nehmen dann ungeheuere Dimensionen an, die wir oben bereits kennen gelernt haben. Damit schließt das erste Stadium ab, welches ich als das Stadium der Tumorbildung bezeichnen möchte. | Es ist klar, daß es an einer so exponierten Stelle, wie es die Um- gebung des Auges ist, sehr bald zu Läsionen kommen muß, wodurch der Einwanderung von Bakterien der verschiedensten Art Thor und Thür geöffnet ist. Dazu kommt noch, daß die verschiedensten Fliegen hier ihre Eier ablegen und sich darauf die Larven derselben hier üppig ntwickeln. Das Schicksal des Auges ist damit vollständig besiegelt. 144 0. Voges, Panophthalmia bovina carcinomatosa. Im Verlaufe des zweiten Stadiums, dem Stadium der Eiterung, geht das Auge vollständig verloren. Es entsteht nun die Frage, was aus dem anderen gesunden Auge wird. In der Regel bleibt es intakt, aber es kann auch an diesem der- selbe Vorgang Platz greifen mit dem Endresultat, daß auch dieses Auge verloren geht und das Tier dann vollständig erblindet. Ob diese In- fektion des zweiten Auges als Sekundärinfektion aufzufassen ist oder ob es sich um eine Neuinfektion sui generis handelt, konnte seither bei dem äußerst spärlichen Material, welches für die Beobachtung vorlag, nicht entschieden werden. Metastasen in den inneren Organen wurden in keinem Falle beob- achtet, auch nicht in den Fällen, die von anderer Seite studiert waren, worüber ich Mitteilungen erhielt. Die Krankheit verläuft recht langsam und endet immer mit enormer Kachexie. | Die Krankheit ist heilbar durch Operation, bestehend in Entfernung der erkrankten Teile. In einem Falle, welcher als ganz frisch bezeich- net werden mußte, konnten bei einer Kuh die ersten kleinen Granula entfernt werden. Der Erfolg war ein ausgezeichneter, bis nach etwa einem Jahre ein Recidiv auftrat. In einem anderen Falle wurde der ganze Bulbus enukleiert und lediglich im Gesunden operiert. Der Erfolg war ein dauernder. Da es sich meist um wertvolle Rassetiere handelt, die einen Wert von 1000 M. und mehr haben, so erscheint die Operation durchaus wünschenswert, da die Zuchtstiere dadurch z. B. nicht in ihrer Berufs- thätigkeit beeinträchtigt werden, und wenn sie auch ihren Wert als Handelsware verlieren, doch für den Züchter an Wert nicht eingebüßt haben. Ich glaube daher, daß man durch frühzeitiges Operieren viel Gutes stiften kann, man sollte allerdings immer die wertvollen Tiere von Zeit zu Zeit revidieren. Das letztere ist aber manchmal bei den halbwilden Tieren etwas schwierig. Immerhin giebt aber das „thränende Auge“ Anhaltspunkte und ein besonders wichtiges Kriterium. Da wir nun wissen, daß nur bei solchen Tieren das Augencarcinom auftritt, welche pigmentlos sind, ist man neuerdings auf die Idee ver- fallen, Hearesforth- Tiere zu züchten, welche einen roten Haarring um | die Augen haben. Die Tiere sehen weniger hübsch aus, aber sie sind \ damit vor dem Careinom bewahrt und augenblicklich sind gerade diese ° | Typen Modesache geworden. Nachtrag bei Absendung der Arbeit. In der letzten mir zugegangenen No. 20 der dtsch. tierärztl. Wochen- | schr. 1901 finde ich ein Referat von Dr. Eber über eine Arbeit von Leo Loeb M.D. und George Jobson D.J.S. Chicago, betitelt: „Ueber Carcinome bei Rindern“. Diese Arbeit ist erschienen in The Journ. of Comp. Med. and Veterinary Arch. 1900. Juli. p. 385. Nach dem Referate — das Original war mir leider nicht zugäng- lich — haben die Verff. an Schlachthöfen unter 2514446 Rindern 48 Fälle von einem Augencarcinom gefunden, ausschließlich bei Kühen, die über 6 Jahre alt waren. Es handelte sich um einen Plattenepithel- krebs mit Hornperlenbildung. Die Entwickelung scheint ähnlich wie in | | : | | meinen Fällen. Auffällig erscheint mir aber, daß die Fälle nur Kühe : betrafen, während in meinen Fällen vorwiegend Stiere befallen waren. s “ » Die Verfi. sagen auch nichts über die Kuhrasse und ebensowenig finde ich eine Andeutung über die Beziehungen zum Hautpigment. In einem Falle haben die Autoren ein Carcinom der Vulva beob- achtet. Hier ist bis jetzt nichts Derartiges gesehen worden. Eug. Centanni, Die Vogelpest. 145 Nachdruck verboten. Die Vogelpest'). Beitrag zu dem durch Kerzen filtrierbaren Virus. [Aus dem Laboratorium für allgemeine Pathologie der Universität Ferrara. Von Prof. Eug. Centanni. Mit 2 Figuren. 1. Geschichtliches. Seit ungefähr 10 Jahren wird in Italien eine infektiöse Krankheits- form des Geflügels beschrieben, bei welcher der pathogene Keim und zum Teil auch das klinische Bild dem nicht entspricht, was die Unter- suchungen Perroncito’s und Pasteur’s als Hühnercholera klassisch haben werden lassen. Der am meisten heimgesuchte Teil ist die obere Hälfte der Halb- insel, wo die Krankheit beständig verbreitete Herde zeigt und mehr- _ mals eine fast allgemeine Ausdehnung gewonnen hat, so daß sie den _ Züchtern sehr großen Schaden verursachte und den bedeutenden Aus- ‘ fuhrhandel in Gefahr brachte. | Die ersten Spuren dieser Krankheit können in dem Handbuch der _Ornithoiatrie von Rivolta u. Delprato?) (1830) gefunden werden, wo die Verfi. neben der echten Geflügelcholera eine andere Form „typhus exsudativa gallinarum“ unterscheiden, deren Charaktere von der klinisch- anatomischen Seite schr an unsere Krankheit erinnern. Ueber die erste dieser Epizootien wird von Perroncito?’) im Jahre 1894 in dem Territorium von Novara in Piemont berichtet. Sehr heftig trat die Epizootie in den Jahren 1898—99 auf, wo sie ganz Piemont und die Lombardei ergriff und sehr ausgedehnte Studien über die Form veranlaßte, besonders von Mazza*t) in Turin und von Bel- fanti und Zenoni) in Mailand. Zugleich entstand eine lebhafte Diskussion in der Accad. med. di Torino, wo auch Perroncito‘), und 4. April 1901. (Riforma medica. Vol. II. 1901. April. p. 81, Mai. p. 332; La - elinica veterinaria. 1901. No. 24 u. f.; Berl. tierärztl. Wochenschr. 1901. No. 34.) An einigen Stellen bin ich von meinem Zuhörer E Savonuzzi unterstützt worden. Hier sind mehrere Einzelheiten und die Kapitel 1, 4,7,13,14, 15 (teilweise) hinzugefügt worden. 2) Rivolta e Delprato, L ornitoiatria o la medicina degli uccelli domestici e semidomestici. Pisa 1850. 3) Perroneito, Intorno ad una epizoozia tifoidea del pollame, che non & il cholera dei ei, palmipedi e colombi. (Accad. med. di Torino. 1894. Febbr.) 4) Mazza, Ricerche batteriologiche sulla recente epizoozia dei polli. (Rivista d’Ig. e di sanitä pubbl. 1899. No. 11; Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Bd. XXVI. 1899; Accad. med. di Torino. 1899. 19 Maggio.) 5) Beifanti und Zenoni, Sulla recente epizoozia dei polli in Lombardia. (La _ @linica veterinaria. 1899. No. 34 u. 35.) 6) Perroneito, Sulla malattia dominante nei polli. (Accad. med. di Torino. ” . 1899. 26. Maggio.) Erste Abt. XXX1. Bd, 11 - na Dar 1) Mitteilungen an die Accademia medica di Ferrara in den Sitzungen vom 9. März | 2 F ’ { 146 Eug. Centanni, Abba!), Foa und Öesaris-Demel?) über ihre Untersuchungen be- richteten. Eine andere schwere Epizootie, von Brusaferro?°) be- schrieben, wütete in den Provinzen Parma und Reggio-Emilia. Auch Deutschland wurde in diesem Jahre von derselben oder einer sehr ähnlichen Epizootie heimgesucht. Ein Herd hatte seinen Ursprung in der Braunschweiger Geflügelausstellung und breitete sich in Olden- burg aus; ein anderer trat in Württemberg auf. Der erste wurde von Jess!) und Greve°), der zweite von Scheurlen und Buhl‘) und von Zupke’') in dem pathologischen Institut zu Stuttgart studiert. Die klinischen und pathologisch-anatomischen Charaktere, die bei der Infektion beschrieben werden, ähneln sehr denen der Hühnercholera im allgemeinen, sowie allen sehr virulenten und ansteckenden Septikämieen. Der Unterschied beginnt bei dem Grade der Beteiligung des Magen- darmapparates, in dem sich nicht, wie bei der Cholera, das große Ueber- maß diarrhoischer, serös-schleimiger Faeces findet, sowie die entsprechen- den makroskopischen Läsionen. Die verschiedenen angeführten Beobachter leiten sämtlich die Krank- heit von speziellen Bakterien ab, aber diese unterscheiden sich immer durch ihre geringe Neigung, sich im allgemeinen zu verbreiten und durch viele kulturelle und pathogene Eigenschaften von dem typischen Bakterium der Hühnercholera, und es besteht nicht einmal Ueberein- stimmung über die Charaktere der verschiedenen Keime. Diese verlieren jetzt ihren ganzen Wert, außer insofern, als sie die Krankheit zufällig komplizieren, und von diesem Gesichtspunkte aus werden sie weiterhin studiert werden. Die Epizootie, welche die gegenwärtige Untersuchung veranlaßt hat, begann im Anfange des Jahres 1901 sich in der Gegend von Ferrara zu entwickeln. Sie drang in die Emilia, die Lombardei, das Venetianische ein, wobei sie immer heftiger wurde, bis gegen Ende des Frühjahres. Nach einem Nachlaß im Sommer, der auch in der vorigen Epizootie bemerkt worden war, kündigte der Herbst an einigen Orten das Wieder- auftreten der Sterblichkeit an. Zu meinen Beobachtungen sind erst die von Maggiorau. Valenti°) von dem hygienischen Institut zu Modena hinzugekommen, die eine Epi- zootie einem eingehenden Studium unterworfen haben, welche Ende des Frühlings in den Umgebungen dieser Stadt ausbrach. Kürzlich sind die Beobachtungen von Lode und Gruber?) aus dem hygienischen Institute 1) Abba, Accad. med. di Torino. 1899. 19 Maggio. 2) Foä und Cesaris-Demel, Sulla recente epizoozia dei polli in vari paesi del Piemonte. (Accad. med. di Torino. 1899. 26 Maggio.) 3) Brusaferro, Un’ epizoozia dei polli nelle provincie di Parma e Reggio. (La clinica veterinaria. 1901. No. 5, 6, 7.) 4) Jess, Die Braunschweiger Hühner- und Putenseuche. (Berl. tierärztliche Wochenschr. 1901. p. 191. — Centralbl. f. Bakt. I. Abt. Bd. XXIX. 1901. p. 755.) 5) Greve, Beobachtungen über eine von der Braunschweiger Geflügelausstellung in der Stadt und das Amt Öldenburg eingeschleppte Hühnerseuche. (Dtsch. tierärztl. Wochenschr. 1901. p. 373. No. 37.) 6) Scheurlen und Buhl, Zur Kenntnis der seuchenhaften Bauchfellentzündung der Haushühner. (Berl. tierärztl. Wochenschr. 1901. p. 369.) 7) Zupke, Die neue Geflügelseuche. (Berl. tierärztl. Wochenschr. 1901. p. 394.) 8) Maggiora e Valenti, Su una epizoozia di tifo essudativo dei gallinacei. (Accad. med. di Modena. 20 giugno. 1901. publiziert Oktober 1901.) 9) Lode und Gruber, Bakteriologische Studien über die Aetiologie einer epi- demischen Erkrankung der Hühner in Tirol 1901. (Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Bd. XXX. 1901. Nov.) Si Die Vogelpest. 147 zu Innsbruck erschienen, die im verflossenen Sommer an einer Epizootie gemacht wurden, die an einigen Orten Tyrols infolge der Einführung italienischer Hühner auftrat. Die auf die gewöhnliche bakteriologische Weise begonnenen Untersuchungen haben später dieselbe Richtung ge- nommen, wie meine Arbeiten, indem in beiden Instituten die Filtrier- barkeit des Virus und einige andere von den beschriebenen Thatsachen bestätigt worden sind. Es ist bei der vollkommenen Gleichheit des kli- nischen und anatomisch-pathologischen Bildes nicht zweifelhaft, daß es sich um dieselbe Krankheit handelte, wie auch wegen der Abstammung der Hühner aus den nahe angrenzenden Gegenden. Ich habe, wenigstens vorläufig, der Krankheit den Namen Vogel- pest gegeben, um sie von der Hühnercholera zu unterscheiden, der die vorwiegende Lokalisierung im Darme und die allgemeine septi- kämische Verbreitung des Bacillus Perroncito-Pasteur zukommt. Hühnerpest wurde früher, wenn auch seltener, als Synonym von Hühner- cholera angewendet; wahrscheinlich verwechselte man ebenso die beiden Krankheiten. Jetzt sind beide durch den Namen und durch ihr eigenes Wesen voneinander getrennt. Ich kann den von Lode und Gruber vorgeschlagenen Namen Kyanolophiea nicht annehmen, der die Cyanose des Kammes zur etymo- logischen Basis hat. Es ist nicht nur etwas voreilig, ein Virus mit einem Namen bezeichnen zu wollen, das noch unbekannt und dessen Zugehörig- keit ganz dunkel ist, sondern die Cyanose des Kammes ist ein gewöhn- liches Symptom der Septikämie des Huhnes, an deren Spitze die echte Cholera steht. Außerdem habe ich unter der großen Anzahl von kranken Tieren, die ich beobachten konnte, solche gesehen, deren Kamm fast bis ans Ende lebhaft rot geblieben oder nur verblaßt war, und — eine seltsame Erscheinung, die schon in meiner früheren Arbeit erwähnt wird — aus einigen Hühnerställen habe ich mehrmals infizierte Hühner er- halten, deren Kamm wegen übermäßiger Entwickelung der Epidermis große weiße Flecken zeigte. 2. Klinische Symptome. Die Krankheit hat einen Verlauf, bei dem von den höchst akuten Fällen an, die vorher keine merkliche Störung aufwiesen und bald nach- her tot gefunden wurden, durch eine Zwischenform, die akute, die 3 oder höchstens 4 Tage dauert, ein Uebergang zu der subakuten statt- ‚findet, die sich höchstens bis zum 7. oder 8. Tage verlängert. Niemals habe ich ein krankes Tier genesen sehen. Ein einmal befallener Hühner- -stall wird meistens ganz zerstört; bisweilen hört, ohne sichtbare Ur- sache, das Sterben auf und ein Teil der Tiere wird verschont. Bei der akuten Form besteht das erste verdächtige Symptom ‚darin, daß die Nahrung verweigert wird. Dann verfällt das Tier nach und nach in einen Zustand von Schwäche und Schläfrigkeit, zieht sich in die entferntesten Winkel des Stalles zurück, gleichgiltig gegen die Umgebung, mit halb geschlossenen Augen, zurückgebogenem Kopf, ge- sträubten Federn, herabhängenden Flügeln, kugelartig in sich selbst zu- sammengezogen. Der Kamm nimmt gewöhnlich eine violette Färbung an, die von den Rändern ausgeht oder Flecken an den Seiten bildet, bis er fast schwarz erscheint. In einigen Fällen bedeckt er sich dagegen mit weißen Schuppen. 11* 148 Eug. Centanni, Der Tod tritt gewöhnlich ruhig in soprösem Zustande ein, der nur bisweilen durch kurze Krampfanfälle unterbrochen wird. In den langsamer verlaufenden Formen, die man bei der spontanen Infektion ziemlich häufig antrifft, hört das Tier ganz auf zu. fressen und zu saufen, und nimmt eine Neststellung an, gegen das Licht geschützt, und sein allgemeines Aussehen könnte über seine Ge- sundheit täuschen. Wenn man versucht, das Tier zum Aufstehen und Gehen zu ver- - anlassen, so erhebt es sich nicht auf die Füße oder bewegt sich mit Schwierigkeit, schwankend und mit dem Kopfe wackelnd und gegen Hindernisse anstoßend, die es nicht vermeiden zu können scheint. Mit dem Fortschreiten der Krankheit nimmt die Parese zu und der Sopor wird immer tiefer. In einigen Fällen haben wir im vorgeschrittenen Stadium Sekret aus den Nasenöffnungen und aus dem Munde abfließen sehen. Masg- siora und Valenti berichten von einer seltenen diphtheroiden Form der Krankheit, wo ein schleimig-fibrinöser Beleg auf den Oral-, Nasen- und Pharyngealwänden erscheint, oft mit Teilnahme der Con- junctiva. Das Tier hat einen besonderen gellenden Schrei und, wenn man die Nasenlöcher preßt, sieht man eine fadenziehende, schmutzig- graue oder gelbliche Flüssigkeit austreten. Die Temperatur, die nach den Messungen von Maggiora und Valenti, Lode und Gruber eine Erhöhung von !/,—1° C (bis 439% aufweist, sinkt in der Agonie stark herab, unter 30°. Die während der Krankheit entleerten Faeces sind in der Regel weder reichlich noch diarrhoisch; doch habe ich von einigen Fällen und aus einigen Infektionsherden Nachricht erhalten, wo die Tiere häufig eine Menge von flüssigen Faeces entleerten, aber in den regelmäßigsten typischen Fällen in der Praxis und nach der Erfahrung im Laboratorium sind die Faeces ziemlich hart, oft grünlich gefärbt und von regelmäßiger Menge; in der letzten Periode der Krankheit entleeren einige Hühner ° kaum etwas. In der Periode der Agonie und nach dem Tode findet Austritt einer Flüssigkeit aus After und Schnabel statt. | 3. Makroskopische Veränderungen. Die Hautfarbe der gestorbenen Tiere ist bisweilen ziemlich hell, fast normal, nicht selten ziemlich dunkelrot, mit gleichförmigen Flecken. Das Fleisch zeigt außer der dunklen Farbe nichts Abnormes. In keinem der beobachteten Fälle zeigte sich ausgedehnte ödematöse Schwellung des Unterhautgewebes der Brust bis zum Hals und Kopf, die von einigen Beobachtern bemerkt worden ist (Belfanti und Zenoni, Brusa- ferro, Maggiora und Valenti), so daß das Tier die geschwollenen ° Augenlider nicht mehr öffnen konnte. Am Herzen ist das Velamentum des Pericardialsackes verdickt; es ist nicht mehr durchscheinend und milchig geworden. Das Epicar- dium ist ebenfalls opak, bisweilen mit zerstreuten, weißlichen Flecken ° und blutgefüllten Gefäßen. Von einigen Forschern wurde auch als ein Charakter der Krankheit das Gelbwerden der Spitze des Herzens an- gegeben, was deutlicher und häufiger sei, als bei gesunden Hühnern. Diesen Befund haben wir mehrfach fehlen sehen, und außerdem zeigen die histologischen Schnitte von diesem Teil bei infizierten Hühnern nur eine Anhäufung von Fettzellen mit der gewöhnlichen Beschaffenheit der Die Vogelpest. 149 Ablagerungen unter dem Pericard. Wir halten es daher nicht für ein Symptom von einigem Wert. Wenn die Krankheit, wie es in den schwersten Fällen geschieht, hämorrhagisch wird, trifft man die petechienförmigen Flecken mehr, als in anderen Organen, am Pericard und im Bindegewebe des Mediastinum anterius; in dem Pericard, das den Ursprung der großen Gefäße be- deckt, hebt sich die Punktierung scharf von dem gelben Grunde des darunter liegenden Gewebes ab. Die Höhle des Pericards zeigt nur bisweilen deutliche, fibrinöse Adhärenzen, gewöhnlich enthält sie auch kein Exsudat; nur in ungefähr einem Fünftel der beobachteten Fälle wurde es durch reichliches (4— 5 cem) blaßgelbes, klares, gewöhnlich flockenloses Exsudat ausgedehnt, das einige Zeit nach der Entnahme zu einer gelatinösen Masse gerann. Ein ähnliches, gallertartiges Exsudat infiltrierte bisweilen auch das Bindegewebe des Mediastinums. Die Herzhöhlen finden sich fast immer in Diastole:; die geringe natür- liche Neigung des Hühnerblutes zur Gerinnung ist bisweilen noch mehr vermindert. Besonders in den schweren Fällen bleibt es viele Stunden lang in der Leiche, und nachdem es in Röhren gefüllt worden war, flüssig. Im Respirationsapparat bildet Pleuritis die konstanteste Er- scheinung, die in den schwersten Fällen die Lunge mit dicken graulichen Schichten fibrinösen Exsudats bedeckt. Reichliches flüssiges Exsudat ist nur wenige Male angetroffen worden. Auch punktförmige Hämorrhagieen auf der parietalen Pleura sind selten. Die Lunge ist mehr oder weniger kongestioniert mit hämorrhagischen Suffusionen, bis zu dunkelroter Färbung; weniger häufig findet man Pneumonie mit diffuser Impermeabilität des Parenchyms. Die Leber ist vergrößert, blaß, etwas gelblich, sehr zerreiblich und in einigen Fällen mit Exsudat oder wie von einer Hülle oder einer dichteren Schicht bedeckt, die sich leicht in Gestalt einer gelatinösen Schwarte ablöst. Auch andere Beobachter (Belfanti und Zenoni, Lode und Gruber) geben das Vorkommen von Exsudaten von gela- tinösem Charakter an. sei es in der Höhle, des Pericards oder über der Leber, oder um die Impfstelle in der Haut verbreitet. Es handelt sich nur um ein geronnenes seröses Exsudat mit wenig Neigung, sich zu- sammenzuziehen, wie man im allgemeinen an den in Röhren gesammelten - Säften der kranken Hühner beobachtet. | Der Darm ist kongestioniert mit sichtbaren Arborescenzen, aber "niemals so schwer, daß es zur Hämorrhagie kommt. Das ihn be- ke deckende Peritoneum ist opak, fast als ob es eine dünne, milchige Schicht bedeckt. Wenn die Nekroskopie nicht frühzeitig ausgeführt wird, findet man die zwei Coeca schieferbraun und so auch einige Stücke des Dünndarmes. Der Darminhalt ist breiig und dunkelgrün. Peritonealexsudat fehlt in der Regel; nur in wenigen Fällen kann man eine mäßige Menge desselben von trübem, gelblich-chilösem Aus- sehen antreffen. In schweren Fällen ist das Peritoneum mit Ekchymosen _ bestreut, sowohl am parietalen Blatte als am Netze, ebenso die Därme, die Ovarien, wo sie besonders an den fettreichen Teilen hervortreten. Milz und Nieren sind hyperämisch, bläulich, zerreiblich. Ich muß sogleich bemerken, daß das anatomisch-pathologische Bild, wie es hier beschrieben wurde, nicht das häufigste ist, und daß es sehr schwierig ist, es vollständig anzutreffen. Nur in einigen Fällen mit langsamem Verlauf, und besonders, wenn die künstliche Infektion mit 150 Eug. Centanni, starken Dosen des Virus gemacht wurde, zeigen die inneren Läsionen in allen Teilen die größte Stärke. Oft ist der Befund, abgesehen von einigen Kongestionen, ganz oder fast ganz negativ; am häufigsten scheinen beginnende Herzläsionen aufzutreten. 4. Histologische Läsionen. Die Präparate sind den am meisten entwickelten akuten und sub- akuten Fällen entnommen. Härtung in Sublimat und Flemming; Färbung mit Alaunkarmin, Tionin, Safranin, nach der Methode von Weigert für Fibrin. Infiltrat an der Injektionsstelle. Eine fibrinöse Membran im oberflächlichen Teile, mit mäßiger Menge meist vielkerniger Leuko- cyten, die in den tiefsten Teilen sehr dicht werden, fast wie ein Eiter- herd, und zwischen die oberflächlichsten Muskelfasern eindringen, die sie wie ein Netz umgeben. Auch in das Innere der Fasern, die keine Streifung zeigen und stellenweise angenagt erscheinen, drängen sie sich ein. Hier und da Austritt von roten Blutkörperchen, herdweise oder gemischt mit Leukocyten. In den tiefsten Teilen ist das inter- stitielle Bindegewebe in Sprossung begriffen, mit großen epitheloiden Zellen. Herz. Intensive Myocarditis. Fasern von körnigem Aussehen, ohne Streifung, zu Schollen zerbrochen, durch häufige Lakunen getrennt. Die Kerne fehlen an einigen Stellen, an anderen sind sie blaß und zu Bläschen angeschwollen, in einigen Fällen proliferieren sie in Reihen, einige liegen frei mit einem Reste von Protoplasma. Keine Fettdegene- ration. Häufig hämorrhagische Herde und starke Kongestion. Wanderung der Leukocyten um die Gefäße. Epicardium mit durch hydropische Räume stark gedehnten Binde- gsewebsmaschen. Seine Zellen geschwollen und mit Leukocyten gemischt. An der Oberfläche eine mehr oder weniger dicke Schicht von fibrinösem, an Zellen reichem Exsudat. Pericard an einigen Stellen mit gedehnten Maschen, die Zellen ver- diekt und leukocytäre Infiltration, bis zur Entstehung kleiner, eiteriger Knötchen; an anderen Stellen normales Aussehen. Die innere Oberfläche ist fast immer mit einer mehr oder weniger dicken Schicht fibrinösen, an Zellen reichen Exsudates bedeckt, bald glatt, bald gefranzt, wodurch die Membran zum großen Teil die Zunahme ihrer Opaecität erhält. Lunge. Gefäße meistens von Blut strotzend; Herde von apoplek- tischen Ergüssen, die alle Alveolen und das dazwischen liegende Binde- gewebe unkenntlich machen. An anderen Stellen sind die Alveolen er- halten und enthalten größere oder kleinere Mengen von im Ganzen wenig zellenreichem Exsudat, das auch einige der größeren Bronchien erfüllt. In einigen Alveolen und Bronchien ist das Exsudat gleich- förmig albuminös, fast ohne Zellen, ein Zeichen von bestandener Oedem- flüssigkeit. Die fibrinöse Pseudomembran, die die Pleura bekleidet, ist von der gewöhnlichen Beschaffenheit. Leber. Destruktive, parenchymatöse Hepatitis. Die Zellstränge an vielen Stellen zu Schollen von formlosem Detritus reduziert, worin man kaum Spuren von blasigen, sehr blassen Kernen erkennt. Andere Zellen angeschwollen, vakuolisiert, mit undeutlichen Grenzen, gegen einander unregelmäßig angeordnet. Flemming zeigt eine große Menge von meistens ziemlich großen Fetttröpfchen in den Zellen. In dem Organe sind viele leere Lakunen zerstreut. Häufige hämorrhagische Jr Die Vogelpest. | 151 Herde drängen sich zwischen die Inselchen von übrig gebliebenem Parenchym ein. Die gelatinöse Schwarte besteht aus einem feinkörnigen Coagulum mit großmaschigen Verdickungen ohne Zellen. Pankreas. Weder Fettdegeneration noch Hämorrhagieen ; die Zellen sind blaß mit wenig deutlichen Kernen, an einigen Stellen sind sie in körnige Häufchen verwandelt, mit zum Teil leerem Lumen. Darm. Gefäße strotzend, ohne Hämorrhagieen, Maschen durch Oedemflüssigkeit ausgedehnt. Die Zotten sind kongestioniert, ein großer Teil ihres Epithels ist abgefallen, es besteht also ein gewisser Grad von Enteritis. Auf der Oberfläche des Peritoneums ist eine dünne Schicht von fibrinösem, an einigen Stellen dickerem Ex- sudate abgelagert, das, reich an Zellen, bisweilen einige Erythrocyten und Fettkörnchen des chylösen Exsudates eingeschlossen hat. Niere Nephritis parenchymatosa, ebenso zerstörend wie in der Leber, mit derselben Art von Zellalterationen, so daß das Lumen mehrerer Tubuli leer oder mit formlosem Detritus gefüllt erscheint. Man bemerkt nur, daß die Kerne der Tubuli contorti sämtlich in noch sehr färbbare Nester von Granulationen verwandelt sind, während die Kerne der Glomeruli und der Tubuli recti blasenförmig und blaß sind. Bisweilen hat sich das Epithel dieser Tubuli in Masse abgelöst und Epitheleylinder hervorgebracht. Keine Fettdegeneration. Milz. Nichts Besonderes, bis auf die Kongestion und einen dünnen, fibrinösen Niederschlag an der Oberfläche. Kein Uebermaß von Blut- pigment. Im Ganzen zeigt uns die histologische Untersuchung nichts, was nicht zu dem Bilde der gewöhnlichen akuten heftigen Septikämie gehört. Auch angenommen, daß diese Läsionen immer vorhanden wären, was nicht der Fall ist, so leistet uns dieses alte anatomisch-pathologische Kriterium zur Diagnose der Krankheiten auch hier keine allzu wirksame Hilfe. ‚5. Infektionsvermögen des Blutes. Schon bei den ersten Experimenten zeigte sich das dem Herzen infizierter Hühner entnommene Blut bakteriologisch negativ und blieb immer so. Man machte Kulturen von reinem Blute oder mit Fleischbrühe gemischt, oder auf geneigten Agar ausgebreitet, durch Einstich in Gelatine an der Luft und im leeren Raume. Die mikroskopische Untersuchung des direkt dem Huhne ent- nommenen Materiales oder des aus den Kulturen herrührenden wurde mit Loeffler’s Methylenblau, mit Ziehl’s einfachem Fuchsin oder mit der Tuberkelentfärbung, nach der Methode von Gram, nach Möl- ler’s Methode für die Sporen und nach Bunge’s Methode für die Cilien ausgeführt. Man konnte niemals weder Bakterienformen noch andere fremde Elemente erkennen. Dennoch töteten einige Tropfen des untersuchten Blutes, wenn sie unter die Haut injiziert wurden, das Tier unfehlbar zwischen dem 2. und 3. Tage. Dasselbe bewirkte die Emulsion, die durch Zerquetschung des Herzens oder der Lunge in physiologischer Kochsalzlösung hergestellt wurde. Das virulente Vermögen des Blutes war sehr stark; es genügte, ein- fach eine Nadel in dasselbe einzutauchen, jedes Uebermaß davon zu entfernen und die Haut des Tieres anzustechen, um den Tod selbst in der kurzen Zeit von 30 Stunden eintreten zu sehen. Maggiora und 152 Theodor Odhner, Valenti haben die tödliche Minimaldosis berechnet und gefunden, daß ein Huhn der Injektion von 4 ccm einer zu 1:125000000 Dilation des Blutes binnen ‚60 Stunden unterliegt. Die Infektion geschah auch auf gastrischem Wege, wenn man ein wenig Blut auf das Futter spritzte. Der Tod trat ebenso schnell oder nur wenig langsamer ein. Das interessanteste Faktum war das, daß das im Zustande der größten Klarheit abgesonderte Blutserum (wo natürlich das Mikroskop keinerlei nachweisbare Keime gefunden hatte) die Krankheit ebenso er- zeugte wie das vollständige Blut. Der Verlauf der Krankheit entwickelte sich bei diesen infi- zierten Tieren in folgender Reihenfolge: Am 1. Tage schien das Tier noch gesund, am 2. Tage hörte es auf zu fressen und sträubte die Federn, der Kamm bräunte sich; am 3. fand man es sterbend oder tot, ohne andere Besonderheiten. Bei der Sektion fand man die charakteristischen Läsionen der spon- tanen Infektion. In den an der Impfstelle entwickelten Läsionen herrscht keine Regelmäßigkeit. In einigen Fällen findet man einen stark hämorrhagischen Fleck mit fibrinösem und gelatinösem Exsudate, der bis zu einer gewissen Tiefe in die Muskeln eindringt. Durch Zwischenzustände gelangt man zu Fällen, wo jede Läsion fehlt und das Virus ohne jede örtlichen Reiz resorbiert worden zu sein scheint. (Schluß folgt.) Nachdruck verboten. Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen I. | Von Theodor Odhner, Upsala. Mit 3 Figuren. 1. Drei neue Distomen aus der Gallenblase von Nilfischen. In der Gallenblase von Süßwasserfischen waren bis jetzt, von dem wenig bekannten Dist. obesum Dies. abgesehen, keine Distomen gefunden worden. Die folgenden 3 Arten, die ich in Nilfischen gesammelt habe, dürften daher schon aus diesem Grunde nicht ohne Interesse sein. Unter diesen gehört eine zu den Opisthorchiinen, einer Gruppe, deren zahlreiche Arten man bis jetzt mit einer Ausnähme (Metorchis amphileucus Lss. aus der Leber von Naja haje) nur in der Leber von Warmblütern gefunden hatte. Ich habe nun aber zahlreiche Exemplare einer neuen Art der Gattung Opisthorchis (R. Bl.) Lss. in der Gallenblase von Gymnarchus niloticus des Weißen Nils gesammelt (Omdurman, April 1901). Opisthorchis piscicola n. sp. Körper ca. 3—4 mm lang. Größte Breite ca. !/, mm, in der Gegend der Körpermitte gelegen. Von da aus verjüngt sich der Wurm stark nach vorn, viel weniger aber nach hinten zu. Vorderende abge- rundet. Aeußerstes Hinterende hinter den Hoden plötzlich zugespitzt. Mundsaugnapf kreisrund, im Durchmesser 0,19—0,22 mm; Bauchsaug- napf queroval (0,26 X 0,3 mm), ungefähr am Ende des ersten Körper- R D ‘3 >. Zu Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. II. 153 fünftels. Der Körper mit kleinen, breiten Stacheln bewaffnet. Pharynx 0,08 mm im Durchmesser. Hoden schwach gelappt, in der Medianlinie gelegen. Keimstock mehr oder weniger eingekerbt. Alle 3 Keimdrüsen dicht hintereinander gelagert. Dotterstöcke vom Hinterrande des Keim- stocks aus nach vorn bis an den Anfang des mittleren Körperdrittels reichend. Reife Eier 0,021 mm lang und 0,011 mm breit. In sonstiger Hinsicht stimmt die Art mit der von Looss!) gegebenen Diagnose der Gattung und Unterfamilie völlig überein. Eine zweite, der Gallenblase einer noch nicht definitiv bestimmten Synodontis-Art entstammende Form, die ich einmal in 2 Exemplaren in Omdurman (April 1901) gesammelt habe, scheint mir unter den näher bekannten Distomen an das im Darme brasilianischer Flußschildkröten vorkommende Dist. pulvinatum Brn.?) am meisten zu erinnern. Soweit unsere Kenntnisse beider Formen eine Vergleichung gestatten, unter- scheidet sich die von mir gefundene Form von der Braun'’schen Art hauptsächlich durch den Mangel der kissenartigen Anhänge am Mund- saugnapfe sowie durch Darmschenkel, welche das Hinterende erreichen. Auch mit der Gattung Enodiotrema Lss. zeigt meine Form unzweifelhafte Verwandtschaft. Auf Grund des spärlichen Materials muß meine Be- schreibung ein wenig lückenhaft bleiben. Distomum ovofarctum n. Sp. Auf das eine, als Quetschpräparat konservierte Exemplar gründet sich die folgende Beschreibung. Körperlänge 4,25 mm bei einer Maximal- breite von 0,75 mm, die sich am Ende des ersten Körperfünftels findet. Von hier aus ziemlich unbedeutende Verschmälerung nach den beiden gleichmäßig abgerundeten Körperenden zu. Keine Bestachelung vor- handen. Beide Saugnäpfe kreisrund. Bauchsaugnapf ein wenig kleiner (0,36 mm gegen 0,4 mm), am Ende des ersten Körperviertels gelegen. Pharynx kugelig, unmittelbar hinter dem Mundsaugnapfe, 0,13 mm im Durchmesser. Oesophagus etwa doppelt so lang. Darmschenkel das Hinterende erreichend. Exkretionsblase einfach schlauchförmig, ein wenig länger als die halbe Körperlänge. Genitalporus median, unmittel- bar hinter der Darmgabelung. Cirrusbeutel vorhanden, kugelig. Ueber seinen sehr komplizierten Inhalt bin ich mir aber nicht klar geworden. Indessen scheinen Verhältnisse vorzuliegen, welche an die von Looss ' jüngst’) bei Enodiotrema megachondrus geschilderten erinnern. Ich glaube nämlich ein@ geschlängelte, sehr feinkalibrige Samenblase zu erblicken, ebenso wie 2—3 mit dem Genitalsinus in Verbindung stehende Taschen, von denen eine deutlich mit ziemlich kräftigen Stacheln bewaffnet ist. - Keimdrüsen und Dotterstöcke wie bei Dist. pulvinatum Brn. Erstere zeigen indessen bei meinem Exemplar die umgekehrte Lagerung im Vergleich mit der von Braun für seine Art angegebenen. Ein winziges Receptaculum seminis neben dem Keimstocke. Die mit Eiern vollge- pfropften Schlingen des Uterus füllen den gesamten Hinterkörper ganz _ aus. Dimensionen der Eier ca. 0,065X 0,037 mm. | Die dritte Art habe ich in einem einzigen Exemplar in der Gallen- blase von Polypterus bichir aus dem Weißen Nil gesammelt. Sie entfernt 1) Weitere Beitr. z. Trematodenfauna Aegyptens etc. (Zool. Jahrb. [Abt. Syst. ete.] Bd. XII. p. 563 u. 564.) 2) Trematoden der Chelonier. (Mitteil. Zool. Mus. Berlin. Bd. II. S.-A. p. 24.) En 3) .. zur Helminthologie Aegyptens. IV. (Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XXX. . p. 561.) 154 Theodor Odhner, sich dermaßen von sonstigen näher bekannten Distomen, daß ich kein Bedenken trage, für sie eine neue Gattung zu etablieren. Callodistomum diaphanum n. g.n. Sp. Der schon im Leben dorsoventral stark abgeplattete Körper mißt im Quetschpräparate 5,4 mm in der Länge und hat eine Maximalbreite von 3,2 mm, die ein Stück hinter der Körpermitte zu finden ist. Die Verjüngung nach vorn ist bedeutend stärker als die nach hinten zu, da das Hinterende viel breiter abgerundet als das Vorderende ist. Stacheln fehlen. Die beiden Saugnäpfe sind fast von gleicher Größe: M. 0,55, B. 0,87 mm im Durchmesser, der Bauchsaugnapf liegt äußerst wenig vor der Körpermitte. Pharynx unmittelbar hinter dem Mundsaugnapf, 0,25 mm breit und 0,2 mm lang. Oesophagus 0,5 mm lang. Die Darm- schenkel verlaufen ganz wie bei den Anaporrhutum-Arten. Auf demselben Niveau wie der Hinterrand des Bauchsaugnapfes zeigen sie indessen eine von den außerhalb ihrer und symmetrisch gelagerten Hoden ver- ursachte Einbuchtung medianwärts. Letztere stellen zwei kleine (von 0,55 mm durchschnittlichem Durchmesser) ganzrandige oder schwach eingekerbte Körper dar, von denen die Vasa deferentia nach dem kleinen ovalen (0,38 mm langen und 0,25 mm breiten) und ganz unter der Darmgabelung gelegenen Cirrusbeutel ziehen. Der Genitalporus liegt median. Der Cirrusbeutel enthält eine S-förmig gewundene Samenblase, eine wenig entwickelte Pars prostatica und einen kurzen schwachen Cirrus. An der rechten Seite der Medianlinie, dem Hinterrande des Bauchsaug- napfes dicht angelagert findet sich der unregelmäßig rundliche Keimstock (Durchmesser ca. 0,22 mm). Der Keimgang zieht nach dem in der Medianlinie unmittelbar hinter dem Bauchsaugnapfe gelegenen Schalen- drüsenkomplexe. Ein Laurer’scher Kanal und ein kleines Receptaculum seminis sind vorhanden. Die schwach entwickelten Dotterstöcke liegen vor den Hoden an beiden Seiten des Bauchsaugnapfes und erinnern an die der Anaporrhutum-Arten. Die Windungen des Uterus füllen den sanzen Körper hinter der Querebene des Bauchsaugnapfhinterrandes. sowohl innerhalb wie außerhalb der Darmschenkel aus. Die sehr dünn- schaligen Eier messen (in geschrumpftem Zustande) ca. 0,07 mm. Die schlauchförmige Exkretionsblase durchsetzt das hintere Drittel der Körperlänge. Die gröberen Gefäße verlaufen gleicherweise wie bei Anaporrhutum albidum v. Ofenh. Was die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Form betrifft, stimmt sie in der Lagerung der Geschlechtsdrüsen und in der Konfiguration des Darmes mit den Anaporrhutum-Arten am meisten überein. Die wichtigsten Unterschiede dieser Gattung gegenüber liegen in dem Vor- handensein von Cirrusbeutel und Laurer’schem Kanal und im Verlauf der Uteruswindungen. F 2. Deropristis n. g. Für zwei schon längst bekannte Distomen, D. hispidum Rud. und D. inflatum Mol., etabliere ich eine neue Gattung, deren obenstehender Name mit Bezug auf die charakteristische Halsbestachelung gewählt ist. Die für beide Arten gemeinsamen Gattungsmerkmale können folgendermaßen zusammengestellt werden. | Ca. 5-12 mm lange Distomen mit einem in die Länge stark ge- streckten, wenig muskelkräftigen und auf dem Querschnitte rundlichen oder ovalen Körper. Vorderkörper bei konservierten Exemplaren oft a 2 0 2: zuden aE EN SE i ’ . > TEE A BERERE SE PETE en Ti en A Fe Be | Be - Br: es Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. II. 155 ” rinnenförmig nach der Bauchseite zusammengekrümmt. An der Mitte des Halses findet sich eine besonders verbreitete Partie desselben, die -von konvexen Seitenkontouren begrenzt wird, und deren Ränder sich - einigermaßen wulstartig abheben. In der dorsalen Medianlinie ziemlich senau über dem Pharynx trifft man ferner immer eine kleine, mehr oder weniger hervortretende buckelartige Hervorwölbung. Der ganze Körper ist ringsum mit in Quincux geordneten, spitzen, schlanken - Stacheln bewaffnet, welche in der Gegend des Bauchsaugnapfes ihre Maximalgröße erreichen, von hier aus aber sowohl nach vorn wie nach hinten zu an Größe abnehmen. Gegen das Hinterende werden sie zu gleicher Zeit auch immer spärlicher, wenn sie auch freilich bis ans äußerste Ende noch zu verfolgen sind. An der Bauchseite ist die Be- stachelung, besonders im Vorderkörper schwächer entwickelt als an der Rückenseite. An den Seitenrändern der verbreiterten Halspartie sind in größerer oder geringerer Zahl besonders grobe Stacheln eingepflanzt. Da indessen zwischen ihnen und der übrigen Körperbestachelung all- mähliche Uebergänge vorhanden sind, können keine bestimmten Zahlen für sie angegeben werden. Die vordersten von diesen Halsstacheln sitzen auf der dorsalen Seite des Körperrandes, nach hinten zu ziehen sie sich aber allmählich nach der Bauchseite hinüber. Weiter sind auch die auf dem kleinen, dorsal über dem Pharynx hervorragenden Buckel befindlichen Stacheln besonders kräftig entwickelt. Die einander stark genäherten Saugnäpfe sind klein und wenig kräftig. Beide haben sie die gewöhnliche Napfform und sind gleich groß oder annähernd von derselben Größe. Durch einen mäßig ent- wickelten Präpharynx steht die Mundsaugnapfhöhle in Verbindung mit dem Pharynx, dem ein für gewöhnlich ein wenig längerer Oesophagus folgt. Die schmalen Darmschenkel ziehen längs der Körperseiten bis ins äußerste Hinterende hin. Die Exkretionsblase ist Y-förmig, mit ganz kurzem, unpaarem Stamm und langen Schenkeln. Im äußersten Hinterende liegen ziemlich unmittelbar hintereinander in der Medianlinie die beiden längsovalen ganzrandigen Hoden. Von ihnen durch einen beträchtlichen Zwischenraum getrennt, findet sich nach vorne zu der kugelige Keimstock und neben ihm der: Schalen- drüsenkomplex. Ein voluminöses Receptaculum seminis ist vorhanden, sowie ein Laurer’scher Kanal. Die Dotterstöcke erstrecken sich, aus kleinen Follikeln zusammengesetzt, längs der Körperseiten und unter - der Rückenfläche, endigen aber nach hinten zu wenigstens in der Höhe - des vorderen Hodens. Das kleine Dotterreservoir, worin die trans- versalen Dottergänge einmünden, findet sich unmittelbar vor dem Keim- stock. Die Windungen des Uterus ziehen aus der Schalendrüse zuerst nach hinten und füllen den Körper bis zu den Hoden aus. Dann gehen sie auf demselben Wege wieder nach vorn und setzen sich vor dem Keimstocke fort nach der Genitalöffnung zu. Die gedeckelten Eier sind von mäßiger Größe (0,038—0,048 mm lang) und in großer Zahl vor- handen. Die Genitalöffnung liegt median am Vorderrande des Bauch- saugnapfes. Die Endteile der Geschlechtswege sind ganz nach demselben Typus wie bei den Arten der Gattung Stephanochasmus Lss. gebaut. Die Vagina erreicht aber höchstens die Hälfte der Länge des Cirrus- beutels und die Samenblase ist durch einen scharfen Einschnitt zwei- geteilt. Als Typus der Gattung betrachte ich Deropristis hispida (Rud.) Ich gehe zur näheren Beschreibung der beiden Arten über. Von dem 156 Theodor Odhner, Typus der Gattung will ich indessen nur eine kürzere Diagnose liefern, da ich binnen kurzem die sämtlichen Distomen aus Störenfischen ein- gehender behandeln und dann auch auf jene Art zurückkommen werde. 1. Deropristis hispida (Rud.). Sämtliche Deropristis-Formen aus dem Darme von Stören, welche mir in mehreren Kollekten sowohl aus dem Mittelmeer wie aus der Ostsee vorliegen, scheinen mir eine und dieselbe Art zu repräsentieren, der dann, wie schon aus der Diagnose Rudolphi’ zur Genüge her- vorgeht und wie die Untersuchung seiner Typen bestätigt hat, der obige Name zweifelsohne zukommt. Als Autor für diese Art hat zwar bis jetzt immer Abildgaard figuriert. Da aber der Name von ihm!) nur als Museumsname ohne jede Beschreibung gegeben worden ist, während Rudolphi?) die erste Diagnose geliefert hat, welche übrigens für die Identifizierung des Wurmes ausreichend sein dürfte, scheint es mir das Richtige zu sein, ihn als Autor anzusetzen. Auf die ziemlich große Litteratur über diese Art gehe ich hier nicht ein. Die erwachsenen Individuen von Deropr. hispida (Rud.) dürften eine durchschnittliche Länge von ca. 12 mm erreichen. Eine gleichmäßige Breite von 0,5—0,65 mm findet sich am größten Teile des Körpers; nur in der Nähe beider Enden tritt eine Verjüngung auf. Die größte Breite des verbreiterten Halsteiles dürfte ca. 0,7 mm betragen. Die ver- srößerten Stacheln am Halsrande erreichen eine Länge von 0,057 mm und sitzen an jeder Seite in einer einfachen Längsreihe von etwa 12 Stück. Die in der Mitte der Reihe sitzenden sind am größten, während sie nach vorn und hinten zu kleiner werden und durch Zwischen- formen in die übrige Körperbestachelung übergehen. Dieser Uebergang ist indessen nicht so allmählich und deutlich wie bei der anderen Art der Gattung. Die 5—6 großen Stacheln, welche auf dem Buckel dorsal vom Pharynx sitzen, sind schlanker als die am Halsrande und werden auch ein wenig länger als diese (0,065—0,074 mm). Von den Saug- näpfen ist der vordere ein wenig kleiner (etwa 0,17 mm gegen 0,19 mm im Durchmesser messend). DBauchsaugnapf ungefähr am Ende des ersten Körperzehntels. Pharynx kugelig, oder längsoval ca. 0,15 mm im Durchmesser. Die Lage des Keimstockes schwankt zwischen der Mitte des Hinterkörpers und dem Anfang des letzten Drittels desselben als Grenzen. Die Dotterstöcke beginnen ungefähr am Anfang des zweiten - Drittels des Hinterkörpers und endigen in der Höhe des vorderen Hodens. Das Hinterende des Cirrusbeutels liegt ungefähr da, wo die Dotterstöcke _ anfangen. Der röhrenförmige Genitalsinus ist sehr gut entwickelt und erreicht eine Länge von etwa der halben Länge des Cirrusbeutels. Innerhalb des Cirrusbeutels nehmen der bestachelte Cirrus und die Samenblase ungefähr dieselbe Länge in Anspruch. Die ebenfalls be- stachelte Vagina erreicht nicht völlig die Länge des Cirrus. Die Eier messen ca. 0,0538—0,043 mm in der Länge. 1) Viborg, Index Mus. Veter. Hafniensis. (Samml. von Abhandl. f. Tierärzte und Oekonomen. Bd. I. Kopenhagen 1795. p. 243.) 2) Entoz. Synopsis. p. 423. en ’ ” Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. I. 157 2. Deropristis inflata (Mol.). Die erste, kurze Beschreibung dieser Art stammt von Molint). Auf dieselbe Form beziehen sich ferner unzweifelhaft auch die Angaben Stossich’s?), der auch eine Abbildung geliefert hat. Dagegen muß es wenigstens auf den ersten Blick ein wenig fraglich scheinen, ob wirklich das von Olsson?°) an der schwedischen Küste gefundene „Dist. inflatum“ mit der Mittelmeerform ‚spezifisch identisch ist. Ich habe selbst eine solche Form noch nicht bei meinen Obduk- tionen schwedischer Meeresfische angetroffen; sowohl die geringe Körper- länge seiner Exemplare (1—4 mm) wie die von ihm aufgeführten Ei- maße machen es indessen zunächst wahrscheinlich, daß Olsson eine nahe stehende Parallelart vorgelegen hat. Die Untersuchung zweier Originalexemplare, die von ihm dem Universitätsmuseum zu Upsala ge- schenkt worden sind, zeigte aber, daß seine Eimaße ein wenig zu klein waren und daß in der That in dieser Hinsicht kein Unterschied von dem echten Dist. inflatum Mol. existierte. Da diese Typen auch sonst, so viel ich sehen konnte, mit der südlichen Form völlig übereinstimmen, halte ich sie doch zuletzt für identisch mit dieser. Endlich sei auch erwähnt, daß diese Art von P. J. van Beneden unter dem Namen „Echinostoma hispida“ ohne Beschreibung in ziemlich unbefriedigender Weise abgebildet ist ®). Meiner Beschreibung liegt Alkoholmaterial zu Grunde, das aus der Sammlung des Herrn Prof. M. Stossich in Triest entstammt.und von ihm dort in Anguilla vulgaris gesammelt ist. Die Körperlänge, welche von den erwachsenen Individuen meines Materiales erreicht wird, schwankt zwischen 4,4 mm und ca. 6 mm und soll nach Stossich sogar 7,5 mm betragen können. : Die Breite des dorsoventral ein wenig abgeplatteten und im Querschnitt also ovalen Körpers ist in der ganzen Länge des Wurmes so ziemlich dieselbe und beträgt 0,355—0,5 mm. Sowohl nach vorn wie nach hinten zu tritt eine kleine Verjüngung auf, die in ersterer Richtung indessen viel schwächer als bei Deropr. hispida ist. Die Breite des verbreiterten Halsabschnittes _ pflegt ungefähr ebenso groß wie die weiter nach hinten befindliche Maxi- malbreite des Körpers zu sein. r Was die Anordnung des Stachelkleides betrifft, so ist die von - Stossich’) gegebene specielle Darstellung davon nicht ganz richtig. Daß diejenigen Stacheln, welche unmittelbar hinter dem Mundsaugnapfe auf dem Vorderende vor der Halsverbreiterung sitzen, ganz klein und in sehr ausgeprägten Querreihen geordnet sind, habe ich zwar auch > - konstatieren können. Daß aber die groben Stacheln der ausgedehnten ' Halspartie ebenfalls rings um den Körper in Querreihen stehen sollen, wie es Stossich angiebt und zeichnet, ist unrichtig. Diese sind näm- — lich nur auf den Seitenrändern jenes Körperabschnittes zu finden, wäh- 1) Nuovi Myzelmintha raccolti ed esaminati. (S.-B. mat.-nat. Klasse d. Akad. Wien. Bd. XXXVII. 1859. S.-A. p. 11.) 2) Brani di elmintologia tergestina. II. (Boll. Soc. Adr. Sc. Nat. Vol. IX. 1885. S.-A. p. 2. Tab. IV. Fig. 16) und I distomi dei pesci marini e d’acqua dolce. (Progr. Ginn. Comun. Sup. Trieste. 1885. p. 42.) 4 3) Entozoa iakttagna i Skandinaviska hafsfiskar. (Lunds Univ. Arsskrift. T. IV. - 1868,69. p. 37. Tab. IV. Fig. 84—88.) 4) 1 e poissons des cötes de Belgique etc. (M&m. Acad. royale de Belgique. T. XXXVIII. 1870. Tab. IV. Fig. 13.) 4 5) Brani etc. II. |. c. nz. h 158 Theodor Odhner, rend dagegen die Rücken- und Bauchflächen an dieser Stelle mit Aus- nahme des von gröberen Stacheln besetzten Rückenbuckels nur mit ganz kleinen Stacheln, denen des Vorderendes ähnelnd, bewaffnet sind, welche Fig. 2. Fig. 1. Deropristis inflata (Mol.), von der Bauchseitee Vergr. ca. 34, Rs Receptaculum seminis. Fig. 2. Vorderende von Deropristis inflata (Mol.), von der Rückenseite. Vergr. ca. 110. NB „Nackenbuckel“, überdies besonders auf der Bauchseite ziemlich spärlich vorhanden sind. Die groben Stacheln zeigen eine Maximallänge von 0,026 mm bei einer Breite an der Basis von 0,011 mm. Sie bilden nicht wie bei Deropr. hispida eine einfache Längsreihe an jeder Seite, sondern zwei oder unter den hinteren sogar drei von ihnen sind nebeneinander ungefähr in der- Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. II. 159 selben Höhe placiert. Ihre Zahl an jeder Seite dürfte sich auf ca. 30 belaufen. Sowohl nach vorn wie nach hinten zu finden sich deutliche Uebergänge zu den die übrige Körperbewaffnung bildenden Stacheln, indem eine allmähliche Verkleinerung und Verschmälerung eintritt. Die (ca. 15) größeren Stacheln, welche auf dem Rückenbuckel sitzen, sind ein wenig schlanker als die des Körperrandes, erreichen aber ungefähr dieselbe Maximallänge wie jene. Auch sie zeigen Größenübergänge zu den nebensitzenden kleineren Stacheln, welche dem undifferenzierten Teil des Stachelkleides angehören. Was nun diesen letzteren betrifft, so zeigen die ihn bildenden Stacheln in der Gegend des Bauchsaugnapfes ihr Maximum von Größe und Dichte, beginnen aber bereits vor dem Ende des ersten Körperdrittels spärlicher und kleiner zu werden, und in der ganzen hinteren Hälfte des Körpers sind nur einzelne und ver- kümmerte zu entdecken, wenn diese auch freilich ganz nahe dem Hinter- ende noch zu spüren sind. Die Saugnäpfe sind beide ungefähr gleich groß, ca. 0,15—0,17 mm im Durchmesser haltend. Der Bauchsaugnapf ist zwischen Ende des ersten Fünftels und Achtels der ganzen Körperlänge gelegen. Pharynx je nach dem Kontraktionszustande mehr lang als breit oder mehr breit als lang, von ca. 0,1— 0,12 mm durchschnittlichem Durchmesser. Oeso- phagus etwa anderthalbmal so lang wie der Pharynx. Darmgabelung in der Mitte des Halses. Von den Darmschenkeln ist der eine oft um eine Spur länger als der andere. — Die Exkretionsblase soll sich nach Olsson bis in die Nähe des Bauchsaugnapfes erstrecken. Ich kann dagegen nicht anderes finden, als daß sie genau dieselbe Form wie bei Deropr. hispida hat, d. h. sie setzt sich aus einem ganz kurzen unpaaren Stamm und zwei durch die am Hinterende des hinteren Hodens erfol- gende Gabelung desselben entstehenden Schenkeln zusammen. Wie lang letztere sind, kann ich aber nicht angeben. Den bei der Charakterisierung der ganzen Gattung gelieferten An- gaben über den Bau der Geschlechtsorgane wäre folgendes als für die Art besonders geltend hinzuzufügen. Der kugelige Keimstock liegt in der Gegend der Körpermitte. Die Dotterstöcke setzen sich aus Follikeln zusammen, welche relativ geringer an Zahl und größer als bei Deropr. hispida sind. Sie reichen vom An- fange des zweiten Körperdrittels bis zum Vorderende des vorderen - Hodens oder wenigstens in dessen unmittelbare Nähe. Der Uterus ver- läuft in ziemlich lockeren Windungen. Die Eier messen in der Länge ca. 0,044— 0,048 mm und in der Breite 0,2—0,22 mm. Sie sind somit ein wenig größer als die der anderen Art der Gattung. Der röhren- förmige Genitalsinus ist relativ viel kürzer als bei Deropr. hispida und wird durchschnittlich höchstens doppelt so lang wie der Durchmesser des Bauchsaugnapfes. Das Hinterende des Cirrusbeutels findet sich mitten zwischen Bauchsaugnapf und Keimstock. Was die Verwandtschaftsverhältnisse der Gattung Deropristis betrifft, zeigt sie im Bau der Endteile der Genitalwege deutliche Beziehungen zu Stephanochasmus Lss., während die Ausdehnung der Dotterstöcke und das Vorhandensein eines Receptaculum seminis mehr an Acantho- chasmus Lss. erinnern könnte. Die nächsten Beziehungen zeigt sie in- _ dessen unzweifelhaft zu einer noch nicht näher gekennzeichneten Gruppe von Distomenformen aus Stören, zu der das alte Dist. semiarmatum Mol. gehört und die sich von Deropristis hauptsächlich durch den Mangel 160 Theodor Odhner, der Halserweiterung und der vergrößerten Stacheln an derselben unterscheidet. Von besonderem Interesse scheint mir die für die Gattung charak- teristische Halserweiterung und ihre Bestachelung zu sein als möglicher- weise die erste Stufe bei der Ausbildung des Echinostomenkragens ab- gebend. Dafür spricht besonders die ausgeprägte Placierung der vor- deren Halsstacheln dorsal und der hinteren ventral und weiter auch das Vorhandensein des „Nackenbuckels“, welcher ja nur an beiden Seiten mit den ein wenig wulstartigen Rändern der fraglichen Halspartie in Verbindung zu treten braucht, um einen wenigstens dorsal kontinuier- lichen Kragen darzustellen. 3. Helicometra n. g. Allocreadiinarum. In einem jüngst erschienenen Aufsatz !) habe ich die Synonymik einer Anzahl Allocreadiinen eingehend besprochen, unter denen drei, Alloer. fasciatum (Rud.), A. sinuatum (Rud.) und A. labri (Stoss.), eine vornelmlich durch den Besitz langer unipolarer Eifilamente von den übrigen etwas abweichende Gruppe bildeten, die ich vermutungs- weise als eine natürliche Gattung bezeichnete. Damals stand mir aber kein besseres Material hiervon zur Verfügung als die Typen der oben erwähnten drei Arten. Nachher habe ich indessen eine dieser Gruppe zugehörende Form an der schwedischen Westküste auf der zoologischen Station Kristineberg aufgefunden und also an gutem Materiale ihre Or- ganisation studieren können. Weiter habe ich die im Glase No. 1610 der Berliner Sammlung befindlichen Distomen, welche unzweifelhalt als die Typen Rudolphi’s von seinem Dist. pulchellum?) zu betrachten sind, untersucht und dabei gefunden, daß es sich um Formen von dem fraglichen Typus auch in diesem Falle handelt. Es gehören somit von bereits beschriebenen Arten zu der in Rede stehenden Gruppe drei Rudolphi’sche, nämlich Dist. pulchellum, D. fasciatum und D. sinuatum, und zwei von Stossich aufgestellte: D. gobii und D. labri. Von diesen kann ich über Dist. gobii Stoss. kein Urteil fällen; dagegen scheint mir nach genauer Vergleichung der Typen, daß Dist. labri Stoss. als Synonym mit D. pulchellum Rud. einzuziehen ist?). Auch ist es mir unmöglich, die von mir gefundene nordische Form von dem Dist. pulchellum Rud. aus dem Mittelmeer spezifisch zu trennen. Sie stammt auch aus demselben Wirte, wie die Mittelmeerformen, nämlich Labrus mixtus, wo sie sich vorzugsweise im hinteren Teile des eigentlichen Darmes aufhält. Da ich diese Art also am besten kenne, betrachte ich sie als Typus der neuen Gattung, für welche ich auf Grund des Verlaufes der Uteruswindungen den Namen Helicometra in Vorschlag bringe. Die sie auszeichnenden Charaktere mögen folgendermaßen zusammengefaßt werden. 1) Revision einiger Arten der Gattung Allocreadium Lss. (Zool. Jahrb. [Abt. Syst. etc.] Bd. XIV. p. 483.) 2) Wie ich anderwärts schon mitgeteilt habe (l. c. p. 494. Anm. 1), lautet die Eti- kette folgendermaßen: „Distomum sp. Labrus cynaedus, Neapel, Coll. Rudolphi“, und es sind 8 Exemplare vorhanden, also genau dieselbe Anzahl, in der Rudolphi (Synopsis p. 367) sein Dist. pulchellum gefunden hat. Dazu kommt, daß das Wenige, was von Rudolphi über die Größe und die Färbung seiner Art erwähnt wird, auch vorzüglich auf die im Glase vorhandenen Würmer paßt. 3) Diese Synonymik ist schon von Sonsino (Parassiti animali del Mugil cephalus etc. Proc. verb. Soc. Tosc. Sc. nat. 1891. p. 257.) etabliert, aber nur dann dadurch motiviert worden, daß beide Arten in demselben Wirte gefunden waren. Ich habe sie deshalb früher als unbegründet zurückgewiesen (l. c. p. 493 j . HL 2 Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. II. 161 1—3 mm lange Allocreadiinen, welche die bei den Repräsentanten jener Unterfamilie gewöhnliche!) äußere Körperform zeigen. Der Bauch- saugnapf ist am Anfang des zweiten Körperdrittels gelegen und durch- schnittlich anderthalbmal so groß wie der Mundsaugnapf. Sowohl die Digestions- wie die Genitalorgane sind nach dem Typus der Allocreadiinen gebaut. Folgendes ist indessen als für die Gattung charakteristisch zu erwähnen. Der Oesophagus ist von mäßiger Länge und die Darm- gabelung liegt daher in der Gegend der Mitte des Halses. Genital- öffnung median unter der Darmgabelung. Cirrusbeutel nach hinten höchstens bis zum Centrum des Bauchsaugnapfes reichend, in seiner erößten Länge von einer gewundenen Samenblase angefüllt, auf die eine wenig entwickelte Pars prostatica und ein kurzer und nicht beson- ders kräftiger Cirrus folgt. Die Hoden liegen, auch bei derselben Art, entweder völlig median oder schräg hintereinander. Der Keimstock ist selappt und besteht aus einem gewöhnlich schräg nach vorn und außen gerichteten Basallappen, der die reifen Eizellen aus den übrigen Teilen des Keimstocks aufnimmt, und von dessen Spitze der Keimgang nach vorne zieht und einer Anzahl ihm sozusagen aufsitzender Nebenlappen, die nach hinten oder nach außen weisen und dessen Wände das eigent- liche Keimepithel bilden. Die Follikel der Dotterstöcke liegen sowohl dorsal wie ventral von den Darmschenkeln. Das Receptaculum seminis findet sich gewöhnlich an der rechten Seite und ist in der Längs- richtung des Körpers gestreckt. Von seinem Vorderende entspringt der Laurer sche Kanal und zieht medianwärts. Die Windungen des Uterus verlaufen mehr oder weniger spiralig zwischen Bauchsaugnapf und Keimstock und enthalten in einer einfachen Reihe liegende große, bei völliger Reife gelbe Eier, die an ihrem proximalwärts gerichteten deckellosen Pole mehr zugespitzt sind und in einem langen unipolaren Filament auslaufen, das ungefähr die 10-fache Länge des Eies erreicht. Die Zahl der Eier in einem reifen Wurm dürfte ca. 30—40 betragen. Die Arten der Gattung sind ausschließlich im Darme von Meeresfischen angetroffen worden. 1. Helicometra pulchella (Rud.) Syn. Distomum labri Stoss. Die von mir früher gelieferte Beschreibung kann ich jetzt folgender- maßen ergänzen, nachdem ich Gelegenheit gehabt habe, die Art an besserem Material zu studieren. Die beigefügte Figur ist nach nordischem - Material gezeichnet. Körperlänge ca. 2 mm bei einer Maximalbreite von 0,5—0,75 mm, Mundsaugnapf 0,2—0,26 mm, Bauchsaugnapf 0,5—0,38 mm im Durch- messer haltend. Pharynx 0,085—0,153 mm breit und 0,066—0,086 mm lang. Die Hoden sind ganzrandig, höchstens dann und wann eine kleine zufällige Einkerbung aufweisend. Der Keimstock hat die in der Gattungsdiagnose erwähnte Form, und die von mir für Dist. labri Stoss. angegebene Dreilappung?) dürfte entweder eine Zufälligkeit ge- _ wesen oder mir von dem schlechten Material vorgetäuscht worden sein. Der Laurer’sche Kanal zieht sich vom Receptaculum seminis median- wärts. Die Dotterstöcke reichen nach vorn bis zur Höhe der Darm- Ei Siehe die Diagnose der Gattung Creadium bei Looss, Weit. Beitr. etc. 1. c. 2) 1. c. p. 496. Tab. 33. Fig. 2. Erste Abt. XXXI. Bd. l 12 162 B. Galli-Valerio, gabelung oder bei mehr kontrahiertem Halse sogar bis zum Hinterrande des Pharynx. Die Eier variieren recht be- trächtlich in ihrer Größe. Die Länge schwankt zwischen 0,069-—0,085 mm. während die Breite ziemlich wenig von 0,05 mm differiert. In einigen Fällen habe ich auch die Länge der Filamente annähernd messen können und habe sie dann ca. 0,6—0,7 mm lang gefunden. Der Cirrusbeutel reicht nach hinten immer bis zum Centrum des Bauchsaugnapfes. Von dieser sich zunächst auf nor- dische Exemplare beziehenden Be- schreibung kann ich nun, wie gesagt, keine. Differenz bei den Mittelmeer- formen auffinden. Ich muß indessen gestehen, daß es mir unmöglich war, bei den alten Typen von Dist. pul- chellum Rud. die Konturen der Hoden ganz genau zu sehen. Sie schienen mir indessen dieselbe Form, wie bei mei- nen nordischen Exemplaren zu haben. 2. Helicometra fasciata (Rud.). Die wichtigsten Charaktere dieser Fig. 3. Helicometra pulchella (Rud.) Art der vorigen gegenüber dürfte in nach nordischen Exemplaren, von der der deutlichen Lappung der Hoden Bauchseite Vergr. ca. 45. GP Genital- und der geringeren Ausdehnung der porus, LC un s Kanal, Rs Recep- Dotterstöck h 3b . Im übrigen verweise ich auf meine Beschreibung (l. c. p. 485). 3. Helicometra sinuata (Rud.) sp. inquir. Ueber diese Art dürfte man nur durch ihr Wiederfinden in dem- selben Wirte, worin Rudolphi sie gesammelt hat, Klarheit bekommen können. Ueberhaupt wäre eine eingehendere Erörterung der mittelmeerischen Helicometra-Arten sehr wünschenswert. Nachdruck verboten. Untersuchungen über die Hämosporidien der Alpenvögel. Von Prof. Dr. B. 6alli-Valerio in Lausanne. Seitdem die Hämosporidien der Vögel von Danilewsky unter- sucht wurden, sind über diese Frage sehr viele Arbeiten erschienen. Aber keine von diesen Arbeiten hat die Verbreitung der Hämosporidien bei Vögeln, die auf den Alpen leben, behandelt. Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit dieser Frage in Vältelin Br Untersuchungen über die Hämosporidien der Alpenvögel. 163 (Italien) und will hier eine zusammenfassende Uebersicht über meine Untersuchungen geben !). Es sind 101 Vögel, die ich bis jetzt untersucht habe, und sie ge- hören zu 29 Gattungen und 36 Arten, wie folgt: a) Sturnidae Sturnus vulgaris Linn. (2) b) Fringillidae Fringilla caelebs Linn. (7) Passer montanus Linn. (1) Carduelis elegans Steph. (4) Aegiothus rufescens Vieill. (1) €) Emberizidae Emberiza cia Linn. (2) d) Alaudidae Alauda arborea Linn. (1) e) Motaecillidae Agrodrama campestris Linn. (2) Anthus trivialis Linn. (3) Anthus spipoletta Linn. (1) Budytes flavus Linn. (4) Calobates melanope Pall. (1) f) Turdidae Saxicola oenanthe Linn. (2) Rutieilla phoenicurus Linn. (3) Rutieilla titys Scop. (3) Pratincola rubetra Linn. (7) £) Sylvidae Sylvia einerea Bechst. (3) Sylvia curruca Linn. (1) Phylloscopus trochilus Linn. (1) Phylloscopus Bonellii Vieill. (2) Phylloscopus rufus Bechst. (4) h) Troglodytidae Troglodytes parvulus Koch (1) 1) Cinelidae Oinclus aquaticus Bechst. (3) ]) Accentoridae Accentor collario Scop. (6) k) Paridae Acredula rosea Blyth. (3) Parus major Linn. (5) Parus ater Linn. (2) Parus palustris Linn. (2) Oyanistes caeruleus Linn. (4) l) Sittidae Sitta caesia Wolf (3) m) Lanidae Lanius colluris Linn. (2) n) Museicapidae Museicapa atricapilla Linn. (1) 0) Hirundinidae Hirundo rustica Linn. (4) Chelidon urbica Linn. (3) Cotyle rupestris Scop. (3) p) Cypselidae Cypselus apus Linn. (1) Bei 16 der 29 untersuchten Gattungen und bei 18 der 36 unter- suchten Arten habe ich Hämosporiden gefunden, nämlich bei: Vögelarten Fringilla caelebs L. Fringilla caelebs L. Fringilla caelebs L. Carduelis elegans Steph. Carduelis elegans Steph. Emberiza cia L. Alauda arborea L. Anthus trivialis L. Anthus trivialis L. Anthus trivialis L. Budytes flavus L. Saxicola oenanthe L. Ruticilla phoenicurus L. Rutieilla phoenicurus L. Pratincola rubetra L. Pratincula rubetra L. Sylvia cinerea Bechst. Phylloscopus Bonellii Vieill. Phylloscopus rufus Bechst. Troglodytes parvulus Koch Höhe über Meer Hämosporidienarten °) Haemoproteus Danilewskyi Kruse Idem Idem Halteridium Danilewskyi et Feletti Haemoproteus Danilewskyi Kruse Idem Idem Idem Halteridium Danilewskyi G. et F. Idem Haemoproteus Danilewskyi K. Idem Halteridium Danilewskyi G. et F. et Haemoproteus Danilewskyi Kr) Haemoproteus Danilewskyi K. Halteridium Danilewskyi G. et F. Haemoproteus Danilewskyi K. Idem Halteridium Danilewskyi 1 (2) Haemoproteus Danilewskyi K. Halteridium Danilewskyi G. et F. (?) Grassi G. et 1) Moderno zooiatro. 1898 —99—1900 und Therapeut. Monatshefte. Febr. 1901. | 2) Die gefundenen Hämosporidien sind nur wahrscheinlich den bezeichneten Arten zuzuschreiben, weil die Untersuchungen nur an gefärbten und nicht an frischen Prä- paraten gemacht werden konnten. 12* 164 Galli-Valerio, Untersuchungen über die Hämosporidien der Alpenvögel, Vögelarten Höhe über Meer Hämosporidienarten Accentor collaris Scop. 2000 , Haemoproteus Danilewskyi K. A. collaris Scop. 2000, Idem A. collaris Scop. 2000 ,, Halteridium Danilewskyi G. et F. Parus ater L. 2000. „, Haemoproteus Danilewskyi K. Parus ater L. 150057 Idem Parus palustris L. 3002, Idem Sitta caesia Wolf Tuer» Idem Sitta caesia Wolf 7005; Idem Hirundo rustica L. 3005, Idem Das Resultat dieser Untersuchungen ist, daß die Hämosporidien sich im Blute von Vögeln finden, die 1500—2000 m über dem Meere leben. Die Vögel wechseln so oft den Ort, daß es nicht möglich ist, festzustellen, wo sie mit Hämosporidien infiziert worden waren. Aber das scheint mir nicht der Fall zu sein mit einigen Arten, wie z. B. Accentor cotlarıs, die immer auf dem Hochgebirge leben. Die Erklärung der Ansteckung der Vögel mit Hämosporidien in Höhen über 1000 m ist nicht schwer zu geben: Seit den Untersuchungen von Major Ross wissen wir, daß die Verschleppung der Hämosporidien von Vögeln zu Vögeln durch Oulex verursacht werden. Jetzt habe ich bemerkt, daß Culex sich sehr oft und sehr zahlreich bis zu 2300 m über dem Meere finden. Viele von diesen Üulex habe ich untersucht, um zu sehen, ob sie im Darme Hämosporidien hatten. Nur bei 2 (Oulex ne- morosus Mgn.?), die von einer Höhe von 1500 m, wo ich Hämosporidien bei Vögeln gefunden hatte, stammten, habe ich im Darme einige pig- mentierte Körperchen, die den Zygoten sehr ähnlich waren, gefunden. Sehr wahrscheinlich sind die infizierten Vögel, die im Sommer von der Ebene auf die Berge gehen, die Quelle der Infektion für Vögel, die immer auf Bergen Toben Was die Hämosporidienarten betrifft, welche ich untersucht habe, so kann ich nichts absolut Sicheres sagen, weil, wie gesagt, die Untersuchungen nur an trockenen, gefärbten Präpa- raten gemacht werden konnten. Da die Gestalten der untersuchten Hämosporidien so verschiedene waren, so ist es fraglich, ob man immer nur die 2 Arten Halteridium Danilewskı yi G. et F. und Haemoproteus Danilewskyi Kruse annehmen kann. Nur Untersuchungen an frischen Präparaten könnten die Frage lösen. Meine Untersuchungen vermehren die Anzahl der bis jetzt mit Hämosporidien infizierten bekannten Vögel!). Ich füge 17 neue Arten hinzu und gebe folgende Zusammenstellung: 1* Aecentor collaris Scop. 17 Corvus americanus Aud. Agelaeus phoeniceus 1. 18 Corvus corax L. 3* Alauda arborea L. 19 Corvus cornix L. 4 Alauda arvensis L. 20 Corvus frugilegus L. 5* Anthus trivialis L. 21* Emberiza cia L. 6 Asio otus L. 22 Emberiza miliario L. 7 Bubo Sp. 23 Falco tinnunculus L. 8 Bubo virginianus Gm. 24 Fringilla caelebs L. 9* Budytes flavus L. 25 Gorrulus glandarius L. 10 Buteo vulgaris L. 26* Hirundo rustica L. 11* Carduelis elegans Steph. 27 Lanius excubüor L. 12 Colaeus monedula L. 28 Lanius minor Gm. 13 Columba domestica L. 29 Lanius rufus L. 14 Columba livia L. 30 Melospiza fasciata Gm. 15 Carine noctua Retz. 31 Melospiza georgiana Loth. 16 Cireus aeruginosus L. 32 Milwus migrans Bodd. 1)-Labb&, A, Sporozoa. Das Tierreich. Berlin 1899. A. Dietrich, Sind alle Einwände gegen die sog. Nukleasen widerlegt? 165 33 Pandion haliaetus L. 43* Phylloscopus rufus Bechst. 34 Pernis apivorus K. 44* Ruticilla phoenicurus L. 35 Pica caudata L. 45* Sawicola oenanthe L. 36 Passer domesticus L. 46* Sitta caesia Wolf 7 Passer hispaniolensis L. 47* Sylvia cinerea Bechst. 38 Passer montanus L. 48 Strix flammea L 39* Parus ater L. 49 Syrnium aluco L. 40* Parus palustris L. 50 Sturmus vulgaris L. 41* Pratincola rubetra L. 51* Troglodytes parvulus L.') 42* Phylloscopus Bonellü Vieill. Lausanne, 6. Dezember 1901. Nachdruck verboten. Sind alle Einwände gegen die Natur und Wirkungsweise der sogenannten Nukleasen widerlegt? [Aus dem pathologischen Institute zu Tübingen (Vorstand: Prof. Dr. von Baumgarten).] Eine Erwiderung an Emmerich und Löw. Von Dr. A. Dietrich, Privatdocenten und I. Assistenten am Institute. In einer kürzlich erschienenen Arbeit über „Die bakteriolytische Wirkung der Nukleasen etc. als Ursache der natürlichen und künst- lichen Immunität“ (1) haben Emmerich, O. Löw und A. Korschun auch eine von mir veröffentlichte Abhandlung (2) neben einer gleich- zeitigen Arbeit Klimoff’s (3) einer eingehenden Besprechung unter- zogen. Aus der Art derselben könnte man aber, fürchte ich, über die Ge- sichtspunkte, unter denen ich meine Untersuchungen ausführte, und über die Absichten, die ich verfolgte, unrichtige Vorstellungen ge- winnen, die zu meinem größten Bedauern auch Emmerich und seine Mitarbeiter sich gebildet zu haben scheinen. Meine Untersuchungen waren veranlaßt worden durch die früheren Arbeiten von Emmerich und Löw über die Wirkung bakteriolytischer Enzyme (4—6), welche völlig neue Gesichtspunkte in die Immunitäts- lehre einführten, und ich hatte mir die Frage gestellt (2, p. 5): Geht aus Emmerich und Löw ’s Untersuchungen und entsprechenden nachprüfenden Versuchen mit zwingender Notwendigkeit der Schluß hervor, daß es ein in den Bakterienstoffwechselprodukten gebildetes, proteolytisches Enzym ist, welches deren baktericide Wirkung in vitro, deren heilende bezw. schützende im Tierkörper bedingt? Ich wollte diese Frage mit der sogenannten Pyocyanase vorwiegend an Milz- brandbacillen prüfen. Woraus besteht nun die Pyocyanase, wie sie von Em- merich und Löw zu Versuchszwecken dargestellt und verwendet worden war? Wenn man Emmerich und Löw’s frühere Abhand- lungen durchliest, so scheint sie eine reine Lösung eines proteolytischen Enzyms zu sein, andere Bestandteile werden gar nicht erwähnt; nur wenige Male spricht Emmerich von Giften, die teils durch die Destil- 1) Die mit * bezeichneten Arten sind diejenigen bei mir beigefügten. 166 A. Dietrich, lation (4, p. 28), teils durch längeres Liegen (5, p. 21) vernichtet werden. Auch die chemische Untersuchung, die Dr. Graff vorgenommen hat (4, p. 53), beschränkt sich auf einige Reaktionen, welche Natur und Stärke des tryptischen Enzyms darlegen sollen. | Die Pyocyanase, sowohl die nur eingedickte und eine Zeit lang dialysierte als das durch Alkoholfällung gewonnene Pulver enthält aber drei Gruppen verschiedener Stoffe, vermischt und vereinigt: 1) die anorganischen Salze des Nährsubstrates, 2) organische Stoffe mannigfaltigster Art, darunter die Gifte und einen Teil der Farbstoffe, und 3) das proteolytische bezw. noch mehrere andere Fermente des B. pyocyaneus. Wenn Emmerich und Löw eine solche Flüssigkeit oder Substanz benutzten und ihre Wirksamkeit nur auf einen ein- zigen Bestandteil bezogen, so mußten sie die völlige Gleichgiltigkeit der anderen, zugleich anwesenden darthun oder sie durch geeignete Verfahren eliminieren und nur mit dem gereinigten Produkt arbeiten. Aus den Abhandlungen der Verff. ging aber nicht hervor, daß dies ge- schehen sei. Es entsprach nun dem 'Gange einer jeden analytischen Unter- suchung, wenn ich die Wirksamkeit eines jeden einzelnen Faktors, der in der Pyocyanase sich feststellen ließ, in seiner Bedeutung und in seinem Anteile an der Gesamtwirkung zu betrachten suchte. Einen solchen Faktor erkannte ich in dem Gehalte an gelösten Stoffen, vorwiegend der Salze, welche den osmotischen Druck der Flüssigkeit bedingten. Dieser erwies sich gleich einer 3,0—3,8-proz. NaCl-Lösung (2, p. 15). Eine solche neutrale, sonst von jeder schädigenden Substanz freie Salzlösung zeigte sich in der That durch- aus nicht gleichgiltig gegen die eingesäten Bakterien, sie gingen fast ebenso rasch zu Grunde, als in der osmotisch gleichen Mischflüssigkeit „Pyocyanase“, also lediglich infolge des erhöhten osmotischen Druckes. Als Zweites schien mir die Alkalescenz der Pyocyanase nicht ohne Bedeutung für die Wirkung des Gesamtgemisches zu sein, wie ja schon de Vries (2, p. 20) nachgewiesen hatte, daß Alkalescenz os- motische Wirkungen auf Pflanzenzellen verstärkt und verändert. Es wirkt auch eine Lösung von gleicher Alkalescenz wie die Pyo- cyanase und daneben von gleichem osmotischen Druck stärker, als die neutrale isotonische Salzlösung, also ist zweifellos dem Alkaligehalt ein Anteil an der Bakterienvernichtueg nicht abzusprechen. Emmerich gesteht ja auch zu, daß es schon allbekannt ist, wie Soda- lösungen schädigend wirken, aber mein Versuch erscheint ihm „absurd“ und „ungeheuerlich“ (1, p. 8). Hierbei weicht Emmerich von dem Wege der üblichen wissenschaftlichen Replik ab. Ich habe ausdrücklich betont, daß meine Pyocyanase eine Alkalität = 1,5 Proz. Soda habe; und nun glaubt er, ich hätte als Kontrollprobe eine 2,86-proz. Soda- lösung benutzt. Eine Anfrage hätte Emmerich leicht aufgeklärt, daß hier ein Mißverständnis seinerseits vorliegt, und es wäre nicht nötig gewesen, meine Versuchsanordnung vor den Lesern herabzusetzen, die vielleicht nicht Gelegenheit haben, das kleine Rechenexempel, das ich in meiner Arbeit angeführt habe (2, p. 20), nachzurechnen. Ich habe in einer Lösung: 2,7 cem norm. Na,CO, Di’, „. NaCl 159...52 Agssseer | das ergiebt bei 53 Aequivalentgewicht von Na,CO, einen Gehalt der | | Sind alle Einwände gegen die Natur etc. der sog. Nukleasen widerlest? 167 Lösung von 1,43 Proz., bleibt also sogar noch etwas hinter der Pyocyanase an Alkalität zurück. Wenn Emmerich und Löw mir vorhalten, daß Pyocyanase nur (nach ihren Aschebestimmungen) 1,5—1,9 Proz. anorganische Stoffe enthalte, meine Kochsalzsodalösung (auch bei richtiger Berechnung) dagegen mehr, so schließt das doch die Vergleichbarkeit nicht aus. Eine Aschebestimmung gestattet doch keinen Rückschluß auf den osmotischen Druck der Ausgangslösung; einmal weiß ich nicht, ob bei Emmerich und Löw’s Bestimmung die Kohlensäure mitbestimmt wurde, die gerade in der Pyocyanase einen wesentlichen Teil der Salze bildet, andererseits nehmen aber auch die organischen Salze am osmotischen Druck teil. Also giebt nur die Gefrierpunkts- bestimmung einen Maßstab für die osmotische Gleichheit der beiden Flüssigkeiten. Die „Absurdität“ meines Versuches besteht demnach nur darin, daß ich in der Kontrollprobe die Verhältnisse der zu prüfenden Flüssigkeit möglichst getreu nachzuahmen suchte; liegt darin in den Augen Emmerich’s eine „Ungeheuerlichkeit“ und „Willkür“, so kann ich den Vorwurf leicht tragen. Es folgt aus den erwähnten Versuchen meines Erachtens mit zwingender Logik, daß in der Pyocyanase, welche einen so hohen osmo- tischen Druck und eine so beträchtliche Alkalescenz besitzt, ein Bak- terienuntergang nicht ausschließlich aufein bakteriolytisches Enzym zurückgeführt werden darf. Bei Verdünnung oder längerer Dialyse ist es anders, da tritt die osmotische Wirkung zurück und ein anderer Faktor tritt in den Vordergrund, nennen wir ihn unverbindlich das direkt tötende Agens. Gewiß ist dieses auch in den salz- und alkalireichen Lösungen vorhanden, aber nicht allein. Emmerich und Löw hätten nicht bloß einige kontrollierende Versuche mit dialy- sierter, salzarmer Pyocyanase machen sollen, sondern nur mit solcher arbeiten dürfen, um meinen Einwand von vornherein überflüssig zu machen. Sie haben aber in den ersten Arbeiten (4, 5, 6) diese Ver- suche mit salzarmen Lösungen gar nicht erwähnt. Das war doch gewiß ein Mangel, auf den es berechtigt war, hinzuweisen. Nun erst, da meine Kontrollversuche da sind, sagen die Verff.: Man kann den Salzgehalt durch Dialyse abschwächen, die Alkalität ver- mindern, die Pyocyanase wirkt trotzdem baktericid. Daraus darf doch niemals geschlossen werden, daß in den Lösungen, die nun einmal ausgesprochen hypertonisch sind, das Zugrundegehen der Bak- terien „nicht auf osmotischen Störungen beruhen kann“ (1, p. 10), sondern man kann nur anerkennen und einräumen, wie ich es auch ge- than habe, daß noch eine direkte „Giftwirkung“ (2, p. 24) mit im Spiele ist, während Emmerich und Löw behaupten, nur diese letztere sei zu berücksichtigen. Wir reichen uns also die Hand, wenn wir die salzarme, alkali- freie Flüssigkeit der Prüfung aussetzen. Ist es dann „absurd“, wenn ich nur solche Versuche als Beweis für Art und Größe der Wirksamkeit eines direkt bakterientötenden Agens (Enzym oder sonst etwas) gelten lasse, welche nur mit dieser, aller störenden Zuthaten befreite Pyocya- nase gewonnen sind und sage: In der unkontrollierbaren Mischung, als welche die nach Emmerich’s und Löw’s Vorschriften hergestellte Pyocyanase anzusehen ist, kann kein Mensch wissen, was alles für dunkle Kräfte walten ? Ist allerdings mit der Ausschaltung der anorganischen Bestandteile diese Mischung vereinfacht? Die organischen bestehen, wie bereits er- 168 A. Dietrich, wähnt, unter anderen aus den Farbstoffresten, einigen toxischen Bestand- . teilen und den Fermenten, nach Löw sechs an der Zahl (1, p. 23). Mit aller Bestimmtheit haben Emmerich und Löw wiederholt darauf Nachdruck gelegt (z. B. 4, p. 9), daß unter diesen Bestandteilen nur das proteolytische Enzym das wirksame Agens sei. Daß es dies in den Kulturen des Bac. pyocyaneus bereits bekannte ver- dauende Ferment sein könne, das habe ich ebenso, wie unabhängig vor mir Klimoff, bestritten. Und hier räumt Emmerich auch ohne weiteres die Berechtigung der vorgebrachten Gegengründe ein. Aber er geht über das Ziel wieder hinaus. Jetzt soll das zweifellos in nicht erhitzten Pyocyaneus-Kulturen vorhandene tryptische Ferment in der Gesamtwirkung der Flüssigkeit unberücksichtigt bleiben, auf die Bakterien wirkt nur das neu angenommene bakteriolytische Enzym:(l;'p.i9) Das ließe sich nur dadurch feststellen, wenn in der erhitzten, also vom Verdauungsferment befreiten Flüssigkeit Bakterien die gleichen Auflösungsphänomene darböten, als in der nicht erhitzten Pyocyanase. Ich vermisse daher in der Abbildung (1, Fig. 1-—-3) neben dem Kontroll- präparat in Kochsalzlösung ein solches, das in erhitzter Pyocyanase gewonnen wurde, nur das letztere würde die reine Wirkung des „Bakteriolysins“ zeigen; denn jedes andere verdauende Ferment, z. B. Trypsin, kann ja sonst irgendwie geschädigte Bacillen auch lösen. Nun hat sich aber Emmerich selbst eine schlimme Falle gestellt. Wenn ich mich nach seinen eigenen Worten richten würde, so könnte ich die Beweiskraft einer solchen Auflösung in erhitzter Pyocyanase mit vollstem Recht anzweifeln. Auch ich beschrieb, übereinstimmend mit A. Fischer, in Kochsalzlösung Erscheinungen an Milzbrandbacillen, welche man wohl für identisch mit den von Emmerich aufgestellten Lösungswirkungen halten konnte. Emmerich weist nun darauf hin, daß Milzbrandbacillen, wenn sie irgendwie geschädigt sind, einem Fer- ment anheimfallen, daß sie selbst in sich produzieren, der Anthracase (1, p. 11). Wenn nun in einer erhitzten Pyocyaneus-Flüssigkeit, in der die osmotische Wirkung nicht ausgeschaltet ist, in der auch andere Giftstoffe des Bac. pyocyaneus enthalten sind, Milzbrandbacillen einer Auflösung anheimfielen, wie wollte Emmerich unterscheiden, daß diese Auflösung durch das Bakteriolysin des Pyocyaneus und nicht durch die Anthracase erfolgt? Wie dem auch sei, auch ohne Auflösung, — denn diese kann mit- unter ausbleiben, aus Gründen, die nur mit „wahrscheinlich“ erklärt werden (1, p. 16) — ist das bakterientötende Agens der Pyocyanase ein Enzym. Trotzdem ich es ganz unterlassen habe, über das von mir nicht in Abrede gestellte „Gift“ mir eine Vorstellung zu machen, weil nach dessen Namen und Art zu fragen nicht in meine streng präcisierte Aufgabe (4, p. 5) gehörte, wirft mir Emmerich vor den Eintritt einer typischen AgglJutination in Pyocyanase bei Zusatz bestimmter Bak- terien als Beweis für die Enzymnatur nicht genügend gewürdigt zu haben (1, p. 19). Ich hätte gar nicht nötig darauf zu erwidern, wenn ich nicht bemerken wollte, daß ich in der That in der Aggluti- nation gar keinen Beweis für die Wirkung eines Enzyms erblicken könnte. Nehmen wir das Vorhandensein eines Agglutinins an, so kann dies ein Enzym doch nur nach dem Rezept genannt werden: Was ich mir nicht erklären kann, Das sehe ich als Enzyme an. Sind alle Einwände gegen die Natur etc. der sog. Nukleasen widerlegt ? 169 Enzymatische Prozesse oder Fermentprozesse dürfen wir aber, wie: auch Oppenheimer (7) klar und trefflich definiert, nur solche Vor- gänge nennen, wo durch geringfügige Erschütterungen ein labiles Gleich- gewicht der Atome zusammenstürzt unter Bildung eines neuen, stabileren Gleichgewichts; Prozesse, bei denen aufgehäufte Spannkräfte ausgelöst werden, die also exothermal verlaufen. Es ist gewiß nicht unmöglich, daß die Agglutination als ein Fällungsphänomen, ähnlich der Labgerin- nung, zu den Fermentprozessen gehört, bewiesen ist das aber noch nicht, und eine selbst noch des Beweises harrende Hypothese kann nie- mals als „wesentlichster“ (1, p. 4) Beweis für eine sonst schwach ge- stützte Behauptung anerkannt werden. Was hat aber die Agglutination mit der Bakterientötung in Pyo- cyanase zu thun? Auch P. Th. Müller bezweifelt eine Identität der Agglutination und bakteriolytischen Wirkung; nicht er hätte hierbei den Beweis für die Nichtidentität zu erbringen (1, p. 16), sondern Emmerich und Löw für die Identität, da sie letztere zuerst behauptet haben. Mir sind gewiß die Beobachtungen nicht un- bekannt, welche dafür zu sprechen scheinen, daß in spezifischen Sera Asglutination und Bakteriolyse bezw. Hämolyse in einem gewissen Zu- sammenhang stehen, aber ob dieser in der graduellen Wirkung eines und desselben Agens beruht, das dürfte doch niemand als sicher be- wiesen annehmen können, jedenfalls ist die gegenteilige Ansicht durch- aus nicht als „irrig“ zu bezeichnen (1, p. 15). Und darf man ohne weiteres von einem hämolytischen und bakteriolytischen Serum auf gleiche Eigenschaften der Pyocyanase schließen? Doch wohl wieder nur mit dem Bewußtsein, die luftige Brücke einer Hypothese zu schlagen, nicht um abwechselnd das Verhalten auf einer Seite als Beweis auf der anderen einzusetzen. Zum Schluß möchte ich noch einem Vorwurf entgegnen, den Emme- rich mir gemacht hat, daß ich, ebenso wie Klimoff, die Diph- theriegift zerstörende Wirkung nicht berücksichtigt habe (1, p. 20). Ich sei nicht imstande, diese merkwürdige Wirkung der Pyo- cyanaseflüssigkeit zu erklären (1, p. 21). „Unbequem“ (1, p. 20) war mir dieser Versuch gewiß nicht, er lag nur ganz außer dem Rahmen meiner Fragestellung. Die sicher ganz plausible und diskutierbare Annahme, daß es sich bei Bakterientoxinen um fermentartige Körper handeln könne und die vielen Beobachtungen, welche dafür an- geführt werden, sind mir wohl bekannt, auch Oppenheimer (1, p. 61 ff.) hat sie sehr eingehend behandelt, ebenso, daß Antitoxinwirkungen eine Art „Antiferment“ darstellen. Aber deshalb giebt es doch noch eine große Zahl von Bakteriengift zerstörenden Mitteln, welche nicht enzy- matischer Natur sind. Es kann also Giftzerstörung an sich keine Stütze für den Beweis der Enzymnatur abgeben. Es wäre noch eine große Reihe von Punkten anzuführen, die Emmerich zu Ausstellungen Veranlassung gegeben haben, zum Teil auch infolge von Mißverständnissen; so hätte z. B. sein Einwand, daß ich mit zu kleiner Einsaat gearbeitet habe, vermieden werden können (1, p. 4), wenn er berücksichtigt hätte, was ich über die Berechnung meiner Plattenzahlen ausführlich auseinandergesetzt habe (2, p. 11 Anm.), wobei ich es ausdrücklich als fehlerhaft bezeichnete, durch Multipli- kation der Einsaatöse in die Flüssigkeitsmenge Millionen von Bakterien auf dem Papier zu erzeugen, die nicht durch direkte Zählung ermittelt sind; hätte ich gerechnet wie Emmerich, würde es sich gezeigt 170 A. Dietrich, Sind alle Einwände gegen die sog. Nukleasen widerlegt ? haben, daß meine Bakterieneinsaaten um nichts kleiner waren als in Emmerich’s Versuchen (2, p. 12). Ich muß mir aber eine eingehendere Besprechung dieser und anderer Dinge vorbehalten, da ich heute nur die schärfsten Angriffe zurückweisen wollte. Das Schlußurtel Emmerich’s und Löw’s über meine Arbeit lautet dahin, daß sie den von Verff. „angebahnten Fortschritt vielleicht einige Zeit aufhalten wird, andererseits aber doch auch von Nutzen bei der Entscheidung über die Bedeutung der Nukleasen war, weil sie zur ge- naueren Untersuchung einiger Detailfragen führte“ (1,p.3). Jedenfalls geben Emmerich und Löw damit zu, daß ich berechtigt war, auf die Frage, von der ich oben ausging, zu antworten: Es läßt sich aus den kontrol- lierenden Nachuntersuchungen nicht die Ueberzeugung gewinnen, daß - es ein in der Kulturflüssigkeit des Bac.pyocyaneus enthaltenes pro- teolytisches Enzym ist, welches die bakterienvernichtende Wirkung in vitro, die heilende und immunisierende im Tierkörper bedingt 2, | An Stelle des proteolytischen Enzyms ist das rein bakterio- lytische getreten, aber mein Postulat damit noch lange nicht erfüllt, das wirksame Agens möglichst zu isolieren und alle Nebenwirkungen auszuschalten, was Emmerich und Löw in den früheren Untersuchungen gar nicht, jetzt aber immer noch nicht genügend berücksichtigt haben. Wenn das geschehen ist, dann dürfte es auch nicht mehr möglich sein, durch Kontrollversuche den angebahnten Fortschritt aufzuhalten, sofern ein wissenschaftlicher Fortschritt durch kontrollierende Versuche überhaupt aufgehalten werden kann. Es werden mir aber Emmerich und Löw zugestehen müssen, nachdem sie ihre Ansicht über die Nukleasen selbst geändert haben, daß der Satz unberechtigt war, der die „neue Lehre der künstlichen Immunität“ so felsenfest hinstellte (6, p. 787): „Damit ist die Ursache der künstlichen Immunität aufgeklärt und es erscheint weiterhin über- flüssig, über dieselbe künstliche Hypothesen aufzustellen, wie es noch neuerdings geschehen sei“. Da Emmerich und Löw von „meinem ehrlichen Bestreben, die Wahrheit zu finden“, überzeugt sind (1, p. 8), so darf ich wohl „wagen“ (1, p. 8), den geschätzten Autoren meine weitere Mitarbeit zuzusichern, um das wirksame Agens der bakterientötenden Stoffwechselprodukte in seiner wahren Natur zu erkennen; ich glaube, der Weg ist noch weit. Litteratur. 1) Centralbl. f. Bakt. etc. No. 1. p. 1 ff. 2) Arbeiten aus dem patholog. Institut Tübingen. Bd. III. 1901. H. 2. 3) Zeitschr. f. Hygiene. Bd. XXXVII 1901. p. 115. 4). Ibid.. Bd. XXXI. 1899. p. 1 £. 5) Ibid.. Bd, XRY VI. 1908 9.9. 6) Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XXVII. 1900. No. 22/23. p. 776. 7) Oppenheimer, Die Fermente. 1900. 8) Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XX VII. PS. Inghilleri, Ein neuer Spritzentypus für bakteriol. Untersuchungen. 171 Nachdruck verboten. Ein neuer Spritzentypus für bakteriologische Untersuchungen. [Aus dem bakteriologischen Laboratorium des italienischen Gesundheits- amtes in Rom.] Von Dr. Francesco Inghilleri, Provinzialarzt. Mit 2 Figuren im Text. Eines der wichtigsten und für die experimentelle Bakteriologie notwendigsten Instrumente ist die Spritze. Sie dient zu den explora- tiven Punkturen, um Kulturen und Toxine einzuimpfen, und um Serum und Impfstoffe und andere therapeutische Flüssigkeiten zu inokulieren; sie muß sterilisierbar sein, weil alle diese Operationen die allergenaueste Asepsis erfordern, und außerdem gut funktionieren, damit die Operation leicht und sicher ausfällt. Heutigen Tages existiert eine große Anzahl von Spritzen, was be- weist, wie vielen Studien dieses Instrument unterworfen worden ist; aber die Erfahrung hat bereits viele von diesen Typen beiseite gesetzt, sei es, weil sie wenig praktisch waren, sei es, weil sie dem Zweck nicht ent- sprachen. Diejenigen, welche dem Zwecke besser entsprechen, wie z.B. die Spritze Luer, sind wegen ihres hohen Preises und ihrer leichten Zerbrechlichkeit nicht anzuraten. | Die jetzt am meisten angewandten Spritzen sind die von Pravaz mit ihren unzähligen Modifikationen und die von Tursini. Die Spritzen von dem Typus Pravaz, selbst die besten, wie diejenigen von Roux und Sclavo, leiden an dem großen Uebelstande, daß die Luftkammer auch als Flüssigkeitsbehälter dient, und daß daher der Kolben mit dem Injektionsmaterial in Berührung steht. Wenn nämlich der Kolben schlecht funktioniert, so entsteht eine Verunreinigung der Flüssigkeit, oder, was noch schlimmer ist, die Möglichkeit einer Infektion des Ope- rators, weil beim Vorstoßen der Flüssigkeit diese leicht den Operator bespritzt, indem sie zwischen dem Kolben und der Wand der Luftkammer herausdringt. Wenn man überdies beim ersten Ansaugen nicht die ganze gewünschte Flüssigkeitsmenge erhält, so muß man die schon ge- wonnene Flüssigkeit wieder hinunterdrücken und die Operation wieder- holen, wodurch eine neue Veranlassung zu Verunreinigungen gegeben wird. Diesem Uebelstand, wie auch dem anderen wesentlichen der ‚Spritzen des Typus Pravaz hat Tursini mit seiner Spritze abgeholfen. Diese entspricht den von einer guten Spritze erforderten Eigenschaften für bakteriologische Untersuchungen besser; jedoch erschwert ihre außer- ordentliche Länge ihre Handhabung und macht sie für einige Fälle wenig geeignet. Aus diesem Grunde habe ich einen Spritzentypus ausgedacht, wel- cher, während er die Uebelstände der Pravaz- Spritzen und der Tursini- schen vermeidet, die Vorzüge derselben in sich vereinigt. Zugleich ga- rantiertt er eine vollkommene Asepsis, schließt jede Gefahr für den Operator aus, ist leicht zu sterilisieren und zu handhaben und wenig kostspielig. Bei der Vervollkommung des von mir erfundenen Typus habe ich von den Ratschlägen des Dr. Cosco profitieren können, dessen Namen 172 Inghilleri, Ein neuer Spritzentypus für bakteriol. Untersuchungen. ich wegen des mir von ihm geleisteten wertvollen Beistandes nicht ver- schweigen darf. | “IR Te Sem en Fig. 2. Fig. 1. Inghilleri-Spritze für bakteriologi- sche Untersuchungen. Fig. 2. A Luftkammer, B Flüssigkeitsb hälter, C Erweiterung der Röhre, D Kolben. Fig:it: Beschreibung der Spritze: Die Spritze besteht aus einer Glasröhre, die vermittelst zweier Verengerungen, die eine Erweiterung umschließen, in zwei Abteilungen (A—B) zerfällt. Abteilung B: Diese dient als Behälter für die Flüssigkeit und kann von verschiedener Kapacität sein. An ihr ist eine Skala angebracht H. Preisz, Ein praktischer Filtrierapparat. 173 und die Abteilung endigt in einem Vorstoß mit geschliffener Spitze, welcher durch seine Form und Struktur dazu dient, um eine Pravaz- nadel oder ein kleines Trequarti entweder unmittelbar oder vermittelst eines kurzen Gummischlauches zu tragen. | Erweiterung ©: Diese soll verhindern, daß durch einen falschen Griff die zu inokulierende Flüssigkeit in die Luftkammer eindringt. Abteilung A: Diese dient als Luftkammer, in diese mündet der Kolben. An ihrem unteren Ende trägt sie einen Wattebausch. Kolben D: Der Kolben schließt sich an den geschliffenen Rand der Luftkammer vermittelst eines metallenen Schiebringes an, so daß derselbe, so oft die Spritze sterilisiertt werden muß, fortgenommen werden kann. Der Kolben besteht aus einer Metallröhre, welche an beiden Enden offen ist. Er hat am oberen Ende einen Knopf, am unteren eine Scheibe von Leder, die von zwei metallenen Scheiben um- seben ist. Die beiden Enden des Kolbens sind offen, damit man ihn wieder hinunterschieben kann, ohne die angesammelte Flüssigkeit aus- zugießen, falls bei der ersten Aspiration nicht die gewünschte Menge Material gewonnen ist. Gebrauchsanweisung: Wenn die Spritze sterilisiert werden muß, so wird der Kolben abgenommen; an seine Stelle setzt man die Nadeln mit oder ohne den Gummischlauch, und die Luftkammer wird mit einem Wattebausch geschlossen. Der Kolben muß vor der Operation in die Spritze eingeführt werden, damit die durch die Sterilisation leicht her- beigeführten Verletzungen vermieden werden, infolge deren der Kolben der Spritzen des Typus Pravaz bald nicht mehr gut funktioniert. Die obere Oeffnung der Kolbenröhre muß beim Aspirieren wie beim Hinunter- drücken der Flüssigkeit mit dem Daumen der rechten Hand gut ge- schlossen gehalten werden. Diese obere Oefinung muß jedoch frei bleiben, sobald man den Kolben zur Fortsetzung der Aspiration hinunter- drücken will. Ich glaube, daß diese Spritze besser als alle anderen die für dieses Instrument erforderlichen Eigenschaften, namentlich zu bakteriologischen Untersuchungen, besitzt, und daher den Experimentierenden wohl em- pfohlen werden darf. Nachdruck verboten. | Ein praktischer Filtrierapparat. Von Prof. Dr. H. Preisz, Budapest. Mit einer Figur. Wer oft größere Flüssigkeitsmengen bei Anwendung der Saugpumpe zu filtrieren hat, der kämpfte wohl auch mit gewissen Mängeln der ge- wöhnlichen Filtrierapparate. Der größte Uebelstand dieser Apparate liegt darin, daß die Flaschen, in die Filterkerzen gesteckt werden und die das Filtrat aufnehmen, einen seitlichen Rohrstutzen besitzen, der mit der Saugpumpe in Verbindung gebracht wird. Bei manchen Systemen hat diese Saugflasche sogar noch einen zweiten Fortsatz, und zwar behufs Entleerung des Filtrates. Selbstverständlich sind solche, mit dünnen röhrenförmigen Fortsätzen versehene Glasgefäße sehr zer- brechliche Dinge und auch bei vorsichtiger Handhabung nur von kurzer Lebensdauer. Außer dem Abbrechen der Fortsätze sah ich nicht selten 174 H. Preisz, Ein praktischer Filtrierapparat. bei größeren Saugflaschen (System Reichel) Losspringen des Bodens, was natürlich noch viel fataler ist. Da, auch abgesehen von diesen unangenehmen Zwischenfällen beim Arbeiten, Saugflaschen im Handel nicht immer ohne weiteres zu haben, im Preise aber stets bedeutend höher sind als gewöhnliche Flaschen, so konstruierte ich einen Filtrierapparat, der auf jede beliebige starke Flasche angesteckt werden kann, und dessen Bestandteile dem Verderben möglichst wenig ausgesetzt sind. Seit einem Jahre leistet mir dieser Apparat beim Filtrieren von Diphtherieserum gute Dienste, was mich bewog, ihn hier in Kürze zu beschreiben. Der Apparat besteht aus einem oberen cylindrischen, und einem unteren, leicht trichterförmigen Teil; die einander zugekehr- ten Teile besitzen je eine flache Krempe, zwi- schen welche der Kragen der Filterkerze mit- tels zweier Kautschukringe luftdicht ein- gepreßt wird. Letzteres bewirken 3, an der Krempe des Oberteiles angebrachte Schrauben. Die Kerze selbst ragt in den Cylinder hinauf und filtriert von außen nach innen. Im Halse des Oberteils steckt ein Pfropf mit Glasrohr und Schlauch, durch welche aus dem etwas höher gestellten Gefäße die zu filtrierende Flüssigkeit zum Filter strömt. Das Unterteil ist oben leicht trichterför- mig, abwärts aber ein gleichwandiges Rohr; im Inneren dieses Rohres, der Wand an- liegend, läuft ein dünneres Röhrchen, welches unten, 3—4 cm vor dem Ende des Unter- teiles, die Seitenwand des Rohres durchbohrt und daselbst mündet. Etwa 6 cm oberhalb dieser Mündung durchbohrt das Röhrchen ebenfalls die Wand des äußeren Rohres und ragt als Saugrohr einige Centimeter seitwärts heraus. Auf den Unterteil, zwischen Oeffnung und S | seitlichem Fortsatz des Saugröhrchens, wird ein Kautschukpfropf gezogen und mittels die- ses der Apparat in eine starke Flasche ge- steckt. Die Zusammenstellung und Funktion des Apparates ist aus nebenstehender Figur (!/, natürl. Größe) leicht ersichtlich. Den Apparat verfertigte nach meinem Plan der hiesige Mechaniker Herr Wilhelm Fischer; in Messing ausgeführt ist er außen vernickelt, innen vergoldet. Wohl genügte auch innen Vernickelung. Die im Apparate angewandten Filterkerzen sind Nordtmeyer- Berkefeld'sche. E \ g ; y R. Turrö, Zur Anaörobenkultur. 175 a Nachdruck verboten. Zur Ana£robenkultur. Von R. Turr6, Direktor des Laboratoriums der Academia de Ciencias medicas de Cataluna. Mit 2 Figuren. Isolierung der Anaöroben. Einfacher und wohlfeiler als die von Kitasato, v. Esmarch, Roux oder Vignal zur Isolierung der anaörobischen Bakterienarten gebrauchten Vorkehrungen ist das von mir seit geraumer Zeit geübte Verfahren. Fig. 1 stellt eine Krystallisier- schale von gerin- gem Durchmesser und 2-3 cm Höhe dar, an deren inne- rer Wand 3 Stän- der angelötet sind, worauf eine runde Scheibe ruht, deren eingeschmirgelte Ränder sich genau an den Umfang der Schale anlegen. Das Verfahren besteht aus folgen- den Operationen: 1) Im Autokla- ven oder im Was- serbade befreit man die Gelose oder Gelatine von der Luft, gießt sie auf die Scheibe oder Platte und läßt sie darauf unter einer Glasglocke stehen. 2) Von der zu isolierenden Bakterie bereitet man Verdünnungen in zwei oder drei mit Fleischbrühe oder sterilisiertem Wasser beschickten Röhrchen oder Kölbchen und gießt dann die zweite oder dritte Ver- - dünnung in gleichförmiger Schicht über die festgewordene Gelatine oder Agar der Platte. | 3) Nun bringt man in die Schale etwas Pyrogallussäurelösung nebst ' einem Stückchen Aetznatron oder Kali und legt die Platte mit der be- schickten Seite nach unten auf die Ständer. | 4) Darauf bestreicht man schließlich den Rand der Platte ringsherum mit eigens dazu geschmolzenem Paraffin oder Wachs zur Sicherung des _luftdichten Abschlusses des Inneren des Schälchens. Nach diesen Vornahmen ersieht man aus der Reaktion der Flüssig- keit, daß die Sauerstoffentziehung der abgesperrten Luft um so schneller vor sich geht, je rascher sich die Lösung des Alkalis vollzieht. Nun bringt man das Schälchen mit der gebührenden Vorsicht, um die Aussaat nicht mit Pyrogallat zu verunreinigen, in den Brutschrank und nach Ablauf der gehörigen Zeit wird man die Kolonieen zum Vorschein kommen und sich gegen den dunkeln Boden des Schälchens abheben sehen. Will man die Kolonieen untersuchen, so hebt man die Platte ab und - bringt sie unter das Mikroskop, ganz wie bei der Petri- Schale. 176 Inhalt. Vorstehendes Verfahren hat mir bei den streng- oder fakultativ- anaerobischen Bakterien immer ausgezeichnete Resultate ergeben und seit etwa 4 Jahren wenden meine Schüler kein anderes mehr an. Kultur der Anaöroben. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die anaörobischen Bakterienspecies sich ganz gut nach den klassischen Fig. Barcelona, November 1901. 2% Methoden züchten lassen; nur sind dieselben recht kom- pliziert. — Buchner vereinfachte die Sache allerdings dadurch, daß er das Kulturröhrchen in ein größeres, die alkalische Pyrogallussäurelösung enthaltende einschob. Sein Verfahren hat jedoch 2 Uebelstände: 1) geht die Sauerstoftentziehung der eingeschlossenen Luft nur lang- sam vor sich und 2) läßt sich die Entwickelung der Kultur nicht direkt beobachten. In Fig. 2 ist eine Röhre dargestellt, womit beiden Uebelständen abgeholfen wird. In dem unteren Teile derselben bringt man das beim Sterilisieren entlüftete Nährmittel (Fleischbrühe, Agar, Gelatine) und besät das- selbe durch die centrale Verlängerung hindurch, dann führt man mittelst einer Pipette soviel Pyrogallussäure- lösung und Aetzlauge in die Kugel, daß dieselbe zu ı/, oder !/, gefüllt erscheint, und verschließt mit einem Gummipfropf, den man zu sicherem Luftabschluß noch mit Parafin umschmiert. Zur Beschleunigung der Sauer- stoffabsorbierung bringt man durch Schwenken die ganze Wandung der Kugel mit der Flüssigkeit in Berührung und gar bald ist aller Sauerstoff aufgesogen. In diesen Kugelröhrchen keimen die Stich - Strichkulturen in Fleischbrühe, Agar oder Gelatine der Anaöroben (B. amylobacter, V. septicus ebenso üppig wie bei den klassischen Methoden. meinem Verfahren wird der Gebrauch der Pumpe und viel Zeit erspart. Die Einlötung der unteren Röhre in die obere und die Bildung der Ampulle erheischt aller- dings einige Geschicklichkeit. Originalmitteilungen. Inhalt. ten des Bacterium coli commune (Esche- rich) zu ‚gewissen Stickstoffsubstanzen und etc.) Mit ar a a re u | | Aujeszky, Aladär, Ueber das Vorkommen der Tuberkelbacillen in der Budapester Marktbutter, p. 132. Centanni, Eug., Die Vogelpest, p. 145. Dietrich, A., Sind alle Einwände gegen die Natur und Wirkungsweise der so- genannten Nukleasen widerlegt?, p. 165. Galli-Valerio, B., Untersuchungen über die Hämosporidien der Alpenvögel, p. 162. Inghilleri, Francesco, Ein neuer Spritzen- typus für bakteriologische Untersuchun- gen,’p., 171. Odhner, Theodor, Mitteilungen zur Kennt- nis der Distomen. H., p. 152. Pfaundler, Meinhard, Ueber das Verhal- Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, \ und zu Stärke, p. 113. Preisz, H,, Ein praktischer Filtrierapparat, | p.=179: Turrö, R., Zur Anaörobenkultur, p. 175. Vedder, E. B. and Duval, C. W., The etiology of acute dysentery "in the United States, p. 134. Voges, O., Beobachtungen und Studien über eine in Südamerika bei jungen Rin- dern vorkommende Erkrankung der Ex- tremitäten, p. 136. j ——— , Panophthalmia bovina carcinomatosa, p- 142. Wildkolz, H., Zur Biologie der Gono- kokken, p. 128. CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. O0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXT. Band. Jena, den 27. Februar Igo2. —- No. 5. Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Originai-Mitteilungen. Nachdruck verboten. Ueber eine Kaninchenseuche. [Aus dem staatlichen Institute zur Herstellung von Diphtherieheilserum in Wien (Vorstand: Prof. R. Paltauf).] Von Dr. Richard Volk. Im November v. J. brach unter den Kaninchen, die aus dem Stalle eines Tierzüchters geliefert wurden, und zwar zunächst nur unter den Tieren aus diesem Stalle, in unserem Institute eine Krankheit aus, der binnen kurzer Zeit zahlreiche Tiere unterlagen. Da der seuchenartige Charakter der Krankheit nicht sofort erkannt wurde, gesunde Tiere mit bereits erkrankten oder wenigstens infizierten in einen Käfig gesperrt wurden, konnte die Krankheit an Ausdehnung gewinnen und auch Tiere aus anderen Ställen ergreifen. Kaninchen, die mit infizierten nicht direkt zusammenkamen, wohl aber in einem lT’ebenraume, zu dem die Erste Abt. XXXI. Bd. 13 178 Richard Volk, Thür stets offen stand oder in Nachbarkäfigen sich befanden, erkrankten nicht, so daß es den Anschein hat, als ob die Krankheit direkt kontagiös wäre. In der That gelang auch die Unterdrückung der Seuche ziemlich leicht, sobald die infizierten Tiere sorgfältig isoliert, die Käfige desinfi- ziert waren. Die Krankheitssymptome sind nicht besonders charakteristische. Suspekt werden die Tiere durch eine stärkere serös-schleimige Sekretion der Nase, wodurch dieselbe stets feucht ist; doch wird der Ausfluß nicht eiterig. Mitunter fällt schon in diesem Stadium eine gewisse Trägheit an den Tieren auf. Manifest wird die Schwere der Erkrankung erst kurze Zeit, 2—3 Tage, oft auch erst 24 Stunden vor dem Tode. Nachdem die Tiere schon vorher langsam abgemagert waren, verlieren sie nun alle Freßlust, kommen rasch herab, sitzen ganz matt auf einem Flecke und gehen unter starker Dyspno@® zu Grunde. Sobald die Er- krankung diagnostiziert ist, vergehen auch nur ganz wenige Tage, oft nur 24 Stunden bis zum Tode der Tiere. Die Dauer des Verlaufes festzustellen, ist sehr schwierig, nachdem die Erkrankung keinen genau fixierten Beginn hat, das häufigere Niesen nicht als solcher zu ver- werten ist. Sehr charakteristisch erweist sich der Obduktionsbefund der ein- gegangenen Tiere. Die Nasenschleimhaut ist etwas geschwollen und injiziert, mit schleimig-serösem Sekret bedeckt. In den Pleurahöhlen, und zwar meist in beiden, seltener nur in einer findet sich ein reichliches, trübes, flüssiges Exsudat, das klebrig und etwas fadenziehend ist. Die Pleura pulmonalis ist bei rapidem Verlaufe der Erkrankung nur mit einem dünnen feinen Belage bedeckt; gewöhnlich finden sich jedoch dicke, fibrinös-eiterige, gelblich-weiße, leicht abziehbare Auflagerungen, die nicht selten die Dicke von 1—2 mm erreichen. Die Lungen sind durch das reichliche Exsudat sehr stark komprimiert, selten entzündlich verändert, meist nur hyperämisch und atelektatisch, eventuell mit geringen Hämorrhagieen in den Lungen- rändern;; selten findet man pneumonische Veränderungen. Hat der Prozeß eine gewisse Ausdehnung erreicht, so wird gewöhn- lich auch die äußere Fläche des Herzbeutels ergriffen, der dann so wie die Pleura in einen fibrinös-eiterigen Mantel gehüllt ist. Im weiteren Verlaufe kommt es auch zur Exsudation in den Herzbeutel, eventuell zu ähnlichen Auflagerungen aufs Epicard wie auf der Pleura. Die Leber ist hyperämisch, leicht vergrößert. Die Milz zeigt die deutlichen Zeichen eines akuten Milztumors; sie ist sehr bedeutend vergrößert, dunkelrot, leicht zerreißlich. In einigen Fällen, es waren im ganzen 5, zeigten sich in der Bauch- höhle peritonitische Veränderungen. Die Serosa des Darmes war streifenförmig injiziert, die Darmschlingen waren durch ähnliche Auf- lagerungen, wie sie auf der Pleura gefunden wurden, verklebt, im Peri- tonealraume fand sich etwas vermehrte trübe Flüssigkeit. Die mikroskopische Untersuchung des flüssigen Pleuraexsudates ergab ein eiterig-fibrinöses Exsudat mit gut färbbaren Leukocyten; das ganze Gesichtsfeld übersät mit kleinen Baeillen, die sich aus der Milz des zuerst verendeten Kaninchens züchten ließen und deren Bestimmung weiter unten folgt. | In Schnittpräparaten sieht man die Pleura von einer dicken Auf- lagerung bedeckt, die zum größten Teile aus Leukocyten besteht, unter diesen Auflagerungen finden sich häufig Hämorrhagieen. Das Lungen-" BE | j } E x | m 2 Na 5 4 ; p; “ Ueber eine Kaninchenseuch®, 179 gewebe ist teils atelektatisch, teils sind in demselben auch kleine Herde von Blutextravasaten, nur ganz spärlich zeigt sich kleinzellige Infiltration. Von ähnlicher Beschaffenheit wie die der Pleura sind die Auf- lagerungen des Peri- und Epicards. In allen Auflagerungen lassen sich Bacillen im Schnitte färben und sind darin reichlich vorhanden. In geringer Menge finden sie sich auch im Lungengewebe. Die Milz ist stark hyperämisch, auch in ihr finden sich Bacillen. Es gelang, den Erreger der Seuche rein zu züchten, und zwar kann man ihn aus allen möglichen Organen erhalten. Wir züchteten ihn aus Milz, Leber, pleuritischem und peritonitischem Exsudate, Placenta, Herz- blut. Aus dem Nasensekrete gelang uns die Reinzüchtung nicht. Der Erreger ist ein kleines, zartes, unbewegliches Stäbchen, etwa von der Größe der Influenzabacillen, das an den Enden abgerundet ist und sich mit Anilinfarben gut färben läßt, wenn auch nicht alle Exem- plare die Farbe gleich intensiv aufnehmen. Nach Gram wird er ent- färbt. Sporen konnten weder beobachtet noch gefärbt werden. Das Wachstum in fast allen gebräuchlichen Nährböden ist bei 37 bis 38° ein gutes, nur auf der Kartoffel konnte keine Kultur erzielt werden. Die Bouillon wird nach 24 Stunden diffus getrübt. Nach 2-5 Tagen klärt sie sich zum Teile, besonders wenn sie während dieser Zeit im Gelatinekasten steht, wo die Entwickelung der Keime nicht so rasch von statten geht, während sich an der Oberfläche ein dünnes, kohärentes Häutchen bildet und der Boden der Eprouvette von einem dicken, ko- härenten, fadenziehenden Bodensatze bedeckt ist. In der Flüssigkeit finden sich, besonders an den Wänden, kleine Flöckchen. Auf schiefem Agar entwickelt sich ein fein gekörnter, durchscheinen- der Rasen, bestehend aus einer Menge feiner, kleiner Kolonieen. Sehr charakteristisch sind die Kulturen im Strich auf der Agarplatte. Nach 24 Stunden bei 37° entwickeln sich gewöhnlich bei reichlicherer Aussaat ganz kleine stecknadelspitze- bis höchstens stecknadelkopfgroße, durchscheinende Kolonieen, die im durchfallenden Lichte bläulich er- scheinen. Die Kolonieen sind fein gekörnt, ganzrandig; an den größeren kann man jedoch jetzt schon eine gröbere Körnung bemerken. Ist das _ Material dünner gesät und läßt man die Kolonieen 2 X 24 Stunden bei - Bruttemperatur stehen, so entwickeln sie sich häufig bis zu Linsengröße und haben mikroskopisch ihre ganz charakteristische Form. Makro- -skopisch findet man das Centrum der Kolonie dichter, von weißer bis - gelblich-weißer Farbe während die Peripherie auch jetzt noch im durch- - fallenden Lichte bläulich erscheint. Mikroskopisch findet man das Centrum der Kolonie ganz grobgekörnt, die Körnung wird gegen die Peripherie zu kleiner, um dann in die feine Körnung der Randpartie der Kolonie _ überzugehen. | Im Agar- und Zuckeragarstich wächst der Bacillus längs des Stiches, gegen den Boden zu immer spärlicher; um die Einstichöffnung bildet sich ein wenig erhabener Rasen. i Auf der Gelatine wächst er nicht besonders gut; die Kolonieen gehen erst nach einigen Tagen auf, bleiben klein, zeigen im Centrum die grTö- - bere Granulierung, doch nicht so schön, wie auf der Agarplatte. Im Gelatinestich wächst der Bacillus längs des Stiches mit weißer - Farbe und sendet senkrecht auf die Stichrichtung zarte, kurze Fortsätze in die Gelatine, so daß der Stich wie gezähnt aussieht. Die Gelatine wird nicht verflüssigt. Milch wird nicht koaguliert. u 180 . Richard Volk, Auf Kartoffel wächst der Baeillus nicht; auch anaörob gelingt die Züchtung nicht. Indol, Säure, H,S werden nicht produziert. Gegen Erhitzung ist der Bacillus nicht sehr resistent; Einwirkung einer Temperatur von 60° durch 5 Minuten tötet ihn ab. Auffallend war, daß die sonst auf schiefem Agar kohärente, in Bouillon schwer aufzuschwemmende Masse nach längerem Erhitzen sich sehr leicht in Bouillon in feine Flöckchen auflöste. Es hatte den Anschein, als ob eine Kittsubstanz durch die Wärme zerstört würde. Einwirkung von 1°,.igem Sublimat durch 5 Minuten hebt die Lebensfähigkeit des Mikroorganismus auf. Um die Resistenz gegen Eintrocknung zu prüfen, wurde die Ver- suchsanordnung ähnlich der der Beck’schen gemacht, nur wurden die Seidenfäden in eine 24-stündige Bouillonkultur gelegt, darin 1 Stunde im Brustkasten gelassen und dann durch 24 Stunden im Thermostaten getrocknet, so daß sie etwa unter gleichen Bedingungen in den Versuch eintraten. Es wurden dann die trockenen Fäden teils im Brutkasten, teils im Gelatinekasten, teils im Exsiccator geschützt vor Licht, aufbe- wahrt und täglich ein Seidenfaden auf die Entwickelungsfähigkeit der Keime geprüft. Es ergab sich dabei, daß der Bacillus die Austrocknung im Brutkasten durch 3 Tage, im -Exsiccator, durch 11 und bei Zimmer- temperatur durch 24 Tage aushielt. Versuche über die Pathogenität des Bacillus ergaben eine ganz er- staunliche Virulenz desselben für Kaninchen. Etwas größere Dosen intrapleural oder intraperitoneal geimpft, töteten die Tiere so rasch (oft in wenigen Stunden), daß sich außer eventuell geringer flüssiger Ex- sudation auf der Injektionsseite und geringer Trübung der Pleura daselbst gar keine pathologisch-anatomischen Veränderungen ergaben. Erst nach intrapleuraler Injektion von nur 0,000001 ccm 24-stündiger Bouillonkultur starben die Kaninchen nach 36 Stunden und es zeigte sich eine deut- liche fibrinös-eiterige Pleuritis. Aus dem Herzblute waren die typischen Bacillen züchtbar. Nach intraperitonealer Impfung von 0,000001 cem erfolgte der Tod binnen 48 Stunden, wobei es zu geringen peritonitischen Erscheinungen kam; aus dem Milztumor, aus dem flüssigen Exsudate, dem Herzblute etc. konnte der Bacillus gezüchtet werden. Bei subkutaner Impfung ist die Wirkung eine schwächere. Impft man z. B. am Ohre, so entsteht bald ein schweres Erysipel und das Tier geht nach einigen Tagen unter Abmagerung zu Grunde. Auf die Nasenschleimhaut gebracht, wirkt der Bacillus auch binnen wenigen Tagen für Kaninchen tödlich; es zeigt sich keine Pneumonie, sondern es kommt zur Sepsis, vielleicht durch Verletzung der Schleimhaut. ° Verfütterung scheint keinen Einfluß auf das Tier zu haben. 0,0005 cem intratracheal führte zu lobulär-hämorrhagischer In- filtration der Lunge und zum Tode des Tieres in 2 Tagen. Meerschweinchen erwiesen sich auch, doch in geringerem Grade empfänglich, noch weit weniger weiße Mäuse. Ueber die Toxinbildung läßt sich vorläufig nichts Bestimmtes sagen. £ Es scheint zwar ein Toxin gebildet zu werden, das jedoch nicht sehr wirksam ist. Unsere Versuche wurden mit einem Filtrate aus einer ! ; sches. In ähnlicher Weise reagierten auf entsprechend kleinere Dosen bei 37° gehaltenen 1-monatlichen Kultur angestellt. Die Kaninchen reagieren nach 10 cem, subkutan injiziert, mit Infiltrat, Abmagerung; Tod erst nach 3 Wochen; der Obduktionsbefund bot nichts Charakteristi- auch Meerschweinchen. Bi du Eu a En a a Pr N “ | | | | | 1 Ueber eine Kaninchenseuche. | Beck’scher Bacillus .._ 181 Kraus’scher Bacillus Unser Bacillus Bouillon | Nach 24 Stunden leichte) Trübung nach 24 Stunden,| Trübung nach 24 Std. ; Trübung, die nach 4—5 Tagen verschwindet; weiß- licher Bodensatz, Aus- wachsen in Fäden, beim Aufschütteln Auflösung in Fäden und Flocken. Koloniegraugel blich,scharf umrandet, fein gekörnt; zähschleim. fadenziehend. Agar- platte Gelatine- | Nach 48 Stunden kleine, platte lasartige, feingekörnte ME kanican, unterm Mikro- skop stark glänzend; ältere Kolonieen hellbraun. nach Bodensatz, geruchlos. 2% 24 Stunden| hierauf Klärung mit Bildung eines cohä- renten Bodensatzes und eines Oberflächenhäut- chens. Grauweiße, im durchfallen-| Kleine Kolonien, scharf- den Lichte irisierende Ko- lonieen mit dichtem, gelb- lichem, granuliertem Cen- trum, peripheriewärts fein granuliert, Rand fein ge- zähnelt. Nach 48 Std. feine punkt- förmige, später stecknadel- kopfgroße Kolonieen, rund, erhaben, glänzend weiß; mikroskop. scharf randig, fein gekörnt; größere central grobe Granula enthaltend. Central gröber granu- lierte Kolonien. begrenzt, rund, gelblich fein granuliert. Weiß gefärbter Stich Gelatine- | Fein gekörntes Wachstum mit gezähntem Rande. stich von weißer Farbe, entlang dem Stich. Keine Ver- flüssigung. Wachstum spärlich um die Einstichöffnung nach 2% 248td.weißglänzendes erhabenes Knöpfchen. Nach 16 Std. Oberfläche feucht, ohne deutlich sicht- bares Wachstum, nach 24 Std. gelbbrauner, an- fangs feucht., später mehr trockener, mattglänzend., oft gekörnter Rasen mit unregelmäßigen Rändern. Kartoffel! Kein Wachstum. Kein Wachstum. Milch | ? Keine Gerinnung. ‚Keine Gerinnung. Säure- ? Keine. ' Keine. bildung | Indol ? Keines. Keines. Form | Feinste Stäbchen. Feinste Stäbchen. Feinste Stäbchen. Gram | Negativ. Negativ. ı Negativ Beweg- | Unbeweglich. Beweglich. | Unbeweglich. lichkeit Anae- Keine. Keine. ' Keine. robiose Unsere Versuche durch Immunisierung teils mit abgetöteten, teils _ mit lebenden Kulturen, sowie auch mit Toxin einen Immunkörper, resp. > De = > E -_ ir | - ein spezifisches Agglutinin zu erhalten, fielen negativ aus, trotzdem ver- schiedene Tiere verwendet wurden. Kaninchen eignen sich nicht besonders, da sie allzu leicht eingehen. Es wurde auch ein Hund und ein Schaf zur Injektion benützt; trotzdem beide auf höhere Dosen ziemlich stark 182 Eug. Centanni, reagierten, gab ihr Serum doch weder einen Gehalt von Antikörper noch auch von Agglutinin. Letzteres wäre deshalb nicht unwichtig gewesen, da man eventuell durch die spezifische Agglutination diesen Bacillus von anderen ähn- lichen aus der Gruppe der Kaninchenseuchen ganz präzise hätte unter- scheiden können. Sehr nahe verwandt ist er ganz offenbar mit dem Beck’schen !) und Kraus’schen?) Bacillus und scheint zwischen beiden zu stehen. Die charakteristischen Merkmale dieser 3 Bacillen finden sich in untenstehender Tabelle zusammengestellt. Gegenüber dem Beck’schen Bacillus der Brustseuche bei Kaninchen möchten wir vor allem die charakteristische Agarkultur unseres Bacillus hervorgehoben wissen. Die Unterschiede gegenüber dem Kraus’schen Bacillus er- geben sich leicht aus der Tabelle (p. 181). Nach all dem glauben wir annehmen zu können, daß wir es mit einem eigenen Bacillus zu thun haben, der zwar große Aehnlichkeiten mit dem bekannten Beck’schen Bacillus der Kaninchenseuchen hat, sich jedoch andererseits auch gut differenzieren läßt. Zum Schlusse erlaube ich mir, meinem hochverehrten Chef, Herrn Prof. Paltauf, sowie Herrn Dozenten Kraus für ihr reges Interesse und ihre ausgiebige Unterstützung bei der Arbeit meinen besten Dank auszusprechen. | Nach Abschluß der Arbeit ist eine Publikation von Roger und Weil?) erschienen, die einen Bacillus der Rhinitis purulenta bei Kaninchen beschreiben, der mit unserem Bacillus sowohl, als auch mit dem der Beck’schen und Kraus’schen Seuche große Aehnlichkeit hat, von unserem Bacillus speziell sich jedoch sowohl bakteriologisch als auch durch die pathologisch-anatomischen Veränderungen, die er setzt, unterscheidet. u Nachdruck verboten. Die Vogelpest. Beitrag zu dem durch Kerzen filtrierbaren Virus. [Aus dem Laboratorium für allgemeine Pathologie der Universität Ferrara.] Von Prof. Eug. Centanni. Mit 2 Figuren. (Schluß.) 6. Filtrierung durch poröse Kerzen. Es wurde bemerkt, daß bei den früheren Experimenten mit dem Blute die Infektion der Tiere nach Serien gemacht wurde, indem dasselbe, von einem Huhn stammende Material auf das folgende über- ging. Man sah bei diesen Uebergängen, daß die Dauer der Krankheit nicht nur nicht zunahm, sondern sich eher verkürzte, und ich konnte 1) Beck, M., Der Bacillus der Brustseuche bei Kaninchen. (Zeitschr. f. Hyg. Bd.. XV.11893. °P. 363.) E 2) Kraus, R. Ueber den Erreger einer influenzaartigen Kaninchenseuche. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXIV. 1897. p. 396.) i u 3) Roger et Weil, Emile, Recherches bacteriologiques sur la Rhinite puru- lente &pizootique des lapins. (Arch. de med. experim. et d’anat.-pathol. 1901.) j PR Die Vogelpest. | 183 so von den ersten Versuchen an ausschließen, daß es sich um ein Toxin handelte, wie wir es verstehen; das Agens konnte sich nicht anders reproduzieren als ein gewöhnliches Virus. Da ich bei den wiederholten Versuchen, die ich über das Agens der Rabies gemacht hatte, schon seit längerer Zeit zu dieser Ideenreihe gelangt war, wollte ich auf die Unsichtbarkeit des Keimes bei dieser neuen Hühnerkrankheit dieselben beiden Möglichkeiten anwenden: 1) Entweder ist es eine Frage der Färbbarkeit, sei es, daß das passende Reagens noch zu finden ist, sei es, daß der Keim dieselbe protoplasmatische Zusammensetzung hat wie das Gewebe, das er be- wohnt, und daher bei jedem Reagens nur als eine Fortsetzung des- selben erscheint. 2) Oder es ist eine Frage der Kleinheit, so daß, was man auch thun möge, der Keim sich immer jenseits der Kraft unserer optischen Mittel befindet. Diese zweite Hypothese konnte man mittels Filtrierung durch poröse Kerzen auf die Probe stellen, was sogleich geschah. Hier führe ich einige der hauptsächlichsten Experimente an: 1) Versuch mit Berkefeld’scher Kerze an einem im Laboratorium infizierten Huhne. Das Herz und die Lunge werden in 100 cem physiologischer Kochsalzlösung zerkleinert und eine Darmschlinge hinzugefügt, um das Material hinreichend bakterienreich zu machen und die Kerze besser zu kontrollieren. Filtrieren durch Papier und dann durch die Kerze. Ein Teil des Filtrates wird in Fleischbrühe gebracht und 7 Tage lang im Wärmeschranke gehalten; er erweist sich als steril. Das Huhn erhält 1 cem des Filtrates unter die Haut und stirbt nach 34 Stunden unter den gewöhnlichen Symptomen. 2) Versuch mit .derChamberland’schen Kerzeaneinem im Laboratorium infizierten Huhne. Herz und Lungen werden mit 100 eem physiologischer NaCl-Lösung verdünnt. Die angewendete Chamberland’sche Kerze ist eine kontrollierte Kerze Marke F und durch langen Gebrauch fast undurchlässig geworden. Es geht eine kleine Menge fast farbloser Flüssigkeit über, als Anzeichen, daß viel - Eiweiß zurückgehalten wird. Von dem Filtrat injiziert man 5 cem unter die Haut eines Huhnes, das nach 42 Stunden stirbt. Ein Teil des Filtrates wird in dem Wärme- schranke mehrere Tage lang mit negativem Ausgange kultiviert und hält sich so auch lange bei Aufbewahrung in der Temperatur der Um- ‚gebung. 3) Versuch mit Ghamberland’scher Kerze an einem an natürlicher Infektion gestorbenen Huhne mit Ueber- tragung auf Serien. Das Material wird zubereitet wie im vorigen Falle mit einem in einem Hühnerstalle der Umgegend gestorbenen _Huhne. Man macht damit eine Injektion von 3 ccm unter die Haut. | Das Huhn stirbt nach 2 Tagen, und zwar mit dem vollständigsten Leichenbefunde: Starkes intermuskuläres, hämorrhagisches Exsudat an der Einstichstelle, weiße Flecken auf dem Epicard, starke Blutfüllung der Lunge, reichliches seröses und fibrinöses Exsudat in der Pleura, trübes im Peritoneum. Die bakterioskopische Untersuchung des Fil- trates und des Blutes des gestorbenen Huhnes sind negativ. Um bei dieser Art von Experimenten die Annahme auszuschließen, das durch das Filtrum durchgehende sei ein einfaches Toxin, wurden “ u 184 i Eug. Centanni, 0,02 cem des Herzblutes des bei dieser Probe gestorbenen Huhnes einem zweiten Huhne injiziert, das nach 40 Stunden stirbt und dann das Material für 2 andere Hühner lieferte, die ebenfalls schnell starben. 4) Versuch mit Chamberland’scher Kerze am Darme infizierter Hühner mit Uebertragung auf Serien. Die Därme mehrerer infizierter Hühner werden mit ihrem Inhalte in physio- logischer NaCl-Lösung zerrieben. Man filtriert durch die Porzellan- kerze und injiziert 10 ccm von der so erhaltenen Flüssigkeit einem Huhne, das nach 46 Stunden stirbt und bei der Sektion fortgeschrittene Läsionen zeigt, vorzüglich hämorrhagische Flecken, die über das Pericard, die Pleuren und das Peritoneum, sowohl das parietale als das viscerale, zerstreut sind. | Die filtrierte Flüssigkeit von einem so stark von Bakterien strotzen- den Materiale wurde in den Brütofen gebracht, allein oder mit Fleisch- brühe gemischt, und zeigte sich bakteriologisch negativ. Das Herzblut dieses toten Huhnes wird in der Dosis von 0,01 ccm einem anderen Huhne eingespritzt, das es nach 38 Stunden tötet. So schwand immer mehr der Gedanke an ein einfaches Toxin. 5) Vergleichender Versuch mit dem unter die Haut und durch Ingestion eingeführten Filtrate. Das Filtrat wird auf die frühere Weise mit einer Berkefeld’schen Kerze zubereitet und durch Kultur kontrolliert. Ein Huhn erhält davon 2 ccm unter die Haut und stirbt nach 5 Tagen. Einem anderen giebt man am 1. Tage 15 ccm und am 2. ebenso viel zu fressen und es stirbt ebenso am 3. Tage. Die Läsionen des Herzens sind sehr bedeutend; fibrinöse, adhäsive Pericarditis. Dagegen zeigt der Darm bis auf leichte Hyper- ämie nichts Besonderes, zum Beweis, daß der Darmkanal für dieses Virus die Eintrittsstelle abgiebt, aber keine elektiven Kolonisationsherde bildet. } Wir fügen noch hinzu, daß das dem Huhne des 3. Versuches ent- nommene Material während mehrerer Monate zu Uebertragungen im Laboratorium gedient hat, ohne jemals ein Zeichen von Abschwächung zu seben. Es ist also nicht zweifelhaft, daß die Reproduktivität des Virus unerschöpflich ist. Das Virus geht also, wenn man die von selbst ge- storbenen und die im Laboratorium infizierten Tiere be- trachtet, leicht durch die Kerzen von Chamberland Fund Berkefeld und bleibt in diesem Zustande in kleinster Dosis vollkommen wirksam, mag es unter die Haut oder durch Verfütterung eingeführt werden. 7 Das weniger poröse Chamberland-Filter, Marke K unter Druck von 1!/, Atmosphäre versucht, soll nach den Beobachtungen von Mag- giora und Valenti eine unwirksame Flüssigkeit geben. 7. Kulturversuche mit der Vogelpest. Welcher Art auch die Natur des pathogenen Agens der gegen- wärtigen Krankheit sein möge, so können wir es doch, da es fähig ist, ° sich unendlich zu vermehren, als ein gewöhnliches Virus behandeln und nicht nur im Organismus, sondern auch außerhalb desselben auf geeigneten Nährböden Kulturen einrichten. Wenn man von den Bak- terien absieht, sind bekanntlich die Schwierigkeiten, künstliche Kul- turen zu erhalten, sehr groß, selbst wenn sie auf den von dem Mikrobium vorgezogenen Gewebe des Organismus angelegt werden, ä Die Vogelpest. 185 z. B. auf dem Nervensystem bei Rabies, auf Blut bei der Amöbe der Malaria. Der Grund liegt in der geringen Kenntnis, die wir noch von den Eigenschaften dieser Virus haben, und zum Teil auch in der außerordentlichen Spezifieität, die sie zu besitzen scheinen, so daß viele von ihnen, wenn sie irgend einem Körperteil eingeführt werden, sich entweder nicht entwickeln oder sich in gewissen bevorzugten Geweben lokalisieren und oft das Innere der lebenden Zellen vorziehen, das man ihnen künstlich nicht liefern kann; ganz im Gegensatze zu den Bak- terien, die in dem Gewebe, in das sie eingeimpft werden, fast ohne Unterschied Proliferationsherde bilden oder in den Organflüssigkeiten leben und die zu den verbreitetsten und uns am besten bekannten Wesen gehören. Notizen über die Kultur des Virus der Peripneumonie. Unter den filtrierbaren Virus sind bis jetzt die künstlichen Kulturen nur mit dem Virus der Peripneumonie der Rinder durch Nocard und Roux!) gelungen. Das Resultat ist in Kollodiumsäckchen und Probier- röhrchen erhalten worden. Die Kollodiumsäckchen wurden mit Martin’scher Fleischbrühe gefüllt und nach der Impfung 15—20 Tage im Peritoneum von Kaninchen gelassen; es gelingt auch bei der Kuh, nicht beim Meerschweinchen. Die Flüssigkeit wird trübe und opalisierend und in ihr erkennt das Mikroskop bei 2000-facher Vergrößerung und guter Beleuchtung unend- lich viele kleine bewegliche, stark lichtbrechende Punkte von so großer Feinheit, daß es auch nach der Färbung schwer fällt, ihre Gestalt genau zu bestimmen. Das Virus wird aus einem Säckchen reihenweise in andere übertragen und bringt auch nach mehreren Uebergängen durch Impfung in Kühe die typische Form wieder hervor. Die Kultur in Röhren gelingt mit der Martin’schen Fleischbrühe, die durch osmotische Prozesse umgewandelt worden ist, indem sie in nicht geimpften Kollodiumsäckchen in dem Peritoneum von Kaninchen verweilt hat; aber sie gelingt auch mit nicht vorbereiteter Martin- scher Fleischbrühe, wenn man ihr !/,, Kaninchen- oder Rinderserum hinzugefügt hat, das direkt mit Rindervirus oder besser mit Virus ge- impft worden ist, das an den vorhergehenden Aufenthalt in Säckchen im Peritoneum gewöhnt worden war. Man erhält leichte, aber deutliche Opalescenz, Auftreten von kaum sichtbaren Punkten, Uebertragung der Virulenz auch nach wiederholten Passagen, Bildung eines Antiserums bei der Kuh. Wenn man der Fleischbrühe Gelose hinzufügt, erhält man auf der geneigten Oberfläche eine große Zahl transparenter, äußerst kleiner Kolonieen, die unter dem Mikroskop betrachtet aus außerordent- lich feinen Körnchen bestehen, deren Form auch mit den kräftigsten Färbungsmitteln unmöglich zu bestimmen ist. Kulturversuche mit der Vogelpest. Zur Beurteilung der Vermehrung eines unsichtbaren Keimes besitzen wir nur zwei Kriterien. Das erste stützt sich auf die optischen Veränderungen. Die Trübung _ des Stoffes ist ein Kriterium, auf das wir uns hier nicht allzu sehr ver- lassen können, denn, wie Nocard und Roux bemerken, ist diese bei der Peripneumonie kaum merklich, und wenn man es mit einem Keime zu thun hat, der wegen seiner Kleinheit oder seines Refraktionsindexes ganz jenseits der Sichtbarkeit liegt, dann kann das Aussehen der Flüssig- 1) Nocard et Roux, Le microbe de la pe@ripneumonie. (Annal. de Y’Instit. Pasteur. 1899. p. 240.) 186 Eug. Centanni, keit, auch wenn sie von Virus strotzt, vollkommen klar bleiben, wie in nicht geimpften Röhren. Man kann sich nur auf das zweite Kriterium, das der Virulenz, ver- lassen, und diese kann auf drei Weisen erprobt werden: 1) durch zunehmende Verdünnung des Virus in dem Kulturmittel, indem man diejenigen Verdünnungen anmerkt, die vor der Anstellung der Kultur wirksam waren und es nachher werden; 2) durch mehrfache Uebertragungen in sehr große Gefäße, so daß man bei den Reihenimpfungen kleine Mengen aus dem einen ins andere überträgt und endlich nach zahlreichen wiederholten Uebertragungen das ursprüngliche Material in eine unendlich schwache Verdünnung ver- wandelt hat; 3) mittels der Diffusion des Wachstums. Dabei benutzt man lange, gebogene Röhren; man impft das eine Ende und untersucht, ob das Virus durch fortschreitende Durchdringung des Nährbodens das andere Ende erreicht. Ich habe vorzugsweise das letzte Verfahren angewendet, mit An- wendung des Apparates Fig. 1. Es handelt sich um ein einfaches, U- förmiges Rohr, welches an beiden Enden zu einer Kugel aufgeblasen und unten ziemlich dünn auf eine Länge von ungefähr 25 cm aus- gezogen ist. Man gießt die Nährflüssigkeit ein bis zur Füllung der Kugeln und impft eine dieser Kugeln A mit virulentem Material. Die Röhre kann man zur anaöroben Kultur an beiden Enden zuschmelzen oder offen lassen. Nachdem man die Röhre hinreichende Zeit in der Wärmekammer gehalten hat, aspiriert man einen Teil des Inhaltes der Kugel B (un- geimpft) und erprobt seine Virulenz an einem Tiere. Wenn das Material unwirksam ist, hat sich das Virus nicht vermehrt. Aber wenn das Tier von der Krankheit ergriffen wird, ist der entgegengesetzte Schluß noch nicht berechtigt, denn es kann sich um bloße mechanische Fort- führung des Impfstoffes durch Diffusionsbewe- sung beider Flüssigkeiten handeln. In unserem Falle sind die Röhren immer mit dem Herzblute des infizierten Huhnes ge- impft worden; man hat offene und verschlos- sene Röhren benutzt, die Dauer der Kultur hat sich auf 7--9 Tage erstreckt und die Tem- peratur der Wärmekammer ist auf 39—39,5 erhöht worden. Die Röhren wurden gefüllt: a) Mit peptonisierter Fleischbrühe von einem sesunden Huhne; b) mit Hühnerextrakt, bereitet durch Emul- sierung von Geweben in der Kälte mit der physiologischen NaCl-Lösung und Sterilisierung durch die poröse Kerze; c) mit Martin’scher Fleischbrühe mit Zu- Fig. 1. gabe einer kleinen Menge von Hühnerserum; Die Vogelpest. 187 d) mit natürlichem Hühnerblute, aus der Flügelvene aspiriert; e) mit Eiereiweiß im Naturzustande; f) mit Eidotter im Naturzustande. Ein Versuch mit der Vermehrung wurde auch nach der Methode der successiven Ueberpflanzungen gemacht. Eine gewöhnliche, 3 ccm Hühnerblut enthaltende Probierröhre wird mit einer Oese infizierten Blutes geimpft, dann werden 3 Uebertragungen der Reihe nach in Zwischenräumen von 5 Tagen, die die Kulturen in der Wärmekammer zubringen, gemacht. Die 3. Uebertragung ist nicht mehr virulent. Dieser Versuch wird auch angestellt, um reichlicheren Luftzutritt zu erlauben, denn man weiß, daß das Virus der Peripneumonie anaörobio- tisch nicht gedeiht. Säckchen von mit Kollodium getränktem Papier wurden mit Hühnerbrühe gefüllt, mit kleinen Mengen von Pestblut geimpft und in die Bauchhöhle des Huhnes und des Kaninches eingebracht. Die bis jetzt untersuchten waren 14 Tage im Huhne geblieben; der Inhalt blieb vollkommen klar, die allgemeine Gesundheit des Tieres schien nicht durch Verbreitung von schädlichem Material durch die Wand des Säckchens gelitten zu haben. Zwei große Oesen voll Virus, das den beiden Säckchen entnommen und unter die Haut eines Huhnes einge- bracht wurden, töteten es nach 3 Tagen. Man macht eine Ueber- tragung in neue Säckchen, die man wieder in die Bauchhöhle des Huhnes einbringt. Nach 12 Tagen zeigt sich die Impfung in ein Huhn un- wirksam. Bei der ersten Uebertragung muß man schließen, daß die Wirksamkeit von der Verdünnung des ursprünglichen Impfmaterials her- rührte. Diese Experimente sind natürlich nur Einleitungen zu ausführ- licheren Versuchen. Der Mißerfolg ist natürlich, denn wir befanden uns einer bisher unbekannten Welt gegenüber, für welche die Technik noch zu schaffen war. In den Grenzen der gegenwärtigen Versuche, die nach dem gewöhnlichsten Verfahren ausgeführt wurden, gehört das hier betrachtete Virus noch zu den der künstlichen Kultur wider- strebenden. 8. Experimente mit Eiern. Die von infizierten Hühnern gelegten Eier zeigen deutliche Altera- tionen: Das Eiweiß ist flüssiger, das Dotter zerbrechlich, blaß und mit weißlichen Streifen bedeckt. Wir haben niemals blutige Streifen ge- sehen, von denen Einige berichten. Wir haben ein Experiment gemacht, um festzustellen, ob diese Veränderungen mit der Gegenwart des Virus in Verbindung ständen. Ein Huhn frißt während 6 Tagen, mit Kleie _ vermischt, 3 Eier von selbstinfizierten Hühnern, von denen 2 während der Krankheit gelegt, das 3. einem toten Huhne entnommen war. Vor der Oeffnung der Schale wurden die Eier an der Oberfläche desinfiziert. Das so gefütterte Huhn zeigte niemals ein Zeichen der Krankheit. Wir haben erfahren, daß Küchlein, die aus Eiern ausgeschlüpft waren, die zur Zeit der Epizootie gelegt waren, leicht nach der Geburt sterben, auch wenn sie von einer gesunden Glucke ausgebrütet waren. Das vorhergehende Experiment machte es wenig wahrscheinlich, daß die Eier von infizierten Hühnern es ebenfalls wären. Daher wurde das Ei, um zu sehen, wie die Entwickelung des Embryos vor sich ginge, vor der Bebrütung direkt mit 2 Tropfen Blutes infiziert und die Oeffnung mit Paraffın und Kollodium verschlossen. Es wurden 188 Eug. Centanni, 4 Fälle in Behandlung genommen, die Eier am 22. Tage der Bebrütung geöffnet. Bei zweien derselben ist das Dotter zerbrechlich, das Eiweiß flüssig, graulich. Der Embryo ist in dem einen 25 mm lang, in dem anderen 9 mm. Er ist maceriert, sehr zerbrechlich, aber die Form ist gut erhalten. In dem kleineren Embryo bemerkt man eine Deformität, indem der eine Augapfel aussieht wie ein kleiner, dunkler, vertiefter Fleck. Man bemerkt keinen üblen Geruch, noch Gegenwart von Bak- terien; die Zellen der embryonalen Gewebe sind noch hinreichend kenntlich. Von den anderen beiden Eiern zeigt das eine keine Spur eines Embryos oder einer Zersetzung; das andere ist zerfallen und in der Masse findet sich ein festes Knötchen von 5 mm Durchmesser, wahr- scheinlich der Rest des Embryos. Die 3 nicht zersetzten Eier, die man einem gesunden Huhne zu fressen gegeben hatte, töteten es nach 5!/, Tagen unter deutlichen Symptomen der Krankheit. In infizierten Eiern entwickelt sich also der Embryo, gelangt aber nicht zur Reife. Das Virus bleibt erhalten, lokali- siert sich aber wahrscheinlich an dem roten Flecken, der bei der Oeff- nung des Eies die Stelle der Infektion anzeigt. Zu Gunsten dieser sprechen die negativen Resultate der Kulturen auf Eiweiß und auf Dotter, wie auch der späte Tod des Huhnes, das die Eier verzehrt hat. Die Infektion des Embryos würde erst dann erfolgen, wenn er bei seinem Wachstum die Stelle des Eiweißes aufgenommen hat, wo das Virus abgesetzt ist. 9. Infektionsvermögen der Faeces. Eine der praktisch wichtigsten Fragen besteht darin, die Eingangs- pforte des Kontagiums zu entdecken und hygienische Regeln anzugeben, um einigermaßen die Infektion zu verhindern, die sich mit ihrer Töd- lichkeit immer weiter ausbreitet. Zu diesem Zwecke wurden 19 Versuche angestellt, 4mal mit posi- tivrem und 15mal mit negativem Erfolge. Nach 15 Tagen wurde das Experiment für negativ erklärt, und einige Subjekte blieben über einen Monat in Beobachtung, ohne daß sich die ersten Resultate änderten. In 11 Fällen ließ man Faeces von gestorbenen Tieren verzehren, wobei man vorzugsweise weiche und grünliche auswählte und sie 1—2 Tage nach der Entleerung benutzte. Die Menge wurde auf 15—20 g be- rechnet und in 2 oder 3 Teile geteilt. In 4 Fällen wurde auf dem Boden des Käfiges, der mit den Faeces eines kurz vorher an der Infektion gestorbenen Tieres bedeckt war, das Futter ausgestreut und mit den Exkrementen vermischt. A ee u Pe" a En he = In 2 Fällen wurde der Kropf gestorbener Tiere mit einem glühen- den Messer geöffnet, um durch den Schorf die Mischung mit Blut zu verhindern, und die darin enthaltene Nahrung anderen Tieren zu fressen gegeben. In 2 Fällen mischte man mit den Faeces eine kleine Menge in- fizierten Blutes und ließ sie dann 5 Tage lang im Frühling bei ge- wöhnlicher Temperatur liegen, ehe man sie anderen Hühnern zu fressen gab. Zu den 4 gestorbenen Tieren gehören die folgenden: ah Die Vogelpest. 189 Das erste hatte die Faeces eines Huhnes gefressen, das nach Genuß von Blut nach 3 Tagen gestorben war; es starb an der subakuten Form am 5. Tage. Das zweite hatte 5 Tage lang nach dem Fressen der Faeces von zwei akuten Fällen keine Wirkung gespürt und fraß dann die Nahrung von dem Boden, der durch die Faeces eines sterbenden Huhnes und eines an der subakuten Form verendeten beschmutzt worden war. Der Tod erfolgte 9 Tage nach der Aufnahme der ersten Faeces und 5 nach der der zweiten. Das dritte Huhn fraß die Faeces eines am 5. Tage an der subakuten Form gestorbenen Tieres. Es starb nach 4 Tagen. Das vierte fraß die Faeces eines an der chronischen Form gestor- benen (nach 10 Tagen) und starb nach 5 Tagen. Unter den 15 Tieren, die Faeces gefressen hatten und am Leben blieben, hatten 10 Faeces von Hühnern erhalten, die an der akuten Form zwischen dem 2. und 5. Tage gestorben waren; ein Tier war mit Faeces eines subakuten, am 5. Tage gestorbenen Falles ernährt worden; bei zweien handelte es sich um Futter aus dem Kropfe zweier an der akuten Form gestorbenen Hühner; bei zweien hatte man die ab- sichtlich beschmutzten Faeces faul werden lassen. Aus diesen Experimenten sollte man schließen, daß in den Fällen mit subakutem Verlaufe die Wahrscheinlichkeit am größten ist, daß die Faeces infektiös sind, während in den schnell verlaufenden Fällen diese Wahrschein- lichkeit ausgeschlossen scheint oder wenigstens viel geringer ist. In den subakuten Fällen entsprechen der Durchgängig- keit des Darmes für das Virus keine deutlicheren anatomischen Lä- sionen, als in den anderen Fällen. Das Virus erscheint in den Faeces nicht sehr konzentriert, wie der Tod nach 4—5 Tagen bei so behandelten Tieren beweist. Es seheint nicht, daß das eingeführte Virus im Darme günstige Bedingungen zu seiner Entwickelung findet. 2 von den obigen positiven Fällen hatten zwar infektiöses Material gefressen, waren aber nur an der langsamen Form gestorben. Wir haben eine Reihe von 3 Tieren, von denen das erste, mit infek- tiösem Blute gefüttert, nach 3 Tagen starb, und die Faeces lieferte, um das zweite zu infizieren, das langsamer, am 5. Tage, starb. Das dritte erhält die Faeces des letzteren und wird nach kurzem Uebelbefinden wieder gesund. Infizierte Faeces werden nach mehrtägiger Aufbe- wahrung unwirksam. Diese Thatsache wird ihre Erklärung in dem finden, was wir über den schädlichen Einfluß der Bakterienvegetation auf dieses Virus sagen werden. Diese Reihe von Experimenten erklärt nicht ganz die große Kon- tagiosität der Krankheit, hat aber einen gewissen Wert insofern, daß wir in der Praxis gesehen haben, daß die subakuten Fälle sehr häufig sind, und daß das Verschlucken der Faeces, da es ebenfalls subakute Fälle hervorbringt, die Bedingungen des Kontagiums begünstigt. Aber es giebt ein anderes Ansteckungsmaterial von nicht minderer Bedeutung als die Faeces: Nach den Beobachtungen von Maggiora und Valenti ist das rhinopharyngeale Sekretionsprodukt der diphtheroiden Formen der Krankheit sehr virulent, und in diesen Fällen wird es leicht begreiflich, wie die Besudelung der Nahrung und nament- 190 | Eug. Centanni, lich des Wassers die Infektion auf weitem Kreise im Stalle ausbreiten kann. 10. Versuche mit der Ansteckung durch bloße Nachbar- schaft und durch Uebertragung von Läusen. Außer der Infektion durch die Faeces sind noch andere Versuche gemacht worden, zum Teil in Beziehung auf die blutsaugenden In- sekten, die an den Hühnern oft in Menge vorhanden sind; zum Teil mit einfacher Nachbarschaft eines gesunden Huhnes mit einem infizierten. Zu dem Versuche mit Läusen (Dermanyssus avium) benutzte man bei 2 Tieren 30 und 50 Läuse, von denen viele Blut enthielten, und die man von einem an der Infektion gestorbenen Huhne genommen hatte. Sie wurden in physiologischer NaCl suspendiert und unter die Haut eingespritzt. Keines der beiden Tiere erkrankte. Um den Verdacht zu vermeiden, das Virus müßte in der lebenden Laus einen Cyklus durchlaufen, ehe es infektiös würde, übertrug man 100 lebendige, einem infizierten Huhne entnommene Läuse direkt auf ein Tier. Auch dieses Tier ist während mehrwöchentlicher Beobachtung gesund geblieben. Um den Versuch mit der bloßen Nachbarschaft zu machen, brachte man in den Bauer eines gesunden Huhnes im Mittel 24 Stunden lang ein krankes oder totes ıınd ließ ihn often oder in Zeug gewickelt stehen. Mehrere dieser Hühner hatten auch sehr viele Läuse. Verunreinigungen der Federn des Huhnes wurden sorgfältig entfernt und bedeckt. Ein erstes Tier wurde 24 Stunden lang mit einem sterbenden, in Metallgewebe gewickelten Huhne zusammengebracht; keine Wirkung. Derselbe Versuch mit demselben Erfolge wurde mit einem zweiten in Jute gewickelten Huhne ausgeführt. Bei einem dritten Experimente wohnte ein Huhn mit drei anderen zusammen, und zwar mit dem ersten, noch lebenden, während der ganzen Dauer seiner Krankheit; mit den anderen beiden, als sie gestorben und nicht eingewickelt waren, wobei man auch Nahrung auf ihre Körper streute. Dieses Huhn lebt noch seit mehreren Wochen und beweist, daß ein gesundes Huhn nicht zu viel Gefahr läuft, wenn es in Be- rührung mit kranken lebt. Bei dem vierten Versuche bewirkte man die Berührung höher ander mit 5 toten, in Gaze eingewickelten Hühnern, von denen das eine während seines Lebens in einem metallenen Bauer isoliert gewesen war. Das Tier stirbt 10 Tage nach der ersten und 7 nach der zweiten Berührung. Daß der Tod hier nicht bloß durch Berührung, sondern durch Auswanderung von Läusen eingetreten sei, wird durch die früheren Versuche wenig wahrscheinlich gemacht. Die gegenwärtigen Versuche stärken die Vermutung der Uebertragung der Krankheit durch Läuse nicht, zu der man geneigt sein könnte wegen der Leichtigkeit, ein Huhn durch einen Stich mit einer Nadel zu infizieren, die mit infiziertem Blute gefärbt ist. Das Blut, mit dem die Läuse eines toten Tieres oft angefüllt sind, ist entweder eingesaugt worden, ehe die Krankheit ausgebrochen war, oder die Verdauungssäfte des Insektes sterilisieren es schnell. Ebenso ist die einfache Nachbarschaft eines gesun- den Huhnes mit einem infiziertem nicht sehr gefährlich; und dies schließt namentlich die Luft (Insekten, Staub und andere un- bekannte Agentien) als Ansteckungsweg aus. Auch unter unseren Tieren, Die Vogelpest. 191 welche in demselben Stalle, aber jedes in sorgfältig getrenntem Käfige, eingesperrt waren, haben wir keinen spontanen Infektionsfall erkennen können. 11. Widerstand gegen physikalische und chemische Agentien. Wärme. Bei der Temperatur des Brütofens bleibt das Virus einige Zeit wirksam, was schon aus der 3 Wochen fortbestehenden Viru- lenz in den Eiern folgt. Ein wenig mit Fleischbrühe verdünnten Blutes, 3 Tage lang im Brütschranke aufbewahrt, behält sein Infektionsver- mögen. Einstündiges Verweilen bei 74° und bei 64° macht das Blut unwirksam, halbstündiges bei 55° verursacht keine merkliche Ab- schwächung, da das Tier nach 2 Tagen an der schweren Form stirbt. Nach einer Stunde bei 57—58° wird der Tod verzögert, nach einer Stunde bei 60° ist das Blut fast immer steril. Austrocknung. Das schnell im leeren Raume über Schwefel- säure getrocknete und 5 Tage lang bei gewöhnlicher Wärme gehaltene Blut hat nur einen Teil seines Vermögens verloren; es tötet die Hühner in 3!/, Tagen und der Sektionsbefund ist nicht sehr auffallend. Während 20 Tagen an der Luft getrocknetes Blut ist unwirksam. Aufbewahrung. Vollständiges, im zugelöteten Röhrchen aufbe- wahrtes Blut hält sich lange. Einige bei Frühlingswärme liegen ge- lassene, vor dem Licht geschützte Röhrchen zeigen sich nach 3 Monaten vollkommen wirksam. Auch bei Sommerwärme ist das Blut nach 3 Wochen noch vollkommen wirksam, sowohl in Röhrchen eingeschlossen als auch auf dem Boden eines Probierglases zurückgelassen, wo es anfıng, auszutrocknen. Dagegen hat das vom Coagulum getrennte Serum, 3 Sommerwochen hindurch in verlöteten Röhrchen aufbewahrt, seine Wirksamkeit ver- loren, wie 2 Versuche beweisen. Die durch Chamberland’sche Kerze filtrierte Emulsion von Organen eines infizierten Tieres in physio- logischer NaCl-Lösung hält sich nur kurze Zeit; bei 2 Versuchen war sie in starker Dosis schon am 5. Tage wirkungslos, sowohl innerlich, als bei subkutaner Injektion. Hiernach scheint es, daß das Virus wenig günstige Lebensbedingungen in den Säften des Organismus findet; der morphologische Teil des Blutes scheint für seine Erhaltung nötig zu sein. Ein Stück vom Herzen und der Lunge, die 30 Tage lang in neu- tralem Glycerin eingetaucht waren, zeigte noch sehr starke Virulenz. Tod nach weniger als 2 Tagen. Desinfizierende Substanzen. Es wurden Sublimat zu 1 pro mille, Phenylsäure zu 5 Proz., Salicylsäure in gesättigter Lösung ange- wendet. Man mischte im Mittel 1 Teil Blut mit 25 des Desinfektans und brachte dann 0,10—0,20 Proz. der Mischung unter die Haut. Bei zweien von diesen Versuchen mit jedem dieser Desinfektionsmittel, wobei man die Berührung 1 Stunde und !/, Stunde dauern ließ, war das Virus ganz unwirksam geworden. Dagegen schien die Berührung mit Schwefeläther, der in einem ge- schlossenen Gefäße im Verhältnis von !/, mit dem Blute gemischt wurde, gut ertragen zu werden; bei einem Versuche am 3. Tage und bei einem anderen am 15. erwies sich das Material noch als tödlich. Zur Desinfektion genügen also die gewöhnlichen Mittelin den gebräuchlichen Dosen und Wärme über 60°C. 192 Eug. Centanni, Das Filtrat von Lode und (ruber durch Berkefeld sche Kerze hielt sich länger; es wurde durch 10-tägigen Aufenthalt im Brütofen nur abgeschwächt. Vielleicht handelt es sich um die Zahl der Keime infolge der Durchgängigkeit der angewendeten Kerze. Die Versuche von Maggiora und Valenti bezüglich dieser Frage ergeben einige weitere vom hygienischen Standpunkte wichtige Einzelheiten. Gegen Austrocknung findet man das Blut unter Tageslicht nach 40 Stunden steril, in diffusem Licht nach 15 Tagen noch wirksam, im Dunkeln nach 22 Tagen wirksam, nicht aber nach 42 Tagen. Eine Emulsion von Blut in physiologischer Lösung bleibt nach 42 Tagen noch virulent, 5-minutiges Verweilen bei 65° tötet das Virus, bei 60° dagegen nicht. Bei Desinfizierung stirbt das Virus augenblicklich durch 40-proz. Kalkmilch, 1-°o Sublimat + 5 Proz. HCl, 5-proz. Laplace’sche Mischung. 12. Empfänglichkeit verschiedener Tiere. Am Kaninchen wurden 3 Versuche gemacht. Einem kräftigen Tier von 2!/, kg wurde !/, ccm infizierten Blutes injiziert. Es zeigte niemals Symptome der Krankheit. Ein zweites Kaninchen, 660 g schwer, wurde mit der starken Dosis von 2,5 cem infizierten Blutes inokuliert, es starb nach 4 Tagen. Die Sektion zeigte nichts Besonderes. Ein drittes Kaninchen, 820 g schwer, wird mit 1 cem infizierten Blutes injiziert, stirbt nach 3 Tagen und zeigt das charakteristische Ex- sudat am Pericardium und bedeutendes in der Bauchhöhle Von der durch Emulsion des Herzens in physiologischer NaCl-Lösung erhaltenen Flüssigkeit injizierte man einen guten Teil unter die Haut eines Huhnes, das niemals krank wurde. Die Untersuchung des frischen Blutes der gestorbenen Kaninchen fiel immer negativ aus. Die Empfänglichkeit des Kaninchens für dieses Virus ist also, im Gegensatz zu dem Cholerabacillus, immer ungewiß. Auch andere Beobachter haben solche Resultate erhalten. Das Kanin- chen scheint das Virus zu zerstören, obgleich es die Wirkungen der Vergiftung empfindet. Ein Hund und ein Fuchs, die wiederholt mit dem Fleische in- fizierter Hühner gefüttert wurden, sind immer ganz gesund geblieben. Ebenso 2 Meerschweinchen und 1 Ratte, die unter die Haut injiziert wurden. Von dem Hofgeflügel haben wir spontan und zum Teil im Laboratorium kontrolliert sterben sehen: Hühner, Truthühner, Enten, Gänse, Perlhühner. Von den Tauben werden wir bald besonders sprechen. Für Vögel besteht die Vermutung, daß einige für die spontane Krankheit empfänglich sind, denn man hat deren in Häusern sterben sehen, wo zugleich die Hühnerinfektion herrschte. Man sagt auch, daß man auf dem Felde häufiger als gewöhnlich tote Vögel gefunden hat. Von 3 unter die Haut des Thorax infizierten Sperlingen starb der erste, der 2 Oesen des Virus erhalten hatte, nach 3 Tagen mit wenig deutlichen Alterationen; sein Blut wurde an einem Huhne geprüft, das nach 2 Tagen an der charakteristischen Form starb. Der zweite starb an derselben Infektion nach 2 Tagen mit deutlichen makroskopischen Zeichen, besonders mit einer dicken, graugelben Pseudomembran, die die Lunge bedeckte. Der dritte, ebenso infizierte, war am 6. Tage noch lebhaft, als er entkam. Ein Distelfink erhielt eine Oese einer Verdünnung des Virus von 1:50 unter die Haut, und da er nach 4 Tagen kein Zeichen von Krank- Dan = , 'e u PP } Die Vogelpest. 193 heit zeigte, eine Oese unverdünnten Blutes. Er starb am 4. Tage mit mäßigem Belag auf den Lungen und der Leber. Nach Maggiora und Valenti sterben Sperlinge, Staare, Distel- finken, Eulen, Falken sowohl durch kutane Impfung als durch Fütterung mit infiziertem Fleische; dagegen erwiesen sich 6 Kaninchen, 5 Meer- sehweinchen, 2 Mäuse sämtlich als unempfindlich. Bei dieser, wenn auch nicht sehr starken Empfänglichkeit der in unserem Lande gewöhnlichen Vögel und zu jeder Jahreszeit läßt sich die Infektion von sorgfältig abgesonderten Hühnerställen, oder das Auf- treten der Krankheit in großer Entfernung von einem Infektionsherde erklären, der mitten in einer gesunden Zone lag, und in der die Ein- führung infizierter Hühner ausgeschlossen schien. Das Volk glaubt, die Infektion könne durch Vögel übertragen werden; Belfanti und Ze- noni und wir selbst haben die Enfernung der Vögel aus den Hühner- ställen für eine wirksame Prophylaxe erklären hören. Das Filtrat Lode und Gruber'’s durch die Berkefeld’sche Kerze hielt sich länger; es wurde durch 10-tägigen Aufenthalt in der Wärme- kammer nur abgeschwächt. Vielleicht handelt es sich um die Zahl der Keime infolge der Durchgängigkeit der angewendeten Kerze. 13. Labyrinthschwindel bei Tauben. Es scheint nicht, daß Tauben der spontanen Infektion erliegen, denn es werden mehrere Fälle von vernichteten Hühnerställen erzählt, in denen Tauben geliebt und gefressen hatten, ohne zu erkranken. Es wurden 7 Tauben infiziert; 3 erwachsene von belgischer und einheimischer Rasse wurden dreimal mit infiziertem Hühnerblute bis zu 1 ccm unter die Haut geimpft und zeigten niemals Symptome von Krankheit, dagegen sind 4 junge Tauben erkrankt, einige mit noch un- vollkommenen Federn. Eine ist am 6. Tage gestorben, eine am 15., die anderen beiden haben die Operation lange überlebt, bis sie getötet wurden. Die Krankheit trat am 5. oder 6. Tage auf mit denselben all- gemeinen Symptomen, wie beim Huhn. Man beobachtete kleine oscilla- torische und rotatorische Bewegungen des Kopfes, die Gleichgewichts- störungen andeuteten. Sie wurden dann stärker und nahmen einen eigentümlichen deutlicheren Charakter an. Das Bild dieser Störungen war wenig auffallend bei dem frühzeitig nach 2-tägiger Lähmung gestorbenen Tiere. Bei dem später gestor- benen hatten sich Störungen des Gleichgewichts von komplizierter Art entwickelt. Es stand nicht auf den Füßen, und bei den unregelmäßigen - Bewegungen, an denen es litt, erkannte man die Neigung, sich um die Längsachse des Körpers nach rechts zu drehen. Bei den anderen beiden Tauben wurde nach einer Woche, nach- dem die akute Periode der Krankheit vorüber war, die allgemeine Ge- sundheit und der Ernährungszustand wieder ganz regelmäßig; das am 7. Tage nach der Injektion in dem Blute der einen vorhandene Virus war am 14. verschwunden. Nur die Störungen des Gleichgewichts waren übrig geblieben. Bei der einen waren sie weniger schwer. Sie drehte und bog den Hals nach links, so daß der Nacken sich nach der Erde bog, die Kehle nach oben. Dies machte sie ohne Unterbrechung 113 Tage lang, wäh- rend deren sie unter Beobachtung war. Von Zeit zu Zeit wechselten die Anfälle von Man&ge-Bewegungen nach rechts ab, seltener von stör- rischen Bewegungen. Erste Abt. XXXI Bd. 14 194 Eug. Centanni, Bei dem anderen Tiere fanden sich zwei verschiedene Bewegungen vereinigt. Die eine nach der Querachse des Körpers, wobei das Tier den Schnabel zwischen die Füße steckte, so daß sich der Scheitel des Kopfes auf die Erde stützte, bis die Federn daran abgenutzt waren, und daß es bisweilen einen Sprung nach vorn versuchte und ausführte. Die andere Bewegung wurde um die Längsachse des Körpers ausge- führt, wobei das Tier auf die rechte Seite fiel und bisweilen voll- ständige Drehungen nach dieser Seite ausführte.. Von Zeit zu Zeit hatte das Tier heftige Anfälle von Manege nach links, so daß es sich stundenlang wütend drehte. Es wurde am 98. Tage getötet. Bei diesen beiden Tieren hat die Krankheit wenig Neigung zur Besserung gezeigt. Die Tiere hatten gelernt, den Schwindel zu beherr- schen, indem sie den Kopf fest auf die Erde stützten, das zweite suchte sogar ihn unbeweglich zu machen, indem es mit dem Fuße darauf trat. In einigen Ruheperioden bei normaler Stellung genügte es, das Tier anzustoßen, um es auf den Boden fallen und seine Krampfbewegungen wieder aufnehmen zu sehen. Einnahme von Nahrung war wegen der Athetose nicht möglich. Es fehlten Bewegungen von Nystagmus, die mit dieser Art von Störungen verbunden zu sein pflegen. Diese Störungen deuten offenbar auf Läsionen der halbkreis- förmigen Kanäle hin; die verschiedenen Richtungen der Bewegungen werden nach den Experimenten der Physiologen (Breuer, Goltz, Cyon u. A.) von der dem einen oder anderen Kanale parallelen Rich- tung hergeleitet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß einige Teile des cen- tralen Nervensystemes, namentlich des Kleinhirns, an dem Leiden Anteil nehmen. Die histologischen Schnitte durch das Felsenbein der beiden kürz- lich gestorbenen Tauben haben das Vorhandensein solcher Läsionen be- stätigt (Fig. 2). Der normale häutige Kanal (A) zeigt eine regelmäßige Wand mit einem der Cornea ähnlichen Grundgewebe von ziemlich ge- ringer Dicke, so daß sie in den Präparaten mehr oder weniger abgeplattet erscheint; das Lumen ist frei. An den alterierten Kanälen ist der Umriß fast immer rund und starr (B, C, E) wegen Verdickung der Wand und Ausfüllung des Lumens; bisweilen (D) ist er abgeplattet wegen Zusammen- ziehung des Exsudates. Die Grundsubstanz zeigt (B, C) erweiterte Maschen, die Zellen sind sichtbarer, rund und zahlreich. An der äußersten Seite (B, D) sind stückweise an Zellelementen ziemlich reiche Pseudo- membranen angeheftet. Das Lumen ist oft mit einer eiweißartigen Masse gefüllt (C, E), die sich schwach färbt und bei E den häutigen Kanal so stark ausgedehnt hat, daß er einen großen Teil des perilymphatischen Raumes einnimmt und sich der knöchernen Wand nähert. Andere Male sind ım Exsudate des Lumens zellige Elemente enthalten (B, D), die eine teilweise oder totale Verstopfung bilden. Die Gefäße, die den perilymphatischen Raum durchziehen und über den Kanal hinlaufen, sind blutreich. Diese Läsionen treten in ziemlich beschränkten Herden auf, die sich mehrmals selbst im Verlaufe desselben Kanals zeigen. Die Alteration der Wand und des entsprechenden Nervenapparates, sowie die darauf folgende Sklerose durch Organisation der Exsudate erklären es, wenn die Krankheit dauernd wird. Wir haben also eine Semicirculitis specifica. Diese so prägnante Lokalisation eines Virus in den halbzirkelförmigen Kanälen ist wahrhaft sonderbar. Bei der Taube erreicht sie den höchsten Grad, aber auch beim Huhne fehlt es nicht an deutlichen Zeichen von ee Beer: Die Vogelpest. 195 Schwindel, die vielleicht durch den frühzeitigen Tod abgeschnitten werden. Die Taube zeigt also 3 Grade von Empfänglich- keit: Bei dem ersten stirbt sie mehr oder weniger schnell, beim zweiten erholt sie sich, behält aber Störungen, den Labyrinthschwindel, beim dritten bleibt sie ganz unbeeinflußt. Das Alter scheint den größten Einfluß auszuüben; die Jungen zeigen sich viel empfänglicher. fü Die Beobachter, die diese Krankheit studiert haben, erklären auch die Taube für weniger empfänglich, als das Huhn, und die Erschei- 14* u a a Hi a an 196 Eug. Centanni, nungen bei ihm für unregelmäßiger. Die Schwindelzustände hatten im besonderen nur die Aufmerksamkeit Mazza’s gefesselt, der von einer Taube berichtet, die 2 Tage lang vor dem Tode beständig den Kopf drehte. Auch Lode und Gruber verzeichnen bei der Taube das Vor- herrschen von tonisch-klonischen Krämpfen, die besonders die Hals- muskeln betreffen und zu peinlich anzusehenden Verdrehungen des Kopfes führen. Eine Taube wurde jedoch von einem sehr schweren Zu- stande völlig wieder hergestellt. Dieses Symptom ist ein gutes Zeichen zur Herleitung der Identität unserer Epizootie mit der piemontesisch-lombardischen von 1899 und der Tyroler von 1901. Ja die Taube kann ein diagnostisches Mittel dar- bieten, um dieses Virus zu erkennen, das beim Huhne keine charakte- ristischen Symptome zeigt. Leider ist sie kein zuverlässiges Reagens für dasselbe; so ist es Maggiora und Valenti bei mehreren von ihnen infizierten Tauben niemals geglückt, die Tiere krank zu machen. In der menschlichen Pathologie findet sich eine ähnliche. Form der Störung von noch unbekannter Entstehung, der Schwindel vonMe&- niere. Auch die Physiologie kann aus diesem Studium Vorteil ziehen: Die graphische Rekonstruktion, die wir auf Durch- schnitten vom Felsenbein einiger toter Tauben unternommen haben, wird dazu dienen können, das, was die Physiologie mittels roher Operationen über die Funktion der einzelnen Kanäle festgestellt hat, an diesem zarten Mittel der infektiven Analyse zu erproben. 14. Beziehungen des Virus der Pest zu den Bakterien. Die verschiedenen Beobachter, die sich vor meinen Untersuchungen mit dieser Krankheit beschäftigt haben, nahmen alle als deren Basis einen Bakterienkeim an. Dieser schwankt bei den verschiedenen Fällen in einigen mehr oder weniger wesentlichen Punkten, so Jdaß die Aetio- logie dieser Infektion in der größten Verwirrung war. Die letzten Versuche stimmen darin überein, daß es sich nicht um den echten Bacillus cholerae gallinarum handelt. Einige von ihnen, z. B. Maggiora und Valenti berichten über Bakterien, die kaum vom typischen Bacterium coli abweichen. Aber wenn man die an einer ziemlich großen Anzahl von Subjekten gemachten Untersuchungen betrachtet (Mazza, Belfanti und Zenoni, Brusaferro), gelangt man mit einer gewissen Einheit +zu einem selbständigen Typus. Ein ziemlich kurzer, nach Gram nicht färbbarer Bacillus von wechseln- der oder fehlender Beweglichkeit entwickelt in gezuckerter Fleischbrühe Blasen oder nicht, verflüssigt Gelatine nicht und verbreitet sich nicht auf ihrer Oberfläche, koaguliert Milch nicht (einstimmiges Resultat), wächst in zerstreuten Vegetationen, aber nicht immer, ist auf Kartoffel unsichtbar, bringt kein nd hervor und entwickeit sich bei gewöhnlicher Temperatur. Dieser Bacillus ist niemals im Blute des Herzens gefunden worden, sondern nur im Safte der Eingeweide und in den Exsudaten der serösen Häute. Nachdem ich die ersten Untersuchungen über das Blut veröffentlicht hatte, ohne jemals Bakterien anzutreffen, fühlte ich, daß diese Frage über die Bakterien unter einem doppelten Gesichtspunkte Interesse darbieten könnte. 1) Angenommen, daß mehrere Beobachter, wie sie berichten, die Krankheit mit dem isolierten Bakterium wieder hervorgebracht haben, das sie durch mehrere Uebertragungen kultivierten, muß man annehmen, daß es Fälle von Symbiose zwischen diesem nicht sichtbaren Virus und den gewöhnlichen komplizierenden Bakterien giebt. PATE Sm Tue denn aan co, Die Vogelpest. 197 2) Wenn das nach diesem Studium gewiß accidentell gewordene Bak- terium aus der Darmflora herstammt, wie es wahrscheinlich ist, so bleibt die sonderbare Thatsache zu erklären, wie es fünf von den Haupt- eigenschaften besitzt, die das Bact. coli von dem Typhus unterscheiden. Versuche in vitro über die Symbiose des Virus der Pest und der Bakterien. Nach einigen fruchtlosen Versuchen isolierte ich in einem Falle mit Exsudat des Pericards, in einem anderen mit hämorrhagischem Lungensaft eines gestorbenen Huhnes ein Bakterium, das dem Bacterium coli gallinarum sehr nahe steht, und das zum Zweck der Vergleichung auch aus gesundem Kot isoliert wurde. Man fand an ihm dieselben Eigenschaften, die ihm Rahner!) zuschreibt. Es zeigt jedoch schon Neigung, abzuweichen, denn es koaguliert Milch mit Verzögerung, liefert kaum Spuren von Indol und bildet auf Kartoffel einen glänzenden, wenig deutlichen Ueberzug. Die Injektion von 5 ccm der Fleischbrühekultur dieses Bacillus wird unter die Haut eines Huhnes eingespritzt, stört aber seine Ge- sundheit gar nicht. Man mischt mit der reinen Fleischbrühe !/, Pest- blut und impft sie mit dem Bakterium. Nachdem nach 24 Stunden die Kultur gut entwickelt ist, injizierte man einem Huhn 5 cem von der unveränderten Flüssigkeit, einem anderen ebensoviel nach Filtrierung durch eine Kerze. Keines der beiden Hühner gab Zeichen von Krank- heit. Nicht verdünntes Pestblut wird mit dem Bakterium geimpft und kultiviert. Am folgenden Tage erhält ein Huhn 2 ccm unter die Haut ohne irgend eine üble Wirkung. Um zu versuchen, den Bacillus an die Berührung zu gewöhnen, macht man serienweise Uebertragungen in vitro, indem man alle 2 Tage frisches Pestblut impft. Bei der 4. Uebertragung ist die 24-stündige Kultur in der Dose von 2 cem für das Huhn noch ganz unschädlich; die Angewöhnung scheint nicht leicht. Es folgt daraus, wenigstens für die ersten Uebertragungen, daß das Wachstum des Bacterium coli simile, das sich zu- fällig bei den infizierten Hühnern fand, das Virus der Pest sehr schnell zerstört. Vergleichende Versuche beweisen, daß diese Zerstörung nicht durch den bloßen Aufenthalt im Brütofen bewirkt wird, noch durch die einfache Berührung mit den Bakterien bei äußerer Temperatur während einiger Stunden. Hierdurch erklärt es sich, warum die Faeces nicht allzu eft virulent sind, und warum ihre Wirkung bei der Aufbewahrung sehr bald zerstört wird. Um zu sehen, ob dasselbe mit anderen Bakterien stattfände, impfte man eine Mischung von Fleischbrühe und Pestblut mit dem Baciilus der Cholera gallinarum Perroneito-Pasteur. Nach 2 Tagen tötet diese Kultur schnell das Huhn und. das Kaninchen an der charakte- ristischen Septikämie, das Filtrat durch eine Kerze läßt dagegen das Huhn unversehrt. Auch hier findet also gegenseitige Ausschließung statt. Zu dieser Art von Versuchen gehört der Widerstand des Virus gegen Fäulnis. Därme und Herz eines infizierten Huhnes, die man 3 Tage lang in einem Falle und 7 Tage in einem anderen bei Sommer- temperatur faulen ließ, gaben ein unwirksames Filtrat. Auch Lode und Gruber bestätigen durch 2 Versuche vom 6. Tage und Maggiora und Valenti an einer von Schimmelpilzen besetzten Blutemulsion den geringen Widerstand des Virus gegen Fäulnis. 1) Rahner, Bakteriologische Mitteilungen über die Darmbakterien der Hühner. (Centr. f. Bakt. Abt. I. Bd. XXX. 1901. p. 239.) 198 Eug. Centanni, Alle diese Thatsachen stimmen mit den praktischen Beobachtungen während dieser Form der Epizootie überein, bei der fast kein Beobachter im Blute kreisende Bakterien gefunden hat. Eine andere Reihe von Versuchen ist in Ausführung begriffen über die Veränderung, die das Bacterium coli gallinarum erfährt, wenn es reihenweise von einem Huhne auf ein anderes pestkrankes übertragen wird: Symbiosis in vivo. Nach 9 bis jetzt gemachten Uebertragungen scheint das Bacterium eine geringe Neigung zu haben, seine ursprünglichen Eigentümlichkeiten zu modifizieren und ins Blut überzugehen. Vielleicht handelt es sich um verschiedenartige Keime, die als Mischinfektion oder im agonalen Stadium die Gewebe des pest- kranken Huhnes durchdringen. Zur Vervollständigung dieser Untersuchung wird noch die Frage nach der Immunität folgen, die nur sehr langsam fortschreiten konnte, weil bei den gegenwärtigen Abschwächungsmitteln das Virus sehr leicht sein vaccinierendes Vermögen verliert, oder noch tödlich bleibt. Ein Immunserum wird hier ein kostbares diagnostisches Element sein; die alten, auch sonst ungenügenden Kriterien lassen uns ganz im Stich bei einem Virus, das man nicht sieht und das keine charakteristischen Symptome und Läsionen liefert. Das Feld bleibt frei für das rein- biochemische Kriterium. 15. Bemerkungen über die filtrierbaren Virus. Der Ausdruck „filtrierbar“ für diese neue Art von Virus ist zweck- mäßiger, als der „ultravisibel“, mit dem sie auch bezeichnet worden sind. Obgleich das, was durch die gewöhnlichen porösen Kerzen geht, im Allgemeinen einen kleineren Durchmesser hat, als !/,, a, und also unterhalb der von Abbe aufgestellten theoretischen Grenze der Sichtbar- keit mit den jetzigen am meisten vervollkommneten Linsensystemen liegt, ist doch eines dieser Virus, das der Peripneumonie, wenn auch kaum, sichtbar. Auch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß der im ent- wickelten Zustande hinreichend große Keim seine Filtrierbarkeit daher ab- leiten kann, daß er als reproduktives Element viel kleinere Sporen besitzt. Andererseits kann ein ultravisibiles Virus unfiltrierbar sein, wenn es entweder an den Grenzen zwischen Filtrierbarkeit und Visibilität steht, oder nur im Innern der Zellen, umgeben von zähen Protoplasma- massen, zu gedeihen fähig ist, oder der Stoff der Kerze für ihn eine große Oberflächenattraktion ausübt. Alle diese drei Möglichkeiten kann man z. B. in Bezug auf das wutkranke Nervensystem annehmen. Natürlich lassen wir bei den jetzigen ungenügenden Untersuchungs- mitteln die Frage beiseite, ob es sich bei diesem Virus um Reproduktion lebender Organismen oder komplizierter chemischer Moleküle handelt, oder auch um Elemente, die an der Uebergangsgrenze des einen Reichs zum anderen stehen. Der bis jetzt charakterisierten filtrierbaren Virus sind fünf: 1) Virus der Maul- und Klauenseuche. Loeffler und Froscht), Januar 1898. 2) Virus der Fleckenkrankheit der Tabaksblätter. Beijerinck?), Juni 189. 1) Loeffler und Frosch, Berichte der Kommission zur Erforschung der Maul- und Klauenseuche bei dem Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. (Centralbl. £. Bakt. Abt. I. Bd. XXIII. 1898. p. 389.) 2) Beijerinck, Ueber ein Contagium vivum fluidum. (Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. .V. 1809.97) „Adna 2.2. Pr Die Vogelpest. 199 3) Virus der Peripneumonie der Rinder Nocard, Roux und Dujardin-Beaumetz!), Oktober 1899. 4) Virus der südafrikanischen Pferdesterbe. Mac Fa- dyean?), Januar 1900. 5) Virus der Vogelpest. (CGentanni, April 1901.) Die Reihe scheint in letzterer Zeit sich vergrößern zu wollen; man kündigt etwas Aehnliches für das Virus der Diarrhöe der Kälber an (Lesage und Delmer°); von dem myxomatogenen Virus Sanarelli®) wird weiter die Rede sein. Es wird nicht überflüssig sein, eine Angabe über diese verschiedenen Infektionen zu machen, um einen Begriff von dem zu geben, was man über diese neue Kategorie von Virus weiß, und um zu sehen, welche Rolle unter ihnen das Virus einnimmt, mit dem wir uns beschäftigen. 1) Virus der Maul- und Klauenseuche. Die Filtrierbarkeit dieses Virus wurde von der Kommission entdeckt, an deren Spitze Loeffler stand, und welche die Krankheit im Auftrage der Deutschen Regierung studierte. Bei dem Versuche, durch Filtrierung die toxischen und vaceinierenden Substanzen von dem virulenten, durch äußere Bakterien verunreinigten Material zu trennen, stieß man auf die über- raschende Thatsache, daß das Filtrat unter denselben Symptomen und ebenso schnell tötete, wie das ungetrennte Material und sich durch Uebertragungen erhielt. Die Filtrierung gelang mit den Kerzen von Berkefeld und Chamberland, aber nicht mit den dichteren von Kitasato. Die Lymphe wurde im Verhältnis von 1:40 mit Wasser verdünnt, und um die Undurchlässigkeit der Kerzen zu kontrollieren, verunreinigte man sie mit einem leicht erkennbaren Keime, dem Bacillus fluorescens liquefaciens. Bei den Verdünnungen, die das Filtrat in der Körpermasse des Rindes erfuhr, die sich durch mehrere Uebergänge wiederholten, ge- langte man zu so phantastischen Verdünnungszahlen, daß es unmöglich war, an ein Toxin zu denken, das bis dahin seine Wirksamkeit unver- ändert erhalten hätte. Die Autoren schließen daher auf ein vermehrungs- fähiges Agens, wie die gewöhnlichen Virus. Das Virus wirkt auf alle Rinder, auf die Hälfte der Schweine, in einigen Fällen auf Ziegen, aber nicht auf Schafe. Alle anderen gewöhn- lichen Haustiere sind nicht empfänglich. Das Virus ist sehr labil; es wird durch eintägige Austrocknung zerstört, bei 37° nach 12 Stunden, bei 70° in !/; Stunde, während es bei 60° ungewiß bleibt. Auch 3-wöchentliche Aufbewahrung giebt nicht immer ein sicheres Resultat. Das Infektionsvermögen ist so stark, daß !/,,o. ccm der Lymphe sicher eo /a000, Cem ist unsicher, !/,.oono—"/ın0000 eem unwirk- sam. Die geheilten Tiere haben ein in vitro germicides Serum, obgleich es, in den Körper in der Dosis von 20—150 ccm eingespritzt unwirksam ist. l) Nocard, Roux und Dujardin-Beaumetz, Etudes sur la p@ripneumonie (2. Note). (Bullet. de la Soc. centr. de medic. vöterin. Seance du 26. Oct. 1899.) 2) Mac Fadyean, African Horse-Sickness. (The Journal of comp. Path. and Therap. Vol. XIII. 1900. p. 1.) — Bestätigt von Nocard, La Horse-Sickness. (Bull. de la Soc. centr. de med. Vet. 1901. p. 37. 3) Lesage und Delmer, Contribution ä l’&tude de la diarrh&e des jJeunes veaux. (Annales de I’Institut Pasteur. 1901. Juin.) 4) Sanarelli, Das myxomatogene Virus. Beitr. zum Studium der Krankheits- erreger außerhalb des Sichtbaren. (IX. intern. Kongr. für Hygiene und Demogr. in Madrid. April 1898.) (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. XXIII. 1898. p. 865.) TE u 200 Eug. Centanni, Es ist bis jetzt nicht gelungen, von diesem Virus künstliche Kulturen zu erhalten. 2) Virus der Fleckenkrankheitder Tabaksblätter. Diese Krankheit erzeugt mosaikartige Flecken auf den Tabaksblättern, die von der Alteration des Chlorophylis herrühren, Gelbwerden und zuletzt den Tod des Teiles hervorbringen. Die Krankheit ist sehr ansteckend und überträgt sich von einer Pflanze auf die andere nicht nur durch den ganzen Saft der ergriffenen Blätter, sondern auch durch den durch eine Kerze filtrierten Saft. Weder Alkohol noch Austrocknung zerstören das Virus. Es diffundiert durch den Agar. Der Verf. hat dieses Virus „flüssig“ genannt in der Annahme, daß außer dem, was die Kerze zurückhält und das Mikroskop zeigt, keine lebenden Wesen existieren. 3) Virus der Peripneumonie der Rinder. Nachdem es Nocard und Roux gelungen war, auf die oben beschriebene Weise künstliche Kulturen zu erhalten, versuchten diese Autoren mit Dujardin- Beaumetz an dem Virus der Maul- und Klauenseuche den Loeffler- schen Versuch zu wiederholen, aber anfangs gelang es ihnen nicht, weil sie eine konzentrierte eiweißreiche Flüssigkeit verwendeten, welche die Poren verschloß, und erst,:als die Verdünnung auf 1:50 Wasser gebracht war, erhielt man ein für Rinder wirksames Filtrat. Ebenso findet für die Peripneumonie der Durchgang statt, wenn man als Lösungsmittel eine nicht eiweißhaltige Flüssigkeit anwendet. Für das Virus sind durchgängig die Kerzen von Berkefeld und die von Chamberland F, die geringen Druck erfordern, aber nicht die von Chamberland B, die engere Poren haben und stärkeren Druck verlangen. Mit dem Filtrat kann man künstliche Kulturen anlegen auf dieselbe Weise, wie mit der vollständigen Lymphe, und die Virulenz bleibt auch nach wiederholten Uebertragungen erhalten. Hypervaccinierte Kühe liefern ein Schutz- und Heilserum, das in vitro mit dem Virus gemischt, es unwirksam macht. In verlöteten Röhren aufbewahrtes Virus wird nach 2 Monaten un- wirksam oder noch früher. Die künstlichen Kulturen können zur Vaccination gebraucht werden, wie das natürliche, der Lunge eines toten Ochsen entnommene Serum; sie müssen alle 15 Tage erneuert werden, nachdem sie sich in der Wärmekammer 6—8 Tage lang entwickelt haben. 4) Virus der südafrikanischen Pferdesterbe (Horse-sick- ness, peste du cheval). Die Epizootie ist fast in allen Gegenden des südlichen Afrikas verbreitet, und verursacht eine schreckliche Sterb- lichkeit, namentlich in den niederen feuchten Orten. Opfer sind nur Pferde und Maultiere, selten Esel. Die Krankheit verläuft unter gewöhn- lichen allgemeinen Symptomen einer Septikämie, ohne besondere Loka- lisierungen. Das Virus scheint aufs Blut beschränkt zu sein, da die gründlich gespülte und dadurch blutlos gemachten Gewebe die Infektions- kraft einbüßen (Theiler). Die Titrierung des verdünnten Blutes geschieht durch die Kerze von Berkefeld und von Chamberland, nicht nur Marke F, sondern auch Marke B; dieses Virus ist daher eines der kleinsten unserer Kate- gorie. Auch hier sind die Kulturversuche auf künstlichen Nährboden negativ ausgefallen. 5) Die Diarrhöe der jungen Kälber. Lesage und Delmer suchen den pathogenen Keim in einem zu der Gruppe Pasteurella gehörenden Coccobacillus mit den gewöhnlichen Eigenschaften der Fe . -. - & A BERN Wii N ce ae Te tr Be 1 Die Vogelpest. 201 Bakterien. Die Verff. fügen hinzu, daß zwar das Mikrobium in Kultur nicht fähig ist, die Chamberland'’sche Kerze F zu durchdringen, aber der Schleim der Nase und Trachea des kranken Kalbes ein klares Filtrat giebt, das keine Kultur mehr liefert, aber imstande ist, Kaninchen in 4—5 Tagen an coccobacillärer Septikämie zu töten. Das Resultat ist nicht konstant; 10 Kaninchen von 21. Die Wirk- samkeit des Filtrats der Säfte des kranken Kalbes fehlt nur 2 oder 3 Tage lang; sie erscheint mit dem Fortschritt der Krankheit, ohne daß man die Zeit genau feststellen könnte. Die Verff. beschränken sich auf die Anführung der seltsamen That- sache, indem sie bezweifeln, daß der Goccobacillus in einem ge- gebenen Momente seiner Entwickelung im Organismus die Eigenschaft erwirbt, durch die Kerze zu gehen. Man könnte auch bezweifeln, daß die Pasteurella ein kollateraler, komplizierender Keim sei, wenn er nicht durch die Kultur das ganze Bild der Krankheit wieder hervor- brächte. 6) Das myxomatogene Virus von Sanarelli wurde in einer Epizootie unter den Kaninchen des Laboratoriums zu Montevideo an- getroffen. Es verursachte eine Geschwulst an verschiedenen Stellen des Bindegewebes mit den Eigenschaften des myxomatösen (Gewebes und ergreift vorzüglich die Stellen, wo die Haut in die Schleimhaut übergeht. Das Gesicht wird löwenähnlich und es tritt eine katarrhalische Blepharo-Conjunctivitis hinzu. Die Krankheit wird durch klares Serum übertragen, in dem das Mikroskop kein morphologisches Element antrifft, das mit den jetzigen Mitteln sichtbar wäre. Der Verf. hat das Virus nicht der Probe der Filtration unterworfen, daher bleibt es zweifelhaft, ob es zu den ultra- visibeln oder zu den nicht färbbaren gehört. Aber Dr. Biffi, Assistent von Prof. Sanarelli, hat mir die Mitteilung gemacht, daß zwei Filtrier- versuche durch kleine Berkefeld-Kerzen bei genug verdünntem Blute eine unwirksame Flüssigkeit gegeben haben. Gegen diese Virus steht das der Vogelpest nicht zurück wegen seiner weiten Verbreitung und seiner tödlichen Wirkung, es übertrifft sie durch die Bequemlichkeit seines Studiums, welches an kleinen, leicht zu beschaffenden Tieren ausgeführt wird, während bei den anderen, bis jetzt studierten, fast ausschließlich Ochsen und Pferde gewählt werden. Dies erlaubt die nötige Ausführlichkeit der Untersuchung dieser noch so geheimnisvollen Virus nicht. Es ist ein neues, noch fast ganz unbearbeitetes Kapitel, das mit Recht auf den Forscher die größte Anziehungskraft ausübt: 1) Es öffnet den Blick in eine bis jetzt ganz unbekannte Welt; das Wenige, das wir davon wissen, läßt uns fühlen, wie vieles noch fehlt. 2) Es läßt uns hoffen, die Mängel der gegenwärtigen Parasitologie aufzudecken, wie es eben mit dem hier studierten Virus der Fall gewesen ist, indem in gewissen Fällen die sichtbaren Virus durch ihre zufällige Gegenwart jene anderen, mächtigen, weder gesehenen noch geahnten verdecken können. | 3) Krankheiten, über deren Agens das Mikroskop uns nicht hat aufklären können (eruptive Formen, Syphilis, Rabies, Carcinom u. s. w.), wie Loeffler seit den ersten Entdeckungen bemerkte, können den Untersuchungen eine fruchtbarere Richtung verschaffen. Ferrara, November 1901. 202 Gottlieb Markl, Nachdruck verboten. Ueber die Bedeutung des Danyszschen Bacillus bei der Rattenvertilgung. [Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institute in Wien (Vorstand: Prof. Dr. Paltauf).] Von Dr. ottlieb Markl. Voriges Jahr berichtete Danysz!) über einen neuen Bacillus aus der Coligruppe, den er anläßlich einer spontanen Epidemie von Feld- mäusen entdeckte. Dieser Bacillus, dem Loeffler’schen Mäusetyphusbacillus ähnlich, war von Hause aus nur wenig pathogen für graue Ratten, konnte aber durch Passagen durch den Mäuse- und Rattenkörper und abwechselnde Kultivierung in der Bouillon in der Virulenz so gesteigert werden, daß er bei Verfütterung eine tödliche Septikämie bei Ratten erzeugte, welche durch Verfütterung der Rattenkadaver auf mehrere Generationen über- tragbar war. Die mit diesem Bacillus zur Vertilgung von Ratten teils im Labora- torium, teils im Großen ausgeführten Versuche sollen ein ermunterndes Ergebnis geliefert haben. Die Versuche Danysz’ wurden in Lille von Calmette, in Ham- burg von Abel, in Kopenhagen von Madsen und in Tunis von Loir mit gleichem Erfolge wiederholt. Aus der jüngsten Zeit liegen Arbeiten von Kolle?°), Kister und Köttgen’°) vor, welche, obwohl sie hinsichtlich der Brauchbarkeit des Danysz’schen Bacillus für die Rattenvertilgung von den Schlüssen Danysz’ abweichen, im wesentlichen die früheren Versuche doch be- stätigen. Andererseits gelangte Krausz*), welcher die Wirksamkeit der Danysz’schen Bacillen an den Budapester Ratten prüfte, zu vollkommen negativen Resultaten, aus welchen er den Schluß zieht, daß dieser ba- cillus wenigstens für die dortländische Rattenspecies unwirksam sei. Bei der Wichtigkeit der Rolle, welche von Epidemiologen den Ratten bei der Verbreitung der Pest zugeschrieben wird, schien es von Interesse, die Danysz’schen Versuche auch bei uns nachzuprüfen, zu- mal nach Danysz nicht jede Rattenspecies für den genannten Bacillus gleich empfindlich sein soll. Auf Anregung des Herrn. Prof. Dr. Paltauf habe ich nun mit den Danysz’schen Bacillen einige Laboratoriumsversuche an den Wiener Kanalratten angestellt, welche ich im Nachstehenden mitteilen will, weil sie meiner Ansicht nach geeignet sein dürften, die Wider- sprüche der früheren Arbeiten aufzuklären. Morphologisch ähnelt der Danysz’sche Bacillus den Loeffler- schen Mäusetyphusbacillen vollkommen. Er stellt sehr kurze, lebhaft bewegliche Stäbchen dar, welche die Gram’sche Färbung nicht auf- nehmen. Auf Agarplatten bildet er runde, scharf begrenzte, gelbliche, fein granulierte Kolonieen, auf Gelatineplatten fast farblose Kolonieen mit zackigen Rändern. Die Bouillon wird anfangs gleichmäßig getrübt, 1) Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 2) Zeitschr. f. Hyg. u. TE or. Bd. XXXV1. No. 3. 3) Dtsch. med. Wochenschr. 1901. No. &. 4) Ibid. No. 22. Br N Dr Ueber die Bedeutung des Danysz’schen Bacillus bei der Rattenvertilgunge. 203 im späteren Verlaufe beobachtet man starkes Oberflächenwachstum mit Häutchenbildung und reichlichem Bodensatz ; die centrale Partie der Bouillon klärt sich später auf. Auf Kartoffeln wächst er wie Mäusetyphus in der Form eines fettslänzenden, braunen Belages. Die Milch wird nicht koaguliert. Die Lackmusmolke wird zum Unterschiede von den Mäusetyphusbacillen deutlich rot. Aeltere Bouillonkulturen der Danysz- schen Bacillen geben ebenso wie jene des Mäusetyphus nach Zusatz von Nitrit die Indolreaktion. In Zuckerbouillon bilden beide ungefähr gleiche Mengen eines Gasgemisches, welches zu ca. 20 Proz. aus CO,, der Rest aus H besteht. Wichtige Unterscheidungsmerkmale zwischen den Danysz schen und dem Mäusetyphusbacillus liefert dıe Agglutination. Das Serum eines mit abgetöteter Danysz-Kultur subkutan behan- delten Kaninchens agglutinierte diese Kultur im Verhältnisse von 1:50 und 1:100, während es den Mäusetyphus gar nicht agglutinierte. Interessant ist, daß dieses Serum auch eine Colikultur (nicht den Laboratoriumstamm, wit welchem wir Serum gewinnen) von 1:10 und die Typhusbacillen sogar von 1:200 agglutinierte. Vice versa aggluti- nierte unser Typhusserum vom Titre 1:30000 den Danysz schen Ba- eillus im Verhältnisse von 1 :200, den Mäusetyphus von 1:10, während unser Coliserum, sowie normales Kaninchenserum weder den Danysz- noch den Mäusetyphus agglutinierte. Zur Bestimmung der Pathogenität wurden 24 Stunden alte Bouillon- bezw. Agarkulturen an graue Ratten und weiße Mäuse teils subkutan, teils intraperitoneal verimpft, teils verfüttert. Nach subkutaner und intraperitonealer Impfung (1 ccm) starben Ratten nach 3 Tagen. Die Obduktion ergab Hyperämie des subkutanen Bindegewebes, Milztumor und parenchymatöse Degeneration der Leber und Nieren. Im Ausstrichpräparate aus Blut und Milz waren Bacillen kaum nachzuweisen, in Kulturen gingen sie jedoch auf, und zwar reich- licher bei der intraperitonealen als bei der subkutanen Infektion. Nach Verfütterung zeigten Ratten schon nach 2 Tagen deutliche Krankheitserscheinungen: sie hockten teilnahmslos und ohne zu fressen mit gesträubtem Haar in der Ecke des Käfigs verkrochen, und gingen nach 7—9 Tagen ein. Die Sektion ergab kleinen Milztumor, Dünndarm gerötet, mit Schleim gefüllt, im Herzblute und in den Organen waren Bacillen kaum zu finden und die angelegten Kulturen blieben, wenn nicht viel Blut übertragen wurde, entweder steril oder sie zeigten nur spärliche, vereinzelte Kolonieen. Histologisch konnte man neben gering- gradiger parenchymatöser Degeneration der Leber und Nieren miliare Nekrosen und Abscesse in der Leber und eine tiefe, bis in die Sub- mucosa eingreifende Nekrose der Darmschleimhaut beobachten. Mäuse gingen bei intraperitonealer Einverleibung nach 2 Tagen ein. In der vergrößerten Milz waren mikroskopisch immer Bacillen nachzu- weisen und gingen diese auch in den Aussaaten reichlich auf. Bei Ver- fütterung trat der Tod bei Mäusen nach 2—5 Tagen unter ähnlichen Erscheinungen ein wie bei den Ratten, nur mit dem Unterschiede, daß in der Milz und im Blute schon mikroskopisch Bacillen nachzuweisen waren; Kulturen aus dem Herzblute fielen immer positiv aus. Auch aus dem Darme ist mir gelungen, die Danysz schen Bacillen heraus- zuzüchten und mittels der Agglutination zu identifizieren. Nachdem nun die Virulenz unserer Kultur bestimmt worden war und mit der Virulenz der Kulturen, mit welchen Danysz arbeitete, im Hinblicke auf die Krankheitsdauer ziemlich gut übereinstimmte, wurden 204 6. Markl, Bedeutung des Danysz’schen Bacillus bei der Rattenvertilgung. einige Versuche angestellt in der Richtung, ob man durch Verfütterung von Organen (Milz, Leber) der durch Verfütterung von Kulturen ein- gegangenen Ratten noch eine tödliche Infektion erzeugen kann. Es zeigte sich, daß dies möglich war, aber nur bis in die 3. Passage. Mit Organen der Tiere der 3. Serie (welche erst nach 3 Wochen eingingen) gefütterte Ratten starben nicht mehr (Beobachtungsdauer bis zu 6 Wochen). Dieses Ergebnis stimmte mit der bakteriologischen Untersuchung überein, wonach die Infektion mit Danysz bei Ratten mehr als eine lokale Darmaffektion als eine Septikämie verläuft. Die Tiere gehen offenbar infolge einer Intoxikation vom Darme aus zu Grunde, wofür die Giftig- keit der Bouillonkulturfiltrate zu sprechen scheint. So tötete das Filtrat einer 8 Tage alten Bouillonkultur in der Dosis von 1 ccm nach 2 Tagen, einer 17 Tage alten in der Dosis von 0,5 ccm nach 11 Tagen, einer 4 Wochen alten in der Dosis von 0,2 ccm in 24 Stun’en Mäuse bei intraperitonealer Einverleibung. Der Sektionsbefund war derselbe, wie bei der Infektion: Milztumor und Dünndarmkatarrh. Aeltere Filtrate (3 Monate) zeigten sich wenig wirksam. Durch Fütterung mit keimfreien Filtraten ist es mir nicht gelungen, Mäuse zu töten, wohl aber die Ratten. Was die Konservierung der Virulenz anbelangt, ist zu bemerken, daß anaörob, unter Paraffinabschluß bei Zimmertemperatur gehaltene Bouillon- kulturen (Zuckerbouillon) nach 2 Monaten überhaupt nicht mehr übertrag- bar waren, während Agarkulturen noch nach mehr als 4 Monaten ihre In- fektionsfähigkeit für Mäuse, nicht aber für Ratten behielten. Allerdings verzögerte sich der Tod bei den abgeschwächten Kulturen um 2 bis 3 Tage und der Krankheitsprozeß blieb mehr auf den Darmtractus lokalisiert. Bei intraperitonealer Einverleibung erzeugten selbst die ab- seschwächten Kulturen bei Mäusen eine Septikämie. Die für Ratten- avirulent gewordenen Kulturen gewannen zwar schon durch einmalige Passage im Collodiumsäckcehen durch den Kanin- chenkörper die Fähigkeit, Ratten bei Fütterung zu töten, ohne jedoch eine Septikämie bei denselben zu erzeugen. Aus dem Gesagten geht hervor, daß man ohne Zweifel in den Da- nysz’schen Bacillen ein Mittel zur Bekämpfung der Ratten erblicken kann, ein Mittel, welches vor Giften um so mehr Beachtung verdient, als seine Anwendung für Haustiere und für den Menschen vollkommen gefahrlos ist. Andererseits darf man sich keinen übertriebenen Hoff- nungen hingeben, daß man durch einmalige Anwendung dieses Mittels eine ausgedehnte mörderische Epidemie unter den Ratten und ihre voll- ständige Ausrottung erzielen kann. Nach meiner Ansicht wird der Erfolg der Rattenvertilgung mit dem Danysz’schen Bacillus in der Praxis im günstigen Falle nicht wesent- lich größer sein, als mit einem wirksamen Gifte; es wäre denn, daß es gelingen würde, die Infektiosität dieses Mikroben für Ratten noch be- deutend zu steigern. In dieser Richtung habe ich auch Versuche an- gestellt, welche in der Fütterung und Wiedergewinnung aus dem Darme durch mehrere Passagen bestanden, leider aber zu keinem positiven Erfolge führten. Nach diesen Versuchen scheint der Danysz sche Bacillus ein exquisiter Mäuseparasit zu sein, dessen Pathogenität für Ratten nur künstlich erzeugt werden kann und rasch von selbst, noch | rascher jedoch durch Passagen des Rattenkörpers verschwindet. Diese Eigentümlichkeit erschwert selbstverständlich bedeutend die praktische Ausnutzung der Danysz’schen Entdeckung. u Ei u a Di Zu a eh REETEREN A.G. R. Foulerton, The etiological significance of Bacillus dysenteriae etc. 205 Nachdruck verboten. The etiological sienificance of Bacillus dysenteriae (Flexner) as tested by the agglutinative reaction with the serum of patients sufering from dysenterie symptoms. |From the Bacteriologieal Department of the Middlesex Hospital, London, W.] By Alexander &. R. Foulerton, F.R.C.S., Lecturer on Bacteriology and on Public Health to the Middlesex Hospital. In considering Dysentery, wheter from the clinical or from the pathological point of view, we are faced by the difficulties almost in- separable from the classification of disease merely by its more promi- nent symptoms, the exact causation being unknown. Many of those who have a large experience, in the tropical parts of the British pos- sessions beyond the seas, of the cases of disease which are roughly grouped together under the name of “dysentery” have long been of opinion that such cases fall into distinet clinical classes, and that for each class of cases a separate causation is probable. And the work of Shiga, Flexner, and Kruse in quite recent times has led to the hope that from the group of cases at present included under this general term we may soon be able to separate off definitely one class, as due to a specific bacillary infection. The following notes deal with the results obtained on testing cul- tures of B. dysenteriae (Flexner) with the serum of patients either actually suffering from, or recently convalescent from, attacks of illness with distinet dysenteric symptoms. The culture used in these cases was one isolated by Professor Flexner from cases of dysentery occuring amongst the American troops in the Philippines, and given by him to me in August 1900. In testing for agglutinative reaction, a twenty-four old culture in pepton-beef broth was used in every case. Case I. C., a seaman in the Royal Navy; was invalided home from the operations in China with acute dysentery. At the time that the blood was taken the man was still suffering severely, and passing quan- tities of blood and mucus from the bowel. The serum tested against a culture of B. dysenteriae gave an immediate reaction with a dilution of 1:10, and a complete reaction in fifteen minutes with a dilution of 1:40; not tested with any higher dilution. Case II. C.M.B., aged 21 years, a trooper in the Imperial Yeo- manry; had an attack of acute dysentery at Lindley, South Africa, in August 1900. I was able to test his blood on 3rd October 1900, when all acute symptoms had disappeared, although there was still some tenesmus and occasional attacks of diarrhoea. The serum gave a good agglutinative reaction within thirty minutes with a dilution of 1:40; there was no reaction with a dilution of 1:100 after thirty minutes contact. In this case a relapse with severe dysenteric symptoms occur- red about four weeks after the serum was tested. Case III. J.L., a fireman in the Merchant Service. In this case the disease was of an acute type, and the first symptoms had occurred on the run home from Florida, twenty-six days before the serum was tested. An immediate agglutinative reaction was obtained with a dilution 206 Alexander G. R. Foulerton, of 1:40; and a complete reaction within twenty minutes with a dilution 011.300: Case IV. MeC., a seaman in the Royal Navy; was invalided home with symptoms of chronie dysentery contracted during the siege of Ladysmith, South Africa, towards the end of 1899. For several months before the blood was tested the patient had been in Haslar Hospital with chronie dysenteric symptoms, Improvement had followed treatment with quinine enemata, and the patient was discharged from Hospital as cured on the day after that on which the serum was examined, having then been passing stools of normal appearance for about a fortnight. The faeces had been examined for amoebae with a negative result. The serum gave no indication of any agglutinative reaction, even with a (dilution as low as equal parts of serum and broth culture. Case V. A boy, aged 10 years, who had suffered from a acute illness which commenced on 26th August 1900, and was characterised by severe diarrhoea with excessive tenesmus. At first there had been more than thirty actions of the bowels during the twenty-four hours, and the stools had consisted mainly of mucus. The boy’s mother, living in the same house, had just previously died after an illness of. about a fortnight’s duration. with exactly similar symptons. At the same time several other cases with similar symptoms occurred in the row of cot- tages in which the boy and his mother lived. The locality was a small isolated hamlet in Hertfordshire; and all the cottagers affected used a common water-supply, derived from a surface well which was liable to excremental contamination. The serum was tested on 25th September 1900, the patient being then convalesceent. A well marked agglutinative reaction occurred within fifteen minutes with a dilution of 1:40, and a complete reaction within sixty minutes with a dilution of 1:100. This serum gave no agglutinative reaction with a culture of B. typhosus with a dilution 81r.1:.8: Case VI. J. W., aged 25 years, a Surgeon in the Royal Army Medical Corps, was admitted into the Middlesex Hospitai under Dr. Pasteur on 30th September 1900. On 25th September, whilst staying in London, the patient was attacked with symptoms of acute colitis; on admission there was diarrhoea. with severe tenesmus, the stools con- taining much blood and shreds of mucus. The temperature was 100,6° F, and the pulse rate 88. There was a rapid improvement under treat- ment; on 13th October the faeces were of natural consistence, streaked oceasionally with a little blood, but there was no tenesmus, or other symptoms. The stools were searched for amoebae, with a negative result. The serum was tested against B. dysenteriae on 2nd and Sth October and on each occasion an almonst instantaneous reaction was obtained with a dilution of 1: 100. Case VII. Jane G., aged 34 years, was admitted into the Middlesex Hospital under Dr. Pasteur on örd September. The symptoms generally were like those in the preceding case, but less severe. Diarrhoea was less frequent, and the stools contained a good deal of mucus but no blood. The faeces were searched for amoebae, with a negative result. The serum was tested on 13th and 18th November, and on each occasion a good agglutinative reaction was obtained within ten minutes with a dilution of 1: 100. Pi. A keiten The etiological significance of Bacillus dysenteriae (Flexner) etc. 207 Case VIII. Mary C. aged 60 years, was admitted into the Middlesex Hospital under Dr. Caylez on 30th June 1900. The illness had commenced in the previous April, and the symptoms had been those of a chronie ulcerative colitis, including diarrhoea. tenesmus, and the presence of blood, mucus, and pus in the stools. The patient remained in Hospital several months, the disease proving very intractable. The serum was tested against a culture of B. dysenteriae in November; with a dilution of 1:40 the serum caused the formation of a few clumps after thirty minutes contact, but nothing like a complete reaction was obtained. This last case was almost certainly of a different nature to the three immediately preceding cases, and the serum was tested for control purposes. In addition to this last, fifteen other specimens of serum were tested against cultures of B. dysenteriae for control purposes; thirteen of the specimens came from patients with typhoid fever, the other two from cases of chronie diasease in which diarrhoea had occured. With these specimens of control serum no agglutinative reaction whatever occured with thirteen; one serum from a case of typhoid fever gave a fairly good agglutinative reaction with B. dysenteriae with a dilution of 1:10, but no indication of reaction with a dilution of 1:25; the . remaining serum was from one of the two cases of diarrhoea, and an incomplete agglutinative reaction was obtained with a dilution of 1:10, but none with any higher dilution. Of the first seven cases with dysenteric symptoms, on the other hand, the serum in six cases gave a complete agglutinative reaction with B. dysenteriae with a dilution of not less than 1:40. This fact, it may be claimed, — even in the absence of the isolation of the ba- eillus from the faeces — is one of considerable sienificance. Cases V, VI, and VII are of special interest for the following reason. In the late summer and autumn of 1900 several small, localised outbreaks of a disease characterised by the symptoms of an acute colitis oceured especially in the northern parts of London. I also heard at the same time of similar small outbreaks in rural distriets on the north side of London in Essex and Hertfordshire. Case V was one of an outbreak in the latter county. And further, the clinical course of these cases had a strong resemblance to that of one class of the cases of dysentery which have occured amongst our troops in South Africa. This elinical resemblance becomes the more striking when one finds that the agglutinative reaction of the serum from the home cases is similar to that from cases occuring abroad. At the time when that these examinations were carried out I was anxious to test in the same way the serum from cases of “asylum dys- entery’, but was unable at the time to get access to suitable cases. Professor Flexner, Dr. Wasburn, and others have remarked on the apparent resemblance between this “asylum dysentery” and some of the cases of dysentery occuring in tropical climates, and a thorough investi- gation of this point would be well worth carrying out. 208 R. Kraus und Ph, Eisenberg, Nachdruck verboten. Ueber Immunisierung mit Immunsubstanzen. Von Privatdocent Dr. R. Kraus, Assistenten am Institute, und Dr. Ph. Eisenberg. |Aus dem staatlich serotherapeutischen Institute in Wien, Vorstand: Prof. er altant] Daß bestimmte Immunsubstanzen, wie Immunhämolysine, Spermo- toxin, im Organismus spezifische Gegensubstanzen, Antihämolysine, Anti- spermotoxine, hervorzurufen imstande sind, ist eine bekannte Thatsache. Ob auch noch andere Immunsubstanzen, wie Antitoxine, Agglutinine, Präcipitine (Koaguline) etc. dem gesunden Organismus einverleibt, eben- falls Gegensubstanzen auszulösen vermögen, ist bisher nicht entschieden gewesen. Die folgenden Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, ob nach Behandlung verschiedener Tierarten mit Diphtherieantitoxin, Typhus- agglutinin und Ziegenlaktoserum Gegensubstanzen entstehen. Die Versuche wurden im allgemeinen in der Weise ausgeführt, daß Tiere (Kaninchen, Hunde, Ziegen) mit Immunsubstanzen längere Zeit behandelt worden sind und danach deren Serum auf die eventuellen Gegensubstanzen, wie Antiantitoxin, Antiagglutinin und Antilaktoserum, geprüft wurde. Bevor wir an die Versuche selbst herangetreten sind, mußten wir uns noch vergewissern, ob nicht möglicherweise der beim Zusammen- bringen der Immunsubstanz mit der eventuellen Antiimmunsubstanz (z. B. Pferdeantitoxin + Kaninchenserum [Antiantitoxin?]) entstandene spezifische Niederschlag mechanisch die Immunsubstanz mitzureißen im- stande wäre. Wir wissen doch seit Bordet, Tsistowitsch, daß nach Behandlung gewisser Tiere mit normalem Serum anderer Tiere im Serum der behandelten Tiere sogenannte Präcipitine (Koaguline) ent- stehen. Diese Immunsubstanzen erzeugen im homologen Serum spezi- fische Niederschläge. Nachdem wir unsere Versuche mit Immunserum von Pferden, Ziegen ausführen wollten und die normalen Sera dieser. Tiere im Kaninchen, Hund und Ziege Präcipitine erzeugen, mußten wir uns vorher in Kontrollversuchen überzeugen, ob die entstehenden spezifischen Niederschläge keinen Einfluß auf die im Immunserum vor- handenen Immunsubstanzen haben. Es wäre ja möglich gewesen, wie schon angedeutet wurde, daß zunächst die Immunsubstanzen mechanisch mit den spezifischen Nieder- schlägen hätten mitgerissen werden können. Nach unseren bisherigen Kenntnissen über Antitoxine, Agglutinine etc. sind die Immunsubstanzen an Globuline im Serum gebunden. Nach den Untersuchungen von Nolf nehmen wir an, daß die Immunpräcipitine durch das Serumglobulin hervorgerufen werden. Es wäre nach alledem also noch an die weitere Möglichkeit zu denken gewesen, daß die Prä- cipitine, die durch ein normales Serum (Globulin) erzeugt worden sind und die sowohl im homologen normalen Serum als auch im homologen Immunserum spezifische Niederschläge erzeugen, auch diejenigen Globuline mitfällen, an welche Immunsubstanzen gebunden sind. Die positiven Resultate, die wir dann in unseren Untersuchungen möglicherweise er- halten könnten, wären nicht auf die entstandenen Antiantitoxine, Anti- agglutinine etc. zurückzuführen gewesen, sondern auf das mechanische Mitgerissenwerden der Immunsubstanzen oder auf das spezifische Aus- fällen der Serumglobuline. FEED ABA A ae ce er an Diese zwei Möglichkeiten mußten «demnach im vorhinein durch Kontrollversuche ausgeschlossen werden. a Können Präeipitine Diphtherieantitoxine. mitfällen? Es wurde zu diesem Zwecke ein Kaninchen zunächst mit Typhus- serum vom Pferd durch längere Zeit behandelt und das Serum dieses Kaninchens mit Diphtherieantitoxin geprüft. Das Kaninchen bekam 90 eem Pferdeserum (Typhusserum) vom 9. Nov. bis 30. Nov. 1901 in 3- tägigen Intervallen. 5 Tage nach der letzten Injektion wurde das Blut entnommen und das Serum auf Präcipitine geprüft. 1 cem Kaninchenserum + 1 ccm Typhusserum \ nach 24 Stunden spezifischer 4 “ +1 „ Diphtherieserum | Niederschlag Nachdem das Serum Präcipitine für Pferdeserum enthielt, wurden die Versuche in der Weise gemacht, daß das ausgewertete Diphtherie serum (100-faches Serum) mit dem präcipitierendem Kaninchenserum versetzt wurde, 24 Stunden bei 37° stehen gelassen; nachdem der Nieder- schlag entstanden war, wurde (die Flüssigkeit über dem Niederschlag auf Antitoxin geprüft. 1. Versuch: a) 1 ccm norm. Kaninchenserum + 1 cem 100-faches Diphtherieserum, nach 24 Stunden bei 37° kein Niederschlag; das Serum wird wegen der Verdünnung nun auf den Ö0-fachen Wert geprüft. 0,002 cem der Flüssigkeit + 0,091 Diphtherietoxin M (240 g), glatt. Bei der Prüfung des Serums auf 150-fachen Wert ist das Meer- schweinchen in 4 Tagen tot. b) 1 cem Präcipitinserum + 1 ccm Diphtherieserum, nach 24 Stunden bei 37° Niederschlag; davon die obere Flüssigkeit sowie die Kontrolle auf ursprünglichen 100-fachen Wert geprüft. 0,002 cem der oberen Flüssigkeit (50-fach = 100-facher ursprünglicher Wert des Serums) + 0,091 cem Diphtherietoxin M (250 g), glatt. b) Können Präeipitine Agglutinine mitfällen? Die Versuche wurden an Kaninchen und Hunden ausgeführt. Die Tiere wurden mit normalem Pferdeserum, mit Serumglobulinen des normalen Pferdeserum, mit Diphtherieserum vom Pferd, mit normalem Ziegenserum durch längere Zeit behandelt. Das Serum dieser Tiere wurde dann in derselben Weise wie im vorhergehenden Versuche geprüft. 1. Versuch: Kaninchen 145 bekommt 85 cem norm. Pferdeserum vom 9. Nov. bis 30. Nov. Am 3. Dez. Aderlaß. 1 cem Serum 145 + 1 cem norm. Pferdeser. nach 24 Stdn. bei 37° kein Niederschlag 5 „ 145+1 ,„ Serum (Typhus) 24 145370! Niederschlag Br. mean 5 aa. tBüphkkerie)i..y,;24..,, ar {hs 5 Das zum Versuch benutzte Typhusserum agglutinierte Typhusbacillen in der Verdünnung 1 :20000. 1 cem Serum 145 + 1 cem Typhusserum, nach 24 Stunden bei 37° Niederschlag. Die darüber stehende Flüssigkeit wird auf ihren Agglu- tinationswert in Verdünnungen von 1:10—20000 geprüft. Es agglu- tinirte das mit dem Präcipitin versetzte Serum ebenso hoch wie das Kontrollserum. 2. Versuch: Kaninchen 142 wird mit Serumglobulin (vom norm. Pferde) behandelt. Vom 9. Nov. bis 30. Nov. bekommt es 85 cem Globulin. 6. Dez. Aderlaß. Ueber Immunisierung mit Immunsubstanzen. 209 l cem Serum 142 + 1 cem norm. Pferdeser. nach 24 Stdn. bei 37° kein Niederschlag i BT „ Typhusser. (Pferd) „ 24 „ 4. 34% gering. “ mi, „ 142+1 „ Diphtherieserum a‘, FRE # mi „ „ 12+1 „ Globulin Aa. „ 37° starker u Erste Abt. XXXI. Bd. 15 210 R. Kraus und Ph. Eisenberg, Vom Gemisch Serum 142 und Typhusserum wird die obere Flüssigkeit auf ihren Agglutinationswert geprüft. Das Serum agglutiniert ebenso prompt wie das Kontrollserum. 5. Versuch: Hund wird mit norm. Pferdeserum immunisiert und bekommt 365 cem Serum vom 22. Nov. bis 3. Dez. Aderlaß am 14. Dez. l ccm Serum + lcem norm. Pferdeserum nach 24 Stunden bei 37° Niederschlag 2 »„ +1 „ Typhusserum „2a nn A: 4 Davon wird die obere Flüssigkeit auf ihren Agglutinationswert geprüft. Das Serum agglutiniert im Werte von 1:20000 ebenso rasch wie das Kontrollserum. 4. Versuch: Kaninchen 64 wird mit norm. Ziegenserum behandelt. l cem Ser. 64 + 2 ccm Typhus-Ziegenser. nach 24 Stdn. bei 370 mäßiger Niederschlag 1 ” p)) 64 ai 2 r)) ” ” 24 p)) N 37 2 ” ” Die obere Flüssigkeit agglutiniert ebenso rasch in derselben Ver- dünnung (1: 1000) wie das Kontrollserum. Die Versuche zeigen, daß der durch das Serumpräcipitin erzeugte spezifische Niederschlag nicht ine range, Immunsubstanzen, wie das Antitoxin und das Agglutinin, mitzureißen oder mitzufällen. In einzelnen Versuchen fanden wir, daß das Serum- präcipitin im normalen Pferdeserum keinen Niederschlag hervorgerufen hat, wohl aber im Immunserum von Pfer- den, sowohl im antitoxischen als auch im agglutinieren- den Serum. Nachdem auf diese Weise feststand, daß durch die entstehenden Niederschläge Versuchsfehler, wie das mechanische Mitreißen oder Mit- fällen der Immunsubstanzen, nicht in Frage kommen können, gingen wir daran, der Frage nach der Entstehung von Antisubstanzen gegen Immunsubstanzen näherzutreten. Immunisierung mit Diphtherieantitoxin. 1. Versuch: Kaninchen 185 bekommt vom 11. Juni bis 7. Sept. 72 ccm Diphtherieserum (Ziegenbock) ; das Ziegenserum hatte 50-fachen Wert. 1 ccm Serum 185 — 1 cem Diphtherieserum, nach 24 Stunden bei 37° mäßiger Niederschlag; davon hat die obere Flüssigkeit den 50-fachen ursprünglichen Wert wie das Kontrollserum. 2. Versuch: Bock wird mit Diphtherie-Pferdeserum (100- und 200-fach) immunisiert. Vom 22. Nov. bis 31. Dez. bekommt er 295 cem. Vom 8. Febr. bis 26. Febr. weitere 250 ccm. Im ganzen 545 ccm Serum. Am 15. Nov. wird das Serum das 1. Mal geprüft. 1 ccm Serum + 1 cem Diphtherieserum (100-fach), nach 24 Stunden bei 37° Niederschlag. Davon die obere Flüssigkeit auf den ursprüng- lichen 100-fachen Wert wie das Kontrollserum geprüft zeigt den vollen Wert. Am 10. März wird das Serum abermals geprüft. 1 ccm Serum Bock + 1 cem Diphtherieserum (400-fach), davon die obere Flüssigkeit auf den ursprünglichen 400-fachen Wert geprüft wie das Kontrollserum ergiebt den vollen Wert des Serums. Das Bockserum wird auf den 50O-fachen Wert zur Kontrolle geprüft. Das Meerschweinchen stirbt in 2 Tagen. Immunisierung mit Typhusagglutinin. | 1. Versuch: Kaninchen 144 wird mit hochwertigem Typhusserum vom Pferd behandelt. Bekommt vom 9. Nov. bis 30. Nov. 90 ccm Typhusserum. Am 5. Dez. Aderlaß. Ueber Immunisierung mit Immunsubstanzen. >17 l cem Serum 144 + 1 ccm norm. Pferdeser. nach 24 Stdn. bei 37° kein Niederschlag ” „ 144+1 „ Ser. Zoroaster „ 24 „ „37° Niederschlag Davon zeigt die obere Flüssigkeit denselben Agglutinationswert (1:20000) wie das Serum vor dem Zusatz des Serum 144. 2. Versuch: Kaninchen 174 bekommt vom 11. März bis 9. April 38 cem Typhus-Ziegenserum. Am 20. April Aderlaß. 1 ccm Serum 174 + 1 ccm Typhus-Ziegenserum, nach 24 Stunden bei 37° mäßiger Niederschlag. Die obere Flüssigkeit hat denselben Wert wie das ursprüngliche Serum, 1: 1000. 3. Versuch. Hund bekommt vom 22. Nov. bis 3. Dez. 285 ccm Typhusserum vom Pferd (1:20000 Wert), vom 8. bis 26. Febr. 260 ccm Serum. Im ganzen 545 cem des hochwertigen Serums. 1. Untersuchung am 19. Dez.: lccem Hundeser. + 1 ccm norm. Pferdeser. nach 24 Std. bei 37° Niederschlag, 5 er + 1 ‚„ Typhuspferdeser. „ 24 „ ,„ 37° 4 Die obere Flüssigkeit agglutiniert ebenso hoch (1: 20000) wie vor dem Hundeserumzusatz. 2. und 3. Untersuchung am 22. Febr. und am 10. März fällt ebenso aus wie die erste Untersuchung. Das Hundeserum auf 100 f. u. 500 £. Agglutinationswert geprüft, erweist sich als wirkungslos. Aus den vorliegenden Versuchen ergiebt sich, daß nach Behand- lung verschiedener Tiere mit Diphtherieantitoxin und Typhus- agglutinin gewonnen von Pferden und Ziegen keine Anti- substanzen nachgewiesen werden konnten. Das Diphtherie- antitoxin und das Typhusagglutinin hatten nach Zusatz der betreffenden Sera, die Antiantitoxine und Antiagglutinine enthalten sollten, denselben antitoxischen und agglutinierenden Wert wie vorher. Wenn wir nach einer Erklärung für diese Thatsachen suchen wollten, so finden wir dieselbe in der Ehrlich’schen Seitenkettentheorie. Die Diphtherieantitoxine, das Typhusagglutinin haben nur Affinität zu dem Diphtherietoxin und zu Typhusbacillen, sonst aber zu gar keiner Substanz. Injiziertt man nun diese Substanzen gesunden Organismen, also solchen, die weder Diphtherietoxin noch Typhusbacillen in sich enthalten, so werden die Immunkörper nirgends im Körper eine Verankerung finden können und werden dementsprechend keine Produktion neuer Substanzen, der Antiantitoxine und der Antiagglutinine, auslösen. Wohl kann man aber mit anderen Immunsubstanzen im Organismus der entsprechenden Tierspecies (Ehrlich) Antiimmunsubstanzen er- zeugen. Im Zusammenhang mit dieser letzteren Thatsache wäre es ohne die Ehrlich’sche Theorie schwer verständlich, warum die Immun- substanzen, wie das Diphtherieantitoxin, das Typhusagglutinin nicht ebenso im Organismus Antisubstanzen auslösen sollten wie das Immun- hämolysin oder das Spermotoxin. Diese Thatsachen, sowie auch die folgenden Versuche können, wie wir in der Diskussion !) zum Vortrage Gruber’s auseinandergesetzt haben, als Stütze der Ehrlich’schen Hypothese verwertet werden. — Wie bereits eingangs erwähnt wurde, war bereits bekannt, daß das Immunhämolysin und das Spermatoxin Immunsubstanzen, das Antihämo- Iysin und das Antispermotoxin im Organismus hervorrufen können. Im folgenden versuchten wir es, mit Immunhämagglutinin und Laktoserum Gegensubstanzen zu erzeugen. — 1) Wiener klin. Wochenschrift. 1901. No. 48. 212 R. Kraus u. Ph. Eisenberg, Ueber Immunisierung mit Immunsubstanzen. Immunisierung mit Immunhämagsglutinin. Das Immunhämagglutinin wurde von Kaninchen gewonnen, denen Hundeblutkörperchen vorsichtig injiziert wurden. Das Immunserum be- sitzt neben hämolytischen, präcipitierenden Eigenschaften noch häm- agglutinierende. 1. Versuch. Mit derlei Serum wurde zunächst 1 Hund behandelt und bekam 25 ccm Serum im Zeitraum vom 9. bis 30. Sept. Nach einzelnen Injektionen konnte Hämoglobinämie beobachtet. werden. Ohne auf die näheren Details der Wirkung dieser Sera auf den Hunde- organismus, speziell auf dessen Blut, einzugehen, muß bemerkt werden, daß das Serum hämolytisch auf die Hundeblutkörperchen eingewirkt hatte. Am 3. Okt. wurde das Hundeserum auf seine eventuelle anti- asglutinierende Kraft geprüft. Kaninchenserum 73 (Immunserum) agglutiniert 5-proz. defibr. Hunde- blut in Verdünnungen von 1:100 in 5 Minuten, 1:200 in 15 Minuten bei Zimmertemperatur. | Das Hundeserum, gemischt mit Serum 73, wird nach 1 Stunde in Verdünnung von 1:50, 1:100, 1:200 auf defibr. Hundeblut geprüft und zeigt denselben Wert wie das Kontrollserum. 2. Versuch. Hund bekommt 37 cem Immunkaninchenserum vom 7. Mai bis 4. Juni. Das Serum wird am 10. Juni entnommen und auf den antiagglutinierenden Wert geprüft. Imm.-Kan.-Ser. 232 0,1 cem + 0), 0,2 ur nach 24 Std. bei 37°, dazu 5-proz. > r 2 > 02 r ? def. Hundeblut agglutiniert ebenso 1 + 05, 02 i wie in der Kontrollverdünnung. In diesen Versuchen ist es nicht gelungen ein Antihämagglutinin zu erzeugen. A priori wäre nach Ehrlich eine solche Gegensubstanz zu erwarten gewesen. Dieser Versuch ist jedoch insofern kein reiner Versuch, als das zur Immunisierung verwendete Kaninchenimmunserum neben seiner hämagglutinierenden Eigenschaft noch hämolytische Kraft besaß. Wie anderenorts gezeigt wird, äußert dieses Serum seine hämo- lytische Eigenschaft auch im Hundeorganismus. Das inaktivierte Serum ist zu Immunisierungsversuchen ebenfalls nicht verwendbar, da es das passende Komplement am Hundeorganismus vorfindet. Die schwere Schädigung des Hundeorganismus durch dieses spezifisch toxische Serum dürfte als Ursache für das negative Resultat anzusehen sein. Es ist wahrscheinlich, daß man bei vorsichtiger langsamer Behandlung der Hunde mit diesem Serum Gegensubstanzen erhält. Daß der Organismus segen Gifte oder Bakterien, für die er sehr empfindlich ist und die den- selben schwer schädigen, keine Gegensubstanzen trotz des Receptores zu erzeugen vermag, dafür besitzen wir Belege in der Immunitätslehre. Die in letzter Zeit erschienene Arbeit von De Nittis!) zeigt ebenfalls, daß die für Milzbrand empfindlichen Meerschweinchen kein Immunserum liefern, im Gegensatz zu den unempfindlichen oder resistenten Tauben. Immunisierung mit Laktoserum. Das Laktoserum wurde von Kaninchen gewonnen, denen Ziegen- milch subkutan injiziert wurde. Mit dem so gewonnenen Laktoserum, dessen Wert stets bestimmt war, wurde Hund und Ziege behandelt. 1. Versuch. Kleiner Hund bekommt vom 7. Mai bis 4. Juni 67 ccm Laktoserum. Vom 13. bis 26. Juni 7O ccm. Im ganzen 137 ccm Serum. 1) Annales de Y’Institut Pasteur. 1901. No. 10. H. C. Plaut, Züchtung der Trichophytiepilze in situ. 913 1. Untersuchung am 10. Juni: 0,5, 0,3 cem Kaninchenserum (Lakto- serum) 118 fällt typ. 1 ccm 6-fach verdünnter Ziegenmilch. 0,5 cem Ser. 118 + 1,0, 0,5, 0,2 Ser. Hund nach 24 Stunden (Serumniederschlag), dazu Ziegenmilch giebt typ. Fällung. 2. Untersuchung am 2. Juli: 0,5, 1,0 cem Kaninchenserum 196 —+ 1 ccm 6-fach verdünnter Milch typ. Fällung; 0,5 cem Kaninchenserum 196 + 2,0, 1,0, 0,5 Ser. Hund nach 2 Stunden bei 37° (Serumnieder- schlag) dazu 1 ccm 6-fach verdünnter Milch typ. Fällung. 2. Versuch. Ziege bekommt vom Juli bis 25. Sept. 150 ccm Laktoserum; 1. Okt. Aderlaß. Kan.-Ser. = (Laktoserum) 2. 05, 0,2 + ; ccm 10-f. verd. Milch typ. Fällung in 1 Std. 6 = 2 ARE „ ” ” ” ” „ e . 0,5, 0,2 Det ie ” „ keine Fällun a) 0,2 ccm Kan.-Ser. 152 + 2,0 | Antilaktoserum (Ziege) 4 Std. bei 37° (Serumnieder- + 10 t schlag des Kaninchenserums durch Ziegenserum) + 0,5 j + 2 cem 10-fach verdünnter Milch nach 12 Std. + 0,2 } keine Fällung. Kontroll. + 2,0 norm. Ziegenser. nach 4 Std. bei 37° (kein Nieder- schlag) + 2 ccm Milch typ. Fällung. b) 1,0 cem Kan.-Ser. 156 + 2,0 Antilaktoserum (Ziege) H | nach 4 Std. bei 37° + 2 cem 10-fach verdünnter 2 02 Milch nach 12 Std. keine Fällung. Kontroll. + 2,0 norm. Ziegenser. nach 4 Std. bei 37° + 2 cem Milch typ. Fällung. c) 1,0, 0,5 Kan.-Ser. 156 (Laktoser.) + 4 ccm def. Ziegenblut 5-proz. Hämolyse in 3 Std. r 56 + 4 keine Hämolyse. 0,5 an Sr rn 2,0 2 ” „ „ inactiv. Antilaktoserum nach 4 Std. bei 37° + 4 ccm Ziegen- + 10 blut 5-proz. Nach 24 Std. keine Hämolyse. + 05 + 02 Kontroll. + 2,0 norm. Ziegenser. nach 4 Std. bei 37° + 4 ccm Ziegenbl. Hämolyse. Aus diesen Versuchen geht zunächst hervor, daß durch Immu- nisierung mit Ziegenlaktoserum von Kaninchen in der Ziege ein Antilaktoserum entsteht. Das Serum der mit Lakto- serum behandelten Ziege neutralisiert das milchfällende Serum. Neben seiner antipräcipitierenden Eigenschaft besitzt das Antilactoserum noch antihämolytische Wirkungen. Das Laktoserum von Kaninchen wirkt hämolytisch auf Ziegenblut. Das Antilaktoserum paralysiert die hämolytische Substanz des Laktoserums, es enthält demnach ein Antihämolysin. Zusammenfassung. 1) Immunsubstanzen wie das Diphtherieantitoxin, Ty- phusagglutinin können, dem tierischen Organismus ein- verleibt, keine Gegensubstanzen hervorrufen. 2) Nach Behandlung der entsprechenden Tierart mit Laktoserum gewinnt man ein Antilaktoserum. Nachdruck verboten. Züchtung der Trichophytiepilze in situ. Von Dr. phil. u. med. H. C. Plaut, Hamburg. Mit 8 Figuren. In der biologischen Abteilung des ärztlichen Vereins in Hamburg habe ich am 17. November vorigen Jahres über eine Methode, Tricho- 214 H. C. Plaut, phytiepilze zu züchten, kurz berichtet und dieselbe an Präparaten er- läutert. Obgleich sie an Einfachheit nichts zu wünschen ükrig läßt, halte ich es doch für zweckmäßig, sie in diesem Spezialblatt etwas ein- sehender zu beschreiben, da einmal die Erfahrung lehrt, daß man eine Methode gar nicht genau genug beschreiben kann, um Irrtümer zu ver- meiden, und andererseits sich an diese Methode Betrachtungen an- knüpfen, die speziell bakteriologisches Interesse beanspruchen. Die Züchtungsmethode verdankt folgendem Zufall ihre Entstehung: Ich bewahre das von Pilzerkrankungen der Haut stammende Material in kleinen, in heißer Luft sterilisierten, runden Pillenschachteln auf. Durch Zufall war der Boden einer solchen Schachtel, in der sich Haare von einem Mikrosporiefall befanden, feucht geworden und beiseite ge- stellt worden. Als die Schachtel dann später geöffnet wurde, zeigten sich die Haare deutlich mit einem schon makroskopisch sichtbaren Mycelsaum umgeben. Zunächst glaubte ich natürlich, daß es sich um einen gewöhnlichen Schimmelpilz handele, die nähere Untersuchung aber ergab, daß der Mycelrasen wirklich einem Mikrosporon zugehörte, und zwar derselben Pilzvarietät, die die Haare des Kindes befallen hatte, von dem ich das in der Schachtel aufbewahrte Material entnommen hatte. Es war mir nun zwar aus Sabouraud’s Arbeiten bekannt, daß Mikrosporon Audouini auf Cerealien, Brot, Holz u. s. w. gezüchtet werden könne, daß es aber bei Zimmertemperatur unter so wenig günstigen Ernährungsverhältnissen ein so lebhaftes saprophyti- sches Dasein führt, interessierte mich, besonders wegen der eigentüm- lichen geographischen Verbreitung dieser Pilzspecies'). Es lag mir daran, festzustellen, ob es sich hier um einen reinen Zufall gehandelt habe, oder ob dieser Pilz regelmäßig unter so bescheidenen Bedingungen zur Entwickelung zu bringen sei. Ich legte also eine Anzahl anderer Mikrosporiehaare auf sterilen Objektträgern mit ebensolchen Deckgläsern, die mit 4 Wachs- tröpfchen an den Ecken befestigt wurden (s. Fig. 1), in feuchten Kam- mern unter Wasser- abschluß aus und erhielt regelmä- ı ßig zwischen dem Fig. 1. 6. und 11. Tage den Mycelsaum. Nun prüfte ich mein übriges Material in gleicher Weise und erhielt, wenn es sich um Schuppen oder Haare handelte, die von Trichophytiekranken her- rührten, wenn nicht durch Alter abgestorben, ausnahmslos nach 6—14 Tagen einen charakteristischen Mycelsaum. Auf Fig. 2 sieht man den Anfang der Entwickelung eines Mycels aus der Schuppe einer Trichophytia corporis am 9. Tage. Die Zucht dieses Pilzes war mir mit keinen anderen Methoden gelungen, wohl aber war der mikreskopische Nach- weis des Pilzes geglückt. Es waren nur ganz vereinzelte Mycelien auf- zufinden gewesen und die Kultur hatte enorme Mengen von Staphylo- 1) Die Mikrosporie kommt in Paris und London endemisch vor und bildet dort eine wirkliche Plage für Schulen, Pensionate, Waisenhäuser etc. In anderen Ländern, so in Deutschland, Italien und Oesterreich ist sie selten, in Hamburg wieder die häu- figste Form der Kopftrichophytie. Sie unterscheidet sich aber klinisch und auch kul- turell von der Pariser Form. Züchtung der Trichophytiepilze in situ. 215 kokken ergeben. Ein Blick auf die Fig. 2 zeigt nun, warum g- erade hier die einfache Methode mehr gelei- stet hat, als die kom- pliziertere: die klei- nen Häufchen (Sp) um die Mycelfäden herum sind lauter Spaltpilz- kolonieen, die nur da- rum hier die übrigen Elemente nicht über- wuchert haben, weil die Flüssigkeit fehlte, um sie auseinander- zuschwemmen. Die feuchte Luft läßt zwar eine Entwickelung al- ler Keime zu, für ein Ausschwemmen der Keime aber, oder ein kräftigeres, das Ge- deihen der Schimmel- pilze gefährdendes Fig. 2. Trichophytia corporis am 9. Tage der Kultur Wachstum, sind die in situ gezüchtet. Verhältnisse nicht günstig. Fig. 3 zeigt die Weiterentwicke- lung von derselben Schuppe nach 3 Wo- chen bei schwacher Vergrößerung (Zeiss Apochr. 8, Oc. 4) und Fig. 4 bei starker Ver- sgrößerung (Oelimmer- sion !/,» Oc. 4). Hier erkennt man bei Eect. (Lupenbetrachtung) vollendete Ektospo- renbildung in Form von Thyrsusstäben (Botrytis), das Cha- rakteristikum der Trichophytiepilze. Diese Thatsache ist sehr interessant, denn bekanntlich ist es bis jetzt nur gelungen, auf ganz bestimmten und zwar üppigen ährböden diese Fig. 3. Trichophytia corporis am 21. Tage der Kultur Fruktifikation ZU ET- in situ. Bei Zect.» vollendete Ektosporenbildung an einigen halten. Es wird hier- Fäden. Lupenbetrachtung ! 216 H#:C: Plast, Fig. 4. Botrytistraube stark vergrößert. Fig. 5. Microsporonhaar am 11. Tage seiner Entwickelung. durch gezeigt, daß die Haut in ihrer chemi- schen Zusammensetz- ung völlig genügt, um den Pilz bis zur Ekto- sporenbildung zu bringen und wahr- scheinlich gemacht, daß biologische Ver- hältnisse die Ursache bilden, daß der Pilz, solange er Parasit auf der lebenden Haut ist, an dieser Art der Sporenbildung durch irgend etwas verhin- dert wird. Fig. 5. ‚zeigt: -ein Mikrosporonhaar am 11. Tage seiner Ent- wickelung in der Kammer. Spaltpilz- kolonieen sind hier in geringerer Anzahl vorhanden gewesen. Wenn wir uns dies Photogramm ansehen, so fällt auf, wie wenig Mycelfäden sich rela- tiv aus der Sporen- scheide entwickelt ha- ben, während doch diese natürlich zum Bersten voll damit sepfropft ist. Aehn- lichen Verhältnissen begegnen wir auch, wenn wir Haare auf Agar nach Sabou- raud’soder Unna’s Methode auslegen. Wir erkennen daraus, daß nur wenige von den Sporen, die wir sehen und für lebens- frisch halten, sich unseren künstlichen Kulturversuchen ge- senüber keimfähig er- wiesen !). Hierin liegt der Grund für das häufige Mißlingen der 1) Interessant ist auch die Thatsache, daß die Sporen in der Mikrosporiescheide Züchtung der Trichophytiepilze ın situ. IV ph =] gewöhnlichen, für Bak- terien so überaus wert- vollen Plattenkulturen bei diesen Fadenpil- zen, der mir bis da- hin unerklärlich war. Denken wir, daß auf eine entwickelungs- fähige Spore Tausende von entwickelungs- fähigen Spaltpilzen kommen, so erkennen wir, dab man die Ver- dünnung gar nicht weit zu treiben braucht, um überhaupt keine Spo- ren auf der Platte zu erhalten. Nun müssen wir aber, wegen der großen Verunreinig- ung mit Spaltpilzen, stark verdünnen und deshalb erhält man so häufig, besonders bei knappem Material, auf der Platte, die man zur Abimpfung brau- chen kann, gar keine Sporen entwickelt. Eben darin liegt auch die Schwierigkeit der Zucht des Mikro- sporon furfur, des Erzeugers der Pityria- sis versicolor. Wendet man nämlich meine Methode für die Schuppen der Pityria- sis versicolor aber beı Bruttemperatur (S. Fig. 6. Schuppen von Pityriasis versicolor in situ gezüchtet. Eine Schuppe zeigt ein entwickeltes Spo- renlager. Fig. 7. Die Schuppe in Fig. 6 stark vergrößert. Sämtliche Photogramme sind von lebenden Kul- turen, also ohne jegliche Einschlußflüssigkeit, auf- genommen. Aus diesem Grunde sind die Konturen oft nicht scharf. Fig. 7. sich mit Gram nur teilweise gut tingieren lassen. Ernst hat bekanntlich (v. Virch. 218 HFCHPIaut, Nachtrag) an, so bemerkt man, daß von ungefähr 20 Schuppen, die außerordentlich viel lebenskräftige Keime zu haben scheinen, sich für die Kultur nur ein einziges Sporenlager als entwickelungsfähig heraus- stellt. In Fig. 6 sieht man unter vielen Schuppen nur bei der Schuppe A Entwickelung von Sporen, die deutlich aus der Schuppe herausgewachsen sind (11. Tag der Kultur). Fig. 7 zeigt dieselbe Schuppe bei starker Vergrößerung (!/,,s Oc.). In der Mitte des Sporenhaufens sieht man sehr deutlich die eigentümlichen Conidien der Pityr. vers. Diese Be- obachtung bestätigt die von Matzenauer gemachten Angaben voll- ständig. Derselbe erhielt von vielen Hundert Platten nur 2 Kulturen ae (S. Archiv für Dermatologie. und Syphilis. Bd. LVI. p- 163. Merkwürdig ist es, daß die so weit in der Natur verbreiteten Schimmelpilze diese Luftkammern nicht häufiger stören; mir ist es wenig- stens relativ selten und erst neuerdings vorgekommen, daß ich Peni- cillium, Mucor, Aspergillus oder einen anderen banalen Schimmel- pilz mitentwickelt gefunden hätte. Und doch hat nicht einmal eine ober- . flächliche Reinigung des ausgelegten Materiales stattgefunden. Die Kontrollversuche bestanden im Auslegen von allen möglichen Hautschüppchen und Haaren von gesunder und kranker Haut (natürlich mit Ausschluß von Trichophytie) und künstlich mit verschiedenen Schimmelpilzen infizierten Hautstückchen. Die ersteren zeigten inner- halb der Beobachtungsdauer niemals Mycelentwickelung, die künstlich aufgebrachten Sporen keimten regelmäßig schon nach 24 Stunden und bildeten in 48 Stunden einen sehr üppigen Mycelsaum, später die charakteristischen Fruktifikationen. Eine Verwechselung dieser rapid wachsenden Pilze mit den unter den gewählten Bedingungen (s. u.) so überaus langsam wachsenden Krankheitserregern ist deshalb bei genauer Befolgung der für die Methode gegebenen Vorschriften meiner Ansicht nach ausgeschlossen ; immerhin ist große Vorsicht am Platze. Damit die Methode jedesmal gelingt, sind folgende Punkte ganz genau zu beachten: 1) Es ist möglichst frisches Material zu verwenden. Haare oder Schuppen werden ohne Vorbehandlung, auch ohne Vorbehandlung der Läsion direkt auf flambierte und abgekühlte Objektträger übertragen. Auf den Objektträger kommen 3—4 Haare oder ebensoviel Schüppchen. Man fürchte sich nicht, wenig zu nehmen: Der Pilz ist auf dem Nährboden, der ihm am besten zusagt und er hat auch an den kleinsten Schüpp- chen mehr Nahrung, als man für möglich halten sollte! Ueber die Schüppchen oder Haare drückt man einen anderen flambierten Objekt- träger recht fest auf, um das Material breit, dünn und somit durchsichtig und geeignet für die mikroskopische Untersuchung zu machen. Bleibt das Material an dem ÖObjektträger hängen, den man zum Drücken ver- wendet hat, so wird auch er zur Kulturkammer umgewandelt. Man vollendet dieselbe durch Auflegen des flambierten Deckgläschens, das man an jeder Ecke mit einem Wachströpfchen befestigt. 2) Die Kultur darf unter keinen Umständen benäßt werden. Ver- wendung der nun zu beschreibenden feuchten Kammer schützt am Archiv. Bd. COXXXVI. p. 533) aus dem Verlust der Fähigkeit der Keime, sich nach Gram zu färben, geschlossen, daß es sich um entwickelungsunfähige Exemplare handeln müßte. Züchtung der Trichophytiepilze in situ. 219 besten vor diesem Fehler. Die Kammer besteht, wie Fig. 8 zeigt, aus einem Teller (7) in dem sich ein Glasschälchen (@/) befindet, auf das der beschickte Objektträger (O0) gelegt wird. Ueber denselben kommt ein Glasglocke (.@lo). Den Verschluß vollendet man durch Eingießen von Wasser in den Teller, nachdem Objektträger und Glocke am Platze sind. Die Innenseite der Glocke muß am Boden, also oben mit Fließpapier (FT?) austapeziert werden (mit Wachströpfchen befestigen !) Das Fließpapier versieht man zweckmäßig mit einem Loch in der Mitte, damit man die Kultur von oben her auch bei geschlossener Glocke be- obachten kann. Bei Oeffnen der Glocke gehe man vorsichtig zu Werke, daß kein Tropfen Wasser an den Rand des Deckgläschens fällt, weil sonst die Kultur unrettbar verloren ist. Die eventuell schon vor- handenen Pilzfäden werden sofort bis zur Unkenntlichkeit entstellt und Fig. 8. a a U L u 2 4 1 0 4 Sa... 2 le _ mit Spaltpilzen überschwemmt. Eine Weiterzucht, ein Abimpfen gelingt Be nicht! Die feuchte Kammer muß ganz flach gewählt werden, _ damit genug Feuchtigkeit vorhanden ist. Maße der Glocke: Durch- - messer: 12 cm, Höhe 7 cm. Ein gutes Kennzeichen für den richtigen - Feuchtigkeitsgrad bildet die auf den Objektträger aufgeklebte gummierte Etiquette. Sie muß sich verschieben lassen, nachdem der Öbjektträger nach 24 Stunden aus der Kammer kommt. Nimmt man zu hohe Kammern, so erfolgt auch keine Spur von Entwickelung, nimmt man flache, so ausnahmslos vom 6.—11. Tage an. Will man auf gewöhnlichen Nähr- boden abimpfen, so schneidet man am Rand der Schuppe, nachdem tüchtige Pilzentwickelung erfolgt ist, ein Stückchen los und überträgt es auf Maltoseagar etc., wo dann eine üppige Pilzvegetation ungestört von Spaltpilzen auch bei Bruttemperatur die Regel ist. Will man vor jeder - Verunreinigung sicher sein, so schickt man das abgeschnittene Stöck 1 L 220 H. C. Plaut, Züchtung der Trichophytiepilze in situ. chen nach Behandlung mit der Kräl’schen Methode!) noch einmal durch eine Platte. 5) Man züchte bei Zimmertemperatur; bei Brutteinperatur ist es sohr schwer, die Objekte vor Benässung zu schützen. Die Temperatur soll aber um 20° C herum liegen (s. Nachtrag). 4) Jeden Morgen soll die Durchmusterung der Präparate mit schwächster Vergrößerung (Zeiss A oder schwachem Apochromat) er- folgen. Die Präparate dürfen unbeschadet ihres Weiterwachstums eine halbe Stunde außerhalb der feuchten Kammer liegen. 5) Mycelentwickelung in den ersten 2—3 Tagen ist unbedingt als durch gewöhnliche Schimmelpilze hervorgerufen zu betrachten, ebenfalls natürlich solche, welche vom Rande des Deckgläschens, nicht von den Schuppen oder Haaren ausgeht, überhaupt ist plötzlich auftretende, nicht stetig von dem ausgelegten Material wachsende Vegetation als Verun- reinigung zu betrachten. Fragen wir uns zum Schluß nach den Vorteilen, die die neue Methode bietet, so möchte ich folgende hervorheben: 1) Die Einfachheit. Jeder praktische Arzt kann sie fast ohne Vor- bereitung zur Anwendung bringen und in leichtester Weise seine thera- peutischen Maßnahmen kulturell kontrollieren. 2) Die Methode gelingt ausnahmslos bei Trichophytie, auch in solchen Fällen, in denen andere Methoden wegen der großen Ver- unreinigung mit Spaltpilzen schwer oder gar nicht zum Ziel führen. Nur für solche Fälle soll die Methode zum Ausgangspunkt für Rein- kulturen dienen, sonst nur als diagnostische Hifsmethode. Selbstverständlich ist die Methode in etwas anderer Ausführung auch zur Anreicherung ?) der in den Schuppen vorhandenen Bakterien zu verwenden, wie ein Blick auf Fig. 2 zeigt. Jedoch sind hier noch Schwierigkeiten vorhanden, an deren Ueberwindung ich arbeite. Ich kann deshalb den Wert der Methode nach dieser Richtung hin noch gar nicht beurteilen. Für Trichophytiestudien kann ich sie aber schon heute empfehlen, da ich keine andere kenne, die in so überaus be- quemer Weise gestattet, den Trichophytiekeim von der Spore bis zur Ektosporenbildung lückenlos zu verfolgen. Nachtrag. Während des Druckes dieser Arbeit hatte ich Gelegenheit, die Me- thode bei einem Favusfall (Mäusefavus) anzuwenden. Da der Favuspilz nur bei höheren Temperaturen gut gedeiht, so stellte ich die feuchten Kammern bei 35°C in den Brütofen. Die Deckgläschen schützte ich vor dem Kondenswasser durch eine feuchte Fließpapierbrücke ie die mit Wachs auf den freien Enden am Objektträger befestigt und all- morgendlich neu befeuchtet wurde. Sonst blieb die Anordnung der Kammer dieselbe wie in Fig. 8. Das Resultat war ausgezeichnet: Schon nach 24 Stunden beginnende Mycelentwickelung und nach 48 Stunden ty»nische Ektosporenbildung nach dem Typ Acladium. Ich habe diese 1) Zerreiben mit Kieselsäure (s. Untersuchungen über Favus. Ergänzungshefte d. Arch. f. Dermat. u. Syphil. 1891). 2) Für Typhuskeime in inneren Organen haben E. Frenkel und Simmonds schon im Jahre 1886 eine auf ähnlichen Grundsätzen basierte Anreicherungsmethode empfohlen und Frenkel hat dieselbe neuerdings mit Erfolg bei Roseolahautstückchen von Typhuskranken angewandt und die Schnitte mit den angereicherten Bacillenhaufen im ärztlichen Verein in Hamburg in überzeugendster Weise demonstriert. A. Altobelli u. G. Memmo, Ueber die Erscheinung der Agglutination. 22] Kulturen in der biologischen Abteilung des ärztlichen Vereins in Ham- burg am 11. Februar demonstriert. (Näheres siehe Protokoll dieser Sitzung in der Münchener med. Wochenschrift.) Was ich oben unter No. 5 über Verunreinigung mit fremden Schimmelpilzen gesagt habe, bezieht sich natürlich nur auf Kulturen, die bei Zimmertemperaturen gezüchtet werden. Verunreinigungen bei Brüttemperatur durch Schimmelpilze (Aspergillus fumigatus und M ucorarten etc.) kommen, wie ich mich inzwischen überzeugt habe, vor, aber kaum dürfte der nur einigermaßen Geübte sich durch diese täuschen lassen, da es ja in den Kammern bei Brüttemperatur regelmäßig sehr schnell zur Fruktifikation kommt und außerdem das Herausstrahlen der typischen Favusmycelien ein so überaus charakteristisches Bild gewährt, daß, wer einmal die Methode wirklich versucht hat, gar nicht im Zweifel sein kann, was er vor sich hat. Immerhin ist auch hier große Vorsicht am Platze. Mit der Fließpapierbrücke kann man auch Trichophytiepilze bei höherer Temperatur in situ züchten, und erhält dann nach 48 Stunden eine Diagnose im positiven Sinne, wenn Trichophytie vorliegt. Nachdruck verboten. Ueber die Erscheinung der Agglutination. [Aus der Schule für angewandte Militärheilkunde in Florenz.] Von A. Altobelli und &. Memmo, Militärärzten. Zur Erklärung der Art und Weise, wie und warum überhaupt bei der Gruber-Widal’schen Reaktion eine Agglutination stattfindet, sind verschiedene Hypothesen aufgestellt worden. Es hat dabei nicht nur an Kritiken der Arbeiten und Theorieen vonGruber, Kraus, Bordet, Nicolle, Paltauf, Dineur, Emmerich und Löw, Duclaux gefehlt. Man weiß, daß man eine Agglutination der Bakterien nicht durch spezifische Sera, sondern auch durch chemische Substanzen er- halten kann, und es sind Versuche gemacht worden, die chemischen Mittel zur bakteriologischen Analyse zu verwerten, d.h. zur Aufstellung einer Differentialdiagnose zwischen den verschiedenen Mikroorganismen. Den Studien von Malvoz folgten diejenigen von Bossaert, Lam- botte und Blachstein, und die zur Verwendung gelangenden Sub- stanzen waren das Formalin, Sauerstoffwasser, Sublimat, Safranin, Vesuvin, Fuchsin, Essigsäure, Milchsäure, Uhrysoidin, Alkohol und Kali. Es will uns jedoch scheinen, als ob man es unterlassen hätte, Untersuchungen darüber anzustellen, wie sich die chemischen Sub- stanzen, welche in das Blut eintreten, bei dem Vorgange der Aggluti- nation verhalten. Wir haben uns daher bei unseren Studien die Auf- gabe gestellt, zu erforschen, einen wie beschaffenen und wie großen Einfluß die mineralischen Substanzen ausüben, welche sich in unserem Körper, sei es im normalen, sei es im pathologischen Zustande, finden. Die Salze, welche bisher als eine Art von Ballast angesehen wurden, haben eine nicht geringe Bedeutung für die Vorgänge der Assimilation und der Disassimilation der Eiweißmoleküle innerhalb der lebenden Zellen. Werden den im Blutserum gelösten Eiweißsubstanzen diese Salze entzogen, so findet ein Niederschlag der ersteren statt. 222 A. Altobelli und G Memmo, Die Kalksalze sind notwendig für die Löslichkeit einiger Eiweiß- substanzen. Sie sind unumgänglich notwendig für die Koagulation des Blutes und der Milch. Alle bekannten Diastasen enthalten Aschen, und es scheint so, als ob die Wirkung der ersteren nicht nur an die Menge, sondern auch an die Beschaffenheit der Salze gebunden ist. Seit dem Jahre 1900, wo wir die Versuche von Malvoz und Bossaert wiederholten, haben wir begonnen, die Vorgänge bei der Agglutination der Mikroorganismen zu studieren, und zwar stellten wir unsere Versuche vornehmlich mit den mineralischen Substanzen an, welche von den anderen Forschern wenig oder gar nicht berücksichtigt wurden. Bei der ersten Reihe unserer Versuche haben wir die Wirkung vieler Salze auf den Typhusbaecillus studiert. Wir verwendeten: Kohlen- saueres Ammonium, Chlorammonium, phosphorsaueres Ammonium — Magnesium, Chlorkalium, kohlensaueres Kalium, essigsaueres Kalium, schwefelsaueres Aluminium-Kalium, schwefeleyansaueres Kali, Baryum- hydrat, salpetersaueres Baryum, 'Calciumhydrat, kohlensaueres Calcium, Chlorcaleium, Chlormagnesium, schwefelsaueres Magnesium, Mangan- superoxyd, Chlormangan, Eisenchlorür etc. Von diesen Salzen haben Chlormangan, Chlorcalceium und Eisen- chlorür die Bildung charakteristischer, mehr oder minder großer Haufen veranlaßt, und mit ihnen stellten wir Versuche auch mit anderen Mikro- organismen an, so mit dem Bacterium coli, dem Staphylococcus und den Mikroorganismen Friedländer’s und der Cholera. Die Wirkung der Salze ist verschieden, je nach der Art der Bakterien. Während das Eisenchlorür eine energische Wirkung auf den Typhus- bacıllus und das Bacterium coli ausübt, hat es gar keine Wirkung auf den Cholerabacillus und den Staphylococcus. Dies zeigt an, daß die Beschaffenheit des Protoplasmas der Mikroorganismen einen sroßen Einfluß auf den Vorgang haben muß. Es ist hier nicht der Ort, alle die Versuche und Experimente auf- zuzählen, die wir angestellt haben, um die Gesetze festzustellen, welche den Vorgang der Agglutination beherrschen. Wir haben untersucht, welchen Einfluß das Alter, die Menge, die geringere oder stärkere Emulsionierung der Kultur, die Zeit und die Temperatur wohl haben könnten. Aus den zeitraubenden Arbeiten können wir allein den Schluß ziehen, daß das in Rede stehende Phänomen existiert und an Be- dingungen geknüpft ist, welche sich ihres konstanten Nachweises ent- ziehen und nicht immer in genauer Weise herstellen lassen. Durch eine zweite Reihe von Versuchen haben wir getrennt studiert, welchen Einfluß die Säuren und Alkalien auf den Vorgang der Aggluti- ° nation ausüben, wobei wir diejenigen Substanzen berücksichtigen, welche besonders bei der Zusammensetzung des Blutes und bei den Vorgängen des Stoffwechsels, auch des pathologisch veränderten, in Frage kommen. $ In der That nämlich kommen in unserem Organismus, sowohl im nor- malen als pathologischen Zustande, Anomalieen in der Reaktion und Ver- 3 schiedenheiten in Bezug auf die Menge und Beschaffenheit der Salze vor. Die Substanzen, welche hierzu in 1-proz. Lösung zur Verwendung selangten, waren: Salzsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure, Phosphor- säure, Oxalsäure, Essigsäure, Ammoniak, Natron und Kali. Die Mikro- organismen stammten von 24 Stunden alten Agarkulturen, wurden mit destilliertem Wasser emulsioniert und sterilisiert. Es wurden die ‚Ver- suche angestellt mit dem Typhusbacillus, Bacterium coli, Fried- Pu, Ueber die Erscheinung der Agglutidation. | 2933 länder’s Bacillus, Vibrio der Cholera und Staphylococeus pyogenes aureus. Wenn wir die Resultate unserer Beobachtungen zusammenfassen, so können wir sagen, daß die von uns studierten Substanzen eine Ver- einigung der Mikroorganismen in derartig beschaffenen Haufen veran- lassen, daß diese sich in nichts von denjenigen unterscheiden, welche durch die Einwirkung spezifischer Sera hervorgerufen werden. Um den Vorgang herbeizuführen, genügen minimale Mengen der genannten Sub- stanzen. Mitunter ist es nur mit Hilfe des Mikroskopes möglich, das Vorhandensein von Zusammenhäufungen zu erkennen, welche immer von Bakterien gebildet werden, die ihre Vitalität bewahrt haben und keine morphologischen Alterationen erkennen lassen. Die Säuren bewirken eine Agglutination, die Alkalien sind ganz wirkungslos. Von den Säuren wirken die anorganischen energischer als die organischen, und die Wirkung variiert je nach der Form und der Art der Bakterien. Die Kokken sind widerstandsfähiger als die Bacillen und Vibrionen. Bei allen daraufhin untersuchten Mikro- organismen wirkt die Schwefelsäure am stärksten ein, dann folgen die Salzsäure (mit Ausnahme für den Staphylococcus), die Salpetersäure (mit Ausnahme für den Vibrio der Cholera, vielleicht wegen dessen Fähigkeit, die Nitrate zu Nitriten zu reduzieren [indol-nitrose Reaktion des Cholerarot]. Die Phosphorsäure verhält sich wie die Salzsäure, wirkt aber viel schwächer. Die organischen Säuren wirken gleichmäßig ein, aber ihre Wirkung ist weniger energisch. Essigsäure ist die schwächste von allen. Der Vorgang tritt beständig ein. Er wird beeinflußt durch die Temperatur, welche bei 37° die Einwirkung der Säuren begünstigt. In Frage kommt auch das Mengenverhältnis zwischen den Keimen und der angewendeten chemischen Substanz. Das Alter der Kulturen spielt keine Rolle. Die Alkalien üben auch in bedeutenden Mengen nicht die geringste Wirkung aus. Dagegen kann man mit ihnen die durch die Säuren her- vorgerufenen Anhäufungen wieder zerstreuen. Die Mengenverhältnisse der Säuren und Alkalien zu einander entsprechen dabei nicht chemischen | Gleichungen. So muß man z. B., wenn man durch Natron ein alkali- nisches Medium hergestellt hat, zum Herbeiführen der Agglutination eine viel größere Menge Säure zersetzen, als wenn die Alkalinität durch Kali oder Ammoniak hergestellt worden war. Wir haben uns die Frage vorgelegt, ob das, was wir beobachtet Ben. eine Erklärung in chemischen oder physikalischen Gesetzen ndet. | Aus der physiologischen Chemie wissen wir, daß die Menge der - Eiweißsubstanzen, der Säuren oder Alkalien, der neutralen Salze und ' des Wassers einen bedeutenden Einfluß auf das Niederschlagen der Proteosen und Peptone, wie auch der anderen Proteinsubstanzen hat, so daß also ein und dieselbe Proteose sich verschieden verhalten kann, je nachdem die eine oder die andere Bedingung in der Lösung, in der sie sich befindet, verschieden ist. Und die Konzentration, in welcher ein Salz beginnt, ein Protein niederzuschlagen, ist so charakteristisch für das Protein selbst, als auch für den Grad der Löslichkeit einer _krystallinischen Substanz. Nach Duclaux ist der Vorgang der Agglutination jedoch ein physi- kalischer, identisch mit demjenigen der Gerinnung, verschieden von k eu ET Tu 224 A. Altobelli u. G. Memmo, Ueber die Erscheinung der Agglutination. diesem allein durch die anfängliche Größe der Partikelchen, welche sich vereinigen. Zuerst würden die Agglutinine spezifisch reagieren, ver- schieden, je nach den molekularen Attraktionsbeziehungen zwischen Mikroorganismen und dem flüssigen Medium. An zweiter Stelle würden sich dann die Mikroorganismen, indem sie sich untereinander vereinigen, wie anorganische Partikelchen verhalten. Uns will es nun scheinen, als ob bei dem ersten Vorgange, der als spezifisch angesehen wird, die im Serum enthaltenen mineralischen Sub- stanzen eine Bedeutung haben können, indem sie die Bedingungen und die Beziehungen zwischen Medium und Mikroorganismen modifizieren, Wenn wir die Mikroorganismen mit Colloidsubstanzen, welche viel- inehr mechanische Gemische als richtige Lösungen darstellen, vergleichen, so können wir annehmen, daß die mineralischen Substanzen des Serums in der Emulsion der Mikroorganismen Vorgänge der Osmose und der Imbibition hervorrufen. Diese Vorgänge werden von bestimmten Ge- setzen reguliert, welche nach der Natur, der Kohäsion und der Elastiecität der Kolloidkörper, nach der Beschaffenheit und der inneren Reibung der Flüssigkeit, nach der Temperatur variieren können. In den Lösungen von Salzen hängt die Imbibition von dem Attraktionsvermögen des Wassers gegenüber den gelösten Salzen ab, und die Beziehung ändert sich je nach der Beschaffenheit und der Menge der Salze. : Wir glauben also schließen zu dürfen, daß bei dem Vorgange der Agglutination die mineralischen Substanzen eine gewisse Bedeutung haben können, sei es, daß sie chemisch auf die Proteine einwirken, in- dem sie dieselben niederschlagen, sei es, daß sie die Vorgänge der Ösmose zwischen Mikroorganismen und flüssigem Medium begünstigen, indem sie die Beziehungen der Adhäsion und Attraktion ändern. Wenn wir diese letztere Hypothese gelten lassen, so finden wir unter anderem eine Stütze in der Beobachtung Gengon’s, daß die Agglutinine des menschlichen Serums vollkommen dialysieren, wenn die untere Flüssigkeit destilliertes Wasser ist, dagegen nur sehr’wenig dialy- sieren, wenn die untere Flüssigkeit Sulfate, Chlorüre, Karbonate und Phosphate von Natron enthält. Die ausführliche Abhandlung wird in einer der nächsten Nummern des „Giornale medico del Regio Esercito“ veröffentlicht werden. Florenz, im September 1901. Inhalt. Originalmitteilungen. Kraus, R. U. Eisenberg, Ph. Ueber Altobelli, A. u. Memmo, G., Ueber die Immunisierung mit Immunsubstanzen, Erscheinung der Agglutination, p. 221. : 5 A E 3 ? Markl, Gottlieb, Ueber die Bedeutung TH a des Danysz’schen Bacillus bei der Ratten- . vertilgung, p. 202. € eg Alexander G. B., The etio- | pyaut, H.C, Züchtung der Trichophytie- ogical significance of Bacillus dysente- pilze in situ, p- 218. riae (Flexner) as tested by the aggluti- | yojk, Richard, Ueber eine Kaninchen native reaction with the serum of patients . Eh B 177 i a suffering from dysenterice symptoms, „BD: : p-: 205. Frommannpsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten . Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. O0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXI. Band. ——- Jena, den 3. März 1902. —- No. 6. ‚Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Original-Mitteilungen. Nachdruck verboten. Ueber die Infektion vom unverletzten Bindehautsacke aus. [Aus dem hygienischen Institute der Universität Halle a. S. (Direktor: Prof. Dr. C. Fraenke]).] Von Dr. med. K. Hirota, Augenarzt aus Tokio (Japan). Daß viele Forscher bei der bakteriologischen Untersuchung nicht nur im Sekret der erkrankten Bindehaut, sondern auch im ge- sunden Bindehautsacke zahlreiche Arten von Mikroorganismen, und zwar sowohl saprophytische als auch pathogene, gefunden haben, darf nicht wunder nehmen, da ja die Bindehaut mit der Luft in unmittel- barer Berührung steht und die in der letzteren vorhandenen Mikro- Organismen daher natürlich leicht auf die Bindehaut gelangen. Auch die Rolle, welche die im Bindehautsacke vorkommenden Mikroorganismen die Entstehung von krankhaften Veränderungen spielen, ist von Erste Abt. XXXI. Bd, 16 226 K. Hirota, anderen Beobachtern schon einer experimentellen Prüfung unterzogen und dabei festgestellt worden, daß nicht nur örtliche, sondern auch all- gemeine Störungen infektiöser Art von hier ihren Ausgang nehmen können. Die Allgemeininfektion von der unverletzten Bindehaut aus hat zuerst durch Braunschweig!) im Winter 1886—87 im hygienischen Institute der Universität Berlin eine genauere Prüfung erfahren; der genannte Forscher ermittelte so die Durchlässigkeit der nor- malen Bindehaut für gewisse pathogene Mikroorga- nismen. Er ging bei diesen Versuchen stets so vor, daß er an- scheinend gesunden Tieren eine gewisse Menge verschiedener Rein- kulturen vermittelst der Platinöse oder mit dem runden Ende eines Glasstabes auf die Lidbindehaut in möglichst schonender Weise auf- strich. Eigentliche Verletzungen der Bindehaut wurden jedenfalls sorg- sam vermieden. Zuerst kamen Kulturen des Staphylococcus pyo- genes aureus zur Verwendung bei Mäusen, Meerschweinchen, Kaninchen und Hühnern, stets mit negativem Resultate: abgesehen von, einer leichten örtlichen Reizung und Entzündung der Bindehaut bei einigen Tieren blieb jede Allgemeinerkrankung gänzlich aus. Ebenso- wenig gelang es, die Bakterien des Milzbrandes, der Mäuseseptikämie, Hühnercholera und den Micrococcus tetragenus zur erfolgreichen ° Ansiedelung zu bringen. Auch ein Schimmelpilz (Aspergillus flavescens) blieb wirkungslos. Dagegen wurden mit dem Ribbert- schen Bacillus der Darmdiphtherie des Kaninchens positive Ergebnisse erzielt. Fast alle die mit diesem Mikroorganismus von der Augenbindehaut aus infizierten Tiere (Mäuse, Hunde, Finken, Raben, Kaninchen und Meerschweinchen) erkrankten und gingen nach kürzerer oder längerer Zeit zu Grunde. Nach einem kurzen Inkubationsstadium von kaum 24-stündiger ° Dauer entstand in allen Fällen eine diphtheritische Bindehautentzündung, es folgte eine Schwellung der zugehörigen Lymphdrüsen und von dort aus gelangten. die Infektionserreger dann weiter in das Blut und die inneren Organe. Der Nachweis des wirklichen Eindringens der Mikro- organismen in das Innere des Körpers wurde jedesmal durch die mikro- skopische und bakteriologische Untersuchung geführt. Aus diesen Resultaten seiner Versuche folgerte Braunschweig, daß die unver- sehrte Bindehaut für eine bestimmte Art von pathogenen Mikroorga- nismen durchlässig sei. _ | : Bald darauf hat dann V. Galtier?) eine Reihe von Uebertragungs- versuchen vom Bindehautsacke aus mit dem Infektionsstoffe der Hunds- wut bei Kaninchen, Meerschweinchen und Schafen vorgenommen und deren Ergebnisse in der Sitzung der Societe de Biologie vom 22. Febr 1890 mitgeteilt. Er konstatierte dabei, daß die genannte Erkrankung außer von den Schleimhäuten des Respirations- und Verdauungstraktus auch von der unverletzten Conjunctiva aus Eingang finden könne. Wurden freilich die Versuchstiere, denen Hundswutgift auf die Con- junctiva gebracht war, innerhalb der nächsten 10 Minuten einer Waschung des betreffenden Bindehautsackes mit konzentrierter wässeriger Jod- EEREENGRLT SED k Fr 1) Ueber allgemeine Infektion von der unversehrten Augenbindehaut aus. (Fo schritte der Medizin. 1889. No. 24. p. 921.) 2) Sur quelgues modes de transmission de la rage. (La semaine med. 1890. No. 9 p. 69. Ref.: Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. VII. 1890. p. 576.) he Re P un Ueber die Infektion vom unverletzten Bindehautsacke aus. 2927 lösung unterworfen, so vermochte man sie stets vor dem späteren Aus- bruch der Krankheit zu bewahren. In letzter Zeit hat Galtier!) dann noch weitere Untersuchungen über dieselbe Frage ausgeführt, die seine früheren Resultate mit Hunds- wut bestätigten, "außerdem aber auch auf die Erreger des Malleus, die Rotzbaeillen, mit dem gleichen Ergebnisse ausdehnten. Conte?) hat ebenfalls mit dem Hundsw utgift, sowie ferner noch mit den beiden Bakterien des Malleus und der Hühnercholera die Durchlässigkeit der normalen Bindehaut bei Kaninchen und Meer- schweinchen geprüft. Sein Verfahren bestand in der Einführung des virulenten Materiales auf die Bindehaut und in nachträglicher Ab- waschung der letzteren mit gekochtem Wasser während 5—10 Minuten. Zu den Versuchen mit Hundswut wurde eine Aufschwemmung der Medulla oblongata eines wuterkrankten Kaninchens verwendet. Wurde die Waschung !/;—1 Stunde nach der Applikation vorgenommen, so blieb bei dem betreffenden Tiere die Infektion aus; war der Infektions- stoff dagegen 4—10 Stunden mit der Conjunctiva in Berührung gewesen, so erkrankte die Hälfte der Kaninchen. Bei den Versuchen mit den Rotzbacillen wurde eine reichliche Menge derselben, von einer üppigen Kartoffelkultur gewonnen, in den Bindehautsack von Meerschweinchen eingeführt. Spülte man das infizierte Auge nach 5—-10 Minuten ab, so wurde die Infektion bei allen Tieren vermißt; nach einer Berührungsdauer von !/,—1!/, Stunden erkrankten ein starker Prozentsatz, nach 6!/,- stündiger Berührung alle Tiere. Bei der Prüfung mit Hühnercholera ‚wurde eine sehr virulente Bouillonkultur der Bacillen den Kaninchen ingeträufelt. Schon nach einer nur eine Minute währenden Berührung trat der Tod fast bei allen Tieren ein. Zum Schlusse macht Conte übrigens selbst noch auf eine Fehlerquelle aufmerksam, die sich bei derartigen Versuchen schwer vermeiden läßt und darin besteht, daß der mpfstoff in die Thränenkanäle vordringt und die Berührungsdauer so verlängert wird. Auch die experimentellen Forschungen der deutschen Pest- kommission?°), welche im Jahre 1897 nach Indien entsandt war, erbrachten den Nachweis, daß die Infektion mit Pestbacillen nicht nur bei kutaner, subkutaner und Einverleibung per os, sondern vor allem auch vom unverletzten Bindehautsacke aus gelingt. Die Kommission äußert hierzu die Ansicht, daß das infektiöse Material von der Bindehaut aus durch den Thränennasenkanal in die Nase gelangt sei, um dann entweder von hier aus oder noch weiter fortschreitend von der Mund- höhle aus in die Lymphspalten einzudringen und so die Drüsen- schwellungen und endlich die tödliche Septikämie hervorzurufen. . P. Römer‘) hat 1899 im hygienischen Institute in Gießen über die Infektion vom Conjunctivalsacke aus eine Reihe von sehr bemerkens- a) Beaption des virus ‚par la conjonctive. — Dangers des projections de matiere n., que l’oeil est expos@ ä recevoir pendant les autopsies et pendant l’examen de | s malades. (Journ. de med. veter. T. L. p. 513. Ref.: Baumgarten’s Jahres- ‚bericht. 1899. p. 823.) = 2) Sur Pabsarption des virus par les muqueuses. (Revue veter. T. XVIII. 1893. BIIROR. Ref.: Baumgarten’s Jahresbericht. 1893. p. 609.) 3) Berichte über die Thätigkeit der zur ned der Pest im Jahre 1897 nach ien entsandten Kommission. 1899. 4) Experimentelle Untersuchungen über Infektionen vom Conjunctivalsacke aus- (Zeitschr. f f. Hyg. Bd. XXXII. 1899. p. 295.) » 2% 2 16 228 %.>Hiroda, werten experimentellen Untersuchungen angestellt. Seine Arbeit hat zu folgenden Ergebnissen geführt: Nach einigen einleitenden Bemerkungen über die Bakteriologie des Bindehautsackes erörtert Verf. zunächst die Bedingungen, die für diese Frage von Bedeutung sind, und gelangt zu dem Schlusse, daß hier der Staub die wichtigste Rolle spiele. An der Hand besonderer Versuche erbringt er auch den Nachweis, daß der Keimgehalt unter dem Ein- flusse verschiedener Staubarten eine sehr erhebliche Steigerung erfahren kann. Außerdem setzt der Staub aber feine Epithelverletzungen und eröffnet so den Infektionserregern die Gelegenheit zur Invasion. In der That vermochte Römer dann durch Verimpfung der Erreger des Milz- brandes, der Mäuseseptikämie und Hühnercholera, der Fraenkel-Weichselbaum’schen Pneumokokken in den unver- letzten Bindehautsack allgemeine Infektionen mit diesen Bakterien zu erzeugen. Die Versuchstiere (Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen) gingen nämlich größtenteils schon nach 24 Stunden zu Grunde und aus den inneren Organen ließen sich die betreffenden Mikrobien wieder kul- turell gewinnen, während Versuche an Tieren, denen die Thränenwege vorher künstlich verödet worden waren, stets zu einem negativen Er- gebnisse gelangten. Als eigentliche Eingangspforte für die Mikro- organismen betrachtet Römer deshalb auch nicht die Bindehaut, son- dern die Schleimhaut der Nase und des Rachens (hauptsächlich der Nase), durch deren zarte Epithelien, wie anatomische Untersuchungen bewiesen haben, feine corpusculäre Elemente in die submukösen Lymph- spalten eindringen können. Hieraus erklärt sich auch die Schnelligkeit des Verlaufes, die bei seinen Versuchen häufig eine viel größere war als” bei der Verimpfung in das subkutane Zellgewebe. e Ganz die gleiche Frage hat dann auch G. Mayer!) zum Gegen- stande eingehender Untersuchungen gemacht. Eine größere Zahl von” Versuchstieren, denen verschiedene Arten von Bakterien in den Augen- bindehautsack gebracht worden waren, wurde nach wechselnder Zeit, | sowohl vor Eintritt krankhafter Erscheinungen, als auch während der offensichtlichen Erkrankung und endlich in der Agone getötet, um einen Einblick in die jeweiligen Verhältnisse, namentlich den Weg der Infektion zu erhalten, bezw. eine postmortale Bakterienvermehrung auszuschließen. Bei akuter Infektion wurden in Zwischenräumen von 2-6 Stunden nach Eintritt der deutlichen Erkrankung, bei chronischen in solchen von 24— 48 Stunden Abimpfungen auf Agar und Bouillon aus den Ohr- venen, dem Bindehautsacke und dem Nasensekrete und der Mundflüssig- keit vorgenommen; bei den getöteten Tieren wurden stets Proben von Herzblut, Milz, Hodensaft bezw. Milchdrüsensaft, aus dem Cavum uteri, von Harn und Galle, den Lymphgefäßen am Halse und verschiedenen Körperlymphdrüsen übertragen. Die hauptsächlichen Resultate seiner Arbeit faßt Mayer in folgenden Worten zusammen: „Nach meinen Untersuchungen ist zunächst anzuführen, daß ich, was die Rapidität der Infektion betrifft, die völlig gleichen Resultate: wie Römer hatte, bei den folgenden, akute Infektionen erzeugenden Bakterien: Milzbrand, Mäusetyphus, Hühnercholera, Pest, Psittacosis Nocard, Tetanus, aber nur wenn mit hochvirulenten Kulturen geimpft wurde; verschieden verhielten sich dagegen, auch der so 1) Zur Kenntnis der Infektion vom Conjunctivalsacke aus. (Münchener med Wochenschr. 1900. No. 34. p. 1169.) Ueber die Infektion vom unverletzten Bindehautsacke aus. 299 gelbe Eitercoceus, der Bacillus der Diphtherie, des Typhus, der Cholera. Außerdem verwendete ich noch als Beispiele für chronische Infektions- krankheiten erregende Bakterien: Rotz, Tuberkulose, Aktinomykose, Pseudotuberkulose. Was den Weg der Infektion anlangt und den Grund des so rapiden Krankheitsverlaufes, so lassen sich aus meinen, im ganzen an 110 Tieren (hauptsächlich Kaninchen, Meerschweinchen, weißen Mäusen, ferner Feld- und Hausmäusen, weißen Ratten) ange- stellten Versuchen manche, die Römer’schen Resultate erweiternde Schlüsse ziehen.“ | Die von den eben genannten Forschern veröffentlichten Mitteilungen veranlaßten auch mich, dieser Frage noch einmal näher zu treten. Ich habe deshalb im hiesigen hygienischen Institute unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. C. Fraenkel seit dem Juli 1901 eine Reihe von ex- perimentellen Untersuchungen angestellt, über die im Folgenden be- richtet werden soll. Zunächst sei das von mir angewandte Verfahren kurz beschrieben: Bei einer ersten Gruppe von Versuchstieren wurden 1—20 Tropfen einer Bouillonkultur oder der Aufschwemmung eines Agarrasens in Bouillon, Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung vermittelst einer Pipette in den unteren Bindehautsack so eingeführt, daß ich alle 5 Minuten 1—2 Tropfen (gewöhnlich bei Meerschweinchen 1 Tropfen, bei Kaninchen 2 Tropfen) einträufelte. Bei einer anderen Gruppe wurde eine gewisse Menge einer Agar- oder Blutserumkultur vermittelst einer Platinöse auf die untere Lidbindehaut leicht aufgestrichen. Dabei wurden Erosionen der Bindehaut stets auf das sorgfältigste vermieden. Bei einigen Ver- suchstieren gelangte endlich auch bacillenhaltiges Blut als Impfmaterial zur Anwendung. Um die Virulenz der benützten Kulturen zu prüfen, wurden daneben stets auch einfache subkutane Impfungen in der ge- wöhnlichen Weise vorgenommen. Alle Tiere wurden vor der Impfung auf ihre Gesundheit, besonders auf den Zustand der Augen genau untersucht. Nach der Impfung wurden fortdauernd das Allgemeinbefinden und das Verhalten des geimpften Auges beobachtet. Starben die Tiere, so wurden sie sofort seciert und Kulturen von Herzblut, Lungen, Milz, Leber, Nieren, Lymphdrüsen u. s. f. angelegt. a) Milzbrand. Während Braunschweig mit Milzbrandbacillen eine Allgemein- infektion vom unverletzten Bindehautsacke aus nicht zu erzielen ver- mochte, ist dies Römer und Mayer, wie schon erwähnt, gelungen. Beide Beobachter konnten außerdem feststellen, daß die Infektion viel rascher als auf anderem Wege erfolgte. Römer hat seine hierher ge- hörigen Versuche zunächst mit Milzbrandbacillen an 2 Meerschwein- chen und 2 Kaninchen ausgeführt und gefunden, daß alsdann alle Tiere gesund blieben. Als er darauf aber mit Milzbrandsporen 1 Meer- schweinchen, 1 Kaninchen und 3 Mäuse in der gleichen Weise be- ‚handelte, gingen 1 Meerschweinchen am 3. Tage, 3 Mäuse nach 24— 36 Stunden an Milzbrand zu Grunde. Ueber den zeitlichen Verlauf der Infektion sagt er: „Wenn wir sonst Mäuse subkutan mit Milzbrandsporen infizieren, eröffnen wir in breiter Ausdehnung zahlreiche Lymphspalten und bringen die Sporen direkt mit dem Lymphgefäßsystem in Berührung. Dabei ist es nicht auffallend, wenn die Tiere in dem kurzen Zeitraume von 24 Stun- 230 | K.Hiretae, den an Septikämie zu Grunde gehen. Bei diesen Tieren war aber eine Verletzung absolut ausgeschlossen, und ein einziger Tropfen sporen- haltigen Wassers, in den intakten Conjunctivalsack eingeträufelt, hatte in derselben Zeit eine tödliche Septikämie herbeigeführt. Dieses uns damals überraschende Resultat legt die Annahme nahe, daß hier unter Umständen ein ganz gefährlicher Infektionsweg gegeben sei, und weitere Resultate sollen dies bestätigen.“ Die Versuchsergebnisse von Mayer stimmen mit denjenigen von Römer völlig überein. Seine Versuchstiere starben zwischen 20 und 24 Stunden, die meisten in 43 Stunden. Der Sektionsbefund war bei allen Tieren positiv. Meinen Versuchen am Conjunctivalsacke schickte ich zunächst eine Prüfung der Virulenz voraus. Weiße Mäuse starben bei subkutaner Impfung von !/, ccm Bouillonkultur mit Sicherheit nach 29 Stunden, Kaninchen nach Einspritzung von 1 ccm derselben Kultur stets inner- halb 36 Stunden. Wurde eine ganz kleine Menge einer Agarkultur (die an der Spitze des Platindrahtes haftende Menge) subkutan eingeführt, so starben Mäuse nach 30 Stunden, Kaninchen nach 40 Stunden an Milzbrand. Ueber die Versuche am Augenbindehautsacke berichtet die folgende Zusammenstellung: A. Milzbrandbacillen. I. Versuchsreihe an weißen Mäusen. . Lokale Ver- Verimpfiel ee Verlauf der All-| « ı.: Menge Impfmaterial N 5 gemeininfektion Sektionsbefuud 1. Maus |1 Tropfen Bouillonkultur |keine Veränderung! keine Infektion 2 ” ”) „ Pi} „ ” ” 3 DB} ” ” ” ” ” ” 4 . ” „ „ ” ” ) 5 „ „ „ ’ ” ri) , 6 r 1 Oese Agarkultur x 5 g j 2, ” 2 vB) ») „ ” ” 8. ) PR) ” ” ” ” ” 9. » „ FR) „ „ „ „ u 10:55 u & 5 R Tod nach 3°/, Ta-| Reinkult. v.Milz gen | brandbacillen - II. Versuchsreihe an weißen Ratten. i Lokale Ver- Verimpftel : | r Verlauf der Al-| ars: Menge an BR | gemeininfektion Sektionsbefund 1. Ratte | 1 Oese | Agarkultur |keine Veränderung| keine Infektion E; DIR f Mi e g Tod nach 5 Tagen Reinkulturv.Milz- brandbacillen Re ir ” 5 ss keine Infektion F u Ueber die Infektion vom unverletzten Bindehautsacke aus. 231 IIl. Versuchsreihe an Meerschweinchen. Lokale Ver- | Verlauf der | Sek- Verimpfte Impfmaterial | änderung auf der Allgemein- | tions- | 8 | Bindehaut ' Infektion befund 1. Meerschweinch. | 1 Tropfen) Bouillonkultur keine Veränderung keinelnfektion 2. 5 10Tropfen/Aufschwemmung _„, Pr ap er in Bouillon 3. ” „ dto „ „ „ „ 4. „ „ dto „ „ „ „ D. „ „ dto „ ) ”) , 6. 5 1 Oese Agarkultur 2 ee R2 e } fe „ „ 3) „ „ „ ” | 8. ” „ „ ”„ „ „ „ 9. „ „ „ | „ „ „ „ 10. „ 2 Oesen ” „ „ „ ”„ | 1 IV, Versuchsreihe an Kaninchen. “= 2 & Lokale Ver- Verlauf der | Sek- Bi | Impfmaterial änderung aufder ! Allgemein- | tions- 8 | | Bindehaut | infektion | befund Kaninchen | 8 Tropfen Bouillonkultur |keine Veränderung|keine Infektion! | 2 = 20 Tropfen Aufschwemmung 2 f A r in Bouillon | 4, ”„ „ dto r) PR) ri) ” >. „ „ dto „ „ ip) „ 6. „ 2) dto „ vr) „ | e ” 1 Oese Agarkultnr Y ” rn 2; >» ee isennens om vor 10. er) . ” er) ” ’„ ” | 11. 3) 2 Oesen „ „ „ „ 12, N 2 Milzbrandblut f b; j 5 13. ” ” ” ” ” ” „ B. Milzbrandsporen. I. Versuchsreihe an weißen Mäusen. . Lokale Ver- | Verlauf der Br Eur Impfmatecrial | änderung aufder | Allgemein- | ee & | Bindehaut | infektion | 1. Maus |1 Tropfen |Aufschwemmung in|keine Veränderung keine Infektion physiolog. Koch- salzlösung 2. ” ” dto ” ” „ „ u, | - dto a. „ 2 , | 4. ” ” dto „ „ „ „ II. Versuchsreihe an Meesrchweinchen. Lokale Ver- Verlauf der | Sek- | 5 Bapiie | Impfmaterial | änderung aufder | Allgemein- | tions- | vr ' Bindehaut | infektion |befund 2 ir Del R EI ik P3T a . Meerschweinch. 10 Tropfen Aufschwem- keine Veränderung|keine Infektion‘ | mung in phy-| | siol. Kochsalzl.| | ” „ dto | „ „ „ ” ' in Wasser | a „ | „ Aufschwemmng. ,, { es n.j „ | dto | FE) E) „ 4 232 K..Hirota, III. Versuchsreihe an Kaninchen. Lokale Ver- Verlauf der | Sek- Ne ig | Impfmaterial | änderung auf der | Allgemein- tions- 5 | Bindehaut | infektion | befund 1. Kaninchen | 1 Tropfen Aufschwemmung/keine Veränderung keine Infektion in Bouillon 2% % 20 Tropfen Aufschwemmung) ,, „. © a5 in physiol. Koch- ' salzlösung ” „ dto „ „ ” 2 “ Aufschwemmung ,, R au 5 ' in Wassser | ” ” dto „ ” b) ” | De ” „ dto ” ” „ „ ” „ dto ” ” ” ” ? dto „ 2] ” ” ss ; | dto | dto Wie aus diesen Tabellen ersichtlich ist, habe ich mit Milzbrand- bacillen an 36 Tieren, nämlich an 10 weißen Mäusen, 3 weißen Ratten, 10 Meerschweinchen, 13 Kaninchen, mit Milzbrandsporen an 13 Tieren, nämlich an 4 weißen Mäusen, 4 Meerschweinchen und 10 Kaninchen, Versuche angestellt. Dabei ergab sich, daß nur eine Maus (nach 3'!/, Tagen) und eine Ratte (nach 5 Tagen) zu Grunde gingen, während bei allen übrigen Tieren sowohl eine lokale wie auch eine allgemeine Infektion völlig vermißt wurde. Diese Ergebnisse be- rechtigen zu dem Schlusse, daß der Milzbrandbacillus vom Bindehaut- sacke aus nur ganz ausnahmsweise in den Körper einzudringen vermag, vorausgesetzt freilich, daß die Conjunctiva sich in völlig gesundem Zu- stande befindet. Ob dieser Bedingung in den beiden hier berichteten positiven Fällen genügt war oder vielleicht nicht auch hier schon kleinste Verletzungen den Bacillen eine Eintrittspforte eröffnet haben, muß dahingestellt bleiben. Auf den ersten Blick mögen diese Resultate in Widerspruch zu denjenigen von Römer und von Mayer zu stehen scheinen. Indessen lehrt zunächst eine genauere Durchsicht der Arbeit von Römer (p. 303 ff.), daß auch er bei Kaninchen und Meerschweinchen eine In- fektion meist nur verzeichnen konnte, wenn er die Mikroorganismen — Bacillen oder Sporen — mit Staub verschiedener Art vermengt in den Bindehautsack brachte und diesen noch durch Reiben in das Gewebe Spopnag m „ ” einzupressen versuchte. Dann aber „eröffnet“, nach seinen eigenen Worten, „der Staub durch kleine Verletzungen, die er in der Schleim- haut setzt, dem Milzbrande den Weg zur Allgemeininfektion der Tiere“. Bei Mäusen (Hausmäusen) freilich (p. 312) sind seine Ergebnisse andere: a #3 NT = ee a ner a nn SEHEN ern Aa a en Fa 3 Tiere, die einige Tropfen einer Sporenaufschwemmung eingeträufelt — erhalten, gingen sämtlich in 24—36 Stunden an Milzbrand zu Grunde, Eine Verletzung war nach der Versicherung des Verf.s „absolut aus- geschlossen“, und es wird schwer, wenn nicht unmöglich sein, noch nachträglich zu ermitteln, auf welche Gründe dieser bemerkenswerte Unterschied zurückzuführen sei, zumal wir in unseren Versuchen ja auch bei Mäusen keineswegs eine besondere Empfänglichkeit für die hier erwähnte Art der Infektion festzustellen vermochten. Die Angaben von Mayer über Beschaffenheit der verwendeten | Impfstoffe, Art und Zahl der benutzten Tiere, Häufigkeit des positiven Ueber die Infektion vom unverletzten Bindehautsacke aus. 933 Ausfalles bei Uebertragung sind in der bisher vorliegenden Veröffent- liehung so wenig bestimmt, daß ein genauerer Vergleich mit meinen Resultaten leider von vornherein ausgeschlossen ist und wir also gar nicht in der Lage sind, beurteilen zu können, ob und welche Ab- weichungen hier obwalten. b. Mäuseseptikämie. Die zu diesen Versuchen benutzte Kultur wurde zuerst auf ihre Virulenz mit befriedigendem Erfolge geprüft. Wurde eine ganz kleine Menge von Agarkultur (eine an der Spitze eines Platindrahtes haftende Menge) subkutan eingeführt, so starben Mäuse innerhalb 2—3 Tagen mit Sicherheit an Septikämie. Die Ergebnisse sind in der nachstehenden Tabelle niedergelegt. I. Versuchsreihe an weißen Mäusen. N Lokale Verände-) Verimpfte| pfmaterial f der | Verlauf der All- Sekti 2, : tionsbefund Menge | Se auge Be ie SR a 1. Maus 1 Oese |Agarkultur [Conjunctivitis |Tod nach8!/,Tag.|Reinkultur von Mäuseseptikä- miebacillen 2. „ „ „ „ „ dto. Br „ er 4 4 Tod nach 9'/,Tag. dto. Br, er nn Er Tod nachö5 Tagen dto. Be, ;4 e keine Veränderg. keine Infektion = 6. ” | „ | ” ” ”„ „ „ x II. Versuchsreihe an Kaninchen. 2 Lokale Verände-| Verimpfte! Verlauf der All-| „ ı+: Menge Impfmaterial ne nut N gemeininfektion | Sektionsbefund E Kaninchen 10 Tropf. Bonillonkult het Conjunctiv.|keine Infektion oe 3 Be en 4. 2 2 ® keine Veränderg.| ,, 5 D. + | ie 4 Conjunctivitis £ n 6. “ | I # keine Veränderg. ,, A ’. „ ” 2} „ ”„ | 2) „ Diese Versuchsreihen zeigen, daß Mäuse in den weitaus meisten Fällen an einer Septikämie zu Grunde gehen, während sich bei Kanin- chen umgekehrt niemals eine Allgemeininfektion entwickelte. Dagegen trat bei beiden Tierarten in der überwiegenden Mehrzahl eine meist recht heftige Bindehautentzündung auf; bei Mäusen setzte sie 3—4 Tage nach der Impfung ein und dauerte dann in unvermindertem Grade bis zum Tode an; bei Kaninchen machte sie sich zuerst ebenso am 3. bis 5. Tage bemerklich und verschwand wieder nach 5—10 weiteren Tagen. Diese Ergebnisse stimmen in wesentlichen Punkten mit den von Römer erhaltenen überein. Auch dieser Forscher hat bei Mäusen in den meisten Fällen, bei Kaninchen (und Feldmäusen) niemals ein posi- tives Resultat erzielt. Dagegen weichen seine Erfahrungen insofern von den meinigen ab, als er die örtliche Entzündung, die eiterige Conjunc- tivitis, stets vermißt und bei den positiven Fällen einen viel rascheren Verlauf der Infektion beobachtet hat. Ueber diese letztere Thatsache berichtet er: nazuh, N # 234 K. Hirota, „Von den 10 Mäusen, denen 1 Tropfen hochvirulenter Bouillon- kultur in den unverletzten Bindehautsack eingeträufelt war, starb über die Hälfte schon im Verlaufe der ersten 24 Stunden an Septikämie. Ein derartig rapider Verlauf ist für Mäuseseptikämie geradezu beispiellos. Bei subkutaner Impfung im Rücken, wo die Bacillen mit zahlreichen eröffneten Lymphspalten in direkte Berührung gebracht werden, brauchten unsere sehr virulenten Kulturen noch 2—2!/, Tage, um zur allgemeinen Septikämie zu führen. Vom unverletzten Conjunctivalsack war dagegen in einzelnen Fällen die Septikämie schon nach 24 Stunden vollendet. Es folgt daraus, daß auf diesem Wege überaus günstige Bedingungen für die Aufnahme der Bakterien in die Lymphbahnen gegeben sein müssen.“ Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß der langsamere Verlauf in meinen Versuchen und das Auftreten der Conjunctivitis in einem ge- wissen Zusammenhange miteinander stehen und beide durch eine etwas geringere Virulenz der von mir, als der von Römer benutzten Kul- turen erklärt werden können. Jedenfalls wird nach dem gleichlauten- den Hauptergebnisse der von Römer und mir ausgeführten Versuche nicht daran gezweifelt werden können, daß bei Mäusen ein allgemeine Infektion mit den Bacillen der Mäuseseptikämie vom Oonjunctivalsacke aus möglich sei und leicht erfolge. ' c. Hühnercholera. Die hier verwendete Kultur rief nach subkutaner Impfung bei Mäusen den Tod stets in etwa 18, bei Kaninchen in etwa 50 Stunden hervor, hatte also eine ausreichende und hohe Virulenz. I. Versuchsreihe an weißen Mäusen. k Lokale Verände- Vene Impfmateriall rung auf der Ve Sektionsbefund | a | Bindehaut Se 1. Maus 1 Oese |Bouillonkult. keine Veränderg. Tod nach 36 Std.|Reinkultur von Hühnerchole- rabacillen Zus 3 sp a 24 keine Infektion - Sn 4 Agarkultur R 5 Tod nach 24 Std.|Reinkultur von Hühnerchole- rabacillen 4. ’ ” ” ” ” „ dto. I. „ „ ” ”„ 2) 12) dto. 6. „ „ ” ”» „ 2) dto. ir H Je Rn “ keine Infektion E= Il. Versuchsreihe an weißen Ratten. | . | Lokale Verände-| | Verimpfte - | ‚Verlauf der All- i Menge Impfmaterial an ns ® meininteid Sektionsbefund n wer | er 1. Ratte ? Oesen |Bouillonkult. |keine Veränderg.|keine Infektion 2. ” th} „ 9. ” DR) „ Schlaf 5 Tropfen 4 er j, n RN a —— u 4, Ueber die Infektion vom unverletzten Bindehautsacke aus. 235 III. Versuchsreihe an Kaninchen. : ände-! Ki Verimpttel Lokale Verände ‚Verlauf der All- Menge I mpfmaterial ar en | gemeininfektion Sektionsbefund 1. Kaninchen /10 Tropf. |Bouillonkult. |keine Veränderg. Tod nach 6 Tagen Reinkultur von | | Hühnerchole- rabacillen 2. ” = ” = 5 Tod nach 8 Tagen dto. 3. © v5 R en [ keine Infektion Bu, 20 Tropf. 5 3 n Tod nach'3!/,Tag. Reinkultur von Hühnerchole- rabacillen > „ „ » „ » » dto. 6. = “= a er n keine Infektion iR 4 = 2 K: 3 Todnach3'/,Tag. Reinkultur von Hühnerchole- rabac. . Mäuse und Kaninchen gingen also in den meisten Fällen an einer Allgemeininfektion mit den Bacillen der Hühnercholera zu Grunde, wie dies auch die früheren Versuche von Conte, Römer und Mayer schon gelehrt hatten. Bei den eben erwähnten empfänglichen Tierarten stellt danach der Bindehautsack sicherlich eine bequeme und leichte Eingangspforte für die genannten Bakterien dar, und zwar auch im völlig unverletzten und unvorbereiteten Zustande. Was die Schnelligkeit der Infektion betrifft, so weichen meine Ergebnisse freilich von denjenigen, über die Römer und Mayer berichten, insofern ab, als ich den von ihnen beobachteten ungewöhnlich stürmischen Verlauf nicht zu bestätigen vermochte. Mäuse starben vielmehr im Durchschnitt erst nach 24—36 Stunden, Kaninchen nach 3!/,—8 Tagen, und die Zeitdauer der Erkrankung übertrifft also die nach der subkutanen Impfung eintretende in nicht unerheblichem Maße. d. Schweineseuche. Zunächst wurde auch hier wieder der Grad der Virulenz durch die folgenden Versuche ermittelt. Weiße Mäuse starben bei subkutaner Impfung von !/, ccm Bouillonkultur stets nach 24 Stunden. Die eigentlichen Versuche finden sich in den nachstehenden Tabellen zusammengefaßt. I. Versuchsreihe an weißen Mäusen. | Lokale Verände- Verimpfte Verlauf der All- U Mr | Menge Be Bir re 'gemeininfektion Sektionsbefund Th _—— L Me y Maus ı Tropfen Bouillonkult. keine Veränderg.|keine Infektion | 3. jr " Oese ei fi # f Ä | 4. „ ” ”„ ” „ „ „ II. Versuchsreihe an weißen Ratten. : Lokale Verände- x Impfmaterial|l rung auf der Pe Are) Sektionsbefund Bindehaut | 1, Ratte 2 Oesen Bonillonkult keine Veränderg. keine Infektion ‘ 2 ” „ ” „ | | ” ”„ ” 236 K.’Hiırota, III. Versuchreihe an Meerschweinchen. Impfmaterial a er gemeininfektion Verimpfte Menge Sektionsbefund Bouillonkult. |keine Veränderg. keine Infektion | 2) ” ” ” ” | . Meerschw. | 1 Tropf. 10 Tropf. Weder bei Mäusen noch auch bei Ratten und Meerschweinchen konnte also eine Infektion erzielt werden. > wmH ” ” ” ” ” e. Bacillus mucosus capsulatus. Die Virulenz der Kulturen dieses Mikroorganismus wurde bei der vorausgeschickten Prüfung dahin bestimmt, daß nach subkutaner Ver- impfung von !!/,—!/, eem Bouillonkultur bei Mäusen stets nach 2 bis 3xX24 Stunden der Tod eintrat und sich die Bakterien im Blute und in den inneren Organen nachweisen ließen. Die Uebertragung in den Conjunctivalsack führte zu den nachstehen- den Ergebnissen: Verimpfte . ae Menge Impfmaterial ei gemeininfektion Sektionsbefund N Maus | 1 Oese ‚Bouillonkult. keine Veränderg.|keine Infektion | mie |azime| OR cl 2. „ ” | ” ” ” ” ” 1. Meerschw. 10 Tropf. | % | “ nr | .s i | | 2. ” ” ” ” ” ” ” Von der unverletzten Bindehaut aus vermag der Bacillus mu- cosus capsulatus also nicht in den tierischen Körper einzudringen. fe. Pneumococeus Fraenkel. Nach Einträufelung etwas größerer Mengen (10—20 Tropfen) einer hochvirulenten Bouillonkultur des Pneumococcus in den Bindehaut- sack von Mäusen, Meerschweinchen und Kaninchen, und zwar mit oder ohne Staub, hat Römer bei etwa der Hälfte der Tiere, nämlich bei 2 von 4 Kaninchen und bei 3 von 4 Mäusen, eine tödliche Septikämie er- zielen können, der bei gleichzeitiger Einführung von Staub (Steinkohlen- staub) eine eiterige Conjunctivitis vorausging. Auch bei diesen Ver- suchen machte er die Beobachtung, daß die Infektion vom Conjunctivalsack aus viel schneller verlief, als nach der Impfung in das Unterhautzell- gewebe. So starb ein großes gesundes Kaninchen, das innerhalb einer Stunde 20 Tropfen Bouillon ohne Staub erhalten hatte, schon 21 Stunden später mit allgemeiner Verbreitung der Kokken im Blute und sämt- lichen Organen, während ein ebenso schweres Versuchstier, dem 1 ccm der nämlichen Kultur in die Bauchwand eingespritzt worden war, erst nach 48 Stunden erlag. Römer bemerkt hierzu: „Es folgt hieraus, daß vom Bindehautsack ein Weg in den tierischen Organismus führt, auf dem außerordentlich günstige Bedingungen gegeben sein müssen für die Aufnahme der Mikroorganismen in die Lymphbahnen.“ Bei meinen Versuchen habe ich eine aus pneumonischem Sputum FA ET ae 7 a Ueber die Infektion vom unverletzten Bindehautsacke aus. 237 frisch gewonnene Kultur verwendet, deren Virulenz folgendermaßen be- stimmt wurde: Weiße Mäuse starben bei subkutaner Impfung von !/, eem Bouillon- kultur mit Sicherheit innerhalb 22 Stunden, Kaninchen nach Einspritzung von 1 cem derselben Kultur innerhalb 2!/, Tagen. Bei der Verimpfung in den Bindehautsack wurden nachstehende Ergebnisse erzielt: | I. Versuchsreihe an weißen Mäusen. | - | Lokale Mean) 7 i R Verimpfte Verlauf der All-| a 14: r.r | Menge Be un been haktihfektion | Sektionsbefund Br 1. Maus 1 Oese Serumkultur keine Veränderg. Tod nach 36 Std. Reinkultur von | Pneumokokken ER | b; | r BAR < Tod nach 2'/,Tag. dto. - | “= “7 Der, sr ‚keine Infektion == Be;, ;; | 2 'heft. Conjunetiv. Tod nach 30Std. Reinkultur von | Pneumokokken De N, \ ” 1 'Tod nach 28 Std. dto. ;, | n {4 keine Veränderg. keine Veränderg. B. „ „ | » ” „ DB] „ 8. „ | „ „ | „ „ „» „ II. Versuchsreihe an anderen Tieren. . Lokale Verände- Verimpftel : Verlauf der All- ch. | Menge re a: Be Fe a | gemeininfektion Sektionsbefund 1. Ratte 1 Oese Serumkultur |keine Veränderg. keine Infektion ı Meerschw. | 2 Tropf. Bouillonkult. 4 z e 1 1. Kaninchen 10 Tropf. b oe „ „ „ | In Uebereinstimmung mit Römer wurde also festgestellt, daß Mäuse etwa zur Hälfte nach der Uebertragung des Pneumococeus auf die Conjunctiva an einer allgemeinen Septikämie zu Grunde gehen, nachdem sich unter Umständen zuvor eine örtliche Entzündung und Eiterung entwickelt hat, auch wenn der Impfstoff nicht noch, wie bei den Versuchen von Römer, eine Steigerung seiner Reizwirkung durch beigemischten Staub erfahren hatte. Bei Kaninchen, bei denen Römer gleichfalls zu positiven Resultaten gelangt war, konnte ich nur ein Ex- periment mit negativem Ausgange vornehmen. Die von Römer beob- achtete ungewöhnliche Schnelligkeit des Verlaufes trat bei meinen Ver- suchen nicht hervor: der Tod der Mäuse erfolgte hier nach 28 bis 60 Stunden, bei der subkutanen Impfung dagegen schon nach 22 Stunden. Fasse ich die Ergebnisse meiner Versuche noch einmal kurz zu- sammen, so zeigt sich also, daß nach Einbringung des Bacillus der Mäuseseptikämie, der Hühnercholera und des Pneumo- coccus in den unverletzten Bindehautsack von hier aus eine allgemeine Infektion hervorgerufen werden kann, während dies für den Milzbrandbacillus zweifelhaft bleiben muß. Es erhebt sich nun natürlich die Frage, ob die Infektion auch thatsächlich von der Conjunctiva ihren Ausgang nimmt oder auf einem 238 K. Hirota, anderen Wege zustande kommt, namentlich indem die Mikroorganismen durch den Thränennasenkanal in die Nase und den Rachen geschwemmt werden und dann in die Lymphbahnen dieser Gebiete eindringen. Um hierüber eine Entscheidung herbeizuführen, hat Römer eine Reihe von sinnreichen Versuchen angestellt. Er verödete zunächst die Thränenwege, um so den Bakterien den Eintritt zur Nasenhöhle zu versperren und fand, daß dann bei Mäuseseptikämie und Hühnercholera eine Infektion der geimpften Tiere ausblieb. Er verfolgte dann in den anderen Fällen den Weg, den suspendierte, in den Bindehautsack gebrachte Elemente, also auch die Mikroorganismen einzuschlagen pflegen, indem er Karmin oder Tusche in die Conjunctiva brachte und die Tiere dann nach verschiedener Zeit tötete. So konnte er feststellen, daß die Teilchen durch das Epithel der Schleimhaut in die Submucosa der Thränenkanäle und Nasenhöhle und auch in das Jacobson’sche Organ eingedrungen waren. Es sieht daher die Rachenhöhle und namentlich die Nasenhöhle als die eigentliche Eintrittspforte der Bakterien an und erklärt auch seine Beobachtungen über den schnellen Verlauf der von hier aus erfolgenden Infektionen mit der raschen Aufnahme der Keime von den Lymphspalten der Nasenschleimhaut und ihrem unmittel- baren Transport zu den lebenswichtigsten Organen, z. B. zu den Lymph- bahnen des Gehirns. Zu dem gleichen Zwecke und in ähnlicher Weise habe auch ich eine Anzahl von Versuchen ausgeführt. Zunächst sollte die Frage beant- wortet werden, wie sich die Bakterien unter unveränderten, normalen Bedingungen im Conjunctivalsack verhalten. Hierfür kommen in Betracht einmal die chemische Wirkung der Thränenflüssigkeit und zweitens die mechanische Wirkung des Lid- schlages und des Thränenstromes. Die Ansichten der meisten sach- verständigen Forscher stimmen darin überein, daß dem ersten Moment nur eine geringe Bedeutung beizumessen ist und daß es namentlich Lidschlag und Thränenfluß sind, mit denen die Mikroorganismen im Bindehautsack zu thun haben und durch die sie stetig beseitigt, d. h. in den Thränennasenkanal fortgeschwemmt werden. Um den zeitlichen Verlauf dieses Vorganges genauer zu prüfen, habe ich in einer Anzahl von Versuchen Kaninchen eine gewisse Menge frischer Milzbrandbacillen in den Bindehautsack gebracht und aus letzterem in verschiedenen Zwischenräumen Proben entnommen, die mir Anwesenheit oder Fehlen der Keime erweisen sollten. Außerdem wurde auch noch die Virulenz der so etwa wieder gewonnenen Mikroorganismen geprüft, um eine etwa eingetretene Abschwächung feststellen zu können (s. Tabelle p. 239). Die eingebrachten Bakterien sind also, wenn Flüssigkeiten ein- geträufelt wurden, meist schon nach 10 Minuten verschwunden, nach 20 Minuten nur noch 1mal, nach 40 Minuten in keinem Falle mehr vorhanden. In der zweiten Versuchsreihe, in der Bacillen oder Sporen aus einem Agarrasen aufgetragen worden waren, blieben die Keime etwas länger nachweisbar ; doch wurden sie auch hier nach 1 Stunde meist, nach 24 Stunden stets vermißt. Diese Ergebnisse stimmen durchaus überein mit den von Genderen- Stort!) und Bach?) berichteten, von denen jener das Bacterium 1) Mechanische Bedeutung der natürlichen Irrigation des Auges. (Arch. f. Hy- giene. Bd. XIII. p. 395.) 2) Ueber den Keimgehalt des Bindehautsackes, dessen natürliche und künstliche FRESSEN a re nn Zn | Ueber die Infektion vom unverletzsen Bindehautsacke aus. 239 I. Versuchsreihe. zn en nach nach nach nach nach Material 10 Minuten | 20 Minuten | 40 Minuten | 60 Minuten | 24 Stunden 1. '2 Tropfen von | Milzbrand- | Milzbrand- | keine Milz- | keine Milz- | keine Milz- Bouillonkultur| bacillen bacillen |brandbacillen'brandbacillen brandbacillen 2. dto keine Milz- | keine Milz- dto dto dto brandbacillen'brandbacillen 3 dto dto dto dto dto dto 4. dto dto dto dto dto dto 5. dto dto dto dto dto dto 6. |2 Tropfen einer) Milzbrand- dto dto dto dto Aufschwem- bacillen mung in Bouillon 2- dto dto dto dto dto dto 8. dto dto dto dto dto dto 9. dto keine Milz- dto dto dto dto brandbacillen 10. 2 ÖOesen dto dto dto dto dto Milzbrandblut 11. dto Milzbrand- dto dto dto dto bacillen 12. | dto keine Milz- dto dto dto dto brandbacillen | II. Versuchsreihe. | a | Das vorher | | ; u. nach nach nach nach nach en E | 10 Minuten | 20 Minuten | 40 Minuten | 60 Minuten | 24 Stunden 1. 2 Oesen einer | Milzbrand- | Milzbrand- | keine Milz- | keine Milz- | keine Milz- Agarkultur bacillen bacllen |brandbacillen|brandbacillen|brandbacillen 2. | dto dto dto Milzbrand- dto dto | | bacillen E32. dto dto dto dto Milzbrand- dto > | bacillen E 4. dto dto dto dto keine Milz- dto | | brandbacillen 25. | 1 0ese einer dto dto dto dto | dto Agarkultur | E 6. dto dto dto - | keine Milz- dto dto ; | brandbacillen | dto dto dto Milzbrand- dto dto r bacillen E®8 | dto dto dto dto Milzbrand- dto e | bacillen coli im Laufe 1 Stunde, dieser den Kieler Wasserbacillus in 30 Minuten _ verschwinden sahen. Dagegen hat Römer Milzbrandbacillen in einigen Fällen noch nach 3, 5, 7, ja selbst nach 8 Tagen noch angetroffen. _ Indessen ist hierbei noch zu bedenken, daß die Keime nicht für sich allein, sondern gemengt bezw. angetrocknet an Staub in den Binde- - hautsack gebracht worden waren. Wo derartige besondere Verhältnisse nicht obwalten, wird man also mit der raschen Entfernung der in den Bindehautsack gelangten Mikroorganismen durch Lidschlag und Thränen- fluß rechnen dürfen. Von irgend einer Abschwächung der Bakterien während ihres kurzen k Beeinflussung, sowie über den antiseptischen Wert der Augensalben. (Arch. f. Oph- _ thalmologie. Bd. XL. 1894. p. 130.) 240 K. Hirota, Oeber die Infektion vom unverletzten Bindehautsacke aus. Aufenthaltes auf der Conjunctiva war begreiflicherweise nichts zu be- merken; auch Römer hatte nach dieser Richtung nur ein negatives Ergebnis zu verzeichnen. Nach vorausgeschickter Verödung der Thränennasenkanäle wurden dann die folgenden Versuche angestellt. I. Versuchsreihe mit Mäuseseptikämie. Verlauf der Verimpfte : ‚ Lokale Veränderung ; Sektions- | Menge Impfmateriall „uf der Bindehaut ee befund 1. Maus 1 Oese Agarkultur ER Veränderung | keine Infektion Zn 5, = Conjunctivitis H 5 3. ” 1 ” ” ” ” ” A 1 Tropfen |Bouillonkult.|keine Veränderung| 3 >. ” | ” } ” ” ” „ ” II. Versuchsreihe mit Hühnercholera. Verimpfte |Tnpfm aterja]| /okale Veränderung au Sektions- Menge P auf der Bindehaut i EL befund | ö _infe tion 1. Maus 1 Oese Agarkultnr |keine Veränderung | keine Infektion SB ee Be 1. Kaninchen | 20 Tropfen | Bouillonkult.| ‚, 4 en ni 9} . 3 e 20 ” ” ” » R ” 4. ” 20 ” 2) ” ” ” „ Eine allgemeine Infektion war also in keinem Falle eingetreten und die Beobachtung und Behauptung von Römer, daß der Bindehautsack selbst nicht als Eingangspforte der Mikroorganismen dienen könne, hatte eine vollständige Bestätigung gefunden. Wohl aber hatte sich 2mal eine örtliche Entzündung und Eiterung entwickelt. Endlich habe ich noch einige wenige Experimente ausgeführt, um zu zeigen, daß von der Nasenhöhle aus in der That sehr leicht eine Infektion ihren Ausgang nehmen kann. So wurde zunächst einem Kaninchen 1 ccm einer frischen Bouillon- kultur von Hühnercholerabacillen mit einer stumpfen Spritze ohne Kanüle in ein Nasenloch injiziert. Schon nach 24 Stunden war das Tier an einer Septikämie zu Grunde gegangen. Das gleiche Resultat wurde erzielt, als 15 Tropfen einer solchen Bouillonkultur mit einer Pipette in die Nase geträufelt worden waren, während die Infektion in einem dritten Falle ausblieb, als eine Platinöse voll Agarkultur in die Nase gestrichen wurde. Zum Schluß möchte ich nicht unterlassen, Herrn Prof.Dr.C.Fraenkel für die Liebenswürdigkeit, mit der er mich bei meiner Arbeit durch Rat und That unterstützte, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. | | | | En Wood, Homoeeplasmatie and heteroplasmatic toxines etc. 241 Nachdruck verboten. On the difference in action of the homoeoplasmatic and heteroplasmatie toxines produced by the Diphtheria bacillus. By @. E. Cartwright Wood, M.D., B. Se., Superintendent of the Bacteriological Department of the Research Laboratories of the Royal Colleges of Physicians (London) and Surgeons (England). In 1888 on the suggestion of Professor Hueppe, I carried out a series of experiments on the production of Cholera toxines by growing Koch's vibrio on a natural, unchanged albumen, and it may not be inappropriate to describe further researches on these lines. The toxines used and described by Continental observers have almost always been those obtained ordinary peptone broth cultivations of the organism; here we cannot expect the products, even if they are identical in nature, to be present in the same proportions as when the mierobe is vegetating in the living body of an animal. Although I have frequentliy made use of serum for the production of the specific toxines I must admit that I have been frequently disappointed with the results obtained; I believe however that I am now able to explain, at least in part, this discrepancy as due to the fact that I had not made use of a serum originating from the same species of animal (Homoeoplasmatic), a factor to which no attention has so far as I am aware as yet been directed. In a communication to the Royal Society, London, in 1896, I descri- bed a method of rapidly producing Diphtheria Antitoxine by the treat- ment of horses with a specially prepared serum toxine instead of with ordinary broth toxin. In these experiments I tried to obtain the pro- teids present in the blood stream in a state as nearly as possible corre- sponding to what is found in the living animal. Ordinary alkaline peptone broth was decalcified, an excess of citrate of soda was then added, and the broth sterilised in flasks. Into each of these flasks about one fourth of its bulk of blood was run directly from the horse, and then incubated for a few days and tested for sterility. This mix- ture appeared to contain all the bodies present in the blood in a con- dition as little altered as possible, and accordingly might be regarded as our standard. To some of these flasks citrate plasma freed from the blood corpuscles was added. In another set of experiments, ordi- nary broth was sterilised in flasks, and to these sterile blood serum was added. In comparing these it was found that the use of the plasmas presented no advantages over the serum in the production oi er toxines, while they were very much more difficult to work with. The method finally adopted for the preparation of serum toxine for the horses — was as follows. Ordinary alkaline peptone broth was inoculated with a virulent Diphtheria bacillus and incubated for a week or longer at 37° C. It then received the addition of 15 to 30%, of its bulk of sterile horse serum and was afterwards incubated at 37° C for a month or six weeks. The cultivations were then heated to 65° C and retained at that temperature for an hour. After being filtered trough a Chamberland candle the fluid was ready to be used in the treatment of the horses. This serum toxine is characterised Erste Abt. XXXT, bad. 17 RT VE & 949 G. E. Cartwright Wood, chiefly by giving rise to little local irritation but to marked febrile re- action which is still more pronounced when the injection is repeated. As the diphtheria albumose described by Sidney Martin was charac- terised by precisely these properties, the potency of the serum toxine in all probability depends on its presence. An injection of 200 to 300 cem of this modified toxine was given daily, but it was inter- mitted occasionally according to the condition of the horse. Under this treatment the amount of antitoxine present in the serum rose rapidly and at the end of a month was usually equal to 100 units (Ehrlich) or even more. The antitoxie strength of the serum produced by diffe- rent horses under precisely the same treatment varies greatly, even at this early stage, and usually serves as a valuable indication as to whether the horse will eventually turn out to be one capable of yielding a potent or a weaker serum at a later stage. This method has been | in general use in these Laboratories for the early treatment of horses | for the production of Diphtheria Antitoxine to be supplied to the Lon- don Metropolitan Asylums Board Hospitals. | Early in 1896 it struck me that I might possibly improve the method | by using human serum which had been strongly recommended for the production of toxines, and for this purpose sterile ascitic fluid was made use of. In other respects the toxine was prepared in precisely the same manner as already described. Two horses were injected with this fluid but after a month’s treatment, to my great astonishment, no increase in the antitoxic value of the serum could be detected. As this result was quite unexpected, I repeated the experiment, on this occasion using the serous fluid from a case of dropsy which was spe- cially rich in albuminoid constituents. Two horses were treated with this fluid for over a month, but at the end of this period it was found that there was no marked rise in the amount of antitoxine present in either animal. I have since then prepared serum toxine with ox serum and treated four horses with it, but the increase in antitoxie value of the serum was so small, if any, that it came practically within the margin of error in testing a very weak antitoxine. In my last set of experiments on horses I used sheep’s serum toxine on two horses and these again gave an absolutely negative result.. These experiments appeared to indicate that for the rapid production of antitoxine in the horse it is necessary make use of serum of the same species of animal (the horse) in the preparation of the serum toxine. I have not hadan opportunity of experimenting with horse serum toxine on any of the larger animals which have been used for such purposes, but through the kindness of Professor Paul Ehrlich I am able to refer to an experiment with this fluid carried out early in 1898 on two goats. The horse serum toxine was sent to him from these Laboratories by Pro- fessor Sims Woodhead and Professor Ehrlich in order to eco- nomise the toxine at his disposal used it on goats. As a result of this treatment however he was quite unable to detect any rise in the anti- toxic value of the serum, although the same serum texine had been used by us on three horses in each case with excellent results. We must conclude therefore that in this case the difference in result was due to the species of animal on which the toxine was employed. As I had not an opportunity of carrying the research further by continuing experiments on other large animals, such as goats and sheep, and owing to the time occupied in such experiments, I turned Be my attention to the smaller animals usually kept in our Laboratories, and fixed upon guinea-pigs, rabbits and pigeons. It is exceedingly diffieult to render these animals refractory to the Diphtheria poison and very frequently, as a result of treatment, I find that they are ren- dered super-sensitive, the animals previously-injected dying more rapidly than the controls. | The toxine I used was prepared by allowing the blood of the ani- mals to run into ordinary peptone broth. This was then placed in a litre measure on ice for the blood corpuscles to settle. The clear supernatant fluid was then filtered through aChamberland candle and decanted into sterile flasks. The serum broth was then inoculated with a virulent diphtheria culture, incubated at 37° C for a month, then treated at 65°C for two hours, and finally filtered trough aChamber- land candle. The serum toxine was in each case preserved with toluol. Twelve guinea-pigs, six rabbits and six pigeons were used to supply the blood for their respective serum broths, but I am inclined to think that it would have been better if a larger number of animals had been made use of for this purpose. Each serum-toxine was used to treat a set of guinea-pigs, rabbits and pigeons. In the first set of ex- periments a large quantity was injected and after waiting for ten days the control dose of toxine was injected. It was found, however, that small doses repeated from time to time were more effective, and if my supply of toxine had not now been nearly exhausted, I believe I could have obtained much more striking results by distributing the doses over a much longer period of time and making them small repeating more frequently as in the method adopted for the treatment of the horse. In the set of animals treated with guinea-pig serum toxine neither - the rabbits nor pigeons appeared to have benefited in any way from _ the treatment, while on the other hand, the guinea-pigs were usually - much more resistant, or even sometimes refractory to a lethal dose of toxine. When rabbit serum toxine was employed, the only animal ren- dered more resistant was the rabbit; the other animals frequently | appearing more sensitive to the control dose of toxine. On the other hand, pigeon-serum toxine frequently appeared to slightly increase the resistance of guinea-pigs; the increased resistance was usually somewhat more marked when this serum toxine was used on rabbits, but it was still more effective in its action on pigeons. Indeed, pigeons were rendered more refractory only when treated with their own toxine. It is rather surprising that the blood from a bird (pigeon) should exert this influence on rabbits and guinea-pigs when the serums from these Jatter animals, which are much more nearly related, are apparently _ without effect on each other. I should not, however, like to lay too much stress on the action of pigeon toxine on guinea-pigs and rabbits, as the effect was not very marked and may possibly be explained as a _ matter of dosage. The experiments, taken as a whole however, indicate quite clearly the value of using serum toxine originating from the same species of animal for the purpose of produeing a condition of immunity and support the conclusion arrived at by the experiments on horses. Although the results at present obtained apply only to Diphtheria, and it would be rash to generalise from them, it may not be out of place to briefly indicate the relation which these may hold to our present methods of producing immunity. In the first method of vacei- 178 Homoeoplasmatie and heteroplasmatie toxines etc. 243 244 Wood, Homoeoplasmatic and heteroplasmatic toxines etc. nating animals used by Pasteur, the living cultures alone were made use of. The animals received in the first place a very weak culture (1st vaccine) and then after an interval a stronger culture (2nd vaceine), and finally a control dose consisting of a very virulent culture injected intravenously. The living organisms vegetating in the animal body would naturally produce the specific serum toxines, and if these are necessary for the production of immunity we have the conditions present which would result in the animal acquiring a refractory state as regards subsequent infection. At the present time the usual method of immu- nising laboratory animals consists in a preliminary injection of the dead bodies of the microbe or its sterile products from a broth culture, either in its unaltered state or modified by heat or the addition of various weakening agents. This is followed, after the lapse of a certain time, by an injection of the living cultures. It is important to observe that a certain definite time must elapse between the injections. If the eul- ture is introduced too soon the animals usually die more quickly than the controls, while if too long an interval is allowed to intervene, they are not protected but succumb to the infection. I am inclined to think that the preliminary injection does not induce a condition of true im- munity, a condition which is more or less permanent in its character, but rather a condition of temporary resistance which prevents the microbe from setting up a general infection, but allows the production of a certain amount of the specific toxines on which probably the state of permanent resistance depends. It explains also the statement fre- quently found in bacteriological literature, that animals have been readily rendered immune by the injection of the sterile products ob- tained from the blood of an animal which has succumbed to the disease. Possibly, however, other factors come into operation in this case which it would be here out of place to discuss at length. We may now briefly consider the ways in which we may explain the mode of action of the specific serum toxinee Behring and Ransom have shewn that the antitoxie serum remains much longer in the system of an animal of the same species as that from which it originated than when introduced into that of another species. The probable explanation here lies to hand, if we assume that in the latter case the serum is treated as a foreign substance and excreted, while in the other it remains in the system and may even be made use of in building up the tissues. If the specific serum toxine were taken up into the cells in this way, we can understand how it is that the cells of the body as a whole have acquired so rapidly that wonderful tolerance of the specific poison which we see so often on recovery from an attack of a specific disease. Ehrlich has stated that in Diphtheria and Tetanus the toxine consists of two molecules, one which attaches the poison to the cell, the haptophore molecule, the other the toxic part proper, the toxophore molecule, which gradually exerts its influence on the cell life usually some time after it has become anchored to it. It is possible to regard the serum part of the toxine as a haptophore molecule, but in this case it is probable that the mole- cule has not, as in the ordinary toxine, a special affınity only for certain special cells; but that it can come into close relation with the cells of the body as a whole. It may here be pointed out that Martin found in both Diphtheria and Anthrax that the albumoses were much less active poisons than the ferment toxine and alkaloid, which are also produced in these diseases although both probably contain the same Theodor KasSparek, Ueber eine Taubenepizootie etc. 245 toxine molecule in their constitution. It would, however, be much easier for the cells to acquire a tolerance of these less toxie bodies than of the ferment toxine of Diphtheria or Alkaloid of Anthrax, as it is almost always found advisable to weaken the toxines before using them for the purpose of produeing immunity. As the serum toxine which I have made use of in these experiments was heated up to 65° C the ferment toxine was destroyed or had at least lost all its toxicity, while as the albumose, as stated by Martin, is unaffected by this temperature, it is to this that the potency on of the fluid must most probably be primarily ascribed. In conelusion, I may refer briefly to a precaution which these ex- periments would suggest as necessary in the future. It would be ad- visable always to take the serum from the same species of animal for the preparation of the toxine as that on which the activity of the pro- duets is afterwards to be tested. I have not yet been able to come to any definite conclusion on this point, but I am inclined to think that the after effects on the animal vary according as the serum toxine is Homoeoplasmatie or heteroplasmatic. Nachdruck verboten. Ueber eine Taubenepizootie, verursacht durch Invasion von Heterakis perspieillum. |Aus dem Institute für Tierseuchenlehre der k. k. böhm. Universität in Prag.] Von Prof. Dr. Theodor Kasparek, Leiter des Institutes. Anfangs Januar d. J. wurde in mein Institut eine Taube ein- geschickt, welcher ein Brief folgenden Inhaltes beigelegt wurde: „An d. löbl. k. k. Inst. f. Tierseuchenlehre in Prag! Erlaube mir, eine an einer verdächtigen und interessanten Krankheit krepierte Taube zur Untersuchung zu übersenden. Da ich in kurzer Zeit schon viele Fälle dieser Erkrankung in meiner Taubenzucht beobachtet habe, so befürchte ich, daß es sich vielleicht um Tuberkulose handeln könnte. Bis heute sind mir in der an 100 Tauben starken Zucht 16 Stück erkrankt. Davon sind bis heute 13 der Krankheit zum Opfer gefallen, 3 scheinen genesen zu sein. Diese Krankheit bemerkte ich zum erstenmale im Frühjahre folgenden Jahres, zu welcher Zeit ich in Prag bei einem Taubenhändler für meine Zucht ein Paar englische Tauben kaufte, durch welche, ‚wie ich vermute, die Seuche in meinen Geflügelhof verschleppt wurde. Denn schon den zweiten Tag, sah ich, daß die zwei gekauften Tauben nicht fliegen konnten. Auf mein Anfragen beim früheren Eigentümer dieser Tauben erhielt ich zur Antwort, daß die Tauben höchst wahr- scheinlich infolge des Transportes ermüdet seien und daß sie ganz gewil in kürzester Zeit wieder fliegen würden. Der Zustand derselben ver- schlimmerte sich jedoch von Tag zu Tag. Nicht nur, daß die Vögel nicht mehr fliegen konnten, sie wurden immer trauriger, saßen stets an ‘einer Stelle, atmeten schwer und nahmen kein Futter mehr zu sich. ‚Später konnten sie gar nicht mehr gehen, sondern schlichen nur am Boden. Der Verlauf dieser Krankheit nahm ca. 3 Monate in Anspruch. De nn \ ; ke 3 Inzwischen erkrankte schon ein anderes Paar junger Tauben und in einigen Wochen darauf wieder einige Stücke. Als sich die Erkrankungs- fälle in letzter Zeit häuften, fiel mir die Krankheit auf, und deswegen er- laube ich mir, die Taube zur Untersuchung einzuschicken .... Ach- tungsvollst O. 8. in R. bei Prag.“ Die Sektion der Taube ergab folgenden Befund: Hochgradige Ab- zehrung; die Lunge und das Herz normal. In der Bauchhöhle größere Menge seröser Flüssigkeit, die Mesenterialgefäße stark hyperämisch, der Magen bietet nicht Abnormes, der ganze Darmtrakt stark erweitert, besonders der Blinddarm und Hüftdarm im Durchmesser bis auf 1!1/, cm verstärkt, an der Oberfläche stark glänzend, von dunkelrot-violetter Farbe. Beim Aufschneiden der ausgeweiteten Darmstücke pressen sich aus dem Darmlumen ca. 5 em lange, lebende, sich bewegende Spulwürmer heraus, welche in ungemein großer Zahl (weit über 100 Stück) den Darm nach der Längsachse gelagert vollgepfropft ausfüllen. Im Magen wurden keine Parasiten gefunden. Das Resultat der mikroskopischen Unter- suchung des Blutes, der Milz und der Lunge auf Bakterien war negativ. Die im Darme gefundenen Parasiten konnten schon makroskopisch als Spulwürmer diagnostiziert werden. Die mikroskopische Untersuchung derselben ergab, daß es sich in diesem Falle um eine Art von Heterakis handelt. In dem flüssig-breiigen Darminhalte sah man im Mikroskope Unsummen von Eiern herumschwimmen. In der Fachlitteratur wird bekanntlich von allen Autoren, welche diese Epizootie der Tauben zu beobachten Gelegenheit hatten, wie von Zürn (1), Unterberger (2), M&gnin (3), Rivolta und Delprato (4), Mazzanti (5), Kitt (7), Neumann (7) und Railliet (8) in allen beschriebenen Fällen stets nur die Heterakis maculosa |daher auch H. columbae genannt] als Ursache dieser manchmal ganze Taubenzuchten verheerenden Invasion von Spulwürmern angenommen. In unserem Falle stimmte der gefundene Darmparasit schon der Länge nach nicht mit den in natürlicher Größe ausgeführten Abbildungen des bisher gewöhn- lich beobachteten Taubennematoden in einigen diese Seuche behandelnden Aufsätzen, wie auch mit den in der Fachlitteratur bei der Beschreibung der H. maculosa angegebenen Längen überein. Einige zur Ansicht in das hiesige zoologische Institut geschickte Exemplare wurden vom Vorstande dieses Institutes, dem Zoologen Prof. Vejdovsky, einer aner- kannten Autorität in diesem Fache, als Aeterakis perspieillum diagnosti- ziert. Die Diagnose dieser Feterakis-Art konnte schon durch Messungen bestätigt werden. Während bei der H. maculosa : die Länge der Männ- chen 16—25 mm, bei den Weibchen 20—35 mm, die Längsachse der Eier 80—90 u und die kürzere Achse 40—50 u beträgt, wurde bei unserem Parasiten beim Messen von ca. 40 Individuen die durchschnitt- liche Länge von 53 mm gefunden. Die kürzesten Würmer maßen 55 mm, die längsten bis zu TO mm. Die Eier von ellipsoider Form messen 77,5 « in der Länge und 47 u der Breite nach. Auch die Form des Saugnapfes, die Zahl, Größe und Form der Wärzchen und Spicula ent- sprach der Beschreibung der Heterakis perspieillum. Nach den Angaben in der Litteratur wurde das Schmarotzen der Heterakis perspicillum beim Geflügel von Neumann (7) u. A. als Seltenheit bezeichnet, und auch von keinem der Autoren, welche sie beschrieben und beim Geflügel beobachtet haben, bei Tauben gefunden. So beschreibt Zürn diese Species als Darmschmarotzer des Haushuhnes, der Puten und Enten, Railliet als Spulwürmer des Huhnes, Perl- 246 | Theodor Kasparek, Ueber eine Taubenepizootie, verursacht durch Invasion von Heterakis perspieillum. 247 huhnes und Truthahnes. Baronio (9), Blavette (10), Rossignol (11) beobachteten Hühnerepizootieen infolge von Invasion von H. perspieillum. Neumann (7) verzeichnet sie ebenfalls unter den Spulwürmern des Huhnes. Infolgedessen fragte ich beim Besitzer der erkrankten Tauben an, ob er vielleicht diese Krankheit auch bei anderem Geflügel seines Hofes beobachtet habe’? Es wurde mir jedoch geantwortet, daß während der ganzen Zeit dieser Taubenepizootie kein einziges Stück von seinem anderen Geflügel, weder Huhn noch Perlhuhn oder Enten, an dieser Krankheit erkrankten oder zu Grunde gegangen seien. Der an einer Taube vorgenommene Fütterungsversuch mit einigen Exemplaren des lebenden Nematoden rief nach 4 Wochen Krankheits- erscheinungen hervor, welche symptomatisch den mir vom Einsender der Taube geschilderten, bereits erwähnten Symptomen ähnlich waren. Die Taube wurde getötet und bei der Obduktion derselben fanden sich ebenfalls viele Nematoden im Darmtrakte vor, wenn auch bei dieser künstlich hervorgerufenen Invasion die Anschoppung der Gedärme nicht so stark war, wie in dem in der Natur beobachteten Falle. Da sich der Eigentümer der verseuchten Taubenzucht an mich um Rat wendete, riet ich ihm gründliche Reinigung der Taubenhäuser und Futterplätze und Desinfektion derselben mit heißer Sodalösung. Isolierung der ansteckungsverdächtigen Vögel, sofortige Tötung der erkrankten und Streuen des Futters einigemale des Tages auf eigene Bretter, von welchen nach jeder Fütterung das Futter in eigene Gefäße heruntergefegt werden soll, und welche nach jeder Fütterung gründlich abgewaschen werden müssen; ferner (nach der Angabe von B&nion und Pelle- tan) (12) dem Futter zeitweise Flores cinae oder kleine Stückchen von den wurmtreibenden,. aus Flores cinae bereiteten j-Pastetchen beizu- geben. Die mir diese Tage zugekommene Antwort auf mein Befragen bezüglich der Aetiologie dieser Krankheit und des Erfolges der ange- Mein Geflügel besteht aus Hühnern, Perlhühnern, Truthühnern, Tauben und Enten. Diese Krankheit beobachtete ich ausschließlich nur bei den Tauben, und zwar nur in der Abteilung, in welcher sich die 2 zuerst erkrankten, gekauften Tauben befanden, und da wieder bei edleren, feineren Exemplaren. Ihren Ratschlägen gemäß, führte ich eine strenge Isolierung der gesunden Tauben durch und befolgte auch die weiteren Maßregeln. Früher verbreitete sich die Seuche ziemlich rasch, denn jede Woche erkrankte wenigstens eine Taube. Seit dieser Zeit bemerkte ich keinen einzigen neuen Fall von Erkrankung. Mit bestem Dank, achtungsvoll OÖ. S. in R. bei Prag.“ Litteratur. 1) Zürn, F. A., Die Krankheiten des Hausgeflügels. p. 31, 54. 2) Unterberger, J., Oesterr. Vierteljahrsschr. f. wiss. Veterinärkunde. 1868. p. 38. 3) Megnin, P., L’Eleveur. 1890. p. 311 u. 309. 4) L’Ornitojatria. 1880/81. p. 114. 5) Mazzanti, E., Giorn. di anat. e patol. degli animali. 1889. p. 160. 6) Kitt, Theodor, Lehrbuch d. pathol. Anatomie d. Haustiere. Bd. II. 1901. p. 115. 7) Neumann, L. G., Traite des maladies parasitaires non microb. des animaux domestiques. 1892. p. 471 u. 473. 8) Railliet, A., Trait@ de zoologie me@dicale et agricole. 6) Baronio, Instr.et observ. sur les malad. des animaux domestiques. T. IV. an.X. p.207. 10) Blavette, Rec. de med. vet. prat. T. XVII. 1840. p. 339. 11) Rossignol, Ibid. T. XXXV. 1858. p. 348. 12) Benion, Traite de l’elevage et des maladies des animaux et oiseaux de basse cour. p. 329. 248 Karl Geisenberg, Nachdruck verboten. Ein Fall von Tuberculosis pulmonum eines Ursus Malaianus. |Aus dem kgl. patholog. Institut zu Königsberg i. Pr.] Von Karl Geisenberg, cand. med., ehem. Amanuensis am patholog. Institut. Auf Veranlassung des Herrn Prof. M. Braun wurde am 26. Juni 1901 von Herrn Privatdocenten Dr. M. Askanazy die Sektion eines im hiesigen Tiergarten gestorbenen Ursus Malaianus vorgenommen, die folgenden anatomischen Befund ergab: Weiblicher Bär, gestorben am 25. Juni 1901. Abgemasgertes Tier, mit geschwundenem Fettgewebe und dürftiger Muskulatur. In der Bauchhöhle ca. 20 cem seröser Flüssigkeit. Darmschlingen nicht in- jiziert, feuchtglänzend, enge. Milz fest, Pulpa auffallend bräunlichrot. Beide Nieren sind graurot, nicht getrübt. Mesenterialdrüsen wie die an der Leber gelegenen Drüsen bis haselnußgroß, hyperplastisch er- scheinend, ziemlich fest, zum Teil bräunlich pigmentiert, meist grau, ohne Knötchen. Leber ziemlich blutreich, von acinöser Zeichnung. Auf der Magenschleimhaut zäher Schleim. In beiden Pleurahöhlen etwas seröse Flüssigkeit; an der rechten Pleura diaphragmatica und linken Pleura mediastinalis sitzen große, lappige, mit Oedemflüssigkeit infiltrierte, cystenartige Bindegewebsadhärenzen. Linke Lunge ist an der Basis abgerundet, deformiert und enthält in beiden miteinander verwachsenen Lappen große fluktuierende Höhlen. Der linke Oberlappen ist ein fluktuierender Sack. Seine ganze Pleura ist weiß und verdickt, matt, sglanzlos an der Oberfläche. Auch der rechte Oberlappen ist in einen Sack umgewandelt und von trüber, weißlicher Pleura überdeckt. Die Pleura 3 anderer Lappen der rechten Lunge — es sind im ganzen 4 — ist mehr spiegelnd, kaum getrübt, zeigt vereinzelte gelbe Knötchen an der Oberfläche. Auf dem Durchschnitte ist der größte Teil des linken Oberlappens in eine kinderkopfgroße, mit Luft und dünnem Eiter er- füllte, buchtige, von kleinen Trabekeln durchzogene Höhle umgewandelt. In dem unteren Teile ist der luftleere Oberlappen von käsig opaken Herden durchsetzt. Der linke Unterlappen ist in ein System verschieden großer Kavernen umgewandelt. Die Bronchien kommunizieren mit den großen Höhlen mehrfach. Der rechte Oberlappen bietet ein ähnliches Bild wie der linke, ist mit Luft und dünnem Eiter erfüllt, zeigt auch drehrunde Bälkchen mit grau nekrotischer Oberfläche. Im Unterlappen sind peribronchial gruppierte Knötchen von gelber Farbe sichtbar. Liquor pericardii vermehrt, Herz ohne Besonderheiten. Dieses Bild, welches vollkommen dem einer schweren menschlichen Tuberkulose entspricht, gab Veranlassung, Untersuchungen über den Bakterieninhalt des Kaverneneiters anzustellen, sowie Schnittpräparate von den einzelnen Teilen der affızierten Lunge anzufertigen. Der Eiter, der nach der Methode der Tuberkelbacillenfärbung mit Karbolfuchsin und schwefelsaurem Methylenblau behandelt wurde, ent- hielt lange, schlanke Stäbchen, teils gestreckt und zwar öfter leicht ge- krümmt, an beiden Enden leicht abgebogen, mehrfach kleine Häufchen bildend. Vielfach sind die Bacillen nicht gleichmäßig gefärbt, sondern Ein Fall von Tuberculosis pulmonum eines Ursus Malaianus. 249 erscheinen in der sogenannten Coccothrixform, wo blasse mit dunkelrot gefärbten Stellen im Leibe des Bacillus abwechseln. Bisweilen finden sich die einzelnen Bacillen in Winkeln aneinander gelegt. So zeigen die Bacillen in ihren morphologischen und tinktoriellen Verhältnissen den Typus der Koch’schen Tuberkelbacillen. Diese Bacillen fanden sich weniger zahlreich in Schnittpräparaten, die von den peribronchial gelegenen Knötchen des rechten Unterlappens angefertigt wurden. An einzelnen subpleural gelegenen Partieen, um- geben von entzündlich verändertem Lungengewebe, fand ich nach Weigert’s Fibrinfärbung gefärbte Bacillen, die dieker und kürzer sind als die Tuberkelbacillen. Diese Mischinfektion fand ich jedoch nur an einer Stelle. In den jüngeren Stadien des Prozesses erschienen die Alveolen erfüllt mit zellreichem Material, das ganz oder größtenteils aus Alveolar- epithelien bestand (v. Buhl’s Desquamationspneumonie), in denen stellen- weise Mitose nachgewiesen wurde. Hie und da wurde fädiges Fibrin in den Alveolen angetroffen. Das Infiltrat wurde weiterhin nekrotisch und erscheint stellenweise von vereinzelten, stellenweise von reichlichen Eiter- zellen durchsetzt. Typische Miliartuberkel und Riesenzellen wurden nicht gesehen. An der Pleura hatte sich stellenweise eine erhebliche Binde- gewebswucherung eingestellt bis zur Bildung einer 1 mm dicken Schwiele, die sich von dem Lungengewebe durch eine gewöhnliche hals- krausenartige, geschlängelte, elastische Lamelle abgrenzt. In den kleineren und größeren Bronchialästen zeigen sich Ansammlungen von Eiterzellen, zwischen den Infiltrationsherden bisweilen die Erscheinungen des Lungenödems. Kultur- und Impfversuche sind aus äußeren Gründen unterblieben, so daß die Frage, welcher der 3 bis jetzt bekannten Varietäten der Tuberkelbaeillen (Mensch, Rindvieh, Geflügel, v. Baumgarten. Berl. klin. Wochenschr. 1901. No. 35) der unserige zugeschrieben werden muß oder ob er einer weiteren Varietät entspricht, noch unerledigt ist. Im Anschluß an meinen Fall möchte ich noch einen Fall erwähnen, der im Jahre 1866 in der Zeitschrift „Der Tiergarten“, Zeitschr. zur Beobachtung, Pflege und Zucht der Tiere (Frankfurt a. M. Nov. 1866), - beschrieben ist. Es handelt sich um einen im Frankfurter Tiergarten verstorbenen Lippenbären, dessen Sektion folgendes Resultat ergab: „Entartung beider Lungen, deren hintere Lappen unregelmäßige, durch _ Luft aufgetriebene Säcke von blaßroter Farbe darstellen. Beim Ein- schneiden fielen sie zusammen und ihre Innenfläche erscheint nun röt- lich, granuliert und mit einer gelbgrauen, zähen, schleimigen Masse bedeckt. Die Höhle war in jeder Lunge so groß, daß sie den ganzen ‚hinteren Lappen einnahm und nur verhältnismäßig dünne Wandungen besaß. Die oberen Lappen zeigten nur noch zur kleineren Hälfte ge- sundes Lungengewebe, das übrige war grau hepatisiert und mit gelb- lichen Knötchen durchsetzt. Die Leber war auffallend hell und brüchig, ‚die übrigen Organe blaß, aber sonst nicht krankhaft verändert.“ Ob hier in der That eine mit Kavernenbildung einhergehende Tuberkulose vorgelegen hat, ist danach nicht ganz sicher entschieden ; doch bietet das anatomische Bild viel Aehnlichkeit mit dem Sektions- bilde unserer Beobachtung. Diese exklusive Lokalisation der Tuberkulose in den Lungen eines in der Wildnis lebenden Tieres fand ich bei der mir nur in geringem 250 F.'G’Hearrisenz; (srade zu Gebote stehenden Litteratur in einer {vor ganz kurzer Zeit veröffentlichten Abhandlung ’). Es handelte sich hier um die Tuberkelbacillen eines der Hagen- beck’schen Menagerie entstammenden Löwen, bei dem sich der Prozeß über beide Lungen ausgebreitet hat. Im Gegensatz zu meinem Falle fanden sich dort typische Tuberkel und Riesenzellen. Eine Misch- infektion mit anderen Bakterien war nicht wahrzunehmen. Impfungen der Bacillen auf Guineaferkel war ohne Erfolg, da sämtliche Tiere in- folge einer Infektion zu Grunde gingen. Andere Fälle sind von Jensen (Comp. Pathol. et Therap. 1891. Vol. IV. p. 106), Haughton, Rayer, Pirrault beschrieben. In einer Beschreibung der Affentuberkulose behauptet! Lebert, daß die Tuberkulose wahrscheinlich bei Tieren in der Wildnis ebenso gut auftritt, wie in der Gefangenschaft, und daß ihr Leben in tropischen Menagerieen nicht geschützter ist als bei uns. Es u An 2 Nachdruck verboten. The Duration of the Life of the Tuberele Baeillus in Gheese. By F. C. Harrison, Guelph, Ont., Canada. The experiments upon the duration of life of the tubercle bacillus ° in cheese made at Berne in 1899—1900, and published in the Land- wirtschaftlichem Jahrbuch der Schweiz. 1900, demonstrated that the tubercle bacillus died out between the öörd and 40th day in cheese made after the Emmenthaler method; but in cheese made approxima- tely after the Cheddar method, the duration of life of the bacillus was considerably longer. | On account of objections to the method of manufacture of the Cheddar cheese made in Berne, it seemed advisable to repeat the ex- periment by making a typical Cheddar cheese in a country where such cheese is regularly made; for, as Russell?) remarks, ”Our domestic Swiss cheese, or even cheese of this class made in Germany, rarely have the peculiar flavor that is found in the product imported from the Swiss valleys. For centuries, this brand of cheese has been made in that country, until the factories and dairies have become stocked with . the right kind of germs, capable of produeing the desired fermentation“; and, if this is true of Swiss cheese manufactured in America; it is li- kely to be also true of Cheddar cheese manufactured in Switzerland. If added to this objection the further one, that the details of manufac- ture of Cheddar cheese made in Switzerland were not identical with the ordinary practice in the making of this cheese, we clearly see that in the interest of scientific accuracy, as well as in the comfort and se- curity that might be obtained from the knowledge of the fact that any tubercle bacilli were likely to be dead before the cheese was ripe and 1) Mac Callum, W. G. and Clement, A. W., Pulmonary tuberculosis, with diffuse pneumonie consolidations in a lion. (Johns Hopkins Hospital, Bullet. No. 109. 1900. April. p. 85.) 2) Russell, H. L., Dairy bacteriology. Madison, Wisconsin. 1894. << | The Duration of the Life of the Tubercle Bacillus in Cheese. 251 ready to be eaten, it was necessary to carry out another series of ex- periments upon Cheddar cheese made in the approved manner. Culture. The culture used was of bovine origin, the seventh transfer since isolation from a tuberculous guinea pig inoculated with a piece of liver from a tuberculous cow. The whole of the growth from 700 eem of glycerine bouillon, twelve weeks old, was used. The growth was very heavy, and on account of the difficulty of separating the masses of bacilli in the pellicle, sterilized powdered glass was used in order to break up the celumps of bacilli, and a fairly good emulsion was thus obtained, which was added to the milk at the same time as the rennet. The infected milk was then stirred constantly for five minutes, when coagulation commenced. The cheese. Eighty pounds of milk in good condition were used for making the cheese. The acidity of the milk was 14 per cent., and 11—21 Ibs. of a pure culture of a lactic acid bacillus was added toge- ther with one drachm of cheese color. The milk was set at 86° F., after the rennet test was found to be 20 seconds. Two drachms of rennet were used. The other particulars about the cheese were as | 2 f nn 0 a ua w follows: Time between setting and dipping 3 hours * % dipping and milling 2 „, 10 min. u 5 milling and salting 1 „, 102-5%, Amount of acid at milling 1!/, inches Amount of salt 8 ounces Acidity of curd before salting 8 Proz. Weight of press on cheese 1000 pounds When the cheese was turned the weight was increased to 2000 pounds. The cheese worked quite normally, the curd having a nice silky feeling, and meaty texture. All operations of stirring etc. were perfor- med with the hands enclosed in a pair of rubber gloves, such as are employed for surgical use, the endeavor being to produce a typical Cheddar cheese, made in exactly the same manner as in a cheese factory. The cheese was ripened at an average temperature of 60°, which is regarded as being very suitable for Cheddar cheese, as it does not injure the texture or cause the fat to run out. With regard to such details as, the amount of cheese inoculated, the method of inoculation, observations of animals during life, autopsy, and microscopie preparations, they were the same published in the Land- wirtschaftlichem Jahrbuch der Schweiz 1900, as and, hence, it is unne- cessary to repeat them. The acidity of the cheese was tested when a month old. Five grams of cheese and an equal amount of glass were ground together in a mortar; cheese. 100 cem of water was then added and well mixed with the After standing fifteen minutes, the mixture was filtered through a dry filter paper. A 25 ccm of the clear filtrate was taken for the determination of the acidity. Phenolphtalein was used as indicator. The result of this test showed 95 per cent acid — figured as lactic acid — A bacteriological analysis was also made at the end of one month; and ‚one gram of cheese contained 43700000 lactie acid bacteria. No other species were present on the culture plates. Reference to the table shows that, the Tubercle bacilli died out somewhere between the 62nd and 70th days, but even previous to the F.-G. Harrison, 252 ummdgoqu woa ‘0 Fo uomoolur J9AI] pure ‘uoads 9U} 1978 SINOy 8Z POIQ WA] 9Y4 ur tlowgq oppasgqu,L ‘spug]?° 70 SISOpNDKDAqnL a 8urop90 yugusıpeu ‘g Fuqwosol jSnJDeq ® puB BLIOIOLA 1]0/) vwopoo ‘sITUONIOT| Der. undaoqny | | wa» 70 Fo uom»alur |spuef» JeauoyLıadonsı pur 3 IE SIUOTFSET PIC ASS, U Ael. 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Three animals were lost from other infection, the one which died after the inoculation of cheese 7 days old may have obtained the infec- tion directly from the cheese, but the other two cases were probably due to other causes. A comparison of the results obtained from this cheese with the re-- sults of the cheddar cheese made at Berne, shew that considerable dif- ference exists between the two cheese; in fact, a difference of 34 days, in favor of the Canadian cheddar. There are several probable explana- tions of this difference. The greater acidity developed in the Cheddar cheese (Canadian) both during making and during the subsequent ripe- ning, must have a certain effect on the Tubercle bacilli, and the fact that the salt was directly mixed with the curd, instead of being rubbed on the cheese from the outside and then slowly penetrating inward, would also have some influence. The pressure on the Canadian cheese was also much greater, and although this would make no difference to the bacilli present in the cheese, yet some effect might be indirectly caused by the closer texture of the Canadian cheese. All three of these factors might together in- fluence and curtail the duration of life of the tubercle bacilli in Cheddar cheese. The results of these experiments justify the statement that Cheddar cheese would contain no living Tubercle bacilli, that might naturally be present, when it was ten weeks old; and hence no danger need be apprehended from eating living Tubercle bacilli in Cheddar cheese. Nachdruck verboten. Zelleinschlüsse, Zellentartungen und endocelluläre Parasiten bei bösartigen Geschwülsten. [Aus dem hygienischen Institute der kgl. Universität Cagliari.] Mitteilung von Prof. Francesco Sanfelice. Mit 2 Tafeln. Einige vor kurzem veröffentlichte Arbeiten über die Aetiologie der bösartigen Geschwülste beweisen klar, daß die Autoren nicht sehr er- fahren sind, um die wahren endocellulären Parasiten zu erkennen, welche von Plimmer, von Leopold und von mir als Blastomyceten ange- sehen werden und die sie leicht mit einigen Formen von Zellentartung oder mit einigen Zelleinschlüssen verwechseln, welche nichts mit den wahren Parasitenformen zu thun haben. Aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen, diese Mitteilung, das Ergebnis vieler Beobachtungen, zu veröffentlichen, in welcher ich beweisen will, welche Unterschiede zwischen den Zellentartungen und Zelleinschlüssen einerseits und den wahren Parasitenformen anderer- seits vorkommen. | Die erste neuere Arbeit über die Aetiologie der Krebsgeschwüre ei Zelleinschlüsse, Zellentartungen und endocelluläre Parasiten etc. 255 ist die von Niehols!), welcher versucht hat, die Parasitenformen bei bösartigen Geschwülsten zu erkennen, möglicherweise ihre Kultur zu erlangen und mit reinen Kultureinimpfungen von pathogenen Blasto- myceten, die ihm von Plimmer und von mir gegeben wurden, Krebs- geschwüre zu reproduzieren. Was die Gegenwart der Parasitenformen in Krebsgeschwüren an- belangt, so behauptet der Autor folgendes: “In 16 cases of cancer of the breast the bodies were found in 13. In 5 cases of sarcoma the bodies were not seen once. In 13 cases of epidermoid cancer typical bodies were not seen. In 2 cases of cancer involving the jaw, the bodies were not present. In an epidermoid cancer of the uterus the bodies were not present in the cells of the cancer, but typical bodies were seen in epithelial cells of the mucosus mem- brane, which showed no involvement in the cancer process.” Was die Versuche betrifft, die Kultur der Parasiten zu erlangen, so spricht sich Nichols in folgender Weise aus: “From many of the cases, where the cancer tissue was obtained within 2 hours of the time of operation, cultures were made by dropping a piece of the cancer, or by scraping the surface and dropping the scrapings into fluid culture media. The technie of removing the solid tissue was the same as that of removing the tissue for inoculation of animals. At first cultures were made from all the cancers; later only such tumors were used as gave certainly of manipulation without danger of septie contamination. In all cultures were made from 13 cases ot cancer of various sorts. In 3 cases, either because the tumor itselfs was contaminated or because of errors in technic, there developed a growth of ordinary pyogenic organisms. In the other 10 cases no growth at all developed.” Mit den von Plimmer und von mir ihm gegebenen pathogenen Saccharomyceten hat Nichols Einimpfungen gemacht und berichtet in seiner Arbeit den anatomisch-pathologischen Befund, beobachtet an 1 Meerschweinchen und an 2 Kaninchen, die durch Einimpfung von mir isolierter pathogener Blastomyceten gestorben waren, und an 2 durch _ Einimpfung von Plimmer isolierter pathogener Blastomyceten getöteten DE u Meerschweinchen. Die Beobachtungen von Nichols bestätigen, was Plimmer und ich an den nach Einimpfungen pathogener Blastomyceten getöteten - Meerschweinchen und Kaninchen beobachtet hatten. Betreffs der Morphologie, welche Blastomyceten in den Geweben der Meerschweinchen und Kaninchen darbieten, behauptet der Autor, daß dieselbe ganz verschieden ist von jener, welche die im Krebs- geschwüre vermeinten Parasitenformen darstellen. Indem der Autor verneint, daß die Blastomyceten fähig seien, den Krebs hervorzubringen, erklärt er auf folgende Weise die von mir bei - Hunden erlangten positiven Resultate: “It is possible that the appearance of the cancer of the breast, after the inoculation of the blastomyces, was a coincidence and not the result ‘of the inoculation.” Dieser Einwurf, der mir auch von Baumgarten gemacht wurde, ist nicht stichhaltig, aus dem Grunde, weil ich bis jetzt mehrere positive - 1) Nichols, First Annual Report of work on the etiology of cancer. (First annual _ report of the cancer committee. Boston 1900.) F u 256 Francesco Sanfelice, Fälle erlangt habe, und wenn ein Zusammentreffen für einen oder zwei Fälle angerufen werden könnte, kann dieses durchaus nicht ven ver- nünftigen Personen gethan werden, wenn der positiven Resultate mehrere sind. Andererseits kann man noch annehmen, daß ich die durch Ein- impfung pathogener Blastomyceten verursachten Läsionen falsch aufge- faßt habe, indem ich Entzündungsprozesse oder Granulome für Krebs- geschwüre angesehen habe, weil sehr kompetente und daher glaub- würdige Forscher, wie Plimmer!) und Leopold?) durch Einimpfung pathogener Blastomyceten epitheliale Neubildungen erhalten haben. Nun kann man durchaus nicht annehmen, daß 3 an demselben Argument arbeitende Personen unabhängig von den anderen in den gleichen Fehler gefallen seien. Außerdem besteht zwischen dem Auftreten eines pathologischen Prozesses und der gemachten Einimpfung des diesen Prozeß produ- zierenden Parasiten eine Verbindung, wie zwischen Ursache und Wirkung, welche durchaus fehlt, wenn es sich um ein zufälliges Zusammentreffen handelt. Die Schlüsse Nichols’ sind die folgenden: “Typical cancer bodies have been found generally present in certain types of cancer. They never have been found in epidermoid cancer. Attempt to produce cancer in animals by inoculating them with its of tissue from human cancer so far have uniformly failed. No attempt to isolate an organism from human cancer has succeded. Inoculation of animals with the organisms of Sanfelice and Plimmer has resulted in the formation of nodules composed of proliferated connective-tissue cells and newly formed blood wessels (granulation tissue), but no tumor resembling cancer of human beings has been produced.” Ich hatte das Vergnügen, in meinem Institute den Besuch des Herrn Dr. Nichols im Februar 1900 zu erhalten und seine Bekanntschaft zu machen, und war dann nicht wenig überrascht, seine im folgenden Oktober veröffentlichte Arbeit zu lesen. In der That beweist die geringe Zahl der gemachten Versuche deutlich, daß der Autor dem Studium eines so wichtigen Argumentes, wie das der Aetiologie der bösartigen Geschwülste, sehr wenig Zeit ge- widmet hat. Besser wäre es sicher gewesen, wenn Nichols zuerst einige Jahre gearbeitet, sehr zahlreiche Untersuchungen vorgenommen und dann seine Befunde veröffentlicht hätte. Vorerst irrt er, wenn er behauptet, daß die in dem Krebsgewebe beobachteten Parasitenkörper nicht mit den in den Geweben der Meer- schweinchen und Kaninchen beobachteten Blastomyceten identisch seien. Mit dieser Behauptung beweist er, in dem Krebsgewebe nicht die wahren Parasitenformen gefunden zu haben und für Parasiten einige Formen von Zellentartung genommen zu haben, von welcher wir in der Folge sprechen werden. Die Identität zwischen den wahren Krebsparasiten und den in die Gewebe der Tiere eingeimpften Blastomyceten ist von Plimmer, 1) Plimmer, On the etiology and histology of cancer. (The Practitioner. 1899. April.) 2) Leopold, Untersuchungen zur Aetiologie des Carcinoms und über die patho- genen Blastomyceten. (Arch. f. Gynäkol. Bd. LXfI. 1900.) $ i ’ Zelleinschlüsse, Zeilentartungen und endocelluläre Parasiten etc. 257 Leopold, Sawtchenko!) und von mir angenommen, und ich glaube kaum, daß dieselbe in Zweifel gezogen werden kann. Wenn irgend ein Forscher sie nicht annimmt, ist es ein Zeichen, dal er nicht die wahren Parasitenformen in dem Krebsgewebe hat erblicken können, und daß solches in dem Falle Nichols wahr ist, ist in den beigegebenen Figuren bewiesen. Es dürfen überdies die negativen Resultate einer Kultur aus Krebs- geschwüren keineswegs Erstaunen erregen, weil wir wissen, daß die Kultur erfolgreich ausfällt, nur wenn es sich um ein Geschwür mit schnellem Verlaufe, welches eine größere Zahl Parasiten enthält, handelt. Wer sich mit diesem Argumente beschäftigt, dem sind die von Plimmer erhaltenen Resultate bekannt, welcher nach Untersuchung von mehr als 1000 bösartigen Geschwüren nur in sehr wenigen Fällen die Parasitenkultur hat erreichen können. Wie konnte Nichols er- folgreiche Resultate erlangen, wenn er sich darauf beschränkt hat, die Kulturen nur aus 13 Krebsgeschwüren zu versuchen ? Folglich ist das Nichterlangen der Kultur in diesen 13 Krebs- kulturen gewiß kein gutes Argument, um die parasitäre Natur der bös- artigen Geschwülste zu bekämpfen. Was die Einimpfungen der pathogenen Blastomyceten in die Tiere betrifft, so muß man gegen ihn die Anklage erheben, höchst wenige Ein- impfungen gemacht zu haben, und zwar bloß in Kaninchen und Meer- schweinchen, also in Tiere, welche sehr selten der Einimpfung der Blasto- myceten mit Fortpflanzung der Epithelialzellen entsprechen. Mir ist niemals aufgefallen, epitheliale Neubildungen in Meer- schweinchen und Kaninchen infolge von Einimpfungen pathogener Blasto- myceten gesehen zu haben, ein Resultat, welches Plimmer und Leo- pold gelungen ist. Ich habe Gelegenheit gehabt, Schnitte von Kaninchenlungen zu sehen, die mir von Plimmer mit wahren epithelialen Neubildungen zugeschickt wurden, welch letztere durch die Einimpfung in die Bauch- höhle des von ihm isolierten Blastomyceten erzeugt waren. Bevor des- halb Nichols einen Schluß gezogen, hätte er eine größere Anzahl von Einimpfungen vornehmen sollen. Eine andere neuere, mehr kritische als originale Arbeit über die parasitären Theorieen des Krebsgeschwüres ist jene von Borrel?). Einige ganz eigene Ideen des Autors beiseite lassend, welche wenig in Harmonie stehen mit dem, was man heute über die Aetiologie der infektiven Krankheiten kennt, wie z. B.: „que les diverses varietes du cancer ne pourront jamais ätre expliquees par une cause &tiologique unique; il doit y avoir des microbes du cancer et il peut exister des tumeurs sans microbes“, werde ich das, was Borrel über die parasitären Theorieen schreibt, berichten. Nach Borrel sind alle als parasitär beschriebenen Formen von Nils Sjobring, Soudakewitsch, Foä, Ruffer mit seinen Ge- hilfen Walker und Plimmer, von Podwyssotzky und Saw- tehenko durch die atypische Evolution eines Elementes der Krebszelle, der attraktiven Sphäre oder besser des Arkoplasmas, hervorgebracht. Borrel schreibt darüber: „En examinant les coupes les plus superficielles et par suite le 1) Sawtchenko, Archives russes de Path. 1898. 2) Borrel, Les th£ories parasitaires du cancer. (Ann. de l’Instit. Pasteur. 1901.) Erste Abt. XXXI. Bd. 18 ee herzen 258 Francescö Sanfelice, | L mieux fixees, lorsqu’on a la bonne fortune de tomber sur une tumeur qui contient des pseudo-parasites, on peut bien etudier la genese des formes qui sont en question. Souvent ä cöte du noyau, surtout dans les grandes cellules un peu hypertrophiees, on peut mettre en evidence la sphere attractive coloree en bleu fonc& sur le protoplasme clair; elle contient un ou deux centrosomes. lei, il n’est pas question de parasites, et c’est la le point de depart important non vu par Sawtchenko. Cette sphere peut contenir un plus ou moins grand nombre de corps centraux disposes en chainettes ou en amas irreguliers. Une m&me cellule peut contenir 20 et 30 petits centrosomes, et dans les prepa- rations on trouve ainsi beaucoup de cellules de ce type. Le processus qui conduit aux pseudo-parasites est toujours le m&me: c’est un pro- cessus de vacuolisation. Tantöt c’est la sphere tout entiere qui s’isole dans le protoplasma de la cellule; on a alors, suivant les dimensions de la sphere et du corps central, suivant le nombre des centrosomes, une pseudo-amibe plus ou moins grande, contenant soit un karyosome et un noyau unique, soit un noyau fragmente. Le state le plus fre- quente est celui d’une pseudo-amibe unique, avec noyau unique dans une vacuole ä cötE du noyau de la cellule cancereuse. Les states de multiplication du noyau dans le pseudo-parasite sont plus rares. Il peut se faire aussi une individualisation de l’archoplasma autour de chaque grain centrosomique, lorsquii y a eu d’abord multiplication de centro- somes dans la sphere avant la vacuolisation.“ Die von Borrel gegebene Erklärung, obwohl scharfsinnig, ist völlig unnütz aus dem Grunde, weil alle von ihm in den Tafeln als pa- rasitär abgebildeten endocellulären Formen nichts mit den wahren endo- cellulären Parasiten des Krebses zu thun haben. Borrel hat nicht verstanden, daß fast alle Forscher, welche die Krebsparasiten als Coceidien beschrieben haben, in der Sucht, in dem Inneren der Krebszelle etwas zu finden, was an die bekannten Formen der Protozoen erinnert, zusammen mit den wahren Parasiten Formen beschrieben und abgebildet haben, welche mit den wahren Parasiten rein nichts zu schaffen hatten. Und es sind gerade diese falschen Parasiten, welche Borrel in Betracht gezogen hat, es gänzlich außer Acht lassend, dabei die wirklich parasitären Formen zu untersuchen. Man kann nicht leugnen, daß unter den den Arbeiten einiger Forscher beigegebenen Figuren die wahren endocellulären Parasiten abgebildet sind. In der That genügt es, einen Blick auf die Figuren der Arbeiten von Foä und Soudakewitsch zu werfen, um sich von dem Unterschiede zu überzeugen, welcher zwischen der Mehrzahl der wirklich parasitären Formen und den falschen von Borrel abgebildeten Parasiten besteht. Aus diesem Grunde fällt die Kritik von Borrel ins Wasser wie ein auf den Sand gebautes Haus. Ich glaube ferner, Borrel hat übertrieben, wenn er alle Formen von in den Tafeln seiner Arbeit beigegebenen falschen endocellulären Parasiten mit der Evolution des Arkoplasmas der Krebszelle erklären will. So sind z. B. ganz verschieden von den anderen die endocellu- lären Formen von falschen Parasiten in den Figuren 19, 20, 21 der Tafel V. Hier handelt es sich gewiß nicht um eine Evolution des Arko- plasmas, sondern um Zelleinschlüsse. Jetzt will ich von der Kritik sprechen, welche Borrel gegen die Blastomycetentheorie gebracht hat. Zelleinschlüsse, Zellentartungen und endocelluläre Parasiten etc. 259 Der erste Einwurf, den der Autor gegen die Blastomycetentheorie bringt, ist folgender: „A notre avis au point de vue morphologique, le diverses varietes d’incelusions, que nous avons passeces en revue ne sauraient ätre con- siderees comme des levures, et la demonstration au microscope reste tout entiere ä faire, s’il y a des levures dans les tumeurs cancöreuses, elles ne sont certainement pas dans les cellules &pith&liales.“ Ich bin vollkommen der Meinung des Autors, anzunehmen, daß alle von ihm gemusterten und in den Tafeln abgebildeten endocellu- lären Formen nicht als Blastomyceten betrachtet werden dürfen, weil sie Vakuolisationen des cellulären Protoplasmas oder Zelleinschlüsse sind, welche mit den wahren endocellulären Parasiten nichts gemein haben. Die Bekehrung zur Blastomycetentheorie zweier kompetenter und glaubwürdiger Forscher, weil seit vielen Jahren mit dem Argumente beschäftigt, wie Plimmer und Sawtchenko, gilt ein wenig mehr als die sehr oberflächliche Kritik Borrel’s. Der zweite Einwurf, den Borrel der Blastomycetentheorie ent- gegenhält, ist folgender: „Les partisans de la theorie blastomycetienne realisent facilement des cultures de levures extraites de tumeurs canc6reuses, mais la plupart des observateurs n’ont pas confirm@ cette opinion, et lorsqu’on prend des precautions d’asepsie rigoureuse, lorsqu’on opere sur des pieces fraiches, on n’obtient pas de cultures. Maffucei et Sirleo ont fait de nombreuses recherches dans ce sens; ils ont en effet quelquefois obtenu des colonies de levures, mais ils les ont consider&ees comme des impuretes, puisque des plaques de contröle exposdes en möme temps a Fair du laboratoire ont aussi donn@ des colonies de levures.“ Der Autor beschränkt sich darauf, die negativen Resultate von Maffucei und Sirleo anzuführen, weil seiner These günstig, und er vergißt die positiven Resultate von Plimmer und Leopold, von zwei ebenso tüchtigen Forschern wie Maffucci und Sirleo. Man versteht dann leicht, wie in dieser Art von Untersuchungen die positiven Resultate sehr großen und jene negativen gar keinen Wert haben. Wie ich schon in anderen Arbeiten bemerkt habe, wird man die Kulturen leicht erlangen von Geschwülsten raschen Verlaufes und mit großer Zahl von Parasiten, in Wahrheit nicht sehr häufige Ge- schwälste. Plimmer, der mehr als 1000 Geschwülste untersucht hat, sind nur 9 mit großer Zahl parasitischer Formen vorgekommen und bloß aus einer dieser 9 Geschwülste ist es ihm gelungen, die Kultur zu erhalten. Aus Geschwülsten alten Datums Kulturen zu versuchen, ist völlig un- nütz. In diesen Geschwülsten finden sich die Parasiten, trotzdem sie sehr selten sind, unter der Form von Fuchsin- oder Russell-Körper- chen, welche nicht mehr kultivierbar sind, weil sie, wie ich in einer weiteren Arbeit zeigen werde, nichts anderes sind, als die chromatischen Reste der Blastomyceten. Wenn man in Hunde und Katzen die Körper der Blastomyceten nach einer speziellen Behandlung, die das Leben völlig zerstört, ein- impft und wenn man nach einiger Zeit die Gewebe dieser Tiere unter- sucht, begegnet man zahlreichen Fuchsinkörperchen, jenen vollkommen ‚ähnlich, denen man in den bösartigen Geschwülsten begegnet. Solche Resultate habe ich erlangt, indem ich nicht nur tote pathogene Blasto- 18* 260 Francesco Sanfelice, myceten einimpfte, sondern auch nicht pathogene, welche derselben Be- handlung unterworfen waren, die ihr Leben zerstörte. Das Aussehen, welches die toten Körper dieser nicht pathogenen Blastomyceten in den Geweben darboten, war vollkommen mit jenem der pathogenen Blastomyceten identisch. Diese Beobachtungen erklären uns, warum manchmal in einigen pathologischen Geweben, durchaus verschieden von den bösartigen Ge- schwülsten, Fuchsinkörperchen vorgefunden worden sind. Die Blasto- myceten, die man gewöhnlich auf den Schleimhäuten vorfindet, wenn Läsionen im Epithel geschehen, oder infolge von pathologischen Prozessen spezieller Organe, sind in die Gewebe durchgedrungen und daselbst gestorben, und ihr Protoplasma’ hat die typische Form von Russell- schen Körperchen angenommen. Wenn man also in Geweben, ver- schieden von den bösartigen Geschwülsten, die Russell’schen Körper- chen gefunden hat, so entzieht das ihrem beständigen Vorkommen im Krebs keinerlei Wert. Es wäre, wie wenn man den Pneumoniediplo- kokken, nur weil sie sehr häufig in dem menschlichen Speichel vor- kommen — und auch den Tuberkelbacillen, nur weil man ganz ähn- liche in Butter findet, mit der Fähigkeit, Pseudotuberkulose zu er- zeugen — jede ätiologische Wichtigkeit entziehen wollte. Zweifelsüchtig zeigt sich Borrel betreffs der von mir in den mit Saccharomyces neoformans eingeimpften Hunden erhaltenen positiven Resultate und äußert sich in folgender Weise: „Admettons qu'il ne s’agisse pas d’un simple hasard, et que les tumeurs produites sont bien le resultat de l’inoculation des levures. Peut-on en conclure que les cancers sont dus ä& des levures? Je crois que la conclusion depasserait de beaucoup les faits.“ Während Borrel nicht zugiebt, daß in den Hunden der Saccharo- myces neoformans fähig gewesen sei, epitheliale Neubildungen zu erzeugen, berichtet er einige von Wlaeff erhaltene Resultate, welcher einmal durch Einimpfung eines Blastomyceten in die Bauchhöhle einer Ratte in der Mitte der granulomatösen Geschwulst ein auf Kosten des in der Geschwulst eingeschlossenen Darmepithels entwickeltes cystisches Adenom erreicht hat. Nun begreift man nicht, warum Borrel in dem Falle Wlaeff’s zugiebt, daß die Blastomyceten fähig gewesen seien, abliegend eine epitheliale Neubildung zu erzeugen, während er bei den von mir erhal- tenen Resultaten nicht zugiebt, daß der Saecharomycesneoformans in Berührung des Drüsenepithels eine Wucherung dieses Epithels her- vorgebracht habe. Wie wenn die Blastomyceten ihre pathogene Wirkung durch Berührung und nicht durch die in dem Organismus erzeugten Produkte ausüben sollten! Die Blastomyceten üben ihre pathogene Wirkung immer durch ihre Produkte aus, welche den Reiz sowohl auf die Epithelialzellen, die den Parasiten enthalten, als auch auf jene, die sich abliegend vorfinden, ausüben können. In dem einen wie in dem anderen Falle kann die Wucherung des Epithels nicht anders betrachtet werden als eine Re- aktion gegen den von Parasiten ausgeübten Reiz. Was dann die aprioristische Behauptung Borrel’s anbelangt, daß man nicht das Eindringen eines Blastomyceten in das Innere einer Epithelialzelle annehmen könne, so genügt es, die Beobachtungen Plim- mer’s und Leopold’s anzuführen, welche, meine Untersuchungen bestätigend, wahre Parasiten in dem Inneren der Epithelialzellen er- u. F Zelleinschlüsse, Zellentartungen und endocelluläre Parasiten etc. 261 blickt haben. Um sich von dieser Thatsache zu überzeugen, sollte Borrel nichts weiter thun, als durch Schröpfung auf dem Hornhaut- epithel eines Hundes einen pathogenen Blastomyceten einzuimpfen. Nach einiger Zeit hätte er infolge von Durchschnitten die Gelegenheit, viele Blastomyceten in dem Inneren der gewucherten Epithelialzellen zu sehen, und er würde sich von der Unrichtigkeit seiner aprioristischen Behauptung überzeugen. Der Erste, welcher Einimpfungen von Blastomyceten auf das Horn- hautepithel der Kaninchen ausführte, ist Plimmer gewesen, welcher sich hierüber also ausdrückt: “Between this and the third division must be mentioned some rab- bits which were inoculated on the scarified cornea: in these, after from three to five days, considerable proliferation of the corneal epithelium was found, together with the organisms in the cells.” In der Folge habe ich auch viele Einimpfungen auf das Hornhaut- epithel der Hunde ausgeführt, nachdem ich die Hornhäute längere Zeit nach der Einimpfung weggeschnitten hatte. Durch das Studium der Durchschnitte habe ich mich leicht von der Wucherung des Epithels und von dem Dasein der Blastomyceten im Inneren der Epithelialzellen überzeugen können. Die Behauptung Borrel’s ist folglich gänzlich unbegründet und beweist, daß der Autor ein Argument berührt hat, das ihm nicht zu- stand. F Neuerdings hat Gaylord!) eine Arbeit veröffentlicht, welche ver- dient berücksichtigt zu werden wegen der Wichtigkeit der erreichten Resultate, aber nicht wegen der Art, wie sie aufgefaßt wurden. Gaylord sammelte aseptisch eine Flüssigkeit aus der Bauchhöhle eines mit Adenocarcinoma behafteten Individuums, dessen wahrschein- lieher Ursprung der Appendix vermiformis war, und hat damit einen Hund und ein Meerschweinchen in die Bauchhöhle und ein Meer- schweinchen in die Jugularis geimpft. Der Hund und das Meerschwein- chen, in die Bauchhöhle eingeimpft, zeigten keine besonderen Folgen; das in die Jugularis geimpfte Meerschweinchen, nach einiger Zeit getötet, zeigte in der Lunge Neubildungen epithelialer Natur. Ein, wie man sieht, identisches Resultat mit dem von Plimmer. Es fallierten alle Versuche, die Kultur des Mikroorganismus zu erreichen. Gaylord hat unter dem Mikroskope eine große Zahl Geschwülste untersucht und hat fast beständig die parasitären Formen, durchaus jenen von Plimmer beschriebenen ähnlich, gefunden, welche nach dem Autor nicht den Blastomyceten, sondern den Protozoen zugehören. Es erhellt aus dem Texte des Autors und seinen Photogrammen, daß er einige Formen von cellulärer Entartung für Parasiten ge- halten hat. So z. B. auf p. 513 beschreibt er die parasitären Formen und drückt sich also aus: "In two cases of large-sized tumors, which immediately after opera- tion contained a predominating number of the small forms of the or- ganısm, and which were retained sterile, we were able to make the following observations: An examination of successive scrapings from . DGaylord, The protozoon of cancer. (The American Journal of the medical sciences. 1901. Mai.) 262 Francesco Sanfelice, the tumor, several hours apart, in each case showed that the ralative size of the organisms gradually increased. In the course of ten hours repeated scrapins showed that the amoeboid forms were greatly increased in number, and after twenty-four hours the spore sacs of the organisms were present, for the first time, in large numbers. Continuing our ob- servation up to a period of about three days, we observed in these two cases that the sacs were ultimately replaced by groups of hyaline bodies, which were considerably larger than those which the sacs originally con- tained. It will be seen from this observation that the so-called fatty degeneration of carcinoma is at least in some part due to the presence of the various forms of the organism which have been mistaken for fat droplets and infected epithelial cells which were supposed to be in an advanced stage of fatty degeneration. We were likewise able to determine that in the centre of carcino- mata which had undergone degeneration the fluid, the so-called cancer milk of the older writers, consists practically of a pure culture of these organisms.’ Es würde schon diese letzte Beobachtung von Gaylord genügen, um den mit dem Argument bekannten Leser von dem großen Irrtum zu überzeugen, in welchen der Autor selbst gefallen ist. Ein weiterer Beweis, daß Gaylord die cellulären Entartungen für Parasiten gehalten, ist in den folgenden Worten gegeben: “If cover-slips be made and dried in the air the small, spherical bodies will stain with any of the anilin dyes. The larger forms, how- ever, remain unstained and appear as spherical or oval clear spaces in the stained material of the cover-slip.” (Gegen die Meinung von Plimmer, von Leopold und die meinige glaubt Gaylord, daß die ihm in den bösartigen Geschwülsten begeg- neten Formen nicht den Blastomyceten zugehören, weil er nach deren Einimpfung in die Tiere gesehen hat, daß dieselben von verschiedener Form waren. Diese Behauptung des Autors ist die logische Konsequenz des Irr- tums, in den er gefallen ist, die cellulären Entartungen der ‚bösartigen Geschwülste für parasitäre Formen anzusehen. / Wenn Gaylord im Krebsgeschwüre die wahren parasitären Formen zu finden gewußt hätte, so würde er sich leicht von ihrer vollkommenen morphologischen Identität mit den in die tierischen Gewebe eingeimpf- ten Blastomyceten überzeugt haben. Die morphologische Identität der Krebsparasiten mit den Blasto- myceten ist nunmehr mit so vielen Beweisen von Plimmer, Leo- pold, Sawtchenko und von mir dargestellt worden, daß ich nicht glaube, sie könne noch in Zweifel gestellt werden von jenen, die sich sorgfältig von der Form der wahren Krebsparasiten und von der Art, wie sich die pathogenen Blastomyceten in den Tiergeweben vorfinden, überzeugt haben. Wenn Gaylord zuerst eine lange Reihe von Beob- achtungen über die Art, wie die Blastomyceten in den Geweben der Kaninchen, der Meerschweinchen und besonders der Hunde vorkommen, gemacht und dann die Parasiten in den bösartigen Geschwülsten aufge- sucht hätte, würde er sicher nicht den großen Irrtum begangen haben, die cellulären Entartungen für Parasiten zu halten. Wenig überzeugend sind dann die Gründe, weshalb Gaylord fest- stellt, daß die von ihm in den bösartigen Geschwülsten beobachteten Formen zu den Protozoen gehören. Nur weil er eine gewisse Aehn- ee Ze Se ek nn nn nl 2 u u 1 ne id Zn all Fu nn A LE Zu a 9 nu us Me Abe nt en u A eier Sei ee Zelleinschlüsse, Zellentartungen und endocelluläre Parasiten etc. 263 lichkeit zwischen den in die Hornhaut des Kaninchens geimpften Kuh- pockenparasiten und den von ihm im Krebse gefundenen Formen be- merkt hat, giebt er ohne weiteres zu, daß der Krebsparasit ein Proto- zoon Sei. Dabei vergißt er gänzlich, daß niemand bisher wissenschaftlich be- wiesen hat, daß die Kuhpockenparasiten zu den Protozoen gehören. Guarnieri hat es einfach vermutet, aber ohne es zu beweisen, und neuere Beobachtungen lassen vermuten, daß es sich um etwas ganz anderes handelt, als um Protozoen. Die Epithelialgeschwülste, die mir zu den folgenden Beobachtungen gedient haben, sind von mir mit verschiedenen Flüssigkeiten fixiert und sehärtet worden. Infolge von vielen Versuchen habe ich sehen können, daß der Zusatz von Essigsäure zu den gewöhnlichen Fixierungsflüssig- keiten die Kapsel der Parasiten klarer macht und deswegen ist auch die Unterscheidung der Blastomyceten, besonders der endocellulären, von den gewöhnlichen Zelleinschlüssen und von den gemeinen Zellent- artungen, viel leichter. Der Zusatz der Essigsäure zu der Fixierungsflüssigkeit muß im Verhältnis von 2—3 Proz. geschehen. Es versteht sich, daß nach Fixierung des kleinen Stückes der Ge- schwulst in essigsaurer Flüssigkeit man es gut waschen und dann nach und nach in die verschiedenen Alkoholgrade bringen muß. Diese Regeln sind leicht zu verstehen für diejenigen, welche in einer guten Fixierung geübt sind. Hinsichtlich der Färbungen habe ich vorgezogen, dieselben auf den Schnitten selbst vorzunehmen. Ich habe verschiedene neuere Methoden befolgt, aber zu größerer Reinheit und Klarheit, mit der die Parasiten erscheinen, habe ich stets vorgezogen, die Parasiten mit der Ehrlich-Flüssigkeit und die Gewebe u Karbolfuchsin in einer 3-fachen Menge destillierten Wassers zu ärben. Um die Farbe in den Parasiten zu fixieren, muß man immer eine Beizflüssigkeit, wie Oxalsäure, oder eine verdünnte Lugolflüssigkeit ge- brauchen. Wenn man nach der Wirkung der Beizflüssigkeit dafür sorgt, die Entfärbung mit Alkohol genau auszuführen, darf man sicher sein, daß die violette Farbe bloß in den parasitären Formen übrig bleibt. Wenn dann ein wenig Violettfarbe auf einigen Elementen des Ge- webes zurückbleibt, wird es mit einer genauen Kenntnis der Formen, welche die Blastomyceten annehmen, nicht schwer sein, die einen von den anderen zu unterscheiden. Es sind vor allem die Leukocyteneinschlüsse zu beachten, weil in einigen Stadien diese von einem wenig geübten Auge als endocelluläre Parasiten betrachtet werden könnten, welche zu den Protozoen gehören, wie ich in der Folge beschreiben werde. Wenn ein Leukocyt in das Innere einer Krebszelle eindringt, um- giebt er sich mit einem hellen Hofe (Fig. 1, 2, 3), welcher zuerst wie ein dünner, heller Ring um das Protoplasma des Zellkörpers des Leuko- eyten herumläuft und dann allmählich sich vergrößert, um das Aussehen einer großen Vakuole anzunehmen. Im Anfange behält der Leukocyt seine normale Form, später aber verliert er sie und beginnt einen Zerstörungsprozeß, dem sehr leicht zu folgen ist, wenn man viele Schnitte einer Epithelialgeschwulst macht. 264 Francesco Sanfelice, Es ist zu bemerken, daß es lange andauert, bis diese Zelleinschlüsse im Alkohol die Farbe abgeben, so daß, wenn man nicht sehr Acht giebt, die Entfärbung zu verlängern, man Gefahr läuft, dieselben fast alle violett gefärbt zu sehen und sie deshalb leichter mit den wahren Parasiten zu verwechseln. Bei der Zerstörung, welcher der in das Innere der Krebszelle gedrungene Leukocyt entgegengeht, verschwindet zuerst das Zellprotoplasma, welches anfängt, dünner zu werden, um dann ganz zu verschwinden. Der Kern verliert seine Normalform und nimmt jene der Fig. 4 und 13 an, wo er leicht mit einem blasenförmigen Kerne eines Protozoen verwechselt werden kann. Der erste Eindruck, den man empfängt, ist, wie wenn eine kleine Amöbe in den Zellkörper eingedrungen wäre. Der Leukocyt fährt fort, sich zu zerstören, und die chromatische Substanz des Kernes erscheint unter der Form von Körnchen ver- schiedener Größe entweder frei (Fig. 7) oder in einer Grundsubstanz enthalten, vielleicht ein Rest des Zellkörpers (Fig. 6). Es kann ferner alle chromatische Substanz des Kernes verschwinden und es kann sich im Inneren der Vakuolen nur ein Rest von Proto- plasma finden von sehr verschiedener Form (Fig. 5) und schwach gefärbt. Wenn die chromatische Kernsubstanz körnig geworden und in einer schwach gefärbten protoplasmatischen Grundsubstanz enthalten ist, könnte man nach*Borrel an eine Evolution des Arkoplasmas denken, aber eine aufmerksame Untersuchung der verschiedenen Formen, welche der Leukocyt in seiner Zerstörung darbietet, bewahrt den Beobachter vor Irrtum. Die von Borrel gegebene Erklärung ist zu einheitlich, um die ver- schiedenen Formen von falschen, anderwärts beschriebenen endocellu- lären Parasiten zu deuten. Es wird wohl keinen Forscher geben, welcher den normalen, in der Vakuole der Krebszelle enthaltenen Leukocyten für einen wahren endo- cellulären Parasiten halten könnte. Aber wenn der Kern, mit der chromatischen Substanz vermischt, sich wie eine kleine gefärbte Kugel in der Mitte des Zellprotoplasmas zusammenzieht, welches seinerseits von dem hellen Hofe umgeben ist, welchen die Vakuole bildet und den der Leukocyt in dem Protoplasma der Krebszelle gegraben hat, dann wird ein in der Erkennung der wahren Parasiten wenig geübtes Auge leicht diese Form mit einem wahren Parasiten verwechseln können, um so mehr, wenn die chromatische Sub- stanz des Kernes violett gefärbt geblieben ist. In diesem Falle ist eine lange Uebung nötig, um das eine von dem anderen zu unterscheiden, allen morphologischen Eigentümlichkeiten der Blastomyceten Rechnung tragend und besonders ihre Kapsel im Auge haltend, welche, wie wir weiter sehen werden, sehr geeignet ist, dieselben von den Zelleinschlüssen und von den Zellentartungen zu unterscheiden. Interessant ist das Studium einiger Entartungen, welche im Proto- plasma der Krebszellen vorkommen, weil sie von einigen Forschern als endocelluläre Parasiten beschrieben wurden, obgleich sie mit den wahren Parasiten nur eine sehr entfernte Aehnlichkeit haben. | Vor allem ist zu bemerken, daß alle diese Entartungsformen nie die y ’ j ‘ DEE WR en Dt eh Da A as u m Un un Zelleinschlüsse, Zellentartungen und endocelluläre Parasiten etc. 265 Violettfarbe annehmen, wenn man die Schnitte mit der obengenannten Methode färbt. Dieselben erscheinen wie hyaline Flecke verschiedener Form mit oder ohne sehr schwach gefärbten Inhalt, um auf keinerlei Weise mit den ehromatischen Resten oder mit chromatischen Kernteilen verwech- selt zu werden. Gerade aus diesem letzteren Grunde glaube ich nicht, daß man diese Formen nach Borrel mit der Evolution des Arko- plasmas erklären kann. | Die hyalinen Flecke ohne Inhalt nehmen eine verschiedene Form an. Einigemale sind sie einzeln, und in diesem Falle können sie klein sein, von mittlerer Größe oder sehr groß, so daß das Zellprotoplasma fast ganz verschwindet und der halbmondförmige Kern dicht an den hyalinen Fleck geheftet erscheint. Viele dieser letzteren Formen sieht man in den der Arbeit Gaylord’s beigegebenen Photogrammen, welche als parasitäre Formen figurieren. j Andere Male kann man mehr hyaline Flecke in dem Protoplasma der Krebszelle erblicken; sie sind entweder voneinander entfernt oder eng verbunden. Seien nun die Flecke einzeln oder in Mehrzahl, so sind sie immer von dem Protoplasma der Krebszelle ohne eine gefärbte Kapsel begrenzt. Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, auf welchem ich bestehe, weil die völlige Abwesenheit einer Membran oder Kapsel den hauptsächlichen Unterschied zwischen diesen pseudoparasitären Formen und den wahren Parasiten bildet. Hier und da verlieren die endocellulären Blastomyceten alle chro- matische Substanz und dann erscheint mit der gentianavioletten Färbung der ganze Körper des Parasiten hyalin, jedoch von einer dünnen, violett gefärbten Membran umgeben. Wenn dann durchaus auch die chromatische Substanz der Membran fehlt, wird die Lichtbrechung des Parasiten besonders gegen die Peri- pherie ihn leicht unterscheiden lassen von einem Flecken der Entartung. Interessant ist auch das Studium der Flecken der Entartung einzeln und mehrfach mit Inhalt. Die Figuren 9, 10 und 11 stellen einzelne Flecken von Entartung mit verschieden geformtem Inhalte dar. Manch- mal hat die im Inneren des Fleckens von Entartung enthaltene Sub- stanz eine unregelmäßige Form mit Fortsätzen, welche an die Pseudo- poden der kleinen Amöben erinnern; andere Male besteht der Inhalt aus - einer kleinen Gruppe kleinster Körnchen; anderemale ist dieser körnige Inhalt des Fleckens der Entartung in einer Grundsubstanz enthalten, welche weniger stark gefärbt ist, als die Körnchen. Sehr schwierig ist es, diese Formen der Entartung mit den wahren Parasiten zu verwechseln. Es fehlen in diesen Formen alle wichtigsten morphologischen Kennzeichen, die man in den Blastomyceten beobachtet. Interessanter ist das Studium der mehrfachen Flecken der Entartung, weil, wie schon gesagt, einige Forscher diese Formen mit den wahren Para- siten des Krebses verwechselt haben. In etlichen Krebszellen giebt es 3 Flecken der Entartung (Fig. 12) und in dem Inneren von jedem sind protoplasmatische, leicht in Rosa gefärbte Massen, welche mehr oder weniger in der Mitte ein minder schwach gefärbtes Körnchen besitzen. In diesen endocellulären Formen ist keine Spur einer "Membran, weil die Grenzen von dem cellulären, nicht entarteten Protoplasma ge- ee | 266 Francesco Sanfelice, bildet sind; der Inhalt der entarteten Flecken erreicht nie die violette Färbung und bietet keine Analogie mit den Blastomyceten dar. Der Inhalt dieser Flecken nimmt seinen Ursprung aus dem Proto- plasma der Zelle selbst und ist nach meiner Meinung ein Rest des Protoplasmas, welches noch nicht die Entartung eingegangen ist. In anderen Zellen (Fig. 14 und 16) bemerkt man kleine, zusammen- gerückte Flecken von Entartung, welche jedes ein kleines, in Rosa ge- färbtes Körnchen, gerade wie das Protoplasma der Zelle, enthält. Andere Male liegen diese kleinen Flecken voneinander ab, wie in den Figuren 15--17—18, und nicht alle zeigen sich im Inneren des Körnchens schwach gefärbt. Nur in dem Falle, daß die im Inneren eines dieser Flecken ent- haltene Masse gleichmäßig und tief violett gefärbt wäre, könnte man sie mit einem jungen Blastomyceten verwechseln, der, in das Innere der Krebszelle eingedrungen, sich mit einem hellen Hofe umgeben hätte. Sehen wir nun, was die Formen sind, die gewöhnlich die Blasto- myceten in dem Inneren der Krebszellen zeigen. In den Blasto- myceten muß man den Inhalt und die Kapsel unterscheiden. Der In- halt kann gleichmäßig und tief violett gefärbt sein und kann den ganzen Körper des Parasiten erfüllen (Fig. 19) oder er kann schwach in Violett gefärbt sein und kann den ganzen Körper des Parasiten ausfüllen (Fig. 25—26). Andere Male ist der Inhalt der Parasiten in 2 proto- plasmatische Teile unterschieden, der eine tiefer gefärbt, der andere weniger. Der tiefer gefärbte Teil ist entweder in der Form einer kleinen, mittleren, von dem weniger tief gefärbten Teile begrenzten Masse ange- ordnet (Fig. 22) oder in Form eines mittleren Körnchens und eines mit dem Mittelkörnchen konzentrischen Ringes (Fig. 23) oder in Form einer runden, mittleren, von einem weniger tief gefärbten Hofe umgebenen Masse (Fig. 24) oder endlich in Form eines von einem weniger tief ge- färbten Hofe umgebenen Körnchens (Fig. 27). Um die verschiedene Form der Kapsel zu erklären, welche die Blastomyceten in den Krebszellen und in den Geweben infolge von Ein- impfung getöteter Tiere darbieten, muß man an die Art und Weise er- innern, wie sich die Blastomyceten unter dem Mikroskop darstellen, wenn sie, vom Organismus genommen, in frischen, nicht gefärbten Präparaten beobachtet werden. Sie sind von einer sehr lichtbrechenden Membran umgeben, welche von verschiedener Dicke ist. Manchmal ist am Aeußeren dieser licht- brechenden Membran eine andere hyaline, und auch diese von ver- schiedener Dicke. Ä Die innere Membran wird wohl mit Recht lichtbrechend, die äußere hyalin genannt. Alle beide stellen die Kapsel des Parasiten vor. Die äußere hyaline Membran ist nichts als ein Produkt der inneren licht- brechenden Membran. Das kann man leicht in den Frischpräparaten zeigen, indem man auf den Rand des Deckgläschens einen Tropfen Essigsäure zusetzt. Wenn die Essigsäure auf einen Blastomyceten wirkt, welcher nur die lichtbrechende Membran darbietet, sieht man nach und nach außerhalb dieser die hyaline Membran sich bilden, und zugleich sieht man die lichtbrechende an Dicke abnehmen. Wenn. die Essigsäure auf einen Blastomyceten wirkt, welcher beide Membranen darbietet, dann sieht man die hyaline Membran an Dicke zu- nehmen auf Kosten der lichtbrechenden. In den gefärbten Präparaten 4 = . k . u > 2 bet u . ö „ 10 ' S E D Re R- = an. Pa Be m { a A N = ö h h h) Ef Do - Tas Pan: ve: Maar PIE & B j nd A My a2 re‘ 2 ö >77 b E . R ä w R & Er Fakt ö j e 4 h 5 ” EN j F Centralblatt £ Bakteriologie Abt 1. Bd KAM Ei Fig. 1 Saufelice del. Verlag von Gustav Fischer, Jena. Litlı.Anst.v 21 f ‘ Saufelice del. Verlag von GustavFischer,Jena _ Lith Änst.v PWeise, Jena. | Zelleinschlüsse, Zellentartungen und endocelluläre Parasiten etc. 267 färbt sich die lichtbrechende Membran intensiv mit den Anilinfarben, während die hyaline sich weniger intensiv färbt. In Fig. 25 zeigt der endocelluläre Parasit die Kapsel gebildet von der lichtbrechenden, tief gefärbten Membran und von der schwach gefärbten, hyalinen Membran. In den Figuren 23 —24—26 sieht man, daß die Parasiten nur die intensiv gefärbte, lichtbrechende Membran zeigen. Manchmal erscheint der protoplasmatische Körper des Parasiten von einer einzigen Membran umgeben (Fig. 19—20), die sich schwach mit Anilinfarben färbt. In diesem Falle muß man vermuten, ent- weder daß die lichtbrechende Membran aufschwellend sich ganz in eine hyaline umgewandelt hat, oder daß die lichtbrechende, weit dünnere Membran sich mit dem chromatischen, mittleren Teile des Parasiten vermischt. In den Parasiten, welche die so geformte Kapsel zeigen, überfärbt man manchmal die violette Farbe mit der roten (Karbolfuchsin), welche man gebraucht, um das Gewebe zu färben, und dann erscheint die hya- line Membran, wie in Fig. 20, rosa gefärbt. Hier und da erscheint der Parasit im Inneren der Krebszelle (Fig. 21) tief gefärbt und läßt keine Membran unterscheiden. In diesem Falle muß man vermuten, daß der Blastomycet nur die lichtbrechende Membran besitzt, welche, tief violett gefärbt, sich mit dem protoplasma- tischen Körper des Parasiten — auch dieser tief gefärbt — vermischt. Wenn der Blastomycet sich auf diese Art zeigt und sich so eine Nische in den Zellkörper der Krebszelle gegraben hat, kann er leicht mit einem Leukocyten verwechselt werden, dessen Zellkörper ver- schwunden ist und. dessen chromatische Kernsubstanz eine Karyolyse ein- gegangen ist. | Es thut nichts, wenn man diese Formen — selbst die parasitären — nicht als solche annehmen will aus dem Grunde, weil sie sich zu- sammen mit diesen anderen mit Kapsel versehenen Formen befinden werden, welche keinerlei Zweifel unterliegen können. Cagliari, August 1901. Erklärung der Tafeln. Sämtliche Figuren sind mit dem Okular 3 und dem Oelimmersionsobjektiv '/,, Ko- ristka gezeichnet. Die Schnitte sind mit Gentianaviolett und Karbolfuchsin gefärbt. Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 13. Verschiedene Formen von Zelleinschlüssen in den Krebszellen. Fig. 8, 9, 10, 11, 12, 14, 15, 16, 17, 18. Verschiedene Formen von Vakuolisation der Zellkörper der Krebszellen. Fig. 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27. Verschiedene Formen von endocellulären Parasiten in den Krebszellen. 268 Galli-Valerio, A qui revient la priorite de la d&couverte du foyer de pesie etc. | Nachdruck verboten. A qui revient la priorit6 de la decouverte du foyer de peste du lac Baikal? Reponse & Mr. le Dr. W. W. Favre. Par le Prof. B. @alli-Valerio & Lausanne. Dans le No. 22 du Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XXX. p. 822 je trouve une note de Mr. le Dr. Favre, au sujet d’une phrase con- tenue dans une de mes articles publies dans ce m&me journal (Bd. XXVIII. No. 24), phrase dans laquelle j’observais que javais moi-möme signale pour la premiere fois en 1897, le foyer de peste bubonique du lac Baikal. Mr. Favre dit que je ne puis pas parler de priorit& parce que la maladie des Arctomys bobac a 6t& decrite en 1895 par les Drs. Bieliavsky et Reschetnikoff. Si Mr. Favre avait pris connaissance de mes travaux parus en 1897, il se serait &pargne& la peine de me donner ce renseignement bibliographique, car il aurait vu que j’avais justement consider& la maladie des Arctomys bobac comme peste bubonique, en me basant sur un resume des travaux des deux medecins susindiques, paru dans la Revue d’hygiene. 1895. p. 941. Or, dans le r&sume en question, il n’y a absolument aucune comparaison avec la peste bubonique, et j’ai donc bien et& le premier & porter pour la maladie des Arctomys bobac le diagnostice de peste bubonique qui n’a et& port par Mr. Favre que 2 annees apres la publication de mon travail, bien que dans tous les journaux on ait vu indiqu& le nom de ce dernier, comme ayant le premier signal& le nouveau et important foyer de peste bubonique. Mon affırmation done reste en entier et avec ca, je considere, pour ma part, finie toute pol&mique. Nachdruck verboten. Ueber den Befund von auf dem Peritoneum des Gavum Douglasii angewachsenen Oxyuriden. [Aus Prof. Chiari’s pathologisch-anatomischem Institute an der deutschen Universität in Prag.] Von Med. univ. Cand. Rudolf Kolb, Demonstrator am Institute. Der Fall betraf eine 42-jährige Frau, deren Leiche am 27. April 1901 im Institute seciert wurde. Nach der mir von Herrn Hofrat Prof. Dr. Pribram gütigst zur Verfügung gestellten Krankengeschichte war bei der Frau 9!/, Monate vor dem Tode wegen Öarcinoms die Ampu- tatio mammae dextrae vorgenommen worden. 7 Monate nach der Ope- ration waren die Erscheinungen einer Metastase im Gehirn aufgetreten, weshalb die Patientin nach weiteren 2 Monaten ins Krankenhaus ge- bracht wurde, wo sie nach 18-tägigem Aufenthalte starb. Die klinische Diagnose lautete: Status post amputationem mammae dextrae. Paresis nervi facialis dextri. Carcinoma metastaticum intracraniale Papillitis n. optici sin. Bronchitis diffusa.. Pneumonia lobularis. In Ueberein- a rt! & ri 4 ” Br: Be Te WE We er > 2 Kolb, Befund von auf dem Peritoneum des Cav. Dougl. angewachsenen Oxyuriden. 269 stimmung hiermit ergab sich bei der Sektion als pathologisch-ana- tomische Diagnose: Status post amputationem mammae dextrae ante menses IX. Carcinoma secundarium cerebri hemisphaerii sin. Pneu- monia lobul. bil. Außer einem männlichen Ascaris lumbricoides im Oesophagus konnten trotz genauer Durchforschung nirgends im Digestionstractus Parasiten gefunden werden. Die Schleimhaut des Rectums erwies -sich als vollständig intact und von mittlerer Blutfülle. Vulva, Vagina, Uterus, Tuben und Ovarien waren normal. Am Beckenperitoneum fanden sich allenthalben verstreut Reiskörnern ähnliche, zum Teil gestielt aufsitzende, zum Teil flach angewachsene, ziemlich harte Knötchen. Im ganzen wurden 10 derselben gezählt. Die Größe, welche diese Knötchen erreichten, schwankte nur wenig. In der Länge maßen die eiförmig gestalteten Gebilde zwischen 4 und 7 mm, in der Dicke zwischen 4 und 5 mm. Bezüglich ihrer Anordnung herrschte keine Regelmäßigkeit; 3 von ihnen saßen an der hinteren Fläche des Uteruskörpers, eines auf dem Peritoneum der Ala vespertilionis dextra, eines an der korrespondieren- den Stelle der linken Seite, eines auf dem Peritoneum der hinteren Fläche des Ligamentum latum sinistrum, je eines in der rechten und linken Bucht des Cavum Douglasii und zwei auf dem Peritoneum der vorderen Fläche des Rectums. Ihre Form war, wie schon erwähnt, länglich, einige erschienen leicht gebogen. Das Peritoneum des Cavum Douglasii war dabei im allgemeinen nur ganz leicht verdickt. In der Nachbarschaft der genannten Knötchen zeigte es aber deutlich die Auflagerung von Bindegewebsmembranen neuer Bildung. Obwohl die Natur der knötchenartigen Gebilde auf dem Peritoneum des Cavum Douglasii zunächst unklar war, wurde doch sofort an die Möglichkeit gedacht, daß es sich hier um Parasiten handeln könnte. Diese Vermutung fand durch die Untersuchung mikroskopischer Präpa- rate von einem der Knötchen (aus der linken Bucht des Cavum Dou- glasii) ihre Bestätigung. Die Schnitte waren nach Alkoholhärtung und Celloidineinbettung angefertigt worden und wurden nach verschiedenen Methoden, und zwar mit Hämatoxylin, Hämatoxylin-Eosin und nach van Gieson gefärbt. Im Centrum eines jeden Schnittes waren ein oder mehrere (bis 3) Durchschnitte eines Wurmes zu sehen. An dem- selben konnte man die Cuticula erkennen und innerhalb dieser reich- liche Eier. Nach außen von der Cuticula folgte eine Detritus-Schicht, die vielerorts so aussah, als wenn hier Eiterzellen zerfallen wären, dann in den Detritus hineingewachsenes Granulationsgewebe mit Riesen- zellen, die oft in sehr großer Menge vorhanden waren und endlich eine Schicht faserigen Bindegewebes mit stellenweiser, kleinzelliger Infiltra- tion. Nach der Größe des Wurmes, nach dem reichlichen Vorhanden- sein der Eier und besonders aber nach der Größe und Form derselben entstand sehr bald die Vermutung, daß es sich um Weibchen des Oxyuris vermicularis handle. Um diese Diagnose zu sichern, wurde ein zweites Knötchen (aus der rechten Bucht des Cavum Douglasii) — dies- mal in lückenloser Schnittserie nach der Methode von Bumpus — mikroskopisch untersucht. Jeder dieser Schnitte wurde gezeichnet. Bei der Rekonstruktion nach diesen Zeichnungen stellte es sich heraus, daß es sich um einen gebogenen Wurm handelte, dessen Länge ganz wohl mit den Maßen eines stärker geschrumpften, weiblichen Exemplars von Ozyuris vermicularis stimmte. Von demselben war noch zu sehen die 270 Rudolf Kolb, Cutieula, die allerdings vielfach in Zerstörung begriffen war (durch an- drängende Leukocyten und Bindegewebszellen; auch Riesenzellen waren hier wieder zu sehen). Innerhalb der Cuticula lagen zahlreichste Eier mit homogener, ziemlich dünner Schale. Im Inneren derselben fand sich eine amorphe, körnige Masse; mitunter gewann man aber auch den Eindruck eines noch vorhandenen Embryos, der zusammengebogen er- schien. In 4 aufeinanderfolgenden Schnitten dieser Schnittserie war auch die Vagina mit der Vulvaröffnung deutlich zu sehen. Nun fertigte ich zum Vergleiche Längs-, Quer- und Schrägschnitte von zahlreichen anderen im Museum konservierten weiblichen, ge- schlechtsreifen Oxyuriden an und zwar wieder nach Alkoholhärtung und Einbettung in Celloidin. Das mikroskopische Bild dieser Schnitte unter- schied sich von dem der durch die Würmer in den beiden Knötchen angefertigten Schnitte nur dadurch, daß hier der Digestionstractus noch deutlich erkannt werden konnte, und die Cuticula die typische Quer- streifung deutlich zeigte. Sonst ergab sich bezüglich der Größe der Durchschnitte durch die Parasiten, bezüglich der Cuticula, besonders aber bezüglich der massenhaft vorhandenen Eier und der Beschaffen- heit derselben weitgehende Uebereinstimmung. Die vergleichende Mes- sung der Eier an den Schnitten von den Weibchen von Oxyuris vermi- cularıs und an denen der in den Knötchen meines Falles eingekapselten Parasiten führte ebenfalls zu einem ganz übereinstimmenden Resultate. Die durchschnittliche Länge betrug hier wie dort 0,05 mm und die Breite 0,024 mm; dieselben Werte sind in den Lehrbüchern von Leuckart, Küchenmeister und Zürn und Braun angeführt. Hiermit war es klar, daß es sich wirklich in meinem Falle um Oxyuridenweibchen handelte, welche in das Cavum Douglasii gewandert und hier angewachsen waren. Die Wanderung war gewiß vor langer Zeit, vielleicht schon in den Jahren der Kindheit der Frau, erfolgt. Dafür spricht nicht nur die vollkommene Einkapselung der Parasiten und das Fehlen jeglicher frischerer entzündlicher Veränderungen auf dem Peritoneum in der Nachbarschaft der Parasiten, sondern auch die Krankengeschichte, der übrige Befund bei der Sektion und die Er- fahrung. Es wurde klinisch nichts von Oxyuriden in den Ausleerungen der Frau gefunden. Bei der Autopsie konnte an keiner Stelle des Di- gestionstractus etwas von Oxyuriden gesehen werden. Die Erfahrung endlich lehrt, daß diese Nematoden am häufigsten in der Kindheit vor- kommen. Am interessantesten ist nun gewiß die Frage nach dem Wege der Wanderung der Oxyuriden in meinem Falle. Ein Hindurchgelangen derselben durch die Darmwand anzunehmen, wäre sehr gezwungen, da hierfür gar kein Anhaltspunkt vorliegt, erweist sich ja die Darmschleim- haut als vollständig intakt ohne irgend welche narbige Veränderungen; ein solcher Durchtritt von Oxyuriden könnte nämlich wohl nur in der Weise stattfinden, daß die Madenwürmer durch Verletzungs- oder Ulce- . rationsstellen der Darmwand in die Bauchhöhle gelangen würden. Dar- über konnte ich in der mir zur Verfügung stehenden Litteratur nichts finden. Viel wahrscheinlicher, ja geradezu sicher erscheint mir vielmehr der zweite, überhaupt denkbare Weg der Einwanderung, nämlich aus dem After entlang dem Perineum in die Vulva und von hier ascen- dierend in die Vagina, den Uterus und durch die beiden Tubae uterinae in das Cavum Douglasii. Freilich konnte in diesen Teilen des Genitales es ik zu ee ee ce Yin e A Pr A Se u TE ERNER U ee A LE 5 En LEN WE. N EN . vn. |. N Befund von auf dem Peritoneum des Cavum Douglasii angewachsenen Oxyuriden. 271 jetzt nichts mehr von Oxyuriden nachgewiesen werden. Weder in der Vulva noch im Uterus konnte Oxyuris angetroffen werden, und auch die Untersuchung der Tuben ergab in dieser Hinsicht ein vollkommen nega- tives Resultat. Nachdem dieselben äußerlich genau abgetastet worden waren, ohne daß irgendwo knötchenartige Gebilde gefühlt werden konnten, wurden sie der Länge nach aufgeschnitten und aufmerksam mit der Lupe durchsucht. Sie zeigten die gewöhnliche Faltung der Mucosa, enthielten aber nirgends einen Parasiten; in zahlreichen, von der Innen- fläche angefertigten Abstreifpräparaten konnten auch mikroskopisch keinerlei Bestandteile von Ozyuris vermiculariıs und namentlich keine Eier nachgewiesen werden. Es hatten also die Oxyuriden hier bei der Durchwanderung des Genitalapparates keinerlei Spuren zurück- gelassen. Daß die Oxyuriden — es scheinen immer nur Weibchen zu wan- dern — vom After am Damme heraufkriechend bei Mädchen und Frauen in die Vulva gelangen, ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung. Auch ihr Hineinkriechen von hier in die Vagina und selbst in den Uterus ist wiederholt beobachtet und beschrieben worden. So schreibt Leuckart davon mit den Worten: „Bei Mädchen und Frauen gelangen die Maden- würmer gelegentlich ihrer abendlichen Auswanderungen aus dem After nicht selten in die Scheide und von da sogar in den Uterus.“ Heller fand bei einer Sektion ein Oxyuris-Weibchen im Scheidengewölbe. Westphalen sah ein solches durch das Speculum im Muttermunde. Benedetti hat bei einer Schwangeren Oxyuriden zwischen der Pla- centa und der Uteruswand gefunden (?). Vix konnte mit der Uterus- sonde bei Anwendung des Speculums, also in einer ganz einwandfreien Weise embryonenhaltige Oxyuris-Eier im Uterussekrete nachweisen. Ueber einen besonders interessanten Fall berichtet jüngst Simons. Er sah nach Einführung des Glasspeculums bei einer 42-jährigen Frau, bei der ein eigentümlich aromatischer Geruch des Fluors sowie dessen milchige, dicke Konsistenz auffiel, ein im Bogen gekrümmtes, etwa 1!/, cm langes, also wohl weibliches Exemplar von Oxyuris vermicularis am Os uteri externum. Dasselbe schlüpfte in schleunigsten, aalartigen Windungen über die eine Portiolippe, um in dem Muttermunde zu ver- schwinden; ungefähr eine Minute später konnte Simons, indem er mittels einer Kugelzange 2!/, cm tief in den Cervikalkanal eindrang, mit dieser ein zweites, auffallend kleines Exemplar des Parasiten ent- fernen. Daß also Oxyuriden in die Scheide und in den Uterus ein- wandern können, ist durch die Litteratur vollkommen sichergestellt. Anders ist es dagegen mit der Frage: Können die in den Uterus eingewandeten Oxyuriden dort auch längere Zeit verweilen oder sogar heimisch werden? Leuckart will diese Frage eher verneinen als be- jahen mit Rücksicht auf die spezifische Ernährungsweise der Würmer; er glaubt auch, daß „der Befund von embryonenhaltigen Oxyuris-Eiern im Uterussekrete von Vix nichts entscheiden könne, da die Eier von den Oxyuriden gewöhnlich bald nach dem Hervorkriechen aus dem After abgesetzt werden.“ Auch Davaine sagt, daß die Angaben über das Fortleben von in den Uterus eingedrungenen Oxyuriden wenig Wahr- scheinlichkeit besitzen. Simons dagegen neigt nach seinem Befunde der Annahme einer Ansiedelung von Parasiten im Inneren des Uterus zu. Könnte eine solche stattfinden, so würde das Weiterwandern der ÖOxyuriden durch die Tuben leicht zu verstehen sein. Doch auch ohne 272 Kolb, Befund von auf dem Peritoneum des Cav. Dougl. angewachsenen Oxyuriden. eine solche Voraussetzung kann gelegentlich das Weiterwandern von in | den Uterus eingedrungenen Oxyuridenweibchen in die Tuben bis auf das Peritoneum ganz wohl begriffen werden; die Oxyuriden machten eben nicht im Uterus Halt, sondern setzten ihre Wanderung noch weiter fort. Erst als sie ins Cavum Douglasii gekommen waren, mußten sie dort auf das Peritoneum als Entzündungserreger einwirken und dann selbst absterben. Durch die von ihnen angeregte Entzündung, von der es merkwürdig ist, daß sie nicht eine sehr viel größere Exten- sität gewonnen hatte, kam es schließlich zu einer Abkapselung und An- wachsung der Parasiten auf dem Peritoneum. Durch den von mir be- schriebenen Fall ist also — wie ich glaube — dargethan, daß gelegent- lich Oxyuridenweibchen durch den Genitalschlauch ins Cavum Douglasii selangen können. In meinem Falle hatten sie hier nicht viel Schaden angerichtet, indem sie zur Einkapselung kamen. Es wäre aber nicht undenkbar, daß in einem anderen Falle derartig wandernde Oxyuriden als Träger bakterieller Infektionskeime fungieren könnten und so etwa bei ihrem Austritte aus den Tuben in die Bauchhöhle schwere Peri- tonitis hervorrufen könnten, ein Umstand, auf den gegebenen Falles Be- dacht zu nehmen wäre. Das Präparat meines Falles wurde sub No. 5334 im Museum des Institutes aufgestellt. Prag, 26. Januar 1902. Litteratur. Braun, Die tierischen Parasiten des Menschen. II. Aufl. 1895. Davaine, Traite des Entozoaires et des maladies vermineuses. 1877. Heller, v. Ziemssen’s Handbuch VII. Huber, Bibliographie der klinischen Helminthologie. 1893. Heft 5/6. Küchenmeister u. Zürn, Die Parasiten des Menschen. II. Aufl. 1831. Leuckart, Die menschlichen Parasiten und die von ihnen herrühreuden Krankheiten. I. Aufl. Bd. II. 1876. Simons, Entozo@n in der Gebärmutter. (Oentralbl. f. Gynäk. 1899. p. 777.) Inhalt. Kasparek, Theodor, Ueber eine Tauben- Originalmitteilungen. Galli-Valerio, B., A qui revient la prio- rit&E de la decouverte du foyer de peste du lac Baikal?, p. 268. Geisenberg, Karl, Ein Fall von Tuber- culosis pulmonum eines Ursus Malaianus, p. 248. Harrison, C., The Duration of the Life of the Tubercle Bacillus p. 250. Hirota, K., Ueber die Infektion vom un- verletzten Bindehautsacke aus, p. 225. in Cheese, epizootie, verursacht durch Invasion von ; Heterakis perspieillum, p. 245. ' Kolb, Rudolf, Ueber den Befund von auf dem Peritoneum des Cavum Douglasii ' angewachsenen Oxyuriden, p. 268. Sanfelice, Francesco, Zelleinschlüsse, Zellentartungen und endocelluläre Para- siten bei bösartigen Geschwülsten, p. 254. ' Wood, G. E. Cartwright, On the differ- ence in action of the homoeoplasmatic and heteroplasmatic toxines produced by the Diphtheria bacillus, p. 241. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. 4 & CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale Ä In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXI. Band. ->- Jena, den 12. März 1902. —- No. 7. Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfgz , für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatis für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Original-Mitteilungen. Nachdruck verboten. Zur Aetiologie des Keuchhustens. Von Prof. Livio Vincenzi in Sassari (Sardinien). Mit 1 Tafel. Als Erreger des Keuchhustens habe ich (Sull’eziologia della pertosse. «Atti della R. Accademia di Medicina in Torino. Anno LXI. Vol. IV. Fasc. 5—7.) — Zur Aetiologie der Tussis convulsiva. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. No. 40) ein kleines Bakterium von ovaler Form, un- beweglich, mit negativer Gram-Färbung und sehr kurzer Lebensdauer beschrieben. Charakteristisch sind seine Kolonieen auf Agarplattenkulturen. Sie sehen wie „kleine glänzende Massen aus, mit einem licht- brechenden Punktin derMitte, und bei lateralem Lichte erscheinen sie wie kleine Schneehäufchen mit ausge- höhlter Spitze“. Erste Abt. XXXI. bad. 19 274 Livio Vincenzi, Das Bakterium wurde zuerst aus dem Sputum zweier Mädchen mit höchst schweren Anfällen (subconjunctivale Blutungen, Blutungen aus der Nase und aus den Luftwegen) isoliert; dann bei 16 weiteren Kranken. | Nur aus Sputen mit einer großen Anzahl kleiner Bakterien von ovaler Form wurden Plattenkulturen angestellt. Ich brauchte folgende Nährböden: Agar, Glycerinagar, Blutagar (Menschenblut), Serum und Loeffler’sches Serum. Das Sputum wurde direkt ausgestrichen. Blutserum wie Loeffler’sches Serum zeigten sich für die Züch- tung des ovalen Bakteriums ungeeignet; Blutagar hatte im Vergleich mit Agar und Glycerinagar gar keinen Vorteil. In solchem Substrat wachsen die Diplokokken und Streptokokken so üppig, daß die charakte- ristischen Kolonieen des Coccobacillus der Tussis convulsiva leicht überwuchert werden und nicht mehr sichtbar sind. ‘Auf Plattenkulturen war die Lebensdauer des kleinen Bakteriums immer sehr kurz; schon nach 48 Stunden bekam man keine weitere Uebertragung mehr. Aus den Platten mit reichlichem Wachstum der oben beschriebenen Kolonieen gelang es mir manchmal, positive Abimpfungen auf Bouillon, Milch und gewöhnlichen Agar zu erreichen. Bouillon wurde ganz leicht getrübt und nahm nach 2 oder 3 Tagen ihre Transparenz wieder an. Milch gerann in 24 Stunden. | | In jedem Substrat (auch im Blutagar) war die Lebensenergie des kleinen Bakteriums in kurzer Zeit vollständig erschöpft. Weder Mäuse noch Meerschweinchen, Kaninchen und Hunde zeigten sich für den Mikroorganismus empfindlich. Intratracheale Inokulationen bei Kaninchen und Hunden blieben auch erfolglos. Wie ich in meiner italienischen Arbeit ausdrücklich bemerke, soll das Sputum absolut nicht gewaschen sein. Die mikroskopische Untersuchung allein lehrt, für welche Fälle das bakteriologische Studium geeignet ist. Das von mir kultivierte Bakterium hat mit dem Polbakterium von Czaplewski und Hensel (Deutsche med. Wochenschr. 1897. No. 37) nichts zu thun. Es ist auch mit dem Diplococeus von Ritter, Buttermilch (Ritter, Berl. klin. Wochenschr. 1892. No. 50. — Ebenda. 1896. No. 47/48. — Buttermilch, Berl. klin. Wochenschr. 1899. No. 17) nicht zu verwechseln. Was den Pertussisbacillus von Spengler (Deutsche med. Wochenschr. 1897. No. 52. — Centralbl. f. Bakteriologie. Bd. XXIX. 1901. No. 18. p. 713) anbetrifft, so zweifle ich an einer Identität mit demselben. Erstens sind die Kolonieen dieses Bacillus tautropfenartig und klarer als diejenigen des Influenzabacillus ; zweitens gelingen die Ueberimpfungen auf Blutagar (vorausgesetzt, daß die Kulturen vor Eintrocknung geschützt sind) innerhalb 12 Tagen bei- nahe immer. Eine Lebensdauer also, die mit jener meines Coccobacillus gar nicht stimmt. Dagegen finde ich eine Identität mit dem von Jochmann und Krause isolierten influenzaähnlichen und als Bacillus pertussis Eppendorf bezeichneten Stäbchen. (Zeitschr. f. Hygiene u. Infektions- krankheiten. Bd. XXXVI. Heft 2.) Dieses Bakterium ist auch oval, unbeweglich, mit negativer Gram- Färbung, kurzer Lebensdauer, und was die Hauptsache ist, es giebt auf Blutagar nicht nur ähnliche, sondern identische Kolonieen (Fig.1 u. 2). EEE EN 2 Br EI EEE WECEUELEBE 30,07 1220 EEE m Zur Aetiologie des Keuchhustens. 275 Im Gegensatz zu meinem Coccobacillus sollte der Mikroorganismus von Jochmann und Krause ausschließlich auf hämoglobinhaltigen Nähr- böden gedeihen. Wie ich oben sagte, wurden von mir auch Blutagarkulturen an- gestellt und ganz dieselben Kolonieen wie auf gewöhnlichem Agar ge- funden. Ist nun das Blut für das Wachstum des sogenannten Eppen- dorfer Bacillus unbedingt notwendig, so wissen doch Jochmann und Krause, daß das Keuchhustensputum in vielen Fällen Blut enthält. In meiner Arbeit schrieb ich (Deutsche med. Wochenschr. 1898. No. 40): „in den mit Fuchsin gefärbten Trockenpräparaten fand ich in den ersten Fällen keine spezielle Bakterienart, aber in einem weiteren Falle, der ein 31/,-jähriges Mädchen mit typischen und höchst schweren An- fällen mit Nasenbluten und Blutungen aus den Luftwegen betraf, sah ich eine sehr große Anzahl ganz kleiner Bakterien von ovaler Form. Solche Mikroorganismen, fast in Reinkultur, waren regellos zerstreut frei. Aus diesem Sputum stellte ich Plattenkulturen auf verschiedenen Nährsubstraten her. In Agarkulturen bei 37° GC konnte ich nach 24 Stunden eine bedeutende Anzahl kleiner und sehr eigentümlicher Kolonieen bemerken“ ; und weiter: „In dem Sputum eines 8-jährigen Mädchens mit sehr heftigen Keuch- hustenanfällen, welche bedeutende subconjunctivale Blutungen, Blutungen aus der Nase und aus den Luftwegen hervorriefen, konnte ich wieder eine so kolossale Anzahl desselben Bakteriums finden, daß ich zu der Vermutung kam, solchen Mikroorganismus als möglichen Erreger der Krankheit anzusehen. Diese Vermutung wurde durch meine folgenden zahlreichen Studien bestätigt. In 18 Keuchhustenfällen gelang es mir, denselben Mikro- organismus in sehr verschiedener Menge, doch immer in bedeutender Anzahl zu finden und zu isolieren.“ In den von mir ausgewählten Kranken war das Sputum nie ohne Spuren von Blut, d. h. es enthielt schon in sich den Nährstoff für das Wachstum des genannten Eppendorfer Bacillus. Jochmann und Krause können daher sicher sein, daß gerade für das Keuchhustensputum die Aussaat auf Blutagar nicht absolut notwendig ist. Einmal bewiesen, daß das Keuchhustensputum Blut enthält, und der Gebrauch von Blutagar, wenn der Auswurf direkt ausgestrichen wird, überflüssig ist, so werden Jochmann und Krause nicht leugnen, daß die auf gewöhnlichem Agar stark lichtbrechend erscheinen- En Kolonieen nicht aus ihren ovoiden Kurzstäbchen zusammengesetzt sind. Aber Sie werden erwidern: Für die Weiterzüchtung unseres Bacillus auf künstlichen Nährböden ist unbedingt erforderlich, daß dieselben Hämoglobin enthalten, und für Ihren Bacillus ist das nicht notwendig. Hier fällt mir ein, was die Autoren selbst schreiben: „Daß die Ansichten über die biologischen Eigenschaften des be- treffenden Bakteriums so verschieden sind, scheint uns an dem Mangel einer einheitlichen Untersuchungsmethode zu liegen. Solange der eine Untersucher nur gewöhnlichen Agar verwendet bei der Aussaat des Sputums auf eine Originalplatte, der andere nur Blutagar ..., so lange kann selbstverständlich eine Einigung über die biologischen Eigentüm- 19* 276 Y. Tashiro, lichkeiten der im Ausstrichpräparate gesehenen Kurzstäbchen nicht erzielt werden.“ Ganz richtig; aber ich füge noch hinzu: Wenn Jochmann und Krause das Keuchhustensputum ordent- lich waschen und keine Kolonieen ihres Bacillus auf gewöhnlichem Agar bekommen, so können sie doch nicht behaupten, daß dasselbe Resultat auch mit dem direkt auf Agar ausgestrichenem Sputum zu erwarten ist. Und sind die Kolonien des kleinen ovalen Stäbchens auf gewöhnlichen Agar gewachsen (mit Hilfe ihres naturellen, unveränderten Nährbodens, d. h. des Sputums selbst), so sind Jochmann und Krause nicht berechtigt, zu sagen, daß weitere Ueberimpfungen auf Agar, Bouillon etc. nicht gelingen können. Wissen die Autoren vielleicht nicht, was für einen bedeutenden Einfluß auf das Leben der Bacillen die verschiedenen Nährböden haben, und gerade die erste angewandte Nährsubstanz ? Jochmann und Krause können nur aufrecht halten, daß nach ihrem Waschverfahren der kleine, ovale, unbewegliche Bacillus auf Blutagar, und nur auf Blutagar gedeiht, weiter nichts. Und so fällt ihre Behauptung, daß der Eppendorfer Bacillus etwas anderes als mein Coccobacillus ist, ganz weg. Nachdruck verboten. Uebertragungsversuche von Lepra auf Tiere. [Aus dem hygienischen Institut der Universität Tokyo (Direktor: Prof. Dr. M. Ogata).] Von Dr. Y. Tashiro. Es darf als sicher gelten, daß der Leprabacillus der alleinige Er- reger der Lepra ist; aber es ist bisher noch niemals mit Sicherheit gelungen, die Lepra auf Tiere zu übertragen, obwohl zahlreiche dies- bezügliche Versuche bereits angestellt worden sind. Daher hat die Leprakonferenz mit vollem Rechte im Jahre 1898 sich dahin ausge- sprochen, daß die Lepra eine ausschließlich dem Menschen eigentümliche und nicht auf Tiere übertragbare Krankheit sei. Trotzdem setzte ich die bereits vorher auf Anregung und mit freundlicher Unterstützung meines verehrten Lehrers, des Herrn Prof. Dr. M. Ogata, begonnenen diesbezüglichen Versuche fort, um mir ein eigenes Urteil in dieser Frage bilden zu können. | Als Versuchsobjekte dienten 15 Kaninchen. 4 Tieren wurden Knoten in die Bauchhöhle, 2 Tieren erkrankte Nervenstückchen in den Duralraum der Schädelhöhle implantiert; den übrigen Tieren wurde 1/, Pravaz’sche Spritze einer Lösung injiziert, welche ich in folgender Weise herstellte: Die Knoten wurden erst fein zerschnitten und unter Zusatz von 0,6-proz. Kochsalzlösung im Mörser verrieben. Und zwar wurde 2 Tieren die Lösung submueös in die Nase, 2 weiteren submucös in die Conjunctiva bulbi, 2 in den einen vorher gequetschten Hoden, 1 in den einen unversehrten Hoden injiziert. | Von größerem Interesse ist vielleicht der Befund an einem dem- nächst erwähnten Kaninchen, das 78 Tage nach der Implantation eines | Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. XXX]. Vincenzi, Aetiologie des Keuchhustens. Fig. 1. Reinkultur von meinem Coccobacillus auf Agar. Vergr. 15:1. Zeiss Photogr.- Fig. 2. Glycerin-Blutagarplatte mit Kolonieen des Bac, pertussis Eppendorf und einer Lanceolatuskolonie im linken oberen Quadrantum. Vergr. 20:1. Gummel Photogr. Die Kolonieen zeigen einen deutlichen lichtbrechenden Punkt in der Mitte. Verlag von Gustav Fischer in Jena. | Uebertragungsversuche von Lepra auf Tiere. 977 Knotens in die Bauchhöhle getötet wurde. Bei der Sektion fand ich den eingeimpften Knoten auf dem ÖOmentum majus fixiert, von einer neugebildeten bindegewebigen Membran (Kapsel) umgeben ; im übrigen zeigten sämtliche Organe keine makroskopisch sichtbaren pathologischen Veränderungen. Im Strichpräparate von Knoten waren zahlreiche Lepra- bacillen nachweisbar, aber noch massenhafter fand ich die letzteren in Strichpräparaten, welche ich von der inneren Fläche der Membran an- fertigte. Von den inneren Organen sind die Nieren diejenigen, welche einzeln liegende oder knäuelartig zusammengeballte (Leprazellen!) Ba- eillen in reichlicher Menge enthielten; in Strichpräparaten von Leber, Milz und Lungen waren die Bacillen nur in spärlicher Anzahl nach- weisbar; im Herzblute fanden sich keine Bacillen. Unter den Schnitt- präparaten, welche ich von allen möglichen Stellen solcher Organe, die in Strichpräparaten die Bacillen zeigten, anfertigte, konnte ich allein in Nierenschnitten die Bacillen konstatieren, aber selbst hier waren die Bacillen gegen meine Erwartung nur in sehr geringer Anzahl zu finden; sie waren meist in die Fettkapsel, nur in einem einzigen Präparate in die äußerste Rindenschicht eingelagert. Zweitens wurden Meerschweinchen, 15 an der Zahl, zum Versuche benutzt; jedem dieser Tiere wurde !/, Pravaz’sche Spritze obiger Emulsion intraperitoneal oder subkutan in die Bauchwand eingespritzt. Bei 2 Meerschweinchen, von denen das eine am 7. Tage nach der subkutanen Impfung spontan starb, konnte ich die Bacillen sowohl an der Impfstelle als auch in den Inguinaldrüsen und der Milz nachweisen, ferner bei einem anderen, welches 49 Tage lebte, gleichfalls sowohl an der Impfstelle wie in den Inguinaldrüsen; ein 4. starb nach 58 Tagen; bei diesem waren die Bacillen bloß an der Impfstelle nachweisbar; ein 5. nach 70 Tagen; bei diesem waren die Baecillen nirgends aufzufinden. Bei einem Meerschweinchen, welches am 5. Tage nach der intra- peritonealen Einspritzung spontan starb, ließen sich die Bacillen in der Bauchhöhle, der Milz, Leber, in den Nieren und Mesenterialdrüsen nachweisen; bei einem anderen, welches ich nach 24 Tagen tötete, waren die Bacillen bloß in der Leber und Milz vorhanden. Die übrigen teils subkutan, teils intraperitoneal geimpften Tiere habe ich zwischen 42 und 50 Tagen nach der Impfung getötet; bei ihrer Untersuchung fand ich, daß die Bacillen spurlos verschwunden waren. Ferner habe ich geimpft 4 Hühner (2mal Implantation eines Knotens in den Kamm, 2mal in den M. pectoralis major), 4 Kanarienvögel und 2 Tauben (subkutane Einspritzung !/, Pravaz’sche Spritze in die Bauchwand). Die Tiere habe ich 2—3 Wochen nach der Impfung getötet, aber bei keinem dieser Versuchsobjekte konnte ich die Bacillen nachweisen. Einem großen, starken, männlichen Affen habe ich einen Lepra- knoten in die Bauchhöhle und einen zweiten Knoten in den einen Hoden implantiert; nach 120 Tagen wurde der Affe getötet; die eingeimpften Knoten sind sehr stark reduziert und waren infolgedessen nur schwer als solche zu erkennen; sie enthielten keine Bacillen mehr. Das Resultat meiner Tierversuche ist also, wie bisher stets, ein negatives, da es mir nicht gelungen ist, bei den Tieren lepröse Ver- änderungen zu erzeugen. Vielmehr zeigen die Versuche, daß die Lepra- bacillen zwar eine Zeit lang nach der Impfung in den verschiedenen Organen nachweisbar sind, dann aber immer seltener werden und 278 A. Moeller, schließlich vollständig verschwinden, ohne irgend eine Läsion in irgend einem Organe zu hinterlassen. Daß bei der Implantation von Lepra- knoten die Bacillen immer in größerer Anzahl und länger nachweisbar bleiben, wie bei der Einspritzung geringer Menge fein verriebenen Materials, läßt sich nach meiner Ansicht ohne Zwang daraus erklären, daß im ersteren Falle dem Tierkörper. geringere Mengen von Lepra- bacillen einverleibt wurden, da ja bekanntlich der Lepraknoten massen- haft Bacillen enthält. Wenn ferner bei intraperitonealer Einspritzung die Bacillen rascher aus dem Tierkörper, als bei subkutaner, verschwinden, so hing das nach meiner Ansicht mit der außerordentlichen Resorptions- fähigkeit des Peritoneums zusammen. Nach meinen Untersuchungen ist also der Tierkörper gegen Infektion mit Leprabacillen absolut unempfänglich und der Ausspruch der Lepra- konferenz, daß die Lepra eine nur dem Menschen eigentümliche Krank- heit sei, bleibt daher vorläufig zu Recht bestehen. (Auszug aus seiner japanisch publizierten Arbeit.) Nachdruck verboten. Der Smegmabaeillus, Von Dr. A. Moeller in Belzig. Mit 2 Tafeln. Bei meinem Studium über das Vorkommen säurefester Bakterien bei Menschen und Tieren hat mich selbstverständlich auch das Vor- handensein säurefester Bakterien im Smegma auf das lebhafteste inter- essiert und habe ich mich seit Jahren damit beschäftigt. Das große Interesse, das heute der Frage der säurefesten Bakterien entgegen- gebracht wird und welches besonders aktuell geworden ist durch die interessanten Mitteilungen Koch’s über Agglutination auch der Pseudo- tuberkelbacillen bei Tuberkulose, bestimmten mich, den Arbeiten über Smegma mich eingehender wieder zuzuwenden, und ist es mir jetzt ge- lungen, aus Hautsekret einen säurefesten, tuberkelbacillenähnlichen Bacillus in Reinkultur zu züchten, der auf Grund unserer Kenntnisse über das Vorkommen bestimmter Formen säurefester Bakterien im Smegma als der echte Smegmabacillus anzusehen ist. Der Smegmabacillus wurde zuerst im Jahre 1885 von Tavel und Alvarez!) beobachtet. Er wurde gefunden im normalen Hautsekret, besonders da, wo eine Ansammlung von Epithelien stattfinden kann, wie in der Anal- und Vulvalgegend, in der Schenkelbeuge, zwischen den Zehen u. s. w. Der Smegmabacillus wird von den Autoren als dem Tuberkelbacillus äußerst ähnlich bezeichnet, morphologisch eine größere Variabilität zeigend als der Tuberkelbacillus, tinktoriell verhalte er sich nach den üblichen Färbemethoden gleich diesem. Es ist Tavel und Alvarez nicht gelungen, den Bacillus in Reinkultur zu gewinnen; Impfversuche bei Tieren blieben ohne Erfolg. Fast zu gleicher Zeit erschien von Matterstock?) ein Bericht 1) Tavel et Alvarez, Recherches sur le bacille de Lustgarten. (Arch. de physiolog. norm. et pathol. 1885. No. 7.) N 2) Matterstock, Ueber Bacillen bei Syphilis. (Mitteil. aus d. med. Klinik d. Universität Würzburg. Bd. VI. 1885.) Der Smegmabacillus. 279 über säurefeste Bakterien im Smegma, welche nach Angaben des Autors in Bezug auf Morphologie und Färbbarkeit im wesentlichen ein gleiches Verhalten zeigen, wie der von Tavel und Alvarez beschriebene Smegmabacillus. Eine Reinzüchtung ist auch Matterstock nicht gelungen. Im Jahre 1897 berichteten Laser!) und Czaplewski?’) zu gleicher Zeit über die Reinzüchtung eines säurefesten Mikroorganismus, der von den Autoren als identisch erklärt, von ihnen als der Smegmabacillus ausgegeben wurde. Laser hat ihn aus dem Sekret syphilitischer Affektionen, Czaplewski aus gonorrhöischem Eiter gewonnen. Dieser Bacillus ist morphologisch dem Diphtheriebacillus ähnlich; tinktoriell erwies er sich als säurefest, wie ich selbst beobachtet habe. Es wurde mir nämlich seiner Zeit von Herrn Privatdozenten Dr. Ozaplewski liebenswürdigerweise eine Kultur zur Verfügung gestellt. Hieraus an- gefertigte Präparate bewiesen mir die Säurefestigkeit der Bakterien. Nachdem ich dieselben einigemale übergeimpft hatte, war jedoch die Säurefestigkeit nahezu verloren gegangen. Dieselbe Beobachtung, daß die späteren Generationen an Säurefestigkeit starke Einbuße erleiden, hat ©. Fränkel?°) gemacht an Reinkulturen dieser Bakterien, die er selbst isoliert hatte — er erklärte dieselben mit den von Laser und Czaplewski gewonnenen identisch — und an einer Kultur, die ihm von dem Kräl’schen bakteriologischen Institut zugegangen war und nach Angaben von Kräl in ununterbrochener Linie von der Cza- plewski’schen Stammkultur herrührte. Bei dieser Kräl’schen Kultur war nach Fränkel’s Angaben die Säurefestigkeit bis auf einen be- scheidenen Rest verschwunden, während sie bei der von ihm gezüchteten etwas standhafter geblieben, aber doch so weit verloren gegangen war, daß nach wenigen Ueberimpfungen etwa nur noch !/, der vorhandenen Stäbchen sich als säurefest erwies. Neufeld*) hat gleichfalls aus Smegma diesen diphtheroiden säure- festen Bacillus gezüchtet. Er erklärt, daß die von ihm reingezüchteten Bakterien morphologisch von den Czaplewski’schen nicht zu unter- scheiden sind; in Bezug auf tinktorielles Verhalten führt er an, daß seine Bakterien eine ziemliche Resistenz gegen Säure besitzen, jedoch leicht durch Methylenblau umgefärbt werden können. Neufeld hat auch wieder- holt die tuberkelbacillenähnliche säurefeste Bakterienart im Smegmasekret beobachtet und hat bei diesen eine erheblich größere Säureresistenz konstatiert, als an den diphtheriebacillenähnlichen und deshalb schon länger die Vermutung gehegt, es seien im Smegma ver- schiedene Arten säurefester Bakterien enthalten. Diese Vermutung findet er durch die Züchtungsversuche bestätigt, da die von ihm und Czaplewski reingezüchteten Bakterien sich ganz wesentlich von den tuberkelbacillenähnlichen unterscheiden. In 2 Fällen hat er im Smegma die tuberkelbacillenähnlichen säurefesten Bacillen in fast überwiegender Zahl gegenüber den nicht säurefesten Bakterien enthalten 1) Laser, Ueber Reinkulturen der Smegmabacillen. (Münch. med. Wochenschr. Y ; 2) Czaplewski, Zur Kenntnis der Smegmabacillen. (Münch. med. Wochenschr. 7.) 3) Fränkel, C., Zur Kenntnis der Smegmabacillen. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. XXIX. No. 1.) 4) Neufeld, Ludwig, Beitrag zur Kenntnis der Smegmabacillen. (Arch. f. Hyg. Bd. XXXIX. Heft 2.) 280 A. Moeller, sehen. Bei hieraus angestellten Züchtungsversuchen hat er eine Ver- mehrung der tuberkelbacillenähnlichen Bakterien beobachtet. In dem einen Falle ist es ihm sogar gelungen, isolierte Kolonieen dieser Bak- terien nachzuweisen. Die Kolonieen zeigten mikroskopisch etwa die Größe einer Plattenepithelzelle. Aehnlichkeit mit der diphtheroiden Form war nicht vorhanden. Als bemerkenswert führt er an, daß diese Bakterien einen erheblichen Grad von Resistenz sowohl gegen Säure wie gegen Alkohol besitzen. Nach 30 Sekunden langer Entfärbung mit 3-proz. Salzsäurealkohol hat sich bei Nachfärbung mit 10-proz. wässerig-alkoholischer Methylenblaulösung kein blaugefärbter Bacillus entdecken lassen. Reinkulturen dieser tuberkuloiden Bakterien zu gewinnen, ist Neufeld nicht ge- lungen. Neufeld kommt zu dem Schlusse, daß im Smegma mindestens 2 Arten säurefester Bakterien enthalten sind, die tuberkuloide und die diphtheroide Form, die sich nicht miteinander identifizieren lassen. C. Fränkel hat neben den von ihm rein gezüchteten diphtherie- ähnlichen Bakterien gleichfalls die tuberkelbacillenähnlichen, wie sie von Tavel und Alvarez zuerst beschrieben, von C. Fränkel und R. Pfeiffer in ihrem Atlas abgebildet worden sind, im Smegma be- obachtet und ist der Meinung, daß nur diese als echte Smegmabacillen anzusprechen sind. Was den Fundort dieser echten Smegmabacillen betrifft, so kann ich die Angaben von Tavel und Alvarez, man fände sie vorwiegend auf desquamierten Epithelien und in deren Umgebung, bestätigen, und zwar habe ich sie in besonders reicher Anzahl an solchen Körperstellen gefunden, wo sich die abgestoßenen Epithelien mit normalem Haut- sekret vermengt längere Zeit halten können, wie z. B. in der Nabel- furche. In einem Falle habe ich in dem hieraus entnommenen Haut- sekret nach Anwendung des Anreicherungsverfahrens eine derartige Vermehrung der tuberkelbacillenähnlichen Bakterien beobachten können, daß ich bestimmt auf das Gelingen der Reinkultivierung hoffen durfte. Dieselbe gelang mir aber trotz eifrigsten Arbeitens nicht, denn die Bakterien zeigten ein derartig langsames Wachstum, daß sie nach kurzer Zeit von den zahlreichen anderen, nicht säurefesten Mikroben über- wuchert wurden. Durch ein besonderes Verfahren, auf welches ich aber eigentlich aus Zufall gekommen bin, ist es mir nun jetzt gelungen, den echten Smegmabacillus rein zu züchten. Gelegentlich meiner Beschäftigung mit dem Koch’schen Agglutinationsverfahren suchte ich das hierzu er- forderliche Serum dadurch zu gewinnen, daß ich ein blasenziehendes Pflaster (Empl. cantharid.) auf die Haut auflegte. Bei gelegentlich vor- genommenen Untersuchungen fand ich nun, und zwar bei einem Ge- sunden — denn ich stellte die Agglutinationsversuche auch bei Ge- sunden an — in dem mit zahlreichen Epithelien vermengtem Serum, welches zurückgeblieben war, nachdem ich zu meinen Agglutinations- versuchen die Hauptmasse entnommen hatte, säurefeste, tuberkelbacillen- ähnliche Stäbchen in allerdings nicht sehr reichlicher Menge. Dieses Serum, in welchem die abgehobenen Hautfetzen in sehr reichlicher Menge enthalten waren, stellte ich in den Brutschrank. Nach ca. 48 Stunden konnte ich in angefertigten mikroskopischen Präparaten eine deutliche Vermehrung der Bacillen beobachten. Nach ca. 3—4 Tagen hatte sich ein auf der Oberfläche schwimmendes trockenes Häutchen PREV Der Smegmabaeillus, 281 gebildet, in dem sich die fraglichen Bakterien in ganz enormen Mengen nachweisen ließen, so daß es mir nun mit nicht allzu großer Mühe ge- lang, sie zu isolieren, und zwar mittels Strichkultur auf Glycerinagar- platten. Daß das menschliche Serum für den Smegmabacillus ein günstiger Nährboden ist, bewies mir ein weiterer positiv ausfallender Züchtungs- versuch; während alle meine bisherigen Versuche, wie schon oben an- seführt, negativ ausfielen, gelang es mir, den Smegmabacillus aus dem einer Nabelfurche entnommenen Sekret zu isolieren, als ich dasselbe mit menschlichem Serum vermischt anreicherte. In Bezug auf Morphologie bietet der Bacillus eine große Variabilität. In jugendfrischen Kulturen zeigt er sich als ein schlankes, zuweilen leicht gekrümmtes Stäbchen und ist so den Tuberkelbacillen oft täuschend ähnlich. In älteren Kulturen wird er meist plumper. Auf die Polymorphie hat die Art des Nährbodens, auf den man ihn bringt, großen Einfluß. Besonders in Milchkulturen findet man sämt- liche pleomorphe Formen, wie sie der Tuberkelbacillus aufweist, wie Fäden, Stäbchen mit unfärbbaren Vakuoien, mit kolbenförmigen An- schwellungen, mit intensiv sich färbenden Körnern, Coccothrixformen. Die Bacillen besitzen keine Eigenbewegung. Tinktoriell verhält sich der Bacillus den üblichen Tuberkel- bacillenfärbungsmethoden gegenüber wie der Tuberkelbacillus. Er ist absolut säure- und alkoholfest ohne Unterschied des Nährbodens, auf dem er gewachsen ist. Bei einer 12 Minuten langen Einwirkung von 3-proz. Salzsäurealkohol tritt keine Entfärbung ein. Die Bacillen lassen sich auch auf kaltem Wege mit verdünntem Karbolfuchsin färben. Den von Bunge und Trantenroth und von Pappenheim angegebenen Differenzialfärbungsmethoden gegenüber verhält sich der reingezüchtete Smegmabacillus genau so wie der Tnberkelbacillus. Die Säure- und Alkoholfestigkeit erleidet auch bei späteren Generationen keine Einbuße; beispielsweise erwiesen sie sich in der 25. Generation noch ebenso säure- und alkoholfest wie in der Stammkultur. Die Bacillen zeigen ein großes Sauerstoffbedürfnis; bei Luftzutritt wachsen sie sehr üppig, während sich in Stichkulturen nur ein sehr kümmerliches Wachstum dem Stiche entlang entwickelt. In den ersten Generationen zeigte der Bacillus auch bei Brut- temperatur ein ziemlich langsames Wachstum. Erst nach ca. 5 Tagen war bei der Entwickelung der Stammkultur ein deutlicher Ansatz von Kolonieen dem bloßen Auge sichtbar; nach wiederholten Ueberimpfungen, nachdem der Bacillus sich dem künstlichen Nährboden angepaßt hatte, hat sich die Wachstumsgeschwindigkeit erheblich ver- größert. Schon nach 24 Stunden ist bei Brüttemperatur Ansatz von Kolonieen zu beobachten. Bei Zimmertemperatur kommt er nur lang- sam fort. Die Bacillen wachsen auf allen gebräuchlichen Nährböden. Auf Glycerinagar bei 37° gehalten, zeigen sich die Kolonieen als kleine, glanzlose, grauweiße, trockene, an den Rändern abgerundete Schüppchen, die später aber lappig auswachsen und sich jetzt als sammetartiger, mitunter etwas Glanz annehmender Belag darbieten. Bei Zimmer- temperatur gezüchtet, pflegt das trockene Wachstum beibehalten zu werden. Das Kondenzwasser bleibt klar, es bildet sich auf der Ober- fläche ein Häutchen, welches sich am Glase emporzieht. 282 Johannes Barannikow, Kartoffelkultur: Dem Striche entlang entwickelt sich in üppigem Wachstum eine grauweiße, mattglänzende Auflagerung. Milcehkultur: Die Milch bietet einen äußerst günstigen Nähr- boden für den Bacillus. Das Wachstum erfolgt sehr schnell und üppige. Wie schon oben erwähnt, zeigt er hier eine große Variabilität. Eine Koagulation der Milch findet nicht statt. Die bei den übrigen säure- festen Bakterien übliche farbige Randbildung an der Oberfläche tritt nicht ein. | Bouillonkulturen bleiben klar. Die Oberfläche überzieht nach ca. 3—4 Tagen ein trockenes weißes Häutchen, welches am Glasrand emporsteigt. Stößt man das Röhrchen etwas, so lösen sich kleine Fragmente ab, die zu Boden sinken. Die Tierversuche fielen negativ aus, was sich ja auch mit den bisherigen Resultaten deckt. Man hat bei zahlreichen Impfversuchen mit echte Smegmabacillen in reichlicher Menge enthaltendem Hautsekret niemals eine pathogene Wirkung bei Tieren beobachten können. Ich benutzte zu meinen Impfversuchen Kaninchen, Meerschwein- chen, Hühner und Tauben, denen ich 8-tägige Milch- oder Bouillon- kulturen injizierte. Die Tiere zeigten bald nach der Infizierung schlechtes Allgemeinbefinden; die Freßlust ließ nach, die Temperatur stieg; doch erholten sie sich in der Regel schon nach 1-—2 Tagen wieder. Die Tiere wurden ca. 4 Wochen nach der Injektion getötet. Die Sektion ergab bei keinem tuberkuloseähnliche Erscheinungen. Bei einem Huhne hatte sich an der Injektionsstelle ein Absceß gebildet. Die mikro- skopische Untersuchung ergab hier eine Anhäufung von Rundzellen, in der Mitte zeigte sich Nekrosebildung, Smegmabacillen ließen sich nach- weisen. Die inneren Organe waren auch bei diesem Tiere intakt. Dieses refraktäre Verhalten der üblichen Versuchtiere dem Smegma- bacillus gegenüber giebt diesem eine exceptionelle Stellung in der Gruppe der säurefesten Bakterien. Nachdruck verboten. Zur Kenntnis der säurefesten Mikroben. Was für ein Mikrobium ist der sogenannte „nmegmabacillus“!)? Einige Bemerkungen zum Artikel von Prof. C. Fraenkel: „Zur Kenntnis der Smegmabacillen“?). | |Aus dem Kabinet für Kinderkrankheiten der Charkow ’’schen Universität (Direktor: Herr. Prof. Mich. Ponomarew).] Von Privatdocent Johannes Barannikow. A. Bakterioskopische Befunde. Nachdem Herr Prof. C. Fraenkel die Verbreitung des „Smegma- bacillus“ im Organismus und dessen färberische Eigenschaften gezeigt hat, kommt er zu der Frage über die künstliche Züchtung des „Baecillus“ 1) Die Litteratur über diesen „Bacillus* siehe im Artikel von Dr. H. Man- kowsky. (Russ. Archiv v. Prof. Podwyssotzky. Bd. VII. Heft 4. p. 434.) 2) Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Bd. XXIX. No. 1.) . 7 . y “ 7 v r_ Fr 2 4» x ‚ - 7 7 ’, N Centralblatt f. Bakteriologie Abt. I. Bd. XNXXZ. Moeller, Smegmabacıllus. IR 2, Verlag von Gustav Fischer, Fena Meisenbach Riffarth & Co., Leipzig. Bd en ne a ee ee ap E en a ra a TER ae a Li re f E ae ME ee er nee he En Face ur Ei Pe . a : ; a; ner. zu er MoRzn F rn r RR er ER ET “: Be en nn £ a ee N we er ; tn - x s x 5 En Sr ee Be ee © ? 1 R g 2 . : ” | De j z N 37 f N “> i F w E m + w | 123 EEE er : = PER BE SB Or OR PEREERERE AN SU vr _ 2 r = 7 E \ S > % h | i Een f are ER Li: “ = ne ; \ b ee u * j ’ FR = we € : 3 | = ? 2 j bi 5 ü ie! ; “ i 7 "% 2 Er Kr .B s 4 = Kaeig i K ” x 2 “ j ® bi r > Frah 3 ; h E wi D - x : i E “ = on: : E | Pr » I \ n 3 S h ” Y . : s >: ; v ; i r ı$7 - 3 f | | A : | | | w@ - Y/ D . $ x X ' r ; j “: * x { r N 7 5 - %« I v wi Be x x hr En ö $ £ 2 =. gl l = an ; BR f : 3 : * N; ” i k ’ B SED: en : 1% L j F - f R 1 ner ö a > + Kate: 4 F \27 E ee ie Pre \ a r, & Y 2 N hr T EN * » x = % ei n j Fi | ? : 4 rn 3 2 0 4 IF: t ’ 2 " x j : 7 = x N f = | ) 5 3 ; 5 #7) * { | f 3 N 5 FR ; 2 3 e | | = Pe \ Ne ? — ); Ba D \ Oentralblatt f. Bakteriologie. Abt. 1. Orig. Ba. XXXT. Moeller, Smegmabacillus. Fig. 1. Junge Formen. Vergr. 1: 800. Fis. 2. Aeltere Formen. Vergr. 1: 800. Verlag von Gustav Fischer in Jena, Zur Kenntnis der säurefesten Mikroben. >83 durch andere Autoren [Laser!) und Czaplewski?)], berichtet kurz über seine eigenen Forschungen und stellt folgende Frage: „Sind diese von Laser, Czaplewski und jetzt von mir beschriebenen und ge- züchteten Stäbchen in der That die echten Smegmabacillen ?”“ Der Verf. selbst „verneint“ diese Frage deswegen, weil er die von den erwähnten Autoren beschriebenen Facta und besonders das allmähliche Verschwinden der Säurefestigkeit des Bacillus in den Kulturen bestätigt. Er meint, daß der „so rasche und gründliche Wechsel in den tinctoriellen Eigenschaften“ „nicht ganz ohne Beispiel“ sei. Ein solches Beispiel giebt uns ein Escherich’s coli-ähnliches Stäbchen, welches in den Aufstrichen aus dem Kote der Säuglinge widerstandsfähig gegen Entfärbung bei der Gram-Weigert’schen Methode erscheint, aber diese Widerstands- fähigkeit in den Kulturen verliert. Aus dieser Analogie’) erklärt der Verf. Laser’s und Czaplewski’s Irrtum; sie hätten keine echte Kultur des „Smegmabacillus“ vor sich gehabt und dementsprechend meint er: „die eigentlichen Smegmabacillen seien nach alledem bisher noch nicht zur künstlichen Entwickelung gebracht worden“ und diese Kulturbacillen seien nichts anderes als die Pseudo- diphtheriebacillen. Diese Schlußfolgerung wäre traurig, wenn sie der Wirklichkeit ent- spräche. Aber meine eigenen Untersuchungen haben mir die Ueber- zeugung gebracht, daß die beschriebenen Mikroben etwas anderes in sich fassen. Seit dem Jahre 1891 beschäftige ich mich mit der Bestimmung der Be- dingungen der sogenannten „zelligen Verklebung des Präputiums“ (bei Kindern) und deren nachfolgender Abspaltung. Als ich den Wechsel der zelligen Elemente und Mikrobenformen des Smegmas von der -Ge- burt des Kindes bis zur Zeit der gänzlichen Präputiumabspaltung er- forscht hatte, fand ich in vielen Präparatenserien vom Smegma praepu- tiale eine große Menge verschiedener Formen von säurefesten und sich entfärbenden Mikroben, die ich für die sogenannten Smegmabacillen hielt. Aehnliche Mikroben aber kann man auch an verschiedenen Stellen, abgesehen von den von Prof. ©. Fraenkel genannten, außer- und innerhalb des menschlichen Körpers finden. Während meiner eigenen Studien (unweit Jalta, Krim, 1900) an Gliedern einer an Lepra leiden- den Familie untersuchte ich auch einige süße und salzige Wasserbehälter der Krim, und da fand ich*) überall säurefeste Mikroben. Ein Student in unserem Laboratorium, Herr Poscharyski?°), hat solche Mikroben auch in den Schnitten der verschiedenen Organe (Harnblase, Harnleıter, Hepar etc.) von Leichen plötzlich gestorbener, bisher gesunder Kinder und auch stets im Wasser gefunden, in dem Frösche leben. Daraus muß ich schließen, daß die säurefesten Mikrobenformen in der Natur (und im menschlichen Organismus) sehr ver- 1) Münch. med. Wochenschr. 1897. No. 43. 2) Ibidem. 3) Nach der Publikation der Arbeiten von Moro, Ueber den Bacillus acidophil. etc. ‘(Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. II. 1900. Heft 1) und Finkelstein, Ueber säure- bildende Bacillen im Säuglingsstuhle (Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 16). 4) Ebenso wie früher (1899) im Wasser der Städte: Wien („Prater“), Innsbruck, Paris, Köln, Berlin, Warschau, Kiew und Charkow. 5) Poscharyski, Zur Frage der Bakteriurie bei Kindern. (Arch. f. Kinderheilk. Bd. XXXII. Heft 5/6. p. 354.) 984 Johannes Barannikow, breitet sind und die üppigste Entwickelung in den bös- artigen Geschwülsten — Sarkomen und Carcinomen —er- reichen. Ich will nicht alle Einzelheiten der von mir gefundenen Formen des säurefesten Mikrobiums, welches schon seit langer Zeit mit dem Namen „Smegmabacillus“ bezeichnet ist, beschreiben. Diese Beschreibungen und Kulturversuche werden von den Herren Poscharyski und Zolo- tarew') veröffentlicht werden. Hier erlaube ich mir nur zu zeigen, daß bei Differenzierung der Einzelheiten des Präparates (d. h. Smegma- aufstriches) ?) mit Hilfe von Baumgarten’s, Ziel-Neelsen’s oder Ziel-Gabbet’s Methoden man außerordentliche Verschiedenheiten der säurefesten Mikroben bezüglich ihrer Form, Größe und Färbbarkeit be- obachten kann. In solchen Aufstrichpräparaten finden wir Mono-, Diplokokken, stäb- chenähnliche Formen, Ketten, entweder aus vereinzelten Kokken oder vereinzelten Stäbchen bestehend, sogar auch Ketten, wo diese beiden Formen zusammengeordnet sind. Weiter kann man leicht bei solchen vielgliedrigen wie auch in den einfachen Formen sehen, daß die ein- zelnen Glieder sich bald rötlich, bald bläulich färben, entweder die blauen, dicken, sehr glänzenden Körnchen in den roten Stäbchen ein- gebettet sind oder aber die blaugefärbten Stäbchen rote Körnchen ent- halten. Oft kann man auch verzweigte Formen sowie in verschiedener Weise gekrümmte, lange Individuen und rundliche oder ovale Gebilde beobachten. Wie die säurefesten, so sind auch die sich entfärbenden, vereinzelt oder gruppenweise angeordneten Mikrobenformen durch einen homogenen, unfärbbaren Stoff miteinander verbunden. Es ist zu bemerken, daß man alle beschriebenen Formen, wie im entleerten Harne, so auch ım Inhalte der Aufstrichpräparate in der Schleimhaut der Harnblase vieler Kinder (und fast aller Leichen) auffinden kann. Giebt man zu, daß jede besondere Mikrobenform, die man bei bak- teriologischer Untersuchung im Smegma findet, eine besondere Art von Mikroben darstellt, und zieht man auch die sogenannten „Pseudo“- mikroben (welche fast alle gewisse „Parasiten“ begleiten) zu — so wird die kolossale Zahl der Kleinwesen, welche die Präputialzellen der Neu- geborenen überziehen, klar. Daß der sogenannte „Smegmabacillus“ bloß ein Stäbchen war, kann ich nicht zugeben, sowie ich auch mit denen, welche die Erreger der Schwindsucht, Diphtherie, des Aussatzes, der Cholera, Influenza, des Rotzes etc. für „Stäbchen“ halten, nicht überein- stimme. B. Ergebnisse experimenteller Untersuchungen. Bei meinen vieljährigen und verschiedenartig ausgeführten Unter- suchungen über den Einfluß des menschlichen Smegmas auf Versuchs- tiere bekam ich stets ein und dasselbe Resultat, weswegen ich kurz über diese, wie es mir scheint, interessanten Ergebnisse meiner Experimente berichten will. 1) Nach Einimpfung des Präputialsmegmas (von nicht tuberkulösen Leichen Erwachsener und von lebenden gesunden Kindern) entstehen bei den Meerschweinchen dieselben lokalen und universalen Krankheits- 1) Zolotarew, Zur Frage der Smegmamikroben. (Journ. russe des maladies cutan. et vener. von Prof. J. Selenew. Vol. II. 1901. No. 7.) rs 2) Was Smegma an sich selbst ist? — Diese Frage will ich zur Zeit nicht be- rühren. FW I Per) u u . 5 BZ a U = 2 a DE a Zur Kenntnis der säurefesten Mikroben. 285 erscheinungen wie bei Einimpfung eines Tuberkelbacillen enthaltenden Auswurfes. 2) Das Tiersmegma von verschiedenen Hautstellen (Praeputii, Mam- marum etc.) giebt ebensolche Impfresultate (einschließlich allgemeine Tuberkulose). Die beiden Thatsachen stehen im Widerspruche mit der Ansicht und den Untersuchungen von A. Moeller!'). 3) Es ist wünschenswert, daß diejenigen, welche den sog. „Tuberkel- baeillus“ nur deshalb als „spezifischen“ Krankheitserreger annehmen, weil diese säurefeste Mikrobenform in Tuberkeln gefunden wurde. uns beweisen, daß dieses Mikrobium nicht der sog. „Smegmabacillus“ ge- wesen und daß sie auch nicht — natürlich oder künstlich — in einen solchen umgewandelt sein könne. 4) Es ist notwendig, die vollständige Entwickelungsgeschichte der Mikroben festzustellen. 5) Meiner Ansicht nach sind die von verschiedenen Autoren be- schriebenen säurefesten Mikrobenformen nur Entwickelungsphasen höher organisierter Mikroben und werden für verschiedene Species und Genera nur aus Unkenntnis ihrer vollständigen Entwickelungsgeschichte gehalten. 6) Die sog. Tuberkel-, Lepra-, Smegma- und Diphtheriemikroben sind keine Bacillen, sondern stäbchenartige Entwickelungszustände höher organisierter Mikroben. 6) Die Säurefestigkeit und Säureschwachheit sind nur zeitweilige Zustände der Mikroben. Bemerkung: Im Laufe des Februar 1901 beobachtete ich bei Lepramikroben folgende Erscheinung (welche Borrel, nach A. Moel- ler?) beim sog. Tuberkelbacillus auch sah): Nach Verlauf von 3 bis 5 Monaten seit der Einlegung der Lepragewebsstückchen in flüssiges Pferdeserum diffundierte der Stoff, der vor der Einlegung als säurefest in den Mikroben enthalten war, von den Mikroben aus ins Serum hin- ein. Infolge dessen konnten bei Doppelfärbung die Mikroben nicht mit Fuchsin, sondern nur mit Methylenblau gefärbt werden, während die sie umgebende durchsichtige Masse scharf rot bleibt, alle übrigen Aufstrich- stellen sich aber kaum blaßrosa färbten. Die Kulturen davon gaben gewöhnliche Lepramikroben-Kolonieen. Diese von mir bisher noch nicht publizierten Thatsachen wurden dem Herrn Prof. Mich. Ponomarew zur Kenntnis gebracht. Charkow, Februar-Oktober 1901. 1) Moeller, A., Die Beziehungen des Tuberkelbacillus zu den anderen säurefesten Bakterien und zu den Strahlenpilzen. (Centralbl. f. Bakteriol. ete. I. Abt. Bd. XXX. 1901. No. 14. p. 513—523.) ö 2) Moeller, A., Op. eit. p. 514. 286 Max Grimm, Nachdruck verboten. Vergleichende Untersuchungen über den Bacillus Danysz und über einen neuen für Ratten pathogenen Mikroben. |Aus dem landwirtschaftlich-bakteriologischen Laboratorium des Ministeriums der Agrikultur zu St. Petersburg.] Von Max Grimm. Ende des Jahres 1396 brach in Petersburg unter den Ratten eine Epizootie aus, die an unserem Laboratorium nicht unbemerkt vorüber- sehen konnte. Täglich verendeten in demselben einige frisch für die Experimente zugestellte Ratten, und Anfang 1897 gelang es zuerst Herrn Issatschenko und etwas später, unabhängig davon, Herrn Dr. Kulescha, aus den Organen der toten Ratten einen Mikroben zu isolieren, der die Eigenschaft besaß, Ratten sowie Mäuse per os binnen kurzer Frist zu töten. Issatschenko übernahm von nun an die Bearbeitung der morphologischen Seite, während Kulescha die pathologisch-anatomischen Veränderungen, die durch Infektion mit senanntem Mikroben im Körper der Ratten hervorgerufen werden, zum Ziel seiner Untersuchungen setzte. Im Jahre 1898 veröffentlichte Issatschenko in dieser Zeitschrift *) eine vorläufige Mitteilung über den neuen Mikroben, die jedoch wegen ihrer Kürze und Unvollständig- keit, sowie einiger später zu besprechender Mängel wenig maßgebend ist. Die pathologisch-anatomische Bearbeitung erschien im Jahre 1899 in russischer Sprache?) und gab eine genaue Beschreibung des in den Organen der Ratten hervorgerufenen Krankheitsbildes, auf das ich später zurückkommen will. Im Laufe der letzten Jahre hat sich nun der neue Bacillus als ein überaus praktisches Mittel zum Kampfe gegen Ratten und Mäuse heraus- gestellt, und wurde er deshalb von unserem Laboratorium neben dem bekannten Bacillus Danysz vielfach in Anwendung gebracht. Gelegentlich einer Prüfung der Virulenz der erwähnten Mikroben hat nun Issatschenko in dem letzten Bericht seiner Thätigkeit an unserem Laboratorium die Vermutung ausgesprochen ?®), daß der bei uns als Bacillus Danysz bezeichnete Mikrobe gar nicht der letztere sei, sondern bloß eine abgeschwächte Kultur des oben erwähnten ratten- tötenden Bacillus darstelle. Da ich zuerst eine genaue Beschreibung des Bacillus Danysz ge- geben habe*), so forderte mich der Direktor des Laboratoriums, Herr Dr. Feoktistoff, auf, die von Issatschenko aufgeworfene Frage zu prüfen. Da nun aber, wie erwähnt, eine genauere morphologische Beschreibung des rattentötenden Bacillus noch fehlt, so bin ich ge- zwungen, vor allem diese Lücke auszufüllen und werde hieran die ver- gleichenden Untersuchungen am Bacillus Danysz anknüpfen. Darauf will ich an der Hand der Untersuchungen von Kulescha ein Bild der pathologischen Veränderungen in den Organen der Ratten 1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. XXIII. No. 20. p. 873. 2) Kulescha, G., Ueber die pathologisch-anatomischen Veränderungen, die durch ratten- und mäusetötende Bacillen im Körper dieser Tiere hervorgerufen werden. (Arch. f. Veterinärwissensch. 1899. Juni.) 3) Bericht des landw.-bakt Laboratoriums für 1900. p. 155. 4) Grimm, M., Scripta botanica Univ. Petropolitanae. 1898. p. 47. Vergleichende Untersuchungen über den Bacillus Danysz etc. 287 3 Ju ie 2% geben und schließlich die von unserem Laboratorium in den letzten Jahren praktisch erzielten Resultate besprechen. Da der uns interessierende, von Issatschenko und Kulescha entdeckte Bacillus bei Ratten sowie Mäusen, wie aus dem später zu beschreibenden Krankheitsbilde zu ersehen ist, typische Septicaemie mit vorausgehender akuter Darmentzündung hervorruft, so schlage ich vor, den neuen Mikroben Bac. septicaemiae murium zunennen. Als Ausgangsmaterial für meine Untersuchungen dienten a) für den neuen Mikroben einige Reinkulturen von Kulescha, sowie ein Gefäß aus der zur Versendung gelangenden, von Issatschenko _ infizierten Serie 398; b) für den Bacillus Danysz die zur Versendung gelangenden Kulturen des Laboratoriums, eine Reinkultur von Danysz selbst und eine Reinkultur aus dem bakt. Laboratorium von Kräl. Bacillus septieaemiae murium nov. spec. I. Morphologisches. Form und Größe. In den Organen der infizierten Ratten und Mäuse stellt der Mikrobe kleine, etwa 1 « lange und halb so breite Stäbchen mit abgerundeten Enden dar. In Reinkulturen ist die Form und Größe des Mikroben je nach Temperaturverhältnis und Nährsubstrat sehr schwankend. Die größten Individuen sind in Kartoffelkulturen an- zutreffen, wo sie die Länge von 4 u und die Breite von 1 « erreichen. Sodann folgen Glykosenährböden, besonders Agar + 2 Proz. Glykose, die kleinsten Formen endlich findet man in Bouillonkulturen. Daß gerade in letzteren am ersten Tage verhältnismäßig große Formen an- een sind, wie Issatschenko aussagt!), wurde nicht bestätigt ge- nden. Beweglichkeit. Der Bacillus hat lebhafte Eigenbewegung, die durch peritriche Geißelfäden bewirkt wird. Färbbarkeit. Er färbt sich leicht mittels aller gebräuchlicher Färbemittel, nicht aber nach Gram. Der Bacillus Danysz läßt sich auch nicht nach Gram färben ?), trotzdem Danysz seiner Zeit das (regenteil angegeben hat’). Gerade dieser Umstand veranlaßte Issatschenko, seinen Zweifel auszusprechen. Bei einer genauen Nachprüfung ergab es sich aber, daß der Danysz’sche Mikrobe, sowohl von Kräl als von Danysz selbst bezogen, die Gram’sche Färbung durchaus nicht an- nimmt. Es muß Danysz sich also entweder versehen oder zwei ver- schiedene Bacillen isoliert haben. Letztere Annahme wurde nun durch einen von Danysz an mich gerichteten Brief (vom 13. Nov.) voll- kommen bestätigt. Herr Danysz äußert sich dort nämlich, wie folgt: „Le mierobe, qui je cultive en ce moment et depuis quelques ann6es dejä, ne prend pas le Gram. ‚JJ’avais & un moment donn& un microbe, qui prenait le Gram, mais comme il a perdi assez rapidement sa viru- lence, je l’ai abandonnd depuis longtemps. Je n’ai pas insiste sur ce point dans mes publications ult6rieurs, parceque la question me semblait de peu d’importance.“ Charakter der Kolonieen. Die Kolonieen dieses Mikroben sind so charakteristisch, daß er mit keinem der bereits bekannten mäuse- 1) Centralbl. f. Bakt. 1. c. 2) Seripta botanica. 1898. p. 52. 3) Comptes rendus de l’acad&mie des sciences. T. CXVII. 1893. p. 869. 288 Max Grimm, tötenden Bacillen verwechselt werden kann!). Besonders typisch sind die kleinen Kolonieen in dicht besäten Petri- Schalen. a) Gelatineplatten. Die oberflächlichen Kolonieen sind flach, lappig oder rund, mit vom Centrum zur Peripherie ausgehenden ge- wundenen, lockenartigen Fäden. Die Färbung der Kolonieen ist von derjenigen des Bacillus Danysz zu unterscheiden, letztere sind stets gelblichbraun gefärbt, während unser Mikrobe eine in das Aschgraue gehende Färbung zeigt. In älteren, schwach besäten Schalen erreichen die Kolonieen eine ganz bedeutende Größe, verlieren aber. ihren charakteristischen Bau. | Die tiefliegenden Kolonieen sind kreisrund oder oval, scharf um- schrieben, in den ersten Tagen ganz durchsichtig und typisch knäuel- artig, später werden sie viel dunkler, behalten aber ihren knäuelartigen Bau, bis sie undurchsichtig geworden sind. Die Färbung der tief- liegenden Kolonieen ist gleichfalls nicht mit derjenigen des Bacillus Danysz zu verwechseln. Am ausgeprästesten tritt dieser Unterschied in Gelatineplatten hervor, die ein Gemisch der beiden Arten enthalten. Die nebeneinander liegenden Kolonieen lassen keinen Zweifel an ihrer Herkunft aufkommen. Agarplatten sind wenig charakteristisch und unterscheiden sich kaum von den Danysz’schen Kulturen; Knäuelbildung fehlt. Die ober- flächlichen Kolonieen sind anfänglich hell und durchsichtig und ohne bemerkbare Körnung der Fadenbildung. Später, wenn sie eine be- trächtliche Größe erreicht haben und bis zu 2,5 mm Durchmesser an- gewachsen sind, differenzieren sie sich in einen centralen, homogenen, dunkler gefärbten Teil und einen fädigen, aus radialen Fäden bestehen- den peripheren Teil, der Aehnlichkeit mit den oberflächlichen Gelatine- kolonieen zeigt. Die tiefliegenden Kolonieen sind rund oder oval, schmutzig braungrau gelärbt und nicht so scharf konturiert wie die Gelatineplattenkolonieen. 1I. Biolepısches Wachstum auf verschiedenen Nährsubstraten. 1. Fleischpeptonbouillon - Gelatine (Zusammensetzung: 5 Proz. Zibils Extrakt, 1 Proz. Pepton, 0,5 Proz. Kochsalz und 10 Proz. Gelatine). Stich. Fadenförmiges, leicht gekörntes Wachstum längs des sanzen Impfstichs. Bei Zusatz von 2 Proz. Glykose schwache Gas- bildung. Gelatine wird nicht verflüssigt. Auf der Oberfläche grauweißer kräftiger Belag. Strich. Ausgebreiteter, schmutzigweißer Belag auf der ganzen Oberfläche. 2. Fleischpeptonbouillon-Agar (l Proz. Agar enthaltend). Stich. Gleichmäßiges Wachstum längs des ganzen Impfstichs. Bei Zusatz von 2 Proz. Glykose Gasbildung und allmählich vollkommene Trübung des Agars bis zur Undurchsichtigkeit, infolge Zersetzung des Traubenzuckers. . Auf der Oberfläche schmutzigweißer Belag. Strich. Ausgebreiteter, schmutzigweißer, phosphorescierender Belag auf der ganzen Oberfläche. 1) Die vier bis jetzt bekannten und praktisch verwendbaren Bacillen sind an folgenden Stellen beschrieben: a) Bacillus typhi murium Loeffler (Oentralbl. f. Bakt. Bd. XI. 1892. p. 129); b) Bacillus muricida Laser (Ib. p. 184); ec) Bacillus spermophilinus Issatschenko (Mereschkowsky) (Ib. 1898. No. 15.); d) Baecillus Danysz (Scripta botanica Univ. Petrop. 1898. p. 47.) ee N But > I u SE rt REIN TEN ge ve ee ART £ Be rl Pr - a 3 tl; Vergleichende Untersuchungen über den Bacillus Danysz etc. 289 3. Bouillonkulturen. a) Peptonbouillon (1 Proz. Pepton e carne Merk, 0,5 Proz. NaCl). Allgemeine starke Trübung der Bouillon, keine Kahmhaut- bildung. Am Rande des Reagenzglases Zooglöenbildung in Form eines weißlichen Ringes. In älteren Kulturen ist auf der Oberfläche stellen- weise Zooglöenbildung in Form von weißen Punkten zu bemerken, die jedoch nie zu einer echten Kahmhautbildung führt. | b) Fleischpeptonbouillon. Allgemeine Trübung, keine Kahm- haut, später kräftiger Bodensatz. 4. Milehkultur. Keine äußere Veränderung der Milch, sehr schwache Säurebildung, die Milch gerinnt auch beim Erhitzen nicht. Nach 14 Tagen bis zu 0,2025 Proz. Milchsäure. 5. Sterilisiertes Casein. Zur Bereitung dieses Nährbodens wurden in eine Reihe von Reagenzgläsern mit steriler Milch virulente Milchsäurebakterien geimpft und die Gläser 4—5 Wochen warm (aber feucht) stehen gelassen. Im Laufe dieser Zeit war das Casein steril, da die eingeimpften Mikroben durch ihre eigenen Ausscheidungsprodukte abgetötet werden. Der Bacillus septicaemiae murium wächst nur sehr mangel- haft und ruft im Laufe einiger Wochen schwache Peptonisation hervor. 6. Kartoffelkultur. Sehr langsames Wachstum. Kaum sicht- barer, glänzender, weißer Belag. III. Physiologisches. Widerstandsfähigkeit a) gegen Austrocknen. Um den Mikroben in dieser Hinsicht zu prüfen, wurde in kleine, 10 ccm fassende Erlenmeyer-Kolben je ein Tropfen einer virulenten Kultur hinein- gegossen, durch Schütteln möglichst flach ausgebreitet und nach voll- kommener Trocknung wieder frisches steriles Nährsubstrat mit mög- liehster Vorsicht eingeführt. In allen Fällen hatten die Mikroben ihre Lebensfähigkeit nicht eingebüßt. b) gegen Wärme. Flüssige Kulturen werden schon bei einer Temperatur von 70° C abgetötet. Wirkung auf Nagetiere Die Haunteigenschaft des neuen Mikroben besteht in seiner tödlichen Wirkung auf Ratten und Mäuse. Angaben über die Virulenz des neuen Bacillus finden wir sowohl in der oben eitierten Arbeit Kulescha’s, als auch im Jahresbericht des Laboratoriums für das Jahr 1900. Diesem Bericht entnehmen wir folgende Daten: Bis November 1900 wurden von Issatschenko 443 Ratten per os mit dem neuen Mikroben infiziert. Die folgende Tabelle zeigt die Zahl der an jedem Tage ver- endeten Ratten: An An An | An Zahl der| welchem | Zahl der | welchem | Zahl der | welchem | Zahl der | welchem Ratten Tage Ratten Tage Ratten Tage Ratten Tage verendet verendet verendet ı verendet 16 2 BORN >10 EN NER N; 2 29 Be «4 20 11 Den 1.48 £ N era 44 > 20 12 10 20 3 | 36 DO | 6 20 3 3 22 1 39 5 87 7 20 14 3 24 | (3 Br .8 "a RT: 5 25 1 90 32 | J Ss 16 3 27 12 blieben lebend Erste Abt. XXXI. Bd. 20 290 Max Grimm, Aus dieser Tabelle ist zu ersehen, daß der Tod der im Laboratorium infizierten Ratten im Mittleren am 10,5. Tage eintrat (genauer 10,24). Die größte Sterblichkeit wurde im Laufe der ersten 15 Tage beobachtet. Am Leben blieben im ganzen 12 Ratten, also 2,7 Proz. Kulescha hat im Jahre 1898 im ganzen 84 Ratten per os infiziert, und zwar um festzustellen, ob das Alter der Kultur einen Einfluß auf die Virulenz des Mikroben hat. Es stellte sich dabei heraus, daß der neue Bacillus seine Virulenz verhältnismäßig rasch verliert. Mit einer Bouillonkultur, die 2—30 Tage alt war, wurden im ganzen 40 Ratten per os infiziert. Folgende Tabelle zeigt die Resultate: Zahl der Zahl der | randeianl en welchem S erefrdeten: | An welchem Raiten | Tage Ratten | Tage 1 1 2 12 1 = 1 14 11 4 2 15 2 1) 1 17 3 Ö 1 18 3 Hr 1 19 6 a 1 24 1 | 9 1 33 1 10 | 1 lebend geblieben Mit Kulturen, die 33—120 Tage alt waren, wurden 21 Ratten in- fiziert. Sie verendeten in folgender Reihenfolge: Zahl der | Zahl der verendeten | An welchem | yerendeten | An welchem Ratten Tage Ratten Tage 2 6) 1 24 1 9 1 25 2 a | 33 1 13 i 37 ] 15 1 40 1 18 6 blieben lebend 2 20 Diese beiden Tabellen zeigen, daß der neue Bacillus bei längerem Aufbewahren seine Virulenz immer mehr und mehr einbüßt. Es tritt nicht nur eine Verspätung des Todes ein, sondern auch der Prozensatz der am Leben bleibenden Ratten nimmt merkbar zu'!). Derselbe Verf. weist darauf hin. daß auch bei subkutaner Injektion das Alter der Kultur eine große Rolle spielt. Frische Kulturen rufen bereits 'in 24--48 Stunden den Tod der infizierten Ratten hervor. Bei Anwendung derselben Menge (!/,—1 ccm) alter Kulturen dauert die Krankheit be- deutend länger; es kommt vor, daß die Ratten erst am 10. Tage ver- ‘ enden und einmal trat der Tod erst am 20. Tage nach subkutaner Infektion einer 120 Tage alten Kultur ein. | Ich möchte nun in Kürze die beiden Mikroben in ihren Haupt- eigenschaften zusammenstellen, um zu zeigen, daß der Unterschied zwischen ihnen nicht gering ist. und eine Verwechselung fast unmöglich erscheint. In äußerer Form, Größe, Beweglichkeit und Färbbarkeit (auch nach Gram) sind die Mikroben gleich. Ebenso in Stich- und Strichkulturen auf Agar und Gelatine. Nicht aber in Folgendem: 2. Kulesch2, 7 P-AV, F Da 1 De de u u Au A ZU ET ERNEUERT N Vergleichende Untersuchungen über den Bacillus Danysz ete. 291 Bacillus septicaemiae murium ER nieen ‚Oberflächliche Kolonieen flach, lap- ' pig oder rund, mit vom Centrum ' zur Peripherie auslaufenden locki- en Fäden. Färbung hell bis unkel-aschgrau. Tiefliegende Kolonieen scharf um- schrieben, meist rund und selten oval. Charakteristisch knäuelartig gebaut. Später stark nachdunkelnd und durch ihre Farbe die Struktur verbergend. | | | | Bacillus Danysz Öberflächliche Kolonieen flach, lap- pig oder rund-tropfenartig, ohne jegliche Struktur. Färbung gelb- lich-braun. Tiefliegende Kolopieen scharf um- schrieben, oval oder rund, in der Mitte meist viel dunkler, manch- mal konzentrische Ringe bildend. Schwach gekörnt, sonst keine Strukturbildung. Wachstum auf 1. Fleischwasserpeptonbouillon. Star-|1. Fleischwasserpeptonbouillon. Eine Bouillon ke Trübung der Bouillon, keine dicke, weiße Kahmhaut bildend, Kahmhautbildung, nur am Rande die Bouillon getrübt, doch nicht des Reagenzglases Zooglöenbildung stark. Beim Schütteln zerfällt die in Form eines weißlichen Ringes. Kahmhaut und fällt in Stücken In älteren Kulturen ist auf der zu Boden. Oberfläche stellenweise Zooglöen- bildung in Form von weißen Punk- ten zu bemerken, die jedoch nie zu einer echten Kahmhautbildung führt. Agar + 2 Proz. Schwache Gasbildung und allmählich|Sehr starke Gasbildung. Der Agar Glykose vollkommene Trübung des Agars| wird mit Gewalt in Stücke zer- bis zur Undurchsichtigkeit. rissen und oft bis zum Watte- pfropfen heraufgestoßen. Wie aus der Tabelle zu ersehen ist, besteht also entschieden ein ganz bedeutender Unterschied zwischen den beiden Mikroben. und es ist mir unbegreiflich, wie Issatschenko, der sich seit 3 Jahren mit dem von ihm isolierten Bacillus beschäftigt, die Meinung aussprechen konnte, daß die beiden Mikroben identisch sind. Was seine vorläufige Mitteilung vom Jahre 1898 anbetrifft, so paßt die Charakteristik des Wachstums auf Fleischwasserpeptonbouillon auf unseren Mikroben nicht; ebenso die Definition der Färbung der Gelatinekolonieen. Da aber zu unserer Untersuchung nicht nur Kulturen von Ku- lescha, sondern auch eine Kultur von Issatschenko selbst ge- nommen wurde (Serie No. 398), wobei sich die Kulturen als vollkommen identisch erwiesen, so halte ich es nicht für unmöglich, daß Issa- tschenko, bei Zusammenfassung seiner vorläufigen Mitteilung ent- weder keine Reinkultur oder überhaupt einen ganz anderen Mikroben vor sich hatte, dessen Kulturen später bei ihm verloren gegangen sind. IV. Pathologisch-Anatomisches. Kulescha giebt in seiner oben eitierten Arbeit folgende Be- schreibung der pathologischen Veränderungen im Organismus der in- fizierten Ratten: „Der untere Teil des Dünndarmes ist meist schlaff, leicht zerreißlich und mit blutigen Massen gefüllt. Sehr oft macht sich ein auffallendes Schwellen der Peyer’schen Plaques be- merkbar, die das Aussehen grauer, erbsengroßer Erhabenheiten annehmen und sogar nach außen hin leicht zu bemerken sind. Ebenso stark ver- größert sind die Gekrösedrüsen, von denen viele die Größe von Ceder- nüssen erreichen. _ Die Innenseite des Darmes ist mit braunem, fadenziehendem, blu- tigem Schleim bedeckt und oft von Geschwüren durchzogen. Auf den 20* 292 M. Grimm, Vergleichende Untersuchungen über den Bacillus Danysz etc. vergrößerten Peyer’schen Plaques gelang es nicht, Geschwüre oder Schorf zu konstatieren. Im oberen Teil des Dünndarmes, wie auch im Dickdarme (mit Ausnahme des Blinddarmes, wo oft Geschwüre vor- handen sind) fehlen meist diese Veränderungen. Die Milz ist stets sehr vergrößert und erreicht eine Länge von 3—3,5 cem bei einer Breite von 1,0 cm. Ihre Kapsel ist gespannt und die Pulpa locker und fleischfarbig. Die Leber ist gleichfalls angeschwollen, thonfarbig und weich. Oft ist sie aber auch sehr blutreich und dunkelrot gefärbt; in letzterem Falle tritt aus Schnitten und Stichen in großen Massen dunkles flüssiges Blut hervor. Die Nieren, deren Färbung sich je nach Blutinhalt ändert, haben nur Anzeichen von parenchymatöser und fettiger Entartung. Die übrigen Organe weisen nichts Besonderes auf.“ Weiter weist Verf. darauf hin, daß das soeben beschriebene Krankheitsbild nur wenig von demjenigen abweicht, das durch Infektion mit Bacillus typhi mu- rium, Bacillus Danysz oder Bacillus spermophilinus in den Organen der Mäuse hervorgerufen wird. Doch konnte eine charakteristi- sche Eigenschaft des Mikroben, die den oben genannten Mäusebacillen nicht zukommt, auch in den Organen der infizierten Tiere konstatiert werden. Die Bacillen sind nämlich meist nur in sehr geringer Zahl in den inneren Organen anzutreffen, oft einzeln oder in kleinen Gruppen vereinigt lagern sie in den Gewebezellen oder in den Blutkapillaren. Niemals wurde eine solche Ueberfüllung des Blutsystems mit Mikroben konstatiert, wie sie bei den übrigen Mäusebacillen zu beobachten ist. Dadurch er- klärt sich auch der Umstand, daß es oft mißlingt, aus den inneren Organen der verendeten Tiere genannte Bacillen zu isolieren. Zum Schlusse weist Kulescha darauf hin, daß der neue Bacillus mit den anderen Mäusebacillen die Fähigkeit gemein hat, eine akute Darmentzündung (Enteritis acutissima) hervorzurufen, der eine typische Septikämie folgt, was mich auch bewogen hat, den neuen Mikroben Bacillus septieaemiae murium zu benennen. V. Praktische Verwendbarkeit des Bacillus im Kampfe mit Ratten und Mäusen. Bevor man es wagen konnte, den neuen Mikroben den Landwirten als Mittel gegen die schädlichen Nagetiere zu empfehlen, mußten natür- lich Versuche gemacht werden, um zu konstatieren, ob der Bacillus nicht auch auf Haustiere nachteilig wirkt. Diese Versuche wurden im Sommer 1898 unter der Leitung des Direktors unseres Laboratoriums Feoktistoff ausgeführt und im Sommer 1900 wiederholt, und zwar wurde die Wirkung des Bacillus auf folgende Haustiere geprüft: Pferd, Ochse, Schwein, Schaf, Hund, Katze, Kalkhuhn, Huhn, Gans und Ente. Die Resultate waren, wie folgt: Geflügel, Hund und Katze blieben ganz sesund. Beim Großvieh dagegen war in den ersten Tagen Temperatur- erhöhung, Appetitlosigkeit und Durchfall zu konstatieren, was sich je- doch nach 8 Tagen gab, ohne irgend welche schlechte Folgen zu hinter- lassen. Die von Kulescha ausgeführte bakteriologische Untersuchung der Faeces ergab eine Unmasse der per os eingeführten Bakterien. Vom Jahre 1898 begann die Versendung des neuen Bacillus an die Landwirte als Mittel zur Vertilgung von Ratten und Mäusen, und zwar wurden 1898 bis 28 1 Bouillonkulturen versandt, 1899 bis 788 1 und 1900 bereits 1295 1. Was nun die praktischen Resultate anbetrifft, so konnte man sich nach dem ersten Jahr noch kein Urteil bilden, da Reinkulturen im Ber ra % al u 1m 5 aa A U ai Zn nz r” Karl Vaerst, Immunisierunge gesen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 30: , fe} {o) oO “ “ it ganzen nur an 5 Korrespondenten verabfolgt wurden. Im Jahre 1899 wurde von 36 Landwirten die Wirkung des Mikroben auf Mäuse unter- sucht, wobei 4 negative und 32 positive Resultate erzielt wurden (also 88,9 Proz... Gegen Ratten wurden im selben Jahre Kulturen an 65 Korrespondenten verabfolgt Positive Resultate wurden in 45 Fällen konstatiert (69,2 Proz.). Endlich im Jahre 1900 hatten sich 263 .Kor- respondenten an unser Laboratorium gewandt, 92 von ihnen benutzten die Reinkulturen zur Vertilgung von Mäusen und 111 zur Vertilgung von Ratten. Positive Resultate erzielten von den ersteren 71 Korrespon- denten (77 Proz.), von den letzteren 62 (55,9 Proz.). Obwohl der Pro- zentsatz der positiven Resultate im Vergleich zum Jahre 1599 ein ge- ringerer war, so muß dennoch darauf hingewiesen werden, daß der neue Baeillus als ein wirksames Mittel zum Kampfe gegen Nagetiere auzu- sehen ist, besonders aber gegen Ratten, deren Vertilgung auf bakterio- logischem Wege bis jetzt noch nicht vom nötigen Erfolge gekrönt worden ist. Auch der neue von Prof. Danysz zur Versendung ge- langende Rattenbacillus hat bei unseren Versuchen im Laboratorium nicht die erwarteten Resultate ergeben. Nachdruck verboten. Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase und Kombinationen derselben. Von Dr. med. vet. et phil. Karl Vaerst, Meiningen. Vorwort. Vor mehr als 10 Jahren schon hat Emmerich die jetzt fast all- gemein angenommene Hypothese aufgestellt, daß die künstliche Immunität durch im Blute und in den Gewebsflüssigkeiten gelöste chemische Stoffe bedingt seien. Neuerdings glauben nun Emmerich und Loew und mit ihnen Nencki und R. Pfeiffer, daß diese immunisierenden Stoffe enzym- oder fermentartiger Natur seien. Die Enzyme werden aber nach Emmerich und Loew nicht, wie seither angenommen wurde, nur vom Tierkörper, sondern auch von den Bakterien gebildet. Ebenso giebt es Enzyme, die nicht nur auf ihr homologes Bakterienprotoplasma _ einwirken, sondern auch noch solche, die die heterologen Arten aufzulösen imstande sind. Dies haben in deutlicher Weise Emmerich und Loew für das Pyocyaneus-Enzym dargethan. Es muß noch bemerkt werden, daß die bakteriolytischen Enzyme von den Bakterien selbst gebildet werden, was am prägnantesten an den Kulturen des Bacillus pyo- cyaneus festgestellt werden kann. Läßt man eine Pyocyaneus- Bouillonkultur bei Bruttemperatur mehrere Wochen stehen und unter- sucht den Bodensatz mikroskopisch, so findet man, daß die üppige Bakterienvegetation zerstört ist. Zuerst tritt die Agglutination und dann die vollständige Auflösung der Bakterien ein. Die Agglutination ist aber nichts weiter, als die beginnende Quellung der äußeren Membran der Bakterien. Die Bakterien, deren Membran durch die Einwirkung der Enzyme aufgequollen und zum Teil zerstört ist, haben ihre Lebens- und Fort- pflanzungsfähigkeit verloren, sie sinken zu Boden und verfallen dort bei 294 Karl Vaerst, nicht genügendem Zutritt von Sauerstoff der vollständigen Auflösung, ein Vorgang, wie er sich auch im menschlichen und tierischen Körper abspielt. Die Agglutination ist also nicht nur eine Eigenschaft der Immunsera. Diese Enzyme können vermöge ihrer Fähigkeit, Bakterien- membranen zu lösen, wohl :die Bakterien schädigen, ohne dem Tiere selbst Schaden zuzufügen, da im tierischen Organismus keine Membranen vorkommen, welche chemisch identisch mit denen der Bakterien sind. Dem alten Brauche folgend, Enzyme durch die Endung „ase“ zu bezeichnen, gaben Emmerich und Loew dem bakteriolytischen Enzym des Bacillus pyocyaneus den Namen „Pyocyanase“. Der Einfach- heit halber werde auch ich in meinen Untersuchungen für mein Pyo- cyaneus-Enzym den Namen „Pyocyanase“ gebrauchen. An dieser Stelie sei es mir gestattet, einen kurzen Ueberblick über den Gang der von Emmerich und Loew angestellten Versuche und deren Resultat zu geben. Auf Grund von Bouchard’s Entdeckungen, daß die Pyocyaneus- Bacillen im Tierkörper die Milzbrandbacillen zu vernichten imstande sind, stellten Emmerich und Loew zunächst Untersuchungen an, ob eine Auflösung der Milzbrandbacillen durch die Pyocyanase in vitro möglich sei. Sie fanden, daß große Mengen von Milzbrandbacillen auf diese Weise, und zwar in verhältnismäßig kurzer Zeit, aufgelöst wurden. Diese Auflösung trat bei anaörober Behandlung schneller ein, als bei aörober, woraus sie die Schlußfolgerung zogen, daß dies bei Tierversuchen, wo doch jede Möglichkeit des Luftzutritts ausgeschlossen ist, erst recht der Fall sein müßte. Diese Annahme bestätigte sich dann auch bei den am Tierkörper vorgenommenen Versuchen. Ein kurzer Auszug aus den Untersuchungen von Emmerich und Loew wird am deutlichsten zeigen, um was es sich handelt. Ihren Forschungen liegt folgende Disposition zu Grunde: 1) Auflösung von Milzbrandbacillen durch Pyocyanaseenzym in vitro; 2) Heilung des Milzbrandes durch Pyocyanase; 3) Immunisierung von Kaninchen gegen Milzbrand durch Pyocyanase- immunproteidin. Bei ihren Versuchen in vitro war es ihnen möglich, auf Gelatine- platten bei Sauerstoffzutritt 11 Millionen Milzbrandbacillen nach 144 Stunden bei 37,5° C zu töten, bei anaörober Aufbewahrung war das Resultat ziemlich dasselbe. Dieses günstige Ergebnis führte sie zu Versuchen an Tieren. Ein 2 kg schweres Kaninchen wurde innerhalb einiger Tage mit steigenden Mengen einer im Vacuum von 600 auf 50 ccm abgedampften dialysierten und filtrierten Pyocyaneus-Kultur abwechselnd subkutan und intra- venös geimpft und gleichzeitig mit Milzbrand infiziert. Während das Kontrolltier in 43 Stunden verendet, blieb das andere ohne auffallende Krankheitssymptome am Leben; das diesem Tiere entnommene Blut war keimfrei. Die Summe der verimpften Pyocyanaselösung betrug 12 cem intravenös und 7 ccm subkutan innerhalb 5 Tagen. Ein ähnlich mit 18 cem subkutan und 2!/, cem intravenös geimpftes Tier blieb ebenfalls am Leben. Das Kontrolltier eines dritten Versuches starb nach 51 Stunden. Das mit Pyocyanase behandelte Tier wurde gleichzeitig mit dem Kontrolltier getötet, und mit dem Blute sowie den Organen entnommenem Materiale Agar geimpft, der, der Voraussetzung — entsprechend, steril blieb. Einem anderen Tiere wurden innerhalb 7 Tagen 19 cem wässerige Pyocyanaselösung nur subkutan injiziert; 11 Tage Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 295 nach der letzten Injektion wurde es mit Milzbrand infiziert; das Tier starb nach 56 Stunden fast gleichzeitig mit dem Kontrolltier; in Blut und Organen zahlreiche Milzbrandbaecillen. Somit war es ihnen nicht möglich, mit Mengen, wie sie zur Heilung genügt hätten, Tiere gegen Milzbrand zu immunisieren; was sie zu der Annahme führte, daß der größere Teil in kurzer Zeit wieder ausgeschieden werde. Sie mußten also bestrebt sein, eine Verbindung herzustellen, der schon außerhalb des Tierkörpers dieselben Eigenschaften anhafteten, wie innerhalb desselben. Nach ihren Ausführungen gelang es ihnen dann auch, Pyocyanase mit gewissen, nicht näher beschriebenen Eiweißkörpern in Verbindung zu bringen: dieses Produkt nannten sie „Pyocyanaseimmunproteidin*. Hiermit wurden die Tiere mit allmählich aufsteigenden Dosen immuni- siert. 3 Kaninchen wurden binnen 8 Tagen mit Dosen von 2—7 cem des: Immunproteidins abwechselnd subkutan und intravenös geimpft. 5—12 Tage nach der letzten Impfung wurden die Tiere mit einer Milz- brandmenge, die nach Angabe der Autoren „wahrscheinlich dem 2000- fachen der tödlichen Dosis entsprach“, infiziert, das Kontrolltier starb binnen 35 Stunden, doch blieben die mit Pyocyanase behandelten Tiere am Leben. Was die Wirkung der Pyocyanase auf das Wohlbefinden der Tiere anbetrifft, so war nichts Auffallendes zu konstatieren. Dieser Umstand läßt sie nur Gutes von ihrem Präparate erhoffen; sie glauben, sogar Menschen damit behandeln zu können. In dem darauf folgenden Abschnitte benutzten sie die aus den Kulturen gefällten und über Schwefelsäure getrockneten Produkte. Das erhaltene Präparat war in Wasser leicht löslich und zeigte gelegentlich verschiedener Versuche an Kaninchen dieselben günstigen Eigenschaften gegen den Milzbrand, wie das Immunproteidin. Die Tiere vertrugen gewisse Dosen der wässerigen Lösung subkutan und intravenös ohne direkte Giftwirkung, im großen und ganzen war die Wirkung der sub- kutanen Injektion unangenehmer als bei der intravenösen. Bei ersterer traten in der Regel, und besonders an der Injektions- stelle, Eiterungen auf. Diese hochinteressanten Untersuchungen, die ich durch einige Ver- suche erweiterte, und die günstigen Resultate, die Emmerich und Loew erzielten, waren die Veranlassung zu nachfolgender Arbeit. Wenn meine Resultate nicht so günstig sind, wie die von Emmerich und Loew, so liegt dies eben daran, daß meine Pyocyanase das Produkt von Kombinationen ist; denn ohne überhaupt die Herstellungsmethode der Pyocyanase zu kennen, suchte ich durch Schlußfolgerungen aus dem von Emmerich und Loew Angedeuteten dem Ziele nahezukommen. (seschichtliches. Die Möglichkeit, Tiere gegen Milzbrand zu immunisieren, ist schon mehr als 20 Jahre alt. Toussaint (59, 60), der als erster im Jahre 1880 der Acad&mie de mödieine das Resultat seiner Forschungen vor- leste, fand, daß mit abgetöteten Kulturen von Milzbrandbacillen Tiere immunisiert werden könnten; er bereitete die Vaceine aus defibriniertem Blut, das Milzbrandbacillen enthielt, indem er das Blut durch Papier filtrierte oder es im Laufe von 10 Minuten bei 55° C erwärmte. Er glaubte, daß die Bacillen bei dieser Temperatur zu Grunde gehen würden und daß die Produkte ihrer Lebensthätigkeit das immunisierende Prinzip _ der Vaceine bildeten. 296 Karl Vaerst, Diese Annahme bestätigte sich jedoch nicht, denn Pasteur und mit ihm Roux und Chamberland (47) wiesen nach, daß die Toussaint’sche Voraussetzung nicht der Wirklichkeit entspreche, da es sich in dem Falle nicht um abgetötete, sondern um abgeschwächte Kulturen handelte. Bei ihren Immunisierungsversuchen an Schafen nach der Toussaint’schen Methode zeigten sie, daß bei solcher Erhitzung drei Möglichkeiten vorliegen: entweder, die Bacillen gehen zu Grunde, und dann ist die Vaccine unwirksam; oder die Bacillen bleiben am Leben, die Virulenz bleibt unverändert und dann töten sie die Schafe; oder aber, die Bacillen erfahren unter dem Einfluß der Wärme eine derartige Veränderung, daß sie lebensfähig bleiben, aber eine Ab- schwächung ihrer Lebensfähigkeit erleiden, nur in diesem Falle erfüllen sie die Pflicht der Vacecination. Mit der Toussaint’schen Methode hat sich dann Pasteur (47, 48, 49) in seinen Versuchen mit Roux und Chamberland näher befaßt. Seine Methode besteht darin, daß die Bouillonkulturen der jacillen für längere Zeit dem Einfluß einer beständigen Temperatur von 42°—43° GC ausgesetzt werden. Unter solchen Bedingungen verlieren die Bacillen allmählich ihre Virulenz, so daß nach 24 Tagen etwa eine Kultur vom Charakter der sogenannten „ersten Vaccine“ (premier vaccin) vorhanden ist, die Mäuse, aber keine Meerschweinchen, tötet. Eine Kultur, die nur ca. 12 Tage im Thermostaten gestanden hat, die sogenannte „zweite Vaceine“ (deuxieme vaccine), ist stärker als die erste Vaccine, sie tötet Meerschweinchen. Diese Vaccine werden zur Schutzimpfung von Haustieren, besonders von Schafen, angewandt. Die Impfung besteht darin, daß den Schafen einige Zehntel eines Kubikcentimeters der ersten Vaccine unter die Haut gebracht werden und nach 1-—2 Wochen eine ebenso geringe Dosis der zweiten Vaceine. Nach der Vaceination treten bei Schafen reaktive Erscheinungen auf: Steigerung der Temperatur, Erkrankung an einer leichten Form von Milzbrand, von der sie bald genesen. Diese vaccinierten Schafe werden unempfänglich gegen künstliche Infektion mit Milzbrand. Pasteur hat das Prinzip der Methode angegeben und bald erschienen Modifikationen dieser Methode. Chauveau (18) traf folgende Aenderung: Er ließ auf die Bacillen eine höhere Temperatur einwirken und erzielte eine Abschwächung ihrer Virulenz in kürzerer Zeit. Die Bouillonkulturen der Milzbrandbacillen blieben bei 42°—-43° GC 20 Stunden lang stehen; darauf setzte er sie einer höheren Temperatur von 47° C im Laufe von 1, 2 oder 5 Stunden aus, je nachdem, was für einen Grad er erzielen wollte. Es ergab sich, daß nach 3-stündiger Erwärmung auf 47° C die Wirkung der Bacillen soweit herabgesetzt war, daß die Kultur nicht mehr imstande war, Meer- schweinchen zu töten. Smirnow (58), der die Methode von Chauveau prüfte, fand die Abschwächung der Bacillen nach dieser Methode wenig andauernd. Auf Grund der Versuche von P. Bert, der gefunden hatte, daß komprimierter Sauerstoff, der bei einem Druck von 20-40 Atmosphären auf die Bacillen einwirkt. dieselben rasch tötet, erfand Wosnessenski (65) ein neues Prinzip zur Herstellung abgeschwächter Kulturen. Er benutzte ebenfalls komprimierten Sauerstoff zur Abschwächung der Virulenz der Milzbrandbacillen. Seine Versuche zeigen, daß bei einem Sauerstoffdruck von 3-13 Atmosphären eine Steigerung der Virulenz stattfand, wenn WE ae a a a aan a a ee kaptiinee hs er Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 297 sich die Kulturen bei einer Temperatur von 35° © (temperature en- senesique) befanden; wurde der Sauerstofidruck aber erhöht bis auf 15—24 Atmosphären, so starben die Bacillen sehr rasch ab. Bei einer Temperatur von 42°—453° C (temperature dysgenesique) vermochten die Bacillen nur dann zu wachsen, wenn der Druck 3—6 Atmosphären betrug. Versetzte man die Bacillen unter die genannten Bedingungen seitens der Temperatur und des Sauerstoffdruckes, so entwickelten sie sich langsamer als bei 35° C und wenn sie in eine geringe Bouillon- menge geimpft waren, so konnte man nach 4—6 Tagen eine erhebliche Abschwächung der Virulenz erfahren, die auch von den folgenden Generationen beibehalten wurde: Nahm man dagegen eine große Quantität der Bouillon, so erhielt man keine Abschwächung der Kulturen, weil in solchem Falle der verdichtete Sauerstoff nicht zu allen Bacillen gelangen konnte. Chauveau (19) bestätigte die Beobachtungen Wosnessenski’s. Unter Benutzung seiner Methode erhielt er eine Vaccine, welche Meer- schweinchen tötete. Diese Vaccine besaß die Fähigkeit, Schafen Immunität zu verleihen. Chemische Agentien. Außer der Temperatur wirken auch chemische Agentien abschwächend auf die Virulenz der Milzbrandbacillen. Mit dieser Methode der Ab- schwächung beschäftigten sich Roux, Chamberland und Gamaleia. Roux und Chamberland (12) fanden, daß in Bouillon befindliche Bacillen ihre Fähigkeit, Sporen zu bilden, einbüßten, wenn die Bouillon auf 600—800 Teile einen Teil Karbolsäure enthielt. Solche Kulturen waren noch nach 12 Tagen für Kaninchen giftig; nach 21 Tagen jedoch konnten sie Meerschweinchen nicht mehr töten. Gleiche Resultate wurden - mit doppeltchromsaurem Kali erzielt, welches bei einem Gehalt von - 1:1000 oder 1:1700 Bouillon die Baeillen tötete. Bei Gehalt von 1 Kal. bichromiec. auf 2000 oder 5000 Bouillon bilden die Bacillen keine Sporen, bewahren aber ihre Vermehrungsfähigkeit. Kulturen, welche auf die geschilderte Weise abgeschwächt sind, verlieren ihre Virulenz so schnell, daß sie nach 10 Tagen nicht mehr Schafe zu töten vermögen. Der Grad der Abschwächung der Kulturen mittels doppeltchromsaurem Kali ändert sich auch bei weiteren Ueberimpfungen nicht. Außerdem haben dieselben Verfasser (13) in einer Arbeit dargethan, daß Milzbrandbacillen, welche im Laufe von 8—10 Tagen dem Einfluß einer 2-proz. Schwefelsäurelösung ausgesetzt waren, soweit ihre Virulenz eingebüßt haben, daß aus solchen Sporen gewonnene Kulturen en und Meerschweinchen nicht töteten, für Schafe aber virulent ieben. Gamaleia (30), der die Versuche von Roux und Chamberland bestätigt, sucht zu beweisen, daß die mit der Methode genannter Autoren gewonnene Vaccine sich zur Schutzimpfung auch von Schafen gegen Milzbrand eignet. Neben der Temperatur und chemischen Stoffen wird die Virulenz der Bacillen auch noch durch das Licht beeinträchtigt. Arloing (1, 2) bewies, daß sich die Milzbrandsporen unter dem Einfluß der Sonne so verändern, daß die Kulturen der Bacillen, welche aus solchen Sporen zur Entwickelung kommen, bis zum Grade von Vaccine abgeschwächt erscheinen. Aus dem bisher Angeführten ist ersichtlich, daß man mit Hilfe von Wärme, Licht und mit aseptischen Substanzen abgeschwächte Kulturen 298 Karl Vaerst, herstellen kann, die aber, was Tauglichkeit zu Immunisationszwecken anbelangt, verschieden sind. Außer den eben genannten sind noch viele ° andere Bedingungen bekannt, unter denen die Virulenz der Milzbrand- baeillen gemindert wird. Es seien hier einige herausgegriffen: Elek- trieität (61), Pyoctanin (26), Versetzung der Nährsubstanzen mit Fett (41), Kochsalz (53), kuhwarme Milch (10), Meerwasser (52). Der Antagonismus zwischen den einzelnen Arten von Organismen, die zusammenwachsen, erscheint gleichfalls als abschwächendes Moment. Charrin und Guignard (17) haben in vitro die Milzbrandbacillen abgeschwächt, indem sie daneben in denselben Nährmedien den Bac. pyoeyaneus, Döhle den Bac. putridus kultivierten. Flügge (27) hat versucht, die Methoden zur künstlichen Abschwächung der pathogenen Mikroorganismen zu klassifizieren und alle Methoden in 2 Kategorieen eingeteilt. Zu einer Kategorie gehören die Methoden der Abschwächung der Kulturen durch physikalische und chemische Agentien: Wärme, Licht, Elektrieität, Antiseptica u. s. w. Die zweite Kategorie bilden die Methoden, bei welchen die Mikroorganismen unter fremden Bedingungen kultiviert werden. So verlieren streng parasitäre Mikroorganismen ihre Virulenz auf totem Nährsubstrat, fakultative, wenn sie in einen Organismus eingeführt werden, welcher einen für ihre Ent- wickelung ungünstigen Boden darstellt; so büßen z. B. Milzbrandbacillen, wenn sie in den Lymphsack des Frosches eingeführt werden, ihre Virulenz ein. Was die letztere Kategorie von Methoden zur Abschwächung pathogener Mikroorganismen nach der Flügge’schen Klassifikation betrifft, so ist die Frage nach der Aenderung der Virulenz der Bacillen, welche man durch den Körper von Tieren hindurch passieren läßt, die eine verschiedengradige Empfänglichkeit für Milzbrand aufweisen, bislang noch nicht entschieden, so daß dieser Weg zur Erzielung abgeschwächter Kulturen nur mit Vorsicht zu benutzen ist. Von den zahlreichen Methoden der ersteren Kategorie sind am meisten erforscht: die von Pasteur, bei welcher die Kulturen durch Wärme abgeschwächt werden, und die Methode von Roux und Chamberland, wonach zur Ab- schwächung der Virulenz antiseptische Mittel gebraucht werden. Die letztere Methode ergiebt keine so andauernde Abschwächung wie die erste (Heim) (35), bei welcher die ferneren Generationen der abgeschwächten Kulturen den anfänglichen Grad geschwächter Virulenz beibehalten. Aus der Litteratur ist somit zu ersehen, daß die Pasteur’sche Methode als die zuverlässigere anzusehen ist. Diese allgemein interessante Frage soll hier etwas mehr Berück- sichtigung finden. | Pasteur’sche Vaececination. Seit dem ersten Bekanntwerden der Pasteur’schen Vaceinations- methode dienten die Kaninchen oft zur Bestimmung des Abschwächungs- srades der Kulturen. Allein trotz zahlreicher Versuche gelang es nicht, Kaninchen mit abgeschwächten Kulturen zu immunisieren. Bei der Vaceination dieser Tiere wurden stets negative Resultate erzielt. Nach Impfung mit Pasteur’scher Vaceine blieben die Kaninchen am Leben, erwarben aber keine Immunität gegen Milzbrand, dagegen erwiesen sich die Pasteur’schen Vaccine bei anderen Tieren als wirksam. Wenigstens zeigen die in Frankreich gesammelten Daten (11), daß nach Einführung der Vaccination in diesem Lande die Sterblichkeit der 2 Ey FRIETE F e a r (s 4 Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 299 Tiere an Milzbrand abnahm (11). In Deutschland ging man der Vaceci- nation mit äußerster Vorsicht entgegen, was besonders in einer Polemik zwischen Pasteur und Koch (35) zum Ausdruck kam. Koch stellt die Möglichkeit, Schafe durch Impfung gegen Milzbrand unempfänglicher zu machen, nicht in Abrede, findet aber, daß die durch Vaceination erzielte Unempfänglichkeit der Schafe sich nur auf die künstliche, nicht aber auf die natürliche Infektion bezieht. Die wissenschaftliche Bedeutung der Pasteur’schen Vaccine wird somit von allen Gelehrten anerkannt, was jedoch die praktische Anwendung betrifft, so bestehen in dieser Frage Meinungsverschiedenheiten zwischen den französischen und deutschen Gelehrten (22). Auf diesem Standpunkte stand die Frage von der Impfung der Kaninchen mit Pasteur’scher Vaccine bis 1887. In diesem Jahre schlugen Roux und Chamberland (15) eine Methode zur Immunisation _ der Kaninchen gegen Milzbrand vor, welche darin besteht, daß dem Kaninchen eine große Quantität erster Vaccine unmittelbar ins Blut gespritzt wird. Das Quantum erster Vaceine, welches zur Immunisation eines Kaninchens, nach Roux und CGhamberland, erforderlich ist, würde zur subkutanen Vaccination von 400 Schafen genügen, wenn man auf jedes Schaf 0,2 ccm erster Vaceine rechnet. Die beschriebene Methode von Roux und Chamberland gilt als die beste Methode zur Immunisation von Kaninchen gegen Milzbrand mittels Pasteur’scher Vaceine. Vaccine anderweitigen Ursprungs. Im Gegensatze zu den Pasteur’schen Vacceinen enthalten die anderen keine lebensfähigen Bacillen, welche entweder schon im Material, das zur Bereitung dieser Vaccine gedient hatte, gar nicht vorhanden gewesen, oder aber sie waren anfangs darin enthalten und auf die eine oder andere Weise daraus entfernt. Die große Zahl derartiger Vaccine und die Mannigfaltigkeit ihrer Entstehung machen eine Klassifikation dieser Vaccine äußerst schwierig. Bekanntlich haben Salmon und Smith (55) zuerst auf die Möglich- keit hingewiesen, Tiere mit sterilisierten Kulturen zu immunisieren. _ Charrin (16) fand dasselbe für den Bac. pyocyaneus. Was den Milzbrand betrifft, so hat Wyssokowitsch Schafe mit _ sterilisiertten Pasteur schen Vaccinen immunisiert. Maltzew (40) hat - Kulturen von Milzbrandbacillen durch die Chamberland’sche Kerze filtriert und gefunden, daß Kaninchen nach Einspritzung des Filtrats unter die Haut empfänglicher für Milzbrand werden. Klemperer (37) kochte Kulturen von Milzbrandbacillen und schied daraus ein Proteid _ ab, welches die Fähigkeit, Kaninchen gegen Milzbrand zu immunisieren, nicht besaß. Hankin (33) isolierte aus einer Kultur von Milzbrandbacillen eine Albumose, mit welcher er Mäuse gegen Milzbrand immunisieren konnte, aber die Versuche Petermann’s (50) bestätigten das nicht. Es muß betont werden, daß trotz der großen Anzahl von Arbeiten, welche der Erforschung des Milzbrandvirus gewidmet sind, letzteres doch fast völlig unbekannt ist, und auch das Wenige, was wir davon wissen, bietet nichts Zuverlässiges dar (Gamaleia) (31). Somit ist erwiesen, daß es unmöglich ist, Tiere mit sterilisierten oder filtrierten Kulturen und Toxinen des Milzbrandes zu immunisieren. Unter den verschiedenen Methoden der erörterten Gruppe ist folgende Methode der Immunisation von Kaninchen gegen Milzbrand 300 Karl Vaerst, beachtenswert: Im Jahre 1887—1888 veröffentlichte der englische Gelehrte Wooldridge (64) seine Versuche über Immunisation von Kaninchen. Dieser Autor bereitete aus der Thymusdrüse von Kälbern sogenannte „Ihymusbouillon“, infizierte dieselbe mit einer Reinkultur von Milzbrand- bacillen, sterilisierte sie und erhielt Vaccine. Diese Versuche von Wooldridge zeigten, daß ein Kaninchen, welchem direkt ins Blut 30 cem Thymusvaceine gespritzt wurden, für subkutane Infektion mit Milzbrand unempfänglich wird. Die Mitteilung Wooldridge’s, welche auf nur wenige Versuche gegründet war, stand in Gefahr, sich unter den zahlreichen ähnlichen Mitteilungen, die alle bald in Vergessenheit gerieten, zu verlieren, zumal da der Autor selbst vorzeitig starb, ehe er Zeit gehabt hatte, seine neue Methode auszuarbeiten. Obgleich Wool- dridge gar zu kühne Hypothesen über die Entstehung der Immunität aufstellte und in seinen Verallgemeinerungen entschieden zu weit ging, was bei der Prüfung eines Teiles seiner Versuche alsbald zu Tage trat, bewiesen durch Eberth und Schimmelbusch (24), so blieb doch die Thatsache der Immunisierung von Kaninchen gegen Milzbrand mittels Thymusvaceine nicht allein unwiderlegt, sondern es wurden vielmehr die positiven Resultate Wooldridge’s von Wright (66), welcher die Methode modifizierte, im Jahre 1891 bestätigt. Die Idee Wooldridge’s, das Extrakt der Thymusdrüse zur Immuni- sation anzuwenden, benutzten Brieger, Kitasato und Wassermann (9). Genannte Autoren bereiteten Thymusvaccine zur Immunisierung gegen Mikroorganismen der infektiösen und toxischen Gruppe und erzielten positive Resultate bei den Vertretern der letzteren Gruppe; was aber die Milzbrandbacillen betrifft, so erwies sich die Thymusvaceine für sie als unwirksam. Es muß bemerkt werden, daß die Autoren ihre Ver- suche nicht so anstellten, wie es Wooldridge vorgeschlagen hatte. Ja, sie experimentierten nicht einmal an Kaninchen, wie Wooldridge, sondern an anderen kleineren Tieren. Das Gleiche gilt von den Ver- suchen Gramatschikoff’s (32), welcher Kaninchen mit Thymus- bouillon immunisierte und zu negativen Resultaten gelangte. Die Versuche Wooldridge’s blieben also ohne Nachprüfung, wenn man darunter ihre Anordnung in der Gestalt versteht, wie sie von diesem Autor vorgeschlagen wurden. Es decken sich aber die Versuche Wooldridge’s mit den oben näher erwähnten Versuchen nach der Roux-Chamberland’schen Methode insofern, als bei diesen wie bei jenen Versuchen die Immunisationsmethode in intravenöser Injektion großer Vaccinemengen besteht. Immunisation von Tieren gegen Milzbrand mittels Blut und Blutserum verstorbener.Tiere, Roux und Chamberland (14) fanden, daß das Blut von an F3 Milzbrand verstorbenen Tieren, mittels hoher Temperatur sterilisiert, N N RW WE immunisierende Flemente enthält. Doch ist die Immunisierung von Tieren mit solchem Material nach Angabe der Autoren schwierig, da unter dem Einfluß der hohen Temperatur die immunisierenden Prinzipien leicht zerstört werden. Christmas (21) suchte eine Vaceine zu erhalten, indem er mit Eukalyptusessenz die Bacillen abtötete, welche sich im Blute und in r ar" r » den zerstückelten Organen von Tieren befanden, die an Milzbrand zu Grunde gegangen waren; demselben Autor gelang es, ein Filtrat von einer 5—6-tägigen Kultur zu erhalten, welche auf einer aus Eigelb, Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 301 Eiweiß und alkalischer Bouillon bestehenden Mischung bereitet war; ein solehes Filtrat besaß vaccinierende Eigenschaften für Kaninchen gegen Milzbrand. Ogata und Jasuhara (43) immunisierten Kaninchen gegen Milz- brand mit dem Blute von Fröschen und Hunden. Gabritschewsky (29), Petermann (öl), Serafini (57) und Esignetz, Pane (46), Bergonzini (4) wiesen die Unzulänglichkeit der erwähnten Versuche der japanischen Autoren nach. Bonome (7) immunisierte Mäuse mit Serum aus dem Lymphsack des Frosches und fand, daß bei Infektion mit Milzbrand diese Mäuse schneller zu Grunde gingen, als die Kontrolltiere. Hankin (34) immunisierte Mäuse gegen Milzbrand, indem er ihnen aus dem Blute von Ratten gewonnenes Serum einspritzte. Rummo und Bordoni (54) vergifteten Tiere mit Serum, das aus dem Blute von an Milzbrand zu Grunde gegangenen Tieren ge- wonnen war. Zagari (67) glaubt, daß das Blut von einem Meerschweinchen, das nach vorheriger Impfung mit Erysipelstreptokokken an Milzbrand zu Grunde gegangen ist, eine gute Vaccine gegen virulenten Milzbrand abgiebt. Brieger, Kitasato und Wassermann (9) verrieben eine Milz, die dem Leichnam einer mit Milzbrand infizierten Maus entnommen war, in Thymusbouillon und erwärmten die entstandene Mischung im Laufe von 15 Minuten auf 70°C. Durch Immunisierung erzielten die Autoren eine gesteigerte Umempfänglichkeit der Mäuse gegen Milzbrand. Aus dem soeben Erörterten ergiebt sich von selbst, daß die an- geführten Versuche der Immunisierung mit Blut, Blutserum oder Organen solcher Tiere, welche an Milzbrand zu Grunde gegangen waren, zweifel- hafte Resultate ergaben. Bekanntlich ist die Immunisierung und Blut- serumtherapie von besonderer Bedeutung für diejenige Krankheitsgruppe, welche toxischen Mikroorganismen ihren Ursprung verdankt, wie z. B. Diphtherie und Tetanus. Was aber die Krankheiten betrifft, denen infektiöse Mikroorganismen zu Grunde liegen, so läßt sich heutzutage noch nicht sagen, ob dem Blutserum im Kampfe gegen diese Krankheiten eine Zukunft bevorsteht. Antagonismus. In einem der vorstehenden Abschnitte habe ich schon andeutungs- weise mitgeteilt, daß die Milzbrandbacillen bei gleichzeitigem Wachstum anderer Mikroorganismen in demselben Nährmedium an Kraft verlieren. Der Gedanke, den Antagonismus zwischen den Bakterien, der sich bei Reagenzglasversuchen kundgiebt, dazu zu benutzen, um mit Milzbrand infizierte Tiere vor dem Tode zu bewahren, hat eine große Reihe von Versuchen hervorgerufen, die mehr den Charakter experimenteller Therapie, als den einer Schutzimpfung tragen. Emmerich uud W. Cheyne (eitiert nach Senn) (56), infizierten Kaninchen zunächst mit Erysipelstreptokokken, sodann mit Milzbrand- bacillen; die Tiere blieben am Leben. Emmerich und Di Mattei (25) sehen die Erysipelstreptokokken als immunisierendes Mittel bei allen Infektionskrankheiten an; Schutzimpfung mit Erysipelstreptokokken er- zeugt Immunität, welche so lange dauert, als die Streptokokken im Blute eirkulieren, das ist 3—10 Tage, nach der Bestimmung von Di Mattei. Zagari (67), welcher die Versuche Emmerich’s wiederholte, erzielte 302 Karl Vaerst, bloß eine Verzögerung des Todes der infizierten Kaninchen, doch gelang es ihm nicht, sie vom Milzbrand zu heilen. Pawlowsky (44) unternahm eine Prüfung der Emmerich’schen Versuche und gelangte zu folgenden Resultaten: Den lokalen Milzbrand zu heilen, gelingt am besten mit gleichzeitiger oder nachfolgender sub- kutaner Injektion von Friedländer’schen Pneumobacillen. Ebenso wirkt eine gleichzeitige subkutane Injektion der Kulturen von Staphylo- kokken und Milzbrandbacillen. Injiziert man bald nach der Injektion von Milzbrandbaecillen eine Kultur von Bac. prodigiosus in der nächsten Umgebung der ersten Inokulationsstelle, so entsteht am Orte der Einspritzung Eiterung, und das Kaninchen bleibt am Leben. Bei Allgemeininfektion von Kaninchen mittels intravenöser Injektion sind die Resultate unbefriedigend. Bringt man in das Blut von Kaninchen eine Kultur von Milzbrandbacillen und eine Kultur von Staphylokokken, so gehen die Kaninchen entweder an Milzbrand oder an allgemeiner Staphylo- kokkeninfektion zu Grunde. Von 8 Kaninchen, denen Friedländer’sche Pneumokokken und Milzbrandbacillen ins Blut injiziert wurden, blieben nur 2 am Leben, die übrigen gingen an Milzbrand zu Grunde. Bouchard (8) impfte Kaninchen Milzbrandbacillen unter die Haut, und rings um die Injektionsstelle spritzte er Kulturen von Bac. pyo- cyaneus. Die Resultate waren gut. Das Gleiche fanden Blagove- tschensky (5), Charrin und Guignard (17). Hueppe und Wood (36) fanden, daß subkutane Einspritzung von reinen Saprophyten die Kaninchen vor Milzbrandinfektion zu schützen vermag. Hinsichtlich der soeben besprochenen Versuche über Immunisierung von Tieren gegen Milzbrand durch Einspritzung von Kulturen anderer Mikroorganismen kann man sagen, daß diese Versuche gleichartige Resultate ergeben, und zwar: ruft man am Orte der subkutanen Injektion von Milzbrandbacillen Entzündung mit Eiterung hervor, so brauchen die Tiere nicht an Milzbrand zu Grunde zu gehen; hingegen bei intravenöser Injektion virulenter Milzbrandbacillen vermögen keine anderen Mikro- organismen die Tiere vom Tode zu erretten. Jedoch auch im ersteren Falle erwerben die Tiere, welche nach gleichzeitiger Infektion mit Milz- brandbacillen und anderen Mikroorganismen, Antagonisten jener, am Leben geblieben sind, keine Immunität gegen Milzbrand. Schließlich sei es mir gestattet, noch einige Methoden zur Bekämpfung des Milzbrandes anzuführen, um zu zeigen, wie mannigfaltig die Wege sind, auf denen man gegen diesen gefährlichen Feind zu Felde gezogen ist. Wenn ich hierbei diesen oder jenen Autor nicht erwähnt habe, so möge er deshalb mit mir nicht zu scharf ins Gericht gehen; denn es sind der Methoden zu viele, als daß ich jede einzelne mitteilen könnte, ohne nicht den Rahmen des Erlaubten überschreiten zu müssen. Zagari (67) gelang es, Kaninchen gegen Milzbrand zu immunisieren, indem er an ihnen Schutzimpfungen mit Milzbrandkbacillen vor- nahm, die auf einer sterilisierten Bouillonkultur von Spirillen asiatischer Cholera kultiviert waren. Woodhead und Wood (62, 63) sterilisierten eine 10-tägige Kultur von Bac. pyocyaneus und heilten damit Milzbrand oder ver- zögerten wenigstens seine Entwickelung. Kostjurin und Krainsky (39) erzielten dieselben Resultate, indem sie faulige Substanzen einspritzten. BE Liane I | | EEE ER ET SE FERNE Bei. Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 303 Als Versuche von einigermaßen größerer Bedeutung sind die von Fodor (28) zu erwähnen, dem es gelang, den Milzbrand der Kaninchen durch subkutane Einspritzungen von Sodalösung zu heilen. Da Behring (3) die Immunität der Ratten gegen Milzbrand auf die relative Alkalescenz ihres Blutes zurückführt, so drängt sich der Gedanke auf, Tiere durch künstliche Steigerung ihrer Blut- alkalescenz immun zu machen. Und in der That gelang es K. Müller (42), die Immunität der Ratten gegen Milzbrand auf diese Weise bis zu einem gewissen Grade zu steigern, doch gelang es nicht, den tödlichen Ausgang abzuwenden. Chor (20) konnte die Versuche Fodor’s bestätigen. Interessant ist auch ein Versuch Pawlowsky’s, der ver- suchte, den Milzbrand der Tiere mit Proteinen — (Papayotin und Alexin) — zu heilen. Er fand, daß mit Milzbrand infizierte Tiere nach Einführung der erwähnten Substanzen in ihren Körper nicht nur genasen, sondern sogar Immunität gegen Milzbrand erwarben. Zum Schluß sei mir noch gestattet, des Versuches von Blaisie und Sambuc (5) Erwähnung zu thun. Daß genannte Autoren in unserer X-strahlenfrohen Zeit auf den Gedanken kamen, zu versuchen, ob die Röntgenstrahlen auf den Milzbrand einen Einfluß auszuüben im- stande seien, ist leicht erklärlich: Eine sporenhaltige Milzbrandkultur wurde 20 cm von einer Röntgen-Lichtquelle entfernt 15 Minuten lang in einer offenen Schale den Wirkungen der X-Strahlen ausgesetzt und zwar an mehreren Tagen 7—49 Minuten, im ganzen 180 Minuten lang. Virulenz und Vitalität blieben aber unverändert. Hiermit schließe ich die weitere Aufzählung der Mittel zur Be- kämpfung des Milzbrandes. Werfe ich einen kurzen Rückblick auf die im Vorhergehenden be- - sprochenen Arbeiten, so fällt auf, daß auch hier die Autoren durchweg sehr günstige Resultate erzielt haben. Was nun hierbei der Wirklich- keit entspricht, oder was als Optimismus zu betrachten ist, das entzieht sich meiner Beurteilung und dies zu kritisieren, ist auch nicht meine Absicht. Soviel aber steht fest, daß bis jetzt noch keine sichere und zuver- lässige Methode zur Bekämpfung des Milzbrandes gefunden ist. Es wäre daher sehr zu wünschen und dankbar anzuerkennen, wenn es den Autoren Emmerich und Loew endlich gelungen wäre, hierin Wandel zu schaffen. A. Herstellung der Pyocyanase. Wie ich schon in der Einleitung bekannt gab, war mir die Her- stellung der Pyocyanase nach Emmerich und Loew unbekannt, und war ich darauf angewiesen, aus dem Wenigen von Emmerich und Loew Mitgeteilten meine Schlußfolgerungen zu ziehen. Mehrere Liter Bouillon in verschiedenen Kolben wurden mit Bac. Pyocyaneus infiziert und im Brutraum aufbewahrt. In Zeiträumen von 3—5 Tagen wurden die Kulturen geschüttelt, damit die an der Oberfläche gebildeten Häute zu Boden sinken sollten. Nach ungefähr 6 Wochen wurden die Kulturen im Wasserbade je 6 Stunden auf 58° C erhitzt, um die noch vorhandenen Bakterien abzutöten. Auf je 1 1 der Flüssigkeit wurden 500 & Ammoniumsulfat gegeben, umgerührt und 24 Stunden stehen gelassen. Darauf wurden die Lösungen filtriert und der Rückstand mehrere Tage zur Entfernung der Hauptmenge des zurück- gehaltenen Sulfates dialysiert. Nachdem dann eingetrocknet war, wurde das Präparat zu feinem Pulver verrieben. Dieses Pulver hatte eine grau- 304 Karl Vaerst, braune Farbe, eigenartigen, etwas stechenden Geruch und war beim Er- wärmen in Wasser mit dunkelgrüner Färbung löslich. B. Versuche. Meine Versuche teilen sich, analog denen von Emmerich und Loew, in solche I. in vitro und II. am Tier; in beiden Fällen mit ver- schiedenen Unterabteilungen. 1A,n, vaReo; Hier will ich vorausschicken, daß im Folgenden viel die Rede sein wird von „Pyocyanaselösung“. Ich verstehe darunter eine Lösung von 1 g getrockneter Pyocyanase auf 10 ccm sterilisierten Wassers. Um zu erfahren, ob ein wesentlicher Unterschied bestehe zwischen den 1) aöroben und 2) anaöroben Versuchen, wurde in der Versuchs- reihe dementsprechend verfahren. 1) Aörob. Zu diesen aöroben Versuchen wurden verwendet a) „Horizontalagar“ in Petri’schen Doppelschalen und b) „Schrägagar“ in Reagenzgläsern. a) Horizontalagar in Petri schen Doppelschalen. Es soll dargethan werden, daß sich Milzbrand bei Gegenwart von Pyocyanase nicht entwickelt. Zu diesem Zwecke wurden 10 Oesen einer gutentwickelten Milz- brandagarkultur in eine Pyocyanaselösung übertragen und gut geschüttelt. Diese, sagen wir „Milzbrandpyocyanaseaufschwemmung“, wurde in eine mit Agarnährboden versehene Petri’sche Doppelschale gegossen und im Brutraum bei 37,5°C aufgestellt. Es waren zu diesem Versuch 5 solcher Kulturen angelegt worden. An 4 Kulturen war nicht die geringste Spur einer Entwickelung wahrzunehmen. Durch Zufall war eine Kultur etwas schräg gestellt worden, so daß ungefähr nur dreiviertel des Nährbodens mit der Milzbrandpyocyanase- aufschwemmung bedeckt war. Und nun zeigte sich folgender interessante Vorgang: Auf dem von der Flüssigkeit überdeckten Teil kein Wachstum. Von dem Rande der Flüssigkeit aus aber wucherte der Milzbrand über den ganzen von der Flüssigkeit unbedeckten Teil. Der mikroskopische Befund dieser Kolonieen ergab gut entwickelten Milzbrand. Zur Kontrolle obigen Versuchs wurden 3 Oesen derselben Milz- brandkultur in 20 cem sterilisierten Wassers gebracht, gut geschüttelt, in eine mit Agar beschickte Petri ’che Doppelschale gegossen und mit den 5 anderen Kulturen in den Brutraum gebracht. Hier gutes Wachstum, das von Tag zu Tag zunahm. b) Schrägagar in Reagenzgläsern. Eine solche Agarkultur wurde am 24. Januar 1900 mit stark viru- lentem Milzbrand geimpft und 2 Tage im Brutraum aufbewahrt, so daß die Agarfläche vollständig mit einem Belag bedekt war. Am 26. h. m. wurde auf diese Kultur soviel Pyocyanaselösung ge- geben, daß nur die untere Fläche mit dieser Lösung in Berührung war; darauf wurde diese Kultur in den Brutraum gebracht. Am 27. h. m. war noch nichts Besonderes zu bemerken. Am 28. h. m. hatte sich der Belag von der Unterlage abgelöst und schwamm in der Lösung. Die mikroskopische Untersuchung ergab be- züglich der Bacillen nichts Bemerkenswertes. Am 29. h. m.: Makroskopisch dasselbe Bild. Mikroskopisch: Baeillen teilweise aufgelöst; der größte Teil aber noch gut erhalten. Bei Ueber- a ee impfung von Material aus der Flüssigkeit auf Agar, zeigte sich gutes Wachstum. Am 30. h. m.: Dasselbe Bild, nur nicht mehr so viele gut erhaltene Bacillen. An dem Tage wurde von einer Ueberimpfung Abstand ge- nommen. Am 31. h. m. waren die meisten Bacillen aufgelöst, einige sahen wie zerzupft aus. Am 1. Februar 1900 war alles zerfallen; nur hie und da, ganz selten, ein auffallend gut erhaltener Bacillus; auf Agar gutes Wachstum. Denselben Befund traf ich auch noch in den folgenden Tagen an, so daß ich mir diese auffallende Thatsache nicht anders erklären konnte, als daß von der oberhalb der Oberfläche der Flüssigkeit gelegenen Partie der Kultur immer wieder Bacillen in die unten befindliche Flüssigkeit gelangten. Diese Annahme bestätigte sich, wie die folgenden Versuche lehren. Eine gleiche Kultur, wie die im Vorhergehenden beschriebene, wurde am 7. Februar vollständig mit einer Pyocyanaselösung übergossen. Am 8. h. m.: Belag von der Unterlage abgelöst, schwamm in der Lösung. Der größte Teil lag als grauschwarzer Klumpen am Boden des Reagenzglases. Auf Agar überimpft, gutes Wachstum. Am 9. h. m. war im Kulturglase nichts Besonderes wahrzunehmen. Mikroskopisches Bild: Bacillen meistens aufgelöst; hie und da ein gut erhaltener Bacillus. Auf Agar überimpft, verschiedene, gut entwickelte Kolonieen. Am 10. h. m. folgendes mikroskopisches Bild: Alles aufgelöst, im ganzen Bilde nur gefärbte Reste der früheren Bacillen; nur da und dort ein ziemlich gut erhaltener Bacillus. Auf Agar überimpft, kein Wachstum. Am 11. und 12. h. m. derselbe Befund. Dieser Versuch wurde dann noch einmal mit demselben Ergebnis unternommen. Nur zeigte es sich, daß auch hier ab und zu, und zwar zu einer Zeit, wo eigentlich alles sollte aufgelöst sein, sich ein ziemlich gut erhaltener Bacillus vorfand. Ich konnte mir diese eigentümliche Erscheinung nur dadurch erklären, daß in dem am Boden liegenden Klumpen die Bacillen nicht genügend mit der Pyocyanaselösung in Be- rührung war, um eine energische Wirkung von seiten der Pyocyanase auf die Bacillen zuzulassen. Das Ergebnis des im folgenden Versuch ein- geschlagenen Verfahrens wird den Beweis meiner Behauptung erbringen. Am 13. Februar 1900 wurde eine Milzbrandagarkultur mit Pyo- eyanaselösung übergossen. Am 14. h. m. war der Belag als eine grau- schwarze Masse an den Boden gesunken. Mikroskopisches Bild: Sehr viele Bacillen aufgelöst; daneben viele gut erhaltene. Nun wurde der Inhalt des Kulturglases geschüttelt, so daß die am Boden liegende Masse vollständig in der Flüssigkeit verteilt war. Von dieser Flüssigkeitsmasse wurde auf Agar überimpft; hier gutes Wachstum. Am 15.h. m. makroskopisch dasselbe Bild. Mikroskopisch: Bacillen zerfallen, hie und da undeutlicher Bacillus. Jetzt wurde wieder ge- schüttelt und auf Agar überimpft: schlechtes Wachstum; die einzelnen Kolonieen hatten eine eigenartig gelbgraue Farbe. Am 16. h. m. makroskopisch derselbe Befund. Mikroskopisch: Alles zerfallen; in mehreren Präparaten keine Baecillen zu entdecken. Jetzt wurde wieder geschüttelt und überimpft: kein Wachstum; Kultur bleibt sterl. Die an den nun folgenden Tagen angestellten Untersuchungen ergaben das gleiche Resultat. Zur besseren Uebersicht diene Tabelle I. Erste Abt. XXXI. Bd. 21 Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 305 6; TRETEN 306 Karl Vaerst, Tabelle I. | PR Mikroskopischer Nach | Makroskopischer | Mikroskopischer Wachstum auf [Befund der auf Agar ? Tagen Befund Befund Agar gewachsenen Kolonieen 1 ‚Belag von der Unter- Viele Bacillen auf- |Gutes na wie normale lage abgelöst, gelöst Milzbrandkulturen | schwimmt in der | Lösung 2 Nichts Besonderes Die meisten Ba- Verschiedene gut |Dasselbe cillen aufgelöst | entwickelte I E nieen 3 [Dasselbe Alles aufgelöst Kein Wachstum — 4 Dasselbe Dasselbe Dasselbe Dieser Versuch wurde noch einigemal mit demselben Resultat wieder- holt. Nur war die Zeit, in der die Bacillen von der Pyocyanase auf- gelöst wurden, verschieden. Sie schwankte zwischen 3 und 5 Tagen. 2) Anaörob. Behufs Feststellung, inwieweit sich die Wirkung der Pyocyanase auf den Milzbrand bei Luftzutritt unterscheide von der bei Abschluß der Luft, wurde folgendes vorgenommen: Zur Verwendung kamen Röhren mit ungefähr 2'!/, cm. starkem Lumen, die an den beiden Enden ca. 10 cm lange Verjüngungen trugen. 6 solcher Röhren wurden mit Agarnährboden beschickt und mit Milzbrand infiziert. Am 26. Januar 1900 wurde von einer Pyocyanase- lösung soviel hinzugegeben, daß die Kulturoberfläche mit einer ca. 5 mm dicken Flüssigkeitsschicht überdeckt war. Die Röhren wurden an dem einen Ende zugeschmolzen, das andere Ende wurde mit der Wasserluft- pumpe in Verbindung gebracht und durch S—10-stündiges Saugen luft- leer gemacht. Dann wurde auch dieses Ende zugeschmolzen, und die Kulturen in den Brutraum gestellt. Je nach Notwendigkeit wurde ein Rohr geöffnet und wieder zugeschmolzen. | Am 27. Januar hatte sich der Belag von der Unterlage gelöst und schwamm in Klumpen und Fetzen in der Flüssigkeit. Die mikroskopische Untersuchung ergab, daß viele Bacillen aufgelöst, die meisten aber noch erhalten waren. Auf Agar überimpft, gutes Wachstum. Am 28. h. m. waren die meisten Bacillen aufgelöst und nur noch wenige gut erhaltene Bacillen vorhanden; gutes Wachstum auf Agar. Am 29. h. m. alles zerfallen; auch auf Agar kein Wachstum mehr. (Siehe Tabelle II.) # Tabelle II. 4 | Mikroskopischer er Nach | Makroskopischer Mikroskopischer Wachstum auf |Befundderauf Agar ? Tagen Befund Befund Agar gewachsenen I Kolonieen Br 1 |Belag von der Unter- Viele Bacillen auf- [Gutes Genau wie normale lage abgelöst, gelöst Milzbrandkulturen | schwimmt in der - MN Flüssigkeit & 2 |Dasselbe Wenige gut er-|Wenige Kolonieen |Gut entwickelt AN haltene Bacillen 2 3 Dasselbe Alles zerfallen [Nichts — £ 3 Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 307 Bei allen 6 Kulturen waren dieselben Befunde zu konstatieren. Es muß jedoch hervorgehoben werden, daß in diesen Fällen in 4 Tagen, also einen Tag weniger als bei den aöroben Versuchen, eine vollständige Auflösung sämtlicher Bacillen erfolgt war. Dieser Umstand spricht dafür, daß bei Luftabschluß die Milzbrandbacillen durch die Pyocyanase schneller abgetötet werden, als bei Luftzutritt. II. Tierversuche. Die Versuche am Tier habe ich in folgende Versuchsreihen gegliedert: 1) Gleichzeitige Injektion von Pyocyanase und Milzbrand. 2) Immunisierungsversuche mit wässeriger Pyocyanaselösung (1:10) gegen Milzbrand. 3) Immunisierungsversuche mit Pyocyanase-Immunproteidin: a) Serumimmunproteidin, b) Milz gegen Milzbrand. 4) Immunisierungsversuche mit der dem Glase entnommenen Pyo- eyanase-Milzbrandaufschwemmung (Pyocyanaselösung und abgetöteter Milzbrand) gegen Milzbrand. 1. Gleichzetige Injektion von Pyocyanase und Milzbrand, Auch in diesen Versuchen wurde die Pyocyanase in Form einer wässerigen Lösung (1:10) benutzt. Ich will gleich hier vorausschicken, daß bei allen intravenösen In- jektionen stets die hintere Ohrvene gewählt wurde, weil diese bei dem an dieser Stelle in geringem Maße vorhandenen Bindegewebe ihrer Unterlage fest aufliegt und sich nicht leicht verschiebt. Dabei wurde folgender kleiner Kunsteriff angewandt. Vor der Injektion wurde das Ohr ca. 20 Sekunden in ein ungefähr 28° GC warmes Glas Wasser ge- halten. Dabei schwoll die Vene zu einem deutlichen Strang an, so daß man ohne jegliche Mühe und ohne komprimieren zu müssen, injizieren konnte. Bei den ersten Versuchen, als ich dieses Verfahren noch nicht kannte, habe ich vorher stets rasiert; aber auch das ist vollständig Be enenig, wie ich gelegentlich der späteren Versuche habe konstatieren Önnen. Versuch 1. Einem weißgrauen, 2050 g schweren Kaninchen wurden am 14. Dezember 1899, morgens 10 Uhr 30 Minuten, 3 ccm obiger Lösung intravenös injiziert. Gleich nach der Injektion traten Depressionserscheinungen ein, die in 35 Minuten wieder gehoben waren. Sofort nach der Pyocyanaseinjektion wurde dem Tiere von einer hoch- virulenten Milzbrandbouillonaufschwemmung 1 ecm unter die Rückenhaut injiziert. Nach diesen Injektionen zeigte das Tier keinen besonderen Appetit. Die Temperatur betrug am 15. h. m. 39,5° C. Am 16., morgens 10!/, Uhr, erhielt das Tier nochmals 3 cem obiger Pyocyanaselösung subkutan und 3 ccm intravenös. Nach dieser Injektion starke Depressionserscheinungen und periodenweißes Erzittern des ganzen Körpers. Trotzdem diese Erscheinungen erst 45 Minuten nach der In- jektion gehoben waren, hatte das Tier doch sofort Verlangen nach Futter. Die Temperatur betrug um 11 Uhr 45 Minuten 40,2° C. Am 18. h. m., morgens 9!/, Uhr, wurden dem Tiere wiederum 3 cem intravenös und 5 cem subkutan injiziert. Nach dieser Injektion starke Depression und kurze, ruckweise, krampfartige Kontraktion der 21” 308 Karl Vaerst, Körpermuskulatur; nach 45 Minuten hatte sich das Tier wieder erholt. Die Temperatur betrug um 11 Uhr 30 Minuten 40,1° C. Am 22. Dezember, morgens 10 Uhr, erhielt das Tier zum Schluß noch 5 cem subkutan. Auch nach dieser Injektion traten geringgradige Depressionserscheinungen auf, die aber doch nicht so schlimm waren, wie die der beiden vorhergehenden Injektionen und auch dementsprechend schneller, in 25 Minuten, vergingen. Das Tier zeigte bald Appetit; auch traten nachher keinerlei Krankheitserscheinungen auf. Das Tier lebt heute, den 29. Juni 1900, noch. (Siehe Tabelle III.) Kontrollversuch: Ein großes, 2100 g schweres, schwarzweißes Kaninchen erhielt am 14. Dezember 1899, 11 Uhr morgens, also zur selben Zeit wie im Versuch 1, 1 ccm derselben, im Hauptversuch näher beschriebenen Milzbrandaufschwemmung subkutan. Am selben Tage, abends 5!/, Uhr, betrug die Körpertemperatur 40,2° C. Futteraufnahme fand von jetzt an nicht mehr statt. Am 15., morgens 9 Uhr, war eine Temperatur von 40,8° C zu konstatieren. Den Tag über saß das Tier zusammengekauert in einer Ecke. Am 16. über Tag dasselbe Bild. In der Nacht vom 16. zum 17. verendete das Tier. An der Impfstelle starkes Milzbrandödem; Milz stark vergrößert. Im Oedem, Herzblut und in der Milz zahlreiche Bacillen, die sich auf Agar gut entwickelten. Versuch 2. Ein mittleres, graues, 1910 g schweres Kaninchen erhielt am 26. Januar 1900, morgens 9 Uhr, 3 cem Pyocyanaselösung subkutan und 2 cem intravenös. Gleichzeitig 1 ccm einer hochvirulenten Milzbrandbouillonaufschwemmung. Nach der Injektion deutliche De- pressionserscheinungen, die nach 25 Minuten gehoben waren. Am 27. Januar, morgens 10 Uhr 30 Minuten, wurden dem Tiere wiederum 5 cem injiziert, worauf geringgradige Depression eintrat. Die Körpertemperatur betrug 39,8° C. | Am 29. h. m., morgens 9 Uhr 30 Minuten, spritzte ich dem Tiere nochmals 4 cem subkutan und 2 ccm intravenös ein. Auf diese Injektion erfolgte eine deutliche Depression und Zittern des ganzen Körpers. Nach 30 Minuten hatte sich das Tier wieder erholt. Die Temperatur war nicht mehr gestiegen, sie betrug 39,8° C. Am 30. Januar, morgens 10 Uhr, erhielt das Tier schließlich 5 cem subkutan. Die Wirkung unterschied sich kaum von der im Versuch 1 angegebenen. Dieses Tier erholte sich bald wieder, zeigte stets guten Appetit und war immer von gesundem und munterem Aussehen. Es lebt noch heute (29. Juni 1900). (Siehe Tabelle III.) Versuch 3. Gleichlaufend mit Versuch 2 wurde dieser Versuch angestellt. Zur Verwendung kam ein gelbes, 1980 g schweres Kaninchen. Demselben wurden die gleichen Dosen wie im Versuch 2 injiziert. Die Wirkungen waren hier wie dort dieselben. Auch dieses Kaninchen ist mit dem Leben davongekommen und lebt ebenfalls noch. (Siehe Tabelle III.) Kontrollversuch zu den eben geschilderten Versuchen: Einem mittelgroßen, grauen, 1920 g schweren Kaninchen wurden am 26. Januar morgens 9 Uhr 30 Minuten von derselben Milzbrandbouillonaufschwem- | F- mung, wie in Versuch 2 angewandt, 1 cem unter die Rückenhaut ge- spritzt. Ag Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 309 Tabelle III. | Milzbrand BRENNT Kaninchen Injiziert wurde Pyocyanase am wurde in- Resultat |, Aziert am No. 1, weiß-|14. Dez. 16. Dez. |18. Dez. 22. Dez. |14. Dez. 1ccmilebt grau, 2030 g| 3cem in-| 3cemin-| 3cemin-) 5 cem travenös | travenös,) travenös,) subkut. 3 ccm 3 cem subkut. | subkut. No. 2, grau,/26. Jan. 27. Jan. |29. Jan. |30. Jan. |26.Jan. 1ccmilebt 1910 g 3 cem 5 ccm 4 ccm 5 cem subkut., | subkut. | subkut., | subkut. 2 ccm in- l ccm in- travenös travenös No. 3, gelb,/26. Jan. 27. Jan. 29. Jan. |30. Jan. |26.Jan.1ccmilebt 1980 & 3 ccm 5 cem 4 ccm 5 ccm | subkut., | subkut. | subkut., | subkut. 2 ccemin- l ccm in- travenös travenös Kontrolltier 1 —_ —_ _ Dee 14. Dez. 1cem'starb in der Nacht | vom 16. z. 17. Dez. Kontrolltier 2 — — —_ Et 26.Jan.l1ccmIistarb am 28. Jan. | nachmittags Am 27. saß das Tier traurig in einer Ecke, nahm aber noch Nah- rung. Abends jedoch verweigerte es zum erstenmal das Futter. Am 28. war das Tier schwer krank. Atmung sehr angestrengt. Temperatur 41,1° C. Nachmittags war das Tier tot. An der Impfstelle kleines Oedem. Im Oedem, Herzblut, sowie in der Milz viele Bacillen, die auf Agar gutes Wachstum zeigen. Die schutzgeimpften Tiere zeigten, abgesehen von den Depressions- erscheinungen, keinerlei Krankheitssymptome. Nicht einmal eine nennens- _ werte Temperatursteigerung war zu konstatieren. Appetit und Befinden _ war andauernd gut. Von den auffälligen Erscheinungen, wie ich sie, besonders in den _ Versuchen mit Milzimmunproteidin, allerdings auch bei entsprechend größeren Dosen, fand: Absceßbildung, Abmagerung und Fiebererschei- nungen, war hier nichts zu bemerken. Wenn ich die Resultate obiger Versuche betrachte, so geht ohne Zweifel daraus hervor, daß bei gleichzeitiger Injektion von Pyocyanase und Milzbrand die Entwickelung der letzteren im Tierkörper gehindert werden kann. 2. Immunisierungsversuche mit wässeriger Pyocyanase- lösung (1:10) gegen Milzbrand. Emmerich und Loew fanden (p. 18 ihrer Arbeit), daß die Pyo- cyanase keine immunisierende Wirkung besitze. Einem 2715 g schweren Kaninchen hatten sie am 18., 20., 22., 24. und 25. Juni durch subkutane Injektion insgesamt 19 cem Pyocyanaselösung beigebracht. 11 Tage nach der letzten Injektion infizierten sie das Tier mit Milzbrand, das nach 2 Tagen daran zu Grunde ging. Ich ging bei meinen Versuchen von dem Standpunkte aus, daß Emmerich und Loew vielleicht nicht lange genug mit Pyocyanase vorbehandelt hätten, und daß es vielleicht doch möglich sei, durch längere Vorbehandlung und größere Dosen eine Immunität zu erzielen. ae u WE 310 Karl Vaerst, Außerdem habe ich schon am 7. Tage nach der letzten Injektion mit Pyocyanase die Tiere mit Milzbrand infiziert, um zu sehen, ob sie dann vielleicht mit dem Leben davonkämen. Versuch 1. Ein mittelgroßes, graues, 1950 g schweres Kaninchen erhielt am 28. Dezember 1899 3 ecm Pyocyanaselösung intravenös, die ' ohne jede Reaktion vertragen wurden. Am 30. Dezember morgens 9 Uhr wurden dem Tiere 3 ccm sub- kutan eingespritzt, was ebenfalls ohne besondere Merkmale ertragen wurde. Am 3. Januar 1900, morgens 9 Uhr 45 Minuten, bekam das Tier 6 cem subkutan. Nach dieser Injektion traten zum erstenmal die stürmischen Erschei- nungen auf, die sich geraume Zeit niemand erklären konnte. Man hielt sie lange für Wirkungen der Pyocyanase, bis ich auf den Gedanken kam, ob nicht vielleicht doch noch genug Ammoniumsulfat in den Präparaten sei, und dieses die Ursache der Wirkungen. Daß das Ammoniumsulfat allein der schuldige Teil sei, konnte nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden. Da aber die im Nachfolgenden näher beschriebenen Wirkungen in allen Punkten übereinstimmen mit den Wirkungen des Ammonium- sulfates, auf die ich in einer besonderen Arbeit näher eingehe, so ist anzunehmen, daß in diesen Fällen das Ammoniumsulfat der größte Teil der Schuld trifft. Allerdings hat Charrin beobachtet, daß die Stoff- wechselprodukte des Bacillus pyocyaneus bei Kaninchen eine an an die spinale Epilepsie erinnernde Nervenkrankheit erzeugten. Außer- dem fanden Charrin und Gley, daß es besonders die flüchtigen Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus seien, die diese Wirkung hervorriefen. Diesen Verdacht suchen Emmerich und Loew von ihrer Pyo- cyanase abzulenken, indem sie das Nichtvorhandensein fraglicher Wirkung bei ihrer Pyocyanase damit erklären, daß beim Eindampfen der Pyo- cyaneus-Kulturen im Vakuum diese flüchtigen, deletären Produkte ganz oder doch größtenteils abdestilliert oder entfernt würden. Da nun auch meine Pyocyanase eingedampft wurde, so glaube ich annehmen zu dürfen, daß auch hier die giftigen flüchtigen Stoffe ebenso wie bei der Emmerich’ und Loew schen Pyocyanase ganz oder doch größtenteils entfernt wurden. Ob nun trotzdem noch genügende Mengen dieser gefürchteten Stoffe zurückblieben, die im Verein mit dem Ammo- niumsulfat die heftigen Störungen im Allgemeinbefinden auslösten, oder ob das Ammoniumsulfat allein schuld ist, das entzieht sich vorläufig meinem Urteil. Da aber meine Versuche das Ammoniumsulfat als den Uebelthäter festgestellt haben, der die gleichen Wirkungen herbeiführt, wie die in Frage stehenden, so bin ich geneigt, die Wirkungen als vom ° Amoniumsulfat herrührend zu betrachten. Eigenartig ist die Wirkung der Pyocyanase bei den einzelnen Tieren. Dosen, die bei dem einen Tier kaum einen Einfluß ausüben, rufen bei dem anderen große Störungen im Wohlbefinden hervor. Ich will jetzt in kurzen Zügen den Verlauf des ersten auffälligen ° Falles schildern. R Um 9 Uhr 45 Minuten fand die Injektion statt. 10 Uhr deutliche Depression mit nachfolgender Lähmung des Hinter-, kurz darauf des Vorderteils; deutliche Atemnot; pochender Herzschlag; starke Schreck- haftigkeit. Corneaereflex vorhanden. Plötzliche krampfhafte Entleerung der Blase und des Mastdarmes. Schwanz krampfhaft angezogen. Te- Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc 311 tanische Krämpfe von sekunden- bis minutenlanger Dauer. Lautes, ängstliches Aufschreien mit nachfolgender Erschlaffung der Körper- muskulatur unter Zittern; kaum bemerkbare Atmung, Herzschlag nicht fühlbar, kein Cornealreflex; Scheintod. Nach ungefähr 20 Sekunden setzt die Atmung wieder ein, ebenso wird der Herzschlag wieder fühlbar. Bei jedesmaliger Berührung blitzartige Zuckungen durch den ganzen Körper. 11 Uhr 40 Minuten nimmt das Tier unter meiner Hilfe die gewöhnliche Hockstellung ein und versucht, sich fortzubewegen, was aber mißlingt, da Vorder- und Hinterteil noch gelähmt sind. Von 11 Uhr 45 Minuten ab geht die Lähmung allmählich zurück; die Hinterbeine werden angezogen. 12 Uhr 5 Minuten setzt sich das Tier aufrecht, geht jedoch infolge allgemeiner Schwäche in die Hockstellung zurück; dieser Vorgang wiederholt sich noch verschiedene Male. Atemnot noch vorhanden. 12 Uhr 8 Minuten geht das Tier in die aufrechte Stellung, in welcher es verbleibt; doch merkt man deutlich die Beschwerden, unter denen dies geschieht. 12 Uhr 15 Minuten gehen diese Beschwerden zurück: FREE N WERDE U das Tier fängt an, auf Vorgänge in seiner Umgebung zu achten. 12 Uhr 32 Minuten hat sich das Tier soweit erholt, daß es sich, allerdings unter sichtbaren Beschwerden, von der Stelle bewegen kann. 12 Uhr 40 Minuten ist eine wesentliche Besserung eingetreten; aber eine deutliche Mattigkeit ist immer noch vorhanden. 12 Uhr 48 Minuten ist das Befinden ziemlich gut. Das Tier wird in seinen Käfig zurückgebracht, wo es sofort einige Halme verzehrt. Nachmittags 3 Uhr hatte sich das Tier vollständig er- holt. Futter wurde regelmäßig genommen. Am 5. Januar, morgens 9 Uhr, wurden dem Tier 5 cem subkutan eingespritzt; diese Dosis wurde reaktionslos vertragen. Am 8. Januar, morgens 10 Uhr 30 Minuten, wurden 5 ccm subkutan injiziert, die einenen deutlichen, deprimierenden Einfluß ausübten; doch trat nach 10 Minuten vollständige Erholung ein. Am 19. Januar, morgens 9 Uhr 30 Minuten, erhielt das Tier 6 ccm subkutan, worauf eine starke Depression erfolgte, die aber, so auffallend wie die Thatsache gegenüber meinen sonstigen Erfahrungen mit Dosen von 6 cem ist, in einigen Minuten wieder gehoben war. Hierdurch kühn geworden, injizierte ich am 13. Januar, morgens 10 Uhr 5 Minuten, 7 ccm subkutan. Anfangs keine Erscheinungen. 10 Uhr 50 Minuten trat Lähmung des Hinterteils ein; das Tier bewegte sich schleichend von der Stelle. Dieser Zustand kehrte allmählich zur Norm zurück, so daß ich um 11 Uhr 10 Minuten das Tier konnte in den Käfig zurückbringen. Von besonderen Fiebererscheinungen war bis jetzt nichts zu merken. Die höchste Temperatur betrug 39,6°C. Der Appetit war immer gleich- mäßig gut. Am 20. Januar, morgens 9 Uhr, erhielt das Tier 1 ccm einer sehr virulenten Milzbrandbouillonaufschwemmung. Am nächsten Tage war der Appetit gering; das Tier saß ruhig in einer Ecke. Die Temperatur betrug 39,6° C. Vom 22. bis 23. nahm das Tier kein Futter mehr. Die Temperatur betrug am 23. morgens e C. Am selben Tage über Mittag starb das Tier an Milz- rand. Im Blute und in den Organen Milzbrand, der sich auf Agar gut entwickelte. (Siehe Tabelle IV.) Versuch 2. Ein großes, schwarzes, 2390 g schweres Kaninchen erhielt am 28. Dezember 1399, morgens 9 Uhr, 3 ccm Pyocyanaselösung Intravenös, die ohne Reaktion vertragen wurden. 312 Karl Vaerst, Am 30. h. m., morgens 9 Uhr 30 Minuten, wurden 3 cem subkutan injiziert, die ebenfalls reaktionslos vertragen wurden. Am 3. Januar 1900, morgens 9 Uhr 15 Minuten, wurden 6 ccm subkutan eingespritzt. Nach dieser hohen Dosis traten dieselben stürmi- schen Erscheinungen auf, wie ich sie in Versuch 1 näher beschrieben habe, nur nicht in so hohem Grade. Meines Erachtens vertragen größere Tiere auch stärkere Dosen, wenn dies auch nicht in allen Fällen so eklatant zu Tage tritt. Am 5. h. m., morgens 9 Uhr, wurden nur 3 cem subkutan injiziert, die anstandslos vertragen wurden. Am 8.h. m., morgens 9 Uhr, spritzte ich 5 ccm subkutan. Hierauf zeigten sich deutliche Depressionserscheinungen, die nach 15 Minuten verschwunden waren. Am 10. h. m., morgens 10 Uhr 30 Minuten, wurden 6 ccm subkuten injiziert, die starke Depressionserscheinungen hervorriefen ; das Tier lag am Boden, erholte sich aber bald wieder. Am 13. h. m., 10 Uhr morgens, erhielt das Tier 7 ccm subkutan. Reaktion: Dieselben Erscheinungen, wie sie mir in Versuch 1 dieser Versuchsreihe begegneten. Das Tier hatte sich aber in 25 Minuten wieder erholt. Die Temperatur betrug am 17. h. m. 39,5°C. Appetit und Befinden waren gut. Am 20.h. m., morgens 9 Uhr 30 Minuten, erhielt das Tier von der- selben Milzbrandbouillonaufschwemmung wie in Versuch 1, l cem unter die Rückenhaut. Die Temperatur betrug am 21. h. m. 39,38° C; Appetit unverändert. Am 22. h. m. betrug die Temperatur 40,4° ©. Das Tier saß traurig in einer Ecke und verweigerte das ihm gereichte Futter. Am 23. h. m. dasselbe Bild; die Temperatur betrug 40,8° C. Am 24. h. m. morgens verendete das Tier. In Blut und Organen zahlreiche Milzbrandbacillen, die auf Agar gutes Wachstum zeigten. (Siehe Tabelle IV.) Versuch. Ein sehr großes, schwarzes, 3240 g schweres Kaninchen erhielt am 28. Dezember 1899, morgens 9 Uhr, 5 ccm intravenös, die gut vertragen wurden. Am 30. h. m., morgens 10!/, Uhr, 5 cem subkutan und 2 ccm intravenös; hierauf geringe Depression, die nach 10 Minuten gehoben war. Am 3. Januar 1900, morgens 9 Uhr, wurden dem Tiere 6 ccm sub- kutan injiziert. Trotz dieser großen Dosis nicht die geringste Reaktion. Das Tier zeigte guten Appetit und sonst keinerlei Krankheitserscheinungen. Am 5. h. m., morgens 10 Uhr, erhielt das Tier 4cem subkutan, die gut vertragen wurden. Am 8. h. m., morgens 9 Uhr 15 Minuten, 5 ccm subkutan; reaktionslos vertragen. Am 10. h. m., morgens 9 Uhr 25 Minuten, 6 cem subkutan; kaum bemerkbare Depression, die nach einigen Minuten verschwunden war. Am 13. h.m. erhielt das Tier 7 ccm subkutan. Selbst diese hohe Dosis hatte nur einen geringen Einfluß auf das Allgemeinbefinden des Tieres, ein Beweis, daß größere Tiere höhere Dosen vertragen. Es traten nur gering- sradige Depressionserscheinungen auf, die nach wenigen Minuten vergingen. Die Temperatur war an allen Tagen normal. Am 20. h. m., morgens 10 Uhr, wurde auch diesem Tiere von der- selben Aufschwemmung wie in Versuch 1 1 ccm unter die Rückenhaut gespritzt. FREE AEHE SET NUNN ER Di Le ee a Pi un ra is ! Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 313 Am 21. h. m. waren Appetit und Befinden gut. Am 22. h. m. zeigte sich äußerlich nichts Auffallendes; die Temperatur betrug 404° C. Am 23. h. m. ist der Appetit geschwunden. Das Tier sitzt ruhig in einer Ecke; die Temperatur betrug 40,8 C. Tabelle IV. > Injiziert Br Injiziert wurden von wässeriger Pyocyanaselösung | wurde von Stirbt ininchen am a, uillonauf- Be | h ? BS.XI.30.XIL| 3.1. |5.10. |&1 [10 1.|ı8.1. ae "|? Tagen a1 3 cem |3 cem '6cem |3cem 5 ccm |6cem |7 cem t2cem | 3m223. 1. 1°. 34), Q > 'intrav. |subkut. subkut.\subkut.|subkut. subkut. subkut. mittags 1950 g Yo. 2 dito | dito | dito | dito | dito | dito | dito l ccm am 24. I. 4 schwarz | morgens 2390 g No. 3 dito |3 ccm | dito |4cem | dito | dito | dito l ccm in der''ca. 4®/, schwarz subkut. ‚subkut. Nacht vom 3240 g 2 ccm 24. zum B:' intrav. 25. I. trolltierl — —_ — = a _ 20T: in der 3/5 l cem Nacht vom 23. zum 24. 1. IR olltier?2 ER — = a — — — 20. P; in der 35 | l cem |Nacht vom | 23. zum | 24rT; Am 24. h. m. ist das Befinden schlecht. Temperatur 41,8° C. In der Nacht vom 24. zum 25. h. m. starb das Tier an Milzbrand. In ' Blut und Organen Milzbrand, der sich auf Agar gut entwickelt. (Siehe ' Tabelle IV.) Kontrollversuche: 2 Kaninchen: 1) ein großes, weißes, 2010 g schweres und 2) 1 großes, graues, 1920 g schweres, erhielten am 20. Januar zu derselben Zeit wie die Tiere in den Versuchen 1-3 1 eem von derselben Aufschwemmung wie in Versuch 1 unter die Rückenhaut. Alle beide Tiere verendeten in der Nacht vom 23. zum 24. Januar an Milzbrand. i Auf Grund dieser Versuche bin ich mit Emmerich und Loew _ der Meinung, daß es nicht möglich ist, Tiere mit einer wässerigen Pyo- cyanaselösung gegen Milzbrand zu immunisieren. 3) Immunisierungsversuche mit Pyocyanase-Immun- proteidin. Auf p. 19 ihrer Arbeit führen Emmerich und Loew aus: „Der Umstand, daß eine gewisse kleine Quantität Pyocyanase wohl zur _ Heilung, aber nicht zur Immunisierung ausreicht, führte uns zu der Ansicht, daß wohl der größte Teil der Pyocyanase in den Stoffwechsel- ‚Prozessen des Körpers zu Grunde geht. Nur ein kleiner Teil, in eine ‚haltbarere Form im Tiere übergehend, wird zum immunisierenden Prinzip. _ Eine solche haltbarere Form kann nach unserer Ansicht nur dadurch erzielt werden, daß die Pyocyanase sich noch mit einem anderen Eiweiß- körper des Tierkörpers, wahrscheinlich von den Leukocyten stammend, TITSE u WB ha (a A 314 Karl Vaerst, zu einem hochmolekulären und trypsinfesten Eiweißkörper verbindet, welcher nicht mehr so leicht in die tierischen Zellen diosmotisch ein- dringen kann und daher vor dem raschen Zerfall geschützt ist.“ Ferner: „Von größter Wichtigkeit für die Ausführung der künstlichen Immuni- sierung bei Infektionskrankheiten war es, zu versuchen, ob es gelinst, diese Verbindung künstlich, also ohne Zuhilfenahme des Tierkörpers, herzustellen.“ Und schließlich: „Es gelingt nun in der That, nach einer von uns noch genauer zu beschreibenden chemischen Methode, eine be- stimmte Menge Pyocyanase oder anderer Bakterienenzyme mit be- stimmten tierischen Eiweißkörpern in die gewünschte hochmolekuläre Verbindung überzuführen.“ Aus diesem Gesagten geht nur hervor, daß es gelingt, diese Ver- bindung ohne Zuhilfenahme des Tierkörpers herzustellen. Alles andere muß erraten werden. Ich habe nun kurzer Hand zur Herstellung meines Pyocyanase- Immunproteidins das mir am nächsten liegende und im Institut erhält- liche Loeffler’sche Pferdeserum und meine getrocknete Pyocyanase ge- wählt und zwar auch hier im Verhältnis 1:10. Damit bin ich scheinbar dem von Emmerich und Loew angefertigten Pyocyanase - Immun- proteidin ziemlich nahe gekommen, wie die Versuche zeigen werden. Was die Herstellung des Milz-Immunproteidins anbetrifft, so komme ich am Anfang der diesbezüglichen Versuche hierauf zurück. a) Serumimmunproteidin. Das Pferdeserum wurde, bevor es zur Herstellung einer Dosis obiger Lösung benutzt wurde, jedesmal auf 58° © erhitzt. Versuch 1. Ein mittelgroßes, graues, 1800 g schweres Kaninchen erhielt am 17. Januar 1900, morgens 9 Uhr, von obiger Lösung 2 ccm subkutan und 2 ccm intravenös, die reaktionslos vertragen wurden. Am 19. h. m., morgens 10 Uhr 30 Minuten, wurden 5 ccm subkutan injiziert, worauf eine geringe Depression erfolgte. Am 21. h. m., morgens 9 Uhr, 5 cem subkutan; gut vertragen. Am 23. h. m., morgens 9 Uhr 15 Minuten, erhielt das Tier 6 ccm subkutan; gleich nach der Injektion keine auffallenden Erscheinungen. Das Tier zeigte aber in den nächsten Tagen keinen Appetit und deshalb wurde mit der weiteren Behandlung bis zum 27. h. m. gewartet. Am 27. h. m. 3 cem subkutan und 2 ccm intravenös; geringe Depression. Am 29. h. m., morgens 9 Uhr, 5 ccm subkutan; keine Reaktion. Am 31. h. m., morgens 10 Uhr 15 Minuten, 6 cem subkutan; starke Depressionserscheinungen, die nach ?/, Stunden schwanden. Am 2. Februar, morgens 9 Uhr, 2 eem intravenös und 3 cem sub- kutan; keine Reaktion. Am 5. h. m., morgens 10 Uhr, 5 cem subkutan; nichts Besonderes zu bemerken. Am 10. Februar, morgens 9 Uhr, wurde dem Tier von einer stark virulenten Milzbrandbouillonaufschwemmung 1 cem unter die Rücken- haut gespritzt. Abends 5 Uhr desselben Tages betrug die Temperatur 39,2° C. Appetit und Befinden gut. Am nächsten Tage, morgens 11 Uhr 30 Minuten, betrug die Körper- temperatur 39,6° C. Appetit und Befinden gleichmäßig gut. Abends betrug die Temperatur 39,9°C. Appetit hatte nachgelassen ; sonst nichts Auffälliges. en a dam ir Ä Br 4 < > Be: Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 315 Sl he Am 12. h. m., morgens 83 Uhr 30 Minuten, hatte das Tier keine Nahrung aufgenommen. Die Körpertemperatur betrug 40,8 C. Dieser Zustand dauerte bis zum 14. h. m. mittags, wo das Tier - etwas Futter nahm. Von jetzt ab trat eine allmähliche Besserung ein, in ungefähr 4 Tagen hatte sich das Tier vollkommen erholt. Das Tier lebt auch jetzt, Ende Juni, noch. Appetit und Befinden sind andauernd gut. (Siehe Tabelle V.) : Kontrollversuch: Ein mittelgroßes, weißes, 1900 g schweres - Kaninchen, erhielt am 10. Februar, morgens 9 Uhr, von der in obigem Versuch erwähnten Milzbrandbouillonaufschwemmung 1 cem unter die Rückenhaut. Am 11. h. m. war der Appetit geschwunden; die Körpertemperatur _ betrug 40,1° © und stieg am 12. h. m. bis 40,8° C. Am 13. h. m. verendete das Tier an Milzbrand. | Versuch 2. Ein sehr großes, graues, 2320 g schweres Kaninchen - erhielt am 17. Januar 2 ccm intravenös und 2 ccm subkutan, die reak- _ tionslos vertragen wurden. Am 19.h. m., morgens 10 Uhr 45 Minuten, wurden 5 cem subkutan injiziert, die gut vertragen wurden. Am 21. h. m., morgens 9 Uhr 15 Minuten, 5 cem subkutan, keine _ Wirkung. Am 23. h. m., morgens 9 Uhr 30 Minuten, 6 ccm; hierauf traten deutliche Depressionserscheinungen auf: das Tier bewegte sich schleichend und schrittweise von der Stelle (Hundeschritt!). Auch bei diesem Tiere zeigte sich in den nächsten Tagen eine Abneigung, Nahrung aufzunehmen, so daß auch hier bis zum 27. h. m. die Behandlung sistiert werden mußte. Tabelle V. Von Milz- - Injiziert wurden vom Serum-Immunproteiden brand- am bouillonauf- | Re-. chen lung sultat 21.1.|23. 1.27. 1.| 29. En | a ae an 2cecm 5 cem|5 ccm !|6ccm Be 5ecem !6ccm|2ccm |5 ccm 1(1,.Hl. | Lebt 1.19. 1. rau subkut.|subkut.|subkut.\subkut. vr subkut.|subkut. intrav. subkut. l ccm %g |2ccm 2 ccm 3 ccm intrav. intrav. subkut. E dito | dito | dito | dito | dito | dito | dito | dito | dito EROLT. Lebt a l ccm 0 g I. dito | dito | dito | dito | dito | dito | dito | dito | dito P4# I]; Lebt au | l ccm Jg 2 ur 8 eur Y Es ur .: SER Spa 10.51. Starb l ccm q | IE] roll- | | 2 EZ .. ren a 2 va ar e — 12,..1L, Starb E | l ccm am | 14, II 9 | 3 _ ._ BL, ARE = em Er Er _ 14. II, Starb .l ccm am [ Be, - "Wr 316 Karl Vaerst, Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. Am 27. h. m., morgens 9 Uhr 30 Minuten, 3 cem subkutan und 2 ccm intravenös; keine Reaktion. Am 29. h. m., morgens 9 Uhr 45 Minuten, 5 ccm subkutan; reak- tionslos vertragen. Am 31. h. m., morgens 10 Uhr 30 Minuten, 6 cem subkutan, die ohne besondere Erscheinungen vertragen wurden. Am 2. Februar, morgens 9 Uhr 15 Minuten, 2 cem intravenös und 5 cem subkutan; gut vertragen. Am 5. h. m., morgens 10 Uhr 15 Minuten, 5 cem subkutan; keine Reaktion. Am 12. Februar erhielt das Tier zur gleichen Zeit und 1 ccm von der gleichen Milzbrandbouillonaufschwemmung wie in Versuch 1 unter die Rückenhaut. Abends 5 Uhr war die Körpertemperatur normal; ebenso am nächsten Tage, morgens J1 Uhr. Appetit und Befinden gut; abends 5 Uhr 30 Minuten war die Temperatur etwas gestiegen, sie betrug 39,6° C. Befinden war gut. Am 14. h. m., morgens 9 Uhr, war die Temperatur noch etwas ge- stiegen, sie betrug 39,9% C; abends 5 Uhr 40,1°C. Appetit nicht mehr vorhanden. Am nächsten Morgen war die Temperatur zurückgegangen auf 39,4° GC. Appetit noch nicht wieder vorhanden; erst am Mittag wurde etwas Nahrung aufgenommen. Von nun an erholte sich das Tier wieder und ist auch jetzt, Ende Juni, noch am Leben. : (Siehe Tabelle V.) Kontrollveruch: Ein mittelgroßes, weißes, 1800 g schweres Kaninchen erhielt zur gleichen Zeit dieselbe Milzbranddosis wie das Ver- suchstier im vorigen Versuch. Es starb am 14. Februar, abends 8 Uhr, an Milzbrand. Versuch 3. Ein sehr großes, graues, 2700 g schweres Kaninchen erhielt an denselben Tagen dieselben Dosen Pyocyanase-Immunproteidin wie die beiden Kaninchen der Versuche 1 und 2; im allgemeinen traten hier wie dort die gleichen Erscheinungen auf. Auch bezüglich der Milzbrandinfektion war Gleichheit vorhanden mit Ausnahme des Tages. Dieses Versuchstier erhielt die Injektion erst am 16. Februar, also 4 Tage später, als das Kaninchen im 2. Versuch. Diese Impfung wurde ebenso vertragen, wie von den anderen beiden Versuchen: An den beiden ersten Tagen kaum bemerkbare abnorme Er- scheinungen, dann Fieber und schlechten Appetit, gestörtes Allgemein- befinden, zuletzt allmähliche Besserung bis zum Normalen. Auch dieses Kaninchen lebt jetzt, Ende Juni, noch. (Siehe Tabelle V.) | Kontrollversuch: Großes, graues, 2100 g schweres Kaninchen erhielt am selben Tage dieselbe Dosis wie das Versuchstier; es starb am 18. h. m. nachmittags 5 Uhr an Milzbrand. Aus obigen Resultaten ist ohne weiteres ersichtlich, daß es mir ge- lungen ist, Kaninchen mit Pyocyanase-Immunproteidin so weit zu bringen, daß sie einer mehr als tödlichen Dosis Milzbrand zu widerstehen ver- mögen. b) Milz-Immunproteidin. Als Ausgangsmaterial diente die Rindsmilz. Einige solcher Milzen wurden, von allem anhängenden Fett- und Bindegewebe befreit, in Stücke seschnitten und diese Stücke vermittelst einer Fleischquetschmaschine zu einer diekbreiigen Masse zerkleinert. Diese Masse wurde, in einem sog. „Frutigtuche* eingehüllt, in die Buchner ’sche Presse gebracht und ausgepreßt. Dieses Auspressungsprodukt war ziemlich dünnbreiig, aber \ iin iu wi re u EEE EWEIN ee EEE DEE Dial Ze a A 8 ur A. Ucke, Zur Verbreitung der Amöbenenteritis. 317 . doch noch nicht so flüssig, als daß es hätte als Injektionsflüssigkeit dienen können. Um diese Flüssigkeit in einem zu diesem Zwecke brauch- baren Zustande zu erhalten, wurde die Masse durch Watte filtriert, in Reagenzgläsern eingefüllt, die Gläser mit Watte verschlossen und 3 Tage hintereinander täglich 2 Stunden bei 58° © sterilisiert. Auch hier war das Verhältnis der Pyocyanase zum Milzmaterial 1:10. Ich will hier vorausschicken, daß bei den nun folgenden Versuchen, im Gegensatze zu allen anderen, die Versuchstiere auffallend schnell ab- magerten und zwar in so hohem Grade, daß bereits nach 11 Tagen die Immunisierungsversuche sistiert werden mußten, wenn ich nicht Gefahr laufen wollte, die Versuchstiere zu verlieren. In dieser Versuchsreihe ist keine intravenöse Injektion appliziert worden, da mir die Mischung zu dickflüssig erschien, als daß ich sie direkt hätte in die Blutbahn bringen mögen. Alle Injektionen dieser Versuchsreihe sind also subkutan verabfolgt. (Schluß folgt.) Nachdruck verboten. Zur reltunp der Amöbenenteritis. Von Dr. A. Ucke, . Prosektor des deutschen Alexanderhospitals für Männer in St. Petersburg. In No. 25 und 26 der „St. Petersburger med. Wochenschr.“ vom 23. (6. Juli) und 30. (13. Juli) Juni dieses Jahres haben Dr. W. Ker- nig und ich, anknüpfend an einen Fall von eigentümlicher, anfangs akut, später chronisch in Schüben verlaufender Amöbenenteritis mitgeteilt, daß es sowohl uns als auch Dr. G. Zeidler am Obuchowhospital ge- lungen ist, hier in St. Petersburg bei Dysenteriefällen im Stuhl die cha- rakteristischen Amöben zu finden. Wir erachteten somit den Beweis als erbracht, daß die Dysenterie in unseren nordischen Breiten zum Teil eine Amöbenenteritis ist, wie ja auch der erste Amöbenbefund im Stuhl gerade hier von Lösch erhoben worden ist. Wir beschieden uns da- mit die Befunde von Lösch und Massjutin zu bestätigen und haben seitdem noch positive Befunde in einer Reihe von Fällen zu verzeichnen. Somit entspricht es keineswegs den Thatsachen, wenn H. Jaeger in No. 36 der „Berliner klinischen Wochenschrift“ vom 9. September dieses Jahres behauptet, daß von ihm (offenbar außer Lösch und Massjutin, die citiert werden) nur 2 Forscher auf russischem Gebiete nach Amöben gesucht hätten (Janowski in Warschau und Ascher in Königsberg, der mehrere zugereiste Fälle aus Rußland untersuchte), und zwar beide mit negativem Erfolge. Mussjatin in Kieff hat im Jahre 1889, also etwa 14 Jahre nach der Publikation von Lösch, über Amöbenbefunde bei Durchfällen be- richtet und, wie wir in unserer Arbeit erwähnen, hat Prof. Manassein in einer Fußnote zur Arbeit Massjutin’s bemerkt, daß Amöben auch von Gramatschikow und Kurlow in seiner Klinik in St. Petersburg wiederholt gesehen worden sind. Wir glauben durch unsere Mitteilung einen weiteren Beweis an einer Reihe von Fällen gebracht zu haben, daß Amöben keine Seltenheit bei Enteritiden bei uns sind. Als unsere Arbeit erschien, hatten wir jedoch über keine positiven Infektionsversuche zu berichten, zum Teil weil wir das Amöbenmaterial 318 M. Lühe, nicht genügend frisch verwenden, zum Teil weil wir junger Katzen nicht habhaft werden konnten. Im Laufe des verflossenen Sommers jedoch gelang es mir, in zwei Fällen junge Katzen mit Dysenteriestuhl durch intrarectale Injektionen zu infizieren, und bei beiden konnte ich sowohl im Kote zu Lebzeiten, als bei der Sektion im schleimigen Darminhalt lebende Amöben konsta- tieren. Beide Katzen gingen unter Erscheinungen der Inanition zu Grunde, es waren jedoch keine geschwürigen Prozesse im Darme zu finden. Auch im Schnitt ließen sich in der Darmwand keine Amöben nachweisen. Das Material stammte in dem einen Fall von einer zweifel- los hier in St. Petersburg entstandenen Dysenterie, in dem anderen Fall hatte Patient seine Krankheit in den Tropen acquiriert und war hier von einem Recidiv befallen. Wenn der Ausdruck Dysenterie im Vorstehenden von mir mit Vor- sicht gebraucht worden ist, so lag das daran, daß ich der Meinung bin, daß die Amöben, falls sie als Erreger gewisser Darmerkrankungen an- gesehen werden dürfen, imstande sind, durchaus verschiedene klinische Bilder hervorzurufen, welche zuweilen weit vom typischen Symptomen- komplex der Dysenterie abzuweichen vermögen. Daß diese Mannigfaltigkeit der Bilder im Zusammenwirken wech- selnder Virulenz der Amöben und verschiedener Empfänglichkeit (Im- munität) der Individuen eine einfache Erklärung findet, liegt auf der Hand. Auch sieht man schon bei jeder Dysenterieepidemie die verschie- densten Grade der Erkrankungen, wie es mir an Hunderten von Fällen noch aus meiner Thätigkeit in Warschau erinnerlich ist. Im Dezember 1901. Nachdruck verboten. Revision meines Bothriocephalidensystemes. Von M. Lühe in Königsberg i. Pr.. Mit 9 Abbildungen. Hevra dei. Als ich im Jahre 1899 mein Bothriocephalidensystem veröffent- lichte), welches mit einer bald darauf nötig gewordenen kleinen Aende- rung?) auch in Bronn’s Klassen und Ordnungen übergegangen ist°), betonte ich, daß ich dieses System nur als einen „ersten Versuch“ zur Gruppierung der Bothriocephaliden nach modern-wissenschaftlichen Prin- zipien angesehen wissen wollte. Besonders machte ich am Schlusse meines Systementwurfes sowie in einer später erschienenen ausführlichen Arbeit über die Bothriocephaliden mit marginalen Genitalöffnungen *) darauf aufmerksam, daß die Gattung Abothrium, welche ich zu den Triänophorinen rechnete, sich von den übrigen Formen dieser 1) Lühe, M., Zur Anatomie und Systematik der Bothriocephaliden. (Verhdlg. D. zool. Ges. IX. Hamburg 1899. p. 30—55.) 2) Lühe, M., Ueber Bothrimonus Duvernoy und verwandte Bothriocephaliden. (Zool. Anz. Bd. XXIII. 1900. No. 605. p. 8-14.) 3) Bronn’s Klassen und Ordnungen des Tierreichs. IV. Bd. Vermes. Abtlg. 1b. Cestodes. Bearbeitet von M. Braun. Schlußlieferung. Leipzig 1900. p. 1686-1697.) 4) Lühe, M., Untersuchungen über die Bothriocephaliden mit marginalen Genital- öffnungen. (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXVIII. 1900. p. 97”—99.) . ee u A. Revision meines Bothriocephalidensystemes. 319 Unterfamilie in bemerkenswerter Weise unterscheide, derart, daß meiner Ansicht nach hier noch eine weitere Teilung nötig werden würde. Wenn ich mich damals noch nicht dazu entschließen konnte, diese Abtrennung der genannten Gattung vorzunehmen, so geschah dies hauptsächlich, weil ich davor zurückscheute, einer einzigen Gattung eine Sonderstellung einzuräumen, solange dies nicht unbedingt erforderlich erschien. Dieses Bedenken ist inzwischen hinfällig geworden, nachdem ich einige andere Bothriocephalidenarten selbst habe untersuchen können, welche mir bei Abfassung meiner früheren Bothriocephalidenarbeiten nur aus der Litte- ratur bekannt waren. Ich sehe mich jetzt genötigt, die bereits früher von mir angedeutete Aenderung meines Bothriocephalidensystemes selbst vorzunehmen, indem ich Abothrium aus der Subfamilie Triaenophorinae herausnehme und mit Amphiocotyle und einer neuen Gattung (Bathy- bothrium m., Typus: Bathybothrium rectangulum) zu einer neuen Sub- familie vereinige, welche nach der am längsten unterschiedenen Gattung Amphicotylinae genannt sein mag. Ich muß aber nun noch einen Schritt weiter gehen. Nach Schaffung der neuen Subfamilie lassen sich sämtliche von mir gebildeten Sub- familien der Bothriocephaliden in zwei Gruppen teilen, je nachdem die Eischale gedeckelt ist oder nicht. Es will mir nun scheinen, daß diese Teilung den natürlichen Verwandtschaftsbeziehungen entspricht. Die systematische Schlußfolgerung hieraus ist,' daß ich jene Subfamilien auf zwei Familien verteile, was um so leichter möglich ist, da die Bo- thriocephaliden bisher die einzige Familie der Cestodenordnung Pseudo- phyllidea Carus waren. Dothriocephalidae Lhe. 1899 wird also synonym zu diesem Namen der Ordnung und die beiden neuen Familien nenne ich Dibothriocephalidae bezw. Ptychobothriüdae‘). Ihnen reiht sich als dritte im Bunde die neue Familie Amphitretidae an, welche ich für zwei Gattungen bilde, die bisher noch nicht genau untersucht waren und von mir 1899 provisorisch als Genera inquirenda bei den Ptychobothri- inen untergebracht wurden. Mit einigen weiteren Aenderungen bezw. Ergänzungen, welche sich als notwendig herausgestellt haben, gestaltet sich hiernach das Bothriocephaliden- (oder, wie es nunmehr richtiger heißen muß, das Pseudophylliden-)System, wie folgt: Ordo: Pseudophyllidea Carus 1863. Synonym: Bothriocephalidae Lhe. 1899 nec Ariola 1900 2). Bezüglich der Diagnose der Ordnung verweise ich auf Bronn’s Klass. u. Ordn. Bd. IV. Abtlg. 1b. p. 1686— 1687. 1) Den Namen Ptychobothriidae wähle ich, ebenso wie früher Ptychobothriinae, um Mißverständnisse zu vermeiden, da zwar die Gattung Bothriocephalus, aber nicht die be- kannteste „Bothriocephalus“-Art (Dibothriocephalus latus) zu den Ptychobothriinen gehört. Auch deckt sich diese meine Unterfamilie vollkommen mit der Gattung Ptycho- bothrium R. Blanch. 1894 nee Lönnbg. 1889, während andererseits der Name „Bothrio- cephaliden“ schon in so verschiedenem Sinne gebraucht worden ist, daß es nichts weniger als zweckmäßig wäre, ihm abermals einen neuen Sinn beizulegen. Ist doch auch eechtlich ein derartiges Fallenlassen eines Familiennamens sehr wohl möglich. Will man den Anklang an den Rudolphi’schen Gattungsnamen in einem höheren Gruppenbegriffe bewahren, was ich in der That für sehr zweckmäßig und richtig halten würde, so schlage ich vor, die Ordnung Pseudophyllidea lieber Bothrio- cephaloidea zu nennen. 2) Ariola, V., Revisione della famiglia Bothriocephalidae s. str. (Arch. de Pa- rasit. T. III. 1900. No. 3. p. 369—484. — Ref. von M. Lühe, Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XIX. 1901. No. 9. p. 412—416.) 320 M. Lühe, I. Dibothriocephalidae fam. nov. Scolex unbewaffnet, seltener bewaffnet. Flächenständige Sauggruben verschieden entwickelt, können durch Verwachsung der freien Ränder sich zu Saugröhren mit vorderer und hinterer Oeffnung umwandeln. Ein unpaares scheitelständiges Saugorgan kann zum funktionellen Er- satze der rudimentären Sauggruben dienen oder aus der mehr oder weniger vollkommenen Verschmelzung der beiden Sauggruben hervor- sehen. Der ganze Scolex kann beim geschlechtsreifen Exemplar durch einen Pseudoscolex ersetzt sein. Hals vorhanden oder fehlend. Aeußere Gliederung meist vorhanden (und dann stets vollkommen und deutlich), seltener fehlend. Genitalorgane meist einfach in jeder Proglottis, sel- tener verdoppelt. Cirrus unbestachelt, mit zerklüfteter Cuticula. Mündung von Cirrus und Vagina flächenständig oder rand- ständig; in ersterem Falle stets auf derselben Fläche, wie die Uterus- mündung und stets in der Medianebene des zugehörigen Genitalkom- plexes, bei einfachen Genitalorganen also in der Medianebene der Proglottis. Die beiden Flächen der Proglottidenkette (ab- sesehen von den Genitalöffnungen) gleichgestaltet. Re- ceptaculum seminis gebildet von einer lokalen Erweite- rung der Vagina nahe deren innerem Ende, welchein der Regel gegen den Samengang (Endabschnitt der Vagina) scharf abgegrenzt ist. Uterus ein langer, mehr oder weniger stark gewundener Kanal, häufig in der sogenannten Rosettenform, kann lokal mehr oder weniger stark erweitert sein, bildet jedoch niemals eine „Uterushöhle“, welche als einheitlicher Hohlraum den größten Teil des Querschnittes reifer Proglottiden einnimmt. Eier mit Deckel, ähn- lich den Eiern der Fascioliden. 1. Subfam. Ligulinae Mont. e Crety. Mit den Gattungen Ligula Bloch und Schistocephalus Crepl. Diagnosen bei Lühe, Verhdlg. D. zool. Ges. IX. 1899. p. 51—52 u. Bronn’s Klass. u. Ordn. Bd. IV. Abtlg. 1b. p. 1687—1688. 3. Subfam. Dibothriocephalinae Lhe. Mit den Gattungen Dibothriocephalus Lhe., Duthiersia Perr., Scypho- cephalus Riggb., bothridium Blainv., Diplogonoporus Lönnbg. und Pyra- micocephalus Montic. Diagnosen bei Lühe, l. c. p. 46—51 und Bronn, |. c. p. 1685 — 169%. 3. SDubfam. Cyathocephalinae Lhe. Mit den Gattungen Diplocotyle Krabbe, Bothrimonus Duv. und COyatho- cephalus Kessler. Diagnosen bei Lühe, Zool. Anz. Bd. XXIII. 1901. No. 605. p. 9—12 und Bronn, |. c. p. 1696—1697. Oyathocephalus catinatus Riggb. ist nach brieflieher Mitteilung von Monticelli und Riggenbach und nach eigener Untersuchung des in Schnittserien zerlesten Originalexemplares identisch mit Diplocotyle Rudolphii Montic. Im übrigen ist mir aus eigener Anschaung nach wie vor nur Bothrimonus fallax m. bekannt, dessen frühere Schilderung ich hier noch dahin ergänze, daß das mittlere Drittel des Uterus von eben- solchen Drüsen umgeben ist, wie sie jüngst Looss von Syncoehum ra- nr Fr or 4 | . u ED U A dio Hr EZ ae. 2 ze 7 Revision meines Bothriocephalidensystemes. 321 gazzii beschrieben hat, bei welchem dieselben sich gleichfalls nur an einem mittleren Abschnitte des Uterus finden )). 4. Subfam. Triaenophorinae Lhe. 1899 e. p. Sceolex stets mit zwei typischen, nicht sehr tiefen Sauggruben und einer Scheitelplatte ?), welche bei einzelnen Arten 4 dreispitzige Haken oder eine größere Zahl einfacher kleiner Häkchen trägt. Bei einer Art wird jedoch der Scolex später stets durch einen Pseudoscolex ersetzt. Aeußere Gliederung fehlt vollständig oder ist durchweg sehr deutlich, in letzterem Falle fehlt ein ungegliederter Hals. Mündung von Cirrus und Vagina marginal, unregelmäßig abwechselnd ; Uterusmündung flächen- ständig, ventral, vor der marginalen Genitalöffnung. Stets nur ein ein- facher Genitalappat in jeder Proglottis. Eine außerhalb des Cirrusbeutels gelegene, muskulöse Vesicula seminalis (Eschricht’scher Körper) fehlt. Receptaculum seminis verhältnismäßig klein, nicht immer gegen das verjüngte innere Ende der Vagina scharf abgegrenzt. Keimstock median oder dem die Genitalöffnung tragenden Gliedrande genähert. Uterus nie die sogenannte Rosettenform bildend, vor seiner Mündung meist etwas erweitert, ohne daß indessen diese Erweiterung verhältnis- mäßig so beträchtlich ist, wie die sogenannte Uterushöhle der meisten Ptychobothriiden. Vorkommen: In Fischen und Seeschildkröten. 1. Gen. Fistulicola Lhe. 1899. Scolex unbewaffnet, pfeilförmig (da die hinteren Ränder der flächen- ständigen Sauggruben verhältnismäßig stärker vorspringen), kann durch einen Pseudoscolex ersetzt werden. Hals fehlt. Proglottidenkette sehr dick, so daß Querschnitte sich der Kreisform nähern können. Gliede- rung scharf ausgeprägt, die einzelnen Glieder sehr kurz, mit sich blatt- artig deckenden freien Seitenteilen (wie z. B. bei Anoplocephala perfoliata). Längsnerven den Seitenrändern stark genähert, gleichwohl vereinzelte Hodenbläschen auch noch marginal von den Nerven. Starke Knäuelbildung des Vas deferens in dessen proximalem Abschnitte; der distale, zum Cirrusbeutel verlaufende Teil nur schwach geschlängelt. Receptaculum seminis zwar verhältnismäßig klein und unscheinbar, aber gleichwohl scharf abgegrenzt gegen den engeren Endabschnitt der Vagina (Samen- gang), welcher im Gegensatze zu Ligulinen, Dibothriocephalinen und Cyathocephalinen noch verhältnismäßig lang ist?).. Keimstock und 1) Looss, A., Weitere Beiträge zur Kenntnis der Trematodenfauna Aegyptens, ig Versuch einer natürlichen Gliederung des Genus Distomum Retzius. (Zool. Jahrb. Abt. f. Syst. Bd. XII. 1899. Heft 5/6.) cf. Taf. 29. Fig. 62 u. Taf. 30. Fig. 66, 2) Als Scheitelplatte bezeichne ich die von den Italienern „distinta cupoletta‘. annte Bildung am Vorderende des Scolex, welche sich bei allen Triänophorinen indet und dadurch zustande kommt, daß dicht hinter dem Scheitel des Scolex und parallel zu demselben eine flache Furche verläuft, welche diesen Scheitel als Scheitel- platte von dem Hauptabschnitt des Scolex abgrenzt. Sehr häufig springt diese Scheitel- platte ringsum scharfkantig vor. (Vergl. z. B. die, allerdings stark schematisierte, Sagittal- ansicht des Scolex von Fistulicola dalmatinus bei Stossich, Note parassitologiche. Boll. Soc. Adriat. Sc. natur. Trieste. Vol. XVIII. 1897. Taf. II. Fig. 15, kopiert in Ariola’s „Revisione“. Arch. de Parasit. T. III. 1900. Taf. X. Fig. 106.) Verhältnismäßig am schwächsten ausgebildet fand ich diese Scheitelplatte bei Ancistrocephalus imbricatus. Doch hängt dies möglicherweise nur vom Kontraktionszustande ab, da das Aussehen der Scheitelplatte am konservierten Materiale innerhalb gewisser Grenzen schwanken kann, wie mich speziell Beobachtungen an Fistulicola plicatus lehrten. . 3) Ganz besonders klein, fast als rudimentär zu bezeichnen, ist das Receptaculum seminis bei Fistulicola plicatus, so daß ich sogar in meinen „Untersuchungen über die Bothriocephaliden mit marginalen Genitalöffnungen“ sein Vorhandensein leugnen konnte. Erste Abt. XXX1. Bad. 22 322 M. Lühe. Schalendrüse nebst dem zugehörigen Teile der weiblichen Leitungswege sind infolge der Kürze der Proglottiden und der starken Entwickelung des Uterus aus der Stelle, welche sie bei den Dibothriocephaliden in der Regel einnehmen, verdrängt (und zwar an die Ventralfläche oder nach dem die Genitalöffnung tragenden Gliedrande zu). Dotterstocks- follikel außerordentlich zahlreich, nicht auf zwei Seitenfelder beschränkt, sondern in ringförmiger Anordnung, nach außen von der gesamten durch- gehenden Längsmuskulatur in den freien Seitenblättern der Proglottiden. Uterus ein verhältnismäßig weiter, stark geschlängelter Kanal; Mün- dungsabschnitt desselben stark muskulös. Die Eier machen ihre Em- bryonalentwickelung (wenigstens zum größten Teile) im Uterus durch. Hierher 2 Arten: 1) Fistulieola pli- catus (Rud.) (Fig. 1). Geschlechtsreife Exemplare stets mit Pseudoscolex, welcher tief in die Wandung des Wirtsdarmes ein- gebohrt ist. Hoden in einerzusammenhängen- den dorsalen Schicht; Knäuel des Vas de- ferens annähernd me- dian. Keimstock me- dian; Schalendrüse ven- tral gelegen, neben dem Keimstocke, nach dem . die Genitalöffnung tra- genden Gliedrande zu; Fig. 1. Weibliche Genitalleitungswege von Fistulicola Uterusmündung diesem plicatus. Nach einer Querschnittserie kombiniert. bg Be- selben Gliedrande stark fruchtungsgang, dg Dottergang, od Ovidukt, ov Keimstock, genähert. Längsnerv rs Receptaculum seminis, sch Schalendrüse, sg Samengang dorsal von Vas deferens Endabschnitt der Vagina), so Schluckapparat, ut Uterus- ; ; SE ° ER? und Vagina vorbeipas- sierend. 2) Fistulicola dalmatinus (Stoss.) (Fig. 2—4). Keine Pseudoscolexbildung Hoden in zwei kleinen seitlichen Feldern von halbkreisförmigem bis halbmondförmigem Querschnitte. Knäuel des Vas deferens im poralen (d. h. der Genitalöffnung ge- näherten) Hodenfelde. Keimstock gleichfalls poral verlagert, mit seinem poralen Flügel an das Hodenfeld grenzend, mit seinem antiporalen (d.h. von der Genitalöffnung abgewandten) Flügel die Medianebene nicht ganz erreichend. Größter Durchmesser des Keimstockes nicht sanz transversal, sondern mehr diagonal gerichtet infolge des sich der Kreisform stark nähernden Querschnittes der Proglottis)). Schalen- Ich habe mich jedoch inzwischen überzeugt, daß eine bereits damals von mir gezeichnete geringe Erweiterung der Vagina (dort, wo die letztere dorsal vom Keimstock ein Knie bildet, um zur Vereinigungsstelle mit dem Oviduct zu verlaufen) in ihren Formverhält- nissen so konstant ist, daß sie unbedingt als Receptaculum seminis angesprochen werden muß. Vergl. hierzu Fig. 1. 1) Bei Fistulicola plicatus findet sich eine ebenso auffällige Annäherung des Pro- glottidenquerschnittes an die Kreisform, wenngleich freilich hier nur bei noch nicht geschlechtsreifen Exemplaren. a A te Ann u a 323 E Fig. 2. Genitalleitungswege von Fistulicola dalmatinus (Stoss.). Nach einer - Querschnittserie kombiniert. bg Befruchtungsgang, cd Cirrusbeutel, dy unpaarer Dotter- _ gang, dr Dotterreservoir, dsg Dottersammelgänge, } Hoden, mie äußere Längsmuskeln, _ mli innere Längsmuskeln, »n Nerv (hier ventral, in der Regel jedoch dorsal von den _ Genitalleitungswegen verlaufend), od Ovidukt, ov Keimstock (Mittelstück und poraler, d. h. der Genitalöffnung genäherter Flügel), rs Receptaculum seminis, sch Schalendrüse, sg Samengang, so Schluckapparat, » Vagina, vd Vas deferens. Die punktierte Linie (vd,) bezeichnet den Umriß des von den Vas deferens-Schlingen gebildeten Knäuels. > Fig. 3. Querschnitt durch eine reife Proglottis von Fistulicola dalmatinus (Stoss.). (Einer der Schnitte, aus welchem Fig. 2 kombiniert ist.) dst Dotterstöcke, exd dorsales _ Exkretionsgefäß, ex» ventrales Exkretionsgefäß, % Hoden, m/ Längsmuskeln, n Nerv, 0» Keimstock, sch Schalendrüse, ut Uterusanfang, utm Uterusmündung, vd Vas deferens. Fig. 4. Paratangentialer Sagittalschnitt durch 5 reife Proglottiden von Fistulicola dalmatinus (Stoss.). dst Dotterstöcke, y in speziell differenziertes Parenchym eingebettete _ Genitalleitungswege (Vas deferens und Vagina), nur in 3 Proglottiden getroffen, 2mal - ventral und Imal dorsal vom Nerven gelegen, A Hoden, n Nerv. r, 228 924 M. Lühe, drüse dorsal vom Keimstock. Uterus stets ein stark geschlängelter Kanal, bildet niemals, wie dies Ariola behauptet hat!), einen größeren einheitlichen Hohlraum, ist jedoch kurz vor seiner Mündung verhältnis-. mäßig am weitesten, ohne daß jedoch diese etwas erweiterte Stelle wie bei den Angehörigen der anderen Triänophorinengattungen proximal- wärts scharf abzugrenzen ist. Embryonalentwickelung ähnlich wie bei Fistulicola plicatus ?), indessen erfolgt die Entleerung der Eier an- scheinend noch vor vollendeter Ausbildung der Oncosphäre Lage- beziehung des Längsnerven zu den Genitalleitungswegen variabel: in der Regel liegt der Nerv dorsal, nicht gar selten jedoch ventral °). Wenn ich den DBothriocephalus dalmatinus Stoss. hier in meine Gat- tung Fistulcola einreihe, so geschieht dies, weil derselbe zweifellos mit Fistulicola plicatus nahe verwandt ist, und um dieser Verwandtschaft der beiden Arten auch im System zweckentsprechenden Ausdruck zu geben. Ich muß jedoch ausdrücklich darauf aufmerksam machen, daß die anatomischen Verschiedenheiten zwischen den beiden Arten größer sind, als sie sonst innerhalb einer natürlichen Pseudophyllidengattung sich finden. 2. Gen. Ancistrocephalus Montic. 1890. Scolex gedrungen, mit kleinen Häkchen bewaffnet (oder auch unbe- waffnet?). Keine Pseudoscolexbildung. Hals fehlt. Proglottidenkette flach, bandförmig. Gliederung scharf ausgeprägt; Glieder breiter als lang. Längsnerven ventral von Cirrusbeutel und Vagina, von dem Seitenrande verhältnismäßig weit entfernt; gleichwohl Hodenbläschen in der Regel ausschließlich nach innen von den Nerven, in zwei am Hinter- ende der Proglottis miteinander verbundenen Seitenfeldern, der Ventral- fläche etwas genähert. Knäuelbildung des Vas deferens wenig ausge- prägt. Dotterstöcke vorwiegend in der Markschicht und zwar in zwei seitlichen Feldern, marginal von den Längsnerven, welche durch eine der dorsalen Längsmuskelschicht innen unmittelbar anliegende Schicht von Drüsenfollikeln miteinander in Verbindung stehen; mitunter außer- dem auch noch eine weitere Schicht von Dotterstocksfollikeln, welche, 1) Ariola, V., Osservazioni sopra alcuni dibotrii dei pesci. (Atti Soc. Ligust. Sc. Natur. e Geogr. Vol. X. 1899.) cf. p. 7 des Sonderabdruckes. 2) cf. Lühe, M., Untersuchungen über die Bothriocephaliden mit marginalen Genital- öffnungen. (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXVIII. 1900. p. 88—91. Taf. VI. Fig. 15 —16.) 3) Vor einigen Jahren hat Stiles (Bemerkungen über Parasiten. — 17. Ueber die topographische Anatomie des Gefäßsystemes in der Familie Taeniadae. [Centralbl. £. Bakt. etc. Bd. XIII. 1893. p. 457—465]) die Aufmerksamkeit gelenkt auf gesetzmäßige Beziehungen in dem Lageverhältnis der Genitalleitungswege und der Längsnerven. Ich habe daher in meinen bisherigen Publikationen über die Bothriocephaliden mit margi- nalen Genitalöffnungen dieses Lageverhältnis gleichfalls berücksichtigen müssen und zwar dies um so mehr, als ich bei den damals von mir untersuchten Arten keine Va- riabilität in dieser Beziehung beobachtet hatte. Meine in der Zeitschr. f. wiss. Zool. erschienenen „Untersuchungen etc.“ befanden sich bereits im Druck, als ich die oben im Texte erwähnte Variabilität bei Fistulicola dalmatinus entdeckte. Inzwischen hat Mrazek eine Mitteilung publiziert [Ueber das Verhalten der Längsnerven bei Abothrium rectangulum (Rud.) (Centralbl. £. Bakt. etc. Bd. XXIX. p. 569—571)], derzufolge dieselbe Variabilität sich auch bei Baihybothrium rectangulum findet und ich stehe nicht an, zu erklären, daß das gegenseitige Lageverhältnis von Grenitalleitungswegen und Nerven durch diese Feststellungen an systematischem Werte einbüßt. Die Wichtigkeit von weiteren Feststellungen über dieses Lageverhältnis wird freilich meines Erachtens da- durch nur noch erhöht, da es nunmehr gilt, festzustellen, wie weit jene Variabilität ver- breitet ist und ob sie etwa nur ein ausnahmsweises Vorkommnis darstellt. Bee vet ER. Revision meines Bothriocephalidensystemes. 325 in der dorsalen Rindenschicht gelegen, den Längsmuskeln gleichfalls unmittelbar anliegt. Keimstock stark abgeflacht und stark gelappt, median oder dem die Genitalöffnung tragenden Gliedrande genähert. Schalendrüse dorsal vom Keimstocke, zwischen beiden ein kugeliges Dotterreservoir. Uterus ein langer, stark gewundener und verhältnis- mäßig enger Kanal; sein Endabschnitt erweitert, atriumähnlich; seine Mündung meist nicht median, sondern seitlich verschoben, ohne Be- ziehung zur Lage der marginalen Genitalöffnung unregelmäßig ab- wechselnd. Typische Art: Ancistrocephalus microcephalus (Rud.). Ferner hierher gehörig: Ancisirocephalus imbricatus (Dies.) spec. dubia. Vorstehende Gattungsdiagnose ist namentlich hinsichtlich der An- ordnung der Hoden und Dotterstöcke und der Lage des Keimstockes gegen früher nicht unwesentlich verändert. Es ist dies durch die Untersuchung des mir von Freund Stossich überlassenen Materials von Ancistrocephalus microcephalus nötig geworden, da diese Art sehr stark zu variieren scheint. Um so mehr ist es mir zweifelhaft geworden, ob Ancistrocepha- lus imbricatus als gute Art anerkannt werden kann. Als Speciesmerkmal bleibt, abgesehen von dem anderen Wirte, nur das Fehlen der Häkchen am Scolex bestehen. Dieses kann aber doch möglicherweise durch den Erhaltungszustand des von mir untersuchten alten Materiales bedingt sein, zumal auch bei Ancistrocephalus microcephalus an Alkoholexem- plaren häufig die Haken zu fehlen scheinen. Wie die Verhältnisse zur Zeit liegen, glaube ich, daß Ancistrocephalus imbricatus erst dann als gute Art wird anerkannt werden bezw. mit Sicherheit als synonym zu Ancistrocephalus microcephalus wird eingezogen werden können, wenn die Untersuchung frischen bezw. gut konservierten Materiales das Fehlen oder Vorhandensein von Häkchen am Scolex des Cestoden der Seeschild- kröte wird sichergestellt haben. 3. Gen. Anonchocephalus n. Q. Scolex unbewaffnet, pfeilförmig. Keine Pseudoscolexbildung. Hals fehlt. Proglottidenkette flach, bandförmig. Gliederung deutlich; Glieder meist breiter als lang, jedoch nicht auffällig kurz. Längsnerven ventral von Cirrusbeutel und Vagina, von dem Seitenrande verhältnismäßig weit entfernt. Hodenbläschen auch noch in größerer Zahl (ca. 20—25 Proz. der Gesamtzahl) marginal von den Längsnerven, in zwei am Hinterende der Proglottis miteinander verbundenen Seitenfeldern, dorsal von den Dotterstocksfollikeln, welche in entsprechender Verteilung in einer ein- fachen Lage in der Markschicht liegen und der ventralen Längsmuskel- schicht unmittelbar angrenzen. Keimstock dem die Genitalöffnung tragen- den Gliedrande genähert. Schalendrüse hinter dem Keimstocke. Uterus ein langer, stark gewundener und verhältnismäßig enger Kanal; sein Endabschnitt stärker erweitert und mit besonderer Muskulatur; seine Mündung annähernd median. Typische (und bisher einzige) Art: Anonchocephalus chilensis (Riggb.), welchen ich an der Hand der mir von Herrn Dr. Riggenbach freund- lichst zur Verfügung gestellten Orignalpräparate habe untersuchen können. Leider sind in allen Präparaten die Eischalen bis zur Unkennt- lichkeit geschrumpft; daß dieselben einen Deckel besitzen, ist daher nur aus der weitgehenden anatomischen Uebereinstimmung mit anderen Triä ophorinen, speziell mit Ancistrocephalus, erschlossen, aber nicht dire it beobachtet worden. 2. \ BY 326 M. Lühe, 4. Gen. Triaenophorus Rud. | | Vergl. Lühe, Verhdlg. D. zool. Ges. IX. 1899. p. 3733 und Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXVIII. 1900. p. 97—99 sowie Bronn’s Klass. u. Ordn. Bd. IV. Abtlg. 1b. p. 1694. II. Ptychobothriidae fam. nov. Scolex stets unbewaffnet und stets mit zwei getrennten, mehr oder weniger stark entwickelten Sauggruben, welche jedoch in einzelnen Fällen zu zwei großen Taschen mit verhältnismäßig kleiner Eingangs- öffnung umgewandelt erscheinen oder in zwei hintereinander gelegene Abschnitte zerfallen können, von denen der hintere in seinem Aeußeren Fig. 5. Querschnitt durch eine voll entwickelte Proglottis von Clestobothrium crassiceps (Rud.) zur Demonstration der Entwickelungsfähigkeit der Uterushöhle. dst. Dotterstöcke, a Hoden, ml Längsmuskeln, «th Uterushöhle. saugnapfähnliche Form besitzt. Auch Ersatz des Scolex durch einen Pseudoscolex kommt gele- gentlich vor. Hals fehlt. Aeußere Gliederung niemals fehlend, aber entweder unvollkommen oder durch sekundäre Faltenbildungen verwischt. Genitalorgane einfach in jeder Proglottis. Die bei- den Flächen der Proglot- tidenkette (abgesehen von den Genitalöffnungen) gleichge- staltet. Cirrus unbesta- chelt, mit zerklüfteter Cuticula. Mündung von \‚Cir- rus und Vagina hinter ger Fig. 6. Sagittaler Medianschnitt durch eine voll entwickelte Proglottis von (lestobothrium crassiceps (Rud.)/ zur Demonstration der Entwickelungsfähig- keit der Uterushöhle. ov Keimstock, rs Receptaculum seminis, sch Schalend;rüse, uth Uterushöhle. f Revision meines Bothriocephalidensystemes. 327 Uterusmündung, randständig oder flächenständig. In letzterem Falle stets annähernd median und ebenso stets auf der entgegengesetzten Fläche wie die Uterusmündung. Eine außerhalb des Cirrusbeutels gelegene Vesicula seminalis (Eschericht’scher Körper) fehlt stets. Ein besonderes Receptaculum seminis fehlt in der Re- gel gleichfalls; wo vorhanden, ist es in Gestalt eines kleinen Blindsäckchens ausgebildet, welches parallel neben dem Endabschnitte des Oviduktes liegt und mit der Vagina unmittelbar vor deren Vereinigung mit dem Ovidukte in Verbindung steht. Keimstock und Schalendrüse stets median; Hoden stets in zwei seitlichen Feldern. Uterus nie die sogenannte Rosettenform annehmend, wohl aber in der Regel eine ge- räumige Uterushöhle bildend, welche die übrigen Genitalorgane, ohne daß freilich deren Rückbildung eintritt, buchstäblich an die Wand drängen kann, indem die ganze Proglottis in reifen Proglottiden vielfach als ein einziger sackförmiger Eibehälter mit verhältnismäßig sehr dünnen Wan- dungen erscheint (vergl. Fig. 5 u. 6), Eier mit einfacher, sehr dünner Schale, ohne Deckel. 1. Subfam. Amphicotylinae n. subf. Scolex stets mit zwei typischen, meist nicht sehr tiefen Sauggruben, welche jedoch einen hinteren, saugnapfähnlichen Abschnitt entwickeln können. Vereinzelt kommt Ersatz des Scolex durch einen Pseudoscolex vor. Aeußere Gliederung undeutlich bezw. durch accessorische Runzelung oder Faltung der Proglottidenflächen verwischt. Mündung von Cirrus und Vagina marginal, unregelmäßig abwechselnd, mit mehr oder weniger stark ausgesprochener Tendenz zur Einseitigkeit. Uterusmündung median; Uterushöhle stets wohl ausgebildet. Knäuelbildung des Vas _ deferens stark ausgeprägt. Vorkommen: In Fischen. 1. Gen. Amphicotyle (Dies. 1864 e. p.) Ariola 1900 nec Montic. 1890 nec Lhe. 1899. Sauggruben verhältnismäßig flach, nur in ihrem hinteren, saugnapf- förmigen Abschnitte stärker vertieft. Daß dieser sogenannte „accesso- rische Saugnapf“ kein echter Saugnapf, sondern nur ein modifizierter Teil der Sauggrube ist, geht daraus hervor, daß nicht nur jede Ab- grenzung gegen das umgebende Parenchym fehlt, sondern daß auch die Anordnung der Muskulatur dieses angeblichen Saugnapfes keinerlei Aehnlichkeit mit der Muskulatur echter Saugnäpfe zeigt, dagegen um so vollkommener mit der Anordnung der Muskulatur in der typischen Bothriocephalus-Sauggrube übereinstimmt. Proglottidenkette äußerlich derjenigen von Fisitulicola ähnlich, sehr dick und anscheinend sehr kurzgliedrig; in Wahrheit sind jedoch die Proglottiden keineswegs so kurz, wie es äußerlich den Anschein hat, da jede Proglottis durch tief einschneidende Ringfurchen geteilt ist, so daß die oberflächliche Gliede- rung der inneren Segmentierung nicht entspricht und je 2—4 der sich blattartig deckenden Seitenteile einer einzigen Proglottis angehören (vergl. Fig. 7). Längsnerven innerhalb der beiden seitlichen Hoden- _ felder, bei Ueberkreuzung von Cirrusbeutel und Vagina der die Uterus- mündung tragenden Fläche zugewandt. Keimstock flächenhaft aus- gebildet, sehr stark gelappt, der von der Uterusmündung ab- gewandten Längsmuskelschichtanliegend und seine Schläuche zum Teil noch zwischen die einzelnen, sehr starken Längsmuskelbündel 4 398 M. Lühe, entsendend. Dotterstocksfollikel außerordentlich zahlreich, nicht auf zwei Seitenfelder beschränkt, sondern in ringförmiger Anordnung, nach außen von der gesamten durchgehenden Längsmuskulatur in den freien Seitenblättern der Proglottiden (vergl. Fig. 8). Uterushöhle sehr stark UN fj / Hi fi N 1 j M fl V Fig. 8. Fig. 7. Paratangentialer Flächenschnitt durch 11 reife Proglottiden von Amphicotyle typica in der Nähe der Uterusmündungen, welche in der Mittel- linie sichtbar sind. Die Gliederung ist nur schein- bar, die Proglottidenteilung durch sekundäre Falten- bildung (2—4 Falten in jeder Proglottis) vollkommen verwischt. Vergr. 15:1. Fig. 8. Querschnitt durch eine Proglottis von Amphicotyle typica, welche zwar reif ist, deren Uterus- höhle jedoch noch schwach entwickelt ist. c aus- gestülpter Cirrus, cd Cirrusbeutel, A Hoden, m! Längs- Fig. 7. muskeln, n Nerv, ov Keimstock (in dem durch die Uterusmündung geführten Schnitt nur noch zum kleinen Teil an dem poralen, d. h. der Genitalöffnung zugewandten Flügel getroffen), utm Uterusmündung, » Vagina (inneres Ende des distalen, weiten Abschnittes, vergl. Text). ausgebildet, in reifen Proglottiden alle übrigen Organe sehr stark kom- primierend. An der Vereinigungsstelle von Ovidukt und Vagina ein kleines Blindsäckchen. Typische (und bisher einzige) Art: Amphicotyle heteropleura (Dies. 1850 e. p., Wag. 1854); bisher anatomisch nicht genügend bekannt, da die allein existierenden Angaben Ariola’s durchaus unzureichend und auch nicht in allen Punkten richtig sind!) (z. B. spricht Ariola mit Unrecht von einer „vera e propria ventosa“ und von „proglottidi come strie trasversali“ di „forma trapezoidale“); von mir untersucht auf Grund der Exemplare im Wiener Hofmuseum und in den Privatsammlungen der Herren Dr. Fuhrmann-Neuchätel und Prof. Stossich-Triest. Den in den Diagnosen der Gattung, Unterfamilie und Familie ent- haltenen anatomischen Angaben füge ich hier nur noch hinzu, daß die Vagina ähnlich wie bei Anonchocephalus chilensis Riggb., für welchen bereits eine diesbezügliche Angabe Riggenbach’s vorliegt, in zwei strukturell verschienene Teile zerfällt: Soweit sie hinter dem Cirrus- 2) /n Dali UN 7 Anz 1) Ariola, V., Nota sui Cestodi parassiti Centrolophus pompilius Linn. (Boll. dei Musei di Zoologia e Anatomia comparata della R. Universitä di Genova. 1900. No. 93.) Ich bin Freund Stossich zu besonderem Danke verpflichtet, daß er mir diese Arbeit seiner Zeit durch Uebersendung des ihm vom Verf. zugestellten Sonderabdruckes zu- gängig gemacht hat. { . „. ı DE 4 Revision meines Bothriocephalidensystemes. 329 beutel verläuft, ist sie auffällig dickwandig und weit, mit spaltförmigem (in sagittaler Richtung gestreckten) Lumen, da vordere und hintere Wandung einander bis zur Berührung genähert sind. Der proximale, ziemlich stark gewundene Abschnitt ist dünnwandig, cylindrisch, mit zahlreichen unregelmäßigen Auftreibungen infolge lokaler Füllung mit Sperma. Diese Verschiedenheiten in Struktur und Weite des Kanales, welche ich außer bei den genannten Arten auch noch bei Ancistrocephalus microcephalus finde, stehen zweifellos in korrelativem Zusammenhange mit der beträchtlichen Länge und Dicke des Cirrus von Amphicotyle, Anonchocephalus und Ancistrocephalus und haben eine entfernte Analogie in den früher von mir geschilderten Strukturverhältnissen des Vas deferens bei Fistulicola plicatus. Besonders auffällig ist bei Amphicotyle das Lageverhältnis von Keimstock und Uterus. Sieht man in Uebereinstimmung mit der herrschenden Auffassung des ÜCestodenkörpers die Fläche, der der Keimstock genähert ist, als Ventralfläche an, so liegt die Uterusmündung im Gegensatze zu allen anderen Pseudophylliden (mit einziger Aus- nahme der eine Sonderstellung einnehmenden Cyathocephalinen) dorsal. Faßt man dagegen die die Uterusmündung tragenden Flächen aller Pseudophylliden (mit Ausnahme der Cyathocephalinen) als homolog auf, so liegt bei Amphicotyle der Keimstock im Gegensatze zu allen anderen Cestoden ausgesprochen dorsal und die Schalendrüse ventral vom Keim- stocke. Nachdem ich anfänglich der erstgenannten Auffassung zuge- neigt hatte, habe ich mich doch in Rücksicht auf die gesamte Topo- graphie der Genitalleitungswege und auf Grund vergleichend - ana- tomischer Erwägungen dazu entschließen müssen, die Lage des Keim- stockes als dorsal anzusehen. Eine Begründung dieser Anschauung bereits hier zu geben, würde jedoch zu weit führen. 2. Gen. Abothrium van Bened. Diagnose bei Lühe in Verhandl. D. Zool. Ges. [X. Hamburg 1899. p. 385—39 und in Bronn’s Klass. u. Ordn. Bd. IV. Abt. 1b. p. 1696. 3. Gen. Bathybothrium n. 9. Sauggruben tiefer als bei Amphicotyle und Abothrium, verleihen dem Scolex bei gewissen Kontraktionsverhältnissen ein an- nähernd kugeliges Aussehen und eine gewisse Aehn- lichkeit mit demjenigen von Ülestobothrium crassiceps. Längsnerven am Seitenrande der Markschicht, ein- gekeilt zwischen die marginalen Längsmuskelbündel und die Dotterstocksfollikel, welche in verhältnismäßig geringer Anzahl und dicht gedrängt gleichfalls am Seitenrande der Markschicht (median, dorsal und ventral vom Nerven) liegen. Hoden in zwei seitlichen Feldern, zwischen Dotterstocksfollikeln und dem me- dian gelegenen, nur sehr schwach gelappten und die ganze Dicke der Markschicht einnehmenden Keimstock _ gelegen. Schalendrüse ähnlich wie Fistulicola poral (d.h. der Genitalöffnung genähert) neben dem Keim- stocke gelegen und der Ventralfläche sehr stark ge- nähert. Uterushöhle stark entwickelt, in reifen Pro- - glottiden die ganze Markschicht erfüllend, jedoch kein ganz einheitlicher Sack, sondern mit unregelmäßigen Fig. 9. Reife Proglottiden von Ba- gute x thybothrium rectangu- seitlichen Ausbuchtungen versehen, welche bei schwa- Zum (Bloch). 330 M. Lühe, Revision meines Bothriocephalidensystemes. cher Füllung der ganzen Uterushöhle ein sternförmiges Aussehen geben können (vergl. Fig. 9). Bereits in meinen mehrfach citierten früheren Publikationen über die Bothriocephaliden mit marginalen Genitalöffnungen habe ich darauf hingewiesen, daß die Taenia rectangulum Bloch nächstverwandt mit den Arten der Gattung Abothrium sei. Die mir durch das freundliche Ent- gegenkommen von Herrn Dr. Fuhrmann -Neuchätel ermöglichte Unter- suchung der Art hat diese Annahme durchaus bestätigt. Trotzdem kann ich aber nicht wie Mrazek (Ueber das Verhalten der Längsnerven bei Abothrium rectangulum |Rud.] |Centralbl. f. Bakt. Bd. XXIX. 1901. p. 569—571]) die Art direkt der Gattung Abothrium einverleiben. Wäh- rend die 3 Arten dieser Gattung in allen wesentlichen Zügen ihrer Organisation miteinander übereinstimmen, weicht die Taenia rectangulum Bloch, abgesehen von einigen anderen Punkten, in der Anordnung ihrer Dotterstocksfollikel in so prinzipieller Weise von denselben ab, daß ich die Schaffung einer besonderen Gattung für notwendig halte. Wenn ich nun diese beiden Gattungen Abothrium und Dathybothrium mit . Amphvcotyle zu einer Unterfamilie vereinige, ist es vielleicht nicht über- flüssig, noch besonders zu betonen, daß wohl zweifellos ihre gegenseitige Verwandtschaft verhältnismäßig enger ist, als diejenige einer von ihnen mit Amphvcotyle. 2. Subfam. Ptychobothriinae Lhe. Mit den Gattungen bothriocephalus Rud. e. p., Lhe., Ülestobothrium Lhe., Piychobothrium Lönnbg. und Taphrobothrium Lhe. Diagnosen bei Lühe in Verhandl. D. Zool. Ges. IX. 1899. p. 41 —45 und in Bronn’s Klass. u. Ordn. Bd. IV. Abt. 1b. p. 1691— 1692. Außer den hier namhaft gemachten Gattungen habe ich früher zu den Ptychobothriinen auf Grund von Angaben Monticelli’s auch noch die Gattungen Amphtcotyle Dies. e. p., Montic. nec Ariola = Bothriocotyle Ariola 1900 und Amphitretus R. Blanch. 1894 gerechnet, allerdings beide nur als genera inquirenda. Nachdem ich inzwischen Dothriocotyle sole- nosomum Ariola 1900 und Amphitretus wagenertı (Montic. 1890) selbst habe untersuchen können, sehe ich mich genötigt, für diese beiden Gattungen eine selbständige Familie zu schaffen, welche ich Amphi- tretidae nennen und vorläufig, wie folgt, kennzeichnen will: Scolex klein, Hals fehlend, äußere Gliederung vollkommen und deutlich. Die beiden Flächen der Proglottidenkette ver- schieden gestaltet: die ventrale Fläche abgeflacht oder konkav ein- gerollt, die dorsale Fläche konvex, die freien Hinterränder der Pro- glottiden auf der Ventralfläche stärker vorspringend als auf der Dorsal- fläche. Uterusmündung ventral, Mündung von Cirrus und Vagina dorsal. Sämtliche Genitalöffnungen flächenständig, aber stets den Seitenrändern genähert, nie median, und zwar Mündung von Cirrus und Vagina dem Seitenrande stärker zomznrar als die Uterusmündung. Cirrusbeutel sehr muskulös. Cirrus mit Stacheln von sehr charakteristischer Form besetzt: in der den Cirrus überziehenden Outicula sind die Stacheln mit einem kugeligen Köpfchen (vergleichbar etwa dem Kopfe des menschlichen Femur) eingesenkt, auf einen kurzen verschmälerten Hals folgt dann im Niveau der freien Oberfläche der Cuticula wieder eine plötzliche Zunahme des Durchmessers bis zur Größe des Durchmessers des Köpf- chens und hierauf eine allmähliche Zuspitzung, derart, daß das freie 3 | ‘ h ; a u a u. ARE Ye F. Zschokke, Hymenolepis (Drepanidotaenia) lanceolata Bloch etc. 331 Ende des Stachels langgestreckt kegelförmig erscheint. Keimstock ventral, zwischen dem mehr lateralen Cirrusbeutel und der mehr medianen Uterushöhle gelegen. Dotterstöcke in der Markschicht, ven- tral von den Hodenbläschen. UÜteringang ein dünner Kanal, an- fänglich in der Richtung auf den Cirrusbeutel zu verlaufend, dann medianwärts umbiegend zu dem mehr oder weniger geräumigen Uterus (s. str, d. h. der „Uterushöhle“). Eier mit einfacher, dünner Schale, ohne Deckel. | Nähere Mitteilungen über diese Amphitretiden behalte ich mir für eine besondere Publikation vor, in der ich zugleich die verwickelte Synonymie der Cestoden aus Üentrolophus pompilius (Amphicotyle hetero- pleura, Bothriocotyle solenosomum und Amphitretus wageneri) zu behandeln haben werde. Hier füge ich nur noch hinzu, daß Diplogonoporus settü Ariola 1895, dem ich früher keine Stellung im System anweisen konnte, augenscheinlich ein Amphitretide ist, vielleicht sogar zur Gattung Amphitretus gehört. Hierauf weist die verschiedene Ausbildung der beiden Proglottidenflächen, die submarginale Lage der dorsalen Genital- öffnung, Ariola’s Schilderung von Cirrusbeutel und Cirrus und die ventrale Lage der Dotterstöcke hin. Ariola’s Angaben über das kugelige „Ovar“ und den von diesem ausgehenden, stark gewundenen und neben dem Cirrusbeutel ausmündenden „Ovidukt“ sind natürlich direkt nicht verwertbar, da ein derartiger Ovidukt bei keinem Üestoden vorkommt. Vielleicht sind jene Angaben jedoch so zu deuten, daß der italienische Autor, der ja den feineren anatomischen Details in seinen bisherigen Bothriocephalidenarbeiten niemals besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, den wirklichen Keimstock überhaupt übersehen und dafür nach Art der älteren Helminthologen (Rudolphi, Diesing u. A.) den Uterus als Ovarium bezeichnet hat. Sein „Ovidukt“ würde dann gleich Vagina plus Uteringang zu setzen sein, während der wirkliche Ovidukt in der Abbildung ebensowenig dargestellt wäre, wie das wirkliche Ovarium. Hierdurch würde sich auch erklären, warum in der ganzen Beschreibung von Diplogonoporus Settii nirgends von einem Uterus die Rede ist. Immerhin ist diese Deutung zur Zeit noch eine Hypothese, deren Richtigkeit nur Ariola selbst, in dessen Händen sich das einzige Originalexemplar der fraglichen Art befindet, bestätigen oder wider- legen kann. Nachdruck verboten. Hymenolepis (Drepanidotaenia) lanceolata Bloch als Schmarotzer im Menschen. Von Prof. F. Zschokke, Basel. Durch die gütige Vermittelung der Herren Prof. W. Kükenthal und Dr. F. Römer erhielt ich zwei Bandwürmer zur Bestimmung, die einem 12-jährigen Knaben in Breslau zu zwei verschiedenen Malen spontan abgegangen waren. Die Länge der Würmer beträgt 85 und 90 mm; die größte Breite, die etwas hinter der Mitte der Körperlänge liegt, 8,5 und 12 mm. Nach vorn spitzt sich die blattartig dünne Strobila allmählich zu, nach hinten verläuft sie in gleichmäßiger Breite, um abgerundet abzuschließen. Bei beiden Exemplaren ist das Vorderende trichterartig eingestülpt; beiden 532 F. Zschokke, fehlt der Scolex. Die Segmentzahl mag etwa 300 betragen. Am Vorder- ende fallen auf die Länge eines Centimeters ca. 50—60 Glieder, in der Mitte der Strobila ca. 30 und am Hinterende ca. 20. Die Breite aller Proglottiden übertrifft sehr bedeutend ihre Länge. Im vorderen Körperabschnitt, an einer Stelle, wo die Breite etwa 6 mm mißt, sind die Glieder schmal, stabförmig, 28—35mal breiter als lang. Später, in Segmenten mit reifen Genitalorganen, verhält sich die Länge zur Breite wie 1:42; das Verhältnis bleibt ähnlich (1:40), nachdem sich der Uterus stark entwickelt hat, um in den letzten Proglottiden 1:25 zu betragen. Alle Genitalpori liegen an demselben Strobilarand; sie öffnen sich beinahe an der Ecke, die vom Vorderrand und vom rechten Seitenrand des Gliedes gebildet wird. Schon die Dimensionen und die äußere Erscheinung ließen der Ver- mutung Raum, daß die fraglichen Cestoden dem weitverbreiteten Para- siten zahlreicher Wasservögel Aymenolepis (Drepanidotaenia) lanceolata Bloch nahe verwandt sein möchten. Eine eingehende anatomische Unter- suchung eines der Objekte erhob die Vermutung zur Gewißheit. Durch- greifende spezifische Unterschiede mit Drepanidotaenia lanceolata ergaben sich nicht, so daß der genannte Vogelcestode als gelegentlicher .Gast in die Parasitenliste des Menschen aufgenommen werden muß. Eine ältere Beschreibung von D. lanceolata stammt von Feuer- eisen; in jüngster Zeit haben Wolffhügel und Cohn den Band- wurm näher untersucht und dabei eine Reihe anatomischer Besonder- heiten gefunden, die dem Cestoden innerhalb des Subgenus Drepanido- laenia eine Sonderstellung anweisen. Die Angaben der oben genannten Zoologen kann ich nach eigener Erfahrung durchaus bestätigen. Wolffhügel hat wohl aus Versehen die Zahl der Längsmuskel- bündel zu gering angegeben; sie beträgt für jeden „Muskelmantel“ etwas mehr als 200 und nicht nur 100. Uebrigens erlaubt Wolffhügel’s Figur 3 den Schluß, daß auch seine Exemplare von D. lanceolata jene bedeutendere Anzahl von longitu- dinalen Muskeln besaßen. Schräg verlaufende Fasern verbinden da und dort die sonst parallel ziehenden Längsbündel. Meine Befunde über die longitudinale, transversale und dorsoventrale Parenchymmuskulatur decken sich mit denjenigen Cohn’s. An dem in den Cirrusbeutel eingeschlossenen Stück des Samen- leiters, dessen Verlauf und Lage von den früheren Autoren zutreffend geschildert worden ist, erfährt der auf die Vesicula seminalis folgende Abschnitt eine spezielle Differenzierung. Er zieht als sich stets ver- jüngender Schlauch gegen die äußere Spitze des Cirrusbeutels, ohne dieselbe indessen zu erreichen, da er vorher wieder nach innen scharf umbiegt. Der Schlauch besitzt eine dicke, homogene Wandung, die in wenig hohen Längsfalten nach innen vorspringt. Außen ist er von einem Belag birnförmiger Zellen umhüllt, deren verjüngtes Ende die Schlauch- wand zu durchbohren scheint. Es dürfte sich somit wohl um einen Drüsenapparat handeln. Die Eier besitzen die drei für das Genus Hymenolepis typischen, weit voneinander abstehenden Hüllen. Davon ist die äußerste mem- branös, weit und dünn; sie legt sich in zahlreiche und ausgiebige Falten. Die mittlere Eihülle hat den Charakter einer bedeutend dickeren und festeren Pergamentschale; doch wird auch sie durch Einbiegungen und Buckelungen oft unregelmäßig gestaltet. Den zelligen Embryonal- HEERES rn ad A re ein ER nn 20 Br > Hymenolepis (Drepanidotaenia) lanceolata Bloch ete. 333 körper umschließt endlich unmittelbar die innerste, zarte und häutige Schale. Das ziemlich heterogene Genus Hymenolepis Weinl., dessen Diagnose Braun in seinem großen Cestodenwerk giebt, zerfällt nach Cohn in die beiden Subgenera Hymenolepis s. str. Blanchard und Drepanido- taenia Railliet. Zu letzterer Untergattung gehört der uns beschäftigende Bandwurm, doch verschafft ihm sein anatomischer Bau in mehrfacher Beziehung eine eigene Stellung, so daß D. lanceolata wohl zum Typus eines neuen Subgenus erhoben werden könnte. Von Drepanidotaenia führt Cohn in seiner neuesten, umfangreichen Arbeit 23 verschiedene, ausschließlich in Vögeln schmarotzende Arten an. Das Genus war bisher, soviel ich ersehen konnte, aus Säugetieren unbekannt. Erst der Breslauer Fall ändert in dieser Beziehung unsere Kenntnisse. Er lehrt von neuem, wie wenig das Vorkommen mancher Cestoden in verschiedenen Wirten an systematische Grenzen gebunden ist. Im Laufe der letzten Jahre sind eine Reihe von Tänien, die man als typisch für Säuger ansah, in Vögeln, und umgekehrt Vogelcestoden in Säugetieren entdeckt worden. Um das nächstliegende Beispiel zu nennen, muß an das Genus Davainea erinnert werden, das nicht nur in zahlreichen Vögeln vorkommt, sondern in jüngerer Zeit auch in Eden- taten, Nagern und im Menschen gefunden wurde. Aehnliche Beispiele ließen sich eine ganze Reihe anführen. Beson- ders die zahlreichen Arbeiten Fuhrmann’s über Vogelcestoden haben das gleichmäßige Vorkommen vieler Täniaden in Säugetieren und Vögeln ergeben. Beiden Klassen warmblütiger Wirbeltiere gehören die Gattungen Hymenolepis s. str. und Mesocestoides an. Cittotaenia der Nager kehrt in Enten wieder, während umgekehrt das Genus Prosthecocotyle gleich- zeitig in zahlreichen Wasservögeln und in Delphinen parasitiert. In Vögeln leben auch die früher nur aus aplacentalen Säugern bekannte Linstowia und andere für einzelne Säugetierabteilungeu als typisch be- trachtete Anoplocephaliden wie Dertia und Moniezia. Wenn so die Cestodenfauna von Mammalia und Aves faunistisch weitgehend überein- stimmt, und ähnliche Parasiten sich sogar in Wirten von recht verschie- dener Lebensweise einfinden, wird sich wohl auch der Satz nicht mehr in vollem Umfange aufrecht erhalten lassen, daß jede größere Vogel- gruppe ihre ganz bestimmten, für sie charakteristischen Arten von Tä- nien beherbergt, die außerhalb derselben nicht vorkommen. Der in vorliegender Notiz beschriebene Fall zeigt, daß sogar dieselbe Art von Cestoden im Darm systematisch ganz verschiedener Wirte, Mensch und Schwimmvögel, gedeihen kann. Die Bedingungen für die Entwickelung mancher Bandwürmer scheinen mit der Uebertragung der Larven in den Darm irgend eines warmblütigen Tieres erfüllt zu sein. Wenn also der Zwischenwirt so gewählt ist, daß er leicht von verschie- denartigen Hauptwirten aufgenommen werden kann, öffnet sich auch für den geschlechtsreifen Kettenwurm ein weiteres Verbreitungsgebiet. Die Voraussetzung der Existenz leicht übertragbarer Zwischenwirte trifft, wie gezeigt werden soll, für Drepanidotaenia lanceolata in vollem Maße zu. Auch innerhalb der drei Hauptklassen wechselwarmer Wirbeltiere besitzen gewisse Gattungen von Bandwürmern eine ausgiebige Verbrei- tung. Die Ichthyotänien, deren Name schon andeutet, daß sie haupt- sächlich in Fischen parasitieren, haben sich allmählich auch als Schma- ‘ 34 F. Zschokke, Hymenolepis (Drepanidotaenia) lanceolata Bloch ete. WW] € rotzer von Amphibien und Reptilien erwiesen. Sie kommen in Urodelen Schildkröten und Eidechsen vor und bilden die überwiegende Mehrzahl der in Schlangen lebenden Cestoden. So ist man schon heute bis zu einem gewissen Grade berechtigt, in biologischem und systematischem Sinn von Tänien der Warmblüter und Tänien der Kaltblüter zu sprechen. Einstweilen deutet alles darauf hin, daß die in diesen Worten ausgedrückte Verbreitungsgrenze für Tä- nien sich in Zukunft wird halten lassen ; während die alten Grenzlinien zwischen Tänien der Säugetiere und der Vögel, sowie zwischen Tänien der Fische, Amphibien und Reptilien sich durch weitere systematische und faunistische Studien noch mehr verwischen dürften. Medizinisch gewinnt nach dieser Auseinandersetzung die anatomische und entwickelungsgeschichtliche Kenntnis der Tänien von Vogel und Säugetier erhöhtes Interesse, da man erwarten muß, manche dieser Band- würmer als gelegentliche und wohl selten harmlose Gäste im Menschen anzutreffen. Besonders wird es wichtig sein, die Infektionswege auf- zudecken, d. h. die Zwischenwirte kennen zu lernen. Die Liste der im Menschen schmarotzenden Täniaden ist im Laufe der jüngsten Zeit sehr beträchtlich angewachsen. Sie umfaßt heute fol- sende 10 Arten: Taenia solium L., T. saginata Goeze, T. confusa H. B. Ward, T. africana von Linstow, T. asiatica von Linstow, Dipyli- dium cucumerinum Bloch, Hymenolepis diminata Rud., H. nana von Siebold, Davainea madagascariensis Davaine und Drepanidotaenia lan- ceolata Bloch. Von ihnen müssen mindestens drei nur als zufällige Schmarotzer des Menschen betrachtet werden, die in anderen warmblü- tigen Wirbeltieren ihre regelmäßigen Wirte finden. Dipylidium cucu- merinum ist häufig in Hund und Katze, Aymenolepis diminata in Ratten, Drepanidotaenia lanceolata in Enten und Gänsen. Höchst wahrscheinlich ist ferner Aymenolepis nana identisch mit der Mäusetänie HZ. murina ; auch für die im Menschen bis heute nur selten beobachteten Cestoden T. africana, T. asiatica und Davainea madagascariensis dürften vielleicht noch andere Wirte gefunden werden. So spricht schon die Zusammen- setzung der Parasitenliste des Menschen dafür, daß manche Tänien innerhalb der Abteilung der warmblütigen Wirbeltiere eine durch syste- matische Grenzen nicht eingeschränkte Verbreitung genießen !). Ueber Haupt- und Zwischenwirte von Drepanidotaenia lanceolata besitzen wir genügende Kenntnisse. Der ausgewachsene Wurm ist ein weitverbreiteter und an vielen Orten häufiger Parasit zahlreicher Wasservögel (verschiedene Enten, Gänse, Taucher, Flamingo). Sein massenhaftes Auftreten soll unter dem Wassergeflügel hin und wieder Epidemieen verursacht haben. Stiles und Hassall stellen eine Liste der Wirte des Cestoden zusammen. Als Zwischenwirte benützt D. lanceolata Copepoden des süßen Wassers. Mräzek fand ihre Cercocysten in Cyclopiden, besonders in Oyclops serrulatus Fisch., der nach dem übereinstimmenden Urteil von Claus, Richard und OÖ. Schmeil, sowie nach meinen eigenen Er- fahrungen, einer der gemeinsten und am weitesten verbreiteten Cope- poden des Süßwassers ist. v. Daday erkannte die Cercocysten in sehr zahlreichen Exemplaren von Diaptomus spinosus Dad., die er in stehen- 1) Nach Krabbe’s Angaben, die Leuckart in seinem Parasitenwerk verzeichnet, | soll auch der gewöhnliche Katzenbandwurm, Taenia erassicollis Rud., in Jütland zweimal im Menschen gefunden worden sein. Eee VE u te ah u nn a en u Stanislaus Epstein, Abfüllbürette für sterile Flüssigkeiten. 335 den, von Enten und Gänsen besuchten Gewässern bei Vadkert im unga- rischen Tiefland sammelte. Es kann kaum ein Zweifel walten, daß D. lanceolata, die in ihrer Jugend zwei verschiedene Gattungen von Cope- poden bewohnt, auch andere Species von Cyclops und Diaptomus als Zwischenwirte aufsucht. Bei der weiten Verbreitung und dem oft so massenhaften Auftreten der Copepoden in stehenden Gewässern erklärt sich das häufige Vor- kommen von D. lanceolata in Enten und Gänsen leicht. Dadurch wird gleichzeitig die Infektionsgefahr für den Menschen gesteigert. Die Ueber- tragung der kleinen, oft schwer erkennbaren Crustaceen durch Trink- wasser in den menschlichen Darmkanal dürfte nicht zu den Seltenheiten gehören. Diaptomus und Cyclops aber, jene Krebse, beherbergen oft Cercocysten, die, wie der Breslauer Fall lehrt, im Menschen zu Dre- panidotaenia lanceolata auswachsen können. Litteratur. Braun, M., Vermes. Abt. Ib. In.: H. G. Bronn’s Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Leipzig 1894—1900. Cohn, L., Zur Erematik der Vogeltänien. IV. (Centralbl. f. Bakteriol. etc. I. Abt. Bd. XX VII. 1900.) Br Anatomie und Systematik der Vogelcestoden. (Nova Acta. Bd. LXXIX. 1901. 0. 3.) v. Daday, E., Helminthologische Studien. Einige in Süßwasser-Entomostraken lebende Cercocystis-Formen. (Zoolog. Jahrb. Abt. f. System., Geogr. u. Biolog. der Tiere. Bd. XIV. 1900.) Feuereisen, J., Beitrag zur Kenntnis der Tänien. (Zeitschr. für wiss. Zoologie. Bd. XVIIl. 1868.) Mräzek, A., Zur Entwickelungsgeschichte einiger Tänien. (Sitzungsber. der K. böhm. Ges. d. Wiss. Math.-naturw. Klasse. 1896.) Stiles, Ch. W. and Hassall, A., Tapeworms of poultry. (U. S. Department of Asriculture. Bureau of Animal Industry. Bulletin No. 12. 1896.) Wolffhügel, K., Drepanidotaenia lanceolata Bloch. (Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. | Bd. XXVIII. 1900.) e Nachdruck verboten. Abfüllbürette für sterile Flüssigkeiten. Von Dr. Stanislaus Epstein, Assistenten am deutschen hygienischen Institute in Prag. Mit 1 Figur. Sehr oft habe ich bei meinen Arbeiten den Mangel eines zuverläs- sigen Apparates empfunden, wenn ich sterile Flüssigkeiten in genau ab- gemessener Quantität zu entnehmen hatte. Das Aufbewahren der Flüssig- keit in Kolben und die Entnahme derselben mit sterilen Pipetten hat den Nachteil, daß erstens eine größere Zahl derselben vorhanden sein muß und ferner daß sehr leicht eine Infektion stattfinden kann. Beson- ders empfindet man diesen Mangel, wenn man durch längere Zeit mit einer Flüssigkeit arbeiten muß, die sich nicht direkt (z. B. im Dampf) sterilisieren läßt. Eine von mir konstruierte Bürette hat sich nun für diese Zwecke bereits seit längerer Zeit in unserem Laboratorium gut bewährt. Sie besteht (siehe Zeichnung) aus einem Erlenmeyer-Kolben A, auf welchen der Helm C aufgeschliffen ist. Der Helm hat 2 Oeffnungen, eine für ein seitliches Rohr R, welche, einen Wattepfropf z tragend, direkt Ka & a A S°9 : m Ss & or DS ST Far ET Pe | je} De B> j S _ \ Ss z Stanislaus Epstein, Abfüllbürette für sterile Flüssigkeiten. mit der Außenluft kommuniziert, und eine zweite, durch welche die Röhre D in den Helm © ein- seschmolzen ist. Die Röhre D ist gebogen und trägt eine Bü- rette 5, welche durch den Glas- stab X bei N ventilartig ver- schließbar ist. Auf den unteren Teil der Bürette ist der abnehm- bare Infektionsschützer M auf- geschliffen. Bei E trägt die Bü- rette 5 einen Wattepfropf. Bei der Benützung wird der Apparat mit oder ohne Flüssigkeit sterili- siert. Durch Blasen bei der Röhre R wird die sterile Flüssig- keit aus dem Kolben A in die Bürette 5 getrieben und kann durch Heben oder Drehen des Glasstabes X in beliebiger Menge aus derselben entleert werden. Nach dem Gebrauche wird der Helm M wieder an die mit Va- seline leicht gefettete Bürette angedrückt. Der Helm M hat bei O ein ganz winziges Löch- lein; dasselbe hat den Zweck, den beim Ansetzen des Helmes ev. ent- stehenden Ueberdruck auszugleichen. des Helmes M mit einer Spur von Formaldehyd zu benetzen. Es ist auch angezeigt das Innere Der Apparat wird von Dr. Peters und Rost, Berlin, hergestellt. Inhalt. Originalmitteilungen. Barannikow, Johannes, Zur Kenntnis der säurefesten Mikroben. Was für ein Mikrobium ist der sogenannte Smegma- bacillus?, p. 282. Epstein, Stanislaus, Abfüllbürette für sterile Flüssigkeiten, p. 335. Grimm, Max, Vergleichende Untersuch- ungen über den Bacillus Danysz und über einen neuen für Ratten pathogenen Mikroben, p. 286. Lühe, M., Revision meines Bothriocepha- | lidensystemes, p. 318. Moeller, A., Der Smegmabacillus, p. 278. Tashiro, Y., Uebertragungsversuche von Lepra auf Tiere, p. 276. Ucke, A., Zur Verbreitung der Amöben- enteritis, p. 317. Vaerst, Karl, Immunisierung gegen Milz- brand mit Pyocyanase und Kombinationen derselben, p. 393. ' Vincenzi, Livio, Zur Aetiologie des Keuch- hustens, p. 273. ' Zschokke, F., Hymenolepis (Drepanido- taenia) lanceolata Bloch als Schmarotzer im Menschen, p. 331. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. O0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXIT. Band. —- Jena, den 26. März 1902. —- No. 8. Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Originai-Mitteilungen. Nachdruck verboten. Les manifestations de la sepsis dans la psoriasis. [R. Clinique Dermosyphilopatique de l’Universit6 de Rome (dirigde par le Professeur R. Campana).] Notes du Dr. Leopold Baruchello, Aide honoraire. Dans une £&tude!) publi6ee en 1896, nous avons fait remarquer, que la psoriasis peut se compliquer tres facilement avec une infection septique. Alors, en se modifiant le tableau clinique et le relev@& microscopique de la maladie, elle devient souvent tr&s grave, et elle peut quelquefois prendre une allure desesperde, jusqu’avoir cette variete grave de pso- riasis, qui constitue le plus grand contingent de la ainsi dite dermatite desquamative maligne. 1 Baruchello, L., La fase desquamativa maligna della psoriasi. (Clinica dermo - sifilopatica della R. Universitä di Roma. 1896.) Erste Abt. XXXI. Bd. i ID DB. J 338 Leopold Baruchello, L’&preuve de ce que nous venons affırmer, nous vient des recher- ches bacteriologiques que nous avons faites. Nous avons vu que, dans nulle autre infermit& cutande; peut on trouver une aussi grande abon- dance de schizomycetes, et des plus actifs, de la suppuration, que dans ces formes de psoriasis melde ä sepsis. L’examen microscopique de la peau des malades, nous revelait non seulement la pr&sence d’innombrables mierocoques dans les couches £pi- dermiques, mais aussi la formation de foyers suppuratifs, dans le corps muqueux de Malpighi. Ainsi m&äme les r6sultats de la cure adoptee, nous persuadaient, que la peau de ces malades n'est pas susceptible d’un traitement regu- lier de la psoriasis, faie avec des moyens irritants, tels que les prepara- tions de goudron et la chrysarobine; en m@me temps, si la manifestation erithemateuse et desquamative est vaincue, le mal en est tronque; et l’on voit sur les parties gueries, sejourner et renaitre des papules pso- riasiques, pour lesquelles l’usage de la chrysarobine n’est contraindiquee. Nous avons etudi& toutes ces choses, d’apres les recherches que nous allons r&capituler. Recherches bact£eriologiques. Nous nous sommes arretes et nous avons &tudi& particulierement un cas typique de dermatite desquamative, qui compliquait la psoriasis maligne. Nous avons effectu& plusieurs cultures, afın de determiner la nature des microorganismes, que les observations microscopiques avaient montr6&s si nombreux, sur la peau du malade. On faisait, avec toutes les pr&cautions de la technique bact£eriologi- que, des cultures en agar, en bouillon et gelatine, avec des deflorations epidermiques, effleur6es de la surface cutande de l’infirme. Les cultures, conservees au thermostate, &taient examindes dans les trois jours successifs, a la m&me heure, en faisant compte du developpe- ment progressif des colonies. La classification des microorganismes n’etait pas seulement faite selon l’aspect presente par les colonies, mais en contrölant, avec l’examen microscopique et avec plusieurs methodes de coloration, avec la goutte penchante etc., la morphologie des micro- organismes et leur disposition; en les transportant et en les isolant dans d’autres terrains de culture, et en completant les recherches avec linoculation dans les animaux. Pour voir si les microorganismes, qui vivaient sur le traits de la peau malade de l’infirme, etaient de la möme nature de ceux qui existai- ent sur les traits sains du möme individu, on faisait des etudes de com- paraison, en prenant le material sur les parties diverses de la surface cutandee. Nous avons aussi fait des observations bacteriologiques de comparaison, entre la peau de malades de dermatite desquamative et celle des malades recouvr&s dans la clinique, souffrants d’autres maladies. Une chose nous a frapp@ toujours, dans nos recherches: c’est-&-dire la quantite€ enorme et l’absolue pr&dominance des colonies destaphylo- coque pyogene dor6, dans les cultures effectuees avec des 6cailles epidermiques prises sur des malades de dermatite desquamative. L’on obtenait souvent ce microorganisme en culture pure. Dans les cultures de comparaison, entre les traits de la peau saine et ceux de celle malade de dermatite sur le m&me individu, nous avons eu le staphylocogque pyoge&ene dor& en plus grande quantit@ sur celles faites avec des TE ZERDEN Les manifestations de la sepsis dans la psoriasis. 339 materiaux de la peau malade, tandis que sur la peau saine l’on en aperce- vait seulement des traces; le nombre des colonies de staphylocoque dor& augmentait progressivement, ä mesure que les jours passaient du dernier bain au sublim&e; sur la peau des infirmes d’autres maladies, l’on n’a pas trouve& le staphylocoque dor&, et m&me les colonies de staphylocoque blanc s’y trouvaient en petite quantite. Observations histologiques. Nous avons öte deux petits morceaux de peau du bras gauche de linfirme; conserves pour un mois environ dans le liquide de Müller, nous les avons enduris ensuite dans l’alcool absolu, et puis renferm&s dans la paraffıne, et section nes avec le microtome, et les parties nous les avons color&es, en des manieres diverentes. Avec l’examen micro- scopique, effectu& avec l’agrandissement grand et petit, nous avons re- marqu& les particularit&s suivantes: Nous n’avons apercu que des restes du trait corn@ par ci par lä, sur les parties ou la maladie a moins progredi formös par des restes cornees, compos&s par des &l&ments cellulaires pavimenteuses irreguliers, prives de noyau. Le stratum lucidum est aussi en grande partie altere; ou il subsiste il pr@sente les cellules difforme6es, et constitue, avec les restes des couches corn&es, les Ecailles superficielles semi-adherentes au reste de l’epiderme. La couche granuleuse a presque completement disparue; l’on en apercoit des rares empreintes en correspondance des enfoncements folli- euleux, oü l’on voit aussi des globes de eleidine. Couche muqueuse. Les intervalles Eepidermiques interpapillaires sont beaucoup alonges, et d’ordinaire plus 6troits que commun&ment; il ne s’abaissent pas en s’affinant de la base ä& l’extremite; au contraire le plus souvent ils finissent avec un rigonflement, fait ä& massue, ou ä& spatule, ou en se bifurquant. Dans les traits divers et pr&eceisement vers la couche granuleuse, les cellules polygonales cilices de la couche de Malpighi sont si evi- dentes et prononcees avec leurs appendices, jusqu’ä paraitre presque agrandies; souvent elles sont desunies entre elles et presentent un grand noyau bien color&, tandis que le protoplasme est souvent fort peu colorable, & cause de la necrosis de coagulation qui commence. Le protoplasme de plusieurs de ces @l&ments est un peu granuleux. Parmi ‚ces elements, quelques uns ont des granules tres fins, colores (pigmente) plus abondants que sur une öpiderme normale; quelques &lements ont autour du noyau, une section semilunaire plus £claire qui ressemble un hydrope au partour du noyau. Plusieurs granules uniformes, petits, et colores ä& jaune noirci, existent au milieu des appendices cill&es. Dans les espaces plasmatiques €pidermiques interciliaires, l’on voit des cellules de migration, et aussi quelque corpuscule rouge, des detrites et des parasites. Sur quelque parties superficielles l’on remarque des leucocytes amass‘es de maniere a former des petits abe®s. Derme. Couche papillaire. Les papilles sont plutöt larges et longues. On ne peut pas suivre les capillaires, en g@nerale un peu ectasices, jusqu’au bout de la papille; on y voit tres-souvent des petits h&morrhagies. IK 23 340 Leopold Baruchello, La papille est envahie par des infiltrations de cellules semblables aux leucocytes, les traits Iymphatiques perivasals sont abondamment parsemös de ces cellules, de globules rouges et de granules hematiques, qui rappellent quelquefois, par leur disposition, la forme d’une, ou de plusieurs lacunes Iymphatiques. De ces granules hematiques l’on en voit plusieurs rassembles en groupes, qui se presentent comme des amas de forme plus ou moins ovale, quelquefois en forme plus alongee, comme s’ils suivissent le cour d’un petit canal. De ces amas l’on en voit aussi au milieu de la papille et dans la p£@riph£rie. Quelquefois on voit des globules rouges, disposes en series, con- tenues dans les lacunes Iymphatiques; quelquefois, on voit aussi des globules rouges brises tres-finement, et les lacunes lymphatiques voisines remplies de granules h@matiques, qui se pr&sentent inegaux et disposes comme s’ils tapissaient les parois de la lacune, adhöerents aux cellules fixes; par consöquence l’ensemble des granules a une apparence canni- culaire. Le derma re6ticulaire est compacte et £paissi. L’infiltration des leucocytes perivasals est assez considerable, mais pas aussi fort que dans les papilles: il y a des leucocytes röpandus dans le reste du derma. Les glom£rules sudoripheres sont conserves en grande quantite. Autour des tubes de ces glomerules, on remarque quelquefois une petite infiltration de leucocytes, plutöt polypodes, semblables aux cellules chromatophores; plusieurs cellules granuleuses et quelque corpuscule de Russell. Ces corpuscules granuleuses sont r&unis deux ä deux, ou trois & trois, dans une petite lacune, qui l’on rencontre le long d’une fibre conectivale; ils sont globuliformes, avec des bordes bien preecis et distinet, de couleur uniforme, et pas tous de la mäme grossesse; ils sont r&unis en groupes, et adosses l’un & l’autre. Squames. Parmi les squames tombe&es l’on en a recueilli quelques unes Epaisses, et on les a mises ensuit dans l’alcool. Lorsque l’on volüt les etudier, on les fit passer dans l’alcool absolu, et ensuite on les enferma dans la paraffıne; on les sections, et les sections furent colordes avec de plusieurs m£öthodes. Les sections, ä l’examen microscopique, se presentaient comme des traits d’epiderme presque complets; c’est-ä-dire des series de cellules epidermiques pavimenteuses, plus ou moins alter6ees, et disposees en ses lignes transversales ondul&es. En &tudiant bien cette disposition, l’on voit que le lignes s’el&vent, dans la partie qui correspondait, ä la papille du derme, tandis qu’elles s’abaissent dans la partie qui correspondait aux intervalles des prolongements papillaires, et ä la base des poils; en dessinant ainsi des $ ä rebours, et en formant sur les papilles, des vrais coupoles, profondes, comme si les papilles du derme avaient laisse sur la squame leur empreinte, & la facon d’un doigt grav& dans la päte. Mais plus que des nombreuses stratifications des &löments corn£&oides, qui apparissent tout de suite, nous observons aussi dans la squame d’autres &el&ments cellulaires pas encore arrives au stade de corn&ification, et l’on peut y voir de larges groupes de cellules nucl&es, qui s’entre- coupent avec des faisceaux de cellules pavimenteuses, alter&es et prives de noyau. Lä oü le proces de corn£ification s’est effectu& avec une certaine regularite, l’on peut fort bien observer le passage graduel des cellules muqueuses en cellules corn&es. Les manifestations de la sepsis dans la psoriasis. 341 Dans les vides correspondants aux papilles du derme, l’on remarque des amas de globules blancs et de globules rouges. Nous trouvons aussi de tels recueils avec des abondants granules hömatiques et de leucocytes dans la stratification de la squame. Au milieu des couches des cellules l’on observe quelquefois des amas albuminoides transparents; sur la surface externe des squames souvent l’on voit des amas de de- strites, avec une abondante quantite de noyaux fragmentes de leucocytes, qui se presentent comme des amas de granules, qui se colorent vivement. En correspondance des follicules pileux les faisceaux des cellules s’abaissent verticalement vers la base du poil, autour duquel s’est form@ un vide, comme une capsule dans l’Epaisseur de la squame, c’est pour cela que le poil est retenu dans le niche, qui s’est form& graduelle- ment; et il est plus mince que dans les conditions normales. En con- tinuant ä observer les parties ou il y a des poils, l’on remarque que ceux-ci sont la plus part atrophi6ess. Quelques uns ont perdu leur forme reguliere et ils sont fragmentes; de quelqu’uns, on n’en voit qu une trace dans un amas epidermique pigmente, qui rappelle la direction d’un poil, des autres ne sont que des petits blocs de matiere pigmentee dans un trait vide, qui rappellent l’&space entre la gaine et le poil. Dans quelques parties, ces gaines avec le poil se presentent remarquablement transform&es. En sectionnant une squame dans la direction oppos6e ä celle aux inflections corn@oides, et ayant examine les sections colorees au micro- scope, l’on voit des traits arondis, vivement colores, avec des bords polyeycliques beaucoup moins colores: dans la partie centrale l’on voit des cellules & noyau, tandis, que la partie peripherique, moins coloree, est constitu&e par des el&öments cornäoides. Les stratifications des e&l6- ments corn&oides se trouvent, avec des lignes plus ou moins ondul6es, autour des Espaces qui resultent par l’empreinte des papilles. Ces coupoles se pr@sentent, dans les divers prepares, sectionnees ä des hauteurs diverses, par cons@quent elles sont quelquefois coup6es & moitie et elles presentent une petite ouverture; quelquefois la voüte reste entiere et alors on voit bien mieux les cellules pas encore corne£ifiees, a un variable d&veloppement et conservation. En examinant les sections des squames avec un plus fort agran- dissement, pour rechercher les microorganismes, la quantit@ des micro- coques que l’on observe, est änorme. Les microcoques sont dispos6es en groupes irreguliers entre les couches des cellules &pidermiques et souvent leur developpement est si remarquable, qu’ils constituent des gros amas, qui s’etendent sur presque tout le camp du microscope; ils paraissent comme un tissu forme par des microcoques. Nous n’avons jamais pu voir dans ces prepares d’autres formes parasitaires, que des mierocoques. Jugements conjectur6s par les r@sultes th@rapeuti- ques. Une &preuve süre que les nombreux germes pyog£enes avaient donne, avec leur seule presence, des alterations qui aggravaient la Psoriasis preexistante, on l’eut de la cure. On vit linfirme ameliorer de jour en jour, avec des bains au sublim6, et s’arröter immediatement Famelioration et les conditions se faire pires, lorsque l’on suspendait pour quelque temps les bains antiseptiques. Dans cette maniere on eut, dans un temps relativement petit, la guörison de la dermatite desqua- mative maligne, tandis que la psoriasis commune, de laquelle la der- 342 | Leopold Baruchello, — matite en ötait une phase reste encore, due ä un proc&s infectif septique secondaire. | L’ouvrage que nous avons resume et qui a ete publie en le 18396, avait une certaine importance, pour les raisons suivantes: | Nous avons affırme, avec des &preuves tres-concluantes, quer la dermatite desquamative maligne, &tant une variet& de la psoriasis, pouvait &tre causde par une condition purement locale, c’est-ä-dire par la pre- sence d’une grande quantite de microorganismes pyogenes sur la peau des infirmes, et par l’action violente de leurs proteines; ce qui rendait. possible la cure d’une maladie inguerissable jusqu’iei; precisement en effectuant avant tout la cure de l’infection septique, et ensuite celle de la psoriasis. Nous avons fait observer pour la premiere fois que dans ces formes on avait des proces suppuratifs, des infiltrations remarquables dans la couche de Malpighi; de maniere qu'ils constituaient dans les parties. les plus superficielles de la couche r6ticulaire, de vrais petits abces, qui l’on rencontrait abondamment dans les squames @pidermiques qui venaient @liminees. Pour la premiere fois l’on & etudie, en les sectionnant et colorant, les squames qui se produisent dans la dermatite desquamative maligne, pour rendre &vidents ces petits abces, et les microorganismes qui les causaient. Plus tard lorsque l’occasion nous s’est presentee, nous avons encore etudi& cet argument, et nous presentons les observations que nous avons faites, particulierement sur un autre infirme. Histoire clinique. Etienne Pianelli, äge de 61 ans, entra dans la clinique le 10 jan vier 1900, atteint par la psoriasis avec des l&gers phenomenes de der- matite desquamative, et de psoriasis syphilitique palmaire. I etait celi- bataire: le pere et la mere moururent vieux; il n’avait pas souffert les exanthömes communs & l’enfance; a 9 ans il eüt une inflammation & une glande Iymphatique au cöte droit du cou, ce qui lui laissa une cicatrice visible pr&esentement. De 21 ans, il tomba malade de fievre‘ malarique, de laquelle il guerit dans quelques mois. Il raconta qu’en 1883 il eut & l’abdomen une €Eruption qui se diffondit ensuite lentement jusqu’au cou et au visage; cette Eruption, opportunement cure, disparut pour reparaitre ensuite en 1887 plus accentu6e, de maniere quil & dü se presenter & l’höpital, ou il resta pendant 40 jours environ; il sortit am&liore mais pas gueri. Ensuite, &tant toujours atteint par cette Eruption, il fut renferme dans un autre höpital pendant 7 mois, mais, ne trouvant pas d’ame&lioration, il se’ decida ä se rendre dans cette clinique. | | Etat actuel. Si l’on regarde la surface cutanee, on observe une eruption maculo papulo-squameuse, repandue sur presque‘ tout le corps, mais plus manifeste dans les regions posterieures du corps, sur le dos, dans les regions lombaires, sacrales, dans les coudes et dans les autres cöt6&s olı les os sont plus superficiels et la confrication plus forte. Les papules, diverses de forme et de grossesse, varients de la Les manifestations de la sepsis dans la psoriasis. 343 grosseur d’un pois chiche ä celle du paume de la main, avec des bords releves color&es en rouge, avec un moindre confluent dans le euir chevelu, dans les regions palmaires et plantaires. Dans quelques points l’on n’observe pas des papules, mais des rougissements &panches, avec un leger &paississement et avec de la desquamation. Les squames de couleur blanche claire, de formes (i- verses, sont facilement detachables et m&me elles tombent spontandement en quantite, et particulierement des parties posterieures, ol l’on se trouvent amassees en plusieurs couches. Dans les traits de la peau denudee des squames, l’on observe un rougissement, qui disparäit avec la pression, ce qui ne cause pas de la douleur & linfirme. Dans les mains elles sont considerablement dures et les mouvements de comple6te flection ou de complete extension, sont obstaculös. Les squames des regions palmaires et plaintaires pr&sentent des particularit6s dignes d’etre re- marque6es, specialement dans les mains: elles sont sur des papules arron- dies, peu relevees, mais bien definies paı les parties circonvoisines; elles presentent tout a l’entour une ceinture rouge-fauve: quelques-unes ont la forme s&milunaire, et sont plutöt dures et tr&s adherentes; aux genoux et aux coudes l’on observe des squames adossees les unes aux autres. Les taches ne sont pas limitees, et elles sont d’une couleur rouge vive, ou rouge foncee. On trouve l’eruption dans presque tout le corps et dans quelques sections en des espaces tres etendues, neammoins de temps en temps on voit des portions de peau presque normale. Sur le visage les papules ne sont pas nombreuses; sur le front l’on en trouve beaucoups qui confluissent et qui s’accentuent particuliere- ment en correspondance de sourceils. Dans la region anterieure du cou l’on trouve des morceaux de peau saine; le long des muscles sterno- mastoidiens l’on trouve des papules qui constituent des petits groupes. Dans les arts superieurs, les squames sont abondants; l’on voit aussi des zones de papules et des &paississements papuloides sur la partie externe; la peau n’est presque pas alter&e dans les cötes internes. Dans la region moyenne superieure ou thorax l’Eruption est peu remar- quable et elle s’accentue dans la region des mamelles et dans les re6- gions laterals du thorax; l’abdomen, au dessous de l’apophysis ensiforme partieulierement, dans la r@gion hypogastre, est couvert par de squames et par les autres alterations. Dans la partie interne des cuisses les papules sont bien peux; elles s’unissent en des petits groupes, dans la partie anterieure superieure de la cuisse. On se manifeste aussi des desquamations dans la region tibiale, dans les r@gions malleolaires et posterieurs du talon. La peu de l’aste, mince et flasque, presente diverses £caillettes et papules. Sur le dos, dans les regions lombaires et sacrales, comme nous avons dit, l’on ä le maximum de l’&ruption, avec des squames larges, qui laissent, en tombant, des rougissements epanch6s, avec Jes lögers Epaississements. Appendices cutan&es. Les cheveux sont obscurs grisätres, et ils se detachent difficilements. Dans les regions puberes et genitales les poils sont rares. Les ongles sont £&paisses et enduries. Les dents presque toutes sont tombees et les peux qui en restent, sont laides d’aspect, et les ineisives sont brisdes. L’infirme, qui entrant, dans la clinique, ne presentait d’autres ph6- nomenes, hors d’une simple psoriasis, commenca, sans un fondement 344 Leopold Baruchello, appreciable, & s’aggraver, de maniere qu’apres deux semaines, se de- velopperent les alterations suivantes: Presque toute la peau est rougie, et surtout au tronc et dans les cotes d’estention extenseurs des quatre arts; elle est plutöt tumeöfiee et dure, particulierement au dos et aux fesses. Elle est voil&e par une abondante desquamation avec des larges £cailles supposees, qui tombent assez facilement, surtout du dos, oü elles sont tres nombreuses, et reunies en plusieurs couches, dont les plus profondes sont les plus humides, par l’exsudation tres modique semblable au pus. La peau decouverte par l’exportation des squames, est humide, luisante, turgide et depourvue d’une grande partie des couches &pider- miques, desquelles l’on voit pourtant conserv6es les zones interpapillaires. La ou l’on en voit conserv&ee une plus grande quantite, l’on observe aussi des signes resciculeux miliaires, ä peine releves, sous lesquels il y a des amas microscopiques semblables au pus, tres resemblables & ceux que nous allons decrire, dans les squames, au microscope. Par-ci par-la il y a des detachements &pidermiques lineaires tor- tueux, qui sont, dans quelques endroits, r&unis, en forme de circle. Pas de fievre. Une perte tres abondante et continude de larges squames en forme de feuilles. Cet Etat &tant survenu, et il persistant, il fut par le prof. Campana indigu& comme une phase desquamative maligne de la psoriasis, et ainsi on commenca la cure, et les etudes que nous allons resumer. Examen histologique des squames. On a öt& de la peau de l’infirme ‚quelques squames, de 4& 5 centi- metre de diametre, ou moins, et de l’&paisseur de presque 4 millimötres. Ces squames on les a mises premiörement dans l’alcool ordinaire, en suite dans l’alcool absolu et puis on les a enferm6es dans la paraffıne; on les a sectionnee et on a colorees les sections avec plusieurs methodes de coloration. A l’examen microscopique, l’on observe qu’elles sont prineipalement constituees par des lamelles corn6des, disposdes en couches, avec une certaine regularite, de maniere & former comme des faisceaux en direction longitudinale, qui ont quelquefois une disposition rectiligne, et quelque- fois une disposition plus ou moins ondul&e. Dans les couches införieures de la squame de temps en temps, l’on observe des endroits, ou il y a des cellules pas completement k£ratinisees, qui conservent leur nuclee. Entre les couches cornödes, on observe des amas de leucocytes. Il ne s’agit pas toujours de petits amas de leucocytes, mais plus souvent de grands amas qui constituent des vrais abces. Il semble quelquefois, que les lamelles corn&ees avec leur direction, constituent une carcasse dont les espaces laisses libres, sont remplis de nombreux leucocytes. Dans quelques parties la squame semble forme&e, par rapport au volume, plus par des amas de leucocytes que par des el&ments £pith&liales. Aussi dans le premier ouvrage, nous avions remarque l’enorme quantit& de leucocytes existants parmi les couches cornees des squames de dermatite desquamative maligne. Mais nous n’avons pas insiste beaucoup sur cela, par-ce qu'il semblait une chose naturelle, et ‚qu il n’avait pas besoin d’une grande demonstration, pour expliquer qu’on y devait trouver de proces suppuratifs. Alors nous n’avions pas pense Ai en» Bi ad Zu EEE — ı ZU Don EEE BEER ae oe“ el in u 0 ae Je a Les manifestations de la sepsis dans la psoriasis. 345 qu’un tel fait aurait &te, par quelques auteurs recents, retenu comme Vessential de la psoriasis. Il nous interessait prineipalement de recher- cher le motif de l’abondante suppuration, que nous avons trouv6 dans les prepares. Recherches bact&@riologiques. Dans ces recherches, nous avons eu le but d’etablir la quantite des miceroorganismes pyogenes qui se trouvaient sur la peau de l’infirme, en rapport aux conditions de celle-ci, dans les diverses p£eriodes de la maladie. Jusqu’au 28 Janvier, linfirme fut cur& avec des frietions d’huile de foi de morue, sterilise ä la chaleur; avec des injections de sublim& cor- rosif, et avec le jodure de potassium, en augment graduel, jusqu’ä 12 grammes. Le 28 Janvier on fit & lui un bain de proprete. La ten- dance & la desquamation est dejä remarquablement diminuede, aussi la turgesence et la sepsis. Dans le 29 Janvier, on effectue les cultures du material cutane pris de l'infirme, avec la m&thode habituelle; que nous avons deja adopte pour les recherches de ce geure. Dans une capsule de porcelaine, l’on a sterilise & la chaleur de l’eau destillee et on a plongee dans l’eau une petite piece de lin. Avec cette piece, l’on a frott@ fortement la partie de la peau que l’on voulait examiner, afın de la ramollir et d’exporter les cellules £pi- dermiques plus superficielles. Avec une cuillere, on a räcl& sur la peau frotte, ensuite, avec une aigulle de platine, on a ramasse dans la cuil- lere, une petite portion de la matiere que l’on entait sur des terrains de eultures prepares. Les cultures 6&taient examindes dans les jours successifs, en tenant compte de la morphologie des colonies, qui venaient en suite isolees et transportees sur d’autres terrains; de la morphologie des microorganismes et de leur disposition etc. Notre intention, dans ces recherches, a &t& celle d’examiner bac- teriologiquement la peau de l’infirme, pour faire la comparaison, dans les trois periodes divers de la maladie; c’est-ä-dire le 29 Janvier, lorsque la dermatite desquamative maligne &tait encore forte; le 15 Fevrier, lorsque la dermatite milioree allait se r&soudre; et le 2 Mars, lorsqu’elle etait presque gue6rie. Resultats des cultures pratiqu&es le 29 Janvier. Regions oü l’on a | No. | pris la matiere des Examen fait le 2 Janvier ä cultiver tubes Tempe droite 1 Staph. pyog. aur. colonies 2; St. pyog. albus 6 Oreille droite 1 $ ir „Be Cou 1 % x „ beaucoup de colonies; St. pyog. albus 1 Avambras gauche 1 # Hi „ eolonies 12; St. pyog. albus 6 Bras droit 1 » 2 „ beaucoup de colonies 2 a r „ beaucoup de colonies; St. pyog. albus 3 S, pr 2 „ 15; St. pyog. albus 2 Cuisse gauche 1 au A „. 12; St. pyog. albus 6 2 ’ I) Bi) 16 3 5 2 „ 14; St. pyog. albus 1 Jambe gauche 1 R n „ 13; St. pyog. albus 1 2 „ „ 2] 10 3 R „ „ 15; St. pyog. albus 2 Abdomen 1 z 5 „ beaucoup de colonies; St. pyog. albus 5 2 ) „ FE) 16 3 14 346 Leopold Baruchello, Resultats des cultures pratique&es le 15 Fevrier!). Regions oü l’on a | No. pris la matiere ä des Examen fait le 19 Fevrier cultiver tubes | Avantbras gauche 1 | Staphylocoque pyogene blanc colonies DD id. dore 6 2 „ „ „ „ Thorax 1 3 s „ 10; id. dor& 4 colonies 2 24 2 „. 225 1d.pdorsrt Dos 1 rs 4 „ eolonies 9; id. dore 1 2 “ r „ 12; dor&@ 3 colonies Abdomen 1 = r „15: or 2 5 er „... 13; dore3 Cuisse gauche 1 r ” „16 colonies; dor& 2 2 “ es + As Jambe gauche ! 5 % „ nombreuses colonies; id. dor& | colonies 6 Re Ro ei „12; dor& 3 colonies Re&esultats des cultures pratiqu&es le 2 Mars?). Regions oü l’on a | No. pris la matiere & des Examen fait le 6 Mars cultiver tubes Bras gauche 5 Staphylocoque pyogene blanc 3 colonies ” ” „ „ Thorax 1 * N nn ’e 2 » » 52. 140 | Dos 1 ” ” ” 3 ”„ | 2 ” ” ” 3 ” Abdomen 1 R ? a: a. | 2 2 „ 1a... - Cuisse droite 1 se i I > - 2 „ ” ” 4 >) 3 Jambe droite 1 4 F: SER. : ” > 2 » ” ” 5 ” L’etat de la surface cutande de l’infirme, par @gard & la quantite et & la qualit& des microorganismes pyogenes, &tait done en rapport avec lintensit@ de la dermatite congestive exsudative et desquamative, et nous avons vu s’en aller les germes pyogenes, lorsque la maladie etant pres de la guerison dans la forme exsudative purulente, sur l’in- firme on ne trouvait que les faits desquamatifs de la psoriasis, ce qui est caracteristiques dans la forme ordinaire de la psoriasis. Dans ces derniers temps, quelques auteurs (Munro, Sabouraud, Kopytowski) sans avoir tenu compte de ce que nous avons avant publie, ils ont decrit, non comme produit d’une sepsis sur la psoriasis, mais comme lesion essential de la psoriasis, l’&xistance constante d’bces miliaires. Munro?°) &crit «On peut definir la l&sion histologigue ele- 1) Diaire clinique decette journ&e: «On continue la me@dication occlusive. La dermatite est presque &puisee; il n’ya pas de la formation des squames et les mou- vements articulaires sont plus libres.» 2) Diaire clinique de cette journ&e: «L’ame&lioration s’accentue toujours davantage: la maladie est born&e aux seules superficies humides (aisselle, interne de la cuisse etc.).» 3) Munro, J., Note sur P’histopathologie du psoriasis. (Annal. de dermatol. et syphilographie. 1898. p. 961.) ; Les manifestations de la sepsis dans la psoriasis. 347 mentaire du psoriasis, un abces de la couche cornde &pidermique.» Et d’apres «La psoriasis n’est done pas, comme on l’a dit, le r@sultat d’on ne sait quel vice de formation de l’&piderme corne. Dans la psoriasis, ce vice de la k£ratinisation est un lesion essentiellement secondaire. La lesion primitive du psoriasis est tout simplement constitude par de petits abc&s miliaires de la couche Epidermique. Et c’est autour de ces abe&s preformes que la reaction &pidermique determine l’hyperkera- tose.» Pour un autre de ces auteurs) le tableau de la psoriasis consiste dans un defense Epidermique et dans un d&fense leucocytaire contre des colonies mierobiques assaillantes. «La l&Esion @l&mentaire du psoriasis est une fine €erosion dela couche corn&e, imme&diatement remplie par un immigration de globules blanes, venus ä travers le corps muqueux. Sous la couche corn&e reduite ä& un seul feuillet cellulaire, se forme la collection de cellules migra- trices contenant de vingt & cent leucocytes. Et c’est la toute la lesion. Aussitöt les couches superficielles de l’&piderme r&agissent, comme nous le savons, par une hyperk£ratose intense, et la l&sion entiere avec ses glo- bules blancs est rejetee hors de la peau, et separ6e d’elle par une nouvelle couche cornee aussitöt refaite. Mais audessous de ces couches kera- tosiques neoform6es, le germe inconnu du psoriasis demeure en un point quelconque. Alors en ce point une nouvelle collection leucocytaire se produit sous le squame premiere, provoquant une reaction hyper- keratosique nouvelle. Ainsi le coupe d’une squame &paisse de psoriasis montre dix, vingt abces leucocytaires, reduits aux noyaux desseches des leucocytes, abc&s microscopiques enchässes entre autant de litieres de cellules corn&es renuvel&es. La squame d’une l&sion de psoriasis resume, momifi&ee et conserv&ee par la k£ratose, l’histoire de la l&esion möme qu’elle recouvrait.» Kapytowski?) dit «Habituellement, on voyait, au sein de la couche corn6e, des especes de fente, remplies par des leuco- cytes: parfois il s’y ajoutait des &l&ments alteres du tissu möme, de maniere & former des abc&s minuscules.» Et ensuite: «Les &spaces intercellulaire du corps muqueux montraient des amas de leucocytes plus frequemment m&me que dans la couche corn&ee. Voici comment ce phenom&öne se presente: en de certains points circonscrits, la cellules superficielles du corps muqueux, sus-jacentes ä la couche corn6e, per- dent progressivement leurs contours tranchants, jusqu’ä confluer en une masse homogene, diffuse, peu apte ä se colorer et au milieu de laquelle on percoit de temps en temps quelques cellules isoldes, & noyau con- serve et un grand nombre de leucocytes. Ce sont, ä nötre point de vue, des abc&s, au dessous desquels il existait de petites ecchymoses provenant des vaisseaux papillaires, fortement congestionn6s et distendus. Ajutons que les foyers morbides en question avaient l’aspect de coins ä sommet enclav@ dans le corps muqueux et ä phase constituce par la couche corn&e &pidermique.» Il nous semble qu’en parcourant le chemin design par ces auteurs, on tende ä& falsifier la conception histopathologique de la psoriasis. Il est parfaitement vrai que dans quelques formes de psoriasis, on l) Sabouraud, R., La defense de la peau contre le microbes. (Annal. de der- matol. et syphilographie. 1899. p. 72%. 2) Kapytowski, L., Contribution ä l’anatomie pathologique et du psoriasis. (Annal. de dermat. et syphilographie. 1899. p. 765.) 348 Karl Vaerst, trouve des petits abces, ce que nous avons demontr& des le 1896, mais pas dans touts les cas, et, lorsque ces abces existent, il sont causes par des infections mixtes. Ils etablissent une manifestation exceptionnelle, etrangere ä la histo- pathologie de la psoriasis, parce que des germes se transplantent dans les l&sions psoriasiques et principalement des pyogenes communs, qui avec leur abondance plus ou moins grande, et leur intensit& d’action, reussissent parfois, a modifier le tableau clinique et l’allure de la maladie, jusqu’& produire la dermatite desquamative maligne. Nachdruck verboten. Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase und Kombinationen derselben. Von Dr. med. vet. et phil. Karl Vaerst, Meiningen. (Schluß.) Versuch 1. Ein großes, graues, 2100 g schweres Kaninchen er- hielt am 17. Februar 1900, morgens 9 Uhr, 2 cem obiger Mischung, die bei dem Tiere geringe Aufregung hervorriefen, die aber wohl nur die: Folge von den dem Tiere ungewöhnten Verhältnissen war. Am 19. h. m. 5 ccm; ohne Reaktion vertragen. Am 21. h. m. 4 ccm; Reaktion: Unruhiges Hin- und Herhüpfen. Schon gelegentlich dieser Injektion fiel mir eine Abmagerung an dem Tiere auf. Sonst war es munter und zeigte großen Appetit. Am 23. h. m. erhielt es 5 ccm, die eine deutliche Depression hervor- riefen, die aber nach 30 Minuten gehoben war. An zwei Stellen hatten sich Abscesse gebildet, die gespalten wurden. | Am 26. h. m. wurden dem Tiere 5 ccm injiziert, die wiederum deut- liche Depressionserscheinungen auslösten. Am 28. h. m. erhielt das Tier 6 ccm; heftige Reaktion: Das Tier lag lange Zeit am Boden ausgestreckt, erholte sich aber allmählich wieder. In den folgenden Tagen bildeten sich an verschiedenen Stellen Abscesse, die gespalten wurden. . Trotzdem magerte das Tier sehr ab, so daß an eine weitere Behandlung mit Milzimmunproteidin nicht zu denken war. Am 3. März erhielt das Tier 1 cem einer hochvirulenten Milzbrand- . bouillonaufschwemmung unter die Rückenhaut. Am anderen Tage war Appetit und Befinden unverändert. Am 5. h. m. war das Allgemein- befinden nicht merklich getrübt, doch merkte man, daß nicht mehr so viel Nahrung wie früher aufgenommen wurde. Am nächsten Tage trat eine wesentliche Verschlechterung ein: Das Tier saß still in einer Ecke, Appetit vollkommen geschwunden. In der Nacht vom 5. zum 6. März verendete das Tier. An der Impfstelle kleines Oedem, in dem Bacillen nachzuweisen waren. Im Blut und in den Organen zahlreiche Milzbrand- baeillen, die auf Agar ein gutes Wachstum zeigten. (Siehe Tabelle VI.) Kontrollversuch: Ein großes, schwarzes, 2030 g schweres Kaninchen erhielt dieselbe Dosis Milzbrand zu gleicher Zeit wie das. zugehörige Versuchstier; es starb am 5. März nachmittags gegen 3 Uhr an Milzbrand. ll 4 ae 1 Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 349 Versuch 2. Einem sehr großen, grauen, 2450 g schweren Kaninchen wurden zu gleicher Zeit wie dem Versuchstier im 1. Versuch und ebenso ‚gleichhohe Dosen injiziert. Da im wesentlichen die Wirkungen bei beiden die gleichen sind, so möchte ich mir eine längere Ausführung der einzelnen Momente ersparen. Nur möchte ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, ‘daß in diesem Versuch das schutzgeimpfte Kaninchen das Kontrell- kaninchen (sehr großes, gelbes, 2300 g schwer) um 2 Tage überlebte, ‚so daß man den Eindruck gewinnt, als ob hier die Pyocyanase der aus- schlaggebende Faktor wäre. (Siehe Tabelle VI.) Versuch 3. Auch bezüglich dieses Versuches gilt das soeben Gesagte, jedoch mit Einschränkung des letzten Satzes, da das dort Angeführte auf dieses Versuchstier keine Anwendung finden darf. Ver- wendet wurde in diesem Versuch als Versuchskaninchen ein großes, 'graues, 2400 g schweres und als Kontrollkaninchen ein großes, weißes, 2180 g schweres. Ersteres überlebte letzteres um ungefähr 10 Stunden, ‘was wohl nicht als auffälliger Unterschied gelten kann (s. Tab. V]). Diese Versuche zeigen ohne weiteres, daß es mit dem von mir her- gestellten sogenannten „Milzimmunproteidin“ nicht möglich ist, mit Mengen, wie die in obigen Versuchen verbrauchten, Kaninchen gegen Milzbrand zu immunisieren. Dagegen kann nicht geleugnet werden, daß der letale Ausgang in Versuch 2 um einige Tage verzögert wurde, eine Thatsache, deren Ursache doch wohl in der Pyocyanase zu suchen ist. Tabelle VI. Von Milz- | Injiziert wurden subkutan von Milz- brand- Stirbt an immunproteidin am bouillonauf- Milzbrand Kaninchen schwemmung | a Be 17. 11.|19. 11.21. 11.23. 11.26. 11.28. II.) Injlziert am | ; | 9 | | 6. ® rs > Tr wann Tagen -Nr. 1, grau, |2 ss ccm |4 se? ccm |5 er ccm l ecm In der ZUR 2100 g Nacht vom j 5. zum 6. März Nr. 2, grau, | dito | dito | dito | dito | dito | dito dito Am 41), 2450 g 7. März abends Nr. 3, grau, | dito | dito | dito | dito | dito | dito dito Am ER 2400 g 6. März morgens Kontrolltier | — — | _ = _ — >.-ELL. Am 2% | l ccm 5. März nachm. 4) Immunisierungsversuche mit der dem Glase entnom- menen Pyocyanasemilzbrandaufschwemmung (Pyocyanase- lösung und abgetöteter Milzbrand). Im Folgenden habe ich mir die Aufgabe gestellt, zu erruieren, ob es möglich ist, mit der dem Glase entnommenen Pyocyanasemilzbrandauf- schwemmung Kaninchen gegen Milzbrand zu immunisieren. Er galt zunächst, soviel Kulturen von Milzbrand herzustellen, daß, nachdem sie mit der nötigen Menge Pyocyanaselösung übergossen und ‚die Milzbrandbakterien aufgelöst waren, genügend Material an Pyocyanase- 350 Karl Vaerst, milzbrandaufschwemmung vorhanden war, um 6 Kaninchen genügend lange damit immunisieren zu können. Zu diesem Behufe wurde folgendes Verfahren eingeschlagen: Große, flache Flaschen (ca. 20 cm hoch, ca. 12 cm breit und ca. 5 cm tief) wurden mit Agarnährboden beschickt, mit Milzbrand infiziert und 3 Tage dem Brutraum übergeben, so daß sich in dieser Zeit der Milzbrand über die ganze Fläche des Nährbodens entwickelt hatte. Jetzt wurden diese Kulturen mit Pyocyanaselösung übergossen und mit Watte verschlossen. Da diese Kulturen ungefähr 7 Wochen im Brutraum aufbewahrt werden sollten, während dieser Zeit aber eine Austrocknung unvermeidlich gewesen wäre, so wurden die Flaschen mit Miquel’scher Mischung verschlossen und während der Osterferien in den Brutraum gebracht. Die nach dieser Zeit angestellten mikroskopischen und kulturellen Untersuchungen des Flascheninhaltes ergaben, daß weder Pyoc yaneus- noch Milzbrandbacillen mehr vorhanden waren. Um ganz sicher zu sein, daß von dem Flascheninhalte her den in Aussicht genommenen Versuchstieren keine Gefahr drohe, wurden einem 2300 g schweren Kaninchen 4 ccm der Flüssigkeit unter die Rückenhaut gespritzt, was nicht den geringsten Einfluß auf das Wohlbefinden des Tieres ausübte. Als Versuchstiere dienten 6 gut genährte Kaninchen. Versuch 1. Großes, graues, 2050 g schweres Kaninchen erhielt am 9. Mai 1900, morgens 9 Uhr, 1 cem obiger Flüssigkeit, die reaktionslos vertragen wurde. Am 11. h. m. 2 ccm; ohne Reaktion vertragen ”) 14. ” b>) 2,9 ” BD] ” po) ” 1 6. ” bo] B) ‚Ö „ ” ” ” „ 18. PD) ” 5) „> ” ER RER ‚0 5 gering oradige ga Bis zum Abend verweigerte das Tier das Futter; am anderen Tage war das Allgemeinbefinden gut. Am 23.h. m. wurden 4,5 ccm injiziert; Reaktion wie am 21. h.m:% das Tier erholte sich bald wieder. Am 25. h. m. wurden 5 cem verabfolgt, worauf dieselben deutlichen Depressionserscheinungen eintraten, die von den früheren Versuchen her zur Genüge bekannt sind. Da Gefahr vorlag, daß bei Injektion einer noch höheren Dosis das Tier verenden würde, so wurde diese Dosis nicht üherschritten. Am 28. h. m. 4 ccm; geringgradige Depression 12] „0. „ » 45 5, „ „ un. 1,0, %%, A Dee... Meme-Reskiion )) q N 3,9 D) a ne: 2 geringe oradige Depression Re „: ietarke & Am 15. Juni, morgens 9 Uhr, wurde dem Tiere von einer hoch- virulenten Milzbrandbouillonaufschwemmung l cem unter die Rückenhaut injiziert. Im Verlaufe dieses Tages war nichts Besonderes an dem Tiere wahrzunehmen; Appetit und Befinden gut. Temperatur betrug 38,8° C. Am 16. h. m. vormittags alles normal. Mittags nahm das Tier n Da a ee Da ie 351 Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. & ‚16 Yre 1% 6 rg "wg9eu end ua! uy spuage Pan "2 me su9d1ow tunf "21T uy su9d.1low tunf '2T uy sdeyyruu tunf '8I tunf ’SI wumz ‘I woA JyDeN A9p u gang | wos I "TA »&l we wo I "IA °SI uIe OP op OP op op wo I ne IA..ST we Junuwoayosme -uopmogpusigziw | uoA opımAa erzıfur op OP OP op ud G) 09 » E63 @67.\ 00 me wnaFr| cH |waF|umc op op onp op OP onp op op um) s In -J[01Juo4M I 19 -[[I04uo4 ‚3 0008 et 9 N „3 086 ZIBEMUDS onp | @ an onp | op | op op op | op | op | op 3 0661 "ZIBMUYDS 7 ‘IN 3 0061 ‘Om -ZIBMUIS onp | EIN 3 0012 'JOM -nB18 [4 . ° IN op | ogp | oyıp op onp | op | op | op | oyıp onp | op | op | op | op | opp | op | oyıp | op op onp | op | opp | oyıp | ogrp | op | ogp | ogp | oyp onp | op 3 0008 ‘neı IN wDd wu9) cF wo p wp»)d ce Jwwag wu 7 Kublı zjwmd1| “1 uoyouru ey wg NOYSISSHFOSBUBAd0AdpuBIgzTIpI UOA uemygns uopıma yuorzıluy "DA oTPqsL 352 Karl Vaerst, wenig Nahrung. Abends war der Appetit geschwunden. Die Körper- temperatur betrug 39,9° C. Am 17. morgens war das Allgemeinbefinden schlecht. In der Nacht vom 17. zum 18. starb das Tier an Milzbrand. Im Blute und in den Organen Milzbrand, der sich auf Agar gut entwickelt (s. Tab. VII). Da die Verhältnisse, was Behandlung und Verlauf der Vorbehandlung sowie die Krankheitsdauer des Milzbrandes anbetrifft, in den übrigen Versuchen dieser Versuchsreihe dieselben sind, so sei es mir gestattet, ihrer nur in kurzen Worten Erwähnung zu thun: Versuch 2. Großes, grauweißes, 2100 g schweres Kaninchen starb am 17. h. m. nachmittags (s. Tab. VII). Versuch 3. Großes, schwarzweißes, 1900 g schweres Kaninchen verendete am 18. h. m. mittags (s. Tab. VII). Versuch 4. Großes, schwarzes, 1950 g schweres Kaninchen, linke Zehe weiß, starb am 17. h. m. morgens (s. Tab. VII). Versuch 5. Großes, schwarzes, 1980 g schweres Kaninchen, rechte Zehe weiß, starb am 17. h. m. morgens (s. Tab. VII). Versuch 6. Großes, schwarzes, 2000 g schweres Kaninchen starb am 17. h. m. nachmittags (s. Tab. VII). Sämtliche Versuchstiere hatten an der Injektionsstelle ein mehr oder weniger starkes Milzbrandödem. Kontrollversuche. Zwei Kaninchen: 1) weißgrau, mit grauen Ohren, 1900 g schwer, und 2) weißgrau, mit gelben Ohren, 2000 g schwer, erhielten zur selben Zeit dieselbe Dosis Milzbrand wie die zu- gehörigen Versuchstiere. 1) starb am 17. h. m. abends, & „vi. „. nachnwes An der Injektionsstelle deutliches Milzbrandödem. Im Blute und in den Organen zahlreiche Milzbrandbacillen, die sich auf Agar gut ent- wickeln. Auf Grund dieser Versuche muß angenommen werden, daß es nicht möglich ist, mit dem in Rede stehenden Material Kaninchen gegen Milz- brand zu immunisieren. Schlußfolgerungen. Nehme ich am Ende meiner Arbeit einen kurzen Ueberblick über das bisher Gesagte, so kann das Gesamtresultat in folgenden Sätzen zusammengefaßt werden: 1) Es muß als erwiesen gelten, daß die Pyocyanase auf den Milz- ö brand nicht nur eine entwickelungshemmende, sondern auch eine auf- lösende Wirkung ausübt. 2) Es ist möglich, bei gleichzeitiger Injektion von Milzbrand und Pyocyanase die Entwickelung des Milzbrandes im Tierkörper zu hemmen. 3) Kaninchen können mit einer wässerigen Pyocyanaselösung nicht gegen Milzbrand immunisiert werden. 4) Es ist mir gelungen, Kaninchen mit Pyocyanaseserum gegen Milz- brand zu immunisieren. 5) Mit Pyocyanasemilzextrakt in Dosen, wie ich sie angewandt, können Kaninchen gegen Milzbrand nicht immunisiert werden. 6) Dasselbe gilt von bis zur Auflösung mit Pyocyanase behandelten Milzbrandkulturen. r\ 1 Zee Zu 9 in) EZ za Zu Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase etc. 353 Vergleiche ich zum Schluß das Ergebnis meiner Untersuchungen mit dem der Versuche von Emmerich und Loew, so haben letztere entschieden bessere Resultate zu verzeichnen. Aber auch hier kann ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß meine sogenannte „Pyocyanase“ das Produkt von Kombinationen aus dem von Emmerich und Loew in ihren Ausführungen nur andeutungsweise Gegebenen ist, ich also gar nicht weiß, ob sie identisch ist mit der von Emmerich und Loew hergestellten. Daß ich, wenn auch nicht ganz, so doch ziemlich, der in Zukunft hoffentlich vor die Oeffentlichkeit tretenden wirklichen Pyocyanase von Emmerich und Loew nahe war, erhellt zur Genüge aus den einzelnen günstigen Resultaten, die ich zu verzeichnen habe. Und wenn ich mir in meinem Vorwort die Bemerkung erlaubte, daß, wenn auch meine Resultate nicht heranreichten an die überaus günstigen von Emmerich und Loew, sie andererseits doch einiger Beachtung wert seien, so habe ich damit wohl nicht zu hoch gegriffen. Litteratur. 1) Arloing, Influence du soleil sur la vegetation, la vegetabilit@ et la virulence des eultures du bacillus anthracis. (Compt. rend. T. 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[Aus dem hygienischen Institut der Kgl. Universität Padua unter Leitung des Prof. A. Serafini.] Von Dr. C. M. Belli, Kgl. Marinearzt I. Klasse und Honorar-Assistenten im Hygienischen Institut. Während der Einfluß der hohen Temperaturen auf die Vitalität und Virulenz der Mikroorganismen Gegenstand zahlloser Nachforschungen gewesen und auch derjenige der Nulltemperatur und einer wenig niedrigeren (—15 bis —31°) genügend bekannt geworden ist, weil man recht wenig von den wesentlich geringeren Temperaturen, und bis in die letzte Zeit gab es keine andere Arbeit als diejenige von Pictet und Young!), welche im Jahre 1884 veröffentlicht wurde. Diese Autoren unterzogen verschiedene saprogene und pathogene Keime der Temperatur von — 70° durch 108 Stunden und —130° durch 20 Stunden, welche Temperatur sie durch Verdampfung des flüssigen schwefelsauren Anhydrid - in erster Linie und dann der festen Kohlensäure erhielten. Hin- sichtlich der pathogenen Keime beobachteten sie, daß eine sporen- tragende Kultur des hämatischen Rinderpestbacillus und eine dem Blute entstammende des symptomatischen Milzbrandbacillus die Virulenz bewahrt hatten, wogegen das Blut der Milz eines an hämatischem Milzbrand verendeten Tieres keine Bacillen mehr aufwies und, eingeimpft, keinerlei Unbehagen hervorrief. In der Arbeit über die Kultur des symptomatischen Milzbrandes ward nicht gesagt, wann der Tod des Tieres erfolgt war, von dem das Blut stammte, und ebensowenig erfährt man in ihr das Datum der Kultur selbst; wir wissen daher nicht, ob es Sporen enthielt. Neuerdings hat die Entdeckung der flüssigen Luft den Modus ge- boten, um ohne Schwierigkeiten noch niedrigere Temperaturen (—180° bis —190° hervorzubringen, und Macfadyen?) hat die Wirkung dieser Temperaturen auf verschiedene pathogene und indifferente Bakterien studiert. Dieser Beobachter machte 2 Serien von Experimenten; in der ersten exponierte er frische und aufkeimende Kulturen verschiedener 1) Compt. rend. de l’Acad. des Sciences. T. XCVIII. p. 747. 2) Proceedings of the R. Society, London. Vol. LXVI. 1900. p. 180 u. 339, und Lancet. Vol. CLVIII. p. 849 u. 1130. 24* 356 C. M. Belli, Mikroorganismen (Bacillus typhosus, B. coli, B. diphtheriae, Spir. cholerae asiaticae, B. proteus vulgaris, B. acidi lactici, B. anthracis etc.) durch ca. 20 Stunden der Temperatur der flüssigen Luft. Diese Kulturen waren in Bouillon, Gelatine, Agar und Erdäpfeln, und diejenige der Rinderpest enthielt Sporen. In der zweiten Serie exponierte er durch 7 Tage Bouillonkulturen, die in kleinen, hermetisch geschlossenen Eprouvetten entwickelt waren. In beiden Fällen beobachtete er keinerlei morphologische und biologische Altera- tion und die Bakterien bewahrten vollkommen ihre funktionellen Thätig- keiten, wie Koagulation der Milch, Fermentation des Zuckers, Produktion des Indols und der Pigmente und nur in einer oder 2 Kulturen, im zweiten Experiment, ‚vermochte Macfadyen eine gewisse Verzögerung in der Entwickelung zu beobachten, welcher Thatsache er aber keine große Beachtung beilegte. Obschon Macfadyen sagt, daß die derart solch niedrigen Tem- peraturen ausgesetzten Mikroorganismen vollkommen ihre gesamten funktionellen Fähigkeiten bewahren, wurde dies doch, soweit es das pathogene Vermögen angeht, in der ersten Serie von Nachforschungen, in denen die Dauer der Einwirkung der flüssigen Luft auf 20 Stunden ausgedehnt wurde, und nur an den Sporen des hämatischen Milzbrand- bacillus studiert, dessen pathogene Aktivität, wie der Autor sich aus- drückt, sich ohne Alterationen erhielt. Aus diesen Experimenten ergiebt sich daher, daß die flüssige Luft die Virulenz der Sporen der pathogenen Mikroorganismen nicht ab- schwächt; aber man kann aus ihnen nicht schließen, welchen Einfluß derart niedrige Temperaturen auf die asporogenen Keime und auf die ausgebildeten vegetativen Formen der sporogenen Mikroben ausüben. Thatsächlich ist es wohlbekannt, daß der Widerstand der Sporen des Milz- brandes gegen die physischen Mittel weitaus bedeutender als derjenige der Bacillen ist, und was die niedrigen Temperaturen angeht, so wissen wir aus den oben erwähnten Experimenten von Pictet und Young, daß, während die —130° durch 20 Stunden ausgesetzten Sporen ihre pathogene Aktivität bewahrten, der Bacillus starb. Deshalb schien es mir interessant, den Widerstand zu studieren, den die Virulenz der asporogenen Bakterien und der ausgebildeten, nicht sporentreibenden Formen der sporogenen der Temperatur der flüssigen Lust entgegen- setzt. Zur Hervorbringung der flüssigen Luft habe ich mich einer Maschine, Typus Hampson, bedient, die Eigentum des chemischen Institutes ‘ unserer Universität ist, dessen Direktor, Prof. Nasini und dessen Bei- stand, Prof. Anderlini, welcher mich in der Erzeugung der flüssigen Luft unterstützte, ich an dieser Stelle nochmals mit Vergnügen meinen lebhaften Dank sage. Ich habe mich an die folgende Methode gehalten: Die Luft wurde in einem Glasbehälter von etwa 2 1 Rauminhalt gesammelt und in ein weiteres Blechgefäß geschlossen und der Zwischen- raum zwischen den beiden Recipienten mit stark komprimierten Woll- fäden angefüllt. Sowie der Glasbehälter mit flüssiger Luft angefüllt war, wurden langsam und mit Vorsicht, um eine zu plötzliche Abkühlung zu vermeiden, die Kulturen eingeführt, die in langen Eprouvetten, deren jede 6—8 cem Bouillon enthielt, entwickelt waren, und die vorausbe- stimmte Zeit darin gelassen. Die Menge der Luft, mit der das Experi- Der Einfluß niederster Temperaturen auf die Virulenz der path. Keime. 357 ment begonnen wurde, etwa 1!/, 1, gebrauchte beinahe 6 Stunden, um zum gasförmigen Zustande zurückzukehren, so daß ich, um das Experi- ment über diese Zeit hinaus auszudehnen, Sorge trug, andere Luft in den Glasbehälter einzufüllen, bevor sich die darin befindliche völlig ver- dampfte. Die Temperatur im Glasbehälter für die Verdampfung der flüssigen Luft betrug also ca. —180° bis —190°. Die bevorzugten Keime waren der Bacillus des hämatischen Milz- brandes ohne Sporenbildung und derjenige der Hühnercholera, welcher nach der gegenwärtigen Erkenntnis nicht sporogen ist. Die jüngsten und virulenten Kulturen dieser Bakterien wurden, nachdem sie in bezeichneter Weise der Abkühlung ausgesetzt waren, aus dem Behälter entnommen, nachdem die flüssige Luft völlig verbraucht war und sie ihre eewöhn- liche Temperatur zurückgewonnen hatten, und man inokulierte diejenigen der Rinderpest Meerschweinchen und Kaninchen, Kaninchen allein je- doch diejenigen der Hühnercholera.. In jedem Experimente wurde gleichzeitig ein Tier zur Kontrolle mit einer Kultur gleichen Datums und Ursprungs, die in einer gleichen Eprouvette entwickelt, aber keiner Abkühlung unterzogen war, inokuliert. Es wurden gleichzeitig Ueber- tragungen in Bouillon und Agar vorgenommen, um die Vitalität und die biologischen Eigenschaften der Kulturen festzustellen, und man machte auch mikroskopische Proben, um den Stand der morphologischen Charaktere zu erkennen. Indem ich es unterlasse, über die ersten Experimente der Orien- tierung für die Wahl der Eprouvetten, des Gefäßes für die flüssige Luft und des passendsten Nährmittels zu berichten, stelle ich hier kurz die definitiven Experimente zusammen: 1.Experiment. Ich habe der Einwirkung der flüssigen Luft 15 Stunden hindurch nach obenbeschriebener Methode 2 Bouillonkulturen des Milz- brandes von 12 Stunden unterstellt, welche ich durch Einsaat von Blut aus der Milz eines wenige Stunden zuvor an dieser Krankheit verendeten Kaninchens erhalten hatte und die in der umgebenden Temperatur (24°) entwickelt waren, wobei ich durch verschiedene mikroskopische Be- obachtungen die Abwesenheit von Sporen konstatiert hatte. Nachdem sie zur gewöhnlichen Temperatur zurückgekehrt waren, habe ich die Inokulationen und Uebertragungen vorgenommen und die Präparate beobachtet. Die morphologischen Charaktere waren vollständig bewahrt; die Uebertragungen ergaben einen positiven Ausgang, und von den 2 inokulierten Tieren starb das Kaninchen nach 120 Stunden, das Meer- schweinchen nach 48 Stunden, während das Kontrolltier nach 60 Stunden verstarb. Das pathogene Vermögen widersteht also im Bacillus des hämati- schen Milzbrandes, der nicht sporifiziert ist, der Wirkung der niedrigen Temperaturen der flüssigen Luft durch 15 Stunden. 2. Experiment. Im voraufgegangenen Experiment habe ich eine Milzbrandkultur, in der ich, sei es durch die Konditionen des Experi- mentes, sei es durch die direkte Beobachtung, mit gutem Grunde die Abwesenheit von Sporen annehmen durfte, der Abkühlung von —180° ausgesetzt; dessenungeachtet habe ich, um jeden Zweifel zu beheben, das Experiment mit einem Materiale wiederholen wollen, in welchem jeder Einfluß einer eventuellen Sporenentwickelung sich in absoluter Weise 358 C.M. Belli, ausschließen ließ. Deshalb habe ich in zwei der vorhin beschriebenen, im Voraus sterilisierten Eprouvetten ein Stückchen Milz eines vor wenigen Stunden an Milzbrand verendeten Kaninchens gethan. Die Eprouvetten wurden, kaum präpariert, mit Eis umgeben und zum Vor- bereitungslaboratorium der flüssigen Luft geschafft. Nach 15-stündiger Aussetzung der Verdampfung der flüssigen Luft in der niedrigen Tem- peratur und nachdem die Uebertragungen vorgenommen waren, ist keiner- lei funktionelle Alteration beobachtet worden. Nach Einimpfung eines Meerschweinchens und eines Kaninchens starb das erstere nach etwa 72 Stunden, das Kaninchen nach 90, während das Kontrollkaninchen nach 70 Stunden starb. Gleicherweise zeigten die Bacillen bei der Prüfung der mikroskopischen und gefärbten Durchschnitte der Milzstückchen, welche zur Probe gedient hatten, keinerlei morphologische Alteration. Das Ergebnis dieses Experimentes stimmt also mit demjenigen des vorauigegangenen überein. 3. Experiment. Ich habe das Experiment mit einem Keim wiederholt, der keine Sporen hervorbringt, dem Bacillus der Hühner- cholera, und erhielt ein gleiches Resultat. Die beiden Kaninchen, in- okuliert mit den Kulturen dieses Bacillus, welche 15 Stunden hindurch der flüssigen Luft ausgesetzt waren, starben nach etwa 48 Stunden, das Kontrolltier nach 30. | Aus den oben angeführten Experimenten ergiebt sich, daß die Abkühlung von —180 bis —190°, die von der flüssigen Luft bewirkt wird, wie sie die morphologischen und kulturellen Charaktere nicht modifiziert, ebensowenig irgend welchen Einfluß auf die Virulenz der asporogenen Keime und der vegetativen, d. h. sporenlosen Formen der sporogenen Bacillen ausübt. Während solcher Nachforschungen bot sich bequeme Gelegenheit, festzustellen, daß die mit den der Abkühlung unterstellt gewesenen Kulturen inokulierten Tiere einige Zeit nach den Kontrolltieren starben. Diese Thatsache wäre mehr einem Abschwächungsprozeß der größeren Menge virulenten Materiales zuzuschreiben, das diesen letzteren im Vergleiche zu den ersteren injiziert wurde, weil die Schwere und der Verlauf der Infektionen im Verhältnis zu der Quantität des Virus steht. In der That vollzog sich in den Kulturen, die der Umgebungstemperatur überlassen waren, die Vermehrung der Keime ungestört, während in denjenigen, welche der flüssigen Luft ausgesetzt waren, die weitere Entwickelung wahrscheinlich für die ganze Dauer des Experimentes verhindert wurde und daher die ersteren, bei Volumen- gleichheit, eine den übrigen überlegene Zahl von Keimen enthielten. Diese Hypothese, die sich auf die bakteriologischen Ergebnisse auf- baut, erschien sehr beachtenswert; dennoch hielt ich es für interessant, die Exaktheit derselben durch besondere Nachforschungen zu erweisen. 4. Experiment. Bei diesem Experiment habe ich gleichzeitig eine Zählung der Keime in den Kulturen vor und nach deren Aussetzung in die Temperatur der Nüssigen Luft und in ähnlichen Kulturen, die zur Kontrolle in der Umgebungstemperatur belassen wurden, vorgenommen. Für die Zählung habe ich naturgemäß die gewöhnlichen Normen der Technik befolgt, indem ich Agar verwandte und passende Ver- dünnungen machte, von denen die gewonnenen Zahlen sich auf 1 ccm bezogen. Die Zählung wurde für alle nach 48 Stunden Be Der Einfluß niederster Temperaturen auf die Virulenz der path. Keime. 359 vorgenommen, während welcher die Platten im Thermostaten bei 37° ge- halten wurden. Die der flüssigen Luft ausgesetzten Kulturen waren diejenigen des Milzbrandes, sporulente Formen, desgleichen vegetative Formen des Milzbrandes (ohne Sporen) und Hühnercholera. Die Kul- turen der vegetativen Formen des Milzbrandes wurden in der schon bezeichneten Weise bereitet; diejenigen der sporulenten Formen mittels Uebertragung von einer schrägen Agarkultur, die man 3 Tage hindurch im Thermostaten bei 537° sich entwickeln ließ; die einen wie die anderen wurden vor dem Experiment genau durch mikroskopische Untersuchung kontrolliert. Für jeden Keim wurden 2 Kulturen 9 Stunden hindurch der flüs- sigen Luft ausgesetzt. Die Ergebnisse des Experimentes sind in nach- folgender Tabelle verzeichnet: Zahl der Keime pro Kubikcentimeter in den der flüssigen Luft unterstellten Kulturen Zahl] der Keime > B pro Kubikcenti- er eeter 1. Probe | 2. Probe Durchschnitt meter in den > vor der |nach der vor der Inach der| vor der nach der Kontrollkulturen Aus- Aus- | Aus- | Aus- Aus- us- De Zr setzung | setzung | setzung | setzung | setzung | setzung 1. Zählg.| 2. Zählg. Hühnercholera 46 000 | 5000 ı 750000 | 13.000 | 396 000 ı 9000 | 821 000 | 1240 000 Milzbrand ohne Ss re E 780 000 | 476 000 | 890 000 | 590 000 ı 845 000 | 533 000 | 820 000 | 1 720.000 ilzbrand mit Sporen 366 000 | 270 000 | 872 000 | 690 000 | 619 000 | 480 000 | 778000 | 946 000 Diese Resultate zeigen also klar, daß die Abkühlung bei ca. — 190°, durch flüssige Luft bewirkt und durch 9 Stunden ausgedehnt, nicht nur die Vervielfältigung der Bakterien verhindert, sondern auch deren Zahl verringert und den Tod der minder widerstandsfähigen hervorruft. Die voraufgegangenen Experimente hatten den Zweck, die Wir- kung der niedersten, von der flüssigen Luft hervorge- brachten Temperaturen zu studieren, da vorauszusetzen war, daß die flüssige Luft einigen Einfluß auf die Lebensfähigkeit und Virulenz der Keime haben ‚werde. In Erwägung jedoch, daß die Luft bei ihrem Uebergange vom flüssigen zum gasförmigen Zustande eventuell anti- bakterische Eigenschaften, die ihr inhärent sind, erwerben könne, habe ich dies direkt erproben wollen, obschon die Sache an sich sehr un- wahrscheinlich erscheint. 5. Experiment. Zu diesem Behufe habe ich die auf Papier ausgebreiteten Keime der direkten Wirkung der flüssigen Luft unterstellt. Zu diesem Zwecke habe ich ein Streifehen Filterpapier, mit Bouillonkultur des in Frage stehenden Keimes getränkt, an einem Ende eines sterilisierten Glasstäbchens befestigt, das ich in die flüssige Luft einführte und schwebend in derselben erhielt. Das Experiment wurde mit denselben Bakterien wie bei den vorauf- gegangenen Untersuchungen vorgenommen. Bei den Milzbrandkulturen, sowohl sporulente als auch vegetative Formen, wurde das Papierstreifchen, nachdem es der flüssigen Luft durch 8 Stunden ausgesetzt war, subkutan 4 Meerschweinchen eingeführt, während gleichzeitig 2 Kontrolltieren gleicher 360 Belli, Der Einfluß niederster Temperaturen auf die Virulenz path. Keime. Art die mit gleichen Kulturen getränkten, aber nicht der flüssigen Luft ausgesetzten Papierstreifchen eingeführt wurden. Man kann daraus schließen, daß der durch 8 Stunden der direkten Aktion der flüssigen Luft ausgesetzte Bacillus der Hühnercholera sich lebensfähig erhält. Die inokulierten Tiere starben alle am Milzbrand, wie die Autopsie und das bakterioskopische Examen ergab. Es ergiebt sich also, daß die pathogenen Keime, mit denen experimentiert wurde, auch bei Aus- setzung derselben unter die direkte Wirkung der flüssigen Luft in einem Zeitraum von 8 Stunden ihre Virulenz bewahren. Die Kultur der Hühnercholera hatte in der zwischen den ersten und diesen letzten Untersuchungen verstrichenen Zeit vollständig die Virulenz verloren und die Versuche, ihr dieselbe zurückzugeben, er- wiesen sich als vergeblich. Ich beschränkte mich daher auf die Fest- stellung, ob die auf Papierstreifehen ausgebreiteten Keime die Vitalität bewahrten, und deshalb machte ich, nach deren 8-stündiger Aussetzung in flüssiger Luft, Uebertragungen in verschiedene Nährsubstanzen, wobei ich Entwickelung der Kolonieen erhielt. Schlußfolgerungen. Die Ergebnisse dieser meiner Nach- forschungen wie derjenigen von Macfadyen haben eine hygienische und eine allgemein biologische Bedeutung. Für die Hygiene ist es interessant, zu wissen, daß die flüssige Luft keinen anderen Einfluß auf die Vitalität und Virulenz der Keime außer demjenigen hat, den die Herabsetzung der Temperatur mit sich bringt, und daß die von ihr hervorgebrachten niedrigsten Temperaturen von ca. 200° unter Null nur einen antiseptischen Wert haben, insofern sie während ihrer Aktion die Vervielfältigung und Thätigkeit der Organismen verhindern; hingegen fehit ihnen jedweder desinfizierende Wert, da sie die Lebensfähigkeit nicht zerstören, ja nicht einmal die biologischen Eigenschaften, unter denen die bedeutendste diejenige der Virulenz ist, verändern. Was nun die allgemeine biologische Bedeutung anbelangt, So muß man annehmen, daß die Wirkung derart niederer Temperaturen auf die lebende Zelle sich auf die Umwandlung des Zustandes der flüssigen Teile beschränkt, aber keinerlei bleibende Veränderung im chemisch-molekularen Zustande der organischen Substanz herbeiführt. ADS ee ha m ni — Bu Pi “ Ernst Joest, Unbekannte Infektionsstoffe. 361 Nachdruck verboten. Unbekannte Infektionsstofle '). Eine Studie von Dr. Ernst Joest, Leiter der bakteriolog. Abt. des Pharm. Instituts Gans in Frankfurt a. M. Wenn wir in den Handbüchern der Pathologie und Epidemiologie Umschau halten, so begegnen wir einer ganzen Reihe von klinisch und pathologisch-anatomisch mehr oder weniger scharf charakterisierten Krank- heitsformen, die wir nach der ganzen Art ihres Auftretens und ihrer Verbreitung als Infektionskrankheiten ansprechen müssen, deren Erreger indessen noch unbekannt sind. Die große wissenschaftliche und praktische Bedeutung, welche die Erforschung der Aetiologie dieser Krankheiten besitzt und die Ergebnis- losiekeit der zahlreichen diesbezüglichen Untersuchungen und Versuche bringt es mit sich, daß immer wieder die Frage nach der Natur der unbekannten Infektionsstoffe und nach den Ursachen des Fehlschlagens der vielen Versuche, sie unserer sinnlichen Wahrnehmung zugäng- lich zu machen und sie künstlich zu kultivieren, aufgeworfen wird. —: ‚Diese Frage soll in Folgendem von allgemein bakteriologischen und naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten aus erörtert werden. Zu den Infektionskrankheiten, deren Erreger noch unbekannt, bezw. noch nicht mit Sicherheit bekannt sind, gehören: Die akuten Exantheme (Pocken, Scharlach, Masern), der Flecktyphus und die Syphilis des Menschen; die Lyssa; die Maul- und Klauen- seuche; die Rinderpest; die südafrikanische „Pferdesterbe“ ; die Hunde- staupe; das Petechialfieber, die Brustseuche und die Influenza des Pferdes; das bösartige Katarrhalfieber des Rindes u. a. m. Von diesen Krankheiten sind besonders die Pocken (Variola und Vacecine), die Lyssa, die Maul- und Klauenseuche und die Rinderpest Gegenstand eingehender ätiologischer Forschungen ewesen. Wenn dieselben auch nicht den Erfolg gehabt haben, die rankheitserreger einwandsfrei ad oculos demonstrieren oder künstlich im Reagensglase kultivieren zu können, so haben sie uns doch die Kenntnis mehrerer wichtiger und interessanter Thatsachen bezüglich des all- gemeinen Verhaltens der unbekannten Infektionserreger vermittelt, auf Grund deren wir uns bestimmte Vorstellungen von ihrer Größe und ihrer Natur zu machen imstande sind — Vorstellungen, die als Ausgangs- - punkt für weitere Untersuchungen dienen können. Die letztgenannten vier Infektionskrankheiten werde ich deshalb bei den folgenden Dar- legungen in erster Linie berücksichtigen. Wenn wir sämtliche Arten von Infektionsstoffen in Be- tracht ziehen, die als ätiologisches Moment bei der Erregung von Krankheiten überhaupt eine Rolle spielen können, so kommen wir zu folgender Einteilung der Infektionsstoffe: I. Belebte Infektionsstoffe. a) Mikroorganismen. 1) Mikroorganismen, morphologisch bekannt und zum Teil («) kultivierbar. ——— 2 1) Nach einem am 9. Nov. 1901 im Verein der Tierärzte des Reg.-Bez. Wiesbaden gehaltenen Vortrage. 3062 Ernst Joest, a) Bakterien, P) Protozoen, y) sonstige pflanzliche oder tierische Mikroparasiten. 2) Mikroorganismen, zur Zeit morphologisch unbekannt und unkultivierbar. «) Mikroorganismen, die zwar mikroskopisch wahrgenommen werden können, die aber aus besonderen Gründen bis jetzt nicht gefunden, bezw. als Krankheitserreger identifiziert werden konnten. ) Mikroorganismen, mikroskopisch nicht wahrnehmbar, weil jenseits der Grenze der Sichtbarkeit stehend. b) „Contagia viva fluida“. II. Unbelebte („chemische“) Infektionsstoffe (Intoxi- kationsstoffe). In diesem Schema lassen sich alle Arten von Infektionsstoffen unterbringen. Gruppe Ial), welche die bekannten Infektionserreger umfaßt, interessiert uns hier weiter nicht. Es kommen für die un- bekannten Infektionsstoffe Gruppe Ia2) und Ib), sowie Gruppe II in Betracht. Gruppe II gehört, streng genommen, in eine Einteilung von Infektionsstoffen nicht hinein; denn es giebt, wie aus meinen weiteren Darlegungen hervorgehen wird, keine unbelebten Agentien, die eine echte Infektion herbeizuführen imstande wären; die durch unbelebte Substanzen bedingten Erkrankungen sind vielmehr stets als Intoxicationen aufzufassen. — Es ist damit ja nicht ausgeschlossen, daß einzelne der von uns als Infektionskrankheiten angesprochenen, ätio- logisch noch unaufgeklärten Krankheiten (wie z. B. die Beri-Beri des Menschen [vergl. Mott und Halliburton sowie Yamagiva] und das Petechialfieber des Pferdes) möglicherweise Intoxikationen darstellen. — Ich hahe diese Gruppe II in meine Einteilung lediglich deshalb auf- genommen, um der Möglichkeit,daßesunbelebtelnfektions- stoffe geben könnte, vorläufigRechnungtragenzu können. Denn einzelne Forscher, welche sich mit ätiologischen Studien bei der Maul- und Klauenseuche beschäftigten, haben die Möglichkeit, daß das krankmachende Agens dieser so eminent kontagiösen Krankheit in einem unbelebten, „chemischen“ Stoff zu suchen sei, in Betracht gezogen und haben experimentell die Frage nach der Natur des ersteren zu ent- scheiden versucht. Unter Berücksichtigung der Wichtigkeit der Frage nach der Exi- stenz unbelebter („chemischer“) Infektionsstoffe und unter Berücksich- tigung des Umstandes, daß derartige Stoffe gelegentlich immer wieder zur Erklärung der Unauffindbarkeit gewisser Infektionserreger heran- gezogen werden, erscheint es notwendig, daß wir zunächst die Frage nach der Existenzmöglichkeit unbelebter Infektionsstoffe einer näheren Prüfung unterwerfen. I. Giebt es unbelebte („chemische“) Infektionsstoffe? Unterschied zwischen unbelebter und belebter Sub- stanz. Wir dürfen an die Erörterung der Frage, ob es unbelebte Infek- tionsstoffe giebt, nicht herantreten, ohne die wichtigsten Punkte zu kennen, in welchen das Leblose sich von der belebten Substanz unterscheidet. Ich beginne deshalb mit einigen kurzen Bemerkungen über das Wesen des Lebensprozesses. — Einer der Hauptunterschiede zwischen Unbekannte Infektionsstoffe. 363 unbelebter und belebter Substanz ist darin begründet, daß die die Mole- küle der ersteren aufbauenden Atome sich intramolekular meist in einem Zustande stabilen Gleichgewichts, in einem relativen Ruhezustande be- finden, während ein Teil der hochkomplizierten Moleküle der belebten Substanz (die Biogenmoleküle) in der Zusammensetzung fortwährende Veränderungen erfährt. Diese intramolekularen Veränderungen begreift man als Stoffwechsel der lebenden Substanz. Nach Verworn besteht der an die Existenz von außerordentlich labilen, eiweiß- ähnlichen Verbindungen, der „Biogene* (Verworn), gebundene Stoffwechsel der lebenden Substanz einerseits in einer fortwährenden Selbstzersetzung der Biogene, als deren Produkte CO, und H,O frei werden, andererseits in der Regeneration der Biogenmoleküle durch Einfügung neuer Atome bezw. Atomgruppen. — Im allge- meinen ist es hauptsächlich die Aufnahme von O ins Molekül, welcher letzterem die außerordentliche Labilität verleiht. Man hat sich vorzustellen, daß die aufgenommenen und vermutlich zunächst der N-haltigen Gruppe angefügsten O-Atome bei ihren intra- molekularen Schwingungen von ©- und H-Atomen (zu denen sie eine größere Affinität besitzen, als zum N) angezogen und gebunden werden. Die als Produkte dieser intra- molekularen rung der Atome entstandenen Verbindungen CO, und H,O werden eliminiert, der N-haltige, stabilere „Biogenrest“ aber kann von neuem © und H, sowie O aufnehmen, wodurch das Biogenmolekül seine leichte Zersetzlichkeit wieder- erlangt u.s. w. Bei diesem Zersetzungsprozess der Biogene, der als „primäre Ursache des Lebens“ (Gotschlich) angesehen werden muß, und dem gleichzeitigen Zusammen- schluß der restierenden Atomgruppen zum einfacheren, stabileren „Biogenrest“ wird, ähnlich wie bei der nn. Zersetzung von Explosivstoffen, Energie frei, und diese ist es, die die lebende Substanz zu Leistungen befähigt, die sowohl qualitativ wie auch quantitativ denjenigen der unbelebten Materie überlegen sind. Die Leistungen der lebenden Substanz stehen mit ihrer Ernährung im engsten Zusammenhang. Wie wir gesehen haben, ist die lebende Substanz genötigt, die durch den Zersetzungsprozeß im Biogen- molekül eliminierten Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffatome zu ersetzen, soll anders der weitere intramolekulare Zersetzungsvorgang und damit der Lebensprozeß nicht in kürzester Zeit zum Stillstand kommen. Die lebende Substanz bedarf also der Zufuhr von solchen Stoffen, welche infolge ihrer Zusammensetzung geeignet sind, die Ausgaben des Stoff- wechsels der ersteren zu decken. Die in der Natur vorkommenden organischen Nährstoffe besitzen nun wohl nie eine derartige Zusammen- setzung, daß sie ohne weiteres von den Biogenen aufgenommen (assi- miliert) werden können. Sie müssen deshalb zunächst che- mische (und physikalische) Veränderungen verschie- dener Art erfanren, um dadurchin einen assimilierbaren Zustand übergeführt zu werden. Diese Leistung voll- bringst die lebende Substanz unter Ausnutzung der beim Lebensprozeß freiwerdenden Energie. Die lebende Substanz ist stets geformt. Ihre Grundform ist die Zelle. Die Zelle mit ihren Differenzierungen, als deren höchste und allgemeinste wir den Zellkern erkennen, ist ein Individuum, sie ist „die niedrigste und einfachste Form des wirklichen Lebens“ (Hueppe). „Es giebt keine lebendige Substanz, die nicht zu Zellen angeordnet wäre“ (Verworn). An die organisierte Zelle sind sämtliche Funktionen des Lebens, als deren höchste wir die Vermehrungsfähigkeit anzusehen haben, gebunden. Mikroorganismen und Krankheitserregung. Wenden wir das oben Gesagte auf die Mikroorganismen an, so ergiebt sich zu- nächst, daß die von denselben in Anspruch genommenen organischen Nähr- materialien gewisse chemische (und physikalische) Umsetzungen erfahren müssen. Bei diesen Umsetzungen können aus bestimmten Nährmaterialien 364 | Ernst Joest, (Eiweißstoffen) giftige Verbindungen abgespalten werden bezw. beim Abbau dieser Nährstoffe übrig bleiben (wie z. B. die Brieger’schen Ptomaine [Gotschlich]). — Die chemischen (und physikalischen) Veränderungen des Nährmaterials gehen einher mit einer Verminderung desselben durch die Assimilationsthätigkeit der Mikroben. (Die aufgenommenen Nähr- stoffe dienen letzteren einerseits als neue Energiequelle, andererseits als. Baumaterial zur Vergrößerung der Zelle und zür Erzeugung neuer Zell- individuen.) — Der destruktive Charakter des Lebensprozesses bringt es, wie wir oben sahen, mit sich, daß fortwährend lebende Substanz zerfällt und die entstandenen Zerfallsprodukte nach außen abgeschieden werden. Die Produkte des Gesamtstoffwechsels der Mikroorganismen sind aber keineswegs so einfacher Art, wie wir bei der Erklärung des. Lebensprozesses angenommen haben. Es entsteht vielmehr eine Reihe verschiedener hochkomplizierter Verbindungen, die teils direkt nach außen abgeschieden werden, teils im Protoplasma sich aufspeichern und erst durch Untergang und Auflösung der Zelle freiwerden. Diese Stofi- wechselprodukte, die zum großen Teil eine schädigende Wirkung auf die lebende Körpersubstanz zu entfalten imstande sind, werden so dem Nährsubstrat beigemischt. Während die meisten Mikroorganismen in totem organischem Material (pflanzlichen oder tierischen Ursprungs) leben, dient den patho- genen Arten derselben der lebende Pflanzen- oder Tierkörper als Nährboden. Dieser lebende Nährboden erleidet, ebenso wie totes Nähr- material, durch die in ihm wachsenden Mikroorganismen Veränderungen, wie ich sie vorstehend kurz skizziert habe. Diese Veränderungen, zu denen häufig noch rein mechanische Wirkungen der Mikroorganismen hinzutreten, bedeuten eine Schädigung der lebenden Körpersubstanz und finden ihren Ausdruck in der Krankheit. Zusammenfassung. Das Wesentlichste aus vorstehenden Erörte- rungen kurz zusammengefaßt, ergiebt Folgendes: Die lebende Substanz unterscheidet sich von der unbelebten Materie in der Hauptsache durch ihren Stoffwechsel, sowie durch die Leistungen, zü wel- chen sie der Stoffwechsel befähigt. Die höchste dieser vitalen Leistungen der Organismen ist die Fähigkeit der Produktion neuer gleichartiger Individuen, also ihre Vermehrungsfähigkeit. Die krankheitserregende Wirkung pathogener Mikroorga- nismen ist eine Folge ihres Stoffwechsels. Die pathogenen Mikro- organismen wirken krankheitserregend: 1) Durch chemische (und physikalische) Veränderung der lebenden Körpersubstanz, wobei Stoffe entstehen können, welche die lebende Körpersubstanz gleichzeitig schädigen; 2) durch Verbrauch der lebenden Körpersubstanz (Entziehung von Nährmaterial) ; 3) durch. Abgabe von Stoffwechselprodukten, welche die lebende Körpersubstanz schädigen. | 4) durch mechanische Behinderung der Lebensthätigkeit der Körper- substanz !). Infektion undIntoxikation. Der Vermehrung, jener höchsten, auf den Stoffwechsel zurückzuführenden Leistung der lebenden Substanz 1) Obgleich diese vier Faktoren bei jeder durch Mikroorganismen bedingten In- fektionskrankheit wirksam sind, so sind sie doch, einzeln betrachtet, in Bezug auf ihre krankheitserregende Wirkung nicht als gleichwertig zu erachten. u rr a ei „a. a N & OT ERBEN NEED RE > nl Buy ac wa we Unbekannte Infektionsstoffe. 365 ist es zuzuschreiben, daß die belebten Infektionsstoffe (die Mikroorga- nismen) bereits in sehr kleiner Menge, dem Körper einverleibt, eine Erkrankung herbeiführen. An sich (d.h. ohne Vermehrung) ver- mag diese sehr kleine Menge belebten Infektionsstoffes allerdings nicht zu wirken, denn einzelne oder verhältnismäßig wenige Individuen eines pathogenen Mikroorganismus sind nicht imstande, lediglich durch. ihre Anwesenheit im Körper eine Schädigung der Körpersubstanz hervor- zurufen. Ihr Stoffwechsel befähigt sie aber zur Erzeugung neuer, gleich- artiger Individuen, aus welchen wieder neue Generationen hervorgehen. Entsprechend dem rapiden Anwachsen der Zahl der Mikroorganismenin- dividuen steigern und summieren sich (abgesehen von den rein mecha- nischen Einwirkungen derselben) die gesamten Wirkungen ihres Stoff- wechsels auf die Körpersubstanz, bis die Schädigung der letzteren einen solchen Grad erreicht hat, daß sie als Krankheit äußerlich sich bemerk- bar macht. — Stoffwechsel und Vermehrung sind also die beiden Faktoren, deren Zusammenwirken und gegen- seitige Steigerung den pathogenen Effekt einer kleinen, an sich unwirksamen Menge belebten Infektionsstoffes (pathogener Mikroorganismen) bedingen. Zwar giebt es auch unbelebte (nicht vermehrungsfähige) Substanzen, die ebenfalls in sehr kleinen Mengen krankheitserregend wirken. Hier haben wir es aber dann stets mit besonderen Stoffen zu thun, die an sich in jener kleinen Menge pathogen sind. (Die letzteren sollen weiter unten näher be- sprochen werden.) Wir müssen somit scharf unterscheiden zwischen In- fektion und Intoxikation, also auch zwischen Infektions- stoffen und Intoxikationsstoffen. Aus den voraufgegangenenDarlegungen ergiebt sich ohne weiteres die Unmöglichkeit, daß eine unbelebte („chemische“) Substanz, eine Substanz ohne Stoffwechsel und Vermehrungsfähigkeit, eine echte Infektionskrank- heit zu erregen imstande ist. — Eine solche Substanz kann, sofern sie überhaupt krankmachende Wirkungen irgend welcher Art zu entfalten vermag, lediglich eine Intoxikationskrankheit erzeugen. IH. Intoxikationen, die Infektionskrankheiten vortäuschen können. Mit der Konstatierung dieser Thatsache ist die Frage nach der Existenzmöglichkeit unbelebter („chemischer“) Infektionsstoffe an sich zwar erledigt. Es entsteht aber jetzt die weitere Frage: Sind In- toxikationen möglich, die echte Infektionskrankheiten nicht nur in Bezug auf das klinische und pathologisch- anatomische Verhalten, sondern auch in „epidemio- logischer“ Beziehung vortäuschen könnten? Denn nur derartige Intoxikationen können doch den Autoren, die die Existenz unbelebter Agentien als Erreger kon- tagiöser Krankheiten in Betracht zogen, vorgeschwebt haben! Wir müßten deshalb, um der Vorstellung jener Autoren gerecht werden zu können, Stoffe besonderer Art annehmen, die, ebenso wie belebte Infektionsstoffe, bereits in sehr kleinen Mengen pathogen wirken und die durch irgend eine Eingangspforte in den Organismus ge- 366 Ernst Joest, langt (abgesehen von eventuellen Lokalaffektionen), eine Allgemeinerkrankung des letzteren herbeizuführen im- stande sind. — Welche Stoffe könnten hier in Betracht kommen ? Wenn wir von den giftigen Pflanzenalkaloiden absehen, so haben wir hier fast ausschließlich Stoffe zu berücksichtigen, deren Ent- stehung (außerhalb des menschlichen oder tierischen Organismus) auf Mikroorganismen zurückzuführen ist. Derartige Stoffe entstammen entweder dem von Mikroorganismen in Anspruch genommenen toten oder lebenden Nährmaterial; sie sind Spaltungs- oder Zersetzungsprodukte der Nährstoffe (meist eiweißartiger Substanzen). Oder sie sind Bestandteile des Mikroorganismenleibes bezw. unmittelbare Abkömmlinge (Sekretionsprodukte) desselben. Die für die hier zu betrachtenden Intoxikationen als Giftstoffbildner in Betracht kommenden Mikroorganismen sind meist Saprophyten. Es sind nicht nur Bakterien, sondern auch zahlreiche andere niedere, pflanzliche Organismen (Schimmelpilze u. s. w.), die mittelbar oder unmittelbar Stoffe produzieren, die, in den Tierkörper einverleibt, eine Schädigung desselben herbeiführen können !). Toxine?). Die vorerwähnten, auf Mikroorganismen zurückzuführen- den, in ihrer Wirkung aber von ihren Erzeugern unabhängigen patho- genen Stoffe können der Art sein, daß sie an sich bereitsin sehr kleinen Mengen eine intensive Giftwirkung auszuüben ver- mögen. Die in toten Nährmaterialien (tierischer oder pflanzlicher Art) unter dem Einfluß von Mikroorganismen entstehenden Giftstoffe (Toxine) sind meist alkaloidähnlicher Natur; man bezeichnet sie als Ptomaine, während man die den Eiweißkörpern nahestehenden, von der Bakterien- zelle selbst gelieferten Gifte Toxalbumine benennt. In welch kleinen Mengen einzelne Toxine eine tödliche Giftwirkung auf den Tier- körper auszuüben vermögen, zeigen am besten die von einigen pathogenen Bakterien (Diphtheriebacillus, Tetanusbacillus) produzierten Gifte. Dieselben übertreffen an Toxicität auch die giftigsten Alkaloide (z. B. das Strychnin) um ein bedeutendes. Das am intensivsten wirkende Gift, welches wir kennen, ist wohl das Tetanustoxin — genügen doch von einem starken Toxin (nach Dieudonne) 0,00000033 cem, um ein Meerschweinchen von 300 g zu töten. (Die tödiiche Dosis Strychnin würde etwa 0,0015 g betragen.) Die Toxinwirkung hat man sich nach Ehrlich so zu erklären, daß das Toxinmolekül zwei Atomgruppen, eine haptophore und eine toxophore Gruppe, besitzt. Die erstere dient dazu, das Toxinmolekül mit einer entsprechenden Seitenkette des Protoplasmamoleküls, zu welchem es eine Affinität besitzt, zu verankern. Erst wenn diese Verankerung erfolgt ist, kann das Toxinmolekül mit seiner toxophoren Atomgruppe eine Giftwirkung auf das betreffende Protoplasmamolekül entfalten. — Die Toxine wirken spezifisch, d. h. sie vergiften nur solche Protoplasmasubstanzen, welche in die haptophore Gruppe des Toxinmoleküls hineinpassende Seitenketten besitzen. Da die Intoxikationen mit Toxinen meist eine schwere Allgemein- erkrankung bedingen, da ferner auch deren pathologisch-anatomisches Bild nicht selten große Aehnlichkeit mit demjenigen echter, akuter In- fektionskrankheiten zeigt, so können durch solche Intoxi- 1) Sobald die Mikroorganismen selbst in Massen in den Körper gelangen und jene Stoffe von ihnen innerhalb des befallenen Körpers gebildet werden, haben wir es nicht mehr mit einer reinen Intoxikation zu thun, sondern mit einer Komplikation von Infektion und Intoxikation. 2) Ich fasse hier unter dem Namen „Toxine“, den Brieger ursprünglich für die von ihm aus faulendem Material gewonnenen N-haltigen, stark giftigen Basen ge- brauchte, alle von Mikroorganismen erzeugten, spezifischen Giftstoffe zusammen, mögen dieselben nun dem Nährboden oder dem Mikroorganismenleibe entstammen. cs. z UI 6 Pr u Unbekannte Infektionsstoffe. 367 kationen, insbesondere, wenn mehrereIndividuen gleich- zeitig betroffensind, akute Infektionskrankheiten leicht vorgetäuscht werden. (Wie wir verfahren, um Intoxikation und Infektion differentialdiagnostisch zu unterscheiden, werden wir weiter unten besprechen.) Als Beispiel für das Vorkommen derartiger Intoxi- kationen können mehrere Erkrankungen des Menschen und der Haus- tiere dienen. Zunächst sind es die als Fleisch- und Wurstver- giftungen (Botulismus) bezeichneten Intoxikationen, welche hierher gehören. Der toxinbildende Saprophyt ist hier vielfach der Bacillus botulinus. Die Toxieität des Botulismusgiftes ist eine sehr hohe. Da der Bacillus botulinus nicht im lebenden Tierkörper zu wachsen vermag, so handelt es sich hier um eine reine Intoxikation. — Weiter- hin wäre hier eine Reihe von Krankheiten der Haustiere zu nennen, welche man als „Pilzvergiftungen“ bezeichnet. Die schädlichen Pilze können sowohl Bakterien, wie auch Schimmel-, Rost- und Brand- pilze sein. Stets handelt es sich hier um Aufnahme kranker, zersetzter oder „befallener‘‘ pflanzlicher Nahrungsmittel. Als krankheitserregendes Moment wird nach Friedberger und Fröhner zum Teil die Invasion der betreffenden Mikroorganismen (Pilze), zum Teil das von letzteren in den „befallenen“ Nahrungsmitteln gebildete Toxin angesprochen. Die Hauptwirkung dürfte in der Mehrzahl der Eälle dem Toxin zuzuschreiben sein, zumal da viele jener Mikroorganismen als Saprophyten nicht im lebenden Tierkörper zu wachsen vermögen. Wie bei den Fleisch- vergiftungen, handelt es sich auch hier vielfach um Massenintoxikationen, ein Umstand, der, wie schon erwähnt, eine Infektionskrankheit vorzu- täuschen besonders geeignet ist, insbesondere, wenn, wie es häufig der Fall, die Anamnese mangelhaft ist und die klinischen Symptome wenig charakteristisch sind. Enzyme. Es sind aber auch Intoxikationen denkbar, die in Bezug auf ihre Aetiologie ein besonderes Interesse beanspruchen — das sind Intoxikationen mit Substanzen, die an sich zwar keinebesonders hohe Toxicität besitzen, die aber bereits in kleinsten Mengen außerordentlich große Quantitäten bestimmter Stoffe chemisch umzusetzen imstande sind, ohne selbst dabei eine Zersetzung zu erleiden. — Substanzen mit der- artigen Eigenschaften bezeichnet man in der Chemie als katalytische oder katalysierende. | Umfangreiche und mannigfaltige katalytische Zersetzungen spielen sich im Lebensprozeß der Organismen ab. Insbesondere ist es die Umwandlung der nicht assimilationsfähigen Nährstoffe in assimilierbare Verbindungen, die zum größten Teil auf dem Wege der Katalyse ge- schieht. Die Katalysatoren sind hier hochkompliziert zusammengesetzte, wahrscheinlich den Eiweißkörpern nahestehende, eigentümliche Sub- stanzen: die ungeformten Fermente oder Enzyme. Die Enzyme sind Sekretionsprodukte gewisser Zellen. Ihre Thätigkeit, die, wie schon erwähnt, auf die Ueberführung der Nährstoffe in assimilierbare Form gerichtet ist, besteht in einer Spaltung kompliziert zusammengesetzter organischer Verbindungen in einfachere, indem dabei die Elemente des Wassers aufgenommen werden (Spaltung durch Hydratation, hydrolytische Spaltung). Obgleich die Enzyme Abkömmlinge lebender Zellen sind, so ist ihre Wirkung doch keineswegs von der lebenden Zelle abhängig; man kann die enzymbildenden Zellen abtöten oder durch Filtration von dem gelösten Enzym entfernen, ohne das letztere in seiner Wirkung irgendwie zu beeinträchtigen. Alle Enzyme vermögen bereits in den minimalsten 368 Ernst Joest, Mengen eine enorme Quantität Substanz zu zersetzen, ohne durch die angeregten chemischen Prozesseselbst verändert oder verbraucht zu werden. Nach Hammarsten') vermag z. B. das Labferment die 4—-800 000- fache Menge Kasein umzusetzen. Morgenroth benutzte zu seinen Versuchen ein Lab von der Wirkung 1:3 Millionen. Der Enzymwirkung ist hauptsächlich unbelebtes Nährmaterial unterworfen. Man kann indessen auch besondere, spezifisch wirkende Enzyme annehmen, welche eine Zersetzung lebenden Protoplasmas (lebender Körper- substanz) herbeizuführen imstande sind. Ich betone: be- sondere, spezifisch wirkende Enzyme, um damit zu sagen, daß ich hier keines der bekannten auf tote Materialien einwirkenden Enzyme im Auge habe, sondern Enzyme besonderer Art, deren Angriff sich hauptsächlich oder ausschließlich gegen die belebte Materie, das Protoplasma und eventuell gegen einzelne Arten desselben richtet. Die Annahme derartiger, auf lebendes Protoplasma spezifisch wirken- der Enzyme ist um so naheliegender, als wir durch die interessanten Untersuchungen Hildebrandt’s wissen, daß eine ganze Reihe der bekannten hydrolytischen Enzyme eine Giftwirkung im Tierkörper zu entfalten vermag. So töteten Pepsin, Invertase und Diastase Kaninchen in der Dosis von 0,1 g, Emulsin und Myrosin in der Dosis von 0,05 @. Hildebrandt beobachtete, daß die von ihm untersuchten Fermente, (lem tierischen Organismus subkutan oder intravenös einverleibt, mannig- faltige chemische Veränderungen an demselben hervorbringen. So be- wirkten die Fermente unter anderem eine Auflösung der roten Blutkörper- chen. Es handelt sich dabei „nicht um Aenderungen, die der Organismus an den Fermenten vornimmt, um sich ihrer zu entledigen, sondern nur um direkte Einwirkungen der -Fermente auf das Blut, und es liegt somit die interessante Thatsache vor, daß, wie die Fermente große Mengen ihrer typischen Substrate umzuwandeln vermögen, ohne selbst dabei in ihrer molekularen Konstitution sich zu verändern, sie auch imstande sind, an den roten Blutkörperchen Veränderungen hervorzurufen, ohne selbst nachweisbar zerstört zu werden“. Hildebrandt konstatierte, daß die verschiedensten hydrolytischen Fermente (in möglichster Reinheit an- gewandt) den gleichen klinischen Symptomenkomplex liefern. „Jedoch will keineswegs gesagt sein, daß die Fermente als solche die ge- schilderten Symptome erzeugen, es ist nicht unwahrscheinlich, bleibt aber weiteren Untersuchungen vorbehalten, daß jene hydrolytischen Fermente innerhalb der Körpersäfte und feuchten Gewebe des Organismus Gelegenheit finden, in fermentierender Weise Stoffe, Toxine zu bilden, welche ihrerseits erst diese Wirkungen entfalten.“ Um die Annahme von Enzymen, die lebende Körpersubstanz zu zersetzen imstande sind, verständlicher zu machen, muß ich an die vielen Analogieen erinnern, welche Enzyme und Toxine in ihrer Natur und Wirkung aufweisen: Beide sind Produkte lebender Zellen. Sie gleichen sich darin, daß sie bereits in den kleinsten Mengen wirken. Beide wirken spezifisch, d. h. sie wirken nur auf bestimmte Stoffe bezw. Protoplasmamoleküle u. s. w. Die Ueber- einstimmung besonders in letzterem Punkte legt die Auffassung nahe, daß das Enzym- molekül, ähnlich wie das der Toxine, eine haptophore und eine „zymophore“ Atom- gruppe (Morgenroth) besitz. Die haptophore Gruppe verankert sich an einer entsprechenden Seitenkette des betreffenden Stoffmoleküls und ermöglicht so der zymophoren Gruppe, ihre zersetzende Wirkung zu entfalten. Besitzt ein Proto- plasma die zu der haptophoren Gruppe eines bestimmten Enzyms passende Seiten- kette, so würde das letztere von dem betreffenden Protoplasma gebunden werden 1) Citiert nach Oppenheimer. Unbekannte Infektionsstoffe. 369 können, und die zymophore Gruppz des Enzyms würde ihre zersetzende Wirkung auf das Protoplasma ausüben können Bei der großen Zahl und Manniegfaltigkeit, welche die haptophoren Seitenketten des Protoplasmas nach der Ansicht Ehrlich’s aufweist. ist die Annahme von enzymbindenden Seitenketten in diesen oder jenen Protoplasma- molekülen des Organismus oder in verschiedenen Organismen durchaus denkbar. — Der Unterschied der Wirkungsweise der Toxine und Enzyme würde somit in einer Verschiedenheit der Wirkungsweise der toxo- bezw. zymophoren Gruppe begründet sein. Die toxophore Gruppe verursacht nach der Vorstellung Oppenheimer’s den „physiologischen Zerfall, den Tod der Zelle‘, während die zymophore Gruppe den „chemischen Zerfall des Molekular- komplexes“ auslöst. Die physiologische Wirksamkeit der toxophoren Gruppe würde sich (nach Oppenheimer) durch chemische Affinität erklären lassen, während man sich die Wirksamikeit der die Spaltung auslösenden zymophoren Gruppe, wie die einer einfachen katalytischen Substanz, denken könnte. Als Beispiel für die Existenz von Fermenten, die den Zerfall lebender Zellen bewirken, führe ich hier das Kom- plement Ehrlich’s (das Alexin Buchner's) an. Dasselbe ist als proteolytisches Enzym aufzufassen. Es wird durch Vermittelung des ‚mit zwei haptophoren Gruppen ausgestatteten Immunkörpers (Zwischen- ‚körpers) auf der Bakterienzelle fixiert und bringt dieselbe mittels seiner zymophoren Gruppe zur Auflösung. Auch die bakteriolytischen Enzyme („Nucleasen“) Emmerich und Loew’s würden hierher zu rechnen sein. Eine Zersetzung lebender Körpersubstanz durch Enzyme würde eine Schädigung des Organismus bedeuten, die dadurch noch verstärkt gedacht werden kann, daß die Zersetzungsprodukte (insbesondere die Abbauprodukte der Eiweißkörper) eine Giftwirkung entfalten!). Da diese Momente dieselben sind, wie wir sie als einen Hauptfaktor für das Zustandekommen der pathogenen Wirkung der Mikroorga- nismen kennen lernten, so dürfte das Bild einer durch spezifische Enzyme erzeugten Krankheit mit demjenigen einer echten, durch Mikro- organismen verursachten Infektionskrankheit eine gewisse Ueberein- stimmung zeigen. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Enzyme in kleinsten Mengen eine enorme Substanzmenge umzusetzen vermögen und daß somit bereits bei Uebertragung einer minimalen Menge wirk- samen Enzyms eine Erkrankung hervorgerufen werden könnte, so er- giebt sich, daß Intoxikationen mit geeigneten, auf lebende Körpersubstanz spezifisch wirkenden Enzymen, die man als „nathogene“ bezeichnen könnte, leicht imstande sein würden, echte Infektionskrankheiten vorzutäuschen. Für die uns hier interessierenden reinen Ferment-,„Intoxikationen“ würden, wie bereits oben gesagt, nur von Mikroorganismen außer- halb des Tierkörpers produzierten Enzyme?) in Betracht kommen können. Das Zustandekommen einer epidemieähnlichen Massen- 1) Eine solche Giftwirkung der Abbauprodukte der Eiweißkörper könnte man sich um so leichter vorstellen, als man weiß, daß die Wirkung der Enzyme „ausnahms- los mit einem mehr oder weniger frühen Stadium der Zersetzung abschließt“ (Neu- meister) und daß gerade die ersten noch sehr komplizierten Zwischenprodukte der Eiweißzersetzung vielfach eine starke Giftwirkung zu entfalten imstande sind. (Vergl. auch die Ansicht von S. Martin über die Entstehung des Diphtheriegiftes im infizierten Organismus. Dieser Autor nimmt an, daß das im infizierten Organismus gebildete Enexiegite in der Weise entsteht, daß der Diphtheriebacillus ein a produziert, welches aus dem Körpereiweiß das Gift abspaltet [?]). 2) Dieselben brauchten noch nicht einmal als fertige, aktive Enzyme zu entstehen, sondern sie könnten auch als Zymogene (Profermente) gebildet werden, die erst im Organismus durch „zymoplastische Momente“ (wie z. B. die Salzsäure des Magen- saftes) in die aktive Modifikation übergeführt würden. Erste Abt. XXXI. Bd, 25 370 Ernst Joest, erkrankung, wodurch leicht der Anschein einer echten Infektionskrank- heit erweckt werden könnte, würde man sich in ähnlicher Weise, wie beim Botulismus und ähnlichen toxischen Krankheiten vorzustellen haben. Es ist hier zu erwähnen, daß Dieckerhoff die Kreuzrhehe (Lumbago) des Pferdes als eine Intoxikation mit Stoffen auffaßt, die „im Körper durch die Wirkung eines spezifischen Fermentes auf die Albuminate des Blutes“ entstehen. Das Ferment, wie auch das von diesem aus dem Bluteiweiß abgespaltene Gift ist noch vollkommen unbekannt. Ob auch nicht zur Klasse der eigentlichen Enzyme gehörende organische katalysierende Stoffe, die lebende Körpersubstanz anzugreifen ver- mögen, vorkommen, muß vorläufig dahingestellt bleiben. Schleich ist allerdings zur An- nahme derartiger fermentativ wirkender Noxen geneigt. Hauptsächlich sind es zwei von diesem Autor beschriebene typische Wundkrankheiten !) (die „progrediente Fettnekrose mit Phlegmone“ und die „toxische Lymphangoitis diffusa‘“), die sich in ihrer Eigenart kaum anders, als durch Annahme einer (gleichzeitig mit einer Eiterkokkeninfektion statt- findenden) Intoxikation mit gewissen zersetzten organischen Stoffen, welchen Schleich eine fermentative Wirkung zuschreibt, erklären lassen. Wenn Schleich den exakten Beweis, daß es sich bei diesen Stoffen nicht nur um rein toxische, sondern auch um fermentative Wirkungen handelt, auch nicht erbracht hat, so sind die beiden von Schleich beschriebenen Krankheiten doch deshalb von besonderem Interesse, weil sie zeigen, wie Infektions- und Intoxikationsstoffe heterogener Natur zur Erzeugung eigenartiger, überaus charakteristischer Krankheits- bilder zusammenwirken können, und zwar derart, daß „die Bedingung zur Ansiedelung und besonderen Bewegungsrichtung (der Bakterien) vorbereitet wird durch eine gleichzeitige, die Widerstandskraft der Zellen akut oder chronisch paralysierende toxische Noxe“. Den derart mit einer Intoxikation komplizierten Parasitismus von Infektionserregern im Gewebe bezeichnet Schleich als „syntoxischen Para- sitismus“. Wenngleich positive Beweise dafür, daß durch fermentative auf die lebende Substanz spezifisch wirkende Stoffe Allgemeinerkrankungen in sedachter Art und Weise verursacht werden können, bis jetzt noch nicht vorliegen, so glaubte ich doch der Frage nach der Existenz der- artiger pathogener Agentien, lediglich als einer Möglichkeit, etwas nähertreten zu sollen. Hierzu wurde ich besonders ermutigt durch die Ergebnisse der Hildebrandt ’schen Untersuchungen über die physiologische Wirkung der Fermente, wie auch durch die neueren, allerdings noch hypothetischen Anschauungen über die Enzymwirkung, speziell über die Ursache der Spezifität der Enzymwirkung — Anschau- ungen, nach welchen die Enzyme den Toxinen außerordentlich nahe gerückt erscheinen. Der wesentlichste Unterschied zwischen der Wirkung von Toxin und Enzym würde, wie schon gesagt, darin bestehen, daß ersteres „den physiologischen Zerfall (den Tod)“, letzteres „den che- mischen Zerfall“ der angegriffenen Zelle herbeiführt. Unter der Voraus- setzung, daß es (noch unbekannte) Enzyme oder andere fermentativ wirkende Stoffe giebt, die bestimmte, lebende Körperelemente (bezw. Körperelemente bestimmter Tierspecies) anzugreifen imstande sind, er- scheint der Gedanke, daß solche Enzyme die Rolle von krankheitserzeugen- den Agentien zu spielen vermögen, durchaus naheliegend. 1) Näheres über diese beiden Krankheiten siehe bei Schleich, Neue Methoden der Wundheilung. HR. > EL 22, oa 2 Unbekannte Infektionsstoffe 371 III. Infektion oder Intoxikation ? — Experimenteller Nachweis (unbekannter) belebter Infektionsstoffe. Es bleibt jetzt noch die Frage zu erörtern, wie wir in zweifel- haften Fällen Intoxikation und Infektion auf experimen- tell em Wege mit Sicherheit unterscheiden können. Mit der Beantwortung dieser Frage erledigt sich auch die weitere Frage, wie wir experimentell den Nachweis des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins eines belebten Infektions- stoffes im einzelnen Falle führen können. — Denken wir uns beispielsweise bei mehreren Individuen den Fall einer plötzlichen schweren Allgemeinerkrankung, ohne einen genügenden anamnestischen Anhalt, einer Allgemeinerkrankung, deren klinisches Bild keine charakte- ristischen Erscheinungen darbietett und deren mikroskopische und kulturelle Untersuchung ein negatives Ergebnis lieferte. — Oder denken wir uns vor die Aufgabe gestellt, für eine Infektionskrankheit (wie z. B. die Maul- und Klauenseuche), deren Erreger weder mikroskopisch noch kulturell nachweisbar ist, unter Zuhilfenahme des Experiments den Beweis zu erbringen, daß das krankheitserregende Agens wirklich in einem belebten Wesen und nicht in einem unbelebten, „chemischen“ Stoff zu suchen ist. Zwei Wege stehen uns offen, um experimentell diese Frage zu ent- scheiden: Der biologisch-chemische Versuch und der Tier- versuch. | a) Der biologisch-chemische Versuch. Zum Studium der biologisch-chemischen Eigenschaften der Bakterien dient uns für en ihre künstliche Kultur in gewissen, meist flüssigen Nährmedien. Bei Krankheitserregern, die wir künstlich nicht zu kultivieren vermögen, sind wir auf die „natürliche Kultur“ des betreffenden Krankheitserregers im infizierten Tier- körper angewiesen. Die „natürliche Kultur“ bietet die günstigsten Verhältnisse für den biologisch-chemischen Versuch da, wo der betreffende Krankheitserreger in Massen in irgend einem flüssigen Medium im Organismus suspendiert ist. Gelingt es dann noch, durch geeignete Maßnahmen (z. B. Filtration), die den Krankheitserreger ent- haltende Flüssigkeit frei von allen anderen morphotischen Elementen (Körperzellen, etwaigen bakteriellen Verunreinigungen) zu machen, ohne denselben zu schädigen oder ihn in seiner Zahl erheblich zu vermindern, so haben wir eine natürliche Reinkultur in der Hand, die sich ähnlich wie eine künstliche Reinkultur in flüssigem Nähr- boden zu verschiedenen biologisch-chemischen Reaktionen benutzen läßt. — Der- artige günstige Verhältnisse liegen bei der Maul- und Klauenseuche vor, steht uns doch im Aphtheninhalt eine natürliche Kultur des Krankheitserregers zur Ver- fügung, die, im geeigneten Stadium der Aphtheneruption entnommen, meist an und für sich eine Reinkultur darstellt und die sich durch Filtration von allen morphotischen Elementen im gewöhnlichen Sinne einfach und sicher befreien läßt. Bei anderen Infektionskrankheiten mit unkultivierbaren Krankheitserregern, bei welchen man letztere nicht unter diesen äußerst günstigen Verhältnissen vorfindet, würde man je nach dem Vorkommen des Infektionsstoffes im Körper, Blut oder Organsäfte, Sekrete oder Exkrete nach Eliminierung der lebenden Körperzellen benutzen. Bei Lyssa würde in der Cerebrospinalflüssigkeit, die nach Pasteur den Erreger enthält, ein ähnlich günstiges Material, wie bei der Maul- und Klauenseuche sich bieten.) Das Studium der biologisch-chemischen Eigenschaften eines mikrobi- schen Krankheitserregers im allgemeinen hat sich zu erstrecken: 1) auf sein passives Verhalten gegenüber bestimmten physikalischen und chemischen Einwirkungen; 2) auf sein aktives biochemisches Verhalten (i. e auf seine biochemischen Leistungen). ad 1) Verschiedene äußere Einwirkungen physikalischer und che- - mischer Natur verursachen eine Schädigung niederer Organismen, die 25* 372 Ernst Joest, in ihrem Grade abhängig ist von der Art des ‚schädigenden Momentes, der Dauer der Einwirkung desselben und verschiedenen anderen Faktoren. Geringgradige Schädigungen kommen in der Abschwächung einer oder mehrerer Lebensäußerungen der betreffenden Mikroorganismen zum Ausdruck; stärkere Schädigungen bedingen Entwickelungshemmung ‘oder den Tod derselben. \ Von physikalischen Einflüssen, welche schädigend auf Mikroorganismen einwirken, sind als hauptsächlichste zu nennen: hohe und niedrige Temperaturen, Licht und Austrocknung. — Außerordentlich zahlreich sind die chemischen Mittel, welchen eine bakterienschädigende (antiseptische, desinfizierende) Wirkung zukommt. Weitaus die größte Mehrzahl dieser Mittel sind allgemeine Protoplasmagifte, d. h. sie entfalten ihre schädigende Wirkung jedem lebenden Protoplasma, also auch dem Bakterienprotoplasma gegenüber. Ein Teil von ihnen wirkt in etwas konzentrierterer Form auf Eiweißsubstanzen im allgemeinen als Fällungsmittel. ad 2) Die biochemischen Leistungen der Mikroorganismen sind lediglich ein Ausdruck ihres Stoffwechsels. Diese Leistungen be- stehen, wie weiter oben näher auseinandergesetzt wurde, einerseits in chemischen Umsetzungen des Nährmaterials, andererseits in der Abgabe von Stoffwechselprodukten an dasselbe Der in diesen beiden Phasen des Stoffwechsels sich abspielende komplizierte Chemismus der Mikroorganismen ist erst zu einem kleinen Teil näher erforscht; wir kennen bis jetzt nur verhältnismäßig wenige der während des Lebensprozesses der Mikroorganismen sich abspielenden chemischen Vorgänge und die bei denselben gebildeten Stoffe. Giebt es unter den biologisch-chemischen Eigen- schaften nun welche, die zum Nachweis unbekannter, be- lebter Infektionsstoffe geeignet sind, und die wir zur allgemeinen Unterscheidung von Intoxikation und In- fektion verwenden können? — Bei der Differentialdiagnose beider Krankheitsprozesse haben wir hauptsächlich die Intoxi- kationen zu berücksichtigen, welche unter Umständen eine Infektion vorzutäuschen geeignet sind — das würden, wie oben auseinandergesetzt, Intoxikationen sein mit Giften, die in minimalen Mengen an sich eine außerordentlich starke Wirkung ent- falten und ferner Intoxikationen mit Substanzen, die durch fermentative ‚Zersetzung der lebenden Körpersubstanz pathogen wirken. Das passive Verhalten der zu untersuchenden Noxe gegenüber physikalischen und chemischen Einwirkungen ist im allgemeinen weniger geeignet, in der angegebenen Richtung differentialdiagnostisch verwertet zu werden. — Was zunächst die physikalischen Einflüsse an- belangt, so wirken dieselben vielfach auf Toxine (Toxalbumine) und Enzyme fast in derselben Weise schädigend ein, wie auf belebte Infektionsstoffe. Auch von chemischen Mitteln, welche bakterien- schädigende Eigenschaften besitzen, beeinflussen einzelne auch Toxine und katalytisch (fermentativ) wirkende Substanzen. So werden Enzyme durch Sublimat, Mineralsäuren, Schwefelwasserstoff, Schwefelkohlenstoff, ‚Blausäure entweder dauernd oder eventuell nur vorübergehend (Blau- säure) unwirksam gemacht. (Genau dasselbe Verhalten den soeben ge- nannten Stoffen gegenüber fanden Bredig und Müller von Berneck bei kolloidaler Platinlösung, die die genannten Autoren deshalb als „anorganisches Ferment“ bezeichnen.) — Aus den vorstehend angegebenen Gründen ist deshalb auch der von Hecker angegebene, gleich zu erwähnende Versuch, der beweisen soll, daß die Maul- und Klauenseuche durch ein belebtes und nicht durch ein unbelebtes („chemisches“) Agens Unbekannte Infektionsstoffe. 373 verursacht werde, nicht ganz einwandsfrei. Hecker sagt!): „Daß wir es thatsächlich mit einem lebenden Krankheitserreger, nicht mit einem chemischen Agens zu thun haben, beweist folgendes leicht ausführbare Experiment: Impfen wir nämlich mit reinem Aphtheninhalt ein nicht immunes Rind, so wird dasselbe erkranken, setzen wir zu dem Aphtheninhalt eine geringe Menge eines beliebigen Desinficiens, so wird das Versuchstier auch erkranken. Steigern wir nun aber den Zusatz des Antiseptikums, so erfolgt keine Erkrankung mehr von einer gewissen Menge an. Das trifft bei jedem Desinficiens zu! Es kann daher nur eine Abtötung, nicht aber eine chemische Zersetzung vor- liegen. Ebenso erfolgt schon bei geringer Erwärmung, die chemische Stoffe sonst noch nicht beeinflußt, eine Aufhebung der Ansteckungs- fähigkeit.“ — Wie oben auseinandergesetzt, kommen bei der Annahme eines „chemischen“ Agens als ätiologischen Moments der Maul- und Klauenseuche Intoxikationen mit irgendwelchen gewöhnlichen, anorgani- schen oder organischen Giften nicht in Frage. Die nach meinen oben gegebenen Auseinandersetzungen in Betracht kommenden Substanzen, Toxine und fermentativ wirkende Noxen, werden aber sowohl durch einzelne Desinficientien (in einigermaßen konzentrierter Form), wie auch durch Erwärmung, in ähnlicher Weise, wie Bakterien, inaktiviert. Der Dialyse, eines Verfahrens, welches eine Trennung sog. krystal- loider (i. e. kleinmolekularer) Stoffe (z. B. Salze) von sog. kolloiden (i. e. großmolekularen) Substanzen und korpuskulären Elementen er- möglicht, können wir uns zur Entscheidung der Frage nach der Natur eines unbekannten krankmachenden Agens kaum bedienen; denn die Stoffe, welche hier differentialdiagnostisch in Betracht kommen (Toxine, Enzyme) zeigen kein so bestimmt ausgesprochenes Verhalten bei der Dialyse, daß sich dasselbe in dem angegebenen Sinne verwerten ließe. So dialysieren Toxalbumine nach Gotschlich sehr langsam oder gar nicht. Den Enzymen „muß (nach Oppenheimer) eine geringe Diffusibilität wohl zugeschrieben werden“. Von den Stoffen, welche ihre Entstehung dem aktiven Chemismus der Mikroorganismen verdanken, sind die _ meisten für sich kaum geeignet, zur näheren Bestimmung der Natur eines unbekannten krankheitserregenden Agens zu dienen. Denn die meisten derselben sind nicht notwendige Produkte des Stoffwechsels lebender Kleinwesen überhaupt, sie sind vielmehr einzelnen be- stimmten Mikroorganismen eigentümlich. Auch ist das Auftreten einzelner Stoffwechselprodukte von einer bestimmten Beschaffenheit des Nährmaterials abhängig. Wir bedürfen zum Nachweis des Vorhandenseins oder Nicht- - vorhandenseins vollkommen unbekannter, lebender Kleinwesen einer allgemeinen Lebensreaktion, und zwar einer solchen, die aus- schließlich an die lebende Substanz gebunden ist. Der Vorschlag G ottstein’s, die Zerlegung des Wasserstoffsuper- oxyds durch die Zellen als „makroskopische Reaktion für Bakterien“ Din zu benutzen, kann hier nicht in Betracht kommen, da die Fähigkeit, Wasserstoffsuperoxyd zu zersetzen, nicht nur lebenden Organismen, sondern auch abgetöteten Zellen und Fermenten (anorganischen wie _ organischen) zukommt. In dem Reduktionsvermögen lebender Organismen 1) Nach dem Bericht der Berl. tierärztl. Wochenschr. 1899. 374 Ernst Joest, scheint nun eine überaus charakteristische Reaktion für lebende Substanz aller Art (Mikroorganismen, isolierte lebende Körperzellen) gegeben zu sein, die den vor- stehend erwähnten Anforderungen durchaus entsprechen dürfte. Das Reduktionsvermögen ist eine Fähigkeit des lebenden Proto- plasmas. Es ist eine Folge des Stoffwechsels und damit des Sauer- stoffbedürfnisses der lebenden Substanz. Reduktionsvorgänge müssen überall da Platz greifen, wo lebende Mikroorganismen in einem Medium, welches reduzierbare Substanzen enthält, vorkommen. Sie müssen also vorkommen sowohl im lebenden infizierten Organismus, wie auch in der künstlichen Kultur. Daß Bakterien im infizierten Tierkörper reduzierend wirken, hat Labb& gezeigt. (Den Indikator des Reduktionsvorganges bildet hier der Blutfarbstoff.) Die Reduktions- vorgänge müssen auch dann vorkommen, wenn die betreffenden Mikro- organismen Aörobier sind und denselben der Sauerstoff der Luft zur Verfügung steht; denn auch diese Mikroorganismen bedürfen außer dem der atmosphärischen Luft entnommenen freien Sauerstoff noch der Aufnahme O-haltiger Atomgruppen des Nährmaterials!, Auch wird stets zu den tieferen Schichten eines mikroorganismenhaltigen Mediums der O der Luft zu wenig Zutritt haben, um dem starken O-Bedürfniss der Kleinwesen genügen zu können. Wir können künstlich die a&roben Mikroorganismen zur stärkeren Entfaltung ihrer Reduktionsthätigkeit zwingen, wenn wir ihnen vorübergehend die Zufuhr des O der Luft durch eine geeignete Versuchsanordnung abschneiden. Da die Reduktions- wirkung lebender Mikroorganismen in gewöhnlichen Substraten nicht - sinnlich wahrnehmbar ist, so müssen wir den letzteren Substanzen zusetzen, die leicht reduzierbar und unschädlich für lebendes Protoplasma, ihre Reduktion durch eine Farbenveränderung anzeigen. Solche Substanzen sind, wie Ehrlich zuerst zeigte, in zahlreichen natürlichen und künst- lichen Farben gegeben. Zur Demonstration der Reduktionswirkung be- dienen wir uns meist des Lakmusfarbstoffes oder des Methylenblaus, besonders aber des letzteren, weil es die vorstehend geforderten Eigen- schaften in vollem Maße besitzt. Das reduzierte Methylenblau (Leuko- methylenblau) ist farblos. Wenn wir somit eine dünne Lösung dieses Farbstoffes mit lebenden Zellen oder Bakterien in Kontakt bringen, so wird dieselbe in verhältnismäßig kurzer Zeit entfärbt. Die Reaktion bleibt aus, sobald die betreffenden Kleinwesen abgetötet sind. In richtiger Erkenntnis der Bedeutung dieser Farbenreaktion für die experimentelle Biologie haben M. Neisser und Wechsberg dieselbe zu einer Methode der „Bioskopie“ ausgebildet. Die Reaktion wird nach den beiden genannten Forschern in einfachster Weise folgendermaßen angestellt: In ein kleines Reagensröhrchen füllt man etwa 2 ccm einer (nicht zu stark verdünnten?) Bakterienaufschwemmung in physiologischer Kochsalz- lösung und setzt 2 Tropfen einer mit physiologischer Kochsalzlösung stark verdünnten Methylenblaulösung zu, so daß die Flüssigkeit eine deutliche Blaufärbung annimmt. Dann überschichtet man mit Paraffinum liquidum (zur Verhütung der Reoxydation des reduzierten Methylenblaus durch den Luftsauerstoff®) und bringt das Röhrchen für 1) Die Anaörobier decken ihren gesamten O-Bedarf durch Aufnahme O-haltiger Atomgruppen des Nährmaterials. Sie entfalten deshalb eine besonders energische Reduktionswirkung. 2) Denn beim Vorhandensein von nur wenigen Bakterienindividuen kann die Re- duktion natürlich nur unvollkommen, bezw. erst nach längerer Zeit eintreten. 3) Nach M. Neisser und Wechsberg. Die Ueberschichtung mit Paraffinum PITEEN Unbekannte Infektionsstoffe. 375 2 Stunden in den Thermostaten (37°. Nach Ablauf dieser Zeit erscheint die Flüssig- keit im Röhrchen, sofern es sich um lebende Zellen oder Organismen handelte, voll- ständig entfärbt '). Im Gegensatze zu dieser Wirkung lebender Organis- men brachten eine Reihe von Fermenten, sowie mehrere Toxine, wie die genannten Forscher fanden, unter den- selben Versuchsbedingungen keine Reduktion des Me- thylenblaus zustande. — Da es sich hier um eine Reaktion han- delt, die allen Lebewesen eigentümlich ist, da ferner gerade die Stoffe, welche unter Umständen ähnliche Krankheiten zu erzeugen imstande wären, wie die pathogenen Mikroorganismen, die Reaktion nicht zeigen, so scheint uns in der Methode der „Bioskopie“ ein außer- ordentlich wertvolles Hilfsmittel in die Hand gegeben zu sein, um „Lebewesen zu erkennen, welche unserer Be- obachtung bisher keinen anderen Anhaltspunkt als diese = Reduktionskraft bieten“ (M. Neisser und Wechs- erg). Ob die genannten Autoren ihre „bioskopische Methode“ zum Nachweis unbekannter Krankheitserreger schon verwandt haben, geben sie nicht an. Es wäre sehr erwünscht, wenn die Methode mit Rücksicht auf diesen Zweck näher geprüft würde). (Selbstverständlich dürfte nur von leben- den Körperzellen vollständig befreiter, infektiöser Liquor corporis zur Verwendung gelangen.) b) Der Tierversuch. Beim Tierversuche verfahren wir in der, Weise daß wir von dem spontan (primär) erkrankten Individuum eine kleine Menge Material (Blut, Organsaft, Sekret, Exkret, Exsudat etc.), welches das krankmachende Agens enthält, auf ein anderes Individuum möglichst derselben Species, oder wenn dies nicht angängig, auf ver- schiedene empfängliche Laboratoriumstiere übertragen. In den meisten Fällen wird sich die Frage, ob eine Infektion oder eine Intoxikation vorliegt, schon bei der ersten Uebertragung (ein empfängliches Versuchstier vorausgesetzt) entscheiden: Lag eine Infektion vor, so wird das Versuchstier (I) in derselben Weise erkranken, wie das spontan erkrankte Individuum. Uebertragen -_ wir von dem erkrankten oder gestorbenen Versuchstier I wieder eine _ kleine Menge wirksamer Körpersubstanz auf ein Versuchstier II, so wird - auch dieses ebenso erkranken. Von Versuchstier II können wir in der- selben Weise ein Versuchstier III infizieren, von dem Versuchstier III ein Versuchstier IV u. s. w. Stets erhalten wir bei beliebig vielen Weiterübertragungen einer kleinen Menge wirk- samer Körpersubstanz von Tier zu Tier dasselbe Krank- heitsbild, wie wir es bei dem primär erkrankten Indi- viduum kennen lernten. Hatten wir es bei dem primär erkrankten Individuum dagegen mit um 2 4 Lu 0 0 2 ac EZ a " ligquidum scheint meines Erachtens den Eintritt der Reaktion auch direkt dadurch zu _ befördern, daß einerseits Aörobiern der freie O der Luft entzogeu wird und sie so zu ade den Reduktionsthätigkeit gezwungen werden, daß andererseits Anaä@robier, i Fe e der freie O ein Gift ist, vor diesem Gifte geschützt werden. 1) Durch Kontrollröhrchen (ohne Mikroorganismen) kann man die Möglichkeit, daß die Reduktion etwa durch zufällig anwesende reduzierende chemische Substanzen _ herbeigeführt worden sein könnte, vollständig ausschließen. R 2) Ich selbst habe mich mehrfach bemüht, Maul- und Klauenseuchevirus, das m’ in Gestalt des frischen, filtrierten Aphtheninhaltes besonders zu dieser Prüfur eignet erscheint, zu erhalten. Leider waren meine Bemühungen bis jetzt ohr- 2 376 Ernst Joest, einer Intoxikation mit einem stark wirkenden Gifte zu thun, so wird beim Uebertragungsversuche Versuchstier I in den meisten Fällen gesund bleiben; denn das Giftquantum, welches wir bei der Uebertragung einer kleinen Menge gifthaltiger Körpersubstanz dem Versuchstier einverleiben, ist zu klein, um noch krankheitsauslösend wirken zu können. Nur wenige Gifte besitzen eine so außerordentlich hohe Toxicität, daß sich die Vergiftung mit einer kleinen Menge giftführender Körpersubstanz von dem primär erkrankten (vergifteten) Individuum auf ein Versuchstier (I) übertragen läßt. Stets muß aber auch bei den stärkstwirkenden Giften das Versuchstier sehr giftempfind- lich und das Verhältnis zwischen seinem Körpergewicht und der über- tragenen Giftmenge möglichst klein sein. Aber auch bei den stärksten Giften ist es nicht möglich, die Vergiftung von Versuchstier I auf ein Versuchstier II zu übertragen. — Ein außerordentlich stark wirkendes Gift ist beispielsweise das Tetanus- gift. Wenn wir von dem (gifthaltigen) Blute eines tetanuskranken Menschen oder Pferdes eine kleine Menge in die Bauchhöhle einer weißen Maus bringen, so erkrankt dieselbe an Tetanus!),, Nehmen wir von dem Blute dieser Maus I wieder eine kleine Menge und über- tragen dieselbe auf eine Maus II, so erkrankt. dieselbe nicht mehr. Ein ähnliches Ergebnis würde uns der Tierversuch auch bei einer Intoxikation mit einem fermentativ wirkenden Stoffe, welcher, in den Körper einverleibt, eine Zersetzung lebender Körper- substanz unter Bildung eines toxischen Prinzips bedingen würde, liefern. Selbstverständlich darf man bei derartigen Uebertragungsversuchen stets nur mit reinem, d. h. mit solchem Material operieren, welches frei von allen morphotischen Elementen im gewöhnlichen Sinne (Körper- zellen, bakteriellen Verunreinigungen u. Ss. w.) ist. Eine derartige Versuchsreihe hat Loeffler bei der Maul- und Klauenseuche angestellt. Die aus frischen Aphthen entnommene, verdünnte und durch Filtration bakterienfrei gemachte Lymphe wurde in der Menge von !/,, ccm auf ein Versuchstier (I) übertragen, welches in typischer Weise erkrankte. Von diesem Versuchstiere wurde wiederum !/,, ccm verdünnter und filtrierter Lymphe auf ein Versuchstier II übertragen u. s. w. Auf diese Weise konnte die Krank- heit durch eine Reihe von 6 Tieren hindurch mit Sicherheit von Tier zu Tier übertragen werden. „Nimmt man an“, sagt Loeffler, „daß das nach Injektion des ersten mit !/,, ccm filtrierter Lymphe erkrankte Tier in den bei ihm entstandenen Blasen 3 ccm Lymphe produziert hat, was sicher nicht zu hoch gerechnet ist, und nimmt man ferner an, daß die gesamte injizierte Lymphemenge in diesen 3 cem Lymphe wieder zur Ausscheidung gelangt sei, so ist in '!/,, ccm dieser Lymphe, welches Quantum nach vorausgegangener Filtration dem nächstfolgenden 1 R » 150.50 der ursprünglichen Lymphe vor- handen gewesen. Produziert dieses zweite Tier wiederum 3 cem Lymphe und wird von dieser Lymphe ebenfalls !/,, ccm einem dritten Tiere nach vorangegangener Filtration eingespritzt, so beträgt bei gleichen Voraus- setzungen das Quantum der ursprünglichen Lymphe, welches dieses Tiere eingespritzt wurde “ Aus Tetanuskulturen konnte Knorr ein Gift darstellen, dessen Giftwert für "se 1:150 Millionen betrug. 2 Unbekannte Infektionsstoffe. 377 1 dritte Tier erhalten hat, 50.150 50 u. Ss. f, bei dem vierten Tiere 1 2 1 1 1505.50’ bei dem fünften 1504.50° bei dem sechsten 1505 50° Rechnet man diese Zahl aus, so ergiebt sich, daß das 6. Tier weniger als ein Zweibilliontel (1/, 390 625 000 000) der ursprünglichen Lymphe erhalten haben muß. Da nun nach den früheren Versuchen der Kommission !/.o00o0 eem frischer Lymphe nicht mehr wirksam ist, so muß eine Re- produktion des Virus im Körper der mit der filtrierten Lymphe behan- delten Tiere stattgefunden haben.“ — Durch eine derartige Ver- suchsreihe hat Loeffler unzweifelhaft bewiesen, daß der Infektionsstoff der Maul- und Klauenseuche ein ver- mehrungsfähiges, also belebtes Agens ist!) Durch eine ähnliche, kleinere Versuchsreihe hat Koning auch bei der Mosaik- oder Fleckenkrankheit des Tabaks das Vorhandensein eines vermehrungsfähigen Infektionsstoffes bewiesen. Wenn auch für Lyssa, Rinderpest, Pocken und andere in- fektiöse Krankheiten mit unbekanntem Infektionsstoff derartige exakte ' Versuche zur Entscheidung der Frage, ob derselbe ein vermehrungs- fähiges, also belebtes Agens sei, meines Wissens nicht vorliegen, so sprechen doch die Ergebnisse der vielen natürlichen und künstlichen Uebertragungen entschieden auch bei diesen Krankheiten für die An- nahme eines belebten Infektionserregers. IV. Welche Umstände können Unkultivierbarkeit und Nicht- erkennbarkeit belebter Krankheitserreger bedingen? Nachdem wir gesehen haben, daß die Maul- und Klauenseuche und die Mosaikkrankheit der Tabakpflanze, sowie die Lyssa, die Pocken, die - Rinderpest und andere infektiöse Krankheiten durch ein Contagium vyivum erzeugt werden, wollen wir jetzt versuchen, ob wir über die unbekannten Erreger dieser Krankheiten Näheres ermitteln können. BzDiese Krankheitserreger konnten bis jetzt weder künstlich kultiviert, noch mikroskopisch nachgewiesen werden. Ursachen der Unkultivierbarkeit von Krankheits- erregern auf künstlichen Nährböden. Wenn wir von der künst- lichen Kultivierung pathogener Mikroorganismen sprechen, so müssen wir unterscheiden zwischen Protozoen und Protophyten (Bakterien). | Was zunächst die parasitischen Protozoen anbelangt, so ist ihre - Kultur trotz vieler Versuche in einwandsfreier Weise bis jetzt überhaupt noch nicht gelungen. Am meisten hat man sich mit der Züchtung von _ Amöben beschäftigt, angeblich mit gutem Erfolge. Doflein weist in- I) Was den von Loeffler ebenfalls zur Stütze der Annahme, „daß es sich bei dem Virus (der Maul- und Klauenseuche) um ein korpuskuläres und nicht etwa um ein gelöstes Agens handelt“, angestellte Versuch der wiederholten Fil- tration der Lymphe anbelangt, so ist demselben eine unbedingte Beweiskraft nicht zuzusprechen. Wenn auch der Umstand, „daß verdünnte Lymphe, welche wiederholt durch sehr dichte Kitasato-Filter hindurchgesaugt war, nicht mehr imstande war, empfängliche Tiere zu infizieren“, es sehr wahrscheinlich macht, daß der Infektionsstoff ein „korpuskuläres Agens“ ist, so ist doch bei einem derartigen Versuche mit der Möglich- keit zu rechnen, daß auch ein wirksamer gelöster (colloidaler) Stoff durch die Wirkung von Flächenanziehung bei mehrfacher Filtration in den dichten Filtern zurück- _ gehalten werden kann. 378 Ernst Joest, dessen bezüglich dieser Amöbenkulturen (insbesondere der Kulturen von „Strohamöben“) darauf hin, daß es sich hier in den meisten Fällen gar nicht um Amöben, sondern um Myxomyceten gehandelt haben muß. Es ist überhaupt sehr fraglich, ob es möglich ist, Amöben, die doch ge- zwungen sind, zu ihrer Ernährung feste Stoffe pflanzlicher oder tieri- scher Herkunft aufzunehmen, auf sterilen Nährböden zu kultivieren. Bei anderen parasitischen Protozoen sind Kulturversuche bis jetzt noch stets mißglückt. Es wäre aber durchaus falsch, wollte man darum aus dem Mißlingen eines Kulturversuches auf die Protozoennatur des betreffen- den Krankheitserregers schließen; denn auch Bakterien können, wie wir gleich sehen werden, unkultivierbar sein. Die meisten pathogenen Bakterien vermögen auf unserem ge” bräuchlichsten Nährboden, einer schwach alkalisch gemachten Pepton- Kochsalz-Fleischbrühe (Koch, Loeffler) oder den mit dieser „Nähr- bouillon“ hergestellten festen Nährböden (Nährgelatine, Nähragar) aus- gezeichnet gut zu wachsen. Wir kennen indessen auch viele pathogene Bakterien, die besondere Anforderungen an ihren Nährboden stellen. Vielfach läßt sich diesen besonderen Anforderungen durch Zusatz ge- wisser Stoffe zu den genannten Nährböden Rechnung tragen und so ein Wachstum erzielen. Es wäre nun möglich, daß einzelne der unbekannten Krankheits- erreger lediglich deshalb nicht in Reinkultur gebracht werden können, weil die geeigneten Zusätze zu obengenannten Nähr- böden (bezw. ein geeigneter Nährboden überhaupt) bis jetzt noch nicht herausgefunden werden konnten. — Bei der Lyssa konnte die „virulente Substanz“ auf gehirnsubstanzhaltigen Nährböden nach Babes „manchmal zur Vermehrung gebracht werden, ohne daß aber konstatiert werden konnte, welche unter den ver- schiedenen Granulationen den Mikroben darstellte und ohne daß das Virus mehr als 2 Generationen hindurch fortgezüchtet werden konnte“. Es könnte aber auch möglich sein, daß manche der unbekannten, Erreger überhaupt nicht künstlich kultivierbar sind, und zwar deshalb nicht, weil sie zu hohe Anforderungen an das Nährmaterial. stellen. Dieser Fall dürfte besonders bei obli- gaten Parasiten, die ausschließlich innerhalb des Tierkörpers zu wachsen vermögen, nicht selten vorkommen. Neuerdings hat man die Schwierigkeiten, welche die künstliche Kultivierung obligater bakterieller Parasiten bereitet, in sehr sinnreicher Weise durch die „Kultur in vivo“ zu umgehen versucht. Bei diesem Verfahren geht man nach Nocard und Roux in der Weise vor, daß man geeignetes Nährmaterial (Bouillon), nachdem dasselbe mit dem Versuchsvirus infiziert worden war, in dünnwandige, sterilisierte Collo- diumsäckchen füllt, dieselben verschließt und dann in den Körper (die Bauchhöhle) eines für das betreffende Virus empfänglichen Tieres ver- senkt. Die dünne Collodiummembran gestattet die Diffusion von ge- lösten Körperbestandteilen des Versuchstieres in die Nährflüssigkeit des Säckchens, verhindert aber den Austritt der betreffenden Mikroorganismen und schützt dieselben gleichzeitig vor den Angriffen der Leukocyten. Mit dieser Methode, die als eine Verbindung von natürlicher und künstlicher Kultur zu betrachten ist, gelang Nocard und Roux die bis dahin immer fehlgeschlagene Kultur des Lungen- seuchemikroben des Rindes. Auch bei der Maul- und Klauen- Bi Unbekannte Infektionsstoffe. | 379 seuche hat man dieses Verfahren versucht, ohne indessen einen zweifel- losen Erfolg erzielen zu können. Endlich wäre es noch möglich, daß das Mißlingen der künst- lichen Kultur eines Krankheitserregers nur ein schein- bares ist. Man würde sich denken können, daß der betreffende Mikroorganismus in einem künstlichen Nährboden sich wohl vermehrt, daß aber sein Wachstum in keiner Weise äußerlich bemerkbar wird. Handelt es sich in einem derartigen Falle noch dazu um einen Krank- heitserreger von außergewöhnlicher Kleinheit, so daß man ihn auch unter Zuhilfenahme des Mikroskopes nicht feststellen kann, so wird man die Kultur stets als mißlungen ansehen, wenn man nicht auch den Tierver- such bei der Beurteilung des Wachstums zu Rate zieht. — So bringt z. B. der Lungenseucheerreger nach Nocard und Roux bei seinem Wachstum in geeigneten künstlichen Nährböden so geringe Verände- rungen an letzteren hervor, daß dasselbe leicht übersehen werden kann. Nocard und Roux halten es deshalb für möglich, daß die künstliche Kultur des Lungenseuchemikroben schon früher gelungen ist, daß das Wachstum aber unbemerkt blieb. Wie aus dem vorstehend Gesagten hervorgeht, ge- stattet das Fehlschlagen des Kulturversuches bei einem unbekannten Infektionsstoffe durchaus keine Schlüsse, — weder in Bezug auf das Vorhandensein oder Nichtvor- handensein von belebten Krankheitserregern, noch in Bezug auf die Zugehörigkeit eines mikroskopisch nach- gewiesenen Krankheitserregers zu den Bakterien oder den Protozoen. Es mögen an dieser Stelle noch einige Worte über die angebliche Er- zeugung der Maul- und Klauenseuche und anderer Infektionskrank- heiten mit Reinkulturen irgendwelcher als Erreger der betreffenden Krankheit angesprochener Bakterien Platz finden. — Wie die Untersuchungen von Loeffler und Frosch gezeigt haben, kann keines der beschriebenen Bakterien oder protozoenähnlichen Gebilde als Erreger der Maul- und Klauenseuche angesehen werden. (Der Beweis für diese Behauptung läßt sich, wie wir weiter unten sehen werden, in einfachster Weise durch den Filtrationsversuch ganz einwandsfrei führen.) Trotzdem geben mehrere Forscher an, daß es ihnen gelungen sei, typische Maul- und Klauenseuche mit den Reinkulturen der von ihnen isolierten Bakterien zu erzeugen. Wie ist dies möglich ? Die Anforderungen, die wir nach Koch an einen Mikroorganismus stellen müssen, um denselben als spezifischen Erreger einer bestimmten Infektionskrankheit ansehen zu können, sind besonders bezüglich der Forderung, daß man mit Reinkulturen des betreffenden Bakteriums imstande sein müsse, die betreffende Krankheit in typischer Form wieder hervorzubringen, von vielen Forschern etwas leicht genommen worden. Es genügt nicht, daß es gelingt, mit der ersten oder zweiten Kulturgeneration, selbst wenn sie auch scheinbar eine Reinkultur darstellt, die Krankheit wieder zu er- zeugen. Bei Uebertragung von Material dieser ersten Kulturgenerationen ist es mög- lich, daß neben dem sichtbar gewachsenen Bakterium noch Spuren anderer aus dem Körper des erkrankten Individuums stammender Substanzen, welche den eigentlichen Infektionsstoff enthalten, mit, übertragen werden. Erst wenn es gelingt, nach vielen Kulturgenerationen durch Einverleibung des kultivierten Mikroorganismus in ein empfängliches Versuchstier die Krankheit in typischer Form hervorzubringen, kann der Beweis als erbracht gelten, daß der kultivierte und überimpfte Mikroorganismus der wirkliche Erreger der betreffenden Krankheit ist. Dabei ist es notwendig, alle äußeren Bedingungen für den Tierversuch so zu ge- stalten, daß eine zufällige Infektion mit dem zu erforschenden Infektionsstoff mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Ob dieser Punkt bei den Tierversuchen mit außerordentlich leicht übertragbaren Infektionsstoffen seitens mancher Forscher die nötige Beachtung erfahren hat, erscheint zweifelhaft. So müssen die erfolgreichen Ueberimpfungen der Variola bezw. der Vaccine mit Kulturen der gezüchteten Bakterien nach ©. Fraenkel „ohne Zweifel darauf zurückgeführt werden, daß trotz aller Vor- 380 Ernst Joest, sicht außer jenen Bakterien auch Spuren des eigentlichen, bisher immer noch unbe- kannten Infektionsstoffes verimpft worden waren, die an den Händen oder Kleidern der Experimentatoren, den Wandungen der benutzten Stallung u. s. w. gehaftet hatten“. Es muß gelingen, „die Krankheit auch in völlig seuchefreier Zeit und Gegend, in bis dahin unbenutzten Ställen und durch die Hand völlig unverdächtiger Untersucher zu erzeugen‘. — Bei vielen in der Litteratur beschriebenen erfolgreichen Uebertragungs- versuchen mit Reinkulturen von Bakterien bei bisher ätiologisch noch unaufgeklärten Infektionskrankheiten dürften jene Vorsichtsmaßregeln wohl nicht immer beobachtet worden sein. Wie wäre es denn sonst zu erklären, daß sich beispielsweise die Maul- und Klauenseuche mit den verschiedensten Bakterien erzeugen ließ (vorausgesetzt, daß es sich bei der erzeugten Krankheit stets um Maul- und Klauenseuche handelte)! — Es ist auch nicht als ausgeschlossen zu betrachten, daß sich ein noch unbekannter Infektionsstoff in unsichtbarer Form in den Kulturen in Gemeinschaft mit Bakterien fortpflanzt und vermehrt, gewissermaßen in Symbiose mit letz- teren. Wie schwer es sich oft erreichen Jäßt, einen ın seinem Wesen nicht näher bekannten Infektionsstoff von zufälligen bakteriellen Verunreinigungen zu trennen, zeigt ein Beispiel, welches Dönitz bezüglich des Wutvirus anführt: Das betreffende Virus war mit einer Bakterie vergesellschaftet, von der es sich anscheinend nicht trennen ließ; mit anderen Worten: durch die Verimpfung des diese Bakterie in scheinbarer Reinkultur enthaltenden Materials ließ sich stets Wut erzeugen. Erst nach vieler Mühe gelang es endlich, das Wutvirus von der Bakterie zu trennen. Welche Umstände können das mikroskopische Er- kennen von Krankheitserregern verhindern? Die Ursachen, aus welchen die unbekannten Erreger der Maul- und Klauenseuche, der Lyssa, der Pocken, der Rinderpest, der Mosaikkrankheit der Tabak- pflanze und anderer Krankheiten mikroskopisch nicht erkennbar bezw. nicht nachweisbar sind, können verschiedener Art sein. Einerseits wäre es möglich, daß die Mikroparasiten zwar die nötige Größe besitzen, um mikroskopisch wahrge- nommen werden zu können, daß sieindessen ausanderen Gründen bis jetzt nicht gefunden oder richtig erkannt wurden. Andererseits können die Mikroparasiten von Solcher Kleinheit sein, daß sie jenseits der Grenze der Sichtbar- keit stehen, also überhaupt nicht wahrnehmbar sind. Zu der Zeit, als die junge bakteriologische Wissenschaft ihren ge- waltigen Aufschwung nahm, als es gelang, die „Ursache“ vieler wichtiger Infektionskrankheiten der Menschen und der Tiere in Gestalt von Bak- terien aufzufinden, mochte wohl ziemlich allgemein die Ansicht vor- herrschen, daß alle Krankheitserreger in der Klasse der Spaltpilze zu suchen seien. Koch betonte indessen schon frühzeitig, daß diese An- sicht eine einseitige sei. Die weitere Verfolgung der ätiologischen Probleme hat denn auch gelehrt, daß neben den Bakterien noch eine andere Klasse des Protistenreiches einen großen Anteil an der Er- regung von Krankheiten besitzt — das ist die Klasse der Protozoen. Die Erkenntnis dieser Thatsache wurde für Manche die Veranlassung, nunmehr die Erreger aller derjenigen Infektionskrankheiten, deren Aetiologie sich nicht mit Hilfe der Bakteriologie aufklären ließ, unter den Protozoen zu suchen, und es wurde dann bald bei den ver- schiedensten pathologischen Prozessen über Protozoenfunde berichtet. Die Zahl der Allgemeinkrankheiten des Menschen und der Haustiere, die unzweifelhaft auf Protozoeninfektionen zurückgeführt werden müssen, ist aber trotzdem bis heute noch recht beschränkt geblieben. Hier sind beispielsweise zu nennen: Die Malaria des Menschen, das Texasfieber des Rindes, die Tsetsefliegenseuche oder Surrakrankheit des Rindes und Pferdes und die seuchenhafte Hämoglobinurie des Rindes. > Unbekannte Infektionsstoffe. 381 Durch die großen Entdeckungen auf dem Gebiete der krankheits- erregenden Bakterien war man an nur wenige typische, immer wieder- kehrende Formen der Krankheitserreger gewöhnt worden, deren Wahr- nehmung und Erkennung im allgemeinen keinen großen Schwierigkeiten begegnete. Der Formenreichtum und der größere Entwickelungskreis der Protozoen legte dagegen der ätiologischen Forschung größere Hindernisse in den Weg und gab zu vielen Irrtümern Veranlassung. Sehen wir ab von den nicht seltenen Verwechselungen von irgendwelchen Fremdkörpern mit Protozoen (ich erinnere nur an den im Schweine- körper gefundenen Haplococcus [Zopf|, bei dem es sich [nach Dof- lein] nicht um einen „Schleimpilz“, sondern um eine zufällige Verun- reinigung des Schweinefleisches mit Bärlappsamen handelte — ferner an die Verwechselung von Coccidien mit Distomeneiern — endlich an den Vorwurf, der Schüller bezüglich seiner Krebsparasiten, welche [nach Völcker] Korkzellen sein sollen, gemacht worden ist), so ist es besonders die Aehnlichkeit der Protozoen mit normalen oder patho- logisch veränderten Gewebszellen oder mit Bestandteilen derselben, welche Anlaß zu vielfachen Irrtümern gab und noch giebt. So wurden nicht selten losgelöste Flimmerepithelzellen, bezw. amöboid bewegliche Körperzellen für Infusorien, bezw. für echte Amöben gehalten und in Beziehung mit verschiedenen Krankheiten gebracht. So ist die als Er- reger der Maul- und Klauenseuche angesprochene „Protomoeba aphthogenes“ (Piana und Fiorentini) nach Doflein kaum etwas anderes als eine losgelöste Gewebszelle oder ein Leukocyt gewesen. Aehnliches dürfte für eine ganze Reihe anderer, in der Litteratur be- schriebener protozoischer Krankheitserreger gelten. Bei den Bakterien, die im allgemeinen mit sehr typischen, von der Erscheinung der Körperzellen und ihren Bestandteilen so abweichen- den Formeigenschaften begabt sind, kann allerdings eine Verkennung der Parasiten weniger leicht vorkommen. Möglich ist sie aber auch hier. Beispielsweise werden Granulationen der im Bindegewebe so häufig an- zutreffenden „Mastzellen“ (Ehrlich) nicht selten für Mikrokokken an- gesehen. Die Verwechselung kann um so leichter vorkommen, als die Granula sich ebenso wie die Mikrokokken nach Gram färben. (Sie unterscheiden sich von letzteren aber durch ihre ungleiche Größe und ihre etwas unregelmäßigen Konturen. So gut aber Irrtümer nach der angegebenen Richtung hin vorge- kommen sind, ebenso gut ist es denkbar, daß man Mikroparasiten zwar gesehen, aber nicht als solche erkannt hat, bezw. nicht als solche identifizieren konnte. — Welche Schwierig- keiten die richtige Beurteilung besonders von protozoenähnlichen Ge- bilden bei Infektionskrankheiten und die Identifizierung solcher Gebilde als Erreger der betreffenden Krankheit bereitet, zeigt so recht deutlich die Frage nach der ätiologischen Bedeutung der Vaccinekörper- chen, des Cytoryctes vaccinae s. variolae Guarnieri. Guarnieri fand 1892 diese Körperchen im präpustularen Stadium bei Variola als Zelleinschlüsse des Rete Malpighi. Es gelang ihm ferner, diese Körperchen auf die Cornea des Kaninchenauges überzuimpfen und hier zur Vermehrung zu bringen. Die Vaceinekörperchen stellen kleine, stark färbbare Körperchen von verschiedener Gestalt und Größe dar (die größten Körperchen erreichen nach v. Wasielewski eine Größe von 5—8 u) und liegen innerhalb eines hellen Hofes im Protoplasma der Epithelzellen neben deren Kern. 382 Ernst Joest, Die Frage, ob wir in denVaccinekörperchen den Vacecine- (und Variola-) erreger vor uns haben, oder ob dieselben lediglich Zelldegenerations- formen sind, konnte trotz der eingehendsten Forschungen auf diesem Ge- biete in unzweifelhafter Weise bis jetzt noch nicht entschieden werden. In einer jüngst erschienenen Arbeit tritt v. Wasielewski warm für die erstere Auffassung ein. Auf Grund einer kritischen Würdigung aller über die Vaccinekörperchen seither publizierten Thatsachen und auf Grund seiner eigenen Untersuchungen kommt v. Wasielewski zu dem Schlusse, daß „die Annahme Guarnieri’s, daß die Vaceinekörperchen selbst die Vaccineerreger sind, als sehr wahrscheinlich be- zeichnet werden muß“. Da die parasitischen Protozoen, wie ich schon bemerkte, einen größeren Entwickelungskreis besitzen und da die einzelnen Stadien dieses Entwickelungskreises vielfach große morphologische Verschiedenheiten zeigen, so kann uns ein und dasselbe Protozoon je nach seinem Ent- wickelungsstadium in sehr verschiedener Gestalt begegnen. Die Identi- fizierung derartig „polymorpher“ protozoischer Mikroparasiten wird da- durch oft außerordentlich erschwert, und das um so mehr, wenn einzelne Formen Aehnlichkeit mit normalen oder pathologisch veränderten Körperelementen besitzen. Es wäre weiterhin auch möglich, daß parasitische Mikroorganismen deshalb nicht erkannt werden können, weil sie unserem gebräuch- lichen mikrochemischen Reagens, der Färbung, gegenüber sich abweichend verhalten. Das abweichende Verhalten könnte sich sowohl in der Nichtfärbbarkeit, wie auch in einer anderen Farbenreaktion ausprägen. Insbesondere ist das Versagen der Färbung von besonderer Bedeutung für die Nichtauffindung von Mikro- parasiten, die in ungefärbtem Zustande als solche schwer zu erkennen sind. Ueber die Ursache der Nichtfärbbarkeit von Krankheitserregern bakterieller Natur ist folgendes zu bemerken: Bei jeder Protoplasmafärbung kommen zwei Momente in Betracht!): 1) ein chemisches, die Affinität des betreffenden Protoplasmas zu dem Farbstoff; 2) ein physikalisches, die Möglichkeit, daß die Farbstoffmoleküle durch Imbibition oder durch Diffusion auf dem Wege der Molekularinterstitien zu den Protoplasmamolekülen zu gelangen imstande sind. Das Bakterienprotoplasma hat, wie die Zellkerne, eine besondere Affinität zu basischen Anilinfarben. Auch die Bak- terien, die bei gewöhnlicher Applikation der Farbstoffe ungefärbt bleiben oder der Färbung einen gewissen Widerstand entgegensetzen (wie z. B. der Tuberkelbacillus) be- sitzen die normale Affinität zu Farbbasen. Die Schwierigkeit der Färbung erklärt sich hier durch eine besondere physikalische Beschaffenheit des Bakterienleibes, die das Eindringen des Farbstoffes erschwert. Wir müssen annehmen, daß alle Bakterien Affinität zu basischen Anilinfarben besitzen und daß ein Versagen der Färbung stets auf besonderen physikalischen Strukturverhältnissen der be- treffenden Bakterienart beruht. — Für die parasitischen Protozoen, für die jene beiden soeben angeführten Momente natürlich auch in Betracht kommen, besitzen wir solch charakteristische Farbreaktionen, wie wir sie für die Bakterien kennen, im allgemeinen nicht. Für die Feststellung der Erreger vieler Infektionskrankheiten ist es wichtig, die Fundstätten der ersteren im Körper zu kennen. Für gewöhnlich suchen wir die Krankheitserreger in den erkrankten Partieen, in den Krankheitsprodukten oder bei Allgemeininfektionen in den Körper- säften und den inneren Organen des erkrankten Individuums. Nicht selten kommt es aber selbst bei Krankheiten, deren Aetiologie vollkommen 1) Siehe auch Joest, Grundzüge der bakteriologischen Diagnostik. Pr | Unbekannte Infektionsstoffe. 333 aufgeklärt ist, vor, daß wir die Erreger weder im Blute noch in den pathologisch veränderten Geweben finden, sei es, weil sie aus ersterem verschwunden, sei es, weil sie in den letzteren abgestorben und zerfallen sind. Etwas Aehnliches wäre auch bei einzelnen ätiologisch noch un- aufgeklärten Infektionskrankheiten denkbar. Auch wäre es möglich, daß die Krankheitserreger in so geringer Zahl vorhanden sind, daß sie aus diesem Grunde sich leicht dem mikroskopischen Nachweise entziehen (z. B. Bakterien, die in der Hauptsache rein toxisch wirken). Endlich wäre noch die Möglichkeit zu berücksichtigen, daß die in Bezug aufihre Aetiologie zu erforschende Infektions- krankheit nichtaufeinen Erreger zurückzuführen ist, son- dern daß sieinihrer typischen Form dem Zusammenwirken mindestens zweier Mikroorganismen (Bakterien) ihr Auf- treten verdankt; daß es sich also nicht um eine einfache In- fektion, sondern um eine Mischinfektion handeln kann. Es sind weniger die zahlreichen und verschiedenartigen accidentellen Misch- und Sekundärinfektionen (bei ätiologisch bekannten Infektionskrankheiten), die hier in Betracht kommen. Es interessieren uns vielmehr hier die Mischinfektionen, beidenen dasZusammenwirken mindestens zweier verschiedener Arten von Bakterien notwendigist, umein bestimmtes,typisches Krankheitsbild zuerzeugen. Bei derartigen Mischinfektionen würden wir in Bezug auf die Pa- thogenität der beteiligten Bakterienarten mit drei Möglichkeiten zu rechnen haben: 1) Beide Arten sind auch jede für sich allein patho- gen, aber in anderem Sinne, als wenn sie gemeinschaftlich wirken. 2) Die eine Art ist pathogen, die andere nicht. 3) Beide Arten sind jede für sich allein nicht pathogen. Fall 2 (bezw. Fall 1) dürfte beim Tetanus und bei anderen durch Anaörobien bedingten Infektionen vorliegen. „Die anaöroben Krankheitserreger scheinen geradezu der Beimischung anderer Bakterien zu bedürfen, um zur Wirkung zu kommen“ (Kruse). Für den am interessan- testen erscheinenden Fall 3 ist-mir ein Beispiel aus der Pathologie nicht bekannt. Indessen ist ein solches in Bezug auf die Erregung von Gärung beschrieben. Burri und Stutzer berichten über den Fall einer Mischkultur zweier Bakterienarten, welche starke Gärung bedingte, während jede der beiden Bakterienarten für sich allein in dem- selben Nährboden keine Gärung erzeugte. Ein ähnliches Verhältnis zwischen zwei an sich unschädlichen Mikroorganismen wäre auch in Bezug auf Krankheitserregung denkbar. Unsere bakteriologischen Unter- suchungen zielen aber stets dahin, die bei einer Krankheit gefundenen Bakterienarten kulturell zu isolieren, um die so erlangten Reinkulturen auf ihre Fähigkeit, die typische Erkrankung wieder zu erzeugen, im Tierversuche prüfen zu können. Wird bei einem derartigen Vorgehen die Möglichkeit, daß es sich bei der betreffenden Krankheit um eine Mischinfektion handeln könnte, nicht berücksichtigt, so kann der eventuell negative Ausfall des Versuches die Identifizierung selbst gut sichtbarer und kultivierbarer Krankheitserreger sehr erschweren bezw. ganz unmög- lich machen. Also auch mit diesem Falle müssen wir bei dem Abwägen der Möglichkeiten, welche die Identifizierung von Krankheitserregern ver- hindern können, rechnen. Wie bereits oben gesagt, ist weiterhin der Fall möglich, daß die unbekannten Mikroparasiten von solch minimaler Größe sind, daß sie jenseitsder Grenze der Sichtbarkeitstehen, Ei 384 Ernst Joest , Unbekannte Infektionsstoffe. daß sie also überhaupt nicht sinnlich wahrgenommen werden können. Bevor wir uns mit der interessanten Frage nach der Grenze der Sichtbarkeit etwas näher befassen, erscheint es nützlich, daß wir uns vorher über die Maße, die zu Messungen sehr kleiner Größen Anwendung finden, informieren. — Für kleine Längen der makroskopisch sichtbaren Welt benutzen wir als Maß den tausendsten Teil des Meters, das Millimeter (mm). Für mikroskopische Längen dient uns der tausendste Teil des Millimeters, das Mikron (u) als Maßstab. Die Physiker und Chemiker, die mit noch weit kleineren Größen zu rechnen haben, teilen das Mikron noch einmal in tausend Teile und nennen einen dieser Teile ein Millimikron (mu). — Als Bei- spiele für die Größenverhältnisse im Mikrokosmos möchte ich (zum Teil nach Erdmann und Flügge) folgende Größen anführen: Untere Grenze für das Zeichnen (mit unbewaffnetem Auge) 0,1 mm Durchmesser der Erythrocyten des Menschen M Größe des Milzbrandbacillus 1-125:3=7° u Größe des Schweinerotlaufbacillus 0,2:0,6—18 u Größe des Pfeiffer’schen Influenzabacillus 02—0,3:05 u Wellenlänge des roten Lichtes (Linie A) 0,76 u Wellenlänge des gelben Lichtes (Linie D) 0,59 u Wellenlänge des blauen Lichtes (Linie G) 0,43 u. Wellenlänge des violetten Lichtes (Linie H 0,39 u Abstand der Gasmoleküle tm Größe der mehratomigen Moleküle 0,3—0,8 mu Untere Grenze der Molekulargröße (einatomige Moleküle) 0,03—0,05 mu. Früher hatte man geglaubt, daß es nur von der Güte der Linsen und der Konstruktion des Mikroskopes abhänge, die Vergrößerung be- liebig weit zu treiben, daß also das immer weitere Eindringen in die Geheimnisse des Mikrokosmos mit Hilfe des Mikroskopes lediglich eine Frage der Technik sei. Helmholtz und Abbe zeigten indessen fast gleichzeitig, daß es für das mikroskopische Sehen eine Grenze giebt, die niemals überschritten werden kann, selbst wenn die Technik uns auch noch so verfeinerte Instrumente liefert. (Schluß folgt.) Inhalt. Originalmitteilungen. Joest, Ernst, Unbekannte Infektionsstoffe, P::361, Vaerst, Karl, Immunisierung gegen Milz- brand mit Pyocyanase und Kombinationen derselben. [Schluß], p. 348. Baruchello, Leopold, Les manifestations de la sepsis dans la psoriasis, p. 337. Belli, C. M., Der Einfluß niederster, mit flüssiger Luft erhaltener Temperaturen auf die Virulenz der pathogenen Keime, pP: 855; Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg ji. Pr. herausgegeben von Dr. O0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXIT. Band. —- Jena, den 5. April 1902. —- No. 9. Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg, für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. 0 rigi nal-M ittei lun gen. Nachdruck verboten. Ein neuer der Gruppe des B, coli commune verwandter, für Mäuse und Meerschweinchen pathogener Mikro- organismus (Bacillus caseolyticus). [Aus dem Hygienischen Institut der Universität Gießen.] Von Dr. Felix Lochmann. Bei 4 Meerschweinchen, welche mit einer Reinkultur von Tuberkel- bacillen infiziert waren, wurde nach dem vor Eintritt allgemeiner Tuber- kulose erfolgenden Tode aus den inneren Organen ein Bacillus isoliert, der mit keinem der bisher bekannten Mikroorganismen identifiziert werden konnte. Morphologisch stellte er sich dar als Stäbchen mit abgerundeten Enden, dem Typhusbacillus ähnlich, nur von etwas geringerem Dicken- Erste Abt. XXX. Bd. 26 386 Felix Lochmann, durchmesser; wie dieser innerhalb gewisser Grenzen variierend. In 24-stündigen Agarkulturen meist nur kurze Individuen zeigend, wuchs er in 5-tägigen Agarkulturen mitunter zu längeren Scheinfäden aus. 4—8 peritriche Geißeln, die nach der Methode van Ermenghem leicht gefärbt werden konnten, vermittelten die lebhaften Eigenbewegungen des Bacillus. Er färbte sich in Ausstrichen von Reinkulturen leicht mit den gebräuchlichen Anilinfarben, schwerer im Gewebe, nicht nach Gram. Sporenbildung wurde nicht beobachtet; Vakuolen wurden namentlich in älteren Kulturen häufig gesehen. Der Bacillus wuchs a@rob und anaörob sehr reichlich bei Zimmer- temperatur, noch besser bei 37° auf allen gebräuchlichen Nährböden. Auf Agar zeigten die einzelnen oberflächlichen Kolonieen anfangs einen leicht perlmutterähnlichen Glanz. Im Gelatinestich entwickelte sich die Kultur ohne Verflüssigung in der Form eines Nagels mit flachem Kopf. Auf der Gelatineplatte erschienen die tiefer liegenden Kolonien von runder Gestalt, bräunlich, fein granuliert. Die oberflächliche Kolonie zeigte ungleichmäßige Begrenzung und ließ, von oben gesehen, 4 Zonen unter- scheiden. Das Centrum glich den Tiefenkolonieen, darauf folgte eine hellere, ganz fein granulierte Zone, darauf eine solche mit radiärer Streifung, welche den Ausdruck einer welligen Unebenheit der Ober- fläche darstellte. Die Peripherie endlich wurde durch eine Zone mit un- gleichmäßiger Aderzeichnung gebildet. Von oben gesehen, ragte das Centrum aus dem übrigen Niveau der Kolonie hervor. Bouillon trübte sıch bei 37° in wenigen Stunden, nach einigen Tagen bildete sich ein wolkiger Bodensatz. Hautbildung war zuweilen angedeutet. Auf der Kartoffel entstand im Bereich des Impfstriches nach 2—3 Tagen eine dicke Auflagerung, die sich allmählich bräunlich färbte und nach den Seiten ausdehnte. Auf manchen Kartoffeln blieb das Wachstum aus. Milch wurde nicht zur Gerinnung gebracht, die Reaktion wurde stärker alkalisch; dabei veränderte sich das Aussehen der Milch; sie wurde all- mählich durchsichtig, von gelblicher Farbe und hatte nach etwa 4 Wochen das Aussehen der peptonisierten Milch!). Der chemische Nachweis des Peptons war indessen nicht zu erbringen ?). Es wurde das Casein vor- sichtig mit verdünnter Essigsäure ausgefällt; das Filtrat gab eine schwache, aber deutliche Biuretreaktion (Albumosen). Es wurde weiterhin mit Zinksulfat gesättigt, wobei ein geringer Niederschlag von Albumosen ausfiel, von diesem abfiltriert, und das Filtrat wiederum auf Biuretreaktion geprüft; es trat keine Rotfärbung der Flüssigkeit ein, Peptone waren in nachweisbarer Menge nicht vorhanden. Es wäre möglich, daß das Casein sofort weiter in seine Endprodukte gespalten wird und Albumosen und Peptone nur vorübergehend und in geringen Mengen nachweisbar werden. Die sichtbare Veränderung der Milch war zu groß, um durch die Steigerung der Alkalescenz allein hinreichend erklärt zu werden. In Reagenzglaskulturen, mit Nährböden, welche Trauben-, Rohr- und Milchzucker zu 2 Proz. enthielten, entwickelte sich sehr lebhafte Gasbildung, die übrigens auch gelegentlich in Nährböden ohne Zuckerzusatz beobachtet wurde. Entsprechend dem Fehlen von Dauerformen, wurde der Bacillus in 1) Zeitschrift f. Hyg. Bd. XVII. p. 293. 2) Ich bin für die Unterstützung bei der chemischen Untersuchung Herrn Privat- docenten Dr. Kutscher (Marburg) zu Dank verpflichtet. we. * A A N EEE U EN Ein neuer für Mäuse und Meerschweinchen pathogener Mikroorganismus. 387 Bouillonkulturen schon bei 5 Minuten langem Verweilen in 70° © sicher abgetötet. Pathogen zeigte er sich sowohl subkutan als auch bei Fütterung für Mäuse und Meerschweinchen, bei Kaninchen erzeugte er, subkutan ein- gebracht, lokale Abscesse „ohne Allgemeinerkrankung. Zur Prüfung wurden 4S-stündige Bouillonkulturen verwendet. 0,5 g töteten eine Maus subkutan in 20 Stunden, O,1 in 60 Stunden, 0,0025 und 0,00025 (!/;, Oese) in 4-5 Tagen. Meerschweinchen starben bei subkutaner Infektion mit Dosen von 0,5 und 0,0025 in 6 bezw. 9 Tagen. Von 3 Mäusen, die 5 Tage lang mit je einer Bouillonkultur gefüttert worden waren, starb eine nach 4 Tagen. 2 Meerschweinchen, die mittels der Magensonde 10,0 bezw. 2,0 Bouillonkultur erhalten hatten, starben am 3. bezw. 16. Tage; ein drittes, das nur 1,0 erhalten hatte, blieb am Leben. Bei sämtlichen an der Infektion gestorbenen Tieren konnten aus Milz und Leber, meist auch aus dem Herzblut Bacillen mit allen oben angeführten Eigenschaften durch die Kultur in großen Mengen nachgewiesen werden. Einbringen der Bacillen in den unverletzten Conjunctivalsack von Mäusen und Meerschweinchen erwies sich als wirkungslos. Toxine scheinen nicht in wirkungsvoller Menge gebildet zu werden. 4-tägige Bouillonkultur wurde durch ein Chamberland-Filter filtriert, das Filtrat war in der Dosis von 1,0 g subkutan wirkungslos, ebenso eine ganze, in 1 cem Bouillon aufgeschwemmte 48-stündige Agarkultur, die 5 Minuten einer Temperatur von 70° CO ausgesetzt gewesen war. Die Sektionsbefunde der an der subkutanen sowie intestinalen In- fektion eingegangenen Tiere ergaben folgendes Bild: Als konstanter Befund ergab sich: Etwas seröser Erguß in der Bauchhöhle; Injektion der Darmschlingen; Leber geschwollen, hyperämisch; Niere, Neben- niere hyperämisch. Als häufiger Befund wurde konstatiert: Oedem der Bauchhaut; Dünndarm stark gefüllt mit gelblichem, flüssigem, mit Gasblasen durchsetztem Inhalt; auf Leber und Milz grauweißliche Auf- lagerungen, die mikroskopisch massenhaft Bacillen enthielten ; seröser Erguß in der Pleurahöhle. Mikroskopisch zeigten sich im Blut und in den Örganausstrichen meist nur vereinzelte Bacillen, weit weniger, als man nach dem Ergebnis der Kultur hätte erwarten sollen. Die Bacillen sind offenbar im Gewebe durch Anilinfarben nur schwer darzustellen. In einem Falle war das Blut mit Bacillen überschwemmt, vielfach lagen sie dabei zu kleinen Häufchen in Zellen, meist auf den Kernen der- selben. In Schnitten ergab sich in der Leber beginnende Degeneration der Leberzellen, die Bacillen lagen entweder zwischen diesen oder in den Blutgefäßen. Auch in den Schnitten aus der Milz wurden Baecillen nachgewiesen. Die Kapillaren schienen erweitert. Diese Befunde dürften wohl als der Ausdruck einer akuten Enteritis zu deuten sein, verbunden mit Peritonitis und allgemeiner Septikämie. Was die Stellung des Bacillus im System anlangt, so möchte ich ihn der Gruppe des B. coli commune zuzählen. In seinem morpho- logischen Verhalten, dem Wachstum auf der Kartoffel, der Fähigkeit, Zucker zu vergären, zeigt er charakteristische Merkmale dieser Gruppe. Von dem als typisch beschriebenen B. coli commune unterscheidet er sich namentlich durch sein Verhalten in Milch und seine Patho- genität für Tiere bei Fütterung; auch die Indolreaktion fehlt. Diffe- rentialdiagnostisch kommen ferner in Betracht: 26* 388 J. Bernheim-Karrer, 1) B. enteritidis (Gärtner)!), bildet Toxine, die gegen 100° widerstandsfähig sind, und wächst bei Luftabschluß nur mangelhaft. 2) B. Breslaviensis (Käusche, van Ermenghem?), bildet widerstandsfähige Toxine. 3) B. Friedebergensis (Gaffky, P,aak)°), wächst auf Gelatine in runden Oberflächenkolonieen, vergärt Zucker nur gering, für Kaninchen pathogen, erzeugt beim Meerschweinchen nach der Fütterung eirkum- skripte Degenerationsherde in der Leber. 4) B. Bremensis febris gastricae (Kurth)‘), wächst auf Gelatine wie voriger, Geißeln wie B. typhi abdom., geringere Patho- genität, bei Fütterung nicht pathogen. Hiernach dürfte der beschriebene Bacillus dem B. Friede- bergensis am nächsten stehen und neben diesem in die Gruppe des B. coli commune zu rechnen sein. Der Name wurde mit Rücksicht auf die durch den Bacillus erzeugte Veränderung der Milch gewählt. Nachdruck verboten. Untersuchungen über das Fibrinferment der Milch. [Aus dem hygienischen Institute der Universität Zürich.) Von Dr. J. bernheim-Karrer, Docent für Kinderheilkunde in Zürich. In einer jüngst erschienenen Mitteilung Moro’s und Ham- burger’s (1) über eine neue Reaktion der Frauenmilch wird berichtet, daß es mit Hilfe der Hydrocelenflüssigkeit gelinge, Fibrinferment in der Frauenmilch nachzuweisen. Die genannten Autoren waren zur Auf- deckung dieser Thatsache durch eine Bemerkung geleitet worden, welche Schloßmann (2) an der letzten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Hamburg im Anschlusse an den Vortrag Moro’s über biologische Beziehungen zwischen Milch und Serum gemacht hatte. Nach Hause zurückgekehrt, beeilte sich Moro, die Angaben Schloßmann’s auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Dieselben bestätigten, wie ich den Sitzungsberichten im Jahrbuch für Kinderheilkunde entnehme, die Be- obachtung Moro’s, „daß vom kindlichen Serum die Milch der eigenen Mutter am vollständigsten gefällt werde“. Während aber Moro zum Nachweise dieser interessanten Erscheinung Laktoserum benutzte, d. h. Serum vom Kaninchen, welche mit Milch vorbehandelt waren, behauptete Schloßmann, daß die Demonstration des Versuches ebenfalls gelinge, wenn man Hydrocelenflüssigkeit dazu verwende. Wenn ich das etwas kurz und nicht ganz klar gehaltene Referat richtig verstehe, so würde also durch die Hydrocelenflüssigkeit eines natürlich ernährten Säuglings die Milch der eigenen Mutter am stärksten gefällt. Wird die Milch einer anderen Frau mit derselben Bruchflüssigkeit in Berührüng ge- bracht, so würde demnach, wenn man die von Moro gewählte Aus- drucksweise benutzen will, die Fällungsgrenze weniger hoch liegen. Mit anderen Worten, es würde eine bestimmte Menge Wasserbruchflüssigkeit 1) Korresp.-Blätter d. allgem. ärztl. Vereins v. Thüringen. 1888. 2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXII. 3) Arb. aus d. Kais. Gesundh.-Amt. Bd. VI. p. 159. 4) Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 30, 31. ee nn a NE RE re Untersuchungen über das Fibrinferment der Milch. 389 eines Kindes die größte Menge Frauenmilch zu koagulieren imstande sein, wenn man die Milch seiner Mutter zur Reaktion gebraucht. Von jeder anderen Frauenmilch würde ein geringeres Quantum gefällt. Ist die Bemerkung Schloßmann’s so gemeint, so begreife ich das Miß- trauen Moro’s vollkommen, und sein Verlangen, die Angaben Schloß- mann's nachzuprüfen, war mehr als gerechtfertigt. Es erschien in der That höchst auffallend, daß bei der natürlichen Ernährung die Ein- führung der Milch per os im Serum, und infolgedessen auch in der davon abstammenden Hydrocelenflüssigkeit die Eigenschaft, die ver- fütterte Milch zu fällen, hervorrufen sollte, während im Experiment dies bis jetzt nicht gelungen ist. Die Nachprüfung ergab nun, daß es sich dabei gar nicht um eine spezifische Laktoserumfällung handelt, sondern um eine Gerinnung, die als eine Wirkung von in der Frauenmilch vorhandenem Fibrinfermente aufgefaßt werden muß. — Dieses Versuchsergebnis Moro’s und Hamburger’s kann ich vollinhaltlich bestätigen. Ich sehe dabei vorläufig davon ab, ob es sich hier um wirkliches Fibrinferment handelt oder nicht. Da- gegen kann ich ihrer Ansicht nicht beipflichten, daß es sich dabei um ein neues Unterscheidungsmerkmal zwischen Menschen- und Kuhmilch handle, ähnlich wie bei dem von B&champ entdeckten diastatischen Fermente, das sich nur in der ersteren vorzufinden scheint. Weiter unten mitzuteilende Versuche, die mich schon seit 1!/, Jahren beschäf- tigen — die Pflichten der ärztlichen Praxis haben dieselben leider so oft unterbrochen, daß mir Moro und Hamburger mit ihrer Publika- tionen zuvorgekommen sind — lehren nämlich, daß diese Ferment- wirkung sich sehr häufig auch in der Kuhmilch nach- weisen läßt. Zur Aufdeckung dieses Gerinnungsphänomens bin ich ebenso wie Schloßmann, Moro und Hamburger durch die Arbeiten Bor- det’s und Wassermann’s über die Laktosera geführt worden. Bei dem Studium ihrer diesbezüglichen Mitteilungen warf sich auch mir die Frage auf, ob im Serum oder in dem so bequem zu erhaltenden Ab- kömmling desselben, der Hydrocelenflüssigkeit, spezifische, die Menschen- milch fällende Stoffe auftreten, wenn ein Kind an der Brust ernährt wird. — Als ich daher einmal in den Besitz einer passenden Hydro- celenflüssigkeit gelangte, stellte ich einen solchen Versuch an. Laut meinen Versuchsprotokollen war das am 26. Oktober 1900. Zu 20 Tropfen Hydrocelenflüssigkeit brachte ich 1 Tropfen Frauenmilch. Statt der erwarteten Fällung kam es zu meiner Ueberraschung in wenigen Minuten zu einer kompakten Gerinnung der ganzen Flüssigkeitssäule. Wie man dieselbe mit der Bordet’schen Reaktion verwechseln kann, ist mir — nebenbei erwähnt — nicht verständlich. Wie war nun dieser Versuch zu deuten? Da die Hydrocelenflüssig- keit bekanntlich frei von Fibrinferment ist, so wird sie von den Physio- logen neben der Lösung des rein dargestellten Fibrinogens, welche wie erstere auf Zusatz von Fibrinferment Fibrin bildet und ohne denselben unbegrenzt lange unkoaguliert bleibt, als Reagens für fibrinbildende Fermente benutzt!). 1) Nach einer Angabe Halliburton’s gerinnt mit schwefelsaurer Magnesia her- gestelltes „Salzplasma“, einfach mit H,O verdünnt, langsamer als die anderen Formen von Salzplasma, zuweilen sogar überhaupt nicht. Auf Zusatz von Fibrin- ferment soll ein solches Plasma jedoch stets und schnell gerinnen. Ich habe eine Reihe von Versuchen mit solchem Salzplasma (von Ochsen- und A N 390 J. Bernheim-Karrer, Tritt Gerinnung ein, so braucht es sich deswegen noch nicht um einen mit dem Fibrinferment des Blutes identischen Körper zu handeln. So erzeugt z. B., wie Halliburton angiebt, das Myosinogen des Muskelgewebes in den eben erwähnten Testflüssigkeiten rasche Gerin- nung. Das Gleiche gilt von Hefezellen und anderen Zellarten. Wie Fibrinferment wirkende Stoffe finden sich nach Foä und Pellacani (3) im Hirn, in den Nebennieren, den Hoden; Wooldridge (4) konnte dieselben in mit Kalksalzen versetzten FExtrakten der Thymus nach- weisen. Wie die schönen Untersuchungen Delezenne's (Ö) zeigen, ist bei den Wirbeltieren mit kernhaltigen roten Blutkörperchen an der raschen Gerinnung des durch eine Wunde sich entleerenden Blutes weniger das von den Zellen des letzteren gelieferte Ferment be- teiligt, als der Saft der verletzten Gewebe. Infolgedessen gelingt es z. B. bei der Gans, das Blut so lange flüssig zu erhalten, daß sich das Plasma von den Zellen abcentrifugieren läßt, wenn man nur bei der Entnahme des Blutes die Vermischung desselben mit Gewebssaft ver- meidet. Das so erhaltene fibrinogenreiche Plasma bleibt unbegrenzt lange flüssig, gerinnt jedoch bald, wenn man eine auch noch so kleine obachtungen Delezenne’s bestätigen konnte, benutzte derartiges Gänseplasma als Reagens bei seinen noch zu besprechenden Unter- suchungen über die „Serums anticoagulants“. Endlich sei noch er- wähnt, daß sich auch aus den Zellen der Iymphoiden Gewebe ein fer- mentartiger Körper extrahieren läßt, der kräftige, gerinnungserzeugende Eigenschaften aufweist (Halliburton). Durch diese so verbreitete Eigenschaft lebender Gewebe, in fibrogenhaltigen Flüssigkeiten Koagu- lation hervorzurufen, wird die Gerinnung der Hydrocelenflüssigkeit auf Menge zerriebenen Gewebes hinzufügt. Bordet (6), welcher diese Be- Zusatz von Milch unserem Verständnis ungleich näher gerückt. Sie wird dadurch für uns zu einer weniger auffallenden Erscheinung, als dies im ersten Momente der Fall zu sein schien. Während man zu- nächst und vom teleologischen Standpunkte aus daran denken konnte, darin eine analoge zweckmäßige Einrichtung der Natur zu sehen, wie sie nach der Ansicht Escherich’s und Marfan’s in dem Vorhanden- sein diastatischer und oxydierender Fermente zu suchen ist, halte ich nach den oben angeführten Ueberlegungen die gerinnungserzeugende Eigenschaft der Frauenmilch mehr für etwas Nebensächliches, für eine derselben, wie verschiedenen anderen lebenden Gewebsflüssigkeiten eo ipso zukommende Fähigkeit. Daß es sich bei dem beschriebenen Phänomen thatsächlich um eine echte Gerinnung handelt, daran kann man, wie Moro und Ham- burger mit Recht hervorheben, nach dem Aussehen, welches die er- starrte Hydrocelenflüssigkeit bietet, nicht gut zweifeln, zumal da auch, wie die beiden ebengenannten Autoren nachwiesen, durch Zusatz von Pferdeblut), welches mit Wasser im Verhältnis von 1:10 verdünnt war, angestellt. Meist kam es auch ohne Zusatz von Milch oder Serum zu einer spontanen Gerinnung, die allerdings sehr verlangsamt sein konnte, so daß erst nach 24 Stunden Koagulation zu bemerken war. Nur in einem Falle — das Plasma war mit Ochsenblut hergestellt — blieb die Flüssigkeit länger als 2X24 Stunden ungeronnen, während der Zusatz von Milch oder Serum nach 15—20 Minuten beginnende Gerinnung bewirkte, welche jedoch meist erst im Verlaufe einiger Stunden zu einer vollständigen wurde. Erhitzung der Milch hatte eine deutliche Verlangsamung und Verminderung des Koagulationsprozesses zur Folge. Die Gerinnung blieb eine rudimentäre. Im großen und ganzen erwies sich jedoch das Salzplasma als für meine Zwecke nicht geeignet. ee N EV u EL U WERTE N | F 2 1 kr | f Untersuchungen über das Fibrinferment der Milch. 391 oxalsaurem Ammon- in Uebereinstimmung mit der von Arthus und Pages zuerst für die Blutgerinnung aufgedeckten Thatsache — die Gerinnung ausbleibt. Es werden dadurch, wie man weiß, die für den Eintritt der Fibrinfermentwirkung notwendigen Kalksalze ausgefällt. Wie ich schon früher behauptet habe, und wie ich im Gegensatze zu Moro und Hamburger besonders betonen muß, handelt es sich bei dem Gerinnungsphänomen nicht um eine Reaktion, welche der Menschenmilch allein zukommt. Auch die Kuhmilch vermag die Hydrocelenflüssigkeit zur Koagulation zu bringen. Das zeigte mir schon das erste, bereits erwähnte Experiment. Denn als ich zur Kontrolle zu der gleichen Hydrocelenflüssigkeit im gleichen Verhältnis (1 : 20) Kuhmilch zusetzte, da trat ebenfalls — allerdings etwas langsamer — Gerinnung ein. Ich will nicht unterlassen, zu be- merken, daß ich, um mich keiner Täuschung auszusetzen, für die Frauen- und die Kuhmilch stets verschiedene Pipetten verwendet habe. Aller- dings besteht insofern ein Unterschied zwischen den beiden Milcharten, als die Kuhmilch fast ausnahmslos die Hydrocelenflüssigkeit später und schwächer zur Gerinnung brachte, als die gleiche Menge Frauenmilch ; in einzelnen Fällen und unter diesen ist einer, in welchem die Milch unmittelbar nach dem Melken zum Versuche kam, blieb die Testflüssig- keit völlig ungeronnen. Es ist dies aber eine Erscheinung, welche der Kuhmilch nicht allein zukommt; auch mit Frauenmilch hatte ich, aller- dings nur zweimal, einen Mißerfolg zu verzeichnen, während bei der Kuhmilch negative Resultate nicht gerade zu den Seltenheiten ge- hören. Vielleicht haben Moro nnd Hamburger bei ihren Versuchen zufällig nur solche Kuhmilchsorten vor sich gehabt. Wahrscheinlich trägt aber ein anderer Umstand die Schuld, daß sie das Vorhandensein von gerinnungserzeugenden Substanzen in der Kuhmilch übersehen haben. Bei ihren Versuchen scheint stets eine kleinere Menge Milch (im Verhältnis zur Hydrocelenflüssigkeit) verwendet worden zu sein, als bei den meinigen. Bei mir war das Verhältnis von M:H wie 1:10, 1:12, 2:10 und höchstens 1:20; Moro und Hamburger setzten „einen Tropfen Milch zu mehreren Kubikcentimetern Hydrocelentlüssig- keit“, in einem anderen Falle war das Verhältnis M:H = 1:50. Zur Illustration des Gesagten gebe ich das Protokoll einiger Ver- suche hier wieder. Versuch 18 13. Januar 1901. Hydrocelenflüssigkeit eines Erwachsenen. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM, — nach 7 Minuten fast die ganze Flüssigkeitssäule geronnen. 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM, — nach 10 Minuten ein Gerinnsel, jedoch viel weniger umfangreich, als bei 1). 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — gerinnt erst nach 3 Stunden; fast die ganze Flüssigkeitssäule erstarrt. NB. FM, stammt von einer Frau, die vor 9 Tagen, FM, von einer Frau, die vor 7 Benen geboren hat. — KM bedeutet Kuhmilch. Versuch 20. 8. Mai 1901. Hydrocelenflüssigkeit eines Kindes. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM, — nach 24 Stunden noch flüssig. 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM, — nach 18 Minuten geronnen. 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — nach 24 Stunden noch flüssig. NB. FM, stammt von einer Frau, die vor 11 Wochen, FM, von einer Frau, welche vor 11 Tagen‘ geboren hat. 392 pi Bernheim-Karrer, Versuch 46. 24. November 1901. Hydrocelenflüssigkeit eines Erwachsenen. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM \ 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM nach '/, Stunde geronnen. 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM \ ü x 4) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM [ nach 2'/, Stunden kompakt geronnen. NB. Die Frauenmilch ist 10 Tage alt und stammt von einer Frau, die 6 Tage vor- her geboren hatte. Versuch 44. 20. November 1901. Hydrocelenflüssigkeit eines Erwachsenen. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM — nach '/, Stunde vollständig geronnen. 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM — nach '/, Stunde vollständig geronnen. 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — nach 2 Stunden noch flüssig, jedoch mit einer deutlichen hautartigen Gerinnselbildung; nach 24 Stunden derselbe Befund. 4) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — nach 2 Stunden wie 3); nach 6 Stunden die Hälfte der Flüssigkeit zu einem gallertigen Gerinnsel erstarrt. Die hautartige Gerinnselbildung sieht man bei der Kuhmilchgerin- nung nicht selten. Dieselbe ist aber auch bei der Frauenmilch unter besonderen Umständen gelegentlich zu sehen. Sie stellt, wovon später noch die Rede sein soll, eine unvollkommene Gerinnung dar. Dann ist aber auch noch ein zweites Moment dabei beteiligt. Neben der das Fibrinferment liefernden Milch kommt wesentlich in Betracht der in den verschiedenen „Fällen wechselnde Gehalt der Hydrocelenflüssigkeit an Fibrinogen. Ob derselbe, wie Moro und Hamburger meinen, von dem Grade der Entzündung, die den Krankheitsprozeß an und für sich begleitet, abhängig ist oder nicht, möchte ich nicht ohne weiteres entscheiden. So viel ist aber sicher, daß nach meinen Erfahrungen sich ° namentlich diejenigen Hydrocelenflüssigkeiten gut zur Reaktion eignen, welche einige Zeit nach der Punktion ein schleimiges Gerinnsel ab- sondern. Beim ruhigen Stehen nimmt dasselbe scheinbar die ganze Flüssigkeitssäule ein. Sobald man dieselbe jedoch etwas stärker er- schüttert, so zieht sich das spinngewebartige Gebilde zusammen; die von ihm eingeschlossene Flüssigkeit wird frei und am Boden der Eprou- vette findet man dann ein mehr oder weniger umfangreiches, schleimiges Gerinnsel, ähnlich wie es sich in der durch Lumbalpunktion entleerten Cerebrospinalflüssigkeit eines Falles von Meningitis tuberculosa nach 24 Stunden langem Stehen zu bilden pflegt. Hydrocelenflüssigkeiten, welche dieses Gerinnsel nicht zeigen, sind meist für unsere Zwecke nicht geeignet. Eigentümlich ist es ferner, daß der Fibrinogengehalt um so mehr abnimmt, je längere Zeit seit der Punktion der Hydrocele verflossen ist. Vielleicht verliert das Fibri- nogen nur die Gerinnungsfähigkeit, vielleicht erleidet es eine Um- setzung seiner chemischen Konstitution; sei dem wie ihm wolle, That- sache ist, daß eine Hydrocelenflüssigkeit, welche bald nach der Punktion auf Zusatz von Frauenmilch prompt zur Gerinnung kam, nicht mehr koaguliert, wenn man 2—5 Monate später das Experiment mit frischer Milch wiederholen will. Diese Labilität des Fibrinogens erinnert sehr an die Alexine oder Komplemente des Blutserums. Auch sie gehen bekanntlich bei längerer Aufbewahrung, z. B. eines Immunserums, ver- loren, so daß dasselbe, um seine spezifische Wirkung wieder entfalten zu können, erst durch Zusatz frischen Serums aktionsfähig gemacht werden muß. Eine weitere auffallende Aehnlichkeit besteht ferner darin, daß beide Körper durch verhältnismäßig niedere Temperaturen inaktiv gemacht werden können: sowohl die Alexine wie das Fibrinogen a Be = we u Untersuchungen über das Fibrinferment der Milch. 393 verlieren durch !/,-stündiges Erhitzen auf 55—56° C ihre Wirksamkeit. Die Fibrinogenlösungen zeigen schon etwas unter dieser Temperatur ein charakteristisches Wärmecoagulum, während das Serum sich bei 55—56° C noch nicht zu trüben pflegt, wenigstens für die makrosko- pische Betrachtung. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, daß dieser Unterschied vielleicht nur ein quantitativer sein könnte. Viel widerstandsfähiger gegen Erwärmung ist nun das Fibrinferment. Wie ein schöner Versuch Moro’s und Hamburger’s zeigt, läßt sich dasselbe sogar noch in bei 100° C Hitze geronnenem, fein zerriebenem Ochsenblute nachweisen. Auch die Frauenmilch soll durch das Kochen ihre gerinnungserzeugende Eigenschaft nicht einbüßen. Diese Angaben sind allerdings ganz neu. Insbesondere galt für das im Blute vor- handene Fibrinferment, und nicht nur für das rein dargestellte Fibrin- ferment und seine Lösungen, wie Moro und Hamburger meinen, daß dasselbe schon durch eine Temperatur von 70--75° vollständig zerstört werde. Das im Blutserum vorhandene Ferment verliert seine Wirksamkeit bereits bei 55—59° C, wenigstens wenn die Erwärmung 3/, Stunde lang andauert (Hayem, Bordet). Ich habe mich davon in Experimenten, die weiter unten besprochen werden sollen, ebenfalls oft genug überzeugen können. Es wurden dabei Menschen-, Kaninchen-, Meerschweinchen- und Rindersera verwendet. Nur 3mal fanden sich Ausnahmen, und zwar handelte es in allen drei Fällen um menschliches Placentarblut, welches durch die Erwärmung auf 58—59° C seine Fermentwirkung nicht verloren hatte. Bei der Milch dagegen gab die Erhitzung auf 58—59° C lange nicht so zuverlässige Resultate. Meist waren es wenig wirksame Fer- mente, die sich durch die Erwärmung vernichten ließen. In der Regel wirken auch die erhitzten Milchproben noch gerinnungserzeugend, ins- besondere gilt dies für die Kuhmilch; ja hier hatte man gelegentlich die paradoxe Erscheinung, daß die Erwärmung die Wirksamkeit des Fermentes eher erhöhte, während bei der Frauenmilch die Einwirkung der erhöhten Temperaturen immerhin eine verspätete oder weniger aus- gedehnte Koagulation der Hydrocelenflüssigkeit zur Folge hatte. Auch bei etwas höheren Temperaturen, bei 65° C, war das Resultat ein ähn- liches. — Auch hier kann man sagen, daß durch die Erwärmung die Wirkung der Frauenmilchfermente eher geschädigt wird, als diejenige der Kuhmilch. Zunächst führe ich einige Versuchsprotokolle an, welche die Ein- wirkung der °/, Stunde langen Erwärmung auf 58—59° C demon- strieren. Versuch 42. 15. November 1901. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM — nach 1 Stunde geronnen. 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM — nach '/, Stunde geronnen. 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM (erhitzt) — erst nach 24 Stunden geronnen. 4) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM (erhitzt) — nach 24 Stunden noch flüssig. Hier wurde ein kräftiges Ferment durch die Erwärmung so ge- schädigt, daß die Gerinnung in der einen Eprouvette gar nicht mehr zustande kam, in der anderen mit einer starken Verspätung. Versuch 44. 20. November 1901. 1 Tropfen FM — nach '/, Stunde geronnen. 1 Tropfen FM — nach '/, Stunde geronnen. 1 Tropfen FM (erhitzt) — nach 2 Stunden geronnen. 1 Tropfen FM (erhitzt) — nach 2 Tagen noch flüssig, 1) 12 Tropfen H 2) 12 Tropfen H 3) 12 Tropfen H H 2 - 4) 12 Tropfen = 094 J. Bernheim-Karrer, 5) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — nach 2 Stunden hautähnliches Gerinnsel. 6) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — nach 2 Stunden wie 5); nach 6 Stunden die Hälfte der Flüssigkeit zu einer Gallerte erstarrt. 7) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM (erhitzt) — nach 14 Stunden kompakt ge- ronnen. 8) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM (erhitzt) — nach '/, Stunde ein hautähnliches Gerinnsel; nach 1 Stunde kompakt geronnen. In diesem Versuche wird, wie es die Regel ist, bei der Frauenmilch durch die Erwärmung die Reaktion entweder verlangsamt oder ganz aufgehoben ; bei der Kuhmilch dagegen zeigen die erwärmten Milch- proben in einem Falle sogar eine rascher eintretende Gerinnung, als die rohe Milch, in beiden Eprouvetten außerdem noch eine kräftigere Gerin- nung, als in den Kontrollröhren. Auch die Erhitzung auf 65° C erwies sich für das Ferment der Kuhmilch ungleich weniger schädlich, als für dasjenige der Frauenmilch. Ein Beispiel dafür ist das folgende. Versuch 47. 28. November 1901. Die Erhitzung auf 65° © während ?/, Stunde andauernd. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM — nach /, Stunde geronnen. 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM — nach 2 Stunden geronnen. 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM (erhitzt) — nach 24 Stunden noch flüssig. 4) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM (erhitzt) — nach 24 Stunden noch flüssig. 5) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — nach 2 Stunden ein weißes Häutchen; nach 24 Stunden gallertiges Gerinnsel. 6) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — nach 2 Stunden wie 5); nach 6 Stunden kom- pakt geronnen. 7) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM (erhitzt) — nach 6 Stunden ein Häutchen. 8) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM (erhitzt) — nach 2 Stunden fest geronnen. Diese in einer ganzen Reihe von Versuchen stets wiederkehrende Verschiedenartigkeit, mit welcher die beiden Milcharten auf die genannte Erwärmung reagierten, legte die Frage nahe, ob dies nicht der Aus- druck dafür sei, daß die beiden Fermente überhaupt nicht völlig iden- tisch sind. Es darf dabei allerdings nicht übersehen werden, daß zur Erklärung dieses immerhin nicht sehr in die Augen fallenden Unterschiedes noch andere Wege offen stehen. Da wir wissen, welch große Rolle bei der Gerinnung den Salzen, insbesondere den Kalksalzen, zufällt, so könnte man daran denken, daß der verschiedene Salzgehalt von Frauen- und Kuhmilch für die erwähnte Erscheinung verantwortlich zu machen ist. Ferner ließe sich denken, daß die Reaktion der Milch dabei eine Rolle spielt. Für ein anderes, ebenfalls in Menschen- und Kuhmilch vor- kommendes Ferment, der von Babcock und Russell (7) eingehend studierten trypsinähnlichen „Galaktase“ ist z. B. die chemische Reaktion der Flüssigkeit insofern von Einfluß, als von ihr die Temperatur der stärksten Wirkung abhängt. Sie schwankt zwischen 37—42° C., ist niedriger bei sauerer, höher bei neutraler und alkalischer Lösung. So könnte man sich auch vorstellen, daß in der alkalisch reagierenden Frauenmilch das Ferment bei der gleichen Temperatur in anderer Weise geschädigt wird, als in der Kuhmilch, deren chemische Reaktion eine amphotere ist. Einschlägige, diese Fragen behandelnde Versuche habe ich nicht ausgeführt. Dagegen unternahm ich es, auf andere Weise eine Lösung derselben herbeizuführen. Ich stellte mir die Aufgabe, ob sich nicht durch wiederholte Injektionen von Frauenmilch in dem einen, von Kuhmilch in dem anderen Falle im Tierkörper spezifische Antikörper erzeugen ließen, % die es gestatten, einen Unterschied in der chemischen Konstitution der N ac re nn 5 a NEE EN EEE UEDRDREEUN N I G Untersuchungen über das Fibrinferment der Milch. 395 beiden Fermente erkennen zu lassen. Kurze Zeit, nachdem ich mit den Milchinjektionen begonnen hatte, erschien die für meine Untersuchungen sehr wichtige Mitteilung von Bordet und Gengou (6) („Sur la coagulation du sang et les sörums anticoagulants“), in welcher der Nachweis geführt wurde, daß es durch wiederholte Injek- tionen von frischem Blutserum gelingt, in dem Serum des behandelten Tieres Antikörper des betrefienden Fibrinfermentes zu erzeugen. Diese Antikörper sind jedoch nicht absolut spezifisch. Während das Serum des injizierten Versuchstieres das Fibrinferment einer Species A (z. B. Kaninchen) völlig neutralisiert, sofern es in genügender Dosis ver- wendet wird, schwächt er in derselben Dosis die Wirkung des Fibrin- fermentes der Tierart B (z. B. Meerschweinchen), ohne dieselbe ganz aufzuheben. Die Gerinnung kommt verspätet zustande. Auf das Fibrin- ferment einer dritten Species © (z. B. Hund) übt es einen noch schwächeren Einfluß aus, um endlich gegen das Ferment einer Tiergattung D (Schaf) ganz machtlos zu sein. Auf Grund dieser Versuche ist nach unseren heutigen Anschauungen der Schluß erlaubt, daß die Fibrinfermente der verschiedenen Tierarten nicht völlig identisch sind. Nachdem nun durch Bordet und Gengou festgestellt worden war, daß die im Blutserum vorhandenen Fibrinfermente verschiedener Tiergattungen nicht völlig übereinstimmen, war es sehr wahrscheinlich geworden, daß derselbe Satz auch für das Fibrinferment der Milch Giltigkeit haben werde, Meine Bemühungen waren bis jetzt darauf gerichtet, gegen das Fibrinferment der Frauenmilch Antikörper zu bekommen. Es geschah dies aus dem Grunde, weil in der letzteren das Fibrinferment sich fast stets nachweisen läßt, was in der Kuhmilch, wie gesagt, nicht so häufig gelingt, und zweitens deswegen, weil durchschnittlich die durch die Frauenmilch hervorgerufene Gerinnung die intensivere ist. Beide Mo- mente machten es daher wahrscheinlicher, daß durch Injektion von Frauenmilch die Produktion von Antikörpern der Fibrinfermente eher angeregt würde als bei Verwendung von Kuhmilch. Die Versuchsanordnung ergiebt sich aus den weiter unten ausführ- lich mitgeteilten Versuchsprotokollen. Sie lehnt sich völlig an diejenige von Bordet und Gengou an, nur mit dem einzigen Unterschiede, daß ich als Reagens auf Fibrinferment, wie in allen früheren Versuchen, Hydrocelenflüssigkeit wählte, während die französischen Autoren nach der Vorschrift Delezenne’s hergestelltes Gänseplasma verwendeten. Wie sich aus den Protokollen ergeben wird, bedingte diese scheinbar unwichtige Abweichung die Entdeckung, daß auch im normalen Serum schon Antikörper gegen das Fibrinferment der Milch vorhanden sein können; ein Umstand, der mit Bestimmtheit darauf hinweist, daß schon im eirkulierenden lebenden Blute gelegentlich Fibrinferment vorhanden sein muß. Bekanntlich sind die Meinungen über diesen Punkt noch sehr ge- teilt. Während Alexander Schmidt und seine Schüler annehmen, daß schon im gesunden, eirkulierenden Blute aus dem Zerfalle der sich auflösenden weißen Blutkörperchen etwas Fibrinferment enthalten ist, wird dies von Anderen, z.B. Halliburton, bestritten. Dieser Gehalt an Antikörpern im normalen Serum (eines nicht mit Injektionen be- handelten Tieres) ist aber ein geringer. Er kommt erst zum Vorschein, wenn man nicht mehr ganz frische Hydrocelenflüssigkeit verwendet, in welcher, wie schon erwähnt worden ist, der Gehalt an Fibrinogen abge- 396 J. Bernheim-Karrer, nommen hat. Infolgedessen genügt dann schon der geringe Antikörper- gehalt des normalen Blutserums, um die Gerinnung zu verhindern. Wird frische Hydrocelenflüssigkeit verwendet, so kommt dieser Faktor nicht oder so schwach zur Geltung, daß er leicht übersehen wird. Um so reicher der Fibrinogengehalt, um so energischer ist ohne Zweifel die Gerinnung und um so schwieriger ist es, sie aufzuhalten. Es ge- gelingt dies dann nur mit einem Serum, in welchem eine größere Menge von Antikörpern aufgespeichert worden ist, d. h. mit dem Serum eines vorbehandelten Tieres. Da Bordet und Gengou sich stets ihr Gänseplasma frisch bereiteten und dasselbe, wie sie selbst hervorheben, reich an Fibrinogen ist, so wird es nach dem eben Gesagten im voraus zu erwarten sein, daß das Blutserum ihrer unbehandelten Tiere keine sichtbare, der Gerinnung antagonistische Wirkung ausgeübt hat. — Der- selbe Effekt wird aber auch zustande kommen müssen, wenn man frische Hydrocelenflüssigkeit und wenig Ferment enthaltende Frauen- milch verwendet. Auch in diesem Falle wird der geringe Antiferment- gehalt des normalen Serums eine Verhinderung der Koagulation be- dingen können. — Die folgenden Versuchsprotokolle mögen das Gesagte illustrieren. Versuch 39. 27. Oktober 1901. Hydrocelenflüssigkeit eines Kindes. Frauenmilch vom 26. Oktober 1901. Kuhmilch vom 27. Oktober 1901. Es werden °/, Stunden auf 58—59° C im Wasserbade erwärmt: 1) Serum A eines vorbehandelten Kaninchens. 2) Serum © eines Kontrollkaninchens. Die erwärmten Sera vermögen die Hydrocelenflüssigkeit nicht mehr zur Ge- rinnung zu bringen. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM \ „ach 2 Stunden kompakt geronnen. 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM Kae 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SA — nach 2 Stunden noch flüssig; nach 3 Stunden dasselbe; dasselbe nach 9 Stunden; erst nach 15 Stunden ein spinnwebeartiges Gerinnsel am Boden der Eprouvette. Sir: 4) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SA — nach 5 Stunden noch flüssig; nach 9 Stunden ein häutiges Gerinnsel am Boden der Eprouvette. 2 5) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SC — nach 2 Stunden noch flüssig, jedoch beginnende Gerinnung; nach 3 Stun den geronnen. 6) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SC — nach 2 Stunden wie 5); nach 3 Stunden geronnen. 7) 12 Tropfen H - 1 Tropfen KM N nach 3 Stunden häutiges Gerinnsel. 8) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM FE 9) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM + 4 Tropfen SA — nach 4 Stunden noch flüssig ; nach 5 Stunden hautähnliche Gerinnselbildung. Fi 10) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM + 4 Tropfen SA — nach 5 Stunden noch flüssig; nach 9 Stunden häutiges Gerinnsel. h 11) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM + 4 Tropfen SC — nach 3 Stunden häutiges Gerinnsel; nach 5 Stunden fest geronnen. 12) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM + 4 Tropfen SC — nach 3 Stunden häutiges Gerinnsel; nach 4 Stunden daneben noch gallertige Gerinnung. Wie der Versuch lehrt, ist es in der That gelungen, durch wieder- holte Injektionen von Frauenmilch bei dem Kaninchen A Antikörper gegen das Fibrinferment dieser Milch zu erhalten. Das Kontrollserum verlangsamt die Gerinnung in kaum nennenswertem Grade. Nach 2 Stunden ist die mit Frauenmilch allein versetzte Hydrocelenflüssigkeit geronnen, nach 3 Stunden diejenige, die außerdem noch Kontrollserum enthält. Die Gerinnung ist dabei in beiden eine vollständige, kompakte. Ganz anders verläuft nun der Gerinnungsprozeß in denjenigen Röhrchen, in welche Serum A gebracht worden ist. Es kommt hier nicht nur zu EEE N um be EN ach en el ae n Bere en Ph DER IE TRITT NT Untersuchungen über das Fibrinferment der Milch. 397 einer starken Verlangsamung der Koagulation, sondern dieselbe charak- terisiert sich auch deutlich als eine unvollkommene, rudimentäre. Im Röhrchen 3 findet sich erst nach 15 Stunden ein schleierartiges Ge- rinnsel, im Röhrchen 4 ist die Gerinnung häutchenartig, ähnlich wie die durch Kuhmilch erzeugte. Es zeigt dieses Verhalten der Gerinnselbildung, daß die Kuh- milch, welche sich durch die häutchenartige Gerinnung auszeichnet, durchschnittlich ein weniger energisches Ferment enthält, als die Frauenmilch. Der Versuch hat uns aber noch in weiterer Hinsicht Aufklärung gebracht. Das Serum A wirkt lange nicht so deutlich gerinnungshemmend, wenn es mit Kuh- milch zusammengebracht wird; immerhin ist auch hier der Eintritt der Gerinnung gegenüber dem Kontrollserum etwas hinausgeschoben, aber das Produkt der Gerinnung ist im Gegensatze zu der Frauenmilch nicht schwächer, als in den mit Kuhmilch allein geimpften Eprouvetten. Noch deutlicher tritt dieser Unterschied zu Tage in dem folgenden Versuch 44. 20. November 1901. ‚Hydrocelenflüssigkeit eines Erwachsenen. Frauenmilch vom 14. November 1901. Kuhmilch vom 18. November 1901. Es werden °®/, Stunden auf 58—59° C erhitzt l) Serum A. 2) Serum B. 4 Beide vermögen danach die Hydrocelenflüssigkeit nicht mehr zur Koagulation zu ringen. 1) D Tropfen H + 1 Tropfen FM — nach '/, Stunde kompakt geronnen. 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM — nach '/, Stunde geronnen. 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SA — nach 2 Stunden noch flüssig; nur ein dünnes Häutchen zu sehen; nach 6 Stunden das Häutchen größer und dicker, etwa wie bei der Kuhmilch; nach 20 Stuuden geronnen. 4) “ Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SA — nach 24 Stunden noch üssig. 5) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 2 Tropfen SA — nach 2 Stunden fest geronnen. 6) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 2 Tropfen SA — nach 2 Stunden deutliches gallertiges Häutchen zu sehen. 7) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SC \ nach 2 Stunden kompakt ge- 8) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SC I ronnen. 9) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — nach 2 Stunden derbes, hautähnliches Gerinnsel. 10) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM — nach 2 Stunden wie 9); nach 6 Stunden die Hälfte der Flüssigkeit zu einer Gallerte erstarrt. 11) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM + 4 Tropfen SA — nach 1'/, Stunden ein gal- lertiges Gerinnsel. 12) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM + 4 Tropfen SA — nach 1'/, Stunden ein haut- ähnliches Gerinnsel; nach 12 Stunden beide Röhrchen kompakt geronnen. 13) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM + 4 Tropfen SC \ nach 1'/, Stdn. noch flüssig; nach 14) 12 Tropfen H + 1 Tropfen KM + 4 Tropfen SC N 12 Stdn. ein hautartiges Gerinnsel. Während gegenüber dem Kuhmilchferment Serum A keine Wirkung entfaltet, wird die Koagulation der Hydrocelenflüssigkeit auf Zusatz von Frauenmilch durch dasselbe ganz bedeutend gehemmt. Es geschieht dies jedoch nur, wenn 4mal mehr Serum als Milch zum Versuche ver- wendet wird. Bei 2 Tropfen Serum sind die Differenzen viel weniger ausgesprochen. Aehnliche Resultate wurden wiederholt erzielt, und zwar sowohl mit Kaninchen- als auch mit Meerschweinchenserum. Sie sprechen ganz entschieden dafür, daß das Fibrinferment der Frauen- milch nicht identisch ist mit demjenigen der Kuhmilch. Sie bestätigen demnach die Vermutung, daß das verschiedenartige Ver- halten gegenüber der Erwärmung auf 58—59° und 65°C der Ausdruck dafür war, daß die Konstitution der Fibrinfermente der beiden Milch- arten nicht völlig übereinstimmt. 398 J. Bernheim-Karrer, Eine weitere Frage, die sich mit Hilfe der Serumprobe entscheiden läßt, ist nun ferner die, ob dieser in der Hydrocelenflüssigkeit Gerinnung erzeugende Körper der Milch seiner chemischen Konstitution nach wirk- lich dem Fibrinfermente des Blutes entspricht oder ihm wenigstens als nahe verwandt bezeichnet werden muß. Ist dies der Fall, dann wird das erwärmte Serum der mit Frauenmilch behandelten Tiere gegenüber dem im Menschen- und eventuell auch gegenüber dem im Rinderserum enthaltenen Fibrinfermente antagonistische Eigenschaften entfalten. Um- gekehrt sollte dann auch das erwärmte Serum eines Tieres, welches wiederholte Injektionen von Menschen- oder Rinderserum erhalten hat, die Gerinnung der Hydrocelenflüssigkeit auf Zusatz von Milch in erkennbarer Weise beeinflussen. — Ich behalte mir vor, über meine diesbezüglichen Versuche sobald wie möglich zu berichten. Sie sind bis jetzt zu wenig zahlreich, um mir ein endgültiges Urteil zu ge- statten. Ich vermute aber, daß dieselben die nahe Zugehörigkeit des in der Milch enthaltenen, Gerinnung erzeugenden Stoffes zum Fibrin- fermente des Blutes darthun werden. | In letzter Linie hätte ich nun noch über die Experimente zu referieren, welche sich mit dem Nachweise von Antikörpern des Fibrin- fermentes im normalen Serum beschäftigen. Schon in den bis jetzt mitgeteilten Versuchsprotokollen’ ist es dem aufmerksamen Leser nicht entgangen, daß die mit Kontrollserum be- schickten Röhrchen manchmal mehr oder weniger ausgesprochene Ver- zögerung des Gerinnungsprozesses erkennen lassen. Diese gerinnungs- hemmende Eigenschaft des erwärmten normalen Serums tritt aber noch viel deutlicher zu Tage, wenn man schwache Fermentwirkung zeigende Milch oder wenig Fibrinogen enthaltende, z. B. nicht mehr ganz frische Hydrocelenflüssigkeit zum Versuche benützt. Dieselbe Hydrocelenflüssigkeit, die unmittelbar oder nur 2—3 Tage nach der Punktion noch deutliche Unterschiede zwischen normalem Kontrollserum und demjenigen mit Milch injizierter Tiere erkennen ließ, erwies sich zu solchen vergleichenden Versuchen wiederholt nicht mehr geeignet, wenn 1—2 Wochen seit der Punktion verflossen waren. Dann genügte schon der Zusatz normalen Kaninchen- oder Meerschweinchenserums, um die Gerinnung zu vereiteln, und zwar nicht nur die durch Milch-, sondern auch die durch Serumzusatz (z. B. menschliches Serum ; Placentarblut) zu erzeugende Koagulation. Der zunächst liegende Gedanke war nun der, daß an dieser gerinnungshemmenden Einwirkung des normalen Serums vielleicht bloß die Verdünnung der Hydrocelenflüssigkeit schuld trug. In der That konnte die Koagulation durch ganz verschiedene Serumarten, z. B. durch Kaninchen- wie auch durch Meerschweinchen- oder Rinderserum verhindert werden. Gegen diese Annahme spricht nun aber der Umstand, daß die Gerinnung nicht verzögert wurde, wenn in demselben Verhältnis (1:4) wie die eben genannten Sera mensch- liches Serum (von einem an Tuberkulose gestorbenen Kinde stammend) verwendet wurde. Daß es dabei nicht nur auf die Verdünnung an- kommt, das beweist ferner folgende Beobachtung. Wenn man successive die Serummenge vermindert und das Ver- hältnis von Milch zu Serum statt 1:4 auf 1:2 und 1:1 herabsinken läßt, so kann noch bei 1:1 durch normales Serum die Gerinnung deut- lich gehemmt werden: hier ist nun von einer wesentlichen Verdünnung nicht mehr die Rede, und trotzdem wird z. B. die Gerinnung durch Frauenmilch in ganz bedeutendem Grade gehemmt (vergl. Versuch 49). Wa Eee a ie nenn I da np a Se EEE nn zz Be. Untersuchungen über das Fibrinferment der Milch. 399 Aber — und dies spricht am deutlichsten für wirkliche Antikörper als Ursache der in Rede stehenden Erscheinung — bei dieser kleinen Serum- menge ist es wiederum nicht mehr gleichgiltig, welches Serum gewählt wird; Meerschweinchenserum z. B. hemmt, Rinderserum jedoch nicht mehr. Mit anderen Worten, es kommt eben nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität des zugesetzten Serums an. Versuch 40. 3. November 1901. Dieselbe Hydrocelenflüssigkeit wie im Versuch 39. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM \ in beiden Fällen wenig umfangreiche 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen Ir M f schleimige Gerinnsel. 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SA \ c FF 4) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SA | nach 24 Stunden flüssig. 5) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SC ER 6) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 4 Tropfen SC 5 ?aCh 24 Stunden flüssig. Hier war zweifellos die geringe Fermentwirkung der Milch die Ur- sache, daß das Kontrollserum zur „Neutralisierung“ ausreichte. Daß die Hydrocelenflüssigkeit damals, genau wie früher, im Versuche 39 noch genügend Fibrinogen enthielt, um unter einem kräftig wirkenden Fibrin- fermente rasch zu gerinnen, beweist der an demselben Tage mit ihr angestellte Versuch 5l. 3. November 1901, in welchem Rinderserum auf seinen Fermentgehalt geprüft wurde. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen RS \ 3 2) 12 Tropfen H + 1 Tropfen RS | nach 20 Minuten kompakt geronnen. 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen RS + 4 Tropfen SA \ nach 1 Std. noch flüssig; n. 2°/, Std. 4) 12 Tropfen H + 1 Tropfen RS + 4 Tropfen SA f ein flock. Gerinnsel; n. 24 Std. dto. 5) 12 Tropfen H + 1 Tropfen RS + 4 Tropfen SC 6) 12 Tropfen H + 1 Tropfen RS + 4 Tropfen SC Es ist dies, nebenbei erwähnt, einer der Versuche, welcher eine gewisse Verwandtschaft des in der Milch vorhandenen Fibrinfermentes zu demjenigen des Blutes demonstriert. h nach 1 Stunde kompakt geronnen. Versuch 49. 4. Dezember 1901. Hydrocelenflüssigkeit eines Erwachsenen. Punktion vor 15 Tagen. Die verschiedenen Serumsorten sind ?/, Stunden auf 59° erhitzt worden. Ihr Ge- rinnungsferment ist dadurch vernichtet worden. MS = Menschenserum. RS = Rinderserum. MB = Serum eines mit Milch in- jizierten Meerschweinchens.. MO = Serum eines Kontrolltieres. 1) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM x 9) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM [ "2ch 1 Stunde geronnen. 3) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 2 Tropfen MS 4) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 2 Tropfen MS nach 1 Stunde geronnen. 5) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 2 Tropfen RS ' \ f 6) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 2 Tropfen RS j ”2Ch #4 Stunden noch Hlüssig. 7) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 2 Tropfen MB 8) 2 Tropfen H + 1 Tropfen 7 : a: Hr 9) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + ropfen 1 nt 10) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 2 Tropfen MC N za HRE Dianden! mach -Fihepie: 11) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 1 Tropfen RS \ x 12) 12 Fiopfen H+1 Be FM + 1 Tropfen RS [ "ach 1 Stunde geronnen, 13 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 1 Tropfen MB \ n. 24 Std. noch flüssig, kaum sichtb. 14) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 1 Tropfen MB fadenförm. Gerinnsel enthaltend. 15) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 1 Tropfen MO — nach 7 Stunden noch flüssig; nach 24 Stunden ein hautartiges Gerinnsel. 16) 12 Tropfen H + 1 Tropfen FM + 1 Tropfen MC — nach 7 Stunden ein dünnes, schleimiges Gerinnsel; nach 24 Stunden hautartige Gerinnung. nach 24 Stunden noch flüssig. 400 | F. Pröscher, Ein ganz ähnliches Resultat ergab dieselbe Versuchsanordnung mit Kuhmilch ausgeführt. Auch dabei dokumentierte sich die gerinnungs- hemmende Wirkung des normalen Meerschweinchenserums. Entsprechend der geringeren Einwirkung des durch Frauenmilchinjektionen erzeugten antikoagulierenden Serums MB auf das Kuhmilchferment, war jedoch hier bei Zusatz von 1 Tropfen Serum kein Unterschied zwischen MB und MC zu konstatieren. Sie wirkten beide gleich stark gerinnungs- hemmend; es bildete sich in den entsprechenden Eprouvetten, aller- dings mit Verzögerung der Koagulation, eine zusammenhängende, derbe Haut. Zürich, 10. Februar 1902. Litteratur. 1) Wiener klin. Wochenschr. 1902. p. 121. 2) Jahrbuch für Kinderheilkunde. Bd. LIV. 1901. p. 676. 3) Nach Landois’ Lehrbuch der Physiologie eitiert. 4) Ludwig’s Festschrift. 1886. p. 221. | 5) Archives de physiologie. 1897. 6) Annales de l’Institut Pasteur. 1901. p. 129. 7) Centralbl. f. Bakt. ete. II. Abt. Bd. VI. p. 17. Nachdruck verboten. Zur Anstellung der Widal’schen Reaktion. [Aus dem königlichen Institut für experimentelle Therapie zu Frank- furt a. Main. Direktor: Geh. Rat P. Ehrlich.] Von Dr. F. Pröscher, vormaligem Assistenten der bakteriologischen Abteilung des Instituts. Daß das Agglutinationsphänomen in diagnostischer Beziehung häufig von sehr großem Werte ist, darüber ist heute kein Streit mehr; und ebenso wichtig ist die Agglutinationsreaktion in experimenteller Be- ziehung geworden. Da aber die Reaktion in verschiedener Weise an- gestellt wird, schien es nicht überflüssig, an den vorhandenen Methoden weiter zu arbeiten, um sie, wenn möglich, zu kombinieren und weiter zu vervollkommnen. Angerest wurden wir zumal durch die Methode von Wright'), der zuerst durch ingeniöse Handgriffe die Benutzung kleinster Serummengen für baktericide Versuche ermöglicht hat. Uns kam es vornehmlich darauf an, eine Methode zu besitzen, welche nur wenig Blut beansprucht und jeden Tropfen Serum ausnützt, welche außer- dem im Laboratorium ein quantitatives, bequemes und ungefährliches Arbeiten gestattet. Da die folgende Methode nur O,1 ccm Serum beansprucht, und diese Blutentziehung bei jedem Patienten ohne wesentliche Belästigung vor- zunehmen ist, so erfüllt sie das erste Postulat, das an eine derartige Methode zu stellen ist. Da sie außerdem ein genaues quantitatives Arbeiten ermöglicht, indem in jeder Probe gleiche Flüssigkeitsmengen, gleiche Anzahl von Typhusbacillen und nur abfallende Mengen Serum enthalten sind, so genügt sie auch den Anforderungen des Laboratoriums, 1) Lancet 1901. Br un A > P OR Zur Anstellung der Widal’schen Reaktion. 401 zumal sie wenig zeitraubend, in ihrer Beurteilung einfach und sicher und durch die Verwendung von toten Typhusbacillen ungefährlich ist. Die Methode der Blutentnahme. Die Blutentnahme erfolgt mittels U-förmig gebogener Röhrchen aus ganz dünnem Glase von etwa 2 mm äußerem Durchmesser, welche an den Enden ein wenig ausgezogen sind. Die Länge der Schenkel richtet sich nach der zur Verfügung stehenden Laboratoriumscentri- fuge. Zur Blutentnahme wird am Öhrläppchen nahe der Spitze am äußeren Rande mit einem scharfen Skalpell ein Schnitt von etwa 1 cm Länge und mäßiger Tiefe gemacht. Zur Desinfektion des Ohres genügt vorheriges Abreiben mit eınem Alkoholwattebausch. Der aus dem Schnitt hervorquellende Blutstropfen darf nicht herablaufen, was event. durch Abwischen mit einem trockenen sauberen Tuche verhindert wird. Es wird alsdann eine U-Kapillare an den Tropfen angesetzt oder auch direkt in den Schnitt hineingehalten. Durch Kapillarität wird das Blut schnell angesogen. Wenn, was nicht selten eintritt, Verstopfung der Kapillare eintritt, so ist schnell eine 2. 3. etc. Kapillare anzusetzen. Wir schicken deshalb zu jeder Blutentnahme etwa 5 Kapillaren ein. Mit einiger Geduld und geringer Uebung wird man in allen Fällen genügend Blut erhalten. Die gefüllten Kapillaren werden durch einen Tropfen Siegellack, Stearin oder dergl. verschlossen. Die Anstellung der Reaktion und die Herstellung der Verdünnungen. Die mit Blut gefüllten Kapillaren werden im Laboratorium centri- fugiert, alsdann werden die mit Siegellack verschlossenen Spitzen durch einen Strich mit dem Glaserstahl abgeschnitten. Jezt wird in jedem Kapillarenschenkel an der Grenze von Blutkuchen und Serum ein Strich mit dem Stahl gezogen, und an dieser Stelle werden die Röhrchen ab- gebrochen, ohne daß man zu befürchten braucht, daß dabei Serum aus- läuft; die Kapillarität läßt zunächst nichts ausfließen. Auf diese Weise schneidet man von allen Kapillaren die mit Serum gefüllten Schenkel ab. Zur Messung des erhaltenen Serumquantums bedient man sich einer der in 100 Teile eingeteilten 1 cam-Meßpipetten !), auf deren wohl- erhaltene Spitze man zu achten hat. Man gießt jezt das Serum aus den einzelnen Röhrchen direkt in die Meßpipette, indem man die Röhrchen an die Spitze der senkrecht gehaltenen Pipette anlegt (Spitze der Pipette nach oben). Die Kapillarität thut das Uebrige, indem sie das Serum in die Pipette fließen läßt, ohne daß ein Tröpfchen verloren geht oder vorbeifließt. Nur muß man darauf achten, daß sich in der Aus- flußöffnung der Röhrchen nicht ein Luftbläschen befindet, welches man event. durch leichtes Auftupfen auf Fließpapier entfernt. Auf diese Weise wird der Inhalt aller Röhrchen in die Meßpipette übergeführt. Zur Herstellung der Verdünnung wird 1 cem physiologische NaCl- Lösung in ein kleines Reagenzglas gegeben. Nun wird an der Meß- pipette abgelesen, wieviel Serum darin enthalten ist, und diese Menge wird in den 1 ccm der physiologischen Kochsalzlösung ausgeblasen und die Pipette mit dem Wasser gründlich durchgespült. Es wird jetzt noch soviel physiologische Kochsalzlösung hinzugegeben, bis die Serum- verdünnung 1:10 erreicht ist. Hatte man z. B. in der Meßpipette 1) Diese Meßpipetten waren ebenso, wie die später erwähnten !/, cem-Pipetten und die Blockschälchen von F. u. M. Lautenschläger-Berlin bezogen. Erste Abt. XXXI. Bd. 2 402 F. Pröscher, Zur Anstellung der Widal’schen Reaktion. 0,22 ccm Serum, so mußte zu der Mischung von Serum plus 1 ccm physiol. Kochsalzlösung (gleich 1,22 eem) mit einer weiteren Meßpipette noch 0,98 cem physiol. Kochsalzlösung hinzugefügt werden, damit die Serumverdünnung 1:10 (0,22:2,2) resultiert. Die weitere Verdünnung erhält man in einfacher Weise, indem man in einer Reihe kleiner Röhrchen je !/, cem physiol. Kochsalz- lösung giebt, aber das erste Röhrchen frei läßt. In Röhrchen 1 und 2 kommt nun je !/, ccm in der zehnfachen Serumverdünnung, in Röhrchen 3 kommt !/, cem aus Röhrchen 2, in Röchrchen 4 !/, ccm aus Röhrchen 3 etc., wobei natürlich jedesmal gründliches Umschütteln und gründliches Durchblasen der Pipette erforderlich ist. So enthält jetzt jedes Röhrchen !,, ccm Flüssigkeit, und zwar Röhrchen 1 eine Serumverdünnung 1:10, Röhrchen 2 eine Serumverdünnung 1:20, Röhrchen 3 eine Serum- verdünnung 1:40 ete. Wir machen gewöhnlich eine Reihe von 5 oder 6 Röhrchen und außerdem ein Kontrollröhrchen mit !/, ccm der physiol. Kochsalzlösung. Es folgt nun die Zugabe der Typhuskultur. Wir verwenden dazu eine Typhusbouillonkultur, welche nach 1-tägigem Wachstum bei 37° durch Zugabe von 1 Teil 40-proz. Formalins auf 100 Teile Typhus- bouillon abgetötet wird. Die Formalin-Typhusbouillon bleibt in einem hohen Maßcylinder 2 Tage bei 37° Dabei bildet sich ein Bodensatz von Teilen, die bei der Agglutinationsprüfung nur störend sein würden. Es wird deshalb die Formalinbouillon von diesem Bodensatz abgegossen, und diese abgegossene Formalinbouillon hält sich im Eisschrank wochenlang gebrauchsfähig, nur muß sie vor jedem Gebrauche um- geschüttelt werden. Zu jedem Röhrchen mit den Serumverdünnungen kommt nun von dieser Formalinbouillon '/, ccm hinzu, ebenso zu dem Kontrollröhrchen. So enthalten jetzt alle Röhrchen gleiche Mengen Flüssigkeit und gleiche Mengen Typhusbaecillen und unterscheiden sich nur durch die Serummengen, welche sie enthalten. Durch diese Zugabe von '/, ccm Typhusbouillon ist natürlich die Serumverdünnung verdoppelt worden, und die Reihe enthält jetzt folgende Serumverdünnungen: Röhrchen 1 1 Teil Serum zu 20 Teilen Flüssigkeit. „ = 1 iR) „ „ 0 EB „ ” B | „ „ „ s0 „ ” „ 4 1 „ „ „ 160 „ „ 51 UNE. Die Röhrchen werden nun sofort in kleine, vorher numerierte Blockschälchen aus Glas, wie sie zum Färben gebraucht werden, aus- gegossen. Diese werden aufeinander gestellt, und nur das oberste braucht durch einen Deckel oder ein leeres Blockschälchen vor Verdunstung geschützt zu werden. So kommen sie in den Thermostaten. Die Besichtigung erfolgt nach 1 und 2 Stunden (37°), und zwar mit dem schwachen Trockensystem bei etwa Ö0Öfacher Vergrößerung (Zeiss AA) und gesenktem Kondensor. Es erfordert hierbei ganz geringe Uebung, um sofort echte Agglutination (krümelige, fast sternförmige Haufen) von Sedimentierung, Schmutzpartikeln oder roten Blutkörperchen etc. zu unterscheiden. Die Sicherheit des Urteiles bei dieser Art der Untersuchung ist eine sehr große, wenn man alles Zweifelhafte als negativ und nur Evidentes als positiv bezeichnet. Fermi u. Repetto, Beitrag zur Verbreitung der proteolyt. Enzyme etc. 403 Diese Methode ist sicherlich nicht so empfindlich, als z. B. die Be- trachtung mit der Immersion, aber gerade das ist ihr diagnostischer und auch experimenteller Vorteil. Dafür sind ihre Resultate viel ein- deutiger und übereinstimmender. Auf dieser geringeren Empfindlichkeit beruht es wohl auch, daß wir in einem normalen Serum niemals bei der Verdünnung 1:20 eine Agglutination gesehen haben, trotzdem. wir 15 normale Sera darauf untersucht haben und außerdem vielfach negative Fälle zur Untersuchung eingeschickt bekamen. In den positiven Fällen war der Agglutinationswert aber immer ein wesentlich höherer als 1:20. Wir sehen deshalb das Auftreten einer Agglutination bei 1:20 als wahrscheinlich positiven und bei 1:40 als sicher positiven Ausfall der Reaktion an, unsere Art der Ausführung natürlich vorausgesetzt. In zweifelhaften Fällen wiederholen wir nach etwa 3 Tagen die Reaktion und sehen dann gewöhnlich ein Ansteigen des Agglutinationswertes. Trotz der vielleicht kompliziert erscheinenden Beschreibung ist die Ausführung dieser Methode sehr einfach. Nach einiger Uebung braucht _ man vom Eintreffen der Probe an gerechnet (exklusive Centrifugieren) etwa 15 Minuten zum Anstellen und ganz weniger Minuten zum Be- sichtigen der Reaktion. Wir haben diese Methode bisher in etwa 50 eingesandten Fällen mit dem besten Erfolge angewendet, und ebenso sind zahlreiche experi- mentelle Untersuchungen !) auf diese Weise ausgeführt worden. Auch _ die beschriebene Blutentnahme ist schon vielen hiesigen und auswärtigen Aerzten geläufig. Wir glauben deshalb nach etwa ?/,-jähriger Prüfung diese Methode auch weiteren Kreisen empfehlen zu dürfen. | Zum Schluß danke ich dem Direktor des Instituts, Herrn Geheimrat - Ehrlich, für die Ueberlassung des Materiales, und besonders Herrn - Professor M. Neisser, von dem diese Methode stammt, für seine Unter- stützung. Nachdruck verboten. v Beitrag zur Verbreitung der proteolytischen Enzyme im f Tierreiche. [Aus dem hygienischen Institute der kgl. Universität zu Sassari.] Vorläufige Notiz. Von Prof. Cl. Fermi und R. Repetto, cand. med. ß Nach der bekannten Methode eines von uns (Fermi) haben wir die proteolytischen Enzyme untersucht: 1) Bei den Wirbeltieren und wirbellosen Tieren, die wir der Be- nemlichkeit halber nach ihrer Ernährungsweise in folgende Klassen ein- geteilt haben: Fleisch-, pflanzen-, körner-, insekten-, allesfressende und sSaugende. 2) Bei den Arthropoden, wo wir sie in ihren Eiern, Larven, Chry- aliden und dem entwickelten Tiere suchten. 3) Bei den infolge von Inanition gestorbenen Tieren. ® = — _1)M. Neisser und R. Lubowski. (Centralbl. f. Bakteriol. I. Abt. Bd. XXX. - 1901. No. 13.) Ferner G. Müller, Ueber Agglutinine normaler Tiersera. [Inaug.-Diss.] _ Bern 1901. FE 97% 404 Cl. Fermi und R. Repetto, 4) Bei dem Töten verschiedener Säugetiere. 5) In den Faeces von Säugetieren und Vögeln. 6) Im Pankreas, das längere Zeit in verschiedenen Substanzen bewahrt war. 7) In den Eingeweiden getrockneter und lange Zeit hindurch auf- bewahrter Insekten. 8) Haben wir endlich auch die Wirkung studiert, welche einige färbende Substanzen auf das proteolytische Enzym ausüben. Methode zur Aufsuchung des prot@wolytischen Enzyms. Man bringe einen kleinen Teil der zu untersuchenden Substanz, ca. !/,—D mg, mit Karbolsäurelösung desinfiziert (um die Entwickelung verflüssigender Keime zu verhindern), in dünner Schicht auf eine Glas- scheibe mit erhärteter Karbolgelatine. Diese Gelatine bereitet man auf folgende Weise: Gelatine (Gold- marke) 5 Proz. im Winter, 10 Proz. im Sommer, Karbolsäure 0,5 Proz. Man mißt den Durchmesser in Millimetern. Zur quantitativen Analyse gießt man in graduierte Meßkölbchen eine gegebene Menge Karbolgelatine, thut dazu eine gewisse Menge der zu untersuchenden Flüssigkeit und nach 12—48 Stunden mißt man die Höhe der verflüssigten Gelatine. Eine andere Methode zur quantitativen Analyse ist folgende: Man gießt in kleine Glasröhrchen von 3 mm Weite, welche 1—0,1 cem 2 — 3-proz. Karbolgelatine enthalten, eine gegebene Menge der zu unter- suchenden Flüssigkeit und bringt das Röhrchen in eine Temperatur von 30—37°, nach jeder Stunde nimmt man dasselbe, .bringt es auf eine halbe Stunde in eine Temperatur von 10° und sieht nach, ob die Gela- tine verflüssigt ist. Außer der gewöhnlichen Gelatine benutzen wir eine Natr. carbon.- alkalische Gelatine und eine Salzsäure- oder Milchsäuregelatine, um die hauptsächlich alkalischen und acidophilen Enzyme aufzufinden. Uebersicht der erhaltenen Resultate. A. Säugetiere und Vögel. Im Pankreas der Säugetiere und der Vögel wurde die Gegenwart der proteolytischen Enzyme immer be- obachtet. Die Zahlen bezeichnen die verflüssigte Gelatineschicht. Aus den Zahlenunterschieden wollen wir noch keine Schlußfolgerung ziehen über die verschiedene Wirkung des Pankreassekretes bei den ver- schiedenen Tieren, weil uns in dieser Hinsicht noch genügende spezielle Untersuchungen fehlen. Pankreas Dünndarm a) Pflanzenfresser R 1. Bos taurus 10 mm 5 mm 2. Lepus cuniculus 19175 10:72 3. Cavia cobaya 127,; 6,54 b) Fleischfresser Canis familiaris ER Dar c) Insektenfesser Erinaceus europaeus 10° 5, 100% d) Allesfresser 1. Sus serofa 10%, >, Di. 2. Mus decumanus 10:,., 10 | Beitrag zur Verbreitung der proteolytischen Enzyme im Tierreiche. 405 Vögel. ne elatin EN Er geejtine ea Pankreas eg Pankreas Ban Pankreas is Ä a) Fleischfresser mm mm mm mm mm mm 1. Falceus tinnunculus 25 20 } 2. Larus argentatus 20 18 14 13 — — | 3. Corvus cornix 20 10 4. Athene noct. 10 5 5. Strix flammea 8 8 b) Körnerfresser 1. Glyeispina hortulana 25 — 20 15 2. Passer domesticus 20 17 8 7 16 14 3. Alauda arvensis 20 15 4. Gallus domesticus 20 13 10 3 Ha _- 5. Canabis rubra 15 15 8 6 7 7 6. Coturnix communis 15 15 — 3 B= _ 7. Columba livia 14 _ 10 - 5 = 8. Fringilla carduelis 12 5 20 13 12 5 9. Spinus viridis 3 7 E= — — — ec) Würmerfresser 1. Gallinago gallinula 18 13 — — _ — 2. Vanellus eristatus 17 17 6 6 — — d) Insektenfresser % 1. Upupa epops 25 15 10 7 10 10 2. Parus major 24 22 13 11 10 3 3. Parus palustris 20: 20 _ _ —_ — 4. Cypselus apus 20 15 5. Merops apiaster 10 15 d h) 5 5) e) Allesfresser 1. Monedula turrium 20 16 8 6 20 11 2. Turdus merula 113 0 De ee 3; 15 14 15) 12 f) Pflanzenfresser Fulica atra 18 15 10 8 10 H B. Reptilien und Amphibien. Im Pankreas und im Darme der Reptilien und der Amphibien wurde immer die Gegenwart der pro- teolytischen Enzyme beobachtet. Kohlensaure Natr.- @dlsime Salzsäuregelatine | Milchsäuregelatine Dünn- Dünn- m E LyTINENE Pankreas als u darm | BauEre | _darm mm mm mm mm mm | mm l. Tropidonotus natrix ) 6 „ 3 a Erg 2. Discoglossus 418 10 Ze BR a Ne 3. Lacerta muralis 15 15 er m. AN C. Fische. In den pylorischen Anhängen sowie im Darme der Fische fanden wir ein sehr wirksames proteolytisches Enzym. D. Insekten. Von den Insekten haben wir den Verdauungskanal untersucht, indem wir denselben in Kopf-, Thorax- und Abdominalteile trennten. Aus den verschiedenen Untersuchungen ging hervor, daß die _ Speicheldrüsen und die Speiseröhre bisweilen proteolytische Enzyme _ enthalten, welche jedoch im Darme besonders wirksam oder in großer Menge vorhanden sind. Bisweilen konstatierten wir die vollständige 406 | Cl. Fermi und R. Repetto, Insekten‘). -proz. Milchsäure- atin ee. _ _ gelatine Tho- | Abdo- anf 77: | Tho- |Albdo- Kopf Fr nen [Er a men | rax | men 2-proz. kohlensaure Natron-Gelatine Kopf | Salzsäuregelatine ss I} “ Pflanzenfresser Fleischfresser Allesfresser l. Bobus bison + 2. Ateacus laticollis + 3. Blaps mucronata sie A 2. 5 6 % 16) +++ HHH Hr *| . Percus . Pristonychus alge- rinus BE . Hyster bimaculatus ST . Scaurus striatus — . Licinus granula- tus 9. Akis spinosa 10. Oryetes nasicornis Er = 11. Hyster major ne Er HH E= HH 4 2 IH 12. Eropinota irta 13. Chrysomel. varians 14. Orypus oleus 15. Carabus morbillo- sus =F 16. Agabus maleomo- tus = 17. Brachycerus _cor- TOSUS — 18. Coceinella septem- purctata re 19. Melolonta vulgaris Ben 20. Acridium aegyp- tum I 21. Gryllus campestris m 22. Gryllotalpa vulga- rüs _ 23. Noctonecta glauca 2 24. Blatta orientalis ae 25. Nepa cinerea 20» 26 HrIHHF+ Fr We + + +++ + een ia a en] Et +++ 26. Locusta viridis 27. Mantis religiosa BE Se SE SE SE EEE EEE ee | ee IB a + | b) Saugende 1. Oulex pipiens, vollständ. Tier a Puppen - Larven Di Eier nn 2. Gastrus equi, voll- ständ. Tier _ 3. Vespa crabro —_ Puppen er Larven ee 4. Ephemera vulgata, vollständ. Tier — Larve — BI | | til} +++] |. Be le; tl +++ | ee | ] + | — | + Tl Hl 1) Erklärung der Tabelle. Das Zeichen -+ bedeutet wirksam, + wirksamer, Zei sehr wirksam, — unwirksam. ’ Beitrag zur Verbreitung der proteolytischen Enzyme im Tierreiche. 407 I | 2-proz. kohlensaure | « 1,.: ; 1-proz. Milchsäure- Natron-Gelatine | Palzsäuregelatine gelatine e Kopt | Tao |Abdo- Tho- |Abdo-| 7-__., | Tho- | Abdo- | Kopf | yax | men Kopf rax | men Kopf | rax | men d. Vanessa cardui | — — | _ —_ | 4: eur En Ei | De 6. Zueilia, vollständ. Tier Eu echüsie | u nllnfi AR NTE uaE Puppen _ -- _ _ _ _ — — —_ Larven + Br x + + + - + + Eier _ E — _ - -- — — _ 7. Musca vomitoria _ —_ + —_ _ + — — ae Abwesenheit des proteolytischen Enzyms im entwickelten Stadium ver- schiedener Insekten, in ihrem Larvenstadium hingegen war es wirksam; häufig beobachtete man umgekehrtes Verhalten. — Dieser Unterschied erklärt sich aus der Natur der Nahrung dieser Insekten. Bei den allesfressenden sowie bei den fleischfressenden und pflanzen- fressenden Insekten ist das Enzym verbreiteter als bei den meisten saugenden, bei denen es häufig ganz fehlt. Die angestellten Versuche ergaben, daß die Eier der Insekten (ÜÖulex, Lueilia) keine proteolytischen Enzyme enthalten. Hingegen beobachtet man ihre Anwesenheit in einigen Larven (Oulex) vom ersten Tage ihrer Entwickelung an. Arachniden und Myriapoden. Bei einigen von diesen, mit Ausnahme der saugenden, beobachtete man die Anwesenheit proteo- lytischer Enzyme. | Kopf | Thorax | Abdomen Scorpio europaeus + | Hr Fr Scolopendra forficata — u a: JIxodes ricimus — Een u Würmer. Bei den Schmarotzern wurde immer ein negatives Resultat erhalten, was wahrscheinlich ihrer Ernährungsweise zuzuschreiben ist, die der Enzyme nicht benötigt: Ascaris bumbricoides — Taenia mediocanellata — Ascaris vitula — Eustrongylus gigas — Taenia solium — Gordius aquaticus — Die Erakis inflexa und die Taenia exilis der Hühner zeigten Spuren von Verflüssigung am 3. oder 4. Tage, nachdem sie mit der Gelatine in Berührung gekommen waren. Ormogaster Redii Rosa. Bei diesen fanden wir, daß der wirk- samste Teil des Verdauungsrohres auch der gefäßreichste ist und dem Teile entspricht, an welchem die Speiseröhre sich erweitert. Die Enzyme der Tiere, welche der Inanition ausgesetzt i wurden. | Läßt man die Tiere eine bestimmte Zeit fasten oder durch Ver- hungern sterben, so bemerkt man, daß die Thätigkeit des proteolytischen Enzyms sich bedeutend vermindert: 408 Cl. Fermi und R. Repetto, | Pankreas Dünndarm 1) Taube, gestorben infolge von Inanition 8 mm | — Kontrolltaube AL. SE —_ 2) Eidechse, verendet infolge von Inanition | 10 „ = Eidechse (20 Tage lang hungernd) ae — Kontrolleidechse 1918 15 mm 3) Falke, durch Inanition verendet Ta Kontrollfalke as Gegenwart des proteolytischen Enzyms im Pankreas und im Darme der Föten. A. Ochsenfötus. Länge vom Kopfe bis zum Anus 1) 16 cm 7) Fötus von 50 Tagen Pankreas + + Pankreas + + Dünndarm — — Dünndarm — — 2) 25 cm 8) Fötus von 2 Monaten Pankreas +’ Pankreas + + Dünndarm — — Dünndarm — — 2). 24.0 9) Fötus von 3 Monaten Pankreas De Pankreas + + Dunndarm = — Dünndarm -—- — 4) 30 cm 10) Fötus von 4 Monaten Pankreas NE Pankreas + + Dünndarm — — Dünndarm — — 5) Ssircm 11) Fötus von 7 Monaten Pankreas Bee Pankreas + Düsadarmiu) 22 Dünndarm + + 6) 35 cm Pankreas + + Dünndarm — — B. Schweinefötus. Länge vom Kopfe bis zum Anus 1) 23 cm 2) 25 cm Pankreas + + Pankreas + + Dünndarm "2 — Dünndarm — = ©. Schaffötus. Länge vom Kopfe bis zum Anus 1). lem 2) 34 cm Pankreas + + Pankreas + + Dünndarm + + Dünndarm + + D. Hundefötus. Länge vom Kopfe bis zum Anu 1,13%, cm | Pankreas + + Dünndarm — — Zieht man das Resultat zusammen, so ergiebt sich, daß das proteolytische Enzym im Pankreas des Fötus erscheint, wenn dieser eine Länge von 16 cm erreicht hat, während man es im Dünndarme erst nach 7 Monaten wirksam antrifit. Was das Schaf anbetrifft, so findet man es schon wirksam im Fötus von der Länge von 31 cm, im Dünndarme bei 34 cm. Für die Schweine findet man es im Pankreas schon wirksam bei einer Länge von 23 cm, während es im Dünndarme unwirksam ist. ‘Beim Hunde bemerkt man es bei 153 cm wirksam im Pankreas, unwirksam im Dünndarme. i = - E | | | h | 1 4 7 v | j ’ | h 3 ’ Beitrag zur Verbreitung der proteolytischen Enzyme im Tierreiche. 409 Anwesenheit des proteolytischen Enzyms in den Faeces. Die Anwesenheit des proteolytischen Enzyms wurde besonders in den Faeces der fleischfressenden Tiere (Katzen, Hunde) und in denen der Allesfressenden (Schwein), mit Ausnahme des Menschen, beobachtet, während es in jenen der verschiedenen Pflanzenfresser (Pferd, Esel, Ochse, Schaf, Kaninchen, Meerschweinchen) nicht vorhanden ist. Das Enzym wurde in den Faeces fast aller Vögel gefunden. | A. Säugetiere. Faeces a) Allesfresser c) Pflanzenfresser | 1. Mensch — — — 1. Pferd nr 2. Schwein 7 mm 2. Esel -_ | b) Fleischfresser 3. Ochse ei 1. Hund 10 mm 4, Schaf -— 2. Katze 12 „ 5. Kaninchen 22} | 6. Meerschweinchen — B. Vögel. 1. Faleus 15 mm 5. Fringilla carduelis 12 mm | 2. Strix flammea 1" 6. Glyeispina hortulana 12 „ 3. Passer domesticus ia; 7. Spinus viridis 2-5 4. Monodula turr. Ian =, 8. Otiloris hortensis IdE 1. Mittel zur Bewahrung der Wirksamkeit des proteolytischen Enzyms. Man bewahrt die Wirksamkeit der Pankreasstücke mit leichter Schwächung des proteolytischen Enzyms in Petroleum, in 2-proz. Karbol- säure, in Glycerin ungefähr auf die Dauer von 3 Monaten. Nach ca. 1 Jahre wird die Wirksamkeit fast vollständig zerstört. In Aether, Benzin, 2-proz. Formalin und Amylalkohol beobachtet man nach einiger Zeit den Verlust der Wirksamkeit des Enzyms. Resultate, welche bei dem 10 Tage lang aufbewahrten Kaninchen- pankreas erhalten wurden: 2) Petroleum 3) Glycerin 1) Karbolsäure 20 mm Nach 1 Monate: 2) Xylol 1) Karbolsäure 20 mm 3) Glycerin PRf; 2) Xylol N 4) Chloroform : 3) Chloroform Lies: 5) Alkohol ID 4 4) Glycerin BEN, 6) Wasser | Ge 5) Petroleum Us, 7) Petroleum 3 BE 6) Alkohol De, 8) Formalin, 1-proz. 10 „ 9) a 4-proz. ÄRr Nach 2 Monaten: 10) Aether eg 1) Chloroform 16 mm Nach 20 Tagen: 2) Karbolsäure IE = 1) Karbolsäure 20 mm 3) Petroleum 10 , 2) Xylol 20, 4) Glycerin DR 3) Eroform Br. 5) Alkohol = 4) Glycerin 1 5, Ben n = Nach 3 Monaten: 6) Wasser UN), 1) Petroleum 10 mm 7) Alkohol I 2) Karbolsäure An 8) Amylalkohol 3) Glycerin De 9) Benzin _ 4) Chloroform -_— 10) Formalin, 1—4-proz. — Nach ca. 1 Jahre: 1) Karbolsäure 2 mm u gl en A > ul r 2 \ \ \ 410 | Ernst Joest, 2. Wirksamkeit des Pankreas und des Dünndarmsin schwefelsaurem Kalke konserviert (Austrocknung). In pulverisiertem schwefelsauren Kalke aufbewahrte Pankreas- und Darmstücke von Säugetieren und Vögeln behielten ihre Wirksamkeit über 1 Jahr bei. | Pankreas | Dünndarm 1) Canis familiaris 20 mm 2) Fulica atra Bert 15 mm 3) Cornix coraz Sur, 19.5 4) Gallinago gallin. | 18025; 10), 25, 3. Wirksamkeit des seit 1 Jahre getrockneten Insektendarms. Die proteolytischen Enzyme einer zahlreichen Reihe von Insekten, im Ofen getrocknet, behielten ihre Wirksamkeit nach 1 Jahre: | Kopf | Thorax | Abdomen l) Akis spinosa 2) Blaps mucronata 3) Brachyurus coronis 4) Athenaeus latieul. 5) Oryctes nasicornis 6) Gryllus camp. 7) Vanessa cardui 8) Acridium aeg. 9) Blatta orientalis 10) Carabus morbil. 11) Coceinella septemp. 12) Noctonecta glauca re ke ee Dre HEHE HH 4. Wirkung einiger Anilinfarben auf die Enzyme. Da wir, um die Anwesenheit der proteolytischen Enzyme mehr hervorzuheben, zur Färbung der Gelatine mit Anilinfarben griffen, ge- lang es uns, folgende Beobachtungen zu machen: Man bemerkte keine Einwirkung beim Gentianaviolett, beim Methylenblau, beim Eosin, beim Kongorot, bei Karmin, Hämatoxylin, keine beim Berliner Blau und nur Spuren von Schwächung infolge der Einwirkung des Vesuvins. Nachdruck verboten. Unbekannte Infektionsstoffe. Eine Studie von Dr. Ernst Joest, Leiter der bakteriolog. Abt. des Pharm. Instituts Gans in Frankfurt a. M. (Schluß.) Welche Umstände bedingen nun die Endlichkeit un- seres mikroskopischen Wahrnehmungsvermögens? Bei welcher Größe liegt die Grenze der Visibilität? — Ich folge hier in der Hauptsache den ausführlichen Darlegungen Abbe’s. — Der von der Beleuchtungsvorrichtung des Mikroskopes dem Präparate zu- Be: j Unbekannte Infektionsstoffe. 411 geführte Lichtkegel erfährt beim Hindurchtreten durch letzteres infolge der Diffraktions- (Beugungs-)wirkung, welche sehr kleine Objekte und feine Strukturen auf die Lichtstrahlen ausüben, eine Veränderung, derart, daß aus dem geradlinig zum Objektiv gehenden (ungebeugten) Licht eine Anzahl Strahlenbündel (mit auseinandergehenden Farben) abge- zweigt werden, welche mit den ungebeugten Lichtstrahlen größere oder kleinere Divergenzwinkel bilden. Diese Winkel sind um so größer, je kleiner die Dimensionen der Objekte sind. Sie sind bei ein und demselben Objekt verschieden für die einzelnen Farben der gebeugten Strahlen, und zwar sind sie „für jede einzelne Farbe _ proportional ihrer Wellenlänge, nehmen also von Violett zu Rot stetig zu“. Auf experimentellem Wege konnte Abbe den Nachweis führen, - daß die durch Beugung aus dem direkten Licht ausge- schiedenen Strahlen bei der Abbildung gröberer Objekte nicht _ unbedingt erforderlich sind, daß aber, sobald die Dimen- _ sionen des zu untersuchenden Objektes unter die Größe von 20 « heruntergehen, bei der deutlichen Abbildung desselben ein Teil des abgebeugten Lichtes mitwirken muß. — Da, wie wir sahen, die Divergenzwinkel der gebeugten Strahlen mit der Feinheit des Details im Präparat an Größe zunehmen, so er- | giebt sich für die Konstruktion des Mikroskopes die Forderung, bei den | stärkeren Objektiven den Oeffnungswinkel!) so groß zu wählen, daß möglichst alle durch Beugung abgelenkten Strahlenbündel ins Objektiv | eintreten können. Es muß mit anderen Worten der Oeff- nungswinkel des Objektives umgekehrt proportional der Größe des Objektes sein. Aber auch bei sehr großem Oeffnungs- winkel kann, „sobald das Detail eines Objektes in seinen linearen Di- mensionen auf kleine Vielfache der Wellenlänge des Lichtes herab- geht — wie die Rechnung und die Beobachtung zeigt — auch ein sehr großer Oeffnungswinkel des Objektives nie mehr als einen Teil der ganzen, durch die Beugung erzeugten Strahlengruppe gleichzeitig auf- nehmen“. Besitzen die Objekte so kleine Dimensionen, „daß auch der erste durch Beugung erzeugte Lichtbüschel nicht mehr gleichzeitig mit dem ungebeugten Lichtkegel in das Objektiv eintreten kann“, so kommt es überhaupt nicht mehr zur ErzeugungeinesBildes: das Objekt kann nicht - wahrgenommen werden. Der Minimalwert der eben noch wahr- nehmbaren Objektgröße : „ergiebt sich für reine centrale Be- leuchtung durch Division der Wellenlänge (des betreffenden Lichtes) mit dem Sinus des halben Oeffnungswinkels“. „Da nun auch beim Im- _ mersionssystem der ÖOeffnungswinkel durch kein Mittel erheblich über diejenige Größe, die 180° in Luft entsprechen würde, hinausgeführt - werden kann, so folgt, daß, wie auch das Mikroskop in Bezug auf die - förderliche Vergrößerung noch weiter vervollkommnet werden möchte, die Unterscheidungsgrenze für centrale Beleuchtung doch niemals über den Betrag der ganzen und für äußerste schiefe Beleuchtung niemals über den der halben Wellenlänge des blauen Lichtes um ein nennens- _ wertes hinausgehen wird.“ Nach Helmholtz können wir die Wellen- länge „der mittleren hellsten Strahlen“ für weißes Licht gleich 0,55 u 1) Unter Oeffnungswinkel einer Linse oder eines Linsensystemes versteht man den Winkel, welcher, mit dem Brennpunkte als Scheitel, von den äußersten Rand- strahlen gebildet wird. 412 Ernst Joest, setzen. Den größtmöglichsten Oeffnungswinkel von 180° vorausgesetzt, würde also beider Anwendung von weißemLicht die kleinste unterscheidbare Objektgröße 0,55 u (bei centraler Beleuch- tung) bezw. 0,27 u (bei schiefer Beleuchtung) sein. — Für dunkel- blaues Licht, dessen Wellenlänge (Linie G des Spektrums) 0,43 u beträgt, stellt sich das Verhältnis etwas günstiger. Wir würden so- mit beider Anwendung von blauem Lichte für die Größe der unterscheidbaren Objektdistanzen die Werte von 0,43 bezw. 0,21 u erhalten. Die Größe von 02T a ist als die untere Grenze der Visibilität zu betrachten, da für die direkte Beobachtung das noch dunklere violette Licht (dessen Wellenlänge ja noch etwas kleiner ist, als die des blauen Lichtes) kaum in Betracht kommt. — Die Photographie ermöglicht allerdings auch noch solche Objekte, die nur wenig jenseits dersoeben be- zeichneten Grenze der Visibilität stehen, unter Anwendung von vio- lettem oder ultraviolettem Lichte indirekt zur Anschauung zu bringen, da ja diese Strahlen die größte chemische Wirksamkeit entfalten. Es wäre absurd, wollte man annehmen, daß bei der durch äußere Umstände bedingten Grenze der Sichtbarkeit der Mikrokosmos über- haupt ein Ende hat. Warum sollte es jenseits dieser Grenze nicht noch unendlich viele lebende Kleinwesen geben, da doch zwischen der Größe der Moleküle und der Größe der eben noch wahrnehmbaren Organismen der Natur in der Bethätigung ihres Schöpfungsbedürfnisses noch ein weiter Spielraum gelassen ist?! — Und warum sollten diese Mikro- organismen, deren Größe sich wahrscheinlich nur mit dem mu-Maßstabe feststellen ließe und die als lebende Wesen mit Stoftwechsel und Ver- mehrungsfähigkeit begabt sein müssen, nicht ebenso wie die bekannten Mikroparasiten als Krankheitserreger auftreten können?! Was ich oben in Bezug auf die Schlüsse, die sich aus dem Fehl- schlagen des Kulturversuches bei unbekannten Infektionserregern ziehen lassen, gesagt habe, gilt in ähnlicher Weise auch für den mikroskopischen Nachweis derselben. Auch hier lassen sich allein aus der That- sache, daß es nicht gelang, die betreffenden Mikroorganismen zu sehen bezw. sichtbar zu machen, keine weiteren Folgerungen bezüg- lich der Natur des gesuchten Infektionsstoffes ableiten, wie dies seitens einiger Forscher ohne weiteres geschehen ist. Das „Contagium vivum fluidum“ Beijerinck’s. Der Um- stand, daß das Öontagium der Flecken- oder Mosaikkrankheit der Tabakpflanze weder künstlich kultiviert noch mikroskopisch nach- gewiesen werden konnte, in Verbindung mit der Thatsache, daß der unbekannte, vermehrungsfähige Infektionsstoff die Bakterienfilter zu passieren vermochte, wurde für Beijerinck die Veranlassung, für die genannte Tabakkrankheit ein lebendes, vermehrungsfähiges, krankmachendesAgensinflüssiger bezw. wasserlöslicher Form, ein „Gontagium vivum fluidum“ anzunehmen !). Wie wir oben bei der Feststellung der Unterschiede zwischen un- belebter und lebender Substanz gesehen haben, ist die lebende Substanz stets geformt (Zelle) und an diese Form sind sämtliche Funktionen des Lebens, vor allem die Vermehrungsfähigkeit der iebenden Substanz, ge- 1) Diese Annahme Beijerinck’s hat, wie zu erwarten war, im Gefolge gehabt, daß nun auch gleich die Möglichkeit diskutiert wurde, ob nicht auch verschiedene menschliche Infektionskrankheiten, wie Scharlach, Pocken, Syphilis, auf derartige „tüssige Kontagien“ zurückzuführen seien. (Vergl. z. B. Öppenheimer.) Ann- Be ar; _ 2,er bu 5) 2 2 u Z Et w oe de) Bon a Ah Eu FETT, Unbekannte Infektionsstoffe. 413 bunden. Eine formlos-flüssige oder gar gelöste lebende Substanz giebt es nicht. Ein „Contagium vivum fluidum“, wie es Beijerinck annimmt, ist somit weder bei der Mosaikkrankheit der Tabakpflanze, noch über- haupt denkbar!). Ein Contagium vivum kann nur in Form organisierter Zellindividuen (Mikroorganismen) — mag deren Organisation auch auf einer noch so niedrigen Stufe stehen — existieren. | Gegen die Annahme eines flüssigen oder gelösten Contagiums bei der Mosaikkrankheit der Tabakpflanze spricht übrigens außer den an- geführten Gründen ein Versuch Koning’s mit dem Ansteckungsstoffe dieser Krankheit. Koning vermochte mit infektiösem Material, welches 5 Minuten auf 100° erwärmt worden war, noch Pflanzen zu infizieren. Das Virus war durch diesen sehr starken Eingriff lediglich abgeschwächt worden (was sich in der Verlängerung der Inkubationszeit ausdrückte). Eine formlos-flüssige oder gelöste lebende Substanz würde diesen Ein- griff niemals überstanden haben. Zur Erklärung der Widerstandsfähig- keit des Erregers der Mosaikkrankheit gegen die hohe Temperatur muß man mit Koning annehmen, daß derselbe Sporen zu bilden im- stande ist ?). V. Bestimmung der Grösse unbekannter Krankheitserreger. Nachdem wir die Umstände kennen gelernt haben, die Schuld tragen können, daß wir die Erreger einer ganzen Reihe von Infektions- krankheiten nicht näher kennen, muß uns naturgemäß die Frage sehr interessieren, ob es möglich ist, festzustellen, welche von den unbekannten Mikroorganismen so klein sind, daß sie sich für immer unserer Wahrnehmung entziehen und welche aus anderen Gründen bis jetzt unbekannt ge- blieben sind. Denn, ist es möglich, diese Frage zu beantworten, gewinnen wir damit einen wichtigen Anhaltspunkt für die weitere Er- forschung der Aetiologie jener Krankheiten. Die Methode, deren wir uns zur Feststellung der ungefähren Größe unbekannter Mikroorganismen bedienen, ist die Filtration. — Die Bakterienfilter können aus verschiedenem Material bestehen: Aus unglasiertem Porzellan (Pasteur,Chamberland); 1) Bezüglich der Vermehrung seines „Contagium vivum fluidum“ fühlt Bei- jerinck auch selbst die Unhaltbarkeit seiner Vorstellung; denn er schreibt: ‚Auch will es mir scheinen, daß Reproduktion oder Wachstum eines gelösten Körpers zwar nicht undenkbar, dennoch schwierig vorstellbar ist. Ein Teilungsprozeß in den Mole- külen, welcher zu deren Vermehrung führen würde, ist nicht gut annehmbar, und der Begriff von sich ‚ernährenden Molekülen‘, welcher dabei vorausgesetzt werden müßte, scheint mir unklar, wenn nicht naturwidrig zu sein. Gewissermaßen ist es deshalb als eine Erklärung zu betrachten, daß das Contagium, um sich zu reproduzieren, in das lebende Protoplasma der Zelle einverleibt werden muß, in dessen Vermehrung es sozusagen passiv mit hineingeschleppt wird.“ Der letzte Satz bedeutet aber eine Verzichtleistung auf die aktive Vermehrungsfähigkeit des Contagiums. Dasselbe würde sich somit nicht anders verhalten wie ein unbelebter toxischer Stoff. (Daß es sich aber thatsächlich um ein vermehrungsfähiges, also lebendes, pathogenes Agens ne ri Mosaikkrankheit der Tabakpflanze handelt, geht aus der Arbeit Beijerinck’s ervor. 2) Eine ähnliche hohe Widerstandsfähigkeit konstatierte Sanarelli bei dem nicht näher bekannten „myxomatogenen Virus“. 6-stündige Einwirkung von 2-proz. Karbol- säure, 1-promilliger Sublimatlösung, 5-proz. Formaldehydlösung hatte „keine andere Wirkung als eine geringe Aenderung der Kraft, indem die Dauer der so erzeugten Krankheit bloß verlängert wurde“. 414 Ernst Joest, aus Infusorienerde (Berkefeld, Bitter); aus hartgebranntem Thon (Pukall). Diese außerordentlich feinporigen Stoffe erweisen sieh für die morphologisch näher bekannten Bakterien, auch für die kleinsten unter ihnen, sowie für alle bekannten Zellen (also auch für Protozoen) un- durchgängig. Wenn wir also eine bakterienhaltige Flüssigkeit durch ein derartiges Filter gehen lassen, so erhalten wir ein vollkommen bak- terienfreies Filtrat, während die morphotischen Elemente auf dem Filter zurückbleiben. Auf diese Weise lassen sich auch die von gewissen Bakterien abgeschiedenen Gifte und Fermente (Enzyme) in bakteriell steriler Form gewinnen; denn diese Stoffe vermögen, da sie sich in Lösung befinden, das Filter zu passieren. Als Loeffler und Frosch bei der Maul- und Klauenseuche, deren Erreger auch diese Forscher nicht auffinden konnten, in dem den Infektionsstoff enthaltenden Aphtheninhalt mit Hilfe der Filtration ‚gelöste Stoffe nachzuweisen versuchten, machten sie die Beobachtung, daß das gewonnene Filtrat (obgleich „bakteriell steril‘) ebenso die Maul- und Klauenseuche in typischer Form zu erzeugen imstande war, wie unfiltrierter Aphtheninhalt. — Wie ließ sich diese auffallende Erscheinung erklären? Es mußte das Filtrat entweder „ein gelöstes, außerordentlich wirk- sames Gift“ oder Mikroorganismen von exorbitanter Kleinheit enthalten, die die überaus engen Filterporen zu passieren vermochten. Diese Frage konnte, wie wir oben gesehen haben, auf dem Wege des Experimentes zu Gunsten der letzteren Auffassung entschieden werden. Zu den bei der Filtration zurückgehaltenen Mikro- organismen gehören, wie ich schon bemerkte, alle morphologisch näher bekannten Bakterien (und andere Protophyten) sowie Protozoen. Auch das kleinste Bakterium, das wir kennen, das Bacterium in- fluenzae R. Pfeiffer, ist nicht imstande, die genannten Filter zu passieren. Von den unbekannten Krankheitserregern ist es der Er- reger der Lyssa (nach P. Bert und Babes), der Erreger der Rinder- pest (nach Semmer, Kolle u. A.) und der Variola- und Vaceine- erreger (nach Schulz und Weyl, Weichselbaum und v. Wasie- lewski), die sich bei der Filtration ebenso verhalten, wie die bekannten Bakterien und Protozoen. — Dagegen vermögen die Erreger der Maul- und Klauenseuche (nach Loeffler und Frosch), der südafrikanischen „Pferdesterbe“ (nach Theiler und Mc Fadyean), wie auch der Erreger der Mosaikkrankheit der Tabakpflanze (nach Iwanowski, Beijerinck und Koning) die Filter zu passieren. — Ueber das Verhalten der un- bekannten Erreger der übrigen oben aufgeführten Infektionskrank- heiten bei der Filtration habe ich in der Litteratur keine Angaben ge- funden. Von besonderem Interesse ist hier das Verhalten eines Krankheits- erregers bei der Filtration, den wir seit einigen Jahren (seit 1898) zu den bekannten rechnen müssen, des von Nocard und Roux entdeckten MikroorganismusderLungenseuche(„Peripneumonie‘)des Rindes. Auch dieser Mikrorganismuswird in wässerigen Aufschwemmungen vom Filter (und zwar sowohl vom Chamber- land- wie auch vom Berkefeld-Filter) durchgelassen. Der Lungenseucheerreger ist nach Nocard und Roux so klein, daß man ihn zwar noch mit sehr starker mikroskopischer Vergrößerung in Form u ee u a eh ri A CE ee rn. ne ae Ze FE Unbekannte Infektionsstoffe. 415 kleinster, lichtbrechender, beweglicher Pünktchen wahrnehmen, nicht aber seine Gestalt (trotz Färbung) unterscheiden kann. Der Lungenseuche- erreger muß also hart an der Grenze der Sichtbarkeit stehen. Vergleichen wir die Thatsache, daß die Erreger der Lyssa, der Rinderpest und der Pocken, ebenso wie alle morphologisch näher bekannten Bakterien und Protozoen, von den Filtern zurückgehalten werden, mit dem Verhalten des gerade eben noch sichtbaren Lungenseuche- erregers bei der Filtration, so ergiebt sich mit zwingender Notwendig- keit der Schluß, daß die unbekannten Erreger der genannten drei Krankheiten größer sein müssen, als der Lungen- seucheerreger und daß sie infolgedessen auch sinnlich wahrnehmbar sein müssen!). Dem Erreger der Maul- und Klauenseuche, der südafrika- nischen „Pferdesterbe“ wie auch dem Erreger der Mosaik- krankheit der Tabakpflanze, die, ebenso wie der Mikroorganis- mus der Lungenseuche, das Filter passieren, ist im Maximum die Größe des letzteren zuzuerkennen. Denn es giebt, wie wir auf Grund eines Vergleiches der Größe des Lungenseuchemikroben mit derjenigen des von den Filtern zurückgehaltenen Pfeiffer ’schen In- fluenzabacillus annehmen können, keine Mikroorganismen, die, wesent- lich größer als der Lungenseuchemikrobe, das Filter noch zu passieren vermögen. Da der Lungenseucheerreger aber hart an der Grenze der Sichtbarkeit steht, so ist es sehr wahrscheinlich, daß die Erreger der Maul- und Klauenseuche etc. jenseits dieser Grenze sich befinden, daß sie also überhaupt nicht wahrnehm- bar sind’). Nach den oben über die Grenze der Sichtbarkeit ge- machten Angaben würden diese Krankheitserreger somit kleiner als 0,21 «u sein müssen. Das, was hier in Bezug auf die Größenverhältnisse der Erreger der Lyssa, der Pocken, der Rinderpest, bezw. der Maul- und Klauenseuche, der südafrikanischen „Pferdesterbe, der Mosaikkrankheit gesagt worden ist, findet sinngemäße Anwendung auch auf die unbekannten Erreger der übrigen oben namhaft gemachten Infektionskrankheiten, sobald deren Verhalten gegenüber den Bakterienfiltern festgestellt ist. VI. Ueber die systematische Stellung der unbekannten Krankheitserreger im Protistenreiche. Es wirft sich hier die Frage auf, welcher Abteilung des Protistenreiches, den Proto- phyten oder Protozoen, jene kleinsten, jenseits der Grenze der Sichtbarkeit stehenden Lebewesen, deren Existenz wir anzunehmen gezwungen sind, zuzurechnen 1) Die von Kolle im Jahre 1898 auf Grund eines Vergleiches des Rinderpest- erregers mit dem Pfeiffer’schen Influenzabacillus aufgestellte Behauptung, daß der - erstere „höchst wahrscheinlich so klein ist, daß er über die Grenze der mikroskopischen Sichtbarkeit hinausgeht“, ist somit nicht zutreffend. Kolle konnte damals allerdings kaum zu einem anderen Schlusse gelangen, weil ihm der in demselben Jahre entdeckte | Erreger der Lungenseuche in seinem Verhalten noch nicht bekannt war. 2) Wenn Loeffler und Frosch die Erreger der Pocken, der Kuhpocken, der Rinder- - pest, des Scharlachs, der Masern, des Flecktyphus des Menschen mit denjenigen der Maul- und Klauenseuche in Bezug auf ihre Größe auf eine Stufe stellen, so ist dies hinsichtlich der Erreger der drei erstgenannten Krankheiten, wie aus dem verschiedenen Verhalten bei der Filtration unzweideutig hervorgeht, nicht gerechtfertigt. Ueber die Infektions- _ stoffe des Scharlachs, der Masern und des Flecktyphus des Menschen läßt sich ein Ur- teil erst dann abgeben, wenn deren Verhalten bei der Filtration geprüft worden ist. 416 Ernst Joest, sein werden. — Die Grundform der lebenden Wesen ist die Zelle, an welcher wir mehrere charakteristische Bestandteile zu unterscheiden haben. Während diese Grundform mit ihren Eigentümlichkeiten von den Protozoen im allgemeinen gewahrt wird, ist die Organisa- tion der Bakterien eine so einfache, daß sie meist ihren Zellcharakter kaum noch er- kennen lassen. Wir haben die Bakterien deshalb als Organismen anzusehen, die auf einer niedrigeren Stufe stehen als die Protozoen. Die Bakterien bilden überhaupt die niedersten Organismen, welche wir genau kennen. Außer durch ihre Organisation unter- scheiden sie sich von den Protozoen weiterhin durch ihre durchschnittlich geringere Größe. Die Protozoen gehen, wie alle typischen Zellen, in ihren Größenverhältnissen unter ein bestimmtes Maß nicht hinunter !). Die Bakterien überschreiten indessen das Mindestgrößenmaß der typischen Zellen. Es ist daher kaum anzunehmen, daß jene kleinsten, unsichtbaren Lebewesen den Protozoen zugehören. Wir haben es vielmehr wahrscheinlich mit außerordentlich einfach organisierten Orga- nismen zu thun. die entweder den Bakterien zuzurechnen sind oder ihnen nahestehen. Möglicherweise bilden diese kleinsten Mikroorganismen aber auch eine besondere, niedrigste Klasse des Protistenreiches für sich. Die Vaccinekörperchen Guarnieri’s, die nach v. Wasielewski „sehr wahrscheinlich“ die Erreger der Vaccine (und Variola) sind, würden den Protozoen zu- zurechnen sein. Die Vaccinekörperchen scheinen nach Kruse den Amöben nahe ver- wandt zu sein. — Ueber die Zugehörigkeit der Erreger der Wut und der Rinderpest läßt sich vorläufig nichts sagen. Die betreffenden Mikroorganismen können sowohl Protophyten (Bakterien, Blastomyceten) wie auch Protozoen sein. Noch viel weniger lassen sich Vermutungen über die Natur der Erreger der übrigen in ihrer Aetiologie noch unaufgeklärten Infektionskrankheiten anstellen. V1I. Schluss. Die vorstehenden Erörterungen haben ergeben, daß die Erreger der Lyssa, der Pocken und der Rinderpest so groß sein müssen, daß sie mit unseren optischen Hilfsmitteln wahrnehmbar sind, daß dagegen die Erreger der Maul- und Klauenseuche, der südafrikanischen „Pferde- sterbe“ und der Mosaikkrankheit der Tabakpflanze so geringe Dimen- sionen besitzen müssen, daß sie (mit allergrößter Wahrscheinlichkeit) jenseits der Grenze der Sichtbarkeit stehen, also überhaupt nicht wahr- nehmbar sind. Von dieser Erkenntnis ausgehend, kommen wir zu dem Schlusse, daß die Anstrengungen, die unbekannten Erreger der letztgenannten Krankheiten unter Zuhilfenahme des Mikroskops aufzufinden und zu erforschen, von vornherein so gut wie aussichtslos sind. (Für das direkte mikroskopische Sehen gilt dies ohne weiteres. Für die indirekte Wahrnehmbarmachung durch die Photographie würde die Mög- lichkeit eines Erfolges dann gegeben sein, wenn es gelingen würde, Lichtstrahlen von bedeutend kürzerer Wellenlänge, als sie das blaue Licht besitzt, nutzbar zu machen, vorausgesetzt, daß die Kleinheit der betreffenden Krankheitserreger nicht auch die auf diese Weise zu er- reichende Grenze übersteigt.) Anders bei der Lyssa, den Pocken und der Rinderpest. Die Erreger dieser Krankheiten müssen, wie oben gezeigt wurde, mikroskopisch wahrnehmbar sein. Hier haben weitere mikroskopische Unter- suchungen also Aussicht auf Erfolg. Bei den Pocken, deren Erreger sehr wahrscheinlich mit den deutlich wahrnehmbaren, verhält- nismäßig großen Vaccine- (Variola-)körperchen identisch ist, scheint der Erfolg bereits vorzuliegen. Für die Erforschung der unbekannten Infektionsstoffe der übrigen, 1) Zu den kleinsten Protozoen gehören die Malariaparasiten des Menschen. Die- selben sind im erwachsenen Zustande 5—10 u, im Jugendstadium 1—2 u groß (die größten (freilebenden) Protozoen sind dagegen schon mit bloßem Auge sichtbar). a ne REMIS ANSENSE F lr a an Ku ; h d R % Unbekannte Infektionsstoffe. 417 eingangs dieser Arbeit aufgeführten Krankheiten muß zunächst gefordert werden, daß ihr Verhalten bei der Filtration geprüft werde (was bei den meisten bis jetzt kaum geschehen sein dürfte). Nachdem uns Loeff- ler und Frosch gezeigt haben, daß die Filtration als außerordentlich wichtiges Hilfsmittel bei der Erforschung unbekannter Infektionserreger angewandt werden kann, muß jede bakteriologische Unter- suchung einer ätiologisch noch unaufgeklärten Infek- tionskrankheit damit begonnen werden, daß der Unter- sucher sich über das Verhalten des infektiösen Agens bei der Filtration informiert. Diese Forderung ist ohne weiteres durchführbar bei allen Infektionskrankheiten der Tiere und Pflanzen; denn hier sind die Versuchsobjekte, an welchen das filtrierte Virus ge- prüft werden kann, ja gegeben. Schwieriger gestaltet sich die Durch- führbarkeit dieser Forderung bei Infektionskrankheiten des Menschen (Syphilis, Scharlach u. s. w.), die auf Tiere nicht übertragen werden können. Die Anwendung des als so wichtig erkannten Hilfsmittels der Fil- tration in Verbindung mit dem Tierversuche und die Vergleichung des gewonnenen Ergebnisses mit dem bekannten Verhalten des von Nocard und Roux entdeckten Erregers der Lungenseuche. des Rindes bewahrt bei manchen Infektionskrankheiten den Forscher vor aussichtslosen mikro- skopischen Untersuchungen, bei anderen verleiht sie ihm eine gewisse Sicherheit und das Vertrauen auf Erfolg bei seinen ätiologisch-mikro- skopischen Arbeiten. — Die Anwendung der vergleichenden Filtrations- methode in Verbindung mit dem Tierversuche verhütet aber auch, daß ein Forscher einen Mikroorganismus als Erreger einer Krankheit, bei- spielsweise der Maul- und Klauenseuche, ansehen und proklamieren kann, der schon auf Grund seines Verhaltens bei der Filtration (ganz abgesehen von seinen sonstigen Eigenschaften) niemals als ätiologisches Moment der betreffenden Krankheit in Betracht kommen kann. Es tritt jetzt die weitere Frage an uns heran, ob wir uns bei der Maul- und Klauenseuche und bei anderen Infektionskrankheiten, deren Krankheitserreger bei der Filtration sich ebenso verhalten, wie das in- fektiöse Agens der ersteren, damit begnügen sollen, die Aussichtslosig- keit unserer ätiologisch-mikroskopischen Untersuchungen festgestellt zu haben, ob- wir, die Hände in den Schoß legend, ein resigniertes „Ignorabimus“ aussprechen sollen?! — Nein! Denn die bisherigen Forschungsergebnisse haben doch nichts weiter bewiesen, als daß das Ziel auf dem gewöhnlichen, breit ausgetretenen Wege der bakteriologi- schen Forschung nicht zu erreichen ist. Jetzt heißt es versuchen, andere Mittel und Wege ausfindig zu machen, um dem unbekannten Feinde trotzdem näherzukommen und ihn kennen zu lernen. Ist es - unmöglich, ihn direkt zu fassen, so muß erwogen werden, ob wir nicht durch vollständige Aenderung des Angriffsplanes auf indirektem Wege Erfolge erringen können. Mit diesem indirekten Vorgehen meine ich die Erforschung der biologischen Eigenschaften der un- bekannten Krankheitserreger und das genauere Studium ihrer Einwirkung auf die tierische (oder pflanzliche) Zelle und die Säfte des Organismus. Unsere Kenntnisse von den biologischen Eigenschaften, vor allem der biochemischen Leistungen der Mikroorganismen im allgemeinen, sind frei- lieh noch zu beschränkt, als daß es zur Zeit möglich wäre, ein Programm für die Erforschung dieser Eigenschaften eines unbekannten Mikroorganis- ; Erste Abt. XXXI, Bd. 28 418 Ernst Joest, mus aufzustellen. Bevor wir überhaupt daran denken können, unbe- kannte Mikroorganismen biologisch näher zu erforschen, ist es not- wendig, daß wir weiter, als es bis jetzt der Fall ist, in die Geheimnisse der Biologie der bekannten Mikroorganismen eindringen, um aus den biochemischen Reaktionen der unbekannten Krankheitserreger durch Ver- gleich mit ähnlichen Reaktionen bekannter Mikroorganismen Schlüsse auf die Natur der ersteren ziehen zu können, wie wir es beispielsweise bei der Reduktionswirkung der lebenden Mikroorganismen zu thun versucht haben. — Denken wir uns den Fall, daß es uns gelänge, die Biologie eines unbekannten Mikroorganismus in ihren hauptsächlichsten Be- ziehungen kennen zu lernen, so bedürften wir seines mikroskopischen Bildes eigentlich kaum noch; wir würden uns ein vollkommeneres Bild aus seinen Eigenschaften konstruieren können, als es uns das Mikroskop allein jemals zu enthüllen vermag. Nachtrag. Nach Abschluß des Manuskriptes kommt mir die soeben erschienene interessante Arbeit von A. Lode und J. Gruber über die Aetiologie einer in Tirol aufgetretenen Hühnerseuche zu Gesicht. Bei den an dieser Seuche, auf deren klinisches und pathologisch-anatomisches Bild hier nicht näher eingegangen werden kann, zu Grunde gegangenen Hühnern waren Mikroorganismen, die als Erreger der Seuche hätten angesprochen werden müssen, weder mikroskopisch noch kulturell nach- weisbar. Von der Annahme ausgehend, daß sie es mit einem besonders toxisch wirkenden Mikroorganismus zu thun hätten, stellten die ge- nannten Forscher auch Filtrationsversuche (unter Benutzung von Berkefeld-Filtern) mit Organsäften der gestorbenen Tiere an. Sie konnten nachweisen, daß auch der filtrierte, bakteriell sterile Organsaft imstande war, die Krankheit bei gesunden Hühnern zu erzeugen und daß sich dieselbe in typischer Form durch jedesmalige Uebertragung von filtriertem Organsafte von Huhn zu Huhn durch eine Reihe von 4 Tieren hindurch fortpflanzen ließ‘). Durch diese Versuchsreihe be- wiesen Lode und Gruber, in gleicher Weise, wie es Loeffler bei der Maul- und Klauenseuche that, daß das krankmachende Agens bei der fraglichen Hühnerseuche (die von den Autoren „Kyanolophiea“ benannt wird) vermehrungsfähig ist, daß somit keine Intoxikation, sondern eine echte Infektion vorlag. Alle Schlußfolgerungen, diein der vorliegenden Ab- handlungan das gleiche Verhalten des Maul- und Klauen- seucheerregers, sowie des Erregers der südafrikani- schen „Pferdesterbe“ und der Mosaikkrankheit der Tabakpflanze in Bezug auf die Größe etc. dieser Erreger seknüpft wurden, müssen somit auch für den unbekann- ten Mikroorganismus der von Lode und Gruber beschrie- benen Hühnerseuche Geltung haben. Wir müssen annehmen, daß wir es hier, ebenso wie bei der Maul- und Klauenseuche etc., mit 1) Ein ähnliches Verhalten des Infektionsstoffes beschrieb Centanni bei einer $ von ihm in Italien beobachteten Hühnerseuche. Auch dieser Autor konnte weder mikroskopisch noch kulturell die Erreger der Seuche nachweisen. Die Uebertragung der Krankheit gelang mit durch Berkefeld- oder Chamberland-Filter filtriertem, verdünntem Blute. Auch ließ sich von dem ersten so infizierten Tiere ein zweites in gleicher Weise infizieren. W ? » % 7 . Unbekannte Infektionsstoffe. 419 einem Mikroorganismus zu thun. haben, der zu klein ist, um sinnlich wahrgenommen werden zu können. Diese Schlußfolgerungen werden von Lode und Gruber indessen nicht gezogen. Die Autoren stellen anstatt dessen Betrachtungen über die Art des Infektionsstoffes an, auf die ich etwas näher einzugehen hier nicht unterlassen kann. Die Autoren sagen zunächst, daß es ihnen „nicht ohne weiteres verständlich“ er- scheine, daß Loeffler und Frosch bei der Würdigung des Verhaltens des Maul- und Klauenseucheerregers bei der Filtration außer der Möglichkeit des Vorhandenseins eines außerordentlich wirksamen Giftes auch diejenige erwogen, daß der Erreger so klein sei, daß er die Filterporen zu passieren vermöchte und daß er wahrscheinlich jenseits der Grenze der Sichtbarkeit stehe. „Wir haben immer angenommen, daß Filter- körper aus porösen Massen, wie Kieselguhr oder Porzellanerde, nicht allein durch die Kleinheit der Poren wirken. Die Poren sind zum größten Teile unendlich viel größer, als selbst unsere größten Mikrobien, wie man sich leicht überzeugen kann, wenn man Dünnschliffe aus den Filtermaterialien sich herstellt. Die zweite und, wie uns scheint, ungleich energischere Komponente der Wirkung wäre durch Flächenattraktion gegeben. Daß diese wiederum annähernd bei der Grenze der Wahrnehmbarkeit versagen sollte, scheint wunderbar.“ Daß die Flächenattraktion bei der Wirkung der Bakterienfilter eine Rolle spielt, soll ohne weiteres zugegeben werden, nicht aber, daß diese Kraft das Hauptmoment bei der Zurückhaltung kleiner, korpuskulärer Elemente bei der Filtration darstellt. Die Bakterienfilter wirken in der Hauptsache durch die Feinheit ihrer Poren. Der Umstand, daß auf Dünnschliffen die Filterporen „zum größten Teile unendlich viel größer als selbst unsere größten Mikrobien“ erscheinen, kann nicht gegen diese Thatsache ins Feld geführt werden. Die Filterporen sind doch nicht Ka- ‘ näle von überall gleichweitem Lumen, sondern sie bestehen aus einem System vielge- staltiger, bald weiterer, bald engerer Lücken. Daher kommt es, daß wir auf Dünnschliffen größere und kleinere Lücken zu Gesicht bekommen. Wollte man von den Lücken (auf den Dünnschliffen), die „zum größten Teile unendlich viel größer als selbst unsere ößten Mikrobien“ sind, auf die Wirkung des Filtermaterials, dem der betreffende Dünnschliff entstammt, schließen, so würde man ja doch annehmen müssen, daß „selbst unsere größten Mikrobien“ das betreffende Filter zu passieren imstande wären, was ja eben nicht der Fall ist. — Selbst wenn man geneigt wäre, die Flächenattraktion als Hauptmoment bei der Wirkung der Bakterienfilter zu betrachten, so würde gerade der Umstand, daß die Flächenattraktion als Kraft „annähernd bei der Grenze der Wahr- nehmbarkeit versagen sollte“, diese Annahme als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Eine durchaus ungezwungene Erklärung ergiebt doch die Vorstellung, daß die Durch- ipkeit der Filter dann beginnt, wenn die in der filtrierenden Flüssigkeit suspendier- ten korpuskulären Elemente so klein sind, daß sie auch durch die engeren Stellen des Lückensystems der Filtermasse durchzuschlüpfen vermögen. Daß Durchlässigkeit der Bakterienfilter und Grenze der Sichtbarkeit bei einer bestimmten Größe annähernd zusammenfallen, ist als eine Zufälligkeit anzusehen (die uns glücklicherweise, wie weiter oben vorgetragen, in den Stand setzt, die relative Größe unbekannter Mikroorganismen bestimmen zu können). Lode und Gruber meinen ferner in Bezug auf die Annahme, daß es pathogene Mikroorganismen gebe, die so klein sind, daß sie von den Bakterienfiltern durchgelassen werden, es müsse für denjenigen, der dieser Annahme beitrete, erstaunlich sein, daß „nicht auch zahllose Saprophytenarten von der gleichen Kleinheit in der Natur existieren. Bei dem numerischen Uebergewichte der Saprophyten gegenüber den Parasiten wäre dies höchst wahrscheinlich, ebenso auch wie die Annahme, daß unter den Saprophyten solche existierten, welche mit unseren kulturellen Hilfsmitteln züchtbar wären. Auch wenn wir die einzelnen Individuen nicht zur Darstellung bringen könnten, müßte sich ihre Existenz durch ihre Wachstumserscheinungen (Trübung, Bodensatz, Verfärbung, Gasbildung oder andere Stoffwechselvorgänge) bemerkbar machen.“ Hierzu möchte ich bemerken, daß auch ich der Ansicht bin, daß es ebenso wie arasitische auch saprophytische Kleinwesen geben kann, die so winzig sind, daß sie ie Bakterienfilter passieren. Man muß dabei aber auch die Möglichkeit im Auge behalten, daß ‚eine abnorme Kleinheit bei Mikroorganismen eine Folge von Anpassung an ihre parasitische Lebensweise sein kann. Hinsichtlich des Vorkommens abnorm kleiner sapro- Br.e her Mikroorganismen wissen wir bis jetzt noch nichts. Es ist meines Wissens auch noch nie der Versuch gemacht worden, diese Frage zu entscheiden, was übrigens auch sehr schwer sein dürfte, da uns für Saprophyten ein ähnlich feines Reagens, wie es der Tierversuch bei pathogenen Bakterien ist, fehlt, und da ferner, wie wir oben 28* i 420 Ernst Joest, gesehen haben, die Wachstumserscheinungen so gering sein können, daß sie kaum bemerkbar sind. Lode und Gruber sagen weiter: „Wollte man doch an dem Durchtreten der rätselhaften Keime festhalten, scheint dies uns am ungezwungensten unter der Annahme eines von den starreren Bakterienkörpern verschiedenen Aggregatzustandes. Wir denken hierbei an das halbflüssige Protoplasma eines plasmoidalen Körperchens, bei welchem wir die mannigfaltigsten Anpassungen hinsichtlich der Körpergestalt mikroskopisch ver- folgen können. Die mißlungenen Züchtungsversuche, die auch bei saprophytischen Protozoen noch großen Schwierigkeiten begegnen, wären uns hinsichtlich der Filtrate auch verständlich.“ Man könnte sich weiterhin aber auch vorstellen, „daß das Virus. bei diesen rätselhaften Infektionen gar nichts Körperhaftes ist, sondern eine gelöste, mit Vermehrungsfähigkeit begabte Substanz, etwa von enzymartigem Charakter, die durch die Zersetzungsvorgänge, welche sie im Tierleibe hervorruft, wirkt, ohne sich selbst dabei aufzuzehren“, Die Annahme eines aus „halbflüssigem Protoplasma“ bestehenden Virus, welches vermöge dieses, von den starreren Bakterienkörpern verschiedenen Aggregatzustandes im- stande sein sollte, die feinporigen Filter zu passieren, erscheint mir durchaus gezwun- gener, als diejenige von Mikroorganismen von außerordentlicher Kleinheit. Auch „plas- moidale Körperchen“, die ihre Gestalt verändern können, sind an bestimmte Form- verhältnisse gebunden. Es läßt sich kaum annehmen, daß derartige amöboide Gebilde von einiger Größe durch einen engen Filterporus hindurchzufließen ver- möchten, es sei denn, sie sind so klein, daß ihnen an und für sich der Durchtritt durch die Filterporen möglich wäre. — Ein infektiöses Agens in Gestalt einer gelösten, enzymartigen, vermehrungsfähigen Substanz ist, wie ich oben nachzuweisen ver- sucht habe, ein Unding. Mir scheint, als ob die Autoren hier den Begriff des Enzyms mit demjenigen des Beijerinck’schen Contagium vivum fluidum verschmolzen hätten. Im übrigen fühlten auch sie selbst die Unhaltbarkeit einer solehen Annahme, denn es wird gesagt: „Schwerer hingegen scheint uns, sich eine solche Substanz vorzustellen; für sie fehlt uns vorläufig eine Analogie und subjektiv der Glaube.“ Frankfurt a. M., im November 1901. Litteratur. Abbe, E., Beiträge zur Theorie des Mikroskopes und der mikroskopischen Wahr- nehmung. (Archiv f. mikroskop. Anat. Bd. IX. 1873.) 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Es ist mir im Momente nicht möglich, festzustellen, von wem diese Umtaufe vorgenommen ‚worden ist; jedenfalls hat die Bezeichnung Uncinaria duodenalis in der Neuzeit besonders unter den Zoologen eine ausgedehnte Annahme ge- funden, während die Mediziner in der Hauptsache noch an dem Namen Ankylostoma, Ankylostomiasis u. s. w. festhalten. Ich selbst habe mich durch die neueren zoologischen Publikationen verleiten lassen, in meiner Arbeit über die Sclerostomen der Pferde und Esel!) den Gattungs- namen Uncinaria für Ankylostomum ebenfalls zu gebrauchen, ohne die Berechtigung dieser Aenderung meinerseits zu prüfen. Zu einer solchen Prüfung bin ich kürzlich zufällig durch andere Fragen geführt worden, und sie hat einen Thatbestand ergeben, welcher die Unterdrückung des Gattungsnamens Ankylostomum als nach dem Prioritätsgesetze durchaus nicht gerechtfertigt erscheinen läßt. Die praktische Bedeutung, welche diese Nomenklaturfrage nicht nur für die Zoologen, sondern auch für weite medizinische Kreise hat, mag ihre Behandlung in dieser Zeitschrift motivieren. | Das Genus Uncinaria wird von Froelich 1789?) aufgestellt für Uncinaria melis Froel. (= Ascaris eriniformis Goeze — Strong. crini- formis R.) und Uncinaria vulpis Froel. (? Strong. trigonocephalus R.? = Strong. tetragonocephalus R.).. Bei der primitiven Beschaffenheit der 1) The Sclerostomidae of horses and donkeys in Egypt. (Report of the Kasr- el-Aini-Hospital Kairo). Noch nicht erschienen. 2 2) Beschreibungen einiger neuer Eingeweidewürmer. (Naturforscher. Stück 24 p. 136.) Er U an N ne Zu 3 Ueber die Giltigkeit des Gattungsnamens Ankylostomum Dubini. 423 Species- sowohl wie der Gattungsbeschreibungen aus damaliger Zeit kann für die Identifizierung der Gattung heute nur noch deren typische Art maßgebend sein. Eine solche wird von Froelich natürlich nicht besonders namhaft gemacht; indessen bemerkt er auf p. 135: „daß der goezische Dachswurm (i. e. Une. melis), und mit diesem auch meine Würmer aus dem Fuchse (i. e. Unc. vulpis) weder unter der Gattung Ascaris ... eine natürliche Stelle behaupten können“ u. s. w. Der Autor bezieht sich also hier zunächst auf Une. melis und führt diese Species in der Gattung auch an erster Stelle auf. In demselben Sinne deutet seine Bemerkung über den der Gattung zu gebenden Namen: „Herr Goeze giebt mir den Fingerzeig selbst dazu“, darauf hin, daß die Gattung auf Unc. melis —= Strong. eriniformis Rud. gegründet und daß ihr Unc. vulpis Froel. — Strong. trigonocephalus Rud. als zweite Art eingereiht wurde. In Uncinaria criniformis Goeze müssen wir also den Typus der Gattung Unecinaria Froel. erblicken!). Der Gattungsname selbst erscheint (in der Bedeutung, die ihm in der Neuzeit gegeben worden ist) außerordentlich bezeichnend; es ist deshalb vielleicht nicht überflüssig, darauf hinzuweisen, daß Uncinaria sich keineswegs auf die hakenförmigen Zähne der Mundkapsel bezieht. Von deren Existenz hatte Froelich noch keine Kenntnis; die „zween vierspitzigen Haaken“, nach denen er die Gattung benennt, sind vielmehr, wie aus seiner Beschreibung und Abbildung (ee Fig. 18 1. c.) ohne weiteres hervorgeht, die Rippen der männlichen Bursa. Rudolphi übernimmt die Gattung Uncinaria nicht, sondern reiht ihre beiden Arten in sein Genus Sirongylus ein; in demselben ver- bleiben sie bis zu Dujardin. Dieser stellt für sie wegen der eigentümlichen Abbiegung ihres Kopfendes nach der Rückenseite das Genus Dochmius?) auf; die Art D. criniformis Goeze steht wiederum an erster Stelle, weitere Arten sind D. trigonocephalus R., tubaeformis Zeder und einige andere, die hier nicht interessieren. In der Diagnose der Gattung heißt es u. a.: töte relevee et obliquement tronquede en dessus, contenant une large cavit& pharyngienne anguleuse tapissdce par une membrane resistante; eine irgendwie charakteristische oder auf- fallende Ausstattung der Mundhöhle war Dujardin demnach un- bekannt. In wesentlich derselben Form finden wir das Genus wieder bei Diesing; auch dieser spricht in der Gattungsbeschreibung’) nur von einem Caput subglobosum cernuum; os terminale obligquum amplum, limbo corneo-membranaceo annulari inermi v. armato. Die Gattung Ankylostomum wurde 1843 von Dubini aufgestellt für Ank. duodenale‘). In einer späteren Arbeit’) führt der Autor für diese Gattung folgende Charaktere an: faringe imbutiforme di colore giallopallido, e di pareti resistenti; bocca munita, all’alto dell’ imbuto, di quattro unecini ripiegati verso l’interno, ed 1) Es erscheint mir unmöglich, aus dem Wortlaute der Arbeit Froelich’s eine andere Anschauung abzuleiten, und ich kann deshalb nur ein Versehen darin erblicken, daß Railliet (Observ. sur les Uncinaires des Canides et des F&lides, in: Arch. de Parasitol. T. III. 1900. p. 82) das Genus Uneinaria für Une. vulpis aufgestellt sein läßt. Aus dem eben genannten Artikel des Autors geht übrigens hervor, daß weder Une. vulpis, noch Strong. tetragonocephalus R., noch Str. tubaeformis Zed. heute mit Sicherheit mehr zu bestimmen sind. 2) Hist. nat. des Helminthes. p. 275. 3) Syst. helminthum II. p. 299. 4) Omodei Annal. univ. di medic. Vol. CVI. 5) Entozoografia umana etc. Milano 1850. p. 102. 424 A. Looss, aventi in basso altrettante eminenze coniche rivolte verso gli uncini ....!); die charakteristische Gestalt und Bewaffnung der Mundkapsel des Ankylostoma ist also hier bereits in nicht zu ver- kennender Form als Gattungsmerkmal für die Gattung Ankylostomum aufgeführt, und dies zu einer Zeit, wo als Merkmal für die Gattung Dohmius Duj. = Uncinaria Froel. nur die Existenz einer Mundkapsel und die Aufbiegung des Kopfendes nach der Rückenseite bekannt waren. Von ausschlaggebender Bedeutung für die uns hier interessierende Frage ist nun das Verhalten der beiden ältesten Dochmius-, d. h. der beiden Uncinaria-Arten. Dieselben wurden anatomisch unter anderem genauer untersucht und beschrieben von Molin?); derselbe findet die Zähne der Mundkapsel speziell bei Dochm. tubaeformis Zed. und bemerkt betreffs des anatomischen Baues aller 3 Arten, daß er der gleiche sei „con piccole modificazioni dipendenti dal carattere della specie“. Die Diagnose der Gattung Dochmius lautet nunmehr u.a.: caput subglobosum cernuum; os acetabuliforme, oblique truncatum, amplum, obliguum, apertura ovata, maxillis superioribus duabus denticulatis, limbo membra- naceo annulari inerme vel armato... Bei D. tubaeformis und D. trigono- cephalus werden die Maxillae denticulatae auch in der Speciesbeschreibung erwähnt; bei D. eriniformis hingegen fehlt eine entsprechende Angabe. es heißt hier vielmehr nur: os subellypticum, limbo diaphano introflexo inermi cinctum ?). Daraus erhellt, daß bei D. criniformis die „maxillae denticulatae“ fehlen und daß also wahrscheinlich hierin die „piccole modi- ficazioni dipendenti dal carattere della specie‘ liegen, auf welche Molin in der Gattungsbeschreibung anspielt. Daß D. criniformis zahnlos ist, dürfte auch aus Schneider’s, auf die Untersuchung der Original- exemplare gegründeter Angabe*) hervorgehen, daß bei Sir. eriniformis Goeze „die Kopfbildung sich ganz Strongylus cernuus anschließt“. Bei diesem aber ist zwar die Aufbiegung des Kopfendes nach der Rücken- seite vorhanden, die Zahnbildungen der Dochmien fehlen ihm dagegen vollkommen. Nach erlanster Kenntnis des anatomischen Baues und vor allem des Baues der Mundkapsel bei dem Genus Dochmius kommt Molin zu dem Schlusse, daß Ankylostomum duodenale Dub., welches er ebenfalls verglichen hat, „non & altro- che una nuova specie di Dochmius“; er tauft es daraufhin in Dochmius ankylostomum um). Es mag sein, daß diese Entscheidung Molin’s den Ausgangspunkt für die Ungiltig- keitserklärung des Gattungsnamens Ankylostomum darstellt, um so mehr, als Leuckart dieselbe annimmt und den Dubinischen Wurm als Dochmius duodenalis bezeichnet‘); da ferner der Gattungsname Dochmius Dujardin thatsächlich kaum etwas anderes sein dürfte, als eine Neubenennung des Genus Uncinaria Froelich, so würde sich hieraus allerdings die Synonymie von Ankylostomum mit Uncinaria ergeben. So einfach, wie von Molin angenommen, liegen die Verhältnisse indessen vom ‚Standpunkte der neueren Nomenklaturgesetze und der neueren Systematik aus nicht. Der Thatbestand ist vielmehr folgender: 1) Citiert nach v. Siebold, Ein Beitrag z. Helminthographia humana. (Zeitschr. f. wiss. Zool. Vol. IV. 1852. p. 56 £.) 2) Il sottordine degli Acrofalli. (Mem. Ist. Veneto. Vol. IX. 1861. p. 57 ff.) 31.0. PL. 70; 4) Monogr. d. Nemat. p. 139. 5). @ PCR. 6) Die menschlichen Parasiten. Vol. II. 1876. p. 412. 3 | x 4 } j : E Br Ueber die Giltigkeit des Gattungsnamens Ankylostomum Dubini. 495 Ueber den anatomischen Bau der Gattung Uneinaria, deren Typus Une. ceriniformis Goeze ist, giebt der Autor der Gattung keine Auskunft; die Gattung Ankylostomum dagegen ist von ihrem Autor so beschrieben worden, daß sie jederzeit absolut unverkennbar ist. Uncinaria, von Rudolphi nicht angenommen, wird von Dujardin in ihrer alten Form unter dem Namen Dochmius wiederhergestell.e. Molin unter- sucht die Vertreter des Genus Dochmius anatomisch und findet, daß zwei derselben, und darunter eine Art des alten Genus Uncinaria, die Charaktere von Ankylostomum besitzen, wogegen eine dritte Dochmius- Art, die gleichzeitig die andere alte Uncinaria-Art ist, einen ab- weichenden Bau ihrer Mundkapsel zeigt, einen Charakter also, der zu Molin’s Zeiten wohl noch als irrelevant gelten konnte, der unseren heutigen systematischen Anschauungen nach aber das Merkmal einer selbständigen Gattung sein muß. In der Gattung Uncinaria Froel. sind demnach zwei anatomisch nicht übereinstimmende Arten ver- einigt gewesen, und es wird für das Schicksal von Ankylostomum somit ausschlaggebend, daß diejenige Uncinaria-Art, welche wir nach Lage der Dinge als den Typus der Gattung ansehen müssen, die Charaktere von Ankylostomum nicht zur Schau trägt. Im anderen Falle würde es, bei dem heute in Blüte stehenden Brauche, den Wert eines Namens für pro- portional dem Quadrate seines Alters und umgekehrt proportional der Klarheit seiner Definition anzusehen, kaum möglich sein, Ankylostomum zu erhalten, obwohl der Name im Gegensatz zu Uncinaria mit einer für die damalige Zeit bewunderswerten Präcision definiert war. Da aber die typische Art von Uncinaria die Charaktere von Ankylosiomum nicht aufweist, ist es auch ein für allemal unzulässig, den letzteren Gattungs- namen für synonym zu dem ersteren zu erklären. Das Genus Uneinaria ‚ist vielmehr !) auf die Formen vom Baue des Uncinaria criniformis Goeze, d.h. auf Formen zu beschränken, die u.a. keine Zähne in ihrer Mund- -kapsel besitzen; die anderen dem Genus bisher ebenfalls unterstellt gewesenen Formen dagegen, welche die von Dubini angeführten Charaktere von Ankylostomum zeigen, sind dieser Gattung einzureihen, deren Typus A. duodenale Dubini ist. Cairo, 8. Febr. 1902. Nachschrift. In dem obigen Artikel habe ich übersehen, daß Une. eriniformis (Goeze) neuerdings von v. Linstow?) wieder beschrieben worden ist ıach Exemplaren, die von Braun aus dem Darme von Meles taxus (]. c. pP. 108) (?oder Canis vulpes 1. c. p. 43?) gesammelt worden waren. Auch aus dieser Beschreibung geht hervor, daß Une. eriniformis am Eingange in seine Mundkapsel keine Zähne aufweist, also einen der haupt- ‚sächlichsten Charaktere von Ankylostomum nicht besitzt. Es kann sich demnach nur noch fragen, ob Formen, wie Une. eriniformis und Ank. 1) Wenn es wider belebt werden soll. Mit dem Wortlaute des Prioritätsgesetzes würde dies nicht zu begründen sein, da der Autor der Gattung nicht klar angiebt, was °r mit ihr meint. Sollte ferner Une. melis Goeze-Froel. das Schicksal von Une. vulpis Froel. teilen und überhaupt nicht mehr bestimmbar sein, so würde Umneinaria gänzlich in der Luft stehen. Bis auf Weiteres hat seine Wiederausgrabung nur zur Folge, daß es auf eine Art basiert werden muß, die so gut wie species inquirenda ist. 2) In Mühling, Die Helminthenfauna der Wirbeltiere Ostpreußens. (Arch. f. Naturg. Jahrg. LXIV. 1898. p. 48 u. 108. Fig. 10. Taf. II) 426 Heinrich Kayser, duodenale, die sich in Bezug auf eine wesentliche Ausstattung ihrer Mundkapsel ungleich verhalten, als Mitglieder einer natürlichen Gattung anzusehen sind. Meinen systematischen Auffassungen nach sind sie dieses nicht; sie sind vielmehr selbständige Genera, die aller- dings derselben Unterfamilie angehören, sich aber von einander sofort dadurch unterscheiden, daß die bei Ankylostoma (Typ. A. duodenale) am Eingange in die Mundhöhle vorhandenen rückwärts gebogenen Haken- zähne der Gattung Uncinaria (Typ. Unc. eriniformis) fehlen. Nachdruck verboten. Das Wachstum der zwischen Bacterium typhi und coli stehenden Spaltpilze auf dem v. Drigalski-Conradischen Agarboden. |Aus dem Institut für Hygiene und Bakteriologie der Universität Straßburg i. E. (Direktor: Prof. Dr. J. Forster.)] Von Dr. med. Heinrich Kayser, Assistenten des Instituts. Vor kurzem haben v. Drigalski und H. Conradi (1) aus dem Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin einneues Verfahren zum Nachweis der Typhusbacillen veröffentlicht, mit dem sie die Frage, „auf ein und derselben Platte wenige Typhusbacillen unter zahl- reichen Coliarten schnell und leicht herauszufinden“, der Lösung näher zu bringen hoffen. In der Hand der Autoren hat sich dieses Verfahren bei 50 Typhusfällen (Stuhluntersuchung) bewährt. Die Eigenschaft der Colibacillen, Kohlehydrate, hier in Gestalt des Milchzuckers, vor den Eiweißstoffen des Nährbodens anzugreifen und kräftig Säure zu bilden, ist von den Verff. der Typhusschnelldiagnose dienstbar gemacht; des- gleichen die elektive Baktericidie einer 0,01°/,, Lösung von Krystall- violett für saprophytische Keime. Ein 3-proz. Fleischwasserpepton- nutroseagar mit 1,5 Proz. Milchzucker, 15 Proz. Lackmuslösung (nach ° Kubel-Thiemann) und 0,01, Krystallviolett B. Höchst stellt den Nährboden dar. Colikolonieen sehen nach 20—24 Stunden leuchtend rot bis dunkelweinrot aus und sind nicht durchsichtig. Sie haben 2—6 mm Durchmesser. Typhuskolonieen erscheinen kleiner, glasig, thautropfenähnlich und zeichnen sich durch blaue Farbe aus. Gleich falls als blaue Kolonieen können nach den Angaben von v.Drigalski und H. Conradi auf diesem Boden Bakterien der Subtilis- und Proteus-Gruppe wachsen, sowie Bacilli fluorescentes und Bacillus faecalis alcaligenes. Ich war gerade mit vergleichenden Untersuchungen auf dem Gebiete der mit Bacterium coli und typhi verwandten Mikroorganismen beschäftigt, als die Mitteilung von der Drigalski-Conradi’schen Methode erschien. Meine Versuche betrafen ein Bacterium paratyphi vergl. Schottmüller (2) und (3)]. Dasselbe stammt von einem Falle der hiesigen medizinischen Klinik, über dessen klinische und bakterio- logische Verhältnisse Herr Dr. A. Brion und ich demnächst in der Münchener medizinischen Wochenschrift Bericht erstatten werden. Selbst- verständlich war es mir von hohem Interesse, festzustellen, wie unser | Das Wachstum der zwischen Baect. typhi und coli stehenden Spaltpilze ete. 497 Paratyphusstäbchen und andere zwischen Bacterium coli und typhi stehende Mikrobien auf dem neuen Nährboden wüchsen. Zur Untersuchung kamen Repräsentanten unserer Gruppe, denen die | Indolbildung abgeht, bei erhaltener Traubenzucker- sowie verschiedenen anderen Zuckergärungen, welche die Milch nicht oder erst nach _ vielen Tagen zum Gerinnen bringen. Neben unserem Paratyphusstamm wurden als hierhergehörend auf dem Drigalski-Gonradi’schen _ Boden gezüchtet: Zwei Paratyphusarten, deren Besitz ich der Güte des Herrn Dr. Schottmüller verdanke, ein Bacterium para- coli gasoformans (Kayser [4]), das ich aus unverdächtigem Trink- wasser züchtete, B. bovis morbificans (Forster-Basenau |[3]), B. enteritidis (Gärtner), B. Friedebergensis (Kruse), B. Breslaviensis (Kruse) (die letzteren Fleischvergiftungsbakterien). Natürlich stellte ich Kontrollplatten mit B. typhi und coli her. Das verwendete Bakterienmaterial (junger Gelatinerasen) war in steriler physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Den Nährboden fertigte ich selbst nach der Vorschrift von v. Drigalski und H. Conradi an, und die Detailbehandlung der Platten ging in der von den Autoren _ verlangten Weise vor sich. Kolonieen von Luftkeimen sind — worauf auch die Verff. aufmerksam machen — trotz 1'!/,-stündigen Offenstehen- bleibens der Platten in den ersten Tagen nie gesehen worden; dies bedeutet einen besonderen Vorzug des Drigalski-Conradi schen Nährmediums. Daneben wandte ich die vielgerühmte Rothberger’sche (6) Neutralrotmethode an. Zunächst stellte sich heraus, daß alle obengenannten Bak- terien auf dem neuen Nährmateriale sehr gut gedeihen. Die nachstehenden Befunde sind nach 24 Stunden — der als günstigsten angegebenen Zeit — 2 X 24 Stunden und später erhoben. I. B. paratyphi (Schottmüller, Stamm Müller). a) Milchzuceker boden. Nach 24 Stunden und weiterhin blauer, glasiger Rasen. | b) Neutralrotagar (Schüttelkultur). Fluorescenz und gelbliche Färbung nach 24 Stunden einsetzend. II. B. paratyphi (Schottmüller, Stamm Seemann). a) Milchzuckerboden. Auflagerung nach 24 Stunden blau; ziemlich durchsichtig; bleibt unverändert. b) Neutralrot. Fluorescenz u. a. wie bei I. III. B. paratyphi (Brion-Kayser). a) Milchzuckerb. Mit 24 Stunden Belag blau, glasig. Keine Veränderung in den folgenden Tagen. b) Neutralrot. Dunkelgrüne Fluorescenz nach 36 Stunden; am 2. Tage fängt die Aufhellung an. IV. B. paracoli gasoformans. a) Milchzuckerb. 24 Stunden blauer, trüber Pilzrasen; am 2. Tage ebenso gefärbt im auffallenden Lichte, im durch- scheinenden weinrot. Nach 5 X 24 Stunden rote Auflagerung mit schmalem, gleichfarbigem Hof. Der nach 18 Stunden intensiv fluorescierende Boden wird rasch hell. N. B.bovis morbificans. a) Milchzuckerb. 24 Stunden blau, trüb. Die gleiche Farbe auch weiterhin. 428 Kayser, Das Wachstum der zwischen Bact. typhi u. coli stehenden Spaltpilze ete. b) Neutralrot. Nach 18 Stunden starkes Fluoreseieren. Auf- klärung nach 40 Stunden beendet. VI. B. Breslaviensis. I a) Milchzuckerb. 24 Stunden blau, glasig. Des ferneren keine Veränderung. b) Neutralrot. Nach 18 Stunden noch rot; am 2. Tage be- ginnende Fluorescenz. Die Agarsäule bleibt, wie auch an den folgenden Tagen dunkel. V1Il. B. Friedebergensis. a) Milchzuckerb. 24 Stunden blau, trüb, nach 48 Stunden und später dasselbe Aussehen. b) Neutralrot. Grünes Leuchten intensiv nach 18 Stunden. Am 2. Tage fängt der Boden an, hell zu werden. VII. B. enteritidis. a) Milchzuckerb. 24 Stunden und späterhin: blau, glasig. b) Neutralrot. Mit 13 Stunden schwache Fluorescenz; eine leichte Aufhellung macht sich erst am 3. Tage bemerkbar. IX. B. coli commune. a) Milchzuckerb. Nach Ablauf von weniger als 20 Stunden leuchtend rote Kolonieen. b) Neutralrot. Nach 12 Stunden starkes Fluorescieren ; schon am 1. Tage fast völlige Aufklärung. X. B. typhi (Eberth). a) Milchzuckerb. Blauer Rasen, wie von v. Drigalski und Conradi beschrieben. b) Neutralrot. Keine SpurvonFluorescenz und Heller- werden, auch nach vielen Tagen. Unsere sämtlichen Sintermediären Stämme!) wachsen alsoinnerhalb 24 Stunden wie B. typhi, obgleich ihnen wich- tige Eigenschaften des Eberth-Gaffky’schen Bacillus fehlen. Die B.paracoli-Kolonie sieht infolge weniger intensiver Säurebildung erst am 5. Tage dem Colibilde gleich. Dagegen hat die Neutralrot- probe stets die Verschiedenheit unserer Bakterien von B. typhi angezeigt, allerdings mit ungleicher Schnelligkeit; sie bewährte sich alsıo recht gut. | Dieser Befund, daß sämtliche von mir untersuchten Vertreter der dem B. coli commune Escherich mehr oder weniger verwandten Gruppe in der als günstigsten empfohlenen Beobachtungszeit und 3 auch späterhin dasselbe Wachstum darbieten wie richtige Typhusbacillen, ist für die diagnostisch-praktische Verwertung des neuen Nährbodens von größter Wichtigkeit. Man muß, wenn man sich vor Enttäuschungen bewahren will, stets daran denken, daß eine solche Abart auf -der Kulturplatte ein Bild darzubieten vermag, welches dem des B. typhi genau gleichsieht. Litteratur. 1) v. Drigalski und H. Conradi, Ueber ein Verfahren zum Nachweis der Typhus- bacillen. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankheiten. Bd. XXXIX. Heft 2. p. 283.) 1) Anm. bei der Korrektur: Inzwischen wurde noch festgestellt, daß der B. bremensis febris gastricae (Kurth) sich wie B. paratyphi II auf unseren Nährmedien verhält. A i Ss: 5 G. Giemsa, Färbemethoden für Malariaparasiten. 429 2) Sehottmüller, Ueber eine das Bild des Typhus bietende Erkrankung, hervorgerufen durch typhusähnliche Bacillen. (Dtsch. med. Wcehschr. 1900. No. 32.) 3) Sehottmüller, Weitere Mitteilungen über mehrere das Bild des Typhus bietende Krankheitsfälle, hervorgerufen durch typhusähnliche Bac. (Paratyphus.) (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankheiten. Bd. XXXV1. Heft 3. p. 368 ff.) 4) Kayser, Heinrich, Die Flora der Straßburger Wasserleitung. Kaiserslautern 1900. 5) Basenau, Fritz, Ueber eine im Fleisch gefundene infektiöse Bakterie. Beitrag z. Lehre von den sog. Fleischvergiftungen. (Arch. f. Hyg. Bd. XX. 1894. p. 242, sowie ebenda. Bd. XXXII. p. 219.) 6) Rothberger, S. J., Differentialdiagnostische Untersuchungen mit gefärbten Nähr- böden. (Diese Zeitschr. Bd. XXIV. p. 513 und II. Mitteilung. Ebenda. Bd. XXV. p. 15 und 69.) Nachdruck verboten. | Färbemethoden für Malariaparasiten. - [Aus dem Institut für Schifis- und Tropenkrankheiten in Hamburg. Vorläufige Mitteilung. Von &. Giemsa, Assistenten am Institut. Eingehende Studien über das von Reuter (Diese Zeitschr. Bd. XXX. 1901) zur Färbung der Malariaparasiten empfohlene A-Methylenblaueosin, sowie über das Wesen der Romanowsky-Nocht’schen Färbemethode haben zu folgenden Ergebnissen geführt: 1) Der von Reuter A-Methylenblaueosin genannte Farbstoff ist kein einheitlicher, in chemischem Sinne reiner Körper, sondern ein Gemisch verschiedener Neutralfarbsalze, in der Hauptsache bestehend aus den Eosinsalzen des Methylenblaus, Methylenvioletts, Methylenazurs. 2) Diese verschiedenartigen Neutralfarbsalze wechseln in den uns zur Verfügung stehenden Reuter’schen Farbstoffen in ihrem quanti- tativen Vorhandensein zu einander. Ihre von Reuter empfohlene alkoholische Lösung ist — namentlich bei solchen Präparaten, bei welchen größere Mengen von färberisch indifferenten Substanzen an- wesend sind — nur kurze Zeit haltbar. 3) Eine ähnliche (cfr. sub 1) Zusammensetzung neben überschüssigen basischen Komponenten weist die Rom.-Nocht’sche Farbmischung auf. 4) Das chromatinfärbende Prinzip bei beiden Methoden kommt weder den Eosinsalzen des Methylenblaus noch Methylenvioletts, son- dern lediglich dem Eosinsalz des Methylenazurs zu. 5) Bei der Verwendung des Methylenazurs allein konnte weder nach kurzer noch nach längerer Einwirkung eine ausgesprochene Chromatinfärbung, wie sie durch Behandlung mit eosinsaurem Methylen- azur erfolgt, nachgewiesen werden. 6) Die Färbung von Malariablut mit reinem!) Azur und Eosin (beide Salze in wässeriger Lösung nach Art der von Nocht empfohlenen Methode ?) zusammengemischt) liefert schon nach wenigen Minuten ein an Klarheit und Schärfe unübertroffenes Bild mit allen Differenzierungen, wie sie die Rom.-Nocht’sche Methode aufweist. Sie hat vor der 2 1) Verwendet wurde chemisch reines Methylenazurchlorhydrat Höchst, sowie ein h mir hergesteiltes Präparat. | 2) Ich vermischte in bequemer und für die Färbung vorteilhafter Weise in gra- tiertem Reagierglas 10 ccm einer Eosinlösung (Höchst 0,05 °/,,) mit 1 ccm einer vor- tigen Azurlösung (0,8°/,,), Abspülen der Präparate mit Wasser! 430 G. Grijns, 7) Das allmählich aus der Farbflotte (cfr. sub 6) ausfallende reine Azur-Eosin giebt getrocknet, darauf in Alkohol unter Anilinzusatz gelöst und mit Wasser verdünnt gleiche Bilder, färbt jedoch relativ langsam. 8) Durch 6 ist der Beweis erbracht, daß durch das Azur-Eosin nicht bloß, wie Michaelis meint, das Chromatin gefärbt wird, son- dern daß auch alle übrigen bei der Rom.-Nocht’schen Methode er- haltenen Differenzierungsfarben (das blasse Rot der Erythrocyten, das leuchtende Rot bezw. Violett der mono- und polynukleären Leukocyten- kerne, das Blau des Parasiten- und Lymphocytenplasmas, das Rubinrot der neutrophilen und Blaßrot bezw. Blaßblau der acidophilen Granulationen) einzig und allein durch das Azur-Eosin hervorgerufen werden. 9) Ferner wird durch diese Versuche die Angabe von Michaelis (diese Zeitschr. Bd. XXIX. 1901) bestätigt, daß in dem Azur-Eosin das chromatinfärbende Prinzip zu suchen sei und gleichzeitig die ihr entgegen- stehende Ansicht Reuter ’s als irrig hingestellt. Durch den Umstand, daß das reine Methylenazur,. welches ich zum Vergleich mit einem von mir hergestellten Präparat brauchte, anfänglich bei keiner der bekannteren Farbenfabriken ) zu erhalten war, bin ich zu der Annahme gezwungen, daß die außerordentlich vielseitigen Eigen- schaften dieses Farbkörpers in ihrem vollen Maße keineswegs bekannt geworden sind. Da es mir inzwischen auch gelungen ist, auf relativ einfachem und billigem ?) Wege ein Methylenazur herzustellen, so daß demnächst eine wohlfeilere Erlangung desselben in Aussicht steht, möchte ich nicht unterlassen, auf diesen hochinteressanten, als Eosinverbindung in seiner Vielseitigkeit einzig dastehenden Farbstoff schon jetzt auf- merksam zu machen und ihn, sobald er zu einem annehmbaren Preise erhältlich sein wird, für die Färbung der Malariaparasiten, sowie auch als allgemeines Blutfärbungsmittel angelegentlichst zu empfehlen. Hamburg, den 21. Februar 1902. en Nachdruck verboten. Eine einfache Vorrichtung, um zu verhindern, dass beim Gebrauch des Brütapparates für konstante niedrige Tem- peratur, System Lautenschläger (Katalog No. 60, No. 117), wenn das Eis im Behälter ausgeht, das ungekühlte Wasser” in den kalten Schrank fliesst. 1 |Aus dem Geneeskundig Laboratorium zu Batavia.] Von Dr. &. Grijns in Weltevreden, Java. Mit 3 Figuren im Text. Seit einigen Wochen haben wir in unserem Institut einen Prüt- apparat für konstante niedrige Temperaturen, System Lautenschläger, 1) Nur dem Entgegenkommen der Höchster Farbwerke, welche auf meine An regung hin diesen Farbstoff besonders anfertigen ließen, haben wir unseren jetzigen” eringen, von auswärts bezogenen Bestand zu verdanken. Genannte Firma giebt 1,g es reinen Präparates für 15, 1 g des rohen Farbstoffes für 8 M. ab. Das Rohprodukt eignet sich indessen nicht zur Färbung. 2) Die Beschreibung der Darstellungsmethode behalte ich mir für später vor. i I et r 5 Schutzvorrichtung für den Brütapparat für konstante niedere Temperaturen. 431 in Betrieb gestellt, wobei sich aber der Uebelstand zeigte, daß, wenn über Nacht das Eis nicht reichte, das nicht gekühlte Wasser anhaltend durch den schon kalten Apparat durchfloß, wodurch die Temperatur des Schrankes rasch auf die des Leitungswassers stieg, die öfter eine ziemlich hohe ist, weil das Wasser einem artesischen Brunnen entstammt. Fig. 2. Um dieser Gefahr vorzubeugen, habe ich folgende Schutzvorrichtung ingeschaltet: Eine U-förmige Röhre, in deren einem zugeschmolzenen nde ein Platindraht eingelötet ist (Fig. 1 a), welcher bis ungefähr zur lälfte reicht. Die Röhre wird mit Quecksilber zum Teil gefüllt und in n geschlossenen Schenkel ein wenig Aether gebracht (b). In das tene Ende der Röhre wird ebenfalls ein Draht eingeführt (c), welcher ı bleibender Berührung mit dem Quecksilber steht. G. Grijns, Schutzvorrichtung für den Brütapparat ete. 452 Das Ganze ist auf einem kleinen Holzgestell befestigt, welches, durch Blei beschwert, in das Wasser des Reservoirs Ü (siehe Beschreibung des Apparates im Katalog) getaucht wird. Die Drähte « und ce werden zwischen das Kontaktthermometer und den Elektromagneten in die Stromleitung aufgenommen. Ich mache die Verbindung folgenderweise (Fig. 2): Die Batterie DB wird einer- seits verbunden mit der Schraube a des Elektromagneten #, anderer- seits mit dem Kontaktthermometer 7. Der eine Draht der Schutzvor- richtung S wird durch die Schraube 5b des Elektromagneten durchgezogen, so daß das freie Ende bei d kommt und an der Stelle, wo er in der Schraube stecken wird, wird das Isoliermaterial entfernt. Der zweite Draht. wird an dem Elektromagneten entlang bis c geführt. Der zweite Draht des Kontaktthermometers geht bis e, wo er mit einer Kontaktklemme versehen ist. Um den Apparat in Betrieb zu stellen, wird die Klemme e mit d verbunden, die Schutzvorrichtung ausgeschaltet und das Wasser aus dem Behälter zugelassen. Ist das Wasser im Reservoir © hinreichend kalt geworden, so wird die Verbindung d—e gelöst und e mit ce verbunden. Dann wird in die Röhre bei g so viel Quecksilber zugegossen, bis gerade bei f Kontakt entsteht. Wenn nun über Nacht das Eis alle und das Wasser im Reser- voir wärmer als das in dem Schranke wird, so wird durch die Druck- zunahme des Aetherdampfes das Quecksilberniveau bei f fallen und der Strom kann nicht länger durch. Dadurch wird das Wasserventil bleibend ° geschlossen und das kalte Wasser bleibt in dem Schranke stehen, so daß dieser nunmehr nur allmählich erwärmt wird, da die schützende Hülle eine schnellere Erwärmung verhütet. | Ich habe diese einfachste Einrichtung gewählt, weil ich hier bei mangelnden Gläsern alle derartigen Apparate selber machen muß. Man könnte aber leicht das Reichert’sche Prinzip der Einstellung auf eine bestimmte Temperatur hier einführen, wenn man den Apparat nach der Skizze in Figur 5 ausbildete, wobei es sich dann allerdings empfehlen würde, den außerhalb der Innenröhre verlaufenden Draht sanz oder stellenweise an die Röhre anzulöten. 15. Jan. 1902. 7 | r | | ah BA a Fa an Inhalt. Originalmitteilungen. Bernheim-Karrer, J., Untersuchungen über das Fibrinferment der Milch, p. 388. Fermi, Cl. u. Repetto, R., Beitrag zur Verbreitung der proteolytischen Enzyme im Tierreiche, p. 403. Giemsa, G., Färbemethoden für Malaria- parasiten, p. 429. Grijns, G., Eine einfache Vorrichtung, um zu verhindern, daß beim Gebrauch des Brütapparates für konstante niedrige Temperaturen, System Lautenschläger (Katalog No. 60. No. 117), wenn das Eis im Behälter ausgeht, das ungekühlte Wasser in den kalten Schrank fließt, p. 430. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, Joest, Ernst, Unbekannte Infektionsstoffe. [Schluß], p. 410. Kayser, Heinrich, Das Wachstum der zwischen Bacterium typhi und coli ste- henden Spaltpilze auf dem v. Drigalski- Conradi’schen Agarboden, p. 426. Lochmann, Felix, Ein neuer, der Gruppe des B. coli commune verwandter, für Mäuse und Meerschweinchen pathogener Mikroorganismus (Bacillus caseolyticus), RB. 380. Looss, A., Ueber die Giltigkeit des Gat- tungsnamens Ankylostomum Dubini, Pröscher, F., Zur Anstellung der Widal- | schen Reaktion, p. 400. CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXI. Band. —- Jena, den 16. April 1902. —- No. 10. Preis für den Band (26 Nummern) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Originai-Mitteilung en. Nachdruck verboten. Säure- und Alkoholfestigkeit der Streptothrix farcinica und die Beziehungen der Streptothricheen zu den säurefesten Pilzen, [Aus dem pathologisch-anatomischen Institut No. II der k. ung. Universität Budapest. Vorstand: Prof. O. Pertik.] Von Dr. Carl Feistmantel, Regimentsarzt des Garnisonspitals No. 16 in Budapest. Nocard beschrieb im Jahre 1888 (s. Litteraturverzeichnis No. 1) einen zur Familie der Streptothricheen (im Sinne Cohn’s und Kruse’s) zählenden Pilz als Erreger einer in der französischen Ko- lonie Guadeloupe (Westindien) beobachteten, als „farcin du boeuf“ be- zeichneten Rinderkrankheit. Mit Rücksicht auf das vorliegende Resultat Erste Abt. XXXI. Ba. 29 434 Carl Feistmantel, meiner Untersuchungen ist die Thatsache bemerkenswert, daß die älteren Autoren, wie Nocard erwähnt — den „farcin des boeufs“ als eine „par dessymptömesdephthisietuberculeuse“ einhergehende Krank- heit beschrieben haben. Nocard hat denn auch versucht, in dem ihm zur Untersuchung eingesendeten Eiter von an „farcin des boeufs“ er- krankten Tieren den Koch’schen Bacillus mittels der spezifischen Färbung nachzuweisen. Er konstatierte dabei: „Le bacille de Koch y fait defaut et l’on n’y observe aucun autre microbe ayant fix& la couleur secondaire.“ Dagegen bekam N. nach Gram-Färbung deutliche Bilder des von ihm als Erreger der genannten Rinderkrankheit entdeckten Pilzes.. Die Gram-Färbung fiel nur dann positiv aus, wenn mittels Anilinöl (Weigert) schwach dekoloriert wurde; bei Anwendung der gewöhnlichen Dekolorationsmethode mittels Alkohol bekam Nocard ein negatives Resultat. Einige Jahre später wurde von Berest- new (2) die Beobachtung mitgeteilt, daß es Strahlenpilze gäbe, welche sich nach Ziehl färben, und zwar unter anderen (Str. Sa- brazes et Rivieri, Str. Eppingeri) auch die in Rede stehende Streptothrix Nocardi; und zwar fand Berestnew, daß sich die genannten Pilze in Kulturen und Eiter nach Ziehl wohl färben, eine nachträgliche, intensivere Behandlung mit Alkohol aber nicht aushalten ; auch das Tingieren dieser Pilze inGeweben gelang B. nach Ziehl nicht. Gelegentlich der periodischen Umimpfungen der lebenden Kulturen der Sammlung obigen Instituts unternahm ich es, nebst anderen auch die Pathogenität unserer Kulturen von Streptothrix farcinica, welche ich der Güte des Docenten Dr. Weleminsky in Prag verdanke, zu prüfen. Dabei und bei den angeschlossenen Versuchen konnte ich als regelmäßig wiederkehrenden Befund eine Reihe in der Litteratur nirgends vermerkter, morpho- und biologischer Eigenschaften feststellen, deren Beschreibung den Inhalt nachstehender Zeilen bilden soll. Die von einer aus dem Kräl’schen Laboratorium bezogenen Str. farcinica- kultur angelegten Kontrollimpfungen ergaben morphologisch und auf künstlichen Nährböden meinen früheren analoge Befunde. Wie Herr Docent Kräl mir mitzuteilen die Freundlichkeit hatte, stammen seine Str. farcinica-Kulturen von einer vor Jahren von Prof. Nocard bezogenen. Die von mir an der Streptothrix farcinica beobachteten Eigen- schaften sind folgende: 1) Säure- und Alkoholfestigkeit der Streptothrix-Fäden in Aufstrichpräparaten aus Eiter und Kulturen auf den verschiedensten Nährböden, sowie in Schnitten durch Gewebe erkrankter Tiere. 2) Leichte Färbbarkeit nach Gram, trotz nachfolgender, länger- dauernder Entfärbung mittels Alkohol. 3) Drusen- und Keulenbildung in den Lungen intravenös (V. jugularis) geimpfter Meerschweinchen (3. Woche nach der Impfung). 4) Hochgradige Schwellung beider Hoden intraperl- toneal geimpfter Meerschweinchen, bedingt durch Eiter- ansammlung in den Cava serosa (vom 4.—5. Tag nach der Impfung angefangen). Ad Punkt 1. Was nun zunächst die Säure- und Alkoholfestigkeit der Str. farcinica anbelangt, so beobachtete ich dieselbe zuerst ın Aufstrichpräparaten vom Eiter aus dem Cavum serosum der Hoden ae IE LE a 0 u a ’ SEIEN nt a A es ’ A Du Zu SE Zu u ı | m BREUER 1 ul Te ne DE a a BE Säure- und Alkoholfestigkeit der Streptothrix farcinica etc. 435 meiner ersten Versuchstiere. Im Aufstrich aus der zur Impfung ver- wendeten ca. 2 Monate alten Agarstrichkultur lagen die rotgefärbten Streptothrix-Fäden in Rasen von hellblau tingierten, kokkenähn- lichen Gebilden teils im Centrum, teils an der Peripherie und über die- selbe hinausreichend. Da die säurefesten Fäden mit den nichtsäure- festen, kokkenähnlichen Gebilden („Sporen“ Nocard'’s) genetisch in Zusammenhang stehen, legte ich mir zunächst die Frage vor, in welchem Stadium der Entwickelung und unter welchen Bedingungen an Ele- menten einer Kultur von Str. farcinica Säurefestiekeit zu beobachten ist. Zu diesem Behufe legte ich von verschiedenem Material abimpfend [Eiter!), Reinkultur der Sammlung, Reinkultur aus dem Kräl’schen Laboratorium] eine Reihe von Strichkulturen auf Glycerinagar (homo) an, welche ohne Gummikappenverschluß bei Bruttemperatur (37°) ge- halten wurden. Von jeder dieser Kulturen verfertigte ich täglich 3 Auf- strichpräparate, von denen eines mit Karbolmethylenblau, das zweite nach Ziehl-Neelsen oder später, nachdem ich bereits die Alkohol- festigkeit?) der Pilze konstatiert hatte, nach Fraenkel-Gabbet und das dritte nach Gram (Dekoloration mittels Alkohol) gefärbt wurde. Dabei konnte ich in den Präparaten aus allen Kulturen übereinstimmend folgendes feststellen: Während der ersten Tage (die Agarstrichkultur hat dabei das Aus- sehen kleiner Tautröpfchen) besteht die Kultur fast ausschließlich aus schönen, langen, verzweigten Fäden, von denen die meisten in den nach Ziehl behandelten Aufstrichpräparaten rot gefärbt erscheinen. Die Fäden sind von wechselnder Dicke und zum größten Teil in bacillen- ähnliche Gebilde segmentiert; einzelne Fäden zeigen keinerlei Kon- tinuitätsunterbrechung; auch stark gewundene Mycelien kommen zur Beobachtung. Im Verlaufe der nächsten Tage — die Kultur nimmt das Aussehen einer gefältelten Membran an — bemerkt man, daß die Menge der aus kokkenähnlichen, hellblau gefärbten Gebilden bestehenden, in den ersten 2 Tagen nur spärlich vorhanden gewesenen Rasen gegenüber der Menge säurefester Elemente stetig zunimmt. Letztere werden immer kürzer und bestehen nicht mehr aus stäbchen-, sondern aus kokken- ähnlichen Gebilden. Am 9.—10. Tage findet man in den blauen „Kokken“rasen nur noch sehr spärliche, kurze, säurefeste „Kokken“- ketten. Nachdem ich in der zu meinen ersten Tierversuchen verwen- deten Agarkultur, welche fast ununterbrochen bei Zimmertemperatur gehalten worden war, unverhältnismäßig mehr säurefeste Elemente ge- funden hatte, als in den 9—10 Tage bei Bruttemperatur gehaltenen Agarkulturen, vermutete ich einen die Säurefestigkeit beeinträchtigenden Einfluß der Bruttemperatur. Deshalb nahm ich eine der 3 Kulturen- reihen aus dem Thermostaten heraus und beließ sie fortan in Zimmer- temperatur. Im Verlaufe der nächsten 3 Wochen konnte ich in diesen Kulturen konstatieren, daß die Menge der säurefesten Elemente wieder ungefähr zu jener Größe angewachsen war, wie ich sie zwischen dem 3. und 9. Tage bei in Bruttemperatur gehaltenen Kulturen beobachtet hatte. Gleichzeitig mit der Herausnahme der einen Kulturreihe aus dem Thermostaten impfte ich von meinen verschiedenen Stämmen auf 1) Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, daß ich aus dem Eiter des Cavum serosum erkrankter Hoden fast ausnahmslos die Str. farcinica rein züchten konnte. 2) Es sei hier erwähnt, daß die mit erwärmter Karbolfuchsinlösung gefärbten, in Er Schwefelsäure dekolorierten Präparate meist 10—15 Minuten in 70-proz. kohol nachbehandelt wurden. 29* 436 Carl Feistmantel, Glycerinagar ab und beließ diese neue Kulturenreihe ausschließlich bei Zimmertemperatur. Die Kulturen dieser Reihe gingen an, entwickelten sich aber unverhältnismäßig viel langsamer, als bei Bruttemperatur ge- haltene; so zwar, daß die bei Zimmertemperatur gezüchteten Kulturen in Wochen ungefähr dasselbe Aussehen erlangten, wie bei Bruttemperatur gezüchtete in ebensoviel Tagen. In diesen bei gewöhnlicher Tempe- ratur gehaltenen Kulturen konnte ich auch nach vielen Wochen eine be- merkenswerte Abnahme der säurefesten Elemente nicht konstatieren; das mikroskopische Bild, entsprach demjenigen aus Bruttemperaturkulturen der zweiten Häfte der 1. Woche. Wenn ich mir auf diese Weise die Gewißheit verschaffte, daß eine Beeinflussung der Säurefestigkeit durch die Bruttemperatur erfolge, so mußte ich nun weiter trachten, das Wesen dieser Schädlichkeit zu ermitteln. Zunächst dachte ich an Vertrocknung des Nährbödens; diese Annahme erschien mir um so plausibler, als ich die Beobachtung machte, daß sich die Streptothrix-Fäden in flüssigen Nährböden (Bouillon, Milch) durch Wochen hindurch in jenem schönen Gefüge erhalten, wie es an bei Bruttemperatur gehaltenen Agarstrich- kulturen bloß während der ersten 2 Tage zu bemerken ist. Daß jedoch die Vertrocknung des Nährbodens nicht oder sicher nicht allein das ursächliche Moment für das beobachtete Schwinden der säurefesten Elemente in bei Bruttemperatur gehaltenen Kulturen abgiebt, überzeugte ich mich, als ich eine mit Gummikappenverschlüssen versehene, bei Brut- temperatur gehaltene Reihe von Agarstrichkulturen untersuchte. Diese Kulturröhrchen, welche infolge des Gummiverschlusses auch noch nach Wochen das ganze Kondenswasser enthielten, ergaben bei mikroskopischer Untersuchung ihres Inhaltes genau dasselbe Resultat, wie dieohne Verschluß gezüchteten Kulturen auf den in Vertrocknung begriffenen Nährböden. Wenn ich so mit Bestimmtheit zunehmende Vertrocknung und Wasser- armut des Nährbodens ausschließen kann, so bleibt mir für die Er- klärung des ursächlichen Zusammenhanges nur die Annahme einer mit der Fortdauer der Weiterzüchtung in DBruttemperatur eintretenden Schädigung der Säurefestigkeit durch die Bruttemperatur, welche ja bei so vielen Lebensäußerungen der Bakterien von einschneidender Be- deutung ist (z. B. Behinderung der Farbstoffproduktion bei B. prodi- giosum durch die Bruttemperatur: Schottelius). Daß durch die Bruttemperatur ein rascheres Wachstum und ein rascherer Zerfall der Fäden in kokkenähnliche Gebilde bedingt wird, ist wohl zweifellos; diese Umstände als Erklärung für die angeführten Thatsachen herbeizuziehen, kann ich mich aber wegen des auffallenden Schwundes säurefester Ele- mente in den Präparaten nicht entschließen. Die nächste Frage, mit welcher ich mich beschäftigte, war die nach der Ursache der Säurefestigkeit.e. Da von Einigen (Unna, Borell, Aronson u. A.) die Säurefestigkeit der Tuberkelpilze ihrem Fettgehalt zugeschrieben wird, wiederholte ich zunächst den Versuch Unna’s zum Nachweise des Fettgehaltes in Tuberkelpilzen mittels Flemming’scher Lösung. Ich verwendete dazu vorwiegend ganz junge (2—3 Tage alte), bei Bruttemperatur gehaltene Agarstrichkulturen, welche erwiesenermaßen zahlreiche, säurefeste Elemente enthalten. Das Resultat war negativ, während behufs Kontrolle gleichbehandelte junge Tuberkelpilzkulturen vollkommen schwarz wurden. Weiter ver- suchte ich nach den Methoden Satas (3), welcher mittels des für patho-histologische Zwecke so häufig verwendeten, fettnachweisenden Farbstoffes Sudan III Actinomyces- und andere Pilze gefärbt Säure- und Alkoholfestigkeit der Streptothrix farcinica ete. 437 hatte, den genannten Farbstoff für meine Zwecke. Das Resultat war auch hier negativ. Die Annahme, daß die Säurefestigkeit der jungen Str. farceinica-Elemente durch Fettgehalt bedingt sei, mußte ich demnach fallen lassen. Es geht im vorliegenden Falle auch nicht an, die Ursache der Säurefestigkeit einer konzentrierten Beschaffenheit des Plasmas zuzuschreiben, welcher bekanntlich die endogenen Sporen ihren Widerstand gegen Färbung und Entfärbung, sowie ihre Resistenz gegen schädigende Einflüsse verdanken. Wenigstens wäre es bei einer solchen Annahme nicht recht verständlich, wieso bei der Fragmentierung der säurefesten Fäden die Säurefestigkeit so rasch verloren gehen sollte. Vermutlich verdanken die Fäden ihre Säurefestigkeit einer chemischen Verbindung, welche entweder flüchtig ist oder auf erstarrten Nährböden nach kürzerer Zeit Umsetzungen erleidet. Mit Methylenblaulösungen färben sich sowohl die einzelnen Elemente der „Kokken“rasen, als auch die Fäden. An letzteren beob- achtet man, insbesondere an solchen, welche in stäbchenartige Elemente segmentiert sind, deutliche hellblau tingierte Hüllen. Nach Gram gefärbte Aufstrichpräparate aus jüngeren Kulturen oder aus Eiter zeigen deutliche kolbige oder rundliche Anschwel- lungen, teils an den Enden der Fäden, teils in deren Verlaufe. Nach Nakanishi auf gefärbten Objektträgern verteilte, nicht fixierte Elemente jüngerer Kulturen zeigen ebenso wie im hängenden Tropfen beobachtete Fäden die bekannten knotigen Fadenformen. Die bei Färbung nach Nakanishi leicht blau tingierten knotigen oder fäßchenähnlichen Elemente eines Fadens zeigen in dem einge- schnürten, an das nächstfolgende Segment angrenzenden Teile einen dunkelblau tingierten Körper. Die irrtümliche Angabe No- card’s, daß die Verzweigung der Fäden von Str. farcinica eine unechte sei, findet sich bereits in fast allen Lehrbüchern richtiggestellt. Soviel über meine Beobachtungen an den fädigen Elementen der Kulturen; nach zwei Richtungen, nach denen ich bis jetzt zu keinem abschließenden Urteile kommen konnte, nämlich in betreff der mutmaß- liehen Ursache der Säurefestigkeit und des Wesens der Schädlichkeit durch länger dauernde Züchtung bei Brüttemperatur beabsichtige ich, meine Versuche fortzusetzen. An der zweiten Art von in Kulturen zu beobachtenden Elementen, nämlich an den von Nocard als Sporen bezeichneten, die größeren Rasen zusammensetzenden kokkenähnlichen Gebilden konnte ich folgende Eigenschaften konstatieren: Wie durch ältere Untersuchungen bekannt ist, erfolgt die Bildung neuer Generationen bei den Streptothricheen in der Weise, daß die in Rede stehenden kokkenähnlichen Gebilde aufquellen und 1—3 Keimfäden bilden. Daß die kokkenähnlichen Gebilde (Sporen Nocard’s) für die Reproduktion in erster Linie in Betracht kommen, davon überzeugte mich die Thatsache, daß frisch mit spärlichem, einer fast gar keine säurefesten, fädigen Elemente haltenden Agarstrichkultur (10 Tage alt, Kappenverschluß, Brüttemperatur) entstammenden Materiale geimpfte Agarstrichkulturen gleichmäßig längs des ganzen Impfstriches, also auch an Teilen, wo sicherlich keine anderen Elemente, als die kokken- ähnlichen überimpft worden waren, ausgegangen sind. Daß diese Keim- zellen der Streptothrix farcinica mit endogenen Sporen der Bak- terien fast nichts gemein haben, ist längst bekannt; auffallend ist nur eine gewisse Resistenz gegenüber äußeren Einflüssen, Hitze ausge- 438 Carl Feistmantel, nommen. Nocard macht die Angabe, daß alte Kulturen, durch 15 Mi- nuten auf 65° erhitzt, noch neue Kulturen ergeben haben und intra- peritoneal geimpfte Meerschweinchen getötet hätten; eine 10 Minuten währende Erhitzung auf 70° hat sowohl die Virulenz als auch die Lebensfähigkeit der Kulturen aufgehoben. Bei der Nachprüfung obiger Resultate habe ich die oben angegebenen Zahlen um 5 kleiner gefunden. Ich habe bei meinen Versuchen das Wasserbad, in welchem die zu prüfenden Kulturen in gleicher Höhe mit dem Thermometer sus- pendiert waren, vor einer ungleichmäßigen Erhitzung durch eine unter- gelegte Asbestplatte geschützt und gefunden, daß sie nach 15 Minuten währender Erhitzung auf 60° nichts von ihrer vitalen Energie eingebüßt hatten, dagegen nach 15 Minuten langer Erhitzung auf 65° keine neuen Kulturen mehr ergaben. Wenn so die Widerstandskraft der Keimzellen gegen Hitze eine sehr geringe ist, so zeigen sie doch gegen andere Ein- flüsse eine beträchtliche Resistenz. Zunächst gegen Austrocknung, soweit die Austrocknung des Nährbodens einen Maßstab für die Ver- trocknung der Kulturen bildet. Ich habe von über ein halbes Jahr alten Agarstrichkulturen, in welchen der Nährboden zur Dicke eines Kartons eingetrocknet war und welche zum größten Teil aus Keimzellen bestanden, lebensfrische und längs des ganzen Impfstriches gleichmäßig gewachsene Kulturen erhalten. Auch gegen Sauerstoffabschluß sind die Keimzellen ziemlich unempfindlich. Um mich von der Unfähig- heit der Streptothrix farcinica, bei Sauerstoffabschluß wachsen zu können, zu überzeugen, legte ich, mit keimzellenhaltigem Material impfend, nach Art der Anaöroben weiter behandelte Agarstrichkulturen an (Buch- ner ’sche Röhren). Nach 10 Tagen war auf den bei Brüttemperatur anaörob gehaltenen Röhrchen nichts gewachsen; die am selben Tage ge- impften, in Sauerstoffatmosphäre gehaltenen Kulturen waren am Kon- trolltage bereits stark angegangen. Ich versetzte nun die bisher anaörob gehaltenen Agarröhrchen in Sauerstoffatmosphäre (Brüttemperatur) und sie ergaben, von diesem Zeitpunkte angefangen, üppig wachsende Kul- turen. Auch gegen Sonnenlicht scheinen die Keimzellen nicht allzu empfindlich zu sein, wenigstens habe ich noch nach 30-stündiger Besonnung in Bouillon suspendierter Keimzellen (Litt.-Verz. No.19) lebhaft angehende Kulturen erhalten. Damit in Uebereinstimmung war auch das Resultat einer bis 50 Minuten fortgesetzten Bestrahlung durch die ca. 10 cm von den Kulturen entfernte Antikathode einer Röntgenstrahlenröhre (Funkenlänge 30 cm, 3 Ampere); die vitale Energie der Keim- zellen war durch die Röntgen-Strahlen selbst nach 50 Minuten nicht im geringsten geschädigt; die Abimpfungen gingen üppig an. Die letzt- genannten Versuche hatte mein Kamerad, Regimentsarzt Dr. von Zhuber, auf der chirurgischen Abteilung des Garnisonspitals No. 16 durchzuführen die Freundlichkeit. Auch gegen Kälte scheinen die Keimzellen, gleich vielen anderen Pilzen, unempfindlich zu sein; wenigstens vertrugen sie durch 4 Tage anhaltende Kälte von 7—8° unter Null, ohne Schaden zu nehmen. Sublimat in einer Lösung von 1: 1000 tötet die Keimzellen nach ungefähr 30 Minuten. Die Methode, welcher ich mich zur Feststellung letztgenannter Thatsache bediente, war folgende: Junge, ca. 4—5 Tage alte, einen ganz dünnen Belag bil- dende Agarstrichkulturen (die für die Feststellung der bakterientötenden Wirkung von Lösungen geeignetste Prüfungsart ist wohl die in flüssigen Nährböden; dieselbe erschien mir aber bei der durch das klumpenartige Wachstum in solchen Nährböden bedingten schwierigen Zerteilbarkeit in 4% f} SE | Säure- und Alkoholfestigkeit der Streptothrix fareinica etc. 439 unserem Falle nicht zweckmäßig) wurden mit Sublimatlösung (1 : 1000) überschichtet; in abgemessenen Zeitabschnritten wurde die Sublimat- lösung abgegossen und durch 5—6mal wiederholtes Abspülen mit sterilem Wasser alle Reste der Sublimatlösung von der Oberfläche der Kulturen entfernt. Hierauf wurde von der Oberfläche der dünnen, membran- artigen Kultur eine geringe Menge Materials in 5—4 Agarröhrchen ver- teilt. Ich bekam so nach 25 Minuten langer Einwirkung der Sublimat- lösung in allen 3 Agarstrichen Kulturen, welche allerdings viel lang- samer angegangen waren, als die kürzere Zeit mit Sublimatlösung be- handelten; nach 30 Minuten langer Einwirkung ging in keiner der Abimpfungen eine Kultur mehr an. Beweglichkeit konnte ich an den Elementen der Streptothrix fareinica nicht konstatieren. Be- züglich der Reaktion der Nährböden möchte ich erwähnen, daß eine geringgradige Acidität das Wachstum der Str. farcinica nicht behindert; in schwach saurer Milch wenigstens habe ich üppiges Wachstum beobachtet. Ad P. 2) Die Färbbarkeit der Pilze nach Gram habe ich an Gewebsschnitten, in Aufstrichpräparaten vom Eiter und von Kulturen unterschiedlichsten Alters konstatieren können; dabei wurden die Präparate oft über eine Viertelstunde in Al- kohol belassen. Bevor ich nun von der Wiedergabe der morphologischen Daten meiner Untersuchungen übergehe zu den Ergebnissen meiner Tierver- suche, möchte ich noch einige Bemerkungen über das Wachstum der Str. farcinica auf künstlichen Nährböden einflechten. Im Gelatinestich, auf Kartoffel, in Milch, in Bouillon, längs des Agar- striches wachsen beide von mir gezüchteten Stämme in mit den diesbezüg- lichen Litteraturangaben übereinstimmender Weise. Bezüglich des Wachs- tums auf Kartoffel möchte ich bemerken, daß dasselbe durch einen ge- wissen Feuchtigkeitsgehait des Nährbodens begünstigt wird. Unter den 10 Kulturen auf Kartoffelscheiben, welche mit ungefähr gleichen Mengen Impfmaterials beschickt worden waren, gediehen 2 unverhältnismäßig üppiger als alle anderen; in beiden Fällen waren die Kartoffelscheiben besonders saftig. Eine Bestätigung dieser Beobachtung gaben die äußerst üppig angehenden Kulturen auf Kartoffelschnitten, welche über einen Recipienten mit Glycerin gehalten wurden (Roux-Yersin). Trauben- zucker-Agarstichkulturen zeigten nach Verlauf mehrerer Wochen mas- siges Wachstum auf der Oberfläche; der Nährboden war in keiner Weise durch das Wachstum beeinflußt. Ad P. 3) und 4) Meine Tierversuche erstreckten sich auf 16 Meer- schweinchen, 4 Kaninchen und 2 Mäuse. Letztere wurden mit je 0,5cem einer starken Aufschwemmung von Str. farcinica- Kultur intraperitoneal geimpft und zeigten ebensowenig wie die als refraktär bekannten, von mir in die Ohrvenen ge- impften Kaninchen irgendwelche Krankheitserscheinungen. Die Krank- heitserscheinungen bei den sehr empfänglichen Meerschweinchen finden sich in der mehrfach citierten, grundlegenden Arbeit Nocard's vor- züglich beschrieben. Das Bild ist verschieden, je nachdem intravenös oder intraperitoneal geimpft wurde. Bei der Sektion von in der 3. Woche nach intravenös erfolgter Impfung getöteten oder spontan verendeten Tieren findet man das Bild einer allgemeinen Miliartuberku- lose: In allen Eingeweiden, insbesondere in den Lungen, zahlreiche, bis hirsekorngroße, teils im Parenchym, teils oberflächlich gelegene Knöt- 440 Carl Feistmantel, chen. Die Knötchen finden sich auch in der Milz; ich bemerke dies ausdrücklich, da Friedrich und Nöseke (7) nach intraarteriellen Impfungen mit Tuberkelpilzen die Milz stets intakt fanden. Das Bild nach intraperitonealer Impfung (3. Woche) unterscheidet sich von dem oben skizzierten vor allem dadurch, daß die Brustorgane nicht erkrankt sind, sondern bloß die Eingeweide der Bauchhöhle; dieselben sind übersät mit subserös gelegenen Knötchen resp. kleinen Abscessen, welche stellenweise zu ganzen höckerigen Schwarten zusammenfließen. Im Parenchym der großen Unterleibsdrüsen finden sich keine Knötchen (Abscesse). Das Omentum majus ist zu einer starren, kleinfingerdicken, höckerigen Schwarte umgewandelt; nach intravenös erfolgter Impfung tritt diese schwartige Umbildung des Netzes nicht auf. Außer den genannten Erscheinungen habe ich an meinen sämtlichen intraperitoneal seimpften männlichen Tieren (6 an Zahl) eine am 4.—5. Tage auf- tretende, im Verlauf der nächsten Tage stetig zunehmende Schwellung beider Hoden beobachtet. Es war dabei gleichgiltig, ob zur Aufschwemmung der zu ver- impfenden Kultur steriles Wasser oder Bouillon verwendet worden war. Bei der in der 3. Woche vorgenommenen Obduktion zeigte sich, daß die Hodenkapsel prall erfüllt war von gelblichem, dickem, rahmigem Eiter, wie er für alle durch Str. farcinica verursachten Abscesse charakteristisch ist. In den Aufstrichpräparaten von diesem Eiter, welche teils nach Gram, teils nach Ziehl-Neelsen gefärbt wurden, fand ich massenhafte, zum Teil schön verzweigte, säure- und alkohol- feste Streptothrix-Fäden. Bei Abimpfungen auf Glycerinagar und Kartoffel erhielt ich fast in allen Röhrchen Reinkulturen von Str. farcinica. In mittels polychromen Methylenblaus (Unna) gefärbten Quer- schnitten durch den Hoden und seine Hüllen war folgendes Bild zu sehen: Die Bindegewebsschichten der T. albuginea sind in Granulations- sewebe umgewandelt; die Intercellularsubstanz (kollagenes Gewebe) ist erheblich vermindert, die Bindegewebszellen hingegen sind geschwellt, zu Fibroblasten umgewandelt und lassen viele Mitosen erkennen. Schon dieses Gewebe ist peripherwärts von Infiltrationszellen, namentlich poly- nukleären Leukocyten, durchdrungen, welche gegen die Peripherie an Zahl zunehmen. Die Oberfläche des Hodens resp. der ursprünglich zwischen den beiden Peritonealblättern gelegene Raum (Cavum serosum) ist von massenhaften Eiterzellen erfüllt. Zwischen diesen zahlreiche Streptothrix-Fäden. Das Hodengewebe selbst erscheint bloß in seinen peripheren Teilen, und zwar in den einzelnen Kanälchenzwischen- räumen, kleinzellig infiltriert. In Querschnitten durch ein wurstartig verdicktes Omentum eines intraperitoneal geimpften Meerschweinchens konnte ich zum ersten Male säurefeste Streptothrix-Fäden darstellen. Es eignet sich das ge- nannte Gewebe wegen seines Reichtums an Pilzen für diesen Zweck am besten. Die Färbung der Celloidinschnitte erfolgte nach folgender Methode, welche, vom Institut Pasteur überkommen, in obigem In- stitute zur Färbung von Tuberkelpilzen in Schnitten als die beste er- probt worden war: 1) Färbung in Anilinfuchsin (Ehrlich) durch mindestens 3 Stunden; 2) Auswaschen in Wasser (kurz); 3) Einbringen in 2-proz. wässerige Anilinum hydrochlorieum-Lösung durch 10—15 Sekunden; al Säure- und Alkoholfestigkeit der Streptothrix fareinica ete. 441 4) gründliches Auswaschen in Alkohol; die Schnitte bekommen ein ganz leicht rosafarbiges Aussehen; 5) Färbung in Unna scher Polychrom-Methylenblaulösung durch 1'/, bis 2 Minuten; 6) kurzes Abspülen in Wasser; 7) Entfärbung, zuerst in Glycerinäther, 15 Tropfen Glycerinäther auf 5—6 cem Wasser; in dieser Mischung bleiben die Schnitte 5.Mi- nuten, dann Auswaschen in Wasser, in Alkohol (96-proz.) und abso- lutem Alkohol, bis die Schnitte hellblau geworden sind; 8) Aufhellung in Bergamottöl, Einschluß in Kanadabalsam. Das mikroskopische Bild, welches die Omentum-Querschnitte nach vorstehender Behandlung liefern, ist folgendes: Zum größten Teil klein- zellig infiltriertes Bindegewebe; stellenweise zellreiches Granulations- gewebe mit zahlreichen Kapillaren: zwischen den Rundzellen zahlreiche rotgefärbte, zum Teil reich verzweigte Streptothrix-Fäden. Stellen- weise Riesenzellen, nirgends Verkäsung. Am lebenden Tiere habe ich von objektiven Krankheitssymptomen konstatiert: 1) Fast ausnahmslos einen Absceß an der Impfstelle, wie dies schon von Nocard betont wird; nach intraperitonealer Impfung liegt der Absceß gewöhnlich zwischen den Muskelschichten der Bauch- decken; bei einem meiner intraperitoneal geimpften Versuchstiere er- reichte der von dem charakteristischen Eiter erfüllte Absceß die Größe einer Wallnuß. 2) Bei intraperitoneal geimpften Meerschweinchen vom 4—5. Tage zunehmende Hodenschwellung. 3) Zunehmender Verlust an Körpergewicht, insbesondere an spontan verendeten Tieren (gewöhnlich in der 3. Woche); derselbe ent- spricht in einzelnen Fällen ca. !/; des ursprünglichen Körpergewichtes. 4) Temperaturmessungen geben keine verläßlichen Anhalts- punkte für dıe Beurteilung des Krankheitsverlaufes. Drusenbildung beobachtete ich nach intravenös (V. jugularis) erfolgter Impfung in den Lungen in den ersten Tagen der 3. Woche. Die Drusen lagen stets in einem mächtigen Herde klein- zelliger Infiltration; ihr Centrum war von homogenem Aussehen und enthielt mehrfache, nicht allzu zahlreiche Streptothrix-Fäden. Die Peripherie der Druse wurde von einer bei Polychrommethylenblaufärbung etwas fonciert blauer, bei Van Gieson-Färbung rötlicher Zone ge- säumt, über welche hinaus deutliche Kolben in das umgebende Gewebe hinausragten. Aus den Untersuchungen Boström’s wissen wir, daß dieses Aussehen demjenigen älterer Drusenformen entspricht. Ueber das Resultat weiterer Versuche, welche die Frage nach einer eventuellen Toxinbildung, die detailliertere histologische Untersuchung, insbesondere der drusenhaltigen Gewebe, sowie die Ermittelung des mutmaßlichen Grundes der Säurefestigkeit zum Gegenstande haben, behalte ich mir vor, seiner Zeit zu berichten. Dagegen möchte ich, meine gegenwärtigen Untersuchungen ab- schließend, heute noch die Beziehungen hervorheben, welche die Strepto- thrix farcinica durch die von mir an ihr konstatierten Eigenschaften zu den ihr verwandten und ihr nahestehenden Pilzgruppen gewinnt. Silberschmidt bemerkt an einer Stelle seiner Arbeit: „Ueber Aktinomykose“ (8): „Die Sonderstellung, welche Jahrzehnte hindurch dem Tuberkelbacillus zuerkannt wurde, namentlich in Bezug auf seine 442 Carl Feistmantel, Säurefestigkeit, ist auch nicht mehr vollauf gerechtfertigt.“ Durch LydiaRabinowitsch, Moeller, Marpmann, Korn u. A. wurden Pilze entdeckt, welche infolge ihrer morphologischen und färberischen Eigenschaften als enge Verwandte des Tuberkelpilzes angesprochen werden müssen. Aber nicht genug an dem, daß die Tuberkelpilze die Eigenschaft der Säurefestigkeit mit einer Reihe von anderen Pilzen gemein haben, die Tuberkelpilze können ihre Beständigkeit gegenüber Entfärbung, wie am letzten internationalen medizinischen Kongresse in Paris von Marmorek angegeben wurde, unter gewissen Bedingungen verlieren. Wenn so die Beweise erbracht wurden, daß Säurefestigkeit die Tuberkelpilze weder allein, noch unter allen Bedingungen auszeichnet, haben andere Untersuchungen gelehrt, daß die Tuberkelpilze und ihre nächsten Verwandten, die säurefesten Bakterien, unter Umständen morphologische Eigentümlichkeiten zeigen, durch welche sie mit der Gruppe des Actinomyces (Streptothricheen im Sinne Kruse) in Beziehung treten. Schon im Jahre 1892 haben Fischl-Hueppe keulenförmige Anschwellungen der Tuberkelpilze beobachtet und ein- gehend die Ansicht verteidigt, daß der Tuberkelpilz mit Unrecht Bacillus genannt wird und die sogenannten Tuberkelbacillen nur die parasitische Anpassungsform eines pleomorphen Mikrobion sind. Durch spätere Untersuchungen wurde diese Ansicht gestützt. Nach Passage durch den Körper von Kaltblütern wurden virulente Tuberkel- pilze kräftig modifiziert: Moeller erreichte diese nur bei Zimmer- temperatur gut wachsende Modifikation durch Vermittelung des Blind- schleichenkörpers, Lubarsch findet, daß Tuberkelpilze, für 6—8 Wochen auf Frösche übertragen, nicht mehr infektiös sind, obschon sie noch leicht gezüchtet werden können. Hierher gehört auch die durch den Fischkörper modifizierte, von Bataillon, Dubard und Terre beschriebene, nur bei Zimmertemperatur gut wachsende Art. Krompecher fand, daß 6 Jahre hindurch ununterbrochen auf künstlichen Nährböden gezüchtete Tuberkelpilze (Mensch) selbst in großen Mengen Tiere nicht infizieren, kein wirksames Tuberkulin bilden und bei niederen Temperaturen (20°) leidlich wachsen. Lubarsch findet, daß, „je mehr sich die genannten Pilze einem mehr sapro- phytischen Dasein anpassen, um so häufiger, frühzeitiger, regelmäßiger und ausgebildeter die Fadenpilzformen auftreten“. Ebenso treten nach L. die endständigen Anschwellungen um so reichlicher auf, je mehr sich die Tuberkelpilze der parasitischen Lebensweise entwöhnt haben. Weitere Untersuchungen haben ergeben, daß Menschen- und Vogel- tuberkulose (nach Schulze 15—20 Tage nach der Impfung) in den verschiedensten Organen Drusen bilden, wie sie bis dahin als spezifisch charakteristisch für Actinomyces bovis gegolten hatten (9). Gleichzeitig mit Schulze konstatierten Friedrich und Nöseke die Bildung Actinomyces-ähnlicher Wuchsformen von Tuberkel- pilzen im Tierkörper (7). Lubarsch fand bei einer Reihe säurefester Pilze (Moeller’scher Timothee-, Mist- und Graspilz II, Ra- binowitsch Butterpilz) die Eigenschaft, im Tierkörper Herde mit. deutlich strahliger Anordnung und Keulenformen zu bilden, und kommt zu folgendem Schlußresultat (10): „Die Actinomyces-Formen, die noch vor kurzem für die Charakteristika eines bestimmten Krankheitsbildes gehalten wurden, kommen unter bestimmten Bedingungen einer großen Reihe von Pilzen zu, die in die Gruppe der Streptothricheen hineingehören.“ ea Te SE 7 Re ee OR EEE OPERETTE I En » Säure- und Alkoholfestigkeit der Streptothrix fareinica etc. 443 In Berücksichtigung der angeführten Thatsachen haben wohl auch Leh- mann und Neumann in ihrem Atlas und Grundriß der Bakteriologie und bakteriologischen Diagnostik den Tuberkelpilz und seine nächststehen- den Verwandten zu einer Gruppe zusammengefaßt und als Mycobac- terium-Gruppe bezeichnet. Wenn auf diese Weise an den säurefesten Pilzen Eigenschaften konstatiert worden waren, welche sie in Beziehung zu den Aktinomyceten (Streptothricheen) brachte, so fehlten auf Seite dieser Gruppe bis vor kurzem Beobachtungen, welche dieselbe den säurefesten Pilzen angenähert hätten. Wie erwähnt, konstatierte zu- nächst Berestnew bei einigen Actinomyces- Arten (Strepto- thricheen), darunter auch bei Streptothrix farcinica, bedingte Säurefestiskeit. Bemerkenswert an dieser Stelle sind auch die Unter- suchungsresultate Sata’s, welcher Actinomyces (offenbar Actino- myces bovis) im Schnitte mittels des fettfärbenden Farbstoffes Sudan III darstellte Dem Ergebnisse meiner Untersuchungen zu- folge muß ich die Streptothrix farcinica als verbindendes Mittel- glied zwischen die Gruppe der Aktinomyceten (Streptothricheen) und die säurefesten Pilze rangieren; ihr zunächst käme die Streptothrix Eppingeri, bei welcher von Berestnew bedingte Säurefestig- keit und von Schulze und Lubarsch die Bildung von Strahlen- pilzherden im Organismus konstatiert wurde. Herrn Deutsch- LäszlIö verdanke ich die mündliche Mitteilung, daß im Institut Pasteur eine hochgradig säurefeste Streptothrix- Art (Dezy) ge- züchtet wird; ich habe diese Art in der deutschen Litteratur nirgends _ vermerkt gefunden. | Nun möchte ich noch des Umstandes Erwähnung thun, daß die _ von mir als regelmäßiger Befund nach intraperitonealer Impfung männ- - licher Tiere beobachtete Eiteransammlung in den Hodenhüllen ein be- - kanntes Analogon bildet zu den durch den Rotzbaeillus hervorgerufenen Erscheinungen (zum Teil erinnert das genannte Symptom an die durch rotzähnliche Bacillen — Nocard’s Bac. pseudofarcinicus und _ Kutscher’s Bac. orchiticus — bedingte Orchitis), welcher wegen der Bildung echter Verzweigungen und Kolben, sowie Keulenformen von Einzelnen in Beziehung gebracht wird mit der Streptothricheengruppe. In diesem Sinne äußert sich Marx (135): „Weil wir ja auch im Rotz eine knötchenbildende Krankheit vor uns haben und wir diese Affektion also auch in der Hinsicht mit Tuberkulose und mit den vielen Formen von Pseudotuberkulose, die durch Aktinomyceten veranlaßt werden, ver- gleichen dürfen.“ | So stehen die Aktinomyceten (Streptothricheen) und die säurefesten Pilze als zwei Gruppen vor uns, welche in morpho- und biologischer Hinsicht die auffallendste Aehnlichkeit und eine Reihe von Uebergängen untereinander aufweisen. In morphologischer Beziehung zu erwähnen sind: Die verzweigten, die Faden- und die Keulenformen, die körnigen Zerfallsprodukte der Fäden, die Färbbarkeit nach Gram, in vielen Fällen Säure- und Alkoholfestigkeit. Bezüglich ‚der Kulturen ist schon von Vielen auf die große Aehnlichkeit hinge- wiesen worden: In beiden Fällen ein massiges, oft nur langsam vor ‚sich gehendes Wachstum. Im Tiere bei beiden Gruppen: Drusen- bildung, Knötchenbildung in den verschiedensten Organen. Dieses nahe Verhältnis beider Gruppen drängt zu einem Ausdrucke in der Benennung. Lehmann und Neumann finden einen Ausweg 444 Feistmantel, Säure- und Alkoholfestigkeit der Streptothrix fareinica etc. darin, daß sie die Gruppe der säurefesten Pilze als Mykobakterien den Aktinomyceten anreihen. Andere vereinigen die Aktinomyceten und säurefesten Bakterien unter dem Gruppennamen der Streptothri- cheen. Es ist von mehreren Seiten (Levy, Berestnew u. A.) darauf hingewiesen worden, daß in Berücksichtigung des Prinzipes der Priorität die Heranziehung des Namens Streptothrix als Bezeichnung der Actinomyces-Gruppe unstatthaft wäre, nachdem derselbe bereits im Jahre 1839 von Corda für einen Pilz aus der Hyphomycetenfamilie gewählt worden ist. Meiner persönlichen Ueberzeugung nach werden durch die Betonung dieses Prioritätsprinzipes gegenwärtig brennend gewordene praktische Interessen geschädigt. Thatsächlich ist die „Streptothricheen“-artige Anordnung ihrer Elemente das konstanteste und daher am meisten charakteristische Merkmal beider Gruppen und deshalb der Name Streptothrix als gemeinsame Bezeichnung für beide der natürlichste. Mit Rücksicht auf die Größe und die Bedeutung der unter diesem Namen zusammenzufassenden, allgemeineres Interesse erheischenden Gruppen erscheint mir die Vernachlässigung des Priori- tätsprinzipes in diesem Falle um so mehr entschuldigt, als durch das anzuschließende Beiwort (Streptothrix farcinica u. Ss. w.) eine Ver- wechselung ausgeschlossen wird. Zum Schlusse spreche ich auch an dieser Stelle Herrn Professor Dr. Pertik und Herrn Docenten Dr. Krompecher meinen Dank für ihre freundliche Unterstützung bei meinen Untersuchungen aus. Budapest, den 1. März 1902. Litteratur. 1) Nocard, M.E., Note sur la maladie des boeufs de la Guadeloupe connue sous le nom de farcin. (Annales de l’Inst. Pasteur. 1888.) 2) Berestnew, Die Aktinomykose und ihre Erreger. [Dissertation.] Moskau 189. Russisch. 3) er Leber ‚die Fettbildung durch verschiedene Bakterien, nebst einer neuen Färbung des Actinomyces im Schnitte. (Centralbl. f. allgem. Pathol. u. pathol. Anatomie. 1900. Heft 3/4.) 4) Schmidt, Johs. und Weis, Fr., Die Bakterien. Jena (G. Fischer) 1902. 5) Flügge, Die Mikroorganismen. 1896. f 6) Lehmann und Neumann, Atlas und Grundriß der Bakteriologie und bakterio- logischen Diagnostik. 1899. 2 7) Friedrich und Nöseke, Studien über die Lokalisierung des Tuberkelbacillus bei direkter Einbringung in den Kreislauf (l. Ventrikel) und über Actinomyces- ähnliche Wuchsformen der Bacillenherde im Tierkörper. (Ziegler’s Beiträge. Bd. XXXVI 1899.) | 8) Silberschmidt, Ueber Aktinomykose. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXXVII.) 9) Schulze, Otto, Untersuchungen über die Strahlenpilzformen des Tuberkulose- erregers. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXXI. 1899.) 10) Lubarsch, Zur Kenntnis der Strahlenpilze. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXXI. 1899.) 11) Schürmayer, Ueber Aktinomykose des Menschen und der Tiere. (Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Bd. XX VII.) 12) Nocard, Ed., Sur la valeur diagnostique de la mall&ine. (Bullet. de la soc centr. de med. veter. T. XLVII. 1893. p. 116.) 13) Marx, Hugo, Zur Morphologie des Rotzbacillus. (Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Bd. XXV. No. 8/9.) IR 14) Cache, De la culture du baeille de diphterie croissant en fils ramifies. (Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Bd. XXIX.) 15) Levy, Ueber die Actinomycesgruppe und die ihr verwandten Bakterien. (Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Bd. XXVi.) 16) Krause, Beitrag zur Kenntnis der Actinomyces. (Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Bd. XXV].) 2 irn RO ke ee nn a | | Joseph u. Piorkowski, Beitrag zur Lehre von den Syphilisbacillen. 445 En A Bi 1 Ey 2 u a ze u a Zu" Se a 17) Silbersechmidt, Sur un nouveau Streptothrix pathogöne (Strept. caprae). (Annal. de l’Inst. Pasteur. 1899. No. 11.) 18) Mertens, Beiträge zur Actinomycesforschung. (Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. BEL-AXIX 19) Berard, L. et Nicolas, J., Note sur la resistance de spores de l’Actinomyces. (Compt. rend. hebd. de la soc. de biol. 1900. 19 oct.) Nachdruck verboten. Beitrag zur Lehre von den syphilisbacillen '). [Aus der Poliklinik für Hautkrankheiten von Dr. Max Joseph und dem bakteriologischen Institute von Dr. Piorkowski.] Von Dr. Joseph und Dr. Piorkowski. Verff. versuchten die Uebertragung des Syphilisvirus durch die Spermatozoen in einer den natürlichen Verhältnissen möglichst nahe kommenden Wirkungsart zu studieren. Zu diesem Zwecke verwendeten sie möglichst steril aufgefangene Placenten, von denen sie mit sterilen Instrumenten Teile der Innen- wie der Außenfläche in sterile Petri- Schalen übertrugen. Wenn die Flächen keimfrei geblieben waren, wurden sie mit Sperma verimpft; mit letzterem wurden gleichzeitig andere Nährböden, wie Agar, Bouillon etc., beschickt. So wurden etwa 22 Fälle im frischen, infektiösen Stadium, 3 Fälle aus späterer Zeit und 4 normale Sperma untersucht. Auf den mit dem Sperma der ersteren infizierten Placentastückchen fanden sich nach 16 Stunden kleine tautropfenartige, isolierte Kolo- nieen, die nach etwa 30 Stunden vergrößert waren, grau gefärbt er- schienen und mehr oder weniger konfluierten. Die hiervon hergestellten Färbepräparate zeigten Bacillen, welche den Diphtheriebacillen ähnelten, aber größer waren. Ihre Form war plump, meist an einem Ende, zu- weilen auch an beiden kolbig verdickt, sehr häufig körnerartig degene- riert. Allen gemeinsam war eine staketenartige Nebeneinanderlagerung. Von den Farbstoffen eignete sich am besten verdünntes Karbolfuchsin. Sehr charakteristisch war die Herstellung von blauen Babes-Ernst- schen Körperchen im roten Bacillenleibe nach folgender Modifikation: Die Deckglasausstriche werden mit Loeffler’schem Methylenblau übergossen, über der starken Bunsenflamme unter fortwährender Be- wegung bis zum Kochen erhitzt, dann 1 Minute lang abgekühlt, 5 Se- kunden lang mit 3-proz. Salzsäurealkohol entfärbt, mit Wasser abgespült und 10 Sekunden lang mit stark verdünntem Karbolfuchsin nachgefärbt. Im hängenden Tropfen waren die Bakterien nur oscillierend be- weglich und es trat sehr bald Agglutination ein. Auch bei Ueber- tragungen auf andere Nährböden, wie Agar, Harnagar und Blutserum, konnte sehr bald eine Degeneration der Bakterien konstatiert werden. Während das Wachstum bei erneuter Uebertragung auf Placenta noch gut gedieh, bildete sich auf Agar ein grauweißer wachsartiger Ueberzug, in dem einige Kolonieen noch prominierten. Dieser Belag ließ sich leicht in toto herausheben. Die Rückseite der Kultur erschien gelblich. Die hieraus gefärbten Mikroben hatten wohl noch Aehnlichkeit 1) Nach einem Vortrage, gehalten am 5. März 1902 in der Berliner medizinischen Gesellschaft. 446 Joseph u. Piorkowski, Beitrag zur Lehre von den Syphilisbacillen. mit denen der Ausgangskultur, waren aber kleiner, um bei erneuter Verimpfung auf Agar noch weiter zu verkümmern. Besser zur Kulti- vierung eignete sich Harnagar und namentlich Blutserum. Auf ersterem waren die Kolonieen klein, weißglänzend und isoliert, auf dem erstarrten Serum prominierend, glänzend weißlich bis leicht gelblich und späterhin leicht konfluierend. Die Färbepräparate von der ersten Uebertragung hatten gute Kolben- und Staketenform, bei weiteren Generationen fand auch hier Degeneration statt. Rückübertragung von den eben genannten Nährböden auf Placenta ergab wiederum gutes charakteristisches Wachstum mit den ursprüng- lichen Formen. Auf Kartoffeln verimpft, bildete sich ein weißlicher, wenig glänzender, voller Belag mit wenigen leichten Erhöhungen. Milch wurde koaguliert und gesäuert. In Bouillon trat ein starkes Sediment auf und Trübungen. Nebst Säurebildung konnte auch Indol nachge- wiesen werden. Der Gelatinestich präsentierte sich stark weißlich mit einem geringen Oberflächenhäutchen, das sich ebenfalls in toto abheben ließ. — Besser waren die Wachstumsverhältnisse bei 37° C zu beob- achten, bei Zimmertemperatur verlangsamten dieselben. Derartig beschaffen waren die Bakterien, welche konstant bei frischen Fällen gefunden wurden und einmal auch nach 5!/, Jahren, in einem Falle, der erst 3 Jahre nach der Infektion zur Behandlung gekommen war und zur Infektion einer Frau geführt hatte. Außer den hier erwähnten Kolonieen waren auf den Placenten auch noch andere, mehr gelb verfärbte aufgekommen, die sich als Kokken- arten und namentlich als Staphylokokken erwiesen. Direkte Ueberimpfungen von Sperma auf Bouillon, Agar etc. blieben entweder gänzlich steril oder es entwickelten sich Trübungen, resp. ver- einzelte, feucht glänzende Kolonieen, welche ausschließlich aus Kokken bestanden. In keinem Falle wurden die auf den Placenten gefundenen Stäbchen auf jenen Nährböden nachgewiesen, ebensowenig wie sie auf den zu Kontrollzwecken tagelang bei 37° C aufbewahrten ungeimpften Placenten auftraten, endlich auch nicht auf solchen, welche mit normalem Sperma beschickt waren. Durch weitere Versuche wurde ferner festgestellt, daß die in Frage stehenden Bakterien bis zu 8 Stunden nach der Ejakulation sich auf die Placenta übertragen ließen. Nach Feststellung dieser Thatsachen wurde das Wachstum der Kolonieen auf syphilitischen Placenten der Beobachtung unterzogen, wobei sich ergab, daß die letzteren sich nicht in gleichem Maße eigneten wie normales. Die Kolonieen verkümmerten und dementsprechend fielen auch die Färbepräparate nicht mehr so charakteristisch aus, wie denn auch die Polkörner zumeist fehlten. Es war also anzunehmen, daß die syphilitisch infizierten Placenten keinen brauchbaren Nährboden für voll- virulente frische Spermatozoen abgaben. Endlich wurden noch analoge Versuche mit tierischen Placenten vorgenommen, die aber noch nicht zum Abschlusse gekommen sind. Die mit kleinen Tieren, wie Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen, ausgeführten Impfversuche waren ergebnislos geblieben. Ein Schwein wies 16 Tage nach der ersten Injektion mit einer bezüglichen Bouillon- kultur am Genitale bis in die Vagina hineingehend und andererseits bis auf die benachbarten Flächen der Oberschenkel sich ausdehnend ein fleckiges Exanthem auf. Bei der Sektion ergab sich eine sehr starke Schwellung der Inguinaldrüsen. Dieser Befund ist aber nicht einwands- Far A. Lode, Notizen zur Biologie des Erregers der Kyanolophie der Hühner. 447 frei, da das Tier später an der Schweineseuche einging und bei dieser Infektionskrankheit auch, wenigstens ähnliche Symptome auftreten sollen. Da es keine Tiere giebt, die mit Sicherheit zu infizieren sind, muß es der Zukunft vorbehalten bleiben, darüber Klarheit zu erlangen, was es mit den questionierten Bakterien für eine Bewandtnis hat. Verff. hoffen, daß eine Reihe von Nachprüfungen ihre bisherigen Beobachtungen wird bestätigen können und so gewissermaßen der statistische Nachweis das ersetzt, was die Verimpfung an Menschenmaterial nicht zuläßt. Auch aus dem Blute der Syphilitiker wurden die beschriebenen ähnlichen Bacillen in 2 Fällen gefunden. Die Methodik der Blut- gewinnung geschah so, daß ein aus einer mit Sublimat, Alkohol und Aether gereinigten Fingerbeere hervorquellender Blutstropfen in 10 cem Bouillon aufgefangen und 1—2 ccm hiervon mit weiteren 10 ccm Bouillon verdünnt wurden. Eventuell wurde noch eine dritte Verdünnung her- gestellt. Nach einigen Tagen konnten so, namentlich in der zweiten Verdünnung in obigen Fällen, vereinzelte Bacillen nachgewiesen werden. Endlich berichteten Verff. noch über eine Reihe von Versuchen nach anderen Seiten hin, wonach z. B. die Placenten, wenn sie mit ver- schieden starken Sublimatlösungen bestrichen waren, von einem gewissen Prozentsatze an, das Wachstum der Bakterien nicht mehr aufkommen ließen. Im übrigen erwies sich die Placenta selbst als ein vorzüglicher Nährboden für fast alle pathogenen Mikroben, besonders geeignet für Gonokokken, Influenzabacillen und Pneumokokken, welch letztere sogar noch mit Erhaltung der Kapsel von hier aus tingiert werden konnten. Nachdruck verboten. Be zur Biologie des Erregers der Kyanolophie der Hühner, [Aus dem hygienischen Institute der Universität Innsbruck.] Von A. Lode. In Bd. XXX. No. 16 dies. Centralbl. habe ich gemeinsam mit meinem damaligen Assistenten, Herrn Dr. J. Gruber, über eine Hühner- epidemie in Tirol berichtet, welche durch ein auffälliges Cyanotisch- werden der Kämme und Lappen der befallenen Tiere ausgezeichnet war und der wir aus diesem Grunde den Namen Kyanolophia gallinarum beilegten. Das Interessante an der Erkrankung war, daß es möglich war, durch Körperflüssigkeiten, auch wenn sie durch scheinbar keimdicht filtrie- rende Berkefeld-Filter durchgegangen waren, die Infektion mit allen ihren Symptomen zu übertragen, obwohl es nicht gelang, den Erreger zu sehen oder zu züchten. Freilich könnte man denken, daß hierbei nicht eine Infektion, sondern eine Intoxikation ausgelöst worden wäre. Nachdem aber die Uebertragung der Krankheit leicht von einem mit Filtrat infizierten Huhn neuerdings und scheinbar in beliebiger „Filtrat- generation“ gelang, war es möglich, durch Berechnung der im günstig- sten Falle noch restierenden Toxinmengen zu zeigen, daß nur noch Giftmengen vorhanden sein konnten, die so klein waren, daß man sie als nicht existierend ansehen durfte, und wir schlossen daraus, daß es 448 A. Lode, sich also nicht um eine Intoxikation, sondern um eine Infektion mit vermehrungsfähigem Virus handeln müsse. Welcher Natur dieser Ansteckungsstoff sein müsse, wurde offen ge- lassen und die Möglichkeit diskutiert, daß es entweder ein körperliches Virus sein könne, welches kleiner sei, als die Poren der von uns aus- schließlich benutzten Berkefeld-Filter oder im Gegensatze zu dem starreren Bakterienkörper aus halbflüssigem Protoplasma bestände und in die Gruppe der Protozoen (Amöben) gehöre. Eine weitere, wenigstens theoretisch diskutierbare Möglichkeit wäre die Annahme einer mit Vermehrungsfähigkeit begabten enzymartigen Substanz, von welcher wir den Durchtritt durch die Poren des Kiesel- guhrfilters leicht annehmen könnten, nachdem er für andere Enzyme und enzymartige Körper nachgewiesen ist. Von vornherein hatte aller- dings die letztere Ansicht wegen fehlender Analogieen die geringste Wahrscheinlichkeit. Um dieser Frage näherzutreten und auch sonst einiges Wissens- werte über das rätselhafte Contagium zu ergründen, wurde in Frfah- rung zu bringen gesucht, wie sich das Virus verhält, wenn es ver- schiedenen Agentien ausgesetzt wird. Da die Züchtung nach wie vor mißlang, konnte allerdings nur der Tierversuch für die Beurteilung einer eingetretenen Schädigung des Virus herangezogen werden. Dies hat von vornherein manche Nachteile. Einerseits ist der Nachweis im Tierkörper, wenigstens gilt dies für die meisten bekannten Mikrobien, kein sehr scharfer, die Auslösung einer Erkrankung erfordert zumeist eine Anzahl von Keimen, während für die Kultur ein lebenskräftiger Mikroorganismus ausreicht. Andererseits kann die eingetretene Schädi- gung den Keim vorübergehend seiner pathogenen Eigenschaft berauben, welche unter günstigen Bedingungen wieder gewonnen wird. Virulenz- verlust muß uns also als Abtötung imponieren, was zur Quelle neuer Trugschlüsse werden kann. Ein weiterer Nachteil liegt in der Kostspieligkeit der Versuche. Kein Versuch ist verwertbar, wenn nicht gleichzeitig das ungeschädigte Virus an einem Kontrolltiere geprüft wird. Es liegt daher in den Ver- hältnissen begründet, daß nicht sehr eingehende Erfahrungen gewonnen werden konnten und wir uns mit einer orientierenden Lösung der Fragen begnügen mußten. Zunächst Einiges über die Konservierbarkeit. Wie in der ersten Mitteilung erwähnt, schädigt Fäulnis das Virus außerordentlich schnell. Leberstücke gefallener Hühner, oberflächlich im gut ziehenden Abzugsrohre getrocknet und in sterile Sägespähne einge- schlossen, ließ in wenigen Tagen (5-6 Tagen) das Virus nicht mehr nachweisen. Allerdings konnten wir durch diese Präparation den Ein- tritt der Fäulnis nur verzögern, nicht verhindern. Besser ließ sich das Virus im nicht secierten Tiere bewahren. Wiederholt verstrichen 5—8 Tage zwischen dem Tode der Tiere und den neuen Infektionen. Leber, Milz, das Herzblut und insbesondere das Gehirn war ein geeignetes Material zur Uebertragung. Bemerkt muß übrigens werden, daß selbst im Sommer nach der angegebenen Zeit die uneröffnet bewahrten Hühner selten Erscheinungen allgemeiner Fäulnis geboten hatten. In einigen Fällen, so auch in dem Ausgangsfalle, dem Huhne Obsteig, erwies sich nach dieser Zeit die Leber und das Herzblut als frei von züchtbaren Mikroorganismen, offenbar ein Zeichen, daß der muskulösere Hühner- ee darm leichter, als dies beim Säuger der Fall zu sein scheint, ein Ueberwandern von Darmbakterien in die Körperhöhlen hintanhält. Die längsten Zeiträume, nach welchen das Virus im nicht secierten Hühnerkörper lebend bezw. virulent gefunden wurde, betrugen 20, 21 und 33 Tage. Die Kadaver wurden bei geöffnetem Fenster im unge- heizten Raume und zumeist Temperaturen von unter OÖ bewahrt. Da- gegen war unter ähnlichen Umständen die Ueberimpfung nach 37 Tagen erfolglos. Konservierbar scheinen scheinbar sterile Filtrate zu sein. Nach 7 und 10 Tagen war bei einem Berkefeld-Filtrate der Tod deutlich verzögert. Nach 2 Wochen gelang die Ueberimpfung nicht mehr. Wenn in den Filtraten Wachstum von Saprophyten eingetreten war, ging das - Virus in wenigen Tagen zu Grunde. Die Konkurrenz mit anderen Mikroorganismen scheint das Virus nicht oder nur kurze Zeit zu ertragen. Bei Fäulnis war meist die Ueber- impfung erfolglos. Aber auch bei Ausschluß der Fäulnis war die Lebensfähigkeit eine beschränkte. Wenn man Leber-, Milz- oder Gehirnbrei auf Filtrier- papier in nicht zu dünner Schicht antrocknen läßt und durch Einbringen in ein gut ziehendes Abzugsrohr rasch trocknen ließ, so erwies sich die eingetrocknete Masse noch nach 4 Wochen, jedoch nicht mehr nach 7 Wochen lebensfähig. Von Antisepticis kamen, doppelt konzentriert bereitet und zu gleichen Teilen mit Organsaft verdünnt, zur Verwendung: Sublimat in 1%90-Lösung; nach 30 Minuten langer Einwirkung, vermutlich übrigens noch früher, war der Impfstoff abgetötet worden. Damit nicht die toxische Wirkung des Quecksilberchlorids störe, wurde dieses aus der Organsaft-Sublimatmischung durch Schwefelwasserstoffgas ausgefällt, dieses wieder durch FeSO, zerstört. Ein Kontrollversuch, bei welchem der Impfstoff nur mit Schwefelwasserstoff und Eisenoxydulsulfatlösung behandelt wurde, zeigte, daß diese Agentien allein ihn nicht zu schädigen vermochten. Schwefelsäure vernichtete in 1-proz. Lösung und 10 Minuten langer Einwirkungszeit den Impfstoff. Kalilauge in gleicher Zeit und 2-proz. Lösung. Ebenso Chlorkalk in 3°), und Alkohol in 50-proz. Lösung. Gelegentlich des Ausfalles des Alkoholversuches ist zu erwähnen, daß ein Huhn allerdings starb, jedoch erst 22 Tage nach der Impfung. Solche späte Todesfälle, die nach Infektionen mit frischem Materiale nie beobachtet werden, könnten allerdings auf eine chronische und schließlich doch tödlich endende Kyanolophie bezogen werden. Wir haben Aehnliches auch sonst das eine oder das andere Mal bemerkt, doch weder durch das klinische Bild noch durch die Sektion und ebensowenig durch die Impfung neuer Tiere mit Kadaverteilen solcher _ verendeter Hühner die oben erwähnte Erkrankung zu diagnostizieren vermocht. Freilich ist auch der letztere Nachweis nicht einwandsfrei, ' indem man nicht selten bei sicheren chronischen Infektionen den Krank- heitserreger in keiner Weise nachzuweisen vermag. Selbstverständlich haben wir, wie dies beim Sublimate geschildert wurde, stets das Antisepticum in eine harmlose Verbindung überzuführen uns bestrebt. Die Schwefelsäure und die Kalilauge wurde genau neu- tralisiert; der Chlorkalk durch Natriumsulfit zersetzt; der Alkohol, so viel dies möglich war, durch Eingießen des Gemisches in dünner Schicht Erste Abt. XXXI. Bd. 30 Notizen zur Biologie des Erregers der Kyanolophie der Hühner. 449 A5O A. Lode, in eine flache Schale (Petri-Schale) durch einen starken darüber ge- führten Luftzug vertrieben. Wurde der mit Wasser verdünnte Organsaft durch !/, Stunde auf 60° C im Wasserbade erhitzt, war kein Virulenzverlust zu beobachten, wohl aber, wenn eine Temperatur von 80°C während des gleichen Zeit- raumes angewendet wurde. Die intensive Sonnenbestrahlung durch 5 Stunden hatte nicht ge- nügt, das auf Filtrierpapier angetrocknete Virus unschädlich zu machen. Von großem Interesse war es auch, zu prüfen, wie außer den Berkefeld-Filtern etwa andere Filter dem Impfstoffe gegenüber sich verhielten. Die Versuche erstreckten sich auf die Porzellanfilter von Chamberland-Pasteur, Pukall, Hauser und Kitasato. Außer- dem wurde mit einem von der Firma Lautenschläger gelieferten, als besonders bakteriendicht bezeichneten Berkefeld-Filter, dem sogenannten Liliputfilter, gearbeitet. Hinsichtlich der Berkefeld-Filter blieb der Erfolg stets ein gleicher. Wenn nicht die Verdünnung des Impfmaterialess zu weit getrieben worden war, starben die Tiere in derselben Zeit, wie wenn sie unfiltrierte Organaufschwemmung erhalten hätten. Wesentlich andere Resultate boten die Porzellanfilter. Weder mit dem Filtrate dreier Chamberland- noch eines Hauser-Filters war es möglich, ein Tier sicher zu infizieren. Ein Huhn ging zwar 18 Tage nach der Injektion von 5 ccm Leberfiltrat zu Grunde; doch ließ sich durch die Kadaverteile die Erkrankung nicht mehr fort- pflanzen. Das Pukall-Filter gab schwankende Resultate; bei Injektion größerer Filtratmengen trat der Tod ein; kleinere Mengen überlebten die Tiere scheinbar ohne Störung der Gesundheit. Die Zusammenfassung der Filterversuche ergiebt, daß es also soge- nannte bakterienfrei filtrierende Filter giebt, die auch unseren Impfstoff durchlassen, während andere ihn ebenso zurückhalten, wie sie es den bekannten und mikroskopisch darstellbaren Mikrobien gegenüber thun. Daß am leichtesten die Kieselguhrfilter unsere Keime hindurchließen, ist erstaunlich und widerspricht der Meinung, die wir über den Modus der Filtration hatten. Wir glaubten immer, die Zurückhaltung der Keime beruhe bei allen wirksamen Bakterienfiltern auf einer Anziehung, welche von der großen Oberfläche der Poren ausgeübt würde. Diese würde aber, nachdem die Berkefeld-Filter aus Diatomaceenerde gebrannt sind und daher Körper mit besonders großer Oberfläche enthalten, bei diesen in erster Linie zu vermuten sein. Anzunehmen, daß die Bak- terien infolge der Kleinheit der Poren zurückgehalten würden, schien uns den Thatsachen zu widersprechen, nachdem bekanntlich alle Bak- terienfilter, wenn sie länger im Betriebe stehen, Bakterien durchtreten lassen, die in Wirklichkeit nicht das Filter passiert haben, sondern durch die vielfach in Kommunikation stehenden Poren durchgewachsen sind. Daß ein Durchwachsen auch bei Poren, die kleiner sind als die Bak- terienleiber, stattfinden könne, erscheint verwunderlich, nachdem uns eine Anpassung von Mikroorganismen an die Umgebung in morpho- logischer Hinsicht unbekannt ist. Vielleicht findet das Durchgleiten der Bakterien durch engere Porenanteile erst im Stadium ihrer Involution statt, wodurch das verhältnismäßig langsame Durchwachsen der Keime durch Filter erklärbar wäre. Angesichts der oben erwähnten Thatsachen müssen wir aber doch auf die von Loeffler und Frosch ausgesprochene Vermutung zurück- nn an a An in A rn Ve yo Notizen zur Biologie des Erregers der Kyanolophie der Hühner. 451 kehren, daß die Kleinheit der Poren die Bakterien gewissermaßen ab- siebe. Jedenfalls entfällt die Notwendigkeit, an flüssige Körper oder halbflüssige zu denken, deren möglichen Bestand wir früher erwogen, wenn auch nicht als wahrscheinlich hingestellt haben. Ohne der Frage besondere Versuche gewidmet zu haben, glauben wir aussprechen zu können, daß ein Schutz durch Impfungen nicht leicht erzielt werden könne. Das uns vorliegende Virus wenigstens war so pathogen, daß es stets tötete. Wurde es durch Agentien beeinflußt, so war der Erfolg entweder der prompt einsetzende Tod oder die Tiere blieben überhaupt anscheinend wohl. Eine in Genesung ausgehende Erkrankung haben wir nicht gesehen. Mit geschädigtem Virus vorbehandelte und anscheinend gesund ge- bliebene Tiere reagierten bei nachheriger Einverleibung von Organsaft in annähernd der gleichen Zeit mit dem Tode, wie die Kontrolltiere. Auch die Injektion von wirksam filtriertem Organsafte verzögerte den Tod nach Einverleibung von frischem Virus. Nachdem übrigens die Frage der Immunisierung gegen die Seuche kaum praktischen Wert besitzen dürfte, haben wir uns mit einschlägigen Versuchen nicht eingehend befaßt. Nach dem Ergebnisse dieser kleinen Studien sowie der in unserer ersten Abhandlung angeführten klinischen und pathologisch-anatomi- schen Befunde scheint es mir zweifellos, daß wir die gleiche Hühner- epidemie vor uns hatten, wie sie Gentanni (La clinica veterinaria. 1901. No. 24 u. f.) und nach ihm A. Mageiora und Valenti (Su -una epizootia di tifo essudativo dei Gallinacei. Modena 1901) beschrieben haben. Die einzige Verschiedenheit unserer Befunde besteht darin, daß Centanni die Filtrierbarkeit des Virus durch Chamberland-Filter beobachtete, was bei uns, wie oben erwähnt, nicht zutraf. Auch dieser Unterschied wird hinfällig, wenn man erwägt, daß verschieden dichte Chamberland-Filter im Handel vorkommen. Maggiora und Va- lenti fanden, daß Chamberland-Filter Marke F das Virus durch- treten lassen, während Marke K im Tierversuche als steril sich er- weisende Filtrate lieferte. Noch in einem Punkte befinden wir uns mit Centanni im Wider- spruche. Er tadelt in einer eben erschienenen Abhandlung), die uns allerdings erst in einer Fortsetzung vorliegt, den Namen Kyanolophie. Er findet es „voreilig, ein Virus mit einem Namen bezeichnen zu wollen, das noch unbekannt und dessen Zugehörigkeit ganz dunkel ist“. Dabei ist allerdings Herrn Centanni die „Voreiligkeit“ unterlaufen, uns zuzuschreiben, daß wir das Virus so nannten, während wir den Namen auf die Erkrankung anwendeten. Centanni wählt den Namen Hühnerpest, ein gebräuchliches Syno- nymum für Hühnercholera.. Maggiora und Valenti sprechen von Typhus exsudativus. Bei dem im allgemeinen lockeren Zusammenhange zwischen Krankheitsbild und Krankheitsnamen ist die Wahl einer Be- zeichnung mehr oder minder Geschmackssache. Synonyma sind jeden- - falls für eine einheitliche Verständigung gefährlich. Unser Name fußte auf dem sehr häufig, wenn auch nicht ausnahmslos beobachteten und uns von Laien als auffällig geschilderten Blauwerden der Kämme. Der neuen Erkrankung wollten wir auch einen neuen Namen geben. 1) Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Bd. XXXI 1902. No. 4. p. 147. 30* 452 Schilling, Nachdruck verboten. 2. Bericht über die Surra-Krankheit der Pferde und Rinder im Schutzgebiete Togo. Von Dr. Sehilling in Klein-Popo. Seit meiner letzten Veröffentlichung (dieses Oentralbl. Bd. XXX. No. 15. p. 545) habe ich eine Reihe von weiteren Versuchen angestellt und eine Reise nach dem Hinterlande bis zur nördlichsten Station Sansanne-Mangu unternommen. Hierüber möchte ich kurz berichten: Die Surra — ich wähle diese Bezeichnung, solange Surra, Magana, Tsetsefliegenkrankheit und Dourine noch nicht strenge geschieden sind }), ihrer Kürze wegen — ist durch das ganze Schutzgebiet Togo und wahr- scheinlich auch nach dem Sudan hin verbreitet. In der That scheint diese Krankheit die wichtigste Ursache dafür zu sein, daß im Schutzgebiet Pferde, namentlich aus dem Norden eingeführte Tiere, nur äußerst selten länger als ein Jahr sich halten, daß auch die in Basari gezüchteten kleinen Pferde, wenn sie z. B. nach Atakpame gebracht werden, dort fast ausnahmslos erkranken und sterben, daß der prachtvolle Rindviehschlag des Tschantscho-Bezirkes im Süden überhaupt nicht angetroffen wird, daß Esel, durch unser Gebiet nach Salaga (Haupthandelsplatz für Kola im englischen Gebiet) getrieben, nur selten wieder über den Volta zurückkommen, u. Ss. w. Wenn es demnach gelingt, ein Heil- oder Schutzmittel gegen diese Seuche zu gewinnen, so wäre damit für die Kolonie — und nicht bloß für diese, sondern auch für Deutschostafrika — sehr viel gewonnen. Man bedenke, daß bisher jede Ware vom Hinter- land nach der Küste und umgekehrt auf den Köpfen von Trägern be- fördert werden mußte. Zwei große Versuche, Rinder aus dem Bezirke Basari nach Atakpame, resp. Tove (Deutsche Baumwollexpedition) zu bringen, sind vollkommen gescheitert. Hier wie dort sind sämtliche Tiere eingegangen, und zwar wahrscheinlich alle an Surra. Ich habe Surra konstatiert: 1) in Tove bei einem Pferd; 2) in Atakpame bei 5 Pferden und 7 Rindern (hierzu kommen noch 5, zu Versuchszwecken aus Basari nach Atakpame eingeführte Pferde, von denen 4 spontan an Surra erkrankten, 1 künstlich infiziert wurde; 3) in Basari bei 2 Pferden; 4) in Mangu bei 5 Pferden: 5) bei 3 Pferden, die die Krankheit schon Er gehabt, sich aber wieder erholt "hatten, traten nach ihrem Eintreffen an der Küste Parasiten im Blute auf. Ob es sich hierbei um ein Reeidiv oder um eine Neuinfektion handelte, bin ich nicht in der Lage zu ent- scheiden ; 6) 3 weitere Pferde infizierten sich auf dem Wege zur Küste. Sehr klar trat bei den unter 5) angeführten Tieren das Einsetzen der Infektion hervor. Die Temperatur im Rectum stieg vom Morgen bis zum Abend vom 37,9 auf 40,6, bei einem Tier innerhalb 2 X 24 Std. von 36,8 auf 40,9. Nach 2—3 X 24 Std. fiel die Temperatur auf 38,1 bis 38,9, daran schloß sich ein unregelmäßiges, intermittierendes Fieber. 1) Siehe Doflein, Die Protozoen als Parasiten und Krankheitserreger. p. 64. } J a D - 2. Bericht über die Surra-Krankheit der Pferde und Rinder in Togo. 453 An den Temperaturkurven der mehr chronischen Fälle fallen die großen Differenzen zwischen je zwei Messungen (morgens und abends) auf. Es kommen Unterschiede von 40,5 bis 36,6 vor. Ein ausgeprägter Parallelis- mus zwischen Temperaturkurve und Anzahl der Parasiten im peripheren Blute ist nicht vorhanden. Es können jede äußeren Anzeichen von Krankheit während des ersten Anfalles vollkommen fehlen, auch das Temperament des Pferdes leidet keine Einbuße: Tiere, deren Blut viele Parasiten beherbergt, machen den Eindruck vollkommenster Gesundheit. Die Freßlust ist nicht verringert und hält bis zum Tode an. Die Oedeme des Scrotums, der Glans, der Extremitäten und die Schwellung am Bauche fehlen bei chronischen Fällen. Ja selbst dasjenige Symptom, welches als typisch bezeichnet werden könnte, nämlich die Abmagerung, kann bei langsamem Verlauf der Krankheit einer leichten Zunahme der Körperformen Platz machen. Mit vergleichenden Bestimmungen des Körpergewichtes, des Hämoglobingehaltes des Blutes und der Zahl der roten und weißen Blutkörperchen bin ich zur Zeit beschäftigt. Auch das entscheidende Kriterium, der Parasitenbefund im Blute, läßt oft im Stiche. Denn ich habe Fälle beobachtet, wo sich bei 7 Untersuchungen innerhalb 185 Tagen einmalein Trypanosoma nachweisen ließ. Man kann daraus ersehen, daß es häufig nicht leicht ist, die Surra mit Sicherheit in ihrem Anfangsstadium oder bei langsam verlaufenden Fällen zu er- kennen, und daß es mehr oder weniger dem Zufall überlassen bleibt, ob man die Diagnose sofort zu sichern vermag oder nicht. Auch bei der Sektion sind, abgesehen von den Anzeichen der Anämie, keine typischen Merkmale zu konstatieren. Eine Milzschwellung konnte ich niemals konstatieren, ebenso fehlten in meinen Fällen Blutungen und ikterische Färbung des subkutanen Bindegewebes. Die kapillären Biutungen (Infarkte ?) unter der Pleura habe ich schon in meinem ersten Berichte erwähnt. Seitdem konnte ich, aufmerksam ge- macht durch die umfangreiche Arbeit von Lingard, auch Ekchymosen unter der Milzkapsel und in der Nierenrinde, in der Mucosa und Sub- serosa des Darmes und unter dem Epi- und Endocard konstatieren. Am deutlichsten sind die kleinen, oft nur punktförmigen Blutungen in der Schleimhaut der Harnblase zu sehen, wo sie sich von dem blassen, rein weißen Untergrund scharf abheben. Auch bei Rindern fehlt so gut wie jeder charakteristische Organbefund. Die Trypanosomen können beim Tode des Tieres im Blute und in der Peritonealflüssigkeit vollkommen fehlen. Aber in allen Fällen, in welchen das Knochenmark kurz nach dem Tode untersucht werden konnte, fanden sich die Parasiten in diesem Organ. Dies giebt einen be- deutungsvollen Fingerzeig für die Beurteilung des Wesens der Krank- heit und der Art und Weise, wie man sich das Zustandekommen der für die Surra bezeichnenden perniciösen Anämie vorzustellen hat. Nicht im peripheren, fertig gebildeten Blute, sondern in dessen Bildungsstätte, im roten Knochenmark, liegt der Angriffspunkt der Parasiten, und die Krankheit ist nicht als eine Zerstörung der bereits ceirkulierenden, sondern als eine Verhinderung der Regeneration der im physiologischen Cyklus ausfallenden Erythrocyten aufzufassen. Daraus erklären sich auch wohl die geringen vorübergehenden Besserungen, welche Lingard durch Darreichung von Arsenik erhielte, die aber die Krankheit selbst nicht beeinflußten. In der Milz der Versuchstiere findet man vielfach gar keine, in anderen Fällen etwa so viele Parasiten, als dem Blut- gehalte entspricht, niemals aber eine besondere Anhäufung von Parasiten 454 Schilling, oder gar von Teilungsformen. Dies entspricht der Annahme, daß die Milz nicht zu den blutbildenden Organen gehört. Die Parasiten, die ich auf den Innenstationen fand, sind identisch mit den an der Küste gefundenen. Die Länge derselben ist bei der lebhaften Bewegung sehr schwer zu bestimmen, ich möchte sie auf etwa 3mal der eines roten Blutkörperchens schätzen. Doch scheinen nicht unbeträchtliche Schwankungen vorzukommen. Messungen an lang- sam beweglichen Trypanosomen und konservierten Präparaten haben immer mit der Kontraktilität des Protoplasmas resp. unkontrollierbaren Schrumpfungen etc. zu rechnen. — Volibewegliche Parasiten, wie sie mit dem geißeltragenden Ende voran, mit jener suchenden Bewegung, wie sie den Ciliaten eigen ist, zwischen den Blutkörperchen dahingleiten, scheinen aus einem annähernd drehrunden Körper zu bestehen. Bei diesen Exemplaren einen Flimmersaum zu entdecken, war ich nicht im- stande. Auch wenn die Parasiten schon die gleitende Bewegung ein- gestellt haben und an Ort und Stelle sich heftig schlängelnd bewegen, so ist meist ein Flimmersaum nicht sichtbar. Doch finden sich da- neben auch Formen — und zwar im peripheren Blute, in denen ich bisher niemals Teilungsformen zirkulieren sah — in lebhafter Bewegung, bei denen der Flimmersaum deutlich zu sehen ist. Vielleicht gelingt es mir, noch zu entscheiden, ob das Sichtbarwerden des Flimmersaumes auf dem Aufhören der Vorwärtsbewegung beruht, ob derselbe als erstes Anzeichen des Absterbens, oder aber als erstes Stadium der Teilung, die dann z. B. im Knochenmark beendet wird, aufzufassen ist. Dies letztere erscheint mir, nach dem in meinem ersten Bericht beschriebenen Teilungsmodus zu urteilen, am wahrscheinlichsten. Daß jedenfalls die Struktur der Parasiten gewissen Variationen unterliegen kann, beweisen vereinzelte Befunde, wo im Plasmaleib der lebhaft umherschwimmenden schlanken Parasiten 2—3 hell lichtbrechende Punkte zu sehen waren, von der Größe etwa des sogenannten kleinen Chromatinkornes. Einer dieser Punkte liegt etwa an der Grenze zwischen 1. und 2. Fünftel des Körpers exkl. Geißel, von vorne an gerechnet; 2 weitere an der Grenze zwischen 4. und 5. Fünftel. Die Bedeutung derselben ist mir völlig unbekannt. Färbungen nach Romanowsky, bei welchen ich durch Ausziehen mit sehr stark verdünnter Essigsäure (1 Tropfen auf ein Glas Wasser) den Parasitenkörper vollständig entfärbt hatte, zeigen bei aufmerksamer Beobachtung und günstiger Lagerung der Parasiten in den ‚meisten Fällen, daß der scharf gefärbte Randfaden in der That nicht mit dem kleinen Chromatinkorn verbunden, sondern von diesem durch eine aller- dings oft sehr kleine Lücke getrennt ist!). | Andere, als Längsteilungsformen, habe ich nicht gesehen. Laveran’?) hat schon Ende März 1901 diese Längsteilung als die für das Zryp. Brucei charakteristische Teilungsform konstatiert; gegenüber dem von ihm aufgestellten strikten Schema der Teilung möchte ich auf die Variabilität derselben, z. B. in der Anzahl der Chromatinkörner hin- weisen. In den sämtlichen jenem kurzen Referate beigefügten Zeich- nungen ist ferner die Lücke zwischen vorderem Chromatinkorn und Ende des Randfadens deutlich angegeben. 1) Die Beobachtungen von Senn und Wasielewsky sind an Trypanosoma Lewisii gemacht. Demnach handelt es sich wohl um einen weiteren Unterschied beider Arten. 2) Compt. rend. d. 1. Soc. d. Biologie, Seance d. 29. Mars 1901. a 9 Le A En 49 ı ı - Fe 5 EIER ET FRI SU ON h 20 DI 7 A EN En Abb Hi u 2 Bd ı u a aa Zu 2 a N 4 ı FEB PB 2. Bericht über die Surra-Krankheit der Pferde und Rinder in Togo. 455 Es ist mir niemals gelungen, andere als erwachsene Parasiten und Teilungsformen, also etwa Gameten oder Cysten zu finden !). Die Tsetsefliege ist von der Küste — ausgenommen den schmalen Streifen zwischen Lagune und mehr — bis nach Sansanne-Mangu ver- breitet. Ob die kleineren Exemplare, welche mir in Menge eingeliefert wurden, eine eigene Varietät oder Art derselben ist, muß erst noch festgestellt werden. Ihr Aufenthaltsort ist ganz besonders das Ufer- gebüsch der zahlreichen Bäche und Flüsse, wo sie öfters Pferde und Menschen in raschem Fluge umkreist und anfällt. Doch sind auch auf dem hoch- und freigelegenen Stationshofe von Atakpame mehrere Exem- plare gefangen worden. Die Hoffnung, daß die Fliege in der Nacht nicht schwärme, hat sich nicht bewahrheitet: auf einem Nachtmarsch fingen meine Träger 2 Fliegen an ihrem eigenen Körper. Die Tsetse- fliege ist jedenfalls in der Trockenheit nicht sehr häufig. Ob dieselbe das Infektionsmaterial auch von Antilopen, Büffeln u. s. w. beziehen kann, vermochte ich nicht festzustellen, da mir das Jagdglück nicht hold war. — Von anderen Stechfliegen konnte ich nur eine Art, die an ihren dunkelbraun gefleckten, glashellen Flügeln leicht kenntlich ist und die Pferde sehr belästigt, beobachten. — Zecken finden sich an ge- sunden Tieren vereinzelt, an kranken, teilnahmslos dastehenden dagegen massenhaft. Es handelt sich um 2 Arten: eine große graue Zecke und eine kleinere, flache Art mit gelb, dunkelbraun und rot gezeichnetem Rückenschild. Am 21. August setzte ich eine Tsetsefliege an einem surrakranken Hunde an. Dieselbe sog sich sofort mit dem an Parasiten sehr reichen - Blute voll. Es gelang, die Fliege dadurch am Leben zu erhalten, daß ich sie täglich einem gesunden Hunde ansetzte, dessen Blut sie jeden 2.—3. Tag sog. 19 Tage nach der Aufnahme parasitenhaltigen Blutes durch die Fliege enthielt das Blut des Hundes Trypanosomen. Der Versuch ist nicht „rein“, da der Hund nicht isoliert war. Allein bis jetzt ist mir, obwohl gesunde und kranke Hunde in einem Stalle ge- halten werden mußten, ein Fall von Spontaninfektion nicht vorgekommen. Der Versuch soll unter allen Kautelen wiederholt werden. Auf meiner Reise habe ich nach Möglichkeit Erkundigungen bei den Eingeborenen eingezogen über Krankheiten unter den Rindern und Pferden. Als die wichtigste Seuche unter den letzteren schildern die Tschantscho-Reiter die „Dandala“, deren Symptome sich fast völligmit denen der Surra decken. Die Krankheit soll auch in den sogenannten Haussa- ländern (im Nigerbogen und gegen den Tschadsee hin) endemisch vor- kommen und in gewissen Jahren ein großes Sterben unter den Pferden verursachen. Einzelne Pferde bleiben im Basaribezirk für viele Jahre von der Krankheit verschont, andere überstehen einen Anfall und bleiben dann angeblich gesund. Da die augenfälligen Symptome der Surra hauptsächlich in Oedemen bestehen, wie sie ja auch z. B. bei Nephritis vorkommen, so ist hier eine Verwechselung wohl möglich. — Sehr be- merkenswert sind die Angaben eines Fullani-Chief’s in Mangu, der als großer Kenner in der Pflege und in den Krankheiten der Rinder einen Namen hat. Derselbe beschrieb die Symptome der Surra, besonders bei den geschlachteten kranken Rindern sehr gut. Und er nennt die Krankheit „pjudi (pjoli, pjuli)“, d. h. Tsetsefliege! Seine Angaben, auch über Aufenthalt der Fliege, ihre Blutgier etc. LI 1) Bei einigen Pferden fanden sich ganz vereinzelte Filarien im Blute. 456 Schilling, waren so bestimmt und richtig, daß ich nicht zweifle, daß den Fullanis, einem ganz speziell viehzüchtenden Stamme des Nordens, der Zusammen- hang zwischen dem Stiche der Fliege und der Krankheit klar geworden ist. Dafür spricht auch die bei den Fullanis übliche Prophyplaxe: sie schmieren die Tiere, welche sie transportieren wollen, am Rücken mit der Abkochung der Blüte eines Strauches ein. Die Fliegen sollen den Geruch dieses Sudes scheuen, so daß die Rinder ungefährdet passieren können. Der Strauch blüht zur Zeit nicht; allein ich konnte die Früchte bekommen, deren Bestimmung demnächst erfolgen wird. Vermutlich handelt es sich um Amomum Melegueta. Der Strauch soll im Busch bis an die Küste hin wild wachsen. Wenn die Behauptungen des Fullani bei Versuchen (Beschmieren eines Tieres mit der Abkochung, Ansetzen von Tsetsefliegen) sich als richtig herausstellen sollten, so wäre damit ein bedeutender Nutzen für die Verwertung des Viehes gewonnen. — Aus den Erzählungen der Fullanis in Basari konnte ich entnehmen, daß vor etwa 12 Jahren eine Seuche fast den ganzen Rinderbestand des Landes vernichtet hat. In den Herden, welche sich seitdem langsam ergänzt hahen, kommen aber jedes Jahr vereinzelte Fälle dieser Krank- heit vor. Nach den Schilderungen der Leute handelt es sich möglicher- weise um Rinderpest. Eine zweite Reise ins Hinterland während der Regenzeit — denn nur während der Regenmonate kommen Fälle vor — giebt vielleicht Gelegenheit hierüber, Aufschluß zu erhalten. Es mag an dieser Stelle erwähnt werden, welch prachtvolles Vieh speziell das Tschantscho-Gebiet beherbergt. Die aus dem Norden ein- seführten Tiere zeichnen sich durch ihre Größe (etwa 1 m 30 cm Schulter- höhe) und durch die edlen Formen, besonders des Kopfes, aus. Speziell verdienen einzelne Exemplare eines sehr stattlichen Buckelrindes Er- wähnung. Freilich sind bereits viele geringerwertige Kreuzungen mit dem kleinen einheimischen Vieh zu sehen. Eine rationelle Züchtung und Reinhaltung der Rassen ist unbekannt. — Die einheimischen Pferde sind klein, es kommen auch Zwergponnys, aus Barbar stammend, vor. Dagegen findet man auch eingeführte große, zum Teil sehr leistungs- fähige Pferde edleren Schlags bis 1,42 m. Für Pferde wie für Rinder könnte die Einführung europäischer Zuchtregeln einen bedeutenden Aufschwung des Wohlstandes in diesem dicht bevölkerten und frucht- baren Gebiete herbeiführen. Ebenso wäre Esel- und Maultierzucht bei dem regen Handelsverkehr von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Aus meinem bisher nicht veröffentlichten Berichte an die Kolonial- abteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin vom 3. Oktober 1901 ent- nehme ich folgende Abschnitte: „Am 1. Juni kaufte ich einen jungen, außergewöhnlich kräftigen Bullen (No. 14), welcher im November 1900 aus Atakpame an die Küste gebracht und dort angeblich erkrankt war, sich dann aber wieder erholt hatte, welcher also offenbar die Erkrankung überstanden hatte. Um nun zu konstatieren, ob sich bei diesem Tiere eine Unempfindlich- keit gegenüber den Parasiten entwickelt habe, injizierte ich demselben 10 cem defibrinierten Blutes von einem Pferde (No. 5), welches große Mengen von Trypanosomen enthielt, unter die Haut. Das Blut dieses Bullen enthielt am 7. Tage nach der Injektion keine, am 9. Tage ganz vereinzelte, am 12. Tage keine Trypanosomen. Später wurden trotz zahlreicher Untersuchungen niemals mehr Trypanosomen im Blute dieses KEANE 1 u Ze Er EN a a hg a nn al nl a de 2. Bericht über die Surra-Krankheit der Pferde und Rinder in Togo. 457 Tieres entdeckt. Am 3. Juli wurde eine intraperitoneale Injektion von 19 cem Pferdeblut (Pferd No. 11, mäßig viele Parasiten) vorgenommen, am 6. August wurde dem Tiere Blut entnommen. Das Serum desselben hatte eine ganz spezifische Wirkung auf die Parasiten: dieselben kleben aneinander oder an roten und weißen Blutkörperchen fest, bilden kleine und größere Klumpen, in welchen sehr schnell alles Leben erlischt. Einzeln liegende Parasiten schwellen am hinteren Ende auf und stellen langsam ihre. Bewegung ein. Nach ca. 30 Minuten war im hängenden Tropfen alles Leben erloschen. Weitere Injektionen großer Mengen von Parasiten waren nicht imstande, die Wirkung des Serums wesentlich zu steigern. Das Serum dieses Tieres tötet jetzt (25. September 1901) die eingebrachten Parasitien in 21 Minuten ab.“ Dieses Tier war während meiner Abwesenheit in Sebbe bei Klein- popo gestanden. Ich ließ es vor einigen Tagen wieder in meinen Ver- suchsstall bringen: es fraß fast nichts, war sehr unruhig, der Kot war dünnflüssig und stinkend, nach 2 Tagen mit Blut untermischt. Am 4. Februar 1902 ging das für mich so wertvolle Tier ein. Die Sektion ergab eine schwere hämorrhagische Enteritis des oberen Colon und des Coecums, sowie aufsteigende Entzündung des Dünndarms. Weder das Blut noch das Knochenmark enthielt Surra-Parasiten. Die Wirkung desSerums auf die Parasiten war nach mehr als 3 Monaten noch genau dieselbe, wie Ende September. Ich glaube, behaupten zu können, daß dieses Tier eine aktive Immunität gegen Surra besaß. Robert Koch veröffentlichte in einer „Beilage zum Deutschen Kolonialblatt“ vom 15. Dezember 1901 einen „Versuch zur Immuni- sierung von Rindern gegen Tsetsekrankheit (Surra)“. Dieser Versuch war schon am 6. September 1897 begonnen, aber in den offiziellen Reiseberichten nicht veröffentlicht worden. Koch übertrug parasiten- haltiges Ochsenblut auf eine Ratte, von dieser auf einen Hund und von diesem zurück auf 2 Rinder. Das Blut dieser Tiere enthielt — wie bei meinem Versuche — am 10. resp. 13. Tage Surraparasiten, welche dann aber wieder verschwanden. Probeimpfungen ergaben die eingetretene Immunität. Eines der Tiere ging verloren, das andere ist mehrfach ohne Erfolg mit parasitenhaltigem Material infiziert worden. Das Serum dieses Tieres wurde ohne Erfolg zur Behandlung von tsestekranken Rindern verwendet. „Der Versuch, eine Schutzimpfung gegen die Tsetse- krankheit ist, wenigstens soweit die von mir verwendeten Tiere in Frage kommen, somit vollkommen gelungen.“ Der Koch’sche Versuch verlief unter denselben Erscheinungen, wie der oben beschriebene. Kann es sich aber bei dem von mir geimpften Tiere nicht vielleicht ursprünglich um eine partielle Immunität, er- worben durch Ueberstehen einer leichten, abgeschwächten Erkrankung gehandelt haben? Und war dies nicht möglicherweise auch bei dem Versuche Koch’s der Fall? Daß Impfungen mit Pferdeblut sowohl, als auch mit dem Exsudate aus der Bauchhöhle von surrakranken Hunden bei Rindern Surra hervor- rufen können, hat sich bei 2 meiner Versuchstiere gezeigt. Eine Kuh (No. 15), gleichzeitig mit dem Bullen (No. 14) mit demselben Pferdeblut geimpft, erkrankte an Surra; und ein junger Stier (No. 71), in Atak- pame mit nur relativ wenigen Parasiten, die aus der Peritonealhöhle eines mit Pferdeblut intraperitoneal geimpften Hundes stammten, in- 458 Schilling, 2. Bericht über die Surra-Krankheit der Pferde und Rinder etc. fiziert, zeigte nach 7 Tagen Surraparasiten im Blute der Ohrvene. Die- selben fanden sich nach 21 Tagen auch im Knochenmark. Nach beiden Richtungen hin zu deuten ist folgender Versuch: 3 Kälber (No. 54, 55 und 56), in Kleinpopo geworfen, wurden am 2. Oktober 1901 subkutan geimpft mit dem Peritonealexsudat eines Hundes, bei welchem bereits die dritte Uebertragung von Hund zu Hund durch intraperitoneale Injektion stattgefunden hatte. Nach 21 resp. 12 und 15 Tagen waren die Trypanosomen aus dem Blute dauernd ver- schwunden. Das Blutserum dieser Tiere zeigte 23 Tage nach der (ein- maligen!) Injektion keine deutliche Wirkung auf die Parasiten. Die Tiere wurden nun, um ihre Immunität der natürlichen Infektion gegen- über zu prüfen, nach der Zollstation Topli gebracht, in welcher sich bisher noch niemals Rinder gehalten hatten. 1 Kalb ging auf dem Transport zu Grunde (vermutlich durch die brutale Behandlung seitens der Schwarzen), die überlebenden 2 Kälber sind nach einem Bericht des Zollassisstenten vom 26. Dezember 1901 prächtig gediehen. Hat es sich hier um ererbte Immunität gehandelt, oder 'sind die Tiere durch die im Hundekörper avirulent gewordenen Parasiten immunisiert worden ? — Einen jungen kräftigen ‘Stier (No. 72) impfte ich in Atakpame, ebenso wie No. 71 (siehe oben) mit Surraparasiten, die vom Hunde (1. Uebertragung) stammten. Derselbe zeigte nie Parasiten im Blute; eine 2. Impfung mit Parasiten vom Hunde — in wievielter Ueber- tragung, ist im Protokoll nicht angegeben — erfolgte 16 Tage nach der 1. Impfung. 5 Tage nach der 1. Injektion war das Serum nach 30 Minuten „ohne jede Wirkung auf die Parasiten“; 4 Tage nach der 2. Impfung notierte ich: nach 30 Minuten wenige Parasiten noch voll- kommen beweglich, die meisten abgeschwächt oder ganz gelähmt. Deut- lich ist die „agglutinierende!) Wirkung des Serums“. Diese sämtlichen Versuche, mit Ausnahme des ersten, können natürlich keineswegs als endgiltig beweisend angesehen werden. Kontroll- versuche sind im Gange. Das Eine aber scheint mir bewiesen, daß unter gewissen Umständen (leichte Erkrankung besonders kräftiger Tiere, vielleicht auch Vererbung) bei Rindern eine partielle Immunität auftreten kann, und daß bei solchen Tieren durch gehäufte Injektionen das Blutserum parasiticide Eigenschaften gewinnt. Es ist nicht aus- geschlossen, daß diese partielle Immunität auch bei dem Koch schen Versuche die entscheidende Rolle gespielt habe. — Sehr bemerkens- wert ist, daß nach der i. Injektion solcher partiell immuner Tiere Parasiten in das kreisende Blut übertreten können, daß ferner die parasiticide Eigenschaft des Serums nicht sofort nach der 1. Injektion auftritt (No. 54, 55, 56, 72), und daß sie sich mit der Zahl der Injek- tionen steigert. Dieselbe ist also zur Feststellung, ob ein Tier partiell immun ist, nicht zu verwerten. Dieser letztere Umstand hat sich auch bei Pferden gezeigt. Ich besitze zur Zeit mehrere Pferde, welche der Infektionsgefahr mehrfach und lange ausgesetzt waren, ohne an Surra zu erkranken; ferner einige Tiere, welche erkrankt waren, sich aber wieder erholt haben. Bei dreien der letzteren ist bereits ein Anfall von Surra aufgetreten; 3 weitere Tiere sind bis jetzt verschont geblieben. Keines der Pferde nun hat 1) Der Ausdruck „agglutinierend“ ist wohl verfrüht gebraucht, da diese Wirkung des Serums noch nicht genügend untersucht ist. TE nn a BI u ee ne Max Grimm, Einige Bemerkungen zu Herrn Issatschenko’s Arbeit etc. 459 nachweisbare Mengen von parasiticiden Stoffen im Blutserum ; dieselben unterscheiden sich in dieser Beziehung nicht von surrakranken Tieren. Ich habe versucht, das Serum des immunen Bullen No. 14 zu Heilungs- und Schutzzwecken zu verwerten — mit negativem Erfolg. Ebenso versagten Versuche mit Chinin und nach der von Bacelli bei Maul- und Klauenseuche empfohlenen Sublimatmethode. Wenn man auf einem ÖObjektträger einen Tropfen von der Galle eines an Surra erkrankten Rindes neben einen Tropfen trypanosomen- haltiger Flüssigkeit aufträgt und nun beide Tropfen mit einem Deck- glase bedeckt, so kann man beobachten, daß an den Stellen, wo die beiden Flüssigkeiten sich berühren, die lebhaft beweglichen Parasiten plötzlich ihre Bewegungen einstellen und, im nächsten Augenblick ver- schwunden, aufgelöst sind. In einer 10-proz Lösung vernichtete die Galle die Parasiten in 5 Minuten; in einer 6-proz. Lösung trat die Wirkung nicht mehr ein. Die therapeutische Verwertung dieser Eigen- schaft hatte also von vornherein wenig Aussichten, und in der That sind alle Versuche mißlungen. Intravenöse Injektionen von 50 cem Rindergalle wurden vom Pferde ohne bemerkbare Allgemeinreaktion ver- tragen, aber es bildeten sich da, wo Galle ins subkutane Bindegewebe gelangt war, große Abscesse. Ein Kalb resorbierte jedoch 10 cem Rindergalle nach subkutaner Injektion ohne Absceßbildung. Kleinpopo, 5. Februar 1902. Nachdruck verboten. Ainige Bemerkungen zu Herrn Issatschenko’s Arbeit „Untersuchungen über einen neuen für Ratten pathogenen Mikroben‘ '). [Aus dem landwirtschaftlich-bakteriologischen Laboratorium des Ministeriums der Agrikultur zu St. Petersburg.) Von Max 6rimm, St. Petersburg. Nachdem ich bereits mein Manuskript „Vergleichende Untersuchun- gen über den Bacillus Danysz und einen neuen für Ratten patho- genen Mikroben“ an die Redaktion dieser Zeitschrift abgesandt hatte, bekam ich obige Arbeit des Herrn Issatschenko zu Gesicht, leider um einige Tage zu spät, infolgedessen eine von genanntem Autor be- reits veröffentlichte Tabelle sich auch in meiner Arbeit befindet. Ich hatte diese Tabelle dem Bericht unseres Laboratoriums für das Jahr 1900 entlehnt, wie es in meiner Veröffentlichung auch erwähnt war. Ich möchte mir bei dieser Gelegenheit erlauben, zu der Mitteilung des Herrn Issatschenko einige Ergänzungen zu machen, da derselbe erstens in der Wiedergabe der Versuche, die im Jahre 1898 von Dr. Feoktistoff gemacht wurden, einige Einzelheiten übersehen hat, die, meiner Meinung nach, nicht unwesentlich sind, zweitens aber die viel genaueren Versuche vom Sommer 1900 gar nicht berücksichtigt. Zunächst erkrankte nämlich bei Verfütterung mit dem Bacillus septicaemiae murium auch das infizierte Pferd, während Herr 1) Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Bd. XXXTI. p. 26. 460 A. Lipstein, Issatschenko nur vom Ochsen, Schweine und Schafe spricht. So- dann trat als Krankheitserscheinung nicht nur Durchfall, wie Verf. sagt, hervor, sondern auch Appetitlosigkeit (beim Schweine), Speichelfluß und Atembeschwerden (beim Ochsen), sowie bedeutendes Fieber, beim Pferde bis 40,5° C (normal 37,5—38,5), beim Ochsen 40,9° (normal 38—39,5 %)}). Die Versuche von 1893 konnten jedoch nur als Vorversuche gelten und im Sommer 1900 wurden sie von Feoktistoff mit einigen Modifikationen und in größerem Maßstabe wiederholt ?). Statt der großen Menge der Bouillonkulturen, die 1898 dem Großvieh zugeführt wurden (bis zu !/, I) und die den Verdacht aufkommen ließen, daß die Krank- heitsursache vielleicht nur in der großen Masse der einverleibten Toxine zu suchen wäre, bekam im Jahre 1900 jedes Tier nur 1 Theelöffel dieser Kulturen. Das Resultat blieb jedoch das gleiche. Nach einer Inku- bationszeit von 6 Tagen zeigten sämtliche Tiere Appetitlosigkeit, Durch- fall und erhöhte Temperatur, erholten sich jedoch nach einigen Tagen. 2 Wochen nach Verschwinden des Durchfalls wurden die Tiere getötet und die inneren Organe bakteriologisch untersucht, wobei Leber und Herzblut bereits vollkommen steril befunden wurden. Endlich möchte ich noch darauf hinweisen, daß die Kulturen nicht nur zu Versuchs- zwecken von unserem Laboratorium entsandt werden, wie Herr Issa- tschenko behauptet, sondern direkt als bewährtes Mittel im Kampfe gegen Mäuse und Ratten vom Ministerium empfohlen werden. Die Ver- sendung von mäusetötenden Bacillen wird schon 10 Jahre lang in großem Maßstabe und mit Erfolg von unserem Laboratorium betrieben und gewinnt von Jahr zu Jahr größere Verbreitung. Nachdruck verboten. Die Komplementablenkung bei bakterieiden Reagenz- elasversuchen und ihre Ursache. [Aus dem kgl. Institute für experimentelle Therapie (Direktor: Geh.-Rat P. Ehrlich).] Von Dr. A. Lipstein, Assistenten der bakteriologischen Abteilung. In einer im vorigen Jahre erschienenen Arbeit?) zeigten M. Neisser und Wechsberg eine eigenartige Erscheinung bei baktericiden Rea- gsenzglasversuchen, welche darin bestand, daß die Abtötung der Bak- terien trotz der Anwesenheit der entsprechenden Bakterienamboceptoren (Immunkörper) und Komplemente dann ausblieb, wenn ein verhältnis- mäßig großer Ueberschuß von Amboceptoren vorhanden war. Es gelang den beiden Verff. für diese Erscheinung, für welche jede andere Er- klärung versagte, auf Grund der Ehrlich-Morgenroth’schen An- sichten eine Erklärung zu geben, indem sie annahmen, daß bei be- stimmten Aviditätsverhältnissen ein Ueberschuß von Amboceptoren ab- lenkend und gleichsam verdünnend auf das Komplement wirkt; das Komplement verbindet sich dann nicht mit den an die Bakterien ver- 1) Bericht des landwirtsch.-bakteriol. Laboratoriums. 1898. p. 19. 2) Bericht des landwirtsch.-bakteriol. Laboratoriums. 1900. p. 58. 3) Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 18; s. a. Wechsberg, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXXIX. 1902. ? i | i : \ 5 # u R ; Die Komplementablenkung bei bakterieiden Reagenzglasversuchen etc. 461 - ankerten Amboceptoren, sondern mit den überschüssigen freien Ambo- ceptoren, während die an den Bakterien verankerten Amboceptoren komplementfrei bleiben. Da aber nur die mit Hilfe der Amboceptoren an die Bakterien verankerten Komplemente baktericid wirken, so wird - in dem beschriebenen Falle die Baktericidie ausbleiben. Diese Erschei- nung der Komplementablenkung tritt natürlich nicht bei jeder Kombi- nation von Amboceptor und Komplement auf, sondern eben nur bei bestimmten Aviditätsverhältnissen, und ich werde später zeigen können, wie derselbe Amboceptor im Ueberschuß auf ein Komplement ab- lenkend wirkt, während er zwei anderen Komplementen gegenüber nicht ablenkend wirkt. Bei der theoretischen Wichtigkeit dieser Erscheinung und ihrer Erklärung schien eine Fortsetzung der von Neisser und Wechsberg gemachten Versuche, zumal unter Berücksichtigung der _ seither erschienenen Einwände, wünschenswert. Die Versuchsanordnung ist in den folgenden Versuchen die gleiche wie die der beiden Autoren, auf welche ich diesbezüglich verweise. Man kann das Phänomen der Komplementablenkung auf zweierlei Art zur Darstellung bringen, indem _ man einmal als Komplementquelle ein aktives, an sich nicht baktericides Serum benutzt und zeigt, daß bei Zugabe abfallender Mengen inaktiven _ Immunserums nur die mittleren Mengen desselben baktericiden Effekt | ausüben, daß dagegen die größten und kleinsten Gaben unwirksam sind. Als Beispiel hierfür dient Tabelle 1. Tabelle I!). | m vor Zahl der Keime auf einer Platte bei Zusatz v. inaktivem renden aktiv, Hühnerimmunserum gegen Vibrio Metschnikoff | Kulturmenge 1 ST ia EN ae | ‚ zormalen | 10 103 | 0,1 | 0,08 |0,01 10,003 0,001 |0,0003 0,0001 | | Ems | ccm | ccm | ccm | ccm | ccm | ccm | cem | ccm gem | | 38 | | Fr E "ls ccm einer 1- | 0,4 cem BB [007)00 10-30 ) 0 0 | viele | | tägigen Bouil- | 1000 lonkultur von | | Vibrio Metsch- | nikoff A Kontrolle I: Aussaat ('/,,, cam Bouillonkultur + 2 ccm 0,85-proz. Kochsalzlösung) : o© > II: 0,4 ccm aktives Taubenserum + /,,, eem Bouillonkultur: oo „ III: Sterilität sämtlicher Sera: 0 Die zweite Art besteht darin, daß man sich eines Serums oder eines Serumgemisches bedient, das die zur Aussaat benutzte Keimmenge abtötet. Dadurch, daß man dazu abfallende Mengen inaktiven Immunserums resp. als Kontrolle inaktiven normalen Serums zusetzt, erzielt man die Wirkung, daß das Immunserum proportional der zugefügten Menge antibaktericid wirkt, während das normale Serum eine solche Wir- kung entweder ganz vermissen läßt oder doch bedeutend schwächer zeigt. Ein Beispiel für diesen Modus der Komplementablenkung findet man in Tabelle III und IV, Rubrik 1 und 2. Im Gegensatz zu der von Neisser und Wechsberg gegebenen Erklärung, nach welcher die Komplementablenkung durch einen Ueber- | | | | . 2) In jedes Röhrchen, auch bei den folgenden Versuchen, kommen, ebenso wie bei Neisser und Wechsberg, 3 Tropfen Bouillon. 462 A. Lipstein, schuß von Amboceptoren bedingt wird, stehen die Ansichten, welche das Phänomen zurückführen: A. auf Agglutination der Bakterienaussaat, B. auf normale Antikomplemente (Metschnikoff), | C. auf Antikomplemente, welche beim Immunisierungspro- | zesse entstehen (Gruber). Jeden dieser Einwände will ich im einzelnen kritisch betrachten und beginne beim ersten. A. Hat die Komplementablenkung etwas mit der Agglutination zu thun? Diesen naheliegenden Einwand, daß nämlich jedes Immunserum die entsprechenden Bakterien agglutiniere, und daß dieses mechanische Mo- ment der Verklumpung es sei, an welchem die baktericide Kraft des Immunserums scheitere, versuchten Neisser und Wechsberg durch folgende Versuchsanordnung zu entkräften: Sie agglutinierten zuerst die zur Aussaat gelangenden Bakterien und untersuchten dann den Einfluß eines normalen und des Immunserums auf die agglutinierten Bakterien, mit dem Resultate, daß nur dem Immunserum die Ablenkung Tabelle Il. A ; 1 | 2 Menge des inaktiven| Zahl der Keime auf einer Platte bei gegen Vibrio j \ Metschnikoff 0,3 cem aktiven nor- 0,4 cem aktiven nor- malen Kaninchen- | malen Tauben- : serums serums U. eem einer 1-tägi- 1,0 ccm ) 0 gen Bouillonkultur Rech: ) 0 von Vibrio Metschni- U 0 0 koff OB, 0 0 0,01 5, 10 0 0.0037, viele 1000 100 0:001 5, 00 oo B Zahl der Keime Menge des inaktiven| auf einer Platte bei Ziegenimmunserums |Komplettierung mit unune gegen Vibrio 0,3 ccm aktiven nor- Metschnikoff malen Kaninchen- serums soo eem einer 1-tägi- ER 7 gem 6%) gen Bouillonkultur 0,3 3 00 von Vibrio Metschni- 0,1 7 0) koff DIBIEEN 0 0,01 0 RR, ba ) 0,0017, 0 0,0003 , [6 ) Kontrolle I: Aussaat (?/,,, eem Bouillonkultur + 2,0 cem 0,85-proz. Kochsalzlösung): oo r : Kaninchenserum normal aktiv 0,3 + "/,., eem Bouillonkultur: © „ III: 0,4 cem aktives Taubenserum + !/,,. eem Bouillonkultur: & „ IV: Sterilität sämtlicher Sera: 0 RU Die Komplementablenkung bei bakterieiden Reagenzglasversuchen etc. 463 gelang. Daß die agglutinierende Wirkung eines Immunserums keines- wegs die Ursache der Komplementablenkung darstellt, geht aber auch aus folgendem Versuche deutlich hervor, indem es mir zu zeigen gelingt, daß ein Immunserum, welches stark agglutiniert, trotzdem nicht im- stande ist, komplementablenkend zu wirken. Zu diesem Versuche sind zwei gegen Metschnikoff-Vibrionen wirksame Immunsera, nämlich das einer Gans (A) und das einer Ziege (B) benutzt. Beide Sera agglutiniertten Metschnikoff-Vibrionen stark, nämlich noch in einer Verdünnung von 1:1000. Der Versuch ist so angestellt, daß abfallende Mengen dieser inaktiven Sera in Ru- brik 1 mit Kaninchenserum, in Rubrik 2 mit Taubenserum reaktiviert wurden. Während aber das Immunserum der Ziege (B) das typische Bild der Komplementablenkung bietet, ist dasjenige der Gans (A), dessen bakteriecide Kraft ebenso stark ist, wie die des Ziegenimmunserums, trotz dieses großen Amboceptorengehaltes nicht imstande, Komplement abzu- lenken. Damit ist der Beweis erbracht, daß agglutinierende und kom- plementablenkende Wirkung zwei Eigenschaften ein und desselben Im- munserums sind, die wohl nebeneinander bestehen können, daß aber keineswegs Agglutination des Phänomens der Komplementablenkung bedingt. Der Amboceptorenüberschuß des Gänseimmunserums ruft in dem beschriebenen Versuche nach unserer Ansicht deshalb keine Kom- plementablenkung hervor, weil zwischen den Komplementen des Tauben- und Kaninchenserums einerseits und den freien Amboceptoren des Im- munserums andererseits keine genügende Avidität besteht. Durch Variation der Versuchsanordnung ist es mir gelungen, mit demselben Immunserum das Phänomen der Ablenkung gegenüber einem anderen Komplement hervorzurufen und somit einen Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht zu erbringen. Als Komplementquelle diente ein nor- males aktives Ziegenserum, das an sich für die zur Aussaat kommende Vibrionenmenge bakterieid war (siehe Kontrolle II). Im übrigen gleicht der Versuch genau dem vorigen, nur sind hier noch als Kontrolle die entsprechenden normalen Sera eingestellt und auf ihr Ablenkungsver- mögen hin untersucht. Tabelle III. | | 1 2 | 3 A nn Mengeder Zahl der Keime auf einer Platte bei Zusatz unten- 'eiden aktiven) aktiven stehender inaktiver Sera Kulturmenge Immun- 5 i N a un u. norma-| Ziegenim- | ne Se en Iezen- | jen Sera | munserum | Normales jimmunserum |" singe. serums gegen Vibrio Ziegenserum gegen Vibrio Ba 5 Metschnikoff | Metschnikoff Us. eemeiner; 0,04 cem |1,0 ccm 00 einige 100 00 100 l-täg. Bouil- u 203 00 0 00 0 lonkultur v. 10,1 „| einige 100 Ö 00 | 0 Vib.Metsch- | FO0\?,, ) ) einige 100 0 nikoff | 10,01 ,„ 0 ) 0 | 0 Kontrolle I: Aussaat Yon Bouillonkultur + 2,0 cem 0,85-proz. Kochsalzlösung): 00 4 II: Ziegenserum normal aktiv 0,04 cem + "/,,, eem Bouillonkultur: VO „ JHII: Sterilität sämtlicher Sera: 0 Der prinzipielle Unterschied gegenüber dem vorigen Versuche be- steht darin, daß hier das Gänseimmunserum komplementablenkend wirkt und zwar noch stärker als das Ziegenimmunserum. 464 A. Lipstein, Auf das Verhalten der als Kontrolle eingestellten normalen Sera, deren antibaktericide Kraft selbst in der Menge von 1,0 cem äußerst gering ist, komme ich im folgenden Abschnitte zu sprechen. Demnach ist der Einwand, daß die Komplementablenkung durch Agglutination ver- ursacht sei, auch durch diese Versuche widerlegt. B. Ist die Komplementablenkung auf normale Anti- komplemente zurückzuführen? Die in Frage stehende Komplementablenkung ist von Metschni- koff!) auf normal vorkommende Anticytase bezogen worden. Dieser Einwand ist hinfällig, wenn gezeigt werden kann, daß das spe- zifische Immunserum einen konstanten und deutlichen Unterschied gegen- über verschiedenen normalen oder anderen Immunseris zeigt. Es ist dabei gleichgiltig, ob auch die normalen Sera, wie z. B. in Tabelle III, Rubrik 2, 4 in geringerem Grade dieselbe Erscheinung zeigen, denn dafür haben N. und W. bereits eine ausreichende Erklärung gegeben, ebenso wie sie bereits zuerst das normale Antikomplement beschrieben haben. Gerade die quantitative Differenz zwischen Immunserum und normalem Serum ist ja ein Postulat der Ehrlich’schen Theorie, und gerade diese quantitative Differenz ist der Kernpunkt der be- schriebenen Komplementablenkung. In der folgenden Tabelle sind zehn verschiedene Ziegensera, darunter 3 baktericide Immunsera (Rubrik 2, 5, 4), 1 antitoxisches Serum (Rubrik 5), 4 hämolytische Immunsera (Rubrik 6, 7, 8, 9) und 1 gegen die Komplemente des Pferdeserums wirk- sames Antikomplementserum (Rubrik 10) auf ihr Komplementablenkungs- vermögen gegenüber Metschnikoff-Vibrionen eingestellt worden. Der Versuch ist insofern gegen den vorigen etwas modifiziert, als ich hier ein Gemisch von 0,1 aktiven Meerschweinchenserum (an sich nicht baktericid, siehe Kontrolle II) + 0,01 inaktiven Ziegenimmun- serums (gegen Metschnikoff-Vibrionen) benutzte. Dieses Gemisch tötete die zur Aussaat gelangende Bakterienmenge, nämlich 1/,oo0 ccm einer 1-tägigen Metschnikoff-Bouillonkultur, völlig ab (siehe Kon- trolle III. Dazu kommen abfallende Mengen verschiedener inaktiver Ziegensera Rubrik 1—10. Tabelle Bee | 2 | 3 n Menge des Menge der Zahl der Keime ur bakterieiden Serum-| inaktiven | oz 5 gemisches Zieeensera - |Immunserum Immunserum $ een egen Vibrio| gegen Vibrio Serum |Metschnikoff| Nordhafen !/ooö eem 10,1 ccm aktives nor-- 1,0 ccm 0 | fast © | Ö einer 1-tägig. |males Meerschwein-ı 03 fast 0 Bouillonkult. |chenserum + 0,01 01 2 : “es : n 0 v. Metschni- | inaktives Ziegen- sa; Be koff- immunserum gegen) 003 , 0 mehrere 100 0 Vibrionen |Vibrio Metschnikoff 0,08 ;, ) 0 0 Kontrolle I: Aussaat !/,,.. ceemm Bouillonkultur + 2,0 cem 0,85 Kochsalzlösung: oo „ II: Meerschweinchenserum, aktiv, 0,1 cem + !/,oood eem Bouillonkultur: oo 1) L’immunite dans les maladies infectieuses. p. 313. Die Komplementablenkung bei baktericiden Reagenzglasversuchen etc. 465 Danach entfaltet das Metschuikoff-Immunserum eine spezifische Wirkung, und es ist mehr als gewagt, anzunehmen, daß die von uns benutzte Metschnikoff-Ziege gerade zufällig so ungleich mehr nor- males Antikomplement besessen haben sollte. Es gelingt aber, wie ich später zeigen werde, auch den positiven Beweis dafür zu erbringen, daß die Komplementablenkung nicht durch Antikomplemente, sondern durch den Amboceptor hervorgerufen wird, indem man durch die Ent- fernung des Amboceptors die Komplementablenkung verhindern kann. Einen weiteren Beweis gegen die Metschnikoff’sche Ansicht habe ich durch folgenden Versuch erbracht. Ich untersuchte das Serum eines Kaninchens vor und nach der Immunisierung mit Metschnikoff- Vibrionen und fand das normale Serum gänzlich unwirksam, während nach 8 Tagen das Immunserum dieses Tieres starke Ablenkung hervor- rief. In diesen Fällen ist es also nicht angängig, die Komplementab- lenkung auf ein normales Antikomplement zu beziehen. Daß übrigens normale Antikomplemente vorkommen und gelegentlich das beschriebene Phänomen vortäuschen können, ist bereits von N. und W. betont; ent- - sprechende Kontrollen, und vor allem die im nächsten Abschnitte be- schriebene Absorption sichern in solchen Fällen vor Irrtümern. Es folgt aus alledem, daß das in geeigneten Fällen zu beobachtende Phä- nomen der Komplementablenkung nicht auf das Vorhandensein eines normalen Bestandteiles, sondern auf einen immunisatorisch er- zeugten Bestandteil zurückzuführen ist. C. Wird die Komplementablenkung durch immuni- satorisch erzeugte Antikomplemente hervorgerufen? Die Behauptung, daß beim Immunisieren mit Bakterien im Serum der so behandelten Tiere Antialexine auftreten, welche antibaktericid und antihämolytisch wirksam sind, ist von Gruber!) eigens zu dem Zwecke ins Treffen geführt, um derart dem Ablenkungsphänomen eine Erklärung zu geben, welche nicht auf Ehrlich’schen Ansichten fußt. Mit Recht hat Wechsberg?) gegen die Gruber’sche Annahme ein- - gewandt, daß sie unseren bisherigen Erfahrungen vollständig wider- TI VDE EEE ON EEE spricht, wir würden alsdann sowohl mit aktiver wie passiver Immuni- EV, 4 h) | 6 | 7 8 | 1) 10 auf einer Platte bei Zusatz untenstehender inaktiver Ziegensera - Immunserum Serum Pas gegen Serum geg. Serum geg.!Serurn geg. Serum geg. - gegen Staph.‘ Staphylo- | Kaninchen- | Hammel- | Ochsen- Pferde- aureus login /blutkörperch. blutkörper | blutkörper | blutkörper | serum 0 einige 10 | 0 20-40 viele 1000 fast oo | 100 0 od 0 0 0 0 no 0 RR Un: 0 ho 0 0 0 0 0 | 0 | 0 | 0 | 0 0 Kontrolle III: Meerschweinchenserum, aktiv, 0,1 ccm + 0,01 ccm inaktiven Ziegen- immunserum gegen V ibrio Metschnikoff - TR ccm Bouillonkultur: 0 IV: Sterilität sämtlicher Sera: 0. D Er klin. Wochenschr. 1901. No. 50. 2)I Erste e Ei; Bd. 3l 466 A. Lipstein, sierung dem behandelten Organismus nicht nützen, sondern sogar schaden. Den Beweis für diese neue Auffassung liefert Gruber durch hämolytische Reagenzglasversuche, in denen er zeigt, daß baktericides Immunserum die Hämolyse hemmt, während das entsprechende normale Serum dies nicht thut. In einer unlängst erschienenen Arbeit!) konnte Wechsberg diesen Befund niemals erheben, auch nicht mit der Ver- suchsanordnung von Gruber. Zu gleich negativen Resultaten gelangte auch Dr. H. Sachs vom hiesigen Institute, der daraufhin verschiedene Immunsera, wie Metschnikoff-, Nordhafen-, Staphylokokken-, Rotlauf-, Schweineseuchen- und Dysenterieimmunserum, untersuchte. Worauf diese widersprechenden Resultate zurückzuführen sind, vermag ich nicht zu sagen. Soviel geht aber aus diesen abweichenden Nach- prüfungen hervor, daß von einer Gesetzmäßigkeit im Sinne Gruber’s keine Rede sein kann, daß vielmehr seine Versuche, ihre Giltigkeit vor- ausgesetzt, als eine seltene Ausnahme, geradezu als unglückliche Zufälle bezeichnet werden müssen. Daß aber durch Immunisierung mit irgendwelchen Bakterien auch nicht allgemein antibaktericid wirkende Antikomplemente im Sinne Gruber’s entstehen, zeigt ein Blick auf Tabelle IV, Rubrik 2, 3, 4; denn in diesen Versuchen wirkte nur das Metschnikoff-Immun- serum komplementablenkend, nicht aber die Immunsera zweier anderer Ziegen, welche mit Vibrio Nordhafen bezw. mit Staphylococcus pyogenes aureus immunisiert waren. Es läßt sich aber leicht beweisen, daß dieser immunisatorisch ent- standene, antikomplementär wirkende Faktor des Metschnikoff- Immunserums wirklich ein Amboceptor ist, indem man durch vor- gängigen Zusatz der entsprechenden abgetöteten Bakterien, welche man später abcentrifugiert, dem Immunserum seine Amboceptoren entzieht und nachweist, daß ein solches Amboceptoren-freies Immunserum voll- ständig jede komplementablenkende Fähigkeit eingebüßt hat, wofern man nur genügend Bakterien zugesetzt hat. Des weiteren läßt sich auf diesem Wege zeigen, daß der Prozeß quantitativ verläuft. Benutzt man nämlich abfallende Mengen Bakterien zum Absorbieren der Ambo- ceptoren, z. B. je 1, !/,, !/ıs und !/,, Agarkultur, so wird beispiels- weise durch die ganze Agarkultur die Gesamtmenge der Amboceptoren dem Serum entrissen, durch !/, Agarkultur nur ein Teil derselben und weiter immer weniger entsprechend dem geringeren Quantum zugesetzter Bakterien. Es gelang mir aber auch auf diesem Wege, für die spezifische Wirksamkeit des Immunserums einen weiteren Beweis zu erbringen. Setzte ich nämlich dem Metschnikoff-Immunserum vorher tote Metschnikoff-Vibrionen zu, so gelang es mir, den Amboceptor zu entfernen, das Serum wirkte keine Spur komplementablenkend, versetzte ich dagegen das Metschnikoff-Immunserum mit anderen Bakterien (Nordhafen-Vibrionen, Typhus- und Dysenteriebacillen gelangten zur Verwendung), so büßte dasselbe nichts von seiner komplementablenken- den Fähigkeit ein, weil der Immunkörper des Metschnikoff-Immun- serums nur an Metschnikoff- Vibrionen, nicht aber an irgendwelche andere Bakterien verankert wird. Ich gebe im Folgenden einen solchen Versuch in extenso wieder, der aus gleich anzuführenden Gründen eine 1) Wiener klin. Wochenschr. 1902. No. 13. Pe Die Komplementablenkung bei bakterieiden Reagenzglasversuchen ete. 467 mühsame und umständliche Versuchsanordnung erfordert. Wie im vor- hergehenden Versuche benutzte ich auch hier ein Gemisch von aktivem Meerschweinchenserum und inaktivrem Metschnikoff-Immunserum von einer Ziege, das die zur Aussaat gelangende Keimmenge abtötet (siehe Kontrolle II). Dazu kommen in Rubrik 1 absteigende Mengen des nativen inaktivren Metschnikoff-Immunserums einer Ziege, wäh- rend das gleiche Immunserum in Rubrik 2 mit Metschnikoff- Vibrionen, in Rubrik 3 mit Nordhafen-Vibrionen, in Rubrik 4 mit Typhusbacillen, in Rubrik 5 mit Dysenteriebacillen vorbehandelt ist. Diese Vorbehandlung bestand in Folgendem: Eine Agarkultur wurde mit je 2 ccm einer 0,85-proz. Kochsalzlösung aufgeschwemmt und durch 1-stündiges Erwärmen auf 65—70° abgetötet. Würde man jetzt zu diesen 4 Bakterienaufschwemmungen Metschnikoff- Immunserum zufügen mit der Absicht, den Immunkörper zu absorbieren, so würde man später beim Centrifugieren behufs Entfernung der Bakterien auf Schwierigkeiten stoßen, da es auf diese Weise nicht gelingt, eine klare bakterienfreie Flüssigkeit zu erhalten; einzig die Metschnikoff- Vibrionen machen davon eine Ausnahme, weil dieselben nämlich durch das entsprechende Immunserum agglutiniert sind. Während aber nach Gruber eine selbst starke Anhäufung der Bakterien auf die Hämolyse ohne Einfluß bleibt, mußte ich bei meinen baktericiden Versuchen die unangenehme Erfahrung machen, daß so große Mengen von Bakterien (die abcentrifugierte Flüssigkeit ist trüb) an und für sich stark anti- bakterieid wirken. Diesen Uebelstand beseitigte ich durch folgende Versuchsanordnung. Ich versetzte die aufgeschwemmten Agarkulturen mit etwa 2 ccm des entsprechenden inaktiven Immunserums behufs Ag- glutination, also z. B. Metschnikoff-Vibrionen mit Metschni- koff-Immunserum, Nordhafen-Vibrionen und Nordhafen-Immun- REN En nt I 2 - serum etc., ließ die Gemische 1 Stunde bei 37°, füllte die Oentrifugen- röhrchen mit Kochsalzlösung (25 ccm) auf, um das Serum möglichst zu - verdünnen, und centrifugierte.e. Die Flüssigkeit goß ich ab, den fest an- k Tabelle V. ee a end | 5 Menge des) Zahl der Keime auf einer Platte bei Zusatz v. in- Kul Menge des er aktivem Ziegenimmunserum geg. Vibrio Metschn. 4 FRe- baktericiden |Metschni- vorbehandelt mit abgetöteten und B Beege en I koff- in agglutinierten ; ee mmun- Inativem |Metschni-| Nord- hs. | Dysen- } SerumS Zustand! koff- hafen- ven In terie- 3 Vibrionen|Vibrionen| "| bacillen - 0,1 ccm aktiv. | N 1/ com Meerschwein- | 1,0 ccm | © 0 oo 00 00 Meiner Iägig.|chenzerum + 05 „ | oo 0 la BAR © Er Bonillonkult.| „ktiv. Ziegen- | 025 „| 0 viele 1000 viele 1000| 100 y. Metschnj. | Aktiv. Ziegen- 12862 oo viele 1000 viele * cn. | 01 „110201 0 10-20 | 10—20 0 i Wibrionen |8e&. Metsch-| "| | | | 1 nikoff- 1005 „ 0 0 ER. 0 Vibrionen | | | | Kontrolle I: Aussaat RR cem Bouillonkultur + 2,0 ccm 0,85 Kochsalzlösung: oo „ II: 0,1 aktives Meerschweinchenserum + 0,01 ccm inaktives Ziegenimmun- serum gegen Vibrio Metschnikoff + "/,ooo eem Bouillonkultur: O „ III: Sterilität sämtlicher Sera: 0. 31” 468 Lipstein, Die Komplementablenkung bei bakterieiden Reagenzglasversuchen etc, haftenden Bodensatz, aus agglutinierten Bakterien bestehend, schüttelte ich gründlich mit je 2!/, cem inaktivem Metschnikoff-Immunserum auf und ließ unter mehrmaligem Schütteln die Röhrchen 11/,—2 Stunden bei 37°. Nachdem ich wiederum lange centrifugiert hatte, erhielt ich durch Abgießen klare, bakterienfreie Flüssigkeiten, die ich zu folgendem Versuche benutzte (Rubrik 2—5). Es zeigt dieser Versuch, daß einem Immunserum die Eigenschaft, im Ueberschusse komplementablenkend zu wirken, genommen werden kann, wenn man ihm vorher abgetötete Bakterien der entsprechenden Art zusetzt und das nunmehr centrifugierte Serum benützt. Mit 5 anderen Bakterienarten gelang diese Absorption aber nicht. Demnach ist der ablenkende Faktor des Immunserums ein immunisatorisch ent- standener Körper, welcher einerseits Verwandtschaft zu dem Komple- ment (Komplementablenkung), andererseits Verwandtschaft zu dem be- treffenden Bakterium (spezifische Absorption) hat, also ein Amboceptor im Sinne Ehrlich’s und nicht ein Antialexin im Sinne Gruber’s. Kurz zusammengefaßt sind die Resultate meiner Versuche folgende: 1) Durch den Vergleich zweier baktericider Immunsera, welche beide gleich starkes Agglutinationsvermögen hatten, von denen aber bei bestimmter Kombination nur das eine die Erscheinung der Komplement- ablenkung zeigte, wurde der Einwand von neuem widerlegt, daß die Komplementablenkung durch das mechanische Moment der Agglutination bedingt sei. 2) Es konnte auf verschiedene Weise gezeigt er daß die be- schriebene Komplementablenkung nicht durch einen Bestandteil des normalen Serums hervorgerufen wurde. 5) Es wurde direkt nachgewiesen, daß der ablenkende Faktor des Immunserums der durch die Immunisierung spezifisch entstandene Ambo- ceptor (Immunkörper) ist. Es folgt daraus, daß dem Amboceptor nur die Rolle des Binde- gliedes zwischen Bakterien und Komplement zukommt, und daß ihm nicht die Fähigkeit einer „Sensibilisierung“ (Bordet) oder „Prä- parierung“ (Gruber) zugeschrieben werden kann, mit welch letzteren Annahmen das Phänomen der M. Neisser-Wechsberg’schen Kom- plementablenkung unerklärbar erscheint. Zum Schluß danke ich dem Direktor des Institutes, Herrn Geheimrat Ehrlich, für die Ueberlassung des Materiales und besonders Herrn Prof. M. Neisser, in dessen Abteilung diese Arbeit entstanden ist, für seine Unterstützung. | Wendelstadt, Ueber die Vielheit der Amboceptoren und Komplemente etc. 469 —_ u Bo 22 > Le I y | | Nachdruck verboten. Ueber die Vielheit der Amboceptoren und Komplemente bei Hämolyse. [Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Bonn.] Von Dr. H. Wendelstadt, Privatdocent und Assistent am Pharmakol. Institut in Bonn. In ihren grundlegenden Veröffentlichungen über Hämolysine haben Ehrlich und Morgenroth!) schon die Vielheit der Amboceptoren und Komplemente bewiesen. Für die Komplemente ist dieser Beweis heute noch nicht von allen Forschern auf disem Gebiete anerkannt. Mit den im Folgenden beschriebenen Versuchen, welche ich in Gemeinschaft mit Fräulein T. Fellmer ausgeführt habe, scheint mir ein weiterer ganz unzweideutiger Beweis für die Richtigkeit der Ehrlich schen Ansicht erbracht zu sein. Um in einem Serum verschiedene Amboceptoren und Komplemente künstlich zusammen zu vereinen, wurden einer Ziege aufsteigende Mengen von drei Blutarten, nämlich Ochsen-, Schweine- und Hammel- blut gleichzeitig und in gleichen Mengen in das Peritoneum injiziert. Das Serum der Ziege hatte vor der Behandlung keine dieser Blutarten gelöst. Die Ziege wurde zuerst im Oktober 1900 mit längeren Pausen bis zum Mai 1901 eingespritzt, zuletzt mit je 350 ccm von jeder der drei Blutarten. Die damals angestellten mehrfachen genau abgestuften Prüfungen ergaben eine bedeutende hämolytische Kraft den drei Blut- arten gegenüber, und zwar eine fast gleiche für jede derselben. Im Mai 1901 wurde der Versuch gemacht, die drei Amboceptoren einzeln an die betreffenden Blutkörperchen in der Kälte zu binden. Die Ver- suchsanordnung war die bekannte. Das Serum der vorbehandelten Ziege wurde zuerst mit Hammelblut in der Kälte 18 Stunden im Eis- schrank zusammen gebracht und dann in der mit Eiswasser gefüllten Centrifuge (System Runne-Heidelberg) ausgeschleudert. Die für Hammelblut passenden Amboceptoren waren aus dem Serum nun ganz geschwunden und hatten sich an die Blutkörperchen verankert. Das centrifugierte Serum löste nur noch Öchsen- und Schweineblut. In gleicher Weise wurde nun mit dem so behandelten Serum zunächst mit Ochsenblut und dann mit Schweineblut verfahren. Nacheinander ließen sich so die passenden Amboceptoren für Hammel-, darauf für Ochsen- und zuletzt für Schweineblut aus 100 ccm Serum ausziehen. Das Serum löste nach der Behandlung mit Hammelblut noch die beiden anderen Blutarten, nachdem es darauf mit Ochsenblut zusammengebracht war, nur noch Schweineblut und, nachdem es auch mit diesem in der Kälte zusammengebracht war, keine der 3 Blutarten mehr. Die 3 verschiedenen Amboceptoren hatten sich also einzeln her- ausziehen lassen, wobei die hämolytische Wirkung auf die jedesmal der Reihe nach übrigbleibende Blutart nicht abgeschwächt worden war. Es waren nur die spezifischen Amboceptoren herausgezogen worden. Durch die bei den vielen Manipulationen nicht immer zu vermeidende vor- übergehende Temperatursteigerung des Serums hatte eine geringe 1) Berliner klinische Wochenschrift. 1899/1901. ATO H. Wendelstadt, Lösung während des Experimentes stattgefunden, und das zuerst klare Serum war zuletzt rötlich geworden. Die Verfärbung, die bei jeder der mehrfachen Wiederholung des Experimentes auftrat, störte zwar die Beobachtung des Resultates nicht, veranlaßte aber doch eine Veränderung der Versuchsanordnung. Aus äußeren Gründen blieb die Weiterarbeit zunächst liegen und wurde erst nach 9 Monaten wieder aufgenommen. Die Ziege war in dieser Zeit nicht injiziert worden. Eine Prüfung ergab, daß das Serum seine hämolytische Kraft fast unverändert behalten hatte. Es wurden noch einige Injektionen gemacht und bis zu je 175 ccm von jeder Blut- art gesteigert. Um die oben erwähnte störende Lösung der Blut- körperchen zu vermeiden, wurde das Serum der behandelten Ziege zu- nächst durch ein 30 Minuten langes Erwärmen auf 57° inaktiviert. Darauf wurde es mit gewaschenen Hammelblutkörperchen 18 Stunden lang zusammengebracht und dann centrifugiert. Die Hammelblut- körperchen waren jetzt mit den passenden Amboceptoren beladen, und lösten sich in normalem Ziegenserum, das die Komplemente für alle 3 Blutarten enthält, auf. Ein Teil des centrifugierten Serums wurde mit normalem Ziegenserum reaktiviert und löste dann Hammelblutkörperchen nicht mehr auf, Ochsen- und Schweineblut aber mit ungeminderter Energie. Nun wurde das inaktivierte Serum, das keine Amboceptoren für Hammelblut mehr enthielt, mit gewaschenen Ochsenblutkörperchen zusammengebracht und in gleicher Weise wie vorher mit ihm verfahren. Die betreffenden Amboceptoren waren vollständig an die Ochsenblut- körper verankert. Diese lösten sich in normalem Ziegenserum auf, und das reaktivierte Serum löste nur noch Schweineblut. Zuletzt wurde Schweineblut angewandt mit gleichem Erfolge. Das reaktivierte Serum löste nun keine der 3 Blutarten mehr auf. Mehrfache Wiederholungen des Versuches ergaben stets das gleiche Resultat, das die Vielheit und Spezifität der Amboceptoren deutlich bewies. | Es war nun die Frage, ob nicht bei einer anderen Reihenfolge der Blutarten ein anderes Ergebnis zu Tage treten würde, d. h. ob nicht an den Öchsen- oder Schweineblutkörperchen Receptoren vorhanden waren, welche auch Amboceptoren für die anderen Blutarten verankerten. Nach den Publikationen von Ehrlich und Morgenroth war dies nicht unwahrscheinlich. Bei dem uns zur Verfügung stehenden Serum war es aber nicht der Fall. Die hämolytische Energie blieb stets für die übrigen Blutarten dieselbe, wenn wir auch die Reihenfolge änderten. Der Versuch gab die gleichen Resultate bei den 3 folgenden An- ordnungen Hammel-, Ochsen-, Schweineblut, oder Ochsen-, Hammel-, Schweineblut, oder Schweine-, Ochsen-, Hammelblut. Gemeinsame Receptoren ließen sich nicht nachweisen. Die Trennung der Amboceptoren war uns also im An- schlusse an die von Ehrlich und Morgenroth schon angewandten Methoden bei dem Serum der mit den 3 Blutarten vorbehandelten Ziege ohne Schwierigkeit gelungen. Um nun auch die Komplemente zu trennen, wurde eine senaue Abstufung der Wärme und der Zeit bei der Inaktivierung des Serums der behandelten Ziege vorgenommen. Nachdem festgestellt war, daß die Inaktivierung für alle 3 Blutarten schon bei einer Temperatur von über 50° eintrat, und unter 49° ausblieb, stellten wir mit einem Thermoregulator ein mit Rührwerk versehenes Wasserbad genau auf 491/,° und ließen dasselbe anf verschiedene Portionen des Serums ver- ia; j | Ueber die Vielheit der Amboceptoren und Komplemente bei Hämolyse. 471 u u un A Oi U 0 0 Zn 3Oo u Bl u | ’ schieden lange Zeit einwirken. Dabei ergab sich, daß bei einer Er- wärmung auf 49!/,° 12—15 Minuten lang das Serum für Ochsen- und Hammelblut inaktiv wurde, dagegen Schweineblut noch löste. Der Versuch gelang nur bei einer sehr genauen Beobachtung von Wärme und Zeit, gab aber dann stets gleiche Resultate. Das Komplement für Schweineblut war also wärmebeständiger als das für OÖchsen- und Hammelblut. Bei diesem Versuche mußte das Serum vollständig in das warme Wasser eingetaucht werden, weshalb wir am besten kleine Quantitäten von wenigen Kubikcentimetern nahmen. Wenn das Serum in großen Mengen in einem Reagenzglase war, und der obere Teil der Flüssigkeit aus dem Wasser ragte, so änderte sich das Resultat unter Umständen voll- ständig. Wir beobachteten dabei nämlich 2mal, Imal zufällig und imal bei Nachprüfung, daß selbst bei einer Temperatur des Wasserbades von über 57° das Komplement für Hammelblut erhalten blieb, wenn das Serum nicht ganz in das Wasser eintauchte, während das für Schweine- und ÖOchsenblut vernichtet war. Eine ausreichende Erklärung haben wir hierfür bisher nicht gefunden und behalten es uns vor, dies weiter zu bearbeiten. Jedenfalls begrüßten wir diesen 2maligen Befund als einen weiteren Beweis für die Vielheit der Komplemente. Es lag nun nahe, nachdem &ine Trennung der Komplemente für Schweineblut von den für Ochsen- und Hammelblut einerseits und des Komplementes für Hammelblut gegenüber den beiden übrigen anderer- seits durch eine genau dosierte Erwärmung gelungen war, eine solche Scheidung auch durch abgestufte Mengen von Salzsäurezusatz zu versuchen. In der zweiten Mitteilung über Hämolysine von Ehrlich und Morgenroth!) wird die Inaktivierung eines wärmebeständigen Komplementes durch Zusatz von Salzsäure angegeben. Wir machten die Versuche nicht mit reiner Normalsalzsäure, sondern mit einer Ver- dünnung derselben. Es wurden zu 3 Teilen Normalsalzsäure 2 Teile 0,85-proz. Kochsalzlösung gesetzt. Von dieser verdünnten Salzsäure wurden zu abgestuften Mengen aktiven Serums der behandelten Ziege je 2 Tropfen gesetzt. Die Mischung von Serum und Salzsäure kam dann 35 Minuten in den Thermostaten und wurde darauf mit einer Mischung von Normalkali und Normalnatronlösung zu gleichen Teilen neutralisiert. Die verschiedenen Mischungsverhältnisse giebt die nächste Tabelle an. Die Bezeichnungen A—F sind in den späteren tabellarischen Uebersichten zur Bezeichnung der betreffenden Mischung benutzt worden. Die oben angegebene Mischung von Salzsäure und Kochsalz- lösung bezeichnen wir in der Tabelle einfach als Salzsäure. A. 2 Tropfen Salzsäure 1,5 ccm Serum B. 2 ” „ „4 „ D) 0. 2 » ) 1,3 D) „ D. 2 » „ 1,2 » )) E. 2 )) 1,1 h)) ? E. 2 1,0 ” Die Mischung A ist folglich am schwächsten mit Salzsäure versetzt und die Mischung F am stärksten. Das so vorbehandelte Serum wurde darauf mit den 3 Blutarten zusammengebracht, und es ergaben sich die folgenden Resultate: 1) Berliner klinische Wochenschrift. 1899. No. 2. 472 Wendelstadt, Ueber die Vielheit der Amboceptoren und Komplemente etc. 1) Versuch mit A. a) 0,25 ccm A + 1,5 cem Kochsalzlösung + 2 Tropfen Schweineblut | b) WEB Ma 2 +2 % Öchsenblut Lösung eo) OB, mg r +2 , Hammelblut | 2) Versuch mit B. a) 0,25 cem B + 1,5 cem Kochsalzlösung + 2 Tropfen Schweineblut — Lösung DI En 2 a +2 = Ochsenblut —Spur von ösung N x: +2 n Hammelblut — Lösung 3) Versuch mit C. a) 025 cem C + 1,5 cem Kochsalzlösung + 2 Tropfen Schweineblut — Spur von Lösung b) D2sues „Hikası = +2 ».... Ochsenbat Keine Lösung CA Zusee, EHER > A * Hammelblut — Lösung 4) Versuche mit D. a) 0,25 ccem D + 1,5 cem Kochsalzlösung 2 Tropfen Schweineblut\ Keine 9025: „er „s 2 „ Ochsenblut 1 Lösung 20,20: „ee > 2 E Hammelblut — Lösung 5) Versuch mit E. NE a) 0,25 ccom E + 1,5 ccm Kochsalzlösung 2 Tropfen Schweineblut\ Keine DJ DIE en Ar 2 “ Ochsenblut Lösung CODED I, ” 2 5 Hammelblut — Lösung 6) Versuch mit F. 444 444 444 + a) 0,25 cem F + 1,5 cem Kochsalzlösung + 2 Tropfen Schweineblut | Kein b) 25,2 De ? 2 ie Ochsenblut en c) 0,25 REN Te 1,5 „ „ 2 rn Hammelblut | 8 Das in unserem Serum enthaltene Komplement für Hammelblut erwies sich also am resistentesten gegen die Einwirkung der Salzsäure, dasjenige für Schweineblut weniger widerstandsfähig und das für Ochsen- blut am empfindlichsten. Dieses Experiment der Trennung der Kom- plemente durch abgestufte Salzsäurewirkung gelang stets und wir er- hielten bei mehrfacher Wiederholung immer die ganz gleichen Resultate. Daß die Amboceptoren nicht durch die Salzsäure verändert waren, zeigte sich bei einer Reaktivierung des vollständig inaktivierten Serums durch Zusatz von normalem Ziegenserum, welche eine Lösung aller 3 Blut- arten herbeiführte. Das normale Ziegenserum enthält, wie wir aus unseren Reaktivierungsversuchen wissen, die 5 zu den Blutarten passenden Komplemente. Wir stellten deshalb mit normalem Ziegenserum die gleichen Versuche mit Erwärmen und Salzsäurezusatz an, die oben an- gegeben sind, und kamen zu dem Resultate, daß sich auch hier die Komplemente trennen lassen. Die Versuchsanordnung wurde so getroffen, daß wir zu dem mit Wärme oder Salzsäure behandelten normalem Ziegenserum, in welchem das eine oder das andere Komplement ausgefallen war, die 3 verschie- denen Blutarten und das inaktivierte Serum der mit denselben vor- behandelten Ziege setzten. Das inaktivierte Serum mußte die nötigen Amboceptoren liefern. Bei der Einwirkung von 49!/, ° hoher Temperatur 20 Minuten lang waren die Komplemente für Ochsen- und Hammelblut vernichtet und die für Schweineblut noch erhalten. Die Erwärmung von 49!/,° mußte bei dem normalen Serum auf 20 Minuten aus- sedehnt werden, um die Komplemente für Ochsen- und Hammelblut herauszuschaffen, während bei dem Serum der behandelten Ziege nur 12—15 Minuten notwendig gewesen waren. Der Versuch mit Salzsäurezusatz ergab schon bei Mischung B. daß die Komplemente für Schweine- und Ochsenblut inaktiviert waren und VE mi nous ee Mn. Buu E27 (Sitzungsberichte d. Ges. f. Morphologie u. Physiologie in München. 1899.) — C. Röse, Moderne Mundwasseruntersuchungen. 473 das für Hammelblut erhalten geblieben war. Das Komplement für Hammelblut zeigte sich auch noch vollständig erhalten bei einem Salz- säurezusatz von 2 Tropfen zu 0,7 cem Serum, es war also in dem normalen Serum resistenter als in dem der vorbehandelten Ziege, bei der 2 Tropfen Salzsäure zu 1,0 ccm Serum zur vollständigen Inakti- vierung genügten. Bei den beiden Versuchsreihen mit normalem Serum bemerkten wir eine größere Resistenz der Komplemente einerseits der für Ochsen- und Hammelblut gegenüber der Wärme, andererseits der für Hammelblut gegenüber der Salzsäure, als bei dem Serum der be- bandelten Ziege beobachtet wurde. Diese geringen Verschiedenheiten mögen bei jedem Serum vorkommen, sind aber in unserem Falle viel- leicht dadurch veranlaßt, daß das normale Ziegenserum sofort nach der Blutentnahme benutzt wurde, während das Serum der behandelten Ziege, die inzwischen gestorbon war, schon mehrere Tage vorher entnommen war. Die Komplemente waren bei dem letzteren vielleicht schon etwas abgesch wächt. Die uns gelungenen Trennungen der Komplemente im Serum werden wohl jeden Zweifel an der von Ehrlich stets vertretenen An- sicht der Vielheit der Komplemente beseitigen. Die Methode wird sich voraussichtlich bei den verschiedensten Blutarten anwenden lassen. Nachdruck verboten. Moderne Mundwasseruntersuchungen. Eine Entgegnung von Dr. med. C. Röse in Dresden. Bei meiner Rückkehr von einer längeren Studienreise kommt mir nachträglich ein Artikel des Zahnarztes Herrn Max Löwe!) über „Mo- derne Mundwässer“ zu Gesicht, in dem unter anderem auch meine mehrjährigen mühseligen Untersuchungen über Mundhygiene abfällig besprochen werden. Es lag zunächst in meiner Absicht, auf die Auslassungen des Herrn Löwe überhaupt nicht zu reagieren. Da indessen einem -völligen Schweigen meinerseits von jener Seite leicht eine falsche Deutung unterschoben werden möchte, sehe ich mich doch genötigt, an dieser Stelle kurz das Wort zur Abwehr zu ergreifen. Als ich vor mehr als 3 Jahren mit meinen eigenen Mundwasser- untersuchungen ?) begann, ahnte ich nicht, an welch schwieriges Unter- nehmen ich mich herangewagt hatte. Die größte Mühe bereitete es mir, wirklich zuverlässige Versuchspersonen mit gesunden Mund- verhältnissen heranzuziehen. Raucher, Trinker und Leute mit chro- nischem Mundkatarrhe sind dazu nicht zu verwenden. Aber auch die bestgeeigneten Versuchspersonen müssen erst einige Zeit hindurch zu gleichmäßigem Mundspülen erzogen werden, ehe sie zu bakterio- 1) Löwe, Moderne Mundwässer. (Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Bd. XXX. 1901. No. 22.) 2) Röse, Die pflanzlichen Parasiten der Mundhöhle und ihre ae nter- suchungen über Mundwässer. (Öesterr.-ungar. Vierteljahrsschr. f. Zahnheilkunde. 1899, — eft 4.) — Untersuchungen über Mundhygiene. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. XXX VI. 1901.) 474 C. Röse, logischen Versuchen Verwendung finden dürfen. Nun haben diese Versuchspersonen außerdem während der ganzen 4-stündigen Versuchs- dauer unbedingt zu schweigen, und dies Tag für Tag, Monate und Jahre hindurch. Es gehört thatsächlich ein nicht unbeträchtliches Maß von Willensstärke und wissenschaftlicher Begeisterung dazu, um solche Ver- suche 2 Jahre lang fortzuführen. Wer diese unumgänglichen Eigen- schaften aber nicht besitzt, soll lieber die Hände von derartigen müh- samen Untersuchungen weglassen. Die Mundbakterien entwickeln sich am zahlreichsten 1) während der Nachtruhe, 2) in den langen Essenspausen, wenn Zunge und Mund- muskulatur ruhen. Ich habe daher meine Versuche so angeordnet, daß ich in gleichmäßigen Pausen !/;, !/,, 2!/, und 4 Stunden nach der Mundwasserspülung den Bakteriengehalt in der Mundhöhle selbst bestimmte, um zu erfahren, ob die verschiedenen Mundwässer genügende Dauerwirkung besitzen. Diese Dauerwirkungist dereinzig entscheidende Punkt für die richtige Bewertung eines Mundwassers. Und um diese Dauerwirkung bei den verschiedenen Mitteln untersuchen zu können, dazu bedurfte es eben der von mir ge- wählten mühsamen Untersuchungsmethode. Ich stehe nicht an, alle Mundwasseruntersuchungen, die nicht nach der von Miller und mir ausgearbeiteten Methode im Munde selbst angestellt sind, einfach für segenstandslos zu erklären. Auch Herr Max Löwe sucht ja den Anschein zu erwecken, als handele es sich bei ihm um ähnliche, den natürlichen Verhältnissen an- gepaßte Versuche. Thatsächlich aber hat Herr Max Löwe nichts anderes angestellt als die allbekannten überflüssigen Reagenzglas- versuche nach Schema F. Er bestimmt lediglich die augenblick- liche Wirkung einer antiseptischen Lösung auf die von ihr um- flossenen isolierten Bakterien. Ob man zu solchen Versuchen irgendwelche künstlich gezüchtete Reinkulturen, oder ob man ausge- spülte Bakterien aus der Mundhöhle verwendet, das ist prinzipiell ganz gleichgiltig. Bei meinen Versuchen dagegen handelte es sich darum, festzustellen, welche Nachwirkung ein Mundwasser auf das Bak- terienwachstum in der Mundhöhle selbst habe. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge! Herr Löwe giebt nicht an, in welcher Zeit nach der Spülung er die Gelatineplatten gegossen hat. Es können sich aber da ganz ungeheuere Unterschiede ergeben, je nachdem man die Platten 1 Minute, 5 Minuten oder gar noch später nach der Mundspülung gießt. Denn man vergesse nicht: Bei Löwe’s Versuchen befinden sich die ausgespülten Mundbakterien inzwischen in einer antiseptischen Lösung, die während der ganzen Zeit bis zum Plattengießen weiter wirkt! Bei meinen eigenen Versuchen dagegen befanden sich die Mundkeime während der Zeit bis zum Plattengießen in indifferenter Kochsalzpeptonlösung. Eine Beeinflussung der Spalt- pilze und des Nährbodens war somit völlig ausgeschlossen, während bei Löwe’s Versuchen eine gewisse Menge des Antiseptikums mit auf den Nährboden übertragen wird. Dadurch kann unter Umständen das Wachstum der Keime erheblich behindert werden, und es entssehen erhebliche Fehlerquellen. Trotz Berücksichtigung aller dieser für Löwe’s Lieblingsmundwasser günstigen Fehlerquellen kommt mir die von ihm gefundene starke An- fangswirkung des protegierten Präparates aber dennoch immer noch recht verdächtig vor! Es wäre jedenfalls gut gewesen, wenn Herr Be Moderne Mundwasseruntersuchungen. 475 Löwe angegeben hätte, ob er ein im Handel gekauftes oder ein direkt von der Fabrik geliefertes Präparat geprüft hat). Ueber die Dauerwirkung der untersuchten Mundwässer geben Löwe’s Untersuchungen nicht den geringsten Anhalt. Ich möchte daher nur ganz kurz erwähnen, daß gerade das von Löwe so auffällig empfohlene Mundwasser zu den zweifelhaften Mitteln gehört, die nicht allein gar keine Dauerwirkung haben, sondern die schon nach !/, Stunde geradezu ein vermehrtes Bakterienwachstum in der Mundhöhle her- vorrufen! Indessen, der mehr oder weniger bakterientötenden Fähigkeit eines Mundcosmeticums messe ich persönlich durchaus nicht einen so über- mäßig großen Wert bei. Von viel wesentlicherer Bedeutung ist der zweite Teil meiner obengenannten Arbeit, in dem ich auf Grund einer peinlich exakten Experimentaluntersuchung die schon früher klinisch beobachtete schädliche Wirkung zahlreicher Mundantiseptica auf die Schleimhaut gradmäßig nachgewiesen habe. Als Gradmesser für den Eintritt der Entzündung diente mir dabei nicht nur die absolute Höhe, sondern vor allem auch die zunehmende Höhenkurve der abgestoßenen Epithelmassen an mehre- ren aufeinanderfolgenden Tagen. Bei jedem Menschen werden tagsüber regelmäßig die abgestorbenen Epithelzellen in der Mundhöhle abgestoßen. Die Masse dieser abge- stoßenen Epithelzellen ist durchaus nicht gering. Aber man beachte: Sie ist bei gesunden Mundverhältnissen an mehreren aufeinanderfolgen- den Tagen immer ungefähr gleich groß! Benutzt man dagegen ein ätzendes Mundwasser, dann bringt dieses zunächst eine Anzahl von tiefer gelegenen, noch lebenden Epithelzellen zum Absterben, und da- mit steigert sich die Menge der abgestoßenen Epithelmassen überhaupt. Vor allem aber bewirkt der immer wiederholte Reiz schädi- gender Mundwässer schließlich eine mit venöser Hyper- ämie einhergehende chronische Entzündung der Schleim- haut. Infolge dieser Entzündung wächst die Menge der abgestoßenen Epithelzellen im Laufe von mehreren aufeinanderfolgenden Tagen noch weiter an. Füllt man dann die Epithelmassen in gleich weite graduierte Glasröhrchen, dann erhält man gewissermaßen Entzündungskurven, die in ihrem Aussehen unseren bekannten Fieberkurven sehr ähnlich sehen. Mit allen diesen auf Grund peinlich exaktester Beobachtung gewon- nenen Thatsachen beliebt Herr Max Löwe sich einfach dadurch abzu- finden, daß er erklärt, er habe beim Gebrauche aller Mundwässer, auch bei der von mir ganz besonders hochgeschätzten physiologischen Koch- salzlösung, „starke“ Abstoßung der Epithelien gefunden! Selbstverständlich tritt die entzündungserregende Wirkung der schleimhautschädigenden Mundwässer nicht bei allen Leuten gleich rasch und gleich stark zu Tage. Die Natur liebt keine Uniform. Ein Reiz- mittel, das bei A nur eine vorübergehende leichte Rötung hervorruft, verursacht beim empfindlicheren B oft schon eine starke Entzündung. Das schlimmste dabei ist, daß unsere europäischen Stadtbewohner infolge ihrer überfeinerten Lebensweise an und für sich schon häufig an Ent- _ zündung des Zahnfleisches leiden, und daß es ihnen darum gar nicht ze allzusehr auffällt, wenn die Entzündung durch den Gebrauch schädlicher Mundwässer aufrecht erhalten oder gar gesteigert wird. 1) Siehe Röse, Die pflanzlichen Parasiten der Mundhöhle. p. 23 u. 24. a 476 C. Röse, Moderne Mundwasseruntersuchungen. Auf einer zahnärztlichen Versammlung in Hannover traf ich voriges Jahr einen sehr tüchtigen jüngeren Kollegen, den ich mehrere Jahre nicht gesehen hatte. Gleich bei den ersten Worten fiel mir sein hoch- rotes, entzündetes Zahnfleisch auf, und ich fragte ihn: „Herr Kollege, mit welchem Mundwasser mißhandeln Sie denn Ihr Zahnfleisch?“ Ant- wort: „Ich putze mit „X“. Anfangs dachte ich, der Kollege wollte einen Scherz machen, da ich kurz zuvor gerade vor diesem seifen- haltigen Präparate dringend gewarnt hatte. Indessen die Sache hatte schon ihre Richtigkeit. Nur war es dem Kollegen seltsamerweise nie aufgefallen, daß sein Zahnfleisch in einen ganz abnormen Zustand über- gegangen war. Diese chronischen Entzündungen verursachen eben in der Regel keine Schmerzen und werden darum wenig beachtet. Und wenn sie beachtet werden, dann spült man (um die Entzündung zu ver- treiben!) womöglich erst recht in ausgiebiger Weise mit demselben Mundwasser, das die Entzündung überhaupt erst hervorgerufen hat! Herr Max Löwe führt als Beweis für die vermeintliche Unschäd- lichkeit der Formalinpräparate das Zeugnis eines Berliner Polizeiarztes an, der schwache Formaldehydlösungen auf der sittenpolizeilichen Station benutzt und angeblich keine schädlichen Folgen davon beobachtet hat. Darauf ist zunächst zu bemerken, daß die abgehärtete Vaginal- schleimhaut einer Puella publica sehr wohl ab und zu ein Reizmittel vertragen kann, das eine gesunde, normale Mundschleimhaut bei regel- mäßiger Anwendung als Mundwasser mehrere Male tagsüber nicht verträgt. Schließlich aber möchte ich Herrn Max Löwe ein anderes Zeugnis entgegenhalten, dessen Gewicht wohl etwas schwerer in die Wagschale fallen dürfte, als die Meinung jenes einen Polizeiarztes: Unter den Mitteln, deren Anwendung bei der Fleischkonservierung der Deutsche Bundesrat vor wenigen Tagen wegen ihrer Schädlichkeit ver- boten hat, steht an erster Stelle: Borsäure und ihre Salze, an zweiter Stelle: Formaldehyd!!! Die Borpräparate galten viele Jahrzehnte hindurch fast in der ge- samten Aerztewelt als völlig unschädliche Mittel. Boraxlösungen werden ‘ leider heute noch vielfach bei Munderkrankungen kleiner Kinder (Aph- then) verschrieben, wo Alkoholpinselungen weit zweckmäßiger sein würden. Meine Versuche zeigten aufs deutlichste eine starke, schleim- hautschädliche Wirkung der Borpräparate, und ich begrüße es daher mit aufrichtiger Genugthuung, daß jetzt von höchster Stelle aus mit dem alten Schlendrian der unterschiedslosen Anwendung von Borpräparaten ebenso aufgeräumt wird, wie mit der unterschiedslosen Anwendung des neuen Modepräparates Formaldehyd. Be » Br Castellani, Upon a special method for the detection of the typhoid bacillus ete. 477 Nachdruck verboten. Upon a special method for the detection of the typhoid bacillus in the blood. [From the Jenner Institute of Preventive Medicine, London.] By Aldo Castellani, M.D., Assistant, Medical Clinic, Florence. At a recent meeting of the Societ@ des Höpitaux de Paris (1901. Dec. 27) M. Jules Courmont drew attention to the great diagnostic value that might be attached to the detection of the bacillus of enteric fever in the blood of patients, and described a method for isolating the organism from the general circulation. This method of obtaining cultures of typhoid bacilli from the blood, as used by M. Courmont, consists in the addition of at least 2—4 ccm of blood, immediately after its removal from the patient, to a large quantity of nutrient broth in flasks. The amount of broth used was 300 ccm or more. In this way it is possible to obtain pure cultures of typhoid bacilli directly from the blood. M.Courmont however has apparently overlooked the fact that his procedure is identical with the method first used by the writer and published three years ago (La Settima Medica. 1899. No.5 and Riforma Medica. 1900. No. 8 u. 9). And since then the method has been in con- stant use in doubtful cases of enteric fever in the Royal Medical Olinie of Florence. At the time when my experiments were carried out the search for the typhoid bacillus in the blood had not led to results of any great practical value. A few observers (Neuhaus, Silvestrini, Tiem- rich) stated that they had occasionally found the typhoid bacillus in the blood of the roseolae, but as regards the detection of the organism in the general eirculation the results were mainly of a negative cha- racter. The majority of observers (Chantemesse and Widal, Fraenkel etc.) failed to detect the bacilli, whilst in the few instances where positive results were obtained, the percentage was extremely low (Silvestrini, Tiemrich etc.). I was therefore led to re-study the question and my first experi- - ments were carried out in 1898 at the suggestion of Professor Pietro Groceco, Florence. In the first instance the methods of previous observers were followed, which consisted in the addition of a few drops of a patient’s blood to the ordinary laboratory culture media, e. g. beef broth etc. The blood of twelve patients undoubtedly suffering from enteric fever was tested in this fashion and in each instance the result was entirely negative. It then occurred to me to try the effect of adding the blood to large instead of small quantities of nutrient broth. In this way a great dilution of the blood would be brought about, and conse- quently of the agglutinins it contained, whilst there would occur at the same time a weakening of any bactericidal properties possessed by the blood serum. The technique followed was of a very simple character. By means of a sterilised syringe a few cubic centimetres of blood were taken aseptically from a vein of the patient at the bend of the elbow. 478 Castellani, Upon a special method for the detection of the typhoid baeillus etc. The blood was immediately added to several large flasks (5 to 6) each containing at least 300 ccm of faintly alkaline beef broth. The flasks were then incubated at blood heat. The method yielded most satis- factory results, inasmuch as I was able to detect the typhoid bacillus in the blood of 12 out of 14 patients examined. The bacilli were identified by means of the usual tests, viz: by cultivation on potato, milk, sugar, agar etc., as well as by the application of the aggluti- nation test. In some instances the bacilli only grew in one or two of the flasks which had been simultaneously inoculated, and this showed the advisability of using a series of flasks for each individual ex- periment. In a few instances, where the blood had marked agglutinating properties, the broth did not give the usual cloudy growth of typhoid bacilli, but remained clear, the growth accumulating as a deposit at the bottom of the flask. This deposit on shaking and microscopical exami- nation was found to consist of agglutinated typhoid bacilli. The patients, whose blood I tested, were either in the second or third week of the disease. In one instance, however, the blood was obtained as early as the first week, and the bacilli were found to be present, although the Gruber-Widal reaction was not obtained, as was to be expected in such an early stage of the disease. The case in addition was of a mild and atypical nature, whilst the fever was irregular and only lasted two weeks, without any roseolae or spleen enlargement. During the whole period no agglutinating properties appeared in the blood. It was only therefore by using the cultivation methods above described that a positive diagnosis was obtained. In two other doubtful cases the agglutination test was likewise negative, but the cultivation test yielded a positive result and established the diagnosis beyond doubt. These results have been confirmed more or less by subsequent observers (Auerbach and Unger, Stefanelli etc.), using the me- thod I have just described which they have found to be of practical value. The method is one which will tend to facilitate the detection of the typhoid bacillus in the blood, which has hitherto proved to be a matter of considerable difficulty, as well as to furnish valuable aid in the diagnosis of the disease in an early stage or in dubious cases where the agglutination test fails. The recent paper published by M. Courmont is confirmatory of the value of the writer’s method and its results. London, March 1902. References. Auerbach und Unger, Deutsche med. Mn SCH UEREE 1900. No. 49. Castellani, A., La Settimana medica. 1899. No. — Riforma medica. 1900. No. 8 u. 9. Chantemesse und Widal, Trait& de med. Charcot-Bouchard. Fraenkel, Deutsche med. Wochenschr. 1886. No. 1. Goldschmidt und Merkel, COentralbl. f. klin. Med. 1887. No. 20. Horst, A., Medizinalztg. 1889. J anowsky, Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. 1889. No. 20. Lucatello, Bolletino Accademia di Genova. 1886. Neuhaus, Berl. klin. Wochenschr. 1886. No. 6—24. Karl Hollborn, Züchtung der Trichophytiepilze in situ. 479 Silvestrini, La Settimana medica. 1896. No. 5—10. Stagnitta, Riforma medica. 1890. No. 239—240. Stefanelli, Rivista di critica medica. 1901. Tiemrich, Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. 1889. No. 20. Nachdruck verboten. Züchtung der Trichophytiepilze in situ. Bemerkung zu derselben von Dr. Karl Hollborn in Leipzig. In No. 5 dieser Zeitschrift (Bd. XXXI) teilt Herr Dr. Plaut, Hamburg, ein Verfahren mit, in feuchten Kammern die Trichophytie- pilze an den von ihnen befallenen Haaren zur Entwickelung zu bringen. Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß ich ein gleiches Verfahren - bereits im Jahre 1395 gelegentlich der Untersuchung eines Falles von Alopecia areata benutzt und in dieser Zeitschrift (Bd. XVIII. p. 109) erwähnt habe. | | Es freut mich, zu den gleichen Resultaten gekommen zu sein, wie | Herr Dr. Plaut. | | Ich bediente mich dieser Methode der Reinzucht von Pilzen später - bei verschiedenen Fällen von Herpes tonsurans, welche mir zur. Unter- suchung vorlagen, ferner bei einem Falle von Trichorrhexis nodosa der - Barthaare eines Mannes. In letzterem Falle isolierte ich einen spezi- fischen Mucor, dessen Reinkultur im Zustande der Sporangienbildung, mit wasserhaltigem Lanolin verrieben, fähig war, an den vorher mit einer Schere beschnittenen Schweifhaaren eines Pferdes das typische Bild der Trichorrhexis nodosa zu erzeugen. Dieses blieb ungefähr 3—4 Wochen bestehen. Nach dieser Zeit hatten die Haare ohne An- wendung von Hilfsmitteln ihren natürlichen Zustand wieder ange- nommen, bezw. waren die erkrankten, mit zahlreichen Knötchen be- setzten Haare, welche sich leicht durch bloßes Abstreifen entfernen ließen, ausgefallen. Aus den erkrankten Haaren konnte der Pilz wieder gezüchtet werden. Im Anschlusse hieran möchte ich noch kurz erwähnen, daß ich zusammen mit Herrn Dr. Hegler in Rostock versuchte, in ähn- licher Weise die Mycelien der Uredineen zu isolieren, nachdem es uns nicht gelungen war, dieselben durch Sporenaussaat auf eigens zu diesem Zwecke hergestellten Nährböden zur Entwickelung zu bringen. So wurden z. B. für Gymnosporangium Sabinae Abkochungen von Sadebaumholz, sowie von Birnblättern benutzt als flüssige Nähr- böden; ferner, dieselben mit 2 Proz. Agar-Agar resp. 10 Proz. Gelatine versetzt, als feste Nährmedien. Für Puceinia Malvacearum dienten Nährböden aus Malven- blättern, für Puceciniagraminis solche aus Gräsern und Berberitzen- blättern etc. In keinem Falle gelang es, die Sporen auf den verschiedenen Nähr- böden zur Bildung eines Myceliums zu bringen. Wohl wurden aus 480 Karl Hollborn, Züchtung der Trichophytiepilze in situ. Teleutosporen die Keimschläuche ausgetrieben, aber damit hörte die weitere Entwickelung auf. Ich benutzte nun die oben erwähnte Methode der feuchten Kammer, indem ich die erkrankten Pflanzenteile mittels steriler Schere durch- schnitt an den Stellen, wo die Mycelfäden der Rostpilze vorhanden waren, und die abgeschnittenen Stückchen direkt in sterile feuchte Kammern brachte. Die hier sich bildenden Luftmycelien wurden auf Nährböden übertragen. Ein unter anderen Nährmedien benutzter Rüben- saftagar besaß die Eigentümlichkeit, daß die aus verschiedenen Pflanzen (Juniperus, Sabina, Malva, Berberis, Secale cereale etc.) isolierten Mycelien auf ihm sämtlich gleichmäßig mit schön roter Farbe wuchsen. Im Laufe der Zeit bildeten sich an den Mycelien eigentüm- liche Fruchtkörperchen (Ascusfrüchte?). Leider mußten damals infolge eingetretener besonderer Umstände die Arbeiten unterbrochen werden. So konnte auch die Identität der auf diese Weise erhaltenen Mycelien mit den Mycelien der Rostpilze durch Uebertragung auf keimende und wachsende Pflanzen nicht fest- gestellt werden. Vielleicht giebt aber diese kurze Notiz eine Anregung zur Wieder- holung und Fortführung der beschriebenen Versuche. Inhalt. Originalmitteilungen. Castellani, Aldo, Upon a special method for the detection of the typhoid bacillus in the blood, p. 477. Feistmantel, Carl, Säure- und Alkohol- festigkeit der Streptothrix fareinica und die Beziehungen der Streptothricheen zu den säurefesten Pilzen, p. 433. Grimm, Max, Einige Bemerkungen zu Herrn Issatschenko’s Arbeit „Unter- suchungen über einen neuen für Ratten pathogenen Mikroben“, p. 459. Hollbkorn, Karl, Züchtung der Tricho- phytiepilze in situ, p. #79. Joseph u. Piorkowski, Beitrag zur Lehre von den Syphilisbaeillen, p. 445. Lipstein, A., Die Komplementablenkung bei bhaktericiden Reagenzglasversuchen und ihre Ursache, p. 460. Lode, A., Notizen zur Biologie des Er- der Kyanolophie der Hühner, Röse, C., Moderne Mundwasserunter- suchungen, p. 473. Schilling, 2. Bericht über die Surra- Krankheit der Pferde und Rinder im Schutzgebiete Togo, p. 452. Wendelstadt, H., Ueber die Vielheit der Amboceptoren und Komplemente bei Hämolyse, p. 469. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. _ CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXT. Band. —- Jena, den 25. April 1902. —— No. 11. Preis für den Band (50 Bogen) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Originai-Mitteilungen. Nachdruck verboten. Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. - [Aus dem Institut für Hygiene und Bakteriologie der Universität Straß- 5 burg i. E. (Direktor Prof. Dr. J. Forster).] Von Margarete Breymann. Schon vor Anbruch der bakteriologischen Aera hat das Phänomen des blauen Eiters die Forscher lebhaft interessiert; man führte es zu- erst auf eine Zersetzung von Blut- und Gallenfarbstoff zurück (1); Longuet gab 1873 die etwas gekünstelte Erklärung, daß das bei der Wundbehandlung angewandte Jod unter dem Einfluß des in der Luft _ enthaltenen Ozons die stärkehaltigen Verbandstoffe bläute. Andere haben seit 1813 einen Mikroorganismus als Urheber der in Rede stehenden Erscheinung vermutet. Lücke giebt 1862 als erster eine einigermaßen genaue Beschreibung eines Spaltpilzes im blauen Eiter; Bi x Erste Abt, XXX1I. Bd. 32 4 482 Margarete Breymann, allerdings spricht er von einem Vibrio. 1882 erhält Gessard zum erstenmale Reinkulteren des Bacillus des blauen Eiters, und 1888 ent- wickelt Ledderhose (2) die chemische Formel des von Fordos (1) isolierten Pyocyanins. Bei diesen Forschungen hatte sich die Pathogenität des Bacillus pyocyaneus für die meisten Versuchstiere herausgestellt, und zwar sprachen verschiedene Thatsachen dafür, daß es sich dabei nicht nur um die invasiven und mechanischen Wirkungen der injizierten und sich schnell vermehrenden Bakterien handle. Es lag also nahe, den neu gefundenen Farbstoff daraufhin zu prüfen, ob in ihm das wirksame Agens für die auftretenden Krankheitserscheinungen zu suchen sei. Bei jedem Experiment trat aber unzweideutig die Ungiftigkeit des Pyo- cyanins zu Tage: Ledderhose (2), Charrin (3) und in den letzten Jahren Legros (4) injizierten es Tauben, Meerschweinchen und Kanin- chen, ohne daß sich bei diesen die geringste Störung gezeigt hätte. Da erschien 1889 die Monographie Charrin’s „La maladie pyo- cyanique“ (3), in der er zeigt, welch ein günstiges Objekt der Bacillus pyocyaneus darstellt für das Studium der giftigen Stoffwechselprodukte der Bakterien, der Toxine, mit denen damals die Hauptforscher auf jenem Gebiet sich eifrig beschäftigten. Charrin’s Anregung folgend, haben im letzten Decennium des verflossenen Jahrhunderts viele Autoren Veröffentlichungen gebracht über die Produkte des Stoffwechsels unseres Bacillus, die der Frage von den verschiedensten Seiten näherzutreten versuchen. Hatte man doch inzwischen gelernt, dieselbe in manchen Beziehungen präciser zu stellen, sie mehr ins Detail auszuarbeiten. Man suchte zu entscheiden, ob die von Charrin gefundenen Toxine als lösliche Stoffwechselprodukte der Bakterien aufzufassen sind oder als Bestandteil der Bakterienleiber; man suchte sie nach ihrer Wirkung auf verschiedene Substrate im einzelnen zu charakterisieren, und wenn auch die Idealforderung, sie chemisch definieren zu können, noch ihrer Erfüllung harrt, sind wir doch dahin gekommen, einzelne Substanzen nach eben diesen Wirkungen scharf herausheben zu können. Wenn ich noch kurz die Thatache streife, daß durch die Ehrlich’schen Theorieen und die aus ihnen resultierende Serumtherapie die Kenntnis der Stoffwechselprodukte der Bakterien auch einen großen praktischen Wert gewonnen hat, so wird man den nachfolgenden Versuchen, die ich auf Anregung von Herrn Prof. E. Levy in Straßburg i. E. unter- nommen habe, ihre Berechtigung nicht absprechen. Während der Sommermonate 1901 habe ich im Institut für Hygiene und Bakteriologie der Universität Straßburg unter Leitung der Herren Professoren J. Forster und E. Levy einige Fragen aus diesem Gebiet nach den neueren Methoden einer nochmaligen Prüfung unterzogen und will in folgendem kurz über die Ergebnisse berichten, im Zusammenhang mit der einschlägigen Litteratur. Charrin hat die Erscheinungen der Pyocyaneus-Infektion sehr genau studiert (3). Er kommt schon bei Besprechung der klinischen Symptome, die sich ausbilden, wenn man einem Kaninchen virulente Kultur injiziert, derartig, daß die Krankheit sich in chronischer Weise — entwickelt, zu dem Schlusse, daß ein großer Teil der Wirkung auf In- ° toxikationsvorgänge zurückzuführen sei, so besonders die Zuckungen und spastischen Lähmungen, die nach einem ganz bestimmten Typus auftreten. Dieser ursprünglich theoretischen Annahme konnte Charrin den experimentellen Beweis folgen lassen. Pasteur hatte 1830 zum erstenmal die Stoffwechselprodukte eines Bakteriums isoliert (5), indem 7 a Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. 483 er Kulturen von Bacillus cholerae gallinarum filtrierte und mit diesem Filtrat, allerdings erst nach Einengung von sehr großen Mengen, ein typisches Symptom der Hühnercholera, Somnolenz der Ver- _ suchstiere, erzeugte. Nach seinem Vorgang stellte Charrin ein ana- loges Filtrat von Pyocyaneus-Kulturen dar, injizierte dasselbe Meer- schweinchen und Kaninchen und beobachtete bei letzteren dieselben _ Lähmungen wie nach der Infektion mit den virulenten Bakterien. Diese Lähmungen sollen sich in der Hauptsache auf die hinteren Extremitäten -_ erstrecken und sowohl ein- als doppelseitig auftreten; in Chloroform- narkose verschwinden sie, die Sensibilität ist dabei im allgemeinen abge- _ stumpft, doch stellt sich zuweilen beim Beklopfen der Bauchwand gesteigerte Schmerzempfindung ein. Keiner der vielen Autoren, die seit dieser Beobachtung Charrin’s mit den sterilisierten und filtrierten Kulturen von Bacillus pyocyaneus arbeiteten, hat dieses Phänomen der - Lähmung zum zweitenmal konstatiert. Jedenfalls dürfte Charrin (6) zu weit gegangen sein, wenn er 1895 bei Gelegenheit einer ergänzenden _ Beschreibung dieser Extremitätenspasmen den Symptomenkomplex als „Epilepsie spinale experimentale“ bezeichnet und ihn bei Erklärung _ der Aetiologie von Tabes und Lateralsklerose verwerten will. Vorweg- genommen sei hier, daß ich selbst bei den entsprechenden Versuchen, obgleich ich die Tiere wochenlang nach der Injektion kontrollierte, nie etwas von diesen Lähmungen bemerkt habe. Die weiteren Beobachtungen Charrin’s, die auf meist intravenöser Injektion von Pyocyaneus-Filtrat beruhen, werden von ihm selbst als nicht pathognomonisch für die „Maladie pyocyanique“ bezeichnet. Bei einmaliger Injektion von 60—80 cem Filtrat einer 8-tägigen Bouillon- kultur erhält er beim Kaninchen Diarrhöen; giebt er sehr große Mengen von Filtrat, so sterben die Tiere und zeigen bei der Sektion ausgedehnte Hämorrhagieen im Intestinaltraktus. Stellt er das Versuchstier längere Zeit unter die Toxinwirkung, indem er 3 Wochen hindurch jeden 2. oder 3. Tag eine Injektion von 15—20 ccm Filtrat macht, so resultiert Albuminurie. Gar keine Reaktion von seiten des Versuchstieres tritt auf, wenn das Filtrat, selbst in großen Dosen, verfüttert wird; unter Anwendung der vorher erwähnten Einverleibungsmethoden bildet sich bei den stärker affızierten Tieren ein chronisches Siechtum aus, das einhergeht mit allmählicher Gewichtsabnahme, allgemeiner Kachexie und schließlich den Tod herbeiführt. Bei der Sektion sind im Blute und in den Organen keine Mikroorganismen nachzuweisen. Charrin benutzt die in dieser Versuchsreihe erhaltenen Ergebnisse, um einen großen Teil der bei dem Verlauf der Infektion mit lebendem Pyocyaneus auf- tretenden Erscheinungen auf die Wirkung der von ihm im Tierkörper gebildeten Stoffwechselprodukte zurückzuführen. Wassermann (7) verfügt 1897 über ein virulentes „Pyocyaneus-Gift“, 1—2 cem töteten ein Meerschweinchen in 8—12 Stunden. Leider fehlt aber die genaue Angabe, ob er mit reinem Filtrat arbeitete, oder ob er wie 1896 (8) die Bouillonkulturen nur mit Toluol abgetötet hat. Schepilewsky (9) ‚giebt 1899 an, daß er durch Injektion von 50—75 cem Pyocyaneus- Toxins beim Kaninchen langdauernde Krankheit und Gewichtsabnahme erzeugt habe. Weingeroff (10) endlich benutzt bei seinen noch aus- führlich zu besprechenden Experimenten über das Hämolysin des Pyo- eyaneus die Angabe der Toxicität gleichsam als Charakteristikum der einzelnen Filtrate. Von einer 14-tägigen Bouillonkultur, die noch 5 Monate bei Zimmertemperatur aufbewahrt wurde, vermochte die subkutane In- 32* Zi u u a u ee —— ee ei ui ee 484 Margarete Breymann, jektion von 15 cem ein 1,5 kg schweres Kaninchen nicht zu töten, sondern bewirkte bei ihm nur ein vorübergehendes Sinken des Körpergewichtes. Von den Filtraten anderer gleichaltriger Kulturen dagegen bewirkte die Injektion von 10 ccm den Exitus von Kaninchen derselben Größe in 5 resp. 3 Tagen. Im folgenden gebe ich eine Uebersicht über die von mir ausgeführten Versuche. Ich experimentierte mit einem Stamme von Bacillus pyocyaneus aus der Sammlung des Institutes für Hygiene und Bakteriologie der Universität Straßburg, der um das Jahr 1900 aus grünem Empyemeiter der dortigen chirurgischen. Klinik gewonnen wurde. Die Virulenz des Bacillus suchte ich durch häufige Tierpassagen möglichst zu steigern, ein unbedingtes Erfordernis, auf das unter anderen Weingeroff (10) wieder aufmerksam macht. Die Kaninchen, denen ich regelmäßig 2 ccm 2-tägiger Bouillonkultur von Bacillus pyocyaneus subkutan injizierte, starben nach durchschnitt- lich 40 Stunden, die Meerschweinchen, die 1 ccm Kultur oder Peritoneal- | exsudat eines schon infiziert gestorbenen Tieres gleicher Gattung er- hielten, nach beiläufig 16 Stunden. Trotz dieser nicht ungewöhnlich niedrigen Virulenz ist es mir nicht gelungen, eine sehr hohe Toxicität der Filtrate zu erzielen. Die geimpften Bouillon- kolben wurden bei 37° gehalten. Alle 2—-3 Tage wurde die Bakterien- haut, die sich auf der Oberfläche gebildet hatte, durch Umschütteln zerstört. Nach verschieden langer Zeit (s. die Tabellen) wurden die Kulturen durch ein Ohamberland-Filter gepreßt und mit dem Filtrat die Versuchstiere, als die mir weiße Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen dienten, injiziert. Vor dem Filtrieren wurden Agarplatten von den einzelnen oder zusammengegossenen Kulturen gefertigt, um ihre Reinheit festzustellen; von dem Filtrat wurden 1—2 ccm in eine größere Menge steriler Bouillon übertragen und durch ein Klarbleiben derselben die Keimfreiheit der Flüssigkeit erwiesen. Die Injektionen führte ich sämtlich subkutan aus. Die Stichkanäle wurden mit Collodium verklebt. Tabelle A. Filtrat von 2-tägiger Pyocyaneus-Bouillonkultur. Tierspecies Injizierte Menge Bemerkungen Maus 1,0 ccm Am Tage nach der Injektion schwach; 2 | 2 Tage darauf gesund. E. Meerschweinchen 1 20 ccm 5 Tage nach der Injektion zeigt die Bauch- wand eine nekrotische Stelle; 13 Tage nach der Injektion ist das Tier gesund. Meerschweinchen 2 40 ccm 5 Tage nach der Injektion ist das Tier sehr abgemagert; ausgedehnte Stellen der Bauchwand sind nekrotisch; 13 Tage nach der Injektion ist das Tier gesund. Kaninchen 1 50 cem 5 Tage nach der Injektion ist das Tier krank; es hat einen Absceß in der ist das Tier gesund. Kaninchen 2 100 cem Nach 5 Tagen Exitus. | Sektion: Tier ist sehr abgemagert; an ein Hautabsceß ; wenig Peritonealflüssig- Keime nachweisbar. Bauchwand; 18 Tage nach der Injektion E: der Thoraxabdominalgrenze findet sich 3 _ keit. Organe normal. In Kulturen von den Organen sind keine pathogenen u er re u 6 Vu j Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. 485 u 2 Tabelle B. Injektionen mit Filtrat von 7-tägiger Bouillonkultur. ! i Injizierte RN Tierspecies Menge Gewicht Bemerkungen Maus 1,0 cem Nimmt wenig ab; am/Die ersten Tage nach der Injektion 4. Tage auf ur- schläfrig und matt; erholt sich sprünglichem Ge-| wieder. wicht. Meerschweinchen 1 20 cem |Von427 g in 10 Tagen | auf 337 g; 4 Wo- chen nach der In- jektion auf ur- sprünglichem Ge- wicht. Von 537g in 14 Tagen auf 452 g; 4 Wo- chen nach der In- jektion auf ur- sprünglichem Ge- wicht. Meerschweinchen 2 | 40 ccm 50 cem 'Von1l5l5grin”7 Tagen ' auf 1335 &; 6 Wo- chen nach der In- jektion auf. ur- sprünglichem Ge- wicht. | 100 cem /Von 1710 & in 16/Exitus am 16. Tage nach der In- Tagen auf 1360 g. | jektion. Sektion: Tier ist stark abgemagert ; am Nabel findet sich ein 50 Pf.- | Stück großer Schorf, der trocken | ist; darunter eine cirkumskripte | | | Eiterung, die sich nicht in die Kaninchen 1 Kaninchen 2 | | Bauchhöhle fortsetzt. Die Peri- | ‚tonealflüssigkeit ist etwas ver- mehrt, das Peritoneum spiegelnd, nirgends Adhäsionen. Auf der Serosa des Processus vermiformis finden sich zahlreiche punkt- förmige Blutungen. Thoraxorgane ohne Besonderheiten. Mikrosko- pisch und kulturell keine Mikro- organismen in Milz, Peritoneal- flüssigkeit und Herzblut nachzu- weisen. Es erhellt aus diesen Tabellen, daß von den untersuchten Tieren die Maus am wenigsten, fast gar nicht, auf die Einspritzung von Pyo- eyaneus-Filtrat reagiert. Man muß berücksichtigen, daß 1 ccm für ein Tierchen von 15—20 g Körpergewicht ebensoviel ausmacht wie 100 cem für ein größeres Kaninchen. Kaninchen und Meerschweinchen zeigten sämtlich, sobald sie eine 50 cem übersteigende Injektion erhalten hatten, eine lokale Reaktion, indem sich in übereinstimmender Weise in der | Bauchhaut — auch bei den am Rücken injizierten Tieren — eine Ver- härtung ausbildete, die bei den überlebenden Individuen allmählich zu- rückging, oft unter Abstoßung des bedeckenden Hautstückes. Unter den benutzten Meerschweinchen habe ich keinen Todesfall zu ver- zeichnen, der der Einverleibung von Pyocyaneus-Filtrat zuzuschreiben wäre; denn das Meerschweinchen 4 der Tabelle C ist sicher nur der { 486 Margarete Breymann, Tabelle ©. Injektionen mit Filtrat von 50-tägiger Pyocyaneus-Bouillonkultur. Tierspecies Maus 1 Maus 2 Meerschweinchen 1 Meerschweinchen 2 Meerschweinchen 3 Meerschweinchen 4 Meerschweinchen 5 | Kaninchen 1 Kaninchen 2 Kaninchen 3 Kaninchen 4 | 50 cem Injizierte Menge 0,5 cem 1,0-,ccm 5,0 ccm 10,0 cem 20,0 cem 40,0 ccm 40,0 ccm 10 ccm 20 ccm ‚100 cem (war vier) Tage mit Toluol versetzt, ı das vor der In- jektion mittels des Schei- detrich- ters ent- fernt für sein Körpergewicht zu großen Flüssigkeitsmenge erlegen. Einwirkung dieses Faktors in den mehr chronisch verlaufenden Fällen überblicken zu können, habe ich subkutane Injektionen mit normaler Bouillon gemacht, in der noch keine Bakterien gewachsen waren, und wurde). Gewicht sDL.s Bei Injektion 682 g 2 Tage später 602 g 6 Tage nach Inj. 632 g Bemerkungen Am 1. Tage nach der Injektion reagiert das Tier schlecht auf Be- rührungen, ist träge; am 2. Tage ist es gesund. Wie Maus 1. 2 Tage nach Injektion schwach; 12 Tage nach Injektion gesund. .|12 Tage nach der Injektion ist die Bauchhaut zum Teil nekrotisch, der Bauch druckempfindlich; 20 Tage nach der Injektion gesund. 12 Tage nach der Injektion ist ein Stück Bauchhaut nekrotisch, die Umgebung etwas entzündet; 2 Monate nach der Injektion Exitus; die Sektion zeigt, daß keine In- fektion vorliegt. (Altersschwäche ?) 2 Stunden nach der Injektion Exitus; die Flüssigkeit ist noch zum größten Teil unresorbiert unter den Bauchdecken. In den Lungen finden sich Stauungsblutungen. dann allmähliches Fortsetzung s. später. Zuerst etwas matt; am 2. Tage ge- sund. 12 Tage nach der Injektion ist die nach der Injektion ist das Tier gesund. Am Tage nach der Injektion ist das Tier etwas geschwächt; es richtet sich, wenn es umgeworfen wird, nicht gut auf. 2 Tage nach der Injektion ist das Tier noch etwas schwach, aber sonst normal. gesund. das Tier ganz gesund. 7 Tage nach der Injektion erfolgt Exitus. in den Bauchdeeken über der Lebergegend findet sich ein Haut- absceß; wenig Peritonealflüssig- keit. Kulturen aus Herz, Milz, Leber, Peritonealflüssigkeit bleiben steril. 2 Tage nach Injektion schwach, Sicherholen. Bauchhaut nekrotisch; 20 Tage 3 12 Tage der Injektion ist das Tier i Am Tage nach der Injektion scheint Sektion: Tier ist sehr abgemagert; Um die % ' SI Ei. Fer Pe SEE Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. 487 zwar habe ich je einem Meerschweinchen und einem Kaninchen die größte Menge Flüssigkeit injiziert, die ich in den Tabellen A, B und © für die jeweilige Tierart benutzt hatte. Kaninchen: Meerschweinchen: 100 cem normale Bouillon. In 4 Tagen 40 cem normale Bouillon. In 2 Tagen von 2816 g auf 2612 g; 17 Tage nach von 659 g auf 604 g; 8 Tage nach der a Injektion wiegt das Tier wieder Injektion wiegt das Tier wieder 675. g. N g. Daß die Meerschweinchen bei Behandlung mit Pyocyaneus-Filtrat zwar eine Abnahme des Körpergewichtes zeigen, aber die eingeführte Schädlichkeit doch schließlich überwinden, stimmt zu Charrin's An- gabe, nach welcher die Meerschweinchen seltener den typischen Verlauf der Maladie pyocyanique zeigen. Er führt seine Experimente über die Filtratwirkung fast ausschließlich an Kaninchen aus. Meine Be- mühungen, diese Tiere mit dem Pyocyaneus-Filtrat zu töten, waren erfolgreich, sobald ich 100 cem der Flüssigkeit injizierte. Die Er- scheinungen, unter denen der Exitus eintrat, waren die der Kachexie; der Sektionsbefund zeigte bei jedem einzelnen Fall, daß keine Bakterien im Spiele waren. Die toxische Natur der Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus ist somit, wenn große Mengen angewendet werden, außer Zweifel. Dagegen erlaubt mir die geringe Virulenz meiner Kulturen nicht, ein abschließendes Urteil zu fällen über die Frage, ob das Alter der das Filtrat liefernden Kultur einen erheblichen Einfluß auf seine Giftigkeit ausübt. Charrin hat dann auch die Frage in Angriff genommen, ob sich das Pyocyaneus-Gift in mehrere Be- standteile zerlegen läßt. 1890 (11) und 1891 (12) bringt er mit Gley zusammen die Angabe, daß die Stoffwechselprodukte von Bacillus pyocyaneus die Erregbarkeit der vasodilatatorischen Centren herab- setzen, und zwar soll, wie sie in der zweiten der citierten Arbeiten aus- führen (12) und wie Charrin allein in einer späteren Veröffentlichung bestätigt (13), diese Wirkung besonders hervortreten, wenn man sowohl die durch Alkohol fällbaren als die in ihm löslichen Stoffwechselprodukte ausscheidet und nur mit den „flüchtigen“ Substanzen experimentiert. Das Snellen-Schiff’sche Phänomen, nämlich die Rötung des Kaninchen- ohres nach Durchschneidung des Halssympathicus soll bei dieser Ver- suchsanordnung bisweilen ganz ausbleiben. Diese Erscheinung muß nach Charrin dann eine Abnahme der Diapedese der weißen Blut- körperchen zur Folge haben, wodurch die den Bakterien verhängnisvolle Phagocytose (14) beschränkt wird (11). Er will diese vasokonstriktorische Wirkung der Stoffwechselprodukte unseres Bacillus sogar therapeutisch verwerten und behauptet, bei 5 Fällen von Hämoptoäö und 3 Fällen von Melaena von der Behandlung mit den sterilisierten Kulturen von Bacillus pyocyaneus (15) gute Erfolge gesehen zu haben; nach seinen Experimenten hätten diese wohl auch mit den Filtraten sich er- geben müssen. Die von Charrin für die Symptomatologie der Pyo- eyaneus-Intoxikation als ausschlaggebend angesehene spastische Läh- mung will er durch die in Alkohol löslichen Stoffwechselprodukte, nachdem er sie noch dialysiert hat, erzeugen; später hat er auch eine Wirkung dieser Gruppe auf die Herzthätigkeit gefunden (13); die nicht in Alkohol löslichen Produkte sollen die Ursache für die Abmagerung, die Diarrhöe, die Albuminurie und die Hämorrhagieen sein. Ich habe einen Versuch unternommen, um festzustellen, ob die Stoff- wechselprodukte durch Eindampfen in ihrer Wirkung beeinträchtigt würden. 488 Margarete Breymann, 100 ccm eines D0-tägigen Pyocyaneus-Bouillon-Filtrates, das 14 Tage mit Toluol versetzt war, wird, nachdem das Toluol mittels Scheidetrichters entfernt ist, im Vacuum bei einer Temperatur, die 38° nicht übersteigt, bis zur Syrupdicke eingedampft, dann etwas sterile Kochsalzlösung hinzugesetzt. Es entstehen so 4 cem Flüssigkeit, die subkutan einem Kaninchen injiziert werden. Vor der Injektion: 2537 8 5 Tage nach Injektion: Tier matt 7 : gesund 2530, Ein Vergleich mit dem Kaninchen 4 in Tabelle C- zeigt, daß den flüchtigen Stoffwechselprodukten, die beim Verdampfen verloren gehen, ein beträchtlicher Teil der Giftigkeit zuzuschreiben ist. Die Hämorrhagieen habe ich in meinen Tierversuchen einmal in größerer Ausdehnung konstatieren können. Das Sektionsprotokoll des Kaninchens 2 von Tabelle B besagt, daß sich auf der Serosa des Pro- cessus vermiformis zahlreiche punktförmige Blutungen vorgefunden hätten. Inwieweit diese schon von Charrin (3) hervorgehobene Neigung der mit Pyocyaneus oder mit seinen Toxinen infizierten Tiere zu Hämorrhagieen in Verbindung gebracht werden darf mit dem Fall Neumann’s (16), der bei einem 13 Tage alten Kinde mit Ikterus, Petechien und Schleimhautblutungen den Bacillus pyocyaneus in Reinkultur aus Blut und Organen gezüchtet hat, ist nicht ohne weiteres zu entscheiden. Ueber die Fieberkurven nach Injektion von Pyocyaneus-Filtrat bringt Charrin in seinem grundlegenden Werk (3) die Angabe, daß dabei eine Temperaturerhöhung von durchschnittlich 2,5° C auftritt; die Bestätigung hierfür findet sich bei Kanthack (17), der von einem inten- siven Fieber spricht und nach Abfall desselben eine vermehrte Leuko- cytose im Blute beobachtet hat. Die oben erwähnten vasokonstriktorischen Folgeerscheinungen und dieses Fieber mögen wohl zusammenwirken, um die Steigerung des arteriellen Blutdruckes zu erklären, die Charrin und Teissier für den Menschen nach Injektion von Pyocyaneus- Filtrat gefunden haben (18). Eine cirkumskripte Wirkung irgend einer Schädlichkeit auf eine bestimmte Region des Tierkörpers stellt sich häufig als Eiterung dar. Es wäre gewiß ein schwerwiegender Beweis für die spezifische Toxieität der Filtrate von Pyocyaneus, wenn nach Injektion derselben eine Eiterung zu stande käme, die bei bakteriologischer Untersuchung natürlich steril sein müßte. Charrin selbst spricht sich nicht ganz klar über diesen Punkt aus; bei Meerschweinchen (3), die nach seiner Erfahrung der Allgemeinerkrankung weniger zugängig sind, hat er am Orte der Injektion von Pyocyaneus-Filtrat gewöhnlich „Geschwürs- bildung“ beobachtet, die mit einem Substanzverluste und Narbenbildung endigte; darüber, ob Eiterproduktion dabei erfolgte, spricht er sich nicht aus; auch als er später aus den Filtraten 3 große Gruppen von Stoffen isoliert, je nach ihrem Verhalten zum Alkohol und zur Wärme, giebt er bei keiner dieser Gruppen die Eiterung als spezifische Wirkung an (12 u. 13). Nach Jakowski’s Angabe (19) hat Wyssokowicz nach Injektion von Stoffwechselprodukten des Bacillus pyocyaneus Abscesse erhalten. Ich habe bei den Beobachtungen der in den obigen Tabellen ge- nannten Tiere nach Injektion selbst der größten Mengen immer nur are sr te BEER DTEN. Se up . AR: Ba Trac Pa Be ern Pr Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. 489 Eiterung an der Stelle gesehen, wo die Flüssigkeit eingeführt wurde, oder an der sie sich angesammelt hatte; dieser Eiterung ging zudem immer die Abstoßung eines Stückes Bauchhaut nach dem Typus der trockenen Mumifikation voraus, und es ist sehr wohl möglich, daß die so entstandene Wundfläche sekundär mit Staphylokokken infiziert wurde, die sich in geringer Zahl im Eiter nachweisen ließen. In neuerer Zeit hat sich die Aufmerksamkeit besonders einem Ge- webe des tierischen Körpers und seinem Verhalten zu den Stoffwechsel- produkten der Bakterien, dem Blute, zugewandt. Es hängt dies zu- sammen mit den großen, jetzt zur Diskussion gestellten Problemen der natürlichen und künstlichen Immunität, mit der Lehre von den Toxinen und Antitoxinen, die Ehrlich in seiner Seitenkettentheorie in genialer Weise ausgebaut hat, die aber jetzt von anderer Seite scharf ange- griffen wird. Schon Charrin ist mit wenig Worten in seiner öfter eitierten Monographie (3) auf diese Seite der Materie eingegangen; allerdings kann in diesem Falle die neuere, präciser ausgebildete Methodik seine Ergebnisse nicht bestätigen. Er stellte mit Loye zusammen die Be- hauptung auf, daß die löslichen Stoffwechselprodukte unseres Bacillus keinen Einfluß auf die Hämoglobinmenge im Kaninchenblut haben und ferner, daß rote Blutkörperchen vom Kaninchen, die, geschützt vor Luft- zutritt, in den Filtraten aufbewahrt werden, noch nach 6 Tagen keine Veränderung darbieten. Dem treten zuerst die Angaben von Bianchi- Mariotti entgegen (20), der eine der injizierten Filtratmenge pro- portionale Hämoglobinabnahme im Kaninchenblute erzeugt hat. Nach demselben Autor nimmt die Isotonie des Blutserums, d. h. seine Eigen- schaft, die Erythrocyten unaufgelöst eirkulieren zu lassen, ab, wenn Filtratdosen injiziert werden, die 2—6 ccm pro Kilogramm Körpergewicht überschreiten. Ehe aber die neueren Forschungen auf diesem Gebiete erwähnt werden, die darauf hinzielen, den Einfluß der Stoffwechselprodukte unseres Bacillus auf das Blut in vitro darzustellen, ist es nötig, noch- mals auf die Toxicitätsfrage zurückzugreifen und an ihr zu prüfen, ob die im vorigen für das Filtrat eruierten Eigenschaften auf lösliche Stoffwechselprodukte der lebenden Bakterien zu beziehen sind, oder ob in die Filtrate nur ausgelaugte Stoffe aus den Bakterienleibern diffun- dieren und demnach die Bakterienleiber als solche dieselben Wirkungen in viel stärkerem Maße besitzen. Die Entscheidung dieser Frage muß an dieser Stelle versucht werden, weil sie für die Hämolysinversuche nicht ohne Wichtigkeit ist. Schon ehe Charrin seine Kulturen filtrierte und das bakterienfreie Filtrat zur Injektion benutzte, hat Ledderhose die Vermutung ausgesprochen (2), daß die Rolle der Stoffwechselprodukte des Bacillus eine wichtige sei in der Pathogenese der von ihm ver- ursachten Erscheinungen; er sterilisiert Bouillonkulturen durch Erhitzen auf 60° für eine Stunde 5—6 Tage hintereinander oder bei 100° im Dampfapparat. Von dieser Masse, welche Bakterienleiber und ihre Stoffwechselprodukte zusammen enthält, injiziert er 0,5 ccm intraperitoneal und erhält bei einem Meerschweinchen einmal nach 3 Tagen den töd- lichen Ausgang, sonst aber nur schwere Allgemeinerscheinungen, die nach einigen Tagen zurückgehen. Daß diese sterilisierten Kulturen die entzündungserregende Eigenschaft im geringeren Grade besitzen als virulentes Material, erklärt er damit, daß von diesem mehr Stoffwechsel- produkte in das Blut abgeschieden werden können, als die ein für alle- 490 Margarete Breymann, mal feststehende Menge, die in der sterilisierten Kultur enthalten ist, beträgt. Ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, steht also Ledder- hose auf dem Standpunkte, daß die Bakterien als solche keine toxischen Substanzen enthalten. Folgende Ansicht vertritt Charrin (3): er will eine deutliche Zunahme der Toxiecität im Vergleich zu der der Filtrate bemerkt haben, wenn er die auf 110° erhitzten Kulturen injiziert. Wenn er das Fieber bei den mit sterilen Pyocyaneus-Kulturen behandelten Tieren mißt, so ergiebt sich hier eine um mindestens 2,5° höhere Tempe- ratursteigerung, als wenn er nur die Filtrate verwendet; auch die nur hier auftretende Milzschwellung zeugt von dem stärker infektiösen Prozeß. Werden letale Dosen sterilisierter Kulturen appliziert, so sinkt die Körpertemperatur, wahrscheinlich infolge stark verminderter Wärme- produktion, die schon bei Injektion von 35 ccm von 2900 auf 2000 Kalorien fällt (21). Wohl im Anschluß an diese Erfahrungen wurden Gamaleia und Charrin (22) zu der Empfehlung von sterilisierten Pyocyaneus-Kulturen als Antiphlogisticum bewogen. Julius Steinhaus (23) hat nach Injektion von sterilisierten Kulturen von Bacillus pyocyaneus bei Hunden und Katzen Abscesse, bei Kaninchen eine Ansammlung von Eiterpfröpfen gesehen. Die Lücke in all diesen Versuchen, bei denen entweder nur die löslichen Stoff- wechselprodukte zum Experiment herangezogen werden oder diese ver- mischt mit den Bakterienleibern, hat Buchner ausgefüllt (24), als er die Bakterienleiber als solche zu gewinnen suchte. Er schabt die auf Kartoffeln gezüchteten Massen von Bacillus pyocyaneus ab, fügt ihnen 0,5-proz. Kalilauge hinzu, verflüssigt den so erhaltenen zähen Schleim durch Digestion im Wasserbade, fällt mit Essigsäure aus, neu- tralisiert das Gefällte mit Sodalösung bis zu schwach alkalischer Reaktion und erhält so :unter günstigen Verhältnissen bis zu !/, dieser Trocken- substanz als „Bakterienprotein“, das er nach einem Analogieschluß mit dem Glutenkasein als im Bakterienkörper präexistierend annimmt. Mit einer Emulsion dieses Pyocyaneus-Protein weist er nach, daß ihre Injektion in den Tierkörper eine beträchtliche Leukocytenvermehrung bewirkt. Er injiziert seinen Versuchstieren täglich 2 ccm einer 8-proz. Emulsion und findet, daß am 4. Tage einer solchen Behandlung schon auf 38 Erythrocyten ein Leukocyt kommt, während vor der Injektion das Verhältnis wie 1:318 war. Daß eine solche Zunahme der Leuko- cyten als eine Abwehrerscheinung gegen eine heftige Allgemeinintoxikation aufzufassen ist, kann nach der heutigen Kenntnis über die Bedeutung dieser Elemente wohl keinem Zweifel unterliegen. Die Toxicitätswirkung seines Pyocyaneus-Proteins zeigt Buchner (24) an einem am Menschen unternommenen Versuche: unter die Haut des Vorderarmes werden 0,0035 g festes Protein injiziert, 2 Stunden danach tritt Schmerz- gefühl längs der Lymphbahnen auf, das in der Ellenbeuge und der Achselhöhle lokalisiert wird ; die Körpertemperatur bleibt dabei normal. Im Laufe der folgenden 3 Tage entwickelt sich ein typisches Erysipel mit Lymphangitis, das sich über den ganzen Vorderarm erstreckt und am 4. Tage sich zurückbildet. Ein zweites am Menschen ausgeführtes Experiment sei hier angeschlossen, wenn es auch nicht die isolierte Wirkung der Bakterienleiber betrifft. Schäfer (25) sterilisiert Bouillon- kulturen von Bacillus pyocyaneus bei 100° in Dampf und injiziert sich von dieser Masse !/, cem in eine Vene des Vorderarmes. Es folgt eine leichte Temperatursteigerung, die nach 12 Stunden mit 38,8% das Maximum erreicht hat. Daneben bildet sich eine leichte erysipel- a a nn nn ne a Er NER ER 37° RAN BEE nn Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. 491 artige Schwellung des Unterarmes heraus, der wenig schmerzhaft ist. Es tritt keine Eiterung auf, doch eine Lymphangitis bis zur Achselhöhle. Nach 2—3 Tagen ist alles verschwunden. Die letztgenannten Angaben betreffen wohl alle die Proteine, d. h. die hitzebeständigen Bestandteile des Bacillus pyocyaneus. Es folgt dann die wichtige Arbeit von Wassermann, der im Jahre 1896 (8) die Körpersubstanzen des Bac. pyocyaneus für nur schwach toxisch erklärt. Wassermann hat nicht mit Filtraten von Bac. pyocyaneus, sondern nur mit dessen durch Toluol abgetöteten Bouillonkulturen oder mit den in Chloroform abgetöteten, dann wieder in Bouillon aufge- schwemmten Kartoffelkulturen gearbeitet. Eine pyogene Wirkung des Bakterienleibes würde auch aus der Angabe von Emmerich und Löw (26) hervorgehen, die ihre Milzbrand auflösende Pyocyanase dar- stellen durch Eindampfen von Pyocyaneus-Kulturen im Vakuum. Werden dieselben nach voraufgegangener Dialyse filtriert, dann sollen sie eine vollständig ungiftige Substanz liefern; falls aber diese Filtration unterbleibt, so haben die Verff. nach der Injektion ausgedehnte Eiterun- gen beobachtet. Ich komme zu den Versuchen, die ich selbst in dieser Richtung angestellt habe. Es handelte sich zuerst um Entscheidung der Frage, ob die abgetötete Kultur von Bac. pyocyaneus, die also Filtrat plus Bacillenleiber enthält, eine gesteigerte Toxicität gegenüber dem Filtrate besitzt. Ich arbeitete bei diesem Experimente mit einer 6 Wochen alten Bouillonkultur, die 6 Monate lang mit Toluol über- schichtet gewesen war. Ihre Sterilität wurde festgestellt, indem mit einer Pipette unter dem Toluol. fort eine Probe entnommen wurde, die in 50 cem Nährbouillon übertragen wurde; es entwickelte sich in dieser keine Vegetation. Unter dem Toluol fort entnahm ich eine größere Menge zu den folgenden Versuchen. Das Material wurde teils in der Verdünnung, in welcher es in der Kultur enthalten war, verwendet, teils suchte ich durch Eindampfen im Vakuum die flüchtigen Stoffwechsel- produkte zu eliminieren, um zu sehen, ob sich die bei gleicher Behand- lung des Filtrates gewonnenen Resultate bestätigten (Tabelle D). Es scheint hiernach fast, als ob die Körpersubstanzen des Bac. pyocyaneus für das Meerschweinchen eine größere Toxieität besitzen als die Filtrate..e. Immerhin ist auch beim Kaninchen eine Schwächung erzielt worden, wie sie nach Applikation von gleichen Filtratmengen nicht in einem solchen Maße eingetreten ist. Auffallend ist nur, daß ein allerdings kräftiges Kaninchen (2) die über 75 ccm eingedampfter Kultur entsprechende Dosis ohne dauernden Schaden ertragen hat; man wird jedenfalls die bei der Eindampfung entweichenden Substanzen mit in Betracht ziehen müssen. Nun war zu beweisen, daß die toten Bakterienleiber, wenn man sie ganz rein dem Tierkörper einverleibte, Siechtum und eventuell Tod herbeizuführen imstande sind. Die bis jetzt angewandten Methoden, um tote Bakterienleiber als solche zu erhalten, erschienen mir insofern nicht ganz einwandsfrei, als sie entweder der Bakterienmasse chemische Substanzen, die auch in größter Verdünnung nicht als indifferent für den Tier- und Bakterienkörper angesehen werden können, hinzufügten (24) oder die in Wasser unlöslichen Teile des Bakterienkörpers unberück- sichtigt ließen (27 u. 28). Ich wählte die Kultur des Bac. pyocyaneus auf festen Nähr- böden und benutzte nacheinander Agar-Agarplatten, in Dampf sterili- _ sierte Kartoffelscheiben und Nährgelatineplatten. Die Nährböden 492 Margarete Breymann, Tabelle D. Injektionen mit 6-wöchentl. Bouillonkultur, die mit Toluol abgetötet war. SEN Injiziertes Gift Genich = erspecie Re | Man ewicht emerkungen Maus Uneingedampft [1,0 ccm|In 4 Tagen Abnahme von 16 bis 12,5 g; | nach 16 Tagen ur- sprüngliches Ge- wicht wieder er- reicht Meerschwein- uneingedampft 2,0ccmin 4 Tagen von 276 Am Tage nach der Injektion chen 1 | auf 200 g abge-| Temperaturerniedrig.,‚schwer magert krank. 3 Tage nach der In- jektion macht: es gebesserten Eindruck. 4 Tage nach der Injektion Exitus. — Sektion: Peritonealflüssigkeit nicht vermehrt; Peritoneum spie- gelnd, Milz’anämisch. Brust- organe normal. Mikrosko- pisch und kulturell sind im Blute und in den Organen keine Mikroorganismen ‚nachweisbar Kaninchen 1 |uneingedampft 5,0 ccmljin 8 Tagen von 1397 bis 1262 g abge- nommen; in 21 Tagen ursprüng- liches Gewicht erreicht Meerschwein- ] 1,D zu 12 Stunden von|Exitus 12 Stunden nach der chen 2 540 bis 522 g ab-| Injektion. — Sektion: Peri- | genommen tonealflüssigkeit etwas ver- mehrt, Mesenterialgefäße in- |100 cemn im Va- jiziert; mikroskopisch und kuum einge- kulturell erweisen sich Blut dampft, im Ex- und Peritonealflüssigkeit als \ siccator nach- steril Kaninchen 2 | getrocknet, [3,0 ccm!von2062gin2Tagen'am Tage nach der Injektion | Rückstand mit bis 1721 g abge-| sehr matt; nach 3 Tagen 6,5 cem Bouil- nommen; 8 Tage macht das Tier gesunden lon aufgelöst nach der Injektion) Eindruck; 5 Tage später wieder auf 2000 g;| erneute Mattigkeit, von der tagsdarauf1710g;| das Tier nach 3 Tagen er- 13 Tage später! holt ist ) 2010 g wurden mittels eines sterilen Pinsels oder Wattebausches beimpft. Nach 2-tägigem Wachstume bei 37° wurden die Kartoffel- und Agar- schalen mit einem ausgeglühten Platinspatel abgeschabt, die Aus- beute in ein Petri-Schälchen übertragen, mit Chloroform (Methode von R. Pfeiffer [29]) ungefähr !/; cm hoch überschichtet und auf 12—24 Stunden ins Dunkle gestellt. Die Gelatineschalen, die nach der Ueberimpfung bei 22° wachsen gelassen wurden, benutzte ich erst, so- bald sich eine deutliche Verflüssigungsschicht auf der Oberfläche zeigte, was nach 4—6 Tagen der Fall war; dann goß ich alles flüssige Material zusammen in weite Röhren, setzte Chloroform hinzu und verfuhr genau wie bei den von Agar und Kartoffeln gewonnenen Massen. Nach 24 Stunden war alles Leben in den Bakterienmassen abgestorben, und ich brachte sie mit dem darüberstehenden Chloroform in den Vakuum- Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. 493 apparat, den ich, ohne zu erwärmen, in Thätigkeit setzte. Nach höchstens 4 Stunden war alles Chloroform verdampft, und es fanden sich am Grunde der Petri’schen Schale trockene, ziemlich feste Massen, die abgeschabt und in einem sterilen Mörser zu Pulver zerrieben wurden. Mikro- skopisch waren darin kleinste schollige Detritusmassen zu sehen, sowie undeutlich konturierte Stücke von Bacillenleibern, von denen einige mit Karbolfuchsin Polfärbung annahmen. Sobald die Prozeduren mit ge- nügender Sorgfalt ausgeführt waren, ergab der Kulturversuch eine voll- ständige Keimfreiheit des Pulvers. Noch sei bemerkt, daß die auf Kartoffeln gewachsenen Kulturen die ergiebigste Ausbeute lieferten. Als Versuchstiere dienten ausschließlich Meerschweinchen; die zur Ver- wendung bestimmte Pulvermenge wurde genau abgewogen, mit 1!/,— 3 eem steriler physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt und unter den üblichen Kautelen den Tieren intraperitoneal injiziert. Durch die nachstehenden Tabellen wird deutlich bewiesen, daß in den Körpersubstanzen von Bac. pyocyaneus für den Meerschweinchen- körper giftige, unter Umständen tödliche Stoffe enthalten sind. Da- gegen lassen die Versuchsergebnisse keinen eindeutigen Schluß auf die dosis certe efficax zu: es spielen hier augenscheinlich individuelle Ver- schiedenheiten der einzelnen Meerschweinchen eine Rolle — einmal hat ein Tier auf mehrmalige intraperitoneale Injektion von 2 cem sonst ziemlich virulenter Pyocyaneus-Kultur in keiner Weise reagiert. Das lange Siechtum bei dem mit Gelatinepulver behandelten Tiere er- innert an die chronische Form der Maladie pyocyanique, wie sie Charrin beschreibt (Tabelle E). Pr Wir kommen nunmehr auf die hämolytische Eigenschaft der Pyocyaneus- Stoffwechselprodukte zurück. Die erste Bakterienspecies, die auf Anregung Ehrlich’s (30) systematisch auf die Produktion von Hämolysin in ihrem Stoffwechsel geprüft wurde, war der Tetanusbacillus, und zwar brachte Madsen (31) über ihn sehr ausführliche Angaben, die von Kraus und Clair- mont (32) bestätigt wurden. Es folgt dann eine Zeit des Schwankens in der Methodik, die im Jahre 1901 definitiv festgelegt und auf ver- hältnismäßig einfache Manipulationen reduziert wurde von Neisser und Wechsberg (33) in ihrer Arbeit über das Staphylotoxin. Ihrer Me- thode sind E. Levy und Prosper Levy (34) bei Bearbeitung der Typhuslysine gefolgt, und auch ich habe mich in den gleich mitzuteilen- den Versuchen streng an ihre Vorschriften gehalten. Ueber die Hämolysierungsfähigkeit des Bacillus pyocyaneus findet sich die erste verwertbare Mitteilung bei Kraus und Clair- mont (32), die allerdings in einer 1-tägigen lebenden Kultur kein Hämolysin für Kaninchenblut konstatieren können. Dem entgegen hat Lubenau (35) in lebenden Kulturen das Pyocyanolysin vom ersten Tage an gefunden, im Maximum allerdings zwischen dem 4. und 7. Wachs- tumstage, mit nochmaligem Ansteigen am 11. Tage. Nimmt er 5 ccm Pyocyaneus-Gift, das aus einer 21 Monate alten Kultur stammt, und setzt 5—8 Tropfen defibrinierten Kaninchenblutes hinzu, so hat er nach 48 Stunden, falls er die Mischung bei 37° gehalten hat, komplette Lösung. Er schreibt der Alkalibildung durch die Spaltpilze eine wich- tige Rolle für die Hämolyse zu. Außer diesem Autor haben in den letzten Jahren Bulloch und Hunter (36), sowie Weingeroff (10) über das Hämolysin des Pyocyaneus gearbeitet. Die Resultate der ersteren kann ich späterhin zum Teil widerlegen; auch die Ergebnisse Weingeroff’s nachzuprüfen, schien geboten, da sein Verfahren nicht A9A Margarete Breymann, Tabelle E. Injektionen von Pyocyaneus-Pulver. Ti Pulver et er Provenienz]| Menge ewicht Bemerkungen | | Meerschwein-) Agar 0,0091 g 282 g 16 Stunden nach der Injektion chen 1 ist das Tier schwer krank. 20 Stunden nach Injektion Exitus. — Sektion: Peritoneales Exsudat, auf der Leber fibri- nöser Belag, Milz blaß; im Exsudat überwiegend Leuko- cyten. Kulturell erweisen sich Organe und Exsudat als steril Meerschwein- e 0,004 g 235 g Tier bleibt gesund, zeigt tägliche chen 2 Gewichtszunahme Meerschwein- 3 0,009 g |von 392 g in 2 Tagen chen 3 bis 332 g abge- nommen; nach 12 weiteren Tagen wiegt es 400 g Meerschwein- # 0,0259 g |von 618 gin 3 Tagen|sehr kräftiges Tier; am Tage chen 4 bis 521 g abge-ı nach der Injektion Diarrhöen ; nommen; nach 20) Tier geschwächt, Bauch druck- weiteren Tagen | empfindlich; 2 Tage nach der wiegt es 630 g Injektion beginnt schon die Rekonvalescenz Meerschwein-| Kartoffel | 0,03 glin 2 Tagen von 254lam Tage nach der Injektion ist chen 5 bis 228 g abge-| das Tier krank, der Bauch ist nommen druckempfindlich; die Nase sondert ein borkiges Sekret ab. 2 Tage nach der Injektion Exitus. — Sektion: Subkutanes trübes Oedem; die Impfstelle ist normal. Die Peritoneal- flüssigkeit ist mäßig vermehrt, auf der Leber finden sich frische fibrinöse Gerinnsel; die Mesenterialgefäße sind in- jiziert, die Milz ist nicht ver- größert; die Nieren sind hyper- ämisch. Aus dem Exsudate und Blute wurden, wie der Tierversuch (Maus) zeigt, keine pathogenen Keime gezüchtet Meerschwein- ° 0,015 g,in 3 Tagen von 266/Tags nach der Injektion ist das chen 6 bis 210 g abge-! Tier erheblich geschwächt; am nommen; nach] folgenden Tage Besserung; weiteren 14 Tagen 5 Tage nach der Injektion ge- | | 292g. nesen Meerschwein-' Gelatine | 0,035 g |Anfangsgewicht 24 Tage nach der Injektion chen 7 285 g. Bis 8 Tage! Exitus. — Sektion: Makrosko- nach der Injektion Gewichtszunahme bis 330 g, dann durch 18 Tage hindurch Jlang- | same Abnahme bis auf 220 g pisch nichts Krankhaftes an den Organen der Bauch- und Brust- höhle. In Herzblut, Milz und Leber sind mikroskopisch und kulturell keine Mikroorganis- men nachweisbar I SE a a u an 2 Damm ln en Au a ann ÜELL UL U, Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. 495 einwandsfrei ist. Es seien kurz die Hauptpunkte hervorgehoben, auf die es nach genannten Autoren ankommt. Das Blut wird unter aseptischen Kautelen möglichst aus der Carotis der Tiere entnommen und sofort durch 20 Minuten langes Umschütteln, mit Glasperlen defibriniert. (Serie a und b des menschlichen Blutes in den folgenden Tabellen wurde durch Venaepunctio von 2 verschiedenen Individuen gewonnen; Blut e stammte von einer soeben geborenen menschlichen Placenta.) Man benutzt zweckmäßig auf 2 ccm geaichte Reagenzgläser und füllt jedes, nachdem die zu prüfende Substanz und ein Tropfen der be- treffenden Blutart mittels geaichter Pipetten hineingebracht ist, bis zum Aichstriche mit 0,85-proz. Kochsalzlösung auf. 2 Stunden bleiben die Röhrchen im Thermostaten bei genau 37° und kommen dann für ca. 20 Stunden in den Eisschrank. Alle erhaltenen Resultate beziehen sich auf diesen Zeitpunkt, und es soll nicht die Möglichkeit bestritten werden, daß, falls man die Röhr- chen für beträchtlich längere Zeit im Thermostaten lassen würde, einige bei dieser Versuchsanordnung sich schlecht lösende Blutarten eventuell noch eine Spur stärker angegriffen würden. Zu jedem einzelnen Röhrchen ist ein Kontrollversuch mit gewöhn- licher Bouillon gleicher Herkunft anzustellen; dieselbe enthält natürlich auch die dem Filtrate zugesetzte Konservierungsflüssigkeit (70 Teile destilliertes Wasser, 10 Teile Karbol, 20 Teile Glycerin, im Verhältnis von 5 Proz. dem Filtrat und der Bouillon hinzugefügt). Neben dem Verhalten von verschiedenen Blutarten zu dem Filtrate von Pyocyaneus interessierte mich die Frage nach der Provenienz des Pyocyaneolysins, und ich stellte einige Versuche mit Kartoffelkultur- pulver an, das ich auf die oben beschriebene Weise erhalten hatte. Auch unfiltrierte, nur durch die Karbolglycerinlösung abgetötete Kul- turen zog ich zum Experiment heran und prüfte an diesen sowohl als an den Filtraten die Einwirkung verschiedener Hitzegrade. Tabelle F. ' Hämolysinversuche mit 2-tägigem Materiale. es Menge des Zusatzes Kon — — usatzes | u | 1,0. 05 025 0,1 0,05 er ültrat von [Mensch a akömplett inkomplett Spur minim. Spur |minim. Spur jungel. 2 Tage alten|Mensch b 2 2 AR, Spur ungelöst Fl {ulturen, [Meerschwein- fast kompl. a # ungelöst „ „ inerwärmt | chen Kaninchen inkomplett |Spur „ » „ » Rind fast kompl. minim. Spur |ungelöst Pr „ „ Schaf komplett Spur „ „ 2) „ Gans Spur ungelöst „ „ „ » asselbe Fil- Rind inkomplett | minim. Spur iminim. Spur | „ „ » rat, 20 Mi- f 100° er- | 0,004 g | 0,002 g ulver von 2- Meerschwein- ungelöst \ungelöst ägiger Pyo- chen | | yaneus- | | Kartoffel- | | | ku ir iv v 496 Margarete Breymann, Tabelle G. Hämolysinversuche mit 13-tägigem Materiale. Menge des Zusatzes N Blutart > € 07T 2,01 1,0 0. 20,5%: | 10,25 Eee Filtrat von 13- |Meerschweinch.1 komplett | komplett | komplett | inkompl. | inkompl. tägiger Pyo- 5 fastkomp., Spur Spur | ungelöst | ungelöst ceyaneus-Kul- Kaninchen 1 x „ | inkompl. | ungelöst n x tur, uner- 2 2 inkompl. Rn Spur R4 -? wärmt u 3 |kompl. „ Spur iger. Spur hr E 3 4 „ ‚fastkomp.| inkompl. | inkompl. | Spur Spur N 5) „ |inkompl. | Spur |ger. Spur | ungelöst | ungelöst (war in 2 Dosen mit je 2,5 ccm einer 3-tägigen Bouillonkultur von Bac. pyoc. injiziert; d. Blut wird entnomm., sobald das An- fangsgew. wie- der erreicht ist) Hund 1 komplett | komplett |fastkomp. fastkomp.| inkompl. SErBE 2 5 komplett | komplett |fastkomp. Rind 5 inkompl. |ger. Spur | ungelöst | ungelöst Schaf k komplett | inkompl. R | 5 Gans inkompl. | inkompl. | ungelöst 3 S Mensch a fastkomp. fastkomp.| inkompl. | Spur iger. Spnr x 5 Br ae n a inkompl!. | inkompl. a c inkompl. | inkompl. | ungelöst | ungelöst | ungelöst Dasselbe Fil- |Hund komplett | komplett | komplett | komplett | komplett trat, 20 Min. Mensch a fastkomp.fastkomp.| inkompl. | Spur |ger. Spur auf 56° er- 5 b inkompl. | inkompl.| Spur M ungelöst hitzt Dasselbe Fil- Hund inkompl!. | inkompl. trat, 20 Min. Mensch c Spur Spur | auf 60° er- Kaninchen inkompl. hitzt | Dasselbe Fil- Schaf komplett | komplett | inkompl. | ungelöst ! ungelöst trat, 7 Min. Gans inkompl., Spur | ungelöst 35 | ” auf 100° er- | hitzt Dasselbe Fil- Kaninchen kompl. fastkomp.| inkompl. | inkompl. | Spur Spur trat, 30 Min. auf 120° er- hitzt Die Resultate dieser Tabellen erlauben es, einige der Schlußsätze von Bulloch und Hunter (36) direkt zu widerlegen. lysin nachzuweisen (Tabelle F). noch eine deutliche Spur von Lösung. 1) Das Pyocyanolysin ist nicht im Körper der Bacillen enthalten; denn beim Experimentieren mit den unfiltrierten Kulturen ergiebt sich nie eine bessere Lösungsfähigkeit als wie bei dem gleichartigen Filtrate: außerdem ist in der rein dargestellten Bakteriensubstanz kein Hämo- 2) Die jungen Kulturen sind praktisch nicht ohne Lysin: im. 2- tägigen Filtrate habe ich bei einer Zusatzmenge von 1,0 cem für das Schafblut eine komplette Lösung erhalten; einmal (Mensch) erzielte ich bei der geringsten Zusatzmenge, die ich überhaupt anwandte, 0,05 ccm, ungelöst ” Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyoeyaneus. 497 Tabelle H. rein rereuche mit 45-tägigem Materiale. Art des A h | Menge des Zusatzes |Kontroll- Blutart ta IN Zusatzes Er Re A DE 05 = 095 =] 0,1 | 0,05 er iltrat von 45- Meerschweinch. hast komp. Spur Spur | ungelöst | ungelöst | ungelöst Fairer Bouil- |Kaninchen | inkompl. | inkompl. Fr 2 _ lonkultur, un- |Hund | komplett komplett komplett ı komplett n erwärmt | | Kultur von 45 |Meerschweinch. | inkompl. | | inkompl. Spur | ungelöst | ungelöst r Tagen, uner- Hund komplett | komplett [fast komp.|fast komp. fast komp. on _ wärmt Kultur von 45 |Meerschweinch. | inkompl. | inkompl.| Spur | ungelöst | ungelöst 4 Tagen ; 15Min. |Hund komplett | komplett |fastkomp. fast komp. fast komp. y auf 70° er- wärmt | | Kultur von 45 |Meerschweinch. | inkompl. inkompl. | Spur Spur Spur 4 Tagen ; 10Min. |Hund komplett | komplett [fast komp.\fast komp. |fast komp. * 100° er- _ wärmt 3) Versuche, dasLysin in Filtraten und Kulturen durch Erhitzen abzuschwächen resp. zu inaktivieren, haben in keiner Weise zum Ziele geführt. Bulloch und Hunter (36) wollen eine Vernichtung des Lysins bei einer 15 Minuten langen Er- wärmung auf 100° gesehen haben; dem entgegen steht Weingeroff’s Angabe (10), der auch beim Erhitzen auf 120° keine Abschwächung erzielt hat. Die abweichenden Angaben von Bulloch und Hunter (36) werden zum Teil damit zu erklären sein, daß sie eine Kochsalzlösung von 0,6 Proz. verwenden, während Ehrlich (nach Hamburger) aus- drücklich eine solche von 0,85 Proz. vorschreibt. Der Bacillus pyocyaneus verflüssigt bei seinem Wachstume die Gelatine, ja, zersetzt in einer Kohlensäureatmosphäre energisch Eiweiß (19) und koaguliert die Milch, in der er zur Entwickelung kommt. Es lag also nahe, danach zu suchen, ob diese Wirkung in den Stoffwechselprodukten von Bacillus pyocyaneus begründet sei oder ob diese Funktionen nur ein Ausdruck der Lebensthätigkeit des Bacillus selbst wären. Ferıi (37) hat konstatiert, daß vom Bacillus pyocyaneus ein Leim und Fibrin lösendes Ferment gebildet wird, und hat es auch isoliert. Eine Temperatur von 60° zerstört es, bei einem Zusatze von 5% Salzsäure bleibt nur die Wirkung auf Leim (Gelatine) bestehen. Auch abgetötete Pyocyaneus-Kulturen, zu Gelatine hinzugesetzt, ver- = flüssigen diese; der Zusatz von Antipyrin, Chinin oder Strychnin (38) bewirkt, daß die Verflüssigung erst nach einer Woche eintritt. Ein 5 Be nechee Ferment bildet der Pyocyaneus nach diesem Autor nicht. # Ich traf nachstehende Versuchsanordnung: £ Im Wasserbade von 37° wurden Reagenzgläser mit gewöhnlicher _ Gelatine und mit sauerer Kartoffelgelatine bis zur Verflüssigung des _— Imhaltes erwärmt und dann der betreffende Zusatz (Tabelle J) hinzu- gefügt. Die Röhrchen wurden darauf sofort in Eiswasser abgekühlt und _ bis zur jedesmaligen Beobachtung ins Dunkle gestellt. Erste Abt. XXXI. Bd. 33 498 Margarete Breymann, | Es erwies sich, daß zwischen gewöhnlicher Gelatine und Kartoffel- gelatine kein Unterschied bei diesem Versuche hervortrat. Tabelle J. Gelatineverflüssigung. Pyocyaneus-Pulver von Kartoffel 45-tägiges Pyocyaneus-Filtrat ] 2 3 4 5.0.18 67 8 I ER- a 333 GES 0,2 ccm | 0,5 ccm | 1,0 cem 2,0 ccm ©, SQ o - I 8 #5) — S 2 ’ olr- Se Me "= ,, [Nach 2 Tagen ist auf deriSa=3z PE=ES Abe» | 8 = ‚Oberfläche eine nach der zuge- 2332333 SE | ea! HL ,E| SP [setzten Menge geringere oder 3585 Se SyER 2550| 37% istärkereErweichung bemerkbar 2> "5° _ N N A = 220.8 n'S © non) Han 05 bee ssM |ea8 |232 | 385 N 88 N’o Aue 25:8 = SI &0 _ De seele eos ee Se re = N) ©; 8: N _-- amp mau Z2asHH Wenn man bedenkt, daß eine Messerspitze Pulver mindestens einer halben Petri-Schale Agarkultur entspricht, so wird bei einer Ver- gleichung von Bakterienkörper und Filtrat sich für beide eine ungefähr gleiche Fähigkeit zur Gelatineverflüssigung ergeben. Die Versuche dagegen, die darauf hinzielten, mit denselben In- gredienzien Koagulation der Milch hervorzurufen, hatten be- züglich des Filtrates einen durchaus negativen Erfolg. Bei Zusatz einer großen Menge des auf die obenerwähnte Weise gewon- nenen Pulvers wurde einmal nach 16 Stunden eine schwache Koagu- lation von 10 ccm Milch beobachtet, während das bei ebenfalls 37° ge- haltene Kontrollröhrchen, das reine Milch enthielt, ganz flüssig war. Um das so spurenweise nachgewiesene Labferment in größerer Menge zu erhalten, wurden Petri-Schalen mit Kartoffelscheiben in der ge- wöhnlichen Weise mit Bacillus pyocyaneus beimpft und 5 Tage lang bei Zimmertemperatur wachsen gelassen; der Bakterienrasen wurde, wie oben näher angegeben, zu Pulver verarbeitet. Frische, kuhwarme Milch wurde dann im Verhältnis von 0,5 Proz. mit Acidum carbolicum liquefactum versetzt, um die Entwickelung von den darin enthaltenen Bakterien hintanzuhalten. In 10 ccm dieser Milch wurde eine größere Menge jenes Pulvers gethan (schätzungsweise 0,1 g). Bei energischem Durchschütteln zeigte sich nach 5 Minuten eine feinflockige Caseinabscheidung, die sich wieder löste. Zugleich mit einer Kontrolle (10 cem Milch der gleichen Provenienz ohne Pulver- zusatz) wurde das Röhrchen in den Thermostaten bei 37° gesetzt. Nach 4 Stunden war der Inhalt des Röhrchens mit Pulverzusatz vollständig koaguliert, der des Kontrollröhrchens flüssig. Nach 2 Tagen war die koagulierte Milch größtenteils peptonisiert; nur einige Flocken käsigen Gerinnsels schwammen noch darin umher. Es ergiebt sich aus diesen Thatsachen, daß der bei Zimmer- temperatur gezüchtete Bacillus pyocyaneus in seinem Körper ein Ferment enthält, das dieMilch koaguliert und peptoni- siert. Eine Fülle von interessanten Erscheinungen bieten so die Stoff- wechselprodukte von Bacillus pyocyaneus für den Forscher; eine Seite seiner Biologie ist aber wohl geeignet, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf unseren Mikroorganismus zu lenken; hat man doch be- Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyoceyaneus. 499 hauptet, mit ihm eine Infektionskrankheit heilen zu können, die für die Tierheilkunde eminent wichtig und in der menschlichen Pathologie wegen der Schwere der Affektion auch nicht zu unterschätzen ist, den Milzbrand. Bouchard (39) hat zuerst die Thatsache herausgefunden, daß virulente Pyocyaneus-Kulturen, die den mit Anthrax geimpften Versuchstieren injiziert wurden, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Infektion verhinderten. Durch Anwendung von Mischkulturen zur Injektion gewann er und Charrin (3) ein genaueres Bild von der Art, wie der Pyocyaneus die Entwickelung des Milzbrandes hemmte; durch den Versuch in vitro wurde dies Experiment bestätigt. Als Charrin in den Heilungsversuchen die virulenten Pyocyaneus- Kulturen mit gutem Erfolge durch seine Filtrate ersetzt hatte, spricht er die Meinung aus, daß den Stoffwechselprodukten bei der Milzbrand- _ heilung eine große Rolle zuzuschreiben sei; derselben Meinung ist Bitter (40), der davor warnt, die Erschöpfung des Bacillus pyo- _ eyaneus, die er in seinen eigenen Kulturen nach längerem Wachs- ' tume an den Tag legt, durch dieselben Ursachen zu erklären, wie den Antagonismus zu Anthrax. Blagotschewsky (4l) vertritt die An- _ sicht, daß die Wachstumsvorgänge in den lebenden Pyocyaneus-Kul- - turen Ausdünstungen erzeugten und diese — wenigstens beim Experi- ment in der feuchten Kammer — die Vitalität des Milzbrandes schädig- ten. Freudenreich (42) beschuldigt einfach den Aufbrauch von Nährstoffen durch den Bacillus pyocyaneus als den Umstand, der in vitro die Entwickelungshemmung von Anthrax und Typhus durch den Bacillus pyocyaneus bedinge 1899 nahm Emmerich diese bis dahin meist von französischen Autoren unternommenen Forschungen wieder auf in Gemeinschaft mit Löw (26). Nach einer schon oben er- wähnten Methode stellten sie einen Stoff dar, der in der Hauptsache das eingedampfte Filtrat enthält. Diese Pyocyanase wird durch hohe Temperaturen nicht angegriffen: sie verflüssigt Nährgelatine, löst ener- gisch Fibrin und Hühnereiweiß und dokumentiert sich dadurch als ein proteolytisches, zu den Trypsinen gehöriges Ferment. Im Tierkörper und in vitro vermag sie nach den Angaben der Verff. große Mengen von Anthraxbacillen aufzulösen. In ihrer neuesten Veröffentlichung vom Januar 1902 modifizieren die Verff. im Verein mit Korschum (43) ihre Ansicht dahin, daß die Pyocyanase ein heteroformes bakteriolytisches - Enzym sei und daß außer ihr vom Protoplasma des Bacillus pyo- eyaneus noch mindestens 5 andere Enzyme erzeugt werden, von denen das peptonisierende tryptische Ferment scharf von der Pyocyanase zu trennen ist, indem es durch 55° vollständig zerstört wird. Die bakterio- Iytische Fähigkeit der Pyocyanase erstreckt sich, abgesehen von Anthrax, auch auf Cholera-, Typhus- und Diphtheriebacillen, sowie auf Strepto- coccus pyogenes und Staphylococcus pyogenes aureus. Die von mir angestellten Versuche sind der Zahl nach zu be- schränkt, als daß man wegen ihres ungünstigen Ausfalles die - Fähigkeit des Bacillus pyocyaneus, den Anthrax zu heilen, gänz- lich bestreiten dürfte: ich habe aber die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen wollen, ohne mit dem verhältnismäßig einfach darzustellenden Pulver des Bacillus pyocyaneus einen Versuch zu machen. Das Meerschweinchen 6 der Tabelle E hatte sich nach der ersten Pulver- injektion gerade wieder erholt, als ich ihm am 9. Juli 1901 zu gleicher Zeit 0,04 g desselben Pulvers intraperitoneal und 0,1 ccm einer 2- tägigen Anthraxkultur subkutan einverleibte.. Am 10. Juli 1901 war 38” 500 Margarete Breymann, das Tier gestorben und ließ mikroskopisch und kulturell im Blute typi- schen Anthrax erkennen. Ein gleiches Schicksal hatte das Meerschwein- chen 5 der Tabelle C, das seit einer Woche die Injektion von 40 ccm 50-tägigen Filtrates überstanden hatte und sich seinem ursprünglichen Gewichte wieder näherte. Es erhielt nun 0,05 g Pulver intraperitoneal und wurde in gleicher Weise wie das letztgenannte Tier mit Anthrax infiziert. Der Tod trat hier nach 2 Tagen ein; in einem Tage hatte die Gewichtsabnahme 40 g betragen. Es ist schon im Laufe der Ausführungen erwähnt, daß man von Zeit zu Zeit versucht hat, den Bacillus pyocyaneus in die mensch- liche Therapie einzuführen: 1893 veröffentlicht Rumpf (44) eine Ver- suchsserie, die am Hamburger Krankenhause angestellt ist und beweisen soll, daß tägliche Injektion von sterilisiertten Pyocyaneus-Kulturen in einer zwischen 0,5 und 6,0 cem schwankenden Dosis eine schnelle und anhaltende Entfieberung in selbst ziemlich schweren Typhusfällen bewirkte. Honl und Bukowsky (45) wollen in den Proteinen von Bacillus pyocyaneus ein Specificum gegen chronische Unter- schenkelgeschwüre gefunden haben; Emmerich und Löw (26) wün- schen, ausgehend von ihren Experimenten am Tiere und im Reagenz- glase, ihre Pyocyanase als gleichberechtigt neben der Serumtherapie der Diphtherie angewandt zu sehen. Aber mit Berücksichtigung der That- sache, daß in einzelnen Fällen die Pathogenität des Bacillus für den Menschen doch wohl erwiesen ist — der letzte derartige Fall wird von Soltmann (46) aus Leipzig berichtet — muß man derartige Be- strebungen als verfrüht betrachten und die Forderung aufstellen, daß der Mechanismus der Wechselwirkung zwischen den Infektionserregern und dem Bacillus pyocyaneus oder seinen Stoffwechselprodukten vollständig geklärt werde, ehe man zu ihrer ausgedehnteren Verwen- dung am Krankenbett schreitet. Es sei mir gestattet, den Herren Professoren J. Forster und E. Levy meinen besten Dank auszusprechen. Litteratur. 1) Schimmelbusch, Ueber grünen Eiter und die pathogene Bedeutung des Bacil- lus pyocyaneus. (Volkmann’s klin. Vortr. Neue Folge. Chirurgie. Bd. I. 1893. S. dort auch die folgenden historischen Angaben und ihre Quellen.) 2) Ledderhose, Ueber den blauen Eiter. (Dtsch. Zeitschr. f. Chir. Bd. XXVIII. 1888.) | 3) Charrin, La maladie pyocyanique. Paris 1889. 4) Legros, L’action sur Vorganisme des pigments microbiens. (La Semaine medicale. 1900.) 5) Pasteur, Compt. rend. de l’acad. des scienc. 1880. 6) Charrin, Epilepsie spinale experimentale. Spasmes des extremites sous l’influence des toxines. (Compt. rend. des seanc. de la soc. de biol. 1895. Referat: Centralbl. ° f. Bakt. etc. Bd. XX. 1896. p. 698.) 7) Wassermann, Experimentelle Beiträge zur Serumtherapie vermittelst antitoxisch und baktericid wirkender Serumarten. (Dtsch. med. Wochenschr. 1897. p. 262.) 8) — —, Experimentelle Untersuchungen über einige theoretische Punkte der Immuni- tätslehre. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Abt. I. Bd. XXII. 1896.) 9) Schepilewsky, E., Experimentelle Beiträge zur Frage der amyloiden Degenera- tion. (Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXV. 1899. p. 857.) 10) Weingeroff, Zur Kenntnis des Hämolysins des Bacillus pyocyaneus. (Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XXIX. 1901. p. 777.) i 11) Charrin et Gley, Recherches sur l’action des produits secretes par le Bacille pyocyanog£ne sur le syst&me nerveux. (Arch. de Physiol. 1890. p. 724.) 12) — —, Nouvelles recherches sur l’action des produits secretes par le Bacille pyo- cyanique sur le syst&me nerveux vasomoteur. (Ibid. 1891. p. 146.) Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. 501 13) Charrin, Multiplieit@ des seer&tions d’un m&me microbe pathogöne. (La Semaine med. 1897 u. COentralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXII. 1897. p. 58.) 14) Georghiewski, Der Mechanismus der Immunität beim Bacillus pyocyaneus. Ref. Centralbl. f. Bakt. ete. Abt. I. Bd. XXVI. 1899. p. 793. Annal. de l’Inst. asteur. 1899.) 15) Charrin, Toxines microbiennes, leur action sur la fievre. (La Semaine med. 1891. . 436. Ref. Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XII. 1892. p. 868.) 16) Neumann, H., Ein Fall von Melaena neonatorum, mit Bemerkungen über. die hämorrhagische Diathese Neugeborener. (Arch. f. Kinderheilk. Bd. XII. p. 54.) 17) Kanthack, Acute Leucocytosis produced by bacterial products. (Brit. med. Journ. 1892. June 18. Ref. Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XIV. 1893. p. 573.) 18) Charrin et Teissier, Modification de la pression arterielle sous l’influence des toxines pyocyaniques. (Compt. rend. des seanc. de l’acad. 1893. Janv. Ref. Cen- tralbl. f. Bakt. etc. Bd. XV. 1894. p. 608.) | 19) Jakowski, M., Beiträge zur Lehre von den Bakterien des blauen Eiters. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. XV. 1893. p. 474.) 20) Bianchi-Mariotti, Ueber die Wirkung der löslichen Produkte der Mikroorga- nismen auf die Isotonie und auf den Hämoglobingehalt des Blutes. (XI. Internat. med. Kongr. Rom 1894. Oentralbl. f. Bakt. etc. Bd. XVI. 1894. p. 608.) 21) Charrin et Langlois, Deuxitme note sur la variation de la thermogen®se dans la maladie pyocyanique. (Gazette med. 1892. No. 41.) 22) Gamaleia et Charrin, X. internat. med. Kongr. Rom 1890. Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. IX. 1891. p. 838.) 23) Steinhaus, Julius, Die Aetiologie der akuten Eiterungen. (Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. VIII. 1890. p. 10.) 24) Buchner, H., Chemische Reizbarkeit der Leukocyten und deren Beziehung zur Entzündung und Eiterung. (Berl. klin. Wochenschr. Bd. XX VII. 1890. p. 1084.) 25) Schäfer, Beitrag zur Lehre von den pathogenen Eigenschaften des Bacillus pyo- eyaneus. [Inaug.-Diss.] Berlin 1891. Citiert auch sub 1. 26) Emmerich und Löw, Bakteriolytische Enzyme als Ursache der erworbenen Im- munität und die Heilung von Infektionskrankheiten durch dieselben. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. XXXI. 1899. Ref. Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XX VI. 1899. p. 237.) 27) Gärtner und Römer, Ueber die Einwirkung von Bakterienextrakten auf den Lymphstrom. (Wien. med. Blätter. 1891. Ref. Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. X. 1891. 759 | 28) Römer, Darstellung und Wirkung proteinhaltiger Bakterienextrakte. (Berl. klin. Wochenschr. 1891. No. 51.) 29) ar fer, R., Untersuchungen über das Choleragift. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. XI. : 1892. p. 391.) 30) Ehrlich, Gesellschaft der Chariteärzte. (Berl. klin. Wochenschr. 1898. Februar. . 273.) 31) won 1) Ueber Tetanolysin. 2) Ueber Heilversuch im Reagenzglase. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. XXXII. 1899.) 832) Kraus und Clairmont, Ueber Hämolysine und Antihämolysine. (Wien. klin. Wochenschr. 1900. p. 49.) 33) Neisser und Wechsberg, Ueber das Staphylotoxin. (Zeitschr. f. Hyg. u. In- fektionskrankh. Bd. XXXVI. 1901. p. 299.) 34) Levy, E. und Levy, Prosper, Ueber das Hämolysin der Typhusbacillen. (Oen- - tralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXX. 1901. p. 406.) 35) Lubenau, Hämolytische Fähigkeit einzelner pathogener Schizomyceten. (Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXX. 1901. p. 402.) 36) Bulloch und Hunter, Ueber Pyocyanolysin, eine hämolytische Substanz in Kul- i turen des Bacillus pyocyaneus. (Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XX VII. 1900. . 867.) 7) Ei; Die Leim und Fibrin lösenden und die diastatischen Fermente der Mikro- organismen. (Arch. f. Hyg. Bd. X. 1890. Ref. Baumgarten. Bd. VI. 1890. p. 490. Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. VII. 1890. p. 469.) 38) — —, Weitere Untersuchungen über die tryptischen Enzyme der Mikroorganismen. (Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. X. 1891. p. 401.) 89) Bouchard, Compt. rend. Bd. I. 1889. p. 714.) 40) Bitter, Ueber bakterienfeindliche Stoffe in Bakterienkulturen und im tierischen Körper und ihre Beziehungen zur erworbenen Immunität. Breslau 1891. (Ref. Baumgarten. 1891. p. 506 ) 4) nm eky, Ann. de /’Inst. Pasteur. 1890. p. 11. Ref. Baumgarten. 1890. p- 538. 42) Freudenreich, Ann. de Micrographie. 1889. Ref. Baumgarten. 1889. p. 531. 502 F. John Poynton und A. Paine, 43) Emmerich, Löw und Korschun, Die bakteriolytische Wirkung der Nukleasen und Nukleasenimmunproteidine als Ursache der natürlichen und künstlichen Immu- nität. (Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXXI. 1902. No. 2.) 44) Rumpf, Die Behandlung des Typhus abdominalis mit abgetöteten Kulturen des Bacillus pyocyaneus. (Dtsch. med. Wochenschr. 1893. No. 41.) 45) Honl und Bukowsky, Therapie der Schenkelgeschwüre mit Bakterienproteinen. Prag 1898. (Autorref. Oentralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXVI. 1899. p. 305.) 46) Soltmann, Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 49. p. 1987. (Sitzungsbericht.) Nachdruck verboten. Eine kurze Zusammenfassung der Resultate einer Unter- suchung (vom Januar 1899 bis August 1901) betreffend. die Pathogenesis des akuten Rheumatismus. Von F. John Poynton, M. D. und A. Paine, M. D. in London. Auf Wunsch der Verfasser übersetzt von Dr. Louis Elkind (London). Als wir zuerst die hierhergehörigen Untersuchungen unternommen hatten, waren wir von der Absicht geleitet, und zwar unbeeinflußt durch die verschiedenen, zu einem großen Teile sich widersprechenden Resul- tate, die von anderen Bakteriologen inzwischen mitgeteilt worden sind, die Frage nach der Aetiologie des akuten Rheumatismus einer eingehenden Prüfung zu unterwerfen. Wir erwarteten allerdings, den in der fran- zösischen Litteratur über diesen Gegenstand enthaltenen Angaben ent- sprechend, einen anaörobischen Bacillus, der zuerst von Achalme be- schrieben worden ist, wenn auch nicht in allen, so doch gewiß in einzelnen Fällen vorzufinden. Diese von uns gehegte Hoffnung wurde nicht erfüllt, denn selbst im Verlaufe weiterer Untersuchungen ist es uns nie gelungen, weder in Kultur, noch in Schnitten von Geweben, die im Zustande der Entzündung sich befanden und ungünstig verlaufenen Fällen von Rheu- matismus entnommen waren, den oben erwähnten Mikroorganismus nachzuweisen. Wir glauben daher unsere Ansicht dahin aussprechen zu können, daß der von Achalme ursprünglich beschriebene Bacillus, dessen Befund bei der hier in Frage stehenden Krankheit auch von anderen französischen Forschern nachträglich bestätigt worden ist, keines- wegs die Ursache des Rheumatismus nach den in England geltenden Lehren bildet. In 20 Fällen von akutem Rheumatismus waren wir in der Lage, einen Diplococcus zu isolieren; der letztere war von sehr geringer Aus- dehnung — etwa 0,5 mm im Durchnesser. Zur Zeit, als wir mit einigen unserer früheren, hierhergehörigen Forschungen beschäftigt waren, haben Westphal, Wassermann und Malkoff (1) von einem letal verlaufenen Falle von akutem Rheu- matismus einen Diplococeus isoliert; ferner gelang es diesen Autoren, durch Uebertragung desselben multiple Gelenkentzündungen in einer Reihe von Kaninchen hervorzubringen. Apert (2), Triboulet (5) und Coyon (4), die sich mit der Feststellung dieser Frage bereits vor Beginn der von uns behufs ‚Erforschung dieses Gegenstandes unter- nommenen Studien beschäftigt haben, gelangten zu dem Resultate, daß ein Diplococeus in manchen Fällen von akutem Rheumatismus, der mit gewissen Komplikationen einhergeht, eine wichtige, ätiologische Rolle spiele. Pathogenesis des akuten Rheumatismus. 503 In unserer ersten Arbeit, die im September 1900 erschienen ist (5), haben wir auch die Publikationen anderer Forscher, die auf diesen Gegenstand Bezug haben, berücksichtigt; durch ein Versehen jedoch ge- schah es, was wir aber bald nachholten, daß wir Mantle’s (6) frühere Untersuchungen nicht genügend gewürdigt haben. In dieser Arbeit veröffentlichten wir 8 Fälle von akutem Rheumatismus, in denen es uns gelungen ist, den Diplococcus zu isolieren, und zwar in 5 von diesen Fällen in Reinkultur. Der in Frage stehende Mikroorganismus wurde zuerst bei Lebzeiten des Patienten 3mal aus dem Blute isoliert, dann post mortem aus der Flüssigkeit, die im Pericardium enthalten war, ferner auch von den Vegetationen, die sich an den Herzklappen etabliert haben und von Angina faucium rheumatischen Ursprunges. Die Nährböden, die wir am erfolgreichsten für diesen Zweck ver- wandten, waren die folgenden: 1) Ein Nährboden, bestehend aus einer Mischung von Milch und Bouillon, die mit Milchsäure versetzt war, wobei jedoch das Stattfinden des Koagulationsprozesses verhütet wurde. 2) Blutagar. Die Kultivierung gelang auch ferner auf pericardialer Flüssigkeit, die von einem Falle von Pericarditis rheumatischer Natur herstammte. Die Gegenwart des Diplococcus wurde in den folgenden mensch- lichen Organen nachgewiesen: Nämlich in den Herzklappen, im Peri- cardium, den Tonsillen und in einem Knötchen rheumatischen Ursprunges. Intravenöse Inokulation kleiner Quantitäten von diesem Mikroorganismus rief keine lokalen Läsionen hervor, dagegen war die Injektion größerer Quantitäten ebenfalls in Kaninchen von den für den akuten Rheumatis- mus charakteristischen Erscheinungen begleitet, d. h. es stellten sich ein multiple Gelenkentzündungen und solche der Sehnenscheiden, der Herzklappen und des Pericardiums; andere Symptome waren ebenfalls noch zugegen, nämlich Pleuritis plastischer Natur, Entzündung der Lungen und fettige Degeneration des Herzmuskels. Der Harn war von sauerer Reaktion und wies zahlreiche Sedimente auf. Auch der ganze klinische Verlauf war ähnlich demjenigen, den wir bei akutem Gelenkrheumatismus antreffen. Bei den auf intravenösem Wege inokulierten Kaninchen fand sich der Diplococcus in den folgenden Organen und Bestandteilen vor: In den Herzklappen, im Pericardium, in den Exsudationen der Gelenke, den Nieren, der Leber, dem Bindegewebe, den Pleuren, in cerebrospinaler Flüssigkeit, den Lungen und dem Harn; ferner wurde dieser Diplococeus in reiner Kultur aus den Ergüssen in die Gelenke, dem Herzblut, Urin und cerebrospinaler Flüssigkeit erhalten. Die pathologischen Veränderungen der Gewebe waren auch sonst identisch mit denjenigen, wie wir sie bei akutem Rheumatismus vor- zufinden gewohnt sind. Wir folgerten daher daraus, daß der Diplococeus - die Ursache für das Zustandekommen des Rheumatismus bilde. So weit wir in .der Lage waren, es feststellen zu können, waren die morphologischen und kulturellen Eigenschaften des Mikroorganismus etwa die folgenden: 1) Das Bakterium war von sehr geringer Ausdehnung, etwa 0,5 u im Durchmesser ; 2) im wesentlichen war es ein Diplococeus. Auf flüssigem Nähr- boden entwickelte er sich in kleinen Ketten, dagegen auf solidem in staphylokokkenähnlichen Anhäufungen. 504 F. John Poynton und A. Paine, 3) Mit Anilinfarben färbte es sich in ausgezeichneter Weise, aber wenn es im Gewebe nach Gram’s Methode gefärbt wurde, so war diese Färbung mehr oder weniger vorübergehender Natur. 4) Nach unserer Erfahrung wuchs es am besten auf einer Mischung von Milch und Bouillon, die mit etwas Milchsäure versetzt war, wie auch auf Blutagar, und zwar sowohl bei Abschluß wie bei Zutritt von Luft. Auf Nährböden wie Agar-Agar kam es zu keiner Entwickelung. Gelatine vermochte es nicht zu verflüssigen. 5) Auf Blutagar erschienen die Kolonieen klein, durchscheinend und leicht granuliert, und zwar 24 Stunden nach der Inkubation bei einer Temperatur von 37° C. Der Zweck dieser Untersuchung war, zuerst nachzuweisen, daß die Gegenwart des Diplococcus die Ursache des akuten Rheumatismus bilde, aber bei weiterer Fortsetzung dieser Experimente konnten noch andere interessante Punkte, die sich auf das Studium dieser Krankheit beziehen, Aufklärung finden. Die Schwierigkeit, mit der die Demonstration und Isolierung dieses Mikroorganismus in leichten Fällen von akutem Rheumatismus verbunden ist, ließ sich nur durch die Thatsache erklären, daß die Krankheit sich durch großen Widerstand auszeichnet, und daß die Diplokokken an der Grenze der lokalen Läsionen schnell zu Grunde gehen; und noch mehr, bei der in Rede stehenden Krankheit sind die Mikroorganismen auf die ver- schiedensten, lokalen Läsionen weit verteilt, nicht etwa wie bei der Diphtherie, wo sie an einer Stelle — im Rachen — angehäuft sich vor- finden. Ferner ergab sich auch zugleich die Notwendigkeit, daß die bösartigen Formen von Endocarditis, die gelegentlich bei denjenigen, die von wiederholten Anfällen rheumatischer Entzündung des Herzens gelitten haben, angetroffen werden, eines eingehenderen Studiums von neuem bedürfen, um festzustellen, ob sie auch rheumatischen Ursprunges sind und nicht etwa als Folge einer sekundären Infektion mit pyogenen Bakterien aufzufassen sind, und aus diesem Grunde konnte die Trennung in „infektiöse“ und „rheumatische“ Endocarditis nicht mehr als gerecht- fertigt angenommen werden. Als ein weiteres Ergebnis dieser Untersuchungen stellte sich die Thatsache heraus, daß manche Fälle von Nephritis wohl wahrscheinlich rheumatischen Ursprunges sind, und daß daher wiederholte Anfälle von Rheumatismus in einer Reihe von Fällen die Ursache für das Zustande- kommen von chronischen Nierenleiden abgeben könnten. Was den Zu- stand der Leber anbetrifft, so schien dieses Organ direkt von dem rheumatischen Gifte betroffen zu sein, und dies selbstverständlich ganz abgesehen von den sonstigen, chronischen Veränderungen, die sich als Resultat der Affektion des Herzens infolge rheumatischer Entzündung der Herzklappen daselbst etablieren. Ja, es erschien sogar höchst wahr- scheinlich, daß manche Fälle von Pleuritis und Lungenentzündung lediglich rheumatischen Ursprunges seien. Wiewohl wir annehmen, daß der eben erwähnte Diplococcus die Ursache des akuten Rheumatismus sei, so können wir doch wiederum die Thatsache nicht außer Acht lassen, daß die Zahl der nach dieser Richtung hin untersuchten Fälle zu gering ist, um den Ausspruch, daß die Gegenwart dieser Mikroben die einzige Ursache der in Rede stehenden Krankheit bilde, vollauf zu rechtfertigen, wiewohl uns andererseits diese Auffassung als höchst wahrscheinlich galt. In einer Sitzung der Londoner pathologischen Gesellschaft von Oktober „a rn a a Se ee u ee ee ee Pathogenesis des akuten Rheumatismus. 505 1900 (7) haben wir die Kulturen, die histologischen Präparate und eine _ auf experimentellem Wege erzeugte Klappenentzündung demonstriert und in einem kurzen Vortrage die Resultate unserer ersten Arbeit und die inzwischen erhaltenen neuen Befunde mitgeteilt. Ein von dem Rachen eines lebenden Patienten, der mit rheumatischer Angina behaftet war, isolierter Diplococcus hat bei einem Kaninchen, das nachträglich voll- ständig genas, multiple Gelenkentzündungen hervorgerufen. Bei einem anderen Tiere (Kaninchen) waren zuckende Bewegungen im Gesichte und in den Beinen, die plötzlich auftraten und während 3 Tagen sich zeigten, und ein sonstiges, nervöses Verhalten zu be- obachten ; diesen Zustand glauben wir als Chorea deuten zu dürfen. Die Zahl der Fälle hat sich inzwischen von 8 auf 11 vermehrt, und es gelang uns auch, den Diplococcus aus dem Harn eines Falles akuter, rheumatischer Pericarditis zu isolieren. Ferner wissen wir auch, daß, wenn der Heilungsprozeß an der Grenze der lokalen, rheumatischen Läsionen begann, er nicht nur den Diplococeus zerstört, sondern daß er auch als ein solitärer Coccus — von größerer Ausdehnung als der ge- wöhnliche Diplococeus — in manchen Fällen weiter verharren konnte. Im Februar 1901 erhielten wir zuerst Kenntnis von F. Meyer’s interessanten, selbständigen und umfangreichen Untersuchungen. Meyer wies: darin nach, daß ein Diplococcus aus rheumatischer Angina faucium isoliert werden konnte, und wenn derselbe auf Kaninchen übertragen wurde, so erzeugte er bei diesen Tieren viele Erscheinungen, die für den akuten Rheumatismus charakteristisch sind. Im März 1901 hielten wir in der „Chelsea Clinical Society“ einen Vortrag über „die Ansteckungsfähigkeit des akuten Rheumatismus unter spezieller Berücksichtigung der chronischen Formen dieser Affektion“. Der Diplococcus war um diese Zeit bereits von 14 Fällen von akutem Rheumatismus isoliert worden. Ferner konnte aus einem weiteren Studium der Gelenkentzündungen, wie sie bei Kaninchen vor- kommen, der Schluß gezogen werden, daß die Schwierigkeit, mit der die Isolierung dieser Mikroorganismen aus den ersten, akuten Exsuda- tionen rheumatischer Synovitis verbunden ist, durch das rasche Zu- grundegehen dieser Mikroben im Bindegewebe der Synovialmembran und andererseits durch die Integrität der endothelialen Auskleidung dieser Membran bedingt ist. Weitere Beobachtungen wurden von uns im „Lancet“ vom 4. Mai 1901 (10) veröffentlicht. 3mal gelang es uns, die Gegenwart des Diplococeus in rheumatischen Knötchen nachzuweisen, und bei einer anderen Gelegenheit entfernten wir unter strengen Kautelen, 2 Stunden nachdem der Tod eingetreten war, von dem Ellbogengelenk ein frisches Knötchen und verpflanzten es auf einen Nährboden, der aus Milch, Bouillon und Milchsäure bestand. Es kam auf diese Weise zu einer Entwickelung von Diplokokken, deren intravenöse Inokulation eine Ent- zündung der Herzklappen, des Pericardiums und multipler Gelenke bei einem Kaninchen zur Folge hatte. Der fragliche Mikroorganismus wurde auch im Gewebe dieses Tieres vorgefunden, und diese Beobachtung verstärkte natürlich noch die Annahme, der zufolge der Diplococcus die Ursache des akuten Rheumatismus bildet. Die Lehre von der Patho- logie der Chorea rheumatica wurde darauf hin wiederum einer Unter- suchung unterworfen, und zwar im Zusammenhange mit den über ihre Entstehungsweise formulierten Lehren, so z. B. mit der bekannten embo- lischen Theorie, wie sie von Kirkes und Hughlings Jackson ver- treten wird. 506 F. John Poynton und A. Paine, Das Gehirn des betreffenden Kaninchens, das choreaähnliche Zuckungen zeigte, wurde nun einer Prüfung unterzogen und es stellte sich dabei heraus, daß der Diplococcus sowohl in der Pia mater, die in einem leichten Entzündungszustande sich befand, als auch im Endothel der Blutkapillaren, die die Hirnrinde durchsetzen, enthalten war. Was nun noch die Inkubationsdauer des akuten Rheumatismus an- belangt, so schien es uns wahrscheinlich, daß dieselbe von der Virulenz der jeweiligen Infektion und von der Zahl der in das System ein- gedrungenen Diplokokken abhängt. In 7 Fällen zeigten sich die Zeichen dieser Erkrankung innerhalb einer Woche, ja selbst nach 2—3 Tagen, während in einer Reihe anderer Fälle Symptome ganz unbestimmter Natur wochenlang vor Ausbruch der definitiven Merkmale der in Rede stehenden Affektion zugegen waren. | Wir konnten auch feststellen, daß Temperaturerhöhungen beim akuten Rheumatismus ohne definitive Zeichen lokaler Läsionen auftreten ; diese Temperatursteigerung dürfte wahrscheinlich wohl durch die all- gemeine Toxämie und nicht etwa durch die Gegenwart der lokalen Läsionen zu erklären sein. Der Nachweis der Diplokokken in den polymorphen, nucleären Leukocyten trug wesentlich zur Aufklärung des häufigen Vorkommens der Leukocytosis beim akuten Rheumatismus bei. An anderer Stelle suchten wir durch mitgeteilte Beobachtungen die Ansicht zu unterstützen, der zufolge die bösartigen Formen von Endo- carditis auf rheumatischer Grundlage sich entwickeln und nicht etwa einer sekundären Infektion mit anderen Bakterien ihre Entstehung ver- danken. Gelegentlich des Kongresses für innere Medizin, der im April 1901 abgehalten wurde, fand eine interessante Diskussion über die Patho- genesis des akuten Rheumatismus statt. Den Mittelpunkt dieser Dis- kussion bildete die Frage, ob der von Meyer und anderen Forschern beschriebene Diplococcus oder Streptodiplococcus spezifisch für den akuten Rheumatismus sei oder nicht. Singer allerdings glaubt, die Ursache des akuten Rheumatismus in einer Infektion mit verschiedenen, abgeschwächten und pyogenen Mikroben gefunden zu haben, und er behauptete daher auch, daß der in Rede stehende Diplococeus in Wirklichkeit der Strepto- coccus pyogenes wäre. Im Juli 1901 (11) hielten wir in der patho- logischen Gesellschaft zu London einen Vortrag, in dem der Charakter der Gelenkentzündungen, die auf experimentellem Wege bei Kaninchen vermittelst intravenöser Injektion der von uns in Fällen von akutem Rheumatismus isolierten Diplokokken hervorgerufen waren, beschrieben worden ist; auch mikroskopische Präparate von den Gelenken, die die betreffenden arthritischen Exsudationen enthielten, zeigten wir bei dieser Gelegenheit vor. Wir folgerten daraus damals etwa wie folgt: Gelenkentzündungen stellen sich bei Kaninchen häufig, doch nicht regelmäßig ein. Diese Entzündungen sind gewöhnlich multipler Natur, und die größeren Gelenke sind speziell davon betroffen. Der Grad der Stärke der Affektion ist verschieden, doch ist eine Neigung zur Genesung vorhanden. Wenn dieser Zustand lange genug währt, so bildet sich eine starke Verdickung des Bindegewebes heraus; sonst allerdings kann es vorkommen, daß das Bindegewebe der Gelenke den Sitz einer akuten Geschwulst von etwa gallertartigem Aussehen bildet. Der Charakter der Exsudation ist ebenfalls von wechselnder Beschaffenheit, von einer klaren oder mit Blut gefärbten Flüssigkeit bis zu einer dicken, opaken, fibrinös- Pathogenesis des akuten Rheumatismus. 507 cellulären Exsudation. In diesen Exsudationen kann der Diplococeus oft nachgewiesen werden; in den sehr frischen Ergüssen von klarer Be- schaffenheit ist er jedoch gewöhnlich abwesend, und in den mehr chronischen Formen wiederum wird der Diplococeus durch die Leuko- cyten und die Endothelzellen zerstört. In die Gelenke gelangt er wahr- scheinlich wohl auf dem Wege der kleinsten Blutkapillaren, die in dem areolären Bindegewebe der Gelenkkapseln gelegen sind. | Aus unseren Untersuchungen mit Bezug auf Arthritis rheumatica läßt sich der Satz aufstellen, daß akute, klare Effusionen, und dies sowohl bei Menschen wie bei Tieren, in der Regel ganz steriler Natur sind, oder man müßte vielleicht annehmen, daß die Diplokokken in sehr geringer Anzahl anwesend seien. In diesem Stadium sind die Mikro- organismen in der Synovialmembran derartig gelagert, daß sie sich unterhalb der intakt erhaltenen endothelialen Auskleidung befinden. Diese Thatsachen erklären wohl die negativen Resultate, die bei den Kultivationsprozessen von dem Inhalte der Gelenke in leichten Fällen von rheumatischer Arthritis so oft verzeichnet werden. Gelegentlich der Versammlung der „British Medical Association“ in Cheltenham, nämlich August 1901, hielten wir einen Vortrag, in dem wir die Resultate unserer Untersuchungen kurz mitgeteilt und die Rolle, die die Bakteriologie beim akuten Rheumatismus spielt, besprochen haben. Damals hatten wir bereits den Diplococcus in 29 Fällen von akutem Rheumatismus isoliert. Es erübrigt uns noch, die jetzige Stellung der Bakteriologie zum akuten Rheumatismus einer Betrachtung zu unterwerfen; fürwahr ist es noch nicht erlaubt, eine ganz definitive Meinung darüber aus- zusprechen; so viel jedoch dürfen wir wohl erwarten, daß der eben entwickelte Gedankengang, der das Resultat förtgesetzter und ein- gehender Untersuchungen darstellt, für das weitere Studium des akuten Rheumatismus sich nützlich erweisen wird. Aus dem Studium des klinischen Teiles dieser Frage konnten wir die Folgerung ziehen, daß der akute Rheumatismus eine besondere Krankheit ist und unter ganz charakteristischen Erscheinungen verläuft. Der hereditäre Einfluß und der allgemeine Charakter dieser Krankheit, ferner ihr häufiger Uebergang in Genesung und Rückfälle, ihre aus- gesprochene Neigung zu Entzündungszuständen, namentlich des Herzens, und endlich das seltene Vorkommen von Vereiterungen — das sind doch wohl Momente, die Einen dahin belehren, daß der akute Rheumatismus etwa nicht eine Phase im Verlaufe vieler und verschiedenartiger Infek- tionen bildet, und noch weniger das Resultat einer Infektion mit so- genannten abgeschwächten pyogenen Mikroorganismen darstellt. An der Hand bakteriologischer Untersuchungen gelangten wir zu dem Resultate, daß die Ursache des akuten Rheumatismus in der An- wesenheit eines kleinen Diplococcus zu suchen sei. Den Sta- phylococeus albus oder aureus, den Pneumo- oder Gono- coccus oder gar andere Mikroorganismen vermochten wir nicht, in irgend welchen kausalen Zusammenhang mit der in Rede stehenden Krankheit zu bringen. Um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen, möchten wir noch hinzufügen, daß wir die Krankheit selbstverständlich nicht wegen der spezifischen Aktion des Diplococcus oder wegen der spezifischen Natur der Widerstandsfähigkeit auch als spezifisch betrachten. Vielmehr glauben wir, daß sowohl der Charakter der Infektion wie 508 Bruno Galli-Valerio, die Natur der Widerstandskraft sicherlich eine Rolle bei dem Zustande- kommen des akuten Rheumatismus spielen. Zuverlässige Details über die näheren Vorgänge und inneren Prozesse der Zusammenwirkung dieser beiden letzteren Faktoren fehlen uns vor der Hand noch — die Wissenschaft ist bis jetzt noch nicht so weit fortgeschritten ; aber nichts- destoweniger liegt kein starker Grund vor, weder den spezifischen Cha- rakter des akuten Rheumatismus noch die spezifische Aktion des Diplococcus in Abrede zu stellen. Aus dem oben Angeführten ergiebt sich die Thatsache, daß es nicht zulässig wäre, den akuten Rheumatismus auf Grund theoretischer Aus- einandersetzung als eine Infektion mit dem Streptococceus py0- genes in seiner abgeschwächten Form noch als das Resultat verschie- dener Infektionen zu betrachten. Ä Wenn wir ferner noch zum Schlusse behaupten, daß der akute Rheu- matismus eine definitive Affektion sei, so meinen wir keineswegs damit, daß die in Rede stehende Krankheit isoliert von allen anderen dasteht; vielmehr gehört die letztere einer Gruppe von Affektionen an, die in einem innigen Zusammenhange zu einander stehen, jede für sich aber bestimmte Merkmale bietet, und zwar wenn sie in charakteristischer und sewöhnlichster Form vorkommt; so weit eben nur verdienen auch ver- schiedene andere Infektionskrankheiten den Namen der Spezifität. Litteratur. 1) Westphal, Wassermann u. Malkoff, Berl. klin. Wochenschr. 1899. No. 29. p- 638. 2) Apert et Triboulet, Compt. rend. de la soc. de biol. T. V. 1898. p. 128. 3) Triboulet et Coyon, Bullet. et m&m. de la soc. med. des höpitaux. 1898. P295. 4) Triboulet, Compt. rend. de la soc. de biol. T. V. 1898. p. 214. 5) Poynton and Paine, The etiology of rheumatic fever. (Lancet. 1900. Sept. 22 —29.) 6) Mantle, Brit. med. Journ. 1887. p. 1381. 7) Poynton and Paine, The pathogenesis of rheumatic fever. (Path. soc. trans. Volsbll. Part'1.190%) 8) Meyer, F., Zur Bakteriologie des akuten Gelenkrheumatismus. (Berl. klin Wochen- schr. 1901. 7. Febr.) 9) Poynton and Paine, The infectivity of acute rheumatism with especial reference to the chronic types of the disease. (Lancet. March. 1901. Clinical Journ. 1901.) 10) — —, Some further investigations upon rheumatic fever. (Lancet. May 4. 1901.) 11) — —, Path. soc. trans. Vol. LII. Part III. 1901. 12) — —, The present position of the bacteriology of rheumatic fever. (Brit. med. Journ. 1901.) Nachdruck verboten. Contribution & letude de la Botryomycose. Par le Dr. Bruno G6Galli-Valerio, Prof. ä la Facult& de medeeine de Lausanne. Avec 2 fig. Depuis l’observation de Faber et Ten Siethoff, quia fait entrer la Botryomycose parmi les affections parasitaires de I’homme, cette ma- ladie a 6t& l’objet de telles discussions que je crois utile de resumer l’ötat de nos connaissances sur elle, avant d’exposer le cas que jai eu l’occasion d’observer avec mon collegue Mr. le Dr. Rochaz et d’exprimer mon opinion. P- | C’est en 1870 que Bollinger, ä llautopsie d’un vieux cheval de l’&cole veterinaire de Vienne trouva dans les poumons 5—7 nodules de la dimension de grosses noisettes, durs, d’une coloration gris-blanchätre. Sur la coupe ils presentaient des foyers spongieux avec un liquide puriforme dans lequel ou observait des corpuscules analogues ä des grains de sable, de la dimension de 50-300 u. Ils &taient form6s par des spheres de 4—4,5 u, chacune desquelles &tait formde & son tour par des grains de 0,5--0,7 ı dont plusieurs en voie de division et dou6s de mouvements mol6culaires. ÜCes amas ou grappes, etaient enveloppes par une capsule sans structure form6e par une membrane demi-fluide. | Les nodules &taient forms par un jeune tissu de cicatrisation riche | en cellules avec les grappes formees par le parasite distribuees pres de | morceaux de vegetaux qui, suivant Bollinger, devaient avoir servi & la penetration du parasite dans les poumons. Bollinger appela cette affection Pneumomycosis chronica et donna au parasite le nom de Zoogloea pulmonis equi. Neufanndes plus tard Rivolta retrouvait - le parasit@ dans une tumeur du scrotum chez un cheval et le consid£erait analogue ä l’actinomyces. Il le retrouva encore ensuite chez le m&me cheval, constata qu’il resistait ä l’action de la potasse caustique et quiil se colorait par le carmin et par le bleu de gentiane et il l’appela d’abord Sarcodiscomyces equi et ensuite Discomyces equi. Apres Rivolta, Johne retrouva le parasite dans un cas de champignon du cordon testiculaire et dans des nodules de la peau du cheval et il lappela Micrococcus ascoformans. Mais c’est en 1886 que Rabe, ayant eu l’occasion d’observer plusieurs l&sions du cheval dues ä ce parasite, il en fit une &tude complete appuy@e sur des cultures et des inoculations experimentales. Il constata que le parasite donnait des colonies rondes, gris argente sur plaque de gelatine et d’agar, que sur pommie de terre il donnait une couche jaune opaque; qu’en g£elatine par pigüre il donnait une culture caracteristique se presentant d’abord comme ume ligne blanchätre, autour de laquelle il y avait une faible fluidification, 'tandis qu’& la partie superieure se formait une capsule en calice remplie d’air. Toutes ces cultures degageaient une odeur qui rappelait la fraise et &taient form6&es par des coques ä 2 on & 4, sans membrane d’enve- loppe. L’inoculation aux animaux provoqua la mort ou des abces, ex- cept@ chez un cheval ou elle determina une tumeur analogue aux tu- meurs spontanees determindes par le parasite. Il proposa de l’appeler Micrococceus botryogenes et il put &tablir quiil &tait identique auDiscomyces de Rivolta, tandis que Bollinger l’ayant compare avec ses pr¶tions de 1870, le trouvait identique ä Zoogloea pul- monis equi et proposait lenom de Botryomyces. Plus tard, Kitt proposa la denomination de Botryococcus ascoformans, mais ayant eu l’occasion de reprendre l’ötude de ce parasite et de l’inoculer a un cheval chez lequel il determina un simple abces avec des micro- coques identiques & M.pyogenes aureus, iln'hösita pas & considerer le Botryomyces comme une simple variete de ce mierocoque. C’6tait le premier coup contre la specificite du Botryomyces. De nouveaux travaux ont paru apres sur la Botryomycose qui £tait observ6e non- seulement sur le cheval mais chez les bovid&s et chez les porcs. La spe&eificit@ de la Botryomycose semblait done desormais admise, non obstant les id&es @mises par Kitt, appuyees par Hell et par Mary. Elle &tait considöree comme une affection determinege par un parasite vegetal compos@ par des coques de 1 «u groupes en granu- Contribution A l’etude de la Botryomycose. 509 510 Bruno Galli-Valerio, lations jaunes päles de 0,5 mm ä leur tour formes par des amas ronds de 50—100 u enveloppes d’une membrane et prösentant souvent des stries rayonnantes formees par des sels calcaires. Ce parasite de- terminait des l&esions chez les chevaux, bovides, porcs et surtout au cordon testiculaire des chevaux chätres, sous forme de tumeurs et no- dules d’aspect fibreux, ou de tissu de granulations avec des cellules rondes et parfois &pithelioides, entourant des zones spongieuses dans lesquelles le parasite se trouvait place. Je proposai en 1897 la denomi- nation de Botryomyces ascoformans. O’est justement cette annee que la Botryomycose commencait & etre observee chez l’homme et devait soulever plus @nergiquement les discussions sur sa spe&cifieite. Faber et Ten Siethoff en effet, observaient chez un garcon de ferme qui soignait un cheval atteint de champignon du cordon testi- culaire, un orgelet au bord d’une paupiere, suivi de la formation de petits nodules de 0,5—3 mill. de diametre. En pesant sur ces nodules, on faisait sortir un pus visqueux dans lequel il y avait des amas muri- formes & peine visibles & l’eil nu et formös par le Botryomyces. On ne fit ni inoculations ni cultures. La m&me annde au XlIe congres francais de chirurgie, Poncet et Dor communiquaient 4 nouveaux cas de botryomycose humaine siegeant, 2 aux doigts, un sur l’&minence thönar, et le 4e sur la partie plus saillante du moignon de l’Epaule. Ils se presentaient sous la forme de masses entre champignonneuses ulcerees, de volume variant entre un pois et une noix, formöes par des bourgeons tres vascularises relies aux tissus sous-jacents par un pedicule mince. Leur structure 6tait celle de fibroad@nomes et ils en isolerent un microorganisme pr6esentant les caracteres du Botryomyces. Linoculation des cultures fait» par Guinard ä la mamelle d’une änesse, provoqua apres 20 jours la for- mation d’une tum6faction de la dimension d’une noisette mais qui dis- parut avant qu’elle put &tre examinee. Poncet et Dor sont revenus avec d’autres travaux sur la Botryomycose humaine, et ils considerent cette maladie comme due & un parasite sp&cifique, le Botryomyces ascoformans, tout en considerant les amas muriformes qu’on trouve dans les lesions, non comme des amas form6s par le parasite lui-m&me, mais comme des amas „constitu6es par la r&union de cellules hyalines, agglutindes les unes aux autres et ndes separ&öment chacune dans un noyau d’une cellule Epitheliale“, processus connu en pathologie cellulaire, sous le nom de pycnose. En 1895 Legrain decrivait aussi comme botryomycomes, 2 tumeurs developpees aux mains de 2 femmes Kabyles, tumeurs forme&es par des bourgeous charnus. Mais sur l’une on ne fit aucun examen bacterio- logique sur l’autre on constata la presence d’un Staphylocoque, parfois en amas consid6rables. La möme annee Sabraz&s et Laubie observaient chez un homme ä la region surciliere droite, une petite tumeur pr£- sentant des caracteres interm6diaires entre Framboesia et Botryomycose, en isolerent un Staphylocoque en amas de 15-40 u de diametre et qu’ils considererent comme M. pyogenes aureus. Il n’y 6tait pas a l’etat pur, mais associ&e & un Bacille du type coli. Peu de temps apres, ces mäömes, observateurs avaient l’occasion d’etudier une petite tumeur d’un doigt chez un homme, qu’on ne pouvait pas differencier mor- phologiquement de la Botryomycose. Dans cette lesion il y avait un Staphylocoque et des bacilles. Ayant ensuite trouv& dans un cas de Contribution ä l’etude de la Botryomykose. 511 follieulite agminde chez une femme, des staphylocoques agglutines dans une masse glaireuse, analogues au Botryomyces, ils en conclurent a la non speeifieit€ de la Botryomycose et A lidentit@ de l’agent qui determine cette maladie avec M. pyogenes aureus. En 1900, Reverdin et Julliard publierent un nouveau cas de Botryomycose humaine observe ä Geneve. Il sagissait d’une petite tumeur comme un pois, rouge sombre, pediculee, situ6e A la paume de la main d’une demoiselle. Cette tumeur ne contenait ni pus ni grains muriformes visibles ä l’oeil nu, mais au microscope il y avait des bacilles et des amas muriformes de 5—6 microcoques et davantage, tres volu- mineux, colores par le Gram et entoures d’une zone translucide se colorant par l’&osine. Les colonies pr6sentaient les caracteres du M. pyogenes aureus. Dans un seul cas on observa dans la gelatine la forme en tulipe decrite pour le Botryomyces, mais sans pellicule en surface. Les inoculations sur les cobayes donnerent abces dans un cas, et mort dans l’autre et dans les lösions il y avait des coques et des bacilles. Dans un cas les coques &taient en amas assez volumineux, entoures d’une zone translucide.e. Tout en considerant ce cas comme un cas de Botryomycose, Reverdin et Julliard ne tendent pas ä& admettre la speeificite du Botryomyces, surtout par le fait qu’ayant etudie un staphylocoque dor& isol&E d’une conjonctivite, avaient pu con- stater le peu de constance des caracteres des cultures. En 1901 Busquet et Crespin observaient chez une femme & Alger une tumeur du pied presentant des caracteres entre Framboesia et botryomycome et dont ils isolerent un staphylocoque qu’ils consid£re- rent comme une simple variöt@ de M. pyogenes aureus. „Peut- etre“, Eerivaient-ils, „le Botryomyces n'est-il que l’un des termes ultimes de la differeneiation fonctionnelle et acquise d’un staphylocoque banal“. Brault observait aussi la m&me annde ä& Alger 2 tumeurs, aux mains de 2 femmes, prösentant l’aspect de botryomycomes. Dans l’une il y avait des grains muriformes colores par le Gram, assez nombreux, dans l’autre ils &taient plus rares, mais dans les deux cas il obtint des colonies d’un staphylocoque dore, dont l’inoculation au rat et au cobaye donna ne&crose et abees. On pourrait dire, concluait Brault, quil ne s’agit pas de botryomycose, „mais alors il faudrait admettre que le staphylocoque peut produire chez l’homme des tumeurs en tout point comparables ä celles qui ont &t& decrites par les auteurs comme apparte- nant au botryocoque“. Enfin Baracz ayant trouv6@ chez une fillette une tumeur polypeuse du pouce gauche du type d’un myxofibrome, et dont il obtint Strepto- coccus et M. pyogenes albus qui inocules un chien, au chat au cheval donnerent des abc£&s, arriva & la conclusion que la botryomycose ne peut pas &tre considör6e comme une maladie specifique. Il resulte donc des travaux que je viens de citer, qu’il existe chez ’homme une l&esion caract6eris6e par la formation de nodules et tumeurs d’un pois & un poing, formes d’un tissu de granulation, ou A type d’ad&- nofibrome, dans lesquels un trouve un microorganisme pr6sentant parfois la forme de grains muriformes, parfois la forme de simples coques isol&s ou en staphylocoque et dont les cultures pr&sentent parfois l’aspect typique de celles decrites par Rabe dans la botryomycose du cheval, d’autres fois sont tout & fait identiques A celles de M. pyogenes aureus. Si nos faisons exception de Faber et Ten Siethoff, qui n’ont pourtant pas fait de cultures, de Poncet et Dor, de Legrain 512 Bruno Galli-Valerio, dont le travail est tout a fait incomplet, tous les autres &mettent des doutes sur la speeifieit€ du Botryomyces comme agent de cette affection et tendent plutöt ä la mettre sous la dependance de M. pyo- genes aureus. Avant d’aborder la discussion de cette question si importante, jexposerai les r&sultats de l’examen du cas de botryomycose chez l’homme que jai eu l’occasion d’observer ä Orbe (Ct. de Vaud) avec mon collegue et ami Mr. le Dr. G. Rochaz: Louis D.... äge de 36 ans, agriculteur. Il a ä faire avec des animaux; il a souvent ses manches relevees et porte de la paille sur ses bras nus. Point de tares anciennes, tuberculeuses ou syphilitiques. Point d’alcoolisme. Au mois de fevrier 1901 il voit apparaitre entre le tiers moyen et le tiers inferieur de l’avant-bras droit, ä la face pal- maire, une excroissance de la dimension d’un petit pois, p@diculee, non ulceree d’un rouge sombre et dont il donne un dessin schematique tr&s net. Pendant deux mois, ce nodule augmente peu & peu de volume, et un jour, le patient ne se rapelle pas si c’est en frottant contre une charrue ou par un coup de pied de cheval, l’excroissance s’ulcera. I sortit beaucoup de sang mais point de pus. Le patient soigne sa lesion avec de l’huile de noix de temps & autre, mais sans r6sultat. Des le 15 aoüt 1901 il se fait brüler la l&sion par un pharmacien avec la pierre infernale d’abord tous les jours, puis tous les 2 ou 3 jours, mais la lesion qui avait atteint la dimension d’une noisette et donnait beaucoup de „salet&“ n’avait aucune tendance & gu6erir. Le 2 döcembre il consulta Mr. le Prof. Roux qui lui conseilla l’excision ou la caut£erisation. Quand le Dr. Rochaz le vit le 3 decembre, il presentait & la place sus-indiqu6ee une ne&oformation bourgeonnante, rougeätre, du diametre de 2!/, cm & bords legerement Epaissis, presentant par ci par lä des zones puriformes ponctuees en cratere ou en @ponge, surelevee sur la peau de 2 mm et prösentant & la base les traces d’un ancien pedicule. Les bords de la n&oformation &taient l&gerement Epaissis et pr&esentaient une collerette de peau dechiquetee. Le 4 decembre, le Dr. Rochaz brülait la n&eoformation ou thermocautere, mais elle ne montra aucune tendance & disparaitre. Le 7 decembre, jaai eu l’occasion de voir le patient avec le Dr. Rochaz, et le soupcon de botryomycose s’etant pr£- sente, soupcon qu’avait aussi eu Mr. Roux, on decida l’operation qui fut pratiqude le 8. Apres avoir congel& la place au chlorure d’ethyle on enleva par excision circulaire au bistouri, 2 mm en dehors du pe&dicule, la tumeur qui se trouva ötre localisee dans la peau. On pratiqua une suture & 4 points et un pansement au iodoforme. Le 12 janvier le patient &tait compl&ötement gueri et & la place occupee par la ne&o- formation il y avait une cicatrice lin6aire. La n&oformation enlevee a servi pour faire des examens directs, des cultures, des inoculations et des coupes. A l’examen direet du frottis on ne voit pas de corpuscules jaunes en grain mais au Microscope on trouve des cellules allongees en fuseau de jeune tissu conjonctif, des cellules rondes et par ei par lä les coques a 2. ou en gros amas granuleux. Dans les pr¶tions en glycerine on note quelques amas en forme de müre, formes par des corpuscules ronds refringents. Les coques se colorent bien par toutes les coleurs d’aniline et par la me- thode de Gram. Les formes isole&es sont bien plus nettes dans leurs contours que celles qui se trouvent dans les gros amas. Sur les coupes, la n&oformation presente les caracteres suivants: Vers la peripherie on note des residus de la couche cutanee qui formait Contribution A l’6tude de la Botryomycose. 513 comme une collerette autour de la n&oformation. Le reste est forme par des cellules conjonctives allong6es, ä gros noyaux, enchev£etr6es et pr6sentant par ei par lä des infiltrations de cellules rondes. Le tout est parcouru pas des vaisseaux assez nombreux et vers la p@ripherie on note des Mastzellen. Interpos6ds au faisceau fibreux, dans les coupes eolorees au Gram, ou au Bleu de Piana, on note par ci par lä des amas irröguliers de S—10 u, forte- | ment colores, sur les bords desquels on remarque des coques isoles. Dans certains points, ils apparaissent dis- a» 4 poses en grappe.. Dans une coupe e 2% colorde au carmin alund et auGram, #3 # F" on note ici et lä des coques isolds ou e » # en petits amas, et dans un point un Pi gros amas muriforme de 18X12 u, Et de l’aspeet d’un rein, dont la peri- # ‚‘ # pherie presente des grains de 1 u et n Ä entour& d’une aur&ole faiblement co- loree en rougeätre (fig. 1). Dans # aucune des coupes il n’y avait des formes avec aiguilles de sels calcaires, % comme on en remarque dans le cham- pignon du cordon testiculaire du che- val. Ni dans les frottis, ni dans les coupes il n’y avait d’autres micro- organismes en dehors des coques in- I diques, qui y etaient A l’etat pur, dir Fig. 1. comme du reste les cultures et les inoculations l’ont demontre. Les cultures ont 6t& faites, soit en enfoncant dans la tumeur, dont javais flamb& la surface, une aiguille de platine, soit en prenant dans la profondeur un petit morceau de la tumeur avec des instruments sterilises et en la portant dans du bouillon peptonise. Les deux syst&mes de eulture ont amen& le d&eveloppement d’un microorganisme identique dont voici les caracteres morphologiques, des cultures et le r6sultat des inoculations sur les animaux. Morphologie: Coques immobiles, a 2 et en staphylocoques de la dimension de 0,60 ä& 0,80 u. Dans certains cas, ils semblent comme enveloppes par une gangue qui les maintient r&unis en amas. Dans des eultures faites avec des morceaux de paille sur lesquels on a place pendant quelque temps de ces coques, les amas sont plus accentues et la gangue plus manifeste. Se colorent bien par toutes les couleurs d’aniline et par le Gram, mais les coques isolö&s ou A 2 prennent mieux la couleur que ceux qui se trouvent en amas. | Cultures: a) Gelatine: En plaque ä 20°, on observe apres 24 heures, des colonies profondes de la dimension d’une pointe d’epingle et des eolonies de surface de la dimension d’une tete d’epingle, rondes on legerement ovoides. Si on les examine au microscope & un faible grossissement, on remarque qu’elles sont jaune sombre, ä peine granu- _ leuses, les profondes tout ä& fait rondes, les superficielles ä& contour legerement festonn& et entourdes d’un anneau plus clair olı commence ensuite la liquefaction de la gelatine. Les plaques sont completement Erste Abt. XXXI, Bd, 34 514 Bruno Galli-Valerio, liquöfi6es en 10 a 12 jours et prösentent sur le fond une poussiere jaune orange. Par pigüre ä 20°, on remarque apres 24 heures en surface une petite plaque blanche brillante. Apres 2—3 jours il se forme en sur- face un petit enfoncement en godet dans lequel on trouve de la gelatine liquefi&e sur laquelle surnage la plaque blanche qui commence ä se colorer en jaune. Apres 4 jours, il y a formation d’un cöne de lique- faction, & la surface duquel il y a une pellicule blanc jaunätre tandis qu’au fond il y a une poussiere de la möme couleur et la sg£latine liquefi6e est limpide. Apres 8 jours, les trois quarts dans la gelatine sons liquefi6e et apres 17—20 jours la liqu6faction est complete, avec depöt au fond d’une poussiere jaune. En surface, parfois persiste la plaque blanc jaunätre, parfois elle disparait et tombe au fond du cöne de liqu6faction. b) Agar: En plaque a 37°, les caracteres des colonies sont identi- ques & ceux indiques pour les colonies sur plaque de gelatine. Sur agar incline & 37° on observe apres 24 heures des colonies rondes, luisantes, &tal&es, blanc jaunätres, & centre plus jaune que la peripherie. Elles se fondent ensembles dans une riche culture ä& bords festonnes, form6s par de nombreuses colonies rondes d’une coloration jaune orange päle. Ces cultures inclindes, plac6es, & 20° se decolorent en 28—48 jours et presentent une coloration blanc sale; mais si on les repique, elles donnent encore des colonies jaunes. En agar par pigüre & 37°, apres 48 heures, petite plaque en surface, jaune orange brillante qui apres 48 heures occupe pusque toute la sur- face et presente des bords festonnees et en profondeur il y a une cul- ture en clou, & bords dentel&s comme une scie. Ües cultures placees a l’etuve a 20° m&me pendant 46—48 jours ne presentent pas la de- coloration qui s’observe dans les cultures sur agar incline. Les cultures a 20° presentent les m&mes caracteres. Mais de vieilles cultures repi- qu6es, soit & 37°, soit & 20° se presentent blanches et deviennent jaune päle seulement apres 3 & 4 jours et parfois seulement sur certains points de la culture. Toutes ces cultures sont tellement visqueuses qu’avec aiguille de platine on peut dötacher de gros lambeaux de cul- ture de la surface de l’agar. c) Serum de baeuf gelatinise: Sur serum de bauf g£latinise incline & 37° se presentent apres 3 jours de petites colonies comme une pointe d’&pingle, jaune dore, bombees qui n’ont pas de tendance & confluer. Seulement apres 20—24 jours il se forme des taches con- fluentes, blanc jaunätre et dans le liquide de condensation on voit une poussiere jaune dore. | d) Pomme deterre: Sur pomme de terre & 37° apparaissent apres 3 jours quelques colonies comme une pointe d’epingle jaune dor& vif, bombe&es qui restent toujours telles sans confluer. e) Pomme de terre glycerin6e ä 37°: M&mes caracteres que sur pomme de terre simple. f) Carotte cuite ä 57°: M&mes caracteres que sur pomme de tETTE, g) Bouillon peptonise: En bouillon peptonise & 37°, on obtient apres 24—48 heures un voile blanc jaunätre en surface, avec l&ger depöt jaunätre au fond. Apres 3 jours, le bouillon est tout & fait trouble, avec une pellicule jaunätre feudill6e en surface, des flocons en suspension Contribution ä& l’stude .de la Botryomycose. 515 et un depöt floconneux au fond. Si on agite, le depöt se soul&ve en flacons nuageux tr&s adhörents. Apres 4 jours la pellicule disparait et il n’y a plus qu’un depöt jaune au fond mais le bouillon reste trouble. Petit ä petit le bouillon s’eclaireit et apres 20 jours il est tout ä fait clair, avec un d&pöt poussiereux jaune dore. h) Bouillon glycos& ä 37°: Qultures analogues avec lögere fer- mentation du glycose. i) Bouillon lactos& ä 37°: Mömes caracteres avec lögere fer- mentation du lactose. J) Bouillon avec nitrite de potasse ä 37°: Point de re- action de l’Indol. k) Lait: Dans le lait & 37°, apres 3 jours on note des flocons tres minces. Apres 4 jours le lait est coagul& en flocons tres minces tasses les uns sur les autres et sur lesquels surnage un peu de liquide jaunätre. Apres 24 jours il y a un fort coagulum au centre et autour de petits flocons en suspension dans un liquide louche. Aucune des cultures n’est doude d’une odeur caracteristique. Inoculations: Les inoculations sur les animaux ont ete faites avec des morceaux de la tumeur, avec des cultures directes de la l&sion humaine et avec des cultures obtenues apr£&s avoir laisse quelque temps le parasite sur des morceaux de paille st£erilises. a) Inoculation avec la tumeur: Un lapin inocul& sous la peau de la cuisse avec un morceau du botryomycome de la dimension d’un grain de chenevis, presenta au point d’inoculation une tumefaction qui s’abee£da en donnant du pus blanc-jaunätre &pais. Ce pus contenait une grande quantit&@ de coques en staphylocoques dont les cultures presen- terent les caracteres indiqu&es pour les cultures directes faites avec le botryomycome de l’homme. Un cobaye inocul& comme le lapin sus-indiqu& ne presenta qu’une legere tumefaction qui s’abeeda donnant quelques gouttes de pus ä sta- phylocoques avec les caracteres indiques. b) Inoculation avec des cultures directes de la lösıon humaine: Un cobaye inocul& sous la peau de la cuisse avec !/, seringue d’une culture en bouillon de 24 heures, prösenta apres 24 heures une tumefaction tr&s forte de la cuisse et succomba dans la nuit. Il presentait les caracteres d’une cobaye inocul& avec du B. anthracis: La peau de la cuisse et de l’abdomen 6tait separ&e du tissu conjonctif sous cutan6 par une forte infiltration s&ro-sanguinolente sans pus. Tous les organes presentaient de l’hyper&mie, mais il n’y avait pas d’autres lesions. Dans le liquide de l’oed&me, dans les sang du coeur et dans la rate, il y avait des staphylocoques en petits amas ou par 2, tres abondants surtout dans l’oed&me et dont les cultures ötaient identiques ä celles d£crites. Un autre cobaye, inocul& avec 2 div. d’une culture en bouillon de 24 heures sous la peau de la cuisse droite, prösenta un tum6faction dure ä la partie inoculee, apres 6 jours. Apres 21 jours, cette tumefaction se presentait bossel&e, de la dimension d’une petite noisette, ä partie cen- trale ombiliqu&e avec un petit orifice par lequel sortait un liquide puri- forme. Apres 23 jours la compression sur cette tume6faction fit sourdre un pus jaune Epais. Au microscope ce pus pr6sentait de nombreux coques en staphylocoques au par 2, rarement englob6s par des phagocytes et se presentant par ci par la en amas de 8 u, form6s par des grains ronds et qui colores par le bleu au par le Gram se presentaient comme 34* 516 Bruno Galli-Valerio, des taches sombres dans lesquelles ou distinguait a peine les grains. Les cultures faites avec ce pus presentaient les caract&res ordinaires. Une souris grise inocul6e sous la peau de la cuisse avec 1 div. de culture en bouillon de 24 heures, succomba en 48 heures. Elle prösen- tait une forte infiltration sero-sanguinolente sous la peau de la cuisse inocul&e et sous celle de l’abdomen, hyperemie dans differents organes sans autres lesions. Des coques en staphylocoques et diplocoques se trouvaient dans le liquide de l’oed&me et dans le sang, ayant tous les caracteres de culture de ceux isol&s chez !’'homme. c) Inoculation avec paille infect&e et culturesdirectes de cette paille: Bollinger avait remarque que dans les lesions de botryomycose qu'il avait observ& chez le cheval, il y avait des morceaux de veg6taux et il avait pense que ces vegetaux avaient pu servir & lin- oculation du parasite. Piana a ä son tour trouv& dans le champignon du cordon testiculaire du cheval des fibres vegetales qui etaient placees sur des amas de botryomyces et il a suppose que le parasite se trouve naturellement sur des vegetaux qui servent & constituer la litiere et sont inocules dans la plaie du cordon par des fragments de ces vegetaux. Je me suis alors propos& de voir si le microorganisme que javais ob- tenu du botryomycome de l’homme pouvait vivre un certain temps sur de la paille et si les inoculations sur les animaux avec le parasite ainsi garde, pouvaient donner des l&sions particulieres. Dans ce but j’ai verse le 4 fevrier 1902 sur des morceaux de paille sterilisös une heure & 150° dans une plaque de Petri une culture du microorganisme isol&E chez l’homme, puis j’ai plac& les morceaux de paille dans une autre capsule de Petri sterilisee et je les ai garnees & 18—20°. Cing jours apres, j’ai inocul& un cobaye sous la peau de la cuisse avec un morceau de la paille preparde de la facon sus-indiquee. L’animal presenta apres 5 jours une tumefaction avec une petite ouverture don- nant du pus charge de staphylocoques dont les cultures presentaient les caracteres indique6s. Un mois apres j’ai inocul&E avec !/, seringue d’une culture en bouillon de 24 heures, obtenue avec un morceau de paille infecte, un cobaye dans le scrotum. Apres 24 heures cet animal presentait une forte tumefaction rouge de la partie inoculde. Apres 48 heures il y avait au centre de la tume6faction une petite plaque jaunätre. Mais petit a petit, la tum6faction disparut sans s’abceder. Un surmulot inocul& avec la m&me culture et la m&me dose sous la peau de la cuisse se presenta triste apres 24 heures et apres 48 heures montra un abces qui s’ouvrit donnant un pus & microcoques identiques ä ceux isol&s de la l&sion de l’homme. La m&me culture servit ä& inoculer avec une 1!,, seringue un lapin sons la peau de la region inguinale droite. Apres 24 heures se manifesta au point inocul& une forte tumefaction rouge. Apres 9 jours, des plaies purulentes se formaient autour du point inocul& donnant un pus jaunätre epais qui contenait le microorganisme avec les caracteres ordinaires. Mais au point inocul&@ se montrait une petite tumefaction qui le 14e jour apres inoculation apparaissait un nodule de la dimension d’un gros pois, arrondi, rouge, ä taches plus sombres vers la partie sup6erieure, ä base etranglee en court pedicule sur lequel depassait la base de la n@oformation, comme un chapeau de champignon. Apres 22 jours comme la petite tumeur persistait et que je craignais la possibilit€ d’une resorption, j’ai sacrifie Zu a aan er ee u eu en Mn NN} en ar a A VE A A a in a Ah a a a a. | | ai Y Contribution ä l’Etude de la Botryomycose. 517 animal. Voici les l&sions que j’ai constatdces: A la region inguinale dans la ligne me@diane ulceration rougeätre A granulations, donnant du pus jaunätre €pais. Vers la droite, au point inocul@ un nodule arrondi, lögerement bossele, de la dimension d’un gros pois, (d'une coloration rouge foncde avec quelques taches plus sombres, p&dicule, mais A pedi- eule court sur lequel d&eborde la base du nodule (fie. 2). Le nodule est tres dur. Il siege dans la peau. Dans la tissu conjonetif sous cutane il y a une fusde purulente. Dans les differents orga- nes on ne remarque point de lesions. Sur la coupe, la tumeur se presente dure, fibreuse. A l’examen mieroscopique direct d’une partie de cette n&oforma- tion, on trouve quelques grains jaunätres & peine visibles et rares qui au microscope: apparaissent comme des amas ronds ou ovoides de 11,5—15 u de diametre form&s par un amas de corpuscules et ä cötE de ces amas il ya des coques isoles, par 2 ou en petites grappes. Tous se colorent bien par les couleurs d’aniline et par la methode de Gram. Les coupes de cette n£o- formation pre&sentent les caracteres suivants: Dans certains points de la sur- face on note la structure Fig. 2. de la peau qui enveloppe la neoformation et qui presente beaucoup de Mastzellen. La n&oforma- tion m&me est formee par de jeunes cellules conjonctives avec une infiltration de cellules rondes surtout accentude vers la pe6riph£rie. Les cellules conjonctives, dans certains points, se croisent entre elles et delimitent des espaces avec des globules de pus ou vides donnant l’aspect d’un tissu spongieux. Dans ces points on trouve aussi des vaissaux n6o- formes assez nombreux. Surtout vers la periph6rie de la n@oformation et dans les cavites, on remarque des amas de corpuscules de 0,6--0,8 u et par ci par lä de grosses spheres granuleuses analogues A celles obser- vees dans le frottis, les uns et les autres se colorant bien par toutes les couleurs d’aniline et par le Gram. La structure de cette n6oforma- tion & la plus grande analogie avec celle d’une coupe de botryomycome du cheval que je possede. Les cultures faites avec cette n&oformation prösentent les caracteres des eultures isol&es chez I’homme mais anciennes c. a. d. que sur agar A 518 Bruno Galli-Valerio, 37° elles se presentent blanches et deviennent jaunes petit ä petit sans pr6esenter la coloration jaune fonc@ que les cultures pr&sentaient au d&but de l’isolement chez ’homme. En gelatine, elles donnent un godet d’air a la surface comme je l’ai note aussi dans des cultures directes de l’homme, tr&s analogue au godet indiqu& comme caracteristique pour M. ascoformans. Discussion du cas observ&: Le moment est venu de discuter le cas que j’ai decrit: S’agit-il d’un cas de botryomycose humaine. Si nous prenons en consideration les caracteres presentes par la n&oforma- tion chez le patient, surtout au debut de la maladie, si nous prenons en consideration sa structure histologique, nous devons porter le dia- gnostic de botryomycose. Ce diagnostice est fortement appuy@ par le resultat obtenu sur un lapin qui a present au point inocul&e avec une culture du microorganisme isol& de la lesion de l’'homme, une n£ofor- mation presentant les caracteres typiques d’un botryomycome. Mais si nous 6tudions les caracteres present6es par le micro- organisme trouve dans cette lesion de l’homme soit au point de vue morphologique, soit au point de vue des cultures, nous voyons qu’ils ne correspondent pas tout & fait & ceux qui sont donnes comme typiques par Poncet et Dor et par ceux qui considerent Micro- coccus ascoformans comme un coque tout ä& fait separe de Mierococcus pyogenes aureus. Voyons quels sont ces carac- teres soi-disant specifiques du M. ascoformans: Dans l’organisme il se presente soit sous la forme de coques isoles ou en amas ana- logues au staphylocoques ou en boules muriformes entourees d’une zone plus transparentes. Ces boules muriformes sont groupes ensemble en gros grains jaunes visibles ä l’oeil nu dans le pus. Dans les cultures, ces formes ne s’observent plus, mais on trouve seulement des coques ä 2 ou en staphylocoques, immobiles. Sur les milieux de culture, il pousse avec des caracteres tres analogues ä ceux de M. pyogenes aureus; les seules differences sont les suivantes: Sur g£latine, M. ascoformans donne en surface la formation d’un calice de liquefaction caracteristique, la liquefaction est tres lente et en surface reste une pellicule Les cultures sur agar sont jaunes d’or & 30° et deviennent blanches ä 37°. Toutes les cultures degagent une odeur de raises. L’in- oculation sur le cheval donne la reproduction du botryomycome, chose qui ne s’observe pas avec M. pyogenes aureus. Si nous comparons ces caracteres avec ceux du microorganisme que j’ai isol& dans mon cas, nous trouvons imme&diatement des caracteres dif- ferentiels. En premier lieu, je n’ai pas remarqu6 dans les parties de la neoformation, enlevde au patient, des grains visibles & l’oeil nu, ana- logues ä ceux observ6es dans la botryomycose. Seulement dans des pr£- parations dans glycerine, et dans des coupes de la neoformation de l’homme, dans un abe£s d’un cobaye et dans la l&sion du type botryomycosique ob- serv6e chez un lapin, j’ai pu constater au microscope la presene de corpuscules muriformes tres analogues ä ceux observes dans les lesions typiques AM. ascoformans. En second lieu les cultures sur ge@latine, tout en ayant present en surface la formation d’un petit godet, et une liqu6faction plutöt lente, ne m’ont pas paru presenter le caractere bien distinet d’une tulipe qu’on observe dans les cultures de M. asco- formans. En troisieme lieu les cultures sur agar & 37° etaient d’un beau jaune orang& et non blanches. Seulement les vieilles cultures a De A en u aa A ZZ re ah Contribution A l’ötude de la Botryomycose. 519 etaient blanches soit A 37° soit & 20° et devenaient jaunes päle, et pas compl&tement, dans un temps tr&s long. L’inoculation sur le cheval, je n’ai pas pu la faire, et ce n’est que sur un lapin que j’ai obtenu une neoformation ä type botryomyecosique. Ayant constate ces differences, jai voulu comparer les cultures du microcoque observe par moi avec celles dun Micrococcus asco- formans de Prague que je garde ä& mon laboratoire depuis plusieurs annedes. J’ai alors constat& que les cultures en g£latine ne different pas de celles obtenues avec mon coque: L’aspect et la dur6e de la liqu6- - faction etaient tout A fait identiques: Le coque isol& par moi liquehait toute de la gelatine en 17—20 jours, le M. ascoformans en 2— 24 jours. La seule difference 6tait que le voile de surface persistait en general plus longtemps dans les cultures dans M. ascoformans que dans celles de mon coque. CeM. ascoformans, qui donnait une fois sur agar des cultures jaunes, ne donne maintenant plus que des cul- tures blanches, tout ä fait analogues ä celles obtenues avec de vieilles eultures de mon coque. Ces cultures sont blanches ä 37°, & 30°, ä 20° et seulement en vieillissant presentent par ci par lä des points jaunes et prennent une coloration jaune päle. Ces cultures ne döga- sent aucune odeur. J’ai voulu completer la comparaison en faisant des ceultures avec differents staphylocoques isol&s surtout de differentes lesions cutan6es, et j’ai pu constater comme il y avait la plus grande variete dans leurs caract£res, de sorte & former comme une v£ritable gamme entre M. ascoformans typique et M. pyogenes aureus typidue. Ainsi par exemple, j’ai isoleE d’un eczema un M. pyogenes aureus, qui &tait blanc ä& 37° et devenait jaune & 20°; d’une autre lesion M. pyogenes aureus, qui liqu6fiait la gelatine extremement lentement, avec voile en surface et au debut formation d’un petit godet en calice. Enfin j’ai compar& les caracteres des cultures de mon coque avec les caracteres des cultures donnees comme typiques pour M. pyogenes aureus, et jai constate qu’il en differe par des caractöres minimes, tels que la viscosit@ plus accentude des cultures sur agar, le faible developpement sur pomme de terre, la l&gere fermentation du lactose et du glycose, la r&action negative de l’indol; caracteres qui ne sont certainement pas suffisants pour faire du staphylocoque en question une espece distincte de M. pyogenes aureus, surtout si nous persons ä la tres grande variabilit@ des caracteres de ce dernier microorganisme mise en &vidence par Neumann!), et que tous ceux qui ont eu l’occa- sion de cultiver M. pyogenes ont pu constater. Pour r&sumer donc, j’ai isol& d’une .l&sion de l’homme ä type de botryomycome, un staphylocoque pr@sentant presque tous les caracteres de M. pyogenes aureus, ne prösentant par les caracteres donne comme typiques pour M. ascoformans par les auteurs qui con- siderent ce microorganisme comme tout & fait distinet de M. pyo- genes aureus et avec l'inoculation au lapin d’une culture obtenue apres avoir fait sejourner ce parasite sur de la paille sterilisee, j’ai obtenu le developpement d’une lesion A type de botryomycome. De deux choses l’une: On bien la l&sion observ6&e par moi avec le Dr. Ro- chaz sur l’homme, n’&tait pas une botryomycose, mais une lesion & M.pyogenes aureus, et alors nous devons admettre que ce parasite 1) Arch. f. Hyg. Bd. XXX. No. 1. 520 Bruno Galli-Valerio, peut provoquer des l&sions analogues ä celles A botryomyces möme par inoculation sur le lapin; on bien la l&sion observ&e 6tait bien un botryo- mycome et alors les caracteres de M. ascoformans ne sont pas du tout constants et il n’est autre chose qu’un M. pyogenes aureus ou une simple variete de ce‘ microcoque. Nous devons donc maintenant discuter la question de la spe&cificit& de la botryomycose. Comme jai dit au debut de ce travail cette question a Eete soulevee pour la premiere fois par Kitt. Sinous examinons les differents travaux parus apres, surtout sur les cas de botryomycose humaine nous pou- vons en tirer des döductions qui plaident beaucoup en faveur de l’hypo- these de -Kitt: les corps muriformes visibles & l’oeil nu consideres comme caracteristiques de la botryomycose, &taient dans le cas de Faber et Ten Siethoff si petits que macroscopiquement on ne pouvait pas les comparer & ceux qu’on trouve chez le cheval; dans un cas de Brault ils etaient tres rares; ils manquaient dans le cas de Legrain, ainsi que dans celui de Reverdin et Julliard. Quant aux caracteres des cul- tures du M.ascoformans donnes comme spe£cifiques, ils n’ont pas pu etre consideres comme tels par Reverdin et Julliard & la suite d’une comparaison avec un staphylocoque. Moi-m&me comme j’ai dit, je n’ai pas constate cette constance, möme en cultivant un M. asco- formans de Prague. Resterait la question des inoculations; l’inocula- tion duM.ascoformans au cheval donnerait lieu & la formation d’un botryomycome typique tandis que celle du staphylocoque ne donnerait jamais cette lesion. Poncet et Dor ont fait inoculer par Guinard dans la mamelle d’une änesse, des cultures de botryomycose humaine; au bout de 20 jours il s’est form& un bourgeon qui s’est pedieulise, a acqui le volume d’une noisette mais a disparu tout seul peu & peu, par con- sequent cette experience n’a pas une grande valeur. Du reste deJong affırme que l’inoculation avec M. ascoformans ne donne pas tou- jours le d&veloppement d’un botryomycome chez le cheval, et il se pro- nonce aussi pour lidentit@ de M. ascoformans et de M. pyogenes aureus, id6e acceptee dernierement par V.A. Moore ä la suite d’une etude sur les microorganismes de la peau du cheval. Pour de Jong le premier n’est qu’un staphylocoque qui reste dans les tissus y degönere en partie, determine une irritation chronique, et consecutivement la forma- tion d’un botryomycome. Le resultat que j’ai obtenu, de developper un botryomycome chez le lapin par inoculation d’un microorganisme & caracteres de staphylocoque que javais laisse vieillir sur un morceau de paille sterilis6e, appuie I’'hypothese de De Jong et parle aussi contre la specificit@ de la botryomycose. Pour r&esumer donc: Il existe chez les animaux et chez l’homme une affection connue sous le nom de botryomycose dans laquelle on trouve un microcoque presentant parfois de l&gers caracteres differen- tiels de la forme typique de M. pyogenes aureus, parfois au con- traire des caracteres le rapprochant presque completement de celui-ci. Dans l’e&tat actuel de nos connaissances surtout apres les etudes de la variabilit@ de M. pyogenes aureus, aucun des caracteres cousideres comme typiques pour differencier le micerocoque de la botryomycose de ce dernier parasite n’est suffisant pour permettre la creation d’une es- pece separee. Les faits s’accordent mieux pour considerer la botryo- mycose comme une staphylococcose, sous la dependance d’un M. pyo- genes aureus, modifi& en partie dans son action pathogene et, peut D u P en Contribution A l’ö6tude de la Botryomycose. 521 &tre dans certains cas, influence dans son action par le milieu sur lequel il se greffe !). Laboratoire d’Hygiene et de Parasitologie, 7 Mars 1902. Bibliographie. Baracz, Resume im Centralbl. f. Bakt. ete. Abt. I. Bd. XXX. 1901. No. 1. p. 35. Bollinger, Virch. Arch. Bd. XLIX. 1870. p. 583. — —, Dtsch. Zeitschr. f. Tiermed. Bd. XIII. 1888. p. 176. Brault, Arch. de Parasitol. T. IV. 1901. p. 590. Busquet et Crespin, Arch. de parasitol. T. IV. 1901. p. 308. 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Vol. XXXI, Ref. de ce journal eit@ un travail de Parascondolo sur un cas de botryomycose humaine. 1L’Auteur se rettache ä l’opinion de Poncet et Dor. 522 Georg Schmidt, Nachdruck verboten. Zur Frage der Widerstandsfähigkeit der Shiga-Kruse’schen Ruhrbacillen gegen Winterfrost. |Aus der bakteriologıschen Station des Garnisonlazaretts Berlin-Tempelhof.] Von Oberarzt Dr. @eorg Schmidt. Eine der auffälligsten Thatsachen bei epidemiologischen Ruhrstudien ist, daß diese Seuche immer wieder an bestimmten Orten, alten be- kannten Ruhrherden zum Ausbruch kommt, und daß in Gegenden, in denen entsprechend der zeitlichen Verteilung der Ruhrerkrankungen im Sommer eines Jahres eine Epidemie gewütet hat, mit ziemlicher Sicher- heit auch in der heißen Zeit der nächsten Jahre gehäufte Neuerkrankungen auftreten. Während man früher in allerlei geistreichen Kombinationen und umständlichen Berechnungen „mephitische“, tellurische, meteoro- logische Einflüsse als entscheidend für die Aetiologie annahm, herrscht heute nach den Forschungsergebnissen der letzten Jahre wohl kaum noch ein Zweifel über den durch Mikroorganismen hervorgerufenen Ur- sprung der Dysenterie und insbesondere über die bakterielle Ursache der epidemischen, nicht tropischen Ruhr. Zwar werden noch eingehende Untersuchungen die gegenseitigen Beziehungen des Bacterium coli dysentericum Celli, der Shiga-Kruse-Flexner’schen Ruhr- bacillen genau festlegen müssen. Immerhin ist die neuere Forschung insofern sicherlich auf dem richtigen Wege, als diese Bakterienfamilie die spezifisch dysenterisch virulenten Keime enthält. Nun sind für die Verschleppung der Ruhransteckungsmöglichkeit durch den im allgemeinen ruhrfreien Winter hindurch ins nächste Jahr zwei .Wege offen, einmal durch die besonders von Koch der Beachtung empfohlenen unbemerkt und unbehandelt verlaufenden leichten sowie durch die subakuten und chronischen Fälle, andererseits durch die Haltbarkeit bezw. Vermehrung des einmal ausgeschiedenen Ansteckungsstoffes außerhalb des mensch- lichen Körpers, also in Erde, Wasser, in der Wohnung, im Latrinen- - inhalt, auf Nahrungsstoffen. Im zweiten Falle muß der Nachweis er- bracht sein, daß die spezifischen Krankheitserreger gegen Witterungs- einflüsse, insbesondere gegen Frost so unempfindlich sind, daß sie auch unter ungünstigen äußeren Bedingungen ihre Lebens- und Vermehrungs- fähigkeit monatelang bewahren. Shiga!) erwähnt nur, daß seine Ruhr- bacillen bei direktem Sonnenlicht in 30 Minuten zu Grunde gehen, dagegen sich beim Trocknen in der Luft mehrere Tage lang am Leben erhalten. Eine außerordentliche Widerstandsfähigkeit gegen Frost und äußere Einflüsse haben u. a. Musehold für Tuberkelbacillen 2), Brehme für Choleravibrionen und Typhusbacillen ®), Belli für ver- schiedene Bakterien *) nachgewiesen. Orientierende Versuche in diesem 1) Studien über die epidemische Dysenterie in Japan unter besonderer Berück- sichtigung des Bac. dysenteriae. (Dtsche med. Wochenschr. 1901. No. 43—45.) 2) Ueber die Widerstandsfähigkeit der mit dem Lungenauswurf herausbeförderten Tuberkelbacillen in Abwässern, Flußwasser und im kultivierten Boden. (Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt. Bd. XVII. 1900.) 3) Ueber die Widerstandsfähigkeit der Choleravibrionen und Typhusbacillen gegen niedere Temperaturen. (Archiv für Hygiene. Bd. XL. 1901. Heft 4.) 4) Wirkung hoher Kältegrade und flüssiger Luft auf Bakterien. (Rif. med. 1901. No. 59.) a ai a TE Widerstandsfähigkeit der Shiga-Kruse’schen Ruhrbacillen gegen Winterfrost. 523 Sinne habe ich im Laufe dieses Winters angestellt und die Widerstands- fähigkeit der Shiga-Kruse’schen Ruhrbacillen in Reinkulturen, in einigen Nahrungsmitteln und endlich im Zusammenleben mit Fäulnis- keimen geprüft. Es wurden von einer frischen Ruhrbacillen-Bouillonkultur !) mehrere Oesen in je eine Gartenerdeprobe, die mit Stuhl und mit Urin vermengt war, ferner auf Kartoffelscheiben, in gewöhnliches Leitungs- und sterili- sierttes Wasser, Kaffeeaufguß, Kaffeemilchaufguß, Kaffeezuckeraufguß, Kaffeemilchzuckeraufguß übertragen. Diese sämtlichen Proben standen zusammen mit einer frisch angelegten Agar- und Bouillonkultur in einer offenen Holzkiste vom 19. Dez. 1901 bis 24. Febr. 1902 im ganzen 54mal über Nacht im Freien. Nur an den Tagen, wo warmes Tau- wetter herrschte, wurde auf die Aussetzung verzichtet. Mithin waren die Impfproben während der angegebenen Zeit allen Frosttemperaturen des diesjährigen, wenn auch verhältnismäßig milden Winters ausgesetzt. Zur Kontrolle befand sich eine ganz genau gleiche Kulturreihe in der- selben Zeit dauernd in gewöhnlicher Zimmertemperatur. Die erste Nachschau fand am 29. Dez. 1901, die zweite am 27. Febr. 1902 statt. Von den Platten oder Flüssigkeiten wurden mehrere Oesen zunächst auf „Ruhragar“-Platten verrieben. Der „Ruhragar“, ein Milch- zucker-Lackmusagar, von v. Drigalski angegeben, ist nach demselben Verfahren wie sein Typhusagar ?) hergestellt, nur mit dem gewöhnlichen Asarprozentgehalt und ohne Zusatz von Nutrose und Krystallviolett. Auf diesem Nährboden zeigen die Ruhrbacillen ein konstantes bio- logisches Verhalten gegenüber den Kohlehydraten (Gärvermögen) und wachsen in den ersten 24 Stunden in typischen kleinen, durchsichtigen, bläulichen, runden Öberflächenkolonieen, die sich deutlich von den Saprophyten und anderen vergärenden, säurebildenden und rotwachsenden Arten unterscheiden. Solche verdächtige Kolonieen wurden weiter ge- prüft durch Ueberimpfung auf gewöhnlichen Agar, Gelatine, Milch, Zuckerbouillon und durch Besichtigung im hängenden Tropfen auf ihre von Shiga und Kruse beschriebenen Eigenschaften hin. Auf den Erdproben und auf der Kartoffel zeigte sich schon bei der ersten Nachschau ein überwucherndes saprophytisches Wachstum. Aus den Wasser- sowie aus den verschiedenen Kaffee- und Milchproben ließen sich (abgesehen von den beiden gleich zu erwähnenden Ausnahmen) ebenfalls keine Ruhrbacillen mehr nachweisen. Dagegen wuchsen in guter Uebereinstimmung sowohl aus den bei Zimmerwärme wie aus den dem Frost ausgesetzten Kulturen der ursprünglich sterilen wie der ge- wöhnlichen Kaffeemilch (dünner Kaffeeaufguß und Milch etwa zu gleichen Teilen) sowie einmal (27. Febr. 1902) aus der Zimmerkultur der ur- sprünglich sterilen Milch typische Ruhrbacillen in Reinkultur. Auch die Bouillon- und Agar-Reinkulturen hatten sich sowohl im Zimmer wie im Freien lebens- und vermehrungsfähig erhalten. Demnach scheint die Annahme gerechtfertigt, daß die Ruhrbacillen von Fäulniskeimen leicht überwuchert werden, daß sie sich indessen unter günstigen Bedingungen, bei zusagendem Nährboden selbst unter rauhen und kalten Witterungsverhältnissen lange Zeit am Leben erhalten. 1) Ich verdanke dieselbe der Güte des Herrn Stabsarztes Dr. v. Drigalski, E yanten am Institut für Infektionskrankheiten Berlin. 2) Ueber ein Verfahren zum Nachweis Ka: Typhusbaeillen. (Ztschr. für Hygiene. Bd. XXXIX. p. 283. Ref. d. Ztschr. 1902. p. 222.) 594 A. P. Fokker, Ob gerade dem Gedeihen in der Milch sowie der Widerstandsfähigkeit gegen den Kaffee bei dessen mäßiger desinfizierender Kraft besondere Bedeutung beizumessen ist, erfordert, zumal unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Sucksdorf!), Heim?) Lüderitz?) noch weitere Er- forschung. Auch der Frage des Wachstums in keimfreier und gewöhn- licher Erde, die in epidemiologischer Hinsicht besondere Beachtung verdient, werde ich in weiteren Versuchen im Sinne des Verfahrens von Rullmann) nähertreten. Berlin, 16. März 1902. Nachdruck verboten. Zur Alexinenfrage. Von A. P. Fokker, Direktor des hygienischen Instituts in Groningen. Die Existenz besonderer Substanzen in dem Blutserum, welche Buchner Alexine genannt hat, wird zwar von Vielen angenommen, doch wird dieselbe von Anderen bezweifelt. Besonders haben Fischer und Baumgarten sich bemüht, die Erscheinung des Absterbens eines Teiles der hineingebrachten Mikroben der osmotischen Wirkung der Salze des Serums zuzuschreiben und sind von diesen Autoren Versuchs- ergebnisse angeführt, welche sich mit dieser Ansicht vorzüglich vertragen. Es ist diese Kontroverse schon so oft beschrieben worden, daß ich es für überflüssig halte, die vorhandene Litteratur und die pro und contra angeführten Beweisgründe hier vorzuführen. Es genügt ja, zu konstatieren, daß Buchner und seine Schüler die Alexine und ihre enzymartige Natur aufrecht zu erhalten versuchen, während Fischer und Baumgarten betonen, daß es keine Alexine giebt, und daß die Zerstörung der Mikroben bloß vom Salzgehalte, von der Erscheinung, welche Fischer als Plasmoptyse beschrieben hat, abhängt. Es hat dieser Streit schon mehrere Jahre gedauert; keine der Parteien scheint . zum Nachgeben bereit, und es ist "wünschenswert, daß der Streit nicht beendet wird, bevor der wahre Sachverhalt vollkommen klar geworden ist. Denn der Streit um die Alexine ist ein prinzipieller. Dieselben bilden ein Glied der parasitischen Doktrin. So wie man in der Mikrobe den Parasiten aufgefunden zu haben glaubt, sollten die Alexine die natürlichen Abwehrmittel sein, über welche der tierische Körper verfügt, und soll es nur von der Menge dieser Alexine abhängen, ob der exogene Faktor den endogenen zu überwinden imstande ist. Es würde so der Infektionsvorgang vollkommen verständlich sein. Indessen sind wir noch weit davon entfernt und würde es, auch wenn die Alexine thatsächlich erwiesen wären, doch notwendig sein, mehrere Vorfragen zu lösen. Besonders würde man sich eine klare 1) Archiv für Hygiene. Bd. IV. p. 368 u. 388. 2) Ueber den antiseptischen Wert des gerösteten Kaffees. (Münch. med. Wochen- schr. 1887. No. 16 u. 17.) 3) Untersuchungen über die Einwirkung des Kaffeeinfuses auf Bakterien. (Ztschr. für Hygiene. Bd. VII. 1889.) 4) Ueber das Verhalten des in Erdboden eingesäten Typhusbacillus. (Oentralbl. f. Bakt. I. Abt. 1901. p. 321.) | | Zur Alexinenfrage. 525 ; Vorstellung bilden müssen von der Natur der Mikroben selber. Letztere wird tagtäglich schwieriger zu fassen. Morphologisch macht das Fehlen eines Kernes und die direkte Teilung der Mikroben ihre Stellung als selbständige Lebewesen zweifelhaft. Chemisch könnte man zwar ihre Unlöslichkeit in Alkalien und Säuren und ihre Unverdaulich- keit durch Pepsin als Stützen der Meinung, es seien selbständige Bionten, betrachten, allein die zuerst von Gamaleia gefundene Bak- teriolyse steht damit nicht im Einklang. Ein aktuelles Bion, daß in einer Casein- oder Caseinlösung spurlos verschwindet, indem es, nach- dem es abgetötet ist, dieser Auflösung widersteht, von einem derartigen Lebewesen muß man jedenfalls mehr wissen, bevor man demselben die Selbständigkeit eines Parasiten zuerkennen darf. Schon früher habe ich die Meinung betont, die Mikroben seien nur partielle Bionten (1) und mich bemüht, für diese Meinung bescheidene Stützen beizubringen. Indem ich darauf hinweise, scheint es mir wahrscheinlich, daß die Ent- deekungen Fischer’s, Pfeffer’s u. A. auch die Natur der Mikroben besser beleuchten werden. Was nun die Kontroverse der Alexine selber angeht, so habe ich über dieselbe vielfach experimentiert und, so wie das auch Anderen passiert ist, sehr wechselnde Resultate erhalten, welche meine Zweifel noch vermehrt haben. Die Darstellung Fischer’s aber scheint mir so _ vernünftig, daß ich mich seinem Schlußsatze vollkommen anschließe. - „Wenn die medizinische Bakteriologie an den Alexinen festhalten will, ‘ dann muß sie auf neue Beweise sich stützen, in denen jede osmo- ‘ tische Wirkung ausgeschlossen ist, in denen auch die große Em- pfindlichkeit der zarten Bakterienzelle nach jeder Seite berücksichtigt wird (2).“ Die neulich von Trommsdorff (3) und von Hegeler (4) mitgeteilten Versuche scheinen nun dieser Forderung Fischer ’s zu entsprechen. Trommsdorff fand, daß 4mal in inaktiviertem Kaninchenserum vor- sezüchtete Cholera- und Typhusbacillen beim Uebertragen in aktives Kaninchenserum gerade so abgetötet werden, als ob die vorgängige Kultivierung in irgend einem künstlichen Substrat stattgefunden hätte. Hegeler erhielt dieselbe Abtötung, als er in inaktiviertem Serum gezüchtete Typhusbacillen nicht, wie das in fast allen Versuchen ge- schah, in eine neue Portion desselben Serums überführte, sondern letztere zu der Kultur selber zusetzte. Beide Untersucher glauben, daß plasmolytische Wirkungen hier ausgeschlossen sind, und diese Ansicht scheint unumgänglich. Zwar kann man immer noch behaupten, daß bei der Inaktivierung des frischen Serums die Gruppierung der chemischen Bestandteile geändert wird, doch würde das schwer zu beweisen sein. Indessen muß ich bemerken, daß, wenn in diesen Versuchen die Ab- tötung nicht durch osmotische Wirkung erklärt werden könnte, das noch nicht beweisen würde, daß die Alexine thatsächlich existieren. Sind doch bis jetzt diese Alexine rein hypothetische Substanzen, während Fischer’s Plasmoptyse zweifellos erwiesen ist. Nur würde man in diesem Falle behaupten können, daß zu unserem Verständnis der betreffenden Er- scheinung noch etwas fehlt. Indem ich schon damals an die Alexine nicht recht glauben konnte, habe ich 1890 (5) frische Milch auf eine bakterienvernichtende Wirkung untersucht und durch Zählungen den Beweis dieser Vernichtung er- bracht. Später, 1391(6), hat Freudenreich das bestätigt. Indem ich 526 A. P. Fokker, gefunden hatte, daß durch eine längere Erhitzung der Milch diese Eigen- schaft verloren geht, lag die Annahme auf der Hand, daß es sich hier um einen ähnlichen Vorgang wie im Blutserum handelt und daß, wenn im Blutserum die Zerstörung der Mikroben eine Alexinwirkung wäre, sich auch in der Milch Alexine vorfinden müßten. Diese Versuche habe ich später mit einer Caseinlösung wiederholt. Ich löste Hammarsten’sches, also salzarmes, Casein in einer Lösung von Dinatriumphosphat und fand diese Lösung als eine gute Nährflüssigkeit für manchen Mikroben. Indessen erfolgte fast regelmäßig nach der Einsaat von Mikroben eine bedeutende Abnahme. Oefters wurden sogar alle vernichtet. Wo letzteres nicht der Fall war, erfolgte bei der fortgesetzten Brütung eine bedeutende Zunahme. Es leistet also diese Caseinlösung dasselbe wie das Blutserum. Enzyme oder aber aktive Eiweißsubstanzen sind hier ausgeschlossen, da die Oaseinlösungen längere Zeit der Kochhitze aus- gesetzt waren. Als ich nun, um osmotische Wirkungen auszuschließen, die Mikroben in Caseinlösungen gleicher Zusammensetzung überführte, erhielt ich recht unbeständige Resultate, wie das nach meiner Erfahrung auch bei den Serumversuchen üblich ist. Aus diesem Grunde habe ich auf weitere Versuche mit Caseinlösungen verzichtet, um so mehr, da die mikroskopische Untersuchung dieser Lösungen sehr schwierig ist. Untersuchungen über Heterogenese, welche ich schon während 20 Jahren vornehme, veranlaßten mich, das Verhalten von Milzbrand- bacillen im Wasser näher zu untersuchen. „Reines, destilliertes Wasser, sagt Gamaleia, ist ein starkes Gift für Mikroben, das Chromatolyse hervorbringt (7). Diese Meinung Gamaleia’s scheint mit der Fischer’schen Lehre übereinzustimmen ; z.B. fand Fischer, daß Milzbrandbacillen 30 Minuten lang mit 0,9-proz. Kochsalz vorbehandelt, im Wasser nach 40—60 Minuten das typische Bild des körnigen Zerfalles, der Plasmoptyse, boten. Es lehrten meine Versuche, daß sporenfreie Milzbrandbacillen in reinem Wasser bald zu Grunde gehen, gewöhnlich so rasch, daß es nicht einmal gelingt, die Einsaat durch Plattenkulturen genau zu be- stimmen. Indessen ist die Menge der hineingebrachten Bacillen nicht ohne Bedeutung. Aus Gründen, deren Mitteilung hier nicht angebracht ist, habe ich mich nicht auf die Erörterung dieser Abtötung beschränkt, sondern die Brütung fortgesetzt und nach mehreren Stunden resp. Tagen die Pilzzahl durch Plattenkulturen bestimmt. Dabei fand ich die über- raschende Thatsache, daß sich bei der Brütung von Milzbrandbacillen in Wasser, nach einer anfänglichen Abnahme, der Pilzgehalt wieder hebt, geradeso wie das in den Serumversuchen stattfindet. Ich teile hier die von mir vorgenommenen Versuche sämtlich mit: Serie A. Es wurde die Milz einer etwa 24 Stunden nach der Impfung an Milzbrand verendeten Maus mit destilliertem Wasser zerrieben und diese Emulsion, eventuell nach abermaliger Verdünnung, bei 35° gebrütet. Eine Oese in Agar eingesät, ergab: Es trat in diesen Versuchen 1—12 die oben verzeichnete Erscheinung auf; in 13—15 unterblieb dieselbe (Tab. ]). Serie B. . Sporenfreie Milzbrandbacillen, aus ganz jungen Agarkulturen, 14 bis 16 Stunden alt, in destilliertem Wasser suspendiert und gebrütet (Tab. II). Be BT Zur Alexinenfrage. 5927 Tabelle 1. I I 1 No. | sofort | 1—2 St. | 3—4 St. |1 Tag 2 Tage|3 Tage|4 Tage|5 Tage 1 | 6 | 0 0 BR a | © 1.88 2 39 0) 0 0) — 360 | 6100 | 18 600 3 0, — 5 0 3 19 | © 4 126 au 7 1200 5 424 _ 154 oo 6 434 5 1 250 7 507 — 195 2510 8 1640 — Ö 6700 0) 9 | 3000 34 | 30. | 2360 | 10 7140 1450 | 7800 112000 11 | 16000 | 10500 | 18000 | 1130 | 1100 | oo 12 1500 55 41 3000 et —_ 965 | 5000 14 511 1640 6000 116 000 15 508 1800 L 2800 Tabelle II. Man wird | 16 | sofort | 1—2 St. | 324 $ı.|ı Tag |2 Tage 3 Tage 4 Tage | 17 2000 | — 8 780 | 3500 18 SO0 3l 33 21 290 | 858 19 569 en _— — 302 20 721 0 3 10 300 21. | 12000 | 1200 1900 2400 | 6700 22 20: 26 5 7 7 1) 23 a 4 3 24 805 205 — 24 25 30 149 9 10 13 | In dieser Serie wurde in 16—21 die Erscheinung beobachtet, in 22—25 jedoch nicht. zugeben müssen, daß sich in der Mehrzahl der mitgeteilten Versuche die nämliche Erscheinung bot, welche im Blutserum zu der Annahme der hypothetischen Alexine Anlaß gab, während es doch im Wasser keine Alexine geben kann. Daraus geht hervor, daß es auch im Blutserum gar keinen Grund giebt, Alexine anzunehmen. Liegt es doch auf der Hand, daß im Blutserum und im Wasser die nämliche Er- scheinung den nämlichen Grund haben muß. Daß im Wasser die anfängliche Abnahme der Milzbrandbacillen der Fischer’schen Bakteroptyse zuzuschreiben ist, das lehrt die mikro- skopische Untersuchung. Ist es doch sehr leicht, in Reagenzglasversuchen den körnigen Zerfall und die Umwandlung der Bacillen in farblose Schatten, in leere Stromata zu beobachten. Es werden gewöhnlich die Bacillen nach 1—2 Stunden schon körnig. Anfänglich färben sich diese Körner noch sehr gut, doch nimmt allmählich ihre Anzahl und ihre Größe ab, bis das kaum sichtbare Gerüst gar keinen Farbstoff mehr aufnimmt. Schwieriger ist es indessen, die nachträgliche Vermehrung zu er- klären. Das Material muß in meinen Versuchen mit Wasser zum Teil aus den plasmoptysierten Bacillen stammen, zum anderen Teil muß es mit den Bacillen eingesät sein, also von dem Milzsaft und der Agar- kultur herrühren. Letzteres erklärt vielleicht, warum in meinen Ver- suchen mit Milzsaft die nachträgliche Vermehrung regelmäßiger erfolgte, ) | = 528 A. P. Fokker, Zur Alexinenfrage. Di | “ indem sich darin gewiß mehr Nährstoffe vorfinden, als aus der Agar- kultur mitgeführt werden können. Daß abgestorbene Pilze das Material zur Bildung neuer Pilze liefern können, das wissen wir aus den be- kannten Versuchen Meade Bolton’s mit Wasserbakterien. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wie die nachträgliche Zu- nahme der Pilze zustande kommt. Fischer hat dies nur kurz er- wähnt und meint, daß “the survival of the fittest”” hier im Spiel ist. Allerdings ist es möglich, daß ein Teil der hineingebrachten Milzbrand- bacillen sich dem wässerigen Milieu anpaßt und dann aufs neue ver- mehrungsfähig wird. Indessen ist die Sache doch nicht so einfach. Häufig beobachtet man Teilungsformen, von welchen sich die eine Hälfte gut färbt, während die andere Hälfte vollständig plasmoptysiert ist und mehrmals habe ich nach 1—2-stündiger Brütung die Bacillen noch gut färbbar gefunden, während doch ihre Vermehrungsfähigkeit stark ab- genommen hatte. / Ueber diese Frage habe ich viel gearbeitet, und ich hoffe, bald darüber weitere Mitteilungen zu machen. Hier beschränke ich mich auf den Hinweis, daß ich in meinen Untersuchungen über Hetero- senese (8) eine Hypothese vorgetragen habe, welche, besser als die jetzt angenommene, die Rolle der Mikroben beim Infektionsprozeß be- leuchten würde. Litteratur. 1) Die Grundlagen der Bakteriologie. Leipzig (F. ©. W. Vogel) 1889. 2) Zeitschrift für Hygiene. Bd. XXXV. p. 55. 3) Archiv für Hygiene. Bd. XXXIX. | 4) Zeitschrift für Hygiene. Bd. XXXVII. 5) Zeitschrift für Hygiene. Bd. IX und Fortschritte der Medizin. 1890. 6) Annales de micrographie. 1891. 7) Elemente der allgemeinen Bakteriologie. 1900. 8) Untersuchungen über Heterogenese. Groningen (Noordhoff) 1901. Inhalt. it ie Poynton, F. John u. Paine, A., Eine DEE mnT nie kurze Zusammenfassung der Resultate Breymann, Margarete, Ueber Stoff- einer Untersuchung (vom Januar 1899 wechselprodukte des Bacillus pyocya- bis August 1901) betreffend die Patho- neus, p. 481. genesis des akuten Rheumatismus, p. 502. Fokker, A. P., Zur Alexinenfrage, p. 524. | Schmidt, Georg, Zur Frage der Wider- Galli-Valerio, Bruno, Contribution & standsfähigkeit der Shiga - Kruse’schen l’stude de la Botryomycose, p. 508. Ruhrbacillen gegen Winterfrost, p. 521. ® Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. O0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXT. Band. —- Jena, den 14. Mai 1902. - No. 12. Preis für den Band (50 Bogen) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Preis für eine einfache Nummer 80 Pfg., für eine Doppelnummer 1 Mark 60 Pfg. Nummern mit Tafeln kosten für jede Tafel 60 Pfg. mehr. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Originai-M ittei lungen. Nachdruck verboten. \ On the life history of Actinomyces asteroides [From the Pathological Laboratory. Johns Hopkins Hospital. Baltimore, U. S. A.] By W. 6. Mac Callum, Associate in Pathology Johns Hopkins University. With 2 Figures. The systematic position of the group Actinomycetes has long been the subject of discussion and even yet its limits and relations to the bacteria and to the fungi are not quite clear. While certain forms, such as the organism which causes actinomycosis in cattle, are universally recosnized as belonging to this group there are others in which the morphology has recently been shown to be identical but which have not yet been removed from the group of true bacteria. Of these the tuberele bacillus is an example and it seems probable that many other Erste Abt. XXXI. Bd. 35 5350 W. 6. Mac Callum, pleomorphic bacteria such as the diphtheria group may soon be brought into this class. The organisms show affinities on the one hand with the bacteria and on the other with the fungi. They often show in culture forms which can not be distinguished morphologically from bacilli or cocei. Their size approaches more nearly that of the bacteria than that of most fungi and they stand nearer to the bacteria than to the fungi from the fact that their filaments do not as in the fungi consist of tubules with doubly contoured wall and divided into segments by septa. They resemble the fungi however in being branched structures which produce under certain conditions fine conidia on their terminal filaments. A sexual method of reproduction has not been recognized but they are characterized by the oceurrence of peculiar masses of modified filaments radially arranged which give rise to the generic name actinomyces or ray fungus. They must therefore be assigned for the present at least, to a posi- tion by themselves, perhaps between the bacteria and the lower fungi. As to the nomenclature the following is perhaps suffieient to justify the title of this paper. Cohn?) first gave the name Streptothrix in 1875 to the filamentous organisms which made up a concretion from the lachrymal duct sent to him by R. Foerster. Then in 1877 Bollinger?) found a similar organism in the pus from the swollen jaw of a cow affected with “lump jaw”. The filaments and sulphur granules were given to the botanist Harz for investigation and the name Actinomyces was proposed by him as a fitting desig- nation for the organism with its ray like structures or “drusen”. In 1888 Nocard?) described an organism which was later termed a aStreptothrix, as the cause of the disease of cattle in the Guadeloupe islands known as “farecin du boeuf” and De Toni and Trevisan) named the whole group Nocardia in honor of the discoverer of Streptothrix farcinica. In 1890 Eppinger’) described the form which is the subject of the present paper as a filamentous organism found in the pus ofta cerebral abscess to which from its mode of branching he gave the name Cladothrix asteroides. This name was changed in 1891 by Rossi Doria®) to Streptothrix Eppingeri, since this author recognized what was plain in Eppinger’s drawings that the branching was not the false branching of a Cladothrix. In 1892 Sauvageau and Radais’) proposed the name Oospora stating that they really belonged to this group of fungi defined by Wallroth in 1831. Finally all the forms have been described by Kruse in Flügge’s text-book under the name Streptothrix. 1) Cohn, F., Untersuchungen über Bakterien. II. (Beitr. zur Biol. d. Pflanzen. Bd; I.:..1875. Bei) 2) Bollinger, Ueber eine neue Pilzkrankheit beim Rinde. (Centralbl. f. med. Wissensch. 1877. No. 27.) 3) Nocard, Note sur la maladie des boeufs de la Guadeloupe. (Annales de l’Institut Pasteur. T. II. 1888.) 4) De Toni et Trevisan, Schizomycetaceae. (Saccardo, Sylloge fungorum. Vol. VIII. 1889.) Hr: 5) Eppinger, Ueber eine neue pathogene Cladothrix etc. (Ziegler’s Beiträge zur Path. Anat. Bd. IX. 1890.) 6) Rossi Doria, Annali dell’ Istituto d’Igiene, Roma. T. I. 1891. Fasc 4. 7) Sauvageau et Radais, Annales de [Institut Pasteur. T. VI. 183. On the life history of Actinomyces asteroides. 531 The whole matter has been reviewed, and, as it seems, definitely settled by v. Lachner-Sandoval!) who points out that priority can alone be valid in determining the question of nomenclature. The name Nocardia is of course antedated by Streptothrix and Actinomyces, and therefore is not to be considered. Comparison with the members of the group Oospora shows that they are very large organisms whose tubular filaments have a definite double contour and collapse on drying. Other differences also make it quite certain that the ray fungi do not properly fall into this group. Now the name Streptothrix as pointed out by Lachner-Sandoval was given by Corda?) in 1839 to a genus of fungi of the group Hyphomycetes and is still in use. The genus contains three well recognized species in which the segmented tubular branching hyphae bear brown spores in their axils or on their terminal segments. The name cannot therefore be used to designate the forms under consideration and there is left only the generic name Actinomyces which must be used for all the species in the group. The organism under discussion must therefore be spoken of not as Cladothrix asteroides, or Streptothrix asteroides but as Actinomyces asteroides. Toussaint Neal, a .negro child aged three years, was admitted to the Johns Hopkins Hospital in September 1901, on account of inability to swallow. In July 1900 he had swallowed lye by mistake, and after being stupid for several days he recovered, but there began a progressively inereasing difficulty in swallowing, which at times prevented him from taking any food. Bougies were frequently passed but he gradually failed and lost in weight. On September 12th, 1901 Witzel’s operation for gastrostomy was performed and the child fed through a tube in the stomach. A diarrhoea began which was never thoroughly controlled. The child gradually grew weaker until its death on October 5th, twenty- three days after the operation. At the operation the peritoneal surfaces were perfectly normal in appearance. The autopsy was performed five - hours after death and revealed a very narrow stricture of the oesophagus extending through 4 cm. of its length. The wound through the abdominal wall leading into the stomach was apparently in good condition. The following extracts from the protocol bear on the lesions produced by the organism under discussion. Upon openmg the peritoneum, the peritoneal surfaces are found to be bound together by a somewhat translucent exsudate which is apparently partly organized and contains yellowish masses varying in diameter from 2 mm. to 1 cm. On tearing into this fairly firm and _ stringy material as it lies massed between the intestinal coils it is found mn e | that the yellowish masses are torn open and from their central portions there escapes a thick somewhat gelatinous elastie opaque whitish pus. Some of the larger masses contain a more fluid greenish material and some seem to be made up of a spongy fibrinoid substance but the majority have a firmer capsule like periphery with a central mass of 1) Lachner-Sandoval, Vincenz, Ueber Strahlenpilze. [Inaug.-Diss.] Strass- burg 1898. 2) Corda, A. C. J., Prachtflora europäischer Schimmelbildungen. Leipzig u. Dresden 1839. 35* u 532 W. G. Mac Callum, pulpy whitish material. Such masses are found embedded on the surface of the intestine and on the mesentery. The liver is bound to the diaphragm by loose adhesions in which are many of these abscess like masses of pasty yellowish material. On separating the liver from the diaphragm the edges and surface are found to be roughened by the little cavities produced by tearing into these abscesses. They are seen on section to be entirely superficial, extending not more than 1 mm. into the liver and being for the most part limited to the thickened capsule A thick mass of such softened nodules is found about the fundus of the gall bladder. No corresponding changes are seen in the liver substance which is homogeneous in appearance with sharply outlined lobules. Nor are any focal lesions to be found in the spleen, kidneys or lungs, which are not abnormal in appearance. The mesenteric Iymph glands are slightly enlarged but neither they nor the retroperitoneal glands show any definite lesions. In smears from the peritoneal abscesses a branched filamentous organism was found unmixed with any other. Anatomical Diagnosis: Strieture of oesophagus. Operation wound for gastrostomy. General peritonitis (Actinomyces infection). Microscopically the lesions are practically identical t{hroughout their distribution in the peritoneal cavity and a description of a section through the surface of the liver may suffice for all. The capsule is thickened by a proliferation of its cells and by an infiltration with leucocytes. From it there springs up a very vascular granulation tissue the new vessels of which are continuous with those of the capsule. This encloses abscess like areas filled with polynuclear leucocytes and small mononuclear cells among which lie the branched filaments in great numbers. The superficial portion of the tissue is hyaline in appearance and stains deep pink with eosin but does not take the fibrin stain. The granulation tissue has no special concentric arrangement but consists of loosely arranged fibroblasts among which lie many lymphoid and plasma cells. Eosinophile cells are quite numerous. It is interesting to note that sprouts resembling newly formed gall ducts with central bile passage spring from the liver cell strands aud stretch out into this granulation tissue. The process is thus a sub-acute one, the well defined abscesses being walled off and encapsulated by newly formed granulation tissue. The organism found in these lesions presents the following morpho- logieal characters: In smears made from the pus tangled masses of filaments are to be found as described. These filaments are evidently genuinely branched and the outline of the stem can readily be traced out to the branch. When examined fresh the central portion of the main filament defined by the refractive outline is easily seen to be continuous with that of the branch. Indeed there is no evidence of septum formation such as is seen in the moulds. The mode of branching is well seen in a colony grown in an agar plate or perhaps better in a hanging drop of bouillon. It is seen that from the margin of such a colony there spring many large coarse main stems which are readily traced as main stems to the limit of the growth. The branching is thus in no sense dichotomous but the twigs are lateral, quite irregular in their point of origin and their further branching but always subordinate in size to the main stems. The tips of the twigs and of the main stem are sometimes somewhat un = er. +: nt i ‘ nr EN [ On the life history of Actinomyces asteroides. 533 bulbous but generally tapered. The outline of the stem and branches is not very highly refractive; it forms as stated above a continuous line. In the center of each stem and twig there is a sort of shadowy line which suggests the existence of a continuous lumen throughout. In the branches the protoplasm is very clear and homogeneous but in the larger stems there is a curious irregularity. There seem to be minute sranules, highly, refractive like fat droplets, scattered along apparently generally on the outside giving the filament a very roughened outline. When viewed with a low power these coarser portions of the filament have a blackish appearance on account of this sprinkling over with refractive granules. Treated with osmie acid the whole colony takes on a dark brown color but no special blackening of the granules can be determined. When cultivated in liquid media the morphology as described above is clearly developed. Smears from a growth on the surface of solid media such as agar however show chiefly short bacillus like forms or even shorter coccus like bodies. These are often somewhat irregular in outline and may show bulbous or fusiform segments in a chain. The organism stains readily with all the ordinary aniline dyes having perhaps a rather slighter affinity for methylene blue. It remains stained by the method of Gram. The staining however is not regular or homogeneous and one frequently finds clear unstained areas almost like spores in some bacilli, or on the other hand, and more common]y, only granular bodies along the course of the filament take the stain so that the organism looks like a dotted line sometimes with a faint outline on each side of the row of dots. These fine grains are irregular in form and size and do not suggest spores. Smears from a twenty hours old blood serum culture stained by Neisser’s method show very distinctly and beautifully blackish blue granules ranged along the yellow stained filament. It is difficult to say whether these correspond with any of the granular structures just mentioned but it does suggest the advisability of testing that method with other members of the group and with intermediate organisms. Spore staining in smears from agar and bouillon cultures according to the methods of Möller, Abbott and others showed no evidence of the presence of bodies differing in staining properties from the rest of the protoplasm. When grown upon potato a peculiar chalky white bloom developes on the surface of the culture, seen upon examination with a low power to be due to a velvet like upgrowth of fine filaments into the air. Smears from such a growth, or better still fine sections through the potato with the superficial growth, stained by Weigert’s method reveal. the presence of terminal chains of coccus like forms on these uplifted filaments and myriads of loose cocci are scattered about. These coccus like bodies are not specially refractive and show no ability to retain stains longer than the vegetative forms. Stained by Möller’s spore method they stain blue and none of them show any red. Apparently they supply the easily distributable vegetative form necessary from the fact that the ordinary vegetative form is so firmly rooted to the media and is all in one piece as it were, and not likely to be widely distributed. In this respect they resemble the conidia of the moulds which are designed for rapid distribution rather than the resistance of unfavorable influences. 534 W.G. Mac Callum, Incubated in a hanging drop of bouillon they may be observed to sprout giving out long filaments, which soon branch and form little star like clusters in the center of which the spore in often still visible. Sometimes sprouts seem to arise from both sides of a spore or grow out in several directions at once, but it seems probable that this appearance is due to the sprouting of several spores which have adhered together. There is a slight Brownian movement in the very short sprouts but never any real locomotion. Other forms which the organism assumes will be described later. Tests to determine the thermal death point were carried out with emulsions of the organism from agar and bouillon cultures and parallel series were made with emulsions of potato cultures containing the coccus like forms in order to determine whether or not they possessed any increased resistance to heat. Melted glucose agar tubes. in series of five were held in a rack deeply submerged in a large boiler full of water in which several thermometers registered the temperature. At various temperatures these were inoculated each with one loopful of the emulsion and allowed to remain heated for periods of 5, 10, 15, 20, and 30 minutes. For each emulsion controls which had not been heated were made. The tubes were removed each at the proper moment from the bath and the contents poured into petri dishes. The results of these tests may be expressed in a table. I. Emulsion from agar eulture. Exposure ' 50° © 0° 6 650 in hrs on an ae 4 hrs. [72 RR: minutes incubation‘ TS. TS. TS. TS. S. = = e a N | ST FTIR FE 5 + EEE ee a. li a% xE l colony 10 + + +10 +0 +] - + = 15 + + + — E + Ber En ER 20 an — + == + + Fu = er Bee tl KEY Tre ee a — | = II. Emulsion from potato eulture containing coccus like forms. Exposure| 65°C 68° C 70° C Sn 48hrs. 72hrs. 96hrs./96 hrs. 192hrs.|72hrs.. 9days minutes = ae kölelel el Kalk, te] Pl D CIE klar From the tables it is seen that the growth of the organism is much delayed by the exposure to high temperature — for example after heating to 65° C not a single colony appeared until after 72 hours. It ıs seen further that the ordinary filamentous form of the organism can withstand a temperature of 68° C for 5 minutes but that higher temperature i. e. 70°C for 5 minutes, or a longer exposure i. e. 15 minutes at 68°C is sufficient to destroy it. Those emulsions containing the coceus like forms seemed strangely enough even more susceptible to the injurious effects of heat than those | i ü U ai SE FT dı LEE Ara Zn a AT al A U a de u AL a na A. un A. aa u > A a Ben“ « On the life history of Actinomyces asteroides. 535 with the filamentous forms, all the organisms being killed in 5 minutes at 68° C, and in 10 minutes at 65° C. The series of experiments is of course small but a any rate they show that the coccus forms possess no resistance superior to that shown by the filamentous forms. The conclusions given above as to the nature of these coccus forms seems therefore to be justified. The organism proved very easy to cultivate. Owing to the well known diffieulty in the cultivation of many branched organisms very numerous and varied culture methods were employed at the autopsy and anaerobic cultures were made as well as the ordinary ones. It was found however that while an abundant growth appeared on the agar plates which were exposed to the air, the anaerobice cultures were quite negative. Indeed every attempt to induce the organism to grow under anaörobie conditions failed although when the plates and cultures were removed from the atmosphere of hydrogen abundant growth appeared on each. As compared with other members of the group the growth of this species is quite rapid. In a hanging drop of bouillon sown with coccus like forms and incubated at 37° C there is after twenty-four hours a great number of star like radiating colonies. So too in an agar plate after twenty-four hours many small radiating colonies can be made out with a low power, often they are readily visible to the naked eye. After 48 hours they have attained a greater size and are conspicuous objects in the plate. They grow especially on or near the surface but do also occur in the depth of the agar. They are rounded discrete, opaque shaggy colonies of a pale yellow color and quite firm and hard so that they can scarcely be scraped off the surface of the media with the needle. When on the surface they project as little conical mounds often with a curious crater like depression in the center, or are elevated into irregular plications. The surface of such a colony though moist is not often shining and when examined microscopically is seen to owe its dull appearance to the roughening produced by the filaments which form a sort of feltwork. About the margin of the colony there is a halo produced by the radiating marginal filaments. As the culture grows older the color deepens into a pale orange and the elevations and foldings of the surface become more and more complicated. Single colonies sometimes reach a diameter of three or four millimeters. On an agar slant the streak is made up of discrete and confluent colonies of a similar type forming a rather lumpy elevated growth along the line of inoculation with little spreading colonies at the sides, or there is a thin wide expansion laterally which is fairly homogeneous except for opaque elevated colonies here and there. In glucose agar the growth is similar but rather more rapid and profuse. The colonies are generally easily visible after twenty-four hours and at forty-eight hours are larger and denser than those on plain agar. No gas is formed although a granular growth extends along the stab into the depth of the media, and colonies do develop in the depth of a tube inoculated while melted. On agar to which 5 °/, of glycerine has been added the growth is quite similar. On potato agar it is rather less profuse than on plain agar while on a mixture of agar and hydrocele fluid it is extremely abundant forming a thick homogeneous yellowish white film over the whole surface elevated here and there into scattered colonies. In this media quite a dense growth is present after 15 hours incubation. 536 2. W. G. Mac Callum, In gelatin there is a production of rounded yellowish white colonies of the same type without any liquefaction of the media. On coagulated blood serum there is an abundant growth of elevated nodular yellowish white colonies which may finally become more or less confluent along the streak. In bouillon a thin pellicle, like fine dust scattered on the surface appears after twenty-four hours. The medium never becomes turbid but at the bottom of the tube there arises a coherent filamentous cloud like mass in which are entangled numerous minute balls of opaque yellowish white. These ‘can be floated up and picked out of the tube and prove to be spherical colonies of the organism. After many days cultivation as is especially well seen in large flasks of sugar free bouillon inoculated with the organism, the floating pellicle appears like very thin waxy flakes which sink to the bottom on shaking. In these older eultures the sediment is much more granular in appearance. Dunham'’s solution shows the same characteristice growth. The addition of glucose to the bouillon renders the growth much more profuse. The superficial pellicle becomes a thick film and can be shaken down into the media where it floats about like wet tissue paper. The sediment too is much more dense and granular. Bouillon with glycerine and with beerwort gives no specially characteristic growth and there seems to be no advantage in cultivating the organism on gypsum plates with beerwort bouillon. An abundant whitish feltlike growth was obtained on a medium composed of a mixture of gypsum and garden earth. In litmus milk growth proceeds to the formation of a yellowish granular sediment. There is no coagulation of the milk but the reaction becomes gradually alkaline until the litmus turns quite blue A thin pellicle often forms upon the surface and when a layer of cream is present it is often tinged orange yellow by the organism. In milk to which neutral red has been added the growth is similar and the color of the medium is changed to a pale brown or fawn color. The definite change in reaction of the milk appears only after many days growth. There is no peptonization of the medium. Litmus whey inoculated with this organism became decolorized with the production of a thick pellicle and sediment. The color however returned on standing outside of the thermostat and was slightly bluer than the original. On potato the growth is very characteristic. After twenty-four hours there is a grayish red, dull looking film over the surface of the potato which gradually becomes thicker and more nodular in appearance. On the upper and dryer portion of the potato the culture begins to show a chalky white bloom which caps the most elevated points at first but finally may extend over nearly the whole culture. Direct examina- tion of this white surface reveals as mentioned above the presence of refractive independent filaments springing up in great numbers from the surface of the culture and tipped with coccus like segments. The white surface of an older culture (six days or more) shows not a velvet like surface of projecting filaments but a surface like that of a marsh where high reeds have been blown down and tangled in all directions. Tiny droplets of fluid adhere to these filaments and aid by their refrac- tion in the production of the white color. The results of these cultures therefore agree very closely indeed On the life history of Actinomyces asteroides. 537 with those of Eppinger!) and there seems no doubt of the identity of this organism with that described by him. In order to ascertain whether or not any soluble toxin is formed by this organism it was cultivated for three weeks in a large quantity of sugar free bouillon in a large wide flask. This culture was filtered through a Pasteur filter so as to obtain a clear fluid free from organism. Intravenous injections of large quantities (6—1O ccm.) of this fluid in rabbits produced no apparent disturbance unless a slight transient rise in temperature amounting to not more than !/,—1° © be considered evidence of a toxic action. The rabbits remained per- fectly well. The organisms filtered out of this culture were scraped together into an agate mortar and ground up in glycerine with sterilized sand. The grinding was carried on for a long time and the mixture allowed to stand in the thermostat for several days. It was then filtered and the clear fluid obtained after passing through the porcelain filter in- jJeeted intravenously and subcutaneously into rabbits. No apparent disturbance was produced, there being not even a definite rise in temperature after the intravenous injection of 0,5 ccm. No local lesion was produced by the subcutaneous injection. The area originally occupied by the fluid when injected subcutaneously into the ear appeared reddened next day but this reddening gradually disappeared completely. We have not therefore evidence of the presence of any powerful soluble toxin in the fluid cultures nor does the glycerine extract from the crushed organisms seem to possess any very marked toxic properties. Inoculation experiments were carried out in various ways with different animals with results which again agree in the main with those of Eppinger!). Rabbits and guinea-pigs were found to be quite susceptible to in- fection whether inoculated subcutaneously, intraperitoneally, or intra- venously. In mice after subcutaneous inoculation there developed an abscess at the point of inoculation and the animals died without lesions in the organs. Dogs were found to be susceptible also, dying after in- travenous inoculation with lesions in various organs. Rabbits were however found to be the most convenient for study and the following description of the development and histology of the lesions is a summary of the notes on a series of twenty-two rabbits. After intravenous inoculation with varying but generally large doses the rabbits were killed or died after intervals of 4 hours (R. 14), 6!/, hours (R. 15), 7 hours (R. 11), 1 day (R. 6), 2 days (R.5), 4 days (R. 1), 10 days (R. 4). In those of this series that lived longer than a few hours abscesses were developed in all the tissues supplied with blood vessels. It is striking that in these cases the liver was always thickly studded with nodules although in the cases of intraperitoneal inoculation the liver was generally free. The description of the autopsy on one of these animals will suffice for all and the mode of development of the lesions will be clear on _ eonsidering the results of the autopsy in an animal killed a few hours after inoculation. 1) Eppinger,.c. 538 W. G. Mac Callum, Rabbit 4 inoculated in ear vein with six drops of a bouillon suspension of agar culture, was found dead on the tenth day after inoculation. At the autopsy abscess like masses were found on removing the skin scattered everywhere in the muscles and shining through the fasciae. The Iymph glands in the axillary and inguinal regions were enlarged but contained no abscesses. The peritoneal and pleural surfaces were smooth and glistening and showed only a very few subperitoneal nodules. All of the organs however were thickly studded with opaque yellowish white masses which showed through their peritoneal coverings. The lungs were greatly enlarged by the accumulation of solid nodules. The greatly enlarged spleen and liver were almost entirely occupied by the opaque white masses which in the kidneys too reached a diameter of 2 mm or more, extending through the cortex into the pyramids. The heart wall, intestinal walls and indeed almost every tissue examined showed the same formation of nodular masses. Smears from these abscesses were always full of tangled clusters of actinomyces filaments which showed by Gram’s stain the irregular granular staining of the protoplasm. Microscopically the nodules in the lung are found to consist of broken down leucocytes and cellular detritus of all sorts. In the central portion of this mass of debris there is generally to be made out a very much distended blood vessel packed with similarly distintegrated leucocytes. Radiating masses of filaments are found throughout. At the margin there is compression of the neighboring alveoli which are completely collapsed. There is a moderate proliferation of small connective tissue cells in the marginal portion but there are no giant cells. In the liver there are great conglomerate areas, the central parts of which are quite necrotic and contain the pyknotic nuclear fragments described. Outside of this is an area where there are no nuclei, although the architecture is preserved. This architecture is that of the surrounding wide bands of newly formed connective tissue encelosing compressed irregular strands of liver cells here and there. These liver cells as well as the Iymphoid and plasma cells which lie in the connec- tive tissue fall victims to the advancing necrosis. In the kidneys the formation of the abscesses begins most frequently from a glomerulus as a center. The glomerular capillaries are plugged with leucocytes, fibrin and organisms, the glomerular capsule is distended with the same materials and in the intertubular tissues about the capsule there is an extensive collection of leucocytes. All the elements of the kidney involved in such an area are undergoing necrosis and disinte- gration and the whole has the appearance of an abscess in which proli- feration of the adjacent connective tissue is beginning. Drusen or ray fungus forms such as will be described later are found in these abscesses. It will be observed that the formation of giant cells is not at all a prominent feature in these animals as compared with those inoculated intraperitoneally. The histogenesis of these lesions is made clear by the condition in the lung of Rabbits 14 and 15 which were killed 4 and 6!/, hours respectively, after inoculation. In these animals the only lesions were found in the lungs and these consisted in the great distension of some of the smaller blood vessels—often the actual capillary vessels in the walls of the alveoli. These distended vessels were packed with leuco- | | | N EEE On the life history of Actinomyces asteroides. er cytes and organisms and thus oceluded. No change was as yet obvious in their endothelial cells and the alveoli were quite free from exudate — only in the alveolar walls there were perhaps a few wandering cells in the immediate vicinity of the distended vessels. A later stage in the same process is seen in Rabbit 6 killed twenty-four hours after in- oculation. Here the lung was studded with microscopie nodules in which a central widely distended blood vessel packed with leucocytes and organisms is surrounded by a little area in which leucocytes have accumulated both in the walls of the alveoli and in their lumina. The alveolar epithelium is seen in the process of desquamation and the walls of the blood vessels are broken through by the organisms which grow out into the surrounding mass of cells. In this same rabbit small foci in the heart wall show a central group of muscle fragments which have undergone hyaline degeneration. Surrounding these is a mass of leucocytes into which the organisms are growing. The transition of these stages to those later ones in which the process has advanced to the formation of a large mass of necrotic tissue and leucocytes, encapsulated by a wall of newly formed connective tissue is easy enough. The connective tissue proliferation is not an early feature in the course of the lesion but comes only later as a healing process. The organisms become localized in a small vessel and by their chemotactice influence bring a host of leucocytes to the spot while they cause necrosis in the tissues at the point of their localization. The results of subcutaneous inoculation were less striking. In two animals thus inoculated, abscesses developed just beneath the skin at the point of introduction of the organisms and in these abscesses, which showed in general the type of those described above, the organisms were found again in large quantity. The animals died after intervals of 3 and 17 days and at the autopsy were found to be markedly emaciated. None of the internal organs showed any lesions however nor were the organisms obtained from them either in cultures or smears. These results correspond exactly with those of subcutaneous in- oculation of mice described above. It seems probable that death is produced by a diffusion of toxins from this local development. Results obtained by inoculation of guinea pigs correspond so exactly with those in rabbits that they need not be further described. On this account too the rabbits were chosen for further experiments as the more convenient animals. A number of rabbits were inoculated intraperitoneally and died or were killed at periods varying from three hours to eighteen days after inoculation. In the advanced cases there were regularly found nodules of an opaque greyish white color and extreme toughness scattered over the peritoneal surface being especially numerous on the diaphragm through which they extend to involve the pleura. Of the abdominal organs the spleen and kidneys were most regularly involved and were greatly enlarged by the presence in their substance of opaque white abscess like masses. In order to gain an idea as to the nature and mode of development of these lesions we may begin with the earliest case. Rabbit 21 was inoculated intraperitoneally with 3 ccm. of bouillon emulsion of the actinomyces and after three hours killed, the autopsy being immediately performed. The omentum, diaphragm and mesentery 540 W. G. Mac Callum, were found to be sprinkled with extremely minute opacities which could be scraped oft by the least touch of the needle. Those on the diaphragm were larger, sometimes reaching 1 mm in diameter. Smears made from such masses showed fibrin and leucocytes together with little groups of organisms. A portion of the omentum was streched out over a slide, fixed in Zenker’s fluid and stained as one would stain a section. Such a preparation shows especially well the nature ofthe opaque points. They are seen to be tiny collections of polymorphonuclear leucocytes and fibrin lying on the surface of the omentum and projecting above it by almost their whole thickness. Very often strands of fibrin generally with entangled leucocytes stretch from these masses to adjacent parts of the omentum. There is no obvious change in the fixed cells of the omentum although a beginning accumulation of plasma cells and eosino- philes can be observed in neighboring areas. In sections through the omentum these observations can be entirely confirmed—the mass of fibrin, leucocytes and organisms can be seen Iying on the surface of the omentum, sometimes a little sunken in a depression of the surface and the endothelial layer of the serous surface can generally be traced underneath it, intact except for a slight swelling of the cells. In the underlying tissue the small scattered masses of wandering cells can be seen. Plate cultures from the kidney, liver, spleen and heart’s blood all show numerous colonies of actinomyces—evidently indicating a very rapid invasion of the blood stream from the peritoneal cavity, and showing the path of the generalization of the infection from the peritoneum. Rabbit 19 was similarly inoculated and killed after six hours. As in Rabbit 21 the omentum was drawn up and sprinkled with fine whitish grains which stand out a little from the surface. In a spread out pre- paration of the omentum these are again seen to be collections of cells, mainly leucocytes within masses of fibrin. Guy-rope like strands of fibrin run up from outlying points to the tops of such heaps of leuco- cytes. In the surrounding tissue there is a great accumulation of large mononuclear cells about the vessels. The vessels are widely dilated everywhere in the neighborhood of the leucocyte mass, ensheathed in these cells with which great numbers of eosinophile leucocytes are asso- ciated. The mononuclear cells are about as large as the nucleus of one of the serosa cells, their nucleus is round, often excentrically placed, ; staining quite deeply and often showing a nucleolus, the protoplasm is very finely granular and with polychrome methylene blue takes a blue stain. They are easily distinguished from the mononuclear cells in the blood vessels both by their size and by the density of their nuclei. They are not especially evident in the normal omentum and occurred only in very small numbers in that of Rabbit 21. From their form and staining peculiarities they must probably be considered to be plasma cells. In looking at the normal portion of the omentum one sees beside the cells just described the two types which go to make up the mass of normal omentum. There are the superficial endothelial cells and underlying these the branched connective tissue cells, whose nucleus is nearly as large and but little denser. Now when we examine the abscess like mass of leucocytes Iying on the serosa we find that most of the guy rope like strands are really processes of cells—only the coarser nr ” w & ) . a ET a hun Don an a u 7 IE Lau u nn 2 0 u u On the life history of Actinomyces asteroides. 541 ones hung with leucocytes are of fibrin. These cells are undoubtedly the branched connective tissue cells and not the endothelial cells which can be seen Ilying beside them. Indeed the cells can be seen springing up toward the mass of fibrin and leucocytes, stretching out long processes and overleaping quite considerable distances. Whether they follow along strands of fibrin or are secondarily drawn out to the length they now have is difficult to say. They seem to bridge incredible gaps to reach the leucocyte accumulation as if they had by an amoeboid motion stretehed out long pseudopodia to reach the masses which as seen in Rabbit 21 attain a considerable size before these cells begin to play a part. In sections the pieture obtained at this stage is not quite so clear- naturally such long processes are likely to be missed or cut across in sections. The leucocyte masses on the peritoneal surface seem to sink in a depression below the remaining surface. There is as yet no definite proliferation of any of the fixed cells but the endothelial cells immediatly underlying the mass have become obscured or lost and those adjacent to it are much swollen. There are some places where they seem to start up over the leucocyte mass as if to cover it but there is no evidence of their putting out processes to carry out the organization of the mass. It will be seen in a later stage (100 hours) that the endo- thelial cells do grow over the mass but they evidently do not contribute more to the capsule than the covering. These observations seem to uphold the results of Brunn!) and others who find that the serous lining cells do not give rise to connective tissue. In Rabbit 16a (inoculated and killed after 24 hours) there are again peritoneal masses of leucocytes, fibrin and organisms. The endothelium at the point of localization of the organisms is destroyed and indeed the serosa cells in the neighborhood are swollen and in large part desqua- mated. The tissue underlying the mass of leucocytes is densely in- filtrated with leucocytes and the appearance of sinking into the under- lying tissue is thus heightened. Already definite fragmentation and necrosis (of the cells) of this infiltrated tissue and of the leucocytes themselves is evident. There is even yet no widespread proliferation of the connective tissue cells by karyokinesis. In Rabbit 17 however (killed after 100 hours) there is extensive proliferation of the tissue about such necrotising abscesses. The omentum is greatly thickened by the production of new connective tissue cells with large vesicular nuclei, and mitotic figures are numerous everywhere. There is a proliferation of blood vessels in this new tissue and the whole forms a capsule for each of the abscesses. As the abscess becomes thus walled in by the loose granulation tissue the endothelial cells multiply to form the serous covering. At this stage there are sometimes two or more layers and mitotic figures are abundant but there is no evidence that these cells take any part in the production of the connec- tive tissue. In Rabbit 7 which died 18 days after inoculation the peritoneal masses were much larger and firmer. They could hardly be scraped off except with considerable violence. Their superficial layer and a halo around about them was of a translucent greyish color. In sections it ıs seen that the masses are practically as they were in the earlier stage 1) Brunn, Ziegler’s Beiträge zur path. Anat. Bd. XXX. 1901. p. 417. 542 W. G. Mac Callum, except that the necrosis has advanced so that a large part of the central mass is quite formless and takes no nuclear stain. This mass is now definitely encapsulated in a tissue made up of proliferated connective tissue with abundant vessels. Often there are numerous giant cells in this capsule—sometimes very large ones indeed with very numerous nuclei. These as well as the adjacent connective tissue cells nearest the leucocyte mass are actively phagocytic and often contain clusters of organisms as well as remains of cells. The nuclei of the giant cells are clumped together or irregularly distributed in the protoplasm. The most external layer of the connective tissue capsule is rather denser than the inner and is covered superficially with a single layer of endo- thelium which is hardly to be distinguished from that of the remaining serous surface. Thus in the peritoneum in these cases we have the development of abscesses on the superficial portion of the peritoneal tissue in which the leucocyte mass becomes necrotic and is surrounded and walled off by a granulation tissue often containing giant cells which springs up from the adjacent connective tissue and the area is finally once more covered with endothelium by proliferation of the adjacent serosa cells. The condition is therefore not to be confused with tubercle formation in the peritoneum. There are as mentioned above lesions in various organs in these rabbits and as the results of the inoculations were practically identical in those rabbits which were allowed to live a week or more (Rabbit 10, 7 days. R. 22, 11 days. R. 16, 15 days. R. 7, 18 days) the description of one may suffice for all. Rabbit 16 inoculated intraperitoneally Nov. 26th, with 4,5 cem., of bouillon emulsion of Actinomyces asteroides was found dead on the morning of Dec. 5th. The rabbit was somewhat emaciated. The autopsy showed numerous peritoneal nodules of considerable size, the diaphragm being especially profusely sprinkled over with them. The omentum was rolled up into a dense mass of nodules which extended quite across the abdominal cavity. On cutting through this mass it was seen to be made up of numerous cheesy yellowish white nodules embedded in a rather trans- lucent greyish tissue. From the enormously enlarged spleen and from the kidneys there projected masses of such nodules. Similar nodules stood out from the heart wall and on opening the left ventricle there was found a large mass hanging to the aortie leaflet of the mitral valve, which proved to contain the actinomyces in pure culture. The lungs were thickly studded with greyish translucent nodules.. More opaque yellowish white flecks were scattered in the voluntary muscles everywhere, On making smears from the nodules in the kidneys curious long cylindrical bodies were found with clear sharp outline and tortuous, sometimes branched and much convoluted form often furnished with a cylindrical erystalline core. These were often rounded off at one end and were covered with radiating bulbous filaments which stood out all along the course of the central mass falling in a graceful sheaf at the blind end. The radiating filaments were very long and slender but otherwise resembled in most particulars the descriptions given for Ac- tinomyces bovis. These formations evidently correspond with the so- called sulphur grains found in the ordinary actinomycotie abscesses and a more detailed description of their nature will be given later. Smears from the rolled up omental mass were searched in vain for such struc- On the life history of Actinomyces asteroides. 543 tures but they have been found in sections through nodules in the lung, in the heart and spleen. On section the nodules in the various organs present always about the same structure. There is a large central mass of leucocytes and fragmented nuclei, all undergoing rapid disintegration and in large part taking only the eosin stain except for the fine granular nuclear frag- ments which stain very deeply with the nuclear stains. The organisms are very abundant in such masses and often in the smaller ones. have a somewhat radiate arrangement. Where the abscess lies in tissue such as striated muscle any particle of which is easily recognized the central leucocyte mass is generally seen to include fragments of such tissue undergoing hyaline change and necrosis. Toward the periphery phago- eytic cells are frequently seen packed with cell detritus and still well enough preserved to be recognizable. The encapsulating connective tissue layer which is generally not very thick often contains many plasma cells and eosinophile cells. Almost always giant cells occur in numbers. Indeed in the nodules in the spleen there is a complete row of such giant cells in many cases, which although there is a delicate layer of granu- lation tissue there also, form really the striking limitation of the area from the surroundings. These cells are excessively large and contain an enormous number of nuclei which are relatively small, somewhat variable in size and definitely vesicular. They are arranged in no especial order but are scattered through the cell in masses, often leaving a large area without nuclei. One cell even as seen in a thin section contained 96 nuclei. Sometimes the outlines of these cells are very indistinct and a fibroblast has been seen coursing through the middle of one suggesting that it was probably formed by the coalescence of adjacent protoplasmie masses. Some of these giant cells are fairly packed with organisms. In the kidney the abscesses develop in the intertubular connective tissue and soon involve the tubules the epithelium of which degenerates and becomes desquamated. The glomeruli are often quite well preserved in the neighborhood of the abscesses. Macroscopically these masses are seen to project above the surface of the kidney and on section are found to extend deep into the pyramidal portion. Often they can be pulled out of the kidney substance with a needle as tough walled sacs which on being ruptured set free a glutinous semifluid white material. In the lung the lesions begin after intraperitoneal inoculation with the localization of organisms in a small vessel which is then promptly occluded by an accumulation of leucocytes. A pneumonic consolidation of the neighboring alveoli appears together with infiltration of the walls of the alveoli with leucocytes. In the later stages such as the rabbit under consideration the abscess masses show rarely any remains of the alveolar walls but have the structure described above for the lesions in other organs. There is often a collateral inflammation affecting the alveoli in the surrounding tissue in which the epithelial cells are largely desquamated. In many instances great giant cells are found to fill these alveoli often containing stainable organisms. In other alveoli transitions from epithelial cells to giant cells may be traced and it seems possible to show that in this particular locality the giant cells are produced by a coalescence of the alveolar epithelial cells. In another case, Rabbit 10, the giant cells were not at all prominent — indeed only a few cells with two or more nuclei were to be found in the peripheral granulation tissue. In this case the epithelium of the adjacent 544 W. GG. Mac Callum, alveoli instead of becoming proliferated and desquamated had assumed a cubical form, the thick deeply staining lining of each alveolus giving an almost gland like appearance to the periphery of the nodule. Abs- cesses in the liver, Iymph glands, bone marrow, muscles, heart, adrenals, brain etc., showed no variations which require a special description. We have thus in all these lesions a primary necrosis of tissue dependent upon the invasion of the organism. With this there is evidently the diffusion of a strongly chemotactic substance, for leucocytes in great number are immediatly attracted. In the early stages, after intraperitoneal inoculation, the neighboring connective tissue cells are seen to put out processes toward the leucocyte mass but it is only after a considerable destruction of the serosa cells and the underlying con- nective tissue that proliferation by mitosis actually begins, new tissue produced from the connective tissue cells forming a capsule for the mass supplied with blood by newly formed vessels, and the endothelial cells of the serosa regenerating to cover once more the peritoneal sur- face. Giant cells may appear at a later stage. The process may, if we accept Wechsberg’s!) conclusions, be compared with the formation of a tubercle only in a general way. In the tubercle after a minimal injury to the tissue and leucocyte accumulation, an encapsulating tissue often with giant cells but without vessels, is produced by proliferation of the adjacent connective tissue. Here after extensive tissue destruction and leucocyte accumulation there is a relatively slight and irregular tissue proliferation often with formation of giant cells and new blood vessels encapsulating the mass. Macroscopically the resemblance is much more striking. We have now to discuss more fully nature of the ray-fungus or “drusen” found in the various lesions. These as described were far commoner in the abscesses of the kidney than elsewhere. In the lung, heart muscle, etc. there could be seen occasionally small rounded masses made up largely of radiating slightly club-shaped filaments. These were very small however as compared with those in the kidney. In the whitish pasty material which could be expressed from the little sac like masses in the kidney, these bodies were quite regularly to be found in all the rabbits which had lived more than a week after inoculation. On compressing the pus under a cover-slip they could be seen with the naked eye as tiny white streaks in the semi-translucent pus. Under a low power they stand out sharply from the surrounding material. As mentioned above they are in general elongated, cylindrical structures, seldom quite straight but bent and curved a little or some- times even highly convoluted (Figg. 1 and 2). They are occasionally branched and each of the branches may be much curved and twisted so that the whole has a very complex appearance. The outlines of the cylinder are quite sharp except at the proximal end where it seems to shade off into a spreading bundle of filaments. In many cases, as especially well seen in the kidney of Rabbit 10, on crushing the pus under the cover-slips the “drusen” are compressed and flattened out, and cerystals of irregular from are found lying together with them. On making a more careful examination without crushing the material it is found that this mass of cerystals results from the cerushing of a central highly refractive core in each of the stems. This core is a 1) Wechsberg, Ziegler’s Beiträge zur path. Anat. 1901. Bd. XXIX. p. 203. On the life history of Actinomyces asteroides. 545 branched eylindrical body, quite smooth on its surface and following exactly all the branching and convolutions of its surrounding stem Fig. 1. (Fig. 2). It is exceeding brittle and the pressure of a needle on the cover-slip can be seen under the microscope to be sufficient to crush it into amorphous frag- _ ments. It gives the reactions for calcium cearbonate, effervescing violentliy on the addition of hydrochloric acid. The stem finally ends bluntly in a rounded tip. Along its whole length and forming a tuft at its extremity, are on every side the radiating, club like ends of the filaments. These are very long and slender and rather larger at their extre- mity than elsewhere.. Sometimes they are branched. The outline is not always smooth — sometimes they are barbed along their whole length like a very slender pine cone or a head of wheat. This appearance, as is well known, is described by Boström!) as due to de- generative changes with the splitting of the thickened capsule or the end of the filament but its constancy and elaborate development in another species of Actino- myces recently found in a spontaneous _ infeetion in a rabbit and soon to be de- scribed, leads us to think this explanation hardly adequate because the appearance is seen in preparations carefully 1) Boström, Ziegler’s Beiträge zur path. Anat. 1890. Bd. IX. p. 1. Erste Abt. XXXI. Bd. 36 P. u» 546 W. G. Mac Callum, On the life history of Actinomyces asteroides. made from a freshly killed rabbit where outward influences have had no chance to play a part. The clubs in the Actinomyces asteroides have not definitely shown the lamination of the envelope described by Boström nor has the transverse segmentation been seen. The central filament however is readily visible in the fresh specimen and is quite easily demonstrated by adequate staining methods. It is easily shown to be directly con- tinuous with one of the filaments making up the stem. Often this filament is seen to have a dotted appearance, especially when stained, and indeed it may appear to consist merely of a row of large deeply staining dots. No such club shaped swellings were found in any other portion of the filament than those terminals projecting from the “drusen” stem. Various efforts to gain light as to the true nature of these struc- tures led to no special result. They are easily crushed by pressure of the cover-slip breaking down into a mass of detritus. lIodine tinges them only pale yellow — caustic alkalies render them more conspicuous by clearing up the surrounding material — they disappear when treated with strong hydrochloric acid. Stained with Gram’s stain only the central filament is colored. To the other special stains they react as do the elubs of Actinomyces bovis. They do not dissolve in water. Single clubs were isolated and incubated in a hanging drop of bouillon for two weeks but no further change than a gradual disinte- gration could be observed. The rapid disappearance of the clubs men- tioned by Israel and confirmed by Boström could not be noted here for they could still be found in the kidney of a rabbit which had been kept in a sterile dish for more than a week. An examination of pus containing the “drusen” subjected to the same thermal death point tests as described above showed no power of resistance superior to that of the emulsion of filaments alone. The observation however is an isolated one and not conclusive. The easily recognized clubs of the other species of Actinomyces as found in a spontaneous infection in a rabbit were injected into the veins of another rabbit and found after the death of the rabbit, three days later Iying unchanged in a section of the lung. In sections of the kidneys in which these bodies occur one can gain some idea of their structure. The refractive outline of the stem seems to be produced by the dense intertwining of filaments of the organism which then turn outward to end in the club like swellings described. Only a few filaments project into or cross the central portion of the stem. Within the wall of the filaments however there are abundant cells and cell fragments, mostly polynuclear leucocytes. Bluish granular material evidently indicates the remains of the cerystalline core. Notwithstanding all this negative evidence however it is impossible for us to accept the statement of Boström that these highly complex, constant and characteristic structures are merely due to degenerative changes. What their functions may prove to be one can only surmise but it seems very probable that they play some important part in the life history of the organism. We recognize in these organisms most of the characters of the lower fungi except the production of a resistant spore as the result of a sexual process and it seems that in connection Ed A 1 a mn a u bt A DL U nd Do u. 4 2 o _ Abbottand Gildersleeve, Actinomyces-like development ofthe acid resisting bacilli. 547 with these very structures the old idea of their representing in some way or other, agents for the furtherance of the life of the organism under unfavorable conditions is not yet to be quite abandoned. Summary. The organism first described by Eppinger and properly named Actinomyces asteroides is, so far as it has been known to occur, a parasite in the human body producing in the one case a cerebral abscess, in the other a diffuse peritonitis. It is a branched filamentous organism showing irregularities in staining such as are described for many bac- teria and for other members of this group. Coccus like vegetative forms are produced at the ends of certain hyphae while on inoculation in rabbits there are produced quite regularly the characteristie ray fungus forms. These are elongated cylindrical structures in this species with laterally radiating clubs. As to their nature no positive evidence is fortheoming but it is thought improbable that they are merely degene- rative forms. The organism is strikingly pathogenic for the ordinary laboratory animals producing widely disseminated focal lesions. These are abscesses beginning with a focal necrosis or degeneration of tissue together with an extensive accumulation of leucocytes all of which in turn undergo necrosis and are walled off by a capsule of vascular granulation tissue in which giant cells often occur. h: Nachdruck verboten. “On the Actinomyces-like development of some of the acid resisting bacilli (Streptothrices ?). [From the Laboratory of Hygiene, University of Pennsylvania.] By A. C. Abbott, M. D., Professor of Hygiene and Bacteriology, and N. Gildersleeve, M. D. Assistant in Bacteriology and Research Fellow under the Rockefeller Endowment, University of Pennsylvania, Philadelphia. With 1 Plate. In the Münchener medicinische Wochenschrift of September 17th, 1901, there appears an article from Baumgarten’s Laboratory by Hoelscher, in which he calls attention to the histological features that distinguish the lesions caused by certain of the acid proof bacilli from those resulting from the action of bacillus tuberculosis. Inciden- tally he also mentions that he observed in the tissues the ray fungus development of the acid proof bacilli with which he was working. In the following contribution we desire to record our observations on this point which we believe afford additional evidence in support of the belief that Actinomyces, Bacillus tuberculosis, and some of the acid resisting “bacilli” are botanically closely allied and should from the morphological standpoint be classified together. While investigating the pathogenic possibilities of the acid resisting baeilli (the results of which will be published at a later time) ?) our 1) Submitted for publication Jan. 29th, 1902. { 2) The expenses incidental to the work of which this contribution forms a part have been generously defrayed by the Rockefeller Institute for Medical Research. 36* 548 A. C. Abbott and N. Gildersleeve, attention was directed to certain peculiar structures that were occasio- nally noticed within the lesions that some of those organisms are capable of producing. When injected directly into the circulation of rabbits the result is, as is well known, the occurrence of larger or smaller nodular formations in the internal organs, especially the kidneys and lungs, that cannot always be readily distinguished from true tubercles. The organisms employed in these studies were the Grass Bacillus II, (Moeller) the Timothy Hay Bacillus (Moeller) and the Butter Bacillus (Rabinowitsch)!). The mode of inoculation was that of direct injection into the circulation by way of a vein in the ear. The amount of culture injected was, as a rule, 1 cubic centimeter of a sus- pension made by carefully breaking up in 5 or 6 c. ce. of bouillon two wire loop fulls (moderate size) of a glycerine agar culture grown for 48 hours at 37° C. Under these conditions we have found that in animals killed in from 12—15 days after inoculation one is practically certain of finding, especially in the kidneys, grayish-yellow nodules ranging in size from 0,5 mm. to 2 mm. Sometimes they are few in number, sometimes the kidneys are closely beset with them. Often they are not elevated above the surface of the organ, but almost as frequently they stand up prominently, and are at times so intimately adherent to the capsule that in removing it they are torn bodily from the substance of the organ. As a rule they are round or nearly so; only rarely do they extend from the surface through the cortex, after the manner 0 abscesses due to emboli of staphylococcei. | In only a small proportion of our cases have we found the lungs involved and then the nodules were extremely difficult to distinguish histologically from true miliary tubercles. That they are, however, distinguishable from genuine tubercles on other grounds is evidenced by the fact that the histological changes are in degree about equivalent to those of tubercles of twice the age, and the organisms recovered from them were not tubercle bacilli but the acid-proof bacteria injected. We shall not enter into the histology of these nodules at this time. It will suffice to say that on this phase of the subject our observations have so closely coincided with those of Hoelscher, recorded in the Münchner med. Woch. No. 38. Sept. 17th. 1901, that we can readily subscribe in general to what he has written on the subject. By the ordinary methods of histological study, employed at the time of our first observation, the structures to be described in this contri- bution appeared as unstained, more or less transparent or hyaline, round or oval areas that were often located within a part of the tissues in which marked reactive changes were in progress, so that they were conspicuous as well defined, colorless areas surrounded by groups of more or less deeply stained cell nuclei. On examining them carefully they were found to have an indistinct, rosette-like shape and a struc- ture suggestive of a mycelium. The possibility of their being a mycelial development of the organism under consideration at once presented itself and various methods of staining appropriate to the solution of the problem were employed. The matter presented no diffieulties, for by the method of Gram or Gram-Weigert, that of Babes and 1) The orginal cultures were kindly sent to us by Dr. Moeller and by Dr. Rabinowitsch-Kempner. We desire here to express our thanks for their courtesy» On the Actinomyces-like development of some of the acid resisting bacilli. 549 Levaditi or by the simple process of staining for 5 or 10 minutes in carbol fuchsin and decolorizing with alcohol containing 5. °, of acetic acid the bodies are more or less readily stained and are at once to be recognized as mycelia that are often strikingly like those charac- teristie of Actinomyces, and we presüme, judging from the published illustrations, are identical in formation with those discovered in ex- perimental tuberculosis by Babes and Levadiıti and by Friedrich and Nösske (see fig. 1 and 2). While the typical Actinomyces mode of growth was common, still we occasionally encountered areas in which longer and shorter beaded threads were closely matted together in a less characteristice manner and occasionally they were seen grouped in a way very similar to that of Bacillus tuberculosis underjartificial ceultivation, as depicted by Koch in his original classical description of that organism. From our experience we feel justified in saying that this mycelial development is. practically a constant accompaniment of the growth of the organism in the tissues and that if one study these nodules in serial sections that one or more, large or small mycelia will be encountered in each nodule. By this method of study one soon begins to suspect that the short beaded rods, the so-called “bacilli”, are often, tough not always, but segments of the longer convoluted and clubbed threads composing the mycelium. It will also be noticed that as the sections approach nearer and nearer to the point in the nodule at which the mycelium is located the tissues will frequently be marked by more or less regularly arranged round and oval coccuslike bodies having the same staining reactions as the threads composing the mycelium. These we have taken to be sec- tions of the hyphae which surround the mycelium as an irregular fringe and which are always distinguished by their bulbous extremities, and we are inclined to think that a similar explanation might be offered for the round or oval “coccus-like” bodies that are irregularly distributed through and about the centre of the actinomycosis fungus. In some of our sections the radially arranged peripheral hyphae extended some distance into the surrounding tissues (fig. 1), while in others they were uniformly shorter and surrounded the mycelium in such a close, compact way as to give to it a regularly scalloped appearance. It is furthermore interesting to note that by the methods of study used by us one encounters occasionally a mycelium in which only a very small proportion of the hyphae can be stained. These stand out in bold contrast to the balance of the fungus-mass which may often be of considerable size, and, though not stained, is easily discernible. In sections containing no mycelia it is not uncommon to encounter short, beaded, sometimes bulbous, rods that in their appearance, number, and irregular distribution are very suggestive of bacillus tuberculosis in the tuberele. As a rule the mycelia are surrounded by numbers of leuco- cytes, just as is often seen in actinomycotic tissues; sometimes these are absent and the tissues in the vicinity are uniformly caseous, or nearly so, while occasionally a small mycelium will be encountered about which very little tissue reaction, directly referable to it, is to be seen, though when this is the case a larger mycelium will usually be found nearby to which such tissue changes as exist may readily be attributed (see fig. 2). Up to the time of writing we cannot certainly say that branching has been seen under the conditions of our abservations, though in the 550 Abbottand Gildersleeve, Actinomyces-like development oftheacid resissingbacilli. light of the studies of Moeller and of Petersen there can be little doubt that branching does occur during the growth of these organisms. | The process by which we have been most successful in demon- strating the mycelia is as follows: PR. The perfectly fresh tissues are fixed for 24 hours on Orth’s fluid; then preserved in 70-80 °/, alcohol until ready to be cut, when they are kept for 18--24 hours in absolute alcohol. They may be imbedded in either celloidin or paraffın. When cut the sections are stained in Ehrlich’s acid haemotoxylin and after being thoroughly washed in water the mycelia are stained by the method of Babes, i. e. 10 to 15 minutes in 2. %, aniline water supersaturated with saffranine; treated for a few minutes with Lugol’s iodine solution; washed in alcohol; cleared in xylol and mounted in xylol balsam. The tissues are colored by the haemotoxylin; the mycelia by the saffranine. See illustrations. Comparing the distinguishing staining reactions of this group of saprophytes with those of bacillus tuberculosis; comparing the various morphological peculiarities exhibited by some of them with those now known to occur during the life of bacillus tuberculosis, notably-branching, mycelial development under artificial conditions, and actinomyces-like growth in the diseased tissues; and considering the fact that one of the results of the pathogenie actions of all is the production of nodular new growths having often many features in common, we can but regard them as botanically closely allied and as morphologically improperly classified. | That the so-called “bacillus” of tuberculosis represents but a phase in the development of a more complex parasite was suspected and suggested as long ago as 1888 by Metschnikoffand we are inclined to regard that opinion as equally applicable to those of the group of acid resisting bacilli with which we have been engaged. We would suggest therefore that they be grouped with the Actinomyces or the Strepto- thrices in conformity with similar suggestions made by others concerning bacillus tuberculosis !). Explanation of Plate. Fig. 1. Actinomyces development of Moeller’s Grass Bacillus IL Section through nodule in Kidney of rabbit; 14 days after intravenous inoculation. Fig. 2. Actinomyces development of Moeller’s Timothy Hay Baecillus. Section through nodule in Kidney of rabbit; 30 days after intravenous inoculation. 1) For the literature on the several phases of this subject consult: Cowie, Journal Eyperimental Medicine. Vol. V. 1900. — Coppen Jones, A., Centralblatt f. Bakteriologie. Abt. I. Bd. XVII. 1895. — Babes u. Levaditi, Arch. d. med. exp. et d’anat path. T. IX. 1897. — Friedrich und Nösske, Ziegler’s Beiträge, Bd. XXVI 1899. — A. Petersen, Berl. klin. Woch. 1899. No. 26. p. 562. i ü E r u # Anetr Ayr an“ A IenA AilStL.V, J. AINUL JElld. INN N e x I e N \ a DN an © “ SUEN Abbott and Glderslev, Acid Besisting Baal ANA SAHL DIE rERSEN +L 27 o L tm \ x KSr n) ® ö % >. a- x gi L% > & aD = ar Gustav Fischer, Jen nd ycıl.v Bd: - Centralblatt für Bakteriologie Abt. 1. Ba. MAL ® But wer N > Rz 4 ü D Ir 4 Y ng in „+2 5 + i j „it is | = #8 Je = a Bi BE | “2 2 E = ers > u ir ‚ Pr 2 a ee DET rn, zu FR ae a Fi. H. Jaeger, Die in Ostpreußen heimische Ruhr eine Amöbendysenterie. 551 Nachdruck verboten. Die in Ostpreussen heimische Ruhr eine Amöbendysenterie'). Von Oberstabsarzt Prof. Dr. H. Jaeger in Königsberg i. Pr. Mit 3 Tafeln. Wenn wir uns in der Litteratur nach der Geschichte und geo- graphischen Verbreitung der Ruhr umblicken, so finden wir zunächst bei Hirsch die Mitteilung, daß diese Krankheit in Deutschland nicht endemisch und nur relativ selten epidemisch vorkomme. Am häufig- sten seien noch befallen gewesen Süddeutschland und Oesterreich, im größten Teile des nördlichen Deutschlands aber herrsche die Ruhr äußerst selten epidemisch; so habe man an vielen Orten 15—20 Jahre lang nichts von Ruhrepidemieen gehört. Demgegenüber hat aber vor Jahresfrist Kruse die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß im rheinisch- westfälischen Industriebezirk die Ruhr nicht nur stark verbreitet, sondern auch neuerdings erheblich im Zunehmen begriffen ist und daß dementsprechend rationelle prophylaktische Maßregeln immer dringen- der angezeigt erscheinen. | Was nun Kruse für dieses westdeutsche Gebiet konstatierte, das trifft in noch weit höherem Maße für die östlichen Distrikte Deutsch- lands zu. Betrachten wir die von Bornträger?) den Heften der „preußischen Statistik“ entnommenen Zahlen (Tabelle 1), so finden wir Tabelle 1. Ruhrsterblichkeit in Preußen. Es starben an Ruhr im preußischen Staate von 1877—1894 durchschnittlich im 1. Reg.-Bez. Oppeln 346,7 Pers. | 19. Reg.-Bez. Hannover 17,3 Pers. 2 5 Posen 3 Me 20. En Schleswig 16.9.23+,, 53 fe Königsberg SUhE 7, 21, % Kassel 14,2 =, 4. )- Gumbinnen BUT.5: 4) 22. 5 Köslin TEN 8. 2 Marienwerder 123,7 .08 23, R Hildesheim IE Sa DER 6. ” Bromberg 1589, , 24. " Minden 104 „ YA ri Breslau 3200-4 2D; PR Münster SEE 8. ir Magdeburg 80,9. ', 26. e Stralsund De 9. 2 Potsdam a age) 27. B Trier To aa 10. 2 Hranktart'a. (0. 80,1 , 28. R Stade - TIME 11. Y Berlin 69,8 „ 29. e\ Wiesbaden 6,4: .755 12. ” Merseburg BBA;;, 30. x Koblenz RA 13, Br Arnsberg DS.0. al. $ Sigmaringen DS 14. A Danzig Dam 3, 1682} > Köln LEE 15. 4 Liegnitz 3193. % 33. 5 Erfurt SEN 16. A Lüneburg 2608; 34. “ Aurich 3:8. 44 17. E Düsseldorf Aln..'5 25; = Osnabrück 1.01,,% 18. a4 Stettin U ,„ 36. ni Aachen nr: n im Durchschnitt der Jahre 1877—1894 die östlichen Regierungsbezirke durch eine gegenüber den meisten mittel- und westdeutschen ganz enorme Ruhrsterblichkeit belastet und selbst die rheinisch-westfälischen Regierungsbezirke — Arnsberg, Düsseldorf, Münster — werden von den 2 ostpreußischen — Königsberg und Gumbinnen — um das 6—30-fache übertroffen (Tabelle 2). Wir erkennen aber auch, % 1) Nach einem bei der Naturforscherversammlung zu Hambung 1901 gehaltenen ortrage. 2) Bornträger, Die Ruhrepidemie im Reg.-Bez. Danzig 1895/96. (Zeitschr. f. Hygiene. Bd. XX VII. 1898.) 3) 1895 Epidemie von 1176 Erkrankungen mit 176 Todesfällen = 15 Proz. 552 H. Jaeger, Tabelle Ruhr- in den ostpreußischen und in einigen rheinischen 1877 | 1878 | 1879 | 1880 | 1881 | 1882 | 1883 | 1884 | 1885 Königsberg 278 | 750 | esı | 110 | 315 | 687 | 209 | 207 | ızı Gumbinnen 121: 17320.] 2% 611 | 362. | 536 7 P2sE 234 Arnsberg al aelalelslıalalelı Düsseldorf 89.148 | 28 :80,|..:38,)1. ara 9 Münster IF 8 A 20 8. 3 | 12 4 | 4 daß die Dysenterie in Ostpreußen schon längst ende- misch ist und nach einer Abnahme Anfang der 90er Jahre jetzt wieder im Anstieg begriffen ist. Wie steht es nun mit unseren Kenntnissen über die Erreger der Dysenterie? Die gegenwärtig wohl von den Meisten vertretene Auffassung geht dahin, daß man die Ruhr nicht als einen ätiologisch einheitlichen Be- griff ansieht, sondern verschiedene Formen derselben unterscheidet, und zwar: 1) Die tropische Ruhr: Sie wurde in Bezug auf ihre parasiti- schen Erreger zuerst von R. Koch gelegentlich der Choleraexpedition 1883 studiert: Koch fand in Schnitten aus dem Darme Amöben, welchen vielleicht eine ursächliche Bedeutung zukommen konnte. Diese Frage wurde dann von Kartulis weiter verfolgt mit dem Ergebnisse, daß er in über 500 Fällen regelmäßig Amöben fand. Durch die Arbeiten von Kartulis wurde die Annahme, daß diesen Amöben ätiologische Bedeutung zukommt, ganz wesentlich gestützt. Kruse und Pasquale haben sodann durch erfolgreiche Uebertragung der egyptischen Dys- enterie auf Katzen die ätiologische Bedeutung der Amöben noch weiter gesichert. Gegenüber dem Einwand, daß man ja bei der Amöbenüber- tragung nicht mit Reinkulturen arbeite, weil sich die Dysenterieamöben nicht züchten lassen, sei bemerkt, daß, wie schon früher Lambl, so auch Kruse und Pasquale, bei Verimpfung amöbenhaltigen, aber bakteriensterilen Eiters auf Katzen Erfolge erzielten ; das positive Ergebnis dieser Versuche vermag die Uebertragung mittels Reinkulturen zu ersetzen. 2) Diejapanische Ruhr. Während man a priori vielleicht geneigt ge- wesen wäre, in dem so nahe an das Tropengebiet heranreichenden Japan gleichfalls eine Amöbendysenterie zu erwarten, haben die Untersuchungen von Shiga einen Bacillus ergeben, der, besonders aus den erfolgreichen Agglutinationsversuchen zu schließen, wohl von den Meisten als der Erreger der japanischen Dysenterie angesehen wird. Freilich hat Shiga auch in 5 seiner 34 Fälle Amöben gefunden, es ist daher bei der von diesem Forscher selbst hervorgehobenen Schwierigkeit des Nach- weises dieser Gebilde nicht ganz ausgeschlossen, daß sie in den anderen gleichfalls vorhanden waren. Zu diesen beiden Gruppen käme nun nach den Mitteilungen, welche vor Jahresfrist Kruse auf der Natur- forscherversammlung zu Aachen gemacht hat, noch 3) die rheinische Ruhr: Derselbe Forscher, welcher durch seine Studien in Egypten mit den Amöben genau vertraut ist, konnte bei seinen Untersuchungen im rheinisch-westfälischen Industriebezirk Amöben nur in einem einzigen Falle nachweisen, und er schließt daraus, daß hier nicht die Amöben, sondern andere Organismen die Rolle des Erregers spielen. Diese er- Die in Ostpreußen heimische Ruhr eine Amöbendysenterie. 553 AR Sterblichkeit und westfälischen Regierungsbezirken. 1886 | 1887 | 1888 | 1889 | 1890 | 1891 | 1892 | 1893 | 1894 | Summe | Durchschnit = — — m men aan a — — Bert ED — nn — — — — 20 | !ıem| 92 | 56 | 66 | 3 | 191 | 135 | 541 301,7 100 | 91 Zara ımT | | 187 | 102 | 378 207,5 \ 47 Era EU 2 ME | rs alo|»| su | 2 | 5. |v174 |-252 | 1066 | 586 1 Be ud. 6 5 16 34 | 213 | 5 . 2 | | IE: 14 11 185 103 blickt er in einem im wesentlichen dem Typhusbacillus ähnlichen, aber unbeweglichen Bacillus. Neuerdings ist er geneigt, diesen Bacillus für nahe verwandt mit demjenigen von Shiga zu halten. Auch dieser Bacillus zeigt, mit Blutserum Ruhrkranker zusammengebracht, das Phänomen der Agglutination. Wenden wir uns nunmehr zu den ätiologischen Studien, welche aus Nordostdeutschland und aus Rußland über die Ruhr vorliegen, so ist in erster Linie die Arbeit desjenigen Forschers zu nennen, welcher überhaupt die Aufmerksamkeit auf die Beziehungen der Amöben zur Dysenterie gebracht hat, nämlich Lösch. Derselbe fand schon 1873 in einem Falle chronischer Ruhr in Petersburg massenhaft Amöben, welchen er eine ursächliche Bedeutung beizumessen geneigt war. Es folgen sodann 2 Arbeiten von Janowski aus Warschau und von Ascher aus Königsberg, welche beide berichten, daß keine Amöben gefunden worden seien. Beide Untersucher vermochten aber auch keine bestimmten Bakterienarten als mutmaßliche Erreger anzusprechen. Die außerordentlichen Schwierigkeiten, welche, wie mich meine Unter- suchungen gelehrt haben, der Nachweis der Amöben in vielen Fällen macht, läßt diese negativen Ergebnisse verständlich erscheinen, beson- ders bei Ascher, welcher überhaupt kein ganz frisches Material ver- wendet hat, sondern in der Mehrzahl seiner 12 Fälle sich dasselbe von außerhalb zuschicken ließ. Zwei Epidemieen in der Garnison Königsberg, die eine vom August _ bis Oktober 1900, die andere im August und September 1901, haben mir Gelegenheit gegeben, mich mit dem Studium der Aetiologie unserer ostpreußischen Ruhr zu beschäftigen. Aus der ersten Epidemie von 73 Fällen konnte ich 23 Fälle verarbeiten; bei der zweiten Epidemie habe ich alle ins Lazarett aufgenommenen 11 Fälle untersucht. In allen diesen Fällen habe ich ausnahmslos Amöben mit absoluter Sicherheit nachweisen können. Zu diesen kommt noch ein weiterer, der medizinischen Klinik des Herrn Geheimrat Lichtheim zugegangener, aus Rußland eingeschleppter Fall. Aus den _ aufgestellten gefärbten Ausstrichpräparaten ist die völlige Ueberein- stimmung der Gebilde in einem der ostpreußischen und in dem aus - Rußland eingeschleppten Falle ohne weiteres ersichtlich. Was die Methode betrifft, so kommt in erster Linie die Unter- suchung des frischen Materials in Betracht. Der Stuhl muß so frisch wie möglich, am besten noch warm, untersucht werden. Den hohl- geschliffenen Objektträger halte ich für ungeeignet: man erhält zu dicke Schichten, welche das Objektiv nicht zu durchdringen vermag; auch den dysenterischen Schleim auf dem Objektträger einfach mit einem Deck- glase zu bedecken, geht nicht an; dabei werden die Amöben zerdrückt. 554 H. Jaeger, Am zweckmäligsten läßt man das Deckglas auf der einen Seite auf einem dünnen Wachstropfen, welchen man hat auf den Objektträger fallen lassen, aufliegen, wobei man beliebige Abstufungen in der Dicke des Präparates erzielt. Die größte Schwierigkeit bei der ganzen UÜnter- suchung bereitet die Unterscheidung von Leukocyten, und doch ist in der ganzen Litteratur dieser Schwierigkeit kaum Er- wähnung gethan, nur Shiga bringt darüber eine Bemerkung, daß die zur Ruhe gekommenen Amöben, welche runde Gestalt angenommen haben, von Leukocyten schwer zu unterscheiden seien, ohne jedoch an- zugeben, wie man diese Schwierigkeit zu überwinden vermag. Aber man hat bei der Untersuchung des noch warmen Stuhles noch eine andere Schwierigkeit zu beachten: wenn in der Amöbenforschung als das Ausschlaggebende die Bewegungen angesehen werden, welche man die Amöben ausführen sieht, so muß berücksichtigt werden, daß ja auch die Leukocyten Formveränderungen und ÖOrts- bewegungen ausführen. Es ist jedoch nicht sehr schwierig, die bewegungen der Amöben von denjenigen der Leukocyten zu unterscheiden: die Pseudopodien der Amöben bei Dysenterie sind stets stumpf und vollkommen hyalin, diejenigen der Leukocyten dagegen sind — wie sie ja auch in den Lehrbüchern der Physiologie abgebildet werden — mehr spitzig, fingerförmig und granuliert. Sind die Formen aber einmal zur Ruhe gekommen, so ist eine Unterscheidung zwi- schen Amöben und Leukocyten am frischen Präparate nach meiner Ueberzeugung nicht mehr möglich. Dann tritt die Färbung in ihr Recht. Taf. I Fig. 1 zeigt 4 Amöben im frischen Ruhrstuhl, welche zur Zeit der Zeichnung in lebhafter Formveränderung begriffen waren. Die obere läßt links den excentrisch gelegenen Kern, nach unten schon in die stumpfe, hyaline Vorstülpung des Protoplasmas hineinragend, zwei auf der Kante stehende, rote Blutkörperchen erkennen. Außerdem sieht man eine Anzahl (nicht kontraktiler) Vakuolen, sowie verschiedenartige aufgenommene Fremdkörper. An der links gelegenen Amöbe sieht man ein kurzes, hier ziemlich spitziges Pseudopodium hervortreten; im übrigen Vakuolen und verschiedene Fremdkörper. Das am meisten nach rechts, doch nahe der Mitte gelegene Exemplar enthält wiederum neben anderen Fremdkörpern ein rotes Blutkörperchen. In der Mitte des Sehfeldes und in dessen rechtem unteren Quadranten befinden sich ö Leukocyten und 4 rote Blutkörperchen. Endlich findet man unten im Sehfeld eine Amöbe, welche 4 Leukocyten in sich aufgenommen hat! Fig. 2 zeigt diese Amöbe eine Stunde später; die Form ist mehr kreis- rund geworden, die aufgenommenen Leukocyten sind anders gelagert, haben sich übereinander geschohen. — Fig. 3, 4 u.5 zeigen endlich eine Amöbe in ihren Formveränderungen und Ortsbewegungen, welche sie in der Zeit, während sie gezeichnet wurde, durchgemacht hat: 4 Uhr 15 Minuten liegt sie in der Nähe einiger roter Blutkörperchen, 12 Mi- nuten später hat sie sich von diesen so weit entfernt. daß dieselben zum Verschwinden aus dem Sehfeld gebracht werden mußten, um die Amöbe in demselben festzuhalten. Dabei hat sich die Gestalt mehrfach verändert, um nach weiteren 8 Minuten das Bild von 4 Uhr 35 Minuten zu geben. Eigentümlich sind hier die in der ersten und dritten Phase sichtbaren feinen Ausläuferchen. Sie wurden stets nur dann bemerkt, wenn die stumpfe Ausstülpung des Ektoplasmas im Begriffe stand, sich ren IE De — PR} ” Die in Ostpreußen heimische Ruhr eine Amöbendysenterie. 555 — wieder zurückzuziehen; es handelte sich also um ein Haften des Plasmas am Deckglase. Was nun die Färbung betrifft, so bin ich, besonders bei meinen Studien im vorigen Jahre, stets enttäuscht gewesen, wenn ich in ge- färbten Ausstrichpräparaten von solchen Fällen, in welchen ich deutlich bewegliche Amöben in großer Zahl gesehen hatte, nach solchen suchte: dieselben waren nicht mehr aufzufinden ; wohl waren einzelne Formen vorhanden, welche man vielleicht als Amöbenreste deuten konnte, aber einwandsfreie Bilder konnte ich damals nicht erhalten. Erst als mir in diesem Jahre das Buch von Doflein: „Die Protozoen als Parasiten und Krankheitserreger“ zu Gesicht kam und ich mich in der Fixierung der Präparate streng an dessen Vorschriften (p. 34) hielt, konnte ich gefärbte Ausstrichpräparate erlangen, welche mir jetzt in ihrer leichten Demonstrierbarkeit fast lieber sind, als die frischen Präparate. Von größter Wichtigkeit ist dabei, daß jedes Trocknen des Ausstriches ver- mieden wird. Derselbe wird also so schnell wie möglich mit der Kon- servierungsflüssigkeit übergossen (ich werfe das Deckglas in dieselbe hinein). Die Flüssigkeit besteht aus 1 Proz. Sublimat 100 cem + Al- kohol absol. 50 cem + 5 Tropfen Eisessig. In dieser bleiben die Prä- parate 10 Minuten. Dann werden sie in 70-proz. Alkohol, dem einige Tropfen Jodjodkali bis zu blaßgelber Färbung zugesetzt werden, gleich- falls 2 Minuten ausgewaschen, worauf die Färbung mit Hämatoxylin, Grenacher 10 Minuten, dann Spülen in Wasser, bis ein blauer Ton kommt, sodann mit 1°. Eosin 1—2 Minuten, folgt. Aus dem Eosin kommen die Präparate in verdünnten, von da in absoluten Alkohol und sodann in Kanadabalsam. Bei dieser Behandlung vermag man die Amöben schon auf den ersten Blick von Leukocyten und anderen Ge- webselementen zu unterscheiden. Während uns bei den auch noch so vielgestaltigen Formen der Leukocyten doch immer ein durch Häma- toxylin blau gefärbter Kern entgegentritt, finden wir jetzt Gebilde, welche keinen blauen, wohl aber einen oder mehrere oder gar zahlreiche eosinrot gefärbte Kerne erkennen lassen. Ferner finden wir in diesen Gebilden verschiedene Hohlräume (Vakuolen), sowie rote Blutkörper- chen — eines oder mehrere — welche die Amöbe in sich aufgenommen hat; desgleichen andere Bestandteile, Bakterien, verschiedene Nahrungs- stoffe, welche zum Teil sich durch Hämatoxylin gefärbt haben, jedoch durch das Fehlen jeder Struktur deutlich von Leukocytenkernen ab- heben (s. Taf. II, Fig. 1 u. 2). Die diesjährige Epidemie, bei welcher wir 2 Todesfälle zu beklagen hatten, hat mir nun auch Gelegenheit gegeben, sowohl den Ruhr- darm in seinem makroskopischen Aussehen kennen zu lernen, als auch das Eindringen der Amöben in die Darmwand zu studieren. Zunächst möchte ich betonen, daß ich solche Bilder, wie sie gewöhnlich geschildert werden, nämlich Geschwüre mit unterminierten Rändern, welche mit einem diphtherischen Schorfe bedeckt sind, über- haupt nicht zu sehen bekommen habe. Vielmehr war die Schleimhaut des Dickdarmes bis ziemlich zur Bauhin’schen Klappe zum weitaus größten Teile überhaupt völlig verschwunden und die Submucosa bildete eine glatte Fläche, auf welcher nur einzelne spärliche Inseln von Schleimhaut noch stehen geblieben waren. In dem zweiten unserer beiden Fälle hatte der ganze Dickdarm ein schwarzgraues Aussehen angenommen. — Bei der mikroskopischen Untersuchung in Schnitten sieht man schon bei schwacher Vergrößerung in die Gewebsinterstitien 556 H. Jaeger, der Submucosa eine mächtige zellige Infiltration vordringen, welche sich bei Anwendung starker Systeme (ich möchte dringend empfehlen, nur mit Oelimmersion zu arbeiten) an vielen Stellen in ganze Schwärme von Amöben von schaumigem Gefüge und zum Teil von mächtiger Größe der Einzelindividuen auflöst. Diese Amöbenschwärme dringen bis an die Musecularis vor (s. Taf. III, Fig. 1 u. 2). Die Bilder, welche man hier zu sehen erhält, gleichen vollkommen denjenigen, wie sie Kruse und Pasquale!) in ihrer Arbeit Taf. III, Fig. 4 dargestellt haben. Auch hier läßt das Ausbleiben der Färbung des Kernes durch Häma- toxylin die Unterscheidung von den Bindegewebszellen und ausgewan- derten Leukocyten zu. Ueber die Pathogenität der Ruhrdejektionen für Katzen habe ich mich schon früher ausgesprochen: wenige Tage nach der Injek- tion von d cem Ruhrstuhl ins Rectum begann bei 3 der 4 so infizierten Tiere der Kot mit blutig-glasigem Schleime bedeckt zu sein, in welchem sich Amöben, stumpfe, hyaline Fortsätze aussendend, in großer Zahl befanden. Diese Erscheinung hielt tage-, bei einem der 4 Tiere sogar wochenlang an. Bei dem letzteren trat der Tod ein; im Rectum fanden sich 2 kleine Geschwüre, die ganze Schleimheit des Rectums war inji- ziert und mit blutigem, amöbenhaltigem Schleime bedeckt. Der sichere und zweifellose Nachweis von Amöben in Schnitten aus diesem Katzen- darme ist mir bis jetzt noch nicht. gelungen, doch hoffe ich, bei weiterer Verarbeitung des Materiales diese Lücke bald noch ausfüllen zu können. Wir haben uns nun die Frage vorzulegen: Sind diese Amöben die Erreger unserer Ruhrepidemieen oder sind sie nur als harmlose Be- gleiter des Prozesses aufzufassen? Ich glaube, wir sind genötigt, die- selben als die Erreger anzusehen. Dafür spricht: 1) das regel- mäßige Vorkommen der Amöben bei zwei zeitlich und räumlich voneinander getrennten Epidemieen; 2) das Verschwinden derselben mit dem Erlöschen des Pro- zesses. Wenn von mancher Seite geglaubt wird, daß diese Amceba dysenteriae identisch mit der harmlosen Amoeba coli sei, welche schon durch Darreichung eines Laxans gelegentlich auch bei Gesunden zum Vorschein gebracht werden kann, so würde doch unverständlich sein, warum alsdann nicht auch in der Rekonvalescenz der Amöben- befund sich forterhält und warum bei anderen Ruhrepidemieen, z. B. am Rhein, die Amöben fehlen. 3) spricht für ihre pathogene Bedeutung der echte Parasitismus, das Eindringen derselben tiefin die Submucosa. Endlich 4) ist hervorzuheben die Pathogenität der Amöben für Katzen und die Möglichkeit der Repro- duktion einer blutigen Diarrhöe mit Vermehrung der Amöben im Dickdarme dieser Tiere. Haben sonach in meinen Untersuchungen die Amöbenfunde die Situation beherrscht, so habe ich doch nicht unterlassen, stets auch auf die Bakterienflora zu achten. Ich kann mich aber nach dieser Rich- tung hin kurz fassen: es ist mir weder bei der Epidemie des vorigen Jahres noch bei der diesjährigen gelungen, irgend eine Bakterienform zu züchten, welche sich in mehreren Fällen wiederholt gefunden hätte: wohl habe ich verschiedene Coli-Stämme oft besonders reichlich sich entwickeln sehen, die sich öfters durch sehr mangelhafte Eigenbewegung Ye: Ka a a nl nn > nn Die in Ostpreußen heimische Ruhr eine Amöbendysenterie. 557 auszeichneten ; prüfte man sie aber auf Gasbildung, so trat solche ein, und wo die Gasbildung ausblieb, war wieder deutliche Eigenbewegung vorhanden — kurz: es war nicht möglich, auch nur 2 Stämme, die von verschiedenen Fällen stammten, unter sich zu identifizieren. Sonach kann ich weder dem Bacillus von Kruse noch demjenigen von Shiga eine pathogenetische Beteiligung an unseren beiden Epidemieen zu- sprechen. Dieselben sind vielmehr zwei echte Amöbendysente- rieen gewesen, und wenn, wie wir aus den Arbeiten von Kruse wissen, am Rheine die Amöben fehlen, so müssen wir, ebenso wie das in Amerika und in Italien der Fall, auch in Deutschland 2 Dysenterie- formen neben einander anerkennen: eine Amöben- und eine Ba- cillendysenterie. Nicht mehr aufrecht zu halten ist aber, wie aus meinen Untersuchungen hervorgeht, die Annahme, daß die Amöben- dysenterie nur eine Erscheinung der Tropen sei. Ihr Erscheinen ist erstmals, wie wir gesehen haben, in Petersburg beobachtet worden, Kartulis hat sie in Egypten und Griechenland, italienische Forscher in Italien, amerikanische in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Hlava in Ungarn und ich in Ostpreußen gefunden. Ihr Auftreten ist also an das Klima nicht gebunden und ihr Vorkommen in den nörd- lichen Gebieten ist erwiesen. Nachtrag zu vorstehender Arbeit. Soeben finde ich im Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. No. 7 den Artikel von Herrn Dr. Ucke: „Zur Verbreitung der Amöben- enteritis“, worin derselbe hervorhebt, daß er, sowie auch Dr. Kernig und Dr. Zeidler in Petersburger Hospitälern bei Dysenteriefällen im Stuhle die charakteristischen Amöben gefunden und darüber schon im Juli v. J. in der St. Petersburger med. Wochenschr. berichtet haben, also 6—8 Wochen vor dem Erscheinen meiner Publikation in der Berl. klin. Wochenschr. vom 9. September 1901. Ich kann es im Interesse meiner Untersuchungen nur bedauern, daß mir die Veröffentlichung der Herren Ucke und Kernig damals entgangen ist, denn es würde mir sehr erwünscht gewesen sein, die Lücke in den Mitteilungen von Amöben- befunden zwischen den Arbeiten von Lösch und Massjutin einer- seits und der die Amöben negierenden von Janowski andererseits ausgefüllt zu sehen. Ich würde also als Gegenbeweis gegen Janowski’s Auffassung die Arbeit von Ucke und Kernig besonders gern citiert haben, wenn ich schon Kenntnis von derselben gehabt hätte. — Be- sonders wertvoll scheint mir die neueste Mitteilung Ucke’s in der Richtung zu sein, daß er bei echten Dysenteriefällen jetzt auch Patho- genität der Ruhrstühle für Katzen mit Vermehrung der Amöben im Katzendarme beobachtet hat, während die Ruhrstühle bei Bacillendysenterie, soweit ich die bis- herige Litteratur übersehe, für Katzen nicht pathogen sind. — Die No. 8. Referate. Centralbl. f. Bakt. etc. bringt noch eine Mitteilung über 5 Fälle von Amöbendysenterie, beobachtet von Am- berg in Boston (Bullet. of the Johns Hopkin’s Hospital. Vol. XII. 1901). — Man sieht also, die Amöbendysenterie kommt neben der Ba- eillendysenterie in der alten wie in der neuen Welt, unter nördlichen wie unter südlichen Breiten vor. Die Zeichnungen der lebenden Amöben sowie die Aquarelle der Ausstrich- und Schnittpräparate sind in meinem Beisein von meiner 558 Paul Theopor Müller, Frau hergestellt worden, -welcher ich auch an dieser Stelle herzlichen Dank sage. Erklärung der Abbildungen. BatelE: Fig. 1. 4 große Amöben aus frischem Ruhrstuhle. Eine derselben enthält 2, eine andere 1 rotes Blutkörperchen. Eine weitere enthält 4 Leukocyten. Daneben freiliegende Leukocyten und rote Blutkörperchen. Fig. 2. Die eine der oben gesehenen Amöben mit den eingeschlossenen Leuko- cyten. Die Amöbe hat mehr kreisrunde Form angenommen, die eingeschlossenen Leukocyten sind übereinander geschoben. Fig. 3, 4, 5. Eine Amöbe aus frischem Stuhle in ihren Formveränderungen. Tafel 11. Fig. 1. Ausstrich aus Ruhrstuhl. In der Mitte eine freiliegende, sowie ein ganzes Konglomerat von Amöben. Die Kerne derselben sind eosinrot gefärbt, aber erheblich kleiner, auch etwas dunkler rot als die roten Blutkörperchen. Die durch Hämatoxylin gefärbten Fremdkörper im Innern der Amöben sind kreisrund, nicht gelappt, strukturlos und unterscheiden sich dadurch von den Leukocytenkernen. Fig. 2. In der Mitte eine Amöbe, welche zwei rote Blutkörperchen in sich auf- genommen hat. Der kleinere und dunklere Amöbenkern hebt sich deutlich von diesen ab. Neben dieser Amöbe eine zweite mit mehreren solchen rotgefärbten Kernen. Tafel III. Fig. 1. Schnitt aus dem Dickdarme (Flemming’sche Lösung, Einbettung in Celloidin, Färbung mit Hämatoxylin und Eosin). Die scharenweise eingewanderten Amöben liegen frei in den Gewebsinterstitien. Zum Teil sehr große, zum Teil auch kleinere Formen. Schaumiges Gefüge; bei vielen Exemplaren große Vakuolen. Bei den meisten ist der runde Kern deutlich sichtbar, manche lassen einen solchen nicht auffinden. Fig. 2. Schnitt wie oben. Neben den Fig. 1 ähnlichen auch noch mehr läng- liche, der Abbildung von Lösch gleichende Formen. Die Kerne der Amöben sind rot, diejenigen der Leukocyten und Bindegewebszellen durch Hämatoxylin dunkelviolett gefärbt. Die lichten kreisrunden Körper sind rote Blutkörperchen. Die großen schwarzen Flecken sind durch die Behandlung mit Osmiumsäure bedingt. Nachdruck verboten. Ueber den bakteriologischen Befund bei einer Dysenterieepidemie in Südsteiermark. [Aus dem hygienischen Institute der Universität Graz.] Von Dr. Paul Theodor Müller, Assistenten am Institute. Unsere Anschauungen über die Aetiologie der bacillären Formen der Dysenterie haben in den letzten Jahren eine sehr erfreuliche Be- reicherung und Klärung erfahren. Während bis dahin eine ganze Reihe der verschiedenartigsten Mikroorganismen, die so ziemlich allen Haupt- klassen der Schizomyceten angehören (Stäbchen, bald nach Gram färb- bar, bald sich entfärbend; bald Gelatine verflüssigend, bald nicht; ferner Staphylokokken, Streptokokken, eine Streptothrix-Art), aus den dys- enterischen Entleerungen bezw. aus den sekundären Krankheitsherden, die sich im Anschluß an Dysenterie so oft entwickeln, gezüchtet und wohl auch gelegentlich als Erreger angesprochen worden waren, hat sich in der letzten Zeit das Interesse der Bakteriologen fast ausschließlich auf eine große Gruppe von Spaltpilzen konzentriert, auf die Gruppe der coli- und typhusähnlichen Bacillen. Stimmen nun auch Be a a er et ua - Fun zn f Bakt, jologie Abt. J.Ba.XXXT. Jaeger, Amöbendysenterie. Taf. T. Fig. ı. Fig: 57 Fig. 4. 210.5. 4.15. 4.27. 4.35. Verlag von Gustav Fischer, Jena. P. Weise, Lith. ‚Jena, Centralblatt f. Bakteriologie Abt.I. Bd. XXXT. Jaeger, Amöbendysenterie. Taf. IT. Verlag von Gustav Fischer, Jena. P. Weise, Lith. Jena, Centralblatt f. Bakteriologie Abt.I. Ba. XXAXT. Jaeger, Amöbendysenterie. Taf. III. um u ww nn nn nr nr nn Verlag von Gustav Fischer, Jena. P. Weise, Lith. ‚Jena, Ueber den bakteriologischen Befund bei einer Dysenterieepidemie etc. 559 fast alle Forscher, die sich mit dem Studium der Dysenterie beschäftigt haben, gegenwärtig darin überein, daß der Erreger derselben dieser großen Gruppe angehören dürfte — von der Amöbendysenterie sei hier stets abgesehen — so bestehen doch im einzelnen bei den verschiedenen Autoren recht divergierende Ansichten. Während nämlich die einen von ihnen (z. B. Celli; ferner Escherich für die „Colicolitis“ der Kinder) annehmen, daß es sich nur um eine sehr virulent gewordene oder durch starke Toxinproduktion ausgezeichnete Varietät des gewöhnlichen Darm- bewohners, des Bact. colicommune, handle, halten die anderen an der streng spezifischen Natur der von ihnen isolierten Mikroorganismen fest und suchen dieselben mit allen der modernen Bakteriologie zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln von dem Bact. coli einerseits und dem Bact. typhi abdominal. andererseits abzugrenzen. Besonders eingehende und auch von Erfolg gekrönte Untersuchungen in dieser Richtung haben Shiga (1) und Flexner (2) für die Dys- enterieepidemieen der Japanischen Inseln und der Philippinen, Kruse (3) für die in Deutschland in den letzten Jahren wieder heftiger aufflackern- den Ruhrepidemieen angestellt, und alle drei Autoren haben bei den- selben stets Mikroorganismen angetroffen, die in allen wesentlichen mor- phologischen und kulturellen Merkmalen miteinander übereinstimmten und nur in einigen untergeordneten Punkten voneinander abwichen. Kruse spricht daher in seiner letzten Publikation über diesen Gegen- stand die Ansicht aus, daß die Erreger der deutschen und der japani- schen Dysenterie zwar nicht völlig miteinander identisch seien, jedoch als Spielarten einer und derselben Species aufgefaßt werden müßten. Die Unterschiede bestehen darin, daß 1) der Bacillus der deutschen Ruhr nach Kruse stets unbeweglich ist, während sowohl Shiga wie Flexner hervorheben, daß ihre Bacillen mit geringer Bewegungsfähig- keit ausgestattet seien; die Ortsveränderungen seien jedoch so geringe, daß sie von den Molekularbewegungen schwer zu unterscheiden sind. Uebrigens giebt Shiga an, bei einer Vergleichung seiner Bacillen mit denen von Kruse und Flexner auch in puncto Beweglichkeit keinen Unterschied gefunden zu haben, was wohl die Vermutung sehr nahelegt, daß die entgegengesetzten Befunde der Autoren nicht so sehr in objek- tiven Differenzen der Eigenschaften ihrer Mikroorganismen, als in einer verschieden weiten Fassung des Begriffes „Beweglichkeit“ ihren Grund haben dürften. 2) Ein weiterer Unterschied betrifft die Form der Kolonieen, die sich auf Gelatineplatten entwickeln. Während Kruse’s Bacillen an der Oberfläche zarte, weinblattartig ausgebreitete, typhusähnliche Kolonieen bilden (die tiefen Kolonieen sind rund und nicht charakteristisch), be- schrieb Shiga in seiner ersten Abhandlung das Wachstum der von ihm isolierten Mikroorganismen mit folgenden Worten: „Auf Gelatineplatten bei Zimmertemperatur erscheinen nach einigen Tagen kleine, runde Pünktchen, welche bei schwacher Vergrößerung leicht gelblich und fein granuliert sind. Nach mehreren Tagen werden sie größer, der mittlere Teil der Kolonieen sieht dann bei schwacher Vergrößerung dunkler, die äußere heller gekörnt aus. Die oberflächlichen und die tief- liegenden Kolonieen sind beinahe gleich beschaffent).“ In seiner vor kurzem erschienenen zweiten Publikation macht jedoch Shiga darauf aufmerksam, daß der Prozentgehalt der verwendeten 1) Im Originale nicht gesperrt gedruckt. 560 Paul Theodor Müller, Gelatine von wesentlichem Einfluß auf die Form der Kolonieen sei, und daß speziell auf Platten von etwa 10 Proz. Gelatinegehalt oft wein- blattartige, oberflächliche Kolonieen zu finden seien, während bei stärkerem Gelatinegehalt (15—20 Proz.) sich die Formunterschiede zwischen oberflächlichen und tiefliegenden Kolonieen verwischen. 5) verläuft nach Kruse das Agglutinationsphänomen bei den beiden Varietäten nicht ganz gleichartig. Zwar wurden bei seinen Versuchen die Flexner’schen Bacillen ungefähr in der gleichen Verdünnung ag- glutiniert wie die Kruse’schen, aber nicht, wie gewöhnlich, in Klumpenform, sondern in der fadenförmigen Modifika- tion. Auch Shiga fand, daß die Bacillen von Kruse und Flexner durch Immunserum sowie durch das Serum eines Ruhrkranken in Japan ungefähr in gleicher Verdünnung agglutiniert wurden, wie seine eigenen. Wie man sieht, und wie auch Kruse betont, stehen sich also die Erreger der japanischen und deutschen Dysenterieepidemieen außer- ordentlich nahe. Ihre Abgrenzung gegenüber dem typischen Bact. coli commune ist gegeben 1) durch die zartere Entwickelung auf Gelatineplatten bezw. Stichkulturen, 2) durch das fehlende Vermögen, Traubenzucker oder Milchzucker bis zur sichtbaren Gasbildung zu ver- gären, 3) durch die geringere Säurebildung auf zuckerhaltigen Nähr- böden, z. B. Lackmusmolke, 4) durch die fehlende Indolbildung auf Peptonwasser. Von dem Typhusbaecillus, mit dem sie diese ganze Reihe von negativen Merkmalen gemeinsam haben, unterscheiden sich die Dysenteriebacillen durch die plumpere Form und durch die fehlende oder wenigstens sehr schwach ausgeprägte Beweglichkeit. Daß die frag- lichen Bacillen in der That zu der Ruhrerkrankung in ätiologischer Be- ziehung stehen, geht einerseits aus dem konstanten Vorkommen der- - selben in den Dejekten der Kranken und aus dem Fehlen derselben bei gesunden Menschen, andererseits aus dem Ergebnisse der Blutunter- suchung an den Dysenteriekranken hervor, deren Serum die isolierten Bacillen und nur diese spezifisch agglutinierte. Ueberdies machen zwei unbeabsichtigte Laboratoriumsinfektionen, über die Kruse berichtet hat, und welche zu einer Zeit auftraten, wo im Bonner hygienischen Institute keine Gelegenheit zur Infektion mit Ruhrdejekten vorhanden war, wohl aber viel mit den Reinkulturen des Kruse’schen Bacillus gearbeitet wurde, jeden noch etwa gehegten Zweifel an der pathogenen Bedeutung der letzteren verstummen. Bestätigungen sind auch bereits von verschiedenen Seiten einge- troffen. So hat Spronck (4) bei einer Epidemie in Südholland (1899) und bei einer zweiten in Gelderland (1900) Stäbchen aus Darmsekreten isoliert, die mit Kruse’s Bacillen identisch sind; ebenso v. Dri- galski (5) bei einer Epidemie im Döberitzer Lager. Andererseits hat Curry (6) bei gewissen akuten Dysenterieformen auf den Philippinen Mikroorganismen gefunden, die in keiner Beziehung von den aus Tokio bezogenen Originalkulturen des Kruse’schen und Shiga’schen Ba- cillus zu unterscheiden waren. Ganz analoge Befunde haben endlich Vedder und Duval (7) in einer eben erschienenen, aus dem patho- logischen Laboratorium der Universität Philadelphia hervorgegangenen 5 kurzen Publikation mitgeteilt. Auch die akute Dysenterie der Ver- einigten Staaten ist nach diesen Autoren durch einen Bacillus bedingt, R der in nichts von den an anderen Stellen der Erde gefundenen Mikro- organismen abweicht. Eine ausführlichere Darlegung ihrer Unter- ‚Ueber den bakteriologischen Befund bei einer Dysenterieepidemie etc. 561 suchungen wird von den Verfi. in Aussicht gestellt und soll im Journ. | of experim. med. Vol. VI. No. 2 erscheinen. Da nun bei dem immerhin noch ziemlich spärlich vorliegenden Materiale weitere Untersuchungen, besonders an Epidemieen, die in - anderen Gegenden grassieren als die bisher studierten, sehr erwünscht - sein mußten, und da jeder noch so kleine Beitrag zu der Frage der - Ruhrätiologie von Wert sein konnte, so bin ich gerne der Aufforderung meines verehrten Chefs, Herrn Prof. Prausnitz, nachgekommen, eine während des Spätsommers und Herbstes 1901 in Südsteiermark herr- schende, ziemlich heftige Ruhrepidemie bakteriologisch zu untersuchen. Ich begab mich daher sofort, nachdem ich von dem Bestehen derselben Kenntnis erhalten hatte — es war anfangs November — an Ort und Stelle, nämlich nach Montpreis, um welche kleine Ortschaft sich die meisten Dysenteriefälle in mehr oder minder großer Entfernung grup- pierten. Montpreis selbst war während der ganzen Zeit der Epidemie vollständig frei von jeder ruhrartigen Erkrankung geblieben. Leider stellte sich sofort nach meiner Ankunft, bei Rücksprache mit dem in Montpreis als Epidemiearzt stationierten Herrn Dr. Böhm, heraus, daß die Zeit meines Kommens sehr unglücklich gewählt war, indem die Epidemie bereits im Erlöschen begriffen war und nur wenige und ganz leichte Fälle aufwies. Außerdem trat am selben Tage ein heftiges Regenwetter ein, welches es bei der schlechten Beschaffenheit der Wege ganz unmöglich machte, zu allen den meist 4—5 Stunden voneinander - entfernt im Gebirge zerstreut liegenden Dysenteriegehöften zu gelangen. Es blieb daher nichts anderes übrig, als von den nächst gelegenen - Ruhrhäusern, die trotz des schlechten Wetters erreicht werden konnten, Proben der typischen Dejekte in sterilen Petri-Schalen nach Mont- preis mitzunehmen, daselbst Gelatineplatten von dem infektiösen Ma- teriale zu gießen und diese — da ein längerer Aufenthalt in Montpreis aus äußeren Gründen nicht thunlich war — nach meiner Rückkehr in Graz zu untersuchen. Ich erhielt auf diese Weise Material von 3 verschiedenen Fällen: 1) L. P. in Slatina, 16 Jahre alt. 3 Wochen krank; blutig-schlei- _ mige Entleerung (TI). 2) A. P., 12 Jahre alt. 6 Tage krank; sehr leichter Fall; schlei- mige Entleerung (IV). K. M., Presiöno No. 8, 10 Jahre alt. 2 Tage krank; blutig-schlei- _ mige Entleerung (II). Von einem 4. Falle, nämlich 4) K. M., Presiöno No. 21, 13 Jahre alt, 4 Tage krank, sehr schwerer Ruhrfall, schleimig-blutige Entleerung «UID, war Herr Dr. Böhm so liebenswürdig, nach meiner Abreise _ Platten zu gießen und mir dieselben nach Graz einzuschicken, wofür ich ihm, wie für seine sonstige freundliche Mühewaltung, auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche. Von den auf diesen Gelatineplatten zur Entwickelung gelangten Coli- und Typhus-ähnlichen Kolonieen wurden möglichst viele (im ganzen über 100) in hohen Zuckeragar abgeimpft. 89 von diesen Agar- röhrchen zeigten intensive Gasbildung, und wurden daher von der weiteren Untersuchung ausgeschlossen. Von den übrig gebliebenen, "Traubenzucker nicht vergärenden Mikroorganismen mußten weiterhin ‚noch einige ausgestoßen werden, welche die Gelatine langsam zu ver- Hüssigen begannen, ferner 2 Röhrchen, in denen eine blaugrüne Fluore- scenz zu bemerken war, so daß schließlich von dem gesamten Materiale Erste Abt. XXX1. Bd, 37 % JUVEITIAOU ya II BAU ILLLU \ j zy . e - sei En: - v ALU soqargg Sop | | SWLIS OP soyaug sop | en . SOWLIg so a sguep Zunpynm PUPHAPd sZurf ZunpyonM SydgpY9 sdug] Zunpyany dypyqpg|sdur Sunpyony UPNAPYd'° aa Zug 3ungoyon 9 =, hit AOSSEMUOF .. -doq’T uon Aye3oN -e9ıfopuL AyedoN A1yedoN AyedoN AyedoN 83801 Zunge] pP A Ur} ZungagpoA Ur] . 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Je 1 dieser Röhrchen (I und II) entstammte den Fällen 1) und 8); 2 weitere (IVa und IVb) dem Falle 2); der Rest (IIla—e) war aus den Dejekten des Falles 4) gewonnen, welcher sich also am ergiebigsten erwies. Das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung dieser 9 ver- schiedenen Bakterienstämme findet sich in der vorhergehenden Tabelle übersichtlich zusammengestellt. Bezüglich der Technik dieser Unter- suchungen sei nur bemerkt, daß für alle Stämme stets gleichzeitig der- selbe, ein für allemal hergestellte Nährboden in Verwendung kam, und daß stets ausgedehnte Kontrollversuche mit verschiedenen Coli- Stämmen angesetzt wurden, um mit Sicherheit die Möglichkeit aus- schließen zu können, daß etwaige negative Resultate, z. B. bei der Untersuchung der Zuckervergärung oder der Indolbildung, durch man- gelnde Eignung des Nährsubstrates bedingt seien. Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, stimmten 7 dieser von uns isolierten Bakterienstämme sowohl morphologisch wie kulturell in jeder Beziehung mit dem Kruse’schen Mikroorganismus überein; ein Ver- gleich derselben mit der Originalkultur, welche Herr Prof. Kruse so freundlich war dem Institute zu überlassen, ließ keinerlei Unterschiede erkennen. Abweichend verhielten sich jedoch die beiden mit IVa und IVb bezeichneten Bakterienarten, indem dieselben zwar auch plumpe, unbewegliche Stäbchen darstellten, welche Traubenzucker nicht bis zur Gasbildung vergoren, andererseits aber sich durch die kräftige Säure- bildung in Lackmusmolke, durch die allmählich eintretende Koagulation der Milch und durch die Indolbildung in Peptonwasser von den Kruse- schen Dysenteriebacillen leicht unterscheiden ließen. Alle diese eben aufgezählten Merkmale der Kulturen IVa und IVb (nämlich mangelnde Beweglichkeit, Fehlen der Gasbildung auf traubenzuckerhaltigen Nähr- böden bei kräftiger Säureproduktion, zögernde Milchgerinnung, Indol- bildung) stimmen so vollkommen mit der Beschreibung überein, welche Lembke von seinem B. coli anaäörogenes gegeben hat, daß man dieselben wohl ohne Bedenken miteinander wird identifizieren dürfen. Dazu kommt noch, daß die beiden in Rede stehenden Stämme anfangs keine Veränderung in dem Rothberger’schen Neutralrot- agar hervorbringen, im Gegensatz zu dem typischen Bacterium coli commune, welches bekanntlich eine schöne gelbgrüne bis dunkelgrüne Fluorescenz in diesem gefärbten Nährboden erzeugt, und denselben auch meist (bis auf eine oberflächlich gelegene, rotbleibende Zone) ent- färbt. Bei längerem (6—S-tägigen) Stehen allerdings zeigt sich auch bei IVa und IVb eine geringe, nur im auffallenden Lichte sichtbare, schmutzig-dunkelgrüne Fluorescenz, wie das schon Scheffler für das Bact. coli anaörogenes beschrieben hat. Eine Verfärbung des Nährbodens trat dabei nicht ein. Kruse’s Dysenteriebacillen und die von uns isolierten Mikro- organismen I—IlIe lassen Neutralrotagar vollkommen unverändert und stehen also auch in dieser Beziehung wie in ihrem übrigen biologischen Verhalten dem Typhusbacillus näher als dem Bact. coli. Um nun die Identität unserer Bacillen I—IlIle mit dem Kruse- schen Dysenteriebacillus, welche bereits auf Grund der bisher be- HUT Ne A u sprochenen Befunde einen ziemlich erheblichen Grad von Wahrschein- lichkeit beanspruchen konnte, vollends sicherzustellen und die Beweis- kette zu schließen, mußte noch das Verhalten derselben gegenüber re } | SETREEH Ueber den bakteriologischen Befund bei einer Dysenterieepidemie etc. 565 Dysenterieimmunserum untersucht werden. Dies erschien um so not- wendiger, als Kruse selbst bei der „Pseudodysenterie der Irrenhäuser“ aus den Dejekten wie aus Leichenmateriale Kulturen züchten konnte, welche in allen Punkten mit den echten Ruhrbacillen übereinstimmten, und sich von denselben nur durch den Ausfall der Serumreaktion unter- schieden, so daß wir also immerhin mit der Möglichkeit zu rechnen ge- zwungen waren, daß auch unsere Mikroorganismen nicht echte Dysenterie- bacillen, sondern derartige Pseudodysenteriebacillen sein konnten. Ich habe daher mehrere Meerschweinchen und Kaninchen einerseits mit dem Dysenteriebacillus, andererseits mit einem der von mir iso- lierten Bakterienstämme (IIIc) immunisiert. Dabei machte ich ganz ähnliche Erfahrungen wie Castellani (8), indem sich herausstellte, daß die Tiere besonders wiederholte Injektionen nur sehr schlecht ver- tragen, und daß das Agglutinationsvermögen des Blutserums niemals sehr hohe Werte annimmt. Da jedoch, wie wiederholte Untersuchungen lehrten, normales Meerschweinchen- und Kaninchenserum selbst bei dem Mischungsverhältnisse 1 Serum : 1 Bouillonkultur die fraglichen Bak- terien meist nicht zu agglutinieren vermag, und jedenfalls nicht über die Verdünnung 1:5 hinaus wirksam ist, so ist dieser letzterwähnte Umstand nur von geringer Bedeutung und vermag in keiner Weise der Beweiskraft unserer Versuche Eintrag zu thun. Aus den beiden ausführlich wiedergegebenen Agglutinationstabellen (Tabelle I und II) geht nun unzweifelhaft hervor, daß 1) das Serum eines mit Bac. dysenteriae Kruse immunisierten Tieres auch die von uns isolierten Mikroorganismen I—IlIe, und zwar in derselben Ver- dünnung agglutiniert, wie den Kruse’schen Bacillus, und daß 2) auch Tabelle I. Dysenterieserum. Meerschweinchen I erhält: 26. Jan. 1 ccm abgetötete Bouillonkult. von Bac. dysenter. Kruse 9. 227, & 6. Febr. 2 ccm lebende Bouillonkult. 2. Febr. 1 > lebende 13, /; „ abgetötete Agarkult. 18. Febr. Blutentnahme aus der Öarotis. 8le3|.|2/s/2 818 8 8|-|=|j5/j2l> > a Er En a Ka Eu Er En 5.148 |2 Re & ba well | so aelzlzja)aijaja|l9 9181581 Ale 1:5 4421| 1-|- De irre I - I - || || 1:35 | + line -|-|-)=- | |1— Hair ii |) -)041-|-|>|1S 1:75 22-211 -1- |< + bedeutet, daß neben agglutinierten Haufen viele freie, isolierte Bakterien vor- handen waren. umgekehrt durch Immunisierung mit unserem Bacillus IIle ein Serum erhalten wurde, das Kruse’s Mikroorganismus agglutiniert. _ Weder Coli- noch Typhusstämme zeigten mit den beiden Immunsera irgend eine Reaktion. Damit ist aber der Nachweis erbracht, daß in der That auch die bei der Montpreiser Epidemie gefundenen Bacillen mit dem Kruse’schen identisch sind. - Welche ätiologische Rolle dieselben dabei gespielt haben mögen, darüber kann ich mir natürlich mit Rücksicht auf die Spärlichkeit meines Materiales ein eigenes Urteil nicht gestatten. Ich möchte nur be- 566 Justin Karlinski, Tabelle II. Serum IIllc, Meerschweinchen II erhält: nn Jan. ccm abgetöt. Bouillonkult. 9. Febr. 2,0 ccm lebende Bouillonkult. ” 2> ) ” ” ” 14. ”„ ‚0 DJ , ” 4. Febr.20 „ n „ EAST er u abgetötete Agarkult. 27. Febr. Blutentnahme. ls: = sEläls eg £ = als Elelels S: 55 & 5 a en ae Bag u) - = m |:n Ss Js - S . . . . . . „ fe) — — © fo? 3 Hs Alalaız2ja als ja een | | | SI 10 nE a Kl, a ge Be. 354 INES La aa N + +1 || -/-/|- ||| -<|- 1:5 + +4 + +++) |< |< |<) |< |< 150 = + +) $|#] #221) 2 er :5| + + l+1-I# +44 - a merken, daß die geringe Zahl, in welcher diese Bacillen auf den Platten zu finden waren, durchaus nicht gegen ihre ätiologische Bedeutung zu sprechen braucht, da ja auch Shiga und Kruse betonen, daß die- selben nur in gewissen Stadien der Krankheit reichlich auftreten, und da ja — wie bereits erwähnt — unsere Epidemie bereits im Erlöschen begriffen war. Ich hoffe, bei einem Wiederauftreten der Epidemie, welches im kommenden Sommer wohl mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, meine Untersuchungen fortsetzen zu können. Litteratur. 1) Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Bd. XXIV. 1898; Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 43 2) Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Bd. XX VIII. 1900. 3) Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 40; Ibid. 1901. No. 23 u. 24; Deutsche Aerzte- ztg. 1902. No. 2; Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. No. 5, 6. 4) Mitgeteilt von Kruse, Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 23 u. 24 u. Deutsche Aerzteztg. 1902. No. 2. 5) Mitgeteilt von Kruse, Deutsche Aerzteztg. 1902. No. 2. 6) Boston med. and surgic. Journ. 1901. No. 8; Ref. Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Bd. XXXI. 1902. No. 2. 7) Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Bd. XXXI. 1902. 8) Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXXVII. Nachdruck verboten. Zur Aetiologie des Rekurrenstyphus. Vorläufige Mitteilung. Von Dr. Justin Karlinski in Cajnica, Bosnien. Seit der Entdeckung der Spirillen im Blute der an Rückfalltyphus erkrankten Personen durch Obermayer, nach der gelungenen Ueber- tragung auf Menschen (Moczutkovski) und Afien (Carter, Koch) durch die zahlreichen klinischen Arbeiten gehört der Rückfalltyphus (Typhus recurrens) zu den bestens studierten Infektionskrankheiten. Die Versuche, die Obermayer’schen Spirillen rein zu züchten, mißlangen bis jetzt vollkommen, höchstens daß man die Versuche - Zur Aetiologie des Rekurrenstyphus. 567 Parsternacki’s und des Verfassers durch die Aufbewahrung der Spirochäten im Darmtrakte von Blutegeln als Zuchtversuche betrachten will. Auch die Art der Uebertragung von Mensch auf Mensch ist bis jetzt vollkommen dunkel geblieben, da, obwohl die Spirillen hier und da im Harne und Schweiße der Kranken nachgewiesen wurden, wegen Mangels gelungener Reinkulturen der Nachweis nicht erbracht werden konnte. Die verhältnismäßig starke Rückfalltyphusepidemie, mit der ich seit Monaten an der türkisch-bosnischen Grenze zu kämpfen habe, bot mir reichhaltiges Material zum Studium der Epidemiologie der Krank- heit und der Obermayer'schen Spirillen. Wenn je der Ausdruck Proletarierkrankheit richtig angebracht wurde, so ist dies für Rückfalltyphus in diesen Gegenden berechtigt, denn die Einwohner des verseuchten Grenzgebietes, in dem ich meine Studien zu machen Gelegenheit hatte, rangieren vermöge ihrer Sitten, Ernährung, Wohnungsverhältnisse, Reinlichkeit etc. direkt unter das schlimmste Proletariat.e. Auf 1000 mir bekannte Fälle entfallen nur 2 ‚ auf besser situierte Menschen, und auch bei denen ist der sehr enge Kontakt mit den schmutzigen, schlecht sich ernährenden, menschen- unwürdig wohnenden Landeinwohnern direkt nachweisbar. Was die Züchtung der Rekurrensspirillen anbelangt, so kann ich angegeben, dal meine diesbezüglichen Versuche, die ich in den Jahren 1889 und 1890 in Stolac in der Herzegovina, und nun seit 7 Monaten hierorts, mit den verschiedensten Nährböden, bei Berücksichtigung ver- schiedener Temperaturen Aöro- und Anaörobiose anstellte, fielen negativ aus. — Es gelangten zur Anwendung außer den gewöhnlichen Nähr- böden Serum von Pferden, Katzen, Hunden, Ziegen, Kaninchen und Monschen, Alkalialbuminat, Schnitte vom Gehirn des Rindes, des Hundes und Esels, Nährböden mit Zusatz von Somaton, Nährstoff Heyden etc. In Kapillarröhrchen aufgesogenes Blut bei niedrigen Temperaturen (8—10° C) beherbergt lebende und bewegliche Spirillen 4—6 Tage; bei Temperaturen von + 33° C hört die Beweglichkeit nach 4—10 Stunden auf. — Mischt man Blut Rekurrenskranker mit Serum von Personen, welche vor ca. 5—6 Wochen typische Anfälle durchgemacht haben und im Blute keine Spirillen mehr besitzen, so hört die Beweglichkeit der Spirillen unter dem Mikroskop nach 1—2 Stunden auf. Die Spirillen strecken sich, ohne sich zusammenzuballen. — Es scheint somit das Serum derjenigen Personen, welche Rekurrens überstanden haben, eine baktericide Kraft zu besitzen. Indessen dauert diese Kraft nicht lange, denn ich habe sie im Blutserum von Personen, welche vor 4—6 Monaten typische Anfälle mit massenhaften Spirillen durchgemacht haben, bereits gänzlich vermißt und Recidive der Krankheit nach 4 Monaten sind mir mehrmals vorgekommen. Was nun die Art der Uebertragung der Krankheit von Mensch auf Mensch anbelangt, so glaube ich, mit Recht die gewöhnlichen Wanzen als die direkten Ueberträger der Spirillen bezeichnen zu müssen. Wer die Beschaffenheit der bosnischen Wohnungen und den gänz- lich mangelnden Reinlichkeitssinn der Einwohner kennt, dem muß auf- gefallen sein, wie viele Millionen Wanzen jedes bosnische Haus be- herbergt. — Die Einwohner sind zu indolent, irgendwelche Schritte zur Vertilgung dieses Ungeziefers zu thun. — Man findet diese stinkenden Tierchen in den reichsten und ärmsten Häusern; der duldsame Moha- medaner bringt Wanzen oder Läuse nicht um und begnügt sich, auf 568 Justin Karlinski, das kriechende Individuum aufmerksam gemacht, höchstens mit der schonungsvollen Entfernung derselben aus seiner Umgebung. Bei meinem regen Verkehre mit dem Volke habe ich wiederholt die Aeuße- rung gehört, daß der Besitz von Läusen und Wanzen ein Zeichen der Gesundheit ist und zur Erhaltung derselben beiträgt, da die von Gott geschaffenen Tierchen „die ungesunden und schädlichen Säfte aus dem Blute entziehen“. Die Haut eines Einheimischen und namentlich der Kinder erscheint durch Läuse- und Wanzenbisse wie tätowiert. Man findet oft Stellen, wo auf einem Quadratcentimeter der Haut Hunderte von Wanzen- oder Läuse- und auch Flohbißspuren vor- handen sind. Nächtigt man in einem solchen bosnischen Massenquartiere, so kann man in der schlaflosen Nacht die interessantesten Studien, was Kratzen bei Groß und Klein, Jung und Alt schlafend oder wachend betrifft, anstellen. Durch die übermäßige Wärme und Ansammlung von vielen Personen angelockt, fallen die dicken Wanzen von den Wänden und der Zimmerdecke auf am meistens nur aus gestampftem Lehm be- stehenden Boden liegenden Hausbewohner und wandern beim Tages- anbruch in die unzähligen Ritze der meistenteils aus Flechtwerk her- gestellten Wände wieder zurück. Diese Verhältnisse kennend, unternahm ich Untersuchungen über den Darminhalt der Wanzen, Flöhe und Läuse im allgemeinen, und der- selben Tiere aus verseuchten Häusern insbesondere. Zerdrückt man eine vollgesogene dunkelbraune Wanze und unter- sucht den ausgepreßten blutigen Darminhalt, so findet man die deut- lichen, menschlichen roten und weißen Blutkörperchen wohlerhalten darin, darunter eine zahlreiche Menge Körperchen, welche der Chitin- hülle des Insekts entsprechen, eine Detritusmasse, welche sich mit allen Farbstoffen und auch Karmin gut färbt und eine verhältnismäßig äußerst geringe Anzahl von Stäbchen und Kokken enthält. Im großen ‘und ganzen ist es mir gelungen, 4 Arten von Bakterien auf den gebräuchlichen Nährböden herauszuzüchten, von denen 2 den Bacillen und 2 den Kokken entsprechen, und gar nicht pathogen sind. Läßt man eine vollgesogene Wanze mehrere Tage hungern, so ver- blaßt sie; der ausgepreßte Darminhalt derselben beherbergt Blutkörper- chen, deren Konturen bereits verwischt sind, und je länger dieselben im Darmtraktus einer Wanze verbleiben, desto rascher gehen sie dem Zerfalle entgegen. Der Nachweis der Teichmann'’schen Häminkrystalle gelingt in dem blutig tingierten Darminhalte sehr leicht, und oft habe ich Häminkrystalle aus dem beinahe blassen, ausgepreßten Wanzensafte von Exemplaren, welche durch 30—-40 Tage gehungert haben und beinahe wie todt aussahen, herstellen können. Die Wanze ist bekanntlich sehr langlebig und gegen Hunger äußerst resistent. Ich habe Exemplare gesehen, die 2!/,—5 Jahre hinter Bilder- rahmen gesteckt haben und in einer Verpackung waren, wo jedweder Kontakt mit Menschenblut ausgeschlossen war; dieselben saugten sich, auf den Menschenkörper gesetzt, an und erholten sich sehr rasch. Im Darminhalte einer Laus geht die Destruktion der menschlichen Blutkörperchen ungemein rasch vor sich, denn bereits nach einem Tage findet man nur eine schwer definierbare Detritusmasse mit äußerst spär- lichen Bakterien. Im Darmtrakte des Flohes erhält sich das menschliche Blutkörperchen 3—4 Tage vollkommen; der Darminhalt beherbergt ziemlich zahlreiche und verschiedenartige Bakterien, die sich jedoch gut kultivieren lassen. A eK re lg 4 Zur Aetiologie des Rekurrenstyphus. 569 Zu meiner großen Ueberraschung fand ich in dem Darmtrakte der | Wanzen, welche ich in Häusern, in denen sich mehrere Rekurrenskranke _ befanden, sammelte, bei mikroskopischer Untersuchung neben den wohl- erhaltenen weißen und roten Blutkörperchen zahlreiche, sowohlin Ballen gerollte, als auch langausgestreckte Spirillen. Die Untersuchung im hängenden Tropfen ergab, daß diese Spirillen lebhaft beweglich sind, und nachdem ich bei meinen zahlreichen Untersuchungen diese Spirillen nur im Darminhalte der Wanze, die aus der unmittelbaren Umgebung von Erkrankten stammen, vorgefunden und dieselben stets im Darm- inhalte von Wanzen, welche aus unverseuchten Häusern stammten, ver- mißt habe, so muß ich annehmen, dal die dort aufgefundenen Spirillen aus dem menschlichen Blute von Erkrankten stammten, um so mehr, als sie den echten Spirillen an Größe und Beweglichkeit entsprachen und sich nicht kultivieren ließen. Merkwürdigerweise vermißte ich diese Spirillen im Darminhalte von Läusen und Flöhen, welche ich in der Umgebung von Rekurrenskranken ' gesammelt habe. Ich habe bis jetzt 120 einzelne Individuen von Wanzen, welche aus Häusern, in welchen sich Rekurrenskranke befanden, in den ver- schiedensten Ortschaften meines verseuchten Gebietes stammten, unter- sucht und habe ich nie jene Spirillen vermißt. Ich habe wohlerhaltene und lebende Exemplare in Holzschachteln aufbewahrt, die Tierchen hungern lassen und in Abschnitten von 5 zu 5 Tagen habe ich die Exemplare zerquetscht und die Darmuntersuchung vorgenommen. | Im Darminhalte der Wanzen halten sich die Spirillen bis zu 30 Tagen beweglich; in späterer Zeit habe ich nur äußerst spärliche Exemplare, die sich schlecht färbten, ein gekörntes Aussehen darboten - und gänzlich unbeweglich waren, vorgefunden. | Ich nehme somit an, daß der Wanze die Rolle des Ueberträgers der Krankheit zukommt. Dieselbe saugt sich mit dem spirillenhaltigen Blute an, fällt gelegentlich auf ein gesundes Individuum, verletzt das- selbe durch seine Freßwerkzeuge, lagert seinen Darminhalt in der Nähe der Wunde, wodurch der Eintritt der Spirochäten in den menschlichen Körper äußerst leicht möglich ist. Durch die landesübliche Desinfektion, welche in Weißen der Wohn- räume, Waschen der Fußböden (wenn welche existieren), Vernichten des Bettstrohes, Waschen der Wäsche und Kleider besteht, werden die be- stehenden Wanzen absolut nicht völlig vernichtet, wodurch ich mir die Erfolglosigkeit dieser Maßregel und Wiederausbrüche der Krankheit in einem und demselben Hause erkläre. Die äußerst wirksame Art und Weise der Vertilgung von Wanzen, wie ich sie in Kleinasien gesehen habe, wo in den Zimmern Kohlen- becken aufgestellt werden und pulverisierte Paprika verbrannt wird, ist in den hiesigen Gegenden undurchführbar, da die Häuser meistens aus Flechtwerk bestehen und die unzähligen Ritzen und Fugen dem Luft- zuge den äußersten Spielraum lassen, während in den kleinasiatischen gemauerten Häusern eine Dichtung gegen den Luftzug möglich ist, wobei der Rauch von der verbrannten Paprika in alle Ritzen und Fugen eindringen kann. Ich habe früher erwähnt, daß trotz der stark herrschenden Epidemie lediglich nur die niedrige Klasse der Einwohner von der Krankheit er- griffen wurde und der Umstand, daß weder ich noch andere Personen, welche dienstlich genötigt waren, in solchen verwanzten Lokalen zu 570 H. T. Marshall und J. Morgenroth, nächtigen, infiziert wurden, erkläre ich mir nur auf diese Weise, daß sowohl ich als auch die mich begleitenden Gendarmen vom Irsekten- pulver den ausgiebigsten Gebrauch machten und sowohl die Kleider wie die Haut mit diesem Mittel einrieben und andererseits nur immer in den Vorräumen der Häuser, bei einem improvisierten Feuer, wo sonst niemand zu schlafen pflegt, die Nacht zubrachten. Es wäre äußerst interessant, wenn diese meine Beobachtungen auch in anderen Gegenden, wo Rückfalltyphus herrscht, durch weitere Unter- suchungen die Bestätigung finden möchten. Cajnica in Bosnien, Ostern 1902. Nachdruck verboten. Ucber Differenzierung von Komplementen durch ein Partialantikomplement, [Aus dem kgl. Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M. (Direktor Geh.R. Prof. Dr. P. Ehrlich).| Von H. T. Marshall, M.D., und Dr. J. Morgenroth, Fellow of the Rockefeller Institute Mitglied des Instituts. of medical Research. | Die Frage, ob in dem Serum einer und derselben Species eine Vielheit von Komplementen oder nur ein einziges Komplement ent- halten sei, erscheint uns durch die Beobachtungen von Ehrlich und Morgenroth!), ferner von Wassermann?) Wechsberg?), Wendelstadt‘) und durch die unlängst veröffentlichten abschließen- den Versuche, welche Ehrlich und Sachs’) in dieser Richtung an- gestellt haben, prinzipiell mit aller Sicherheit im Sinne der plura- listischen Auffassung entschieden. Wir wollen es trotzdem nicht unterlassen, in möglichster Kürze eine Versuchsreihe mitzuteilen, die für einen Einzelfall einen Beweis der Vielheit der Komplemente dar- stellt, nicht um lediglich die durchaus genügende Zahl der Argumente noch um ein weiteres zu vermehren, sondern um eine bis jetzt nicht angewandte Methode in die bereits vorhandene Beweiskette einzufügen. Es sind Schwierigkeiten rein technischer Natur, die es bisher un- möglich machten, die rationellste und einfachste Differenzierungsmethode, nämlich mit Hilfe von Antikomplementen, für diese Frage in Anwendung zu bringen. Bekanntlich ist es ein leichtes, durch Immunisierung mit komplement- oder komplementoidhaltigem Serum stark wirkende Anti- komplemente zu erhalten. Aber ganz entsprechend dieser Darstellungs- weise enthält eben ein solches Serum in der Regel die Summe aller den ursprünglich eingeführten Komplementen entsprechenden Anti- 1) Ehrlich u. Morgenroth, Berl. klin. Wochenschr. 1899. No. 22. 1900. No. 31. 1908...No.. 21 u. 22, 2) Wassermann, Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXXVIl. 1901. 3) Wechsberg, Sitzung d. k. k. Ges. d. Aerzte in Wien. (Wien. klin. Wochen- schrift. 1901. No. 48.) 4) Wendelstadt, Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXXI. No. 10. 5) Ehrlich u. Sachs, Ueber die Vielheit der Komplemente des Serums. (Berl. klin. Wochenschr. 1902. No. 14 u. 15.) Ueber Differenzierung von Komplementen durch ein Partialantikomplement. 571 komplemente!). Ein derartiges Serum eignet sich daher nicht für eine Trennung von Komplementen, wenigstens nicht in den bis jetzt unter- suchten Fällen, in denen ein Partialantikomplement, welches nur gegen ein einzelnes Komplement gerichtet war, nicht beobachtet wurde. Wir benutzten deshalb gern einen günstigen Zufall, der sich uns durch ein normales Antikomplement von den gewünschten Eigenschaften bot, zu dem Versuch, in einem und demselben Serum durch elektive Antikomplementbindung die Verschiedenheit zweier Komplemente?) zu demonstrieren, die durch andere Mittel bisher nicht nachgewiesen wurde. Eine Aseitesflüssigkeit von einem Fall von Lebereirrhose, die wir der Freundlichkeit des Herrn Direktor Dr. Gnyrim verdanken, besaß für einen bestimmten Fall sehr ausgeprägte antihämolytische Wirkung. Daß diese Wirkung auf der Anwesenheit eines Antikomplements und nicht eines Antiimmunkörpers beruhte, stellten wir zunächst durch einen Versuch fest, der ergab, daß die Asecitesflüssigkeit keinen nennenswerten Einfluß auf die Verankerung der in Betracht kommenden Immunkörper an die roten Blutkörperchen ausübte. Das Serum, dessen Komplemente untersucht wurden, war Meer- schweinchenserum, das zwei durch Immunisierung erzeugte Amboceptoren aktivierte. Diese Amboceptoren waren enthalten in dem inaktiven Serum eines mit Ochsenblut behandelten Kaninchens (A) und in dem inaktiven Serum einer mit Hammelblut vorbehandelten Ziege (B). Dementsprechend wurde für Fall A Ochsenblut, für Fall B Hammelblut verwendet. Die inaktive Acitesflüssigkeit löst diese Blutarten auch nicht nach Zusatz von Meerschweinchenserum. Es wurden nun zunächst Ochsenblutkörperchen mit dem spezifischen Amboceptor gesättigt, indem je 1 ccm einer 5-proz. Aufschwemmung mit 0,01 cem des Immunkörpers A versetzt wurden, etwa dem Zehn- fachen derjenigen Menge, welche bei reichlichem Komplementzusatz (0,1 eem Meerschweinchenserum) völlige Lösung herbeiführte. Nach einstündigem Verweilen im Brutschrank unter häufigem Umschütteln wurde centrifugiert, die Flüssigkeit abgegossen und die mit Amboceptor beladenen Blutkörperchen wurden in Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Ganz entsprechend wurden Hammelblutkörperchen mit dem inaktiven Serum B behandelt, 0,2 ccm für 1,0 der 5-proz. Aufschwemmung. Auf Zusatz von Meerschweinchenserum zu diesen Blutkörperchen erfolgte im Brutschrank rasch Hämolyse und zwar waren zur vollständig klaren Lösung von 1 cem der Aufschwemmung in beiden Fällen 0,008 cem Meerschweinchenserum nötig, während 0,0065 cem keine vollständige Lösung, 0,002 nur mehr geringe Lösung herbeiführte. Für die Anschau- lichkeit des Versuches war es besonders erwünscht, daß zufällig die kompletierenden Mengen in beiden Fällen identisch waren. Nun wurden parallel für die beiden Fälle zwei Versuchsreihen an- gestellt, indem wechselnde Mengen des Meerschweinchenserums zuerst mit je 0,4 ccm der bei 56° inaktivierten Ascitesflüssigkeit versetzt wurden und die Gemische eine halbe Stunde bei Zimmertemperatur stehen blieben, nach welcher Zeit die Bindung vollständig verlaufen | 1) Ehrlich u. Morgenroth, II. Ueber Antikomplemente. (Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 31.) 2) Wir werden im folgenden der Einfachheit halber stets nur von zwei Komple- menten sprechen, bemerken aber, daß hierunter wahrscheinlich zwei Gruppen von - Komplementen zu verstehen sind, welche sich aus einer Schar vorläufig nicht weiter _ analysierbarer Einzelkomplemente zusammensetzen. 3 af TR er ” 572 Marshall u. Morgenro th, Differenzierung von Komplementen etc. 2 war !). Dann wurden die mit den Amboceptoren beladenen Blutkörper- chen zugefügt. Das Resultat der beiden Versuchsreihen giebt folgende Tabelle wieder. FallA (Ochsenblut + Amboceptor). Meerschweinchenserum allein Meerschweinchenserum -+- 0,4 Ascitesflüssigkeit 0,008 komplette Lösung 0,1 fast komplett 0,0065 Schleier 0,08 fast komplett 0,005 stark 0,065 ziemliche Lösung 0,0035 ziemliche Lösung 0,05 mäßig wenig 0,003 ziemliche Lösung 0,035 sehr wenig 0,0025 mäßige Lösung 0,03. Bpur 0,025 Spur 0,020 FallB (Hammelblut + Amboceptor). Meerschweinchenserum allein Meerschweinchenserum + 0,4 Ascitesflüssigkeit 0,008 komplette Lösung 0,008 komplett j 0,0065 fast komplett 0,0065 fast komplett | 0,005 - fast komplett 0,005 fast komplett j 0,0035 stark 0,0035 stark. Es schützt also in Fall A das Antikomplement vollkommen gegen das 21/,-fache der komplett lösenden Menge des Komplements, während die zur kompletten Lösung nötige Serummenge um mehr als das 12-fache steigt. In Fall B dagegen bleibt die vollkommen lösende Dosis des Meerschweinchenserums unverändert und die Reihe verläuft, als ob ein Zusatz von Antikomplement nicht erfolgt wäre. Es ergeben also diese öfter wiederholten Versuche, daß die Ascites- flüssigkeit ein Antikomplement enthält?), welches in dasjenige Komple- ment eingreift, durch welches der Amboceptor A aktiviert wird, während für das Komplement des Amboceptors B die Antikomplemente fehlen. Man ist hiernach berechtigt, in dem Meerschweinchen- serum mindestens zwei Komplemente mit verschiedenen haptophoren Gruppen zu differenzieren. Man darf hoffen, bei fortgesetzter Untersuchung normaler Körper- flüssigkeiten noch zahlreiche günstige Fälle zu finden, welche Diffe- renzierungen in der hier vorgezeichneten Art ermöglichen werden. Denn, so groß auch schon im normalen Serum die Komplikation der vor- handenen Haptine, wie Amboceptoren, Komplemente, Komplementoide, Antiamboceptoren und Antikomplemente ist, so liegen die Verhältnisse hier doch noch weit einfacher wie im Serum vorbehandelter Tiere, in dem noch eine unzählbare Reihe primärer, und, durch innere Regulations- vorgänge, sekundärer Reaktionsprodukte hinzukommt. 1) Die Vereinigung von Komplementen und Antikomplementen ist analog dem Verhalten gewisser Toxine und Antitoxine eine Funktion der Zeit, und es mußte dieser allgemeinen Erfahrung auch hier durch eine genügend lange Digestion der Mischung Rechnung getragen werden. 2) Ueber die Natur der Antikomplemente haben sich Ehrlich und Morgen- roth (Berl. klin. Wochenschr. 1901. No. 10) ausführlich ausgesprochen und sind zu der Annahme gelangt, daß dieselben dadurch entstünden, daß fremdartige Komplemente an die komplementophile Gruppe gewisser Zellreceptoren herantreten. Die Antikomple- mente sind nach dieser Darlegung nichts anderes als abgestoßene Amboceptoren, deren komplementophilen Gruppen nur eine höhere Avidität zukommt, als dies gewöhn- lich der Fall ist. Es ist daher verwunderlich, daß Gruber eine solche Auffassung, die als eine natürliche Konsequenz der Receptorentheorie erkannt und ausgesprochen ist, neun Monate später (Sitzg. der k. k. Ges. der Aerzte in Wien, Wien. klin. Wochen- schr. 1901. No. 51) als einen ganz neuen Einwand gegen eben diese Theorie vorbringt. ur F Odhner, Fasciolopsis Buski (Lank.), ein bisher wenig bekannter Parasit etc. 573 Nachdruck verboten. Faseiolopsis Buski (Lank.) [= Distomum crassum Cobb.], ein bisher wenig bekannter Parasit des Menschen in Ostasien. Von Theodor Odhner, Upsala. Mit 1 Tafel. Den reichen Sammlungen des Kopenhagener Zoologischen Universi- tätsmuseums, aus denen ich dank der Liberalität des Museumsinspektors Dr. G. M. R. Levinsen mehrere interessante Trematodenarten zur Untersuchung bekommen habe, entstammt auch der im Folgenden näher zu beschreibende Menschenparasit. Zwei Gläser, in denen Alkoholmaterial eines großen Distomum mit der Etikette „aus einem 13-jähr. Knaben, Bangkok, Dr. Deuntzer leg.“, aufbewahrt war, erweckten meine besondere Aufmerksamkeit bei einem gelegentlichen Durchmustern der Sammlung, und eine nähere Unter- suchung der betreffenden Objekte hat gezeigt, daß das nur wenige Male gefundene und bis jetzt äußerst lückenhaft bekannte Distomum cerassum Cobb. oder Dist. Buski Lank., wie die Art richtiger zu nennen ist, un- zweifelhaft vorlag. Die spezifische Selbständigkeit dieser alten Art gegen- über dem später in genauerer Weise beschriebenen Dist. Rathouisi Poir.!), die von Leuckart in der zweiten Auflage seines großen Parasiten- werkes (Bd. I. Abt. II. p. 328 ff.) stark angezweifelt wurde, konnte weiter außer Zweifel gestellt werden, wenn auch freilich beide Formen noch immer als nächstverwandt zu bezeichnen sind. Endlich konnte auch die Stellung, die Looss?) in seinem Systeme der Art auf Grund der älteren Angaben vermutungsweise angewiesen hatte, insofern bestätigt werden, als sie sich als Repräsentant eines mit der Gattung Fasciola Lin. sens. striet, deren typischer Vertreter _ bekanntlich der gemeine große Leberegel ist, sehr nahe verwandten, aber _ davon doch generisch gut zu trennenden Organisationstypus herausstellt. Hierdurch konnte der von Looss ohne Ernennung eines typischen - Vertreters provisorisch für die vorliegende Art und das ebenfalls sehr | wenig bekannte Dist. Jacksoni Cobb. aus dem Darme des Elefanten etablierten Gattung Fasciolopsis ein fester Grund gegeben werden. Zwar hat es sich im Laufe der Untersuchung herausgestellt, daß der | Grad der Verwandtschaft zwischen beiden Gattungen nicht so groß ist, wie es Looss wohl anzunehmen scheint, indem einige ältere, von ihm | stark angezweifelte Angaben, die gegen eine sehr nahe Verwandtschaft sprachen, sich als durchaus richtig erwiesen haben. Immerhin aber | lassen sie sich auch jetzt noch beide zu einer wohl geschlossenen Unter- familie Fasciolinae zusammenführen. | Irgendwelche näheren Notizen über den Fund sind, wie mir Dr. Le - vinsen gütigst mitteilt, von dem Sammler, der in Bangkok als Arzt 1 praktiziert, beim Einsenden der Objekte nicht geliefert worden. Der - Umstand, daß die beiden Gläser eine verschiedene Datierung tragen (20. Dezember 1890 resp. 1. Januar 1891), beweist indessen, daß die . 1) Poirier, Note sur une nouvelle esp&ce de Distome, parasite de ’homme, le Distomum Rathouisi. (Arch. zool. exper. gener. Ser. II. T. V. 1887. p. 203. Tab. XILI.) 2) Weitere Beiträge zur Kenntnis der Trematodenfauna Aegyptens. (Zool. Jahrb. Abt. f. Syst. etc. Bd. XII. 1899. p. 557.) 574 Theodor Odhner, Würmer nicht bei einer Obduktion gefunden wurden, sondern auf natür- lichem Wege abgegangen sind. Ich beginne mit der genauen Schilderung unseres Wurmes, soweit der nicht besonders ausgezeichnete Konservierungszustand eine Unter- suchung erlaubte, und werde erst später im Lichte der gewonnenen Kenntnis seines Baues die älteren litterarischen Angaben näher ins Auge fassen. Es waren im ganzen 16 Exemplare (9 das erste Mal, 7 das zweite Mal abgegangen) vorhanden, die in der Länge zwischen 24 und 37 mm schwanken. Die aus der Messung sämtlicher Individuen gewonnene Durchschnittslänge beträgt ca. 30 mm. Die äußersten Grenzen der Maximalbreite sind 5,5 und 12 mm mit 9 mm als Durchschnittszahl. Im allgemeinen kann gesagt werden, daß bei der Mehrzahl der Exem- plare, welche die zungenförmige Körpergestalt des abgebildeten Tieres aufwies, die in der Mittelpartie des Hinterkörpers befindliche Maximal- breite ungefähr einem Drittel der Körperlänge gleichkommt. Einige Exemplare, die in einem mehr ausgestreckten Kontraktionszustande ge- tötet waren, zeigten eine ausgezogen lanzettförmige Leibesgestalt, wobei die größte Breite des dann übrigens ziemlich gleichbreiten Hinterkörpers nur ca. ein Viertel der Körperlänge betrug. Die Halspartie ist nicht wie bei den Arten der Gattung Fasciola als „Kopfzapfen“ vom Hinter- körper abgesetzt, sondern die Seitenränder konvergieren von der Gegend der Maximalbreite aus unter schwacher und gleichmäßiger Verjüngung des Körpers nach den beiden abgerundeten Körperenden zu. Diese Verjüngung ist aber nach vorn bedeutend stärker als nach hinten. Die Abplattung in dorsoventraler Richtung ist, wie bei den Fasciola-Arten, nicht unbeträchtlich, aber doch eher ein wenig kleiner als bei diesen Formen. Der größte Dickendurchmesser in der Medianebene des Hinterkörpers beträgt beinahe 1,5 mm, der nach dem ziemlich scharf auslaufenden Körperrande zu allmählich abnimmt. Die Bauchfläche des Wurmes ist völlig flach, wogegen die Rückenfläche schwach ge- wölbt ist. Von den beiden Saugnäpfen ist der vordere viel kleiner als der andere. Er befindet sich völlig auf der Bauchseite des äußersten Vorder- endes und hat in sagittaler und transversaler Richtung einen Durch- messer von ca. 0,5 mm, während seine Tiefe nur ca. 0,335 mm beträgt. Seine Mündung ist rundlich. Das Centrum der kreisrunden Oeffnung des Bauchsaugnapfes liegt in einer Entfernung von 1,8—2 mm vom Vorderende. Dieser ist sehr kräftig entwickelt und stellt einen kugeligen Hohlkörper mit dicken, sehr muskulösen Wänden dar, von denen indessen die hintere zu einer unmittelbar unter der Bauchfläche gelege- nen, nach hinten gerichteten, sackförmigen Fortsetzung des Saugnapfes ausgebuchtet worden ist. Auf Querschnitten zeigt dieser Sack ein drei- eckiges Lumen, etwa wie beim Oesophagus der Nematoden, mit ventral- wärts gerichteter Spitze. Der Abstand vom Vorderrande des Saug- napfes bis zur Spitze des Sackes beträgt 2—2,5 'mm, während der kugelige Teil einen sagittalen und transversalen Durchmesser von 1,6 bis 2 mm aufweist. Die Muskelschichten der Saugnäpfe sind die ge- wöhnlichen. Im Mundsaugnapfe sind indessen die äquatorialen Fasern, und !zwar besonders das innere System derselben, recht kräftig aus- gebildet, während sie im Bauchsaugnapfe zu Gunsten der Radiärfasern mehr in den Hintergrund treten. Diese Verschiedenheiten in der Mus- kulatur stehen offenbar in direkter Beziehung zu einer verschiedenen ee N TR ET = & JA Faseiolopsis Buski (Lank.), ein bisher wenig bekannter Parasit des Menschen etc. 575 Funktion der Saugnäpfe, indem der gewaltige Bauchsaugnapf natürlich das Haftorgan des Wurmes darstellt, bei welcher Thätigkeit die Radiär- muskeln vor allem in Anspruch genommen werden, während der kleine Mundnapf hauptsächlich beim Oeffnen und Schließen der Mündung des Verdauungstraktus eine Rolle spielt. Die äußere Cuticula unserer Art entbehrt in Uebereinstimmung mit sämtlichen älteren Angaben jeder Art von Bewaffnung und unter- scheidet sich also in diesem Punkte von dem großen Leberegel und seinen nächsten Verwandten. Der Hautmuskelschlauch setzt sich aus den gewöhnlichen 3 Schichten zusammen und erreicht eine stärkere Ausbildung als bei Fasciola hepatica, besonders was die cirkulär verlaufenden Fasern be- trifft. Auch Parenchymmuskeln sind reichlich vorhanden, und ihre In- sertionsstellen an den Flächen des Körpers treten bei ganzen, auf- gehellten Exemplaren sehr deutlich hervor. Das Einpumpen der Nahrung in den Verdauungstraktus be- sorgt ein kräftig entwickelter, kugeliger Pharynx von ca. 0,7 mm Durch- messer, der somit den Mundsaugnapf an Größe übertrifft. Die Ver- bindung zwischen letzterem und dem Pharynx wird durch einen kurzen Präpharynx von 0,25 mm Länge hergestellt. Hinter dem Mundsaugnapfe und ihm dicht angelagert findet sich nun ein den Präpharynx um- schließender mächtiger Sphinkter, dessen hinterer Rand nur durch einen schmalen Zwischenraum vom Vorderende des Pharynx entfernt ist. Diese Bildung, die schon an ganzen, aufgehellten Exemplaren deutlich zu er- kennen ist und zu der ich in der Litteratur kein Gegenstück habe finden können, habe ich an den Figuren als Präpharyngealsphinkter bezeichnet. Die ihn zusammensetzenden Ringmuskelfasern sind so ge- ordnet, daß der ganze Sphinkter aus mehreren Sphinktern sozusagen zweiter Ordnung aufgebaut wird, die mit immer wachsender Weite ein- ander umgeben und durch parenchymatöse Zwischenschichten gesondert gehalten sind. Der ganze Sphinkter hat eine Mächtigkeit von 0,25 mm. Der Oesophagus, wenn man überhaupt von einem solchen reden darf, ist ungemein kurz — kaum länger als der Präpharynx und schräg nach hinten und oben verlaufend. Die Darmgabelung erfolgt nämlich ganz kurz hinter dem Pharynx ungefähr im Niveau mit dem Vorderrande des Bauchsaugnapfes. Die beiden ziemlich feinkalibrigen Schenkel ziehen sogleich breit auseinandergehend nach hinten zu, passieren den Bauchsaugnapf vorbei an seiner Außenseite und durchziehen dann ohne jede Verzweigung den ganzen Körper bis ins äußerste Hinterende hinaus. Sie folgen dabei an beiden Seiten ungefähr der inneren Grenze der von den Dotterstocksfollikeln eingenommenen Seitenfelder des Hinter- leibes, zeigen indessen in ihrem Verlaufe 2 Paar stärkere, konstante und charakteristische Einbuchtungen medianwärts, eine vor dem vorderen Hoden in der Höhe des Schalendrüsenkomplexes und eine zwischen den beiden Hoden, wie aus der Abbildung ersichtlich ist. Auch hinter dem hinteren Hoden machen die Darmschenkel eine kleine Bucht median- wärts. Wie gewöhnlich, ist ihre Lage mehr rücken- als bauchständig. Eine Darmmuskulatur mit einer stärkeren inneren Ringfaser- und einer schwächeren äußeren Längsfaserschicht ist vorhanden. Was das Exkretionssystem betrifft, so habe ich dasselbe an dem vorhandenen ungenügend konservierten Materiale nicht genauer zu ° verfolgen versucht. Der Porus liegt am Hinterende, und zwar rücken- ständig, wie gewöhnlich. In der Medianlinie des Hinterkörpers zieht 576 Theodor Odhner, dann der Hauptstamm der Sammelblase nach vorn und verzweigt sich reichlich nach allen Körperteilen. Es scheinen somit Verhältnisse vor- zuliegen, die sich den entsprechenden bei Fasciola hepatica anschließen. Auch die Geschlechtsorgane schließen sich im großen und ganzen dem Aufbau dieses Organsystemes beim Leberegel an, wenn auch freilich unsere Art in einem Punkte — betreffs der männlichen Endteile — mehr abweichende und teilweise sogar sehr eigentümliche Verhältnisse aufzuweisen hat. Fangen wir mit den männlichen an. Die beiden Hoden liegen als zwei reichlich verästelte oder — wenn man sagen will — wiederholt fingerförmig gespaltene Körper hinter einander im Mittelfelde der hinteren Körperhälfte, das sie mit Ausnahme der allerhintersten 2.5—3 mm völlig ausfüllen. Bei einem Vergleich mit den bekanntlich ebenfalls stark verästelten Hoden des großen Leber- egels fallen indessen mehrere Differenzen ins Auge. So nehmen die Verzweigungen eines jeden Hodens bei unserer Art ein ziemlich iso- diametrisches Feld in Anspruch, während die Hoden von Fasciola he- patica stark nach der Länge ausgezogen sind. Man kann weiter betreffs der Hoden unserer Art nicht wie bei jener Form irgendwelche keim- produzierende, mehr aufgetriebene Endschläuche von mehr feinkalibrigen Sammelgängen unterscheiden, sondern der Fasciolopsis-Hoden kann als aus der Spaltung eines kompakten Hodenkörpers ohne weiteres ent- standen gedacht werden, wobei alle seine Teile in demselben Maße keimbereitend sind und das Kaliber der Verästelungen vom Knoten- punkte aus, wo das Vas deferens sich inseriert, nach den Spitzen der Blindschläuche zu allmählich abnimmt. Was den Verzweigungsmodus be- trifft, so kann als konstant bezeichnet werden, daß von dem Insertions- punkt des Samenleiters zuerst zwei Hauptäste unter Bildung eines bald stumpfen, bald spitzen Winkels nach hinten und außen ziehen, um sich bald jede — in ungefähr derselben Entfernung vom Knotenpunkte des Hodens — wieder in 2 oder 3 etwas schmälere Aeste zu teilen, die sich dann weiter und weiter spalten. Beim abgebildeten Exemplare ist aus- nahmsweise der hintere Hoden schwächer entwickelt und weniger ver- ästelt als der vordere. Die Samenleiter ziehen, sich einander allmählich nähernd, in der Medianlinie nach vorn, ungefähr mitten zwischen Bauch- und Rückenfläche. In Uebereinstimmung mit dem, was Sommer für Fasciola hepatica angiebt!), finde ich auch bei meiner Form eine die Samenleiter umgebende dünne, aus Längsfasern gebildete Musecularis. Der den ganzen unpaaren Abschnitt der männlichen Ausführungs- wege umschließende Cirrusbeutel ist mit Ausnahme des allerdistalsten Abschnittes ziemlich gleichdick in seiner ganzen Länge und hat somit eine ausgezogen cylindrische Form. Seine Länge kommt einem Viertel der ganzen Körperlänge ungefähr gleich und sein Hinterende findet sich mitten zwischen dem Centrum des Bauchsaugnapfes und dem Schalen- drüsenkomplex. Sein Diekendurchmesser beträgt 0,25—0,33 mm. Er ver- läuft ungeschlängelt in der Medianlinie, zuerst mitten zwischen den Körper- flächen, später vom Bauchsaugnapfe gegen die Rückenfläche gedrängt, zuletzt vor diesem ventralwärts nach der Genitalöffnung hinziehend.: Zwei: Muskelschichten, eine innere cirkuläre und eine äußere longitudinale, setzten, wie gewöhnlich, seine Wandung zusammen. Die bei der Ver- einigung der beiden Samenleiter entstandene Samenblase zieht, in 1) Die Anatomie des Leberegels ete. (Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. XXXIV. 1880. p. 61.) Fasciolopsis Buski (Lank.), ein bisher wenig bekannter Parasit des Menschen etc. 577 schraubenähnliche Windungen gelegt, innerhalb des Cirrusbeutels nach vorn. Neben der Samenblase, und sie fast in ihrer ganzen Länge begleitend, findet sich nun aber eine eigentümliche Bildung, zu der ein Seitenstück niemals beschrieben wurde, nämlich ein langer, mit kurzen seitlichen Aussackungen versehener Blindsack, der in einer Quer- ebene unmittelbar hinter dem Hinterende des Bauchsaugnapfes vom vordersten Teile der Samenblase ausgeht und sich an ihrer dorsalen Seite nach hinten erstreckt, den Cirrusbeutel fast bis zu seinem Grunde durchziehend. Die Entfernung von der blinden Spitze dieses Sackes zum Hinterende des Cirrusbeutels beträgt nämlich kaum 0,5 mm. Wie _ erwähnt wurde, ist dieser Blindsack — und zwar besonders nach seiner Spitze zu — mit seitlichen Aussackungen oder Verzweigungen versehen, von denen einige sogar in ihrer Spitze zweigespaltet sind. Das Lumen des Blindsackes ist im allgemeinen bedeutend weiter als das der Samen- blase und, während die Wandung der letzteren, wie gewöhnlich, von einem Plattenepithel gebildet wird, ist das Epithel des Blindsackes viel höher und dadurch den Darmepithelien eher ähnlich. Der Inhalt beider Organe ist indessen derselbe, nämlich Sperma. Die Samenblase setzt sich noch ein relativ kurzes Stück (etwa 1 mm) distalwärts von der Einmündungsstelle des Blindsackes fort und, so viel ich bei dem Zu- stande des Materiales ersehen kann, stimmt dieser letztere Abschnitt in Bezug auf seine Epithelbekleidung mit dem Blindsacke und nicht mit dem übrigen Teile der Samenblase überein. Es wäre hieraus der Schluß zu ziehen, daß die Samenblase ursprünglich aus zwei verschiedenen, hinter einander gelegenen Teilen zusammengesetzt war, von denen der _ vordere aus irgendwelchem Grunde — wahrscheinlich wohl um die Kapacität des Spermabehälters zu vergrößern — zu dem in Rede stehenden Blindsacke nach hinten ausgesackt worden ist. Distalwärts von der Samenblase folgt auf der Rückenseite des Bauchsaugnapfes ein ca. 0,5 mm langer und ca. 0,08 mm weiter Ab- schnitt der männlichen Ausführungswege, der sich teils durch die von - langen, dicht stehenden Zotten bekleidete Wandung, teils durch die ganz besonders kräftig entwickelten Längsfasern seiner Muscularis aus- - zeichnet. Ich glaube, denselben den Anzeichen nach als die Pars pro- statica bezeichnen zu können, indem ich die Zotten als das fadenförmig geronnene Sekret der Prostatadrüsen auffasse. Die Drüsenzellen selbst habe ich indessen nicht auffinden können. Ein sehr feiner, aber auch _ äußerst kurzer Ductus ejaculatorius vermittelt den Uebergang von der mutmaßlichen Pars prostatica zu dem ziemlich langen Cirrus. Dieser ist mit Ausnahme seines allerproximalsten und allerdistalsten Ab- Schnittes sehr dicht mit kleinen, spitzen Stacheln bewaffnet, die eine Länge von 0,013 mm erreichen. Die Genitalöffnungen finden sich nebeneinander — der männ- liche rechts, der weibliche links — am Grunde eines flachen Genital- sinus und unmittelbar vor dem Vorderrande des Bauchsaugnapfes. Daß die äußere Mündung des Genitalsinus zugeschnürt und geschlossen _ werden kann und daß dadurch eine kontinuierliche Verbindung zwischen Cirrus und Vagina zustande kommt, wird durch den Umstand bewiesen, daß Cirrus und Pars prostatica bei einem der geschnittenen Exemplare von reifen Eiern vollgepfropft waren, was ja auf die obige Weise unter den heftigen Kontraktionen beim Abtöten der Würmer geschehen sein muß. Es bleibt nunmehr nur übrig, einen Blick auf den Aufbau der _ weiblichen Geschlechtsorgane zu werfen, die indessen in keiner Erste Abt. XXXI. Bd. 33 578 | Theodor Odhner, Hinsicht etwas von Interesse darbieten. Der Keimstock, der, wie die Hoden, reichliche Verästelungen aufweist, aber im Verhältnis zu ihnen sehr klein ist, findet sich genau in der Mitte des Tieres auf der rechten Seite der Medianlinie. Seine Zweige sind nach vorn, nach außen und nach hinten gerichtet, aber nicht medianwärts. In dieser Richtung zieht der Keimgang von ihm aus nach dem unmittelbar daneben in der Me- dianlinie gelegenen Schalendrüsenkomplex. Bald entsendet er den Laurer’schen Kanal, der in einigen kleinen Schlängelungen nach vorn zieht, um nach kurzem Verlaufe in der dorsalen Medianlinie auszu- münden. Ein Receptaculum seminis fehlt, wie ja auch bei Fasciola hepatica, vollständig. Die ungemein zahlreichen kleinen Follikel, welche die Dotterstöcke zusammensetzen, nehmen die Seitenfelder des Körpers außerhalb der Darmschenkel in Anspruch und in der Höhe des hinteren Teiles des Bauchsaugnapfes beginnend, erstrecken sie sich bis ins äußerste Hinterende hinaus, wo die Follikelgruppen beider Seiten unmittelbar zusammenstoßen. Die Follikel liegen in zwei Schichten geordnet, einer ventralen und einer dorsalen, jede sich unmittelbar unter der respektiven Körperfläche ausdehnend. Die Ausführungswege der Dotterstöcke haben, wie aus der Abbildung hervorgeht, einen völlig typischen Verlauf und treffen unter Bildung eines Dotterreservoirs am gewöhnlichen Orte mit dem Keimgange zusammen. Die Schalendrüse ist reichlich entwickelt und bildet einen rundlichen Körper, der je nach der verschiedenen Messungs- richtung einen Durchmesser von 1—1,5 mm erreicht. Von dieser Gegend aus zieht nun der Uterus unter der Bauchfläche im Miittelfelde unter vielen Windungen hauptsächlich in der Quere nach vorn. Aus der Lagerung der in ihm befindlichen Eier bekommt man an Toto- präparaten stets den Eindruck, als wenn viele Seitenzweige abgehen, was natürlich in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Am Hinterende des Bauchsaugnapfes geht er in eine stark differenzierte Vagina über, welche dieht an der linken Seite der männlichen Ausführungswege über den Saugnapf nach der Genitalöffnung hinzieht. Sie zeichnet sich besonders durch eine sehr kräftige Ringmuskulatur aus, ebenso wie durch eine mächtige, ihr Lumen begrenzende Cuticula. Die Eier finden sich, mit Abortiveiern vielfach untermischt, in reichlicher Anzahl und messen in der Länge 0,12—0,126 mm, bei einer Breite von ca. 0,077 mm. Sie ähneln in allen Hinsichten den Eiern des großen Leberegels. Gehen wir jetzt, nachdem wir den Bau unseres Wurmes geschildert, dazu über, die älteren litterarischen Angaben näher mit den mitgeteilten Thatsachen zu vergleichen. Die erste Angabe über einen Fall der jetzt beschriebenen Art findet sich bei Budd!?), der ein von Busk im Jahre 18453 im Duodenum eines in einem Londoner Hospitale gestorbenen Laskar (ostindischen Matrosen) in 14 Exemplaren aufgefundenes Disto- mum kurz erwähnt und in ziemlich einfacher Weise abbildet. Ausdrück- lich wird dabei betont, daß keine Würmer in der Leber oder Gallenblase vorhanden waren. Das Wenige, was über die fraglichen Parasiten sonst mitgeteilt wurde, paßt so völlig auf die mir vorliegende Form, daß über die Identität beider kaum ein Zweifel vorhanden sein kann. Zwar soll die Länge nach den Mitteilungen des Auffinders größer gewesen sein als bei meinen Exemplaren, indem das von mir als Maximallänge ange- führte Maß als Minimalgrenze bezeichnet und die größte Länge als 75 mm betragend bestimmt wird. Das könnte aber darauf beruhen, daß die Würmer sogleich beim Auffinden im lebenden und stark ausge- 1) Diseases of the liver. London 1852. p. 484. Fig. 20. - Fasciolopsis Buski (Lank.), ein bisher wenig bekannter Parasit des Menschen ete. 579 dehnten Zustande gemessen wurden. Dies wird um so mehr wahrschein- lich, als Cobbold!'), der später auf Grund der konservierten Exemplare desselben Fundes eine Diagnose der Art lieferte, fast genau dieselben Längenschwankungen angiebt, wie ich oben. Der charakteristische Ver- lauf der Darmschenkel ist in der Figur Budd’s in genau derselben Weise dargestellt, wie er auf meiner Abbildung wiedergegeben ist. Ebenso ist seine Angabe eines „branched uterine tube“, wenn auch unrichtig, so doch nach dem, was ich oben erwähnt habe, ebenfalls auf unsere Art hindeutend. Einen Namen erhielt indessen dieser Menschenparasit, von dem Budd somit einige Charaktere erwähnt hatte, erst einige Jahre später von Lankester, der in einem Appendix zur englischen Uebersetzung von Küchenmeister’s bekanntem Parasitenhandbuch ?) zu Ehren des Entdeckers den Wurm Distomum Buskii benennt. Cobbold liefert, wie ich schon oben erwähnte, eine sehr unge- nügende Diagnose nach Diesing’schem Muster für unsere Art, deren Namen er auf den Wunsch Busk’s in Dist. crassum geändert hatte. Er bezeichnet die Art als bisher unbeschrieben, obschon die Angaben Budd’s einer Beschreibung viel näher kommen als seine eigene magere Diagnose. Daher findet sich auch gar keine Veranlassung, den Oob- bold’schen Namen, wie es bis jetzt geschehen ist, dem älteren vorzu- ziehen, um so viel weniger als er — wenigstens nach den nomenklatori- schen Ansichten einiger Autoren, denen ich selbst indessen nicht zustimme — auf Grund des älteren Dist. crassum v. Sieb. 1837 unstatthaft ist, ob- wohl doch der letztere Name ein völliges „Nomen nudum"“ darstellt. In der ersten Auflage seines Parasitenwerkes (Bd. I. p. 586) liefert Leuckart eine ein wenig ausführlichere, von Gobbold mitgeteilte Beschreibung des Wurmes, der er auf Grund der Untersuchung eines noch immer demselben Busk schen Funde entstammenden Exemplars einige weitere eigene Angaben zufügt. Die Angaben sind alle ganz richtig — ausgenommen, daß die Hoden von Cobbold als massig bezeichnet werden — aber durchaus nicht zureichend, um ein auch nur einigermaßen vollständiges Bild von der Organisation der Art zu geben. Ein zweiter Fall des Wurmes wurde im Jahre 1875 bekannt ge- macht. Ein im Inneren von China wirkender englischer Missionar und dessen Frau wurden von einer mit heftigen, blutigen Diarrhöen ver- bundenen Wurmkrankheit befallen und dadurch gezwungen, nach Eng- land zurückzukehren. Die in ihren Entleerungen wiederholt gefundenen Würmer wurden von Cobbold°) näher untersucht und als mit den von Busk vorher gefundenen identisch erklärt. Das neue Material setzte ihn auch in den Stand, eine erneute und verbesserte Beschreibung in Wort und Bild zu liefern, die — ungeachtet mehrerer Unrichtig- keiten und sehr unglücklicher Deutungen — doch die von mir geschil- derte Form recht wohl erkennen läßt. Es soll indessen nur ein Hoden vorhanden sein, der andere wird als Keimstock gedeutet. Der wirkliche Keimstock heißt „wahrscheinlich Schalendrüse“ und die richtige Schalen- drüse wird als Receptaculum seminis in Anspruch genommen. Die der 1) Synopsis of the Distomidae. (Proceed. Linn. Soc, Vol. V. 1860. p. 5 (Dist. crassum). 2) Manual of parasites. London 1857. Appendix B. p. 437. 3) On the supposed rarity, etc.... of the large human Fluke. (Journ. Linn. Soc. Zool. Vol. XII. 1875. p. 285.) 38* 580 Odhner, Fasciolopsis Buski (Lank.), ein bisher wenig bekannter Parasit etc. Beschreibung folgenden Ausführungen über die systematische Stellung der Art können übergangen werden, ebenso wie die durchaus unbe- Vermutungen, die über die Infektionsweise ausgesprochen werden. In der zweiten Auflage seiner „Menschlichen Parasiten“ stellt Leuckart die hier oben kurz erwähnten litterarischen Angaben zu- sammen, bezeichnet dabei aber das von Poirier!) bekannt gemachte, einer Chinesin entstammende Dist. Rathouisi als wahrscheinlich dieselbe Art repräsentierend. Dies hat sich nun aber nicht bestätigt. Sind auch einerseits beide Arten deutlich näher mit einander als mit irgend welchen anderen Formen verwandt, so sind doch die nicht nur spezi- fisch, sondern vielleicht auch generisch trennenden Merkmale so zahl- reich und ins Auge fallend, daß sie nicht ausführlicher auseinander- gesetzt zu werden brauchen. Der Grad der Verwandtschaft zwischen beiden Formen dürfte erst nach einer erneuten, in gewissen Punkten genaueren Untersuchung von Dist. Rathouisi endgiltig bestimmt werden können. Wie Leuckart hervorhebt, gehören hierher weiter zwei Fälle von menschlicher Distomeninfektion in China, die von Leidy nach den Mit- teilungen eines in Oanton praktizierenden Arztes publiziert und dabei auf die gewöhnliche Fasciola hepatica bezogen wurden ?). Einige vom Verf. als kleine Variationsunterschiede angeführte Charaktere dieser Würmer deuten nämlich ziemlich unzweifelhaft darauf hin, daß es sich um Dist. Buski in den fraglichen Fällen handelte. Leidy führt auch selbst in späterer Zeit?) diese Funde als Dist. crassum Cobb. auf, hält aber dabei den im texanischen Rinde vorkommenden Leberegel (Dist. magnum Bassi) für damit identisch, was natürlich völlig unrichtig ist. | Es wären somit — den das Material zu meiner eigenen Untersuchung ei im ganzen 6 Fälle unseres Wurmes zu verzeichnen. Zum Schluß will ich eine Diagnose der Gattung Fasciolopsis liefern, wie sie jetzt mit der hier beschriebenen Art als Gattungstypus ungefähr zu formulieren wäre: Fascviolopsis Lss. Fasciolinen ohne als Kopfzapfen vom übrigen Körper abgesetzten Vorderkörper. Haut völlig unbewaffnet. Bauchsaugnapf sehr kräftig entwickelt, nach hinten sackförmig ausgestülpt und viel größer als der Mundsaugnapf. Darmschenkel ohne Verästelungen. Hoden fingerförmig verzweigt mit nach ihren blinden Enden zu allmählich sich verjüngen- den Aesten. Cirrusbeutel sehr lang, cylindrisch, in seiner größten Länge von einer gewundenen, schlauchförmigen Samenblase eingenommen, die mit einem eigentümlichen Blindsacke in Verbindung steht. Cirrus mit feinen Stacheln dicht besetzt. Im Darmkanal von Säugern. Typus: Faseiolopsis Buski (Lank.). Keine weitere Art mit Sicherheit bekannt. Daß der Darm und nicht die Leber als Wohnsitz des Wurmes beim Menschen zu bezeichnen ist, dürfte nach den diesbezüglichen Angaben von Busk über seinen Fund wenigstens bis auf weiteres als richtig gelten müssen. Dafür sprechen ja auch recht bestimmt die blutigen Diarrhöen, die in den beiden von Cobbold publizierten Fällen mit dem Auftreten des Wurmes in Verbindung gesetzt wurden. 17 ‚Ar 3,0, 2) Proceed. Acad. nat. hist. Philadelphia. 1873. p. 364. 3) Ara. 0,1891: p. 234. = buski (hank). Fasciolopsis Odhner Abth.] Ba. XXX. otogie olo erl alblatt für Bakltı Cent | & Verl.v. Gustav Fischer, Jena. Thalin gez. Viquerat, Toxin und Isomerie. 5sl Looss hatte, wie anfangs erwähnt wurde, die Fasciola Jacksoni Cobb. als mit unserer Art nächstverwandt betrachtet und in seine pro- visorische Gattung Fasciolopsis ebenfalls eingereiht. Aus der kurzen Schilderung Cobbold’s!) geht indessen zur Genüge hervor, daß seine Art viel eher eine echte Fasciola-Art im beschränkten Sinne sein dürfte. Jedenfalls steht sie dieser Gattung viel näher als der Gattung Fascio- lopsis, da sie sowohl eine bestachelte Haut wie verästelte Darmschenkel besitzen solle. Die mit Fasciolopis Buski am nächsten verwandte Art ist dagegen, wie ich schon oben hervorgehoben habe, Dist. Rathouisi Poir., das man, wenn auch nur provisorisch, der Gattung Fasciolopsis beinahe einreihen könnte, um der unzweifelhaften Verwandtschaft Ausdruck zu geben. Diese Art scheint indessen nach den vorhandenen Angaben eher in der Leber ihren Wohnsitz zu haben. Nachschrift: Auf meine Anfrage hat mir Dr. Deuntzer freund- lichst Folgendes über seinen Fund mitgeteilt: „Der siamesische Knabe, dem die Würmer entstammten, litt an typhoiden Symptomen: Hohem Fieber, Apathie, tympatischem Unterleib und Diarrhöe. Nach einer Dosis Calomel sind die Würmer abgegangen und die Symptome ver- besserten sich. Später habe ich ihn aus den Augen verloren. Er stammte aus den Reisfeldern, wo er die Büffel weidete und höchst- wahrscheinlich aus denselben Sümpfen wie die Tiere trank. Einen zweiten Fall dieser Wurmkrankheit habe ich nicht gesehen.“ Daß unser Wurm ein Darm- und nicht ein Leberparasit ist, kann nach diesen Mitteilungen keinem Zweifel mehr unterliegen. Tafelerklärung. Fig. 1. Fasciolopsis Buski (Lank.), Vergr. ca. 6. Fig. 2. Sagittalschnitt durch das Vorderende, ein wenig rechts von der Median- linie. Vergr. ca. 35. Fig. 3. Der hinter dem Bauchsaugnapfe befindliche Abschnitt des Cirrusbeutels, von der Rückenseite gesehen. Vergr. ca. 35. Für sämtliche Figuren gelten die folgenden Bezeichnungen: Bis Blindsack der Samenblase, 3BSN Bauchsaugnapf, © Cirrus, CB Cirrusbeutel, DZj Ductus ejaculatorius (im Querschnitt), 7,4, Hoden, Kst Keimstock, LC Laurer’scher Kanal, 7G0 Männ- liche Genitalöffnung, MSN Mundsaugnapf, Ph Pharynx, PphSph Präpharyngealer Biker, PPr Pars prostatica, Sbl Samenblase, Schdr Schalendrüse, Ut Uterus, VD Vas eferens. Nachdruck verboten. Toxin und Isomerie, Von Dr. Viquerat in Moudon (Schweiz). Es ist mir und vielen praktischen Aerzten häufig aufgefallen, daß die Heilsera nicht spezifisch wirken. Dr. Combe in Lausanne schrieb dem Diphtherieheilserum bei Keuchhusten eine heilende Wirkung zu, Andere bei Pneumonie, Scharlach, Strepto- und Staphylomykosen. Da- durch wurde ich veranlaßt, das Diphtherieheilserum und das normale Pferdeserum chemisch zu untersuchen; es zeigte sich bei diesen Ver- suchen, daß das Erstarren des Heilserums (100 ccm) bei 70° die Wirk- samkeit desselben nur teilweise zerstörte. Wurde das Koagulum stark 1) Quarterly Journ. Microsc. Science. New Ser. Vol. IX, London 1869. p. 48. 582 Viquersat, ausgepreßt und nachher mit destilliertem, warmem Wasser ausgewaschen, so konnte ich die daraus gesammelten Flüssigkeiten im Exsiccator ver- dampfen, bis ich wieder 100 ccm Heilserumauszug erhielt; derselbe wurde bei 80° 3mal, je 1 Stunde lang, sterilisiert. Experimentell hatte diese Flüssigkeit an Wirksamkeit nur wenig abgenommen, ja selbst bei 100° war der erhitzte wässerige Diphtherieheilserumauszug noch heil- kräftig, hingegen besaß das ausgepreßte, gewaschene Koagulum keine Heilkraft mehr. Daraus mußte ich den Schluß ziehen, daß die Heil- substanz nicht an das Seroalbumin gebunden ist. Der wässerige, sterile, eiweißfreie Heilserumauszug enthielt also allein das Antitoxin, welches bei 100° nur teilweise zerstört wurde. Bei weiterem Eindampfen dieses Auszuges erhielt ich eine dicke, sirupartige Masse, welche, mit absolutem Alkohol behandelt, einen Niederschlag bildete; derselbe, filtriert, löste sich wieder in Wasser auf. Nun wurde er weiter verdampft und mit Ca(OH)? und ZnCl, erhielt ich Krystalle, die ich als charakteristische milchsaure Salze erkannte. Beim wässerigen Auszug vom normalen Pferdeserum konnte ich mit der gleichen Me- thode hingegen keine milchsauren Salze entdecken. Das Diphtherie- heilserum enthält Milchsäure, das normale Serum keine. Was die anderen Salze anbelangt, so fand ich keinen Unterschied zwischen normalem Pferdeserum und Diphtherieheilserum. Die Diphtheriekultur. Wenn man eine Diphtheriebouillon- kultur anstellt, so wird der alkalische Nährboden in den ersten Tagen stark sauer, nach 4—5 Tagen verschwindet allmählich die Acidität und die Bouillon reagiert wieder alkalisch. In den ersten Tagen und so lange die Kultur sauer reagiert, wird kein Toxin gebildet; wird die Kultur am 4.—5. und den darauffolgenden Tagen durch mäßigen Säure- zusatz gegen Alkalinität geschützt, so bildet sich sogar kein oder nur sehr schwaches Toxin, die Bacillen verlieren allmählich ihre Virulenz und sterben schließlich ab. Die in der Diphtheriekultur gebildete Säure ist Milchsäure, welche zuerst aus den Kohlehydraten der Bouillon durch Gärung entsteht; sind die anwesenden zuckerartigen Substanzen vergoren, so kann der Diph- theriebacillus nicht weiter wachsen, ohne sich an die Peptone zu wenden; sobald aber die stickstoffhaltigen Substanzen verzehrt sind, entsteht Ammoniak, das die gebildete Milchsäure neutralisiert; die Bouillon wird alkalisch. Während des Stark-alkalisch-werdens des flüssigen Nährbodens nehmen. die Bacillen an Zahl ab und es bildet sich in wachsender Menge Diphtherietoxin. Nach und nach lösen sich die Bacillen auf und nach 3—4 Wochen Verweilen im Thermostaten sind sie fast alle abgestorben ; die Bouillon enthält starkes Toxin. Was ist aber vorgegangen, wodurch ist das Gift entstanden ? Durch die Auflösung der Bacillenkörper oder durch eine giftige Absonderung derselben ist eine enzymartige Diastase frei geworden, deren chemische Zusammensetzung unbekannt, aber deren Effekte wohl bekannt sind; das ist die heutige Auffassung, an welche Ehrlich seine sinnreiche, aber komplizierte und hypothetische „Seitenkettentheorie“ gebunden hat. Wodurch werden die Bacillen aufgelöst? Durch die gebildete Milchsäure, die durch Ammoniak neutralisiert wurde; thatsächlich lösen sich alle mit milchsaurem Ammoniak untersuchten Bakterien auf, und zwar um so schneller, je größer die Konzentration ist. Ammon. lactat. ist aber kein Gift, und wenn es die Membranen und Bakterien auflöst, so ist das einer rein chemischen Eigenschaft zuzuschreiben, welche außer- | | | | Toxin und Isomerie. 583 dem anderen Ammoniaksalzen, Aminen, Alkalien und Säuren auch zu- kommt; protoplasmatische auflösende Reagentien sind ja bekanntlich zahlreich vorhanden. Hier aber handelt es sich um Isomerie. Die anfangs bei der Diphtheriekultur aus Kohlehydraten gebildete _ Milchsäure (Gärungsmilchsäure, optisch inaktiv) wandelt sich bei dem zuletzt angegriffenen Pepton in optisch aktive Paramilchsäure um. In dieser Umwandlung besteht das ganze, bis jetzt unaufgeklärte Rätsel. Solange die Diphtheriekultur Gärungsmilchsäure liefert, wirkt sie nicht toxisch, sobald aber Paramilchsäure entsteht, hat sich das Toxin gebildet. Die Fleischmilchsäure oder rechtsdrehende Paramilchsäure ist das Diphtheriegift, das Diphtherietoxin. In den Diphtheriekulturen befindet sie sich in Form von paramilchsaurem Ammoniak; dasselbe löst sich nur schwer und wenig in Alkohol auf, ist unkrystallisierbar und schwer dialysierbar und stellt sich als eine gummi- und schleimartige, amorphe Substanz dar, die nur durch ihre rechtsdrehenden Ca- oder Zn-Salze mikroskopisch gekennzeichnet wird. Beim Tierexperiment ist die ge- wöhnliche Gärungsmilchsäure absolut harmlos, dagegen weist die Para- milchsäure ganz eigentümliche Wirkungen auf. (resunde Tiere ver- tragen kleine Dosen ohne physiologische Störungen, während infizierte schon auf die geringsten Mengen stark reagieren. Die wichtigsten Symptome bei Anwendung großer Dosen sind eine rasch vorübergehende Temperaturerhöhung mit Hitzegefühl im ganzen Körper, danach Schwitzen _ und allgemeine Mattigkeit; Erholung in 2—3 Stunden. Bei Anwendung noch größerer Dosen treten Depressionserschei- nungen und Zittern am ganzen Körper auf; Lähmungen, Atemnot, pochender Herzschlag, Krämpfe, tetanische Zuckungen, Erschlaffung der Körpermuskulatur geben sich kund. Alle ‚diese drohenden Symptome - sind von kurzer Dauer und führen nur bei Anwendung maximaler, wiederholter Dosen (0,5—1,0 cem beim Meerschweinchen) zum Tode. Weniger toxisch wirkt sie „per os“, aber doch sehr deutlich. Temperatur- einfluß sehr gering. Chemische Leistungen. Ein Gemisch von rechts- und links- drehender Milchsäure bildet optisch inaktive sogenannte Gärungsmilchsäure. Die Salze und Ester der linksdrehenden Milchsäure drehen nach rechts und die der rechtsdrehenden Paramilchsäure nach links, ein Gemisch dieser beiden optisch aktiven milchsauren Salze oder Ester zu gleichen Teilen bildet beim Erwärmen inaktive gärungsmilchsaure Salze oder Ester. Die durch Immunisierung im Diphtherieheilserum vorhandene Milch- säure ist ein optisch rechtsdrehendes Salz; wird es mit dem optisch _ linksdrehenden, paramilchsauren Salz gemischt, so entsteht das harm- lose, inaktive, gärungsmilchsaure Salz (Heilung). Die rechtsdrehende Paramilchsäure ist das Diphtherietoxin und die linksdrehende Milch- säure das Antitoxin. Will man die beiden optisch aktiven Milchsäuren trennen, so ver- _ fährt man auf folgende Weise: Die gewöhnliche Gärungsmilchsäure wird mit Ammoniak neutralisiert, das erhaltene inaktive Ammon. lactat. unter Dextrin oder Stärkezusatz alsdann mit Penieillium glaucun besät; der Schimmelpilz verbraucht nur die linksdrehende Milchsäure, die rechtsdrehende Paramilchsäure bleibt übrig. Die optisch aktive, linksdrehende Milchsäure entsteht durch die Spaltung einer Rohrzuckerlösung durch den Bacillus acidi laevo- lactieci Lewkowitsch. 584 Viquerat, Toxin und Isomerie. Die ‘optisch aktiven Milchsäuren spielen die Hauptrolle bei fast allen infektiösen Krankheiten, deshalb wäre mein Ziel schon erreicht, wenn ich die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf dieses neue Gebiet der Isomerie gelenkt hätte. Die Gärungsmilchsäure ist optisch und physio- logisch als inaktiv (harmlos) zu betrachten, durch Spaltung zerfällt sie in zwei optisch und physiologisch aktive Komponenten, die links- und rechtsdrehende Form, welche, wieder vereinigt, die ursprüngliche, in- aktive Milchsäure herstellen. Der Bacillus diphtheriae bildet anfangs Gärungsmilchsäure (diphtheritische Membran), später Paramilchsäure (Toxin, diphtheritische Lähmungen). Ist das im Heilserum vorhandene, rechtsdrehende, para- milchsaure Salz in ausreichender Menge injiziert, so vereinigt es sich mit dem im Ueberschuß gebildeten, krankmachenden, linksdrehenden milchsauren Salz zu dem optisch inaktiven, harmlosen, gärungsmilch- sauren Salz (die Krankheit ist überwunden). Die optisch aktiven Milchsäuren sind kein Gift für die Diphtherie- bacillen, welche in ihrer Gegenwart sehr gut gedeihen, sie sind also nicht baktericid, aber „in corpore“ wirken sie toxisch, wenn sie sich, jede für sich allein, in abnormaler Menge bilden und anhäufen. Bei den Diphtheriekulturen unterscheidet man 4 Phasen: 1) Gärungsmilchsäurebildung aus Kohlehydraten; 2) Ammoniak- und Paramilchsäurebildung aus Peptonen; 3) Auflösung der Diphtheriebacillen ; 4) Toxinbildung. Im linksdrehenden, milchsauren Ammoniak der Diphtheriekultur sind die Bacillen in gelöstem, entwickelungsunfähigem Zustande vorhanden; ihr Enzym ist jedoch nicht zerstört, nicht abgetötet, es wirkt eben im Organismus noch weiter, indem es eine Verwandlung von inaktiver Milchsäure oder Kohlehydrat in Paramilchsäure befördert, es findet im Körper eine Paramilchsäureanhäufung statt, welche je nach der ge- bildeten Menge mehr oder weniger toxisch wirkt. Das Diphtherietoxin stellt sich also als ein Gemisch von aufgelösten Diphtheriebacillen in linksdrehendem, milchsaurem Ammoniak dar; solch toxisches Gemisch wird bei 80° unschädlich gemacht, weil bei dieser Temperatur das Diph- therieenzym vernichtet ist. Das Tierexperiment.— Die optisch aktiven Milchsäuren wirken im Körper stark reduzierend; gesunde, mit steigenden Dosen behandelte Meerschweinchen nehmen an Gewicht ab, die roten Blutkörperchen werden, wie mit dem Pyrogallol, teilweise zerstört; die Oxydationsvor- gänge sind stark vermindert und das Versuchstier fällt in einen leuk- ° ämischen Zustand mit riesiger Leber- und Milzhypertrophie. Gärungs- milchsäure hingegen wird gut vertragen, das Tier gewöhnt sich an täglich größere Dosen ohne nachweisbaren Nachteil, außer etwas Ab- magerung. Die hinsichtlich der Heilung von infektiösen Krankeiten gemachten Experimente bestätigten meine Vermutungen im ganzen. Tuberkulöse Meerschweinchen heilten mit Paramilchsäure (l ccm „per os“ einer Kultur von Penicillium glaucum auf Am. lactat.) in3 Wochen voll- ständig aus. Bekanntlich kommt die Tuberkulose der Muskeln nicht vor, weil im Fleische Paramilchsäure gebildet wird; der Fleischsaft von Richet und H6ricourt sowie das in großer "Menge verabreichte Liebig’s Fleischextrakt heilt die tuberkulösen Hunde. j Mit Paramilchsäure heilten Milzbrand, Diphtherie, Tetanus, Typhus, Staphylo- und Streptomykosen, Coli-Infektionen in sehr kurzer Zeit PT u Emmerich, Sind alle Einwände gegen die Natur der Nukleasen widerleet? 585 (3—4 Tagen). Rotz, Cholera und Pest wurden wegen Mangels an Impf- material nicht untersucht, hoffentlich werden sie sich nicht anders verhalten, als die so resistenten Milzbrand- und Tetanusbaeillen. Mit Paramilchsäure operiere ich weder mit Antisepsis noch mit Asepsis und stets mit glattem Erfolge, es werden keine Abscesse mehr incidiert. Bildet ein pathogener Mikrobe ein linksdrehendes, milchsaures Salz, so muß ein rechtsdrehendes Salz verabreicht werden, und umgekehrt. Die irrtümlich so genannte Pyocyanase von Emmerich und Loew ist nichts anderes als linksdrehendes, milchsaures Ammoniak aus Para- milchsäure. Bei Tetanus reagieren die Muskeln sauer, weil die gebildete Fleisch- milchsäuremenge zu groß ist, um sofort durch das Blut neutralisiert zu werden. (Fleischmilchsaures Salz, linksdrehend, ist dabei das beste Anti- toxin.) Wird die Pyocyanase oder besser das paramilchsaure Ammoniak mit HCl angesäuert, so bildet sich NH,Cl und die freie Milchsäure wird optisch inaktiv, es ist Gärungsmilchsäure entstanden, darum verliert die fälschlich so genannte Pyocyanase ihre Wirksamkeit völlig, wenn sie sauer reagiert. Darum ist es auch ratsam, bei der Verabfolgung „per os“ die optisch aktiven, milchsauren Salze in alkalischer Lösung zu verordnen, damit die Acıidität des Magens die heilende Wirkung nicht beeinträchtigt. Moudon, den 26. März 1902. Nachdruck verboten. Sind alle Einwände gegen die Natur und Wirkungsweise der sogenannten Nukleasen widerlegt? Eine Erwiderungan A. Dietrich. Von Rudolf Emmerich in München. Da Dr. A. Dietrich seine von uns in dieser Zeitschr. Bd. XXXI. No. 1 widerlegten Einwände gegen die Enzymnatur der baktericiden Substanz in Pyocyanaselösungen wiederholt, ohne neue Thatsachen zu erbringen, so erwidere ich nur ganz kurz, da ich nicht die Absicht habe, - den Unwillen der Leser durch das Dreschen leeren Strohes zu erregen. Wir müssen nochmals nachdrücklich betonen, daß schon viele unserer _ ersten Versuche, wie sie in der Zeitschrift für Hygiene. März 1899 publiziert wurden, mit Pyocyanaselösungen gewonnen waren, welche nahezu salzfrei und ganz neutral waren. Denn wir dialy- lisierten, bis mit salpetersaurem Silber auf Zusatz von Salpetersäure keine Chlorreaktion mehr erhalten wurde und bis die Pyocyanaselösung ' neutral reagierte. Salzhaltige Präparate, welche kürzere Zeit dialysiert und mit Essigsäure neutralisiert wurden, zeigten sich etwas wirksamer. Dies ist aber nicht auf den Salzgehalt, sondern darauf zurückzuführen, daß bei sehr langer Dialyse auch eine gewisse Menge bakteriolytischen Enzyms durch das Pergamentpapier hindurchgeht. Wir haben nämlich den Bacillus pyocyaneus auch in sehr salzarmen Nährlösungen ge- züchtet, welche nach kurzer Dialyse salzfrei wurden und gleiche energische baktericide Wirkungen zeigten (Zahl der in bestimmter Zeit vernichteten Bakterien) wie die salzreichen Kulturflüssigkeiten. Die Anwendung der 586 Rudolf Emmerich, allerverschiedensten Nährlösungen mit großem (10-promill.) und sehr geringem Salzgehalt (1-promill.) ergab, falls den bekannten Ernährungs- gesetzen Genüge geleistet war, nahezu gleich energisch wirkende Pyo- cyanaselösungen. Die baktericide Wirkung hätte aber außerordentlich verschieden sein müssen, wenn der Salzgehalt eine wesentliche Rolle spielen würde. Man kann aber auch bei verschiedenen Bakterien- arten (z. B. beim Pneumococeus lanceolatus) mit bloßem Auge sehen, daß eine nahezu vollständige Auflösung der die Flüssigkeit stark trübenden Bakterien und völlige Klärung der ersteren eintritt, sobald der allmählich an- steigende Gehalt an bakteriolytischem Enzym eine be- stimmte Größe erreicht hat. Wie kann da von Salzwirkung die Rede sein ? Der Salzgehalt und die Reaktion haben mit der baktericiden Wirkung der Nukleaselösungen nichts zu schaffen. Diese schlagenden Thatsachen muß auch A. Dietrich anerkennen, und er hat kein Recht mehr zu behaupten, daß dem Salzgehalt und der Reaktion irgend eine Be- deutung zukomme. Wir (und nicht A. Dietrich) haben zuerst darauf hingewiesen, daß die dialysierte Pyocyanaselösung neben verschiedenen (übrigens nur in sehr geringer Menge vorhandenen) organischen Stoffen und außer dem bakteriolytischen Enzym auch noch andere Fermente und (wie längst bekannt) mehrere Farbstoffe enthält. Die Farbstoffe wirken, wie wir nach der Reindarstellung derselben zu allem Ueberfluß konstatierten, nicht im geringsten baktericid. Auch die Wirksamkeit der neben dem bakteriolytischen Enzym in der Pyocyanaseflüssigkeit noch gelösten Fermente kann leicht durch Er- hitzen auf 100° GC ausgeschlossen werden. Wir haben aber schon früher mitgeteilt, daß man mit den !/, Stunde auf 100° C erhitzten Pyo- cyanaselösungen die gleichen baktericiden Wirkungen erhält wie mit den nicht erhitzten. Die mikroskopisch verfolgbaren Auflösungserschei- nungen (welche man am schönsten erhält, wenn man in vitro ähnliche Bedingungen herstellt, wie sie im Tierkörper gegeben sind) werden wir nächstens unter Zugrundelegung von Photographieen erörtern. Dietrich ist in einer Selbsttäuschung befangen, wenn er meint, ich hätte mir eine „schlimme Falle“ gestellt durch den Hinweis auf die Thatsache, daß in den zu bakteriolytischen Versuchen verwendeten Kulturen häufig schon eine Veränderung der Bakterien (Anschwellung, Krümmung etc.) durch das isoforme bakteriolytische Enzym stattgehabt habe. Ich will annehmen, Herr Dr. Dietrich habe nur übersehen, daß ich eigens darauf hingewiesen habe, wie man sich dieser Täuschung da- durch entziehen könne, daß man nur kurz vorher aus Fällen tierischer oder menschlicher Infektionskrankheiten gezüchtete Bakterien und nur ganz frische, am besten bei niederer Temperatur geführte Kulturen ver- wendet, bei welchen eine Schädigung der Zellen durch das isoforme, bakteriolytische Enzym noch nicht stattgefunden haben kann. Ob aber A. Fischer und A. Dietrich diese Vorsicht bei ihren Versuchen über die osmotische Wirkung von Kochsalzlösungen walten ließen, oder ob sie längere Zeit im Laboratorium fortgezüchtete Kul- turen verwendeten, ist nirgends gesagt. Wir müssen Dr. Dietrich noch darauf aufmerksam machen, daß Sind alle Einwände gegen die Natur der sogenannten Nukleasen widerlegt? 587 es zu einer Widerlegung unserer Aufstellungen nicht genügt, irgend einen der zahlreichen für die enzymartige Natur der Pyocyanase geltend gemachten Beweise herauszugreifen und zu kritisieren. Nicht ein ein- ‚zelnes Argument, sondern die Gesamtheit der Beweise, welche wir am Schlusse unserer in dieser Zeitschrift. Bd. XXXI. No. 1 veröffentlichten Abhandlung zusammengestellt haben, zeigt, daß die baktericide Substanz in Pyocyaneus-Kulturen Enzymnatur besitzt. Wir haben durch eine Reihe von Thatsachen zum mindesten soviel ‘bewiesen, daß die baktericide Wirkung der Pyocyanaselösung weder von ihrem Salzgehalt noch von der Reaktion, sondern von der Gegenwart einer bakteriolytisch wirkenden Substanz abhängt. Wir werden noch weitere Beweise dafür erbringen, daß auch in den Kulturen anderer pathogener Bakterien bakteriolytisch wirkende Substanzen gebildet ‘werden, welche durch Verbindung mit tierischem Eiweiß in immuni- 'sierende Substanzen übergeführt werden können. Ob diese bakterio- lytisch wirkenden Stoffe als Enzyme oder als enzymartige Stoffe zu be- zeichnen sind, ist zunächst nur von rein wissenschaftlichem Interesse. Selbst wenn es sich nicht um enzymartige Stoffe, sondern um andere 'baktericide Substanzen handeln würde, was wir aber entschieden be- ‚streiten, so würde dadurch unsere Theorie der natürlichen und künst- lichen Immunität keine wesentliche Aenderung erfahren. ‘ Für die praktische Bedeutung unserer Untersuchungen, d. h. für die Verwertung zu therapeutischen und Schutzimpfungszwecken, ist die Entscheidung dieser Frage ganz gleichgiltig. Wir werden nicht versäumen, noch weitere Untersuchungen über das wirksame Agens der bakterientötenden „Stoffe“ (nicht Stoffwechsel- produkte!) in Bakterienkulturen anzustellen und begrüßen es mit Freude, wenn uns Dr. Dietrich dabei seine Mitarbeiterschaft zu teil werden läßt. Neuerdings hat in einer ganz vortrefflichen Arbeit Dr. Karl Vaerst!) neue Beweise für die Enzymnatur der Pyocyanase erbracht, die selbst die kritischsten Zweifler und hoffentlich auch Herrn Dr. Die- trich davon überzeugen müssen, daß es sich bei der Vernichtung und Auflösung der Milzbrandbacillen in Pyocyanaselösung nicht um os- motische Wirkungen handeln kann. Dr. Vaerst hat nämlich Milzbrandbacillenkulturen auf schräg er- starrtem Nähragar, welche sich bei 2-tägiger Aufbewahrung im Brüt- raum so stark entwickelt hatten, daß die Agarfläche vollständig mit einem Belag bedeckt war, mit Pyocyanaselösung übergossen. Am 3. Tage war alles aufgelöst, im ganzen mikroskopischen Bilde fanden sich nur gefärbte Reste der früheren Bacillen; nur da und dort ein ziemlich gut erhaltener Bacillus. Die am 3., 4. und 5. Tage vorgenommene Ueber- tragung auf Agar ergab kein Wachstum mehr. Dieses Ergebnis ist neu und in mehrfacher Beziehung von großem Interesse. Einmal wird dadurch gezeigt, daß die ‚enorme zahlenmäßig gar nicht mehr ausdrückbare Menge von Milzbrandbacillen in dem dicken Öberflächenbelag einer schief erstarrten Agarkultur durch die Pyocyanase- lösung völlig vernichtet und bis auf wenige Spaltpilzzellen aufgelöst war. Die von Dr. K. Vaerst benützte Pyocyanaselösung enthielt 1 g aus Bouillonkulturen durch Ammoniumsulfat gefällter, getrockneter Sub- stanz in 10 ccm sterilisierten Wassers. Dieses 1 g trockene Substanz enthält nach meinen Untersuchungen im günstigsten Falle höchstens 1) Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase und Kombinationen derselben. (Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXXI. p. 293 u. f.) 588 Emmerich, Sind alle Einwände gegen die Natur der Nukleasen widerlegt? 50 mg Pyocyanase, wahrscheinlich aber viel weniger. Der übrige Teil besteht aus verschiedenen Enzymen (proteolytisches Enzym, Invertin, Lab, Casease, Katalase etc.), sowie aus Farbstoffen, verschiedenen anderen organischen Stoffen und Salzen. Wir sehen also, daß eine sehr geringe Menge bakteriolytischen Enzyms (Pyocyanase) ganz enorme Mengen von Milzbrandbacillen aufzulösen ver- mag, wie dies für Enzymwirkungen bekannt und charakteristisch ist. Ferner geht aus den wertvollen Untersuchungen von Dr. Vaerst hervor, daß auch die am 3. Tage noch nicht aufgelösten und scheinbar intakten vereinzelten Milzbrandbacillen durch die durch das bakterio- Iytische Enzym bedingten chemischen Veränderungen des Protoplasmas abgetötet sind, wenn auch von den letzteren mikroskopisch nichts nach- weisbar ist. Dr. K. Vaerst hat auch wie wir durch Pyocyanaseinjektionen mit Milzbrand tödlich infizierte Kaninchen zu heilen vermocht. Ebenso ist es ihm gelungen, mit künstlich dargestellter immunisierender Substanz (Pyocyanaseimmunproteidin) eine Immunisierung von Kaninchen gegen Milzbrand zu erzielen, wenn er zur Darstellung des Immunproteidin Blut resp. Serum verwendete. Diese Resultate sind sehr anerkennenswert und sie zeigen, daß der Experimentator sorgfältig und sachkundig gearbeitet hat. Es ist näm- lich gar nicht so einfach, wirksame Pyocyanasepräparate zu gewinnen, und ganz besonders erfordert die Immunproteidindarstellung vorsichtige Arbeit. Es gehört ferner eine gewisse Erfahrung dazu, die zu injizieren- den Mengen der beiden Präparate richtig zu bemessen. Daß Dr. Vaerst mit Serumimmunproteidin positive, mit Milz- immunproteidin aber negative Immunisierungsresultate erzielt hat, er- klärt sich sehr einfach aus dem Umstande, daß Herrn Dr. Vaerst bei Ausführung seiner schönen Untersuchungen unsere Mitteilung über die künstliche Darstellung der immunisierenden Substanzen (Nukleasen- immunproteidine)!) nicht bekannt war. In dieser Abhandlung haben wir darauf hingewiesen, wie wichtig bei der Milzimmunproteidinbereitung der Zusatz von 0,2—0,4 Proz. kohlensaurem Kali ist, „da man durch Zusatz von Kali leicht Verbindungen zwischen reagierfähigen Körpern herstellen oder auch Kondensationen ausführen kann“. Dagegen ist die Alkalität des Blutserums an und für sich schon für das Zustandekommen der Eiweißverbindung der Pyocyanase meistens ausreichend. Es ist aber besser, auch bei Verwendung von Blut oder Blutserum etwas Aetzkali (welches durch die Kohlensäure des Blutes in kohlensaures Kali verwandelt wird) zuzusetzen. Das Auftreten von Abscessen bei der Milzimmunproteidinlösung ist wohl darauf zurückzuführen, daß Dr. Vaerst bei der Pyocyanase- bereitung die Bakterien nicht abfiltrierte, so daß große Mengen von Eiterung erregenden. Bakterienproteinen zur Verwendung kamen, die insbesondere bei der Immunproteidininjektion ihre deletären Wirkungen entfalten müssen. Durch die vortrefflichen Untersuchungen von Dr. Vaerst ist die für die Erklärung des Immunitätsproblems so wichtige Frage der Bildung bakteriolytischer Enzyme in Bakterienkulturen und der Mög- lichkeit der künstlichen Darstellung immunisierender Substanzen wesent- lich geklärt und gefördert worden. 1) Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. XXXVIl p. 9 u. £. | d ; d 3 3 r Hans Hammerl, Zur Züchtung der Anaöroben. 589 Nachdruck verboten. Zur Züchtung der Anaöroben. [Aus dem hygienischen Institut der Universität Graz.] Von Privatdocent Dr. Hans Hammer!. II. Mitteiltung. In No. 17. Bd. XXX. 1901 dieses Centralblattes habe ich ein Ver- fahren veröffentlicht, mittels dessen es auf verhältnismäßig einfache Weise gelingt, für die Züchtung der Anaöroben Kulturplatten unter völligem Ausschluß von atmosphärischem Sauerstoff anzulegen. Das Wesentliche dieses Verfahrens besteht darin, daß man dem Nährboden frischbereitetes NH,HS in bestimmter Konzentration zusetzt und nach Ausgießen desselben in eine Petri-Schale an dem Deckel einen mit starker Pyrogallussäurelösung getränkten Bierfilz (aus Cellulose her- gestellte Bierglasunterlagen) befestigt, worauf Schale und aufgeschliffener Deckel durch eine Wachstalgmischung nach außen abgedichtet werden. Wie ich mich durch vielfache Versuche überzeugen konnte, gelingt es auf diese Weise mit Sicherheit, die Anaöroben auf unseren Kulturschalen zur Entwickelung zu bringen. Es haften jedoch diesem Verfahren noch verschiedene Mängelan, sodaß eine weitere Vervollkommnung wünschens- wert erschien. Die Herstellung des Ammoniumsulfhydrats ist ziemlich umständlich und besteht außerdem die Gefahr, daß bei Zugabe einer zu stark konzentrierten Lösung dieses Reduktionsmittels zum Nährboden das Wachstum der Anaöroben in demselben mehr verzögert als befördert wird. Ferner ist die notwendige Abdichtung der Schalen mit der Fett- wachsmischung eine ebenso zeitraubende als auch wenig angenehme Manipulation. Ich war daher bestrebt, durch Ausschalten dieser Miß- lichkeiten das Verfahren weiter zu vervollkommnen, und es ist mir dies bis zu dem Grade gelungen, daß das Anlegen von anaöroben Plattenkulturen nicht mehr wesentlich umständlicher erscheint und doch gleich sicher ist wie das von aöroben Platten. Um die Anaöroben auf unseren Kulturschalen in O-freier Atmo- sphäre zur Entwickelung zu bringen, gebe ich die Schalen in eine Glas- dose mit genau eingeschliffenem Deckel und absorbiere den Sauerstoff innerhalb der Dose durch eine stark konzentrierte Pyrogallussäurelösung. Dieselbe bereite ich mir in der Weise, daß ich 20 g Pyrogallol in einem Becherglas abwiege und in dasselbe hierauf 15 ccm einer 50-proz. KÖH!) einfließen lasse. Nach wenigen Minuten ist die Gesamtmenge der Pyrogallussäure gelöst und mit dieser Lösung wird nun ein Bierfilz getränkt, derselbe auf den Boden der Dose gelegt, die beschickten, offenen Schalen darüber geschichtet und sodann die Dose luftdicht verschlossen. Bei dieser Anordnung wird sowohl aus der Luft _ in der Dose, als auch aus dem Nährboden der Sauerstoff völlig entfernt und zwar bei Brüttemperatur bereits innerhalb eines Tages, bei Zimmer- temperatur innerhalb 36—48 Stunden. In dem so völlig O-frei gemachten - Nährboden und in der reinen N-Atmosphäre entwickeln sich die Anaöroben ohne Schwierigkeit und ist es mir auf diese Art und Weise | gelungen, nicht bloß von den Laboratoriumsanaöroben (Tetanus, malignes 1) 50 g KOH mit destilliertem Wasser aufgefüllt auf Teilstrich 100. 590 Hans Hammerl, Oedem, Rauschbrand, Botulinus), sondern auch von den von Tissier!) jüngst beschriebenen, strengst ana@roben Bakterienarten des Säuglings- stuhles wohlausgebildete Kolonieen auf unseren Kulturplatten. zu er- halten. Was nun die Details der Ausführung anbelangt, so benütze ich die von Franz Hofmann angegebenen Glasdosen ?), welche einen inneren Durchmesser von 12 cm und eine innere Höhe von 9,5 cm besitzen, deren Rauminhalt somit ca. 1074 ccm ist. Die Dicke der Glaswand beträgt 4-5 mm und paßt dieselbe in eine entsprechende, am Glas- deckel eingeschliffene Rinne. Es ist zweckmäßig, Glasdosen mit nicht zu dünnen Wänden zu wählen, damit der sichere Abschluß durch breite und tiefe Rinnen möglichst gewährleistet scheint. Die mit Pyrogallus- säure getränkte Bierfilzplatte, deren beide Flächen mit der Lösung gleichmäßig beschickt sind, wird nicht direkt auf den Boden der Dose gelegt, sondern auf zwei schmale, ungefähr 5 mm hohe Leisten aus Holz, Pappe oder dergl., damit von beiden Flächen der O absorbiert werden kann. Die Herstellung der Pyogallussäurelösung geschieht am besten, wie bereits oben angegeben, in einem Becherglas, indem man in die Mitte der abgewogenen 20 g Pyrogallol mittels einer Pipette 15 cem des 50O-proz. KOH einfließen läßt. Durch leichtes Be- klopfen der Wand des Becherglases kann man dafür Sorge tragen, daß das Pulver rasch zusammensintert und sich löst, wobei eine leichte Erwärmung der Flüssigkeit stattfindet, ein günstiger Umstand, der die Auflösung des Pyrogallols noch mehr befördert. Es ist nicht zweck- mäßig, ein Wasserglas mit dickem Boden oder ein weites Becherglas zu benützen, da durch die größere Glasmasse zu viel Wärme gebunden resp. durch die größere Oberfläche zu viel Wasser abgegeben wird und nicht selten ein Wiederauskrystallisieren des Pyrogallols zustande kommt, wobei die Flüssigkeit mitunter in toto erstarrt. In solchen Fällen ist es am besten, mit neuem Pyrogallol eine neue Lösung sich herzustellen, denn eine abermalige Zugabe von KOH oder ein Erwärmen ist von keinem günstigen Erfolg begleitet, das Reduktionsmittel ist dann bereits stark zersetzt und hat sich intensiv geschwärzt. Die Farbe der un- zersetzten Lösung ist hellgelb bis goldbraun und besitzt die Pyrogallus- säure in dieser Konzentration (ca. 133 Proz.) ein außerordentlich starkes Reduktionsvermögen. Ein Bierfilz mit der Gesamtmenge der Lösung (ca. 30 ccm) getränkt und an der Luft liegen gelassen, fängt nach kurzer Zeit unter starker Wärmeentwickelung an, Dämpfe aufsteigen zu lassen, er bräunt sich mehr und mehr und wird allmählich kohlschwarz und steinhart. Durch die große Menge O, welche absorbiert wird, findet im Bierfilz offenbar ein lebhafter Verbrennungsprozeß statt, der zur Ver- dampfung des in der Lösung vorhandenen Wassers und zur Umwand- lung der Cellulose in Kohle führt. Man kann das Reduktionsvermögen des Pyrogallols noch steigern, wenn man die KOH nicht in destilliertem Wasser, sondern in frisch bereitetem Schwefelwasserstoff auflöst und von dieser Lösung 15 ccm zu 20 g Pyrogallussäure hinzugiebt, die Absorption des Sauerstoffes erfolgt dann etwas rascher und die Lösung bleibt auch längere Zeit wirksam. Bei Versuchen, die ich darüber anstellte, ob es nicht zweckmäßig ist, die angegebene Menge des Reduktionsmittels auf mehr als einem 1) Tissier, Henry, Recherches sur la flore intestinale norm. et patholog. du nourisson. Paris (Georges Oarre et Naud) 1900. 2) Bezogen von der Firma W. P. Stender, Dampfglasschleiferei in Leipzig. | ET DB Aa k Zur Züchtung der Anaöroben. 591 Bierfilz zu verteilen, machte ich die Erfahrung, daß dies nicht der Fall ist. Tränkt man z. B. 2 Bierfilze mit je der Hälfte der Lösung, so erfolgt die Absorption weniger schnell und sicher, als wenn nur eine Platte beschickt wurde. Damit die volle Intensität des Reduktionsvermögens des Pyrogallols zur Geltung kommt, muß selbstverständlich vermieden werden, daß der mit der Lösung getränkte Bierfilz länger als unbedingt notwendig außer- halb der Dose mit dem Ö der Luft in Berührung bleibt. Es ist daher die Herstellung der Lösung und das Beschicken der Filzplatte mit der- selben die letzte der vorbereitenden Manipulationen. Das Ausgießen des geimpften Nährbodens und das Erstarrenlassen desselben in den Schalen hat bereits vorher zu geschehen, desgleichen auch das Ausfüllen der Rinne des Deckels mit der weiter unten zu besprechenden Fett- wachsmischung. Es ist vorteilhaft, alles so zurecht zu richten, daß, sobald der Bierfilz mit der Lösung getränkt ist, dieser sowohl als auch die beschickten Schalen sogleich in der Dose untergebracht und diese luftdicht verschlossen werden kann. Bei Verwendung von Dosen, deren Rauminhalt größer ist als der oben angegebene, wird es notwendig sein, eine zweite mit der gleichen Menge des Reduktionsmittels getränkte Bierfilzplatte in die Dose ein- zulegen, denn für ca. 1000 ccm Rauminhalt sind, wie Versuche gezeigt haben, 20 g Pyrogallol gerade ausreichend, um innerhalb 1—2 Tagen den Sauerstoff sowohl aus der Luft, als auch aus dem Nährboden zu absorbieren. Zur Kontrolle, daß der O wirklich entfernt ist, färbe ich die Gelatine oder das Agar-Agar in einem der geimpften Röhrchen vor dem Ausgießen in die Schale mit 1—2 Tropfen einer konzentrierten alkoholischen Methylenblaulösung. Es hat sich herausgestellt, daß es nicht notwendig ist, eine eigene mit Methylenblau gefärbte Kontroll- schale in die Dose einzustellen, da in der angedeuteten Menge das Methylenblau die Entwickelung der Bakterien nicht hindert. Bei richtiger Ausführung der Methode ist der Nährboden je nach der Temperatur innerhalb 1—2 Tagen völlig entfärbt, ein Zeichen, daß jeglicher Sauer- stoff absorbiert worden ist. Will man die Schalen für längere Zeit zur Züchtung in der Dose aufbewahren, so empfiehlt es sich namentlich für die Brüttemperatur Röhrchen mit 10—12 cem Nährboden zu ver- wenden, damit derselbe während der Versuchsdauer nicht allzu sehr austrocknet. Damit der OÖ aus den beschickten Petri-Schalen leicht entweichen kann, werden dieselben ohne Deckel in der Dose untergebracht und durch Leisten, wie sie oben beschrieben sind, von einander getrennt. Die unterste Schale darf nicht direkt auf den mit Pyrogallol ge- tränkten Bierfilz gestellt werden, weil derselbe sich, wie schon erwähnt, bei der Berührung mit dem Sauerstoff stark erwärmt und dadurch ein Wiederflüssigwerden des bereits erstarrten Nährbodens zustande kommen könnte. Es werden daher auch zwischen die unterste Schale und den Bierfilz Isolierleisten eingeschoben. Um den Innenraum der Dose mittels des Deckels luftdicht ab- zuschließen, wird die Rinne des Deckels mit einer Mischung von Wachs und Talg verstrichen, derselbe sodann auf die Dose aufgepreßt und die Stelle, wo Deckel und Dose aneinander stoßen, mit derselben Mischung ringsum abgedichtet. Ich bereite mir dieselbe in der Weise, daß ich 20 g Wachs mit 100 g Talg auf dem Wasserbad zusammenschmelze, die wieder erstarrte Masse mit einem Messer in kleine Stücke schneide und dieselben mit einem Pistill so lange verreibe, bis das Ganze eine Hans Hammer], Zur Züchtung der Anaöroben. 592 völlig gleichmäßige, salbenähnliche Beschaffenheit angenommen hat. Die so zubereitete Wachstalgmischung besitzt genügende Konsistenz, um auch bei Brüttemperatur nicht weich zu werden und die für den sicheren Abschluß notwendige Festigkeit zu bewahren. Uebrigens bewirkt nach kurzer Zeit der äußere Luftdruck, daß der Deckel fest angepreßt wird, da durch die Absorption des Sauerstoffes im Inneren der Dose ein negativer Druck zustande kommt. Was den Zusatz von Reduktionsmitteln zu dem Nährboden betrifft, so ist derselbe bei der beschriebenen Anordnung nicht notwendig, um innerhalb von 1—2 Tagen jeglichen Sauerstoff aus der Luft in der Dose und aus dem Nährboden zu entfernen. . Viel prompter geht natürlich die Absorption vor sich, wenn man der Gelatine oder dem Agar-Agar Ammoniumsulfhydrat in der in meiner vorausgegangenen Publikation angegebenen Konzentration (1:10) zusetzt; die Beseitigung des Sauer- stoffes und damit einhergehend die Entfärbung der mit Methylenblau gefärbten Schalen erfolgt dann innerhalb weniger Stunden. Selbst- verständlich ist auch das Wachstum der Anaöroben bei Anwesenheit dieses Reduktionsmittels ein rascheres, ich glaube aber, daß der Zusatz von NH,HS zum Nährboden, der, wie ich nochmals betonen möchte, nicht zu konzentriert geschehen darf, wirklich notwendig nur für jene obligat ana@roben Bakterien sein wird, für deren Kolonieenbildung eine länger andauernde Berührung mit dem Sauerstoff der Luft bereits schädlich wirken könnte. Für die bekannten obligat anaöroben Bakterien, wie Tetanus, malignes Oedem, Rauschbrand, Botulinus ist dieser Zusatz nicht notwendig; es kommt auch ohne Anwendung dieses Reduktions- mittels, wenn auch etwas später, zur Entwickelung von wohlausgebildeten Kolonieen. Dasselbe ist der Fall bei den nur sehr langsam wachsen- den, streng anaeroben Bakterien des Säuglingsstuhles (Bifidus), deren Existenz von Tissier, wie bereits eingangs erwähnt, erst vor kurzem nachgewiesen wurde. Inhalt. Mac Callum, W. G., On the life history Originalmitteilungen. of Actinomyces asteroides, p. 529. Abbott, A. C. and Gildersleeve, N., On the Actinomyces-like development of some of the acid resisting bacilli (Strepto- thrices ?), p. 547. Emmerich, Rudolf, Sind alle Einwände gegen die Natur und Wirkungsweise der sogenannten Nukleasen widerlegt ? p. 585. Hammerl, Hans, Zur Züchtung der An- aöroben, p. 589. Jaeger, H., Die in Ostpreußen heimische Ruhr eine Amöbendysenterie, p. 551. Karlinski, Justin, Zur Aetiologie des Rekurrenstyphus, p. 566. Odhner, Marshall, H. T. und Morgenroth, J,., Ueber Differenzierung von Komplemen- ten durch ein Partialantikomplement, pP: 97% Müller, Paul Theodor, Ueber den bak- teriologischen Befund einer Dysenterie- epidemie in Südsteiermark, p. 558. Theodor, Fasciolopsis Buski (Lank.) [= Distomum crassum Cobb.], ein bisher wenig bekannter Parasit des Menschen in Ostasien, p. 573. Viquerat, Toxin und Isomerie, p. 581. Frommaunsche Suchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena _ XXXI. Band. —- Jena, den 26. Mai 1902. —- No. 13. Preis für den Band (50 Bogen) 15 Mark. Schwierige Tafeln werden einem Bogen gleich gerechnet. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Bei Einzelverkauf Preis für einen einfachen Druckbogen 40 Pfg., für eine Tafel 60 Pfg. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Originai-Mittei lungen. Nachdruck verboten. b. y “Teber einen aus dem „Murex bradatus“ isolierten patho- genen Mikroorganismus. Beitrag zur Kenntnis der Nahrungsinfektionen. [Aus dem pathologischen Institute der Universität Florenz. (Direktor: Prof. A. Lustig.)] Von Prof. &. Galeotti und Dr. E. Zardo. Die Untersuchungen, über welche wir jetzt berichten, knüpfen an die zahlreichen Arbeiten an, die in der Litteratur über Infektionskrank- heiten vorliegen und die Infektionen und Vergiftungen betrachten, welche vom Genuß verdorbener Nahrungsmittel — Vieh, Fische, Mollusken (Miesmuscheln, Austern) — hervorgerufen werden. Diese Krankheitsformen, welche sich im allgemeinen klinisch durch Erste Abt. XXXI. Bd, 39 G. Galeotti und E. Zardo, 594 yıosıoaun wogqaıq opuıny pun zu -ynH 'UOpImM 11912 -[[um osnzsneugg -umpS Aw oydpM “UOWUDMYISIOI puın wogouruey ‘uozyeyy ‘usqneL91p any 18 oqfosseet uoyyey U98891798 usyuy>S U91OIZI} -UT uOp 918 wop -ydeu ‘U9JUBIyIO usypyy pun osnem UIIEM UPPIOM yzyasaA TOSSEM sojIoIzIJUT Sn} -0IJ wOSOIp Ir ur 9yappM “SYISLT 9401 uaqlegs 'n U9JJUBIN -9 osuaqy "uadg -18]S 9.I9L], U9J.1994nJF -93 IsmM Aw Od uagqdeIs ISnB UOAIOTZIFUL uaınyny yaınp 9Iq STYLI -9Jug AOYISTDEgL -IOWEU UB uOALEIS OSnY U "HOTZHUL OLcT VEREIN F uw ayonso A ydıpuye U9UIXOISNUBYL usp PUIS JauIxoJ, 9Id "Ip ayos pums pun 99L], 9Ip u9404 adnzSnBUNN -UIJOS U9NIOIST[LLOIS UONEHILT YOANp orq Buy SF ıyos purs 947098 uouaITeyyuo us.ımTnyuaLIoIFeg u9p UI 9Ip U9098 -ep :3npo Sruom puıs „ursdag 9yqnpoIg Adrrs) SIEHT TA UUUYS ALLFEATU UI -@dIOY *,gg 1oyun umurgdoangerod -WIO], "U9Y9aLIaINBS -IOYNg y9eusyppA uayynpoL] UeOT on uoA Zunpx9 -IMJUN "ourefon) ‘pP ZunzpwysPpA -Zunpjiqus1ods "URPUeYy UoyDIL39M -99 AU “U9OTUOJOM opuny 'q Tuayes 9A UpgRH 877 nu ° JOyosrorgog snunn}og 'q -SYIgwuoyony n -umgos) I9P u9dunIopuRIs "uosnıpjayprods -P UONEISUIDICL 919 I 'SYIPIe9 -OAW yııeyey -u9oep "Yeurenb -sap pun 9rwe -d/y 1099] 19P UONEIIUIS -3([ 93199 918 -gyULIOWPH pun oıwersdAyuıy -%) pun -UOIOIN OJUELN your omoydurkg F7O9nIMZ yY9ınp -UIT9PEUOMW 991 -you UHP-IOMUOS -9I 9SOATIU usqaıg UPIPP -UB 199 ‘u9qTeIs oskreredieg ‚ma »puy UV uoryeadsoy] ı9p pun uorye] na) 19p “uon -9Igosppyorodg 2p USUNIOIS -(wusıgeng ‘ord -ofdıq ‘zunw -ye]suo8pouu -WOIIY ‘SISBLIP -AW ‘sısoJg) 913 -spdompegygdo { STILIOFYU90.LISBH) (u ‘9) uayummpS| urSuawIg UBA IITOLIIOA ge] pun ZW "punzjusjney -WIOTYOSULIECT u9seu93 (Tg) 9OU.LIEIT sıprgeamm sns901J|usIsIL, UOp TgoyusIy 'Yurs| “yıryeyuosen 3sInAasafe} (9) TUnyd "zolT 08 SUO9SSIONJF SN9I0IT — Zuedsny IPOL — [gen M 'qIopraA (F) ROIIBf seu93 919puR Iop ‘qre}s YSSPIPURAPS | SIIBINA SN9J0IT E= yueIyN ur — SOLPEYONEIH| (E) uuBWsSYOnTH u9LI9} -Jeg eIopue pun yasppyaA n (z) uusuu sn9j0IJ $,esneH — — — WINM "AQIOPPA -uUOYBIS SQYLLEIC Ssmageng STLIBSTNA SIILISJUM sang ‘uayd [ur yuemeysoy sn3}01I] $,70SneE | aydswWeyLiower] -- -9IgIT AOL T WOUTSNEYISTLT (1) AAar] on d Zus? duk UISTB0]0UIE uedsne owoydurks 947098 red -gosrwoyeue pun) -SIOUNUELY -SPOYJUEIY 9YIOTZIFUJ IEREEN 39ST30J0ISIH, en 1 2 20 S Re 595 Ueber einen aus dem „Murex bradatus“ isolierten pathogenen Mikroorganismus. I9g ueuoneyIxo} |pun SLıoyygdıq I9p | -uUJ 'n WOUONNOFUF UP PULS AUIXOL Alf snurnJog 'g — — — — (LI) 1NSA9ZIZEIBg zue/sqng ayaruye UIXOPLIOYFYAICT wop “Spa Hour „op NONSISSHTF SEI ED USISLERTTE -48 I9P YUIZIofyy) — Iyoamp Junge T CL snurnJog ‘gqı _ —_ — — 39* (OT) pudupy pun RAIL apunır) nz uouwoydurig uaTfoz U9SOATU UAIIMUIS -UIOU.PPIOA a97un uoduıd 19p sunıoys SIaıL USYPPUBUOA 197 "PURISTTOA (6) NPTIIOA uIxo] wop u 9rcf| WUIXOISNWSINIOF snurmIog "|U9Iı], uop og — -— — pun pudwoy uajfey.ıo nz umı 9% OPuU9YLM snw -sıInJog] UOp U9898 um pun uaToıstunuu -wIT NZ 9191], 9d1ıur “aA wep Zurj -93 sg "uoyfppuey 94 UOSnzZENBIOY usp yu op os -UagA "NOZ Jozımy ur uoqIBIS HALL, [Sy ayoas spe ydıs usy19ızızur usıny |u9soImMIE uaanymy -[ny_ uop m og Ep Yen] Id snurngog 'q — - == JoPpurAyS| (Kg) pudwoy epungag U9IOLL oqasıojoyyed Zuwdsne ounoydurks 97704 uB oyonsıoA oyqnporg Ay UOLIOINBA -yostwogsue pum| -SpOUyTELY -SPOUNUBLN en: AOSSBLIO A Syostdofostg] G. Galeotti und E. 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Galeotti und E. Zardo, schr schwere Störungen. des Magendarmkanals und gewisser Nerven- apparate und anatomisch-pathologisch durch cirkulatorische, degenerative und nekrotische Läsionen des Magens, des Darmes und anderer Organe kundgeben, sind mit mehreren Namen, wie Botulismus, Mytilismus, Ichthyosismus u. s. w., bezeichnet worden. Volle Unklarheit herrscht demnach in der Bestimmung und in der Klassifizierung der verschiedenen Krankheitsformen, besonders in Bezug auf ihre ätiologischen Momente. Um etwas Licht auf diese Frage zu werfen, halten wir es für zweck- mäßig, die hauptsächlichsten Angaben, welche wir aus der Litteratur ge- sammelt haben, in den vorhergehenden Tabellen zusammenzufassen. Aus den oben citierten Arbeiten können wir folgende Schlüsse ziehen: 1) Sowohl das verdorbene Fleisch als auch einige mit besonderen Bakterien infizierte Mollusken besitzen die Fähigkeit, gewisse Krank- heitsformen zu erzeugen, welche keinen spezifischen Charakter aufweisen und als gemeinsame Merkmale nur Magendarmstörungen und Läsionen und die Symptome einer allgemeinen Intoxikation zeigen. 2) Als Erreger dieser Krankheitsformen kommen Mikroorganismen verschiedener Art, sowohl pathogene als auch Saprophyten, in Betracht, welche letztere unter besonderen Bedingungen ihrer Umgebung, oder durch die verminderte Widerstandsfähigkeit des Tieres, das sie in seinen Magen einführt, pathogen werden. Sie sind folgende: a) Proteus vulgaris und P. mirabilis (Levy, Schatten- mann, Glücksmann, Jaeger, Pfuhl). b) B.enteritidis (Gärtner, Karlinski, Kaensche, Scheef, Barker). ; c) B. botulinus (van Ermengem, Barszczewski, Char- rin und Bordier, Römer, Hermann, Forrsmann). d) B. friedebergeusis (Gaffky und Pack). e) Bacillus Lustig’s (Lustig). f) B. mytilus (Zardo) und andere noch unbestimmte Bacillen. 3) Diese Bakterien wirken im allgemeinen als giftige Mikroorganis- men, aus welchen man Toxine leicht herausziehen kann, die dieselben Störungen und Läsionen bei den Tieren erzeugen, wie die lebenden Kulturen. Eine weitere bibliographische Frage, welche uns interessiert, betrifft die Anwesenheit pathogener Mikroorganismen oder Saprophyten, welche imstande sind, pathogen zu werden bei den als Nahrungsmittel dienen- den Mollusken. Unter diesen Bacillen werden die folgenden in der Lit- teratur erwähnt: 1) Der Typhusbacillus. — Innerhalb einer Auster fand Boyce (32) Mikroorganismen, welche sämtliche Merkmale des Typhusbacillus aufwiesen, und demselben Befunde begegnete Klein (33) in Bezug auf eine aus den schwimmenden Fischkästen, wo amerikanische Austern auf- bewahrt waren, entnommene Auster. Dieser Forscher fand später noch den Typhusbacillus innerhalb der in künstlich verunreinigtes Wasser versetzten Austern. Ebenso bemerkten Chantemesse (34) und Foote (35), daß dieser Bacillus sich auf den Geweben der Austern, die im infizierten Wasser leben, niederläßt und sich reproduziert. Ueber einen aus dem „Murex bradatus“ isolierten pathogenen Mikroorganismus. 603 2) Der Choleravibrio. — Klein (33) tauchte die Austern in etwas Meerwasser ein, zu welchem er Cholerakulturen hinzugefügt hatte, und prüfte nachher bakteriologisch in verschiedenen Zeiträumen den Inhalt dieser Mollusken. Er konnte so ermitteln, daß die in die Mol- lusken eingedrungenen Vibrionen allmählich ihre Giftigkeit gemildert und die Merkmale des Choleravibrio (und das besonders in Bezug auf die Poehl’sche Reaktion |Cholerarot]) verloren hatten. De Giaxa dagegen behauptet (36), daß der Choleravibrio wenige Stunden nach seinem Eintritt in die Austern verschwindet, wenn das Tier nicht beschädigt wurde. 3) Das Bacterium coli. — Chantemesse (34) fand den Coli- Bacillus innerhalb frischer Austern aus Marennes und Ostende und noch in portugiesischen und englischen Austern. Er betrachtet die Anwesen- heit dieses Mikroorganismus als ein Zeichen einer fäkalen Verun- reinigung. Boyce (32) fand noch innerhalb zahlreicher frischer Austern den Coli-Bacillus, den er aber als einen gewöhnlichen Darmgast dieser Mol- lusken betrachtet. Ebenso fand Klein (33) wiederholt diese Bakterie - im Innern der auf den Londoner Märkten gekauften Austern. Mosny (34) bestätigte durch die bakteriologische Untersuchung der aus den Teichen von Toulon und Cette entnommenen Austern denselben Befund; er behauptet jedoch, daß die Anwesenheit dieses Mikroorganismus un- beständig und er nur innerhalb der Austern zu entdecken ist, welche aus Teichen, deren Wasser verunreinigt ist, herkommen. 4) Andere Bakterien. — Die Proteus-Arten (P. vulgaris _ und P. Zenkeri) wurden von Boyce und Klein innerhalb der Austern gefunden. Lustig und Zardo, wie aus der vorigen Tafel hervorgeht, isolierten aus Mytilus edulis zwei verschiedene Mikro- organismen.. Nach dieser bibliographischen Einleitung gehen wir jetzt zu unseren eigenen Untersuchungen über. Im Dezember 1900 hörten wir von mehreren schweren Vergiftungs- fällen, welche bei Isola (Bezirk Capodistria, Oesterreich) vorgekommen waren, und Herr Prof. Lustig, der sich mit dem Studium solcher Krank- heitsprozesse schon beschäftigt hatte, wandte sich sofort an den Bezirks- arzt von Capodistria, um nähere Nachrichten zu erhalten und dem Arzte einige Fragen zu stellen. Dieser antwortete durch einen Brief, den wir hier, soweit derselbe uns interessiert, wiedergeben, und der die Sym- ptome und die anatomisch-pathologischen Prozesse der obenerwähnten Krankheitsformen ausführlich schildert. „Am 25. November 1900 erhielt ich die Nachricht, daß mehrere -Krankheitsfälle bei Isola entstanden waren, die nach der Ansicht des betreffenden Arztes einer Vergiftung zuzuschreiben waren. Ich begab - mich nach jener Stadt, wo ich 6 Familien besuchte, bei denen die Krank- - heit eine schwerere Form angenommen hatte. Nach sorgfältigen Unter- suchungen gelangte ich zu der Ueberzeugung, daß der Genuß gewisser Meerschnecken, welche hier ‚Garruse‘ genannt werden, diese Krankheits- - erscheinungen verursacht habe. Nähere Angaben stellten fest, daß im ganzen 43 Menschen erkrankt waren, welche ausnahmslos Meerschnecken gegessen hatten, die während der Tage vom 20.—22. November 5 Meilen von dem Strande entfernt, wo die Wassertiefe 20—25 m erreicht, ge- 604 G. Galeotti und E. Zardo, fangen worden waren. Es ist immerhin nicht ausgeschlossen, daß ent- weder in derselben oder in der vorhergegangenen Zeit noch weitere Krankheitsfälle ähnlicher Art vorgekommen sind, welche der Untersuchung entgangen sein dürften. Die Todesfälle stiegen bis auf 5. Die Krankheitssymptome setzten immer innerhalb kurzer Zeit nach dem Molluskengenusse mit quälenden Magenschmerzen und heftigem Er- brechen ein, selbstverständlich bei den einzelnen Kranken in verschiedener Intensität. Im weiteren Verlaufe traten andere Symptome auf, bei den leichteren Fällen nur undeutlich oder auch ganz ausbleibend: Kopf- schmerzen, brennender Durst, Hämaturie, Krämpfe, leichte Erytheme, Nasenblutungen, artikulatorische Sprachstörungen, Muskelschwäche, Be- nommenheit, Coma, Lähmungen, Herzparalyse. Ein mehr oder weniger ausgesprochener Ikterus fehlte in keinem Falle und erschien durchschnittlich zwischen dem 3. und 5. Krank- heitstage. Die meisten Kranken litten an Durchfällen; bei anderen dagegen, den schwersten Fällen, wurde Obstipation beobachtet. Im ganzen traten die Symptome bei denjenigen Patienten milder auf, welche weniger Meerschnecken gegessen hatten. Die an 4 von den 5 gestorbenen Patienten ausgeführte Autopsie zeigte bei allen die folgenden anatomischen Veränderungen: Ikterische Hautfärbung, spärliche Petechien, dagegen eine ungeheuere Menge durch das Unterhaut- und Muskelgewebe, die serösen Häute (besonders das Mesenterium), das Herz, die diaphragmatische Pleura zerstreute teils sehr kleine, teils bis zu 1!/, cm große Blutergüsse; akute fettige Leber- degeneration mit sternförmiger Kapillarinjektion, fettige Degeneration des Herzens und der Nieren; Kapillarinjektion, kleine rote Flecke auf der inneren Magenwand; Hyperämie, Injektion der Darmschleimhaut. Ich sandte die sämtlichen Eingeweide einer 45 Jahre alten Frau zum Zwecke der chemischen und mikroskopischen Analyse nach Triest. Die chemische Analyse schloß die Anwesenheit irgend welcher mine- ralischen oder vegetabilischen Giftes aus. Die mikroskopische Analyse wurde leider trotz der wissenschaftlichen Bedeutung des Falles nicht ausgeführt. Ebenso wurde kein gesundes Tier mit den Sekretionspro- dukten der Kranken injiziert. Dr. G. Beden, Bezirksarzt in Capodistria.“ Diesen Nachrichten zufolge baten wir den Bürgermeister von Isola um eine eilige Sendung einiger in derselben Gegend gefangener Meer- schnecken, wovon diejenigen hergekommen waren, welche die tödlichen Unfälle verursacht hatten. Die Schnecken wurden sofort geschickt, wofür wir dem Herrn Bürger- meister und Herrn Dr. Beden, die unseren Wunsch so freundlich er- füllten, zu Danke verpflichtet sind. Wir beschäftigten uns sofort mit der Bestimmung dieser Mollusken, wobei sie sich als „Murex bradatus“ erwiesen. Dann unternahmen wir eine bakteriologische Prüfung dieser Schnecken und besonders ihrer Leber. Bei der Isolierung der Mikroorganismen mußten wir bedeutende Schwierigkeiten überwinden, um jede Verunreinigung zu vermeiden, Schwierigkeiten, welche mit der Struktur der Mollusken eng verbunden sind. Sie sind von einer kalkhaltigen, erheblich harten Hülle umgeben, welche nach der Art der anderen Gasteropoden gebaut ist, bei welchen die Ueber einen aus dem „Murex bradatus“ isolierten pathogenen Mikroorganismus. 605 Leber in der Tiefe versteckt ist. Wir hatten es darum nötig, um dieses Organ zu entblößen, die Hülle mit den osteotomischen Scheren aufzu- schneiden; dann verbrannten wir die Oberfläche der bloßgelegten Leber mittels einer glühenden Messerklinge und entnahmen dann mittels Platin- drahtes den Stoff für die Isolierung in Agar und Gelatine Wir be- nutzten aber zur bakteriologischen Prüfung auch noch andere Organe. Außer den gewöhnlichen Isolierungen auf den Kulturböden machten wir durch direkte Infektionen der Tiere noch weitere Isolierungen (siehe: Experimente an den Tieren. No. 1) und erhielten in sämtlichen Fällen reine Kulturen eines mit den folgenden morphologischen und biologischen Eigenschaften versehenen Bacillus. Biologische Eigenschaften des aus den Murex und aus dem mit denselben injizierten Tieren isolierten Bacillus. Morphologische Eigenschaften. — Dicker, nicht einge- schnürter, an den Enden abgerundeter Bacillus, der sich durch die ge- wöhnlichen Anilinfarben gleichmäßig tingieren läßt. Er ist 1,6—1,7 u lang und 0,7 « dick und leistet keinen Widerstand weder der Gram- schen Methode noch der mittels Alkohol und Säure, nach intensiver Färbung durch karbolsaures Fuchsin, durchgeführten Entfärbung gegen- über. Häufig paaren sich die Bacillen, ohne jedoch lange Fäden zu bilden. Involutionsformen wurden selbst bei alten Kulturen nicht beob- achtet. Die Beweglichkeit der Bacillen ist nicht erheblich; doch sieht man, wenn man eine Bouillonkultur in hängenden Tropfen beobachtet, die Bacillen, soweit sie isoliert sind, durch das mikroskopische Feld wan- dern; wenn sie gepaart sind, erscheinen sie meistens unbeweglich. n Es gelang uns nicht, lange Wimpern- und Sporenbildung zu beob- achten. Biologische Eigenschaften. — Was die Verhältnisse der Temperatur gegenüber betrifft, so können wir sagen, daß der während der ersten Experimentreihe isolierte Bacillus sich bei 25° gut entwickelte, Be bei 37°, wenn er mit den anaörobischen Methoden behandelt wurde. Aus der zweiten Versuchsreihe wird man ersehen, daß der Bacillus, welcher gleich nach seiner Isolierung aus den Mollusken bei 37° ent- wickelungsunfähig erschien, sich durch zweckmäßige Uebertragungen auf die Tiere und anaörobische Kulturen dieser Temperatur angewöhnte. Er ist ein fakultativer Aörobe und vermehrt sich ebensogut auf der Oberfläche wie in der Tiefe der Nährböden und unter verschiedenen an- a&robischen Methoden. Kulturen. — Auf den Gelatineplatten vermehrt sich der Bacillus in Form abgerundeter, scharf abgegrenzter, unbeweglicher, grau-perl- mutterartiger, die 10-proz. Gelatine nicht verflüssigender Kolonieen. Der Stichgang ist mit Kolonieen gleichmäßig überzogen und von ihm ab strahlt gleichsam eine Wolke anderer ganz kleiner Kolo- nieen aus. Auf den Agarplatten entwickeln sich bei 25° sowohl kleine, runde, graue, durchsichtige, schillernde Kolonieen als auch große Kolonieen, die später zu einem einzigen Flecke zusammenfließen. Auf den schrägen Agarkulturen beobachtet man, dem Impfstriche entlang, eine gleichmäßige, grau-perlmutterartige, schillernde Trübung. 606 G. Galeotti und E. Zardo, Wenn man die anaörobischen, schrägen Agarstrichkulturen mit einer neuen Agarschicht überzieht, so beobachtet man zwischen den beiden Nährbodenschichten eine wenig dicke, jedoch auffallende Trübung. Nach und nach entwickeln sich Gasblasen, welche durch ihr Größerwerden den a zerreißen, unter dessen Bruchstücken erhebliche Höhlungen übrig eiben. In Bouillon erhält man sowohl bei den aörobischen als bei den anaörobischen Kulturen eine gleichmäßige Trübung ohne oberflächliche Häutchen. Auf Blutserum entstehen getrennte Kolonieen, welche denjenigen ähnlich sind, die auf dem Agar wachsen. Die pathogenetischen und toxischen Eigenschaften dieses Mikroorga- nismus gehen aus den folgenden Experimenten hervor. Was seine Klassifizierung betrifft, so können wir nichts Genaues sagen. Durch gewisse morphologische und kulturelle Kennzeichen nähert sich der Bacillus einigen von denjenigen, welche bei Intoxikationsfällen aus verdorbenem Fleische und Mytilismus beschrieben wurden, während er von denselben durch andere Kennzeichen abweicht, so daß es un- möglıch ist, diese Bakterie mit irgend welcher der bisher bekannten zu identifizieren. Jedenfalls steht es fest, daß er der Bacillengruppe der hämorrhagischen Septikämie nahesteht. Erste Versuchsreihe. I. Infektion mittels der Meerschnecken. — Eine gewisse . Menge von Molluskenlebern wurde in einer Reibschale zerrieben, der- selben ein wenig sterilisierte Bouillon hinzugefügt, dann der Auszug durch sterilisierte Gaze filtriert, dann ausscheiden gelassen und de- kantiert. | Mit der so zubereiteten Flüssigkeit wurden 4 Meerschweinchen und 4 Kaninchen behandelt. 1. und 2. Meerschweinchen. —-Jedem Tiere werden 3 cem Auszug ins Peritoneum injiziert. Tod nach 24 Stunden. Man bereitet mit dem peritonealen Exsudate a@robische und anaörobische Kulturen. Die aöro- bischen bleiben steril; in den anaörobischen entwickeln sich Gasblasen. Die Kulturen aus dem Blute bleiben steril. Die Sektion ergab: Im Peritoneum mäßige Ansammlung serös-hämorrhagischer Flüssigkeit, die nach der mikroskopischen Analyse aus spärlichen Leukocyten und roten Blutkörperchen zusammengesetzt ist, und einen Bacillus, wie in einer Reinkultur, enthält. Die äußere Oberfläche der Darmschlingen ist hyper- ämisch. Gefäße des Mesenteriums und des Epiploons stark injiziert. Die Leber, von normaler Größe, erscheint etwas blaß; aus dem Schnitte fließt wenig Flüssigkeit heraus. Die Nieren, deren Volumen unverändert ist, sehen etwas matt aus; die Kapsel läßt sich leicht aufrollen; die Schnittfläche ist ebenso blaß. Die Milz, von normalem Umfange, ist zerbrechlich. Das Herz, im Zustande der Diastole, enthält flüssiges, dunkles Blut. Lungenödem. 3. und 4. Meerschweinchen. — Jedes erhält 3 cem Auszug unter die Haut. Tod nach 48 Stunden. Die Sektion ergiebt schwere, ent- zündliche Reaktion mit sehr starkem Oedem um den Injektionspunkt. Die Eingeweide erscheinen wenig verändert. Die mit dem Oedem ein- seimpften Kulturen zeigen die Vermehrung des erwähnten Mikroorga- nismus. Diejenigen, welche mit Blut eingeimpft wurden, bleiben steril. 2 « F Ueber einen aus dem „Murex bradatus“ isolierten pathogenen Mikroorganismus. 607 1. und 2. Kaninchen. — Jedes bekommt 5 cem Auszug ins Perito- neum. Tod nach 24 Stunden. Die Sektion ergiebt eine hämorrhagische Peritonitis. Das Exsudat enthält, wie in einer Reinkultur, den er- wähnten Mikroorganismus. Die Magendarmschleimhaut zeigt schon eine schwere hämorrhagische Entzündung. 3. Kaninchen. — Empfängt 5 cem Auszug unter die Haut. Tod nach 5 Tagen. Es ist sehr-abgemagert. Um den Injektionsort findet man einen großen, käsigen Herd, welcher das subkutane Zellgewebe einimmt. Innerhalb der Lungen beobachtet man dunkle, dreieckige Flecke. Das Herz, im diastolischen Zustande, enthält flüssiges Blut. Stauungsleber. Milz von normalem Umfange. Nieren hyperämisch. Die Gefäße des Darmes, des Mesenteriums, des Epiploons sind injiziert. Harnblase sehr voll. Die aörobischen und anaörobischen Kulturen aus der subkutanen Infiltration und aus dem Blute bieten einen positiven Erfolg. Man bearbeitet Präparate durch Austrocknen der subkutanen Infiltration, mittels Loeffler’scher und Ziehl’scher Flüssigkeit. Man - findet viele Bacillen. I. Vergiftungen durch sterilisierte Schneckenex- trakte. — Ein nach der oben angegebenen Methode zubereiteter Aus- zug wurde durch die Chamberland'’sche Kerze filtriert. Mit dem auf seine Sterilität durch die Kulturen geprüften Filtrate wurden die folgen- den Tiere behandelt: 1. und 2. Meerschweinchen. — Jedes Tier bekommt 5 ccm Auszug in das Peritoneum. Tod nach 48 Stunden. Die Sektion ergab: Serös- eiterige Flüssigkeit in der Bauchhöhle. Die äußere Oberfläche der Darm- schlingen erscheint hyperämisch. Gefäße des Mesenteriums und des Epiploons stark injiziert. Unter den Darmschlingen und auf der oberen und unteren Leberoberfläche sieht man fibrinöse Fetzen (fibrinös-eite- riges Exsudat). Die mit diesen Fetzen überzogene Leber sieht etwas blaß aus; ihr Volumen ist unverändert. Nieren auch blaß. Milz zer- brechlich. Das Herz im diastolischen Zustande, weich, enthält dunkles Blut. Lungenödem. | 1. Kaninchen. — Das Tier bekommt 5 cem Auszug in die Randader des Ohres.. Tod nach 5 Tagen. Die Sektion ergiebt innerhalb der Lungen 3 dunkle, dreieckige Flecke, deren Basis nach der Peripherie zugewandt ist, und welche in das Lungenparenchym eindringen und aus dem Schnitte einen blutigen Saft fließen lassen. Das Herz ist im dia- stolischen Zustande, außerordentlich weich und erweitert, und enthält große, mit flüssigem Blute gemischte Gerinnsel. Stauungsleber. Die nicht vergrößerte Milz ist zerbrechlich. Die Nieren, von normaler Größe, sind hyperämisch ; die äußere Oberfläche der Darmschlinge zeigt stark injizierte Gefäße. Der Blinddarm ist durch Gase enorm gespannt, die Gefäße des Mesenteriums sind injiziert. Die Blase ist voll Harn. Die aörobischen und anaörobischen, mit Blut eingeimpften Kulturen bleiben steril. III. Infektionen mit den Kulturen. — Mittels der von dem- jenigen Meerschweinchen erhaltenen anaörobischen Kulturen, welches infolge der intraperitonealen Schneckenauszugsimpfung gestorben war, werden 2 neue Meerschweinchen infiziert. 1. Meerschweinchen. — Das Tier bekommt 3 ccm einer Kultur- emulsion in die Bauchhöhle. Tod nach 24 Stunden. Die Sektion er- giebt: Eiterige Peritonitis, ödematöse Infiltration um die Injektionsstelle. 608 G. Galeotti und E. Zardo, Stauungsleber. Nieren hyperämisch. Milz vergrößert. Man impft mit dem Blute und der Peritonealflüssigkeit a@robische und anaörobische Kulturen. Nur die aörobischen geben einen positiven Erfolg. 2. Meerschweinchen. Subkutane Injektion mit 3 ccm derselben Emulsion. Tod nach 24 Stunden. Obduktion: Erhebliches subkutanes Oedem und große Flüssigkeitsansammlung in den niederen Körperteilen. Haut sehr gerötet. Eingeweide unverändert. Mit der Oedemflüssigkeit werden anaörobische Kulturen hergestellt. Positiver Erfolg; dagegen bleiben die mit Blut geimpften Nährböden steril. IV. Injektionen in den Magen. Mit der aus den oben er- wähnten Meerschweinchen erhaltenen Kultur werden 2 Kaninchen und 1 Hund infiziert. 1. Kaninchen. Gewicht: 886 g. Seit einem Tage nüchtern. 3 ccm der Kulturemulsion werden in den Magen nach Neutralisation durch kohlensaures Natrium injiziert. Tod nach 5 Tagen. Obduktion: Kleine und größere Lungeninfarkte. Herz weich, Herzmuskel blaß. Keine Flüssigkeit in der Bauchhöhle. Stauungsleber. Milz normal. Nieren hyperämisch, von normaler Größe. Magenaußenseite normal; die Schleim- haut zeigt Blutergüsse und erscheint bei dem Pylorus gerötet. Kleine dunkle Flecke tief in der Schleimhaut. Der Darm enthält flüssigen, mit Schleim gemischten, im Dünndarme fast farblosen Kot. Dünndarm- schieimhaut hyperämisch. Auf mehreren Stellen bemerkt man kleine sternförmige Geschwüre. In den mit dem Inhalte des Dünndarmes und dem Herzblute hergestellten aörobischen und anaäerobischen Kulturen beobachtet man den erwähnten Bacillus. 2. Kaninchen. Gewicht: 1416 g. Man injiziert in den Magen bei normalem Magensafte 5 ccm einer mit Agarkultur zubereiteten Emulsion. Tod nach 8 Tagen. Obduktion: Die zwei oberen Lappen beider Lungen erscheinen bedeutend vergrößert, verhärtet und wie genarbt. Herz im Zustande der Diastole, weich, Herzmuskel blaß. Keine Flüssigkeits- ansammlung in der Bauchhöhle; Stauung in den Mesenterialgefäßen. Stauungsleber, Volumen etwas vermehrt. Nieren hyperämisch. Milz normal. Der Magen enthält Nahrung. Pylorushyperämie. Hämorrhagieen unter der Schleimhaut. Darm hyperämisch; überall unter der Schleim- haut zahlreiche beschränkte Hämorrhagieen. Die aus dem Darme und dem Blute erhaltenen aörobischen und anaörobischen Kulturen geben einen positiven Erfolg. 1. Hund. Gewicht: 5 kg. Er frißt zwei mit Fleisch und Brot ge- mischte anaerobische Kulturen. Tod nach 33 Stunden. Obduktion: Lungen normal. Herz weich, enthält flüssiges Blut; Herzmuskel blaß; zahlreiche Blutergüsse auf den Vorhöfen. Auf der Leber, deren Volumen ungefähr normal erscheint, beobachtet man dunkelrote und gelbliche Flecke. Milz normal, rosafarbig. Nierenvolumen erweitert; die Kapsel läßt sich leicht aufrollen. Aeußere Oberfläche mit violetten und blaß- gelblichen Flecken bestreut. Innere Oberfläche blaß. Gefäße gefüllt. Magen und Darm hyperämisch; Hämorrhagieen unter der Schleimhaut. Peyer’sche Plaques geschwollen. Die mit Blut hergestellten Kulturen erweisen sich als positiv. B V. Versuche mit den Kulturfiltraten. Wir bereiten einige mit Bouillon gefüllte Kolben nach der Hueppe’schen Methode und nach dem Impfen ersetzen wir die Luft durch Wasserstoff. Nach einer Woche Entwickelung bei 37° C, Filtrieren der Kulturen durch die > en VER te u eh, u An A A Ueber einen aus dem „Murex bradatus“ isolierten pathogenen Mikroorganismus. 609 Chamberland’sche Kerze und nach Prüfung des Filtrates auf seinen sterilen Zustand Uebergang zu den folgenden Versuchen: 1. Kaninchen. Gewicht: 1260 g. — 5 ccm Filtrat werden in das Peritoneum injiziert. Tod nach 4 Tagen. Obduktion: Hepatisation eines ganzen Lungenlappens; in den übrigen Lappen erhebliche Infarkte nebst Hämorrhagieen unter der Pleura. Wenig Flüssigkeit in der Bauchhöhle. Mesenterium sehr gerötet. Mesenterialgefäße verstopft. Sehr erweiterter Magen, mit Hämorrhagieen unter der serösen Haut; Magenschleimhaut gerötet und teilweise zerstört. Leber vergrößert, blaß. Nieren blaß, von normaler Größe. Der Harn enthält Eiweiß. 2. Kaninchen. Gewicht: 1210 g. Es bekommt 3 cem Filtrat in die Bauchhöhle. Tod nach 5 Tagen. Obduktion: Zahlreiche Lungeninfarkte von verschiedener Größe. Das Herz im Zustande der Diastole, weich, enthält flüssiges Blut. In der Bauchhöhle beobachtet man eine erhebliche venöse Stauung. Darm und Magen gerötet. Schleimhaut hyperämisch und hier und da geschwürig. Leber gelblich. Milz zerbrechlich. Die Nieren sind blaß und enthalten hämorrhagische Flecke. Der Harn ent- hält Eiweiß. 1. Meerschweinchen. Gewicht: 443 g. Empfängt 3 ccm Filtrat in das Peritoneum. Tod nach 2 Tagen. Obduktion: Lungen fast ganz in- filtriert. In der Bauchhöhle ein wenig Exsudat; Schleimhaut gerötet. Leber vergrößert, blaß. Milz zerbrechlich. Aeußere Oberfläche des Magens und des Darmes sehr hyperämisch; die innere zeigt erhebliche epitheliale Zerstörungen. Nieren von normaler Größe, blaß, mit glänzender Schnittfläche. 3. Kaninchen. Gewicht: 900 g. Erhält subkutan 5 ccm Filtrat. Tod nach 6 Tagen. Obduktion: Breite und zahlreiche Lungeninfarkte. Herz blaß und weich. Blutergüsse unter der Schleimhaut des Magens und des Darmes und sehr breite Epithelialzerstörungen, die an einigen Stellen und besonders in dem Blinddarme als ausgedehnte Geschwüre erscheinen. Leber- und Milzstauung. Nieren blaß, etwas vergrößert. 2. Meerschweinchen. Gewicht: 750 g. Erhält 5 cem Filtrat in die Bauchhöhle. Tod nach 8 Tagen. Obduktion: Reichliche Lungeninfarkte und Blutergüsse unter der Pleura.. Das Herz ist weich und enthält flüssiges Blut. Die Bauchhöhle enthält ein wenig Exsudat; die seröse Haut ist überall gerötet. Stauung in den Mesenterialgefäßen. Hämor- rhagieen unter der Magen- und Darmschleimhaut. Die Schleimhaut des ganzen Verdauungskanals ist hyperämisch; hier und da sieht man kleine Geschwüre; die Lymphfollikel sind verstopft. Erweiterte Stauungsleber. Milz vergrößert, zerbrechlich. Nieren gestreift; Hämorrhagieen unter der Kapsel und in dem Parenchym. 3. Meerschweinchen. Gewicht: 440 g. Erhält 5 ccm Filtrat subkutan. Tod nach 8 Tagen. Obduktionsbefund dem vorhergehenden ähnlich. 4. Meerschweinchen. Gewicht: 320 g. Erhält 3 ccm Filtrat subkutan. Tod nach 5 Tagen. Obduktion: Lungen teils im Hepatisationszustande, teils mit kleinen Infarkten und subpleuralen Hämorrhagieen besät. Das Herz ist erweitert und enthält flüssiges Blut. Peritoneum und Mes- enterium gerötet. Der Magen und der Darm zeigen die erwähnten ‚hämorrhagischen und degenerativen Veränderungen. Die Leber ist ver- größert und sieht, gelber Flecke wegen, wie marmoriert aus. Milz zer- reibbar. Nieren durch parenchymale Hämorrhagieen gestreift; das Parenchym blaßgelblich gefärbt. Erste Abt. XXXI, Bd. 40 610 G. Galeotti und E. Zardo, Zweite Versuchsreihe. Nach den Unfällen im November 1900 wurde in Isola der Gebrauch der von der Gegend, woher die infizierten Mollusken stammten, her- kommenden Meerschnecken unterbrochen, infolgedessen kein neuer Ver- siftungsfall zu unserer Kenntnis gebracht wurde. Im November 1901 baten wir nochmals den Bürgermeister von Isola um die Zusendung anderer „Garruse“, um zu ermitteln, ob man aus diesen denselben Mikroorganismus isolieren könnte, den wir vorher gefunden hatten. Darauf schickte der Bürgermeister von Isola eine zureichende Menge „Garruse“, welche aus derselben Gegend stammten, von wo einst die giftigen ent- nommen worden waren; sie trafen in frischem Zustande ein und wurden zum Gegenstande folgender Versuche gemacht: Kulturen aus den Meerschnecken. Die Substanz für die Impfungen wurde aus der Molluskenleber mit den zuerst angegebenen Vorsichtsmaßregeln entnommen und es wurden Kulturen auf Gelatineplatten, auf Agar, Strich- und Stichkulturen auf Gelatine, auf Serum und auf Agar und anaörobische Kulturen her- gestellt. Mehrere von diesen wurden bei 25°, andere bei 37° gehalten. In allen, sowohl a@robischen als anaerobischen, bei 25° gehaltenen Kulturen entwickelten sich Mikroorganismenkolonieen, welche mit den in der ersten Versuchsreihe beschriebenen identisch erschienen. In den bei 37° gehaltenen Röhren vermehrte sich kein Mikroorganismus. Dies Ereignis überraschte uns sehr, weil die früher isolierten Bakterien sich bei Körpertemperatur gut entwickelten, vorausgesetzt, daß sie nach der anaörobischen Methode behandelt wurden. Nicht einmal bei 37° wurden fortpflanzungsfähige Mikroorganismen durch Uebertragungen erhalten, welche mit bei 25° gehaltenen Kulturen ausgeführt wurden. Versuche an Tieren. I. Infektionen durch Einnehmen von Meerschnecken. 1) Mehrere aus der Schale herausgezogene Mollusken wurden in einen Käfig, in dem drei nüchterne Mäuse eingeschlossen waren, ge- bracht. Man konnte feststellen, daß ein wenig Schneckenfleisch nach 24 Stunden gefressen worden war; doch starb keine Maus. 2) Etwa 20 Mollusken wurden unter Anwendung der oben er- wähnten antiseptischen Maßregeln aus der Schale herausgezogen, dann in einer Reibschale, unter Zusatz von etwas steriler Bouillon, zerrieben. Mit der durch die Gaze filtrierten Flüssigkeit wurden dann die Tiere auf folgende Weise behandelt: Maus ’/, ccm subkutan 1 ” UTLOT ” . „ !/; „ in das Peritoneum 1 ” Y / AUSB PATE 17 Meerschweinchen 5 „ subkutan ” 1 Ede » A n !/, „ in das Peritoneum ” 1 ” ” ” br) Die Mäuse erschienen einige Tage hindurch krank, erholten sich jedoch bald wieder. Die Meerschweinchen verzichteten niemals auf die Nahrung und erschienen gar nicht krank. » u he a a ne u u u + 72 Dr dl : r f Ueber einen aus dem „Murex bradatus“ isolierten pathogenen Mikroorganismus. 611 II. Infizierung der Tiere durch die Kulturen. 1) Mit einigen a@robischen, bei 25° gehaltenen und gut entwickelten Kulturen wurde eine Mikroorganismenemulsion in Bouillon hergestellt und 4 Mäuse, teils subkutan, teils in das Peritoneum injiziert. Keine von diesen starb. 2) Dieser Versuch wurde mittels anaörobischer, auch bei 25° ent- wickelter Kulturen an 3 Mäusen wiederholt, deren 2 in das Peritoneum und 1 subkutan injiziert wurde. Die in das Peritoneum injizierten Tiere starben nach 24 Stunden, das andere erkrankte zwar, erholte sich aber wieder. Die Obduktion ergab: Spärliches Peritonealexsudat; gerötetes Peri- toneum mit hämorrhagischen Flecken; Magendarmschleimhaut stark ge- rötet und an einigen Stellen geschwürig; Milz vergrößert; Lungen- hepatisation. Die mikroskopische Prüfung erwies die Anwesenheit sehr spärlicher Bakterien; kein Mikroorganismus im Blute. 3) Aörobische und anaörobische Kulturen werden mit dem Perito- nealexsudate und dem Blute hergestellt und bei 25° und 37° gehalten. Die mit dem Blute geimpften blieben steril. Die mit dem Peritonealexsudate geimpften, bei 25° gehaltenen Kul- turen ergaben wenige, rasch zunehmende Kolonieen, die bei 37° ent- wickelten zeigten auch sehr wenige und kleine Kolonieen, welche sich sehr langsam vermehrten. 4) Aus den anaörobischen, bei 25° gehaltenen Kulturen erhält man Bouillonkulturen, welche in einem zugeschlossenen, Pyrogallol und Kali- lauge enthaltenden Gefäße bei 25° aufbewahrt werden. Nach 3 Entwickelungstagen infiziert man mittels dieser Kulturen 2 Mäuse, welche !/,—'/;, ecem Kultur in die Bauchhöhle empfangen. Beide starben nach 3 Tagen. Die Obduktion zeigte Rötung des Peritoneums und des Darmes; hyperämische und teilweise geschwürige Schleimhaut; Hepatisation einiger Lungenlappen. Mit der Peritonealflüssigkeit und mit dem Blute werden aörobische und anaörobische Kulturen geimpft. Von diesen werden einige bei 25°, andere bei 37° gehalten. Alle entwickelten sich schnell und reichlich. Das Wachstum der anaörobischen, bei 37° aufbewahrten Kulturen zeichnete sich durch die Entbindung einer erheblichen Menge von Gas aus, dessen zusammen- fließende Blasen große Agarschichten auseinandertrieben. 5) Mit den anaörobischen Kulturen (!/,—!/, ccm) wurden 2 Mäuse injiziert, die nach 24 Stunden starben. Die Sektion ergab die gewöhn- lichen Befunde. Die aörobischen und anaörobischen Kulturen entwickeln sich gut, sowohl bei 25° als bei 37°. 6) Die aus den eben erwähnten Mäusen erhaltenen Kulturen werden 3 Mäusen (je '/, cem Emulsion) in die Bauchhöhle injiziert. Die Mäuse werden den folgenden Tag tot gefunden. Die Obduktion zeigt unbedeutende Veränderungen, was aus dem schnellen Krankheitsverlaufe wohl zu erklären ist; bei einem von diesen Tieren fand sich in der Bauchhöhle eine mäßige Menge eiterigen Exsudates. Die aörobischen, anaörobischen und auf den Gelatineplatten her- gestellten Kulturen enthalten den erwähnten Mikroorganismus. 7) Weitere von Herrn Dr. Tiberti durchgeführte Untersuchungen, welche die durch den erwähnten Mikroorganismus auf Tieren erzeugten histologischen Veränderungen berücksichtigten, bewiesen, daß die Bak- 40* 612 G. Galeotti und E. Zardo, terien durch die dargestellten Uebertragungen ihre Giftigkeit auch für Kaninchen wiedererlangt hatten. Schlußfolgerungen. Die Resultate der vorstehenden Untersuchungen können wir in fol- sender Weise kurz zusammenfassen: 1) Aus den in derselben Gegend gefangenen Meerschnecken, woher diejenigen gekommen waren, welche die oben beschriebenen Krankheits- bilder erzeugt hatten, haben wir zuerst einen mit so heftigen patho- genetischen Eigenschaften versehenen Bacillus isoliert, daß die mit ihm sowohl durch den Magen, als durch die Bauchhöhle, durch den cirkula- torischen Apparat oder durch die Haut infizierten Tiere (Mäuse, Meer- schweinchen, Kaninchen) nach kurzer Zeit zu Grunde gingen. 2) Die besonders aus cirkulatorischen (Hämorrhagieen, Infarkten), degenerativen und nekrotischen Läsionen bestehenden anatomischen Ver- änderungen erscheinen denjenigen sehr ähnlich, welche die Obduktion bei den am Genusse infizierter Meerschnecken (Murex bradatus) gestorbenen Patienten erwies. Wenn man bei diesen Befunden bedenkt, daß die chemische Ana- lyse die Anwesenheit irgend welchen Giftes bei den pathogenetischen Meerschnecken ausschloß, welches zur Annahme einer durch einfache Intoxikation entstandenen Krankheitsform führen könnte, so dürfen wir es als wahrscheinlich betrachten, daß sämtliche in Isola nach dem Ge- nusse der „Garruse“ beobachteten Fälle dem von uns isolierten Mikro- organismus zuzuschreiben sind. Wir verheimlichen uns trotzdem nicht, daß dafür noch der direkte Beweis fehlt, welcher durch die bakterio- logische Untersuchung der Kranken und der Leichen hätte erbracht werden müssen. 3) Durch die klinischen und anatomisch-pathologischen Merkmale sowohl der Patienten als der experimentell infizierten Tiere, welche be- weisen, daß die Veränderungen (selbst wenn der Mikroorganismus unter die Haut, in das Peritoneum, in die Venen eingeführt wurde) besonders auf den Verdauungsapparat beschränkt sind, nähern sich die in Rede stehenden Infektionen den verschiedenen von dem Genusse verdorbenen Fleisches oder anderer Mollusken hervorgerufenen Krankheitsformen. Die oben gegebene Bibliographie spricht deutlich genug hierfür. 4) Der von uns isolierte Mikroorganismus gehört zu den toxischen Bakterien, d.h. er wirkt durch Toxinbildung pathogen. Dementsprechend ist es uns gelungen, dasselbe Krankheitsbild und dieselben anatomischen Veränderungen bei den Tieren, sowohl durch die sterilen Filtrate als durch den lebenden Mikroorganismus, hervorzurufen. Auch von diesem Standpunkte aus nähern sich diese Infektionen den anderen in der Bibliographie erwähnten, welche im allgemeinen einen toxischen Charakter erwiesen haben. 5) Während der zweiten, ein Jahr nach der ersten durchgeführten Versuchsreihe haben wir denselben Mikroorganismus in den Meer- schnecken (Murex bradatus) gefunden, welcher während der ersten Untersuchungsreihe isoliert worden war. Doch waren die Bakterien gleich nach ihrer Isolierung bei 37° weder vermehrungsfähig noch für die Tiere pathogenetisch. Aber mehrere Uebertragungen auf die Tiere und die Anwendung der anaörobischen Methoden genügten, um sie an 37° zu gewöhnen (so daß man eine erhebliche Vermehrung bei dieser | de nd ı u re Zu [U da De 2 ou u a de Zu a ie u a A u WE 2 0 gu. „ 1 il u Da 3o u ld 1 a a u u da a | PS Ueber einen aus dem „Murex bradatus“ isolierten pathogenen Mikroorganismus. 613 Temperatur erhielt) und außerdem ihre für die Tiere pathogenetische Wirkung wiederherzustellen. 6) Es scheint deshalb, daß der von uns isolierte Mikroorganismus ein gewöhnlicher Gast der Meerschnecken, die in einigen Küstengegen- den um Isola leben, ist und daß dieser im allgemeinen nicht pathogene- tische Mikroorganismus die Fähigkeit besitzt, unter gewissen Bedingungen heftige pathogenetische Eigenschaften zu erwerben, welche auf. die Menschen, die solche Schnecken zu sich nehmen, sehr unheilbringend wirken. Auf diese Weise kann man es erklären, warum dieselben Meer- schnecken, welche viele Jahre lang den Einwohnern von Isola eine harmlose Nahrung geliefert hatten, plötzlich schwere Krankheitserschei- nungen verursacht haben. Wie aus der oben gegebenen Bibliographie hervorgeht, ist die An- wesenheit gewisser Mikroorganismen, welche pathogenetische Eigen- schaften besitzen oder erwerben können, innerhalb verschiedener Mol- luskenarten (Austern, Miesmuscheln) gar keine Seltenheit, und diesem Umstande darf man auch wohl die Krankheits- oder Todesfälle, welche dem Genusse der sogenannten „Garruse“ (Murex bradatus) folgten, zurechnen. Litteratur. 1) Levy, Experimentelles und Klinisches über die Sepsinvergiftung. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. XXXIV. 1894. p. 342.) 2) Schattenmann, Beitrag zur Kenntnis der Wurst- und Fleischvergiftungen. [Diss.] München 189. 3) Glücksmann, Ref. Hyg. Rundschau. 1899. p. 1250. 4) Jaeger, Zeitschr. f. Hyg. 1892. p. 525. 5) # x 3: Massenerkrankung nach Wurstgenuß. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXXV. 1900. eit 2.) 6) van Ermengem, Untersuchungen über Fälle von Fleischvergiftung mit Sym- ptomen des Botulismus. (Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XIX. 1896. p. 448) 7) — —, Ueber einen neuen anaeroben Bacillus und seine Beziehungen zum Botulis- mus. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXIV. p. 1.) 8) Kempner, Weiterer Beitrag zur Lehre von der Fleischvergiftung. Das Antitoxin des Botulismus. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. III. p. 481.) 9) Kempner und Pollack, Die Wirkung des Botulismustoxins (Fleischgiftes) und ne spezifischen Antitoxins auf die Nervenzellen. (Dtsch. med. ee r. No. 32. 505.) 10) eur und Kempner, Beitrag zur Lehre von der Fleischvergiftung. (Dtsch. med. Wochenschr. No. 33. p. 521.) 11) Barszczewski, Ueber Intoxikation mit Fleischprodukten. (Gaz. lekarskaia. No. 42, 100.) 12) har; in et Bordier, Action 0 proprietes sp£ciales de la botuline. (Compt. ‚rend. de la soc. de biol. No. 2. 0. 13) Römer, Ein Beitrag zur Bolapia des Botulismus. (Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XX VII 1900. p. 25.) 14) Hermann, X. Kongreß für Hygiene zu Paris. (Ref. im Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXIX. 1901. No. 17.) 15) Forssman, Beitrag zur Kenntnis der Bakteriologie 'des Botulismus. (Oentralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXIX. No. 12 .) 16) Gärtner, Ueber die Fleischvergiftung in Frankenhausen auf dem Kyffhäuser und der Erreger derselben.. (Korrespondenzbl. d. allg. ärztl. Ver. in Thüringen.) 17) Karlinski, Zur Kenntnis des B. enteritidis Gärtner. (Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. VI. 1889. No. 11.) 18) Günther, Bakteriologische Untersuchungen in einem Falle von Fleischvergiftung. (Arch. f£. Hyg. Bd. XKVL. 1896.) 19) Barker, Note on cases of ne poisoning. (Brit. med. Journ. Vol. II. p. 1367.) 20) Kaensche, Zur Kenntnis der Krankheitserreger bei Fleischvergiftungen. (Zeitschr. f. Hyg. Bd. XXI. P.:53.) 614 M.v. Kurlow, 21) Scheef, Bericht über die in Horb und Umgegend im September 1896 vorgekom- menen Erkrankungen nach Genuß von Leberwurst. (Med. Korrespondenzbl. des Württemb. ärztl. Landesver. No. 43. p. 391.) Ki i 22) Basenau, Verdere bijdragen tot de geschiedenis van de vleeschvergiftigingen. [Diss.] Amsterdam 1900. 22bis) Nauwerck, Württemb. Korrespondenzbl. 1886. No. 20. 23) Arustimoff, Ueber die Natur des Fischgiftes. (Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. IX. 1891. No. 4.) 24) Gaffky und Pack, Ein Beitrag zur Frage der supuranten Wurst- und Fleisch- vergiftungen. (Arb. a. d. kais. Ges.-A. 1890.) 24bis) Poels und Dhont, Fleischvergiftung. (Holländ. Zeitschr. f. Tierheilk. Bd. XXIV. . 187.) 25) EN Bericht über die Epidemie von Wilhelmshaven. 26) Cameron, Fi®vre typhoide communiquee par les huitres. (Brit. med. assoc. Cam- bridge. 1880.) 27) Rendu, Herpes labial generalise consecutif & une intoxication par des moules crues. (Bull. de la soc. de höp. de Paris. 1899. p. 775.) 28) Brosch, Austernvergiftung. (Wien. klin. Wochenschr. 1896. No. 313.) 29) Casey, A case of oyster poisoning. (Brit. med. Journ. 1894. p. 463.) 30) Lustig, I micerorganismi des Mytilus edulis. (Arch. p. le scienze med. Vol. XII. Ne..1%) 3l) Zardo, Di un microrganismo isolato dal Mytilus edulis. (Lo sperimentale. Jahrg. IV. 1901.) 32) Boyce, On oysters and typhoid fever. (Public health. Vol. VIII. London 1895 — 9%. 33) Klein, On oyster culture in relation to disease. (London Report of the Govern. Health Board. 1894—-95. p. 109.) 34) Chantemesse, Transmission de la fievre typhoide par les huitres. (Bull. med. 1896. p. 534.) 35) Foote, A bacteriologie study of oysters. (The med. News. Philadelphia 1895. . 396.) 36) 1 Giaxa, Oysters and typhoid fever. (Brit. med. Journ. 1895. p.'390.) 37) Mosney, Des maladies provoques par lingestion des mollusques.. (Revue d’Hy- giene. T. XXI. No. 12.) Nachdruck verboten. Anguillula intestinalis als Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Menschen. Von Prof. M. v. Kurlow in Tomsk, Sibirien. Mit 9 Figuren. Am 15. Januar 1900 trat in die therapeutische Abteilung des hiesigen Stadt-Krankenhauses der Bettler L. S., 60 Jahr alt, ein. Derselbe ist aus dem Gouvernement Kamenez-Podolsk gebürtig, lebt aber seit schon mehr als 30 Jahren in Sibirien. Er erinnert sich nicht, in seiner Jugend an irgendwelchen ernsten Krankheiten gelitten zu haben, und giebt nur an, daß er in seinem 26. Jahre beim Tragen einer schweren Last plötzlich Blutungen aus Ohren und Nase bekommen habe, die etwa 2 Wochen andauerten und so stark waren, daß er im Hospital liegen mußte. 2—3 Jahre später traten bei ihm epileptische Anfälle auf, die ihn arbeitsunfähig machten. Von Jugend an war er alkoholischen Genüssen sehr stark ergeben und trieb den Alkoholmißbrauch fast bis zur allerletzten Zeit. Uebrigens spricht er sehr ungern über seine Vergangenheit, und es gelang uns nur in Erfahrung zu bringen, daß er seit 2 Jahren in Tomsk selbst lebt und während dieser Zeit, wenn man von den epileptischen Anfällen absieht, nicht krank gewesen ist. Während der angegebenen Zeit hatte Aust - 7 _ ud F Anguillula intestinalis als Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Menschen. 615 } er nur hin und wieder Durchfälle, die 1—2 Tage dauerten, und er selbst hielt sich für vollkommen magendarmgesund. Die augenblickliche Krankheit fing vor etwa 3 Wochen an. Zu- nächst bemerkte Patient ein Gefühl von Schwere und Unbehaglichkeit in der unteren Bauchgegend, der Appetit verminderte sich, leichte Uebel- keit stellte sich ein und vor ca. 2 Wochen traten Fieber und Durch- fälle auf. Anfangs erfolgten 5—4 Stühle in 24 Stunden, doch wurden sie immer häufiger und erreichten bald die Zahl von 15—20. Die zu Anfang flüssigen Ausleerungen wurden schleimig, in der letzten Woche blutig, erfolgten unter Drängen und Schmerzen, wobei Pat. nicht selten bis zu einem Glase reinen Blutes verlor. Die hohe Temperatur, der völlige Schwund des Appetites und die blutigen Durchfälle brachten die Kräfte des alten Mannes sehr bald zum Verfall und in der Nacht auf den 16. Januar ward uns derselbe in sehr schwachem Zustande ins Krankenhaus gebracht. Die Besichtigung des Kranken ergab folgendes: Der Pat. ist von mittlerem Wuchs, am Knochensystem nichts Abnormes wahrnehmbar; die Muskeln sind schwach entwickelt; das Gewicht des Pat. beträgt 58 kg. Die Haut ist trocken, welk, stark pigmentiert; eine emporgehobene Falte derselben gleicht sich nur langsam aus; die sichtbaren Schleimhäute sind sehr blaß. Die Zunge ist trocken, rissig, mit schmutzig-braunen Borken bedeckt. Auf dem rechten Ohre ist Pat. taub infolge Sklerose des Trommelfelles. Der Brustkorb zeigt Greisentypus, die Lungen sind ausgedehnt, das Herz deckend; über den Lungen überall tiefer tympanitischer Schall. Die Herzgrenzen bei tiefer Perkussion ein wenig vergrößert. Herztöne etwas dumpf, jedoch gleichmäßig. Puls schwach, 92 in der Minute; Gefäßwände leicht rigid. Der Bauch ist eingezogen, beim Betasten sehr empfindlich, nament- lich in der Gegend des S romanum. Der Sphinkter ani ext. schlaff; in der Umgebung des Afters die Haut gerötet und oberflächliche Ab- schürfungen. An der Leber und Milz deutliche Veränderungen nicht wahrnehmbar. Der Tagesharn beträgt 700-800 ccm, das spec. Ge- wicht 1023. Der Harn weist Spuren von Eiweiß auf; Formelemente sind nicht gefunden. Die Ausleerungen sind häufig, bis zu 15 in 24 Stunden, mit viel Blut und sehr übelriechend. Die einzelne Ausleerung betrug !/,—1 Glas und erfolgte mit Drängen und Schmerzen. Es wurde Ol. Ricini ver- ordnet. Am 17. Jan. waren 18 Stühle von demselben Charakter, wie bisher; es wurden drei Tanninklystiere gesetzt und Tannoform inner- lich gereicht. Am 18. Jan. bis 20 Stühle, die Unmassen Schleim ent- hielten, in denen nur Blutfäden zu sehen waren; am 19. Jan. Abgang von flüssigen, gelblichen Fäkalmassen, doch ist das subjektive Befinden des Pat. nicht besser. Am 20. Jan. wurden über 40 Stühle gezählt; Pat. läßt den Stuhl unter sich. Der Puls ist kaum fühlbar. In der Nacht vom 21. auf den 22. erfolgt der Tod. 2 Tage später wurde die Obduktion ausgeführt. Die Krankenuntersuchung ergab also in den Hauptzügen folgendes: Vor kurzem erfolgter akuter Beginn der Krankheit, hohe Temperatur (38—39,2° C), rapide Abmagerung und blutige Durchfälle unter Drängen und mit Schmerzen längs dem Verlauf des Dickdarmes, namentlich dem S romanum entsprechend. Alle diese Symptome gaben das Recht zur Diagnose einer akuten Dysenterie, deren Ursache jedoch nicht genügend 616 M. v. Kurlow, klar war. Vor allem wird in Tomsk im Januar gewöhnlich das Auf- treten einer akuten epidemischen Dysenterie nicht beobachtet und im segebenen Falle mußte die Krankheit den sporadischen Formen zu- gezählt werden. Auf Grund der Anamnese und der Untersuchung konnten Fremdkörper, Ansammlung von Kotmassen, sowie Intoxikation und Autointoxikation ausgeschlossen werden als mechanische oder chemische Ursache der Erkrankung. Unwillkürlich mußte also an jene bei uns nicht seltene Form spora- discher Dysenterie gedacht werden, der verschiedene Darmparasiten, wie Amöben und Balantidien, zu Grunde liegen. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, daß diese Art Dysenterie, soweit sie hier beobachtet worden ist, stets einen chronischen, über Monate sich hinziehenden Verlauf zeigt. In diesem Falle aber führte die Krankheit in einem Monate zum Tode und Pat. hatte auch früher nie an hartnäckigen Durchfällen gelitten. Angesichts der unklaren Aetiologie wurde zu einer systematischen Untersuchung der Faeces geschritten, wobei im Verlauf von 4 Tagen, vom 18. Jan. bis 21. Jan. nicht nur die vollkommen frischen Aus- leerungen an warmen Präparaten mikroskopisch studiert, sondern auch gesonderte Portionen der Faeces in 30-proz. Formalin gebracht wurden, um nötigenfalls auch späterhin die Möglichkeit zu haben, den an frischen Präparaten gewonnenen Befund kontrollieren zu können. Gleich bei Betrachtung der ersten Präparate fielen Trichomonaden auf, die, in schneller Bewegung begriffen, in einer Anzahl von 10 Stück und mehr in jedem Gesichtsfelde zu sehen waren. Außerdem waren Eier von Trichocephalus dispar, jedoch in sehr geringer Menge, vor- handen. In der ersten Zeit lenkten diese Trichomonaden unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich und wegen ihrer großen Menge bemerkten wir andere Parasiten nicht. Erst am 20. Jan., nachdem nach den Tanninklystieren das Blut aus den Ausleerungen nahezu vollständig ge- schwunden war, und sich die Zahl der Trichomonaden bedeutend ver- mindert hatte, fanden wir an den Formalinpräparaten dieses Tages in großer Menge, stellenweise in Haufen, eigentümliche Parasiten, die den Eindruck von Würmern machten (Fig. ]). Diese Entdeckung wurde am Tage vor dem Tode des Pat. gemacht, und es gelang uns nicht, in den frischen Ausleerungen lebende, sich bewegende Würmer zu finden. Erst am Tage der Obduktion, d. h. 2 Tage nach dem Tode des Pat., sahen wir in dem der Leiche ent- nommenen Darminhalt in jedem mikroskopischen Präparate mehrere sich bewegende Exemplare dieses Parasiten. Die Länge dieser Würmchen betrug 0,2—0,3 mm, bei einer Breite von 0,01—0,02 mm. Am abge- rundeten Kopfende ist die Mundöffnung zu sehen, die in das dicke, in seinem mittleren Teile oval erweiterte Speiserohr übergeht. Letzteres endet mit einer kugeligen Erweiterung, in deren Mitte ein hufeisen- förmiger Spalt zu sehen ist. Die Speiseröhre entspricht !/,—!/, der Länge des Parasiten und geht in den Darm über, der als zartes, ge- rades Röhrchen erscheint und seitlich am hinteren zugespitzten Schwanz- ende nach außen mündet. Der Körper des Parasiten erscheint gleich- mäßig feingranuliert, blaß und sehr zart; Andeutungen eines Geschlechts- apparates sind nicht bemerkt. Nach 2—3 Stunden weist das Präparat keine Spur des Wurmes mehr auf; derselbe zerfällt vollständig. Kultur- versuche im Thermostaten blieben erfolglos. Der Wurm, den wir noch zu Lebzeiten des Pat. gefunden, unter- r ü t L f { 3 ut rc Deu he an. A Fi A An ce Er ei ae Da ii Anguillula intestinalis als Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Menschen. 617 scheidet sich ein wenig von dem eben beschriebenen. Seine Länge beträgt 0,12—0,2 mm, bei einer Breite von 0,010—0,016 mm. Einige Exemplare sind in einer Outicula eingeschlossen, andere sind ring-, S-, bretzelförmig u. s. w. gekrümmt. Einige sind von einer zarten, einfach konturierten Hülle von ovaler Form umgeben, in der die jungen Embryonen wie in einer Eischale liegen. Die Speiseröhre und der Mund sind wie oben beschrieben; das Darmrohr liegt in der ganzen Länge des Parasiten im Zickzack. Das kurze Schwanzende ist zuge- spitzt und umgebogen (s. Abb.). Wegen des stark glänzenden, ge- bogenen Darmkanales ist es nicht möglich, etwas von Geschlechtsorganen wahrzunehmen. Einerseits zum Verständnis der Bedeutung und des Zusammenhanges dieser zwei Formen, andererseits auch aus dem Grunde, daß in den gangbaren Lehrbüchern es an den nötigen Hinweisen zur Aufklärung derselben fehlt, erlaube ich mir, in Kürze die Daten wiederzugeben, die sich in der Litteratur, in Spezialarbeiten zerstreut, in Bezug auf diese Frage finden ließen. Würmer, die zur Familie der Anguilluliden gehören, sind in der Natur sehr verbreitet. Sie finden sich in jedem Boden, in allen faulen- den organischen Abfällen und sind in sehr hohem Grade an der Zer- störung von Tierleichen beteiligt. Nur dank ihrer so geringen Größe entgingen sie so lange der Beobachtung. Als auch beim Menschen parasitierende Form sind sie erst vor ver- hältnismäßig kurzer Zeit bekannt geworden. Im Jahre 1876 zeigten zuerst Normand und Bavay, daß ein der Rhabditis ähnlicher Wurm in den Ausleerungen solcher Kranker gefunden werde, die an den in Cochinchina epidemisch vorkommenden Durchfällen leiden. Ein an solchen Durchfällen erkrankter französischer Soldat kam nach Toulon, wo seine Ausleerungen untersucht wurden. In denselben wurden Millionen dieser Würmchen gefunden. Bei der Obduktion konnten sie nicht nur im Darminhalt, sondern auch in den Ausführungsgängen der Leber und des Pankreas nachgewiesen werden. In den Jahren 1879—1880 erschienen alsdann die Untersuchungen von Grassi und Parona und von Perroncito, welche zeigten, dab in einigen Gegenden der Lombardei und weiter namentlich unter den Arbeitern des St. Gotthard-Tunnels ein Wurm, zu Rhabditis gehörig, nicht seltener angetroffen wird, als Ankylost. duodenale, und 1883 be- schrieb Dr. Töth aus Schemnitz eine besondere Krankheit, die unter den Bergarbeitern angetroffen wird, als Cachexia montana, die er in Abhängigkeit stellt von Rhabdonema strongyloides. Fügen wir noch eine Epidemie hinzu, die 1879 an den Ufern der Themse auf dem Schulschiffe Cornwall plötzlich unter den Kadetten aufgetreten war, von denen gleichzeitig 43 erkrankten und einer sogar starb. Die Ursache der Epidemie blieb unaufgeklärt und nur in der Leiche des schon beerdigten und nach einigen Tagen exhumierten Kadetten fand man Unmengen von Rhabditis. Auf diese wies man nun als auf die Ursache der Epidemie. Freilich konnte das Auffinden von Anguilluliden im faulenden, mehrere Tage alten Leichname als beweisend für die pathogene Bedeutung dieser Parasiten nicht angesehen werden. Späterhin erschien eine große Anzahl Mitteilungen über das Vor- kommen von Anguilluliden in den Faeces, im Harn, im Vaginal- schleim, im Sputum verschiedener Kranker, namentlich bei den Ver- 618 M. v. Kurlow, tretern der schwarzen Rasse oder bei Leuten, die aus den tropischen (segenden kamen; nur selten wurde jedoch dieser Wurm bei eingeborenen Mitteleuropäern gefunden. So ist ein Fall aus Ost-Preußen von Braun und ein solcher aus Köln von Leichtenstern beschrieben worden. Aus Rußland ist im Moskauer Gouvernement ein Fall von Spasso- kukotzky notiert. | In den angeführten Mitteilungen figuriert der Parasit entweder unter dem ihm von Normand und Bavay gegebenen Namen Anguillula intestinalis und Anguill. stercoralis oder als Rhabditis stercoralis, die man anfangs für zwei verschiedene Arten ansah. Erst dank den Forschungen Leuckart’s, Grassi’s, Leichtenstern’s u. A. ist der genetische Zusammenhang zwischen diesen scheinbar selbständigen Arten sicher- gestellt. Durch Infektion von Tieren und Züchtung der Würmer in verschiedenen Nährflüssigkeiten ist der Beweis geliefert worden, daß die beiden Parasiten nur verschiedene Entwickelungsstufen eines und desselben Wurmes darstellen. Als Grundform ist der hermaphroditische Wurm Anguillula intesti- nalıs anzusehen, der lebende Junge zur Welt bringt, die in Massen mit den Faeces des Kranken nach außen befördert werden. Aus ihnen ent- wickeln sich in den Faeces entweder geschlechtslose Würmer, die an Filaria erinnern, oder Würmer von getrenntem Geschlecht — Anguillula oder auch Rhabditis stercoralis genannt, die lebende Junge geben, aus denen wiederum die erwähnten F%laria-ähnlichen Würmer hervorgehen. Dieser zweite kompliziertere Weg der Entwickelung ist von Leuckart Heterogonie genannt worden. Infektion kommt zustande durch die Filaria-ähnliche Form, aus der im Darmkanal des Tieres die Anguillulae intestinales erwachsen. Dieselben erlangen die Geschlechtsreife in 17 Tagen. Der besseren Uebersicht wegen führe ich zur Erläuterung der be- schriebenen zwei Entwickelungsarten die Tabelle von Zinn an: Entwickelung mit geschlecht- Direkte Metamorphose: 1) Muttertiere der Anguall. intest. (im Darm lebend) 2) Embryonen der Anguaill. intest. (in frischen Faeces). 3) Filaria-förmige Larven (in Kulturen der Faeces). 1) Nach Infektion mit diesen wieder die Muttertiere der Anguwall. intest. (nach Leichtenstern in 8-12 Stunden). licher Zwischengeneration: 1) Muttertiere der Angwall. entest. (im Darm lebend). | 2) Embryonen der Anguell. üntest. (in frischen Faeces). 3) Rhabditis stercoralis- Männchen und -Weibchen (geschlechtliche Zwischen- generation) [in Faeceskulturen]. 4) Embryonen der Rhabditis stercoralis (in Faeceskulturen). 5) Filaria-förmige Larven (in Faeces- kulturen). | 1) Aus diesen nach Aufnahme in den Darm wieder die Muttertiere der Anguall. intest. (nach Leichtenstern in 3 Tagen). Selbstredend ist dieser verwickelte Gang der Entwickelung des Parasiten nur auf dem Wege vielseitiger und ausdauernder Untersuchungen fest- gestellt. Die Mehrzahl der ersten Beobachter konstatiert nur das Auf- M Wer Po 4 2 he I - | a EEENNTTTG V Anguillula intestinalis als Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Menschen. 619 treten desselben beim Kranken und begnügt sich mit der Beschreibung der durch ihn bedingten Krankheitserscheinungen. Erst seitdem durch Leuckart die Beobachtung gemacht worden ist, daß einige parasitierende Nematoden im Freien sich zu geschlechtsreifen Formen entwickeln, wobei Generationen entstehen können, die von den parasitierenden verschieden sind (Heterogonie), ist die Aufmerksamkeit der Forscher auch auf die Entwickelungsart der beim Menschen parasitierenden Rhabditis. ge- lenkt worden. Von dieser Zeit an ändert sich der Charakter der dies- bezüglichen Mitteilungen und man ist in den vorkommenden Fällen bemüht, den Cyklus der Entwickelung des Parasiten außerhalb des menschlichen Körpers zu verfolgen. Diesem Ziele strebten die Unter- suchungen Leuckart’s, Leichtenstern'’s, Zinn's, Sahli’s, Oerley’s u. A. zu. Alle diese Forscher gelangten zu recht überein- stimmenden * Resultaten, die folgendermaßen zusammengefasst werden können: Die verschiedenen Anguillula-Arten können füglich in 2 Gruppen geteilt werden, in pathogene und nichtpathogene. Letztere ver- bringen ihr ganzes Leben in faulenden Abfällen. Oerley hat durch Ver- suche an sich selbst, sowie an Fröschen, Mäusen und Katzen, den Nachweis liefern können, daß sie unfähig sind, im Darmkanal lebender Tiere fort- zukommen. Alle hierher gehörigen Arten können sehr leicht in faulenden Nährböden gezüchtet werden. Zu den pathogenen, bei Tieren und zum Teil auch beim Menschen schmarotzenden Anguilluliden gehören 1) Angiostomum entomelas Duj.; 2) Angiostomum macrostomum Linstw. Beide in den Lungen von Anguis fragilis angetroffen; 3) Angiostomum rubrovenosum Schn. in den Lungen von Bufo cinereus; 4) Ang. sanguinolentum in dem Pleuralraum von Strix flammea;, 5) Ang. nigrovenosum Linstw. in den Lungen und im Darmkanal von Fröschen und 6) Rhabdonema strongyloides Leuck. im Darmkanal vom Menschen und von Tieren. Dieser Parasit ist in der Litteratur unter den verschiedenen Synonymen bekannt: Anguillula intestinalis et stercoralis Bavay, Pseudorhabditis stercoralis Perronc., Strongyloides intestinalis Grassi, Leptodera intestinalis et stercoralis Pen, Rhabditis strongyloides Grassi, Rhabditis intestinalis et stercoralis erley. Diese parasitierenden Arten haben heterogene Entwickelung. Der uns interessierende Parasit lebt im Darmkanal des Menschen als herma- phroditischer Wurm — Ang. intestinalis. Er hat einen zarten Leib, der sich zum Vorder- und Hinterende ein wenig verjüngt; das Kopfende ist abgerundet, das Schwanzende stumpf. Die Oberfläche zeigt Quer- streifung; eine Mundhöhe fehlt; die Speiseröhre ist von cylindrischer Form und muskulös, wird nach hinten hin breiter, endet aber nicht mit einer Erweiterung; der Darmkanal ist gerade, ohne Biegungen. Das Geschlechtsrohr besteht aus 2 Armen und ist symmetrisch. Die Eier- stöcke enthalten nur wenig Eier. Die Geschlechtsöffnung ist in der Mitte des Körpers gelegen. Der Uterus enthält reife, in Teilung be- griffene Eier und fertige Embryonen. Die den Eiern entschlüpften Embryonen entwickeln sich schon im Darmkanal des Menschen zu be- weglichen Würmchen mit langem konischen Schwanze. Ihre Speiseröhre zeigt in der Mitte eine ovale und am hinteren Ende eine kugelige Er- weiterung. Die Geschlechtsorgane sind nur in Form von 2—3 und mehr Kernen angedeutet. Die Länge des Körpers beträgt 0,4—0,6 mm, die Breite 0,16—0,02 mm. Der Uebergang in die verschieden-geschlecht- liche ausgewachsene Form — Rhabditis stercoralis — erfolgt im Freien, 620 M. v. Kurlow, außerhalb des Darmkanals in ungefähr 30 Stunden, wobei das jugend- liche Individuum zunächt die Hülle verliert. Die Weibchen erreichen eine Länge von 0,7—1,4 mm, die Männchen von 0,7—1 mm bei einer Breite von 0,075—0,04 mm. Das Kopfende ist abgerundet, ohne lippen- förmige Gebilde, obgleich um die Mundöffnung herum 4 kleine Ver- diekungen der Outicula zu bemerken sind, die nach Leuckart als Ge- fühlswärzchen dienen. Die Mundöffnung führt in die kurze und breite Mundhöhle, die mit zahnähnlichen Hervorragungen versehen ist. Die Speiseröhre ist sehr lang, im mittleren Teile erweitert und endet mit einer kugeligen Erweiterung, in deren Mitte ein hufeisenförmig an- geordneter Zahnapparat zu sehen ist. Der Darmkanal ist geradlinig. Die weiblichen Geschlechsorgane sind symmetrisch gelegen, bestehen aus 2 Armen mit nach hinten gerückten Eierstöcken ; die Geschlechtsöffnung befindet sich in der Mitte. Der Schwanz ist beim Weibchen 0,1 mm lang, fadenförmig und spitz; beim Männchen ist er kürzer — 0,07 mm — und hakenförmig umgebogen. Beide Spicula sind bogenartig ge- krümmt. Vor der Kloakenöffnung sind 2—3 Paar kleiner Saugnäpfe zu bemerken. Nach der Copulation entwickeln sich aus den Eiern des Weibchens sehr zarte, blasse, 0,22—0,25 mm lange Jugendformen, an denen die Anlagen der Geschlechtsorgane kaum bemerkbar sind. Im übrigen sind die den Jugendformen der parasitierenden Generation sehr ähnlich. Wenn dieser jugendliche Wurm die Länge von 0,5 mm erreicht hat, umgiebt er sich mit einer Hülle und verwandelt sich in die Filaria- artige Form. Das Schwanzende ändert seine Gestalt und wird kürzer und stumpfer; der Zahnapparat der Speiseröhre schwindet und diese selbst verwandelt sich in einen langen Cylinder, der die größere Hälfte des Körpers einnimmt und in den geraden Darmkanal übergeht. Der fadenförmige Wurm wird bis 0,6 mm lang und lebt in faulenden Massen. Gelangt er zufällig in den Darm eines Tieres, so entwickelt sich aus ihm die oben beschriebene Angutillula intestinalis. Kehren wir nach dieser Abschweifung zu unserem Falle zurück und zu der Frage, mit welchem Stadium der Entwickelung des Parasiten wir es in ihm zu thun hatten. Die Größenverhältnisse des Parasiten, den wir noch zu Lebzeiten des Pat. fanden, und die Gegenwart von noch in den Eiern eingeschlossenen Parasiten deuten darauf hin, daß wir es mit jugendlichen Formen zu thun haben. Die allgemeine Gestalt und namentlich die charakteristische, nach hinten sich kugelig er- weiternde Speiseröhre, zwingen uns, ihn den Anguilluliden zu- zuzählen. Wir haben folglich die eben entwickelte Jugendliche Form der Anguillula intestinalis vor uns. Dieselbe Form, nur ein wenig größer, ist es auch, die wir in der Leiche gefunden. Kulturversuche mit dem Darminhalt der Leiche im Thermostaten ergaben weder Wachstum noch Vermehrung der jungen Individuen und auch diese selbst konnten nach 24 Stunden nicht mehr nachgewiesen werden; ebenso waren sie auch in den mikroskopischen Präparaten, die wir, mit Paraffın umgeben, bis zum anderen Tage aufbewahrt hatten, spurlos zerfallen. Diese jugendliche Form erschien also ebensowenig widerstands-, wie entwickelungsfähig in den Exkrementen außerhalb des Körpers. So verhalten sich nach Oerley die Rhabdonematen, welche parasitieren, während die gewöhnlichen Rhabditis sich in faulen- dien Substraten sehr leicht vermehren. Wie oben angegeben, fanden wir zu Lebzeiten des Pat. keine aus- ir Anguillula intestinalis als Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Menschen. 621 gewachsenen Exemplare, da dieselben den Körper nicht mit den Faeces verlassen; in der Leiche wurden sie wahrscheinlich deswegen nicht ge- funden, weil die Sektion erst 2 Tage nach dem Tode erfolgte, d. h. zu einer Zeit, wo die Parasiten, deren Lebensbedingung das Leben des Wirtes ist, schon Zeit hatten, zu Grunde zu gehen. Angesichts dessen, daß wir bei der Obduktion keine in geschlechtlicher Beziehung ent- wickelten Individuen fanden, sondern nur jugendliche Formen, die in 24 Stunden zu Grunde gehen, müssen wir annehmen, daß der Ent- wickelungstypus unserer Aguillulidenform zu dem der direkten Meta- morphose gehört. Schon Leichtenstern betont in seiner letzten Mitteilung das Faktum, daß der heterogene Typus der Entwickelung vorzüglich bei den Infektionen in den Tropen beobachtet wird, während in allen Fällen der in Europa erfolgten Infektionen ausschließlich die direkte Metamorphose zu Tage tritt. Gehen wir nun zur Beschreibung der Ergebnisse der Leichenunter- suchung über, die viel Interessantes und Belehrendes aufzuweisen hat. Ich stehe von der Wiedergabe des ausführlichen Sektionsprotokolles ab und beschränke mich auf den Teil, der die Organe der Bauchhöhle be- trifft. Die Sektion ist von meinem Kollegen Prof. E. I. Romanoff ausgeführt worden. „Der Magen ist von geringer Größe, die Schleimhaut desselben blaß, trübe, mit grünlich-braunem Schleim bedeckt. Die Schleimhaut des Dünndarms in den oberen Teilen desselben geschwellt, trübe, blut- arm und mit dickem, grünlichem Schleim bedeckt. In den unteren Abschnitten des Ileum ist die Schleimhaut stärker geschwellt, erscheint recht stark hyperämisch. Der Inhalt ist dünn-flüssig, von braun-gelber Farbe. Die Querfalten sind auf ihrer Höhe stellenweise oberflächlich erodiert, gleichsam gelblich-braun gestreift, stellenweise sind sie hyperä- misch und hier setzt sich die oberflächliche Nekrose auch zwischen den Falten als weißlicher Belag fort. Die Schleimhaut des Coecum ist stark geschwellt, gerötet, gleichsam granuliert. In der Nähe der Mündung des Wurmfortsatzes wurde ein Exemplar von Trichocephalus dispar gefunden. Der Inhalt des Dick- darmes ist flüssig, dunkel-braun gefärbt. Die beschriebenen Veränderungen werden auch im Colon ascendens und im Colon transversum wahrge- nommen, nur sind die Schwellung und Hyperämie hier noch ausge- sprochener; einzelne Falten sind schieferig pigmentiert und zeigen an einigen Stellen oberflächliche Erosionen. Noch stärker sind Hyperämie und Schwellung im Colon descendens, stellenweise in Form livider Flecken ; die Schleimhaut ist granuliert. Die Granula sind mehr oder weniger durchscheinend, lassen sich leicht abschaben. Im S. romanum und im Rectum erreichen die Veränderungen den höchsten Grad: Die Schleim- haut ist bedeutend verdickt, hyperämisch, dunkel-schieferig verfärbt und im Rectum durchweg mit oberflächlichen Exulcerationen bedeckt; im untersten Teil des Rectum ist ein ziemlich großes Geschwür mit unter- minierten Rändern und schmutzig-grauem Boden zu sehen. Auf dem Durchschnitt erscheint das Gewebe des Darmes weich, imbibiert, von kleinen Blutergüssen durchsetzt, namentlich in den unteren Abschnitten des Dickdarmes. Im Darminhalt sind gefunden: Im Dünndarm ein Exemplar von Ascaris lumbricoides (Weibchen), in Dünn- und Dickdarm Trichomonades intest. und die beschriebenen Formen von Anguwillula intestinalis. Die Durchmesser der Milz betragen 11, 7,5 und 3,5 em; die Kapsel up ae M. v. Kurlow, ist fibrös verdichtet, das Milzgewebe derb, die Trabekel deutlich. Die Durchmesser der Leber betragen 26, 17 und 7 cm. Besondere Ver- änderungen sind nicht wahrzunehmen, nur ist die Kapsel an einzelnen Stellen durch zarte Brücken mit dem Diaphragma verwachsen. Die übrigen Organe weisen keine bemerkbaren Veränderungen auf. Epikrise:lleitis et Colitis diphtheritica. Ascaris lumbrie. (1 Exemplar), Trichocephalus dispar (1 Exemplar) und eine Unmenge von Trichomonades ıntest. und Jugendstadien von Anguillula intest. Bei der Sektion wurden aus verschiedenen Abschnitten des Dünn- und Dickdarmes kleine Stücke ausgeschnitten und in 30-proz. Formalin gebracht. Am anderen Tage wurde das Formalin durch 70-proz. Alkohol ersetzt und die Präparate nach den gewöhnlichen Methoden zur Ein- bettung in Paraffin vorbereitet. Die Schnitte wurden mittels Eiweiß- lösung, der zur Verhütung von Fäulnis Formalin zugesetzt war, auf Objektträger geklebt. Zur Färbung der Präparate diente Bömer’sches Hämatoxylin, Bismarckbraun oder Safranin. Die mikroskopische Untersuchung zeigte recht charakteristische Veränderungen, die mit den in den Faeces gefundenen Würmern in ursprünglichen Zusammenhang gebracht werden mußten. Dieselben lebten nicht nur im Darminhalt, sondern auch in der Darm- wand selbst. Lassen wir jedoch zunächst diese Parasiten bei seite und wenden wir uns zu den in die Augen fallenden anatomischen Veränderungen. Diese betreffen vor allem die Blut- und Lymphgefäße, die stark er- weitert erscheinen, besonders die Lymphgefäße der Darmzotten. Sie erscheinen unter dem Bilde großer, unregelmäßiger Höhlen, die mit einem trüben, feingranulierten Inhalt gefüllt sind. Viele Blutgefäße sind gleichfalls ausgedehnt, stellenweise zerrissen und von Blutergüssen um- geben. Die Stellen mit besonders starken Blutaustritten sind außerdem von einer Unmenge von Gängen durchsetzt, die entweder in Form runder Löcher oder langer Spalten von unregelmäßiger Gestalt und Konturierung erscheinen. Der Durchmesser dieser Löcher und Spalten ist verschieden und schwankt zwischen 0,016 und 0,080 mm und mehr, in der Mehrzahl der Fälle beträgt er 0,05—-0,04 mm. Die engeren Kanälchen liegen in den obertflächlicheren Schichten unter der Schleim- hautschicht, die weiteren Gänge liegen tiefer. Das beigefügte Photo- gramm 5 giebt ein gutes Bild dieser Verhältnisse. Die beschriebenen Gänge finden sich sowohl im Dünndarm als auch im Dickdarm, sind aber in letzterem ausgesprochener, namentlich in den untersten Abschnitten. Die Gänge werden zum Teil durch auseinander gedrängte, zum Teil durch zerstörte Gewebselemente ge- bildet, wobei die auf dem Wege liegenden Blutgefäße häufig zerrissen sind und das zunächst liegende System von Gängen mit Blut gefüllt wird. Die Gänge werden durch ein in ihnen abgelagertes feines Pigment deutlich gekennzeichnet; das Pigment sammelt sich nämlich an den Wänden der Gänge an, wodurch letztere sich von den umgebenden Ge- weben abheben. In der Umgebung der Gänge sieht man eine Anhäufung von jungen, zelligen Elementen, die sich auch in den Spalten selbst finden und hier gewöhnlich reich an Pigment sind, das offenbar dem der Gänge entnommen ist. Das Pigment findet sich in großer Menge auch in vielen Zellen, die in den die Gänge umgebenden Geweben liegen. Die Gänge selbst sind leer, in ihnen sind keine Parasiten zu sehen, die sie verursacht haben könnten. Augenscheinlich haben sie sie erst 4 Anguillula intestinalis als Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Menschen. 6923 vor kurzem verlassen, so daß die Natur noch keine Zeit gefunden, die verursachten Zerstörungen auszugleichen und auszuheilen. Doch ist es andererseits ebenso offenbar, daß die Gänge schon zu Lebzeiten des Pat. gemacht worden sind, denn im entgegengesetzten Falle wäre es sonderbar, warum in ihnen keine Parasiten in Arbeit zu sehen sind. Weiterhin spricht für diese Annahme auch der Umstand, daß viele von den Gängen und Höhlen mit Blut gefüllt sind, welches mit einer gewissen Gewalt in sie eingedrungen ist und große Strecken derselben ausfüllt.e An einzelnen Stellen sieht man, daß es auch in das Gewebe selbst gedrungen ist. Ferner ist in der Umgebung dieser Gänge vielfach eine Ansamm- lung von Granulationselementen zu beobachten. Wir sehen außerdem viele Leukocyten, sowohl in den Kanälen, als auch in ihrer Umgebung, die mit dem feinen Pigment gefüllt sind, welches die Wände der Gänge bedeckt. Wir werden später sehen, daß dieses Pigment dem sehr ähnlich ist, das man in den in der Drüsenschicht der Schleimhaut enthaltenen jungen Würmern leicht wahrnehmen kann (s. Fig 5). Die Drüsenschicht erscheint an den mikroskopischen Präparaten nicht überall in gleicher Weise verändert. An einigen Stellen finden wir sie in ganzen Lagen losgelöst. Hier sieht man nur Spuren der vorhanden gewesenen Drüsen, eingeschlossen in Granulationsgewebe, das alle freigelegten Partieen der Schleimhaut ausfüllt. Die Zotten sind verdickt, die centralen Lymphkanäle zn großen Höhlen erweitert; auch die Blutgefäße erscheinen ausgedehnt. Das Lumen der nicht zerstörten Drüschen ist vergrößert. Das Epithel der Drüsen in den oberen Ab- schnitten ist stark schleimig degeneriert. In den tieferen Abschnitten ist das Epithel nicht wesentlich ver- ändert, in einigen Drüsen ist es jedoch wie zermahlen, verschoben und von der Membrana propria abgetrennt. Und so sehen wir denn im allgemeinen unter dem Mikroskope Blutüberfüllung der Blutgefäße, Erweiterung der Lymphgänge, stellen- weise Zerstörung der Drüsenschicht, wobei sie durch Granulationsgewebe ersetzt wird, schleimige Degeneration in den Drüsen und in einzelnen Teilen gleichsam mechanische Zerstörung derselben. Die Ursache dieser Zerstörungen war auf den mikroskopischen Schnitten deutlich zu sehen. Hier in der Drüsenschicht fanden sich hier und da junge wurmähnliche Parasiten, die in der verschiedensten Richtung die Schleim- haut zu durchbohren suchten. Ein Teil derselben lag frei zwischen den Zotten (Fig. 5), andere waren schon mehr oder weniger tief in die Schleimhaut eingedrungen (Fig. 4—9), wieder andere sehen wir im Moment des Eindringens in das Lumen der Lieberkühn’schen Drüsen (Fig. 8); endlich sind auch solche gefunden, die schon innerhalb der Drüsen lagen und das Epithel derselben zur Seite geschoben haben (Fig. 2). Betrachtet man den Bau der Würmer selbst näher, so kann man an ihnen einen central gelegenen, die ganze Länge einnehmenden geraden Darmkanal unterscheiden (Fig. 4). Den Schlund und die Speiseröhre bekamen wir auf den Schnitten kein einziges Mal zu sehen, und wir können nur sagen, daß das vordere Ende des Parasiten abgerundet und das hintere Ende lang und stark zugespitzt ist. Die Abwesenheit der ‚charakteristischen Speiseröhre deutet vielleicht darauf hin, daß wir es mit einem Uebergangsstadium zur Filaria-ähnlichen Form zu thun haben. Ich spreche von einem Uebergangsstadium deswegen, weil, ab- gesehen vom Fehlen der charakteristischen Speiseröhre mit der hinteren M. v. Kurlow, 624 Fig. 3. Anguillula intestinalis als Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Menschen. 625 Erklärung der Abbildungen. 1) Jugendliche Formen des Parasiten in den Faeces. 2) Parasit in einer Lieberkühn’schen Drüse. 3) Gänge des Parasiten in der Submucosa. 4—7) Parasiten in verschiedenen Partieen der Drüsenschicht der Schleimhaut. 8) Parasit im Lumen einer Lieberkühn’schen Drüse. 9) Mehrere Parasiten zusammen in der Drüsenschicht. Erweiterung, das Schwanzende sehr spitz und lang ist (Fig. 5, 6, 9). Die Länge des Wurmes beträgt 0,20 —0,28 mm, die Breite 0,012— 0,016 mm. Der Körper des Wurmes ist fein granuliert und enthält bei fast allen Exemplaren, zuweilen in sehr großer Menge, ein feines schwarzes Pig- ment (Fig. 5). Es muß noch bemerkt werden, daß es uns nicht ge- lungen ist, in allen Teilen des Darmes den Wurm zu finden; in einigen waren ihrer sehr wenig, und sie konnten nur mit Mühe entdeckt werden, in anderen hingegen konnte man sie auf jedem beliebigen Schnitte finden. Am meisten fanden sie sich im Dünndarm, am wenigstens im Dickdarm. Resümieren wir das Ganze, so sehen wir, daß unser Pat. an An- fällen akuter Dysenterie litt; seine Ausleerungen enthielten Jugend- formen von Anguillula intest.; sie waren auch im Darminhalt und in Erste Abt. XXXl. Bd. 41 626 M. v. Kurlow, der Darmschleimhaut der Leiche zu finden, wo sie etwas größer, also entwickelter, erschienen. Ausgewachsene Parasiten haben wir nicht ge- funden, dafür gelang es uns aber, eigentümliche Veränderungen der Darmschleimhaut nachzuweisen, die in der Anlegung äußerst unregel- mäßiger Gänge durch offenbar größere, ausgewachsene Parasiten be- standen; diese Gänge waren besonders stark ausgeprägt in den hämor- rhagisch infiltrierten Partieen des Dickdarmes. Dieser Befund in Bezug auf Anguillula steht übrigens nicht einzig da. Vor etwa einem Jahre fand Askanazy bei der Sektion eines Kranken, der in der Königsberger Klinik des Prof. Lichtheim ge- storben war, charakteristische Veränderungen des Darmes und konnte konstatieren, daß Anguillulae an einigen Stellen des Dünndarmes in großen Mengen in die Schleimhaut eingedrungen waren und sich teils in den Lieberkühn’schen Drüsen, teils frei in den Geweben ein- gelagert hatten, jedoch nie die Muskelschicht überschritten. Er fand hier sowohl Eier als auch Jugendformen und geschlechtsreife Individuen. Aus den von Askanazy gesammelten Daten ersieht man, daß schon früher Golgi und Monti diese Parasiten im Lumen der Lieber- kühn'’schen Drüsen angetroffen haben; weiter giebt in einem Privat- briefe an Askanazy O. Leichtenstern an, daß er schon im Jahre 1885 bei der Sektion eines solchen Kranken die Weibchen von An- suillula nicht nur in der Schleimhaut, sondern auch in der Submucosa des Darmes gefunden habe. Askanazy weist jedoch darauf hin, daß ein so tiefes Eindringen der Parasiten in seinem Falle nur als Aus- nahme beobachtet wurde. In unserem Falle sehen wir aber gerade die größten und deut- lichsten Gänge in den tieferen Partieen unter der Schleimhaut, da, wo die Blutergüsse am ausgesprochensten sind. beim Vergleich unserer Beobachtungsresultate mit der Beschreibung, die Askanazy liefert, tritt uns ein wesentlicher Unterschied in Bezug auf die Zahl und die örtliche Verteilung der Parasiten entgegen. Dieses erklärt sich wahr- scheinlich dadurch, daß von Askanazy die Sektion schon 4 Stunden nach dem Tode des Pat. ausgeführt wurde und folglich für ihn die Be- dingungen bedeutend günstiger lagen, als für uns. So fanden wir vor allen Dingen keine Eier des Parasiten, was aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Grund darin hat, daß in den 2 Tagen nach dem Tode des Pat. dieselben entweder zerstört worden sind oder sich zu lebenden Individuen entwickelt haben, die ihren Geburtsort ver- lassen haben. Ferner fanden wir ausgewachsene Individuen weder in der Darm- wand noch im Darminhalt, was voraussichtlich durch das schnelle Ab- sterben des Parasiten bedingt ist, nachdem er durch den Tod des Wirtes in für ihn ungünstige Lebensbedingungen gelangt ist. Wir haben ja schon gesehen, daß es nicht möglich war, das Leben der bei der Sektion im Darminhalt gefundenen jugendlichen Parasiten in Kulturen auf Faeces zu erhalten. Wir haben somit thatsächlich echte Para- siten und nicht nur Saprophyten — Rhabdonemata und nicht Rhab- dites vor uns. Im Darminhalt fanden sich junge Parasiten in großer Menge. Wenn es gewöhnliche Saprophyten waren, hätte man sie auch in Massen in den Geweben des Darmes finden müssen. In der That fanden wir sie jedoch nur in 8 von 15 untersuchten Darmstücken und hauptsächlich im Dünndarm, während sie, wie oben beschrieben, die Spuren ihres Lebens überall hinterlassen haben. Augenscheinlich hat Anguillula intestinalis als Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Menschen. 627 der Parasit, der sich nach dem Tode seines Wirtes in totem Gewebe befand, auf der Suche nach einem besseren und ihm zuträglicheren Boden dasselbe verlassen, oder aber er ist an Ort und Stelle zu Grunde gegangen und bis zur Unkenntlichkeit zerfallen. Dieses Faktum des Absterbens der einfachsten aus der Reihe der Parasiten an Ort und Stelle, diese ihre mangelhafte Resistenz ist die Hauptursache, daß ihre Bedeutung in der Pathologie bisher noch nicht genügend aufgeklärt ist. Nur durch frühzeitige Sektionen wird man dahin kommen, das Wesen und Zustandekommen dieser bisher noch dunklen pathologischen Veränderungen zu erkennen und richtig zu beurteilen. Es mag genügen, daran zu erinnern, daß bis in die allerletzte Zeit ein so gefährlicher Parasit, wie das BDalantidium coli, für einen ganz unschuldigen Schmarotzer angesehen wurde, der nur zufällig in den Darm des Menschen gelangt und sich hier von den traurigen, unbrauchbaren Sekreten des Darmes, wie von Schleim, nährt. Dank den aus meinem Laboratorium hervorgegangenen Untersuchungen wissen wir aber jetzt, daß dieser Parasit sich in der Darmwand selber einnistet, wo er sich auf besondere Weise vermehrt und un- geheuere geschwürige Veränderungen setzt. Wenn alles dieses nicht schon früher beobachtet worden ist, so liegt der Grund einfach darin, daß die Sektionen zu spät ausgeführt wurden, nämlich zu einer Zeit, wo der Parasit schon Gelegenheit hatte, vollständig zu zerfallen und sich so der Beobachtung zu entziehen. Zum Schlusse fasse ich die aus meinen Beobachtungen hervor- gehenden Resultate zusammen: 1) In Sibirien kommt eine Form sporadischer blutiger Durchfälle vor, die ihren Grund in der Gegenwart von Anguillula intestinalis hat. 2) Dieser Parasit lebt nicht nur im Darminhalt, sondern auch in der Darmwand selbst, wo er Verheerungen anrichtet, die sich als Ge- schwüre, Bildung von Gängen, Zerreißung: von kleinen Blutgefäßen und Blutergüsse äußern. 3) Die Gänge und Zerreißungen finden sich nicht nur in der Mucosa, wie Askanazy es beschreibt, sondern auch in der Submucosa. 4) Nach dem Tode des Wirtes wandern die ausgewachsenen Para- siten aus der Darmwand in das Lumen des Darmes aus, wo sie alsbald Be erben; am längsten erhalten sich die jugendlichen Entwickelungs- ormen. Litteraturverzeichnis. Askanazy, Ueber Art und Zweck der Invasion der Anguill. intest. in die Darmwand. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. XX VIII. 1900. p. 569.) Bayay, Note sur l’anguillule sterc. 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(„Unum minus corpore plano, alterum majus corpore uno latere condexo altero concavo.“) 4 Jahre später bildete Wagener (1854) die Scoleces zweier Bothriocephaliden aus dem gleichen Wirte ab, ohne freilich eine genauere Beschreibung dieser Arten zu geben. Die eine von beiden (Fig.78) ließ er unbestimmt und bezeichnete sie einfach als Dibothrium spec. aus dem Darm von Üentro- lophus pompilius. Die andere Art dagegen identifizierte er mit dem Dibothrium heteropleurum Dies. — auf welcher Grundlage, ist nicht ersichtlich. Diesing erkannte jedoch 1864 diese Bestimmung Wagener’ als richtig an, nahm indessen gleichzeitig eine Umtaufe des Wurmes vor. In seinem „Systema helminthum“ hatte er sich näm- lich hinsichtlich des Scolex auf die Angabe beschränkt: „Scolex ovale apice truncatum, bothriis oblongis angustis lateralibus“. Wagener hat nun im Grunde der flächenständigen Sauggrube und zwar in deren hinterer Hälfte noch einen Saugnapf abgebildet. Auch im Text ge- legentlich der Figurenerklärung weist er besonders auf diesen von Diesing übersehenen „sekundären Saugnapf der Grube“ hin. Mit Rücksicht auf denselben stellte dann Diesing 1864 für die in Rede stehende Art die besondere Gattung Amphicotyle auf. („Corpus arti- culatum, taeniaeforme. Caput corpore continuum, ovale, bothriis duobus oppositis lateralibus, singulo acetabulo auxiliario instructoe. Os.... Aperturae genitalium .... In Piscium marinorum intestinis. Evolutio ignota.“) Die neue Gattung wird mit Ligula, Schistocephalus, Dibothrium, Echinobothrium und Triaenophorus zur Familie der Dibothria vereinigt. Ihre einzige Art ist das frühere Dibothrium heteropleurum, welches dem- nach nach dem Prioritätsgesetz Amphicotgle heteropleura (Dies. 1850) heißen muß. Diesing selbst hat freilich diesen Namen nicht angewandt, sondern das Tier unter Aenderung auch des Speciesnamens Amphicotyle iypica Dies. 1863 genannt, da ihm der Name ‚heteropleurum“ nicht mehr zutreffend erschien. („Nomen speciei olim impositum, conformitate laterum corporis in animalibus vivis nunc deprehensa sane incongruum mutavi.“) 1850 hatte nämlich Diesing die beiden Flächen der Proglottiden als wesentlich verschieden beschrieben: „Articuli brevissimi subaequilongi, paginae dorsalis contini marginibus strietis linearibus, paginae ventralis alternatim interrupti, marginibus crispis.“ Wagener (1854) hatte dann aber betont, daß „bei genauer Besichtigung beide Seiten gleich sind“, während er andererseits aufmerksam macht auf „die Articulatio spuria, welche die echten Glieder, wie bei Dibothrium crassiceps, in der Mitte teilt.“ Infolgedessen änderte Diesing 1863 den eben citierten Satz der ursprünglichen Speciesdiagnose in „Articuli singuli plica transversa divisi, brevissimi, subaequilongi.“ 630 M. Lühe, Außer Wagener hatte inzwischen auch Molin (1860) einen Cestoden in Centrolophus pompilius gefunden, welchen er auf Dibothrium heteropleurum Dies. 1850 bezog. Die Arbeit Wagener’ scaeint Molin nicht bekannt gewesen sein und die accessorischen Saugnäpfe hat er ebensowenig gesehen wie anfänglich Diesing. Dagegen macht auch er darauf aufmerksam, daß keines der beiden ihm vorliegenden Exemplare die von Diesing beschriebene Verschiedenheit der beiden Flächen zeigte. Er glaubt dies jedoch vielleicht dadurch erklären zu können, daß beide Exemplare noch sehr jugendlich waren. Auf Molin’s An- gabe, daß die Sauggruben „marginal“ lägen, ist bei der Häufigkeit, mit der diese Angabe irrtümlicherweise gemacht wurde, natürlich kein Ge- wicht zu legen, obwohl Diesing (1863) sie zum Anlaß nimmt, die Identität der von Molin beobachteten Oestoden mit Amphicotyle hetero- pleura zu bestreiten. Die Gleichheit der beiden Flächen spricht viel- mehr für die Identität mit der von Wagener untersuchten Art. Seit dem Erscheinen von Diesing’s Revision verstrichen fast 3 Decennien, ehe die Cestoden von Üenirolophus von neuem untersucht wurden. 1890 beschrieb Monticelli kurz 2 Arten von solchen, von denen er die eine für identisch hielt mit der Amphicotyle, die andere mit dem „Dibothrium aus dem Darme von Üentrolophus pompilius“ Wagener’ (von dem lateinisch schreibenden Diesing [1863, p. 244] natürlich als „Dibothrinm Centrolophi pompilii Wagener“ bezeichnet, ohne daß dies als Speciesname angesehen werden darf). Diese letztere Art, von Monticelli Bothriocephalus wageneri genannt, besitzt in jeder Proglottis doppelte Genitalorgane und ist inzwischen Typus der Gattung Amphitretus R. Bl. 1894 geworden. Ihre Proglottiden zeigen ein sehr verschiedenes Aussehen der beiden Flächen: „Le proglottidi presentano tutte il margine posteriore ispessito: da un lato dello strobila questi margini sono integri, dall’altro, poco dopo il capo, i margini posteriori mostransi alquanto crespati sulla linea mediana e questa crespatura cresse man mano in estensione nelle proglottidi posteriori cosicch® presto tutto il margine posteriere & fortemente crespato. Questa cosi fatta e sviluppata crespatura dä al lato dello strobila un aspetto assai caratteristic, che non si riscontra nel lato opposto.“ Diese Form- verhältnisse der Proglottiden sind es offenbar, welche Monticelli veranlaßt haben, unter den Synonymen von Dothriocephalus. wageneri auch „Dibothrium heteropleurum Diesing (partim)“ aufzuführen, da ja Diesing, wie bereits oben citiert, für diese Art eine ähnliche Ver- schiedenheit beider Flächen angegeben hatte. Ein accessorischer Saug- napf an den Sauggruben ist jedoch bei ihr nicht vorhanden. Dagegen findet sich ein solcher bei der anderen von Monticelli untersuchten Art, welche er demzufolge unter dem Namen Amphicotyle typica beschrieb. Allerdings liegt dieser Saugnapf nach dem Text und der Abbildung Monticellis nicht im Inneren der Sauggrube, wo Wagener ihn gezeichnet hatte, sondern auf deren hinterem Rande. Im übrigen ist aus der Beschreibung Monticelli’s hervorzuheben, daß die Proglottidenkette mit Ausnahme des Vorderendes mit ihren Seiten- rändern stark eingerollt ist („ripiegato longitudinalmente a doccia“), daß die Genitalöffnungen auf die beiden Flächen verteilt sind (der Uterus mündet median auf der konkaven, Cirrus und Vagina dem Seiten- rande genähert und zwar unregelmäßig abwechselnd auf der könvexen Fläche) und daß der Cirrus, einem Tetrarhynchus-Rüssel vergleichbar, mit starken und langen Stacheln oder Haken („aculei“) bedeckt sei. | Bemerkungen über die Cestoden aus Centrolophus pompilius. 631 Auf Grund dieser Angaben habe ich (1899) Amphicotyle typica in meinem Bothriocephalidensystem in die Unterfamilie der Plychobothriinae eingereiht, indem ich die konkave Fläche als Ventral-, die konvexe als Dorsalfläche ansah. Ich hatte in der Zwischenzeit die in Betracht kommenden Cestodenarten aus Centrolophus pompilius bereits selbst untersucht, als eine Arbeit Ariola’s (1900) erschien, in welcher dieser nachzuweisen sucht, daß der von Monticelli beschriebene Cestode mit Diesing’s Amphicotyle typieca nicht identisch sei. Er tauft ihn deshalb auch um in Bothriocotyle solenosomum'!) nov. gen. nov. spec. Die wirk- liche Amphicotyle typica hat nach Ariola marginale Genitalöffnungen, eine abgeflachte, nicht eingerollte Proglottidenkette und einen wirklichen Saugnapf („una vera e propria ventosa“) hinter den Sauggruben (,„in- feriormente a ciascun d’essi“); ihre Länge überschreitet nicht 10 cm. Bothriocotyle solenosomum Ariola unterscheidet sich von ihr außer durch die abweichende Form der Proglottidenkette und die andere Lage der Genitalöffnungen vor allem durch die viel beträchtlichere Länge (bis zu 60 cm), sowie dadurch, daß am Scolex sich nur je ein Pseudosaugnapf („una infossatura ventosiforme‘) auf dem Hinterrande der beiden Saug- gruben findet. Gegen die von Ariola gebrauchten Namen könnten freilich auf Grund seiner eigenen Arbeit gewichtige Einwendungen erhoben werden. Der italienische Autor berichtet nämlich, daß ihm unter anderem auch „un esemplare di Amphicotyle Iypica, della collezione del Museo di Vienna (tipo del Diesing)‘ vorgelegen habe und daß dieses „preteso esemplare di A. iypica di Vienna, communicatomi dal Monticelli non appartiene a questa specie, sebbene al Bothriocotyle“: Das einzige angebliche Originalexemplar von Amphicotyle typica Dies., welches zur Untersuchung gelangte, soll nicht dieser Diesing’schen, sondern der von Ariola neu aufgestellten Art angehören !!! Wenn dies richtig wäre, dann müßte zweifellos Bothriocotyle solenosomum Ariola als synonym zu Amphicotyle typiwa Dies. eingezogen und Amphicotyle typica Ariola umgetauft werden ?). Unter diesen Umständen war zur definitiven Klärung der verwickelten Synonymie der in Centrolophus pompilius schmarotzenden Cestoden eine Prüfung des im Wiener Hofmuseum auf- bewahrten Materiales unerläßlich. Ich gestatte mir, Herrn Dr.v.Maren- zeller auch an dieser Stelle meinen Dank auszusprechen, daß er mir dieselbe in gewohnter Liebenswürdigkeit ermöglicht hat. Es zeigte sich, daß der von Ariola untersuchte angebliche „tipo di Diesing“ sicher keines der typischen Exemplare war, daß aber andererseits die von Ariola festgestellte Synonymie in der That zu Recht besteht. In Wien sind 3 Gläser mit Cestoden aus ÜOentrolophus pompilius vorhanden. 1) No. 581. „Bothriocephalus heteropleurus D. Original. Centrolophus pompilius““ Daß es sich hier in der That um die Diesing’schen > 1) Ariola schreibt ‚„solinosomum“. Dieser Name muß jedoch zweifellos in sole- nosomum geändert werden, da er von owinv abgeleitet ist und n nach den Nomenklatur- gesetzen in e transkribiert werden soll. 2) Uebrigens ist Ariola insofern nicht konsequent, als auf den Ausspruch, daß Diesing’s angebliches Originalexemplar eine Bothriocotyle sei, fast unmittelbar eine Auseinandersetzung folgt, daß von den beiden Exemplaren von Dibothrium heteropleurum Dies. (= Amphiecotyle typica Dies.), welche Diesing vorgelegen hätten, das eine ein Amphitretus wageneri (Montic.), das andere ein Amphicotyle typica Ariola nec Montic. ewesen sei. Auch ist bei Bothriocotyle solenosomum Ariola Dibothrium heteropleurum ies. 1850 bez. Amphicotyle typica Dies. 1863 nicht als synonym aufgeführt. 632 M. Lühe, Originale handelt, würde schon aus dem Inhalt des Glases mit Sicher- heit hervorgehen, auch wenn der betreffende Vermerk auf dem Etiquett fehlen würde. Das Glas enthält nämlich 2 Exemplare, auf welche Diesing’s Angaben vollkommen zutreffen. a) Das kleinere der beiden Exemplare (zwei zusammengehörige Bruchstücke) ist 3 cm lang und an der breitesten Stelle etwa 2,5 mm breit. Seine beiden Flächen sind gleichmäßig konvex und auch im übrigen einander gleich. Sein Scolex entspricht der Wagener’schen Zeichnung von Dibothrium heteropleurum. Es ist zweifellos nicht nur das von Diesing als „minus corpore plano“ bezeichnete Exemplar, es ist auch das einzige Exemplar von Amphycotyle heteropleura (Dies. e. p., Wagen.) = Amphycotyle typica Dies. e. p., Ariola nec Montic., welches Diesing vorgelegen hat. b) Ebenso zweifellos ist das andere hier in Fig. 1 eildate Exemplar dasselbe, welches Diesing als ‚„majus corpore uno latere convexo altero concavo“ bezeichnet hat. Es ist in der That wesent- lich größer als das eben besprochene. Seine Länge mag etwa 5 cm betragen, seine größte Breite nicht unter 7 mm. Eine genaue Messung der letzteren wird allerdings dadurch erschwert, daß die Proglottidenkette zu einer halbeylinderischen Röhre zusammen- gebogen ist, entsprechend Diesing’s oben citierter Angabe. Auch die Länge des ganzen Tieres habe ich nur annähernd bestimmt, da dasselbe auch in seiner Längsachse stark zusammengerollt ist und ich es nicht zu strecken wagte, um es nicht zu verletzen. Die beiden Flächen zeigen die von Diesing (1850) in seiner ersten, oben citierten Diagnose von Dibothrium heteropleurum angeführten Verschiedenheiten, welche nach Monticelli (1890) für .Bothrio- cephalus wagenerı Montic. charakteristisch sind. Das Exemplar dürfte hiernach dieser, inzwischen von Blanchard zum Typus der Gattung Amphitretus erhobenen Art angehören und würden hiernach Monticelli und ihm folgend neuerdings auch Ariola unter den Synonymen von Amphitretus wagenerv (Montic.) mit Recht auch Dibothrium heteropleurum Dies. e. p. aufgeführt haben. 2) „Dothriocephalus heteropleurus Diesing. Centrolophus pompilius. 582. Triest. Genua.‘ Das Glas enthält mehrere Exemplare, welche in- dessen ganz augenscheinlich sämtlich ein und derselben Art angehören und zwar, wie aus dem Habitus der Strobila und der Anordnung der Geschlechtsorgane hervorgeht, dem Amphitretus wageneri (Montic.). 3) Ein wörtlich gleichlautendes Etiquett und dieselbe No. 582 trägt auch noch ein anderes Glas, welches jedoch außerdem noch ein zweites (älteres) Etiquett enthält: ‚„Dothriocephalus heteropleurus? Aus dem Magen von Centrolophus pompilius. 4./6. 1884.“ In ihm finden sich außer einigen unbrauchbaren, scolexlosen und fadenförmig in die Länge gezogenen jugendlichen Proglottidenstrecken eines unbestimmbaren Cestoden (ob etwa Amphicotyle typica Ariola nec Montic.?) nicht weniger als 3 Arten: a) mehrere Exemplare derselben Art, welche bereits unter 1a angeführt und als Amphicotyle typica Ariola nec Montic. erkannt wurde. b) ein einziges vollständiges Exemplar von Bothriocotyle soleno- somum Ariola (= Amphicotyle typica Montic. nec Ariola), sowie einige derselben Art angehörige Bruchstücke. Auch ein aus dicht verschlungenen Proglottidenketten bestehender Knäuel scheint haupt- 633 Fig. 1. Amphitretus wageneri (Montic.) R. Bl. (Diesing’s „specimen majus“ von Dibothrium heteropleurum Dies. 1850.) Vergr. 3:1. “ ig. 2. Jugendlicher Cestode ohne Genitalanlagen aus Centrolophus pompilius. Fvegr. 3:1. Fig. 3. Bothriocotyle solenosomum Ariola. Vergr. 5:1. 634 Mi. Büke, sächlich Bothriocotyle zu enthalten. Die Richtigkeit der Bestimmung dieses Cestoden ist gewährleistet durch 3 sehr auffällige Merkmale: 1) Die konstante starke Einrollung der seitlichen Proglottidenränder, 2) die grubige Einsenkung auf dem Hinterrande der Sauggruben, welche von dicht gedrängten, radiär verlaufenden Muskelfasern um- stellt ist, endlich 3) die Lage der Genitalöffnung und die starke Bestachelung des Cirrus. c) Ferner enthält dasselbe Glas noch mehrere, sehr jugendliche Exemplare eines anderen Cestoden, welcher jedoch bei dem völligen Fehlen der Genitalorgane nicht bestimmbar ist. Die Länge derselben schwankt zwischen 10 und 25 mm, die größte Breite (dicht hinter dem Scolex) zwischen 1,8 und 2,4 mm, die Dicke ist auffällig gering und gleichmäßig: Die Proglottidenketten sind papierdünn und ihre Flachheit könnte kaum größer sein, wenn sie künstlich gequetscht wären. Die beiden Flächen sind vollkommen gleich ausgebildet. Die Form des Scolex, welcher zwei flächenständige Sauggruben und eine deutliche Scheitelplatte trägt, erinnert an die Abbildung, welche Monticelli (1890) von dem Scolex von Bothrivcephalus wageneri gegeben hat. Im übrigen verweise ich auf die Abbildung eines mittelgroßen Exemplares (Fig. 2), welche den charakteristischen Habitus wiedergiebt. Die Verschmälerung nach dem Hinterende zu findet sich, wie noch ausdrücklich betont sein mag, bei allen fünf mir vorliegenden Exemplaren. Im Anschluß hieran sei gleich noch angeführt, daß Amphicotyle iypica Ariola nec Montic., Bothriocotyle solenosomum Ariola und Amphi- tretus wageneri (Montic.) sich sämtlich auch in den Privatsammlungen der Herren Dr. Fuhrmann-Neufchätel und Prof. Stossich-Triest befinden. Stossich hat allerdings die beiden von Ariola neuerdings als Amphicotyle und Bothriocotyle unterschiedenen Formen nicht von- einander getrennt. Der Inhalt des als „Amphicotyle typica“ etiquettierten Glases seiner Sammlung, auf welches die von ihm (1895 und 1898) publizierten Angaben sich beziehen, soweit sie nicht nur auf der älteren Litteratur basieren, besteht größtenteils aus Bothriocotyle solenosomum Ariola. (Fig. 3 stellt eines dieser Exemplare dar.) Nur ein geschlechts- reifes Exemplar von Amphicotyle typica Ariola nec Montic. findet sich darunter, dagegen allerdings eine größere Anzahl noch sehr jugend- licher, ganz unreifer Exemplare dieser Art. Andererseits findet sich unter dem mir von Herrn Dr. Fuhrmann zur Verfügung gestellten Materiale kein geschlechtsreifes Exemplar von Amphitretus wagenerv (Montic.), doch glaube ich einen jugendlichen Cestoden seines Gesamt- habitus wegen mit Wahrscheinlichkeit der Gattung Amphitretus zu- rechnen zu dürfen, obwohl ich auch auf Schnitten noch nicht die ge- ringste Spur von Genitalanlagen habe nachweisen können. Von den mir vorliegenden Exemplaren von Amphitretus wageneri unterscheidet er sich vornehmlich durch den (namentlich in sagittaler Richtung) erheblich größeren Querschnitt. Sollte es vielleicht ein Amphitretus (?) setiw (Ariola 1895) sein ? Die von dem Conte di Ninni bezw. von Trois in Venedig ge- sammelten und von Stossich (1890 bezw. 1891) bestimmten Oestoden haben mir nicht vorgelegen. Was die von Stossich (1890) als Bothrio- cephalus heteropleurus Dies. bezeichnete Form anbetrifft, so würde deren Identifizierung nur auf Grund einer erneuten Untersuchung des im Museo civico zu Venedig aufbewahrten Materiales möglich sein. Dagegen Bemerkungen über die Cestoden aus Centrolophus pompilius. 635 " muß die von Stossich (1891) als Amphicotyle typica Dies. bezeichnete Art auf Grund der Abbildung und auf Grund der Beschreibung der jugendlichen Proglottiden mit Amphicotyle typica Ariola nec Montic. identifiziert werden. Nach dem oben von mir gegebenen Protokoll des in der Wiener Sammlung vorhandenen Cestodenmateriales aus Centrolophus pompilius kann das aus jener Sammlung stammende Exemplar, welches Ariola vorgelegen hat und von diesem als Bothriocotyle solenosomum erkannt wurde, unmöglich ein Diesing’sches Originalexemplar („tipo di Diesing“) gewesen sein. Es kann einzig und allein aus dem von mir unter No. 3 angeführten Glase stammen, dessen Inhalt erst 1884 ge- sammelt worden ist, d. h. also nicht nur lange nach dem Erscheinen der einschlägigen Publikationen Diesing’s, sondern auch eine ganze Reihe von Jahren nach Diesing’s Tode. Unter diesen Umständen ist es in der That berechtigt, daß Ariola den von Monticelli als Amphicotyle typica beschriebenen Cestoden umgetauft hat, obwohl man nach Ariola’s Publikation das Gegenteil annehmen könnte. Andererseits muß der Name Amphicotyle typica Dies. 1863 zweifellos in Amphicotyle heteropleura (Dies. 1850) geändert werden, da die von Diesing vorgenommene Aenderung des Speciesnamens nach dem Prioritätsgesetz ungiltig ist. Die von Diesing unter jenem Namen zusammengefaßten Cestoden sind nach No. 1 des obigen Protokolles Amphicotyle iypica Ariola 1900 nee Montic. 1890 und Amphitretus wageneri (Montic. 1890) R. Bl. 1894. Eine dieser Arten hat daher den ursprünglichen Namen wieder zu erhalten, obwohl dieser in jedem Falle sinnwidrig wäre, da die eine der beiden Arten kein saugnapfähnliches Gebilde am Scolex besitzt, so daß der Gattungsname nicht paßt, während bei der anderen die Proglottidenflächen nicht verschieden sind und also der Speciesname unpassend wäre. Die Entscheidung in dieser Nomen- klaturfrage wird dadurch gegeben, daß Wagener eine der beiden von Diesing zusammengefaßten Arten mit dem Diesing’schen Namen belegt und in erkennbarer Weise abgebildet hat. Amphicotyle typica Ariola 1900 nec Montic. 1890 ist demnach synonym zu Amphicotyle heteropleura (Dies. 1850 e. p., Wagen. 1854). Aus diesen Ausführungen, welche mir zur Klärung der so ungemein verwickelten Synonymie der in Centrolophus pompilius schmarotzenden Cestoden notwendig erschienen, ergiebt sich unter Berücksichtigung des Umstandes, daß ich den von Ariola (1895) beschriebenen Diplogono- porus settii in der Revision meines Bothriocephaliden - Systemes ver- mutungsweise zur Gattung Amphitretus gestellt habe (vergl. Lühe 1902), folgende Synonymie der sämtlich zur Ordnung der Pseudophylliden (bezw. Bothriocephaloiden) gehörenden Centrolophus-Cestoden: 1) Amphicotyle heteropleura (Dies. 1850 e. p., Wag. 1854) Lhe. 1902. synonym: Dibothrium heteropleurum Dies. 1850 e. p. Dibothrium heteropleurum Wag. 1854. Dibothrium heteropleurum Molin 1860. Amphicotyle typica Dies. 1863 e. p. Ampbhicotyle typica Stoss. 1891. Amphicotyle typica Stoss. 1895 e. p. Amphicotyle typica Stoss. 1898 e. p. Amphicotyle typica Ariola 1900 (b). 636 1398. 1599. M. Lühe, Bemerkungen über die Cestoden aus Centrolophus pompilius. 2 Bothriocephalus heteropleurus Stoss. 1890. nec Amphicotyle typica Montic. 1890. nec Amphicotyle typica Lhe. 1899. 2) Bothriocotyle solenosomum Ariola 1900 (b). synonym: Amphicotyle iypica Stoss. 1895 e. p. Amphicotyle typica Stoss. 1998 e. p. Amphicotyle typica Montic. 1890. Amphicotyle typica Lhe. 1899. nec Amphicotyle typica Dies. 1863. 3) Amphitretus wageneri (Montic. 1890) R. Bl. 1894. synonym: Dibothrium heteropleurum Dies. 1850 e. p. Amphicotyle typica Dies. 1863 e. p. Bothriocephalus wageneri Montic. 1890. Bothriocephalus wageneri Stoss. 1895. Amphitretus wageneri Lhe. 1899. Diplogonoporus wageneri Ariola 1896. Diplogonoporus wageneri Stoss. 1898. Diplogonoporus wageneri Ariola 1900 (a). 4) Amphitretus (?) settii (Ariola 1895) Lhe. 1902. synonym: Diplogonoporus settii Ariola 189. Snnlogenepor settiüi Ariola 1900 (a). 5) Gen.? spec.? (cf. oben Fig. 2). Litteratur. . Diesing, ©. M., Systema helminthum. Vol. I. (Vindobonae.) p. 594. . Wa sa D R., Die Entwickelung der Oestoden nach eigenen Uneesnälneben. (Verh andl. [Nov. Act.] d. K. Leop.-Carol. Akad. d. Naturf. Bd. XXIV. Suppl. Breslau u. Bonn. p. 69. Taf. VII. Fig. 78-79.) . Molin, R., Cephalocotylea e Nematoidea. (Sitzungsber. der kgl. Akad. d. Wiss. 10.) Wien, mathem.-naturw. Kl. Bd. XXXVIII. 1859. p. 9— Diesing, K. M., Revision der Oephalocotyleen. Abteilung Paramecocotyleen. (Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien. mathem.-naturw. Kl. Bd. XLVIN. 1. Abt. p. 249.) . Monticelli, Fr. Sav., Note elmintologique. Cestoda. I. Di due forme di Dibothridae del Centrolophus pompilius. (Boll. Soc. . Napoli. Ser. I. Anno IV. Vol. IV. Fasc. 2°. p. 196—198. Taf. VIII. Fig. 4 . Stossich, M., Elminti veneti raccolti dal Dr. Alessandro Conte di Ninni. (Boll. Soc. Adriat. sci. natur. Trieste. Vol. XII.) p. 7 des Sond.-Abdr. . Stossich, M., Elminti veneti etc. (Ibid. Vol. VILL.) p.8 des Sonderabdr. Taf. I. Fig. 4. . Blanchard, R., Notices sur les parasites del’homme (3. serie). — Sur le ent grandis et remarques sur la classification des Bothrioc&phalines.. (C. R. Biol. Paris. Ser. 10. T. L: 1894. No. 27. p. 702.) . Ariola, V., Due nuove specie di Botriocefali. (Boll. dei Musei di Zoologia e Anatomia comp. d. R. Univ. di Genova. Vol. II. No. 38. — Eistr. d. Atti d. Soc. Ligust. di Scienze Natur. e Geogr. Genova. Vol. VI.) . Stossich, M., ne elmintologiche. (Boll. d. Soc. Adriat. di Scienze Naturali Trieste. Vol. XVL . 33—46.) . Ariola, V., Sopra alena Dibotrii nuovi o poco noti e sulla a del genere Bothriocephalus. (Boll. dei Musei di Zoolog. e Anat. com Univ. di Genova. Vol. II. No. 52. — Estr. d. Atti d. Soc. Ligust. di we Natur. e Geogr. Genova. Vol. VII.) Stossich, M., Saggio di una Fauna elmintologica di Trieste e provinzie con- termini. 8°. Trieste. (Estr. d. Programme d. Civ. Scuola R. Super.) Lühe, M., Zur Anatomie und Systematik der Dothri (Verhandl. d. deutschen zoolog. Gesellsch. IX. Versamml. p. 30—55.) 1900a. Ariola, V., Revisione della Famiglia Bothriocephalidae s. str. (Arch. de Parasit. T. IH. p. 369—484.) | A. Looss, Zur Kenntnis der Trematodenfauna des Triester Hafens. 637 1%0b. Ariola, V., Nota sui Oestodi parassiti del Centrolophus pompilius Linn. (Boll. dei Musei di Zoolog. e Anat. comp. d. R. Univ. di Genova. Vol. IV. No. 9 — Estr. d. Atti d. Soc. Ligust. di Scienze Natur. e Geogr. Genova. Vol. XI.) 1902. Lühe, M., Revision meines Bothriocephalidensystemes. (Centralbl. f. Bakt. I. Abt. Originale. Bd. XXXI. No. 7. p. 318—331.) Nachdruck verboten. Zur Kenntnis der Trematodenfauna des Triester Hafens. Von Dr. A. Looss, Cairo. I. Ueber die Gattung Orophocotyle n. 2. Mit 4 Figuren. In seinem Artikel: Appunti di Elmintologia!) beschreibt Stossich unter dem Namen Podocotyle plancı einen Trematoden aus dem Darme von Ranzenia truncata, der folgende Eigentümlichkeiten aufweist. Der Körper ist lang, ceylindrisch und dünn, vorn infolge der gestielten Be- schaffenheit des Bauchsaugnapfes gegabelt, hinten ein wenig verjüngt und manchmal etwas saugnapfähnlich ausgehöhlt. Die Saugnäpfe sind groß und tief und je nach ihrem Kontraktionszustand von verschiedenem Aussehen. Sie sind ungefähr gleich groß, doch erscheint der Mund- saugnapf manchmal größer als der Bauchsaugnapf. Ersterer liegt terminal, letzterer auf der Spitze eines dem Halse an Länge ungefähr gleichkommenden Stieles. Durch einen kurzen Präpharynx steht der kleine, fast kugelige Pharynx mit dem Mundsaugnapfe in Verbindung; von ihm entspringt ein einfacher Darm, der infolge der Lagerung der Hoden einen S-förmigen Verlauf annimmt. Hoden groß, ungefähr kugelig und etwas schräg hintereinander in der Körpermitte, der vordere unter der Rückenfläche, der hintere an der Bauchfläche gelegen. Ovarium kleiner als die Hoden, kugelig, hinter ihnen. Die Dotterstöcke sind sehr wenig entwickelt und bilden eine Reihe von 8—10 großen Follikeln von den Hoden an bis zum Bauchsaugnapfstiele. Sehr stark entwickelt ist dagegen der Uterus, der beinahe den ganzen Körper ausfüllt und S-förmig zwischen den Hoden hindurchgeht; er mündet unter dem Mund- saugnapf und enthält eine außerordentlich große Zahl sehr kleiner ellip- tischer und gedeckelter Eier. Einige Originalexemplare dieser Podocotyle planci hat Prof. Stossich die Freundlichkeit gehabt, mir zum Vergleiche zu überlassen ; eine An- zahl weiterer Exemplare verdanke ich der Güte des Kollegen Cori, der sie in demselben Wirte (Ranzania truncata) gefunden und mir zur Verfügung gestellt hat. Die vergleichende Untersuchung dieses Materiales hat ergeben, daß sich in die anatomische Beschreibung Stossich’s einige gröbere Irr- 1) In: Boll. Soc. Adriatica sc. nat. Trieste. Vol. XIX. 1899. Estr. p. 5. In diesem Artikel wird auf p. 3 auch ein Aspidogaster vallei aus dem Oesophagus und dem Magen von Thalassochelys corticata beschrieben. Ich bedauere, dies völlig übersehen zu haben, denn der kürzlich von mir ebenfalls aus Thalassochelys beschriebene Lophotaspis adhaerens Less. (cf. dieses Centralbl. Bd. XXX. Abt. I. 1901. p. 624) ist nichts anderes als Aspido- gaster vallei Stossich, der demnach von jetzt ab Lophotaspis vallei (Stoss.) heißen wird. Ich benutze diese Gelegenheit, um auch den von mir vor einiger Zeit (Ueber die Fasciolidengenera Stephanochasmus etc. [dies. Centralbl. Abt. I. Bd. XXIX. 1900. p. 658]) für Distomum fallae R. in Vorschlag gebrachten Gattungsnamen Anisogaster in Anisocladium umzuändern, da Anisogaster bereits mehrfach präoccupiert ist. 638 A. Looss, tümer eingeschlichen haben, welche die richtige Beurteilung der syste- matischen Stellung unserer Art zur Unmöglichkeit machen; etliche weitere, in systematischer Hinsicht ebenfalls wichtige Eigentümlichkeiten sind Stossich entgangen. Der anatomische Bau der Podocotyle planci ist folgender. Der Körper ist anscheinend nicht sehr muskelkräftig, in der Haupt- sache cylindrisch, hinten zum Teil mehr zugespitzt, zum Teil etwas breiter endigend und dann nicht selten thatsächlich leicht ausgehöhlt, wie es Stossich beschreibt. Das Vorderende ist deutlich gegabelt, da der Bauchsaugnapf an der Spitze eines dem Halse an Länge ungefähr gleichkommenden, wohlabgesetzten, aber stark einziehbaren Stieles ge- legen ist. Die von Stossich erwähnte wechselnde Größe des Mund- saugnapfes habe ich ebenfalls beobachtet und zwar sowohl unter den Originalexemplaren als auch unter dem von Cori gesammelten Materiale. Ich werde hierauf weiter unten zurückkommen. Hier sei nur erwähnt, daß die verschiedene Größe des Mundsaugnapfes auf die äußere Ge- staltung des Kopfendes der Würmer nicht ohne Einfluß ist; jedenfalls lassen sich die Individuen mit dem größeren Mundsaugnapfe schon bei Betrachtung mit einer Lupe leicht und sicher von denjenigen mit dem kleineren Mundsaugnapfe trennen. Beide Saugnäpfe sind auffallend tief ausgehöhlt, besitzen dagegen nur verhältnismäßig dünne Wandungen (besonders der Bauchsaugnapf) und jeder außerdem gewisse Sonder- ausstattungen. An dem Mundsaugnapfe fällt besonders ein an seinem Eingange gelegener, soweit mir bekannt, ganz ungewöhnlicher Muskel- apparat auf. Derselbe dürfte dem bei anderen Arten an derselben Stelle entwickelten Sphinkter entsprechen, ist aber nicht ringsherum ge- schlossen, sondern zerfällt in zwei isolierte Teile, von denen einer dorsal, der andere ventral gelegen ist. Jeder besteht aus einem ziemlich dicken Bündel von Aequatorialmuskelfasern, die zwischen die Radiärmuskeln eingebettet sind und sich besonders dicht an der Außenwand des Saug- napfes anhäufen. Alle diese Fasern laufen rechts und links der Mittel- linie in je einem Punkte am Mundrande zusammen; durch ihre Kon- traktion kann der von ihnen umschlossene Teil des Mundrandes als scharf individualisierte Lippe vorgewölbt werden. Die dorsale dieser Lippen (Fig. 4) ist etwas größer als die ventrale; beide sind voneinander vollkommen isoliert, da die Seitenteile der meist querovalen Mundöffnung von den beschriebenen Muskeln frei bleiben. Zwischen der Körperwand und dem Saugnapf finden sich keine besonderen Muskelgruppen, die beide miteinander verbinden. Der Bauchsaugnapf hat eine fast cylindrische Gestalt; dabei ist seine (bei gerade vom Körper abstehendem Stiele) kopfwärts gerichtete Wand bedeutend länger als die hintere, so daß die Oeffnung, die meist die Form eines Längsschlitzes besitzt (5 Fig. 1 u. 2), stark nach hinten geneigt ist. Der Saugnapf selbst kann (durch starke Muskelfasern, welche im Stiele einen kontinuierlichen Mantel unterhalb des Hautmuskel- schlauches bilden) tief in den Stiel und mit diesem in den Körper zurückgezogen werden; er schaut aus der Masse des Stieles dann wie aus einem Kragen heraus. Ziemlich nahe dem freien Rande des Saug- napfes entspringt aus seiner nach dem Kopfe zu gelegenen Wand jeder- seits der Mittellinie ein hauptsächlich aus Radiärmuskeln bestehender Lappen (D Fig. 1 u. 2) von ungefähr derselben Dicke wie die Saugnapf- wand selbst; diese beiden Lappen legen sich äußerlich über die letztere hinweg, können aber augenscheinlich selbständig bewegt werden, da man Zur Kenntnis der Trematodenfauna des Triester Hafens. 639 sie in ziemlich verschiedenen Stellungen antrifftt. Wir haben hier eine Bildung, welche im Prinzip durchaus derjenigen entspricht, welche von Monticelli!) für den Bauchsaugnapf von Dist. calyptrocotyle beschrieben worden ist; ein Unterschied besteht nur darin, daß nach Monticelli bei dieser Art die Lappen vom Hinterende des überdies bedeutend weniger vertieften Saugnapfes ausgehen, während sie bei Podoc. planci erst nahe an dessen freiem Rande entspringen. Die Haut ist glatt; Papillenbildungen, wie sie Monticelli bei Dist. calyptrocotule, sowie bei den nahe verwandten Accacoelium-Arten (A. contortum, nigroflavum etc.) beschreibt, habe ich bei Podoc. plancı nicht entdecken können. Ebenso fehlen diesem die bei Dist. calyptro- cotyle im Vorderkörper unter der Rückenseite vorhandenen Hautdrüsen- gruppen. Der Verdauungsapparat schließt sich in seinem Aufbau durch- aus an den der Accacoelium-Arten an, ist also nicht einfach, wie Stos- sich gesehen zu haben glaubt. Wie bei den Accacölien, liegt der Eingang in den Darm auf der Spitze einer scharf markierten konischen Erhebung, die vom Boden des Mundsaugnapfes aus in dessen Höhlung vorspringt (Oe Fig. 1 u. 2). Ihre Masse besteht deutlich aus zwei ein- ander überlagernden Schichten, deren äußere von der etwas verdünnten, aber histologisch unveränderten Wand des Saugnapfes selbst dargestellt wird, während die innere der vorderste Teil des Pharynx ist, der sich wie ein konischer Stöpsel von hinten her in die Erhebung der Saugnapfwand einschiebt. Die Verhältnisse sind durchaus entsprechende, wie sie Monticelli für Dist. calyptrocotyle schildert und in Fig. 18, Taf. III seiner Arbeit abbildet; nur von dem in der Beschreibung (p. 29) erwähnten und in Fig. 4, Taf. II gezeichneten „collaretto cerciniforme“ habe ich ebensowenig etwas bemerkt, wie derselbe in der eben citierten Fig. 18 erkennbar ist. Der Pharynx selbst hat eine eigentümliche, fast rübenförmige Gestalt; während sein hinterer Abschnitt die übliche Form aufweist, verlängert er sich nach vorn zu unter mehr oder minder all- mählicher Verschmächtigung und gleichzeitiger Verdünnung seiner Wand in ein mehr kanalähnliches Gebilde, welches auf die beschriebene Weise mit dem Saugnapfe in Verbindung steht und bei stärker kontrahiertem Körper gewöhnlich unregelmäßig geknickt oder gefaltet erscheint. Der unpaare Oesophagus ist dünn und relativ kurz, da er sıch gegenüber dem Ansatze des Bauchsaugnapfstieles in die Darmschenkel gabelt (T Fig. 1 u. 2). Die nach vorn verlaufenden Aeste dieser letzteren sind gleichfalls nur dünn und verhältnismäßig bedeutend kürzer als bei Dist. calyptrocotyle, da sie auf gleicher Höhe mit dem Hinterrande des Mundsaugnapfes endigen. Die Hinterenden der Darmschenkel liegen nahe beisammen unmittelbar am Ende des Körpers. Vom Exkretionsapparate bemerkt man vor allem den rein terminal gelegenen, ziemlich weiten Porus, dessen Vorhandensein die öfters sichtbare grubige Vertiefung des Leibesendes bedingt. Der von ihm ausgehende unpaare Teil der Exkretionsblase teilt sich sehr bald in zwei Schenkel von ansehnlicherem Kaliber, deren weitere Verfolgung an Totalpräparaten nicht möglich ist. Auf Schnitten sieht man sie bald in dünnere Gefäße übergehen, die sich bis in das Kopfende verfolgen lassen und hier allem Anscheine nach umkehren. Es wiederholen sich 1) Studi sui Trematodi endoparassiti. (Zool. Jahrb. Suppl. Bd. III. 1893. p. 3.) 640 A. Looss, demnach die Verhältnisse, die wir von Dist. calyptrocotyle und den ver- wandten Accacölien durch Monticelli kennen gelernt haben. Genitalorgane. Der Genitalporus liest in der Mittellinie der Bauchseite auf der Höhe des Mundsaugnapfes. Er führt in einen nur Fig. 2. Fig. 1. Orophocotyle divergens Lss. Vergr. ca. 50. i Fig. 2. Orophocotyle planei (Stoss.). Vergr. ca. 50. — In beiden Figuren bezeichnen: M Mundöffnung; B Oeffnung, D Duplikatur des Bauchsaugnapfes; Oe Oeffnung des Oesophagus, Ph Pharynx; 7 Teilung des Oesophagus in die Darmschenkel; Ja vordere, Jp hintere Aeste der letzteren; GP Genitalporus, PP Pars prostatica; 78 Samenblase; AH, vorderer, H, hinterer Hoden; XSt Keimstock; SD Schalendrüse; DsSt Dotterstöcke; D@G Hauptdottergang; Ui Uterus. kurzen, einfachen Sinus, der sich bald in die beiderlei Leitungswege spaltet. Kopulationsorgane sind nicht ausgebildet; der männliche Leitungsweg führt vielmehr vom Sinus aus zunächst in eine wenig individualisierte, frei im Parenchym gelegene und von wenigen großen Zellen umgebene Pars prostatica (PP Fig. 1), an die sich nach hinten Zur Kenntnis der Trematodenfauna des Triester Hafens. 641 eine sehr lange schlauchförmige Samenblase anschließt. Dieselbe ver- läuft, der Rückenfläche genähert und in dichte Windungen gelegt, bis mehr oder minder weit über die Ansatzstelle des Bauchsaugnapfstieles hinaus, um schließlich in die beiden, relativ kurzen Samenleiter zu zer- fallen. Bei stärkerer Kontraktion des Körpers kann ihr mittlerer Teil mehr oder minder weit in die Basis des Bauchsaugnapfstieles hinein- gepreßt werden. Die Keimdrüsen finden sich nahe beisammen in un- gefähr der Mitte des Hinterkörpers, der Keimstock hinter den Hoden; alle drei sind von rundlicher Gestalt, ganzrandig, der Keimstock nahezu median, die Hoden seitlich aus der Mittellinie verschoben, soweit es die geringe Breite des Leibes zuläßt, der vordere Hoden außerdem, wie schon Stossich gesehen, der Rückenfläche, der hintere der Bauchfläche angelagert. Der ziemlich kleine, aber scharf umschriebene Schalen- drüsenkomplex liegt dicht vor dem Keimstock; aus ihm zieht ein kurzer, an seiner Basis meist ein wenig erweiterter Laurer’scher Kanal fast Fig. 3. Querschnitt durch den Körper von Orophocotyle planci nahe dem Vorder- ende der Dotterstöcke. Vergr. ca. 235. — H Haut; SC Gruppen von Subeuticular- zellen; J Darmschenkel; DG Hauptdottergang; DF Dotterstockstollikel; VS Samenblase; UTt, auf der Ventralseite aufsteigender, Ut, ebendaselbst absteigender Teil des Uterus; in beiden Eier von Samenmassen umgeben; Ui, muskulöser Endteil des Uterus mit den umgebenden Zellen. Fig. 4. Schnitt durch die dorsale Lippe am Eingang in den Mundsaugnapf von Orophocotyle planci. Vergr. ca. 255. gerades Weges nach dem Rücken. Es ist nur ein einfacher, d. h. un- paarer Dotterstock vorhanden. Der Hauptdottergang steigt vom Ootyp aus nach der Rückenseite empor, geht ungefähr in der Mittellinie des Körpers über den hinteren Hoden hinweg, dann unter dem vorderen hindurch, um vor dem letzteren wiederum ungefähr die Achse des Körpers zu gewinnen. Die wenig zahlreichen, einfach keulenförmigen Follikel sitzen ihm an, wie die Eizellen der Rhachis bei den Nematoden und bilden 4 Reihen, die auf beiden Seiten dorsal und ventral von den - Darmschenkeln gelegen sind (Fig. 3); sie endigen bereits eine Strecke hinter dem Ansatze des Bauchsaugnapfstieles. Auch der Uterus zeigt einen ungewöhnlichen Verlauf; er begiebt sich vom Ootyp aus auf der Ventralseite zunächst nach vorn bis nahe an den Ansatz des Bauch- _ saugnapfstieles, kehrt dann, immer noch auf der Bauchseite, zurück unter dem Keimstock durch bis in das Hinterende; hier geht er auf die Rückenseite über und verläuft längs dieser bis zur Samenblase, um zuletzt unterhalb derselben der Genitalöffnung zuzustreben. Die hinter Erste Abt. XXXI. Bd. 42 642 A. Looss, den Keimdrüsen gelegenen Teile bilden sehr regelmäßige, dichte, aber kurze Querwindungen; der aufsteigende Ast geht vom Keimstock an zuerst, wie oben von dem Dottergange beschrieben, zwischen den Hoden hindurch und dann in gestrecktem Verlaufe seinem Ende zu. Er zeich- net sich durch ziemlich starke Muskelwandungen aus und tritt, besonders wenn er nicht mit Eiern gefüllt ist, oft sehr deutlich in die Erscheinung; ich möchte vermuten, daß Stossich ihn gesehen und für den von ihm beschriebenen, einfachen unpaaren Darm gehalten hat. In seinem hinteren Abschnitte ist dieser muskulöse Teil des Uterus übrigens äußerlich von ganz ähnlichen Zellen besetzt, wie ich sie früher von Syncoelium und Otiotrema beschrieben habe (in Fig. 3 Ut, angedeutet). Die innersten Schlingen des Uterus sind bei allen von mir untersuchten Individuen auf eine oft beträchtliche Strecke hin prall mit Samenmassen gefüllt und dergestalt in ein Receptaculum seminis uterinum umge- wandelt; ähnliche und meist gleich mächtige Ansammlungen von Sperma finden sich bei fast allen Individuen auch in den verschiedensten anderen Abschnitten des Uterus vor, auf dem Wege nach innen begriffen. Die Eier sind zahlreich und von mäßig dunkelbrauner Farbe. Sie besitzen eine regelmäßig ovale, dünne Schale, deren relativ großer Deckel sich bei den reifen sehr leicht zu Öffnen scheint. Ihre Länge beträgt gegen 0,03, ihre Dicke gegen 0,02 mm. Es wurde nun schon oben in Bestätigung der Angaben Stossich’s konstatiert, daß die Größe des Mundsaugnapfes unter den einzelnen Individuen der Art nicht unbeträchtliche Differenzen zeigt und daß schon eine einfache Lupenvergrößerung genügt, um die Exemplare mit dem kleineren von den Exemplaren mit dem größeren Mundsaugnapfe zu trennen. Ein genauerer Vergleich der beiderlei Formen ergiebt ferner, daß nur zwei ganz bestimmte Größenverhältnisse der Saugnäpfe vorliegen, die durch keinerlei Mittelformen verbunden sind. Da Hand in Hand mit dem erwähnten Unterschiede noch einige andere zwar kleine, aber, soweit ich gesehen, konstante auftreten, so kann kein Zweifel darüber obwalten, daß wir es hier mit zwei selbständigen Arten zu thun haben. Dieselben sind untereinander so nahe verwandt, wie zwei verschiedene Arten es sein können; sie repräsentieren demnach Angehörige einer natürlichen Gattung '!). Ich nenne diese Gattung von 1) In einer kürzlich abgeschlossenen größeren Arbeit über Trematoden aus See- schildkröten habe ich den Satz aufgestellt und zu begründen versucht, daß innerhalb von wirklich natürlichen Distomengattungen anatomische Unterschiede, d. h. solche in dem prinzipiellen Bau der einzelnen Organe, nicht vorkommen; die Angehörigen solcher Gattungen sind vielmehr durchgängig gleich gebaut und unterscheiden sich voneinander vornehmlich durch wechselnde Größe resp. Ausdehnung einzelner Organe. wozu sich Abweichungen in der Zahl (wie z. B. von Kopfstacheln) oder Ver- schiebungen in der Lage gewisser Organteile zu benachbarten gesellen können. Arten von verschiedenem anatomischen Baue dagegen bilden, zu Gattungen vereinigt, Keine natürlichen Gattungen, so sehr sie auch in der Topographie ihrer Organe und besonders der Keimdrüsen übereinstimmen mögen. Anatomische Unterschiede sind deshalb meiner Ueberzeugung nach stets und mindestens die Merkmale verschiedener Gattungen; Aufgabe eines minutiösen Vergleiches zahlreicher Individuen der bisher angenommenen und besonders der anscheinend „isoliert stehenden“ Arten wird es sein, die Angehörigen der wirklich natürlichen Gattungen zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. Als ein lehrreiches Beispiel, wo und wie diese Arten gesucht werden müssen, verweise ich in der eitierten Arbeit u. a. auf die unlängst von Jägerskiöld beschriebene „Varietas similis“ von Spelotrema pygmaeum (Lev.) (dieses Centralbl. Bd. XX VII. 1900. p. 732). Diese scheinbare Varietät ist in Anbetracht der Konstanz ihrer Unterschiede gegenüber der „Stammform“ keine Varietät, sondern eine selbständige, in einem anderen Wirte lebende Art, Spelotrema simile Jägersk., ein echter, Zur Kenntnis der Trematodenfauna des Triester Hafens. 643 - der Beschaffenheit des Bauchsaugnapfes Orophocotyle (ögopovv mit einem Dache versehen); ihre Merkmale sind in der oben gegebenen anatomischen Beschreibung enthalten; Typus der Gattung ist Orophocotyle planci (Stoss.), die neue Art Örophocotyle divergens Lss. Die Unterschiede beider sind aus folgender Zusammenstellung ersichtlich. Orophocotyle planci (Fig. 2). Länge der mir vorliegenden Exemplare ziemlich gleichmäßig, 3—3,4 mm, Dicke bis zu 05 mm, Hinterende breit, meist ein wenig ausgerandet. Saugnäpfe ungefähr gleich groß, ihr Querdurchmesser je nach der Kontraktion 0,15—0,18 mm, ihre Länge bis zu 0,27 mm, diejenige des Mundsaugnapfes stets etwas geringer als die des Bauchsaugnapfes. Genitalöffnung ungefähr auf halber Höhe des Mundsaugnapfes; Keimdrüsen fast genau in der Mitte des Hinterkörpers; die Samenblase überragt den Ansatz des Bauch- saugnapfstieles nach hinten beträchtlich; einige Dotterstocksfollikel finden sich stets auch in dem Raume zwischen Hoden und Keimstock ; die Uterusschlingen reichen bis dicht an das Körperende heran. Eier 0,028—0,03 mm lang, 0,016—0,019 mm dick. Orophocotyle divergens n. sp. (Fig. 1). Körperdimensionen anscheinend um ein geringes kleiner als bei der vorigen Art, sonst aber dieser ent- sprechend. Hinterende bei allen mir vorliegenden Exemplaren schlank zugespitzt, da der Uterus stets eine kurze Strecke vor demselben umbiegt. Mundsaugnapf bedeutend größer als der Bauchsaugnapf, im Mittel 0,45 mm lang und 0,35 mm weit, also dieker als der übrige Körper; Bauchsaugnapf so groß wie bei der vorigen Art, im Mittel 0,27 mm lang und 0,17 mm dick. Gecnital- öffnung dem Hinterrande des Mundsaugnapfes genähert. Die Samenblase überragt den Abgangspunkt des Bauchsaugnapfstieles nur wenig; bei den mir vorliegenden Exemplaren finden sich Dotterstocks- follikel zwischen Keimstock und Hoden nicht. Die Keimdrüsen liegen stets etwas vor der Mitte des Hinterkörpers, dessen äußerstes Ende, wie erwähnt, von den Uterusschlingen stets frei bleibt. Eier, von denen der Orophocotyle plancı kaum verschieden, 0,028 — 0,03 mm lang, 0,018—0,02 mm dick. Daß die Gattung Orophocotyle mit Accacoekium in nächsten ver- wandtschaftlichen Beziehungen steht, ist ohne weiteres klar, da es nur - geringe anatomische Unterschiede sind, welche beide voneinander trennen. Als der wichtigste derselben erscheint mir vor der Hand das Vorhanden- sein der Duplikatur am Bauchsaugnapfe von Orophocotyle, welche bei Accacoelium fehlt; dagegen fehlen Orophocotyle die eigentümlichen Haut- _ papillen der Accacölien, und die Dotterstöcke der letzteren zeigen eine bedeutend stärkere Entwickelung und teilweise sogar einen abweichen- den Aufbau. Aus letzterem Grunde (sowie einigen weiteren, auf die ich hier nicht eingehe) erscheint es mir so gut wie sicher, daß die natürlicher Gattungsgenosse von Spelotrema pygmaeum. Aus derselben Ueberzeugung heraus behaupte ich u. a. auch, daß v. ÖOfenheim jüngst (Ueber eine neue Distomiden- gattung [Zeitschr. f. Naturw. Bd. LXXIII. 1900. p. 169. Taf. III. Fig. 9, 10, 11]) nicht, wie er glaubt, Distomum riechiardii Lopez beschrieben hat, sondern einen Gattungsgenossen desselben, der sich von Distomum ricchiardii, von dem verschiedenen Vorkommen abgesehen, sofort und charakteristisch durch ein ganz anderes Größen- verhältnis der Saugnäpfe unterscheidet (Probolitrema capense n. sp. = Anaporrh. riechiardii v. Ofenheim nec Lopez, zweiter Angehöriger der Gattung Probolitrema Lss. mit Typus Probolitrema ricchiardii [Lop.| aus dem Mittelmeer.) In demselben Verhältnis, - wie die beiden hier genannten Formen, stehen zu einander auch die oben beschriebenen - Orophoeotyle planei (Stoss.) zu Orophocotyle divergens. 42* 644 A. Looss, Zur Kenntnis der Trematodenfauna des Triester Hafens. Gattung Accacoelıum in dem ihr gegenwärtig zugeschriebenen Umfange nach keine natürliche Gattung ist; wahrscheinlich dürfte sie aus drei solchen bestehen. In nahen Beziehungen zu Orophocotyle steht auch Dist. calyptrocotyle Monticelli, da dieses neben der gleichen inneren Struktur auch eine entsprechende Duplikatur an seinem Bauchsaugnapfe besitzt; jedenfalls dürfte die erwachsene Form, die zur Zeit anscheinend noch unbekannt ist, der Gattung Orophocotyle, wenn auch nicht direkt zugehören, so doch äußerst nahe stehen. Das Gleiche gilt von Dist. foliatum Linton aus Mola mola!), dessen Gesamtbau, soweit-er von Linton eruiert wird, von einigen ziemlich offenkundigen Irrtümern des Autors?) abgesehen, in allen wesentlichen Zügen mit demjenigen unserer Gattung übereinstimmt. Um die Zahl der „Distomum“-Arten zu ver- mindern, könnte man deshalb provisorisch Dist. calyptrocotyle und Dist. foliatum der Gattung Orophocotyle einstweilen einreihen, da beide Arten ihr unter allen Umständen außerordentlich nahe stehen und auch nach ihrer Erhebung zu Vertretern eigener Gattungen neben Oropho- cotyle in derselben Unterfamilie verbleiben werden. Ich habe in meiner oben erwähnten Arbeit über Trematoden aus Seeschildkröten einer solchen provisorischen Unterstellung von „Distomum“-Arten unter ge- wisse Gattungen das Wort geredet, da der Gattungsname Distomum heute gar nichts mehr besagt, während der innere Bau einer zur Zeit noch nicht sicher klassifizierbaren Art doch bereits auf eine Stellung derselben in der Nähe irgend einer bekannten Gattung hinweisen kann. Durch eine provisorische Unterstellung der unsicheren Art unter die betreffende Gattung könnte dies zum Ausdruck gebracht und damit ihrer späteren, definitiven Unterbringung im System vorgearbeitet werden; nur würde es unbedingt nötig sein, solche provisorisch der in Frage kommenden Gattung zugerechneten Formen deren wirklichen Angehörigen gegenüber kenntlich zu machen. Ich habe dies durch Einschließung des Gattungsnamens in Klammern zu erreichen gesucht und glaube demnach in demselben Sinne die oben genannten Formen einstweilen als (Orophocotyle) calyptrocotyle (Montic.) und (Orophocotyle) fokkata Lint. bezeichnen zu können, womit angedeutet werden soll, daß beide der Gattung Orophocotyle, d. h. ihren sicheren Angehörigen Orophocotyle plancı und Orophocotyle divergens, sehr nahe stehen, ohne daß es zur Zeit positiv erweisbar ist, ob sie der Gattung in der That zugehören oder Repräsentanten eigener, nächstverwandter Gattungen sind, deren Diagnose sich präcis noch nicht geben lassen würde. Ob der durch Orophocotyle und Accacoelium in seiner heutigen Gestalt re- präsentierte Formenkomplex eine Unterfamilie oder (was mir wahrschein- licher dünkt) eine natürliche Familie darstellt, wird die Zukunft zeigen. Cairo, 16. März 1902. 1) Notes on trematode parasites of fishes. (Proc. U. S. Nat. Mus. Vol. XX. 1897. No. 1133. p. 532.) 2) So spricht Linton von einem „Cirrus bulb“, der kaum vorhanden sein dürfte; er nennt ferner den Oesophagus kurz und kann den Uebergang desselben in die Darm- schenkel nicht finden, offenbar deshalb, weil er diese Verbindung am Anfange der Darmschenkel, nicht in der Nähe des Bauchsaugnapfstieles gesucht hat, wo sie infolge der H-förmigen Gestalt des Darmes gelegen ist. In der Angabe, daß die Hoden „a little in front of the postacetabular region of the body“ gelegen seien, dürfte ein Schreib- fehler enthalten sein. Endlich bin ich überzeugt, daß das von dem Autor erwähnte „posterior seminal receptacle* zwischen Schalendrüse und hinterem Hoden, das oben von mir beschriebene Receptaculum seminis uterinum, d. h. ein mit Samenmassen ge- füllter Teil des Uterus ist. Voges, Die Differentialdiagnose der Bakterien der hämorrhag. Septikämie etc. 645 ie Differentialdiagnose der verschiedenen in die Gruppe er Bakterien der hämorrhagischen Septikämie gehörigen - Mikroorganismen mit Hilfe der spezifischen Serum- | reaktion '). | Von 0. Voges, Buenos Aires. | F Nachdruck verboten. D =? | Die Litteratur über die Bakterien der hämorrhagischen Septikämie - ist überaus reichhaltig. Seitdem von Perroncito die Hühnercholera entdeckt ist, sind sozusagen täglich neue Krankheiten gefunden worden, - die auf Mikrobien zurückzuführen sind, welche mehr oder weniger denen - der Hühnercholera ähneln. Ein großer Streit entbrannte nun über die Frage, ob all diese verschiedenen Bakterien, die man bei vielen Er- ' krankungen fast unserer sämtlichen Haustiere sowie auch der ver- schiedensten wilden Tiere fand, identisch sind, vielleicht nur Spielarten derselben Abstammung oder aber bestimmte, für sich ganz streng differente Species. Vor meinen Studien, die ich im Jahre 1395 begonnen habe, galt hauptsächlich, auf die Autorität von Dr. Frosch hin, die Ansicht, daß die Bakterien verschieden seien. Man führte als Beweise Wachstums- verschiedenheiten in den verschiedenen Nährmedien an, ferner das ver- schiedene Verhalten bei Inokulationen an verschiedenen Tieren. In meiner umfangreichen, im Jahre 1896 in der Zeitschrift für Hygiene veröffentlichten Arbeit habe ich dargethan, daß die durch die Wahl des Nährbodens hervorgebrachten verschiedenen Eigentümlichkeiten meist _ die Folge von mangelhafter Versuchsanordnung sind, so daß Bakterien, - die angeblich nur kümmerlich oder gar nicht auf einem Nährboden wachsen sollten, von mir daselbst zur üppigsten Entwickelung gebracht werden-konnten. Damit werden diese sämtlichen differentialdiagnostischen Merkzeichen unbrauchbar. Es gelang mir aber fernerhin, die Virulenz der Bakterien derartig zu verändern, daß ich Tiere umbringen konnte mit einem Bacillus, der sie von vornherein nicht im mindesten alterierte. - So gelang es mir, Schweine mit Hühnercholerabacillen zu töten und Hühner mit Schweineseuchebacillen. Es ging somit aus diesen Ver- suchen hervor, daß die jeweilige Fähigkeit, eine bestimmte Tierart zu - töten, nichts Spezifisches, für die Differentialdiagnose Brauchbares war, - sondern von der momentan schwächeren oder stärkeren individuellen - Virulenz abhing, die ich beliebig beeinflussen konnte. Mit vollem Recht _ ließ ich damals nur den Unterschied zwischen beweglichen Bacillen (wie - Schweinepest und Hogcholera) und unbeweglichen (wie Hühnercholera, _ Pneumoenteritis etc.) bestehen. In der Folge habe ich im Verein mit _ Prof. Proskauer die Ernährungsbedingungen dieser Bakterien studiert, _ ausgehend von chemisch absolut bekannten künstlichen Nährlösungen. - Die Erfolge dieser an Tausenden von Kulturen angestellten Versuche haben recht gute Ergebnisse geliefert, besonders hinsichtlich der Be- obachtung, daß diese Bakterien vollkommen verschiedene Vergärungen bewirken: Vergären die einen nichts, so ‚vergären andere nur echte - Saccharosen und wieder andere noch Glycerin. Schweinepest-Bouillon- 1) Nach einem Vortrage, gehalten auf dem spanisch-südamerikanischen wissen- - schaftlichen Kongreß in Montevideo 1901. > 646 OÖ. Voges, kulturen gaben außerdem ganz eigentümliche Rotreaktion, wenn sie, mit konzentrierter Kalilauge gemischt, 24 Stunden stehen blieben. So bin ich zu der Aufstellung von 4 Gruppen gekommen: 1) Schweinepest; 2) Hogcholera; 3) Swineplague; 4) Hühnercholera, Kaninchenseptikämie, Schweineseuche etc. - Prof. Pfeiffer hat uns den Beweis erbracht, daß wir in dem spezifisch wirkenden Immunserum eine Substanz haben, welche die merkwürdige Eigenschaft besitzt, daß sie immer nur auf den Bacillus ihre Wirkung erstreckt, der ihre Produktion veranlaßt hat. So beein- flußt Choleraserum immer nur Cholerabacillen, Typhusserum schützt nur gegen Typhusbacillen, nicht aber gegen Cholerabacillen, und vice versa. Diese kurative Wirkung geht so weit und ist so scharf, daß wir zur Zeit kein besseres Differenzierungsmittel haben. Das als Pfeiffer’sches Phänomen bekannte Experiment besteht darin, daß man eine Oese voll virulenter Cholerakultur mit einer Dosis curativa von Choleraserum mischt und dieses Gemisch in das Peritoneum eines Meerschweinchens. impft; in diesem Falle bleibt das Tier am Leben, während die Wirkung des nämlichen Serums gleich Null ist und das Meerschweinchen eingeht, wenn man dieses Serum mit einem jeden beliebigen anderen pathogenen Mikrobium einspritzt. Der Gedanke, mittels sogenannter spezifischer Sera die Differential- diagnose der Bakterien der hämorrhagischen Septikämie machen zu wollen, hatte deshalb etwas durchaus Bestechendes. Es fehlte dazu nur das notwendige spezifische Serum. Ich habe nun seiner Zeit im Institute für Infektionskrankheiten in Berlin zahlreiche Versuche angestellt bei den kleineren Laboratoriumstieren, um sie zu immunisieren. Diese Ver- suche erstreckten sich auf Pneumoenteritis der Schweine, Hogcholera, Swineplague, Schweinepest, Hühnercholera, Kaninchenseptikämie, Wild- seuche. Dieselben hatten ausnahmslos negativen Erfolg; das Serum der zahlreichen Tiere war völlig unwirksam, d. h. es hatte keine kurative Wirkung. Sogar die Tiere, die ich aktiv immunisiert hatte, waren nicht immun, sondern starben alle nach und nach bei dem Immunisierungs- prozeß. Die Gründe dafür habe ich erst später kennen gelernt. In den damaligen Versuchen hatte ich aber zur Kontrolle zahlreiche Ver- suche mit normalem Serum gemacht, das von Tieren gewonnen war, die vorher nicht oder höchstens mit einer anderen Krankheit behandelt waren. Dabei wurde die Beobachtung gemacht, daß schon Spuren von normalem Serum, z. B. 0,1 ccm, genügten, um ein Meerschweinchen gegen eine vollvirulente Oese Kultur, z. B. von Hühnercholera, zu schützen, so daß die Tiere mit einer mehr oder minder schweren Krankheit davonkamen. Diese äußerst auffallende Erscheinung fand damals keine rechte Erklärung; erst durch die jüngsten Versuche Ehrlich’s ist auch darüber Licht verbreitet worden. Ehrlich unterscheidet im Heilserum zweierlei, den „spezifischen Immunkörper“, den wir im Immunisierungsverfahren präparieren, der aber inaktiv ist und allein nichts ausrichtet, und den zweiten Körper, das „Komplement“, das den inaktiven Körper aktiviert. Dies Komple- ment ist in jedem Körper präformiert, natürlich auch im Serum gelöst. In dem einen Körper ist es mehr, in einem anderen weniger. Ich habe es in einigen Experimenten ganz bedeutend steigern können, so weit, daß es den Anschein hatte, als ob das Serum höchste Konzentrationen Die Differentialdiagnose der Bakterien der hämorrhagischen Septikämie ete. 647 von Immunkörpern hätte. Das war nun allerdings nicht der Fall; denn es handelte sich nicht, wie bei der Immunisierung, um die Schaffung eines Dauerzustandes, sondern um die Erzielung rasch vorübergehender Effekte. Wir schaffen eine Art Resistenz auf kürzere Zeit, aber keine dauernde Immunität. Die Außerachtlassung dieser Verhältnisse hat vielen Forschern Schaden gebracht. Es ist so bequem, die Kontroll- versuche zu unterlassen, so daß die Scheinergebnisse als echte gedeutet werden konnten. Aber auch hier hat sich die Richtigkeit des Koch- schen Ausspruches bewährt, daß nämlich das Kontrollexperiment fast noch wichtiger sei als das Experiment selbst. Unter strengster Berücksichtigung dieser Verhältnisse wird es klar, daß ein Serum, das gegen die beweglichen Bacillen der Schweinepest wirkt, unmöglich gegen den unbeweglichen der Pneumoenteritis wirksam sein kann. Das sind zwei ganz bestimmt verschiedene Bakterien; und ein spezifisches Serum wirkt immer nur auf seinen einzigen Bacillus, - dessen Reaktionen es eben hervorgebracht hat. Alle Arbeiten, die sich ‘ im Rahmen dieser Irrtümer bewegen, bedürfen daher einer dringenden Nachprüfung resp. Umarbeitung. Bei allen Immunisierungen ferner, die nicht durch in Wasser löslicbe - Toxine hervorgerufen werden, wie Diphtherie, Tetanus etc., handelt es _ sich immer um eine Immunisierung gegen Bakterienplasma, d. h. Be- schaffung einer genügend hohen Konzentration des Immunkörpers, der im Verein mit seinem Komplement das Bakterienplasma im Körper zur Auflösung bringt. Die zur Hervorbringung dieser Antikörper nötige immunisierende Substanz liest im Bakterienzellleib; folglich laufen alle Bakterienimmunisierungen auf die Inokulation von Bakterienkulturen hinaus. Dies Rezept scheint sehr einfach; beginnen wir aber mit den Impfungen, so sehen wir, daß die Tiere große Abscesse bekommen, und was und wie wir es auch anstellen, früher oder später bildet sich ein Absceß, der nicht etwa die Folge davon ist, daß wir Eiterbakterien mit- - eingeimpft haben, sondern lediglich den immunisierenden Bakterien sein - Dasein verdankt. Und infolge dieses Abscesses geht das Tier an _ Marasmus zu Grunde; an diesem Abscesse scheitern alle Immunisierungs- versuche; höchstens daß wir es zu kleinen Anfängen bringen. Aus eben diesem Grunde war auch das früher hergestellte Rotlauf- _ serum so wenig wirksam, daß Lorenz erst den Antikörper mit Am- - moniaksulfat ausfällen und ihn dadurch konzentrieren mußte. Nach diesem Gesichtspunkte ist auch das Serum von Julio Mendez gegen Milzbrand zu beurteilen. Ich habe zwar seine guten Resultate beim _ Milzbrand des Menschen in Tucuman in 9 Fällen wahrgenommen, aber, _ im Laboratorium geprüft, war dasselbe Serum so wenig wirksam, daß 1 cem nicht einmal ein Meerschweinchen rettete, wenn ihm gleichzeitig - eine Oese Kultur intraperitoneal eingespritzt wurde; im Gegenteil, das Tier verendete bereits in der der Inokulation folgenden Nacht. Das - Serum ist also an sich auch nicht so wirksam, wie man a priori an- - nehmen sollte. Für seine günstige Wirkung im Menschen kommt aber offenbar in Betracht, daß der Milzbrand für den Menschen nicht so ge- fährlich ist wie für Schafe und Kühe, die Krankheit länger dauert, _ häufiger lokal bleibt und auch beim schwersten Falle die Aussichten _ günstiger liegen. Dies läßt uns die Erfolge von Mendez begreiflich - erscheinen trotz der ungünstigen Ergebnisse im Laboratorium. Aber wenn Lorenz nicht über gewisse Konzentrationen seines - Rotlaufserums hinauskam, wenn Mendez Halt machen muß, wo er a a u Zi u aa od u Po ZU er“ Te u er BIETN 648 0. Voges, auf dem besten Wege zu sein glaubt, und wenn ich damals nach langem Bemühen zu dem Resultate kam, daß alle Anstrengung, ein Serum gegen die Bakterien der hämorrhagischen Septikämie zu gewinnen, ver- geblich seien, so ist eben für alle die Forscher und für alle diese Krankheiten die Schwierigkeit immer genau dieselbe, bedingt durch das Auftreten der Abscesse, die zum Marasmus führen. Von welcher Be- deutung dies für ein Land ist, wie Argentinien, liegt klar zu Tage, wenn man sich vergegenwärtigt, daß gewisse Bakterien, die in die Gruppe der septikämischen Hämorrhagiebacillen zu rechnen sind, eine be- deutende Rolle spielen. Nach Lignieres gehört hierher ein von ihm und unabhängig von diesem auch von Mervanti in La Plata ge- fundener Bacillus einer ungeheuer verbreiteten Schafkrankheit, der jähr- lich Tausende von Tieren zum Opfer fallen; hierher zu rechnen ist auch ein minder wichtiger, ebenfalls von Lignie&res entdeckter Ba- cillus, der bei Kälbern Diarrhöe verursacht. Da mir nun hier in Buenos Aires die Möglichkeit gegeben war, meine Studien von Berlin wieder aufzunehmen, so war es selbstver- ständlich, daß ich vor allem den Bacillus der Schafkrankheit — hıer unter dem Namen Lombriz, d. h. Wurmkrankheit, bekannt — mit in diese Studien einbezog, die sich also auf folgende Bacillen erstreckten: 1) Lombrizbacillus, von mir aus der Milz kranker Schafe isoliert; 2) Pneumoenteritisbacillus (Schweineseuchebacillus) ; 3) Schweinepestbacillen ; 4) Hogcholera Salmon’s; 5) Swine-Plague Salmon’s; 6) Hühnercholera; 7) Bacillus, von einer gefallenen Kuh stammend. Ich will nun als Resume dieser Untersuchungen mitteilen, daß, trotzdem ich das denkbar schlechteste Tiermaterial hatte, mir doch die Immunisierung bei allen diesen Bakterien vollständig gelang, nachdem ich mit meinen früheren Versuchen, wie schon angedeutet, dieses Ziel nicht hatte erreichen können. Ich habe gegen jedes der oben genannten Bakterien ein Serum, das in der Dosis von 0,01 cem noch gegen eine Oese vollvirulenter Kultur schützt, wenn beide gemischt in die Bauch- höhle eines Meerschweinchens gebracht werden. Um diese hohe Wirk- samkeit des Serums verständlich zu machen, will ich noch mitteilen, daß die gewöhnlich von den kranken Tieren gewonnenen Bakterien durchaus nicht genügend virulent sind. Ich habe schon früher den Nachweis erbracht, daß es gelingt, die Virulenz für Meerschweinchen durch Passagen maximal zu steigern. Man kann dadurch die Bakterien so virulent machen, daß ganz wenige Bacillen schon genügen, um ein Meerschweinchen zu töten; ja man kann das so weit treiben, daß ein einzelner Keim schon in 8 Stunden den Tod des Tieres herbeiführt; und nur diese höchst virulenten Kulturen lasse ich als Prüfungskulturen bei der Serumprüfung zu. Wenn nun 0,01 cem Serum die Kulturmenge von einer ganzen Oese leicht bezwingt, so ist das eine ganz enorme Wirkung, die nicht mehr auf Zufälligkeiten beruht, sondern auf der An- wesenheit ganz spezifisch wirkender kurativer Stoffe im Blutserum. Diese enorme Virulenz, die die Bakterien erlangen können, ist in der Natur spontan nie vorhanden, im Gegenteil, die Bakterien sind so wenig virulent, daß es selten zu foudroyanten Fällen kommt, kaum daß man subakute Fälle beobachtet; meist verläuft die Seuche ganz chronisch. Aber daß man die Bacillen ungeheuer virulent machen kann, habe ich Die Differentialdiagnose der Bakterien der hämorrhagischen Septikämie etc. 649 ES 1 d m Di mm Du a. 2 ZU 0 auch an Schafen mit dem Schafbacillus gezeigt. Der Bacillus erreichte einen so hohen Grad von Virulenz, daß eine Oese einer Kultur ein Lamm schon in 4—6 Stunden tötete unter so heftigen Erscheinungen, daß das Blut im Todeskampfe aus Maul und Nase drang und die Sek- tion die wahrhafteste Septikämie ergab, die man nur sehen kann. Da ich also ein solch wirksames Serum gegen all die oben ange- führten Krankheiten gefunden habe, und da ich die Versicherung zu geben vermag, daß eine noch größere Steigerung sehr wohl möglich ist, so ist uns mit einem Male die Perspektive eröffnet, gegen alle diese Seuchen mit durchschlagendem Erfolge vorgehen zu können. Aber hier kommt es uns zunächst nicht darauf an, neue Heilmittel zu besprechen. Das Serum hat für mich noch einen anderen wichtigen Zweck; es er- möglicht uns nämlich die Differentialdiagnose der verschiedenen nahe verwandten Bakterien, und dies ist thatsächlich erreicht worden. Ich hatte oben dargelegt, wie wir mit Hilfe eines spezifisch wirk- samen Serums am sichersten und vollständig einwandsfrei eine. Diffe- renzierung auch der nächstverwandten Bakterien durchführen können. Für die Praxis ist das von der allergrößten Bedeutung, schon deshalb, um zu wissen, wie weit die veterinärpolizeilichen Maßnahmen ausge- dehnt werden müssen. Bei der Anstellung dieser Versuche ist nichts leichter als in Irrtümer zu verfallen. Ich wies bereits darauf hin, daß das Serum mindestens den Titre 0,01 haben muß; ferner muß die Kultur maximal virulent sein. Zu diesen Bedingungen kommt nun noch hinzu, daß nicht alle Meerschweinchen gleich gut reagieren. So kann es vor- kommen, daß in einer größeren Versuchsreihe bei Anwendung obiger Dosis ein etwas schwächeres Tier stirbt. Ich habe daher bei der Prüfung der verschiedenen Bakterien immer die 10-fache Dosis curativa vom Serum gewählt. Impfe ich von einem Hühnercholeraserum 0,01 cem ein mit einer Oese virulenter Kultur und bleibt das Tier am Leben, so muß es 10mal sicherer am Leben bleiben, wenn ich O,l ccm Serum, d. h. die 10-fache Dosis nehme. Nehme ich nun 0,1 ccm Hühner- choleraserum und vermische es mit einer Oese Pneumoenteritisbakterien, so muß das damit geimpfte Meerschweinchen ebenfalls am Leben bleiben, wenn beide identisch sind, umgekehrt stirbt es, wenn beide verschieden sind. Aus meinen Versuchen geht nun mit Sicherheit hervor, daß beide Bakterienarten verschieden sind; denn Hühnercholeraserum schützt nicht gegen Pneumoenteritiskultur, und umgekehrt schützt Pneumoenteritis- serum nicht gegen Hühnercholerabacillen. Dieser Beweis derart mit Einhaltung aller Vorsichtsmaßregeln angestellt und so von beiden Seiten mit dem gleichen Resultate durchgeführt, muß auch den größten Zweifel aufheben. Das Ergebnis ist, daß sämtliche Bakterien verschieden sind, mit einer Ausnahme, auf die ich noch zurückkomme. - Für die Praxis ist das von hervorragender Bedeutung; ich kann demjenigen nicht mehr zustimmen, der heute noch mit einem Serum, z. B. von Schweineseuche auch gegen Schweinepest heilen will. Das ist ein Unding. Ein noch größeres Unding ist es, wenn jemand mit Hühner- choleraserum gegen Pneumoenteritis und Schweinepest heilen will. Das Das sind Fehlexperimente, die ihre Begründung haben in nicht genügen- der Berücksichtigung der Feinheiten der Experimente. Ich kann dem- gegenüber sogar die interessante Thatsache berichten, daß es uns ge- lungen ist, ein und dasselbe Tier gegen Pneumoenteritis und Schweine- pest zu immunisieren, wobei das erstere Serum weit geringer war, entsprechend der schwächeren vorangegangenen Immunisierung, als das 650 Voges, Die Differentialdiagnose der Bakterien der hämorrhag. Septikämie etc. der Schweinepest, gegen die weit höher immunisiert war. Eines besseren Beweises bedarf es wohl nicht. Eine interessante Erscheinung ist dabei zu Tage getreten. Wir haben aus einem von einer Kuh stammenden, uns aus Entre-Rios zuge- schickten Leichenmateriale einen Bacillus isoliert, der in diese Gruppe gehört. Einem Kalbe inokuliert, machte er das Tier schwer krank; Hauptsymptom war starke Diarrhöe. Wir hielten ihn anfangs für den von Lignieres beschriebenen Enquetebacillus; später stellte es sich aber heraus, daß das ein Irrtum war. Es handelt sich um einen Ba- cillus, der von mir häufig in Leichen gefunden wurde, und der offenbar in Amerika sehr gemein verbreitet ist. Das von diesem Bacillus ge- wonnene Serum schützte ganz auffallenderweise gegen die Bakterien der Swineplague und umgekehrt. Es ist dies eine um so auffallendere Er- scheinung, als alle anderen Versuche ein ganz einwandfreies Resultat ergaben. Wir haben den Versuch mehrfach und immer mit demselben Ergebnisse wiederholt. Wir müssen somit auf den Schluß kommen, daß beide Bacillen identisch sind. Damit wird die Stellung des Bacillus des Swinefevers in ein ganz eigentümliches Licht gerückt. Bisher nahm man vielfach an, daß er mit dem der Pneumoenteritis identisch sei; diese Annahme ist jedoch nun durch unsere Serumversuche ein für allemal zerstört. Aber man könnte, wenn man die Befunde unseres Leichen- bacillus ins Auge faßt, versucht sein, ihm die Bedeutung eines selb- ständigen Erregers einer Krankheit vollkommen abzusprechen. In der That giebt es Leute genug, die dies auch thun und nur den Hogcholera- bacillus anerkennen. Man kann nun den Bacillus des Swinefevers als eine Leichen- erscheinung ansehen oder ihm die Rolle einer Sekundärinfektion zu- teilen; soviel steht jedenfalls fest, daß er mit unserem Leichenbacillus identisch ist. Dieser ist aber, wie die schwere Erkrankung des Kalbes bewiesen hat, durchaus nicht so harmlos. Es darf uns nicht im gering- sten verwundern, wenn wir den Bacillus eines Tages auch bei den argen- tinischen Schweinen vorfinden. In diesem Bacillus haben wir somit einen Repräsentanten vor uns, der über ganz Amerika verbreitet ist, sich aber nur auf diesen Erdteil zu beschränken scheint. Dies sind die Resultate der Studien, die ich zur Zeit mitteilen möchte. Wir sind auf dem besten Wege, und ich hoffe, daß wir nicht auf halbem Wege stehen bleiben müssen. Schon darf ich sagen, daß ich Schafe derart immunisiert habe, daß sie 4 Monate darauf gegen die virulenteste Kultur vollständig refraktär waren. Wir sind jetzt damit beschäftigt, eine Methode auszubauen, die die praktische Bekämpfung dieser Seuchen zum Gegenstande hat. Ich hoffe, in nicht allzu ferner Zeit über die Resultate dieser Versuche berichten zu Können. l j Engels, Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung etc. 651 Nachdruck verboten. ‘Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. [Aus dem Institut für Hygiene u. exp. Therapie zur Marburg. Abteilung für Hygiene.] Von Dr. Engels, Assistenten am hygienischen Institut. In den letzten Jahren hat man verschiedentlich versucht, durch Zu- satz von Chemikalien ein keimfreies Wasser zu erhalten. Derartige Versuche wurden angestellt mit Kalkmilch, mit Alaun, Eisenfeilspänen, Wasserstoffsuperoxyd, Ozon, Kaliumpermanganat und vielem anderen. Dieselben haben sich teils als unzureichend erwiesen, zum Teil sind sie noch in zu geringer Zahl gemacht, so daß ein abschließendes Urteil noch nicht möglich ist. Ich erinnere in der Beziehung nur an die Trink- wasserreinigung durch Ozon (System: Siemens und Halske)!). Eine andere Methode ist die von Traube, der 0,15 g käuflichen guten Chlorkalkes (= 0,1 gr aktiven Chlors) auf 1 Liter Wasser 10 Minuten lang einwirken ließ. Zur Neutralisierung des überschüssigen Chlors wird Natriumsulfit zugesetzt, bis jeder Geruch und Geschmack nach Chlor verschwunden ist. Traube erzielte mit seinem Verfahren vollkommene Keimfreiheit des Wassers. Aehnlich günstig fielen die Nachprüfungen aus, die Lode mit dieser Methode anstellte. Ich muß es mir versagen, auf dieses Verfahren an dieser Stelle näher einzugehen, da ich meine Resultate mit der Traube’schen Methode in einem be- sonderen Aufsatze zusammenfassen werde. Hier möchte ich eingehender das Schumburg sche Verfahren der Trinkwasserreinigung durch Chemikalien, und zwar durch Zusatz von Brom besprechen und im Anschluß daran die Resultate, die ich mit dieser Methode erhalten habe, registrieren. Die ersten Mitteilungen über sein Verfahren bringt Schumburg 1897 ?). Hier schildert er kurz seine Methode: „Es ist die in 5 Minuten erfolgende Abtötung fast sämtlicher Wasserbakterien und sämtlicher im Wasser nachgewiesenen pathogenen Keime durch Bromwasser, welches nach 5 Minuten durch Zusatz von Ammoniak unschädlich gemacht wird, so daß ein klares und geschmackfreies Wasser entsteht.“ Das Brom wird in einer Lösung von Wasser 100 Bromkali 20 und Brom 20 angewandt. Schumburg benutzt also eine Art Lugollösung, Brom- Bromkalilösung, und zwar das Brom in 20-proz. Lösung. Hiervon sollen 0,2 ccm, entsprechend 0,06 g Brom, ausreichen, um 1 | Spreewasser zu sterilisieren. Nach Schumburg’s eigenen Worten werden jedoch nicht alle Bakterien abgetötet, sondern „einige wenige stark sauerstoff- bedürftige, aber harmlose Bakterien leisten dem Brom in dieser An- wendungsart Widerstand“. Bei sehr harten oder stark verunreinigten Fluß- und Sumpfwässern, deren Kalk und Ammoniak das Brom zum 1) Erlwein, Trinkwasserreinigung durch Ozon nach dem System von Siemens und Halske (A.-G.), Berlin. 2) Deutsche medizin. Wochenschrift. 1897. No. 10. 652 Engels, Teil binden, bevor dieses desinfizierend einwirken kann, soll soviel Brom genommen werden, daß mindestens '/, Minute eine schwache Gelb- färbung bestehen bleibt. 5 Minuten später wird zur Beseitigung des Broms eine gleiche Menge 9-proz. Ammoniaks dem Wasser zugesetzt, wobei sich zunächst unterbromigsaures Ammonium, dann Bromammonium bildet. Ein Einfluß auf den Geschmack und das Allgemeinbefinden macht sich nach Schumburg beim Genuß eines auf diese Weise sterilisierten Wassers nicht geltend; auch bleibt die Farbe klar. Noch im selben Jahre, in dem dieser erste Aufsatz erschien, also im Jahre 1897 !), modifizierte Schumburg seine Methode in der Weise, daß er zunächst die Brom-Bromkalilösung so zusammensetzt, daß 0,2 dieser neuen Lösung genau 0,06 g Brom entsprechen, d. h. 20 g Bromkali 21,91 g freies Brom werden durch Zusatz von Wasser auf ein Gesamtgewicht von 100 g gebracht. Außerdem schließt er zwecks Neutralisation des Broms Ammoniak aus, um die den Geschmack doch etwas beeinträchtigenden Brom-Ammoniumverbindungen zu vermeiden, empfiehlt dafür eine Mischung von schweflig-sauerem und kohlensaurem Natron, die in Tablettenform, für je 1 Liter berechnet, hergestellt wird. Jede Tablette besteht aus: Natr. sulfuros. 0,05 Natr. carbonic. sicc. 0,04 Mannit 0.02: Diese Tabellen werden in 30—40 ccm mit Brom versetzten Wassers leicht gelöst und dem bromierten Trinkwasser zugesetzt. Die Wirkung dieses Neutralisationssalzes ist folgende: „Das schwefligsaure Natron soll den Sauerstoff, welcher durch seinen Eintritt in das Molekül jene unterbromigsauren Verbindungen entstehen läßt, an sich reißen, so daß sauerstofffreies Bromalkali sich bildet; aus dem schweflig-saueren Natron wird dann das schwefelsauere Salz. Das Natron der Soda ver- einigt sich unter dem Austritt von CO, mit dem freien Brom zu Bromnatrium.“ So hergestelltes Trinkwasser soll in Bezug auf seinen Geschmack keinerlei Einbuße erlitten haben; nach 1—2 Minuten ist jeder Brom- geschmack und Geruch verschwunden. Des näheren befaßt sich mit dieser Frage der Trinkwasserreinigung eine Abhandlung von Plagge und Schumburg aus dem Jahre 1900 ?). Es interessiert uns hier nur der zweite von Schumburg bearbeitete Teil, der eine ausführliche Darstellung der Methode zur Gewinnung keimfreien Trinkwassers durch Chemikalien bringt. Verf. kommt zu dem Schluß, daß das Brom zur Zeit als das beste Mittel der Wasser- sterilisation anzusehen sei. An dieser Stelle erwähnt Schumburg, in welcher Weise er seine Versuche anstellte, insbesondere, welche Hülfs- mittel er anwandte, um nachzuweisen, daß das nach seiner Methode behandelte Wasser wirklich keimfrei geworden war. | Die Versuche wurden gewöhnlich mit 1 1 Wasser angestellt, nur in einem Falle wurden 15 1 verwandt, wobei die Resultate dieselben blieben. Schumburg stellte ca. 200 Versuche mit Spreewasser an, 1) Deutsche medizin. Wochenschrift. 1897. No. 25. 2) Beitrag zur Frage der Trinkwasserreinigung (im Auftrage des kgl. preuß. Kriegsministeriums (Medizinalabteilung) bearbeitet. (Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militärsanitätswesens. Heft 15.) IE FEREEE, ra F Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 653 desgleichen solche mit 5—6 verschiedenen Cholera- und Typhusstämmen, sowie mit Faeces, vielen Cholerawasserbakterien, Saprophyten und mit einer ganzen Reihe pathogener Keime, und zwar wählte er hier meist in Wasser aufgeschwemmte Agarkulturen, welche er 1 ] Leitungswasser zusetzte. Zu diesem Quantum des zu desinfizierenden Wassers wurden Brom- mengen von 0,06, 0,09, 0,12, 0,15, 0,18, 0,21, 0,24 etc. zugesetzt, diese mußten verschieden lange Zeit einwirken, sodann kamen entsprechende Mengen des Neutralisationssalzes hinzu und schließlich erfolgte die Ab- impfung auf Nährboden, und zwar wurden kleine Mengen auf Agar und in Bouillon übertragen oder zu Platten gegossen. Schumburg tötete mit Ausnahme einiger weniger unschädlicher Wasserbakterien eine ganze Reihe anderer Saprophyten, pathogene Keime etc. mit Hilfe seiner Methode ab. Eigenartig war die Einwirkung von Brom auf Choleravibrionen ; dieselben wurden. nämlich gelegentlich nicht abgetötet. Dasselbe Resultat ‚ ergaben Nachprüfungen von anderer Seite. Schumburg glaubt eine Erklärung für diese merkwürdige Thatsache gefunden zu haben. Es kommen nämlich sowohl bei Schumburg als auch bei den Nachprüfungen von anderer Seite, zwecks Aufschwemmung Agarkulturen zur Verwendung. In diesen Aufschwemmungen fanden sich stets, wenigstens bei Schumburg, mit dem Auge direkt er- kennbar, kleine Kulturpartikelchen. Bei Zusatz von Brom sollen diese kleinsten Kulturbröckchen sich mit einer Schicht von Bromeiweiß über- ziehen, um so mehr, je konzentrierter die Bromlösung ist. Diese Brom- eiweißschicht verhindert nun das Eindringen des Broms in die Partikelchen und damit das Vordringen des Broms zu den im Innern dieser Bröckchen befindlichen Organismen. Werden derartige Partikel nun in ein Nähr- substrat gebracht, so liegt die Möglichkeit vor, daß die in derselben enthaltenen Keime weiterhin zur Entwickelung kommen. Um hierüber Genaueres festzustellen, wurde von Schumburg ein Versuch angestellt, und zwar so, daß die eine Hälfte einer abge- schabten und aufgeschwemmten Agarkultur filtriert, die andere Hälfte unfiltriert je 1 1 Leitungswasser zugesetzt wurde. Nach Einwirkung von 0,06 Brom und nach Zusatz der entsprechenden Neutralisationslösung wurde Pepton-Kochsalz hinzugesetzt, und nach 18-stündigem Aufenthalt im Brutschrank stellte sich heraus, daß im Gefäße, welches die un- filtrierte Kultur enthielt, Rotreaktion nachzuweisen war, im anderen Gefäß, in dem sich die filtrierte Hälfte befand, nicht. Dieser eine Ver- such war für Schumburg so erhärtend, daß er daraus den Schluß zog: „Die Choleravibrionen werden durch 0,06 Brom ebenso sicher in 5 Minuten abgetötet wie die übrigen untersuchten pathogenen Bakterien.“ Auf Grund seiner allerdings sehr umfangreichen Versuche stellt - Schumburg schließlich bezüglich der Bromsterilisation von Trinkwasser eine Anzahl von Thesen auf, welche genau wiederzugeben den Raum über- schreiten würde, die aber zeigen, daß der Verfasser seine Methode der - "Trinkwassersterilisation durch Brom für besonders geeignet hält, bei schneller Versorgung eingerückter und bivouakierender Truppen mit ‚Wasser, ferner für die Wassersterilisierung in den Tropen, besonders bei Expeditionen, weiter bei der Füllung der Wassertanks der Schiffe in verdächtigen Häfen, zu Zeiten von Epidemieen im Haushalt; ja er empfiehlt sie sogar zur Herstellung aseptischen Wassers für den prak- _ tischen Arzt. 2 654 Engels, Wir hätten in der Schumburg’schen Methode in der That ein vorzügliches und schnell wirkendes Desinficiens für verdächtiges oder infiziertes Trinkwasser, wenn dieselbe sämtlichen Nachprüfungen von anderer Seite hätte standhalten können. Leider ist dieses aber nicht der Fall; Nachprüfungen liegen, soweit ich aus der Litteratur ersehe, vor der Hand nur von Pfuhl, Kaess und Schüder vor. Pfuhl berichtet „Ueber das Schumburg’sche Verfahren zur Wasserreinigung“ eingehend in der Zeitschrift für Hygiene !). Inzwischen hatte eine Umgestaltung der zur praktischen Anwendung des Verfahrens notwendigen Gerätschaften stattgefunden. Schon früher hatte Schumburg vorgeschlagen, da das Brom wegen seiner großen Flüchtigkeit sehr schwer zu verpacken und mitzuführen ist, die für etwa 100 1 nötige Menge in ein Glasröhrchen einzuschmelzen. Das ist dann auch geschehen. Ein Etui neuester Konstruktion mit den Schumburg’schen Reagentien zur Herstellung keimfreien Trinkwassers war Pfuhl von der Oranien-Apotheke in Berlin zur Verfügung gestellt. Dieses Etui, für Militärradfahrer bestimmt, besteht aus: 6 Blechschachteln mitje 2 in Wellpapier verpackten, zugeschmolzenen und mit konz. Brom-Bromkalilösung gefüllten Glascylindern. Die Brom- lösung jedes Glastubus genügt zur Sterilisation von 100 ]; 1 Blechschachtel, enthaltend einen Hornspatel zum Umrühren der Lösungen, Meßglas (10 ccm) und eine Blechklemme zur besseren Hand- habe des Meßglases; 2 Lederhülsen, für je 6 Glashülsen, von denen jedes 12 g der ge- pulverten Salzmischung zur Neutralisierung des Broms enthält und auch für 100 1 genügend ist. Pfuhl nahm bei seinen Versuchen natürliche Wässer, und zwar Proben von Quellwässern und Oberflächenwässern (sowohl von fließenden als auch stagnierenden); außerdem infizierte er künstlich Wasser — nach Schumburg’s Vorgang meist Leitungswasser — mit Choleravibrionen, Typhusbacillen und Staphyl. pyog. aureus, sowie mit mit Cholera- vibrionen vermischtem Stuhlgang und typhusbacillenhaltigem Urin. Die Menge des zur Verwendung gekommenen Wassers betrug 1 |. Der Zusatz bestand in 1—2mal 24-stündigen Cholerapeptonwasser- kulturen, sowie in Typhusbacillenkulturen oder in Aufschwemmungen von frischen Agarkulturen. Nun wurden. 10 ccm der Bromlösung ° (= 0,06 Brom) hinzugefügt, nach 5 Minuten erfolgte die Neutralisierung des Broms durch die gleiche Menge der Salzlösung und nach weiteren 2 Minuten die Aussat derart, daß 1 ccm des behandelten Wassers in verflüssigte Gelatine übertragen und in Petri’schen Schälchen zu Platten ° ausgegossen wurde, die bei 20° C 8 Tage lang beobachtet wurden. Pfuhl erzielte auf diese Weise dieselben glänzenden Erfolge wie Schumburg. Pfuhl stellte zwecks Nachprüfung im ganzen 108 Hauptversuche und 96 Kontrollversuche an. Davon waren auf den Gelatineplatten nur ° 6mal Keime nachzuweisen und zwar 3mal Cholera- und 3mal Typhus- bacillen, während Amal Zweifel über die angegangenen Kolonieen herrschte. Die Kontrollplatten enthielten stets unzählige Kolonieen der pathogenen Keime. Die Saprophyten waren in allen Fällen wesentlich vermindert. 10 Mißerfolge erklärt Pfuhl durch Besonderheiten der Versuchs- anordnung. 1) Zeitschrift für Hygiene. Bd. XXXIII. 1900. Heft 1. an Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 655 Wie Sehumburg, so nahm auch Pfuhl die Sterilisation einer größeren Menge Wasser vor und zwar versetzte er 4Ö lin einem Blech- gefäß mit Cholerakulturen, darauf mit der entsprechenden Menge Brom; auf der Gelatineplatte war keinerlei Cholerawachstum eingetreten. Bemerkenswert ist übrigens auch hier wie bei Schumburg die Thatsache, daß in einzelnen Versuchen die pathogenen Keime wie Typhus- bacillen abgetötet wurden, in anderen aber auf der Platte trotz Brom- einwirkung zum Wachstum gelangten. Pfuhl bezeichnet den Geschmack eines bromierten Wassers als leicht laugenartig, weniger frisch, an ab- gestandenes Selterswasser erinnernd. Pfuhl ist durch seine Versuche zu dem Schlußergebnis gekommen, daß mit dem Schumburg’schen Bromverfahren, das erreicht sei, „was selbst für die schwierigsten Verhältnisse und Möglichkeiten des praktischen Lebens hinsichtlich der schnellen und sicheren Gewinnung eines guten Trinkwassers zur Zeit billigerweise verlangt werden darf“. Genau dieselben günstigen Resultate wie Schumburg und Pfuhl hatte Kaess!) bei derselben Versuchsanordnung. Kaess’ Schlußurteil prägt sich in seinen Worten aus: „Wenn es also darauf ankommt, wie beispielsweise im Felde, möglichst rasch ein keimfreies Trinkwasser zu bekommen, so ist unbedingt das Brom vorzuziehen. Die hervorragenden Resultate Schumburg’s und Pfuhl’s be- stimmten im Wintersemester 1900/01 Herrn Prof. Bonhoff, seinen damaligen Assistenten, Herrn Dr. phil. Th. Wynen, mit einer Nach- prüfung des Verfahrens zu beauftragen. Bei dieser sollte das Haupt- gewicht auf eine andere Methode des Nachweises eingetretener Sterilität gelegt werden. Die außerordentlich geringen Wassermengen, die der Autor des Verfahrens und seine bisherigen Nachprüfer verwendet hatten, konnten unmöglich den Beweis dafür liefern, daß in der ganzen be- handelten Wassermenge keine der eingebrachten pathogenen Keime mehr lebend vorhanden seien. Die ungleichmäßige Verteilung der Bakterien im Wasser, die Wahrscheinlichkeit, daß die beweglichen Bakterien zunächst infolge der Giftwirkung des Broms, event. auch einer Nachwirkung der ungewohnten Salze sich am Boden des Kolbens befinden würden, vielleicht in eine Art von Starre sich versetzt sahen, auch noch andere Umstände ließen es sehr zweifelhaft erscheinen, daß wenige Kubikcentimeter des Wassers ein richtiges Bild von den in der Gesamtmasse vorliegenden Bakterienverhältnissen geben würden. Es wurde also beabsichtigt und auch ausgeführt, die Gesamtmenge des behandelten Wassers nach der Neutralisation des Broms in einen möglichst günstigen Nährboden zu verwandeln und zu diesem Zwecke dem ganzen Quantum soviel Pepton und Kochsalz zugesetzt, daß ersteres in der Lösung im Verhältnis von 1 Proz., letzteres von !/, Proz. vor- handen war. Mit Sicherheit konnte man so hoffen, daß auch die letzt- übriggebliebenen Choleravibrionen im Wasser, wenn dasselbe einige Zeit bei 37° C gehalten war, wieder erscheinen würden, während die gleichen Hoffnungen bezüglich der Typhusbacillen nicht ohne weiteres bestanden. Die von Herrn Dr. Wynen angestellten Versuche mit Cholera- vibrionen waren sehr ungünstig für die Beurteilung des Verfahrens aus- gefallen; etwa die 10-fache Menge Broms, als vom Autor angegeben, schien notwendig, um die Kommabacillen mit Sicherheit aus dem Wasser 1) Pharmazeut. Ztg. 1900. No. 49. 656 Engels, verschwinden zu lassen. Anfangs Januar 1901 war Herr Dr. Wynen mit seinen Versuchen betr. Typhusbacillen beschäftigt, als er durch sehr beklagenswerte Unvorsichtigkeit beim Herausnehmen einiger Kubik- cenimeter aus einem in Peptonwasser verwandelten Wasserquantum, dem Typhusbaeillen aus unserer Reinkultur, dann die 10-fache Menge, i. e. 0,6 Brom auf den Liter, ferner nach 10 Minuten das Neutrali- sationssalz, endlich Pepton und Kochsalz im obigen Verhältnis zugesetzt waren und das 48 Stunden im Brutschrank gestanden hatte, einige Tropfen des Materials beim Ansaugen in den Mund bekam. Eine sofort vorgenommene Desinfektion des Mundes, nach Ausspeien des Inhalts, mit sehr starker Sublimatlösung etc. wurde längere Zeit fortgesetzt. Trotzdem erkrankte Herr Dr. Wynen nach 14-tägiger Inkubation an schwerem Abdominaltyphus und erlag einem Recidiv gegen Mitte März 1901. Irgend eine andere Infektionsmöglichkeit erscheint‘ nach genauen Nachforschungen vollständig ausgeschlossen. Die Typhusbaeillenkultur ist seit mindestens 3 Jahren, wahrscheinlich aber sehr viel länger, auf künstlichem Nährboden fortgezüchtet worden; lag aber sicher in 36. Generation vor. In dem Kolben, der zu dem Versuche gedient hatte, haben sich bei mehrfach wiederholten Untersuchungen auf festen und flüssigen Nährböden, die bei Zimmer- und Bruttemperatur gehalten wurden, Typhusbaeillen nicht nachweisen lassen. Es muß also ange- nommen werden, entweder daß in dem Kolben nur einige wenige Typhus- bacillen gerade in dem Teil des Wassers noch lebensfähig vorhanden waren, der angesogen war, oder daß unsere Untersuchungsmethode in- sofern mangelhaft ist, als pathogene Bakterien in irgend welchem Material vorhanden sein können, ohne auf unseren Nährböden in Erscheinung zu treten. Durch den sehr schmerzlichen Todesfall und eine ihm folgende längere Pause in der Besetzung der Assistenstelle wurde die weitere Untersuchung des Schumburg’schen Verfahrens an unserer Abteilung wesentlich verzögert. Inzwischen hat im Jahre 1901 Schüder!) das Bromverfahren einer eingehenden Nachprüfung unterzogen. Schüder arbeitete einmal mit Wasserarten verschiedenster Her- kunft, sodann mit Choleravibrionen und Typhuskulturen, die er, von 24-stündigen Agarkulturen aufgeschwemmt, dem Leitungs- oder anderem Wasser zusetzte. In einzelnen Fällen wurden von diesen Aufschwem- mungen nur 1—3 Oesen dem Wasser zugesetzt. Von den Wässeru verschiedener Herkunft wurden nach der Bro- mierung je 2 ccm zu einer Platte verarbeitet. Die bromierten Cholera- wässer wurden in kleine 100--200 cem haltende Kölbchen verteilt und jedem Kölbchen so viel einer konzentrierten Peptonkochsalzlösung zu- gesetzt, daß eine 1-proz. Peptonkochsalzlösung entstand. Dieses Ver- fahren gestattet, wie Schüder mit Recht betont, das ganze bromierte Wasser auf Cholerakeime abzusuchen. Die Kölbchen blieben 24 Stun- den im Brütofen bei 37°, sodann wurden 3 ÖOesen aus jedem Kölbchen in 1-proz. Peptonkochsalzlösung übertragen, die wiederum 24 Stunden bei 37° stehen blieb. Sodann wurde mit den Kölbchen die Cholerarot- reaktion angestellt, bei negativem Ausfall am folgenden Tage mit den abgeimpften Peptonröhrchen. Leider wurden immer eine verschieden sroße Anzahl Kölbchen angesetzt, so daß es, nach der Tabelle zu schließen, den Eindruck macht, als ob manchmal nicht die ganze jedes- 1) Zeitschrift für Hygiene u. Infektionskrankheiten. Bd. XXXVI. Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 657 malige Versuchsmenge in Kölbchen gegossen sei. Schüder sagt aller- dings an anderer Stelle: „Die angewandte Untersuchungsmethode er- laubte, das ganze bromierte Wasser nach lebend gebliebenen Cholera- vibrionen abzusuchen.“ Jedenfalls ist dies Verfahren ein etwas um- ständliches und nicht ohne Gefahr. Uebrigens bemerkenswert ist, daß nicht alle bei einem Versuche angesetzten Kölbchen Rotreaktion gaben, sondern oft nur einige; das ist meines Erachtens auch ein Beweis dafür, daß die lebenden Vibrionen nicht gleichmäßig im Wasser verteilt sind, daß also eine Abimpfung, wie sie Schumburg und Pfuhl vornahmen, eine ganz ungenügende ist und dazu führen kann, günstige Resultate vorzutäuschen. Schüder gelang es bei 59 Versuchen nur 11mal, die Cholera- vibrionen zu vernichten, also im Gegensatze zu Schumburg und Pfuhl ein höchst ungünstiges Resultat. Bei den 7 sich anschließenden Versuchen wurden die Aufschwemmungen der Cholerakulturen durch ein doppeltes Filter filtriert und das Filtrat einem Wasser zugesetzt. _ Auch bei dieser Reihe versagte nur 2mal die Rotreaktion. Noch schlechter fielen die Versuche mit Typhusbaeillen aus. Auf allen Platten war meist üppiges Wachstum eingetreten. Um die Keime leichter nachweisen zu können, wurden die Typhusbaeillenaufschwem- mungen sterilisiertem Wasser zugesetzt. Ein gleich ungünstiges Re- sultat kam bei Verwendung filtrierter Typhusbacillenaufschwemmungen heraus; Schüder kommt auf Grund seiner Versuche daher zu dem Schlusse: 1) Das Schumburg sche Verfahren der Wasserreinigung mittels Brom versagt den Cholera- und Typhusbakterien gegenüber so gut wie ganz und damit wahrscheinlich auch den übrigen im Wasser in Be- tracht kommenden Krankheitserregern gegenüber, wie z. B. der Ruhr, des Weil’schen Ikterus u. s. w. 2) Den von Schumburg und Pfuhl zur Prüfung des Verfahrens angewendeten Versuchen kann ich beweisende Kraft nicht zuerkennen a) weil die zum Nachweise der Vernichtung. der pathogenen Keime benutzten Wassermengen gegenüber den zum Versuche benutzten viel zu gering gewesen sind und außerdem sowohl Schumburg wie Pfuhl sogar hierbei Mißerfolge gehabt haben; b) weil beide Untersucher zum Teil durch Filtration der Aufschwem- mungen der pathogenen Keime durch doppelte Filter von Filtrier- papier für die Versuche Verhältnisse geschaffen haben, wie sie in der Praxis für die Wasserreinigung durch Brom selten vorliegen werden. 3) Das Bromverfahren setzt den Gehalt eines auch stärker verun- reinigten Wassers an gewöhnlichen Wasserbakterien sehr erheblich herab, auch wird zweifellos eine erhebliche Verminderung der Tpphus- und Cholerakeime erzielt, jedoch nicht in dem Grade, daß ein infiziertes _ Wasser als Trinkwasser zu benutzen wäre. 4) Auch bei Anwendung doppelter Filter aus Filtrierpapier vor dem Bromverfahren versagt dasselbe in der Mehrzahl der Fälle.“ Das Schlußergebnis der Schüder schen Nachprüfung bedeutet also das Gegenteil von den Schumburg’schen und Pfuhl’schen Erfolgen. Ich habe nun in unserer Abteilung die eben erwähnten Versuche des Herrn Dr. Wynen seit Herbst 1901 fortgesetzt und zu ermitteln gesucht, ob und welche Wirkung die Brom-Bromkalilösung von Schum- burg auf Bakterien in Wasser — saprophytische wie pathogene — hat. Erste Abt. XXXI, Bd. 43 658 Engels, Meine erste Versuchsreihe beschäftigt sich nur mit den Wasser bakterien. Um die Einwirkung des Broms auf diese kennen zu lernen, wurde Wasser der verschiedensten Herkunft benutzt, und zwar: 1) Leitungswasser, 2) Deutschhausbrunnenwasser, 3) Lahnwasser, 4) en das gewöhnlich eine hochgradige Verunreinigung aufwies. Die Bezeichnung „Brunnen“ in den Tabellen ist stets das unter 2) an- geführte Deutschhausbrunnenwasser. Die Keimzahl der Wässer pro Kubikcentimeter vor der Bromierung giebt die vorletzte Spalte der Tabellen an, diejenige nach der Bromeinwirkung die letzte. Die zweite Reihe meiner Versuche wurde mit frischen, 24-stündigen Choleravibrionenkulturen (Agarkulturen) angestellt und die dritte mit ebensolchen frischen Agarkulturen von Typhusbacillen. Das Versuchs- quantum Wasser war in sämtlichen Fällen 1 1. Zur Einwirkung gelangte nicht nur die von Schumburg zur Sterilisation von 1 | Wasser angegebene Menge Brom, 0,06 g, sondern noch bedeutend größere Mengen, wie 0,12, 0,18, 0,5 und 1,0 g; auch beschränkte sich die Einwirkungszeit nicht auf 5 Minuten, sondern wurde in vielen Versuchen auf 10 und 15 Minuten erhöht. Die Reagentien stellte ich le nach Vorschrift in folgender Weise her: Zur Verfügung stand mir die von Dr. Kade’s ÖOranienapotheke (Dr. F. Lutze), Berlin, hergestellte Reagentienzusammenstellung, aus- reichend für Sterilisierung von 600 1 Wasser. Dieselbe besteht aus 2 Kasten, von denen der erste die Reagentien enthält. Die „genau“ eingestellte konzentrierte Bromlösung befindet sich darin in zuge- schmolzenem Röhrchen, die ein Verdunsten des freien Broms und somit ein Schwächerwerden der Bromlösung verhindern. Jedes Röhrchen hat am verjüngten Halsteile einen Feilstrich, an welcher Stelle das Gläschen durch Abbrechen des Halsteiles geöffnet werden kann. Das Neutrali- sationssalz befindet sich im selben Kasten, in einem cylindrischen Glas- röhrchen, das mit einem Korkstopfen verschlossen gehalten wird. Jedes Bromröhrchen enthält 10 ecm konzentrierte Brom- Bromkalilösung, die zur Sterilisierung von 50 1 Wasser ausreichen, das für dieselbe Menge Wasser nötige Neutralisationssalz befindet sich jedesmal in einer cy- lindrischen Glastube. Je ein Brom- und Neutralisationssalzröhrchen sind mit Watte sorgfältig in Wellpapier verpackt. Der zweite zu dieser Zusammenstellung gehörige Kasten enthält 2 Glasflaschen von je 500 ccm Inhalt zur Aufnahme der verdünnten Lösungen der zur Benutzung gelangenden Chemikalien, ferner 1 gradu- ierte Mensur von 500 cem Inhalt zur Herstellung der verdünnten Lösungen, 1 Mensur von 10 ccm und schließlich einen Aluminiumlöftel, der ca. 10 cem Flüssigkeit aufnehmen kann, aber nur zum Umrühren der Gebrauchsflüssigkeiten dienen soll. Der Preis dieser neuesten Zu- sammenstellung stellt sich, wie folgt: Kasten mit Mensur und Flaschen zur Herstellung und Aufbewahrung verdünnter, gebrauchsfertiger Lösungen mit gläsernem Meßecylinder (10 ccm) für 1 1 Wasser und Aluminiumlöffel M. 9,00 Reagentien zur Herstellung von 600 1 keimfreien Wassers in Blechpackung NE _M. 18,00 Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 659 Der Preis ist demnach kein so sehr hoher. Auch können die Reagentien in geeigneter Verpackung jederzeit nachgeliefert werden. Die verdünnte Bromlösung wurde nun in der Weise hergestellt, daß zunächst die Mensur bis zum Teilstrich 500 mit Leitungswasser angefüllt und dann das an dem am Halse befindlichen Feilstrich abge- brochene Bromröhrchen, mit der Oefinung nach unten gekehrt, in das Wasser gehalten wurde. Die konzentrierte Bromlösung fließt sodann in das Wasser, der Rest Brom wird durch Ausspülen der Tube mit der verdünnten Bromlösung dieser noch zugeführt. Mit dem Aluminium- löffel wird die neue Lösung gut umgerührt und schließlich in eine im zweiten Kasten befindliche Glasflasche gefüllt. Die Zubereitung der Bromlösung hat möglichst schnell vor sich zu gehen, da es unmöglich ist, die dabei entstehenden erstickenden und die Schleimhäute stark reizenden Bromdämpfe auch nur kurze Zeit einzuatmen. Außer diesem Nachteil hat die Stammbromlösung noch einen anderen, das ist ihr nicht fest fixierter Gehalt an freiem Brom. Schüder hat durch Prof. Pros- kauer mehrere Bromröhrchen untersuchen lassen, und es ergaben diese Analysen, daß sich in 3 für je 1 1 berechneten Röhrchen anstatt 0,06 g 0,08 und 0,084 g freies Brom befanden, dagegen 3 für je 51 bestimmte Röhrchen anstatt 0,3 g nur 0,24, 0,25 und 0,264 g freies Brom ent- hielten. Eigene Untersuchungen über den Gehalt der Röhrchen an Brom habe ich nicht angestellt, es ist im folgenden stets der Gehalt, wie er angegeben war, als richtig angenommen. Zur Fertigstellung der Neutralisationslösung versetzte ich zunächst 500 ccm Wasser in der Mensur mit 1 Löffel (Aluminiumlöffel) der fertigen verdünnten Bromlösung, brachte dann das Salz einer Glastube in die zweite Glasflasche des zweiten Kastens, goß ca. 100—150 ccm der schwach bromierten 500 ccm Wasser zu und schüttelte so lange, bis die Salzmischung bis auf Reste geschmolzen war. Schließlich wurde die Glasflasche mit dem übrig gebliebenen schwach bromierten Wasser gefüllt und nun nochmals gut geschüttelt, bis die vollständige Lösung des Salzes erfolgt war. So hatte ich dann zur Sterilisierung von 50 | Wasser die Reagentien fertig. 10 cem dieser Bromlösung sollen nun das nach Schumburg und Pfuhl zur Sterilisation von 1 l Trinkwasser notwendige freie Brom, 0,06 g, enthalten. Zum Abmessen wurde die kleine gläserne Mensur von 10 cem Inhalt benutzt. I. Versuchsreihe. Einwirkung der Schumburg’schen Brom-Bromkalilösung auf Wasserbakterien. Zu diesen Versuchen wurde je 1 1 der schon angegebenen Wässer in eine geräumige, große Flasche gefüllt. Zur Feststellung des Keim- gehaltes eines jeden Wassers zwecks Kontrolle wurde je 1 ccm zu einer Gelatineplatte gegossen und am 8. Tage die aufgegangenen Keime mit dem Wolfhügel’schen Apparate gezählt. Bei den sehr schmutzigen Wässern, in denen eine große Anzahl Keime von vornherein zu ver- muten war, wie bei dem Ketzerbachwasser, wurden nur O,l ccm zur Platte verarbeitet. War das geschehen, so kam der Zusatz von Brom mit einer Einwirkungszeit von bestimmter Dauer, während welcher mehrere Male kräftig geschüttelt wurde, darauf die entsprechende Menge Neutralisationslösung, die genau so lange einwirken mußte auf das Brom wie letzteres auf die Bakterien. Auch für die möglichste Verteilung der 43* 660 Engels, Salzlösung wurde durch kräftiges Schütteln gesorgt. Erst nach dieser Zeit wurden mit sterilisierter Pipette 2 ccm von dem bromierten Wassser entnommen und ebenfalls zur Gelatineplatte ausgegossen. Die Zählung geschah gleichfalls am 8. Tage und die Ergebnisse beider Zählungen wurden zu Protokoll genommen. Bei dieser Versuchsanordnung erhielt ich die in den folgenden Tabellen aufnotierten Resultate: Tabelle 1. Einwirkung von Brom auf Wasserbakterien. Kr t ERar2 nr ersuchs- - es Wassers |des Wassers Art des Wassers menge = Nessie er pro ccm vor |pro ccm nach in: Litern on. Minut Einwirkung | Einwirkung ın Mınuben | des Broms | des Broms Leitung 1 0,06 5 568 15 Leitung 1. 0,06 5 430 12 Lahnwasser 1 0,06 5 5 630 43 Deutschhausbrunnen 1 0,06 5 7816 3 Leitung 1 0,06 5 380 23 Ketzerbachwasser | 0,06 5 171 900 64 Lahnwasser 1 0,06 5 2 302 Ketzerbachwasser 1 0,06 5 310 800 109 Leitung il 0,06 5 4192 Leitung 1 0,06 5 1242 4 Deutschhausbrunnen l. 0,06 5 2176 3 Leitung 1 0,06 5) | 1436 105 Tabelle 1 enthält 12 Versuche, die genau nach Schumburg’s Verfahren angestellt wurden, d. h. es wurden 10 ccm der Bromlösung, also = 0,06 freies Brom 1 l Wasser zugesetzt und die Einwirkungs- dauer auf 5 Minuten bemessen; dabei zeigte sich, daß in keinem einzigen Falle Keimfreiheit erzielt wurde. Allerdings schwand die Anzahl der Keime nach der Bromierung manchmal bis auf ein Minimum herab. Ich möchte nur die beiden Versuche 6 und 8 besonders erwähnen, wo nach der Bromeinwirkung die Bakterienzahl im Ketzerbachwasser von 171900 resp. von 310800 auf 64 resp. 109 Keime pro Kubikcenti- meter fiel. Tabelle 2. Einwirkung von Brom auf Wasserbakterien. Keimgehalt | Keimgehalt Ein- Versuchs- R i des Wassers |des Wassers Art des Wassers menge un Ve, | pro ccm vor pro ccm nach nen en Einwirkung | Einwirkung ın Minuten | des Broms | des Broms Lahnwasser il 0,06 10 454 1 Ketzerbachwasser .| 0,06 10 19 560 54 Leitung 1 0,06 10 1324 1 Leitung 1 0,06 10 462 Mr Deutschhausbrunnen 1 0,06 10 1 648 5 Leitung 1 0,06 10 293 1 Lahn wasser 1 0,06 15 197 { Ketzerbachwasser 1! 0,06 15 15 906 11 Leitung 1 0,06 15 362 3 Leitung al 0,06 15 655 2 Deutschhausbrunnen 1 0,06 15 1 532 1 Leitung 1 0,06 15 385 | Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 661 Eine Einwirkung des Broms auf Wasserbakterien war mir dem- nach unzweifelhaft. Ich ließ nun die gleiche Brommenge 0,06 in 6 Versuchen 10 Mi- nuten und in abermals 6 Versuchen 15 Minuten einwirken. Es konnte konstatiert werden, daß die Keimzahl noch geringer wurde als in den ersten 12 Versuchen. In 6 Fällen war nur pro Kubikcentimeter eine Kolonie nachweisbar. Die Höchstzahl wies Ver- such 2, Tabelle 2, „Ketzerbachwasser“ auf, nämlich 54 Keime. Ich versuchte nun durch höhere Brommengen vollständige Keim- freiheit zu erzielen. Es wurde deshalb in den folgenden 18 Versuchen die doppelte Menge, nämlich 0,12 g freies Brom genommen. Tabelle 3. Einwirkung von Brom auf Wasserbakterien. | Ein- ee a re ıVersuchs- ; es Wassers |des Wassers Art des Wassers |, menge = ugesetzie ae pro ccm vor '!pro ccm nach lern mMEnSe | Mir t Einwirkung | Einwirkung ın Kunuten | ges Broms | des Broms | Lahnwasser 270,02 5 510 7 Lahnwasser 1 0,12 5 10 2 Leitung 1 0,12 5 340 7 Leitung 1 0,12 5 210 8 Lahnwasser 1 0,12 5 680 1 Leitung 1 0,12 5 130 12 Brunnen 1 0,12 10 5 780 140 Brunnen 1 0,12 10 1850 13 Leitung 1 0,12 10 714 22 Leitun i) 0,12 10 260 8 Deutschhausbrunnen 1 0,12 10 680 1 Leitung 1 0,12 10 1180 16 Ketzerbachwasser 1 0,12 15 15 600 8 Ketzerbachwasser 1 0,12 15 200 5 Leitung 1 0,12 15 380 29 Leitung 1 0,12 15 446 135 Ketzerbachwasser 1 0,12 15 1000 179 Leitung | 1 0,12 15 540 2 Die Einwirkungsdauer betrug zunächst 5 Minuten, jedoch war nie- mals das Wasser keimfrei geworden, wohl bakterienärmer. Ich ließ deshalb in je 6 Versuchen 0,12 g freies Brom 10 und 15 Minuten einwirken. Die Wirkung war auch hier keineswegs eine befriedigende, im Gegenteil, in einzelnen Fällen war der Keimgehalt des Wassers nach der Einwirkung des Broms im Verhältnis zu der Keim- zahl vor der Bromeinwirkung noch ein relativ sehr hoher. In einem Falle waren von 446 Keimen 135 nicht abgetötet, in einem anderen von 1000 179 nicht. Tabelle 4 giebt nun noch weitere 18 Versuche wieder, bei denen die zuzusetzende Brommenge verdreifacht wurde. Es kamen demnach 0,18 g Brom zur Einwirkung. Die Dauer der Einwirkung betrug ebenso wie bei den vorhergehenden Versuchen in 6 Fällen 5 Minuten 2) 6 3, 10 2) ” 6 » 15 ” Das Resultat war, daß in sämtlichen Wässern auch nach der 15 Minuten dauernden Einwirkung von 0,18 g Brom lebensfähige Keime gefunden 662 Engels, Tabelle 4. Einwirkung von Brom auf Wasserbakterien. e r Ein- ne a ee ersuchs- - es Wassers |des Wassers Art des Wassers menge 2 en pro ccm vor |pro ccm nach in latenn| in Minuten | Einwirkung | Einwirkung des Broms | des Broms Lahn wasser 1 0,18 5 906 32 Ketzerbachwasser 1 0,18 5 24 200 14 Leitung 1 0,18 5 | 24 13 Leitung N 0,18 5 64 8 Deutschhausbrunnen 1 0,18 5 475 11 Leitung 1 0,18 5 | 28 7 Lahnwasser 1 0,18 10 1528 1 Ketzerbachwasser 1 0,18 10 10 200 4 Leitung 1 0,18 10 134 34 Leitung 1 0,18 10 632 1} Deutschhausbrunnen 1 0,18 10 510 6 Leitung 1 0,18 10 262 4 Leitung 1 0,18 15 1795 | 6 Ketzerbachwasser ii 0,18 15 18 620 18 Leitung 1 0,18 15 164 | 2 Leitung 1 0,18 15 296 1) Deutschhausbrunnen 1 0,18 | 15 1681 31 Leitung H: 0,18 AN; 320 | 2 wurden, die von dem Brom unbeeinflußt geblieben waren. Also Keimfreiheit habe ich auch in dieser Reihe niemals erreicht. Allerdings war die Keim- zahl wieder ganz bedeutend gesunken. Unter den nach der Bromwirkung auf den Platten sich entwickelnden Kolonieen waren verhältnismäßig sehr zahlreich Schimmelpilzkolonieen, die dem Brom gegenüber scheinbar besonders erhöhte Resistenz besitzen. Damit soll nicht gesagt sein, daß etwa die in der letzten Kolumne der vorstehenden Tabellen verzeich- neten Kolonieenzahlen auf Schimmelpilze zu beziehen seien. Schlußfolgerung: Um die Einwirkung der Schumburg’schen Bromlösung auf Wasserbakterien kennen zu lernen, wurden laut Ta- belle 1, 2, 3 und 4 im ganzen 60 Versuche nach obiger Anordnung angestellt. In sämtlichen 60 Versuchen war keine Keimfreiheit zu er- zielen gewesen; wohl aber hatte die Bromeinwirkung eine bedeutende Herabminderung der Keimzahl zur Folge, welch letztere in mehreren Fällen auf 1—2 Keime pro Kubikcentimeter herabsank. Dies Resultat stimmt im großen und ganzen mit demjenigen Schumburg'’s überein. II. Versuchsreihe. Einwirkung der Schumburg’schen Brom-Bromkalilösung auf Choleravibrionen. Die Versuchsanordnung dieser Reihe weicht besonders in einem wesentlichen Punkte von der Schumburg’s und Pfuhl’s, etwas auch von der Schüder’s ab, kommt letzterer aber am nächsten. Ich ging in folgender Weise vor: Zunächst wurden Agarkulturen von Cholera angelegt, dieselben 24 Stunden bei 37°C im Brütschranke gelassen, sodann die gewachsene Kultur vorsichtig in ca. 5 ccm steriler Bouillon aufgeschwemmt und diese Aufschwemmung 1 1 sterilisierten Wassers zugesetzt. Das Wasser wurde vorher 1 Stunde im strömenden Dampfe sterilisiert. Sterilisiertes Ber E „Ad SD nobr ae Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 663 Wasser wurde aus dem Grunde genommen, um die eventuell noch vor- handenen Choleravibrionen leichter nachweisen zu können. Um die Vibrionen möglichst im Wasser zu verteilen, wurde der Kolben gut geschüttelt. Das Hinzufügen des Desinficiens und der Salzlösung geschah in bekannter Weise. In dem nunmehr folgenden Nachweis der noch lebend gebliebenen Vibrionen liegt die Abweichung meines Verfahrens gegen- über den anderen. Schumburg’'s und Pfuhl’s Vorgehen ist, wie ich oben schon erwähnt habe, vollständig unzureichend. Auch Schüder’s Vorgehen befolgte ich nicht vollständig, Schüder legt ein zu großes Gewicht auf die Cholerarotreaktion. Es ist bei zweien meiner Versuche vorgekommen, daß im Inhalte des Kolbens bei Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure die Rotreaktion deutlich eintrat, obschon es mir nicht gelungen ist, durch Gießen von Platten resp. durch Abimpfen auf Agar noch -Vibrionen zum Wachstum zu bringen. Ich schließe daraus, daß die die Rotreaktion bedingenden Substanzen, Indol und Nitrite, schon mit der Aufschwemmung der 24-stündigen Cholerakultur in das Wasser übertragen sind; ein solches Wasser giebt natürlich die typische Reak- tion, auch wenn die Vibrionen nicht mehr lebensfähig, d.h. durch Brom abgetötet sind. Aus diesem Grunde kann die Rotreaktion allein nicht maßgebend sein. Ich ging deshalb folgendermaßen weiter vor. Dem bromierten und neutralisierten Cholerawasser setzte ich so viel einer von mir selbst angefertigten konzentrierten Peptonkochsalzlösung zu, daß im Wasser eine 1-proz. Peptonkochsalzlösung entstand. Der ganze Inhalt eines Kolbens wurde also unter günstige Wachstums- bedingungen gebracht und der Kolben sodann im Brütschranke bei 37° gehalten. Nach 2% 24 Stunden entnahm ich mit steriler Pipette 2 ccm von dem Kolbeninhalte, der sich bis dahin schon meist diffus getrübt hatte, und goß dieselben zu einer Gelatineplatte aus. Blieb die Platte steril, was in einigen Versuchen der Fall war, so wurde am 8. Tage nochmals dieselbe Prozedur vorgenommen und gleichzeitig 3 Oesen des betreffenden Peptonwassers auf schräg erstarrtem Agar ausgebreitet. Tabelle 5. Einwirkung von Brom auf Choleravibrionen. Menge des ver- Zu De ; gesetzte Cho-| Zugesetzte Einwirkungs- Ben I 4 lerakulturen Brommenge dauer in Minuten Resultat 1 1 Agarröhrchen 0 | 5 Wachstum 1 n 0, 5 2) 1 3 0,06 5 % 1 B! 0,06 5 RR 1 “ 0,06 5) ; 1 > 0,06 10 | 5 1 x 0,06 10 “ 1 " 0,06 10 », 1 e | 0,06 | 10 3 1 s | 0,06 10 © 1 ; 006 10. ae 1 = 0,06 15 sy ii} ; 0,06 15 » 1 “ 0,06 15 „ 1 ® 0,06 15 = 664 Engels, Tabelle 6. Einwirkung von Brom auf COholeravibrionen. 7 | Menge des ver- ee Zugesetzte Cho- | Zugesetzte Einwirkungs- a ie lerakulturen Brommenge |dauer in Minuten Besultat 1 1 Agarröhrchen 0,12 5 Wachstum 1 A 0,12 5 R 1 n 0,12 5 „» 1 I) 0,12 5 2) 1 u 0,12 5 3 1 2 0,12 10 » 1 Br 0,12 10 » 1 % 0,12 10 „ 1 % 0,12 10 „ Y 5 0,12 10 i 1 „ 0,12 15 » i » 0,12 15 „ 1 ® 0,12 15 B 1 2 0,12 15 »„ 1 5; 0,12 15 y Tabelle 7. Einwirkung von Brom auf Choleravibrionen. ae les Zugesetzte Cho- ZukeselzrE | Einwirkungs- | Be ren Wera lin It ern | lerakulturen | Brommenge Ba in ii: ; 1 1 Agarröhrchen 0,18 5 Wachstum 1 „ 0,18 5 ” 1 # 0,18 5 „ 1 £ 0,18 5 7 1 5 0,18 5 „ 1 © 0,18 10 R 1 5 0,18 10 S 1 y; 0,18 10 F 1 7 0,18 10 3 1 ? 0,18 10 N 1 “ 0,18 15 i 1 3 0,18 15 # 1 „ 0,18 15 2) | % 0,18 15 „ d 5 0,18 15 & Tabelle 8. Einwirkung von Brom auf Choleravibrionen. Menge des ver- | zZ see | | - ugesetzte Cho-| Zugesetzte Einwirkungs- al | lerakulturen Brommenge |dauerin Mn ah il | 1 Agarröhrchen 0,43 5 | Wachstum 1 . 0,43 5 „ I ’„ 0,43 10 „ 1 0,43 10 E 1 er 0,43 15 - t ” 0,43 15 z ’ Die Platten wurden nun auf typische Kolonieen hin untersucht und von freiliegenden Stiche in Gelatine gemacht und Peptonwasserröhrchen Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 665 damit geimpft. Dasselbe geschah mit einzeln liegenden Kolonieen vom Agarnährboden. Im Anschluß an das Wachstum dieser Kulturen wurde deren mikroskopische Untersuchung vorgenommen. Mit typischen Gela- tineplatten begnügte ich mich also nicht, erst das für Choleravibrionen typische Wachstum im Gelatinestich und die Rotreaktion des von einzeln liegender Kolonie abgeimpften Peptonwasserröhrchens zusammen mit dem mikroskopischen Bilde der Roterzeuger waren mir der strikte Be- weis, daß diese Vibrionen vom Brom unbeeinflußt geblieben bezw. nicht abgetötet worden waren. Die Resultate dieser Versuchsreihe sind in Tabelle 5, 6, 7 und 8 niedergelegt. Die Tabellen umfassen 51 Versuche, und zwar wirkten ein: 0,06 g freies Brom 5 Minuten lang in 5 Versuchen 0,06 - ” » 10 ” p)) ” d ” 0,06 8 ” » 15 „ ” ” ) ” 0, 12 = » ”„ 5 ” ” » ) ” 0, 1 2 - N ” 1 0 ” „ ” 9) ” 0, 1 2 g ” p)) 1 5 ” ” ” ) ” 0, 1 8 g » B)) ) ” ” ” 5) ” 0, 1 8 8 ” » 10 ” N I 9) ” 0, 1 8 g ” p) 1 I » ” „ 9 ” 0,43 8 ” ) ” ” ” 2 ” 0,43 g p)) » 1 0 ) „ ” 2 ” 0,43 8 ” b)] 1 3) 2 DD) ” ” ” Für die letzten 6 Versuche mit Zusatz von 0,43 g freien Broms löste ich den Inhalt eines Glasröhrchens mit konzentrierter Bromlösung und eines Röhrchens mit Neutralisationssalz in je 60 ccm Wasser auf und setzte von dieser Lösung jedesmal 10 cem = 0,45 g freies Brom einem Cholerawasser zu. Das Wasser, welches zur Auflösung des Salzes diente, wurde mit 5 ccm der verdünnten, vorrätigen Bromlösung in üb- licher Weise versetzt. Wie aus den Tabellen hervorgeht, fielen sämt- liche Versuche ohne Ausnahme negativ aus, d. h. in allen mit Cholera- kulturen angesetzten Kolben waren trotz der Bromeinwirkung noch lebensfähige Cholerakeime nachzuweisen. Bei den Versuchen mit 0,06 und 0,12 g Bromzusatz waren die Kolonieen ziemlich reichlich vorhanden und zwar schon nach 2 X 24 Std., zur Zeit der ersten Abimpfung. Bei Zusatz von 0,18 g und besonders bei Zusatz von 0,43 g freien Broms fiel in einzelnen Versuchen die erste Abimpfung negativ aus, die zweite jedoch regelmäßig positiv. In 2 Fällen, in denen 0,43 g zugesetzt waren, war auf der am 8. Tage an- gelegten Gelatineplatte nur eine einzige Kolonie gewachsen, von der ich die weitere Abimpfung in Gelatine und in Peptonwasser mit posi- tivem Erfolge vornehmen konnte. Wir sind also hier derjenigen Kon- zentration des Broms sehr nahe gekommen, welche genügt, um Cholera- vibrionen wirklich sämtlich zu vernichten, vorausgesetzt, daß unsere Untersuchungsmethode richtig ist und daß die starke Konzentration des Bromnatriums in der Lösung nicht entwickelungshemmend auf die Vi- brionen einwirkt. Das Resultat ist demnach noch schlechter wie das Schüder’s. Ich glaube, wenn Schüder auch stets das ganze Cholerawasser mit entsprechender Peptonlösung versetzt und so dasselbe unter günstige Wachstumsbedingungen gesetzt hätte, seine Resultate würden auch noch etwas anders ausgefallen sein. 666 Engels, Nun hat Schumburg selbst unter seinen Versuchen mit Cholera einige Mißerfolge zu verzeichnen gehabt. Er glaubt, wie erwähnt, die Ursache darin suchen zu müssen, daß in der Aufschwemmung stets kleine Partikelchen Nährböden in das Wasser übertragen werden, wes- halb die in den Bröckelchen befindlichen Vibrionen nicht vom Brom getroffen werden. Bei seinem Versuche mit filtrierter Kultur bekam er dann einen positiven Ausfall. Ich will dieses nicht direkt von der Hand weisen, da es immerhin nicht unwahrscheinlich ist, daß kleine Partikelchen vom festen Nährboden mitübertragen werden. Ich muß mich aber ganz entschieden gegen die Anschauung Schumburg’s und auch Pfuhl’s wenden, daß durch die Filtration erst eine genaue Nachahmung der in praxi vorkommenden Verhältnisse geschaffen werde. Wir glauben uns auch ohne besondere Versuche zu der Meinung berechtigt, daß in den in der Natur vor- kommenden Wässern, die überhaupt vor dem Gebrauche als Trinkwässer zur Reinigung herangezogen werden müssen, sehr häufig Brocken und Klümpchen vorhanden sein werden, die Bakterien enthalten oder nur aus Bakterien bestehen; warum sollten darunter nicht auch patho- gene sein ? Jedenfalls suchten wir festzustellen, inwieweit durch Filtrieren die Resultate bessere werden könnten. Ich unterzog mich deshalb der Arbeit, noch 12 Versuche mit filtrierten Kulturen anzustellen. Ich filtrierte die Aufschwemmungen 24-stündiger Kulturen durch sterile doppelte Papierfilter in sterile Reagenzgläser und setzte das Filtrat von je einer Kultur 1 1 Wasser zu. Ich ließ einwirken 0,06 g Brom 0,12 ” „ EB : 1,0 „ » während 5, 10 und 15 Minuten. h Tabelle 9. Einwirkung von Brom auf Choleravibrionen. (Nach Filtration der in Bouillon aufgeschwemmten Kultur.) Menge des ver- egesehete Cho- Zugesetzte Einwirkungs- le | lerakulturen Brommenge RT in Minuten hesulias il 1 Agarröhrchen 0,06 5 Wachstum 1 0,06 10 4 1 > 0,06 15 Er 1 » 0,12 d » 1 ; 0,12 10 2 1 5 0,12 13 »; 1 Rn 0,18 = kein nachweisba- res Wachstum 1 & 0,18 10 Wachstum 1 H 0,18 15 ; 1 ” 1,0 d ” il ” 1,0 10 „ u 1 r 1,0 19 kein nachweisba- res Wachstum Die Erfolge sind auch hier ungünstige. Nur bei Einwirkung von 0,13 g Brom während 5 Minuten und solcher von 1,0 g Brom während 15 Minuten waren keine Vibrionen mehr zur Entwickelung gekommen. Das positive Resultat bei 0,18 g Brom und 5 Minuten Einwirkungsdauer Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 667 ist jedoch ohne Belang, da bei Zusatz derselben Brommenge und einer Einwirkungszeit von 10 und 15 Minuten wieder Keime gewachsen waren. Das Ausbleiben des Wachstums der Choleravibrionen nach 15 Minuten dauernder Einwirkung von 1,0 g Brom möchte ich dagegen nicht als Zufall ansehen. Es scheint damit die Grenze erreicht, bei welcher eine Unwirksamkeit des Verfahrens oder die Unschädlichkeit des Brom- natriums in der Peptonlösung aufhört. In einer Reihe von Versuchen waren nur einige wenige Kolonieen auf den Platten gewachsen, ein Beweis dafür, daß das Brom auf viele, aber nicht auf alle Vibrionen abtötend gewirkt hatte. Wenn ich das Resultat dieser Reihe vergleiche mit den Versuchen, bei welchen un- filtrierte Kulturen benutzt wurden, so kann ich einen Unterschied irgend welcher Bedeutung nicht feststellen. War ein solcher vorhanden, so fiel er eher zu Gunsten der unfiltrierten Kulturen aus, da es mir schien, als ob bei den Versuchen mit filtrierten Kulturen rascher eine Trübung des Peptonwassers entstehe.e Ob „gehärtete“ Filter das Resultat zu ändern vermögen, weiß ich nicht. III. Versuchsreihe. Einwirkung der Schumburg’schen Brom-Bromkalilösung auf Typhusbacillen. Zu den im Wasser zuweilen vorkommenden pathogenen Keimen ge- hört auch der Typhusbacillu. Deshalb wurde schließlich auch noch dieser zum Studium der Bromwirkung herzugezogen. Ich habe auch hier an meinem Prinzip festgehalten, die nach der Bromeinwirkung noch am Leben gebliebenen Bacillen sofort unter günstige Wachstumsbedingungen zu bringen. Das ist jedoch bei Typhus- bacillen leichter gesagt, als gethan. Für den Typhusbacillus kennt man eben keinen flüssigen Nährboden, in dem dieselben sich besonders gern entwickeln, wie die Choleravibrionen in 1-proz. Peptonkochsalzlösung. Ich mußte deshalb bei der schon im Abschnitt II eingeschlagenen Me- thode stehen bleiben. Zur Verwendung gelangten auch wieder Aufschwemmungen 24- stündiger Agarkulturen in Bouillon, die 1 1 sterilen Wassers zugesetzt wurden. Nach dem Zusatze von Brom, und nachdem die Salzlösung ihre bestimmte Zeit eingewirkt hatte, wurde wiederum soviel von der kon- zentrierten Peptonkochsalzlösung hinzugesetzt, daß eine 1-proz. Pepton- lösung im Kolben entstand. Der Kolben blieb 2%X 24 Stunden im Brütschranke bei Körpertemperatur. Sodann wurden 2 ccm aus einem jeden Kolben zur Gelatineplatte ausgegossen und von einer einzeln liegenden Kolonie derselben ein Stich in gerade erstarrtem Trauben- zuckeragar gemacht, der bei 37°C gehalten wurde. Fiel die Entwicke- lung in diesem Nährboden zu Gunsten des Typhusbacillus aus, erst dann wurde von mir die Diagnose „Wachstum“ resp. „üppiges Wachstum“ gestellt. Selbstverständlich ging diesen Versuchen eine Prüfung des Wassers auf Sterilität voran. Die Resultate der Versuche enthalten die folgenden Tabellen 10, und 12. Die 3 Tabellen umfassen demnach 27 Versuche. Es wirkten ein: 668 Engels, 8 freies Brom während 5 Minuten in ” b)) b)] b>) 1 0 ” ” ” b)) „ ” 1 9) ” „ p)) b)) ” ” 5 ” ” 2) ” b)] PD) 10 bo) b)) p)) ” ” ” 15 bo) „ PD] „ ” „ 9) b)) „ bo») „ ” „) 10 b)) oh) b)) b)) ” ” 1 5) p)) ” Tabelle 10. b) b) b) 5 3 3 B) B) 3 Versuchen Einwirkung von Brom auf Typhusbacillen. Menge des ver- | | : Zugesetzte Ty- Zugesetzte Einwirkungs- ee ne n , Pphuskulturen Brommenge |dauerin Mi li 1 1 Agarröhrchen 0,06 | 3) Ueppiges Wachstum 1 „ 0,06 s) 2) 1 EL) 0,06 ) ” 1 7 0,06 10 e 1 r 0,06 10 s | 5 0,06 10 n 1 > 0,06 15 a 1 se 0,06 - 15 55 1 e Be 15 x Tabelle 11. Einwirkung von Brom auf Typhusbacillen. Dane = a | Zugesetzte Ty- | Zugesetzte | Einwirkungs- Besultat wa a Be Tatek phuskulturen Brommenge |dauerin Minuten u 1 1 Agarröhrchen 0,12 5 Ueppiges Wachstum 1 ” 0,12 5 „ 1 » 0,12 d „ 1 7 0,12 10 s 1 y 0,12 10 ” 1 " 0,12 10 n 1 > 0,12 15 e 1 „ 0,12 15 » 1 - 0,12 15 In Tabelle 12. Einwirkung von Brom auf Typhusbacillen. Menge des ver- | zZ BEER - wandten ugesetzte Ty- Zugesetzte Einwirkungs- Resultat Wasser phuskulturen | Brommenge |dauerin an 1 1 Agarröhrchen | 0,18 5 Ueppiges | Wachstum 1 = 0,18 5 x 1 ” 0,18 5 ” 1 ” 0,18 10 ” t x 0,18 10 N 1 % 0,18 10 # 1 5 0,18 15 . 1 % 0,18 15 R 1 %; 0,18 15 Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 669 Das Resultat sämtlicher 27 Versuche war als ein gleiches zu bezeichnen, es war auf allen Gelatineplatten ein üppiges, starkes Wachstum typi- scher Typhuskolonieen eingetreten und beim Abimpfen durch Stich in Traubenzuckeragar zeigte sich ein Wachstum längs des ganzen Impf- Stiches ohne Gasbildung. Da in meiner II. Versuchsreihe 0,43 und sogar 1,0 g freies Brom sich zur sicheren Abtötung von Choleravibrionen nicht bewährt hatten, so hielt ich es für überflüssig, dieselben Versuche mit hohen Bromdosen beim Typhusbacillus zu wiederholen. Denn was den wenig widerstandsfähigen Choleravibrio unbeeinflußt läßt, das ist den Typhusbakterien gegenüber sicherlich harmlos. Außerdem sind 0,43 und 1,0 g freies Brom pro Liter Wasser so große Mengen, wie sie in der Praxis, besonders wo es sich um Trink- wasser handelt, unzulässig sein dürften. Aber auch hier bin ich mit meinen Versuchen nicht stehen ge- blieben. Die dem Wasser zugesetzten Bacillen waren ja auch Auf- schwemmungen von Agarkulturen. Es konnten ja wiederum Partikel- ' chen in der Aufschwemmung sich befinden. Aus diesem Grunde filtrierte ich in einer Reihe von Versuchen die Kulturen wie im Ab- schnitt II. Tabelle 13 zeigt uns das Resultat. Tabelle 13. Einwirkung von Brom auf Typhusbacillen. (Nach Filtration der in Bouillon aufgeschwemmten Kultur.) | Menge des ver- | Zugesetzte Ty- Zugesetzte Einwirkungs- en phuskulturen | Brommenge |dauerin Minuten | Resultat 1 1 Agarröhrchen 0,06 | 5 De Wachstum z h 0,06 10 R - 2 0,06 15 ie 1 „ 0,12 5 5 AR „ 0,12 10 Ü - „ 0,12 15 n n » 0,18 5 # 1 „ 0) ‚18 10 A 1 „ | 0,18 1 5 | Rn Auch bei Verwendung von filtrierten Typhuskulturen war nach der Bromwirkung überall ein recht üppiges Wachstum eingetreten. Keim- freiheit erzielte ich in keinem einzigen Falle in dieser 3. Reihe, viel- mehr ein recht starkes Bakterienwachstum auf sämtlichen Gelatine- platten bei Benutzung sowohl unfiltrierter, als auch filtrierter Kulturen. Das Gesamtresultat meiner Versuche fasse ich in folgenden Punkten zusammen: 1) Die Schumburg’sche Methode ist imstande, in Wässern ver- schiedener Art die Bakterienzahl erheblich zu vermindern. Auch relativ bakterienarme Wässer werden durch das Verfahren nicht keimfrei. Es macht den Eindruck, als ob verschiedene Wasserbakterien durch Brom überhaupt nicht abzutöten seien. Sehr großen Widerstand leisten nach meinen Erfahrungen auch die Schimmelpilze. 2) Brom ist in der von Schumburg angegebenen Konzentration nicht imstande, Choleravibrionen aus unfiltrierten Kulturen unschädlich zu machen. Auch hier war dagegen eine Verminderung der Keimzahl offenbar. Was die zur Vernichtung der Choleravibrionen nötige Kon- 670 Engels, Das Schumburg’sche Verfahren der Trinkwasserreinigung etc. zentration betrifft, so scheint dieselbe bei etwa dem Sechszehnfachen der von Schumburg angegebenen Menge zu liegen, vorausgesetzt, daß eine längere Dauer der Einwirkung als 5 Minuten gewählt wird. Ob derartige Konzentrationen in praxi möglich sind, erscheint fraglich. 3) Eine Wirkung des Broms in der von Schumburg angegebenen und 3-fach höherer Konzentration auf unfiltrierte Typhusbacillen ließ sich auch bei auf 15 Minuten verlängerter Einwirkungsdauer in meinen Ver- suchen nicht nachweisen. Weitere Versuche mit höheren Konzentrationsgraden bei Typhus- bacillen erschienen unnötig, da anzunehmen war, daß die letzteren dem Brom gegenüber höhere Widerstandskraft als die Choleravibrionen haben würden und demgemäß die für die Kommabacillen gefundenen Zahlen auch bei Vernichtung der Eberth’schen Bacillen nicht unter- schritten werden dürften. 4) Versuche mit filtrierten Cholera- und Typhuskulturen fielen gleich ungünstig aus. Die Filtration war vorgenommen durch gewöhnliche doppelte Papierfilter. Eine Nachahmung natürlicher Verhältnisse scheint uns bei Ver- wendung filtrierter Kulturen nicht vorzuliegen. 5) Die günstigen Erfolge Schumburg’s und Pfuhl’s sind nicht beweisend, da beide zum Nachweise nach der Bromierung lebend ge- bliebener Keime zu geringe Quantitäten des Versuchswassers untersucht haben. Wir schließen uns in der Beurteilung dieses Punktes völlig den Ausführungen Schüder’s an und glauben, daß auch die in Heft 3 des 39. Bandes der Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. veröffentlichten Auslassungen Schumburg’s und Pfuhl’s an der Bewertung dieses Momentes nichts ändern können. 6) Die Thatsache, daß sich in einem Kolben, dessen Inhalt höchst wahrscheinlich zu einer tödlichen Infektion mit Typhusbacillen beim Menschen Veranlassung gegeben hat, Eberth’sche Bacillen nicht haben nachweisen lassen, läßt es als möglich erscheinen, daß eine Infektion mit pathogenen Mikroorganismen durch Zufuhr mit Brom behandelten Wassers selbst dann eintreten könnte, wenn wir mit unseren Methoden diese Mikroben nicht mehr nachweisen können. Für die Anregung zu dieser Arbeit und die bereitwillige, freund- liche Unterstützung bei derselben spreche ich meinem verehrten Chef, Herrn Prof. Dr. Bonhoff, meinen herzlichsten Dank aus. Marburg a. L., 21. März 1902. 3 v. Wendt, Einfache Methode, Bakterien an Deck- oder Objektgläser zu fixieren. 671 Nachdruck verboten. Ueber eine einfache Methode, Bakterien ohne Trocknen an Deck- oder Objektgläser zu fixieren. Von Georg von Wendt, Amanuensis am physiologischen Laboratorium in Helsingfors. Die gewöhnliche Methode, durch Trocknen und Erwärmen die Bakterien an Deck- oder Objektgläser zu fixieren, ist ja in den meisten Fällen vollkommen genügend. Wenn es aber auf das Studium der feineren Strukturverhältnisse im Bakterienkörper ankommt, muß das Trocknen als eine weniger zuverlässige Fixierungsmethode betrachtet werden. Daß unberechenbare Strukturveränderungen durch Wasser- abdampfung zustande gebracht werden können, braucht als zu bekanntes Faktum hier nicht berührt zu werden. Ferner ist es klar, daß ein so subtiler Gegenstand wie der Bakterienkörper durch eine so wenig zarte Behandlung wie die obengenannte, nicht was die feineren Einzelheiten anbelangt, sich im Mikroskop so zeigen kann, daß ein Schluß über den physiologischen Zustand gezogen werden kann. Ich will diese Mitteilung nicht verlängern durch Citate aus der Litteratur von mehr oder weniger verwickelten Methoden, die angegeben worden sind, um den Schwierigkeiten zu entgehen, die oben erwähnt sind. Die Mehrzahl dieser Methoden erlaubt nicht, gleichzeitig Dauer- präparate zu machen. Ich durchsuchte vergebens die mir zugängliche Litteratur, um eine Methode zu finden, den Ansprüchen entsprechend, welche für die Natur meiner Untersuchungen zweckmäßig wäre. Ohne die unten angeführte Methode, welche, so viel wie ich beurteilen kann, allen billigen Ansprüchen entspricht, als meine persönliche Entdeckung bezeichnen zu wollen, da, wie gesagt, die vollständige Litteratur mir nicht zugänglich gewesen ist, zögere ich nicht, diese Methode mitzuteilen, da ich möglicherweise dadurch ein vielleicht nutzloses Suchen und die Umstände, die ich gehabt habe, die Methode auszuprobieren, anderen ersparen kann. Von der für die Untersuchung bestimmten Bakterienkultur nimmt man eine Platinöse und tröpfelt einen Wassertropfen hinzu, z. B. in einem Uhrglas. Will man eine vorhergehende Fixierung der Bak- terien haben, so nimmt man anstatt Wasser z. B. 1—3-proz. Salpeter- säure, !/s„—3-proz. Sublimat u. s. w. Ein Deck- oder Objektglas wird mit einer äußerst dünnen Schicht von Mejer’s Eiweißglycerin be- strichen, das Glas wird auf eine flache Glasscheibe gelegt und auf den mit Eiweißglycerin beschriebenen Teil werden einige Tropfen Wasser getröpfelt. Danach wird eine Platinöse von dem Bakterienwasser- gemisch genommen, diese wird vorsichtig gegen die Oberfläche der Wasserschicht, welche das Deck- oder Objektglas bedeckt, geführt, wobei die Bakterien in Form einer feinen, wohlbegrenzten Wolke all- mählich gegen das Glas hinabsinken. Das Ganze wird mit einem größeren, sich gut an das untere Glas schließenden Uhrglas bedeckt. Nach 20 Minuten bis !/, Stunde haben sich die Bakterien auf dem Glase gesammelt; das Uhrglas wird abgehoben und. einige Tropfen Wasser werden noch auf die Glasscheibe hinzugetröpfelt, darauf wird das Uhrglas aufs neue darüber gestülpt und das Ganze für 8—10 Min. in einen bis 75° erwärmten Brutofen hineingestell. Durch diese 672 v. Wendt, Einfache Methode, Bakterien an Deck- oder Objektgläser zu fixieren. Prozedur koaguliert die Eiweißschicht und die Bakterien befestigen sich vollkommen genügend an das Deck- oder Objektglas. Das Uhrglas muß so dicht an der Glasscheibe liegen und es muß so viel Wasser unter demselben vorhanden sein, daß das Wasser während der Er- wärmung im Brutofen nicht vom Präparat abdunstet. Auch muß man das Ganze sich abkühlen lassen, ohne das Uhrglas abzuheben, da das Wasser sonst leicht vom Präparat abdunstet. Hiernach kann man es z. B. färben und dann durch Alkohol von wachsender Stärke und Xylol in Balsam überführen. Zur Anwendung der Methode ist demnach nichts erforderlich, was nicht in jedem Laboratorium vorrätig wäre. | Im März 1902. Inhalt. Originalmitteilungen. Lühe, M., Bemerkungen über die Cestoden s Centrolophus pompilius. I Zur Engels, Das Schumburg’sche Verfahren nr der Trinkwasserreinigung mittels Brom, on der ‚Gentrolophus - Cestoden, p. 651. Galeotti, G. und Zardo, E., Ueber einen aus dem „Murex bradatus“ isolierten pathogenen Mikroorganismus. Beitrag zur Kenntnis der Nahrungsinfektionen, P.I399: Voges, O., Die Differentialdiagnose der verschiedenen in die Gruppe der Bak- -terien der hämorrhagischen Septikämie gehörigen Mikroorganismen mit Hilfe der spezifischen Serumreaktion, p. 645. v. Kurlow, M., Anguillula intestinalis als er an ee u wi ar en : : , N Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Deck- oder Objektgläser zu fixieren, Menschen, p. 614. ori Looss, A., Zur Kenntnis der Trematoden- D- 3 fauna des Triester Hafens. I. Ueber die Gattung Orophocotyle n. g., p. 637. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXI. Band. —- Jena, den 3. Juni 1902. —- No. 14. Preis für den Band (50 Bogen) 15 Mark. Schwierige Tafeln werden einem Bogen gleich gerechnet. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Bei Einzelverkauf Preis für einen einfachen Druckbogen 40 Pfg., für eine Tafel 60 Pfg. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der. ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Originai=-Mitteilungen. Nachdruck verboten. Ueber durch Pressung gewonnenen Zellsaft des Bacillus pyocyaneus nebst einer kurzen Mitteilung über die Einwirkung des Druckes auf Bakterien. Von Dr. Paul Krause, Breslau, Kolerarzt der k. med. Universitätsklinik. Im Folgenden berichte ich kurz über eine große Anzahl von Ver- suchen mittels des von H. Buchner (1) und Hahn (2) zuerst angegebenen Verfahrens, Bakterienzellsäfte durch Pressung bei hohem Druck direkt aus Bakterienmassen zu gewinnen; dieselben wurden auf Veranlassung meines früheren Chefs, Herrn Professor Rumpf, seit Anfang 1899 im Eppendorfer Krankenhause zu Hamburg angestellt, und zwar verwandte Erste Abt. XXXI. Bd, 44 674 Paul Krause, ich in erster Linie Kulturen des Bacillus pyocyaneus. Durch Weggang aus Hamburg mußte ich leider diese über 2 Jahre fortgesetzten Versuche vorzeitig abbrechen, und da ich aus äußeren Gründen kaum in der Lage sein werde, dieselben wieder aufzunehmen, entschloß ich mich, meine Erfahrungen und Resultate mitzuteilen, indem ich hoffe, daß dieselben späteren Bearbeitern auf diesem schwierigen Gebiete vielleicht von einigem Nutzen sein werden. I. Die Presse, welche zu den Versuchen verwandt wurde, stammte aus derselben Fabrik in Mannheim, wie die des hygienischen Instituts in München !). Man ist mit derselben imstande, einen Druck von 300 bis 500 Atmosphären auszuüben; sie ist ursprünglich zur Gewinnung von Fruchtsäften bei hohem Drucke konstruiert, für den vorliegenden Zweck aber besonders stark gearbeitet. Auf eine nähere Beschreibung kann hier deshalb nicht eingegangen werden, weil die Fabrik Zeichnung und Gebrauchsanweisung nur unter der Bedingung überlassen hat, daß dieselbe dritten Personen, vor allem Konkurrenzfirmen nicht zugänglich ist. Ich muß aber bemerken, daß ein wesentlicher Bestandteil — das eigentliche Preßgefäß, bestehend aus einem starken Stahlcylinder, nicht allen berechtigten Ansprüchen entsprach, daß man sehr wohl in der Lage sein wird, eine praktischere Konstruktion desselben herzustellen. Meiner Ansicht nach muß es folgende Eigenschaften aufweisen: 1) es muß stark gearbeitet sein, so daß es ohne Gefahr für den Arbeiter einen Druck von 500 Atmosphären ertragen kann; | 2) es muß leicht auseinandergenommen werden können, so daß eine mechanische Reinigung leicht erfolgen kann; 3) es muß am besten gut vernickelt sein, so daß eine wiederholte Sterilisation desselben im strömenden Dampfe ohne Schädigung desselben stattfinden kann. Die Mannheimer Fabrik leistet übrigens nur bei Pressung bis zu 800 Atmosphären Garantie. | II. Was nun die angewandte Methode betrifft, so hielt ich mich im allgemeinen an die von M. Hahn speziell für Bakterien angegebene. Ich ging dabei folgendermaßen vor: Das Bakterienmaterial ver- schaffte ich mir durch Massenzüchtung auf Glycerin-Agarplatten. Meist’ wurden 50 oder mehr Petri- resp. Kolle’sche Schalen mit dem Bac.’ pyocyaneus bestrichen; nach 24—48 Stunden wurde der üppig ge- wachsene Bakterienrasen — meist waren es 20-40 g — mittels eines’ sterilen Platinspatels abgehoben, mittels Kieselguhr und feinem sterili- sierten Seesand mechanisch in einem Achatmörser so lange gerieben, bis eine teigige Masse entstand. Dasselbe dauerte je nach der Menge des Materials !/,—1 Stunde. Man geht am besten dabei so vor, ‚daß man nicht gleich mit der Bearbeitung der ganzen Bakterienmasse beginnt, sondern kleine Partieen derselben mit Kieselgur und Quarzsand zur teigigen Konsistenz zerreibt u. s. f., bis die ganze Masse verarbeitet ist. Nachher schlägt man die teigige, zu pressende Masse in ein derbes sterilisiertes Leinentuch. Hahn legt mit Recht auf die richtige Aus- wahl eines derartigen Tuches ein großes Gewicht. Die mikroskopische Untersuchung der teigigen Masse vor der 1) Ich hatte Pfingsten 1899 Gelegenheit, in München durch das liebenswürdige Entgegenkommen der Herren Professoren Buchner und Hahn die daselbst geübte Methode auch in den Einzelheiten kennen zu lernen, wofür ich den Herren auch an dieser Stelle nochmals bestens danke. | " Ueber durch Pressung gewonnenen Zellsaft des Bacillus pyocyaneus. 675 Pressung ergiebt, daß eine große Anzahl der Bakterien durch die inten- sive Reibung im Achatmörser zertrümmert ist; ein anderer Teil der Bakterien erscheint im Färbepräparate ohne jede Aenderung. Auf das mechanische Moment der sorgfältigen Zerreibung ist demnach ein großes Gewicht zu legen. Die Pressung erfolgte in der Art, daß allmählich auf die ins Preß- gefäß hineingebrachte Masse ein Druck von 100 bis langsam steigend auf 500 Atmosphären ausgeübt wurde. Diese Prozedur dauert unter Umständen 1—2 Stunden. In wiederholten Malen habe ich, um die möglichst größte Menge von Preßsaft zu gewinnen, wie es auch Hahn that, zu wiederholten Pressungen meine Zuflucht genommen. Die ge- wonnene Menge Preßsaft, welche bei etwa 50 Petrischalen Bakterien- material !/,—1'/,—2 cem betrug, wurde in einen kleinen sterilisierten Glasgefäße aufgefangen. III. Ich habe auf diese Weise in mehreren Dutzend Versuchsreihen, abgesehen von den ersten nicht ganz gelungenen Versuchen, als mir die - Technik der Methode noch nicht genügend bekannt war, meist einen Preßsaft erhalten, welcher makroskopisch schwach grünlich, leicht getrübt war und deutlich charakteristischen Geruch des Bac. pyocyaneus aufwies. Mikroskopisch konnte man im Färbepräparate noch vereinzelte Stäbehenformen entdecken, daneben zahlreiche zertrümmerte Bakterien- reste (ferner natürlich Kieselgur- und: Sandteilchen): alle diese Form- bestandteile waren meist nur spärlich vorhanden. Kulturell gelang es in den meisten Fällen, bei Ausstrich von einer Oese Preßsaft in Bouillon oder Glycerin-Agar spärliches Bakterien- wachstum zu erzielen. Die untersuchten Kolonieen unterschieden sich nicht besonders von den gewöhnlichen Kolonien des Bac.pyocyaneus, in einigen Fällen schien die Farbstoffproduktion in geringem Grade modifiziert zu sein; die sonstigen biologischen Eigenschaften waren aber nicht wesentlich geändert. Auch die Virulenz wurde bei einigen darauf gerichteten Versuchen fast ungeändert gefunden. Was nun die biologischen Eigenschaften des Preßsaftes betrifft, so konnte ich regelmäßig Folgendes feststellen: 1) er enthielt ein äußerst stark und schnell wirkendes, die Gelatine -verflüssigendes Enzym. That man einen einzigen Tropfen von dem Preßsaft auf eine erstarrte Gelatineplatte oder in ein erstarrtes Gelatine- röhrchen, so erfolgte fast augenblicklich eine Verflüssigung um den Tropfen herum, manchmal so ausgiebig, daß eine Schicht von etwa 1/, cm innerhalb von Sekunden verflüssigt wurde. Durch Erhitzen auf 100°C wurde das Enzym so geändert, daß eine die Gelatine verflüssigende Wirkung des Preßsaftes unter denselben Versuchsbedingungen nicht mehr eintrat. Der Preßsaft wurde beim Kochen nur in geringem Grade trüber, erstarrte aber nicht. 2) Der Preßsaft zersetzte, in eine Lösung von 10—30-proz. Wasser- stoffsuperoxydlösung gebracht, augenblicklich dasselbe in Wasserstoff und Sauerstoff, in Einhorn schen Gärungsröhrchen erreichte man manch- mal eine Gasgärung von !/, Proz. mit 1 Oese Preßsaft. Nun ist jazwar bekannt, daß auch manche Stämme von Bac.pyo- 'eyaneus beim Begießen der Kultur mit Wasserstoffsuperoxyd eine sehr starke Gasentwickelung hervorbringen. Bei einer Anzahl von Nach- 44* 676 ' Paul Krause, untersuchungen erhielt ich aber kein einziges Mal eine so explosive und intensive Gasentwickelung wie mittels des Preßsaftes. 3) Der Preßsaft enthielt Spuren Eiweiß, welches durch Fällung mit Essigsäure, durch Salpetersäure nachweisbar war; zum Nachweise ver- dünnte ich meist den Preßsaft mit sterilem destillierten Wasser. 4) Beim Eintrocknen bei einer Temperatur von 37° C, welches. sewöhnlich 1—2 Tage lang dauerte, blieb ein Rückstand, welcher fein gepulvert werden konnte. Das Pulver zeigte dieselben Eigenschaften wie der Preßsaft und behielt dieselben in einem Falle bis zu 5 Monaten. Das Pulver war leicht in Wasser löslich. 5) Zum Schlusse erwähne ich, daß ich eine Anzahl Tierversuche an- | gestellt habe, einerseits um die Giftigkeit des Preßsaftes, andererseits. seine Heilwirkung bei Milzbrand- und Typhusinfektion zu studieren. Ich verwandte dazu Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen. Mit unfiltriertem Preßsaft intraperitoneal infiziert, gingen einzelne von den Mäusen auch bei sehr geringen Mengen schon an Pyocyaneus- infektion zu Grunde, Meerschweinchen und Kaninchen dagegen ver- trugen Mengen von 1—3 ccm sogar in wiederholten Dosen. Der Sicher- heit halber wurde meist durch ein Chamberlandfilter filtrierter Preßsaft. oder steriler eingetrockneter Preßsaft in Pulverform verwandt. Diese letzteren Versuche wurden derart vorgenommen, daß die Tiere sowohl subkutan wie intraperitoneal geimpft wurden. Eine Giftwirkung konnte nur insofern konstatiert werden, als. die Tiere 1—2 Tage lang nachher krank waren, sich danach aber schnell wieder erholten. Ich injizierte Mengen von 1—5 ccm. Bemerkenswert sind folgende Ergebnisse, welche die bekannten Versuche Emmerich’s über den Antagonismus des Bac.pyocyaneus und Bac. anthracis zum Ausgange haben. Kaninchen, welche mit hochvirulenten Milzbrandbacillen subcutan geimpft wurden in einer Menge, welche nach ungefährer Schätzung (mittels Aussaat auf Gelatine und Zählung der gewachsenen Kolonieen) etwa 4—41!/, Millionen Bacillen betrug, konnten bei gleichzeitiger intra- peritonealer Einverleibung von 3 ccm Preßsaft von Bac. pyocyaneus am Leben erhalten werden, während Kontrolltiere, mit der gleichen Menge geimpft, innerhalb von 1—2 Tagen an Milzbrandinfektion zu Grunde singen. Ich verfüge im ganzen über 5 parallele Versuchsreihen, jedesmal mit demselben positiven Resultate !). Brachte ich den Preßsaft erst 6 Stunden nach der Infektion mit Milzbrandbacillen in die Bauchhöhle der Kaninchen, so gelang es von 3 Fällen nur 2mal, das Tier zu retten, während in dem einen Falle der Tod nur um 5 Tage verzögert wurde. Aehnliche Versuche, welche unter ähnlicher Versuchsanordnung mit Meerschweinchen angestellt wurden, mißglückten regelmäßig. Bei Meerschweinchen wurde außerdem eine Versuchsreihe mit gleichzeitiger Infektion von Typhusbacillen und Einverleibung von ° 1) Ueber diese Versuche berichtete ich Ende 1900 in einem Vortrage an einem wissenschaftlichen Demonstrationsabende im Eppendorfer Krankenhause unter Demon- stration von wirksamem Preßsafte und einem durch Pyocyaneuspreßsaft vom Milzbrand- tode geretteten Kaninchen, welches schon etwa 7 Monate die Infektion überstanden hatte — man ist wohl berechtigt, in einem solchen Falle von einer Dauerheilung zu sprechen. Rn a > » | f | Ueber durch Pressung gewonnenen Zellsaft des Bacillus pyocyaneus. 677 Pyocyaneuspreßsaft gemacht: es gelang nie, die Tiere zu retten. Dieselben gingen wie die Versuchtiere fast zu gleicher Zeit zu Grunde; leider konnte ich diese Versuche mit Kaninchen nicht anstellen. Bei einem Versuche mit durch 1 cem Typhustoxin (Bouillon) injizierten Meerschweinchen gelang es einmal, ein 480 g schweres Meer- schweinchen zu retten, während das Kontrolltier einging. Ich bemerke schließlich noch, daß jedesmal nach Einführung von Pyocyaneus-Preßsaft in die Bauchhöhle des Kaninchens eine starke Hyperleukocytose auftrat. Die Zählungen wurden allerdings nur je 1-mal vor und nach dem Versuche vorgenommen. Da es bekannt ist, daß gerade das Kaninchen sehr leicht auf Einführung irgend welcher Sub- stanzen eine Hyperleukocytose bekommt, so dürfte darauf wohl kein zu großer Wert zu legen sein. Diese kurzen Mitteilungen mögen genügen; bei der Schwierigkeit sowohl in technischer als auch in experimenteller Hinsicht wollte ich sie aber nicht zurückhalten, da sie im allgemeinen eine Bestätigung “resp. Ergänzung zu den Befunden Hahn’s bilden, welche leider, soweit mir die Litteratur bekannt und zugänglich ist, noch nicht nachgeprüft sind. Ueber den Einfluß des Druckes auf Bakterien. Um selbst ein eigenes Urteil über den Einfluß, welchen ein Atmo- sphärendruck auf Bakterien ausübt, zu gewinnen, benutzte ich die sich mir bietende Gelegenheit, eine Anzahl diesbezüglicher Versuche an- zustellen. Certes (3) fand, daß die Fäulniserscheinungen trotz eines Druckes von 350—500 Atmosphären eintraten, daß Hefe, welche einem Drucke von 300-400 Atmosphären ausgesetzt war, noch imstande war, Zucker zu vergären; Milzbrandbacillen waren trotz 24-stündiger Einwirkung eines Druckes von 600 Atmosphären noch virulent. D’Arsonval und Charrin (4) geben an, daß der Bac. pyo- eyaneus in Kohlensäure unter 50 Atmosphären schon nach 2 Stunden eine Beeinträchtigung der Vermehrungsintensität, nach 4 Stunden eine Behinderung der Farbstoffproduktion, nach 6—24 Stunden völlige Ab- tötung erleidet. Diese Angaben konnten von Sabruzes und Bazin (5) für den Staphylococe. pyog. aur., Typhusbacillus, Bact. coli und Milz- brandbaeillus nicht bestätigt werden; auch Schaffer und Freuden- reich (6) erhielten bei Versuchen mit Milzbrand- und Typhusbacillen keine positiven Ergebnisse. Ich ging bei meinen Versuchen in folgender Weise vor: Die auf einer Glycerinagarplatte gewachsene Bakterienmasse hob ich mit einem sterilen Platinspatel ab, schlug dieselbe in ein grobes Linnentuch und bestimmte vorher mittels der Verdünnungsmethode und Zählkammer die in einer Platinöse befindliche Bakterienzahl, setzte dann das Tuch in dem Preßgefäß (siehe oben), welches auf dem Grunde ein kompaktes, genau an die Wand des Gefäßes passendes Stahlstück enthielt, !/, bis 10 bis 20 Stunden lang dem Drucke von 100 bis 200 bis 400 bis 500 Atmosphären aus. Zu meinen Versuchen verwandte ich den Bac. pyocyaneus, Bac. typhi, Bact. coli, Bact. prodigiosum, Bac. anthrac., Staphylococc. pyog. alb. und aur., Streptococce. pyogen. und 678 Thalmann, den Bac. tuberculos., letzteren von einem besonders üppig ge- wachsenen Glycerinagarröhrchen. Ich verzichte darauf, hier die einzelnen Versuche genauer zu be- schreiben und bemerke nur, daß ich weder nennenswerte Aenderungen in den biologischen Eigenschaften, noch auch in der Virulenz der ver- wandten Bakterien durch die Pressung, selbst unter einem Drucke von 500 Atmosphären konstatieren konnte. Die geringen Differenzen in der Farbstoffbildung der Farbstoff- bildner (Bac. pyocyaneus, Bact.prodigiosum, Staphylococe. pyog. aur.) kommen wohl nicht in Betracht. Ich muß mich daher jenen Forschern anschließen, welche dem Druck, selbst wenn er noch so mäßig wirkt, wenigstens unter den von mir gewählten Versuchsbedingungen keinen nennenswerten Einfluß auf die biologischen Eigenschaften der Bakterien zuschreiben. Litteratur. 1) Buchner, H., Gewinnung von plasmatischen Zellsäften niederer Pilze. (Münch. med. Wochenschr. 1897. p. 1343.) — Buchner, Ed., Alkoholische Gärung ohne Hefezellen. (Ber. d. deutsch. chem. Gesellschaft. 1897. p. 117.) 2) Hahn, M., Immunis’erungs- und Heilversuche mit den plasmatischen Zellsäften von Bakterien. (Münch. med. Wochenschr. 1897. p. 1344.) 3) Certes, Oentralbl. f. Bakt. etc. 1899. p. 385. (Referat.) 4) d’Arsonval u. Charrin, Koch’s Jahresbericht etc. 1893. (Referat.) 5) Sabrazes u. Bazin, Koch’s Jahresbericht etc. 1893. (Referat.) 6) Schaffer u. Freudenreich, Berl. klin. Wochenschr. 1892. Ferner siehe: 7) Flügge, Die Mikroorganismen I. p. 445. 8) Nicolle, Allgem. Mikrobiologie. - Nachdruck verboten. Ze Biologie der Gonokokken. Von Dr. Thalmann, Stabsarzt und Bataillonsarzt im Kgl. sächs. 7. Infanterie-Regiment „Prinz Georg‘ No. 106. Unter obigem Titel erschien im Februar 1902 in dieser Zeitschrift eine vorläufige Mitteilung von H. Wildbolz über Züchtung der Gono- kokken auf serumfreiem Agar und serumfreier Bouillon. H. Wildbolz zieht aus seinen Untersuchungen die Schlußfolgerung, daß auch der Gonococccus Neisser auf gewöhnlichem Nährboden wachsen und mehrere Generationen hindurch weiter gezüchtet werden kann und er- klärt weiter unten: „Obschon in den letzten Jahren einzelne Fälle erwähnt wurden, in denen es gelang, Gonokokken auf gewöhnlichen Nährböden zum Wachsen zu bringen (Nicolaysen, Busch), dürfte doch meine Behauptung in ihrer Allgemeinheit als etwas Neues er- scheinen.“ Die von H. Wildbolz angewendeten Nährböden wurden immer aus Rindfleischwasser hergestellt mit einem Zusatz von 0,5 Proz. NaCl, 1 Proz. Pepton und 1,5 Proz. Agar. Die Reaktion war ganz schwach alkalisch. „Obschon die Nährböden stets nach dieser Vorschrift in genau gleicher Weise von mir selbst hergestellt wurden,“ fährt H. Wildbolz fort, „waren die verschiedenen Agargüsse doch sehr ungleichwertig für zen ENT nn aufs ME nd Pre Bee 1 a du BA hl mn mn u 5 De an " Zur Biologie der Gonokokken. 679 das Wachstum der Gonokokken. Verschiedene Agararten, die mit Serumzusatz einen sehr guten Nährboden für Gonokokken ergaben, waren ohne Serumzusatz ganz unbrauchbar zur Kultur auch solcher Gonokokken, die schon mehrere Generationen hindurch auf Agar-Agar gewachsen waren und die sich auch weiterhin auf dem ihnen zusagenden Agar-Agar weiterzüchten ließen. Um auf gewöhnlichem Agar eine Gono- kokkenkultur zu erzielen, muß dieser demnach bestimmte Eigenschaften besitzen — Eigenschaften, die wir leider noch nicht genau präzisieren können und die von Zufälligkeiten abhängig zu sein scheinen. Darin liegt auch wohl der Grund, warum bis jetzt so wenig über Gonokokken- kulturen auf gewöhnlichen Nährböden in positivem Sinne berichtet wurde.“ Ich ersehe hieraus, daß H. Wildbolz meine Mitteilung über „Züchtung der Gonokokken aufeinfachen Nährböden“, die im XXVII. Bd. (1900. I. Abt.) dieser Zeitschrift gemacht wurde, nicht bekannt gewesen ist. In dieser Arbeit habe ich unter anderem ein- gehend dargelegt, auf welche Weise der Gonococcus auf serumfreiem Agar und serumfreier Bouillon sich leicht züchten läßt. Der einzige Kunstgriff liegt in der Einhaltung einer bestimmten Reaktion. Folgende Darstellung veranschaulicht das Verhalten des Gonococcus gegenüber der Reaktion des Nährbodens: Bouillon sauer Lackmus- Zusatz von ?/, der für Phenol- (ohne Zusatz von neutralität Phenolphthalein- phthalein- Natronlauge). neutralität notwendigen neutralität Natronlauge DerGonococcus wächstalso weder auflackmussaurem noch lackmus- neutralem Substrat. Wird der Nährboden leicht alkalisch (gegen Lackmus), so beginnt das Wachstum, steigt bei weiterem Zusatz von Lauge all- mählich zum Optimum und fällt dann wieder bis O0, ehe der Nährboden gegen Phenolphthalein neutral wird. Bei Phenolphthaleinneutralität fehlt also das Wachstum ebenso wie bei Lackmusneutralität, und darin liegt die Erklärung, daß früher dem Gonococecus das Vermögen, auf Agar und in Bouillon sich zu vermehren, im allgemeinen abgesprochen wurde. Zur Bestimmung des Wachstumsoptimum, also überhaupt zur Herstellung des Nährbodens für den Gonococcus läßt sich nur das Phenolphthalein als Indikator benutzen, nicht aber Lackmus, da der günstigste Nähr- boden gegen Lackmus ziemlich stark alkalisch, gegen Phenolphthalein aber noch sauer reagiert, und zwar habe ich das Optimum an der Stelle gefunden, wo etwa ?/,—?|, der zur Phenolphthaleinneutralisierung not- wendigen Natronlösung zugesetzt ist. Ich will hier nochmals ausdrück- lich erwähnen, daß bei der Herstellung der Nährböden das einfache Verfahren, 2 Teile phenolphthaleinneutraler und 1 Teil vollständig saurer Bouillon zu mischen, nicht zum Ziele führt; vielmehr ist in der in meiner früheren Mitteilung genau beschriebenen einfachen Weise zuerst der Säuregrad des Nährbodens zu bestimmen und dann die Natronlauge zu dem gesamten Nährboden zuzusetzen. 680 Thalmann, Zur Biologie der Gonokokken. Während ich im übrigen auf meine Veröffentlichung vom Jahre 1900 verweisen darf, habe ich hier Gelegenheit genommen, auf die Reaktions- bestimmung nochmals näher einzugehen, da mir bekannt ist, daß zahl- reiche Institute ausschließlich mit Lackmus arbeiten, während im vor- liegenden Falle nur Phenolphthalein in Frage kommen kann. Da der Neutralpunkt für beide Indikatoren ein sehr verschiedener ist, spreche ich, um Verwechslungen zu vermeiden, von „lackmusneutral, phenol- phthaleinneutral, phenolphthaleinsauer“ u. s. w. Darin, daß H. Wildbolz mit „leicht alkalischem‘‘ Agar seine Ver- suche angestellt hat, liegt die Erklärung, daß er neben den positiven zugleich negative Resultate erzielte. Eine gleichwertige lackmusalkalische Reaktion läßt sich eben mit Lackmus nicht erreichen. Dies fällt hier um so mehr ins Gewicht, als H. Wildbolz die Wichtigkeit der Reaktion gerade für Gonokokken nicht bekannt war. Meine Untersuchungen sind bereits von C. Ströhmbergin Dorpat bestätigt und praktisch verwertet worden. Auf die interessante Ver- öffentlichung C. Ströhmberg’s „Die Resultate der bakterio- logischen Forschungen bei der Beobachtung des Gesund- heitszustandes der Prostituierten in Dorpat‘“, die im Russi- schen Journal für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Bd. II. No. 9 im Jahre 1901 erschienen ist, darf ich hier wohl etwas näher eingehen, da die Arbeit in russischer Sprache abgefaßt ist und deshalb wenig bekannt sein dürfte, und hebe daraus folgendes hervor: Im Frühjahr 1901 hat C. Ströhmberg bei der Untersuchung der Prostituierten in Dorpat die Züchtungsmethode auf Agar angewendet. ©. Ströhmberg stellte nach Zugabe von ?/; der zur Phenolphthalein- neutralität notwendigen Natronlösung den Kolben mit Agar 1 Stunde in den Autoklaven bei 100° und benutzte dann, um das lästige Filtrieren abzukürzen, nur die überstehende klare Flüssigkeit. Er verwendete den Agar zur Züchtung nicht in Petri-Schalen, sondern schräg erstarrt in Reagenzröhrchen, entnahm das Untersuchungsmaterial mit Hilfe eines sterilen, am abgerundeten Ende mit Watte umwickelten Glasstäbchens, strich sanft über den Agar hin und stellte das Röhrchen sofort in den Brutofen. C. Ströhmberg warnt, das geimpfte Röhrchen dem Sonnenlicht unmittelbar auszusetzen und das Fußwasser über die Agar- fläche nach der Impfung laufen zu lassen. Als geeignetste Temperatur erklärt er 36°, Steigen derselben bis 38° ist sehr schädlich und erfolgt dann schnelles Absterben, während Verminderung um wenige Grade von geringerer Bedeutung ist. Die Besichtigung der Röhrchen wurde nach 24—48 Stunden vorgenommen. Die Kolonieen, die insbesondere nach 48 Stunden einen Durchmesser von 1—5 mm erreichten, waren so charakteristisch, daß eine Verwechselung mit anderen Keimen aus- geschlossen war. Durch mikroskopische Präparate, insbesondere durch Gram’sche Färbung, wurde die Diagnose gesichert. C. Ströhmberg konnte auf diese Weise nicht nur in allen Fällen, in denen bei der Untersuchung der Prostituierten mikroskopisch Gono- kokken nachgewiesen waren, durch Züchtung die Diagnose bestätigen, sondern konnte auch bei 95 Prostituierten, von denen 27 bis dahin stets als frei von Gonorrhöe befunden waren, während die übrigen 66 zwar früher Gonokokken dargeboten hatten, im Frühjahre 1901 aber auf Grund des klinischen Befundes und der mikroskopischen Untersuchung als geheilt galten, durch Züchtung in 93 Fällen das Vorhandensein von tee a, | | Ä EEEERLEELET OEL ERBE EN u nn A u ur Prettner, Widerstandsfähigkeit der Büffel gegen die experim. Tuberkulose. 681 -Gonorrhöe feststellen. Unter diesen 93 Prostituierten waren solche, die jahrelang keine klinischen Symptome von Gonorrhöe geboten hatten, ferner solche, die auf Grund des klinischen Befundes und der mikro- skopischen Untersuchung als gesund erklärt worden waren, obwohl polizeiliche Anzeigen vorlagen, daß sich Männer bei ihnen infiziert hatten; auch erwiesen sich die ältesten von ihnen — bis zu 49 Jahren — nicht als frei von Gonokokken. C.Ströhmberg faßt die hauptsächlichen Ergebnisse seiner Unter- suchungen in folgende 3 „unbestreitbare Schlüsse‘‘ zusammen: „i) Es bestätigt sich völlig die Behauptung Thal- mann’s auf p. 831. I. Abt. Bd. XXVII des CGentralblattes für Bakteriologieetc.: „Ich lege der Züchtung des Gono- coccus auf Fleischwasseragar in der Hauptsache diagno- stischen Wert bei und empfehle ihn wegen seiner ein- fachen Herstellung, seiner Haltbarkeit, seiner sicheren Sterilisierbarkeit, seiner Durchsichtigkeit und wegen der Sicherheit im Wachstum.“ 2) Sämtliche Prostituierte, welche ich im Frühjahre dieses Jahres untersucht habe, litten trotz Fehlens kli- nischer und mikroskopischer Kennzeichen bei vielen, an chronischer Gonorrhöe. 3) Die Untersuchung mitHilfeder Züchtung der Gono- kokken nach Thalmann läßt sich auch in dem beschei- densten Ambulatorium für Prostituierte ausführen.“ C. Ströhmberg weist am Schlusse seiner eingehenden Arbeit darauf hin, daß jetzt bei dem Vorhandensein eines Nährbodens, welcher überall und in jeder beliebigen Quantität in einfacher Weise hergestellt werden kann und auf dem die Gonokokken mit voller Sicherheit wachsen, ein vollständiger Umschwung in der Diagnose der Gonorrhöe statthaben muß, daß insbesondere die Züchtung auch bei gerichtlich medizinischen Fällen zu fordern ist und daß nur die Person als geheilt betrachtet werden kann, bei welcher die Züchtung negatives Ergebnis hat. Leipzig, 12. April 1902. Nachdruck verboten. Die Widerstandsfähigkeit der Büffel gegen die experimentale Tuberkulose. Von Tierarzt M. Prettner in Prag. Im Jahre 1900 beschrieb ich in dieser Zeitschr. Bd. XXVII. No. 22/23 unter dem Titel „Beitrag zur Rassenimmunität“ zwei Experimente an Büffeln, welche, mit Tuberkulosenkultur intraperitoneal und intravenös geimpft, nicht erkrankten und welche, einer nach 39 Tagen, der zweite nach 46 Tagen getötet, keine pathologisch-anatomischen Veränderungen in den Organen bei der makro- und auch mikroskopischen Untersuchung zeigten. Als Kontrolle dienten 2 Kälber im Alter von 7 und 6 Wochen. Das erste Kalb unterlag den 21. Tag nach der Infektion, das zweite wurde den 26. Tag nach der Inokulation getötet, und bei beiden Ver- 682 | M. Prettner, i suchstieren waren typische Veränderungen einer frischen Impftuberkulose stark entwickelt. Aus diesen zwei Versuchen auf Immunität der Büffel gegen die Tuberkulose zu schließen, war mir fern, ich habe auch am Ende der Arbeit geschrieben: Um die Sicherheit zu erlangen, ob es sich beim Büffel wirklich um eine Immunität oder bloß um eine — durch Gene- rationen dauernde Tuberkulosefreiheit — gewonnene hochgradige Re- sistenz gegen diese Krankheit handelt, setze ich meine Versuche fort, und benutze jetzt als Infektionsmaterial tuberkulöse Massen von tuber- kulösen Rindern. Es wird weiterhin meine Aufgabe sein, zu erforschen, ob vielleicht durch schlechtere Ernährung nach dem Impfen, durch häufigeres Impfen und langes Am-Leben-Erhalten der Versuchstiere die Büffel doch irgendwelche Schädigung durch die Tuberkelbaeillen erleiden werden. Gemäß diesem Vorhaben sind die folgenden Versuche durchgeführt und haben auch diese die Annahme einer starken Resistenzfähigkeit der Büffel gegen die Tuberkulose gerechtfertigt. Das erste Versuchstier war ein Büffelkalb, welches den 22. Februar 1900 in den Stallungen des hiesigen Schlachthofes geboren wurde. 3 Tage nach seiner Geburt wurde seine Mutter notgeschlachtet, das Kalb wurde dann mit Milch einer tuberkulösen Kuh vom 25. Februar bis 23. April am Leben erhalten. Am 25. April wurde dasselbe einer Infektion mit tuberkulösen Massen unterzogen. Von- der Lunge einer Kuh, in welcher zahlreiche graue, hirsekorngroße Knötchen mit gelblichen verkästen Centren, dann auch schon erbsengroße, abgekapselte Knötchen, mit Käsebrei gefüllt, vorhanden waren (Tuberculosis chronica miliaris nodosa), ‚wurden einzelne Stückchen mit Bouillon verrieben. Die mikroskopische Untersuchung der käseartigen Massen der Knötchen ließ eine große Zahl spezifisch sich färbender Bacillen erkennen. Diese nur grob verriebenen Massen wurden mittels einer starken Injektionsnadel dem Büffel am 25. April 1900 in der Dosis von 10 g ein Finger breit von der Linea alba an der linken Seite in der Mitte der Bauchhöhle intraperitoneal injiziert. Die Massen wurden deshalb nur wenig verrieben, um durch mecha- nische Reibung die Entwickelung der Infektion zu begünstigen. Als Kontrolle diente eine 53-jährige Ziege, welcher 5 g derselben Masse in mehr verdünnter Suspension intraperitoneal fingerbreit vor dem Euter eingeimpft wurden. | Am 1. Mai 1900 wurden nochmals von ähnlich veränderter tuber- kulöser Lunge 10 g dem Büffel in die Bauchhöhle injiziert. Der Büffel, welcher sehr kümmerlich entwickelt war und schon vor der Infektion profuse Diarrhöe zeigte, litt an dieser nach der Impfung noch mehr, magerte stark ab und verendete am 30. Juni 1900 rasch unter Meteorismus und Erstickungsanfällen. Sektion: Der Kadaver sehr stark abgemagert. Das Unterhautbinde- gewebe auch unter der Hüfte an der Kniefalte am Sitzbeinhöcker und der Gegend hinter den Schultern, wo immer Fett angesammelt ist, völlig fettlos.. Die Injektionsstelle und ihre Umgebung ist mächtig in der Ausdehnung von 18 cm infiltriert, beim Einschneiden der Infiltration finden sich in derselben käseartige und eiterige Massen. Der seröse Ueberzug der Milz ist verdichtet und mit rötlichem Granulationsgewebe, in welchem sehr wenige, kleine, nicht verkäste Knötchen eingebettet F Die Widerstandsfähigkeit der Büffel gegen die experimentale Tuberkulose. 683 11 2 jw sind, bedeckt. Die Milzkapsel ist wenig verdickt, das Milzgewebe ohne Veränderung. Das übrige Bauchfell ist ohne Veränderung, besonders sind sämt- liche Drüsen der Bauchhöhle nicht vergrößert, im Durchschnitte von normaler Konsistenz und Farbe. In der Leber befinden sich Abscesse, sonst ist das Gewebe normal. Die Lunge, die Bronchialdrüsen, das Brustfell ohne Veränderung. Mikroskopisch wurden an der Injektionsstelle in den käseartigen Massen nur sehr wenige, spezifisch sich färbende Bacillen (nach Fränkel, Gabbet und Czaplewski) nachgewiesen; in den eiterigen Massen wurden Eiterkokken gefunden. In den Schnittpräparaten der Drüsen wurden nach den Methoden von Ehrlich und Ziehl-Neelsen keine Bacillen nachgewiesen, das Drüsengewebe erschien im mikroskopischen Bilde normal. Die eingeimpften, schwer resorbierbaren Massen haben auch durch mechanischen Insult zu der Infektion mit Bac. tuberc. und den Eiter- kokken, die in ihnen enthalten waren, beigetragen; dieselbe beschränkte sich aber nur auf die Infektionsstelle und ihre unmittelbare Umgebung. Diese auffällige Lokalisation des Prozesses findet in der Wider- standsfähigkeit des Büfielgeschlechtes gegen die Tuberkulose ihre Er- klärung. Anders gestalteten sich die hochgradigen Veränderungen der Kontroll- Ziege, welche nur einmal mit weniger Material und in viel besserem Ernährungszustande geimpft wurde. Die Ziege, welche am 25. April 1900 in der schon beschriebenen Weise infiziert wurde, magerte stark nach der Infektion ab und gab immer weniger Milch; während früher von ihr bis 2!1/, 1 Milch täglich gewonnen wurde, sank die Menge derselben bis zum 20. Mai (3 Wochen nach der Infektion) auf 50 g, bis zum 22. Mai auf 25 g, 23. Mai 12 g, 24. Mai 10 g, 25. Mai 10 g, 26. Mai 8 g. Am 27. Mai gab sie über- haupt keine Milch mehr. Am 1. Juli verendete sie. Sektion: Der Kadaver sehr stark abgemagert. Das Euter klein, zusammengefallen, ohne sichtbare Veränderungen. An der Injektionsstelle eine mächtige Infiltration, in welcher sich zahlreiche käsige und eiterige Massen befinden. An dem Bauchfelle, wie auf dem visceralen so auch dem parietalen Blatte desselben, finden sich zahlreiche hirsekorn- bis erbsengroße Knötchen mit deutlichem gelben Centrum. An einzelnen Stellen finden sich bis fast haselnußgroße Konglomerate von Knötchen, aus welchen gelbliche Punkte durchschimmern. Die einzelnen kleinen Knötchen sind in ein graurötliches Granulationsgewebe am Bauchfelle eingebettet. Die größeren Knoten sind gestielt, die einzelnen wieder so durch neuge- bildetes Gewebe knopfartig befestigt, daß sie leicht verschiebbar sind. Das Zwerchfell ist bedeckt von feinem, rötlichem, weichem Ge- webe, welches wie mit Körnchen durchsetzt erscheint; von diesem Gra- nulationspolster heben sich zahlreiche Knötchen und Konglomerate von denselben durch ihre gelblich-weiße Farbe ab. Sämtliche Lymphdrüsen der Bauchhöhle sind stark vergrößert, mit käsigen Massen durchsetzt, um diese befinden sich zahlreiche kleine, hirsekorngroße, gelbweiße Knötchen mit verkästen Centren, besonders zahlreich sind dieselben aber in der Rinde der Drüsen. In dem Lebergewebe sind zahlreiche hanfkorngroße bis linsengroße 684 M. Prettner, Knötchen mit verkästen Centren nachweisbar. Die periportalen Lymph- drüsen sind stark vergrößert und mit verkästen Knötchen durchsetzt. Die Milz ist mit dichtem, filzartigen, faserigem, rötlichem Granu- lationsgewebe, in welchem zahlreiche linsengroße Knötchen mit ver- käster Mitte eingelagert sind, bedeckt. Im Milzgewebe sind nur wenige kleine, hanfkorngroße, gelblich- weiße Knötchen eingestreut. Die Lymphdrüsen am Hilus der Milz sind central verkäst. Beide Nieren sind in der Rindensubstanz mit stecknadelkopfgroßen verkästen Knötchen mäßig durchsetzt. In der röhrigen Substanz sind dieselben nur auf einzelne verstreute Knötchen beschränkt. In der Lunge am Rande derselben einige luftlose Stellen, die Bronchial- drüsen sind markig geschwollen. Die mikroskopische Durchprüfung der veränderten Organe zeigte eine große Menge von Tuberkelbacillen. Dieser benutzte Infektionsmodus zeigt, daß es sich beim Büffel nicht um absolute Immunität, sondern um große Widerstandsfähigkeit gegen die experimentale Tuberkulose handelt. Während die Ziege, welcher eine geringere Menge des Infektions- materiales nur einmal eingeimpft wurde und welche vor der Impfung gesund war, typisch starke tuberkulöse Veränderungen zeigte, waren bei dem Büffel diese Veränderungen nach zweimaliger nacheinander folgender Impfung mit einer 4mal größeren Menge des Materiales nur auf die Impfstelle beschränkt. Der stark durch die Aufzucht geschwächte Organismus des Büffels hatte aber doch so viel nach Generationen gewonnene Widerstands- fähigkeit gegen die Tuberkulose, daß durch die Energie seiner Zellen und Säfte die erfolgte starke Infektion modifiziert und eng beschränkt wurde. Während er der Impfung mit Kulturen widerstand, war das tuber- kulöse Gewebe, wozu auch die Mischinfektion mit den Eiterkokken wesentlich beigetragen hatte, doch infektiös. Da aber in erster Richtung daran gelegen war, festzustellen, wie weit der Steppenbüffel gegen die Tuberkulose widerstandsfähig ist und derselbe auch zur Serumgewinnung benutzt werden sollte, wurde in den weiteren Versuchen wieder zur sichersten rein tuberkulösen Infektion, der Kulturimpfung, gegriffen. Einem !/,-jährigen Büffelstiere wurden am 13. Juli 1900 10 g einer tuberkulösen Agarkultur, mit Bouillon verrieben, intraperitoneal injiziert; als Kontrolltiere dienten Meerschweinchen, welche binnen 4—6 Wochen verendeten und typische tuberkulöse Veränderungen zeigten. Am 11. Januar 1901 wurden demselben wieder 10 g einer Agar- kultur der Tuberkelbacillen in die Bauchhöhle injiziert. Als Kontrolltier diente ein ganz gesundes, 6 Wochen altes Kalb. Die benutzten Kulturen wurden in der Weise gewonnen, daß von einer tuberkulösen Menschenleiche auf Meerschweinchen geimpft wurde, nach 4 Wochen dann von ihrer Milz auf Glycerinagar überimpft wurde. Das am 11. Januar mit 4 g des Belages, vermischt mit Bouillon dieser Kultur, intraperitoneal geimpfte Kontrollkalb unterlag am 26. Februar 1901 der Infektion. Sektion: Kadaver stark abgemagert. An der Impfstelle in der Bauchhöhle eine dicke, zusammenhängende, 12 cm im Durchmesser messende, central I a er VER a ee un [2 Cm Ne Bl Die Widerstandsfähigkeit der Büffel gegen die experimentale Tuberkulose. 685 verkäste Verdickung, in welche zahlreiche Knötchen eingesprengt sind. Im Mesenterium zahlreiche linsengroße, gelbe Knötchen. An dem Bauch- felle zahlreiche erbsengroße Knötchen in einer feinfaserigen Bindegewebs- neubildung. An dem Ueberzuge der Milz in einer gleichen Binde- gewebswucherung zahlreiche Knötchen eingebettet. Sämtliche Drüsen der Bauchhöhle geschwollen, stark vergrößert, wachsig degeneriert. In den Lungen am Rande derselben verdichtete luftlose Stellen. Die Bronchialdrüsen vergrößert, ebenfalls wachsig ent- artet. Das Bauchfell ohne Veränderung. Die mikroskopische Unter- suchung bestätigte die makroskopische Diagnose der Tuberkulose des Bauchfelles und der Drüsen durch das Auffinden der tuberkulösen Ver- änderungen und der Tuberkelbacillen nach der Methode Ziehl-Neel- sen und Ehrlich in den Schnittpräparaten von den Drüsen, der luft- losen Stellen der Lunge, dem Bauchfelle und der Infiltrationsstelle. Der Büffelstier zeigte nach der zweiten Impfung einige Tage ein leichtes Unwohlsein, fieberte wenig (39,5%), bald kehrte aber der nor- male Zustand zurück. Am 23. Januar wurden demselben wieder 10 g einer Agarkultur von Tuberkelbacillen, am 2. Februar 5 g, am 10. April 10 g je einer Bouillon- kultur intraperitoneal injiziert. Die sämtlichen benutzten Agarkulturen der I. Generation waren 6 Wochen alt. Die Bouillonkulturen, II. Generation, auch 6 Wochen alt, gewonnen in der früher beschriebenen Weise. Nach der Impfung der Agarkulturen stieg die Temperatur um höchstens 0,4—0,6°, nach Einimpfung der Bouillonkulturen fieberte der Büffel bis 40,6° und das Fieber war 6 Tage anhaltend, was dem großen Gehalte der Kultur an Toxinen zuzuschreiben ist. Am 26. Juni 1901, also nach 11!/, Monaten nach der ersten Impfung, wurde der Büffel getötet. Bei der Sektion findet man bei dem sehr gut genährten Tiere nur an der Injektionsstelle in dem Umfange von 4 cm, wo injiziert wurde, das Bauchfell etwas verdickt, mit Bindegewebsneubildung besetzt, außer- dem aber finden sich keine Veränderungen. Besonders sind die Drüsen völlig intakt, auch die Milz und Leber. Die mikroskopische Untersuchung aller Organe ergab keine Ab- normität, auch wurden in ihnen keine Bacillen nachgewiesen. Die Milzpulpa, 2 Meerschweinchen intraperitoneal eingeimpft, erwies sich auch auf diesem Wege frei von Bacillen. Die weiteren Versuche .mit Kulturen des Tuberkelbacillus wurden an einer Büffelkuh und an einem von ihr stammenden Kalbe durch- geführt. Die Büffelkuh war 4 Jahre alt, das Kalb S8-tägig; beiden wurden am 26. November 1901 je 10 g einer Agarkultur, mit Bouillon verrieben, in die Bauchhöhle injiziert. Am 8. Januar 1902 wurde die Infektion wiederholt, die Büffelkuh bekam 10 g, das Kalb 5 g einer Agarkultur intraperitoneal. Am 6. März 1902 bekam die Büffelkuh 10 g Tuberkulin, das Kalb 5 g Tuberkulin subkutan (1 g Tuberkulin mit 9 g !/, Aqua carbol., 0,5 g Tuberkulin mit 45 g !/, Aqua carbol.). Die gewöhnliche Dosis für das erwachsene Rind beträst 0,5 g reines Tuberkulin. y z 686 Prettner, Widerstandsfähigkeit der Büffel gegen die experim. Tuberkulose. Die Versuchstiere reagierten nicht im mindesten. Sie sind überhaupt sehr gut genährt, die Büffelkuh sogar gemästet, und zeigen eine sehr gute Freßlust. Ihre Tötung wird erst späterhin vorgenommen, weil ihre Wider- standsfähigkeit zur Serumgewinnung ausgenützt werden soll. Die vorgenommenen Versuche zeigen die große Widerstandsfähig- keit der Büffel gegen die Impftuberkulose überhaupt und die völlige Unempfindlichkeit gegen die Impfung mit künstlichen Kulturen, welche für sie als ein abgeschwächtes Virus betrachtet werden müssen. Natürlich meine ich den im Freien aufgewachsenen Büffel oder das von solchen geborene Junge. Durch stetigen Aufenthalt in dunstigen Stallungen, durch Verwenden desselben zum Zuge, durch dse ausschließ- liche Stallfütterung wird aus dem freilebenden abgehärteten Tiere ein gewöhnliches Stallrind mit seinen milderen zahmen Eigenschaften, aber wahrscheinlich auch mit seiner größeren Empfänglichkeit für- die Tuber- kulose. Ich habe unter den bis jetzt hierorts ungefähr 5000 geschlachteten Büffeln die Tuberkulose niemals beobachtet, es sind aber nur solche zur Schlachtung gelangt, welche im Freien gelebt hatten. Es ist wohl möglich, daß der in Stallungen gehaltene und aufge- zogene Büffel, besonders in späteren Generationen, auch der Infektion mit Tuberkulose unterliegt, aber auch dann gestalten sich gewiß die Veränderungen in dem abgeschwächten und empfänglich gewordenen, anderen Tieren gegenüber doch widerstandsfähigen Organismus wohl anders als bei dem empfänglichen Rinde. Obzwar die genaue Untersuchung nach dieser Richtung sehr wünschenswert wäre, haben meine weiteren Versuche jetzt, diesen Gegen- stand betreffend, einen ganz anderen Zweck. Bei meinen Versuchen ist die große Widerstandsfähigkeit der Büffel gegen die Tuberkulose bewiesen. Von dem Gedanken ausgehend, daß man dieses Tier für die Tuber- kulose immunisieren, dann als Serumquelle benutzen könnte, habe ich Heilversuche mit dem Serum von dem Büffelstier, welcher in der früher beschriebenen Weise geimpft wurde, unternommen. Diese Informationsversuche, über welche ich eingehend in den Lekarske& Rozhledy €. 1, 2, 3 1902 referiert habe, wurden an 54 Meer- schweinchen und einem Affen in 3 Serienreihen durchgeführt. Alle diese Tiere wurden mittels völlig virulenten Tuberkulose- kulturen in der Dosis von !/, g infiziert. Das benutzte Serum hatte einen guten Heilerfolg, indem es die regressiven Veränderungen bei sämtlichen Tieren zurückhielt und den tuberkulösen Prozeß stark beschränkte. Die 18 benutzten Kontrolltiere, mit derselben Kultur und genau derselben Dosis geimpft, zeigten viel stärkere und zahlreichere Veränderungen wie auch durchgehends käsige Metamorphosen der tuberkulösen Neubildungen. Die bei diesen Versuchen gewonnenen Erfahrungen und die be- gründete Annahme der großen Widerstandsfähigkeit der Büffel gegen die Tuberkulose bilden die Grundlage meiner weiteren Versuche der Gewinnung eines Heilstoffes aus dem Büffelkörper gegen die Tuber- kulose des Menschen. Prag (Centralschlachthaus), den 18. März 1902. | A ie N a a Fr a Ed 5 Giuseppe Zirolia, Der Pestbaeillus im Organismus der Flöhe. 687 i Nachdruck verboten. Der Pestbacillus im Organismus der Flöhe, Vorläufige Mitteilung. Von Dr. Giuseppe Zirolia, Assistenten des bakteriologischen Laboratoriums des italienischen Gesundheitsamtes in Rom (unter der Direktion des Prof. B. Gosio). en Ed U + Seitdem im September vorigen Jahres Neapel von der Pest heim- gesucht wurde, beschäftige ich mich in unserem Laboratorium mit ex- perimentellen Untersuchungen über die Frage der Uebertragbarkeit der Pest vermittelst der Flöhe. Zugleich habe ich anatomisch-physiologische Studien im Neapeler zoologischen Institute des Prof. Monticelli unter- nommen. Meine Untersuchungen sind noch nicht beendigt; da jedoch die - Frage neuerdings von Galli-Valerio!) und Nuttall?) wieder aufge- worfen und lebhaft besprochen worden ist, scheint es mir nicht un- interessant, durch diese meine vorläufige Mitteilung die Aufmerksamkeit auf einige Thatsachen zu lenken, die meines Wissens bisher von Anderen noch nicht beobachtet worden sind. Für jetzt beschränke ich mich auf eine einfache Berichterstattung über die Resultate, indem ich mir vor- behalte, die einzelnen Experimente in einer bald nachfolgenden Schrift eingehender auseinanderzusetzen. Es ist schon bemerkt worden, daß die Flöhe, nachdem sie das tierische Blut eingesogen haben, einen Tropfen desselben von sich geben. Ich habe beobachten können, daß, wenn man längere Zeit hungrig ge- lassene Flöhe auf einen tierischen Körper bringt, dieselben, nachdem sie gesogen und während sie ihren Rüssel noch in der Haut stecken lassen, nicht einen einzelnen Tropfen, sondern wahre Strahlen von Blut in weite Entfernung ausspritzten. Dies wiederholt sich zwei- oder dreimal unter starken Kontraktionen des Unterleibes, so daß der Darmkanal Mes ausgewaschen wird, um sich durch neues Saugen wieder zu üllen. Die morphologischen Elemente des auf diese Weise ausgespritzten Blutes sind unverändert. Wenn die Flöhe (P. irritans und serraticeps) längere Zeit hungrig gelassen und dann auf eine von der Pest infizierte Maus ge- bracht werden, in der die spezifischen Bacillen bereits eirkulieren, so saugen sie ihr Blut ein und wiederholen oft in der angegebenen Weise die Auswaschung des Darmkanals. Auf diese Weise säen sie die Pestbacillen auf die Haut des Tieres aus. Die Flöhe, die das infizierte Blut eingesogen haben, behalten innerlich die spezifischen Bacillen fortwährend lebendig und virulent bei sich. Bei den Flöhen, die auf den Mäusen, gleich nachdem sie gesogen haben, gesammelt und aufs neue hungrig gehalten werden, bleiben die Pestbaeillen nicht nur während verhältnismäßig langer Zeit (7—8 Tage) lebendig, sondern dieselben vervielfachen sich, indem sie ihre ursprüng- liche Virulenz bewahren. Diese virulenten Bacillen gehen auch in die 1) Galli-Valerio, Rivista d’Igiene e Sanitä pubblica. 1902. No. 4. 2) Nuttall, The Journal of tropical medieine. 1902. March. 688 Emil Körmöczi, Fäkalien, die die Flöhe während dieser Periode von sich geben, über; wie sie sich denn auch lange in den Kadavern der in verschiedener Zeit nach dem Saugen gestorbenen Flöhe erhalten. Rom, 1. April. 1902. Nachdruck verboten. Durch Streptokokkeninfektion verursachte Polymyositis (Polymyositis streptomyecotica). [Aus der ärztlichen Abteilung des St. Stephansspitals in Budapest. Primarius: Dozent Dr. Karl Hochhalt.] Von Dr. Emil Körmöeczi, emerit. Abteilungssecundarius. Jene Fälle der Pyämie, bei welchen sich die makroskopischen Veränderungen ausschließlich auf die Muskeln beschränken, werden in der neueren Litteratur unter dem Namen Polymyositis infectiosa zu- sammengefaßt, und mit Recht, da doch auch von Osteomyelitis infectiosa gesprochen wird, bei welcher eben Knochen von der Krankheit betroffen werden. Im ganzen sind nur wenige solcher Fälle beschrieben, noch geringer ist aber die Zahl jener, bei welchen es gelungen ist, die Krankheit er- regenden Mikroben nachzuweisen. Im Laufe des vorigen Jahres wurde auf unserer Abteilung ein charakteristischer Fall der infektiösen Poly- myositis beobachtet, und nachdem es uns gelungen ist, die Mikro- organismen der Infektion mit Sicherheit nachzuweisen, wurde ich von Herrn Primarius Hochhalt beauftragt, den Fall an die Oeffent- lichkeit zu bringen. Stefan, D., 23. J. alt. Diener. (Aufg. 18. Juli 1901, + 22. Juli 1901.) Bisher stets gesund. Seit 6 Tagen fiebernd, hat in den Füßen Schmerzen. Anfangs wurde der Kranke zu Hause behandelt, wurde aber bald, da sich die Krankheit verschlimmerte, in unser Spital gebracht. ‘ Am Körper des mittelgroßen, ziemlich gut genährten Kranken ist keine Spur einer äußeren Verletzung zu finden. Das Gesicht gerötet, die Lippen mit Borken bedeckt. Die Schleimhaut der Naseist blaß, ein Geschwür ist nirgends zu finden, um die Lippen herum ist kein Herpes. Die Zunge ist trocken, rissig. Der Rachen trocken, mit dickem Schleim bedeckt, die Tonsillen von normaler Grösse, die Zähne gesund. Der Brustkorb gut gebildet. Die Organe desselben sowie die des Bauches er- scheinen völlig gesund. Temperatur: 39,5° C. Puls: 120, weich. Atem: 38. Im Urin weder Eiweiß, noch Eiter oder Zucker nachweisbar. Die Muskulatur des Gesichtes, des Nackens, des Brustkastens und der Arme weist keine Veränderung auf. Die Muskulatur des linken OÖberschenkels ist bei Bewegung und aufBerührung schmerzhaft. Die auf derInnenseite gelegenen Muskeln sind geschwollen, hart, dieHaut darüberist gespannt, blaß, über den Kniegelenken auf der Innenseite besteht ein umschriebener roter, auf Fingerdruck abblassender, kindshandtellergrosser Fleck. 19. VII. Temperatur Vm. 39,5° C, Nm. 40,3° C. Patient deliriert fortwährend. Die entzündliche Infiltration der linken Oberschenkelmuskulatur hält an. 20. VII. T. 38,5—39,0° C. Zur Infiltration der linken Oberschenkelmuskulatur gesellt sich jene der Muskeln des Unterschenkels. Der ganze Unterschenkel ist geschwellt, auf Be- tastung resistenter, druck- und bewegungsempfindlich, die Haut . 3 SE EL PC re ee a E 5 h Durch Streptokokkeninfektion verursachte Polymyositis. 689 Heben Das untere Drittel des rechten Triceps brachii und der lexor carpi ulnaris sind ebenfalls geschwellt und in der Nähe ihrer Ansatzstellen befinden sich rote Flecken, die auf Fingerdruck ver- schwinden. 21. VII. Zu den gestern konstatierbaren Muskelveränderungen hat sich auch noch eine Schwellung der linken Vorderarmmuskulatur angeschlossen, und der rechte M. sterno-cleido-mastoideus istebenfalls geschwellt und schmerzhaft. 22. VIII. Patient ist nach Mitternacht gestorben. Herr Pr. Hochhalt stellte die Diagnose schon in den ersten Tagen auf Polymyositis und da der im Anfange der Krankheit auf- getauchte Verdacht eines Malleus weder durch die Anamnese, noch. durch das Verhalten der Schleimhäute gerechtfertigt wurde, suchten wir nach anderen Ursachen. Zu diesem Behufe entnahmen wir am 20. Juli der Vena mediana mit steriler Spritze 5 ccm Blut, das zu 300 g Bouillon gemischt wurde. Nach 24 Stunden fanden wir in der trüben Bouillon in typischer Anordnung sich nach Gram färbenden Streptococcus pyogenes. Das gefundene Mikrobium wurde dann weiter gezüchtet und ent- wickelte sich typisch auf allen Nährböden (Agar, Bouillon, Gelatine). Von der Agarkultur wurden 1—2 Platinösen einer weißen Maus sub- kutan eingeimpft, worauf das Tier nach 18 Stunden verendete; aus dem Herzblute entwickelten sich ebenfalls Streptokokken, desgleichen waren am gefärbten Präparate nur dieselben zu sehen. Die klinische Diagnose stellten wir daher auf eine durch Strepto- kokkeninfektion bedingte Polymyositis, welche Diagnose durch die am 23. Juli von Professor Genersich durchgeführte Sektion auch be- stätigt wurde. An den inneren Organen wurde außer der trüben Schwellung der Milz und Niere nichts angetroffen, nur im linken oberen Lungen- lappen war eine bohnengroße, fahle, weiß-gelbliche Partie, die als ein eventueller metastatischer Absceß angesprochen werden konnte, bei der mikroskopischen Untersuchung aber sich als ein alter käsiger Herd erwies. (S. unten.) Die makroskopische Untersuchung fand überhaupt nur die Muskeln erkrankt, indem dieselben, entsprechend den affızierten Stellen (linker Oberschenkel, beide Arme, rechter Sterno-cleido-mastoi- deus), in geringerer oder größerer Ausdehnung erweicht, verblaßt, manchen Ortes beinahe zerfließend und mit einem fahlen trüben Safte durchtränkt waren. Ausgesprochenere eiterige Herde waren nirgends anzutreffen. Nach vorangegangener Entfernung der Haut wurden aus dem mit ausgeglühtem Messer gespaltenen Muskeln ausgepreßten Safte teils Kulturen angelegt, teils Strichpräparate angefertigt und untersucht. Beide Untersuchungen ergaben, daß im entzündlichen Exsudate allein der Streptococcus zugegen war. Jene Partie der erkrankten Muskulatur und den schon oben erwähnten fahlen Herd der Lunge habe ich auch histologisch untersucht, und konnte ich an den fertigen Schnitten, die auch Herr Feldmann, Assistent des path. Instituts, einer Durchsicht unterzog, Folgendes konstatieren: Das zwischen den Bündeln der Muskelfasern gelegene Bindegewebe ist hyperämisch, ödematös infiltriert; seine Fasern sind zerfallen, und finden sich darin bald kleinere, bald größere Haufen bildende Streptokokkenkolonieen (Gram), welche stellen- weise in einem maschenartig angelegten Hohlraumsystem (Lymphgefäße) Platz nehmen. Die Kokken sind manchen Ortes unmittelbar zwischen den Muskelfasern in Form _ dünner Streifen angeordnet. Hier ist die Querstreifung der Fasern noch gut erkennbar. Erste Abt. XXXI, Bd. 45 äd, 690 Emil Körmöczi, Durch Streptokokkeninfektion verursachte Polymyositis. An anderen Stellen aber haben die Fasern ihre Querstreifung verloren, sind ungleich- mäßig geschwellt, haben bald einen angefressenen Saum, bald tragen sie kleine Höhlen oder sind in kleine Stückchen oder gar in kleine Schollen zerfallen. Anderen Orts ist ein Teil des Sarkolemms hohl, zusammengefahren, ein anderer Teil derselben aber beherbergt Fasernteile, die im Sinne der einen oder der anderen schon erwähnten Art Veränderungen eingegangen sind. In solchen stark veränderten Bündeln fehlt ein Teil der Fasern oder ist derselbe ausgefallen und sind zwischen den Fasern in bald größerer, bald geringerer Menge runde, blaße, gekörnte Zellen zu sehen, die größtenteils keine Kernfärbung aufweisen. Ein Teil dieser Zellen ist von der Größe weißer Blutkörperchen, doch finden sich auch mitunter größere. Diese nekrotischen Zellenmengen sind auch mit Erythrocyten und körnigem Gebröckel vermischt; es ist zu bemerken, daß die Kokkenhaufen an solchen Stellen am größten und am zahlreichsten anzutreffen sind. Der centrale Teil des erwähnten Lungenherdes besteht aus einer Kernfärbung nicht führenden körnigen Masse, die von einer aus länglichen und flachen großen Zelle be- stehenden Zone umgeben wird, der sich weiter ein rundzelliger Hof anschließt. Hie und da eine Langhans’sche Riesenzelle.e Zwischen dem Herde ist das Lungen gewebe hyperämisch und darin zahlreiche Streptokokken-Embolieen zu sehen. N abgestorbenen Teile selbst sind keine Kokken anzutreffen. Koch’sche Bacillen ehlen. Die Resultate der klinischen, pathologisch-anatomischen und bakterio- logischen Untersuchungen unseres Falles lassen sich nun in Kürze, wie folgt, zusammenfassen: Ein junges Individuum erkrankt ohne jedwedes vorangegangene Trauma an Pyämie, der es auch erliegt. Die Ausgangsstelle der Pyämie ließ sich ebensowenig am Lebenden als in der Leiche auf- finden, doch konnte bestimmt konstatiert werden, daß Streptokokken im Blute zirkulierten und sich auch in anderen Organen etablierten (vide: die histologische Beschreibung der Lunge), wenn sie auch makro- skopisch wahrnehmbare Veränderungen nur in der Muskulatur verur- sachten. Bei dieser Erkrankung der Muskulatur ist es ungewöhnlich, daß wir trotz des 14-tägigen Bestehens der Krankheit eine wahre Eiterung nicht fanden, was uns insoweit ein Interesse abgewinnen kann, als sie einen klaren Beweis dafür liefert, daß es nicht nur bei der sogenannten „Dermato-myositis“, sondern auch bei der wirklichen infektiösen Myositis in der Muskulatur solch einen eiterungsfreien Entwickelungsprozeß geben kann. Litteratur. Die einschlägige Litteratur läßt sich in guter Zusammenstellung bei folgenden Autoren finden: 1) Hochhalt, A belgyogyäszat Kezikönyve. Budapest 1898. (Handbuch der inneren Krankheiten. Ungar.) 2) Lorenz, Die Muskelerkrankungen. Wien 1898. 3) Kader, Klin. Beitr. zur Aetiol. und Path. der sogenannten primär. Muskel- entzündungen. (Mitteil. aus d. Grenzgeb. der Med. u. Chir. 1897, Bd. II, p. 617.) ’ Ne&low, Zur Frage der Durchgängigkeit der Placenta für Mikroorganismen etc. 691 Nachdruck verboten. Zur Frage der Durchgängigkeit der Placenta für Mikroorganismen und ihrer phagocytären Fähigkeit. [Aus der Abteilung von Prof. W. K. Wyssokowitsch im bakteriologischen Institute zu Kiew.| Von Privatdocent Dr. med. N. K. Ne&@low. Die Frage der Durchgängigkeit der Placenta für Mikroorganismen verfügt über eine sehr umfangreiche Litteratur und wird von den Ge- lehrten in zweifacher Weise entschieden: Ein Teil der Bakteriologen ist der Meinung, daß die gesunde Placenta für Mikroorganismen durch- gängigist (so: Birch-Hirschfeld, Baumgarten, Bar und R@non, Henke, Gärtner, Chauveau, Freund und Lewy, Kubassow, Lotis, Lubarsch, Ortmann, Simon u. A.); der andere Teil ist der Ansicht, daß nur bei pathologischen Zuständen der Placenta die Möglichkeit eines Ueberganges von Mikroorganismen von der Mutter zum Kinde vorliegt (so: Malvoz, Wyssokowitsch, Wolff, Ernst, Eberth, Lungwitz, Lehmann, Massa, Nocard, Resinelli, Rostowzew u. A.). | In Anbetracht der widersprechenden Ansichten verschiedener Autoren über die Fähigkeit der Placenta, Mikroorganismen von der Mutter auf das Kind zu übertragen, schien es uns von großer Wichtigkeit, die Frage genauer zu erörtern, ob die Placenta die Fähigkeit besitzt, Mi- kroben, die ins Blut gelangt sind, zu eliminieren, d. h. ob die Placenta phagocytäre Eigenschaften besitzt. Wenn sich die Placenta als Organ erweisen würde, das eine hervorragende phagocytäre Eigenschaft besitzt und eine große Menge im Blute enthaltener Mikroben in sich festzu- halten imstande wäre, so hätte selbstverständlich die Rolle der Placenta bei der Uebertragung von Infektionsstoffen von der Mutter zum Kinde und umgekehrt mehr Beweise bekommen. Diesen Umstand aufzuklären, war um so notwendiger, da sich die Bakteriologen nur sehr wenig mit der phagocytären Fähigkeit der Placenta beschäftigt haben; in der mir zugänglichen Litteratur habe ich nur einige Bemerkungen über diese Frage in einem Aufsatze von Malvoz gefunden (Sur la transmission intraplacentaire des microorganismes. Annal. de l’Inst. Pasteur. 1888. No. 3. p. 121). Malvoz ist der Ansicht, daß Mikroorganismen von der Placenta nicht aufgehalten werden. Noch früher hat Urwitsch, der allerdings nur mikroskopisch die Placenten von an Septikämie zu Grunde gegangenen Mäusen untersuchte, in keinem einzigen Falle Bak- terien in der Placenta nachweisen können (1885). Auf Anregung von Prof. W. K. Wyssokowitsch habe ich eine Reihe von Versuchen unter seiner Leitung im Kiewer bakteriologischen Institute unternommen, die folgende Zwecke verfolgten: 1) zu prüfen, ob nicht pathogene Mikroorganismen von der Mutter durch die Placenta zum Kinde übergehen, und 2) aufzuklären, wie sich die Placenta zu den Mikroorganismen verhält, d. h. ob die Placenta phagocytäre Eigenschaften besitzt, und zwar in welchem Maße im Vergleich mit anderen Organen des betreffenden Tieres. Die Versuche wurden an schwangeren Kaninchen ausgeführt, denen 45* 692 N. K. Neölow, in die Ohrvene eine Emulsion von Sporen des Heubacillus in einer physiologischen Kochsalzlösung eingespritzt wurde. Sporen und nicht Bacillen wurden deshalb verwandt, weil, wie es Wyssokowitschu.A. nachgewiesen haben, nicht nur nichtpathogene, sondern auch pathogene Mikroben sehr schnell aus dem Blute eliminiert werden und in den Or- ganen zu Grunde gehen, so daß man sie schon nach einigen Stunden nicht mehr im Blute und in den Organen nachweisen kann. Die Sporen des Heubacillus hingegen bleiben in den Organen zuweilen sogar länger als 3 Monate lebensfähig. Die Menge der zur Injektion bestimmten Sporen wurde so gewählt, daß bei mikroskopischer Betrachtung der Emulsion mit dem Immersionssystem im Gesichtsfelde 2—3 Sporen sicht- bar waren. Bei der Injektion wurde ein Tropfen der Emulsion zur Kontrolle auf Agar-Agar gesät. Nach 2—6 Tagen nach der Injektion von Sporen wurden die Ver- suchstiere durch Chloroform getötet und unter Beobachtung aller Vor- sichtsmaßregeln, die bei bakteriologischen Arbeiten üblich sind, zur Sektion und Anlegung von Kulturen aus dem Blute, den Organen der Mutter, den Organen des Fötus und der Placenta auf Agar-Agar ge- schritten. Die Resultate der Versuche sind in folgender Tabelle zusammen- gefaßt: = a Zahl der Kolonieen D 1,0 8 5 x | u a a = Mutter Fötus | Placenta 3 | on RS u 1 Ten IE 03 I 0 älsbe _ mi ui fen} = 8 EEE 2 > Eu. n 3| Anmerkungen > SR SE irn = 2 ES ee S= een ee az lelnlele | = 5 F4 - .—_ =) : _ alas nas | .\& |& je= a: = =) 1131.Januar| 2 | gegen |gegen| 1 I 0 | — | — | — | 30 |1) Verunreinigg. 2000 2000 durch eine an- 216. Febr. 2 | — |gegenigegen) 3 0 0/I—| 2! 0| — | dere Kolonie. 300 | 600 2) Nur ein stark + 106 3 0 [gegen gegen 0) 01 0I1— | 0|— | 1 | macerierter Fö- 300 | 500 tus ;diePlacenta 4116.) ,:,, 5 1 'gegen/gegen 1 3/ 0/—| 1| 1)| 1| ist pathologisch 500 | 1000 verändert; die 5. 2. ‚März || 3. 200 0em] 798 2 0) 1ı| — | — | 1.1729 Kultarans dem BURZEN, 6 0:1 100. MARo > Be 0) 0 ı 2 | Blute des Fötus ARE, 6.11.08] 200 788 5!—| 0/19 0) 3 | ergab 5 Kolo- SIEH, 5 0 | 25 |gegen 209) — | — | — | — | — | 2| nieen. 500 OB, Be NN 20 seen 5 | 01 0| 0| 0] 0) o 1 10 26.Angust| 311 vo ie 10401 01 0) | mon ULleB. | 0. 0 Mo 12.1827, 3: 17.0.1.:80...,40.1:.0 il. 0; |. 102,0 ae 13 110.Oktob. 4 | 0 | 2 5 0I—|01I0|/-1!0/0%0 11173, 6% 0450 3120 |—-| 0|I|—-| 0909| —| 0 Aus der Tabelle ist ersichtlich: 1) Die Anlegung von Kulturen aus den Organen der Mutter hat in allen Versuchen ein mehr oder weniger zahlreiches Wachstum von Kolonieen ergeben. Die größte Anzahl von Kolonieen ergab [die An- De m m a a nn oO da nn u ut Zur Frage der Durchgängigkeit der Placenta für Mikroorganismen etc. 693 legung von Kulturen aus der Milz, dann die aus der Leber und der Niere. Die Anlegung von Kulturen aus der Milch und den Milchdrüsen ergab entweder überhaupt kein Wachstum von Kolonieen oder nur in sehr geringer Anzahl, und zwar nur in den Fällen, in denen auch noch im Blute Sporen nachweisbar waren. 2) Die Anlegung von Kulturen aus der Milz und Leber des Fötus ergab von 14 Fällen nur in 1 Falle (No. 5) ein positives Resultat, und zwar wuchs nur eine Kolonie bei einer Kulturanlage aus .der Leber; in diesem Falle waren aber auch noch Sporen im Blute der Mutter vorhanden, und daher kann die Möglichkeit einer Verunreinigung nicht ausgeschlossen werden. 3) Nur in einer sehr geringen Anzahl ergab die Kulturanlage aus der Placenta ein positives Resultat. Unter 30 Fällen blieb in 19 Fällen der Nährboden steril, von den übrigen 11 Fällen wuchsen nur in 1 Falle (No. 1) 30 Kolonieen. In diesem Falle wuchsen aber auch aus dem Blute eine unzählige Menge von Kolonieen; in den übrigen 10 Fällen wuchsen 1—3 Kolonieen, während auch hier aus dem Blute Kolonieen wuchsen. Auf Grund unserer Versuche ziehen wir folgende Schlüsse: 1) Nicht pathogene Bacillen gehen nicht durch die gesunde Placenta von der Mutter auf das Kind über. 2) Die phagocytäre Fähigkeit der Placenta erweist sich als sehr gering. In 10 Versuchen, in denen das Blut sich als steril erwies, konnten nur in 4 Fällen mit Hilfe von Ueberimpfung auf Nährböden Sporen in der Placenta nachgewiesen werden, und zwar nur in sehr geringer Zahl (1—2—3 Kolonieen), obgleich bei der Anlage von Kul- turen recht große Stücke der Placenta verwandt wurden, in einigen Fällen sogar der 10. Teil der Placenta; gleichzeitig ergaben Stückchen der Milz und Leber von der Größe einer Erbse ein Wachstum von 500, 1000 und mehr Kolonieen. Unsere Versuche weisen also deutlich darauf hin, daß die Placenta, trotz der Menge neugebildeter Blutgefäße mit einer großen Menge von jungen endothelialen Zellen, dennoch kein phagocytäres Organ ist; es kann dieselbe also in dieser Hinsicht zu den edelsten Organen des tierischen Körpers gezählt werden, wie z. B. das Gehirn, dessen Gefäß- endothel Mikroorganismen nicht in sich festhält. Diese unsere Folgerung scheint uns auch vom biologischen Stand- punkte aus sehr zweckentsprechend. Die Placenta ist von der Natur zur Ernährung des Fötus bestimmt und kann und soll auch keine andere Rolle übernehmen, namentlich nicht eine solche, bei der sie eine Störung der Fötusernährung herbeiführen könnte. x ix 694 Schumburg, \ Nachdruck verboten. ie Beziehungen der Babes-Ernst'schen Körperehen zu der Virulenz der Bakterien. | [Aus der hygienisch-chemischen Untersuchungsstation des 10. Armeekorps.] | Von Dr. Sehumburg, Oberstabsarzt und Privatdocent in Hannover. Im Centralblatt für Bakteriologie (Bd. XXV. XXVIII und XXIX) im Archiv für klinische Chirurgie (Bd. LXII), sowie in der deutschen medizinischen Wochenschrift (1900. No. 35) haben Woithe und Marx, zum Teil auch Marx allein, in einer Reihe zum Teil sehr ausführlicher Arbeiten den experimentellen Nachweis für die Hypothese zu erbringen versucht, daß die Virulenz der meisten Bakterien Hand in Hand ginge mit dem Auftreten der von Babes und Ernst beschriebenen, durch eine besondere Färbemethode nachweisbaren Körnchen, der sogenannten Babes-Ernst’schen Körperchen. Eine gewisse Bestätigung hatte die Ansicht von Woithe und Marx schon durch die von Neisser ent- deckte Darstellung Babes-Ernst’scher Körperchen im Leibe meist nur echter Diphtheriebacillen erfahren. Obwohl nun schon viele Monate seit Veröffentlichung der Woithe- Marx schen Arbeiten in das Land gegangen sind, so haben sich doch bisher nur wenig Nachprüfer der neuen Virulenzlehre gefunden. Das kann nicht an der Bedeutungslosigkeit der Angaben liegen. Denn träfen die von Woithe und Marx erhobenen Befunde in ihrer Ausnahms- losigkeit zu, so würden unsere anscheinend so festgefügten Lehren von der Desinfektion ins Wanken geraten, so würden wir andererseits in der Diagnose der Infektions- und Eiterkrankheiten einen guten Schritt vorwärts gekommen sein. Zur experimentellen Begründung der Woithe-Marx’schen Lehr- sätze, von denen der wichtigste lautet: „Die Babes-Ernst’schen Körperchen sind Träger des spezifischen Lebens, des infizierenden Daseins“, kann man zwei Wege einschlagen. Man kann versuchen, irgend eine tierpathogene Bakterienkultur, in der man reichlich Babes- Ernst’sche Körperchen gefunden hat, auf irgend eine Weise in ihrer Virulenz zu schädigen; die geschädigte Virulenz müßte dann in gleicher Weise durch das Tierexperiment wie durch den Mangel an Babes- Ernst ’schen Körperchen nachweisbar sein. Ebenso müßte es allerdings wohl gelingen, durch geeignete Kultur oder Tierpassagen die geringe Virulenz einer schwierigen Bakterienart ohne Babes-Ernst’sche Körperchen so zu steigern, daß die Wirkung auf das Tier und das Auftreten Babes-Ernst’scher Körperchen miteinander Schritt halten. Derartige Versuche hat Gauss (Centralbl. f. Bakt. ete. Bd. XXXT) mit dem Pyocyaneus unternommen, und zwar mit folgendem Ergebnis: „Irotz fortgesetzt gesteigerter Virulenz fehlte den infizierten Individuen jede Andeutung von Babes-Ernst’schen Körperchen, und zwar SOo- wohl in den dem Herzblute als auch den verschiedenen Nährböden entnommenen Präparaten.“ Die Gauss’sche Versuchsreihe ist deshalb wenig geeignet, die Woithe-Marx’schen Behauptungen zu stützen. ders ee a a AL a ne nd Lu dA a a a 3 ) Beziehungen der Babes-Ernst’schen Körperchen zu der Virulenz der Bakterien. 695 Der zweite mögliche Weg führt direkter zum Ziel: Man untersucht eine möglichst große Zahl von Wundsekreten, die mit Desinficientien nicht in Berührung kamen, auf Babes-Ernst’sche Körperchen in den etwa vorhandenen Bakterien. Beim Zutreffen der Woithe-Marx’schen Behauptungen müßten Wundsekrete, die von klinisch schwer Erkrankten stammen, Bakterien mit viel Babes-Ernst’schen Körperchen auf- weisen. Ich halte diese Untersuchungsmethode, an äußeren und natür- lich ebenso gut an inneren Krankheiten angewendet, für beweisender als die vorher skizzierte: Wissen wir doch, daß oft schon eine einzige Uebertragung krankheitserregender Bakterien selbst auf die ihnen am besten zusagenden Nährböden und selbst unter güustigsten Kultur- bedingungen die Pathogenität derselben schädigt; damit wäre denn der Einwurf nicht ohne Berechtigung, daß infolge dieser Schädigung, durch Ueberimpfung des Untersuchungsmateriales auf künstliche Nährböden, die Babes-Ernst’schen Körperchen verschwunden wären. Dieser Einwurf fällt bei direkter Untersuchung der Sekrete fort. ‘Diesen zweiten Weg habe ich beschritten. Es bot sich mir dazu die günstigste Gelegenheit, als mir vom 1. Oktober 1900 bis 1. Oktober 1901 neben meiner bakteriologischen Thätigkeit die chirurgische Station des Garnisonlazarettes zu Hannover übertragen wurde. Ich habe während dieses Jahres sämtliche geeigneten Wundsekrete, deren ich habhaft werden konnte, daraufhin untersucht, ob die in ihnen etwa vorhandenen Bakterien mit Babes-Ernst’schen Körperchen ausgestattet waren oder nicht. Mit diesem Befunde verglich ich den klinischen Verlauf der einzelnen Fälle. Zur Untersuchung zog ich nur diejenigen Wundflüssigkeiten heran, die vorher mit desinfizierenden Mitteln weder direkt noch indirekt (durch Umschläge mit essigsaurer Thonerde oder anderen Flüssigkeiten) in Berührung gekommen waren. Zum Auffangen standen im ÖOperations- saal sterile Petri-Schalen bereit oder es wurden sofort Deckglas- präparate angelest. Bei der Färbung befolgte ich genau die von Woithe und Marx gegebenen Vorschriften, indem ich etwa 10 Sekunden Löfflerblau- und etwa 15 Sekunden 2-proz. Bismarckbraunlösung ein- wirken ließ. Um über das Vorhandensein und die Menge von Bakterien in dem Präparat orientiert zu sein, wurden ein oder zwei Präparate einfach mit Methylenblau oder — was ich sehr empfehlen kann — nach Gram gefärbt. Diese Orientierungspräparate wurden zuerst, dann die nach Woithe-Marx gefärbten betrachtet. In diesen wurde die Art und Menge der vorhandenen Mikroben, sowie die Anwesenheit und Anzahl der Körperchen bestimmt und zugleich mit der klinischen Diagnose in das Protokollbuch eingetragen. Nach Ablauf der Krankheit wurde auch kurz der Verlauf derselben, ob leicht, mittelschwer oder schwer, aufgezeichnet. Nach diesen Gesichtspunkten habe ich im Laufe des Jahres 150 Wund- sekrete untersucht; die Ergebnisse giebt kurz die folgende Tabelle wieder. 696 Schumburg,. = . ee eh &| Datum | Diem ee | a ||: S | Umter- ‚grad und Krankheit der Er- | 4m wma 5 & Name krankung 30g0 = 3 | suchung skrt |538 = > any Aa 1 122. 10. 00/Serg. R. |Furunkel leicht steril keine 2 22. 10. 00/Ulan S. |Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine am rechten Mittel- finger 3 22. 10. 00|FüsilierF.|Panaritium am r.\leicht reichlich Sta-|keine Daumen phylokokken 4 /22. 10. 00/Musketier| Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine N. am linken 4. Fin- ger 5 23. 10. 00|0ekono- |Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine miehand-; am linken Mittel- werkerÜ.| finger 6 27. 10. 00|Kanon.M.|Panaritium am r.leicht reichlich Sta-|keine Daumen phylokokken 7 27. 10. 00/Ulan H. |Geschwür in derlleicht mäßig Sta-'keine Achselhöhle u.Zell- phylokokken gewebsentzünd. am rechten Fuß 8 27. 10. 00| Füsilier B.Furunkel leicht wen. Staphy-|keine | lokokken 9 28. 10. 00|Kürass. E.|Furunkel am Afterileicht steril keine 10 [31. 10. 00 Füsilier |Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine _ an der recht. Hand 11 |31. 10. 00 Füsilier |Zellgewebsentzünd. |leicht wenig Bacill.|keine am Daumen | ’ 12 |31. 10. 00 Fahrer J.\Gerstenkorn a. Augelleicht wenig Bacill. keine 13 |4. 11. 00 Füsilier 8.|Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine an der recht. Hand 14 ‚5. 11. 00 |Kanonier |Zellgewebsentzünd. leicht mäßig Bacill.ikeine an der recht. Hand 15 |10. 11 00 Ulan N. Furunkel am Ober-lleicht wenig Bacill.ikeine schenkel 16 ‚10. 11. 00, Ulan M. |Furunkel a. Hoden-)leicht sehr reichlich keine sack Staphylo- und Strepto- kokken . 17 10. 11. O0 Ulan M. |Furunkel am Ober-|leicht reichl. Diplo-|keine = schenkel kokken und Strepto- kokken 18 110. 11. 00 Oekono- 'Zellgewebsentzünd. lleicht wenig Bacill.keine miehand- am rechten Zeige- werkerM.| finger 19 10. 11. 00 Füsilier A.|Furunkel an beiden leicht reichl. Diplo-|keine Armen und Strepto- kokken 20 113. 11. 00\Ulan W. Furunkel a. Hoden-|leicht reichl. Diplo-|keine sack kokken 21 |13. 11. 00)FüsilierB.|Zellgewebsentzünd. [leicht wenig Kokk. |keine am Zeigefinger der rechten Hand 36 37 39 41 = er ı kokken 'Körperch. Beziehungen der Babes-Ernst’schen Körperchen zu der Virulenz der Bakterien. 697 | DE sh Datum . Bakterien- | 28 & E Dienst- Schwere i SE. = ve grad und Krankheit ı der Er- Pal be sma8 F suchung _. krankung sekret 328 h E 2 EEE amg m 15. 11. w FüsilierR. 'Zellgewebsentzünd. leicht steril keine am rechten Unter- | \ schenkel. 15. 11. 00 FüsilierF. Zellgewebsentzünd. leicht _|steril keine am linken Fuß- rücken 17. 11. 00 Musket.J. Achseldrüsenver- schwer |wen. Strepto- keine ‚ eiterung kokken 19. 11. 00, Drag. D. Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine | an der r. Hand 19. 11. 00 Ulan S. |Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine am rechten kleinen Finger 23. 11. O0 ders. desgl. leicht wen. Kokken keine 23. 11. 00. Ulan J. Zellgewebsentzünd. schwer |steril keine am Halse 24. 11. 00.ders. desgl. schwer |wen. Strepto- keine | kokken 29. 11. 00 Einj. Frei- Furunkel über demileicht wen. Kokken|keine will. B. rechten Auge 29. 11. AG R. 'Furunkel am Unter-leicht reichlich keine schenkel Diplokokken 29. 11. 00|Musk. B. |Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine an der Hand 30. 11. 00 Unteroff. |Furunkelim Macken Jeich reichlich keine | M. | Kokken und Stäbchen 12. 12. 00\,Musk. T. |Zellgewebsentzünd. leicht reichlich keine am linken Zeige- Streptokokk. finger | 12. 12. 00 Kanon. R. Furunkel in derlleicht steril keine | Achselhöhle | 13. 12. 00/Kanon. L. Zellgewebsentzünd. leicht ‚mäß. Strepto-keine am Fuß kokken 13. 12. 00'Kanon. B. Zellgewebsentzünd. |leicht 'ganz verein- keine am Finger zelte Diplo- kokken 13. 12. 00/Fahrer M.Furunkel an demileicht zieml. reich- keine Oberschenkel | lich Strepto- | ' kokken 13. 12. 00/0ekono- Furunkel am Gesäß leicht Ganz spär- keine miehand- lich Staphy- werk. W. ı lokokken 18. 12, 00/Musk. S. |Vereiterung d. Hals-leicht steril keine drüsen | 20. 12. 00/Musk. B. |Zellgewebsentzünd. leicht ‚sehr spärlich keine an der recht. Backe Streptokokk. 27. 12. 00. Drag. F. |Absceß am Beckenmittel- mäßig reichl. in jedem schwer | Staphylo- 698 Schumburs, = | Bi eb © | Datum Dienst- Schwere | Bakterien- | E = = 3 der n befund in „AS 5$ ar @ | Umter- |gtad und Krankbeit der Er- dem Wunde En 4 | Suchuno I; Name krankung | \ u era 9 =] = g sekret 38 5) | 'Aaag ra 43 31. 12. 00, Füsilier \Zellgewebsentzünd. |mittel- zahlr. Sta- in den aufdemFußrücken| schwer | phylokokk. | meisten 44 | 6. 1. 00 |Einj. Frei-|Zellgewebsentzünd. |mittel- [reichlich spärlich will. B. | am linken Arm schwer | Streptokokk. 45 9. 1. 00 Musk. H.|Drüsenanschwell. a.lmitte- zahlr. Sta- mäßig | Halse links schwer | phylokokk. | reichlich 46 19. 1. O1 |Füsil. HA. |Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine | an der recht. Hand 47 ‚20. 1. 01 |Ulan B. |Furunkel am Gesäßileicht steril keine 48 22.1. 01 Kanon. V.|Zellgewebsentzünd. leicht reichl. Sta- |keine am rechten Zeige- phylokokk. finger 49 |22. 1. 01 Musk. W.|Furunkel am Gesäßlleicht desgl. keine | 50 25. 1. 01 Ulan H. Zellgewebsentzünd. |leicht zieml. reich- spärlich am rechten Unter- lich Staphy- schenkel lokokken 51 25. 1. 01 |FüsilierS.Furunkel in derjleicht fast steril [keine ı Achselhöhle 52 125. 1. 01|Füsil.M. Panaritium am 1.leicht reichlich Sta-|spärlich Mittelfinger phylokokk. 53 26. 1. 01 Drag. F. Absceß am Ober-leicht steril keine schenkel | 54 26. 1. 01 |Musk. K. |Zellgewebsentzünd. [leicht steril keine keineT.B. hinter d. Ohr. T.B.? 55 |26. 1. 01 Musk. H. Drüsenanschwell. a. leicht zahlreiche zahlreich |Eiterver- Halse links Streptokokk. haltung 56 28. 1. 01 |Musk. K. Zellgewebsentzünd. leicht spärl. Diplo- keine hinter dem Ohr kokken 57 8. 1. 01 /Gefr. H. Zellgewebsentzünd. leicht desgl. keine | im rechten Hand- | teller 58 ı 2. 2. 01 |Musk. P. |Furunkel am Unter- leicht desgl. keine arm 59 | 2.2.01 Ulan H. |Oberschenkel- leicht reichlich in jedem | drüsenvereiterung Strepto- u. Staphylo- - kokken 60 | 2. 2. 01 ders. desgl. leicht steril keine 61 | 5. 2. 01 ‚Füsilier S. Furunkel am Augen-|leicht steril keine lid 62 | 6. 2. 01 Kanon. B.|[Zellgewebsentzünd. leicht spärl. Diplo- spärlich am Finger kokken 63 | 8. 2. 01 Füsil. H. |Furunkelim Nacken leicht reichl. Diplo-jreichlich kokken 64 | 8. 2. 01 ‚Kanon. C.|Sehnenscheiden- leicht fast steril [keine phlegmone am r. Zeigefinger 1 4 3 - E ü Pr . Beziehungen der Babes-Ernst’schen Körperchen zu der Virulenz der Bakterien. 699 &| Dat Bakterien. | BEE. 1.085 atum | akterien- | ES 5 © Dienst- ı Schwere RE = Else grad und Krankheit | der Br Bd in, Er = suchung ame TauERnEG sekret S 2 H- = he Aao _ ee Bee. | ie ER ER 1.2 EI Bi 65 | 8. 2. 01 65 | &. 2. 01 [Füsitier 8. Zeilgewebsentzünd. leicht fast steril keine | am rechten Zeige- | | | finger | 66 11. 2. 01 |Einj. Frei--Lymphdrüsenver- leicht reichlich Sta- mäßig will. K. | eiterung am Halse phylokokk. | reichlich links | 67 '12. 2. O1 Füsil. B. Furunkel am Hals jleicht steril ‚keine 68 | 15. 2. 01 Füsil. H. |Furunkelim Nacken leicht mäßig reich- mäßig lich Staphy- reichlich | lokokken 69 | 18. 2. 01 ders. desgl. leicht |steril keine 70 \18. 2. 01 Füsil. E. |Furunkel am Knie leicht reichlich Sta-|sehr spär- phylokokk. | lich 71 19. 2. 01 Trainsold. Furunkel am Bein leicht sehr spärlich keine Kokken 72 19. 2. 01 /ders. Furunkel am After|leicht fast steril keine 73 ‚19. 2. 01 Kanon. F.|Panaritium am r.ileicht fast steril |keine Daumen 74 20. 2. 01 Musk. K.|Mandelabsceß leicht fast steril keine 75 21. 10. 01/Kanon.M.|Entzündung.d.Knie- leicht steril keine In der schleimbeutels BSR | u taphy- lokokk. 76 |24. 2, 01 Füsil. H. Drüsenvereiterung schwer reichlich fast in am Halse Streptokokk.| jedem | lang 77 |26. 2. O1 ders. desgl. schwer |desgl. desgl. Andere Drüse 78 | 4. 3. 01 |Einj. Frei-]Furunkel am Arm |ganz steril keine will. K. leicht 79 | 4. 3. 01 |Kanon. S.|Furunkel am linken leicht mäßig reichl.iin vielen Unterschenkel Kokken 80 | 4. 3. 01 'Musk. B. |Furunkel im Nacken leicht zieml. reich- ziemlich lich Diplo-| reichlich kokken 81 | 7. 3. 01 Musk. K. Komplizierte Ver- leicht steril keine renkung des recht. | Daumens | 8 \9. 3.01 Drag. F. |Zellgewebsentzünd. leicht steril ‚keine am linken Daumen 83 |11. 3. 01 /Kanon.N./Furunkel am Gesäß leicht spärlich Sta- keine | phylokokk. 84 | 11. 3. 01 |Füsil. W. 'Eiterblase am recht. sehr leicht|sehr reichl. u.|keine Zeigefinger | lang.Strepto- | kokken 85 |11. 3. 01 ‚Trainsold.|Absceß am linken leicht fast steril keine Oberkiefer 86 13. 3. O1 fast steril keine a ee ee ee re Trainsold.|Zellgewebsentzünd. |leicht R. an der linken Backe 3 Laufende No. Datum | der Unter- suchung 87| 14. 3. 0 88 89 90 91 92 93 94 95 96 9 106 107 25. 26. 01 „01 ol 01 IL 01 ul ij 01 07 01 ol 01 01 01 ol 01 01 01 01 Dienst- grad und Name Trainsold. ders. Kanon. S. Füsil. H. Ulan M. Ulan B. ders. Füsil. N. |IMusk. L. Musk. K. Musk. S. Ulan Z. Drag. K. Musk. A. Musk. P. Füsil. H. Füsil. L. Füsil. B. Reserv. G. Musk. B. Musk. H. Schumburg, Krankheit Oberkiefer desgl. |Furunkel an der rechten Wange Zellgewebsentzünd. am linken Knie Brandwunde am |. Zeigefinger Furunkulose desg]. Furunkel am Hals Furunkel an der r. Hand Zellgewebsentzünd. am rechten Zeige- finger Schleimbeutelent- zündung am recht. Knie Zahnabsceß Sehnenscheiden- panarıtium Lymphdrüsenver- eiterung Sehnenscheidenent- zündung Zellgewebsentzünd. am rechten Zeige- finger Zellgewebsentzünd. am linken Knie Zellgewebsentzünd. am linken Zeige- finger Furunkel an der Oberlippe Furunkel im Nacken Furunkelim Nacken Absceß am linken! Schwere der Er- krankung schwer schwer leicht leicht ganz leicht leicht leicht ganz leicht leicht leicht leicht leicht leicht schwer leicht mittel- schwer leicht leicht leicht leicht leicht 258 Bakterien- |! 2 go befund in | :° 8 dem Wund- ERFA=E: sekret 28 Aa B) Kurzstäbch. fast über- und lange) all Strepto- kokken fast steril keine fast steril keine zahlr. langespärliche Streptokokk. 20 Glieder spärl. Diplo- keine kokken mäßig reichl |viel Kokken desgl. viel spärl.Kokken |spärliche spärl.Kokken|keine mäßig reichl.|spärliche Kokken spärl. Diplo-keine kokken sehr zahlr. keine Kurzstäbch. steril keine zahlr. lange|izahlreiche Streptokokk. steril keine zahlr. Diplo-|ziemlich kokken zahlreich steril keine steril keine sehr spärliche|keine Diplokokken steril keine zieml. reich-| keine lich Staphy- lokokken Bemerkung. U N: Beziehungen der Babes-Ernst’schen Körperchen zu der Virulenz der Bakterien. 701 | ey TITERu E ;< Era Dienst- Schwere ._ ke Ba = 8] Unter- grad und Krankheit der Er- | gem Wund-|E aM.ä = 8 | suchung zig krankung | nekret PER $ 5 | | SC RP ano e 108/27. 4. 01 Kanon. S. Furunkel an derisehrleichtisehr zahlr. spärliche | ' linken Brustseite Stäbchen u. | Kokken 109 27. 4. 01/Musk. N. Zahnabsceß am 1.sehrleichtisehr zahlr. spärliche | Unterkiefer Stäbchen u. | Kokken 110) 1. 5. 01 |Musk. R. eiterige Brustfell- leicht zahlreiche keine entzündung Streptokokk. 111! 2. 5. 01 |Musk. S. Absceß oberhalb desischwer zahlreiche |ziemlich Afters Streptokokk.| zahlreich. 112 5. 5. 0] 'Füsil. S. Leistendrüsenent- ‚leicht steril keine | zündung links 113| 5. 5. 01 |Drag. R. |Furunkulose leicht steril keine 114| 6. 5. 01 |Kan. W. |Unterschenkelge- sehrleicht zahlr. Diplo-keine schwür links kokken 115 12, 5. 01 Oekon.- |Zellgewebsentzünd. schwer zieml. reichl./reichlich Handw. | in der linken Hohl- Kokken S. hand | 116| 8. 6. 01 |Musk. S. |Furunkel i. Gesicht leicht steril keine 117) 9. 6. 01 Kanon. F.|Absceß am Hoden- leicht steril keine sack | 118| 9. 6. 01 |Leutnant |Furunkel am Gesäß leicht spärliche keine *.. 0. | taphylok, 119) 11. 6. 01 Kanon. P.|Furunkel am linken leicht spärliche keine 120) 11. 6. 01 'Musk. H.|Furunkel am Bauch/mittel- zieml. reichl. mäßig schwer | Staphylok. | reichlich 12111. 6. O1 Kan. W. |Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine am linken Fuß | Knie ' Kokken 122] 11. 6. 01 |Füsil. L. |Furunkelam rechten leicht spärliche keine Unterschenkel Streptokokk. 123| 13. 6. 01 |Einj. Frei- Furunkel im Nacken leicht sehr reichlich keine will. W. Kokken 124| 13. 6. 01 Musk. A. |Furunkel auf demileicht steril keine rechten Fußrücken 125 13. 6. O1 '|Fähnrich |mehrere Furunkel leicht sehr zahlr. zahlreiche ’ K am Gesäß Kokken 126, 14. 6. 01 Kanon.H.'Furunkel auf demileicht fast steril keine | Rücken 127| 14. 6. 01 'Füsil. K. |Furunkel auf demleicht spärl. Kokken keine Rücken | 128| 14. 6. 01 'Fähnrich alter Furunkel amileicht steril ‚keine | K. Gesäß | 129| 16. 6. Ol Musk. K.|Zellgewebsentzünd. leicht mäßig reichl. keine an der link. großen Kokken Zehe . | 130! 18. 6. 01 Posen Furunkel am le ze steril keine Bea. 102 Schumburg, z Dat Bakteri S ER 2 atum : akterien- aa = © Dienst- Schwere RE Na = 3 E IE grad und ‘ Krankheit der Er- en ers E ei! E suchung Name krankung a & E E B) E | | _IAa% ra 131) 18. 6. 01 |Musk. B. |Zellgewebsentzünd. |leicht steril keine an derrechten Fuß- sohle 132| 22. 6. 01 |Musk. R.|Furunkel an derganz spärliche Sta-|keine Stirn leicht | phylokokk. 133| 22. 6. 01 |Ulan R. [Furunkel an derlleicht steril keine ı Stirn | 134 22. 6. 01 /Ulan G. Zellgewebsentzünd. jziemlich |ziemlich zahl-'keine am rechten Unter- schwer!!| reiche Sta- ı schenkel phylokokk. 135 27. 6. 01 |Füsil. P. |Furunkel am Gesäß leicht vereinzelte jkeine | Kokken 136 28. 6. 01/Musk. K. Zellgewebsentzünd. |leicht ziemlich zahl-|keine ı an der link. großen! reiche Sta- Zehe phylokokk. 137/28. 6. 01 )Musk. U. eiterige Drüsenent- leicht steril keine zündung am Halse ı rechts 138 29. 6. 01 |Musk. 8. Zellgewebsentzünd. |leicht spärliche keine “' am linken Fuß Kokken 139| 3. 7. 01 |Füsil. M. |Zellgewebsentzünd. leicht spärliche [keine am linken Unter- Kokken schenkel 140| 3. 7. 01 |Oekon.- Panaritium a. recht.|leicht |spärliche keine Handw.S., Zeigefinger Diplokokk. 141| 6. 7. 01 |Gefr. F. |Zellgewebsentzünd. leicht spärliche keine tiefe am rechten Ohr Kokken Drüsen!! 142| 6. 7. 01 |Landw.- |Zellgewebsentzünd. leicht zieml. reichl.\sehr viele| Drüsen ! Mann H. am rechten Unter- Kokken und ı schenkel lang.Strepto- | kokken | 143 15. 7. 01 |Füsil. N. Drüsenentzündung |leicht zahlreich Sta-|zahlreiche ' am Halse rechts phylokokk. 144 22. 7. 01|Fähnr. S.Furunkel auf demimittel- |spärliche keine Rücken schwer | Diplokokk. 145| 28. 7. OL |Füsil. B. |Drüsenvereiterung |mitte- zahlreiche |keine in der link. Achsel-| schwer | Staphylok. höhle 146| 28. 7. 01 Musk. W.|Zellgewebsentzünd. |mittel- zahlreiche [keine auf dem rechten| schwer | Staphylok. | Fußrücken 147| 2, 8. 01 |Musk. A. 'Vereiterung der r.|leicht steril keine Achseldrüse 148| 4. 8. 01 |Musk. R. |Zellgewebsentzünd. leicht steril keine auf dem rechten Fußrücken 149| 14. 8. 01 |Füsil. H. Furunkel am Gesäß leicht zieml. zahlr.|wenig Kokken | 150 9. 9. 01 |Füsil. K. |Zellgewebsentzünd. leicht spärliche keine am rechten kleinen Kokken Finger F Beziehungen der Babes-Ernst’schen Körperchen zu der Virulenz der Bakterien. 703 Trennen wir nun die in der vorstehenden Zusammenstellung auf- geführten Befunde, je nachdem die Sekrete 1) steril oder 2) bakterien-, aber nicht körperhaltig oder 3) bakterien- und zugleich körperhaltig waren, und machen wir eine zweite Einteilung je nach der Schwere des Krankheitsverlaufes (leicht, mittelschwer, schwer), so bekommen wir folgende Zahlenzusammenstellung. | Verlauf Verlauf ” Verla | Sekretbefund i leicht ee schwer Summe I. Steril Bi ur 5 | 2 56 II. Bakterien-, aber nicht körperhaltig 54 4 2 60 III. Bakterien und körperhaltig 22 6 6 | 34 Es war also von den 150 untersuchten Sekreten eine große Zahl steril, 56, steril in dem Sinne, daß trotz aufmerksamsten Suchens in mehreren Präparaten keine Bakterien wahrgenommen wurden. Weitere 60 Untersuchurgen ließen zwar Bakterien, aber keine Spur von Babes- Ernst’schen Körperchen erkennen, während ich in 34 anderen Sekreten in den Bakterien auch Körperchen fand. In Gruppe II sind zwar meist nur Fälle mit leichterem Verlauf eingetragen, doch finden sich auch 4 mittelschwere und 2 schwere darunter. Gerade diesen letzteren wurde geh Sorgfalt zugewendet, doch gelang es mir nie, Körperchen zu nden. In Gruppe III wurden die meisten Körperchenbefunde (22) bei leichten erhoben, nur 6 bei mittelschweren und ebenso viele bei schweren. Es interessiert nun weiter, zu erfahren, wie viele von den 34 Fällen der Gruppe III eine nur mäßige Zahl von Babes-Ernst’schen Körperchen, wie viele eine reichliche Menge und welche sehr viele auf- wiesen. Die Antwort giebt, auch in Prozenten, folgende Tabelle. Es enthielten leichter Verlauf | mittelschw. Verlauf schwerer Verlauf Körperchen | absolut | in Proz. | absolut | in Proz. absolut | in Proz. mäßig 13 h 59 4 67 1 K7 reichlich 1 | 4,5 0 ) 1 17 sehr viel Ba 36 2 33 4 66 Nach Prozenten betrachtet, weisen in dieser Tabelle die Fälle mit ‘schwerem Verlauf am häufigsten — in 66 Proz. — „sehr viel“ Körper- chen auf; doch finden sich auch bei 36 Proz. der leichten Fälle „sehr viel“ Körperchen und in 33 Proz. der mittelschweren. Etwas besser gestalten sich die Verhältnisse, wenn Gruppe II (bak- terien-, aber nicht körperhaltig) und Gruppe III (bakterien- und 'körperhaltig) addiert wird: Wir haben dann 76 leichte, 10 mittelschwere und 8 schwere Fälle. Von diesen enthielten 22 leichte (= 29 Proz.), 6 mittelschwere (= 60 Proz.) und 6 schwere (= 75 Proz.) Babes- Ernst’sche Körperchen. Dieses Zahlenverhältnis könnte höchstens so gedeutet werden, daß bei Fällen mit schwerem klinischen Verlauf häufiger Babes-Ernst’sche Körperchen in den Bakterien der Wundsekrete 704 Raffaele Onorato, gesehen werden als in leichten oder mittelschweren. Dabei darf man indes auf diese Verhältniszahlen bei den kleinen absoluten Ziffern kein zu großes Gewicht legen. Eines aber geht unzweideutig aus allen diesen Unter- suchungen hervor, daß das Auftreten und die Menge Babes-Ernst’scher Körperchen mit der Schwere des klinischen Verlaufes nichtimmer Handin Hand geht. Nachdruck verboten. Der Widerstand des Influenzabacillus gegen physische und chemische Mittel, [Aus dem hygienischen Institute der Kgl. Universität zu Genua (Direktor: Prof. Canalis).] Von Dr. Raffaele Onorato, Assistent. Der Influerzabacillus wurde von Pfeiffer entdeckt, der die Re- sultate seiner Untersuchungen am 7. Januar 1892 der medizinischen Gesellschaft in Berlin unterbreitete. Eine der wichtigsten Charaktereigenschaften dieses Mikroorganismus ist, daß er sehr empfindlich gegen das Eintrocknen ist, wie aus den Erfahrungen von Pfeiffer und Beck hervorgeht!), welche daraus schlossen, daß der Bacillus keine Sporen habe. In der That, die Ver- suche, dieselben zu erlangen, blieben erfolglos. Bruschettini?) isolierte im Laboratorium von Prof. Tizzoni aus dem Blute der Influenzakranken einen Mikroorganismus, ähnlich jenem von Pfeiffer; dieses Mikrobion widersteht nach den Erfahrungen von Bombicei?’) auf 1 Monat dem schnellen und für ca. 70 Tage dem langsamen Austrocknen. In einem zweiten Werke „Sulla diffusione dell’ Influenza per mezzo dell’aria“*) kam Bombicei zu folgenden Schlüssen : 1) Der Influenzabacillus behält auch in trockenem Zustande und nach einer verhältnismäßig langen Zeit seit dem Austrocknen noch außer seinen vegetativen Eigenschaften auch seine pathogene Kraft. 2) Wenn man den Influenzabacillus in Pulverform in die Tiere (Kaninchen) einspritzt oder direkt in die Luftröhre einbläst, so bewirkt er die krankhafte Erscheinung der Influenza. 3) Eines der Verbreitungsmittel des Influenzabacillus ist deshalb gewiß die Luft und ein, wenn nicht der einzige Weg, durch den der Bacillus in den Organismus gelangt, sind unzweifelhaft die Atmungs- organe, wo er oft, nicht immer, die ersten, mehr oder weniger ernsten Verletzungen herbeiführt. Die Thatsache der großen Verschiedenheit beim Austrocknen von zwei Mikroorganismen zeigt, daß der von Bruschettini isolierte Bacillus, mit welchem Bombicci experimentiert hat, von dem von 1) Deutsche med. Wochenschr. 1892. No. 21. 2) Riforma medica. 1892. No. 47. 3) Riforma medica. 1892. No. 23. 4) Riforma medica. 1892. No. 188. SR N‘ Der Widerstand des Influenzabacillus gegen physische und chemische Mittel. 705 Pfeiffer verschieden ist. Das verhindert nun nicht, daß viele, die sich auf die Experimente von Bombicei stützen, dem Influenza- bacillus eine große Widerstandsfähigkeit beimessen. Der größere oder kleinere Widerstand dieses Keimes hat große Bedeutung für die Erklärung der Art und Weise der Beschränkung und der Verbreitung der Epidemieen. Ich hielt es deshalb für interessant, dessen Widerstand gegen die physischen und chemischen Mittel zu studieren. Im hiesigen Laboratorium arbeitet man seit 2 Jahren über den Baecillus von Pfeiffer, zu dessen Lokalisation und Morphologie die Doktoren Gioielli und Zirolia während der Epidemie von 1900 einen ganz erheblichen Beitrag geleistet haben. Ich habe während des vergangenen Frühlings in vereinzelten Influenzafällen mit dem isolierten Bacillus experimentiert. Von den physischen Mitteln habe ich die Wirkungen der hohen und niedrigen Temperatur, des Austrocknens und des Sonnenlichtes studiert. Von den chemischen Mitteln habe ich vorgezogen, mit jenen zu experimentieren, die in der Praxis am häufigsten vorkommen: Bor- säure, Karbolsäure, Resorcin, Salicylsäure, Kalium- chlorat, Lysol, Silbernitrat, Quecksilberchlorid, Sal- peter-, Chlor-, Salz- und Schwefelsäure, Kalilauge und "Alkohol. Hohe Temperaturen (45—62°). Um die bacillentötende Wirkung von Temperaturen unter 100° C zu erproben, bediente ich mich des indirekten Bades (des Wasserbades), welches ich vermittelst einer regulierbaren Gasflamme auf den beab- sichtigten Grad erwärmte. Ich tauchte die Probiergläschen mit den Kulturen auf die gleiche Tiefe wie das Quecksilber des Thermometers, welch letzteres sich nicht in direkter Berührung mit dem Wasser befand, sondern in einem Probiergläschen, das Bouillon oder Agar enthielt, je nachdem man mit Kulturen in Bouillon oder in Agar experimentierte. au ar Kultu Ba, | | zan Ai Minuten APReluge h 2 | 3 | 5 |10|15|20 | 25 | 30 | 35 | 40 | 45 | I 620 Bouillon er _- 62° Agar —|— | — = 60° Bouillon +/+|1+|=- | —- | — 60° Agar I+/1+|1|+1-|1—- | — 58° Bouillon | Ii+4+1 1 | — 58° Agar I|+I1-|1-|1-, 57° Bouillon | '+t+|1|-|1-1-— li Agar | | a ee 15 55° Bouillon ı+I+1I1+|1- | — 55° Agar + +1 +1 | — 50° Bouillon +17 I|+1-1|1-|-|— 50° Agar | '+!+!+1+1-1-|1-— 45° Bouillon | | + /’+| +1 —- | —1- 1- —_ 45° Agar Pr er Eee Das Zeichen + bezeichnet positive Kulturen : 3 e h4 ümmerliche ,, - es — ne negative > Erste Abt. XXXl. Bd, 46 706 Raffaele Onorato, Dieses einfache Vorgehen versichert mich, daß in den Probiergläschen die gleiche Temperatur herrschte, die auf dem Thermometer abzulesen war. Damit die erhöhte Temperatur nicht weiter auf die Bacillen ein- wirkt, ließ ich, als die Zeit des Experimentes verflossen, die Kulturen unter einem Wasserstrahl abkühlen; dann brachte ich davon in Blut- bouillon und Blutagar und setzte von diesen und jenen in den Thermo- staten ein bei 37°, um dann seiner Zeit deren Entwickelung zu beob- achten. Um diese Resultate zu kontrollieren, änderte ich die Experimente in folgendem Sinne ab: Von Kulturen von 24 Stunden auf Blutagar präpariert nahm ich die Kolonieen ab und emulsionierte sie in Bouillon. In sterilisierte Reagenzgläschen brachte ich 1 ccm dieser Emulsion und in andere Probiergläschen goß ich 1 cem der Kulturen in Blutbouillon. Dann unterwarf ich sie der Hitze und erhielt gleiche Resultate wie die vorhergehenden. Temperatur ne Zeit, in Minuten ausgedrückt eine in Bouillon | 2 | 3 | 5 | 10 | 15 | 20 | 25 | 30 | 85 | 40 | 45 62° Kultur — | — | 62° Emulsion —_ | 60° Kultur + ++ —- | — | ur 60° Emulsion + 2 IE ee 58° Kultur +|— | — | En 58° Emulsion +|- || — 00% Kultur ide SG AR D7° Emulsion | +, be ge) 55° Kultur u | Kor Pre 90, Emulsion + Fi ie 50° Kultur 4 | + RER 50° Emulsion + +. STE 45° Kultur | + Alle ee er 45° Emulsion +|+/| + 1-1 —- | —- | — | — Um mit Wasserdampf zu experimentieren, bestrich ich Scheibchen von entfetteter und sterilisierter Seide, und um das Austrocknen zu verhindern, setzte ich sie bald für eine bestimmte Zeit dem strömenden Wasserdampfe aus. Darauf schwenkte ich die Scheibchen sogleich in der Luft, um sie rasch abzukühlen, und brachte dann einige in Reagenz- gläschen mit Bouillon und von anderen machte ich Strichkulturen auf Agar, welche ich dann im Thermostaten einer Temperatur von 37° aus- setzte. Vom 2. bis zum 8. Tage täglich beobachtet, gaben sie kein Zeichen von Entwickelung, wie aus folgender Tabelle ersichtlich ist: Zeit in Sekunden Kult | ulturen in 20 | 25 | 30 | 35 | 40 | 45 | 60 Bouillon — --/- =/=]= Agar — | -|-|-|-|— Kurze Zusammenfassung: Aus den mit dem Bacillus von Pfeiffer bei hohen Temperaturen gemachten Erfahrungen geht hervor, daß der Bacillus dem ausströmenden Wasserdampf und einer höheren Temperatur als 60° nicht widersteht und daß er die Fähigkeit, sich zu entwickeln, verliert, in einer Zeit, welche schwankt: Ol je >) ya [| Der Widerstand des Influenzabarillus gegen physische und chemische Mittel. 707 von 15—20 Minuten zwischen 58 und 60° „ 10-15 5 bei 57° „ 15—20 ar zwischen 50 und 55° „ 20-—25 ” bei 45° Tiefe Temperaturen. In sterilisierte Probiergläschen goß ich 1 ccm Kulturen in Blut- bouillon, welche ich in der Kältemischung auf das gleiche Niveau wie das Quecksilber des Thermometers einsenkte, letzteres in einem Probier- gläschen, das 1 cem Bouillon enthielt. Ich benutzte dieses Verfahren, um sicher zu sein, daß in dem Probiergläschen die gleiche Temperatur herrschte, wie sie das Thermometer angab. Tempe- Probiergläschen Zeit in Stunden raturen mit Kulturen in | !,, SA | 2 (2, 18 8,14 (47, 15 — 15° Blutbouillon +/1+|+|+ _ — | u 220° z ee a ee NET Dr Aus diesen Erfahrungen kann man ableiten, daß der Bacillus von Pfeiffer, wie alle anderen Mikroorganismen, eher den tiefen, als den hohen Temperaturen widersteht, und daß er die Eigenschaft, sich zu entwickeln, verliert: bei — 15° in 2—2'/, Stunden > 20° „ i—1'5 ” Sonnenlicht. Um die Experimente über den Widerstand des Influenzabacillus gegen das Sonnenlicht zu machen, suchte ich, soweit es mir möglich war, alle diejenigen Verhältnisse auszuschalten, die auf die Lebenskraft der Keime schädlich wirken. Zu diesem Zwecke bediente ich mich großer Probiergläschen, in die ich eine Armatur brachte, woran ich die Deckgläschen befestigen konnte. Unten ins Probiergläschen legte ich einen kleinen, in Wasser getränkten Baumwollball (um das Austrocknen zu verhindern) und dann sterilisierte ich den Apparat mit Dampf unter Druck. Nachdem ich mit Vorsicht die Armatur aus dem Probiergläschen herausgenommen hatte, goß ich in einer gleichförmigen Schicht auf jedes Gläschen einen Tropfen Kultur in Blutbouillon. Darauf wurde die Armatur wieder an ihren Platz gebracht, das Probiergläschen mit einem Baumwollpfropf verschlossen und dieses auf einem weißen Grund den direkten Strahlen der Sonne ausgesetzt. Ich präparierte 8 solcher Probier- gläschen: Zur Kontrolle setzte ich deren 4 dem Lichte aus und 4 hielt ich im Dunkeln. Um die Temperatur zu messen, setzte ich das Thermometer nicht direkt den Strahlen der Sonne aus, sondern brachte es in den gleichen Zustand wie die Deckgläschen, d. h. in ein großes Probiergläschen, auf dessen Boden in Wasser getränkte Baumwolle gebracht war. Während des Experimentes schwankte die Temperatur zwischen 34 und 38°. Zeit, in Stunden ausgedrückt A» In 12,3 3,4, 5 | 6 | 718 ee |--|-|- 708 Raffaele Onorato, Diese Tabelle zeigt, daß durch die Wirkung des direkten Sonnen- lichtes der Influenzabacillus seine Eigenschaft, sich zu entwickeln, nach 4 Stunden verliert. Austrocknen. Der Widerstand des Bacillus von Pfeiffer gegen das Austrocknen ist von großer Bedeutung, und deshalb studierte ich ihn auf verschiedene Weise und sorgfältig, um alle möglichen Irrtümer auszuschließen. 1. Methode. Nachdem ich sehr gewissenhaft kontrollierte Kulturen in Bouillon ausgewählt, befeuchtete ich damit entfettete und sterilisierte Seidenfäden, welche ich in sterilisierten Petri-Kapseln bei 37° trocknete. Dauer des Austrocknens. Zeit, in Stunden ausgedrückt 1 11%1.2 17% | ar. 1. 1-1-1- = = So Ich ließ andere in der angedeuteten Art befeuchtete Seidenfäden austrocknen, und zwar nicht bei 37°, sondern bei 20° und studierte deren Widerstand nach Stunden: "a + EIENIEIENEIERENENNN + be] [fe je Andere Fäden, wie die vorhergehenden behandelt, ließ ich im leeren Raume austrocknen unter einer Glasglocke und in Gegenwart einer hygroskopischen Substanz, für Stunden: RER: VEHEREN! ae Aus diesen Versuchen geht klar hervor, daß der Bacillus von Pfeiffer dem Austrocknen sehr wenig widersteht, und spezielldem schnellen. In der That verliert er im Vakuum die Fähigkeit, sich zu entwickeln nach !/, Stunde; bei 3-4:° in.11/, Stiınden; bei 292. in 21/, Drungsre 2. Methode. Nachdem ich 2 Tropfen Kulturen in Blutbouillon in sterilisierte Probiergläschen gethan, schwenkte ich letztere, um die Flüssigkeit auf dem Boden und der inneren Fläche des Röhrchens aus- zubreiten. Dann brachte ich sie in eine schiefe Stellung (fast hori- zontal), teils im Thermostaten auf 20 und 37°, teils unter einer Glocke, in der das Vakuum hergestellt wurde und wo gleichzeitig eine hygro- skopische Substanz war. Nach bestimmten Zeiten goß ich in die Probier- gläschen Blutbouillon, alle mögliche Vorsicht beobachtend, um Verun- reinigungen zu vermeiden; dann brachte ich sie in den Thermostaten bei 37° und beobachtete sie täglich vom 2. bis zum 8. Tage. Der Widerstand des Influenzabacillus gegen physische und chemische Mittel. 709 Zeit, in Stunden ausgedrückt Austrocknen | EAKAKAREEAR ZI ÄRNESE DER | bei 20° 2, | HH | + IH | X] URS ER 5 | eu bei 37° Et __ to. per rm im Vakuum Een Zen: — ih | Bien Die mit der 2. Methode erhaltenen Resultate, mit Ausnahme einiger leichten und unbemerkenswerten Differenzen, bestätigten die mit der 1. Methode erlangten, und versichern uns der Genauigkeit der Experimente. Chemische Mittel. Von den chemischen Mitteln habe ich diejenigen vorgezogen, die in der ärztlichen Praxis am gebräuchlichsten sind: Borsäure, Karbolsäure, Salicylsäure, Kaliumchlorat, Lysol, Silbernitrat, Resorcin, Quecksilber- bichlorar und auch Salzsäure, Salpetersäure, Schwefelsäure, Alkohol und Aetzkali. Ich untersuchte die bakterientötende Wirkung dieser Substanzen, indem ich zwei Methoden befolgte, von denen jede der anderen als Kon- trolle dienen kann. 1. Methode: Ich wandte 1 cm lange und !/, cm breite, entfettete und sterilisierte Seidenscheibchen an, die an einem ihrer Enden ausge- fasert waren. Ich steckte sie in eine Blutbouillonkultur von 20 Stunden, - die ich vorher untersucht hatte, um mich zu versichern, daß sie rein sei, und dann hielt ich dieselbe für die bestimmte Zeit in Berührung mit dem Desinfektionsmittel.e. Nachdem diese verflossen war, schwenkte ieh die Seidenscheibehen wiederholt in destilliertem und sterilisiertem Wasser, um eine weitere Wirkung der antiseptischen Flüssigkeit zu ver- hindern. Damit das Austrocknen den Keimen nicht schaden könne, brachte ich die Seidenscheibchen gleich darauf teils in Röhrchen mit Bouillon, teils auf Agar. Die Röhrchen wurden dann in den Thermo- staten gebracht bei 37°, um, wie gewöhnlich, die Entwickelung der _ De TE u ur es u 2 22 ee ee terre ee ı ee Keime zu beobachten. Das Sterilbleiben der Nährmittel konnte ich in diesem Falle auch beimessen: 1) der Manipulation in dem Sinne, daß die Scheibchen mehrere Male gewaschen, die Keime mechanisch weggetragen sein konnten. Um diese Zweifel zu beseitigen, machte ich folgende Probe: Ich infizierte Seidenscheibchen, ohne diese in die desinfizierende Flüssigkeit zu tauchen, und wusch sie mehrere Male in destilliertem und sterilisiertem Wasser. Wurden dieselben dann in Bouillon und Agar gebracht, so - zeigten sie eine fast ebenso starke Entwickelung, wie die Kontroll- kulturen. 2) der kleinen Quantität des Desinfektionsmittels, welches an den Scheibchen hängen blieb. Um diesen zweiten Zweifel zu beseitigen, brachte ich in Röhrchen mit Bouillon und Agar zwei Seidenscheibchen, eines infiziert, das andere steril, nachdem beide vorher für einige Zeit in die verschiedenen desinfizierenden Flüssig- keiten gehalten und nachher in destilliertem und sterilisiertem Wasser hin und her bewegt waren. Unter diesen Bedingungen war immer eine Entwickelung auf dem ersteren Scheibchen zu sehen. Daher ist die Unfruchtbarkeit der nährenden Mittel einzig und allein 710 Raffaele Onorato, dem Tod des Bacillus zuzuschreiben, bewirkt durch das Desinfektions- mittel und nicht durch etwas anderes!). Hier die Resultate der ersten Reihe von Untersuchungen: . be Gewöhnlicher Alkohol Aetzkali 2°/, | Da alle Desinfektionsmittel, mit Ausnahme der Borsäure, den Keim in einer einzigen Minute töten, prüfte ich eine Einwirkungsdauer von nur- wenigen Sekunden, wie aus der folgenden Tabelle zu sehen ist: Zeit in Minuten Bee: Desinfektionsmittel ER DD Borsäure 3°, Karbolsäure 1% ” 2 0 Jo sauer Salieylsäure 3 Vin Kaliumchlorat 1°/, Lysol 1°/, Silbernitrat 1°/,, Resorein 1°, Hetl, 0,5 oo Salzsäure 5 Pr Salpetersäure 5°/, Schwefelsäure 3 °/, FTereneAa er Pielar Beer. re FINE ee LE Zeit in Sekunden Dr Desinfektionsmittel Or a =>) Fi D =) DD Ol (6) >) Karbolsäure 1 o 2 of, sauer Salicylsäure En Kaliumchlorat 1°/, Lysol 1°), Silbernitrat 1°%/,, Resorein 1 "0 Hg0l, 0,5°/ Hecı: 0, 5 oy +05 HCl Salzsäure 5 m Salpetersäure 5°], Schwefelsäure 3°/, Gewöhnlicher Alkohol 75-grädiger ö ) ES BEN ” dd Bla ler + a are FATE DE EBEEE Easter Bares ee | | 5 | Aetzkali 2 08 | Ohne Bemerkungen zu dieser Tabelle zu machen‘ die keiner weiteren Erklärungen bedarf, gehe ich über zur 2. Methode: | Nachdem ich die Lösungen der Desinfektionsmittel mit doppeltem Titre, als wie ich experimentieren wollte, zubereitet hatte, mischte ich sie zu gleichen Teilen mit einer Kultur in Bouillon (so daß der Titre | der Lösung auf die Hälfte reduziert wurde). Nachdem die bestimmte Zeit verflossen war, führte ich einen Tropfen davon in ein Röhrchen über, das 10 cem destilliertes und sterilisiertes Wasser enthielt. Nach- I } j 1) Ich verstehe unter Tod des Bacillus den Verlust der Eigenschaft, sich zu ent- wickeln, wenn derselbe in seinem Leben und seiner Vermehrung günstige Verhält- nisse gebracht wird. j Der Widerstand des Influenzabaeillus gegen physische und chemische Mittel. 711 | dem ich die Flüssigkeit vorerst geschüttelt, führte ich davon einen ' Tropfen in ein zweites Röhrchen über und von diesem einen Tropfen in ein drittes. — Von der so verdünnten Substanz brachte ich auf Bouillon und auf Agar, um zu beobachten, ob eine Entwickelung ein- treten würde oder nicht. Diese Methode kann, wie die vorhergehende, zwei Uebelstände in sich schließen: Die äußerste Verdünnung der Keime und die kleine Quantität antiseptischer Substanz, welche unvermeidlich mitgeführt wird, können die Ursache der Unfruchtbarkeit der nährenden Mittel sein. — Um diesen Zweifeln klar gegenüberzustehen, verdünnte ich in der schon angedeuteten Art einen Tropfen Influenzakultur in Bouillon und einen Tropfen der verschiedenen Lösungen der gebrauchten Desinfek- tionsmittel. In einige Probiergläschen mit Bouillon und Agar brachte ich nur einen Tropfen der verdünnten Kultur, in andere hingegen ließ ich außer diesem noch einen Tropfen der verdünnten Lösungen der Des- infektionsmittel fallen. In den ersten Probiergläschen zeigte sich eine reguläre Entwicke- _ lung, in den zweiten war dieselbe eher verzögert. Das zeigt, daß das Verdünnen der Keime ihrem Keimen nicht schadet, während die desin- fizierende Substanz, wenn auch verdünnt, dasselbe verzögert. Das hin- . derte mich aber nicht, Untersuchungen anzustellen, jedoch mit der Vor- ‚sicht, den speziellen Verhältnissen genau Rechnung zu tragen bei der Kaliumchlorat 1°/, | Silbernitrat 1 ah | Heoı 05, ® u | | Beurteilung der Resultate. Mit der Borsäure konnte ich keine Lösungen mit doppeltem Titre, als wie ich experimentieren wollte, machen. Ich half mir damit, daß ich eine Lösung von 3!/, Proz. machte: Ich mischte 6 Teile der Säure mit 1 Teil von Bouillonkultur, und so reduzierte sich der Titre der Mischung auf 3 Proz. Die Resultate waren: Nach 1 Minute eine positve Entwickelung; nach 2 Minuten eine kümmerliche Entwickelung; nach 3—4—5 Minuten blieben die nährenden Mittel steril. Diese Resultate stimmen mit den bei der ersten Methode erlangten überein. Für die anderen Desinfektionsmittel bekam ich: Zeit in Sekunden Desinfektionsmittel | | Fe | [1 pa =’ fe © DS Qt co S Karbolsäure 1, 2 20), sauer Salieylsäure 2 AR Lysol 1°/, 0,5 054° Het En: 0 5 + 0,5, HC1 säure 5° ereküre‘ > Schwefelsäure 3°/, Gewöhnlicher Alkohol En gräliger 5 „ EEE Mb Du ca En + TEE I3 I FT PIERRE FA ERTIIRAIEIEFE ZEARZHESZIE NT gs |] — er Aetzkali 2°/, 118 Kornel Preisich und Paul Heim, Die mit den beiden Methoden erhaltenen Resultate vergleichend, sieht man, daß sie vollständig übereinstimmen. — Daß jetzt ip 3 Fällen eine kümmerliche Entwickelung eintrat, wo bei der ersten Methode die Entwickelung eine reguläre war, ist, wie schon gesagt, der Gegenwart von kleinen Quantitäten antiseptischer Flüssigkeit in den nährenden Mitteln beizumessen und auch der Thatsache, daß, wenn die bestimmte Zeit, während der man den Bacillus mit dem Desinfektionsmittel in Be- rührung haben wollte, verflossen war, es nicht, wie bei der ersten Methode, möglich war, augenblicklich eine weitere Einwirkung abzu- halten. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, daß der Bacillus von Pfeiffer die Eigenschaft, sich zu entwickeln, verliert, nachdem er ge- wesen ist: 2 Minuten in der Lösung von Borsäure von 3°), 10 Sekunden „ ,, ” „ Kaliumchlorat von 1°], x RD 5 „ Karbolsäure von 1°), 5 u Js ” „ Salicylsäure von 307, Silbernitrat von 1°/,, „» „ Quecksilberchlorit von 0,5 /oo- F 50- -grädigem Alkohol und daß er nicht widersteht: Karbolsäure in Lösung von 2°/, IND] Geb eb in er ” 2) 2) ” 291, sauer Lysol „ „ ” 4 =, Resorcin a 4 irren, Hs0l, 1) ” „ 0,5 °/oo + 05 oo HCl Salzsäure R R\ RER | Salpetersäure ‚, Y iu], Schwefelsäure ‚, er il Aetzkali Fa u gewöhnlichem "Alkohol 75-grädigem n Nachdruck verboten. Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion '). [Mitteilung aus dem Laboratorium des Stephanie-Kinderspitals in Budapest (Direktor des Spitals: Prof. Dr. Joh. v. Bökay).] Von Dr. Kornel Preisich und Dr. Paul Heim, Ordinarius im Stephaniespitale und Primarius im Spitale der Barmherzigen Vorstand d. Laborat., Emeritierteram in Budapest. pathol.-anat. Instit. (Prof. Pertik). In der Diagnostik der Tuberkulose hat das Tuberkulin eine wichtige Rolle erlangt, man kann sagen, allgemeine Anwendung gefunden. Das Tuberkulin wird aus der Glycerinbouillonkultur des Tuberkelbacillus in der Weise gewonnen, daß die Bacillen durch Hitze abgetötet und mittels Filtrierung entfernt werden und die Flüssigkeit sodann auf ein Zehntel ° ihres Volumens abgedämpft wird. Diese nunmehr 50-proz. Glycerin- bouillon ist die Stammlösung, das sogenannte Original-Koch’sche Tuber- kulin. 1) Vortrag, gehalten am 1. März im kgl. Aerzteverein in Budapest. ne Zu ul a an in a Anden aa ne Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 713 Das zu klinischen Zwecken dienende Tuberkulin wird durch 100- fache Verdünnung des Originaltuberkulins zubereitet. Anfänglich wurde von dieser verdünnten Flüssigkeit eine halbe bis ganze Pravaz-Spritze voll unter die Haut gespritzt, was 5 mg bis 1 cg entspricht. Heute begnügt man sich mit viel kleineren Dosen, !/,„—!/, cem, obgleich auch bei den obenerwähnten größeren Dosen, deren Wirkung jedenfalls viel mehr sicher war, unvorherzusehende Unfälle nicht häufiger waren als gegenwärtig. Das Wesen der zu diagnostischen Zwecken dienenden Tuberkulin- reaktion besteht darin, daß das Tuberkulin schon bei ganz minimalen Dosen bei tuberkulösen Individuen eine ganz erhebliche Temperatur- steigerung hervorruft und um die kranken Teile herum Hyperämie und Anschwellung verursacht, während gesunde Individuen selbst größere Dosen vertragen, ohne daß sich bei ihnen besondere Symptome oder Veränderungen einstellen. Diese Eigentümlichkeit des Tuberkulins war Grund genug, es als einen spezifischen Stoff zu betrachten, welcher geeignet ist, im tuberku- lösen Organismus eine spezifische Veränderung hervorzurufen. Zur Er- klärung dieser spezifischen Veränderung, ganz besonders aber zur Erklärung des Fiebers wurden die mannigfaltigsten Nachforschungen angestellt, ohne daß sie zu einem positiven Resultate geführt hätten, wohl aber zur Aufstellung einer ganzen Reihe von Theorieen führten. Unseren Zwecken wird eine kurze Erörterung dieser Theorieen ge- nügen. Koch ist bestrebt, die Wirkung des Tuberkulins mit der von Babes als additional bezeichneten Theorie zu erklären. Koch nimmt an, daß der Tuberkelbacillus im Organismus ebenso wie in der Kultur gewisse Stoffe produziert, deren einer, auf das umgebende Gewebe wirkend, eine Koagulationsnekrose verursacht. Das nekrotisierte Protoplasma wieder wirkt zurück auf die Bacillen, wodurch diese zum Teil absterben, zum Teil aber ihre Vermehrungsfähigkeit verlieren. Durch die Tuberkulininjektion vermehrt sich der nekrotisierende Stoff, die Lebensbedingungen der Bacillen verschlechtern sich, und das Tuber- kulin bringt einen, den ganzen Organismus berührenden Prozeß in Gang. Das Wesen des nekrotisierenden Stoffes hält Koch für ein Eiweißderivat, welches, obzwar den Toxalbuminen nahestehend, mit diesen doch nicht identisch ist, weil es durch Hitze seine Wirksam- keit verliert und im Dialysator leicht und schnell durch die Mem- bran geht. Baumgarten und Charrin schließen sich im wesentlichen dieser Theorie Koch’s an. Gamaleia ist der Ansicht, daß die von den Produkten des Tuberkelbaeillus imprägnierten Gewebezellen unter der Einwirkung des Tuberkulins zerfallen, oder wenn dieser Zerfall schon früher begonnen hat, derselbe beschleunigt wird, wodurch die Produkte der Bacillen frei werden und entzündliche Reizungen und Exsudate verursachen. Arloing’s Theorie kann ebenfalls als additional bezeichnet werden. Seiner Ansicht nach gelangen die im tuberkulösen Herde sich bildenden Produkte abgeschwächt in die anderen Teile des Organismus; das inji- zierte Tuberkulin rekonstruiert dann die ursprüngliche Wirksamkeit dieser abgeschwächten Produkte. Buchner erklärt die lokale Reaktion des Tuberkulins mit dessen 714 Kornel Preisich und Paul Heim, entzündungserregender Eigenschaft, wobei er zugleich annimmt, daß tuberkulöse Individuen sich in einem eigentümlichen geschwächten Zu- stande, d. h. im labilen Gleichgewichte und latenter Irritation befinden, weshalb bei solchen Individuen verschiedene Stoffe leichter Fieber aus- lösen als bei gesunden Individuen. Eine ähnliche, das Wesen der Sache weniger berührende Erklärung giebt Hueppe, indem er annimmt, daß das Tuberkulin die Erscheinung formativer und nutritiver Reizungen hervorruft und steigert. Eber vergleicht die Tuberkulinreaktion mit der Malleinreaktion. Seiner Ansicht nach enthalten die Zellen eines tuberkulösen bezw. rotzigen Organismus eine gesteigerte physiologische Thätigkeit, wodurch das seiner Meinung nach toxigene Tuberkulin bezw. Mallein umgestaltet und ein pyrogener Stoff abgespalten wird. Eber konnte aber diese seine Theorie im Versuchswege nicht beweisen, er nimmt daher an, daß noch ein anderer spezifischer Stoff im tuberkulösen bezw. rotzigen Organismus vorhanden sein muß, welcher unter Einwirkung des Tuber- kulins bezw. Malleins die Temperaturerhöhung verursacht. Im gesunden Organismus fehlt dieser Stof. Dieses im Organismus sich bildende Tuberkulin, welches Eber Autotuberkulin benennt, unterscheidet sich wesentlich von dem künstlichen Tuberkulin. Das Autotuberkulin wird durch die gesteigerte Zellenthätigkeit leicht in einen pyrogenen Stoff umgewandelt. Die Injizierung des künstlichen Tuberkulins bringt diese Umwandlung in Fluß. Der pyrogene Stoff, oder, wie Eber ihn nennt, das Tuberkulopyrin, bildet sich aber nur so lange, als Autotuber- kulin im Organismus vorhanden ist. Hierin ist der Grund der schein- baren Angewöhnung des Tuberkulins zu suchen. Babes-Kalindero und Babes-Proca sind der Ansicht, daß das Tuberkulin in der Weise eines Fermentes wirkt und die bakteriecide Fähigkeit des Organismus vermehrt. Aus den abgetöteten Bacillen des tuberkulösen Herdes werden fiebererregende Stoffe befreit, welche aber nicht allein von den abgetöteten Baecillen herrühren, sondern auch von dem tuberkulösen Gewebe, welches mit solchen Stoffen imprägniert ist. Hierin sei der Grund zu suchen, daß das Tuberkulin eine starke Reaktion hervorruft, wenn ein auch nur ganz wenige Bacillen enthalten- der tuberkulöser Herd vorhanden ist. Der wesentliche Unterschied zwischen der Theorie Babes’ und der Eber’s besteht darin, daß Babes dem Tuberkulin als Ferment bezw. als Diastase oder Enzym jene Fähigkeit zuspricht, weiche Eber den Zellen des Organismus zu- schreibt. Babes und Kalindero sehen im Tuberkulin kein Speci- fiecum; ihrer Meinung nach kommt dem Krankheitsherde größere Be- deutung zu, weil dort nicht nur spezifische Bakterien, sondern auch von diesen Bakterien produzierte spezifische Stoffe sind, welche durch ge- wisse Fermente, z. B. auch durch Tuberkulin, in leicht lösliche, fieber- erregende Stoffe verwandelt werden. Die durch das Tuberkulin in Gang gebrachte Gärung wird um so stärker sein, je mehr umzuwandelnder tuberkulöser Stoff im Organismus angehäuft war. Matthes erklärt die Tuberkulinreaktion auf Grund seiner For- schungen auf folgende Weise: Die Albumose verursacht bei gesunden Tieren, in großen Dosen gegeben, Fieber, bei tuberkulösen Tieren tritt diese Wirkung aber schon bei kleinen Dosen ein. Das Tuberkulin ent- hält den Albumosen chemisch ähnliche Stoffe und auch im tuberkulösen Krankheitsherde befinden sich Albumosen. Wenn nun in den Organis- Be Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 715 mus eingeführte Albumosestoffe mit anderen solchen Stoffen zusammen- treffen, verursachen sie Hyperämie, welche zur Auswaschung der im tuberkulösen Krankheitsherde befindlichen, leicht löslichen Albumosen führt; und wenn diese in entsprechender Menge in die Cirkulation ge- langen, tritt das Fieber ein. Es kann daher schon eine kleine Dosis Tuberkulin genügen, um ein starkes Fieber auszulösen. — Die Ange- wöhnung des Tuberkulins erklärt Matthes auf dieselbe Weise wie Eber; nur daß nach ihm nicht das Autotuberkulin, sondern die albu- mosen Stoffe erschöpft werden. Aus jeder dieser mit dem Wesen der Tuberkulinreaktion sich ein- gehend befassenden Theorieen geht hervor, daß ein jeder der genannten Forscher die Tuberkulinreaktion irgend einem Stoffe zuschreibt. Nach der Meinung des einen Teiles dieser Forscher ist dieser Stoff im Ba- ceillus selbst enthalten, wird aber erst unter Einwirkung des Tuberkulins frei und kann nur so seine Wirkung entfalten. Nach dem anderen Teile der Forscher produziert der Tuberkelbacillus im Organismus einen Stoff, ' welcher sich unter der Einwirkung des Tuberkulins zum fiebererregen- den Stoffe umwandelt. Eber spricht sich über den Ursprung des Auto- tuberkulins nicht aus. Matthes, der als der Mitarbeiter Eber’s be- trachtet werden kann, sucht den Ursprung der Albumosen, welche er geneigt ist, mit dem Eber’schen Autotuberkulin zu identifizieren, in dem käsigen tuberkulösen Herde. Bei der Nachforschung über das Wesen der Tuberkulinreaktion müssen auch noch andere Daten der Litteratur in Betracht genommen werden. Diese beziehen sich einesteils auf die verschiedenen Krank- heitsformen, bei welchen Tuberkulinreaktion beobachtet worden war, anderenteils aber auf die Erfahrungen und Untersuchungen, welche dar- gethan haben, daß tuberkulöse Individuen nicht nur auf Tuberkulin, sondern auch auf andere, vom Tuberkulin weit entfernte, chemisch ganz verschiedene Stoffe mit Fieber reagieren. Endlich ist auch noch die Thatsache zu berühren, die noch Jeder erfahren hat, der sich der Tuberkulininjektion zu diagnostischen Zwecken bedient hat, daß der Fiebergrad der Reaktion ein sehr verschiedener ist. Die Höhe des Fiebers ist oft nicht in Uebereinstimmung zu bringen mit der Schwere und der Ausdehnung des Krankheitsprozesses. Aus unseren eigenen Erfahrungen können wir anführen, daß skrofulöse Personen, bei welchen die Tuberkulose auf physikalischem Wege gar nicht nachweisbar war, auf Tuberkulininjektion oft mit sehr hohem Fieber reagierten, während bei anderen Personen, bei welchen die Tuberkulose auf physikalischem Wege unzweideutig nachweisbar war, und deren Kräftezustand noch ziemlich gut war, auf Tuberkulininjektion eine so geringe Erhöhung der Temperatur eintrat, daß sie ohne Skrupel kaum als eine wirkliche Tu- berkulinreaktion angenommen werden konnte. Natürlich muß von jenen Fällen abgesehen werden, in welchen die Tuberkulinreaktion wegen gänzlicher Erschöpfung der Patienten ausbleibt. Bevor wir uns mit den obenerwähnten Daten der Litteratur be fassen, müssen wir noch ein paar Worte den Erörterungen widmen, welche Temperaturerhöhung die einzelnen Forscher als eine Tuberkulin- reaktion erachten. Koch findet schon eine Reaktion, wenn die Temperatur 38° über- steigt. Vogel begnügt sich mit einer Temperatur von 37,6° unter der Bedingung, daß sich hernach ein Sinken der Temperatur einstellt. 716 Kornel Preisich und Paul Heim, Östertag findet nur dann eine Reaktion, wenn die Temperatur über 59,5° steigt und wenn sie nach der Injektion mindestens um 0,5° höher war als vor der Injektion. Hutyra hält die Erhöhung der Temperatur um 1,4° wenn die Reaktion nicht ein Fieber von über 39,5° verursacht hat und nicht von einer organischen Reaktion begleitet war, für kein positives Ergebnis. Nocard hält nur eine Temperaturerhöhung von 1,9° und darüber für eine Reaktion, während Kasparek sich mit einer solchen von 1,2° begnügt. Wie man sieht, sind die Ansichten der einzelnen Autoren über diese Frage sehr weit auseinandergehend. Diese große Meinungsver- schiedenheit ist in den obenerwähnten klinischen Wahrnehmungen zu suchen, welche häufig durch Autopsie bestätigt werden. Wir gehen nun zur Erörterung jener Fälle über, in welchen eine Tuberkulinreaktion eintrat, ohne daß das Individuum tuberkulös gewesen wäre: Billroth erwähnt Aktinomykose, Strauss und Teisier Sy- philis und Lepra; Babes und Kalindero beobachteten ebenfalls bei Lepra eine Tuberkulinreaktion, obzwar sich der Typus des Fiebers von jenem, welcher bei der Tuberkulose auftritt, unterschied; öfters war das Fieber stärker und anhaltender; Kasparek hat bei Tieren, welche durch Diphtherietoxin oder sonstwie geschwächt waren, Tuberkulinreaktion her- vorgerufen; Naunyn zweifelt nicht, daß auch solche Individuen, welche nicht tuberkulös sind, auf Tuberkulin reagieren können; Renvers er- wähnt, daß ein an Pyelonephritis calculosa leidender Patient auf eine Tuberkulininjektion von nur 0,005 g mit einem 40,6-gradigen Fieber reagierte; ja er mußte in diesem Falle sogar an eine lokale Reaktion denken, weil nach der Tuberkulinreaktion bei der Perkussion unter der rechten Clavicula der Ton abgeschwächt, die Atmung stärker vesikulär, und vermischt feuchte und trockene Rasselgeräusche vernehmbar wurden, auch Husten mit schleimigem Auswurf eintrat; alle diese Symptome ° haben sich dann in 2 Tagen zurückgebildet. Bei der später erfolgten Obduktion war nirgends auch nur eine Spur von Tuberkulose aufzu- finden. Ueber einen ähnlichen Fall berichtet H. Benedikt. Maydl u. A. erwähnen ebenfalls Fälle, in welchen nach einer Injektion von 1—2 mg Tuberkulin bei ganz gesunden Individuen eine typische Reak- tion eingetreten ist. Noch zahlreicher sind die Beobachtungen, welche darthun, daß bei tuberkulösen Individuen durch Injektion der verschiedenartigsten Stoffe ‘eine typische Tuberkulinreaktion hervorgerufen werden kann. Babes, Metschnikoff, Buchner, Bouchard, Charrin u. A. haben nachgewiesen, daß die Produkte der verschiedenartigsten Bakterien, so des Pyocyaneus, der Rotzkrankheit, dem Friedländer’schen Ba- cillus, des Vibrio avicide Metschnikoffii, auf tuberkulöse Tiere ebenso wirken wie Tuberkulin. Eber konnte mit Eserin, Physostigmin, Pilokarpin bei tuberkulösen Kühen Temperaturerhöhungen hervorrufen. G. See hat nachgewiesen, daß 2—3 g Nuklein (phosphorsaures Protein) bei gesunden Menschen unschädlich sind, während es bei tuberkulösen Individuen 2—3 Tage anhaltendes 40-grädiges Fieber hervorruft. Hocha- czewsky konnte die fieberhafte Reaktion auch dann hervorrufen, wenn E er das Nuklein innerlich verabreichen ließ. Mourek und Janowszky E versuchten das Nuklein wegen seiner Fähigkeit, eine fieberhafte Reaktion hervorzurufen, zur Heilung des Lupus anzuwenden. Lenoir gelang es, aus dem Urin tuberkulöser Individuen einen solchen Stoff herzu- stellen, welcher eine ganz gleiche Reaktion hervorruft, wie das Tuber- R Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 717 kulin. Die Untersuchungen Binet’s bestätigten die Erfahrungen Le- noir’s. Daremberg hat mit Säften normaler Tiere: mit Hodensaft, Blutserum bei tuberkulösen Tieren Reaktion hervorgerufen. Auch wir haben in dieser Richtung Versuche angestellt und gefunden, daß das Blutserum sowohl gesunder als tuberkulöser Individuen eine positive Reaktion auslöst. Matthes hat von der Deuteroalbumose nachgewiesen, daß sie, bei tuberkulösen Individuen subkutan angewendet, in ganz geringen Dosen, welche bei gesunden Individuen unwirksam bleiben, Fieber verursacht. Hutinel konnte mit einer 0,7-proz. Kochsalzlösung eine der Tuber- kulinreaktion ähnliche Reaktion hervorrufen. Er ist, und mit Recht, der Ansicht, daß auch das Blutserum der verschiedenen Tiere von toxi- scher Wirkung ist. Die Untersuchungen Amat’s bestätigen diese An- sicht Hutinel’s. Salter erlangte mit dem Schweiße phthisischer Personen eine der Tuberkulinreaktion ähnliche Reaktion, woraus er dann, ganz unrichtig, den Schluß zog, daß mit dem Schweiße tuberkulöser Personen Tuberkulin den Organismus verläßt, daher es schädlich sei, bei tuberkulösen Personen das Schwitzen zu verhindern. Ledoux- Lebard fand, daß auch kulturfreie Bouillon in verhältnismäßig geringer Dosis (1 cem) tuberkulösen Tieren injiziert, von fiebererregender Wirkung sei. Er hält es daher nicht für richtig, dem vom Tuberkelbaeillus pro- duzierten Stoffe eine besondere fiebererregende Wirkung zuzuschreiben. Wenn man nun die hier vorgeführten Daten aufs neue überblickt, wird man zu der Ueberzeugung gelangen, daß die Nachforschungen über das Wesen der Tuberkulinreaktion nur zur Aufstellung zweifelhafter Hypothesen führten. Auf die Begründung dieser unserer Bemerkung werden wir später noch zurückkommen. Die klinischen und sonstigen Erfahrungen sind mit den aufgestellten Theorieen häufig nicht in Ein- klang zu bringen und müssen den aufmerksamen Beobachter zu Zweifeln über das Specificum der Reaktion und des die Reaktion erregenden Tuberkulins anregen. Einerseits ist erwiesen, daß tuberkulöse Indivi- duen nicht nur auf Tuberkulin, sondern auch auf andere Stoffe rea- gieren, daher nicht das Tuberkulin der Stoff ist, in welchem das Wesen ‚der Reaktion zu suchen ist; andererseits ruft das Tuberkulin auch bei anderen Krankheiten eine Reaktion hervor; es bedarf also gar nicht eines tuberkulösen Herdes, damit die Reaktion entstehe. Bei diesem Stande der Dinge waren wir, als wir unsere Versuche begannen, um auch unsererseits nach unseren Kräften zur Klärung dieser Frage beizutragen. Zunächst stellten wir uns zum Ziele, festzu- setzen, ob es, wenn es sich um Tuberkulose handelt, zum Zustande- kommen der Tuberkulinreaktion einer solchen tuberkulösen Veränderung bedarf, welche mikroskopisch nachweisbar ist; dann wollten wir wissen, ob hierzu die im Organismus gebildeten Produkte des Tuberkelbacillus notwendig seien, oder ob vielleicht ein anderer, unter deren Einwirkung gebildeter Stoff mit dem Tuberkulin die Reaktion gebe. Den einen Teil dieser Aufgabe suchten wir auf die Weise zu lösen, daß wir Collodiumsäckchen mit Tuberkelbacillen oder tuberkulösem Ge- webe in die Bauchhöhle der Versuchstiere einnähten. Bekanntlich lassen Collodiumsäckchen die Bacillen selbst nicht durch, wohl aber die Flüs- sigkeit, welche die Produkte der Bacillen enthält. Nun forschten wir nach, ob mit Tuberkulin eine Reaktion eintritt und nach welchem Zeit- verlaufe. Die hier folgende Tabelle giebt Aufschluß über das Resultat unserer Versuche. Kornel Preisich und Paul Heim, 118 rn u Fe a ee ET a u „ETrAyNguyoru [uf | un Tı Haıgnoa IB] tuasoIp uy 3 78€ XI II'p ypeu "dur, e9sqgoop|sseggunoa "XI TI | 3 088 'IIIA 'rej’00‘6E "PIolup op doA we uonzofup oyamz 3 9c& 'IIIA '9I|T‘OFAyN Twyoeu [ug un 6 3 098 "IIIA "TIP ypeu "duo o9syooj|sSeygrunoa "ITA "TE | "SFeygiugoeu ITA '2L OSONYIOANT 9IMUYIS HUWWAS]LY 3 098 'IIA 'IEG6E "Poluf. 2p ıoA|we uomzolup oysım [38q| 9 „SGELyEuyDea {uf an OL "upyIOqnL uago1d [dB] mOsOIPp uR %990%H9|p yowu "dwa], oIsygooyy sFeyrwmaoa "XI "IT -Jdoyfppeug999s ru ‘ZI SIWTOASTDA 3 0286 "XI 'TI,0'68 Funydur 1op oA |we uonyolup yEaz "OSSENT UASISEN OUT UT 3 CST 'IIIA '9T.C'6E U L‘HE VOyosımz ayy) 6 'Mlınoa "ITA | "sFeygrwuypeu 'IIA "AI WMLIIFUISIT] TUE USQINOBSWNIPOJJON SEA 3 C8I 'IIIA "FLopgueagds angerwdwaL)‘sT we uorgyolup aysıq) seq °C 607 Auraynygı lug "PIIPIPA SOTNYIOANI Y184s uUMJUIWO ‘p yoeu dur] 99sy90H "9IHFUM ISSBA] ISBN „ggg uoryyoluf UP UT em UOTONORSsummpoo) Se! 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ZungonsrufN) uogosıdoys ae ER = En ee ROnaL2a0) EP ON > ; -1 1I 789 unYIOANT, 9 CZ0‘0 UOA| "SUHYONDBSUMTPOTJO om Mp pun uONNOg Ip stugasıy wop ne ne a eh ee run ie. ne TOLL fe} ‚uoTpo8dg — -PYIOANLL PA uOy2y9BsumıpoT[oy) I | | | er SUN. 9ıBasomydBu YosIdoys "3970793 958], wasaIp uy | | | EOS SUB) TISUTOS]. UT. "ZIN SUSI 3 IE 'IIIA '92 | | "uolygeoyg SUWM "701507 3 183 'IIIA ra For ayq I 'wyoeu SE -93 wmJuau() sep UB 9q9M9DOpuırg 3 cez "IIIA 'zI|Pyydeu "dwa]L 99sypoH ‚sögyyuwugdBu "IIA "LG syuunp ZUBd yYoımp UOTINOBSWNIPOTON 3 £08 'IIA '2206'8E uoyypluf op IoA “ıyN) 6'Y1waoa "IIIA al 0801 | "Fl „EITr ayn $ 'uyoeu u NE "1940993 95%], wOSOIP uy |TOygoeu "duo], 99syoop SdeyyımaoaA "XI II 3 028 XI IT01.6E uoyyoluf op ıoy\ we uongolu] oyonz R 3 0°8 'IIIA Fa%80r ayq C "wypeu auf) E 3 2<8 "TILA "31 yyosu duo 99sppoH zı SIeywm IITA | 'Sdeygrwgoeu "IIA "22 3 80a 3 098 'IIA "280868 uonoluf op IoA|'zI we uonyoluf ogsıy Toseq| el E 7990998 dd, wosoıp uy|',g‘Ir ay E "wypeu “ıyf) II | = 3 C9a "XI TI dwoLaIsypoy ygoen SSeyypiwioa "XI "TI | "Sdeygugosu "IIA "27 ir 3 061 "IIIA 78 1/68 uomNplu 1op1oA‘ we uornyolup AZ “uoppmoqunlodä]K) 5 3 603 'IIIA "FT08‘6E Ay E "wyoeu ayn zoad-g ur ‘anymy[oJ = 3 26T 'IIIA "zT 70yyoeu 'dwoL, 99sy2oH zT Sdeyıw IITIA -FONBM AU uofjoeq a "989A 3 GLT "IIA 22088 uonyoluf op AoA ZI we uorgyoluf 98a -PNIOqNL uoA uorspnwrg | "ZI En) | ‚soeyjrwydßu "IIA '6L) Pr 9SO]NNWANL 9UWUSO]LY "IIIA 'st we posj| 'yduno3 yyaru opany| Yydwums yyaru opın q pRsqd| "U © "UOTTOBIPENIOANL = uoA [gez odıgygu uoyoyoRg wT 080] [109093 o8e L wossıp uy , ioquL uoA [a7 any yosıdoysoayıu 3 213 'IIIA '98 5 gone yaIS u9SPAAD zIıpy pun wnYUaWO 3 068 "'IIIA ‘ve “For an I YuBdil) 9EWION "UONNBOY vum 3 06% "IIIA 'FIlwyoeu uonyoluf OP - 3 3180703 wnyuour) sBp U odoMme 3 083 'IIA 22 yeu yeodwa LsIspoH sorpylwydeu "TIA GT 5 pur Puunp qdınp usyaxogsumıpo][og) 3 00% "IA "820 1/68 uorgoluf op ao A ayn) 6 Mluaoa "IIA "TE 7s9Aq | OL söuprwuygoeu *IJTA '6T nn "IIA ’08 we pop) yduo3 gyoru opan A = RAT) 6 7940993 938], WOSIIP uy | 3 992 'TIIA '% | TARqnT yoıgqdreı ey 3 083 "IIIA '9I vG0Fr AU 2 -Ju9 UOggasıaaa yjpddo sep wm zyıp 3 228 'IIIA FI wydeu uoryoluf op YOYYOgOBUuD Asse 3 218 'IIA 22 yeu yeıodwoLIsy20H "sauypiwgowu "IJA '6L odısyy (ONIp Ur UOTONOySUmIPOLLO) SEC 3 608 "IIA 23]'00'68 uorpgoluf aop oA |Uyy) OT "WAoA "IIIA "2 ORT I 8 PAIOqnL o>sıdogsoagu pun -oayeuı "IIA_TE we 90H FORIyUNFwuydeu lu] umsoıp ur ‘uagadtum oqomodopuıg 3 29% 'IIA 22.Pp yoeu "dur [9980 "söuyruyouu IA ‘6 moxoıp U0A UsgSZOgswnipojjo) SB, 3 0,3 "IIA Aa: uonppfuf op oA ıy[{] 6 'MIWaoA "IA '08 „L3SOCL | 720 Kornel Preisich und Paul Heim, Auf 14 Meerschweinchen erstrekten sich demnach die Versuche, und zwar wurden 11 Versuchstieren tuberkulöse Gewebe, 3 aber Tuberkel- bacillenkultur in Collodiumsäckchen eingenäht. Drei Versuchstiere ver- endeten, ehe wir an ihnen eine Tuberkulininjektion vornehmen konnten. Außerdem wurden neun Versuchstiere tuberkulös, was nur so geschehen konnte, daß das Collodiumsäckchen entweder schon zur Zeit der Ein- nähung nicht ganz unversehrt war, oder aber nicht vollkommen ver- schossen war, oder auf irgend eine Weise in der Bauchhöhle verletzt wurde und den tuberkulösen Inhalt durchließ. Die Anfertigung der Collodiumsäckchen, ganz besonders aber ihre Anfüllung und richtige Verschließung ist eine schwierige und sehr heikle Aufgabe, welche außer- ordentliche Aufmerksamkeit und Vorsicht erfordert. Daß diese 9 Ver- suchstiere auf die nach einer gewissen Zeit erfolgte Tuberkulininjektion reagierten, ist natürlich und bedarf keiner Aufklärung. Nur bei 2 Versuchstieren war uns die programmmäßige Einnähung der Collodiumsäckchen vollkommen gelungen. In beiden Fällen wurden die Collodiumsäckchen beim Töten der Tiere ganz unversehrt gefunden, und waren die Tiere gesund verblieben. Bei der Sektion konnte keinerlei makroskopisch oder mikroskopisch wahrnehmbare Veränderung der Gewebe wahrgenommen werden. Und dennoch, als wir einem dieser Tiere (No. 10) 12 Tage nach der Einnähung des Collodiumsäckchens 0,025 g Tuberkulin injizierten, reagierte es darauf mit einem 40,3- gradigen Fieber bezw. mit einer Temperaturerhöhung von 12°. Auch das zweite Tier (No. 14) reagierte mit einem 40,4-gradigen Fieber bezw. einer Temperaturerhöhung von 1,5°, nachdem es 16 Tage nach der Einnähung des Collodiumsäckchens mit Tuberkulin geimpft worden war. Bevor wir uns in eine Würdigung dieses interessanten Befundes einlassen, müssen wir noch anführen, daß unsere Versuche auch darauf gerichtet waren, festzustellen, binnen welcher Zeit, vom Einnähen der Collodiumsäckchen an gerechnet, die Tuberkulinreaktion eintritt. Es zeigte sich nun, daß am 2. 4. bezw. 7. Tage (Versuchstiere No. 1, 2 und 5) noch keine Reaktion eintrat. Obgleich unter diesen Versuchs- tieren bei der Sektion 2 (No. 1 und 5) ausgesprochen tuberkulös be- funden wurden, glauben wir doch, auch diese 2 Fälle zu Folgerungen aus unseren Versuchen benutzen zu können, weil die eingenähten Col- lodiumsäckchen zur Zeit der Tuberkulininjektion noch unversehrt sein und virulente Bacillen enthalten mußten. Der Beweis für die erstere dieser unserer Annahme ist das negative Ausfallen der Tuberkulinreak- tion, denn wenn das Versuchstier schon damals infiziert gewesen wäre, hätte die Reaktion positiv sein müssen; die zweite Annahme wird durch den Umstand bewiesen, daß das später abgeschlachtete Versuchstier tuberkulös war. Bei dem Tier 4 dieser Versuchsreihe trat schon am 5. Tage die Tuberkulinreaktion ein. Als wir dann 3 Tage später das Tier abschlachteten, zeigte sich eine vorgeschrittene Tuberkulose, so daß mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die Infektion gleichzeitig mit der Einnähung des Collodiumsäckchens erfolgt sein muß, Wie nun zu ersehen ist, kann das Collodiumsäckchen mit tuberku- lösem Stoffe oder Tuberkelbacillen durch 7 Tage in der Bauchhöhle ver- bleiben, ohne im Organismus eine solche Veränderung zu verursachen, welche diesen unter Einwirkung des Tuberkulins zu einer Reaktion ver- anlaßt; nach 12 Tagen aber tritt die Reaktion ein (Versuchstier No. 10), | | | | | Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 721 ohne daß im Organismus auch nur eine Spur von Tuberkulose ge- funden werden kann. In dem Collodiumsäckchen des Versuchstieres No. 10 war tuberkulöses Gewebe, in jenem des Versuchstieres No. 14 dagegen waren Tuberkelbacillen enthalten. Das Ergebnis dieser Unter- suchung fördert die Kenntnis über das Wesen der Tuberkulinreaktion um einen Schritt weiter, denn es geht unzweifelhaft daraus hervor, daß zum Zustandekommen der Tuberkulinreaktion eine tuber- kulöse Veränderung des Gewebes nicht unumgänglich notwendig ist. Daß das andere Versuchstier (No. 10) dasselbe be- weist, obgleich in seinem Collodiumsäckchen käsiges tuberkulöses Ge- webe enthalten war, wird weiter unten noch aufgeklärt werden. Um den Organismus ohne eine tuberkulöse Veränderung des Ge- webes zu einer Tuberkulinreaktion zu veranlassen, mußte der Tuberkel- baecillus durch eine gewisse Zeit hindurch (in dem einen unserer Fälle durch 12 Tage) im Organismus verweilen. Was geschieht nun während dieser Zeit und unter den gegebenen Verhältnissen? Die Antwort darauf ist: Daß die Bacillen während ihrer Vermehrung oder ihres Ab- sterbens irgend einen Stoff liefern, welcher das Collodium diffundieren läßt und welcher entweder unmittelbar mit dem Tuberkulin die Reak- tion verursacht oder aber es entsteht unter der (gewiß toxischen) Ein- wirkung dieses bakteriellen Stoffes eine bisher unbekannte Veränderung in den Zellen des Organismus, welche denselben zur Tuberkulinreaktion befähigt. Die Richtigkeit dieser unserer aus dem dargestellten Sachver- halte notwendigerweise fließenden Folgerung glaubten wir auf experimen- tellem Wege nachweisen zu können, denn wenn dieser hypothetische Stoff, welcher bei der Tuberkulinreaktion eine Rolle spielt, in der einen oder anderen Gestalt wirklich existiert, so muß er, wenn er mit dem Tuberkulin gleichzeitig eingeimpft wird, bei dem gesunden Tiere eben- falls die Reaktion auslösen. Wir forschten nun nach diesem Stoffe auf diese Weise, daß wir gesunden Tieren der Reihe nach die verschiedenen Bestandteile tuber- kulöser Tiere: Organe, Blut und Blutserum, mit Tuberkulin zugleich einimpften. Das Ergebnis dieser Versuche ist in den hier folgenden Tabellen enthalten. | I. Die Wirkung des Tuberkulins auf das gesunde Kaninchen. 1 15. Mai |0,025 g Tuberkulin subkutan Die Temperatur schwankte nach- her zwischen 39,4 und 39,3° 2 15. ,„ |desgl. die Temperatur schwankte nach- her zwischen 39,4 und 39,6 ° 0,025 g von dem gebrauchten Tuberkulin trieb zu dieser Zeit die Temperatur eines seit 10 Tagen tuberkulösen Meerschweinchens von 39,5 auf 41,1°. II. Die Wirkung von tuberkulöser (käsiger) Drüsenmasse auf das gesunde Kaninchen. Intraperitoneal geimpft > Temperatur schwankte nach_ 3 16. Mai her zwischen 39,5 und 39,7°. III. Die Wirkung lebender Tuberkelbacillen auf das gesunde Kaninchen. En, 16. Mai |Intravenös geimpft Die Temperatur blieb nachher | zwischen 39,4 und 39,6° Erste Abt. XXXI. Bd. 47 733 Kornel Preisich und Paul Heim, IV. Die Wirkung von tnberkulöser Drüsenmasse und Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. 5 16. Mai |0,5 ccm Drüsenmasse + 0,025 gDie Temperatur stieg von 39,3 Tuberkulin subkutan nicht über 39,4° 6 15. , 10,5 cem Drüsenmasse intravenös die Temperatur stieg von 39,4 16. ,„ 10,025 g Tuberkulin intravenös nicht über 39,7 7 |.16. „ |0,5 ccm Drüsenmasse intraperitoneal'idie Temperatur stieg von 39,7 s. No. 3| 17. ,„ 10,025 g Tuberkulin subkutan nicht über 39,9° 8 15. , [0,5 ccm Drüsenmasse intravenös |die Temperatur schwankte nach- | 16. ,„ 10,025 g Tuberkulin intravenös her zwischen 39,7 und 39,5°. V. Die Wirkung lebender Tuberkelbacillen mit Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. 9 16. Mai |0,5 ccm Kulturemulsion + 0,025 g|Die Temperatur stieg von 39,6 | Tuberkulin subkutan nicht über 39,9 VI. Die Wirkung einer tuberkulösen Milz auf das gesunde Kaninchen. 10 21. Mai |0,5 cem Milzemulsion subkutan Die Temperatur stieg von 39,8 auf 40,0° 11 21, 5; „idesgl, die Temperatur schwankte nach- her zwischen 39,7 und 39,9° VII. Die Wirkung von tuberkulöser Milz und Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. | 12 21. Mai 0,5 ccm Milzemulsion + 0,025 g|Die Temperatur stieg von 39,7 0 Tuberkulin subkutan auf 40,2 +13 24. ,„, \desgl. die Temperatur stieg von 39,7 auf 40,1° ‚33'114 22. „0,025 g Tuberkulin subkutan die Temperatur stieg von 39,7 s.JN0.]10) | auf 40,25° ‘15 25. „ |desgl. die Temperatur schwankte nach- s.No.lil her zwischen 39,3 und 39,8 VIll. Die Wirkung von tuberkulöser Leber auf das gesunde Kaninchen. 16 21. Mai |0,5 ccm Leberemulsion subkutan |Die Temperatur schwankte nach- her zwischen 39,5, 39,1 u. 39,4° 17 24, „ *\desol die Temperatur schwankte nach- her zwischen 39,4 und 39,6 ° IX. Die Wirkung von tuberkulöser Leber und Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. 18 21. Mai |0,5 ccm Leberemulsion + 0,025 gDie Temperatur blieb nachher Tuberkulin subkutan auf 36,6—39,5 ° beschränkt 19 24. „. ‚desel. die Temperatur blieb nachher auf 39,6—39,8° beschränkt 20 22. „ |0,025 g Tuberkulin subkutan die Temperatur fiel von 38,5° s. No.i16 in 4 Stunden auf 37,7°, stieg nachher langsam auf 38,9° 21er | Zus en rdeel: die Temperatur schwankte nach- s. No. 17 - | her zwischen 39,5 u. 39,8° X. Die Wirkung der Hirnsubstanz eines tuberkulösen Meer- schweinchens auf das gesunde Kaninchen. 22 | 21. Mai |0,5 cem Hirnemulsion subkutan Die Temperatur schwankte nach- her zwischen 39,6—39,3—39,7° FEUER. ET EEE u iu Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 723 XI. Die Wirkung von Hirnsubstanz eines tuberkulösen Meer- schweinchens und von Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. 23 21. Mai |0,5 ccm Hirnemulsion + 0,025 g]Die Temperatur blieb zwischen Tuberkulin subkutan 39,7 u. 39,5° 24 22. „10,025 g Tuberkulin, subkutan die Temperatur blieb zwischen - 8. No.22 34.5 10989,.9° XI. Die Wirkung des Blutes, Serums oder Blutgerinnsels eines tuber- kulösen Meerschweinchens auf das gesunde Kaninchen. 25 12. Juni |l ccm Blut subkutan Die Temperatur stieg von 39,75 auf 40,1° 26 22. Mai 0,5 ccm Gerinnsel subkutan die Temperatur blieb zwischen 39,504 392° 27 22. „ |l cem Serum subkutan die Temperatur blieb zwischen 39;6 u, 39,2° 28 25. „ |desgl. die Temperatur blieb zwischen | sır u. 398" XIII. Die Wirkung des Blutserums eines tuberkulösen Meer- schweinchens und von Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. 29 23. Mai |/0,025 g Tuberkulin subkutan Die Temperatur stieg von 39,6 s. No.27 auf 40,2° 30 22. „ |lccm Serum + 0,025 g Tuberkulinidie Temperatur stieg von 39,5 subkutan auf 40,5° 3l 25. „ |desgl. die Temperatur stieg von 39,3 | auf 40,4° 32 25. „ |desgl. die Temperatur stieg von 39,1 auf 40,1° 33 12. Juni 1 ccm Blut + 0,025 g Tuberkulin/die Temperatur stieg von 39,55 subkutan auf 40,15° 34 12. „ |desgl. die Temperatur stieg von 39,55 auf 40,05° XIV. Die Wirkung des Blutserums des tuberkulösen Kindes auf das gesunde Kaninchen. 35 2. Juni /0,5 ccm Serum subkutan Die Temperatur blieb zwischen 39,4:u.395° 36 2. „ Idesgl. die Temperatur blieb zwischen 39,6 u. 40,0° 37 2. „ |desgl. desgl. XV. Die Wirkung des Blutserums vom tuberkulösen Kinde und des Tuberkulins auf das gesunde Kaninchen. Die Temperatur blieb zwischen 38 29. Mai |l ccm Serum von Meningitis + 0,025 g Tuberkulin subkutan 39,6 u. 39,4° 39 29. „ |l ccm Serum von Lungentuberku- die Temperatur stieg - von 39,0 lose + 0,025 g Tuberkulin sub-| nach 8 Stunden auf 40,3° kutan 40 29. „ |l cem Serum von Peritoneumtuber-|die Temperatur stieg von 39,1 kulose + 0,025 g Tuberkulin sub-| in 5 Stunden auf 40,1° kutan 41 30. „ |%/, cem Serum von Meningitis tuber-die Temperatur stieg von 39,3 kulosa + 0,025 g Tuberkulin sub-]| nach 7 Stunden auf 40,2° kutan 42 30. „ |l cem Serum von derselben Menin-die Temperatur blieb zwischen gitis wie No. 38 + 0,025 g Tu- 39,8 u. 39,2 berkulin subkutan Ar 124 Kornel Preisich und Paul Heim, 43 30. Mai |l ccm Serum von Caries der Meta-|die Temperatur blieb zwischen carpi + 0,025 g Tuberkulin sub-|ı 39,8 u. 39,4° kutan 44 3. Juni 0,025 g Tuberkulin subkutan die Temperatur blieb zwischen s. No.35 39,5 u. 39,0% 45 3. „.uıdesgl. die Temperatur blieb zwischen s. No. 36 39,6 u. 39,90 46 6. „ [0,3 cem Serum von Peritonitistuber- die Temperatur stieg von 39,0 kulosa + 0,025 g Tuberkulin sub-| in 7 Stunden auf 40,1° kutan 47 6. „ 0,5 ccm Serum von demselben Kran-die Temperatur blieb zwischen ken wie No. 44 + 0,025 Tuber-| 39,3 u. 39,5 kulin subkutan 48 6. „ |l ccm Serum von demselben Kran-die Temperatur blieb zwischen ken wie No. 45 + 0,025 Tuber-| 39,2 u. 39,9 kulin subkutan XVI. Die Wirkung des mit 0,7-proz. Kochsalzlösung verdünnten Serums vom tuberkulösen Kinde mit Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. Serum von Peritonitis mit 0,7-proz.|Die Temperatur stieg von 39,3 NaCl im Verhältnis 1:2 =1cem| in 5 Stunden auf 40,5 ° mit 0,025 g Tuberkulin subkutan 50 29. „ Serum von Caries (s. No. 44) mit/die Temperatur stieg von 39,7 0,7-proz. NaCl wie 1:2 = 1 ccm! in 5 Stunden auf 40,4° mit 0,025 g Tuberkulin subkutan 51 29. „ [Serum von Lungentuberkulose mit/die Temperatur stieg von 39,8 0,7-proz. NaCl wie 1:2 = 1ccm| in 5 Stunden auf 40,20 + 0,025 g Tuberkulin subkutan 49 29. Mai 52 DIL: Serum von Caries manus (s. No. 36)\die Temperatur stieg von 39,3 mit 0,7-proz. NaCl wie 1:2 =; in 4!/, Stunden auf 40,9 lccm + 0,025 g Tuberkulin subkut. 53 8. Juni |desgl. die Temperatur stieg von 39,1 nach 10 Stunden auf 40,15 ° 44,47) mit 0,7-proz.NaClwiel:2=| in 6 Stunden auf 402, in 7 lccm + 0,025 g Tuberkulin subkut.| Stunden auf 40,3 8. ,„ |Serum von Peritonitis tuberculosaldie Temperatur stieg von 39,1 mit 0,7-proz. NaCl wiel:2—=1ccem| in 8 Stunden auf 40,00 54 | 8 „ [Serum von Caries manus (s. No. 35,|die Temperatur stieg von 39,1 | + 0,025 g Tuberkulin subkutan XVI. Die Wirkung des Serums vom gesunden Kinde oder vom gesunden Meerschweinchen auf das gesunde Kaninchen. 56 2. Juni |0,5 com Serum vom gesunden Kinde/Die Temperatur blieb zwischen subkutan 39,3 u398 57 12. „ [0,5 ecm Serum vom gesunden Meer-|Idie Temperatur blieb zwischen schweinchen subkutan 39. 39% XVII Die Wirkung des Serums vom gesunden Meerschweinchen mit 0,7-proz. Kochsalzlösung wie 1:2 auf das gesunde Kaninchen. 58 14. Juni 11,5 com Serum + 0,7-proz. Koch-|Die Temperatur stieg von 39,2 salzlösung subkutan in 5 Stunden auf 39,9 a) 14. „ |desgl. die Temperatur blieb zwischen | 39, ur a a En a a a ml 44 el 2 u a Zn ULLI cn re a UELI ULLI m u u 0 Fl nn a 2 A A rn A FÜ Lu DB u u DE 0 u u Bd Don Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 125 XIX. Die Wirkung des gesunden Meerschweinchenserums mit Tuberkulin auf Bas u Kaninchen. & Tuber-Die Temperatur blieb zwischen "kulin subkutan 39,4 u. 39,7 0 61 30. „ |l cem Serum + 0,025 & Tuber-/die Temperatur blieb zwischen kulin subkutan | 39,7 u. 40,0% 62 12. Juni |desgl. die Temperatur stieg von 39,4 in 6 Stunden auf 40,25 die Temperatur stieg von 39,6 in 6 Stunden auf 40,7 ° 60 30. Mai 63 #, „ |desgl. XX. Die Wirkung des gesunden Kinderserums mit Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. 64 29. Mai 2 ccm Serum + 0,025 & Tuber-|Die Temperatur blieb zwischen kulin subkutan 39.2 u,.89,8° 65 6. Juni 05 ccm Serum + 0,025 g Tuber-die Temperatur blieb zwischen kulin subkutan 39.4.1.:89,79 66 - „0,5 cem Serum die Temperatur schwankte zwi- s. No. 56, 3. „0,025 g Tuberkulin schen 39,7—39,4—39,9 ° XXI Die Wirkung des mit 0,7-proz. Kochsalzlösung verdünnten Serums vom gesunden Kinde oder Meerschweinchen mit Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. 67 14. Juui |Serum vom Meerschweinchen + 0,7-|Die Temperatur stieg von 39,9 proz. NaCl wie 1:2 = 1,5 cem| in 3 Stunden auf 40,5 ° + 0,025 g Tuberkulin subkutan 68 14. „ |desgl. die Temperatur stieg von 39,4 in 3 Stunden auf 40,2 w 29. Mai |Serum vom gesunden Kinde + 0,7-/die Temperatur stieg von 39,85 proz. NaCl wie 1:2 = l1ccem +| in 5 Stunden auf 40,8° Fo 0,025 & Tuberkulin subkutan 8. Juni |desgl. die Temperatur stieg von 39,1 in 6 Stunden auf 40,2 XXIL Die Wirkung von 0,7-proz. Kochsalzlösung auf das gesunde Kaninchen. 71 30. Mai |l cem Lösung subkutan Die Temperatur blieb zwischen 39,7 u39;9° 12 2. Juni ‚0,5 cem Lösung subkutan die Temperatur blieb zwischen 39,1 u. 39,4 XXIH. Die Wirkung einer (0,7-proz. NaCl-Lösung mit Tuberkulin auf das gesunde Kaninchen. 73 29. Mai |l ccm 0,7-proz. NaCl-Lösung + Temperaturerhöhung nach 6 Stun- 0,025 g Tuberkulin subkutan den von 39,1 auf 39,85 ° 74 30. „ |1 cem 0,7-proz. NaCl-Lösung zu- Temperaturerhöhung nach 5 Stun- sammen mit 0,025 g Tuberkulin) den von 39,7 auf 40,1 subkutan 75 30. „ 0,3 cem 0,7-proz. NaCl-Lösung zu- Temperaturerhöhung nach 3 Stun- sammen mit 0,025 g Tuberkulin‘ den von 39.3 auf 40,1 subkutan 76 6. Juni 0,6 cem 0,7-proz. NaCl-Lösung zu- die Temperatur variierte zwischen sammen mit 0,025 g Tuberkulin) 39,2 u. 39,3 subkutan | 1726 Kornel Preisich und Paul Heim, 77 | 8. Juni " ccm 0,7-proz. NaCl-Lösung zu-|Temperaturerhöhung nach”? Stun- sammen mit 0,025 g Tuberkulin den von 38,8 auf 39,8° subkutan 78 2. „0,5 cem 0,7-pro. NaCl-Lösung siehe den Versuch No. 67 | 3, [0,25 g Tuberkulin subkutan die Temperatur variierte zwischen 39,4 u. 39,90 Ehe wir zur Erörterung dieser unserer Versuche schreiten, müssen wir ein paar Worte den Erfahrungen widmen, welche wir Gelegenheit hatten, bei diesen Versuchen zu machen und welche von allen Jenen zu berücksichtigen sind, welche Tierversuche mit Meerschweinchen oder Kaninchen anstellen und wünschen, daß ihre Ergebnisse einwandsfrei und vertrauenswürdig seien. Anfänglich benutzten wir zu unseren Ver- suchen Meerschweinchen. Im Verlaufe der Versuche mußten wir aber wahrnehmen, daß sich diese Tiere zu unseren Versuchen nicht ganz eignen, weil ihre Temperatur, selbst unter ganz normalen Verhältnissen, so hochgradigen Schwankungen unterliegt, daß nicht mit Gewißheit fest- zusetzen war, ob Temperaturerhöhungen von 0,5—0,7° den Eingriffen oder den Schwankungen zuzuschreiben sind. In der I. Versuchsreihe, in welcher die Temperatur 1,2—1,4° beträgt, waren diese Tiere noch zu gebrauchen. Bei unseren weiteren Untersuchungen, in welchen die Temperaturunterschiede sehr oft bedeutend geringer waren, mußten wir uns nach Tieren von mehr konstanter Temperatur umsehen, und wählten zu den weiteren Versuchen das Kaninchen. Wenngleich die Temperatur der Kaninchen viel beständiger ist als jene des Meerschweinchens, er- fordert doch die Bewertung des Ergebnisses große Vorsicht. Durch häufige Temperaturmessungen gewannen wir die Ueber- zeugung, daß die mittlere Temperatur gesunder Kaninchen unter ge- gebenen Verhältnissen zwischen 39,4 und 39,7° schwankte. Nach ab- wärts betrug das Minimum 39,1° und nur ganz ausnahmsweise konnten wir eine Temperatur von 39° wahrnehmen. Nach aufwärts war das Maximum unter normalen Verhältnissen 39,3%; ausnahmsweise erhob es sich auf 40° und nur an den heißesten Sommertageu konnten wir an solchen Kaninchen, welche in dem der Sonne sehr ausgesetzten Labora- torium gehalten waren, eine Temperatur von 40,1—40,15° wahrnehmen. Wir hielten daher unsere Versuchstiere in einem Keller, wo die Tem- peratur gleichmäßiger und kühler war, und auch hier hielten wir die Tiere in etwas engerem Verschlage, welcher eine freiere Bewegung nicht erlaubte, so daß eine durch gesteigerte Muskelthätigkeit hervorgerufene, auch nur einige Zehntel betragende Temperaturerhöhung nicht zu be- sorgen war. Wir konnten daher mit Recht eine Temperaturerhöhung von über 40,1° oder einen Temperaturunterschied von 1° vor und nach dem Eingriffe, oder wenn nach Verlauf einer gewissen Zeit neuerlich ein Sinken der Temperatur sich zeigte, denselben unseren Versuchen zuschreiben. Wir können auf die Besprechung der Ergebnisse unserer Versuche übergehen. Die I. Versuchsreihe überzeugte uns einesteils von der Wirksamkeit. des Tuberkulins, andererseits bewies sie uns, daß eine Dosis von 0,025 g. Tuberkulin für gesunde Tiere indifferent ist. In der II., III, IV. und V. Versuchsreihe injizierten wir dem einen Teile der Versuchstiere tuberkulösen Stoff, dem anderen Teile Tuberkel- N u ee ee ee ur Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 727 bacillen teils mit, teils ohne Tuberkulin, konnten aber in den ersten 24 Stunden nach der Injektion eine Temperaturveränderung nicht wahr- nehmen. Es kann daher der gewisse hypothetische Stoff, welcher mit Tuberkulin das Fieber verursacht, weder in den Bacillen noch in dem tuberkulösen Stoffe vorhanden sein, weil sonst eine fieberhafte Reaktion hätte eintreten müssen. Zugleich beweisen die Ergebnisse, daß die positive Tuberkulinreaktion unseres Versuchstieres No. 10 nicht durch den im Collodiumsäckchen befindlichen tuberkulösen Stoff als solchen verursacht worden sein konnte, und bestätigen aufs neue die dort ge- zogenen Folgerungen. Die Injektion von Milz-, Leber- oder Gehirnbestandteilen tuber- kulöser Tiere, gesunder Kaninchen verursacht für sich allein, wie die Versuchsreihe VI, VIII—X zeigen, in den der Injektion folgenden Stunden keine Veränderung. Als wir dann mit tuberkulösen Milzbestand- teilen zugleich Tuberkulin gesunden Kaninchen injizierten (Versuchs- reihe VII) trat zwar eine Temperaturerhöhung ein, und zwar bei einem Versuchstiere (No. 13) auf 40,1°, bei zweien (No. 12 und 14) auf 40,2 bezw. 40,25°; da aber der Temperaturunterschied vor und nach der Injektion im ganzen nur 0,4—0,55° betragen hat, der Eingriff aber als solcher nicht als indifferent betrachtet werden kann — erlangten wir doch unter 4 Versuchstieren bei 3 unmittelbar nach der Injektion eine ganz bedeutende Temperaturerhöhung — können wir die erwähnte geringe Temperaturerhöhung für eine ausgesprochene Tuberkulinreaktion nicht erachten. Als wir mit Tuberkulin zugleich tuberkulöse Stoffe oder Tu- berkelbaeillenkultur gesunden Tieren injizierten, zeigten sich in keinem einzigen Falle weder solche Temperaturunterschiede noch solche absolut hohe Temperaturen. Die Injektion von tuberkulösen Leberbestandteilen mit Tuberkulin zugleich (Versuchsreihe IX) beeinflußte bei 3 Versuchstieren die Tem- peratur überhaupt nicht, bei dem 4. aber (No. 20) stellte sich nach der Injektion nicht nur ein bedeutendes Sinken der Temperatur ein, sondern es zeigten sich auch andere sehr merkwürdige Symptome. Die Diurese steigerte sich sehr beträchtlich; nach jeder Temperaturmessung kam der Urin in reichen Strahlen ; die hinteren Füße waren stets feucht; es trat eine sehr. rasche Abmagerung des Tieres ein und nach 3 Tagen ver- endete es. Das Ergebnis der Sektion war negativ. Wir möchten hier bemerken, daß wir bei den Tuberkulininjektionen sehr häufig eine Steigerung der Diurese beobachten konnten, wenn auch nicht in dem Maße, wie bei dem oben erwähnten Versuchstier No. 20. Wir konnten aber dem Urine diesmal eine besondere Aufmerksamkeit nicht widmen; in einigen Fällen, als wir ihn nach Eiweiß untersuchten, erlangten wir ein positives Resultat. Obgleich diese Wahrnehmung aus dem Rahmen unserer gegenwärtigen Untersuchung fällt, glaubten wir doch sie kurz anführen zu sollen, weil Trousseau und Girolie schon früher auf die im Verlaufe der Tuberkulose auftretende Polyurie aufmerksam machten, und Chauffard im Bull. med. 1892. p. 1385 einen Fall von Nephritis mitteilt, welcher infolge Tuberkulinbehandlung auftrat und letal verlief. Chauffard stellte in dieser Richtung auch Tierversuche an und gelangte damit zu einem positiven Ergebnisse. In der X. und XI. Versuchsreihe injizierten wir gesunden Kanin- chen tuberkulöse Gehirnbestandteile, teils allein, teils zusammen mit 728 Kornel Preisich und Paul Heim, Tuberkulin, ohne auf diese Versuche Temperaturunterschiede zu er- langen. In der XII. Versuchsreihe untersuchten wir die Einwirkung des Blutes tuberkulöser Meerschweinchen auf gesunde Kaninchen, indem wir 0,5—1 cem solchen Blutes oder vielmehr Blutserums gesunden Kanin- chen injizierten. Die Temperatur der Versuchstiere bewegte sich auch nach der Injektion in normalen Grenzen. Als wir aber in der XIII. Ver- suchsreihe mit dem Blute tuberkulöser Meerschweinchen gleichzeitig oder kurz nachher gesunden Kaninchen Tuberkulin injizierten, fanden wir unter 6 Fällen in 4 Fällen (No. 29, 32, 33 und 34) eine ähnliche Tem- peraturerhöhung, wie sie sich bei der Injektion von Milz + Tuberkulin zeigte, nur daß sie etwas größer war (0,5, 0,6, 1%); in 2 Fällen aber (No. 30 und 31) erhob sich die Temperatur auf 40,4 bezw. 40,5° und war der Temperaturunterschied vor und nach der Injektion 1 bezw. 1,1°. Nach diesen Ergebnissen können wir das Blutserum tuberkulöser Tiere, wenn es mit Tuberkulin zugleich angewendet wird, nicht als indifferent für gesunde Kaninchen erklären. Nachdem in unseren sämtlichen Versuchen den Eingriffen eine ent- schiedene Temperaturerhöhung gefolgt war und in 2 Fällen die Tem- peraturerhöhung den an die Tuberkulinreaktion geknüpften Anforde- rungen entsprach, stellten wir die Versuche mit den sonstigen Organen tuberkulöser Tiere ein und gingen auf die Ausführung den vorherigen ähnlicher Versuche über mit dem Blute tuberkulöser Kinder. Wie die XIV. Versuchsreihe zeigt, ist eine Injektion von 0,5 cem Blutserum tuberkulöser Kinder (Beincaries, Peritonitis) in gesunde Ka- ninchen hinsichtlich der Temperatur wirkungslos, d. h. es verhält sich genau so, wie wir es von dem Blutserum tuberkulöser Meerschweinchen in der XII. Versuchsreihe nachgewiesen haben. Als wir dann das Blut solcher Patienten (XV. Versuchsreihe) zusammen mit Tuberkulin gesunden Kaninchen injizierten, so war das Ergebnis nicht so gleichförmig als in der XIII. Versuchsreihe. In den auf die Injektion folgenden Stunden trat unter 11 Fällen in 7 Fällen keine wesentliche Temperaturveränderung ein, und wenn auch der Temperaturunterschied ein ziemlich hoher war, bei No. 18 z. B. 0,7°, so überschritt die Temperatur doch niemals 39,9°. Noch ist zu bemerken, daß wir in 2 dieser Fälle das Blutserum eines und desselben an Meningitis leidenden Patienten, in 5 dieser Fälle aber das Blut von an Knochencaries leidenden Patienten benutzten. Unter den 7 Fällen injizierten wir in 2 Fällen 24 Stunden nach der Injektion des Blutserums Tuberkulin. In 4 Fällen (No. 30, 40, 41 und 46) trat eine solche Temperaturerhöhung ein, wie sie bei der XIII. Versuchs- reihe beobachtet wurde, und zwar war die Temperaturdifferenz bei dem Versuchstiere No. 30 1,5°, bei jenem No. 40 1°, bei No. 41 0,9° und bei No. 46 1,1°. Wir beschlossen, nun unsere Versuche in dieser Richtung fortzu- setzen. In der Ausführung machten wir jedoch ganz zufällig eine kleine Aenderung, in der Annahme, daß dadurch die Ergebnisse unserer Ver- suche nicht alteriert werden. Bis dahin entnahmen wir das benötigte Blut in der Weise, daß in die Fingerspitze der Patienten mit einer scharfen Lanzette gestochen wurde. Um nun nicht mehr Blut zu ent- nehmen, als unumgänglich nötig ist und um durch das Stocken des Blutes keine bedeutenderen Verluste zu erleiden, haben wir bei der | \ | | | Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 729 XVI. Versuchsreihe das Blut in einer 0,7-proz. Kochsalzlösung von l cem aufgefangen und gewannen auf diese Weise eine zur Injektion sehr ge- eignete Flüssigkeit, welche schon nach ein paar Stunden verwendbar war. Als wir nun mit diesem Blute und zugleich Tuberkulin Injek- tionen vornahmen, änderten sich die Ergebnisse in unerwarteter Weise. Bei allen 7 Tieren, bei welchen wir solche Injektionen vornahmen, stellte sich in den auf die Injektion folgenden Stunden eine entschiedene Tem- peraturerhöhung ein. Bemerkt zu werden verdient, daß wir bei einigen unserer Versuche mit dem Blute solcher Patienten arbeiteten (No. 50, 52, 53 und 54), mit deren Blute wir, als es nicht in Kochsalzlösung aufgefangen worden war, eine Reaktion nicht erlangten. Die Temperatur des Versuchstieres No. 45 z. B., welchem solches nicht in Kochsalzlösung aufgefangenes Blut + Tuberkulin injiziert worden war, schwankte zwischen 39,6 und 39,9°, während das Versuchstier No. 52, welchem das in Kochsalzlösung aufgefangene Blut desselben Patienten + Tu- berkulin injiziert worden war, darauf mit einer Temperaturerhöhung von 1,6° und einer absoluten Temperatur von 40,9° reagierte. Das Ergebnis dieser letzteren Versuche zusammenfassend, können wir sagen, daß das Blut tuberkulöser Meerschweinchen oder tuber- kulöser Kinder für sich allein gesunden Kaninchen injiziert, deren Tem- peratur in den auf die Injektion folgenden Stunden nicht beeinflußt. Das Blut tuberkulöser Meerschweinchen + Tuberkulin verursacht bei gesunden Kaninchen einige Temperaturerhöhung. Ebenso wirkt das Blut tuberkulöser Kinder + Tuberkulin, nur etwas weniger beständig. Beständiger und mehr ausgesprochener ist die Temperaturerhöhung dann, wenn das Blut in Kochsalzlösung aufgefangen worden war. Bei diesem Sachverhalte waren wir genötigt, mehrseitige Kontroll- versuche vorzunehmen. Insbesondere wollten wir feststellen, wie sich das Blut gesunder Meerschweinchen und gesunder Kinder verhält, wenn es für sich allein und wenn es mit Tuberkulin zugleich injiziert wird, und ob das Ergebnis sich ändert, wenn das gesunde Blut in Kochsalz- lösung aufgefangen worden und so —+ Tuberkulin gesunden Kaninchen injiziert wird, schließlich ob eine Kochsalzlösung für sich allein oder aber mit Tuberkulin zugleich, gesunden Kaninchen injiziert, deren Temperatur verändert. Das Ergebnis dieser Kontrollversuche ist in den Versuchsreihen XVIOI—XXII enthalten. Es geht daraus hervor, daß das Blutserum gesunder Meerschweinchen und gesunder Kinder für sich allein die Temperatur gesunder Kaninchen durchaus nicht beeinflußt (Versuchs- reihe XVII), d. i. es verhält sich ebenso wie das Blutserum tuber- kulöser Meerschweinchen oder’tuberkulöser Kinder. Als wir dann in der Kochsalzlösung aufgefangenes Blut gesunder Meerschweinchen ohne Tuberkulin gesunden Kaninchen injizierten, hob sich zwar die Tem- peratur der beiden Versuchstiere etwas, ohne aber die normalen Grenzen zu überschreiten. Dessenungeachtet können wir aber dieses Verhalten nicht für gleichgiltig erachten, weil die Temperatur der zu derselben Zeit gemessenen unverletzten Kontrolltiere von 0,3—0,4° niedriger war und weil bei unseren Versuchstieren 7 Stunden nach der Injektion eine entschiedene Temperaturverminderung eintrat. Bei der Fortsetzung unserer Versuche injizierten wir gesunden Ka- ninchen das Blutserum gesunder Meerschweinchen — Tuberkulin (Ver- 730 Kornel Preisich und Paul Heim, suchsreihe XIX). Unter 4 Versuchstieren blieb die Temperatur bei 2 in normalen Grenzen, bei den anderen 2 aber (No. 62 und 63) erhob sie sich über die Normalhöhe, und zwar bei dem einen mit einer Diffe- renz von 0,85 auf 40,25° bei dem anderen mit einer Differenz von 1,1 auf 40,7°. Als wir das Blutserum gesunder Kinder + Tuberkulin gesunden Kaninchen injizierten (Versuchsreihe XX) konnten wir keinerlei Temperaturerhöhung wahrnehmen. Wir injizierten dann (Versuchs- reihe XXI) gesunden Kaninchen das in Kochsalzlösung aufgefangene Blut gesunder Meerschweinchen und gesunder Kinder + Tuberkulin und erlangten in allen 4 Fällen eine ganz erhebliche Temperatur- erhöhung. Bei 2 dieser Versuchstiere war die absolute Temperatur 40,2°, bei 1 40,5° und bei 1 40,3° und die Wärmedifferenz 0,6 bezw. 0,3°, 0,95.und 1,1°. Es geht hieraus hervor, daß die Temperatur ge- sunder Kaninchen von dem auch ohne Kochsalzlösung aufgefangenen Blute gesunder Meerschweinchen + Tuberkulin beeinflußt wird; das Blut gesunder Kinder erlangt aber dieser Fähigkeit für beständig nur dann, wenn es mit Kochsalzlösung zugleich in den Organismus gelangt. Diese Ergebnisse stehen mit den Ergebnissen der Versuchsreihe XVI in vollem Einklange und beweisen, daß die zur Temperaturerhöhung befähigende Eigenschaft des Kinderblutes in normalen Verhältnissen durch Zusatz von Kochsalzlösung künstlich erzeugt werden kann, bei der Erkrankung an Tuberkulose aber auf natürlichem Wege entsteht, wie dies auch einige Fälle der Versuchsreihe XV zeigen. Die 2 letzten Versuchsreihen (XXII und XXIII) widmeten wir der Untersuchung über die Wirkung der Kochsalzlösung ohne Zugabe von Blut. Daß eine 0,7-proz. Kochsalzlösung für sich allein die Temperatur gesunder Kaninchen nicht besonders beeinflussen werde, vermuteten wir schon aus den Ergebnissen der Versuchsreihe XVIII. Die Tem- peratur der beiden Versuchstiere der Versuchsreihe XXII veränderte sich denn auf die Injektion von 0,5 und 1 ccm Kochsalzlösung in keiner Weise. Auch als wir dann Kochsalzlösung + Tuberkulin injizierten (Versuchsreihe XXIII), erlangten wir keine abnormen Temperaturen. Bei 2 Tieren (No. 74 und 75) trat zwar eine Temperatur von 40,1° ein, aber die Temperaturdifferenz war bei: dem einen Tiere nur 0,4°, bei dem anderen 0,6° Ueberdies waren beide Tiere an einem Tage ge- impft worden — und dies erachten wir für maßgebend — an welchem die in Vorrat gehaltenen gesunden Kaninchen dieselbe hohe Temperatur zeigten. Unsere sämtlichen Versuche zusammenfassend, können wir das Folgende als ihr positives Ergebnis bezeichnen: 1) Reines Blutserum gesunder Meerschweinchen + Tuberkulin verursacht in manchen Fällen bei gesunden Kaninchen eine Temperaturerhöhung. Wenn aber das Blutserum in einer Kochsalzlösung aufgefangen worden war, ist die Temperaturerhöhung beständiger und aus- gesprochener. Das Blutserum gesunder Kinder + Tuberkulin ver- ursacht nur dann eine Temperaturerhöhung, wenn esin Kochsalzlösung aufgefangen worden war. 2) Reines Blutserum tuberkulöser Meerschweinchen + Tuberkulin gesunden Kaninchen injiziert, verursacht jedesmal eine Temperaturerhöhung. | ‘ | | | 4 a ee a ln nn ALn ÖL u 1 A a Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 731 Reines Blutserum tuberkulöser Kinder + Tuberkulin verursacht nur in manchen Fällen eine Temperatur- erhöhung. Wenmesaberin Kochsalzlösung aufgefangen worden war, wird die Temperaturerhöhung beständiger sein. Es entsteht nun die Frage, ob die bei unseren Versuchen erlangten, im ganzen genommen mäßigen Temperaturerhöhungen als eine Tuber- kulinreaktion betrachtet werden können, richtiger ausgedrückt, ob diese Temperaturerhöhungen mit jenen, welche das Tuberkulin bei tuber- kulösen Individuen auslöst, in Beziehung gebracht werden können. Wir glauben diese Frage bejahend beantworten zu können, und wollen dies mit Folgendem begründen. Im ersten Teile dieser Arbeit haben wir nachgewiesen, daß zum Zustandekommen der Tuberkulinreaktion eine tuberkulöse Veränderung nicht unbedingt notwendig ist. Auch die klinischen Erfahrungen sprechen für die Richtigkeit dieser Behauptung, da ja auch bei mehreren anderen Krankheiten eine Tuberkulinreaktion erlangt worden ist. Unsere Versuche mit den Collodiumsäckchen ge- statten zwei Annahmen: entweder gelangt in den Organismus ein solches Toxin, welches unter der Einwirkung des Tuberkulins die Reaktion ver- ursacht, wie dies Babes u. A. annehmen, oder aber erleidet der Or- ganismus unter der Einwirkung dieses Toxins eine solche Veränderung, welche dem Tuberkulin eine fiebererregende Wirkung verleiht. Als es uns im Verlaufe unserer Versuche gelang, mit dem Blutserum tuber- kulöser Tiere + Tuberkulin Fieber hervorzurufen, schien uns die erst- erwähnte Alternative das Richtige. Mit dem Blutserum injizierten wir die im Verlaufe der Tuberkulose produzierten fiebererregenden Toxine dem gesunden Tiere, und darum erlangten wir auf die Injizierung von Tuberkulin Fieber. Es stellte sich aber bald heraus, daß auch das Blut gesunder Tiere und gesunder Menschen dieselbe Wirkung hat. Was ‘ geht nun in diesem Falle im Organismus vor? Heute ist der Einfluß des Blutes einer Tierspecies auf das Blut einer anderen Tierspecies schon einigermaßen bekannt. Man weiß, welche wesentliche Verände- rung eines auf das andere hervorbringt. Offenbar haben wir bei unseren Versuchen eine toxische Wirkung entfaltet, als wir das Blut von Meerschweinchen oder Kindern ge- sunden Kaninchen injizierten, und war es die hierdurch verursachte Veränderung, welche dem Tuberkulin die fiebererzeugende Wirkung verlieh. Bekanntlich ist das Blut der einen Tierspecies auf das Blut ver- schiedener anderer Tierspecies in verschiedenem Grade toxisch. Wir glauben hierin die Ursache zu finden, warum das Blut der Meerschwein- chen sich etwas anders verhalten hat, als jenes der Kinder. Als andere Forscher die Produkte verschiedener Bakterien gesunden Tieren inji- zierten und dann mit Tuberkulin Fieber erregen konnten, haben auch sie toxische Eingriffe gemacht gehabt. Bei tuberkulösen Erkrankungen entsteht die Tuberkulinreaktion auf dieselbe Weise. Mit dem Beginne des tuberkulösen Krankheitsprozesses entstehen im Organismus nicht nur lokale, sondern auch allgemeine Veränderungen. Weiß man ja doch, daß das Blut nicht nur subtilere chemische, sondern auch mit dem Mikroskope wahrnehmbare histologische Veränderungen erleidet. In diesen allgemeinen Veränderungen haben wir die unmittelbare Ursache der 102 Kornel Preisich und Paul Heim, Tuberkulinreaktion zu suchen und nicht in den Tuberkelbacillen oder ihren Produkten. Wir wollen damit nicht in Abrede stellen, daß die bei der Tuberkulose sich bildenden Toxine keine spezifischen seien, wir er- achten dies sogar für höchst wahrscheinlich und glauben, daß der graduelle Unterschied, welcher zwischen der bei unseren Versuchen mit blutserum und der bei tuberkulösen Patienten auftretenden Tuberkulin- reaktion sich zeigte, in der Menge und gesteigerten Wirkung dieses spezifischen tuberkulösen Giftes seine Aufklärung findet; war ja der Toxieität des Blutes der verschiedenen Tierspecies entsprechend die Temperaturerhöhung mehr oder weniger beständig ausgesprochen. Die bei tuberkulösen Erkrankungen sich bildenden Toxine können spezifisch sein, aberdie Eigenschaft, daß infolge dieser Toxine mit dem Tuberkulin eine Temperatur- steigerung eintritt, ist nicht spezifisch. Noch einer anderen Erfahrung, welche wir bei unseren Versuchen machten, müssen wir hier gedenken, das ist die eigentümliche und un- erwartete Wirkung der Kochsalzlösung und deren Einfluß auf die Er- gebnisse unserer Versuche. Zur Zeit könnten wir nur eine hypothetische Erklärung dieser Wirkung geben, und in eine solche wollen wir uns nicht einlassen. Nur auf die Erfahrung wollen wir uns berufen, daß die Kochsalzlösung die Wirkung der Enzyme steigert. Es ist zu ver- muten, daß zwischen dem Befunde Hutinel’s und unseren Erfahrungen ein Zusammenhang besteht. Zum Schlusse wollen wir noch mit einigen Worten auf die Theorieen der Tuberkulinreaktion zurückkommen. Ueber die Additionaltheorieen können wir uns kurz fassen. Wir haben nachgewiesen, daß zur Tu- berkulinreaktion eine tuberkulöse Veränderung des Organismus nicht nötig sei, ja nicht einmal das Toxin ist dazu unbedingt notwendig, welches bei tuberkulösen Erkrankungen indirekt eine, den Organismus berührende allgemeine Reaktion auslöst, weil das Tuberkulin auch bei anderen Krankheitsprozessen und anderen Beeinflussungen des Or- ganismus eine Reaktion hervorrufen kann. Die Produkte des Tuberkel- bacillus geben die fieberhafte Reaktion auf physiologische Kochsalzlösung auch ohne Tuberkulin. Die hier aufgeführten Daten bringen alle jene Theorieen ins Schwanken, welche die Reaktion mit den Veränderungen in Verbindung bringen, welche der lokale Prozeß in Fluß gebracht hat. Die neben dem Fieber auftretende lokale Reaktion ist eine sekundäre Er- scheinung, welche als solche die allgemeinen Erscheinungen steigern kann. Die Theorie Eber’s ist sehr geistreich und die Giftwirkung des Physostigmins auch experimentell bewiesen, diejenige des Tuberkulins aber nicht. Eber ist daher genötigt, das Vorhandensein eines bei der Tuberkulose auftretenden spezifischen Stoffes anzunehmen, welcher durch die von dem Tuberkulin angereste gesteigerte Zellenthätigkeit zu einem fiebererregenden Stoffe wird. Er hat aber für diese seine Theorie keinerlei Stützpunkte erlangen können. Die Theorie Eber’s steht der unserigen nahe; nur daß unsere Versuche es wahrscheinlich machen, daß die Temperaturerhöhung und die Reaktion keine direkte Folge des Toxins sind. Unsere Einwürfe gegen die Theorie Babes’ und seiner Mitarbeiter sind dieselben. Sie stellen zwar in Abrede, daß das Tuberkulin ein Speeifikum sei, erachten aber die durch die Tuberkulose erzeugten Stoffe, Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. ‚ 133 welche mit dem Tuberkulin und den Fermenten die Reaktion geben, für spezifisch. Die Versuche Babes’ und Proca’s sind nicht ganz ein- wandsfrei. Sie wendeten das Tuberkulin in viel zu großen Dosen an und geben zu, daß eine Dosis von 2 g Tuberkulin, gesunden Tieren in- jiziert, eine Temperaturerhöhung von 1° hervorruft. Dennoch wendeten sie bei ihren Versuchen Dosen von 2—5 g und nur ausnahmsweise solche unter 2 g an. Aber auch so können wir nur ihre Ergebnisse anders als sie dieselben erklären, und zwar als Babes und Proca ihren Versuchstieren abgetötete Bacillen injizierten, erlangten sie die Reaktion nicht darum, weil aus den abgetöteten Bacillen unter Ein- ‘ wirkung des Tuberkulins fiebererzeugende Stoffe frei wurden, sondern darum, weil sie mit der Injektion abgetöteter Bacillen eine toxische Einwirkung entfalteten, auf welche der Organismus mit einer allge- meinen Reaktien reagierte. Wenn wir nun auf Grund alles des Vorhergegangenen eine Meinung über den diagnostischen Wert des Tuberkulins abgeben sollen, so fassen wir dieselbe in Folgendem zusammen: Das Tuberkulin ist für die Tuberkulose zwar ein sicheres diagnostisches Mittel, aber sein Wert für eine differentielle Diagnostik ist viel geringer. Esistin der tierärztlichen Praxis, wenn es sich darum handelt, zu bestimmen, ob ein gesund scheinendes Tier tuberkulös ist oder nicht, sehr wertvoll. Wenn es sich aber um Men- schen handelt und wir wissen wollen, ob wir einer Tuber- kulose oderanderen Krankheit gegenüberstehen, müssen wir in der Beurteilung des Ergebnisses sehr vorsichtig sein. Die zu untersuchende Person muß vor der Tuber- kulininjektion tagelang normaler Temperatur gewesen sein. Auch dann noch müssen wiralle Krankheitsprozesse ausscheiden, von welchen nachgewiesen ist, daß sie zu einer Tuberkulinreaktion neigen. Nicht minder wichtig ist, daß schon einige Tage vor der Tuberkulininjektion der Gebrauch wirksamer Medikamente eingestellt werde. Eine genaue Aufstellung der Temperaturkurve des Re- aktionsfiebers wird dieBewertung desErgebnisses etwas erleichtern, weil diese, wie die einschlägigen Mitteilun- sen zeigen, bei nicht tuberkulösen Krankheitsprozessen die Gestalt ändert. Litteratur. Babes und Kalindero, Deutsche med. Wochenschr. 1891. Babes und Proca, Zeitschr. f. Hygiene. 1896. Buchner, Münch. med. Wochenschr. 1891. Chauffard, Bull. med. 1892. Daremberg, Compt. rend. de la soc. de biol. 1893. Eber, Zeitschr. f. Tiermed. Bd. XXI. Gamalaia, Arch. de med. experim. 1891. Hueppe, Berl. klin. Wochenschr. 1891. Hutinel, Le merer. med. 1595. Hutyra, Veterinarius. 1398. Janowsky, Wiener med. Wochenschr. 1893. Kalindero, Revue de med. 1891. Kasparek, Wiener med. Wochenschr. 1897. 154 \ Claudio Fermi und Cano-Bruseco, Ledoux-Lebard, Arch. de med. experim. X. Lenoir, Progres med. 1893. Matthes, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1894. — —, Oentralbl. f. innere Med. 1895. Mourek, Bull. med. 1893. Naunyn, Deutsche med. Wochenschr. 1891. Nocard, Baumgarten’s Jahresbericht. 1892. Ostertag, Monatshefte f. prakt. Tierheilk. 1898. Salter, Lancet. 1898. S&e, Bull. de l’Acad. de med. 1893. Straus et Tessier, 3. congr. pour l’etude de la tuberculose. 1893. Vogel, Münch. med. Wochenschr. 1891. Nachdruck verboten. Prophylaktische Versuche gegen die Malaria, angestellt auf den königl. sardinischen Eisenbahnen. |Aus dem hygienischen Institut der königl. Universität zu Sassari.] Von Prof. Claudio Fermi und Dr. Cano-Brusco. Provinz Sassari. Die Versuche wurden am 1. Juni 1901 bei den Eisenbahnstationen Scala di Gioca und Campomela und den beiden dazwischen liegenden Bahnwärterhäusern No. 29 und 30 begonnen und am 10. November eingestellt. Den Versuchen wurden unterworfen: 1) bei der Station Scala di Gioca: 3 Erwachsene und 1 Kind, 2) beim Bahnwärterhäuschen No. 30: 2 Erwachsene und 1 Kind, 5) beim Bahnwärterhäuschen No. 29: 3 Erwachsene und 1 Kind, 4) bei der Station Campomela: 2 Erwachsene und I Kind. Zu diesem Zwecke wurden gesunde und seit mehr als einem Jahre geheilte Personen ausgesucht. Schutzmittel gegen die Mücken. Der Schutz gegen die Mücken wurde durch die Anwendung von an den Fenstern und Schornsteinen befestigten metallenen, in Rahmen angebrachten Netzen, sowie außerhalb an den Eingängen befestigte Büchsen mit doppelter Thür und automatischem Verschlusse erlangt. Zum Schutze der Billetschalter wurden 2 Vorhänge aus Metall- netzen angewandt, von denen der eine innerhalb, der andere außerhalb befestigt wurde und die so miteinander verbunden waren, daß, wenn der eine sich hob, der andere sich senkte. Sämtliche den Versuchen unterzogenen Personen waren verpflichtet, wenn sie die Wohnung eine Stunde vor Sonnenuntergang oder in den ersten Morgenstunden verließen, eigene Kapuzen und große Handschuhe zu tragen. Die Ueberwachung wurde von uns selbst und vom Diener des Institutes vorgenommen, indem wir häufig die geschützten Wohnungen besuchten. Der Diener brachte oft die Nacht zu, mit der Kapuze und den Handschuhen bekleidet, um die beschützten Wohnungen zu über- wachen und zu sehen, ob das Personal die Vorschriften beobachtete. En Ba an Zr BEL LE el nn in u En nn er a ne Prophylaktische Versuche gegen die Malaria etc. 735 Resultate: Die Versuche hatten die besten Erfolge insofern, als weder in einer der geschützten Stationen noch in den Bahnwärterhäus- chen sich Malariafälle wahrnehmen ließen. | Freilich war in diesem Jahre die Zahl der Malariafälle auf der sanzen Strecke der Eisenbahnlinie weit geringer als in den anderen Jahren ; trotzdem erkrankten sämtliche 5 Bewohner, nämlich 3 Erwachsene und 2 Kinder des Bahnwärterhäuschens No. 32, welches 45 km von der Station Scala di Gioca entfernt liegt und ungeschützt war, an der Malaria. Provinz Cagliari. In der Provinz Cagliari wurden die Versuche in derselben Weise und in denselben Monaten angestellt wie in der Provinz Sassari. Man beschützte 9 Bahnwärterhäuser und 2 Stationen. Die Ueberwachung wurde von den Ingenieuren und den Zugführern übernommen. ‚Die Zahl der in den verschiedenen Bahnwärterhäusern geschützten Individuen ist: Bahnwärterhaus 2541 Erwachsene 2 Kinder (von 8 Jahren) 3 n d 200 N 3 » ” 8 o)) 6; - 8.649 „ 2 „ a re ” 13 654 „ 2 „ „ 8 „ 57 » 15 460 „ 3 » a „ 153 ” 3 >) ” 8) DB) 1 5 doppelt. Macomer x 4 :- Ra: ae: Station Elmas " 5 der jüngste i. Alter v. 12 Jahren » Macomer B: 6 Kinder (von 8 Jahren) 3 Eine Präventivkur wurde nicht vorgenommen, da man solche Indi- re auswählte, welche seit einem Jahre nicht an Fieber gelitten atten. Erfolge: Kein Fieberkranker unter denen, die den Versuchen unter- worfen waren. Ueberdies war auch in der Provinz Cagliari die Zahl der Malariakranken geringer als im vorigen Jahre. Der Schutz gegen Anopheles war in der That soweit wirksam, daß man bei den verschiedenen vorgenommenen Untersuchungen nur 2 Anopheles in der Station Macomer fand. Das ganze geschützte Personal zeigte sich ohne Ausnahme höchst zufrieden, von den Fiebern, den Schnaken, den Fliegen und den anderen Insekten befreit worden zu sein, und endlich ungestört, in allen Stunden der Nacht, bei offenen Fenstern und mit angezündetem Lichte in ihren Wohnungen verweilen zu können. | Der löbl. Eisenbahndirektion, ganz besonders aber dem Herrn Ingenieur Bronzini sprechen wir unseren innigsten Dank aus. 730° Be Inhalt. Inhalt. Originalmitteilungen. Fermi, Claudio u. Cano-Brusco, Pro- phylaktische Versuche gegen die Malaria, angestellt auf den königl. sardinischen Eisenbahnen, p. 734. Körmöczi, Emil, Durch Streptokokken- infektion verursachte Polymyositis (Poly- myositis streptomycotica), p. 688. Krause, Paul, Ueber durch Pressung ge- wonnenen Zellsaft des Bacillus pyocya- neus nebst einer kurzen Mitteilung über die Einwirkung des Druckes auf Bak- terien, p. 674. Neälow, N. K., Zur Frage der Durch- gängigkeit der Placenta für Mikroorga- nismen und ihrer phagocytären Fähig- keit, p. 691. Onorato, Raffaele, Der Widerstand des Influenzabacillus gegen physische und chemische Mittel, p. 704. Preisich, Kornel u. Heim, Paul, Ueber das Ei der Tuberkulinreaktion, 2128 Prektäsr, M., Die Widerstandsfähigkeit der Büffel gegen die experimentale Tu- berkulose, p. 681. Schumburg, Die Beziehungen der Babes- Ernst’schen Körperchen zu der Virulenz der Bakterien, p. 694. Thalmann, Zur Biologie der Gonokokken, 678. | Zirolia, Giuseppe, Der Pestbacillus im Organismus der Flöhe, p. 687. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena XXXI. Band. _>- Jena, den 18. Juni 1902. —- No. 15. Preis für den Band (50 Bogen) 15 Mark. Schwierige Tafeln werden einem Bogen gleich gerechnet. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Bei Einzelverkauf Preis für einen einfachen Druckbogen 40 Pfg., für eine Tafel 60 Pfg. Hierzu als regelmä/sige Beilage die Inhaltsübersichten der II. Abteilung des Centralblattes. Die Redaktion des „Centralblatts für Bakteriologie und Parasitenkunde“ richtet an die Herren Mitarbeiter die ergebene Bitte, etwaige Wünsche um Lieferung von besonderen Abdrücken ihrer Aufsätze entweder bei der Ein- sendung der Abhandlungen an die Redaktion auf das Manuskript schreiben zu wollen oder spätestens nach Empfang der ersten Korrekturabzüge direkt an den Verleger, Herrn Gustav Fischer in Jena, gelangen zu lassen. Original-Mitteilungen. Nachdruck verboten. Kurze Mitteilung über die Begeisselung der Bakterien. Von Prof. Dr. Arthur Meyer in Marburg a. L. Wie ich schon in meiner Arbeit „Ueber die Verzweigung der Bak- terien“ (Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Bd. XXX. 1901. No. 2. p. 49) hervorgehoben habe, müssen wir Bakterienspecies, von denen wir keine - Sporenbildung kennen, wie z. B. die Diphtheriebakterien, gegenüber 3 | r denen, deren vollständiger Entwickelungsgang bekannt ist, wie z. B. Bac. subtilis, als unvollständige Species auffassen, von denen sich die Jugendformen fortgesetzt vermehren, ohne ihren vollständigen Ent- wickelungsgang durchzumachen. Wie es selbstverständlich ist, sind es gerade Entwickelungszustände - derjenigen Species, welche nicht zu weit von der Sporangienbildung entfernt liegen, die sich unter ungünstigen Bedingungen fortgesetzt Erste Abt. XXXI, Bd. 48 738 Arthur Meyer, Kurze Mitteilung über die Begeißelung der Bakterien. durch Teilung vermehren. Bei den Bacillusarten sind es also danach wahrscheinlich diejenigen Entwickelungszustände, welche die Geißeln verhältnismäßig schlecht oder nicht ausbilden, und so kann es nicht Wunder nehmen, wenn wir unter den unvollständigen Species oft scheinbar geißellose antreffen. Diese Ueberlegung liegt nahe, und die Wahrscheinlichkeit, daß danach die Gattung Bacterium aus Entwicke- lungszuständen der peritrich begeißelten Gattung Bacillus bestehe, wurde mir fast zur Gewißheit, als alle von Gottheil (Centralbl. £. Bakt. etc. II. Abt. Bd. VII. 1901) in meinem Laboratorium untersuchten Bakteriaceen peritriche Geißeln besaßen, auch solche, die man bisher für geißellos gehalten hatte. Es ist nun interessant, daß in Uebereinstimmung mit meiner An- sicht, daß geißelfreie Eubakteriaceen (Kokkaceen, Bakteriaceen, Spi- rillaceen) nur Entwickelungsstadien in gewissen Entwickelungsphasen begeißelter Bakterienspecies sind, Herr David Ellis aus Aberystwyth in meinem Laboratorium gefunden hat, daß alle von ihm untersuchten Species der Gattungen Streptococcus, Micrococeus, Sarcina nach richtiger Behandlung .auf den Nährböden beweglich werden und gute Geißelpräparate liefern. Herr Ellis hat folgende Species unter- sucht: Streptococcus tyrogenus, Micrococeus helvolus, grossus und zwei neue Species, ferner citreus (dieser ist schon mit Geißeln bekannt und als Planococcus beschrieben), Sarcina pul- monum, aurescens, flavescens,rosea, flava, oleus, ventri- culi, fuscescens, gasoformans, striata, vermiformis, mar- ginata und zwei neue Species, ferner die schon als Planosarcina beschriebenen Sarcina mobilis, Samesii und Ureae. Diese Entdeckung führt nun zuerst zu der Konsequenz, daß wir das System der Bakterien, welches Migula (System der Bakterien. Jena [Gustav Fischer] 1897. p. 46) aufgestellt hat, bedeutend vereinfachen können, indem wir ja jetzt die neu gebildeten Gattungen Plano- coteus, Plan osarcina, wahrscheinlich auch Spirosoma und Bac- terium streichen müssen. Man teilte ja jetzt die Bakterien nach Migula folgendermaßen ein: I. Familie Bakteriaceae, mit eylindrischen Stäbchen, die sich | nur nach einer Richtung des Raumes teilen. | 1. Gattung Bacterium, ohne Bewegungsorgane; | 2. Gattung Bacillus, mit peritrichen Geißeln; | 3. Gattung Pseudomonas, mit polaren Geißeln. II. Familie Spirillaceae, mit schraubig gewundenen Zellen, Teilung nur nach einer Richtung des Raumes. E 1. Gattung Spirosoma, starr, ohne Geißeln; 2. Gattung Microspira, starr, mit 1—3 polaren, wellig ge- bogenen Geißeln; 3. Gattung Spirillum, starr, mit 5—20 polaren, meist halb- kreisförmig oder sehr flach wellig gebogenen Geißeln; 4. Gattung Spirochaeta, mit schlangenartig biegsamen Zellen. III. Familie Coccaceae, Zellen völlig kugelrund. 1. Gattung Streptococeus, Teilung nach einer Raumrichtung, Geißeln fehlen; 2. Gattung Mierococcus, Teilung nach zwei Raumrichtungen, Geißeln fehlen ; 3. Gattung Sarcina, Teilung nach drei Raumrichtungen, Geißeln fehlen ; En u er an = E. Cohn, Untersuchungen über eine neue tierpathogene Hefeart. 139 4. Gattung Planococcus, wieMicrococeus, nur mit Geißeln; 5. Gattung Planosarcina, wie Sarcina, nur mit Geißeln. Nach der Untersuchung von Herrn Ellis würden nun die Gattungen P anococeus und Planosarcina wegfallen und als ein Kennzeichen der Gattung Micrococcus, ebenso der Gattung Sarcina und Streptococcus würde das Vorkommen von Geißeln zu betrachten sein. Die Charakterisierung dieser Familien wäre also nun die fol- gende: Familie Coccaceae, Zellen kugelförmig, in gewissen Entwicke- lungsstadien der Species begeißelt. 1. Gattung Streptococeus, Teilung nach einer Raumrichtung ; 2. Gattung Micrococcus, Teilung nach zwei Raumrichtungen ; 3. Gattung Sarcina, Teilung nach drei Raumrichtungen. Ob die Gattungen Bacterium und Spirosoma aufrecht erhalten werden können, ist zweifelhaft. Für die Medizin wird es nicht ohne Interesse sein, daß die Streptokokken Eigenbewegung besitzen können, und es wäre erwünscht, wenn auch die pathogenen Streptococcus- Arten auf Geißeln untersucht würden. Die Arbeit des Herrn Ellis, auf welche sich diese vorläufige Mitteilung bezieht, soll in nicht zu langer Zeit in der II. Abteilung dieses Centralblattes erscheinen. Nachdruck verboten. home über eine neue tierpathogene Hefeart (Hefe Klein). [Aus dem Hygienischen Institut der Universität Halle a. S.] Von Dr. E. Cohn. Der Strom der Veröffentlichungen über pathogene Hefen, der durch die Annahme eines ursächlichen Zusammenhanges dieser Mikro- organismen mit der Entstehung der bösartigen Geschwülste im letzten Jahrzehnt hervorgerufen worden war, beginnt, seit die meisten Forscher über diese Frage zur Tagesordnung übergegangen sind, wieder spärlicher zu fließen. Daß hingegen die pathogenen Blastomyceten auch abseits von jenem vielumstrittenen Gebiete noch manches Interesse ge- währen, und die Veränderungen, die sie im tierischen Körper erzeugen, mit der Kenntnis der sogenannten Hefetumoren, sowie der Hefesepti- kämieen und -abcesse noch lange nicht erschöpft sind, mögen, neben anderen, die folgenden Beobachtungen lehren, welche wir mit einer neuerdings von Klein in London entdeckten und im Journ. of Hygiene. Vol.I. p. 90 kurz beschriebenen Hefe anzustellen Gelegenheit hatten. Klein hatte die Freundlichkeit, Reinkulturen dieses Sproßpilzes Herrn Professor C. Fraenkel zu überlassen, unter dessen Leitung die nachstehenden Versuche ausgeführt wurden; ich will nicht verfehlen, bei dieser Gelegenheit letzterem, meinem hochverehrten Lehrer, für die Güte, mich mit diesen Untersuchungen betraut und bei ihrer Ausführung stets in liebenswürdigster Weise unterstützt zu haben, meinen auf- richtigsten und ganz ergebensten Dank auszusprechen. 740 | E. Cohn, Fundort der Hefe. Die Hefe, welche den Gegenstand dieser Abhandlung bildet, ist von ihrem Entdecker bei planmäßigen Untersuchungen über das Vorkommen von pathogenen Mikroorganismen in der Milch neben einer Anzahl be- kannter Spaltpilze gefunden und ihre krankheitserregende Fähigkeit für kleinere Laboratoriumstiere bereits in Versuchen, von denen noch die Rede sein soll, kurz festgestellt worden. Das morphologische Verhalten des Parasiten im Tierkörper wird von Klein — in möglichst wort- getreuer Uebersetzung!) — folgendermaßen geschildert: Bi Hefezellen von verschiedenem Umfange: einige nicht größer als ein rotes Blutkörperchen, andere 2 bis 3mal so groß; darunter waren auch zahlreiche längere und kürzere, perlschnurartige Gebilde von langgestreckter Gestalt, deren Anschwellungen den Konturen ein- zelner Hefezellen entsprachen; in einigen dieser Ketten war dae End- glied stark verbreitert, birnen- oder keulenförmig. Die Hefezellen fanden sich einzeln, häufiger aber in Massen, welche durch eine gela- tinöse Zwischensubstanz zusammengehalten waren; bei Färbung zeigten sie eine dicke, homogene Kapsel. Im frischen Zustande zeigten viele der großen Hefezellen innerhalb ihrer Membran ein klares randständiges Plasma und in der Mitte eine Anhäufung körniger Substanz. Die Zellen, sowie die langen Gebilde färbten sich sehr leicht mit gewöhnlichen Anilin- farben. Die meisten Hefezellen sind kreisrund, einige, und zwar die größeren, länglich oder birnenförmig. Solche, die einen deutlichen Sprossungsvorgang zeigten, waren unschwer zu finden.“ An anderer Stelle?) heißt es nach vorgenommener künstlicher Züchtung: „Das aus Kulturen gewonnene Mikrobium färbt sich gut in seiner Kapsel und ist mit Ausnahme der Größenunterschiede der kreis- runden Zellen morphologisch reine Hefe; niemals fanden sich in den Kulturen jene perlschnurartigen, langausgezogenen Fäden, die in den Geweben geimpfter Meerschweinchen ziemlich häufig sind.“ Wir haben dieser Beschreibung nichts hinzuzufügen und möchten nur die ganz auffallende und gleichmäßige Kugelgestalt der ein- zelnen, verhältnismäßig großen Hefezellen, sowie die besonders schön im Tierkörper bei Färbung mit Loeffler’schem Methylenblau her- vortretende Kapsel als wichtige Unterscheidungsmerkmale gegenüber anderen Hefearten hervorheben, die ja auch als gelegentliche Bewohner 1).1m Dipl! re, yeast cells of different sizes: some not larger than a red blood corpuscle, others twice and thrice as big; there were also present numerous longer and shorter moniliform cylinders, in which the varicosities corresponded to the outlines of individual yeast-cells; in some of those cylinders the terminal element was much enlarged, pear-shaped or club-shaped. The yeast-cells were met with singly and more frequently in masses held together by a gelatinous interstitial substance; on staining they showed a thick homogeneous capsule. In the fresh state many of the large yeast-cells showed within the membrane a clear marginal plasma, in the centre a mass of granular substance By the ordinary aniline dyes the cells and cylinders stained very easily. Most of the yeast-cells are spherical, some, the larger ones, oval or pear-shaped. There was no difficulty in finding such as showed distinctly the process of gemmation.“ 2) „The microbe obtained from cultures stains well within its capsule, and except for differences in size of the spherical cells“is morphological pure yeast; there are at no time found in the cultures those moniliform cylindrical threads which are fairly common in the tissues of the infected guinea-pigs.“ a 01 DE aus 3.2 2 Du u SE a Untersuchungen über eine neue tierpathogene Hefeart (Hefe Klein). 741 oberflächlicher Gewebe auftreten. Neben den runden, nur durch ihre Größe voneinander verschiedenen Elementen, welche die alleinigen Be- standteile unserer Kulturen ausmachen, finden sich im tierischen Körper, wenn auch bei weitem in der Minderzahl, längliche und „birnenförmige“ Gestalten, die sich besonders an der Bildung der von Klein mit Perlschnüren verglichenen und Sproßverbände darstellenden Konglomerate beteiligen. Ob die auch in den Kulturen hervortretende Neigung der Hefe, sich in Ballen zusammenzulagern, auf dem Vor- handensein einer gelatinösen Zwischensubstanz, wie Klein annimmt, beruht, oder nicht bloß auf eine klebrige Oberflächenbeschaffenheit der Zellelemente zurückzuführen ist, mag dahingestellt bleiben. Kulturelles Verhalten. Klein hat seine Hefe auf allen möglichen, Nährböden gezüchtet und giebt an, auf den gewöhnlichen festen und flüssigen, sofern sie einen Zusatz von Traubenzucker erhielten, das beste Wachstum be- obachtet zu haben; in der That ist der Mikroorganismus wenig wählerisch und auch von der Reaktion des Nährmediums in hohem Grade unab- hängig, wenngleich er — im Gegensatz zu einer Angabe Klein’s — die Vorliebe seiner Artgenossen für saure Reaktion in unseren Ver- suchen entschieden zu teilen schien. In Flüssigkeiten bildet die Hefe unterhalb einer klaren Schicht einen nur langsam wachsenden Boden- satz; weit besser sagen ihr feste Substrate zu, welche sie mit einem grauweißen, fettglänzenden Rasen überzieht. Vor allem aber erwies sich ein aus Bierwürze?!) ohne jeden weiteren Zusatz hergestellter Agar, dessen natürliche saure Reaktion unverändert beibehalten wird, als der weitaus geeignetste Nährboden, der denn auch in unseren späteren Versuchen ausschließlich zur Verwendung gelangte. Da der selbe mit dem Vorzuge denkbar einfachster Zubereitung noch denjenigen vereint, das Wachstum etwa zu gleicher Zeit vorhandenen Bakterien- Keime in hohem Grade hintanzuhalten, so kann er geradezu als ein elektives Substrat für unsere Zwecke bezeichnet werden. Hier bildete unsere Hefe außerordentlich dicke Beläge von Butterkonsistenz und gelber bis gelbbrauner Farbe. Der Agarplatte sitzen die ober- flächlichen Kolonieen als umfangreiche Halbkugeln auf, während die tiefer gelegenen klein bleiben und die Form von Wetzsteinen, oft zwei kreuzweise übereinander gelagerter, annehmen. In der Stichkultur ist das Tiefenwachstum ein sehr geringes, dagegen tritt sofort ober- flächliche Ausbreitung ein, die zuletzt, wenn der Agar der Austrocknung verfällt und sich von den Wandungen des Röhrchens loslöst, die ganze so entstehende Säule überzieht. Es macht überhaupt für das: Gedeihen der Hefe keinen Unterschied, ob man ihr frisch bereitete oder ältere, wasserarme Nährböden darbietet. Läßt man sie auf dem Boden eines mit Würzeagar in horizontaler Schicht beschickten Erlenmeyer’schen Kölbehens zu sogenannten Riesenkolonieen auswachsen, so entstehen in der Mitte erhabene, nach den Seiten flach abfallende Formationen, die von feinen radiären Streifen durchzogen sind und sich am Rande baum- artig verästeln. 1) Es wurde stets dieselbe Bierwürze aus einer hiesigen Brauerei benützt. 742 | E. Cohn, Lebenseigenschaften. Die Hefe entwickelt sich sowohl bei Zimmer- wie bei Brüt- Temperatur, besser aber bei letzterer; immerhin ist auch dann noch das Wachstum ein außerordentlich langsames; gewöhnlich zeigen erst nach 2 X 24 Stunden auf der Oberfläche des Nährbodens auftretende durchsichtig graue, sagoartige Perlchen den Eintritt der Entwickelung an, und bis Agarkulturen völlig ausgewachsen sind, vergehen mindestens 8 Tage, nach deren Ablauf dann freilich auch eine bei Spaltpilzen kaum zu beobachtende Ueppigkeit der Kulturrasen erreicht wird. Im sogenannten Hungerzustande, d.h. auf ausgelaugtem Agar oder auf Gipsblöcken, die mit sterilem destillierten Wasser befeuchtet sind, ist die Hefe zur Sporenbildung nicht zu veranlassen; die häufig und zwar gerade in gut entwickelten Kulturen zu beobachtenden runden, stark lichtbrechenden Gebilde im Inneren der Hefezellen halten wir, da sie von sehr ungleicher Größe sind und da wir sie vor allem oft in sprossenden Individuen sahen, nicht für Hefesporen. Busse!), welcher dieselben bereits bei seiner 1894 aus einer menschlichen Knochenerkrankung isolierten Hefe beobachtet hat, hielt sie für kon- fluierende Oeltropfen. Trotz des Fehlens von Dauerformen zeigt unsere Hefe, wie auch schon die Busse’sche, eine erstaunliche Zähigkeit und Lebens- kraft: in dem Ausschliff eines hohlen ÖObjektträgers wochenlang bis zur völligen Eintrocknung im Brütschranke aufbewahrt, erwies sie sich nach Aussaat auf Agar noch als lebensfähig und auch die meisten ihrer Formelemente waren noch vollständig erhalten; unter gewöhnlichen Bedingungen ist ihre Haltbarkeit wahrscheinlich eine noch viel größere. Eine wichtige und vielen Hefen zukommende Eigenschaft, näm- lich die Fähigkeit, Zucker zu vergären, kommt bei der unserigen in Wegfall; sie vermag weder Trauben- noch Milch-, Rohr- oder Malzzucker anzugreifen, und, solange man gerade dieser Lebens- äußerung der hier in Rede stehenden Mikroorganismen ein besonderes Gewicht beilegt, wird man deshalb das Fehlen derselben bei unserer Hefe auch als ein bedeutsames Unterscheidungsmerkmal von anderen ähnlichen Sproßpilzen, so z. B. der ihr nach manchen Richtungen nahen Busse’schen Hefe, betrachten müssen, die Traubenzucker stürmisch vergärt, daneben freilich auch noch andere Differenzen, wie „blendend- weiße“ Färbung, Bildung von Sproßverbänden auf künstlichen Nähr- böden, etc. aufzuweisen hat. Die ganze Gruppe von Lebensäußerungen endlich, welche die patho- logischen Vorgänge im Tierkörper umfaßt, bildet den Gegen- stand des folgenden und hauptsächlichsten Teiles dieser Arbeit. Tierversuche. A. Klein’s Tierversuche. Klein, dem es in der eingangs erwähnten Veröffentlichung augen- scheinlich nur darum zu thun war, den von ihm neugefundenen Mikro- organismus in die Zahl der in der Milch vorkommenden pathogenen einzureihen, hat sich mit einigen summarischen Tierversuchen begnügt. 1) Busse, Die Hefen als Krankheitserreger. Berlin (August Hirschwald) 1897. p-. 14. Untersuchungen über eine neue tierpathogene Hefeart (Hefe Klein). 743 Er hat die Hefe zwei Mäusen eingespritzt, von denen eine nach 48 Stunden starb, die andere nach anfänglicher Erkrankung durchkam ; er hat an einer Anzahl Meerschweinchen nach subkutaner Impfung Geschwülste (nicht im Sinne von Neubildungen) und Abscesse, nach intraperitonealer Tod des Tieres unter Veränderungen an den Bauch- organen beobachtet und hat vor allem bereits an zwei Kaninchen nach intravenöser Injektion Paraplegieen mit positivem Befund des Krankheitserregers im Rückenmark konstatiert. B. Eigene Tierversuche. a) Kleinere Tiere: Mäuse, Ratten. Was zunächst die kleinsten unserer Laboratoriumstiere, die Mäuse, betrifft, so hat Klein nur zwei Vertreter dieser Gattung zum Versuch herangezogen und zufälligerweise bei beiden ein von der Regel ab- weichendes Ergebnis erzielt. Die eine muß mit einer sehr großen Menge des Krankheitserregers infiziert oder besonders empfindlich ge- wesen sein, da sie nach einer für unsere Hefe ungewöhnlich kurzen Zeit verendet ist; dafür spricht übrigens auch, daß außer einer allge- meinen Hyperämie der inneren Organe keine pathologischen Verände- rungen gefunden wurden. Die kürzeste Frist, in welcher bei unseren Tieren eine intraperitoneale Impfung zum Tode führte, betrug sonst, auch nach Injektion großer Gaben 4, meist aber sogar 8 bis 10 Tage, während die letale Wirkung subkutaner Injektionen in der Regel noch weit größere Zeiträume in Anspruch nahm. Es hängt dies einerseits gewiß mit dem langsamen Wachstum der Hefe zusammen, rührte aber andererseits auch davon her, daß nach Injektionen unter die Rückenhaut die straffen Fascien der Rückenmuskeln einer sofortigen Verbreitung des einverleibten Materials im Körper hinderlich waren. Alsdann ent- standen in loco riesige Wucherungen, welche ein lipomartiges Aus- sehen darboten und nur aus den Leibern der Hefe aufgebaut waren. Ebensolche Gebilde erfüllten oft nach intraperitonealer Injektion den Bauchraum und zeigten eine überraschende Aehnlichkeit mit denen, welche Busse!) bei Versuchen mit seiner eigenen und mit der Hefe Curtis?) beobachtet hat. Auch durch fortgesetzte direkte Tierpassagen konnte die Krankheitsdauer nicht auf weniger als 4 Tage für intraperi- toneale und 7 Tage für subkutane Infektion herabgedrückt werden, während wenn die Kulturen länger nicht durch den Tierkörper gegangen waren, die Zeiten bis zur letalen Wirkung immer größer wurden, einige Male so große — bis zu 44 Tagen — daß wir schon an der Wirksam- keit des verwendeten Impfmaterials in der betreffenden Menge irre zu werden anfıngen, zumal die Tiere meist bis unmittelbar vor dem Ende keinerlei Krankheitszeichen darboten. Schließlich ist uns aber bis jetzt von einigen 40, zum Teil mit sehr kleinen Gaben geimpften Mäusen noch keine einzige am Leben geblieben, und in jedem Falle konnte der weiter unten zu schildernde Befund erhoben werden. Sogar der mil- lionste Teil einer Platinöse, der, wie die angelegten Kontroll- platten ergaben, einer Menge von 10 bis 20 Keimen entsprach, reichte noch aus, um den Tod der betreffenden beiden Versuchstiere l) a. a.0.p.44 und 91. 2) Auch diese Hefe ist durch ihre kulturellen Eigenschaften, ihre Gärkraft, ihre Fähigkeit, Sporen zu bilden, sowie ihr sonstiges Verhalten im Tierexperiment von der Klein ’schen verschieden (cfr. Busse, p. 86, 87 und 90). 744 E. Cohn, herbeizuführen, und es scheint uns deshalb etwas auffällig, daß von Klein’s beiden Mäusen eine die Infektion überstanden hat. Dasjenige Organ, welches sich als ganz besonders in Mitleiden- schaft gezogen erwies, waren die Lungen. Dieselben zeigten hoch- gradige Blutüberfüllung und mehr oder weniger umfangreiche Infiltra- tionen; zuweilen waren sie mit graugelben Knötchen durchsetzt, welche sich scharf in dem dunkelroten Grunde abhoben. Ebensolche fanden sich nicht selten in wechselnder Menge in der regelmäßig stark ver- größerten Milz. Die übrigen Teile waren makroskopisch nicht ver- ändert, ließen aber alle im Ausstrichpräparat die Anwesenheit zahl- reicher Hefezellen erkennen, wenn auch nicht so enormer Mengen, wie die sichtbar veränderten Organe. An die nur aus Hefe gebildeten Pseudotumoren, welche bereits erwähnt wurden, sei der Vollständigkeit des Bildes wegen nur kurz nochmals erinnert. Denselben Befund, wie die sonst durchweg benützten weißen Mäuse, boten zwei probeweise geimpfte graue, die ebenfalls nach 4 resp. 11 Tagen der Infektion erlagen. Als immun erwiesen sich dagegen weiße Ratten, obwohl ganz junge Tiere, kaum größer, wie ausge- wachsene Mäuse, verwendet wurden. Die einzige Folge der Impfung war bei ihnen eine beträchtliche, die Unterbauchgegend einnehmende Drüsenschwellung, welche spontan zurückging. b) Mittlere Tiere: Meerschweinchen, Kaninchen. Während für die meisten der bei den Mäusen geschilderten Vor- gänge die Busse ’sche Hefe manche Aehnlichkeiten in ihrem Verhalten aufweist, treten bei etwas größeren Versuchstieren, Meerschwein- chen und Kaninchen, besondere Eigentümlichkeiten der Klein- schen Hefe hervor, die unseres Wissens noch bei keiner anderen be- schrieben worden sind. Da die Erkrankung bei den beiden genannten Tierarten nahezu ganz die gleiche, so wollen wir sie auch hier zu- sammen besprechen, nur mit dem Bemerken, daß Meerschweinchen so- wohl der subkutanen wie der intraperitonealen, Kaninchen nur der intravenösen Infektion zugänglich waren. Bei ersteren Tieren deckten sich unsere Beobachtungen nicht ganz mit denen von Klein, der mög- licherweise mit einer anderen Rasse experimentiert hat. Zwar sahen auch wir im Anschluß an die Impfungen Infiltrate und Bubonen ent- stehen, die jedoch niemals eine solche Größe erreichten, als daß sie, wie die von Klein gesehenen, den Eindruck von Tumoren gemacht hätten; auch blieb eine Abscedierung derselben gänzlich aus, wenn man nicht mitunter eintretende leichte Eiterungen an den Impfstellen, die wohl eher ‘durch Sekundärinfektion erfolgt waren, dafür ansehen will. Ueber- haupt erwies sich unsere Hefe — um dies vorwegzunehmen — auch in anderen, noch zu beschreibenden pathologischen Prozessen, die deut- lich mit einer Gewebseinschmelzung einhergingen, nicht als ausge- sprochener Eitererreger,. ebenfalls noch eine bemerkenswerte Uebereinstimmung mit dem Verhalten der Busse’schen Hefe im menschlichen Gewebe!) Nur bei Erkrankungen der Schleimhäute waren die von unserer Hefe hervorgerufenen Entzündungen eitriger Natur, und damit kommen wir zugleich zu der einen der beiden Er- scheinungen, welche das Krankheitsbild bei den in Rede stehenden Tierarten zu einem besonders eigenartigen stempeln. Diese Schleimhaut- 1), :a20.2. 8 N 226 - „2 Untersuchungen über eine neue tierpathogene Hefeart (Hefe Klein). 745 affektionen stellen sich nämlich regelmäßig erst in einem späteren Stadium der Krankheit ein, wenn der Erreger in größeren Mengen in die Blutbahn gelangt ist und von da auf die Schleimhäute aus- geschieden wird. Alsdann kommt es zu heftigen Entzündungen der Augenbindehaut und der Schleimhaut der Nase, mit- unter bei Meerschweinchen auch zu Reaktionen des Darmtractusin Gestalt blutiger Diarrhöen, wobei jedesmal in den betreffenden Sekreten die Hefe nachgewiesen werden konnte. Die Mundschleimhaut zeigte sich nicht erkrankt; die Hefezellen, welche sich auch dort vor- fanden, konnten ebenso gut von der Nase aus dahin gelangt sein. Um die Möglichkeit einer nachträglichen Infektion der oberflächlichen Schleim- häute, so gut es ging, auszuschließen, wurde eines der Meerschweinchen während des ganzen Versuches in einem Glasgefäße isoliert, ohne daß dieses Verfahren jedoch das Ergebnis irgendwie beeinflußt hätte. Nun läßt sich ja allerdings nicht mit völliger Sicherheit verhindern, daß auch ein solches Tier den Kopf noch mit den Pfoten bearbeitet, allein die Wahrscheinlichkeit, daß letztere mit der Hefe in Berührung kommen, ist doch eine recht geringe, und dann wäre nicht einzusehen, weshalb die Infektion immer so spät — bei Meerschweinchen nach 2 bis 3 Wochen, bei Kaninchen etwas eher — und auf allen Schleimhäuten, der der Nase, der Conjunctiva, gleichzeitig eintreten sollte. Ein schlagender Beweis aber dafür, daß die Hefe vom Blutkreislauf her auf die Schleim- häute gelangt, läßt sich für das Kaninchen erbringen. Bei diesem ver- sagte nämlich nicht bloß die unmittelbare Verimpfung von Hefezellen auf die Nasenschleimhaut, sondern anch die ziemlich energisch vor- genommene Einreibung in die Conjunctiva, während nach intravenöser Injektion die Conjunctivitis und die Rhinitis regelmäßig einzutreten pflegten. Unsere Hefe verhielt sich hierbei so, wie die Hefen von Busse und Curtis in den Versuchen von Stoewer!), dem es auch auf keine Weise gelang, eine Infektion des Kaninchenauges von der Bindehaut aus zu erzielen, während wenn er den Krankheitserreger direkt in das Innere des Auges brachte, sich dort Vorgänge abspielten, welche mit den von uns nach intravenöser Infektion beobachteten eine entschiedene Aehnlichkeit hatten. Wir erblicken diese hauptsächlich in einer besonderen Beteiligung der Iris am Krankheitsprozesse, die zur Einlagerung kleiner gelblicher Knötchen, seltener zu einer diffusen Iritis führte. In allen diesen und den ferner noch zu erwähnenden Fällen von Knötchenbildung scheint es sich dabei jedesmal um ein rasch entstehendes und rasch wieder zerfallendes Granulations- gewebe zu handeln, welches in seinem makroskopischen Aussehen und mikroskopischen Bau mit miliaren Tuberkeln eine gewisse Ueberein- stimmung zeigt und in dessen Innern regelmäßig Hefezellen durch die Gram ’'sche Färbungsmethode nachweisbar sind. Genauer auf die histo- logischen Vorgänge beabsichtigen wir in einer Fortsetzung dieser Arbeit einzugehen, welche dann auch einige Abbildungen durch Hefe ver- änderter Organe bringen soll. Im Gegensatz zum Kaninchen gelang es beim Meerschweinchen leicht, durch Einbringung der Hefe in den Conjunctivalsack da- selbst heftige Entzündungen hervorzurufen, wobei sich knötchen- förmige Einlagerungen in der Bindehaut der Lider und mitunter sekun- däre Trübungen der Hornhaut entwickelten. Wurden solche Knötchen 1) Archiv f. Ophthalm. Bd. XLVIII. p. 178, 746 | E. Cohn, excidiert und nach oberflächlichem Abbrennen zerquetscht, so zeigte sich, daß sie im Innern massenhafte Hefezellen beherbergten. Der Prozeß kam in einigen Fällen unter Narbenbildung zur Ausheilung, in anderen führte er zur Allgemeininfektion und zum Tode des Ver- suchstieres. Merkwürdig war, daß es bei den für unsere Krankheits- erreger sonst so überaus empfindlichen Mäusen weder möglich war, das Auge direkt zu infizieren, noch auch vom unverletzten Conjunctivalsack aus öfter als in einem von 5 Fällen eine Allgemeinerkrankung hervor- zurufen; doch decken sich diese Beobachtungen mit anderen, welche Hirota neuerdings im hiesigen Hygienischen Institut bei Versuchen mit virulenten Milzbrandbacillen gemacht hat!). Außer dieser Eigentümlichkeit unserer Hefe, hämatogene Schleim- hauterkrankungen hervorzurufen, tritt noch eine zweite, bei Sproß- pilzen noch nie verzeichnete hervor, nämlich die einer besonderen Vor- liebe für Lokalisation im Rückenmark und im Gehirn. Die Paraplegie der Hinterbeine, welche Klein bei seinen beiden Kanin- chen konstatiert hat, fanden wir nicht blos bei dieser Tiergattung, son- dern auch einige Male bei Meerschweinchen wieder, und auch dann, wenn eine solche Erscheinung fehlte oder der Wahrnehmung entgangen war, ergab die Sektion regelmäßig eine starke Durchsetzung des Üentral- nervensystems mit Hefezellen, welche in den Organen der anderen Leibeshöhlen gar nicht oder weit spärlicher vorhanden waren. Makro- skopisch waren die erkrankten Teile meist unverändert; nur in einem Falle sahen wir in der Gehirnsubstanz eines Kaninchens nach sehr langer Krankheitsdauer?) die schon öfters erwähnten Knötchen, und in einem anderen Falle fand sich eine nahezu den größten Teil des Quer- schnittes einnehmende Blutung im Rückenmark. Während sich bei Kaninchen der Sitz der Hefe fast ganz auf das Centralnervensystem beschränkte, waren bei Meerschweinchen nicht selten auch einzelne Organe der Bauchhöhle mit Knötchen durchsetzt und regelmäßig eine Reihe von Lymphdrüsen, sowie die Iymphati- schen Apparate des Darmes geschwollen und hefehaltig. Die Er- krankungen führten, ausgenommen bei ein paar subkutan geimpften Meerschweinchen, in ca. 3 Wochen regelmäßig zum Tode der Versuchs- tiere. Erwähnt soll noch werden, daß die mittels Zerstäubers vorgenom- mene Einblasung von Hefe in die Lungen eines Kaninchens von gar keinem Erfolge begleitet war, während dieses Organ bei subkutan oder intraperitoneal geimpften Mäusen den Lieblingssitz der Hefe dar- stellte, die sich im Gehirn letzterer Tierart wiederum nur ganz spärlich vorfand. Vereinzelt blieb ein Fall von massenhafter subkutaner Knöt- chenbildung an beiden?) Ohren eines Kaninchens; die Incision ergab einen breiigen Inhalt, in welchem sich mikroskopisch gar keine Eiter- körperchen, wohl aber reichliche Hefezellen nachweisen ließen. c) Größere Versuchstiere: Schwein, Hund. Von dem durch letzterwähnte Erscheinung nahegelegten Gedanken geleitet, daß sich vielleicht bei einem geeigneten Versuchstier auch Er- krankungen der äußeren Haut im Gefolge von Hefeeinspritzungen ent- 1) Centralbl. f. Bakt. ete. Abt. I. Bd. XXXI. 1902. No. 6. 2) Das Tier war besonders behandelt worden. 3) Also nicht‘ durch Ausbreitung von der Impfstelle aus hervorgerufen. a u Zn Fa | i | | bs Be N VE Untersuchungen über eine neue tierpathogene Hefeart (Hefe Klein). 747 wickeln würden, wählten wir als solches ein drei Monate altes Ferkel, welchem die Aufschwemmung einer Agarkultur in die Ohrvene injiziert wurde. Nun blieb zwar diese erwartete Wirkung aus, indessen bekam auch dieses Tier nach acht Tagen eine heftige, eitrige Conjunctivitis neben deutlicher Störung des Allgemeinbefindens, von der es sich aber bald und vollständig erholte. Leider war es uns in diesem einzigen Falle nicht möglich, den Krankheitserreger im Conjunctivalsekret wieder- zufinden, obwohl neben einfachem Abstrich auch Abkratzungen und selbst kleinere Skarifikationen der Conjunctiva palpebralis vorgenommen wurden. Wir bekamen aber trotz der sorgfältigen Durchmusterung vieler Präparate nicht eine einzige Hefezelle zu Gesicht, und in den von Augen- und Nasenschleimhaut !) des Tieres angelegten Kulturen wuchsen neben anderweitigen Mikroorganismen zwar auch eine Anzahl von Hefen, von denen wir jedoch keine mit der unserigen identifizieren konnten. Eine Erklärung für diesen Mißerfolg zu geben, sind wir nicht imstande, glauben aber der Analogie nach annehmen zu dürfen, daß auch hier die Conjunetivitis nicht bloß post, sondern propter injectionem ent- standen ist. Ein anderes größeres Versuchstier, welches wir benützten, war ein kurzhaariger schwarzer Hund, der allerdings nicht sehr viel größer, als ein starkes Kaninchen war. Bei diesem war uns das Glück günstiger: das Tier bekam nicht nur seine Conjunctivitis, aus deren Sekret die Hefe durch Kultur wiedergewonnen wurde, sondern es erkrankte auch an einer Ataxie, die zuerst die Hinterbeine ergriff, dann aber allgemein wurde, so daß das Tier taumelte und öfters hinstürzte. Ferner stellten sich eine Reihe von Erscheinungen ein, welche auf eine schwere Beteiligung des Gehirns hindeuteten: das vorher muntere und bis auf ein altes einseitiges Leucoma corneae völlig gesunde Tier wurde teil- nahmslos, reagierte weder auf den Eintritt noch den Anruf ihm sonst bekannter Personen, nahm sein Futter nur wahr, wenn man es ihm dicht vor die Nase hielt, kurzum ließ eine mangelnde Perception sämt- licher Sinneseindrücke erkennen. Für den Gesichtssinn, der vollständig erloschen schien, ließ sich allerdings ein centraler Sitz der Störung nicht erweisen, da peripher gelegene Momente in Gestalt einer leichten — erst während dieser Krankheit entstandenen — Hornhauttrübung, vor allem aber chorioiditischer Veränderungen am Augenhintergrunde kon- kurrierten. Die Sektion des nach etwa 3 Wochen verendeten Tieres ergab die Anwesenheit lebender Hefezellen im Gehirn und Rücken- mark, außerdem in zahlreichen, beide Nieren durchsetzenden Knöt- chen und im peritonealen Fettgewebe, was wieder an die Beobachtungen bei Mäusen erinnert, nur mit dem Unterschiede, daß es sich hier nicht um reine Hefewucherungen handelte. d) Vögel. Versuche wurden nur an einer Anzahl Tauben vorgenommen, welche sich sowohl für Impfungen in den Augenbindehautsack, wie in den Brustmuskel unempfänglich zeigten. Eines der auf letztere Art behandelten Tiere ging später — wahrscheinlich durch Anfliegen an die Glaswände seines Behälters — zu Grunde. In den inneren Organen fand sich nichts, in dem geimpften Brustmuskel ein kleiner mit Detritus gefüllter Herd, in welchem schwach färbbare, wie „Schatten“ aussehende 1) Letztere zeigte nur eine geringe Vermehrung der Sekretion. 748 E. Cohn, Untersuchungen über eine neue tierpathogene Hefeart. Hefezellen lagen, die sich beim Versuche der Züchtung als abgestorben erwiesen. e) Fütterungsversuche, über deren negativen Ausfall bei Meerschweinchen Klein zu berichten weiß, wurden nur mit Ratten und Mäusen angestellt. Erstere zeigten sich, wie das nach dem Ausfall der Impfungen zu erwarten war, auch dieser Art der Infektion nicht zugänglich, wohl aber thaten dies zwei weiße Mäuse, so daß der Versuch sofort mit einem Dutzend grauer wiederholt wurde, in der Erwartung, hier vielleicht ein neues Mäuse- vertilgungsmittel, ähnlich dem Baecillus typhi murium Loefiler, gewinnen zu können. In der That starb auch eine Anzahl dieser Tiere mit demselben Befund, wie die subkutan und intraperitoneal geimpften ; allein als nach 10-tägiger Fütterung, zu einer Zeit, wo sämtliche Mäuse deutlich erkrankt waren, der Versuch abgebrochen wurde, erholten sich die meisten wieder, so daß also die Virulenz der Hefe für eine prak- tische Anwendung in dem angedeuteten Sinne nicht ausreicht. Auf einige andere, diesen interessanten Krankheitserreger betreffende Fragen wollen wir in einer späteren Arbeit zurückkommen; vorläufig genügt es uns, auf die Eigenart der von ihm hervorgerufenen patho- logischen Veränderungen aufmerksam gemacht zu haben, welche trotz ihrer Mannigfaltigkeit eine große Gesetzmäßigkeit aufweisen. Inwieweit aus solchen Vorgängen im Tierversuch Schlüsse auf eine ursächliche Beteiligung von Sproßpilzen an menschlichen Erkrankungen zulässig sind, entzieht sich natürlich jeder Berechnung. Wir möchten hier in diesem Zusammenhange aber doch einem Einwande begegnen, der nicht selten gegen die oben erwähnte Möglichkeit von vornherein geltend gemacht wird, daß man nämlich so große Mikroorganismen schlechter- dings bei etwas sorgfältigeren Untersuchungen nicht übersehen könne und die Hefepilze daher schon längst viel häufiger hätte antreffen müssen, wenn sie in der menschlichen Pathologie wirklich eine Rolle zu spielen berufen wären. Es sei demgegenüber bemerkt, daß es uns in einigen Fällen nur mit Mühe, in einem gar nicht gelungen ist, den uns genau bekannten und an der betreffenden Stelle von uns vermuteten Krankheitserreger auch thatsächlich aufzufinden, und es liegt auf der Hand, um wieviel geringer die Aussicht einer zufälligen Entdeckung ist, zumal bei Abstrichen aus Geweben ja gewöhnlich die für Bakterien eingestellten Nährböden benützt werden. | Unsere Beobachtungen lehren jedenfalls, daß unter Umständen auch Mikrobien aus der Gruppe der Sproßpilze eine gewisse Bedeutung für die Entstehung krankhafter Veränderungen im Körper höherer Geschöpfe zukommt, wenn die Beziehungen sich auch nicht auf dem Gebiete be- wegen, auf dem man anfangs gerade den Blastomyceten mit besonderen Hoffnungen begegnete, dem der Aetiologie der bösartigen Geschwülste. Preisich, Einfluß ausschließlicher Fleischnahrung auf die Impftuberkulose. 749 Nachdruck verboten. Der Einfluss ausschliesslicher Fleischnahrung auf die Impftuberkulose der Hühner’). AufGrundimPariserPasteur’schenInstitute begonnener und im Laboratorium des Budapester Stefanie-Kinder- spitals beendeter experimenteller Untersuchungen. Von Ordinarius Dr. Kornel Preisich, Leiter des Laboratoriums im Stefanie-Kinderspitale (Direktor J. v. Bökay). Herr Professor Metschnikoff gab mir freundlichst Anregung zu Untersuchungen, deren Zweck die Feststellung dessen gewesen wäre, ob die Gicht eine verminderte Empfänglichkeit gegen die Tuberkulose ab- giebt. Eine alte Erfahrung der Pathologen scheint darauf hinzudeuten, daß Gichtiker seltener tuberkulös sind als Andere. Prof. Metschnikoff empfahl, zu genannten Untersuchungen Experimente an Hühnern anzustellen, da bei Hühnern die Gicht mit chemischen Substanzen (Ebstein, Kossa) wie auch durch Fleisch- nahrung (Kionka) auf leichte Art künstlich erzeugt werden kann. Letztere Art erwies sich für unsere Zwecke als besser. Hühner werden gewöhnlich erst nach 3-monatlicher Fleischnahrung gichtkrank. Während- dem ich bei meinen Hühnern den Beginn der Krankheit abwartete, noch zum Beginne der Fleischnahrung, berichtete Richet in der „Societe de Biologie“ über Erfolge, welche er mit Fleischnahrung bei der Impftuberkulose der Hunde erzielt hat. Diese Erfolge bewogen mich, meinen Untersuchungen bezw. Beobachtungen eine solche Richtung zu geben, besonders da Richet damals die günstige Wirkung des Fleisches nicht mehr auf eine Ueberernährung zurückführte, sondern dem Fleischplasma hier eine spezifische Wirkung zuschrieb. Meine Untersuchungen habe ich an zwei Serien von Hühnern in verschiedener Zeit vorgenommen, und zwar an den Hühnern 1—9 (Tabelle) in Paris vom Januar bis Mai 1900, und an der 2. Serie 10-23 im Laboratorium des Stefanie-Kinderspitals im vorhin genannten Zeitraume dieses Jahres. 1. Serie. Von 9 Hühnern fütterte ich 5 ausschließlich mit rohem Pferde- fleisch, sie wurden reichlich mit Wasser versehen und waren im Hofe in einem luftigen Käfig untergebracht. Täglich bekam je ein Huhn 150—200 g Fleisch. Eine Impfung dieser Hühner mit Tuberkulose nahm ich am 23., 37., 49. bezw. am 53. Tage der Fleischnahrung vor. Zu diesen Impfungen "diente eine Kartoffelkultur von Vogeltuberkulose, welche Herr Prof. Nocard mir gütigst überließ. Zu jedem Fleisch- huhne hatte ich ein Kontrolihuhn, welches mit Korn gefüttert, sonst aber unter denselben Verhältnissen gehalten wurde, wie die Fleisch- hühner. Die Infektion mit Tuberkulose geschah in 3 der Experimente intra- peritoneal und einmal intravenös. Das Fleisch- und Kontrollhuhn wurde jedesmal mit derselben Menge derselben Emulsion von Bacillen geimpft. Ein Fleischhuhn (No. 9) habe ich nicht infiziert, um die Ver- 1) Vorgetragen am 8. März im Kgl. Aerzteverein zu Budapest. 7150 Kornel Preisich, änderungen, welche der Fleischnahrung zugeschrieben werden konnten, unbeeinflußt zu sehen. Die angefügte Tabelle giebt kurz und klar Aufschluß über den Gang und den Erfolg der Experimente. Es ist ersichtlich, daß ein Fleisch- huhn (No. 1) mit dem Kontrollhuhne beinahe zu gleicher Zeit an Tuberkulose zu Grunde ging. 3 Fleischhühner (3, 5, 7), von welchen 2 intraperitoneal, 1 intravenös geimpft wurde, blieben gesund, frei von Tuberkulose, währenddem deren Kontrollhühner (4, 6, 8) an miliarer Tuberkulose erkrankten. Dieser Befund war überraschend, jedoch recht- fertigte die geringe Zahl der Experimente die Skepsis, mit welcher Herr Prof. Metschnikoff und auch ich diese Erfolge betrachteten. Herr Prof. Metschnikoff wiederholte selbst die Untersuchungen im Sommer desselben Jahres. Laut seiner freundlichen Mitteilung stimmten seine Erfolge mit den meinigen nicht überein. Er war geneigt, dies der warmen Jahreszeit zuzuschreiben, welche die Ernährung der Hühner mit Fleisch nachteilig beeinflussen konnte. Herr Prof. Metschnikoff ermunterte mich zur Wiederholung der Experimente im Winter. Dem- entsprechend nahm ich die Untersuchungen im Monate Dezember 1900 wieder auf. Die 2. Serie der Experimente nahm ich an 14 Hühnern vor, für welche dieselben Lebensverhältnisse geschaffen wurden, wie für die Hühner der 1. Serie. Von den 14 Hühnern waren 8 ausschließlich mit rohem Pferdefleisch genährt, die restlichen 6 Hühner dienten als Kontrolltiere und bekamen Mais zur Nahrung. Zur Impfung der Hühner No. 10, 11, 12, 13, 20 und 21 (siehe Tabelle) verwendete ich eine zweite frische Generation der aus Paris mitgebrachten Nocard’schen Originalkultur. Das Huhn No. 10 und dessen Kontrollhuhn No. 11 impfte ich intraperitoneal, 114 Tage später waren beide frei von Tuberkulose. Die Fleischhühner No. 12 und 20 und die entsprechenden Kontrollhühner (13 und 21) wurden mit derselben Emulsion derselben Kultur (wie No. 11) intravenös geimpft. Das Huhn No. 12 ging am 47. Tage ein, hatte in Leber und Milz viele miliare Tuberkel mit wenigen Bacillen ; Lungen waren ganz frei. Das Kontrollhuhn (No. 13) tötete ich 105 Tage nach der Impfung, der. anatomische Befund war wie der vorhergehende. Bacillen waren aber in großer Zahl vorhanden. Das Huhn No. 20 er- wies sich 105 Tage nach der Infektion als nicht tuberkulös; einige Rundzellenhäufchen des Hylus der Lunge enthielten durch das Ziehl’sche Verfahren rotgefärbte Knötchen, welche Reste von Tuberkelbacillen sein konnten, Das Kontrollhuhn No. 21 ging 20 Tage nach der Impfung zu Grunde und war stark tuberkulös (dichter miliarer Prozeß in Lunge, Milz und Leber). Die Fleischhühner No. 14, 15, 16 und 17, desgleichen die Kontroll- hühner 18 und 19 impfte ich mit einer Tuberkulosebacillenkultur, welche von der Milz des Huhnes No. 21 gezüchtet wurde. Alle diese Hühner erkrankten an Tuberkulose, dennoch verdient diese Serie, näher be- trachtet zu werden. Trotzdem sämtliche Hühner die gleiche Menge derselben Kultur bekamen und die Infektion in allen Fällen auf gleiche Art vor sich ging, war dennoch die Tuberkulose bei zweien der 4 Fleisch- hühner evident viel geringer, man könnte sagen, in einem Zustande der Abheilung. Dies offenbarte sich darin, daß in der Milz nicht die typischen Tuberkel vorhanden waren, sondern nur epitheloide Zellhäuf- f Einfluß ausschließlicher Fleischnahrung auf die Impftuberkulose der Hühner. 751 | Geimpft | Körper- Quantität ‚P p h | d. täglich clan = Tage Ergebnis der Sektion 5 j Tier No. 'verfüttert. Hühn eu FE Ausgang | und der mikroskopischen | 3 $ Pferde- 2) ki E . Untersuchung Ö | ee = | lose am | mentes | | | 1 Anfangs 28. II. 122.1. Kam am 11.Seröses Exsudat im Peri- Tuber- v 150 g, | intraperi-] 1500 8, IV. um, 42| cardium. Stark ver- kulös später |toneal n.| 11. II. | Tage nach| größerte Milz, mit makro- 200 37-tägig.| 1500 g, der Infekt. | skopischen Tuberkeln, Pferde- | Fleisch- | 28. II. sonst kein. Veränderungen fleisch | nahrung | 1520 g, in den Organen. Khnie- 30. III. und Fußgelenke beider- 1270 g,| | seits gedunsen, enthalten 21. IV. | seröses Exsudat. | 840 g In Milz und Leber durch dasMikroskop nach- | weisbare Tuberkel, mit vielen Bacillen, keine Riesenzellen. In den Nieren parenchymatöse Degeneration. Ausder Milz Reinkultur, von Tuberkelbaeillen. | 2 Aus- 28. II. 128. II. |Kam um am/Keine makroskopisch. Ver-Tuber- Kontroll-'| schließl. | intraperi-- 1220 g,| 8. IV., 38| änderungen. Milz von| kulös huhn zu | mit Korn) toneal 30. III. | Tage nach| normaler Größe. No. 1 | genährt 890 g, | der Infekt. Mikroskopisch wenig 8. IV. Tuberkel in der Milz, keine 780 g Riesenzellen. Leber frei. Aus der Milz Reinkultur | von Tuberkelbacillen. | 3 Anfangs |12. III. [22. 1. Getötet am Bohnengroße Milz, in|Nicht 150 g, |intraperi-| 1775 g, 13. V., 62| keinem Organe makro-| tuber- äter |toneal n.! 12. II. | Tage nach | skopische Veränderung.| kulös 200 49-tägig. 1. En © der Infekt. | Mikroskopisch weder Tu- Pferde- | Fleisch- berkel noch Bacillen auf- fleisch | nahrung ee : findbar. Mäßige Wuche- 13. V. ai des Bindegewebes. 1640 g len Nieren herdweise | Barney Degene- | ration. Kultur wurde in diesem Falle nicht angelegt. 4 Aus- 12. III. 22. III. Getötet amıMilz in der Größe einer|Tuber- Kontroll- | schließ]. | intraperi- 1190 8, 13. V., 62| Haselnuß, in ihr wie in! kulös huhn zu | mit Korn toneal 30. III. , Tage nach, der Leber schon makro- No. 3 | genährt u ee | nr g,' der Infekt. 13. 180 g skopisch wahrnehmbare Tuberkel. Mikroskopisch in beiden Organen Tuberkel ver- schiedener Größe, keine Riesenzellen, Bacillen in mäßiger Zahl. Kultur wurde angelegt. nicht 152 Kornel Preisich, ..| Geimpft Körper- Quantität| _., | d. täglich Ki a NN Ergebnis der Sektion I: Tier No. |verfüttert. Hühn “ . ER °| Ausgang |und der mikroskopischen | "3 Pferde- |, b a ho Untersuchung Ö fleisches | tuberku- Experi- Re lose am | mentes 5 200 g 28.0123, 15. II. Getötet am |Größere Milz mit makro-|Nicht Pferde- | intraperi- 2260 g,| 21. IV., 52| skopischen grauen Pünkt-| tuber- fleisch | toneal n.| 28. II. | Tage nach! chen, kleine braune Leber.| kulös 23-tägig. |, 1780 g,| der Infekt. Mikroskopisch erweisen Fleisch- | 30. III. sich diegrauen Pünktchen nahrung | 1690 g, der Milz für Gefäße mit 21. IV. stark verdickter Wandung. 1480 g Tuberkel oder Bacillen sind nirgend auffindbar. In den Nieren parenchy- matöse Degeneration. Kultur aus der Milz blieb steril. 6 Aus- desgl. 28. II. _|desgl. Milz in der Größe einer|Tuber- Kontroll- | schließ]. 1600 g, Haselnuß, mit eben sicht-) kulös huhn zu | mitKorn 30: IE. baren Tuberkeln, Fett- No. 5 | genährt 1570 g leber, ebenf. mit solchen 234. IV. Tuberkeln. In den Lungen 1380 g Verdacht auf Tuberkel. Mikroskopisch Tuberkel in Leber und Milz, wenig Bacillen. In den Lungen stellenweise rundzellige Infiltration, aber keine Tuberkel. Aus der Milz | | Reinkultur von Tuberkel- bacillen. 7 200 g 30. III. 5. I. /Getötet amEtwas größere Milz, sonst|Nicht Pferde- | intraven.| 1780 g,, 27. IV., 27| in den Organen keine| tuber- fleisch | 53 Tage 30. III. | Tage nach! makroskopische Verände-| kulös | nach be-| 1340 g,, der Infekt. | rung. gonnener| 27. IV. Mikroskopisch Hyper- | | Fleisch- | 1240 g plasie des Bindegewebes, nahrung in den Nieren parenchy- . matöse Degeneration. Weder Tuberkel, noch Bacillen. Kultur wurde nicht angelegt. 8 Aus- 30. III. [30. III. |desgl. Milz in der Größe einer|Tuber- Kontroll- | schließl. | intraven., 1510 g Haselnuß, Fettleber. Milz| kulös huhn zu | mitKorn MIN. und Lunge erscheinen No. 7 | genährt 1370 g schon makroskopisch tuberkulös. Mikroskopisch viele Tuberkel in Milz, Leber und Lungen,viele Bacillen. Mäßige Degeneration der Nieren. Kultur angelegt. wurde nicht ’ + j Einfluß ausschließlicher Fleischnahrung auf die Impftuberkulose der Hühner. 753 | Ä Quantität| Geimpft | r d. täglich er nee Körpergewicht | Ergebnis der Sektion S Tier No. |verfüttert. Hühner. | m aufe des Ausgang und der mikroskopischen | "= Pferde- NeT- | Experimentes Untersuchung & fleisches | tuberku- x ra lose am 9 Anfangs ‘Wurde /22. I. 1740 gGetötet am |Mäßige Milzschwellung,' 150g, | nicht in-112. II. 1880 „| 13. V. sonst nirgend makro- später jiziert [30. III. 1670 „, skopische Veränderung. 2 8 Ba Ve 120. ,, Mikroskopisch mäßige Pferdefl. Bindegewebshyperplasie, | in den Nieren parenchy- matöse Degeneration. 10 1200 g 18. I. 01 | 1900 Getötet am [Milz in der Größe einer Nicht Pferdefl. | intraperi-115. XII. 1400 g| 12. V., 114) Bohne, makroskopisch| tuber- tonealam 27.XII. 1500 „| Tagenachd.| sind nirgend Tuberkel kulös 34. Tage| 1901 Infektion auffindbar. | Be 1. 1200 ,, Mikroskopisch Milz, Fleisch- 118. I. 1200 „ Leber und Lungen frei nahrung |28. I. 1400 „, von Tuberkel und Ba- Ri 18.1300", eilllen. In Leber und 20. II. 1400 „ Nieren mäßige parenchy- = 18: 71500: „ | matöse Degeneration. 10. III. 1400 „, Aus der Milz angelegte 27. LE. ..1400 „ Kultur blieb steril. #12 .IV.. 1300-,, 2 ER, »1150:,, 11 Aus- 2501 1901 Getötet am Ein wenig vergrößerte Milz,| Nicht Kontroll- schließl. | intraven. 18. I. 1080 g| 12. V., 114| ihre Konsistenz weicher,| tuber- huhn zu | mitKorn 28. I. 1200 „; Tagenachd. sonst keine makroskopi-| kulös No. 10 | genährt | 11. HI. 1100 „| Infektion schen Veränderungen. 20. II. 1000 „ Mikroskopisch sind in 3. III. ‘1000, keinem Organe Tuberkel a0 LIT. '1000%,, oder Bacillen auffindbar. 27. LII. g Aus der Milz angelegte a7. IV. 4050., Kultur blieb steril. Be, N. IV0-, 12 200 g 10 | 1900 Kam um am) Mäßig dick. Fettpolster. Tuber- Pferdefl.| intraven.'15. XII. 1400 g| 6. III., 47 Milz in der Größe einer| kulös nach 34-27. XII. 1470 „| Tagenachd. Nuß, große braune Leber, tägiger 1901 Infektion makroskopisch verdächtig Fleisch- |11. I. 1270 „ auf Tuberkulose. Lungen nahrung 118. I. 1300 „, scheinen normal. NT. AR) „, Mikrosk.in Leber u. Milz 11. -IE. 140 „, vielekleine Tuberkel, keine 2 EE 500 „, Riesenzellen, wenig Bacill. 3. III. 1300 „ In den Lungen weder Tu- berkel noch Bacillen. Aus der Milz Reinkultur von Tuberkelbacillen. 13 Aus- 182.01 | 1901 Getötet am 3.|Milz in d. Größe ein. kleinen Tuber- Kontroll- | schließl. | intraven.]18. I. 1150 g| V.,105 Tage Haselnuß. In Milz und| kulös huhn zu | mitKorn 28. I. 1300 „|; nach der In- Leber tuberkelartige Ge- No. 12 | genährt 11. II. 1200 „| fektion bilde sichtbar. =. 11. 1200 „| Mikrosk.in der Milz viele Be 1IT..>1200 „, kleine, in der Leber größere SR ra ‚ Tuberk.,welch.durchklein- IV. 20, ' zellige Infiltrat. scharf be- BE .N2 1220 „ grenzt erschein. Viel Bac. 1 den Lungen weder Tuberkel noch Bacillen. In Erste Abt. XXXI, Bd. den Nieren stärkere paren- chymatöse Degeneration. 49 —] ot B Quantität| Geimpft Kornel Preisich, nn Een vg" a “ Körpergewicht Ergebnis der. Sektion = Tier No. | ;; fr ‘' im Laufe des | Ausgang |und der mikroskopischen | 5 fütterten | Hühner- E inerk U h 77 | Pferde- | tuberku- | = perumenles IE ERHNE SE fleisches | lose am | 14: 200 g 15. 111.01) 1900 Getötet am 5. Abgemagert, Milz in der/Tuber- Pferde- | intraven.)15.XII. 1500 g| V., 51 Tage/ Größe einer Haselnuß, in kulös fleisch | nach 90-27.XII. 1500 „| nach der ihr wie in der Leber tägiger 1901 Infektion makroskopische tuberkel- | Fleisch- |11. I. 1360 „ ähnliche Gebilde eben nahrung 23. I. 1600 „, sichtbar. Mikroskopisch 1 11.: 1,5160 in Milz und Leber viele 20., IE W720 ganz kleine Tuberkel, | 311,7 17002 wenig Bacillen. In den | 10. 1IL. 1600, Lungen einige Tuberkel 24.114. 15504, mit viel. Bacillen. Mäßige 17. 1V.. : 15005, Degeneration der Nieren. | ZI NV. [2 15 [200 g 15. 11l.01) 1900 Getötet am 2.Stark abgemagert, kleine Tuber- Pferde- | intraven.|15.XII. 1700 g| V.,.48 Tage Milz, in keinem Organe) kulös fleisch | 90 Tage |27.XII. 1680 „| nach der makroskopische Verände- nach Be-. 1901 Infektion rung. einn der 28. I. 1900 „ Mikroskopisch in der Fleisch- |11. II. 1950 „ Milz viele, in der Leber nahrung |20. II. 1980 ‚, weniger kleine Tuberkel, =; 141.. 20002 welche durch eine rund- 1% III. 180% zellige Infiltration scharf 24 111. 15505, begrenzt erscheinen. Keine 17..IVN. 1280, Riesenzellen. Viel Bacill. | TE We ale In den Nieren mäßige parenchymat. Degenerat. 16 150 g 15. 1IIE01| 191 Getötet am 5. Milz etwas größer, in kein./Tuber- Pferde- | intraven.|10. III. 1350 g| V., 51 Tage] der Organe makrosko-| kulös fleisch | n. 5-täg.|27. III. 1350 „| nach der pische Veränderung. Fleisch- |17. IV. 1050 „| Infektion Mikroskopisch sind in der nahrung | 2. V. 1200 „ Milz kleine Häufchen von 3). V-2..1220,, epitheloiden Zellen wahr- nehmbar, welche durch Rundzellen scharf begrenzt sind. Bacillen sind nur in manchen Zellhäufchen findbar, und auch da in sehr geringer Zahl. In der Leber stellenweise peri- vaskuläre Infiltration mit Karyolyse, ohne Bacıllen. In den Lungen einige Tuberkel, mäßig viel Bac. 17 150 g 15. III. 01) 1901 Getötet am 5. Milz etwas größer. In/Tuber- Pferde- | intraven.|10. III. 1200 g| V., 5l Tage] keinem der Organe makro-, kulös fleisch | n. 5-täg.27. III. 1200 „|; nach der | skopische Veränderung. Fleisch- |17. IV. 1200 „| Infektion In der Milz sehr wenig nahrung | 2. V. 1080 „ mikroskopisch. epitheloide Zellhäufchen, nach lang. Suchen hier und da ein Tuberkelstäbehen. In der Leber wenige scharf be- grenzte Häufchen v. Rund- zellen, ohne Tuberkelbac. Inden Lungen weder Tub. noch Bacillen auffindbar. Aus der Milz Reinkultur von Tuberkelbacillen. Einfluß ausschließlicher Fleischnahrung auf die Impftuberkulose der Hühner. 755 et Geimpft | 5 SE a es täg- mit einer wich Me VE - - gewicht Ergebnis der Sektion & Tier No. Br Kultur Y-| im iR des | Ausgang |und der mikroskopischen | "5 fütterten | Hühner- | Tnerimentes Untersuchun & Pferde- | tuberku- ? nung Re | fleisches | lose am BR. 18 'Aus- 15. III. 01) 1901 Kam um am Milz in der Größe einer Tuber- Kontroll- | schließl. | intraven. 16. III. huhn zu mit Mais No. 14, | genährt | 15,16, 17. ‚desgl. 1901 20 Anfangs |18. I. 01 | 1900 150, intraven. 15. XII. später nach 34-]27.XII. 2 tägiger 1901 Pferdefl. Fleisch- 111. I. nahrung bet I: 21. EI: 20. II. w 21 18. I. 01. |Aus- 1901 Kontroll- | intraven.| schließl. 118. 1. uhn zu mit Mais28. 1. gefüttert 7. II. No. 20. ide u u 1 1400 g, 27. IIL., 12 kleinen Nuß, sehr leicht kulös Tage nach d. zerreißlich, sonstin keinem Infektion Organe makroskopische Veränderung. Mikroskopisch in Milz, Leber und Lungen viel Tuberkel mit vielen Bac. Keine Riesenzellen. Getötet am 5. Milz in der Größe einerTuber- 1300 g| V., 51 Tage| Haselnuß, leicht zerreiß-| kulös 1300 „| nach der lich. In Milz und Leber 1250 „| Infektion sind tuberkelartige Ge- 1200 ,, bilde schon mit freiem Auge sichtbar, sonst keine makroskopisch. Verände- rungen. Mikroskopisch viele Tu- berkel in Milz und Leber, Bacillen in mäßiger Zahl, um den Tuberkel herum vermehrtes Bindegewebe. In den Lungen wenig Tuberkel, viel Bacillen. Getötet am 3.|Milz in der Größe einer|Nicht 1300 g| V.,105 Tage! Haselnuß, derb, sonst in! tuber- 1300 „| nach der | keinem Organe makro-| kulös Infektion skopische Veränderung. 1200 ,, Milz und Leber mikro- 122), skopisch frei von Tuber- 1300 „, kulose. In der Leber 1200 ,, perivaskuläre Infiltration. 1250 In einem Lungenhylus 1300 ‚, hier und da ein tuberkel- 1300 „, ähnliches Zellhäufchen, 1200 ,, die Zellen enthalten nach 1100 „, Ziehl gefärbte Körnchen verschiedener Größe. Aus- gesprochene Tuberkel- bacillen nicht auffindbar. Aus der Milz angelegte Kultur blieb steril. Kam um am|Taubeneigroße, weich. Milz, Tuber- 1200 g, 7. II., 20/ große Fettleber. In beiden) kulös 1200 „; Tagenachd.| Organen punktförmige, 935 „ Infektion tuberkelähnliche Gebilde. Mikroskopisch in Milz, Leber und Lunge viel Tuberkel mit viel Bacill.| Im Centrum manchen Tuberkels beginnende Nekrose. Keine Riesen- zellen. Aus der Milz Rein- kultur von Tuberkelbac. 49* 756 | Kornel Preisich, Br | | es täg- Kör oh . . = A . pergewicht Ergebnis der Sektion & Tier No. en Pr im Laufe des Ausgang |und der mikroskopischen | 3 Pferde- Experimentes Untersuchung = fleisches 22 Anfangs 128. I. 01 | 1900 Gretötet am 2.|Milz v. normaler Größe; in Nicht 150, intraven.|15.XII. 1300 g| V., 94 Tage| keinem Organe makro-| tuber- später mit einer[27.XII. 1400 „ nach der skopische Veränderung. | kulös 200 g Kulturv.‘ 1901 Infektion Mikroskopisch. weder Pferdefl.| Säuge-- 11. I.. 1400 „ Tuberkel noch Bacillen tiertuber-|]11. II. 1600 „, irgendwo nachweisbar. In kulose 3. 111. 16908 der Leber stellenweise 27. IE. 13505 rundzellige perivaskuläre 17:1YV; 250% Infiltration. Verdickte | 2. "1000 5 Gefäßwandung. Aus der Milz angelegte | Kultur blieb steril. 23 Aus- desg]. 1901 desgl. Milz normaler Größe, in/Nicht Kontroll- | schließ]. Par An II0OEA keinem Organe makro-| tuber- huhn zu| mit Mais 11. 11.732007 skopische Veränderung. | kulös No. 22. | genährt 2 N, 1200 Mikroskopisch weder 3.118. 12005, Tuberkel noch Bacillen 2R 1ER 140035 irgendwo nachweisbar. 17.. 13. 1280 2 Aus der Milz angelegte 17.2.1, 210005 Kultur blieb steril. chen und in diesen nur einzelne Bacillen; in der Leber fehlten die Bacillen ganz. In der Lunge des Huhnes No. 16 fand ich noch einige Tuberkel, bei No. 17 gar keine. Der Unterschied zwischen diesen 2 Fleischhühnern (No. 16 und 17) und den anderen (No. 14 und 15) läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß die ersteren zum Beginne der Fleischnahrung, schon am 5. Tage derselben infiziert wurden, und zu dieser Zeit bei vollen Kräften waren, sie nahmen wohl nicht zu, ihr Körpergewicht war aber stationär. Hin- gegen infizierte ich die Hühner 14 und 15 90 Tage nach begonnener Fleischnahrung, als sie an Körpergewicht schon bedeutend abgenommen hatten; gewiß waren sie auch schon anderweitig geschwächt. Bei diesen Hühnern zeigte die Tuberkulose beinahe dasselbe Bild wie bei den Kontrollhühnern. Nun möchte ich die Hühner 10, 11, 12, 13, 20, 21 nochmals in Augenschein nehmen, ob nicht da eine Erklärung der sichtlich widersprechenden Resultate zu finden ist. Die Infektion ge- schah, wie erwähnt, mit einer Kultur, welche vorher weder ein Huhn noch ein anderes Tier passiert hat, eine mit dieser Kultur zu gleicher Zeit geimpfte Taube lebt heute noch, zum Beweise dessen, daß die Bacillen nur schwach virulent sein konnten. So wird es verständlich, daß das intraperitoneal infizierte Fleischhuhn No. 10, sowie dessen Kontrollhuhn nicht tuberkulös wurden. Bei intravenöser Infektion blieb ein Fleischhuhn gesund, ein zweites und beide Kontrollhühner erkrankten. Dies möchte ich der wirkungsvolleren Art der Infektion, der intra- venösen Infektion, zuschreiben. Die intraperitoneale Infektion mit den schwach virulenten Bacillen konnte auch ein Kontrollhuhn über- winden. Und nun werden uns die in Paris erhaltenen günstigeren Er- folge auch verständlich. Von den Fleischhühnern, welche die Infektion schadlos überstanden haben, wurden 2 intraperitoneal geimpft und nur eins intravenös. Die zu der Zeit verwendete Kultur war wohl auf ihre Virulenz an Tauben erprobt, nicht aber an Hühnern, und man kann BT u ei rt « Einfluß ausschließlicher Fleischnahrung auf die Impftuberkulose der Hühner. 757 mit Recht annehmen, daß diese Kultur für Hühner schon damals wenig virulent war, nachdem eine nach einigen Monaten von der Originalkultur angelegte und gut gediehene 1. Generation von einem mit Mais ge- nährten Huhn schadlos vertragen wurde. Ganz anders verhielt es sich mit der Kultur, welche das Huhn No. 21 passiert hatte, und mit welcher die Hühner No. 14—19 infiziert wurden. Aus einem zusammenfassenden Ueberblick der angeführten Experi- mente geht hervor, daß die Fleischnahrung die Entwickelung bezw. den Verlauf der Impftuberkulose bei Hühnern in vielen Fällen günstig zu beeinflussen vermochte. Ich könnte aber in dieser Richtung dem Fleische keine spezifische Wirkung zuschreiben, denn: 1) Es wirkt nicht in jedem Falle, selbst wenn die äußeren Verhältnisse und die Art der In- fektion die gleichen sind. 2) Lange Zeit mit Fleisch genährte Hühner (14, 15) werden ebenso tuberkulös, wie die Kontrollhühner. 3) Kurze Zeit hindurch mit Fleisch genährte Hühner (No. 16, 17) konnten der Infektion besser widerstehen. Letztere Erfahrungen können mit denen Salmon’s in Einklang gebracht werden. Als Salmon Richet’s Experimente wiederholte, fand er, daß seine Hunde, welche er schon vor der Infektion mit Fleisch nährte, so rasch eingingen wie die Kontrollhunde. Bei einer 20 Tage nach der Infektion begonnenen Fleischnahrung nahmen 3 Hunde an Körpergewicht zu, und diese überlebten die Kontrolltiere um vieles. Die günstige Wirkung des Fleisches läßt sich in unseren Fällen mit einer Ueberernährung nicht erklären, sahen wir doch, daß bei abmagernden Hühnern (No. 3, 5, 7) sich die günstige Wirkung ebenso einstellte, wie bei nicht abmagernden (No. 16, 17, 20). Ich möchte die günstige Wirkung des Fleisches nur für eine solche betrachten, wie die mancher vielgepriesener anderer Mittel gegen Tuberkulose, z. B. des Tuberkulins, operativer Eingriffe (Laparotomie, Ignipunktur etc.) der freien frischen Luft u. s. w. Keines dieser Mittel ist spezifisch, und ihre Wirkung, scheint mir, besteht darin, daß sie in dem Stoffwechsel des Organismus eine intensive, jedoch unschädliche (denn nur bis zu diesem Grade ist eine günstige Wirkung zu erwarten, was auch der Grund sein mag, daß Herr Prof. Metschnikoff im Sommer weniger gute Erfolge mit der Fleischnahrung hatte) Aenderung eintreten lassen. Diese erhöht die Lebenskraft und auch die im Organismus glücklicherweise schon beträchtliche Schutzwirkung gegen die Tuber- kulose. In diesem Sinne kann auch der Fleischnahrung bis zu einem gewissen Grade eine günstige Wirkung zugeschrieben werden, besonders bei solchen Tieren, bei denen die Fleischnahrung einen Regimewechsel bedeutet. Hingegen bleibt die Wirkung aus, wenn die Fleischkost schon angewöhnt ist. Darum kann es uns auch nicht wundern, wenn Bouchard behauptet, daß die Erfolge der Fleischnahrung in klinischer Beobachtung denen Richet’s widersprechen. Das Fleisch übt ja Keine spezifische Wirkung aus. Diese Auffassung entspricht auch den Er- fahrungen Honsell’s, laut welchen die Sanatoriumbehandlung der Tuberkulose bei Unbemittelten bessere Erfolge aufweist, als bei Gut- situierten. Bei ersteren ist der Gegensatz zwischen der Lebensweise von früher und im Sanatorium ein größerer. Die Laparotomie gegen Bauchfelltuberkulose erwirkt manchmal auch eine Besserung fernliegender tuberkulöser Veränderungen, z. B. solcher der Lungen. Dies scheint auch zu beweisen, daß die Wirkung nicht nur in einer lokalen Reaktion zu suchen ist. 158 J. de Haan, Meine Untersuchungen erstreckten sich auch auf jene Frage, wie sich das mit Fleisch genährte Huhn gegen Säugetiertuberkulose (Meer- schweinchentuberkulose) verhält. Das Fleischhuhn No. 22 impfte ich mit einer Meerschweinchentuberkulose intravenös, es erwies sich ebenso refraktär wie das Kontrollhuhn (No. 23). Diese Beobachtung bestärkt also den Befund Cadiot’s, Gilbert’s und Roger’s nicht; diesen Autoren gelang es, Hühner durch Pferdeserum gegen Säugetiertuberkulose empfänglicher zu machen. Weiterhin prüfte ich die Virulenz der Tuber- kulose von einem Fleischhuhn auf das Meerschweinchen im Vergleiche zur Tuberkulose eines mit Mais genährten Huhnes und fand, daß beide Arten der Tuberkulose bei den Meerschweinchen nach subkutaner Impfung mäßige Drüsenschwellung hervorriefen, welche nach kurzer Zeit abnahmen. Beide Meerschweinchen blieben gesund. Bemerkung: Bei den Hühnern konnte ich den ganzen Verlauf der Krankheit nicht abwarten und war genötigt, die Hühner zu opfern, da sie beim Eintritte der wärmeren Jahreszeit einen im Hofe des Spitals nicht geduldeten Gestank verbreiteten. Nachdruck verboten. Bösartige Schimmelkrankheit des Pferdes (Hyphomycosis destruens equi). [Aus dem Geneeskundig Laboratorium zu Weltevreden, Java.] Von J. de Haan, Direktor. Mit‘ 2 Figuren. In den letzten 2 Jahren wurden in Batavia mehrere Fälle einer Krankheit bei Pferden beobachtet, die bisher noch nicht bemerkt worden war. Der Militär-Veterinärarzt L. J. Hoogkamer lenkte zuerst die Aufmerksamkeit darauf und übergab das Krankenmaterial dem Genees- kundig Laboratorium zur weiteren Untersuchung. Die Krankheit zeigte sich unter zweierlei Formen. Bei der ersten Form war nur die Haut und das Unterhautbindegewebe erkrankt, bei der zweiten die Schleimhaut der Mundhöhle, Lippen oder Nase und die Submucosa. Bei dieser letzten Form wurde stets, wenn der Krank- heitsprozeß nur alt genug war, das Knochengerüst des Kopfes mit er- griffen. ü Aus den Erscheinungen, welche sich bei den bisher von uns ge- sehenen 12 Krankheitsfällen !) gezeigt haben, sind die folgenden Schlüsse gezogen worden: 1) Der Krankheitsprozeß offenbart sich vorzugsweise in der Haut und in den Schleimhäuten. 2) Die Schleimhaut der Mundhöhle, Lippen und Nase sind am leich- testen der Krankheit zugänglich. 3) Sich selbst überlassen, breitet sich die Krankheit auf die Um- gebung aus, gleichgiltig welches Gewebe hierbei im Spiele . ist. Stets ist die Zerstörung des Gewebes das Ende. 1) Eine ausführliche klinische Beschreibung der Krankheitsfälle findet man in „Geneeskundig Tijdschr. voor Nederl. Indie“. Bd. XLI. Abl. 1. | 3 | | Zu eh Bösartige Schimmelkrankheit der Pferde (Hyphomycosis destruens equi). 759 4) In der Mundhöhle greift der Prozeß schneller um sich, als in der Haut. 5) Der stark wuchernde und zu gleicher Zeit zerstörende Charakter dieser Krankheit, verbunden mit der Anwesenheit eigentümlicher grau- gelber Pfropfen, die man stets in Höhlen und Gängen in der Tiefe des kranken Gewebes antrifft, machen das Stellen der Diagnose leicht. Un- erträgliches Jucken begleitet stets die Krankheit. 6) Sobald die Diagnose sicher gestellt ist, muß möglichst schnell zur Operation geschritten werden }). 7) Es ist notwendig, alles kranke Gewebe wegzunehmen, sonst tritt schon sehr bald Recidiv ein. Was bei dieser Krankheit am meisten auffiel, war das Vorkommen der schon oben unter 5) erwähnten graugelben Pfropfen in der kranken Haut oder Schleimhaut, die bei jedem Krankenfalle in großer Zahl an- getroffen wurden. Fig. 1 giebt eine Abbildung eines mittelgroßen Pfro- pfens. Die Größe schwankt zwi- schen der eines Stecknadelkopfes bis zu der eines Eies. Ihre Ober- fläche ist sehr höckerig, mit vielen großen oder kleinen Ausläufern versehen. Ihre Konsistenz ist ziem- lich fest, kleinere Partikelchen las- ‚sen sich jedoch leicht zwischen Deck- und Objektglas zerdrücken. Auf den ersten Anblick sollte man meinen, nekrotische, teilweise mit Kalk imprägnierte Produkte vor sich zu haben. Doch ist Kalk in ihnen nicht vorhanden. Untersucht man mit dem Mikroskop ein zer- Fig. 1. quetschtes Stückchen in 33-proz. Kalilösung, so zeigt sich sofort ein schönes Mycelium, das sich nach allen Richtungen zwischen einer Grundsubstanz verzweigt, die aus breiten, ein wenig glänzenden, homogenen Bündeln besteht, in deren Maschen Leukocyten liegen. Sehr schön zeigt sich das Mycelium, wenn das Präparat während 24 Stunden der Kaliwirkung ausgesetzt wird. Nach dieser Zeit ist von den Leukocyten und der Grundsubstanz nicht viel mehr zu sehen und das Mycelium tritt allein in den Vordergrund. Ein Photogramm eines solchen Präparates zeigt Fig. 2. Um die histologischen Veränderungen, die in dem kranken Gewebe vor sich gehen, studieren zu können, wurden Stückchen, in welchen solche graugelbe Pfröpfehen saßen, ausgeschnitten und in Sublimat- alkohol fixiert. Bei schwacher Vergrößerung von aus diesen Stückchen angefertigten Schnitten geht hervor, daß vom präexistierenden Gewebe 1) Bei den letzten 3 Fällen hat der Veterinärarzt des Laboratoriums, J. K. F. de Does, den Einfluß von großen Dosen Jodkali (10-30 g pro die) versucht. Ein Pferd mit der Krankheit an der Außenfläche der Unterlippe ist geheilt. ein anderes mit weit- gehender Zerstörung in der Mundhöhle ist vielleicht auch geheilt, nur ist noch toter Knochen da. Ein drittes Pferd mit der Krankheit an der Kommissur der Ober- und Unterlippe ist fast geheilt. Die Behandlung dauert aber sehr lange. Wenn weniger Jodkali als 10 g pro Tag gegeben wurde, trat sehr schnell Recidiv ein. Frühere Ver- suche mit kleinen Dosen dieses Mittels hatten kein Resultat gehabt. 760 J. de Haan, fast gar nichts mehr übrig ist. Ueber große Abschnitte ist an seine Stelle ein Bindegewebe getreten, worin hier und da kleinere und größere Inseln liegen, die sich durch Retraktion zufolge der Alkoholhärtung aus der Umgebung losgelöst haben und eine andere Struktur haben als die Umgebung. Diese Inseln sind Durch- schnitte von grau- gelben Pfropfen. Bei starker Vergrößerung sieht man, daß diese letzten aus breiten Balken einer glän- zenden, homogenen Grundsubstanz beste- hen, die ein Netzwerk bilden, in dessen Ma- schen sich Leukocyten befinden. Zwischen diesen Balken und be- sonders an der Peri- pherie sind sehr schöne Mycelfäden sichtbar mit zahlrei- chen freien Sporen, die wieder aufs neue zu einem Mycelium Fig. 2. auswachsen. Die cen- trale Insel ist um- geben von einem ringförmigen Teile, welcher aus Leukocyten mit äußerst spärlicher Grundsubstanz und einzelnen größeren Leukocyten mit mehr entwickeltem Protoplasmaleibe (Resorptionszellen) besteht. Die Mycelfäden, welche aus dem centralen Teile kommen, setzen sich in diese Leukocytenschicht fort. Noch weiter auswärts folgt ein sehr gefäß- reiches Bindegewebe, das sehr deutlich 2 Zonen unterscheiden läßt.. Die eine Zone, welche der Leukocytenschicht am nächsten liegt, enthält viele Leukocyten und zeigt Stellen, wo die fibrilläre Grundsubstanz gequollen und homogen glänzend ist, nebst schönen Mycelfäden. Weiter auswärts ist das Bindegewebe fast normal, nur hier und da ist die Grundsubstanz einigermaßen gequollen. Auf den ersten Anblick konnte man meinen, daß das oben be- schriebene Balkennetz ganz aus Fibrin bestehe und daß auch hier und da im umgebenden Gewebe Fibrinstreifen sich vorfinden. Aus den mikro- chemischen Reaktionen erhellt aber, daß dem nicht so ist: Die Wei- gert’sche Fibrinfärbung fällt negativ aus. Bei Färbung nach der van Gieson schen Methode werden die breiten Balken, sowohl die im cen- tralen Teile als die in dem ringsum liegenden Bindegewebe, schön rot gefärbt. Der negative Ausfall der Weigert’schen Fibrinfärbung nebst der positiven Färbung nach van Gieson berechtigen zu dem Schlusse, daß mit großer Wahrscheinlichkeit hyaline Degeneration be- steht. Die Färbung der Mycelfäden in den mikroskopischen Schnitten ist sehr schwer, und eine gute Methode ist trotz vieler Versuche noch nicht gefunden worden. Eine ziemlich gute Färbung gelang einige Male alba u al m ch a ah sen, Bösartige Schimmelkrankheit der Pferde (Hyphomycosis destruens equi). 761 mit der von Unna beschriebenen Methode für die Färbung von Haut- parasiten. Schöne Präparate bekommt man durch Färbung mit der Cochenille- Alaun-Pikrinsäurelösung von Unna und Einschließen in Kanadabalsam. Läßt man die Präparate während einiger Zeit liegen, wodurch der Kanadabalsam eindickt, dann kann man im gefärbten Gewebe sehr schön die nicht gefärbten, aber doch deutlich differenzierten Mycelfäden wahrnehmen. | Aus der Thatsache, daß das Mycel am mächtigsten in den grau- gelben Pfropfen entwickelt ist, dieses sich von da aus in die Umgebung fortsetzt und da nicht mehr angetroffen wird, wo im Gewebe die patho- logischen Veränderungen aufhören, glaube ich vorläufig den Schluß ziehen zu können, daß dieser Mikroorganismus mit der Heilung der Krankheit in ursächlicher Beziehung steht. Auf keinerlei Weise konnten andere Mikroorganismen gefunden werden in solchen Produkten, die ganz vom Kontakt mit der Mund- und Nasenhöhle oder der Außenluft ausgeschlossen waren. Ich stelle mir vor, daß die Entwickelung dieser pathologisch-ana- tomischen Veränderung in der folgenden Weise zustande gekommen ist: Der pathogene Schimmel oder dessen Sporen geraten in den Körper des Tieres, und zwar habe ich gute Gründe für die Annahme, daß diese Infektion mit dem Futter stattfindet. In zwei noch wenig fortgeschrit- tenen Fällen konnte nämlich überzeugend nachgewiesen werden, daß primär die Schleimhaut am Halse eines Schneidezahnes erkrankt war und die Krankheit sich von hier aus weiter fortgepflanzt hatte. Die Infektion findet dann vielleicht dadurch statt, daß mit dem Futter (Gras, Gabba) einmal die Schleimhaut rings um die Zähne, das andere Mal die Schleimhaut der Lippe oder der Mundhöhle verwundet wird, für welche Verwundung in der Natur des Futters stets Gelegenheit ge- geben ist. Hierdurch ist eine porte d’entree geschaffen, wodurch der mutmaßlich auch im Futter (oder Wasser) vorhandene Infektionskeim eindringen und sich stets größeres Terrain für seine Zerstörungen er- obern kann. Daß derselbe Krankheitsprozeß in der Haut auftritt, steht nicht mit dieser Vorstellung im Widerspruch, da hier auf andere Weise, z. B. durch kleine Hautwunden, der Infektionskeim eindringen kann. Hat er sich einmal im Gewebe eingenistet, so wächst der Hyphomycet aus und veranlaßt in seiner Umgebung, mutmaßlich nach Analogie des- jenigen, was wir von der Wirkung anderer Mikroorganismen wissen, durch Toxine eine hyaline Degeneration, zufolge welcher die makro- skopisch durch ihre graugelbe Farbe erkennbare Substanz entsteht. Die Bindegewebswucherung und das zellige Infiltrat in ihrer nächsten Um- sebung müssen als die Reaktion des Organismus, der sich bemüht, die ihr ganz fremde Masse unschädlich zu machen oder fortzuschaffen, auf- gefaßt werden. Die excentrische Wucherung des Mycels wird dadurch aber nicht beeinflußt, es breitet sich fortwährend in die Umgebung aus und überall, wo es seine Ausläufer hinsendet, entsteht ringsum dieselbe hyaline Degeneration. In dieser Weise wird die Masse durch Juxt- apposition immer größer und so entstehen die vielen Ausläufer von allerlei Größe und Dicke, die den graugelben Pfropfen ihre grillige Form geben und womit sie mehr oder weniger in der Umgebung fest- sitzen. Kein Gewebe, welcher Art es auch ist, bietet diesem Einflusse Widerstand. Es ist mir gelungen, aus kleinen Pfröpfehen, die, ganz von der 762 J. de Haan, Bösartige Schimmelkrankheit der Pferde. Außenwelt abgeschlossen, tief im Gewebe lagen und deshalb auf keinerlei Weise sekundär infiziert sein konnten, den Schimmel auf Agarbouillon de panse zu züchten. Nach einigen Tagen entwickelt sich hierauf eine Kultur, die teilweise in den Agar einwächst, teilweise wie ein schöner Rasen darüber fortwuchert und die aus ganz demselben Mycelium be- steht, welches in den Pfropfen angetroffen wurde. In saurer Bouillon de panse gelingt die Züchtung ebenfalls, es entwickelt sich darin ein Schimmelballen von äußerst feiner Zusammensetzung. Mit diesen Kulturen wurden Impfversuche bei Pferden gemacht. Am Halse einiger Zähne wurde die Schleimhaut etwas gelüftet und ein wenig von der Kultur darunter gebracht. Auch in kleine Hautwunden wurde sie eingerieben. Es ist aber noch nicht gelungen, die Krankheit in dieser Weise hervorzurufen. Einmal hat sich in der Haut ein Knoten geformt, der aber wieder verschwunden ist. In der veterinären Litteratur kommen Beschreibungen von Krank- heitsfällen vor, die mit den unserigen übereinzustimmen scheinen. Drouin!) beschreibt eine Krankheit bei einem Pferde, wobei in der kranken Haut eine große Anzahl von den graugelben Pfropfen, wie wir sie beschrieben haben, aufgefunden wurde. Er bildet auch einen solchen ab. Renon fand darin ein Mycelium und machte Züch- tungsversuche auf Raulin’scher Flüssigkeit mit positivem Erfolge. Impfproben fielen aber negativ aus. Nocard und Leclainche?) geben eine Uebersicht von einigen Krankheitsfällen, die durch englisch-indische und amerikanische Tier- ärzte unter den Namen Bursattee und Leeches beschrieben sind. Es scheint mir jedoch, daß unter diesem Namen mehrere Krankheitsbilder von ganz verschiedener Art zusammengefaßt sind. Bursattee oder Leeches ist nach diesen Autoren eine Krankheit der Haut und des Unterhautbindegewebes, welche beim Pferde vorkommt und verursacht wird durch die Anwesenheit eines Myceliums in den Geweben. Aus dem historischen Ueberblicke geht hervor, daß schon 1829 James Kerr eine Krankheit eines Pferdes beschrieben hat, ge- kennzeichnet durch das Vorkommen von kleinen, ulcerierenden Ge- schwülstchen in der Kommissur der Augenlider, im Gesicht und am Scrotum. Nach meiner Erfahrung steht diese Krankheit in gar keiner Be- ziehung zu der oben beschriebenen. Im Laufe meiner Untersuchungen wurden mehrmals solche Geschwülstchen an der Kommissur der Augenlider bei Pferden angetroffen, doch konnte ein Mycelium darin nicht aufgefunden werden. Auch die Krankheit der Genitalien ist ganz anderer Art. Am Praeputium und Scrotum des Pferdes kommt eine Krankheit vor, wobei sich Pfröpfchen von der Größe eines Grieskornes im kranken Gewebe vorfinden. Diese Körner haben aber nie eine rauhe Oberfläche, sondern sind nahezu vollkommen rund, können leicht aus einer Bindegewebs- kapsel gepreßt werden und enthalten kein Mycelium. 1879 teilte F. Smith mit, daß er bei einigen kranken Pferden mit Wunden in der Haut in diesen Wunden harte Konkremente von grau- selber Farbe gefunden habe, die zuweilen die Größe eines Eies hatten. Diese Konkremente enthielten Schimmelfäden und und spezielle Zellen von epitheloidem Charakter, glänzend und von gelber Farbe. 1894 giebt Th. Smith eine Beschreibung einiger in Alkohol nach 1) Sur une nouvelle mycose du cheval. (Recueil de med. vöter. 1896.) 2) Les maladies microbiennes des animaux. i | | # 3 | j Du a Kin u a Zu 2 Z. Tsuzuki, Ueber die Ergebnisse meiner Malariaforschung in Hokkaido. 763 dem Bureau de l’Industrie animale zu Washington gesandten Konkre- mente. Auch dieser fand darin ein Mycel, das er mit dem Mikroorga- nismus der Aktinomykose oder des Madurafußes vergleicht. Das Mycel sollte sich nach ihm in dem Gewebe entwickeln, wonach eine kalkige Infiltration desselben folgt. In den zahllos vielen, von mir untersuchten, graugelben Pfröpfchen konnte nie die geringste Spur von Kalk aufgefunden werden. Der Prozeß, dem ich in mikroskopischen Schnitten seit den ersten Stadien habe folgen können, geht stets in der beschriebenen Weise vor sich und nie anders. Auch der von Drouin beschriebene Fall wird durch Nocard und Leclainche genannt und ohne weiteres bei der Bursattee oder Leeches einverleibt. Ohne Zweifel gehört dieser Fall zu der kutanen Form der von mir beschriebenen Krankheit. Die Züchtung des Mikroorganismus ist keinem der früheren Autoren gelungen. Aus dem Vorhergehenden folgt, daß das unter den Namen Bursattee oder Leeches zusammengebrachte Material eine Sichtung durchaus nötig hat und daß darunter kein Fall vorkommt, der vollkommen mit der eben beschriebenen Krankheit übereinstimmt. Vielleicht ist die Be- schreibung der früheren Untersucher eine mangelhafte gewesen, oder es sind die mikroskopischen Veränderungen in ungenügender Weise ge- deutet. Ich habe es daher für notwendig gehalten, der Krankheit einen neuen Namen zu geben als bösartige Schimmelkrankheit des Pferdes (Hyphomycosis destruens equi), welcher beide Hauptcharaktere dieses Leidens, das Vorkommen eines Mycels und „ui im Vordergrund stehenden destruktiven Charakter, am besten ausdrückt. Nachdruck verboten. Ueber die Ergebnisse meiner Malariaforschung in Hokkaido (Japan). [Aus der kaiserl.-militärärztlichen Akademie zu Tokio.] Von Stabsarzt Dr. Z. Tsuzuki. Nachdem in der letzten Zeit der Infektionsmodus der Malaria durch mehrere Forscher, besonders Manson, Ross, Bignami, Grassi, Celli und Koch, entdeckt und festgestellt worden ist, wurde es nötig, zu entscheiden, ob die Beziehung zwischen Malaria und Mosquitos sich auch in Japan verfolgen läßt. Aus diesem Grunde hat mich Seine Ex- cellenz Generalstabsarzt Dr. Koike nach Hokkaido geschickt, wo jähr- lich eine Malariaepidemie in einem beschränkten Kreise herrscht. Ich traf am 21. Juli 1901 in Sapporo, der Hauptstadt von Hokkaido oder Jeso, ein, wo ich am 23. Juli ein Weibchen einer Anopheles-Art fand. Ich kam sodann am 25. Juli nach Fukagawa, wo ich noch mehrere Anopheles fing. Am 4. August fing ich auch einige Exemplare der- selben in Asahikawa. Alle Anopheles, welche ich in Hokkaido fand, waren von einer Art, welche am vorderen Rande des Flügels zwei große, am äußeren Rande einen kleinen und auf der Oberfläche einige kleine Flecken hat. Fühler, Taster und Körperhaltung sind ganz charak- 764 Z. Tsuzuki, teristisch und machen die Unterscheidung von Culex-Arten leicht. Da bis jetzt in Japan diese Art der Mücken noch von niemand beachtet worden ist, fehlt natürlich ein besonderer japanischer Name. Es ist klar, daß sie mit Amopheles claviger, der in Europa verbreiteten Art, nicht identisch ist, denn sie hat andere Zeichnung auf dem Flügel. Zweifelhaft ist mir, ob es sich um eine neue Art handelt oder ob die- selbe mit einer schon anderwärts gefundenen identisch ist. Bis dieses entschieden, nenne ich sie einfach: Anopheles Jesoensis. Während meines 40-tägigen Aufenthaltes in Hokkaido blieb ich hauptsächlich in Fuka- gawa, wo sich viele Malariakranke und Anopheles fanden, und dort machte ich meine hauptsächlichsten Beobachtungen. Beschreibung des Beobachtungsortes. Hokkaido (Jeso) ist eine große Insel von 81374 qkm und mit 900000 Einwohnern. Sie liegt nördlich von der Hauptinsel (Hondo) von Japan und erstreckt sich vom 41° bis zum 45° 30‘ nördlicher Breite und vom 139—145° östlicher Länge. Die Insel ist noch wenig bevölkert, doch wächst die Zahl der Einwohner von Jahr zu Jahr. Zum großen Teile ist die Insel mit unbebauten Heiden und Wäldern bedeckt. Fuka- gawa ist eine Militärkolonie mit 14073 Einwohnern, darunter 921 Sol- daten und 6169 Familienmitglieder derselben. Die Soldaten bebauen zugleich die Felder. Die Kolonie wurde im Jahre 1895 gegründet und liegt unter dem 43°43‘ nördlicher Breite und 142° östlicher ‚Länge und 54 m über dem Meeresspiegel. Das Dorf liegt im Urwalde Die Häuser stehen weit entfernt von einander und sind von Aeckern und Reisfeldern umgeben. Die Menge des Niederschlages ist nicht gemessen, aber sie soll sehr groß sein, denn fast !/, des Jahres gehört zu den Regentagen. Die Temperatur in Fukagawa ist aus folgender Tabelle ersichtlich: Tabelle 1. Maximum Minimum Durchschnitt Januar ib — 24 — 84 Februar 12 —2 — 79 März 16 —15 — 38 April 23 — 14 6,9 Mai 34 il 10,7 Juni 38 2 18,3 Juli 40 7 22,6 August 3) 10 24,1 September 35 1 16,8 Oktober 24 — 7 10,0 November 17. — 16 3,9 Dezember 10 — 23 — 4,5 Jahr 40 — 24 7,4 Bemerkung: Diese Tabelle zeigt die Durchschnittszahl der letzten 2 ‚Jahre. Zahl der Malariakranken in Fukagawa. Seit der Gründung der Kolonie hat die Zahl der Malariakranken jährlich zugenommen und sie finden sich fast ununterbrochen das ganze Jahr hindurch, aber in schwankender Zahl, wie man aus folgender Ta- belle II ersehen kann. | Die Tabelle enthält die Krankenzahl vom 15. Mai 1895 bis 31. Juli 1901. Recidiverkrankungen werden als neue gezählt. Die Häufigkeit der Recidive, durch die Anamnese der gerade zur Untersuchung gekommenen Kranken festgestellt, zeigt Tabelle III. u; u Ueber die Ergebnisse meiner Malariaforschung in Hokkaido (Japan). 765 Tabelle II. 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 Durchschnitt Januar _ 1 2 1 0 0 3 rt Februar _ 1 2 1 1 4 2 1,8 März ne 1 2 7 9 5 4,0 April —_ 4 17 13 34 72 62 33,6 ai 6 19 39 36 ir 194 275 92,9 Juni 15 55 85 80 133 375 450 170,4 Juli 27 52 85 95 170 259 524 173,1 August 20 44 69 79 138 218 _— 94,7 September 11 50 51 106 150 203 . 95,2 Oktober 16 21 13 39 52 96 — 39,5 November 2 5 10 rt 14 32 — 12,4 Dezember 1 2 | 6 3 6 -_ 32 Summe 98 255 376 467 774 1471 1321 721 Kopfstärke 2342 4633 5262 6488 8033 6736 7090 5798 Malariakranke pro 100 Köpfe 4,18 5,50 7,14 7,20 964 21,84 18,63 12,44 Art der Malariain Fukagawa. Um die Art der Malaria mikroskopisch zu bestimmen, habe ich zahlreiche Blutuntersuchungen an Kranken gemacht. Ich kam zu dem Schlusse, daß dort nur eine einzige Malariaart, nämlich das Tertian- fieber, manchmal als doppelte Tertiana vorkommt. In frischen Präparaten habe ich ausschließlich Plasmodien gesehen, die sich lebhaft bewegen und ziemlich stark schwingende Melanin- körnchen enthalten. In gefärbten Präparaten finden sich entweder Junge kleine oder alte große Plasmodien, die sich durch das Roma- nowsky-Nocht’sche Verfahren blau färben, sowie große Plasmodien, welche sich nur schwach färben, aber deutlich rotgefärbte Chromatin- fäden erkennen lassen (Gameten). Die Sporulation war traubenförmig. Die befallenen roten Blutkörperchen waren oft geschwollen und nur wenig tingiert. Ringformen und Halbmonde habe ich nie gesehen. Dieser Befund entspricht ebenso dem Tertianfieber wie das klinische Bild (siehe Tabelle III). Die Malaria in Fukagawa ist also ausschließlich Tertianfieber und _ benigne. Dies beweist auch die Statistik, denn es kam kein Todes- fall vor. Bedingungen, welche in Fukagawa die Malariaepidemie hervorrufen. Schon obige Beschreibung von Fukagawa zeigt, welch günstige Be- dingungen der Ort für die Entwickelung der Mücken darbietet. Man findet demnach dort zahlreiche Anopheles-Weibchen, besonders im Juli und August, aber auch zu anderer Zeit. Männchen findet man sehr selten, und ich habe nur 4 solche während der ganzen Versuchszeit gefangen. In den Häusern ist Anopheles viel häufiger als Oulex, im Freien ist das Verhältnis umgekehrt. Larven von Anopheles habe ich immer in den Tümpeln in den Reisfeldern gefunden. Infizierte Mücken konnte ich oft in größerer Zahl in Häusern mit Kranken fangen, da sich die Soldaten und ihre Familien um die Mücken gar nicht kümmern und sogar meistens ohne Mosquitonetz schlafen. Ebenso machen sich die Leute wenig aus der Malaria, sie arbeiten eben, wenn sie gerade fieberfrei sind. Zur ärztlichen Untersuchung kommen sie nur, wenn Volksmittel nicht halfen. N u ueite. M Zn ee N u a A ie a a u Se Fe Z. Tsuzuki, 166 Tabelle III. 1. Erkrankung | 2. ne Erkrankung | 4, Erkrankung | 5. Erkrankung | 6. Erkrankung ParBR =! 0) u aD aD FERBR =! 0) an wo an snmama &8 [Ele 38 [Eins 38 [Eee] 38 Ele 35 Ele. SE |Elk. A| Krank 5 | 5-27 88 1: 58 SIE 18 58 =fE E.TE BE |ı5 58 85 5-48 en Er Ss \d68 =: SS ds BES Eece BE | gs 35 ® == BE 2 388 SI 2 Ss 5% 2 |ISs 84 2 S<ı 3-4 2 |S<| 34 2 ST 3-4 FASE: Sa ea | Sa le Aa ıe TE: St EBE- 1|S. T. 64 10. April | T | 2 |10. Mai 12321257 Mai 7) TD1 2. N An Eer)E7 122 Tulb.) DE 7 HR ABE ’TD|=-6 2. 2221 10° Eebr. 1,7 78 | 1 Apıl) E 2A RE Aug | TI 2 29 Auer) E32 na le ale Te, Tal = Er Ka Le Pe IT 2 LP e2 BIL\, 30.38 4 |S. T. 56 Kasper 91.5, ALBe=z> T4 2.0 SE] 5IH.T. (W) 76110. „ 7723-20. 7 er lnrTer 182 5, 13 TR, 9. 18 Ze 2.3) 3. ae ren Ted BOSZE, 112 ZIREN.(W) 28110. Aprıl | T. | -4.:3. Ma 8 £ 4 ni 1) Era 8 IM. T. 24 55 üb ED 373, Aus TD 3 10.28ue: Te] IB SZ, er om Ts. le, © 7 902086, Tue B BES SET 1 VS 6008 10H. J. 23 Sasse - SIE, Ser IE Pi 27 10 37 T 144262. Aue...) TDE IH Il ED 1228: 3.26 LS, 128 120. Juli E72: ee Ans. 13 |S. 0. 29 BR STD Es, Pie, 141MsHE (W) 410, 5, 7 a. Bor dr I, N 110730. 119.807 1298-3 Aue E80; 21 6 RR 9 100 = 51909, EEE ED TR A 0219 16° — 2 7112208 ul SE ER Be se Ti 188. 0.5 20, ET iA DL AU BEE DEN ST 4 IN, 25 92,5 ITD\T 113.=, AIDE5 DONE MS beeeilm ie, Je RA 211K 2.32 14 Ayo 211293227. , Ei 2 22 |M. P. 24 nA TD.-.5 23!D: K. 27: 11::Aug, | T |:8 2418. 8. 45 au m 23112.°0..30 20. Te | a ale STRAND 000 Ehe d 28|H. 8. 4 5-3: | A 29 |A. 8. 54 23 5, 1.2058 30 |J. T. 29 25. [abe 2245| Korn =323 ee er BR Bemerkung: T bedeutet einfache Tertiana, TD Tertiana duplex. Die Tabelle bezieht sich nur auf das Jahr 1901. Unter der Rubrik Namen und Alter bedeutet W das weibliche Geschlecht. . en aA Tl DB 2 Ze Ueber die Ergebnisse meiner Malariaforschung in Hokkaido (Japan). 767 Nachweis der geschlechtlichen Entwickelung des Plas- modium vivax im Körper der Anopheles Jesoensis. Um die Entwickelung des Plasmodium vivax im Anopheles-Körper zu verfolgen, ließ ich am 9. August 1901 mehrere frisch gefangene Anopheles Jesoensis Blut von einem Kranken saugen, das zahlreiche Plasınodien resp. Gameten enthielt. Ich züchtete diese Amnopheles (über 100 Exemplare) in einem mit Netzdeckel versehenen Glas- gefäße mit Gras und Zuckerwasser. Als Kontrolle züchtete ich unter gleichen Bedingungen Anopheles, welche nicht Blut gesogen hatten, und stellte denselben Versuch mit COulex-Arten an. Täglich wurde ein Exemplar seziert und der Magen auf Oocysten und Sporoblasten in frischem oder gefärbtem Zustande untersucht. Dabei konnte ich kon- statieren, daß die Entwickelung des Plasmodium vivax im Anopheles- Körper genau so vor sich geht, wie Bignami und Bastianelli es beschrieben. Da ich keinen Brütofen hatte und die Mücken in der Zimmertemperatur lassen mußte, war die Entwickelung etwas verzögert. Nach 13 Tagen, also am 21. August, konnte ich zuerst Sichelkeime im en konstatieren. Die Temperatur in der Versuchszeit war, wie olgt: Tabelle IV. 2 Uhr | 8 Uhr |2 Uhr .nach-)8 Uhr nach-| Durch- Datum | Wetter vormittags | vormittags | mittags mittags schnitt 9. August | heiter 16 | 21 32 15 21,00 10. Fr wolkig 12 23 34 13 20,50 H, u wolkig 10 20 24 19 18,25 12. E Regen 18 24 30 19 22,05 13. , heiter 14 25 35 21 23,75 14. 7 wolkig 21 25 28 26 25,00 I, 4 Regen 21 26 24 22 23,25 16. hi Regen 22 24 26 ai WEN 2 = wolkig 20 25 32 23 25,00 18. 7 wolkig 19 25 33 25 25,50 19. “ wolkig 18 26 34 32 27,50 2 etwas wolkig | 22 27 | 31 19 23,25 21. > heiter | 15 27 31 19 23.00 Durchschnitt] | 1258 | 2447 | 33,06 | 2100 | 23,28 Im Oulex- und Kontroll-Anopheles-Körper sah ich nie sich ent- wickelnde Parasiten. In Bezug auf den Geschlechtsvorgang der Parasiten im Anopheles- Magen sah ich das gleiche Bild wie andere Forscher. Infektionsversuch an gesunden Menschen. Nachdem ich die Entwickelung des Plasmodium vivax im Körper von Anopheles Jesoensis festgestellt hatte, hat Dr. Omachi 6 Exem- plare davon nach Sapporo (keine Malariagegend) mitgenommen, um dort den Infektionsversuch nach meiner Vorschrift vorzunehmen. Wir er- hielten damit positive Resultate, wie folgt. Dies geschah in der Art, daß man Anopheles aus Fukagawa an einem 57-jährigen Bauer mit typischer Tertiana duplex am 9. August 1901 Blut saugen ließ, dann einen 27-jährigen, noch nie an Malaria er- krankten Schreiber am 24. August von einem dieser Anopheles stechen ließ. Dieser ging am 29. August aus und kam in heftigen Regen. Am 768 v. Linstow, 31. August fühlte er sich schon vom frühen Morgen an etwas unwohl und bekam um 2 Uhr nachmittags Schüttelfrost, dann einen Fieber- anfalle Um 6 Uhr nachmittags wurde er untersucht. Die Temperatur 38,3°, Pulsfrequenz 90. Milz war etwas geschwollen und schmerzhaft. Im Blutpräparate sahen wir genau dasselbe Bild wie bei dem ersten Kranken. Um 10 Uhr endete der Fieberanfall. Am 1. September war er fieberfrei. Am folgenden Tage gaben wir ihm Chinin und er genas dadurch vollständig. Er hat also ganz klar an Tertianfieber gelitten. Durch diesen Versuch wurde es bewiesen, daß ein einziger infizierter Anopheles Jesoensis auf gesunde Menschen Malaria übertragen kann. Die Inkubationsdauer in meinem Falle war 7 Tage. Es scheint, daß eine Durchnässung den Ausbruch der Krankheit beschleunigt hat. Malaria in anderen Garnisonortenin Hokkaido. Tabelle V. Malariakranke auf 100 Köpfe. 1898. 1899: 1900 Fukagawa 730 9,64 21,84 Kamikawa — 5,67 1,37 Tokoro 2,84. 13,19 5,23 Monbetsu 1,14 71,29 2,01 Sapporo 5,06 5,34 4,32 Asahikawa — — 1,20 Hakodate 1,43% 0,65 122 Diese Krankenzahl entspricht gerade der Häufigkeit von Anopheles, denn während in Fukagawa diese Mücken sehr zahlreich waren, fanden sie sich an anderen Orten weit spärlicher. Nachtrag. Von Maßregeln zur Ausrottung der Malaria in Fukagawa wurden, da die Trockenlegung der Reisfelder unmöglich ist, Anwendung von Petroleum oder Chrysanthemum-Blüten empfohlen, da sie nach meiner Berechnung schon in einer für den Reis unschädlichen Menge gegen Mückenlarven wirksam sein dürften. Ferner wurden alle Einwohner über die Erkennung der Anopheles, über die Verbreitungsweise der Krankheit, sowie über die HE von Mosquitonetzen belehrt. Für die Verhütung der Malaria in Fukagawa sind vor allem zu empfehlen: Periodischer Chiningebrauch aller Einwohner, baldige Be- handlung der Kranken, strenger Schutz derselben vor den Mücken, An- wendung der Schleier und Handschuhe im Nachtdienst etc. Nachdruck verboten. Fe | “Zwei neue Parasiten des Menschen. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Mit 4 Figuren. Unter einer großen Helminthensammlung, die ich aus dem Muse zoologique de l’Acad&mie Imp£riale des sciences de St. Petersbourg zur Bearbeitung erhielt, befanden sich auch die hier beschriebenen mensch- lichen Parasiten. r B k j ? a 04 2 e a n id Zwei neue Parasiten des Menschen. 769 Physaloptera caucasica n. SP. Fig. 1—2. Homo sapiens. Intest. Kaukasus. M&n&triäs leg. Es waren 2 Männchen und 9 Weibchen vorhanden. Die Cuticula ist derb und ungeringelt, ihre Dicke beträgt 0,023 mm; am Kopfende ist. sie stark aufgetrieben und bildet hier einen vortretenden, wulstigen Ring, der eine schüsselförmige Höhlung einfaßt; in diese ragt der rundliche Körper mit zwei aneinander- ET TE liegenden Vorwölbungen hinein, die in den er f Submedianlinien 4 Papillen tragen, am Ein- DB \ gange in die Mundöffnung stehen 2 kegeiförmige { RE. Zähne. Der Oesophagus nimmt !/, der ganzen Br Länge ein. Die Seitenwülste sind stark ent- wickelt und nach innen dorsal und ventral ver- // breitert, am stärksten nach der Ventralseite; eine transversale Scheidewand trennt sie in eine dorsale und ventrale Hälfte; an der Innen- seite der Scheidewand verläuft ein kleines, spaltförmiges Gefäß. Die Muskulatur erinnert an die von Ascaris; sie wird links und rechts durch die Seitenwülste, dorsal und ventral durch die hier verlaufenden schmalen Längswülste Ba getrennt, so daß 4 Muskellängsfelder entstehen. .... Das Männchen ist 14,22 mm lang und | .i. «“ 0,71 mm breit; das Schwanzende mißt '/,, der \. "2.8 Gesamtlänge; das Hinterende trägt eine breite, \ vorn abgerundete, nach hinten verschmälerte N | Bursa, die in der Mitte von in Längslinien ge- SERIEN OF stellten kleinen Kegeln besetzt ist; die Spieula [ Een] sind ungleich; das rechte mißt 0,62, das linke 1,76 mm; neben der Kloakenöffnung stehen, wie 'foo immer bei Physaloptera, jederseits 4 lang- | gestielte Papillen, vor ihr 2, hinter ihr 4 in 7 Z 2 Reihen und am Schwanzende jederseits 3, die Fig. 2. vorderen mehr der Mitte, die beiden hinteren w; PB ig. 1 u. 2. Physaloptera mehr dem Rande genähert. caucasica, 1 Kopfende, 2 männ- Das Weibchen erreicht eine Länge von 27 liches Schwanzende von der und eine Breite von 1,14 mm; das Schwanz- Bauchseite. ende, welches !/,, der ganzen Länge einnimmt, ist abgerundet; die Vulva mündet an der Grenze des 1. und 2. Sechstels des Körpers; die sehr dickschaligen Eier sind 0,057 mm lang und 0,039 mm breit. Zum ersten Male wird hier ein Repräsentant des Genus Physa- loptera beschrieben, der ein Parasit des Menschen ist; er ist von den bekannten Arten durchaus verschieden. Daß das Genus Physaloptera stark entwickelte Seitenwülste mit einem Gefäße besitzt, das in einen Porus excretorius mündet und also zu den Secernentes gehört, habe ich!) an Physaloptera praeputialis ge- zeigt. Die Arten des Genus leben in höheren Wirbeltieren; man kennt 1) Archiv f. Naturgesch. Berlin 1891. p. 296—297. Taf. XI. Fig. 28—29. Erste Abt. XXXI. Bd. 50 770 v. Linstow, Zwei neue Parasiten des Menschen. zur Zeit 46 Species, von denen 20 in Säugetieren, darunter 10 Affen- arten, 12 in Vögeln und 14 in Reptilien leben; eine übersichtliche Zu- sammenstellung der zum Genus gehörigen Arten hat Stossich!) ge- geben; die hier aufgeführten 37 Arten haben sich inzwischen um 9 vermehrt. Taenia hominis n. SP. Fig. 3—4. Homo sapiens L. „aus einem Mädchen“. Aschabad. Anger leg. Eine 70 mm lange Proglottidenkette, hinter dem Scolex 1,11 mm breit, hinten 1,97 mm. Dieser hat eine Breite von 2,01 mm und eine Länge von 1,54 mm; am Scheitel steht ein 0,24 mm großes, 0,075 mm tief in den Scolex eindringen- des, rudimentäres, nicht prominentes Rostellum ohne Haken; die Saugnäpfe haben das Eigen- tümliche, daß ihr Lumen, welches 0,60 mm tief ‚ ist, von vorn nach hinten verläuft, so daß sie / auf Querschnitten regelmäßige Kreise bilden. 0) Geschlechtsorgane sind auch in den letzten Ä Proglottiden noch nicht entwickelt. Hinter den Saugnäpfen steht ein ringförmiger Wulst. Es scheint das Vorderende einer großen Tänie, vielleicht von der Größe von Taenia solium oder T. sıginata vorzuliegen. Die dorsale und ven- trale Rindenschicht ist etwa ebenso breit wie die Markschicht; die konzentrisch geschichteten, durchschnittlich 0,013 mm großen Kalkkörper- chen sind sehr zahlreich; schwarze Pigmentie- rung fehlt überall; im Querschnitt sieht man jederseits ein großes und nach innen davon ein ne kleines Gefäß; beide stehen 0,016 mm vonein- EEE EUEN ander entfernt; die großen verlaufen im 2. und EFNAIT 2) 5. Sechstel des Querdurchmessers; sie sind am 9 Hinterrande der Proglottide durch eine breite ee rear Queranastomose miteinander verbunden; die ee kleinen sind von radiär gestellten Muskeln um- Hems geben; dicht außerhalb der großen Gefäße ver- Fig. 3 u. 4. Taenia homi- läuft ein Nerv. nis, 3 Scolex, 4 Querschnitt. In der ersten Sendung der St. Peters- burger Helminthen fand ich eine Tänie des Menschen, ebenfalls von Anger in Aschabad gesammelt, die ohne Scolex war und unter dem Namen Taenia asiatica von mir?) beschrieben wurde. Die Vermutung lag nun nahe, daß das hier besprochene Frag- ment das Vorderende der Taenia asiatica sei; diese Annahme bestätigte sich aber nicht. Taenia asiatica ist vorn nur 0,16 mm breit, 70 mm vom Vorder- ende entfernt sind schon alle Geschlechtsorgane entwickelt; die Rinden- schicht ist sehr schmal, die Kalkkörperchen fehlen ganz; die Längs- Fig. 3. 1) LI Bean le (Bollet. soc. Adriat. sc. natur. Trieste. Vol. XI. 1889. p. 1—24. Tab. I—IIl.) 2) Bullet. ea Imper. sc. St. Petersbourg. T. XV. 1901. No. 3. p. 283—284. Tab. I. Fig. 24 und Centralbl. £. Bakt. ete. Abt. I. Bd. XXIX. 1901. No. 25. p. 982—985. Fig. 15. | | Lühe, Geltung und Bedeutung der Gattungsnamen Eimeria und Coceidium. 771 gefäße sind auffallend groß, die größeren nehmen ?/, des Dorsoventral- durchmessers ein, bei dieser Art nur !/,; der Nerv verläuft bei Taenia asiatica in der Mitte der Entfernung zwischen dem Außenrande und dem großen Gefäße, hier dicht an letzterem. Auch von Taenia saginata ist diese Form in allen Punkten ver- schieden; die Saugnäpfe verlaufen bei 7. saginata schräg von außen und vorn nach innen und hinten und erscheinen im Querschnitt als nach außen offene Halbkreise, 2 dorsal, 2 ventral gerichtet; der starke Ringwulst hinter den Saugnäpfen fehlt bei Taenia saginata; auch die Querschnitte durch die unreifen Glieder sind bei beiden Arten wesent- lich verschieden. Da die Geschlechtsorgane nicht entwickelt sind, verzichte ich auf eine Artbenennung und bezeichne die Form mit Taenia hominis, eine Tänie des Menschen. Nachdruck verboten. Ueber Geltung und Bedeutung der Gattungsnamen Eimeria und Coceidium. Von M. Lühe in Königsberg i. Pr. Nach der hauptsächlich von Aim& Schneider und Labb& ver- tretenen früheren Auffassung der Coccidienentwickelung sollten sich sämtliche Coceidienarten in 2 Gruppen sondern lassen, je nachdem ob die Coccidien bei der Fortpflanzung direkt in Sichelkeime zerfielen oder ob sie zuvor beschalte Fortpflanzungskörper bildeten, welche früher ziemlich allgemein als Sporen, heute dagegen meist präziser als Sporo- cysten bezeichnet werden und innerhalb deren sich dann erst die Sichel- keime bilden. Als Typus der ohne Sporocystenbildung sich fortpflanzen- den Coceidien kann die Gattung Eimeria angesehen werden, als Typus der mit Sporocystenbildung dagegen die Gattung Coccidium, nach der die ganze Ordnung den Namen trägt. Es war eines der wichtigsten Ergebnisse, welche die Coccidien- forschung am Ende des 19. Jahrhunderts zeitigte, daß sich herausstellte, daß die beiden hier kurz erwähnten, äußerlich so verschiedenen Fort- pflanzungstypen nicht verschiedenen systematischen Kategorieen zu- kommen, sondern abwechselnd bei ein und derselben Art wiederkehren. Der Name Eimeria bezeichnete keine von Coceidium verschiedenen Arten, sondern nur andere Entwickelungsstadien. Demzufolge wurden von Leger, dem sich Schaudinn, Mesnil, Blanchard und ich selbst anschlossen, die Gattung Eimeria aus der Liste der selbständigen Gat- tungen gestrichen bezw. als synonym zu Coccidium eingezogen. Später hat jedoch L&ger eine Coccidienart wieder entdeckt, welche Aim& Schneider vor Jahren unter dem Namen Eimeria nova be- schrieben hatte, und gleichzeitig festgestellt, daß diese Art sich wesent- lich von allen anderen, bisher genauer untersuchten Üoccidienarten unterscheidet. Aus den Untersuchungen von L&ger und dessen Schüler Bonnet-Eymard geht nämlich hervor, daß es bei der Eimeria nova in der That niemals zur Sporocystenbildung kommt. Diese Abweichung ist so wesentlich, daß sie zur Schaffung bezw. Beibehaltung einer besonderen Gattung berechtigt, und da nicht nur 50* 772 Lühe, Geltung und Bedeutung der Gattungsnamen Eimeria und Coceidium. die fragliche Art von Aim& Schneider zu seiner Gattung Eimeria gerechnet worden war, sondern auch das Ausbleiben der Sporocysten- bildung ein Hauptmerkmal dieser Gattung gewesen war, so stellte Leger die Schneider’sche Gattung Eimeria für die wieder aufgefundene Eimeria nova wieder her. In diesem L&ger’schen Sinne hat dann auch die Gattung Eimeria in einem lediglich den Inhalt der betreffen- den Arbeiten L&ger’s wiedergebenden Nachtrag zu meinen „Ergeb- nissen der neueren Sporozoenforschung“ eine Stätte gefunden und ist im Anschluß daran auch von Doflein!) anerkannt worden. Bereits vorher hatte jedoch Mesnil?) darauf aufmerksam gemacht, daß die fragliche Gattung in diesem Sinne nicht anerkannt werden könne. Mit Recht! Denn Aim& Schneider hat die Fimeria nova, die ein- ‚zige Art der Gattung Pimeria im Sinne L&eger’s, erst nachträglich im Jahre 1881 in seine Gattung Eimeria eingereiht. Diese Gattung selbst war jedoch bereits im Jahre 1875 aufgestellt worden, und nur die ihr damals zugeschriebenen Arten können bei Beurteilung der prioritäts- rechtlichen Bedeutung des Gattungsnamens in Betracht kommen. Daß der Name Eimeria im Sinne L&ger’s in allgemein gehaltene Abhandlungen und Lehrbücher übergegangen ist, wird leider dazu bei- tragen, ihn schwer ausrottbar zu machen. Es kann daher nicht ent- schieden genug betont werden, daß dieser Name in diesem Sinne auf Grund der zoologischen Nomenklaturgesetze nicht beibehalten werden darf, daß die von L&ger und Doflein Eimeria genannte Gattung viel- mehr den ihr von Mesnil gegebenen Namen Legerella zu führen hat. Was wird nun aber unter diesen Umständen aus dem Namen Eimeria? Hat derselbe wieder in dem Örcus zu verschwinden, in welchem er bereits einmal, bevor L&eger die Leverella nova (Aime Schn.) Mesn. (= Eimeria nova Aim& Schn.) wieder aufgefunden hatte, verwunden war? Ich glaube: Nein. Ich glaube vielmehr, daß ihm der Leuckart’sche Gattungsname Coccidium zu weichen hat. Die Gattung Coceidium ist von Leuckart aufgestellt worden in der 1879 erschienenen 1. Liefg. der 2. Aufl. seines großen Parasiten- werkes (Die Parasiten des Menschen und die von ihnen herrührenden Krankheiten. 8°. Leipzig u. Heidelberg. C. F. Winter’sche Verlags- buchhandlg.) auf p. 254. (Mit deutscher Endung findet sich der Name ebendort bereits auf p. 249 erwähnt.) Zu dieser Gattung, als deren Typus Coccidium cuniculi (Riv.) = Psorospermium cuniculi Riv. 1875 — Coccidium oviforme Leuck. 1879 angesehen werden muß, wird nun aber seit einigen Jahren auch eine Form gerechnet, welche Eimer (Ueber die ei- und kugelförmigen sogenannten Psorospermien der Wirbeltiere. 8°, Würzburg 1870) entdeckt und beschrieben hatte, ohne sie zu be- nennen, und welche Aim& Schneider (Note sur la psorospermie oVvi- forme du Poulpe. [Arch. de Zool. exp6rim. T. IV. 1875. p. XL-XLV|) Eimeria falciformis getauft hatte. Diese Art ist zweifellos der Typus der von Schneider geschaffenen Gattung Eimeria, und da somit nach unseren heutigen systematischen Anschauungen Eimeria Aim6 Schn. 1875 und Coccidium Leuck. 1879 ein und dieselbe Gattung bezeichnen, 1) Doflein, F., Die Protozoen als Parasiten und Krankheitserreger. Jena 1901 und Doflein, F., Das System der Protozoen. (Arch. f. Protistenkde. Bd. I. 1902. Heft 1. p. 186.) 2) Mesnil, F., Sur la conservation du nom generique Eimeria et la classification des coceidies. (CO. R. Soc. Biol. Paris. T. LIII. 1900. p. 603—604 u. Ref. Centralbl. £. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXXI p. 216.) Eisenberg, Untersuchungen über spezifische Präcipitationsvorgänge. 173 so muß der ältere Name Eimeria auf Grund des Prioritätsgesetzes er- halten bleiben und der jüngere Coceidium gerät als synonym in Fortfall. Diese durch die zoologischen Nomenklaturgesetze erforderte Entscheidung hat gleichzeitig den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß nicht mehr wie bisher der Name „Coceidien“ gleichzeitig eine Ordnung und eine Gattung bezeichnet, was bisher im Interesse einer präzisen, nicht miß- zuverstehenden Ausdrucksweise entschieden ein großer Mangel war. Zum Schlusse nehme ich die Gelegenheit wahr, gleich noch eine weitere Nomenklaturfrage zu erledigen, welche sich gleichfalls auf eine Coceidiengattung bezieht. In derselben Publikation, in welcher Aim& Schneider die Gat- tung Eimeria aufstellt, schafft er auch für einen Tintenfischparasiten die Gattung Denedeni«a, deren Name Blanchard (Les coceidies et leur röle pathogene. 8°. 40. p. Paris 1900 und Ref. Centralbl. f. Bakt. etc. Bd. XXIX. 1901. No. 12. p. 545—546) in Legeria geändert hat, da Benedenia bereits mehrfach vergeben war. Wie ich selbst in meinen ungefähr gleichzeitig mit Blanchard's Arbeit erschienenen „Ergeb- nissen der neueren Sporozoenforschung“ noch den Namen Benedenia angewandt habe, so hat Doflein in seinem Lehrbuch der parasitischen Protozoen den Namen Leyeria Blanch. benutzt. Unglücklicherweise ist aber auch dieser Name bereits vergeben, da Labb& (Das Tierreich, eine Zusammenstellung und Kennzeichnung der recenten Tierformen. Hrsgeg. v. d. Dtsch. Zool. Ges. Liefg. 5. Sporozoa. Berlin 1899. p. 24) eine Gregarinengattung so genannt hat. Das Coccid des Tintenfisches muß also abermals umgetauft werden. Da es die einzige bisher bekannt gewordene Art ist, welche sich in der That nur durch Sporogonie fort- pflanzt, wie man dies früher für die „typischen“ Coceidien überhaupt annahm !), so schlage ich als neuen Gattungsnamen Eucoceidium vor. Die Art erhält dann den Namen Eucoccidium octopianum (Aime Schn. 1875) Lhe. 1902 (= Benedenia octopiana Aim& Schn. 1875 — Leyeria octopiana R. Blanch. 1900). Nachdruck verboten. Untersuchungen über spezifische Präeipitationsvorgänge. I. Teil. [Aus dem hygienisch-bakteriologischen Institute der Universität Krakau (Leiter: Prof. O. Bujwid).] (Vorgelegt der mathematisch-naturwissensch. Sektion der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Krakau in der Sitzung vom 5. Mai 1902.) Autorreferat von Dr. Philipp Eisenberg in Krakau. In folgender Mitteilung bringe ich in gedrängter Form die bis- herigen Ergebnisse meiner Untersuchungen über spezifische Präcipitin- reaktionen, deren ausführliche Wiedergabe unter Berücksichtigung der vorhandenen einschlägigen Litteratur in den Verhandlungen, sowie im Bulletin der Akademie der Wissenschaften zu Krakau erfolgen soll. 1) Vergl. Lühe, M., Ergebnisse der neueren Sporozoenforschung. (Centralbl. £. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XX VII 1900. p. 367—384 und separat. Jena 1900.) 774 - Philipp Eisenberg, Als Ausgangspunkt dieser Untersuchungen dienten angesichts der augenscheinlichen Analogie der Präcipitationsvorgänge mit denen der Agglutination die Anschauungen und Erfahrungen, die sich in der von mir und Dr. Volk veröffentlichten Arbeit über Agglutination nieder- gelegt finden). Untersucht wurden Immunsera von mit Hühnereiweiß resp. normalem Pferdeserum behandelten Kaninchen. 1) Beim Präcipitationsvorgange treten beide reagierenden Sub- stanzen zu einer Verbindung zusammen, die unter gegebenen Be- dingungen ausfällt. Vermittelst der Ehrlich’schen Absorptionsmethode kann nachgewiesen werden, daß beide reagierenden Substanzen quantitativ an der Reaktion teilnehmen, indem sie dabei aufgebraucht werden. 2) Bei gleichbleibender Menge der präcipitablen Substanz wächst mit steigendem Präcipitinzusatz die absolute Absorption des Präcipitins, während der Absorptionskoöfficient (die relative Absorption) sinkt. 3) Bei gleichbleibender Menge des Präcipitins wächst seine Ab- sorption nicht proportionell mit steigendem Zusatze der präcipitablen Substanz, sondern die Erhöhung der Absorption entspricht lediglich der durch die Konzentration der präcipitablen Substanz herbeigeführten relativen Verdünnung des Präcipitins. Die Absorption des Präcipitins zeigt folglich eine stärkere Abhängigkeit von der Menge des Präcipitins als von derjenigen der präcipitablen Substanz. 4) Bei gleichen Mengen beider reagierenden Substanzen ist der Absorptionseffekt unabhängig vom Volumen des Mediums, in dem sich die Reaktion abspielt. 5) Bei jeder Präcipitinreaktion sind neben dem Reaktionsprodukt in der oberen Flüssigkeit Ueberschüsse beider reagierender Substanzen nachweisbar, die nebeneinander reaktionslos ko&xistieren. Auf Grund eines allgemeinen Gesetzes der chemischen Energetik ist ein Gleich- gewichtszustand zwischen den Komponenten des Systems eingetreten, und erst durch neuerlichen Zusatz einer der reagierenden Substanzen kann dieser Zustand umgestürzt und die Reaktion wieder in Gang ge- bracht werden. Durch große Zusätze der einen Substanz kann die Re- aktion in der Weise beeinflußt werden, daß die andere bis auf geringe Reste aufgebraucht wird; doch lassen sich selbst dann noch mittels geeigneter Methoden diese Reste nachweisen. 6) Auf Grund erwähnter Eigenschaften reiht sich die Präecipitin- reaktion den bisher bekannten Bindungsreaktionen spezifischer Immun- substanzen an (Agglutinine, Hämolysine), andererseits wird dadurch der Beweis erbracht, daß wir es thatsächlich mit einer chemischen Reaktion zu thun haben. 7) Die sichtbare Präcipitinreaktion ist in exquisiter Weise an die Konzentration der reagierenden Substanzen gebunden; das Auftreten des Niederschlages wird bestimmt durch das Verhältnis der Menge der entstehenden Verbindung zum Volumen des Mediums. Gleichbleibende Mengen der reagierenden Substanzen, die, in einem kleinen Volumen eingeengt, Niederschlag erzeugen, bringen keine sichtbare Reaktion zu- stande, wenn sie in einem großen Volumen aufeinander einwirken. Schon bestehender Niederschlag kann in einer größeren Flüssigkeits- menge in Lösung oder Pseudolösung gehen. Die Verbindung von Präeipitin und präcipitabler Substanz ist also relativ löslich, und zwar . .. 1) Eisenberg und Volk, Untersuchungen über Agglutination. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. XL. 1902, sowie Wiener klin. Wochenschr. 1901. No. 50.) Untersuchungen über spezifische Präcipitationsvorgänge. 175 tritt dieser Fall ein jenseits der Wirkungsgrenzen einer der reagieren- den Substanzen oder beider. 8) Jedes präcipitierende Serum ist einer stärker verdünnten Eiweiß- lösung gegenüber in höheren Verdünnungen wirksamer als einer kon- zentrierten Eiweißlösung gegenüber, so daß eine gegebene Serum- konzentration in einer verdünnten Eiweißlösung Niederschlag erzeugen kann, während sie, mit einer konzentrierten Eiweißlösung zusammen- gebracht, versagt. Diese Hemmung der Präecipitation durch Ueberschuß präeipitabler Substanz ist darauf zurückzuführen, daß die resultierende Verbindung in einem Ueberschuß präcipitabler Substanz relativ löslich ist. Diese Hemmung erklärt zum Teil die Erscheinung, daß die Menge des bei der Präcipitation entstehenden Niederschlages viel stärker be- einflußt wird von der Menge des Präcipitins, als von derjenigen der präcipitablen Substanz. 9) Die Inaktivierung der Präeipitine, wie der Immunkörper im all- gemeinen, hängt aufs engste zusammen mit der Denaturierung der Eiweißkörper des Serums, an denen die Immunkörper hängen. Ge- trocknete Serumglobuline agglutinierender sowie präcipitierender Sera vertragen schadlos !/,-stündiges Erhitzen auf 100° C, ohne ihre spezi- fische Wirkung einzubüßen, da auch die Eiweißkörper dabei nicht dena- turiert werden, '/,-stündiges Erhitzen auf 130—135° C zerstört die Immunkörper und denaturiert zugleich die Eiweißkörper. Auch bei der Inaktivierung der Komplemente, sowie der spezifischen Serumkoaguline dürften Hydratationsveränderungen der Eiweißkörper der Sera in Be- tracht kommen. | 10) Inaktiviertes Präcipitinserum hemmt die Präcipitation von Eiweiß durch aktives Serum, und zwar sowohl, wenn es zuerst zur Eiweißlösung gegeben wird und dann erst das aktive, als auch, wenn beide Sera gleichzeitig mit der Eiweißlösung zusammengebracht werden. 11) Die Hemmungswirkung des inaktivierten Serums ist eine quantitativ streng begrenzte; eine gegebene Menge des inaktiven Serums hebt nur die Wirkung einer bestimmten Menge des aktiven auf; je größer die Menge des inaktiven Serums, desto höhere Zusätze aktiven Serums können in ihrer Wirkung gehemmt werden. 12) Der Hemmungseffekt ist größer, wenn das inaktive Serum zuerst auf die präcipitable Substanz einwirkt und dann erst das aktive Serum zugesetzt wird, als wenn beide Sera gleichzeitig zur Wirkung gelangen. 13) Bei gleichbleibender Menge beider Sera entscheidet die Menge der präcipitablen Substanz über den Hemmungseffekt, bei geringen Mengen kann Hemmung beobachtet werden, wahrend sie bei höheren ausbleibt. 14) Aus diesen Thatsachen folgt, daß der Angriffspunkt der hem- menden Substanz nicht am Präcipitin, sondern an der präcipitablen Substanz zu suchen ist, sowie daß die Affinität der hemmenden Sub- stanz zur präcipitablen größer ist als diejenige des Präeipitins. 15) Aus der Thatsache, daß durch Absorption seines Präecipitin- gehaltes entledigtes Serum nicht hemmend wird und auch durch Er- hitzen diese Eigenschaft nicht erlangt, folgt, daß die hemmende Sub- stanz im inaktiven Serum nicht präexistiert und daß sie durch Erhitzen aus dem Präcipitin gebildet wird. 16) Am Präeipitin ist folglich eine labilere, präcipitierende, sowie eine stabilere, haptophore Gruppe zu unterscheiden; durch Verlust der präcipitierenden Gruppe wird es in Präcipitoid umgewandelt, gleich- 776 Eisenberg, Untersuchungen über spezifische Präcipitationsvorgänge. zeitig scheint die Affinität der haptophoren Gruppe erhöht zu werden, wodurch das Präcipitoid zur Ausübung seiner hemmenden Wirkung be- fähigt wird. 17) Auch bei der Koagulationshemmung durch inaktiviertes Koagulin (Pick) läßt sich die Bedeutung der Reihenfolge der Zusätze des in- aktiven sowie des aktiven Serums nachweisen, indem der Hemmungs- effekt größer ist, wenn das inaktive Serum zuvor mit dem Bakterien- koagulin in Kontakt gebracht wird und dann erst der Zusatz aktiven Serums erfolgt, als wenn beide Sera gleichzeitig zur koagulablen Sub- stanz gegeben werden. Es ist folglich der Mechanismus dieser Hemmung demjenigen bei der Präcipitation an die Seite zu stellen und ist auch am Koagulin eine präcipitierende und eine haptophore Gruppe zu unter- scheiden. 18) Durch 1—1'/,-stündiges Erhitzen auf 78° C verlieren Eiweiß- lösungen die Fähigkeit, mit dem Präcipitin Niederschlag zu geben, ohne etwas von ihrer Bindungsfähigkeit für Präcipitin einzubüßen. Es besitzt also auch die präcipitable Substanz, ähnlich wie die agglutinier- bare, sowie die an der Bakteriolyse teilnehmende Substanz der Bak- terien zwei differente Gruppen, eine präcipitable und eine haptophore. 19) Die unfällbar gemachte Eiweißlösung hemmt die Präcipitation des nativen Eiweißes durch Präcipitin, indem sie auf das Präeipitin einwirkt. Es besteht eine Proportionalität zwischen der Menge der er- hitzten Eiweißlösung und derjenigen des aktiven Serums, die dadurch in ihrer Wirkung gehemmt wird, die Menge des nativen Eiweißes ist dagegen belanglos. 20) Konzentrierte Harnstofflösung sowie Formalin zerstören am Präcipitin die präcipitierende, an der präcipitablen Substanz die präci- pitable Gruppe, ohne die haptophoren Gruppen zu tangieren. 21) Kochsalzlösungen, selbst konzentrierte, üben keinen Einfluß auf die Präeipitation, Ammonsulfat- sowie Magnesiumchloridlösungen hemmen sie in bedeutendem Grade. 22) Der bei der Präcipitation entstehende Niederschlag ist löslich in verdünnten Säuren, Alkalien, konzentrierten Harnstoff-, Formaldehyd- und Magnesiumchloridlösungen, unlöslich in Kochsalzlösungen, selbst in konzentrierten. Beim Erhitzen wird er koaguliert, ähnlich wie durch die entsprechenden Fermente zum Gerinnen gebrachte gerinnbare Eiweiß- körper dann noch durch Hitzeeinwirkung koaguliert werden. 23) Das Präcipitin für normales Pferdeserum ist in der Euglobulin- fraktion des Kaninchenimmunserums enthalten. 24) In 2 Fällen wurde bei Kaninchen, die mit Hühnereiweiß be- handelt waren, im Humor aqueus das spezifische Präcipitin nachge- wiesen, während der Urin keins enthielt. h Bonome, Erzeugung der Toxoide aus den Kulturen des Tetanusbacillu. 777 Nachdruck verboten. Ueber die Erzeugung der Toxoide aus den Kulturen des Tetanusbaeillus. [Aus dem pathologisch-anatomischen Institute der kgl. Universität Padua.] Untersuchungen von Prof. Dr. A. Bonome, Vorstand. Ueber die Veränderungen, welche die Toxine der verschiedenen pathogenen Mikrophyten erfahren, um sich in wenig oder gar nicht giftige Stoffe umzuwandeln, welche imstande sind, die Immunitätsreaktion oder auch eine eigentliche aktive Immunität in gewissen Tieren, in deren Körper sie eingeführt werden, anzureizen, ist bisher sehr wenig bekannt. Solche Veränderungen, welche die sogenannten Toxoide darstellen, entstehen durch die Zerteilung der Toxine in ihren Grundgruppen her- aus, welche nach Ehrlich von der toxophoren und haptophoren Gruppe vertreten sind. Dieser Zerteilung folgt das Verschwinden der Moleküle der toxophoren Gruppe, so daß das Toxin das Vermögen, toxische Er- scheinungen in den tierischen Geweben hervorzurufen, verliert, jedoch die Eigenschaft behält, das Protoplasma zu beeinflussen, indem es in demselben zur Bildung von Immunkörpern oder Antitoxinen anreizt. Solche Umwandlungen, welche die Bildung der Toxoide zur Folge haben, finden nicht nur bei den von den Mikrophyten getrennten Toxinen statt, sondern auch bei den Kulturen gewisser pathogener Mikrophyten, und wahrscheinlich so rasch, daß man glauben könnte, daß von gewissen Arten von Bakterien kein Toxin gebildet wird, obgleich dieselben öfters stark pathogen wirken. Die Zusammensetzung des Nährbodens, auf welchem die Mikrophyten kultiviert werden, scheint, wenigstens was einige Arten von Bakterien anbetrifft, bei diesem Verhalten des Toxins nicht gleichgiltig zu sein, und zwar unabhängig von seiner Zerteilung und seiner Verwandlung in derselben Kultur, wo es sich gebildet, und en von dem Virulenzgrade der Keime, welche es erzeugt aben. Diese Thatsache der raschen Verwandlung der Toxine innerhalb einer künstlichen Kultur könnte vielleicht die Anschauung rechtfertigen, daß gewisse Mikrophyten keine Toxine ausscheiden oder sie in geringstem Maße erzeugen, obwohl dieselben Noxen stark pathogen sind, wenn man auch nicht leugnen kann, daß innerhalb des tierischen Körpers, der von solchen Parasiten überfallen ist, ein Gift sich bildet und wirkt, wie dies sich aus gewissen funktionellen Störungen vermuten läßt. Eine solche Annahme könnte vielleicht zur Erklärung der Thatsache dienen, wie die Kulturfiltrate gewisser sehr virulenter Streptococcus- Arten in sehr hohen Dosen von denselben Versuchstieren vertragen werden, welche gegen die Wirkung derselben Streptococcus-Kul- turen vor der Filtration sehr empfindlich sind (Kaninchen). So wäre es erklärlich, wie Kulturen einer von mir isolierten Streptococcus- Art ein Kaninchen von 1!/, kg in der Dosis von 0,000000001 cem töteten, während Kaninchen von gleichem Gewichte 1!/,—2 cem vom Filtrate derselben Kulturen gut vertrugen. Dieser Unterschied des Ver- haltens könnte vielleicht seine Erklärung in nichts anderem finden, als durch die Annahme, daß der flüssige Teil einer Streptococcus- Kultur meiner Varietät kein Gift enthält oder daß letzteres sich schon 778 | A. Bonome, umgewandelt hat und vor der Filtration unwirksam geworden ist, oder auch, daß es durch den Filter seine Wirkung verloren hat. | Auf Grund zahlreicher Untersuchungen, welche ich in den letzten Jahren ausgeführt und teilweise schon veröffentlicht habe!), wäre ich geneigt, die Annahme der Entkräftung durch den Filter auszuschließen und vielmehr anzunehmen, daß die Umwandlung der Toxine in Toxoide in den Kulturen gewisser Streptococcus-Arten ohne irgend eine Verminderung der pathogenen Wirkung des Mikrobiums rasch und leicht erfolgt. Solche Umwandlungen des Giftes, welche an und für sich er- folgen, weichen von denen ab, die ich erzielte, indem ich die erwähnten Kulturen der Wirkung elektrischer Ströme mit hohem Druck und hoher Frequenz unterwarf?). Die Untersuchung dieser Umwandlungen der bakterischen Toxine hat in diesen letzten Jahren eine höhere Bedeutung gewonnen, und zwar nicht nur in Bezug auf die neuen Immunitätslehren, sondern auch auf die Wirkungsweise anderer tierischer Gifte, d.h. der sogenannten Cyto- toxine. Der größte Teil von diesen, wie z. B. das Hämotoxin, das Spermatoxin u. s. w., verliert, wie die bakterischen Toxine, seine Wir- kung, sobald Veränderungen in der Zusammensetzung. erfolgen, sobald sie bis auf 55° erwärmt werden, und erlangt sie wieder durch Zusatz einer kleinen Quantität frischer Alexine, welche an und für sich ohne Begleitung des sogenannten Immunkörpers keine giftige Wirkung haben. Die Toxoide würden daher Stoffe darstellen, welche, was ihre Wir- kungsweise anbetrifft, sich ähnlich den erwärmten Cytotoxinen verhielten, d. h. den von ihren toxischen Molekülen getrennten. Was nun ihren Erzeugungsmechanismus anbelangt, so kann man eine Analogie der Toxoide mit den Produkten der erwärmten Cytotoxine kaum behaupten. Ebenfalls kann man nicht annehmen, daß die Entstehungsweise dieser Toxoide aus den Toxinen sämtlicher pathogenen Mikrophyten die gleiche sei in Anbetracht der komplexen Zusammensetzung einiger solcher Toxine. Als kleiner Beitrag zur Untersuchung dieses interessanten Gegen- standes will ich hier die Hauptresultate meiner Untersuchungen über das Zustandekommen der Toxoide aus den Tetanustoxinen mitteilen. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit der Erforschung des Ein- flusses, welchen die aseptischen Produkte der Kulturen einiger Mikro- organismen auf die Entwickelung und Virulenzveränderungen einiger starker Toxinogene, wie des Tetanus- und Diphtheriebacillus, ausüben. Meine Aufmerksamkeit wurde neulich auf die Thatsache gelenkt, daß die löslichen Produkte der Bacterium coli-Kulturen, nämlich die Coli-Toxine, die Entwickelung des Tetanusbacillus zu verlangsamen ver- mögen, wenn sie im Verhältnis eines Viertels des Volumens des Nähr- mittels, auf welchem man den Tetanuskeim kultiviert, vermischt werden. Diese Verlangsamung der Entwickelung des Tetanusbacillus in Gegen- wart einer so großen Menge von Coli-Toxin ist mit einer geringen Ent- stehung von Tetanustoxin verbunden, im Verhältnis zu der kleineren Menge von Tetanuskeimen, welche sich in der Kultur gebildet haben. 1) Sulla proteine degli streptococchi e sulla sieroterapia antistreptococeica. (Ri- forma med. Anno XV. Vol. I. Napoli 1899. No. 7.) 2) Sulla produzione delle antitossine streptococciche mediante l’elettricitä. (Rivista Italiana di Patologia Generale e di Anatomia Patol. Firenze 1896.) Ueber die Reduktion der Streptococcusantitoxine mittels Elektrizität. (Centralbl. f. Bakteriol. etc. Abt. I. Bd. XIX. 1896. No. 22 u. 23.) Ueber die Erzeugung der Toxoide aus den Kulturen des Tetanusbaeillu. 779 Andererseits ist dieses Tetanustoxin jedoch nicht so wirksam, wie das der anderen Kontrollkulturen, und es liegt die Vermutung nahe, daß es durch das Vorhandensein des Filtrates von Bacterium coli in der Kultur eine Veränderung erfahren habe. Diese geringere Erzeugung des "Tetanustoxins und diese Virulenzveränderungen desselben Toxins müssen aber nicht zu der Annahme ermächtigen, daß sie in Zusammenhang. mit einem gewissen Entkräftigungsgrade des Tetanusbacillus stehen, und zwar als Folge seiner Kultivierung in einem an Coli-Toxinen reichen Mittel. Eine wirkliche dauernde Virulenzverminderung kommt nicht vor, da derselbe Tetanusbacillus, nachdem er in diesem für sein Gedeihen wenig günstigen Nährmittel lange Zeit gehalten worden ist, auf empfind- liche Tiere geimpft, bei denselben seine ganze pathogene Wirkung zeigt. Die Giftigkeitsverminderung des Tetanustoxins in den auf einem mit Zusatz von Coli-Toxin hergestellten Mittel vorbereiteten anaörobischen Tetanuskulturen hängt also ausschließlich von den durch das Coli-Toxin auf die Tetanusprodukte hervorgerufenen Veränderungen ab, jedoch nicht von der Abschwächung des Tetanusbacillus. Einige Komplementärversuche erwiesen, daß das Kulturfiltrat von Bact. coli auf-den Tetanusbacillus und seine Produkte keinen Einfluß . ‚ausübt, wenn dasselbe eine halbe Stunde hindurch einer Temperatur von -80° oder während einiger Minuten von 100° ausgesetzt worden ist, nachdem er in starken Mengen mit dem Nährmittel, worin der Tetanus- bacillus kultiviert wird, vermischt worden war. Das geht deutlich aus dem folgenden Experiment hervor: 6 Eprouvetten, deren jede 10 ccm Gelatinebouillon enthielt, wurden abwechselnde Mengen von 1—3 ccm Bact. coli-Filtrat, und zwar 2 1 ccm, 2 2 cem und 2 3 cem zuge- ‚setzt. Eine Eprouvette je einer Qualität wurde bei einer Temperatur von 80° in einem Wasserbade eine Viertelstunde lang gehalten; da- gegen wurde die andere Eprouvette für jede Qualität nach dem Coli- Filtratzusatz nicht sterilisiert. Fragliche 6 Eprouvetten, nachdem sie im ' Thermostaten einige Tage hindurch gehalten, um ihre Sterilität zu er- weisen, wurden jede mit 2 Tropfen einer guten anaörobischen Tetanus- -kultur besät samt zwei anderen Eprouvetten in Gelatinebouillon, die zur Kontrolle dienten. Nach 36—48 Stunden bemerkte man eine gute Entwickelung in den Kontrolleprouvetten und in den zwei Eprouvetten, welche 1 ccm Coli- Filtrat enthielten, sowohl bei derjenigen, die 80 ° ausgesetzt war, als auch bei der anderen, bei Normaltemperatur gehaltenen. Die Entwickelung war eine geringe in der nicht erwärmten, 2 ccm Coli-Toxine enthaltenden Eprouvette; in der nicht erwärmten, 3 ccm Coli-Toxine enthaltenden Eprouvette fand keine Entwickelung statt, da- gegen nahezu, wie bei den Kontrollen, eine gute Entwickelung in der -3 cem Coli-Toxine enthaltenden erwärmten Eprouvette. Das mit den günstigen Nährmitteln vermischte Coli-Toxin hemmt also oder verhindert die Entwickelung des Tetanusbacillus in den Verhältnissen von '/, bis 1/, des Volumens des Mittels, aber nur, wenn die Mischung vor der Be- säung nicht stark erwärmt worden ist. Von diesen Beobachtungen ausgehend, deren Resultate sich in allen mit verschiedenen Tetanusbacillus- und Bact. coli-Kulturen wieder- holten Versuchen konstant erwiesen, wollte ich die morphologischen Merkmale und andere Eigenschaften der anaörobischen Tetanuskulturen untersuchen, welche in Nährmitteln hergestellt waren, denen das wirk- same Coli-Toxin in Verhältnissen von !/„—!/, des Volumens des Mittels 780 Bonome, Erzeugung. der Toxoide aus den Kulturen des Tetanusbaeillus. zugesetzt war, so daß der Tetanusbaecillus nicht üppig gedeihen konnte.. Hierbei habe ich festgestellt, daß der Tetanusbacillus seine Form nicht. erheblich verändert und keine Veränderungen in Hinsicht seiner spori- fischen Thätigkeit erfährt, da er schon am 5. oder 6. Tage im Thermo-- staten zahlreiche Sporen zeigt. Die einzige Thatsache, welche man in solchen Kulturen bemerkt,. ist daher eine Verminderung der Zahl der Bacillen, welche bei den in demselben Filtrate enthaltenden Nährmittel folgenden Fortpflanzungen: deutlicher wird. Der Tetanusbacillus, in anderen, ebenfalls anaörobi- schen Kulturen fortgepflanzt, wo keine Spur von Coli-Toxin vorhanden ist, fängt nach einigen Fortpflanzungen wieder an, üppig zu gedeihen.. Wenn man mit diesen letzteren Kulturen empfindliche Tiere injiziert, so kann man bestätigen, daß dieselben so stark pathogen wirken, wie die- jenigen, in denen die Entwickelung wegen der Abwesenheit des Ooli- Toxins üppig war. Man kann also nicht behaupten, daß innerhalb der künstlichen, mit Coli-Toxin versetzten Nährböden der Tetanusbacillus- seine Wirksamkeit dauernd vermindert habe. Derselbe wird nur in seiner Vermehrungsthätigkeit geschwächt, so daß man rationell annehmen muß, daß die Menge des gebildeten Toxins geringer als die Norm sei,. und zwar wenn der Tetanusbacillus in colitoxinfreien Mitteln anaörobisch gedeiht. Es blieb nunmehr zu entscheiden, ob es im Toxingehalt quantitative Unterschiede zwischen den zwei Tetanusbacilluskulturen giebt, nämlich zwischen den Kulturen, die mit Coli-Toxin enthaltenden Mitteln hergestellt. waren, und denjenigen, die in zur Entwickelung günstigen Mitteln her- gestellt waren, oder ob dagegen auch qualitative Unterschiede vorhanden waren. Das Studium solcher Unterschiede habe ich insbesondere in Hin- sicht auf die biologische Wirkung in den Tieren ausgeführt. Diese Unter-- suchung führte zu der Folgerung, daß in den Filtraten von anaörobischen Tetanuskulturen, welche im Nährmiittel, welches wirksame, nicht erwärmte und im Verhältnis von !/,—!/, des Volumens des Nährmittels zugesetzte- Coli-Toxine enthielt, hergestellt wurden, die Menge des Tetanustoxins weit geringer war, als diejenige, welche man bei denselben anaörobischen Tetanuskulturen fand, zu deren Nährmittel kein Coli-Toxin zugesetzt war. Die an Meerschweinchen und Mäusen ausgeführten Versuche er- gaben, daß in diesen Kulturen die Menge von Tetanustoxin ca. 200mal geringer ist als die, welche in den gewöhnlichen anaerobischen Tetanus- kulturen enthalten ist, weil 200mal größere Filtratdosen als die der Kontrollkulturen notwendig waren, um in Meerschweinchen die Zeichen des leichten, oft nicht letal verlaufenden Tetanus zu erzeugen. Diese geringere toxische oder spasmogenetische Wirkung der von den eben erwähnten Kulturen getrennten Tetanustoxine kann nicht nur auf eine verminderte Giftausscheidung seitens jedes einzelnen Tetanusbacillus, . welcher, wie oben erwähnt, nicht dauernd abgeschwächt ist, zurück- geführt werden, sondern auch auf Veränderungen in der Qualität des- elben Tetanustoxins, welches vielleicht infolge der. gewechselten Zu- sammensetzung des Nährbodens sich derart zerteilen würde, daß das. eigentliche toxische Element, d. h. die Toxinmoleküle, zum großen Teil zu Grunde gehen würde. Daß von diesem Toxin etwas übrig bleibt, und zwar der Teil, welcher biologisch wirkt, indem er im lebendigen Protoplasma die Immunitätsreaktion anreizt, steht außer Zweifel nach meinen Versuchen an Meerschweinchen und Kaninchen. Zahlreiche‘ Meerschweinchen und Kaninchen, welchen ich 3—8 Wochen hindurch Landsteiner u. Calvo, Zur Kenntnis der Reaktionen des Pferdeserums. 781 mit einem jedesmaligen Zwischenraume von 4—5 Tagen steigernde Filtratdosen von 0,0001—0,001 cem pro Gramm Körpergewicht aus in Nähr- mitteln mit Coli-Toxin hergestellten Tetanuskulturen subkutan einführte, zeigten nur selten Tetanuserscheinungen. Solche so vorbereitete Tiere . zeigten immer einen größeren Widerstand als die Kontrolltiere, wenn man sie mit gutem, stark wirkendem Tetanustoxin prüfte. Sie erwiesen sich also gegen das Tetanustoxin immunisiert. Die derart erzielte Im- munität bei Tieren, welche gegen das Tetanusgift so empfindlich sind, daß man sie durch die Einführung von jedesmaligen überaus kleinen Dosen Tetanustoxins nicht leicht immunisieren kann, da es eine an- häufende Wirkung auf das Protoplasma der Ganglienzellen auszuüben scheint, wird meines Erachtens von den Tetanustoxoiden hervor- gerufen, d. h. von wenig oder gar nicht toxischen Stoffen, welche von der Zerteilung des Tetanustoxins beim Vorhandensein der Produkte des Bact. coli herrühren und die Eigenschaft haben, die Erzeugung von Tetanusantitoxin im Körper des lebendigen Tieres anzuregen. Solche Kenntnisse, welche die Erzeugung der Toxoide aus den Tetanusbaeilluskulturen durch das Coli-Toxin betreffen, können in der Immunisationspraxis nützlich werden, insbesondere jener Tiere, welche man als Versorger von Serumantitoxin anzuwenden pflegt und welche wegen ihrer erheblichen Empfindlichkeit für das Tetanustoxin während der Immunisationszeit an Tetanus erliegen. Nachdruck verboten. Zur Kenntnis der Reaktionen des normalen Pferdeserums. [Aus dem pathologisch-anatomischen Universitätsinstitute in Wien (Vorstand: Prof. Weichselbaum).] Von Dr. Karl Landsteiner und Dr. Arturo Calvo. I. Präcipitinreaktion. Es ist bekannt, daß durch Behandlung von Tieren mit Injektionen verschiedener eiweißhaltiger Lösungen (Milch, Blutserum etc.) Sera ge- wonnen werden können, die die Eigenschaft haben, Niederschläge in solchen Flüssigkeiten hervorzurufen. Nolft) untersuchte den Vorgang beim Pferdeserum genauer, in- dem er dieses durch Sättigen mit Magnesiumsulfat in zwei Fraktionen teilte, deren eine das Serumglobulin, deren andere das Albumin ent- hielt, und dann die beiden chemisch getrennten Teile des Serums ver- schiedenen Kaninchen beibrachte. Es wirkten nur die Sera jener Ka- ninchen, die die Globulinfraktion erhalten hatten, fällend auf das Pferde- serum, und es war auch nur die Globulinfraktion durch. wirksames Kaninchenserum fällbar. Nolf meinte auf Grund seiner Versuche, daß das Serumglobulin als solches sowohl die Entstehung der wirksamen Serumstoffe im Tier- körper provoziere, als auch das Substrat der Präcipitinreaktion im Reagenzglase sei. Diese Art der Auffassung findet man in zahlreichen Abhandlungen wieder. Es wird ziemlich allgemein angenommen, daß in den Präci- pitinen ein einfaches Mittel gefunden sei, die verschiedenen Eiweißkörper 1) Annal. de l’Inst. Pasteur. 1900. p. 302. 7182 Karl Landsteiner und Arturo Calvo, mit Sicherheit zu erkennen und selbst von sehr nahe verwandten Stoffen zu unterscheiden. Dagegen zeigte Pick), daß die Bakterienkcaguline, das Substrat der Präcipitation von Kulturfiltraten (Kraus), entweder überhaupt keine Beziehung zu Eiweißkörpern haben oder niedrige Eiweiß- spaltungsprodukte seien. Gegen die Auffassung der Präcipitinreaktionen als Eiweißreaktionen schlechtweg sprach ferner der Umstand, daß bei einer Anzahl typischer Eiweißstoffe, z. B. Serumalbumin, Hämoglobin, Präcipitinreaktionen bis- her nicht gelungen sind. Da keine positiven Erfahrungen über die Eiweißnatur der präcipitablen Substanzen vorlagen, war es eher nahe- gelegt, diese Stoffe mit den anderen bei den sogenannten Serumreaktionen wirksamen Stoffen, z. B. den agglutinabeln Substanzen, vorläufig in Analogie zu setzen?) (Halban und Landsteiner). Die Frage nach der Spezificität der Reaktion wurde von Ham- burger?) gestreift, bildet aber nicht eigentlich den Gegenstand seiner Untersuchungen. Neue Aufschlüsse brachte hier die eben erschienene, auf eingehen- den Versuchen beruhende Arbeit von F. Obermayer und E. P. Pick*) über die Stoffe des Eierklars. Sie finden, daß die durch Immunisierung mit Eiweißkörpern des Eierklars hervorgerufene Präcipitinbildung von den Eiweißkörpern un- abhängig ist und daß die Präcipitation einer absolut spezifischen Wirkung auf einzelne Eiweißkörper entbehre. Die fällbare Substanz des Eierklars wird durch Trypsinverdauung, sowie durch Erhitzen nicht zerstört, wohl aber durch Pepsinverdauung. Nach diesen Ermittelungen geht es, wie die Verff. hervorheben, nicht mehr an, die sogenannte biologische Reaktion zur Identifizierung von Eiweißkörpern ohne weiteres zu verwenden. Unsere eigenen Versuche führten zu teilweise ähnlichen Resultaten. Wir behandelten Tiere mit Injektionen von fraktioniertem Pferdeserum. In einer Versuchsreihe wurden die Niederschläge verwendet, welche im Serum durch Verdünnen mit Wasser und Einleiten von Kohlensäure ent- stehen, in einer anderen die Niederschläge bei fraktionierter Sättigung des Serums mit Ammonsulfat nach dem Verfahren von Pick). Beide Methoden gaben ähnliche Resultate. Zur Salzfällung wurde das so gut wie vollständig von Blutkörper- chen freie Serum zuerst mit dem halben Volumen gesättigter Ammon- sulfatlösung, das Filtrat mit einem drittel Volumen der Salzlösung und das Filtrat von diesem Niederschlag mit festem Ammonsulfat gefällt. Die so erhaltenen Niederschläge wurden mindestens 3mal durch Auf- lösen und Wiederausfällen gereinigt und dann der Dialyse unterzogen, um das Ammonsulfat zu entfernen. Die schließlich resultierenden Lösungen unterschieden sich scharf durch ihre Fällbarkeit durch Ammon- sulfat, so daß es berechtigt ist, sie als Lösungen differenter Eiweiß- körper anzusehen. (I. Fraktion — Fibrinoglobulin + Euglobulin, II. Fraktion = Pseudoglobulin, III. Fraktion = Albumin.) °). Nach mehrfachen Injektionen dieser Fraktionen verhielten sich die Sera der injizierten Kaninchen auf folgende Weise: 1) Hofmeister’s Beiträge. Bd. I. p. 398. 2) Münch. med. Wochenschr. 1902. No. 12. 3) Wiener klin. Wochenschr. 1901. 4) Wiener klin. Rundschau. 1902. No. 15. 5) L3229.2500; 6) Siehe Pick, 1. c. p. 39. Zur Kenntnis der Reaktionen des normalen Pferdeserums. 7183 Es erzeugten die Sera der I. Fraktion Niederschläge in allen 3 Lösungen, stärkere in Fraktion I als in Fraktion II, viel schwächere in Fraktion III (Albumin). Die Sera der Fraktion II erzeugten ebenso in allen 5 Lösungen Niederschläge, aber stärkere in Fraktion II als in Fraktion I. (Die Lösungen waren durch 3maliges Umfällen gewonnen und auf gleichen Eiweißgehalt gebracht.) Die Sera der Albuminfraktion hatten, obwohl gleiche Quantitäten von Eiweißlösungen wie bei den ersten zwei Fraktionen zur Injektion verwendet worden waren, in unseren zuerst angestellten Versuchen keine präcipitierende Eigenschaft. Was nun die Albuminfraktionen anbelangt, so ließ sich zeigen, daß durch eine wiederholte Ausfällung der Lösung mit größeren Mengen von Ammonsulfatlösung (1,5 des Volumenss der Lösung) zur Entfernung leichter fällbarer Produkte die zurückbleibende, durch Dialyse gereinigte, Albumin enthaltende Flüssigkeit die Eigenschaft verlor, präecipitiert zu werden, so daß also in Einklang mit früheren Beobachtungen die Prä- cipitation sich als unabhängig von der Anwesenheit des Serumalbumins erweist. ; Aber auch die Globulinlösungen hatten kein konstantes Verhalten. Bei Lösungen verschiedener Darstellungen wechselten die Unter- schiede in der Intensität der Fällungen beträchtlich, ja es kehrte sich bei einer Modifikation der Darstellung das Verhältnis der Fällungen um. In diesem Falle hatten wir die Konzentration an gesättigter Ammon- sulfatlösung zur Darstellung der I. Fraktion auf 30 Proz. des Volumens reduziert, in die II. Fraktion aber nur die Niederschläge einbezogen, die bei einer Konzentration von 43—50 Proz. an Salzlösung ausfielen. Es sollten also diese Lösungen freier von Beimengungen sein als die sonst gebrauchten. Die Ergebnisse zeigen, daß die beobachteten Präcipitinreaktionen keineswegs gestatten, die verschiedenen, in den Lösungen vorhandenen Globuline (Euglobulin, Pseudoglobulin) voneinander sicher zu unter- scheiden, obwohl diese Lösungen dem Ammonsulfat gegenüber sich recht different verhalten. Wenn also früher nachgewiesen wurde, daß diese Reaktionen sehr scharfe Unterscheidungen ähnlicher Stoffe bei verschiedenen Tier- arten gestatten, so ergiebt sich hier im Einklange mit Obermayer und Pick, daß sie nicht geeignet scheinen, im allgemeinen der Er- kennung von Eiweißkörpern, die nach den gewöhnlichen chemischen Methoden definiert sind, zu dienen. Aus unseren Versuchen scheint ferner hervorzugehen, daß die präcipitablen Substanzen des Serums nicht einheitlich sind, sondern mehrere Körper mit verschiedenen Fällungs- bedingungen. Anders wäre es nicht zu erklären, daß zwei Sera die verschiedenen Fraktionen nicht in verhältnismäßig gleicher Weise be- einflussen, man müßte denn annehmen, daß nicht präcipitable, aber die Fällung beeinflussende Stoffe eine Rolle spielen. Ueber die Natur der fällbaren Stoffe läßt sich aus den erwähnten Versuchen direkt nichts schließen, außer der wahrscheinlichen Nichtübereinstimmung mit den Serumglobulinen. Obermayer und Pick kommen wegen der Resi- stenz ihrer Stoffe gegen die Trypsinverdauung, die bis zum Verschwinden der Eiweißreaktionen fortgeführt wurde, zu der Ueberzeugung, es nicht mit Eiweißsubstanzen zu thun zu haben. In ähnlicher Weise zeigte jüngst Hausmann!) daß die häm- agglutinierenden und präcipitablen Stoffe des Abrin bei der Trypsin- 1) Hofmeister’s Beiträge. Bd. II. p. 134. 784 Karl Landsteiner und Arturo Calvo, verdauung erhalten bleiben, wenn die Eiweißreaktion schon verloren gegangen ist, und Jacoby!) hat analoge Resultate früher beim Riein verzeichnet. Durch Pepsinsalzsäure werden nach den vorliegenden An- gaben sowohl die wirksamen Stoffe des Rieins und Abrins als auch die des Eierklars zerstört. Die präcipitable Substanz unserer Globulinlösung erwies sich gegen Trypsin nur zum Teil als resistent. Proben von Lösungen beider Frak- tionen, die durch längere Zeit bis zum Verschwinden der Globulin- fällung durch Ammonsulfat mit Trypsin verdaut wurden, gaben nur mehr in wesentlich abgeschwächtem Maße die Präeipitinreaktion ?). Es scheint also, daß hier Differenzen zwischen den präcipitablen Substanzen ver- schiedener Provenienz bestehen. Gewiß spricht das Verhalten nicht dagegen, daß die fällbaren Serumstoffe andere als eiweißartige Körper seien. Die Möglichkeit, daß auch in diesem Falle die fällbaren Stoffe mit den Eiweißkörpern des Serums in irgend einer Verbindung sein könnten, vermögen wir nicht auszuschließen. II. Agglutinierende, antitoxische, antifermentative, katalysierende Stoffe des normalen Pferdeserums. Mit den Fraktionen des Pferdeserums, die nach der eingangs er- wähnten Ammonsulfatmethode hergestellt wurden, ließen sich die dem normalen Serum zukommenden Agglutinationsreaktionen hervorrufen. Es wirkte auf eine Reihe verschiedener Blutkörperchen (Kaninchen, Mensch, Meerschweinchen, Taube) bei gleicher Konzentration die Eu- globulinfraktion stärker als die Pseudoglobulinfraktion agglutinierend. Die Albuminlösung wirkte nur spurenweise und in größeren Konzen- trationen, doch konnten wir bisher durch Umfällen diese geringe Wirkung nicht zum Verschwinden bringen. Bei Bakterien, nämlich dem Typhus- und Cholerabacillus, war die Differenz der Lösungen in Rücksicht auf die Agglutination in gleichem Sinne nachzuweisen wie bei den Blutkörperchen, doch: zeigte sich die Differenz der Wirkung zwischen I. und II. Fraktion nicht so deutlich wie bei der Hänagglutination. Ein durch Injektionen von Fraktion I oder Fraktion II präpariertes Kaninchenserum hemmt die Agglutination von Kaninchenblutkörperchen durch Pferdeserum in höherem Maße als die Sera der Fraktion III und normales Serum. Ganz ähnlich lagen die Verhältnisse bei der Hemmung der Abrinagglutination von Blutkörperchen durch das frak- tionierte Serum. Es wirkte Fraktion I am stärksten hemmend, in ge- ringerem Grade Fraktion II, noch weniger Fraktion III. Wasserstoffsuperoxyd katalysiertte am intensivsten Fraktion I, schwächer und fast gleich Fraktion II und III. In den bisher erwähnten Versuchen zeigte Fraktion I bei gleicher Konzentration immer die stärkste Wirkung. Umgekehrt hat diese Fraktion einen geringeren antitryptischen Effekt als Fraktion II und III, die, miteinander verglichen, sich fast als gleichwertig zeigen. Beim Rinderserum zeigte sich Fraktion III am wirksamsten. Die antifermentativen Stoffe nehmen demnach, was ihre Fällbarkeit anbelangt, eine Ausnahmestellung unter den wirksamen Stoffen des 1) Archiv f. experim. Pathol. 2) Durch Injektionen mit Trypsin verdauten, vorher coagulierten Blutserums des Rindes haben wir ein präcipitierendes Kaninchenserum herstellen können. | | | u eh } a Zn Lt a Pu Zur Kenntnis der Reaktionen des normalen Pferdeserums. 785 Serums ein. Die Feststellung der Fällungsgrenzen der reagierenden normalen Stoffe des Blutes scheint uns deshalb Aufmerksamkeit zu ver- dienen, weil durch Vergleich mit den entsprechenden Beobachtungen bei den Immunkörpern die Kenntnis der Beziehungen beider gefördert werden dürfte. So findet Pick!) die Agglutinine für Cholera- und Typhusbakterien im Serum immuner Pferde in verschie- denen Fraktionen, während bei unseren Versuchen die zwei Glo- bulinfraktionen sich Typhus- und Cholerabakterien gegenüber nicht wesentlich verschieden verhielten. Wien, 15. April. Nachtrag. Uebereinstimmend mit den früher berichteten Versuchen sind die Ergebnisse bei der Prüfung eines Serums, das wir durch Injektion der Albuminfraktion erhielten, also jenes Anteiles des Pferdeserums, der nach Abscheidung des Niederschlages beim Versetzen mit dem gleichen Volumen gesättigter Ammonsulfatlösung durch festes Ammonsulfat ge- fällt wird. Bei einigen Tieren hatten wir früher auf diese Weise, wie oben erwähnt, kein präcipitierendes Serum erhalten. Das jetzt ge- wonnene Serum wurde mit fraktioniertem Pferdeserum geprüft und gab folgende Reaktionen: 0.05 cem Globulin | Globulin | Albumin | Globulin |-Globulin | Albumin Be IA IIA A IB IIB B Serum der I. Globulin- fraktion + +. — ne ed 2 Serum der Albuminfrak- tion H + IS # = +> + 0,25 ccm Serum ‚der I. Globulin- fraktion 2 + + ++ 2 — Serum der II. Globulin- aktion ++ er + ++ + — Serum der Albuminfrak- tion Ds Fr ++ u ++ = + bedeutet Präcipitation, ++ starke Präcipitation. Bei den in der Tabelle verzeichneten Versuchen kamen Lösungen von 0,5 °/oo Eiweißgehalt (in physiologischer Kochsalzlösung) zur Ver- wendung, und zwar in einer Menge von 0,5 cem. (Die Sera der I. Globulinfraktion und der Albuminfraktion wurden gleichzeitig geprüft, die Reaktionen des Serums der II. Globulinfraktion zum Vergleiche in die Tabelle aufgenommen.) Die 3 Fraktionen A entsprechen den Fällungskonzentrationen 0— 33 Proz., 33—50 Proz., 50 Proz.-Sättigung. Die 3 Fraktionen B entsprechen den Fällungsgrenzen 0—30 Proz., 43—50 Proz., 58 Proz.-Sättigung. Die Prozentzahlen bedeuten den Gehalt an gesättigter Ammonsulfatlösung. Die Versuchsresultate zeigen wieder, daß keine Uebereinstim- mung zwischen den präcipitablen Substanzen und den e, Erste Abt. XXXI. Bd. 51 186 Luigi Tavernari, bekannten Eiweißkörpern des Blutserums besteht. Das Serum der Albuminfraktion fällt sowohl diese als auch die II. Globulin- fraktion. Reinigt man aber die Albuminfraktion durch Abscheidung leichter fällbarer Anteile bei höherer Salzkonzentration als vorher, so nimmt in der so gewonnenen Lösung die Fällbarkeit durch das Serum der Albuminfraktion ab. Außerdem zeigt es sich wieder, daß mehrere präcipitable Stoffeim Serum existieren, die wenigstens, so wie sie im Serum vorhanden sind, verschiedene Fäll- barkeit durch Ammonsulfat besitzen. Nachdruck verboten. Die Pyocyanase Emmerich's und Loew's bei dem experimentellen Milzbrand. [Aus dem bakteriologischen Laboratorium des italienischen Gesundheits- amtes in Rom (Direktor: Prof. B. Gosio).] Von Dr. Luigi Tavernari. Mit 1 Cliche. Die Kenntnis eines Antagonismus zwischen den Stoffwechsel- produkten einiger Bakterien und den Keimen verschiedener hochgradiger Infektionen ist seit einigen Jahren Patrimonium der Wissenschaft ge- worden. Jedoch blieb der tiefere Grund dieser Erscheinung dunkel und die experimentellen Ergebnisse fanden fast keine praktische Anwendung, bis Emmerich und Loew nicht nur eine genauere Erklärung der früher beobachteten Thatsachen für erreicht hielten, sondern ihren Versuchen gemäß eine neue Theorie aufstellten, welche auf dem speku- lativen Gebiete höchst bemerkenswert ist und der praktischen Anwendung srößeren Erfolg verspricht. In der ersten auf diesen Gegenstand bezüglichen Abhandlung !) (1899) haben diese Forscher hervorgehoben, daß in den flüssigen Kul- turen von Pyocyaneus und in denen des Rotlaufs der Schweine eine spontane Agglutination und eine nachfolgende Autophagie stattfindet. Sie sind der Ansicht, daß diese Erscheinungen von einem speziellen bakteriolytischen Enzym herrühren und haben die identische auflösende Wirkung gegenüber verschiedenen Arten cellulärer bakterischer Ele- mente ins Licht gestellt. Das Enzym des Pyocyaneus zeigte auch nach der Austrocknung die Fähigkeit, die Bacillen des Milzbrandes, des Typhus, der Pest und der Diphtherie sowohl im aeroben als auch im anaöroben Zustande zu zerstören, ebenso den Choleravibrio und den Staphylococceus pyogenes aureus. Dieser als Pyocyanase bezeichnete Stoff behält in den Versuchs- tieren seine eigene auflösende Fähigkeit, die sich in vitro nachweisen läßt, und ist imstande, z. B. die durch ultramortale Dosen infizierten Kaninchen mit Erfolg zu behandeln. Ja, dies ist nicht der einzige, dem Pyocyaneus-Enzym von den Forschern zuerkannte Vorzug: Es l) Emmerich und Loew, Bakteriologische Enzyme als Ursache der erworbenen Immunität und die Heilung von Infektionskrankheiten durch dieselben. (Zeitschr, f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. XXXI. 1899. p. 1.) Die Pyocyanase Emmerich’s und Loew’s bei dem experimentellen Milzbrand. 787 vermag sich mit einer albuminösen Substanz der Gewebe zu verbinden und bildet so das Pyocyanaseimmunproteidin, einen Körper, der die auflösenden Eigenschaften des Enzyms besitzt und außerdem immuni- sierend wirkt. Folglich bieten uns die Pyocyaneus-Kulturen den Ausgangs- punkt für zwei Behandlungsweisen, die heilende und die präventive, gegenüber einer beträchtlichen Anzahl bedeutender Infektionen. Da Emmerich und Loew die bisher der Bakteriotherapie und den immunisierenden Sera zuerkannten Erfolge hauptsächlich von den bak- teriolytischen Enzymen herleiten mußten und da sie namentlich das Problem eines (ohne Hilfe eines tierischen Organismus gewonnenen) polyvalenten Vaceins durch die Pyocyanase gelöst erklärten, so war die Bestätigung der erwähnten Thatsachen und der aus denselben abge- leiteten Theorieen ohne Zweifel von höchstem Interesse. Die beiden Gelehrten haben aber die von ihnen befolgte Technik bis zur Veröffentlichung ihrer zweiten Abhandlung!) (1901) geheim ge- halten. Erst nach dieser letzten Arbeit sind die hier von mir berichteten Experimente begonnen worden. Diese sind zum Teil im hygienischen Institut der Universität Modena ausgeführt, und hier in der Absicht, einen Teil dieser soeben von mir zusammengefaßten Behauptungen zu bestätigen oder zu widerlegen, beendigt. Die Doktrin von Emmerich und Loew hat in neueren Mono- graphieen und Handbüchern ihre Stelle gefunden, aber nur als wissen- schaftliche Berichterstattung oder teilweise indirekte Bestätigung. Die Ansichten derselben sind nicht sowohl an der Hand von mit praktischen Zielen ausgeführten Experimenten bestätigt oder widerlegt, sondern in Bezug auf die Natur des aktiven Körpers, nämlich der Pyocyanase, von Klimoff?) und Dietrich?) einer Kritik unterzogen worden. Der Erstere weist nur flüchtig auf die wirkliche therapeutische Wirkung hin, wenn er einen gewissen günstigen Einfluß dieser Behandlung be- stätigt zu haben angiebt. In der Folge werden wir von diesen Kritiken sprechen. Vorläufig will ich, ohne auf die Beweisführung in Betreff der heilen- den und immunisierenden Wirkung des sogenannten polyvalenten En- zyms näher einzugehen, über die von mir ausgeführten Experimente berichten, welche zum Beweise der therapeutischen Vorzüge der Pyo- cyanase beim experimentellen Milzbrand dienen sollen. Der Pyocyaneusbacillus muß in einer Nährlösung kultiviert werden, die auf 1000 g Ag. destill. 5 g Asparagin, 5 g Natr. acetic., 2 g Dikaliumphosphat (neutral oder mit Kalilösung neutralisiert), 0,1 g Magnesiumsulfat und 2 g Chlornatrium enthält, bei den aufeinander- folgenden Temperaturen von 25, 30, 37°C. Der Ueberzug von Bak- terien, der sich bald an der Oberfläche bildet, und die homogene 1) Emmerich und Loew, Die künstliche Darstellung der immunisierenden Sub- stanzen (Nukleasenimmunproteidine) und ihre Verwendung zur Therapie der Infek- tionskrankheiten und zur Schutzimpfung an Stelle des Heilserums. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. XXX VI. 1901. p. 9.) 2) Klimoff, Zur Frage der Immunstoffe des Organismus. (Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. XXXVIL 1901. p. 120.) 3) Dietrich, Beruht die bakterienvernichtende Wirkung bakterieller Stoff- wechselprodukte nach den von Emmerich und Loew angeführten Teetsen auf proteo- Iytischen Enzymen (Nukleasen)? (Arbeiten aus dem pathol. Institute zu Tübingen. Bd. III. 1901. Heft 2.) 5l* 188 Luigi Tavernari, Trübung nehmen ab und verschwinden nach 5—6 Wochen; der hier- durch entstehende Bodensatz wird dann mehrere Male täglicn umge- schüttelt und nach 24 Stunden Ruhe ist die Flüssigkeit bereit für die zweite Behandlung, die Filtrierung, die am besten vermittelst des Berkefeldt-Filters ausgeführt wird. Hierauf folgt die Konzentration des bakterienfreien Filtrates bis auf !/,, des ursprünglichen Volumens in einem Soxhlet-Apparat bei einer Temperatur von 20-36° C. Später wird die so konzentrierte Flüssigkeit einer 12—24-stündigen Dialyse unterzogen, um die Salze und einen Teil der toxischen Stoffe zu entfernen. Schließlich wird sie um 0,25—0,30 Proz. Trikresol ver- mehrt und einige Zeit (bis einige Wochen) stehen gelassen, um das übrig gebliebene Gift zu zerstören. Ich habe diese Vorschriften genau befolgt bei der Zubereitung von 600 cem Flüssigkeit, die mir zu 3 Reihen von Experimenten ge- dient hat und die in diesem Stadium, auch ohne die immunisierenden Eigenschaften zu besitzen, jedenfalls nach Emmerich und Loew die heilenden offenbaren mußte. Nachdem ich mich von der Unschädlichkeit der Einimpfung be- deutender Dosen dieser Pyocyanase überzeugt hatte, versuchte ich die- selbe zunächst an Kaninchen, die mit einer bedeutenden Menge Milz- brandblutes infiziert waren, und erhielt die folgenden Resultate: Tabelle I. Wirkung der Pyocyanase bei mit Mizbrandblut infizierten Kaninchen. | | Ueberleben nach subkutan. Injektion Gesamte in- |" . . no eines cem Blut No. Tiergewicht |jizierte Fyo- | on einem an Milz- Bemerkungen cyanase | prand gestorbenen Kaninchen g ccm | Stunden : Ben n = } Kontrolltiere 3 1375 3 23 Intravenöse Kur, 24 Stunden nach der Injektion 4 1130 14 34 Subkutane Kur, unmittelbar und nachfolgend 5 1100 24 80 Desgl. 6 1260 | 27 72 Intravenöse und subkutane Be- | handlung, vorgängig u. heilend Ich bemerke, daß, wenn hier von präventiver Behandlung die Rede ist, der Ausdruck „präventiv“ in sehr engem Sinne zu verstehen ist. In der That handelt es sich nur um eine Einimpfung von 5—5 cem Pyocyanase unter die Haut oder in eine der aurikulären Venen, die der des Virus um ungefähr 2 Stunden voraufging, eine auch von Emme- rich und Loew bei ihren Kaninchen angewandte Einspritzung. Auch aus der Tabelle geht hervor, daß die Wirkung nicht über die eigent- liche schleunige Kur hinausgeht. Die 6 ersten getöteten Tiere dienten nur dazu, um zu beweisen, daß die Pyocyanase bei Tieren, die unter allen Umständen der Infektion unterliegen müssen, den Moment des Todes hinausschiebt. Es zeigte sich namentlich, daß die Kaninchen beträchtlich länger lebten, wenn der Eingriff schnell stattfand oder die Tiere eine vorläufige Injektion der Heilsubstanz empfingen. Die Pyocyanase Emmerich’s und Loew’s bei dem experimentellen Milzbrand. 789 Jedoch hätte man von der Pyocyanase zuviel verlangt, wenn man die Heilung dieser Kaninchen erwartete. In der That ist der Fall, in welchem man einem kleinen, besonders empfänglichen Tiere ein an ent- wickelten Bacillen reiches Blut einimpft, verschieden von demjenigen, in welchem man gleichfalls giftige Bacillen selbst in starker ‚Dosis wirken läßt, aber solche, welche, wenigstens einige Generationen hin- durch den ungünstigen Einfluß der saprophytischen Entwickelung durch- gemacht haben, wie gerade diejenigen, welche für die Versuche Em- merich’s und Loew’s gedient haben. Andererseits kann man, ohne den Wert des therapeutischen Verfahrens im geringsten herabzusetzen, wohl zugeben, daß die Wirkung weniger energisch sein mag, wenn sie nur gegenüber einer mäßigen Quantität des Virus die Heilung sichert. Infolge dieser Erwägung habe ich aufs neue Versuche mit Meer- schweinchen und Kaninchen gemacht, indem ich von einer Bouillon- kultur von Milzbrand ausging, deren konstante Virulenz mir be- kannt war. Tabelle II. THE der Pyocyanase auf Meerschweinchen, die mit einer Milz- randbouillonrkultur von 24 Stunden injiziert sind (0,02 ccm auf 1 kg). (Gesamte in- | Ueberleben nach | | Tiergewicht |jizierte Pyo- | der Injektion des No. cyanase nn | Bemerkungen g | ccm Stunden | R | 2 . a er Kontrolltiere i Er : | Kur, auch vorläufig „ 320 10 56 Kur intensiv und schleunig 6 590 14 38—40 Kur nicht unmittelbar 7 555 11 33 —40 Desgl. 8 440 6 38—40 Kur spät 9 475 7 38—40 Desgl. Auch für die Meerschweinchen, wie für die ersten Kaninchen wird der günstige Effekt der Behandlung lediglich durch die Verzögerung des Todes bezeichnet, eine Verzögerung, die natürlich um so beträcht- licher ist, je schleuniger der Eingriff stattgefunden hat und je größer die Menge der eingespritzten Heilflüssigkeit im Verhältnisse zum Ge- wichte des Tieres ist. Die folgende Tabelle III enthält die allgemeinen Angaben in Be- treff anderer Versuche, die mit demselben Verfahren an Kaninchen aus- geführt sind, aber mit geringeren Injektionen virulenter Kultur. Von den Tieren dieser Reihe ist vor und während der Dauer des Versuches in häufigen und regelmäßigen Zwischenzeiten die Mastdarm- temperatur abgenommen worden. Aus der Betrachtung der auf die Kaninchen 1 und 2 bezüglichen Aufzeichnung (beide erhielten 0,1 cem Kultur auf 1 kg Gewicht) geht hervor, daß das Kontrolltier No. 1 nur schwach auf das Virus reagierte und daß die Verminderung seiner Temperatur bis zum Tode eine pro- gressive war, während beim Kaninchen No. 2 die Pyocyanase eine ge- steigerte Temperatur hervorrief und diese nach einer kurzen, auf die Injektion des Milzbrandes folgenden Abnahme beibehielt. No. 2 blieb verhältnismäßig lange am Leben, wie sich von einer 790 Luigi Tavernari, Tabelle IlI. Wirkung der Pyocyanase auf Kaninchen, denen eine Milzbrand- bouillonkultur von 24 Stunden injiziert worden ist. di i | Gesamte in- | a nach | iergewicht |jizierte Pyo- | der Injektion des No. © Wirte Bemerkungen | 5 gem __|_._Bäunden F, _ ie: Milzbrandbouillonkultur 0,1 ccm per Kilogr. il 1925 36 Kontrolltier 2 2350 ar Kur, auch vorläufig Milzbrandbouillonkultur 0,02 ccm per Kilogr. 3 2480 0 38 Kontrolltier 4 2400 60 geheilt Kur, auch vorläufig 3 1695 56 geheilt Kur unmittelbar 6 2020 16 46 Desgl. - = : ne 2 5 Kur nicht unmittelbar 9 1455 12 52 & 10 135 | 4 28 h Basez vorläufigen und BEN durch ihre Intensität bemerkenswerten Kur erwarten läßt. Die Kaninchen No. 3—10 erhielten auf 1 kg Gewicht die Ein- spritzung von 0,02 cem einer Milzbrandkultur von 24 Stunden und ge- hören zu der bedeutendsten Gruppe dieser Versuche. Bei vielen (6—10) blieb der Heilerfolg aus, namentlich wenn die Kur schwach war oder der Eingriff spät erfolgte. Jedoch haben die Kaninchen No. 4 und 5 die Krankheit glücklich überstanden und sind noch jetzt am Leben, trotz einer Quantität Virus, welche sicher und mit kurzem Verlauf tödlich wirkt. Das Kaninchen No. 4, 2, erwachsen, kräftig und mit einem grau- rötlichen Fell, wog am 8. Januar, vor den Einspritzungen, 2400 g, am 17. Tage, nach beendigter Kur, 2080 g, am 31. 2100 g. Das Kaninchen No.5, 3, jung, mit fleckigem, grauweißem Fell, wog an denselben Tagen 1695, 1865, 1900 g; dieses blieb im allgemeinen lebhafter als No. 4 während der ganzen Beobachtungszeit und war auch freßlustiger. Die ödematische Anschwellung, die auf die Einimpfung folgte und die ich bei allen operierten Tieren bemerkte, blieb sehr beschränkt in- folge der Inokulationen der Pyocyaneus-Flüssigkeit, die eine bald wieder verschwindende Beule hervorriefen. Die Spuren der stattge- fundenen Einspritzungen bestanden bei den überlebenden Tieren in einem kleinen Aufwurf der Haut und einigen Wundstreifen. In der folgenden Aufzeichnung sind die Temperaturschwankungen der beiden geheilten Tiere der des Kontrollkaninchens zum Vergleiche gegenüber- gestellt. Bei dem Kontrollkaninchen No. 3 trat nach der Einspritzung der Kultur eine bedeutendere Wärmereaktion hervor als bei dem .vorher- gehenden Kaninchen No. 1: Dieses zeigte in der That eine Erhöhung der Temperatur von wenigen Zehnteln Grad und starb im Zustande der Hypothermie; beim Kaninchen No. 3 dagegen folgte auf die Ein- spritzungen einer verhältnismäßig weit geringeren Milzbranddosis eine sehr bemerkenswerte Verringerung der Temperatur, dann eine Steige- rung von fast 2 Graden, während welcher der Tod eintrat. Die Pyocyanase Emmerich’s und Loew’s bei dem experimentellen Milzbrand. 79] ti» 13. 14. 16. Tabelle IV. Mastdarmtemperatur der Kaninchen No. > 10. LE; %. 8. t . Fee m BE; (ET 3 Januar No.3 on Kontrollkaninchen. No. 4 und No. ei mit Pyo- cyanase behandelte ‚Kaninchen. 2 — Inokulation von 0,02 Milzbrandbouillonkultur auf 1 kg Tier. © — Intravenöse Injektion von 4 ccm Pyocyanase. Era = Subkutane Injektion von 4 cem Pyocyanase. 192 Luigi Tavernari, Bei den Kaninchen, die geheilt wurden, rief die Injektion der Kultur (sei es, daß diese nach ungefähr 2 Stunden auf die endovenöse Ein- spritzung der Pyocyanase folgte, sei es, daß sie gleichzeitig mit der- selben stattfand) immer eine weit erheblichere Steigerung der Tempe- ratur hervor, die über das Maximum beim Kontrollkaninchen hinausging. Wie man aus der Betrachtung der Aufzeichnung ersieht, hatte jedes der geheilten Kaninchen 53 Erhöhungen der Temperatur, die vom Tage der Einimpfung des Virus an Intensivität abnahmen. Es scheint, daß die therapeutische Flüssigkeit im Anfange der Experimente, als sie in die Adern eingeführt wurde, Fieber erzeugt und später auf subkutanem Wege eine mäßigende, antithermische Wirkung entfaltet hat. Jedenfalls sind die Temperaturschwankungen, die übrigens bei kleinen Laboratoriumstieren nicht die besondere Bedeutung haben können, welche ihnen in der Klinik des Menschen zukommt, ein Aus- druck des tiefen Antagonismus zwischen dem Krankheitserreger und den durch die eingespritzte Pyocyaneus-Flüssigkeit gekräftigten und geschützten Elementen des Organismus. Der Heileffekt der Pyocyaneus- Flüssigkeit, der von Emmerich und Loew vertreten wird, scheint mir durch die Resultate der hier aus- einandergesetzten Untersuchungen bestätigt zu sein. Ich habe bereits zu Anfang auf die von seiten Klimoff’s und Dietrich’s gegen die Auffassung von Emmerich und Loew er- hobenen Einwendungen hingedeutet. Diese haben vorzugsweise die Tendenz, die Gegenwart eines amorphen Fermentes in der Pyo- cyaneus-Flüssigkeit auszuschließen, d. h. die Pyocyanase zu leugnen. Unter den verschiedenen Einwänden sind namentlich die beiden folgen- den bemerkenswert: Die Bakteriolysis hat ihren Grund in osmotischen Erscheinungen und kann auch durch salzige, mit der Pyocyaneus- Flüssigkeit isotonische Lösungen hervorgerufen werden; die genannte Flüssigkeit widersteht 2 Stunden lang einer Temperatur von 100° C, ohne ihr bakterientötendes Vermögen zu verlieren. Der zweiten Behauptung (abgesehen davon, daß dieselbe sehr schwerwiegend ist, insofern die Pyocyanase mit einer so großen Wider- standskraft gegen die Hitze sich nach Dietrich von allen uns be- kannten Fermenten unterscheiden würde) ließe sich auch für die Praxis durch die Erhaltung und Anwendung der Heilmittel eine Bedeutung beimessen. - In Wahrheit habe ich mich nicht von einer so zähen Widerstands- kraft der Pyocyanase gegen die Hitze überzeugen können im Sinne des unveränderten Grades des Auflösungsvermögens, wohl aber von jener Verringerung der bakteriolytischen Aktivität, die schon von Emmerich und Loew in ihrer ersten Abhandlung hervorgehoben worden ist. In der That sprechen die in der folgenden Tabelle zusammenge- stellten kulturellen Versuche alle zu Gunsten der bakterientötenden Kraft der Pyocyanase in vitro, aber sie beweisen außerdem, daß die Aktivität dieser Flüssigkeit, wenn sie auch immer. beträchtlich bleibt, durch eine auch nur 30 Minuten lang fortgesetzte Erhitzung bis zu 100° abnimmt. Diese Abhandlung war schon geschrieben und sollte dem Druck übergeben werden, als mir die interessante Verteidigung, die Emme- rich, Loew und Korschun!) in diesen Tagen gegen die Kritiken Klimoff’s und Dietrich’s veröffentlicht haben, zugekommen ist. 1) Emmerich, Loew und Korschun, Die bakteriolytische Wirkung der Nu- Die Pyocyanase Emmerich’s und Loew’s bei dem experimentellen Milzbrand. 793 Tabelle V. Bakterientötende Wirkung iin vitro der bei gewöhnlicher Temperatur erhaltenen oder bis auf 100° erhitzten Pyocyanase. Kolonieen, entwickelt aus gleichen Quantitäten von Verflossene Zeit zwischen Mischungen von !/, ecm Milzbrandbouillonkultur der Mischun er range | mit 5 cem und Besäung der |und Zählung der [30 Min. lang bei 100° Agarplatten Kolonieen Bouillon | Pyocyanase erhitzter Pyocyanase Ö—nnu nn Ze 24 Stunden | 32 400 22 680 26 080 OÖ Stunden 48 z 48 600 23 142 28 600 72 \ 58 080 24 660 29 300 24 2 36 180 0 8100 3 s 48 x 43 200 0 9 720 1. 72 N 54 000 0 11 340 24 Rn ı unzählige ) 625 6 5 | 48 & | . 0 856 72 „ | „ 0 300 Die praktische Seite der Frage, die ich in diesen Untersuchungen . besonders im Auge gehabt habe, ist in diesem wichtigen. Streite nicht in Betracht gezogen worden. Keine neue Thatsache steht im Wider- spruch mit den Resultaten, die ich auch bei den Versuchen in vitro erhalten habe. | Rom, Januar 1902. Nachtrag. Ueber diesen Gegenstand, der die Forscher lebhaft interessiert, sind in der letzten Zeit zwei neue Arbeiten erschienen, gerade als ich mit der deutschen Uebersetzung meiner Schrift beschäftigt war. In der einen setzt Dietrich!) die Polemik über das Wesen der Pyocyanase fort. In der zweiten erörtert Vaerst?), außer anderen Punkten, Experimente, in denen beim Kaninchen durch die gleichzeitige Inokulation von Milzbrandkultur und Pyocyanase die Entwickelung des Milzbrandes gehindert wird, wodurch, wie ich mit Vergnügen sehe, die von mir gewonnenen Resultate eine Bestätigung erfahren. Rom, 9. April 1902. kleasen und Nukleasenimmunproteidine als Ursache der natürlichen und künstlichen Immunität. (Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Orig. Bd. XXXI. 1902. p. 1.) 1) Dietrich, Sind alle Einwände gegen die Natur und Wirkungsweise der so- rer Nukleasen widerlegt? Erwiderung an Emmerich und Loew. (Centralbl. f. akt. etc. Abt. I. Orig. Bd. XXX1. 1902. p. 165.) 2) Vaerst, Immunisierung gegen Milzbrand mit Pyocyanase und Kombinationen derselben. (Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Orig. Bd. XXXI. 1902. p. 293.) 794 T. Ishigami, Nachdruck verboten. er die Kultur des Vaceine- resp. Variolaerregers. II. Mitteilung. Von Dr. T. Ishigami, Direktor der kaiserl. japan. Lymphanstalt zu Osaka, Inhaber und Leiter des Privat- institutes für Infektionskrankheiten zu Osaka, Stabsarzt der kaiserl. japan. Marine a.D. Seit im Jahre 1798 Edward Jenner, der Wohlthäter der Mensch- heit und Begründer der Schutzimpfung gegen Infektionskrankheiten, seine durch klares Denken und genaues Erwägen entdeckte und durch 23-jährige Untersuchung unterstützte Vaccinationsmethode veröffentlicht hat, ist sein Werk wenigstens der Hälfte der ganzen Menschheit zu Nutzen gekommen. Sein Prinzip wurde auch bei Schutzimpfungen sonstiger menschlicher wie tierischer Infektionskrankheiten angewandt. Die segensreiche Serumtherapie verdankt auch, im Grunde genommen, ihre Entstehung dieser seiner Methode. Nachdem die Bakteriologie ihre wissenschaftliche Basis gewonnen hat, haben sich namhafte Forscher dem Studium des Vaccineerregers sewidmet und viele haben sich Mühe gegeben, denselben unter den . Bakterien zu finden. Meines Wissens sind in 20 Jahren (1866—1887) mehr als 60 diesbezügliche Arbeiten veröffentlicht. Unter den Forschern sind besonders zu nennen: Keber, Uhauveau, Weigert, Cohn u.m. A. Nachher haben sich Semmer, Voigt, Marotta, Guttmann u. Ss. w. dieser Frage gewidmet und die eine oder andere Art der Bak- terien für den mutmaßlichen Erreger gehalten. Die mit den Kulturen dieser Bakterien angestellten Tierversuche führten jedoch zu keinem günstigen Resultate. Auch L. Pfeiffer suchte zuerst den Erreger unter den Pilzarten und hat aus der Variola- resp. Vaccinelymphe einen Sproßpilz isoliert. Die damit angestellten Tierversuche fielen jedoch auch negativ aus. Unter den neuesten Veröffentlichungen sind besonders die von Buttersack (1892), van der Loe&ff (1886) und Guarnieri (1892 beachtenswert. Der Erstere hat als Vaccineerreger fadenförmige Körper und als deren Sporen anzusehende kleine, runde Körperchen beschrieben ; die beiden Letzteren haben ihr Augenmerk auf Protozoen gerichtet. Von ihnen ist also eine neue Bahn zur Erforschung des Vaccine- und Variolaerregers angetreten worden, und seitdem stimmen die meisten Forscher dieser Ansicht bei. Van der Lo6ff hat im Blute von fiebernden Variolakranken und von fiebernden geimpften Kindern (7 Tage) und Kälbern (4 Tage) den Parasiten entdeckt. Es sind Amöboidzellen, mit Pseudopodien ausge- stattet, beim Kalbe im jüngsten Stadium von halber, beim Kinde von Viertelblutscheibengröße. Diese Amöboidzellen führen auf dem ge- wärmten ÖObjekttische deutliche selbständige Bewegungen aus. Im Gegensatze zu den Malariaparasiten ist diese Form nicht endoglobulär, sondern dem Blutkörperchen nur accoliert oder frei im Blute schwim- mend, und dann mit durch Loeffler’sche Methode färbbarer Geißel versehen. Guarnieri hat durch Impfung der Lymphe in die Cornea des Kaninchens den Entwickelungsgang dieses Parasiten studiert. Nach ihm wird die Impfstelle nach 24 Stunden dick. Wenn man die Stelle a en 0 un u a a5 nn Ueber die Kultur des Vaccine- resp. Variolaerregers. 795 frisch abschabt und mikroskopisch untersucht, so findet man, daß der Parasit innerhalb von Epithelien deutliche Amöboidbewegungen aus- führt und durch allmähliche Entwickelung den Zellkern seitwärts hin- schiebt. Er vermehrt sich auf zweierlei Arten: 1) durch direkte Zwei- teilung, gerade wie bei den Zellen, 2) durch Cystenbildung, in deren Inneren Sporen entstehen. G. hat diesem Parasiten den Namen Gyto: ryetes variolae gegeben. E. Pfeiffer (1395) hat den Parasiten aus der Cornea eines Ka- ninchens auf die eines anderen zu übertragen vermocht und ihn als den wahren Erreger der Variola resp. Vaccine anerkannt. Zwar haben schon vor dieser Zeit Keber (1868), Cohn (1872), Weigert (1873), Leloir (1880), Reneaut {1881), Pohl-Pincus (1882), Plauth (1883) u. A. diese Körperchen in Zellen gefunden. Es ist jedoch das Verdienst Guarnieri’s und L. Pfeiffer’s, ihn als wirklichen Erreger erkannt zu haben. Unter meinen Landsleuten sind zwei Forscher zu erwähnen: Prof. 'Ogata und Dr. Nakanishi. Der Erstere hat im Jahre 1894 in _ seiner Arbeit „Ueber die Sporozoa der Vaccinelymphe und deren Be- deutung für die Krankheit“ eine Polycystgregarine beschrieben. Er hat im Trockenpräparate der Lymphe durch Anwendung verschiedener Fixierungs- und Färbungsmethoden die Form und Gestalt des Parasiten untersucht. Ferner hat er die mit Glycerin gemischte Lymphe im Brüt- schranke gehalten und den Entwickelungsgang des Parasiten verfolgt. Er hat mir damals freundlichst seine Präparate gezeigt und erklärt. Nakanishi hat im vorvorigen Jahre in Deutschland aus den ober- flächlichen Zellen der Vaccinepustel einen Bacillus, dessen Form der- - jenigen des Diphtheriebacillus ähnelt, isoliert und die Resultate der damit angestellten Tierversuche veröffentlicht. Einige Zeit nachher hat er den Bacillus als einen sich gewöhnlich auf der Hautoberfläche der Menschen und Tiere befindenden erklärt und seine Veröffentlichung zu- rückgenommen. Unter den aufgezählten Arbeiten sind nur diejenigen von Guar- nieri und L. Pfeiffer von vielen Forschern anerkannt. Nur ist es noch Niemand gelungen, diesen Parasiten rein zu kultivieren und durch die Resultate der damit angestellten Tierversuche einen unumstößlichen Beweis zu führen. In der Deutschen med. Wochenschr. Jahrg. XXVII. No. 9 hat Funck-Brüssel das Ergebnis seiner 2-jährigen Untersuchungen ver- öffentlicht. Da sagt er unter anderem folgendes: „Wir gießen auf die Oberfläche einer gewöhnlichen Agarplatte - einige Tropfen steriler Lymphe oder solche, welche nur wenig Mikroben enthält. Nach 24 Stunden Aufenthalt in der Brütkammer bringen wir sie unter das Mikroskop (Objektiv AA, Okul. 2) und schreiten mit Hilfe einer !/,, mm messenden Spachtel aus Platin an das Herausfischen der Sporoblasten, welche sich bei einiger Gewohnheit leicht erkennen lassen. Man gießt die Sporen in einem Tröpfchen Bouillon 20- oder 30mal auf und impft sie dem Kalbe ein. Gegen den 6. Tag konstatiert man, wenn der Versuch richtig gemacht ist, die Gegenwart der charakte- ristischen Pusteln.“ Auf Grund dieser Untersuchung glaubt er, an dem Körperchen die Natur des Vaccineerregers bewiesen zu haben !). 1) Meine erste Mitteilung auf der Generalversammlung des Institutes für Infek- 796 | | T. Ishigami, Nun weiß man ja zur Genüge, daß, wenn man aus einer mit Lymphe besäten Agarplatte irgend eine Bakterienkolonie herausfischt und dieselbe Kälbern einimpft, sehr oft regelrechte Vaceineblasen zur Entwickelung kommen. Mit Zellresten oder angeblichen Sporoblasten verhält es sich ebenso. Das ist eine Fehlerquelle, in welche viele Forscher unzählige Male gefallen sind und welche auch bei Funck’s Untersuchung nicht vermieden wurde. Da die Sporozoiten dieses Para- siten sehr klein sind, wie ich sie nachher ausführlich beschreiben werde, so bin ich sicher, wenn man aus einer solchen Platte etwa 5mal Zell- reste herausfischt und dieselben in Bouillon thut, daß dann in der letzteren eine genügende Anzahl von Sporozoiten enthalten ist. Er hat auch im Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. XXIX. No. 24 Ausführlicheres mitgeteilt. Diese Arbeit bringt jedoch nichts besonders Neues im Vergleich zu seiner vorläufigen Mitteilung. Man sieht also, daß auch seine Untersuchungen noch nicht genügend sind zur Er- klärung der pathogenetischen Verhältnisse des Parasiten. Ueber die Ursachen der Variola und Vaccine herrschten seit jeher zwei verschiedene Ansichten — Homovenomtheorie und Hetrovenom- theorie. Erstere behauptet, daß das Vaccinevirus nichts anders sei, als durch Einwirkung des Tierkörpers abgeschwächtes Variolavirus, während letztere behauptet, daß der Kalbskörper nicht imstande sei, Variolavirus in Vaccinevirus umzuwandeln, sie müssen daher von Natur aus verschieden sein. Die letzte Ansicht wurde von einem französischen Forscher, Chauveaut, vertreten und wird noch von anderen, wenn auch wenigen Forschern unterstützt: Dagegen findet die Homovenom- theorie viele Anhänger. Im Jahre 1807 gelang es Gassner (Günz- burg), 11 Kälbern den Inhalt der Variolapusteln einzuimpfen und daraus Kuhlymphe darzustellen. Er hat diese Lymphe mit Erfolg zur Impfung der Kinder verwendet. Nachher sind viele andere Forscher seinem Beispiele gefolgt und haben erfolgreiche Resultate erhalten. Am ver- breitetsten scheint diese Methode der Impfung mit Variolavaceine in England gewesen zu sein, wo von Ceely (1839) und Badcock her- gestellte Variolavaccine wegen ihrer starken Wirksamkeit bei den Impf- ärzten günstige Aufnahme gefunden hat. In Amerika haben im Jahre 1852 Adam (Waltham) und Pantoman (Boston) nach Badcock’s Methode Lymphe dargestellt, und seitdem ist die Variolavaceine in Boston und dessen Umgebung in Anwendung. In Deutschland hat Voigt (Hamburg) im Jahre 1891 mehreren Kälbern den Inhalt der Variolapusteln eingeimpft und mit so darge- stellter Lymphe Kinder geimpft. Er hat später (1900) nachgewiesen, daß bei mit Variolavaccine geimpften Kindern die Immunität länger dauert als bei mit Vaccine geimpften. Bei uns in Japan hat Nakagawa (Matzumaye, Yesso) von Russen die Darstellungsmethode der Variolavaccine kennen gelernt und durch deren Impfung an Kindern bei der großen Pockenepidemie von 1828, 18355 und 1842 Tausende von Opfern gerettet. Wenn man Variolalymphe 3mal hintereinander den Kälbern ein- impft und die so gewonnene Lymphe zur Impfung der Kinder ver- wendet, beobachtet man hauptsächlich lokale Erscheinungen und nicht sehr starke allgemeine ern Dieses wird von verschiedenen Seiten tionskrankheiten zu Tokio geschah am 1. April 1901, während No. 9 der Deutschen med. Wochenschr. erst gegen Mitte desselben Monats in Japan ankam. N Eu WER RE EUE WE... - Ueber die Kultur des Vaceine- resp. Variolaerregers. 197 behauptet, und ich kann durch meine persönliche Erfahrung nur dem * beistimmen. Nun ist es aber nicht klar, warum das Variolavirus durch Tierpassage an seiner Virulenz abnimmt, warum so abgeschwächtes Virus, die sogenannte Variolavaccine, seine frühere Eigenschaft nicht zurückbekommt, obgleich es 20-, 30mal hintereinander auf Kinder ge- impft wird? Die Variolavaccine wird im Gegenteil schwächer, wenn sie 50—70mal hintereinander Kindern geimpft wird. Dasselbe geschieht auch mit humanisierter Lymphe, wie die Impfärzte aus früherer Zeit wohl erfahrungsmäßig wissen. Das sind Fragen, deren Beantwortung von höchstem Werte sein muß, deren Erforschung jedoch späterer Zeit vorbehalten ist. Kurzer Rückblick meiner Arbeit. Im Jahre 1893 wurde ich mit der Leitung einer Lymphanstalt des „Japanischen Gesundheitsvereins“ beauftragt. Auf Anregung des Herrn - Prof. Kitasato, meines verehrten Lehrers, habe ich die Erforschung des Vaceineerregers zu meiner Aufgabe gemacht. Zuerst habe ich aus der humanisierten und animalischen Lymphe, sowie aus den Drüsen der seimpften Kälber alle möglichen Bakterien isoliert. Die Resultate der mit diesen Reinkulturen angestellten Tierversuche fielen, wie es nicht anders zu erwarten war, negativ aus. Nur einen feinen Bacillus, welcher durch Ziehl’sche Lösung färbbar ist und auf gewöhnlichen Nährböden nicht zur Entwickelung kam, konnte ich damals nicht züchten. Während ich mit der Kultur dieses feinen Bacillus beschäftigt war, brach im Jahre 1894 eine Pestepidemie in Hongkong aus. Die japanische Regierung hat eine Pestkommission, an deren Spitze Prof. Kitasato stand, dort- hin geschickt. Ich habe ihn begleitet und wurde unglücklicherweise von der Seuche ergriffen. Als ich Ende August heimkehrte, brach der unglückliche, aber für uns ruhmreiche Krieg zwischen Japan und China aus und ich mußte in der Eigenschaft eines Stabsarztes der Marine mit ins Feld ziehen. So erlitt meine Arbeit eine Unterbrechung. Meine Ernennung zum Professor der kaiserlich japanischen Akademie der Marine erfolgte im Jahre 1896, und ich benutzte die Gelegenheit dazu, die frühere Arbeit wieder aufzunehmen. Es gelang mir, die oben erwähnten, sehr feinen Bacillen künstlich zu züchten; die Resultate der Tierversuche waren jedoch wiederum negativ. Nunmehr habe -ich es aufgegeben, den Vaccineerreger unter den Bakterien zu suchen, und mein Augenmerk war hauptsächlich auf Proto- zoen gerichtet. Wenn man humanisierte oder Kuhlymphe verdünnt und als hängenden Tropfen untersucht, wird man große und kleine, grünlich schillernde, stark glänzende, runde Körperchen beobachten. Dieselben zeigen Molekular- wie Amöboidbewegungen. Auch findet man darin ovale oder unregelmäßig runde Cysten, deren Inhalt aus grünlichen, runden Körperchen besteht. Wenn man ferner dem hängenden Tropfen eine verdünnte Lösung irgend eines Anilinfarbstoffes hinzusetzt, so werden die darin enthaltenen Bakterien gefärbt, während die oben genannten Körperchen ungefärbt bleiben und deutlicher ins Gesicht fallen. Die- selben finden sich massenhaft in den Epithelzellen der Vaccineblasen ‘und sind nichts anderes als die von Guarnieri und L. Pfeiffer erwähnten Parasiten. Während ich mich mit dem Studium dieser Kör- perchen beschäftigte, wurde ich an eine andere Stelle versetzt, darauf wurde ich krank und so erlitt meine Arbeit wieder eine Unterbrechung. 798 T. Ishigami, Im Jahre 1895 wurde ich zum Direktor der kaiserlich japanischen Lymphanstalt zu Osaka ernannt. Die gute Gelegenheit ließ ich nicht unbenutzt und zum dritten Male habe ich die Arbeit aufgenommen. Im Oktober vorvorigen Jahres gelang es mir, die genannten Kör- perchen zu züchten. Dabei fand ich, daß neben Vaceineerregern ein Blastomyces vorkommt, dessen Form ganz derjenigen des Erregers ähnlich ist, dessen Eigenschaften jedoch voneinander ganz verschieden sind. Dieser Blastomyces kommt auf und in der Haut der Menschen und Tiere fast überall vor. Mir gelang es, die beiden Mikroorganismen getrennt zu züchten und mit einer so angelegten Kultur des Erregers Tierversuche zu machen, deren Resultate ganz günstig ausfielen. Ich habe die Ergebnisse meiner Untersuchungen auf der Generalversamm- lung des Institutes für Infektionskrankheiten zu Tokio dargelegt (Sai- kingaku-Zassi. No. 65). Seitdem habe ich meine diesbezüglichen Unter- suchungen fortgesetzt und wage es jetzt, mit meiner zweiten Mitteilung vor die Oeffentlichkeit zu treten. Ueber Blastomyces beabsichtige ich eine ausführliche Mitteilung binnen kurzem zu veröffentlichen. Kapitel]. Untersuchungsmethode. Bei der Untersuchung der Lymphe oder Gewebe ist es sehr wichtig, sie im frischen Zustande zu untersuchen, da der Parasit durch ver- schiedene Manipulationen, wie Erhärtung, Fixierung etc, sehr leicht Formveränderung erleiden und bei der Färbung mit den umliegenden Geweben diffus gefärbt werden kann. I. Untersuchung des Gewebes. Man rasiert an der Bauch- wand eines Kalbes die Haare ab und legt in gewisser Entfernung 30—50 Linienschnitte an und impft entweder mit einer humanisierten oder Kuhlymphe oder auch mit dem Inhalte der Variolapusteln. Nach Ablauf von je 24 Stunden schneidet man je 2 Stücke davon ab, läßt sie gefrieren und benutzt so hergestellte Schnittpräparate zur Unter- suchung. Bei jedem Kalbe setzt man die Untersuchungen 2—3 Wochen lang fort. Bei der Herstellung des Schnittpräparates muß man den Mikrotomschnitt mit dem Impfschnitte durchkreuzen lassen, so daß der Impfschnitt in der Mitte jedes Präparates zu liegen kommt. Auf solche Weise kann man mit großer Leichtigkeit die Gewebsveränderungen, sowie die Art und Weise, wie der Parasit in die Zellen eindringt, genau verfolgen. Um das Eindringen ungebetener Gäste, etwa Bakterien, zu verhüten, legt man die Schnitte in O,5-proz. Karbolsäurelösung. II. Untersuchung der Lymphe. Am geeignetsten hierzu ist Kuhlymphe. Man nimmt Lymphe, welche mit Karbolsäure oder Glycerin gemischt ist und sehr wenige oder gar keine Bakterien enthält, versetzt mit 0,5-proz. Karbolsäurelösung und untersucht sie als hängenden Tropfen. Da der Parasit durchsichtig und glänzend ist, so benutzt man zur Untersuchung mit Vorteil das Trockensystem, um dessen Struktur besser erkennen zu können. Man schiebt den Kondensor beiseite, läßt die Irisblende verkleinern und nimmt Objektiv DD, Okular 5-—8 (Zeiss). Anstatt Karbolsäure kann man auch die Gram’’sche oder Flemming- sche Lösung benutzen. Um das Verhalten chemischer Reagentien oder Farbstoffe gegen den Parasiten zu prüfen, bringt man einen Tropfen von einer ver- dünnten Lymphe auf ein Objektglas und bedeckt ihn leicht mit einem tn. a MB ie a a A Ueber die Kultur des Vaccine- resp. Variolaerregers. 799 Deckglase. Man bringt das Präparat unter das Mikroskop und hält an einem Ende des Deckglases ein Stückchen Löschpapier und läßt aus einem anderen Ende desselben vermittelst einer Kapillarröhre entweder Reagentien oder Farbstofflösung träufeln, dann kann man das Verhalten der Reagentien und der Farbstoffe erkennen. Um humanisierte oder Variolalymphe zu untersuchen, bedient man sich am besten der Jodjodkalilösung. Um eine Kruste zu untersuchen, taucht man sie 24 Stunden lang in 1-proz. Karbollösung; nach der Erweichung derselben nimmt man den inneren Teil derselben heraus, zerdrückt denselben und untersucht unter Zusetzung einer verdünnten Anilinfarbstofflösung. Die beweg- lichen Bakterien werden dann durch Karbolsäure unbeweglich und durch Farbstoffe gefärbt, was die Untersuchung ungemein erleichtert. Trockenpräparate werden auf folgende Weise hergestellt: Man streicht Lymphe (nicht glycerinisierte) auf das Deckglas, macht sie luft- trocken, taucht das Deckglas 20—30 Minuten lang in siedendes Glycerin und wäscht dann in Wasser. Wenn die Lymphe schon glycerinisiert ist, streicht man sie auf ein Deckglas; das letztere läßt man in heißem Glycerin so schwimmen, daß die mit Lymphe bestrichene Seite nach oben kommt, und läßt es etwa 20 Minuten stehen, bis die in der Lymphe enthaltenen Eiweißkörper koagulieren; dann taucht man es in siedendem Glycerin unter und nach 20 Minuten wäscht man es in Wasser. Man kann auch Alkohol-, Aether- oder Sublimatlösung zur Fixierung des Präparates benutzen; doch wird dadurch die Gestalt des Parasiten bedeutend verändert und das Verhalten gegen Farbstoffe erleidet auch gewisse Veränderungen. Besser bleibt immerhin die vorhin angeführte Methode. III. Färbungsmethode. Die spezifische Färbungsmethode für diesen Parasiten ist noch nicht bekannt. Soviel ist klar, daß er je nach seinen Entwickelungsstadien verschiedenes Verhalten gegen Farb- stoffe zeigt. Durch Safranin, Neutralrot, Methylgrün und Malachitgrün werden große Sporozoiten, Wachstumsformen und Cysten mäßig, der Kern und die Kernteilchen der Wachstumsform stark gefärbt, während kleine Sporozoiten ganz ungefärbt bleiben. Durch verdünnte Karbol- fuchsinlösung, Säurefuchsin, Eosin, Thionin und Methylenblau wird die Membran der kleinen Sporozoiten mäßig, Wachstumsform und Cyste stark gefärbt. Durch Gram’sche Lösung entfärben sie sich. Ferro- hämatoxylin eignet sich am besten zur Kernfärbung. Ueber das Verhalten des Parasiten gegen verschiedene Farbstoffe wird weiter unten Genaueres mitgeteilt. Kapitel II. Mikroskopischer Befund der Pusteln und &ewebe. I. Gewebsveränderung. Untersucht man mit der Kernfärbungs- methode behandelte Schnittpräparate, so beobachtet man, daß die Zellen sich an den beiden Rändern des Impfschnittes durch direkte Teilung vermehren; schon 24 Stunden nach der Impfung wird der Impfschnitt ganz mit neugebildeten Zellen gefüllt. In den benachbarten Teilen des Schnittes zeigen die Zellen Kernteilungserscheinungen, besonders deut- lich an den unteren Teilen des Schnittes. 800 T. Ishigami, Nach Ablauf weiterer Stunden wird der Kreis der Kernteilung um- fangreicher und durch Vermehrung der Zellen wird die Schleimschicht bedeutend dicker; nach 72—96 Stunden wird sie schon 5—7mal so dick im Vergleich zu der gesunden. Die Cutis wird auch entsprechend dicker. Die von dem Parasiten angegriffenen Zellen werden auch be- deutend größer (2—5mal). II. Das Eindringen des Parasiten in die Zellen. 24 Stun- den nach der Impfung beobachtet man zwischen den neugebildeten Zellen der Impfstelle massenhafte Amöboidkörperchen, welche selb- ständige Bewegungen machen, und runde Körperchen, deren Durch- messer 7—12 u beträgt und deren Inhalt körnig ist. Es ist sehr wahr- scheinlich, daß relativ wenig in der Lymphe enthaltene Parasiten an der Impfstelle sehr rasch sich entwickeln und vermehren, Amöboidkörper- chen ausbilden und die Angriffe zu den Epithelzellen sich vorbereiten. (Genaueres über Vermehrung siehe unter Kapitel IIL.) Um diese Zeit ist also die Anzahl der in die Zellen eingedrungenen Parasiten sehr sering. Nach 48 Stunden werden die Amöboidkörperchen im Impf- schnitte noch zahlreicher und dringen allmählich in die der Impfstelle benachbarten Zellen ein. Nach 72—96 Stunden werden die meisten Zellen der verdickten Schleimschicht bis an die Haarbälge von den Parasiten angegriffen. Die Anzahl der in eine Zelle eindringenden Amöboidkörperchen kann 1, 2 oder 3 sein; sie sitzen im Protoplasma neben dem Kern und werden von farblosen, durchsichtigen Höfen umgeben. Jedes dieser Körperchen teilt sich entweder in 2, 4—10 und darüber oder entwickelt sich ohne vorherige Teilung. Der Zellkern wird bei der Entwickelung der Körperchen zusammengedrückt und seitwärts gedrängt. Wenn das Amöboidkörperchen einen gewissen Grad der Entwicke- lung erreicht (etwa 5 Tage), so füllt es den hellen Hof aus; jeder Parasit wird dann mit einer dünnen Membran ‘umgeben, der Inhalt teilt sich und wird körnig. Die Wirtszelle ist dann mit 1, 2 oder mehr Parasiten geschwängert und bekommt ein cystenartiges Aussehen. Die eigentliche Cystenwand ist anfangs hyalin, durchscheinend, nachher ring- faserförmig. In dem lebenden Körper wird die faserförmige Zellwand nebst dem Kern nach 10—14 Tagen resorbiert und verschwindet ganz. Der Inhalt, d. h. die körnig aussehenden Parasiten werden frei und nehmen die Stelle ein, wo früher die infizierte Zelle war. Daß der Parasit eine Membran bekommt und dessen Inhalt körnig wird, fängt etwa 5 Tage nach der Impfung an. Im lebenden Körper werden die Körner in der. Cyste nach 2—3 Wochen unregelmäßig und verschwinden zuletzt; die Stelle wird narbig; die Kruste trocknet ein und fällt ab. In der Kruste sind Cysten, sowie freie Amöboid- körperchen enthalten; sie bewahren ihre Lebensfähigkeit lange Zeit. Wenn man aus einer Ohrvene eines 4—7 Tage vorher geimpften Kalbes Blut entnimmt und untersucht, so findet man in demselben Amöboidkörperchen, deren Durchmesser 3—7 u betragen. Diese Kör- perchen besitzen selten einen feinen Fortsatz; die von van der Loeff angegebenen Geißeln habe ich nie beobachten können. Wenn man ein Kalb 7 Tage nach der Impfung schlachtet und dessen Blut und Organe untersucht, so beobachtet man im Blute sowie in Gehirn, Milz, Leber, Inguinal- und Mesenterialdrüsen u. s. w. eben- falls Amöboidkörperchen. Nur ist es höchst selten, daß sie in die Ueber die Kultur des Vaceine- resp. Variolaerregers. 801 Zellen dieser Organe eindringen; sie liegen vielmehr in den Kapillaren oder zwischen den Gewebselementen entweder vereinzelt oder gruppen- weise. Bei einem frischen Präparate, besonders wenn man es erwärmt, beobachtet man, daß sie Amöboidbewegungen ausführen. Wenn man entweder das Blut oder Emulsionen von Gehirn, Milz oder Leber u. s. w. Kälbern einimpft, so kommen regelrechte Pusteln zur Entwickelung, welche die Tiere gegen nachherige Impfung mit Vaccine- oder Variola- lymphe immun machen. Das Vorhandensein des Parasiten kann man also mikroskopisch wie experimentell nachweisen. | Die oben angeführten Gewebsveränderungen, sowie die Art und Weise des Eindringens des Parasiten in die Zellen sind sowohl bei der Kuhlymphe als auch bei der humanisierten Lymphe, ja sogar bei der Variolalymphe dieselben, obgleich sie je nach Virulenz, Klima und Be- schaffenheiten des Tierkörpers in Bezug auf die Schnelligkeit oder der Entwickelung der Gewebsveränderungen gewissen Abweichungen unter- worfen sind. Das ist wieder ein Beweis, daß Vacceine und Variola durch ein und dasselbe Virus hervorgerufen werden. Wenn man ein die Impfung überstanden habendes Kalb zum zweiten Male impft, so entwickeln sich die Parasiten anfangs zwischen den neu- gebildeten Zellen des Impfschnittes; sie verschwinden aber rasch, ohne in die Zellen einzudringen. So beobachtet man 24 Stunden nach der Impfung zahlreiche Amöboidkörperchen und wenig Cysten, fast gerade so wie bei einem zum ersten Male geimpften Kalbe. Nach 48 Stunden wird das Bild schon anders; die Amöboidkörperchen vermehren sich nicht mehr, sondern sie vermindern sich und nach 72 Stunden verschwinden sie ganz. Kapitel III Der Erreger. Soweit meine Untersuchung reicht, gehört der Vaccine- resp. Variola- erreger zu den Sporozoen. Es sind grünlich schillernde, glänzende, ein- fache Zellen. Je nach den Entwickelungsstadien ist die Größe derselben sehr verschieden; ihre kleinste Breite 0,3 u, ihre größte Länge 35 u. Die Gestalt kann rund oder länglich-rund sein, jedoch am meisten ver- treten ist die ovale Form. Außerdem zeigen sie beim jungen Stadium wegen Amöboidbewegungen verschiedene Formveränderungen. Sie ent- wickeln sich hauptsächlich in den Zellen, ausnahmsweise auch außer- halb der Zellen. Die Parasiten vermehren sich auf zweierlei Art: 1) Durch direkte Teilung, welche im jüngeren Stadium vorkommt. Diese Art der Ver- mehrung geschieht, indem zuerst der Kern und dann der Sporozoit selbst sich in 2 teilt, gerade wie bei der Zellteilung. 2) Durch Cysten- bildung. Dies geschieht, indem die Sporozoiten sich völlig entwickeln und eine Gystenwand bekommen und der Inhalt durch Teilungen in meh- rere Sporozoiten sich umwandelt. So wird ihr Lebenscyklus geschlossen. I. Die Form. Wenn man frische Kuhlymphe mikroskopisch untersucht, so kann man die Gestalten der verschiedenen Entwickelungsstadien beobachten. Diese sind folgende: a) Sehr kleine, runde oder ovale, grünlich schillernde Körperchen ; sie liegen einzeln oder zu 2 oder 3 zusammen und machen Molekular- bewegungen. Die kleinste Breite 0,3 u, die größte Länge 2—4 u. Erste Abt. XXXI. Ba. 52 802 T. Tshieami, b) Ungleich große, Amöboidbewegungen ausführende, :grünlich schillernde, glänzende Körperchen. Diese sind weiter entwickelte Formen der vorigen; Breite etwa 2—5 u, die größte Länge erreicht oft 12 u. Sehr selten beobachtet man, daß länglich runde Sporozoiten in Zwei- teilung begriffen sind. c) Runde oder ovale, grünlich schillernde, glänzende Körperchen, die keine Amöboidbewegungen ausführen, sondern bestimmte Gestalt beibehalten und etwas größer sind als die vorangehenden. Diese re- präsentieren die weitere Entwickelungsstufe. Man findet außerdem gelb- lich-grüne, glänzende, etwas .größere Körperchen, in deren Inhalt ein Kern und feine Körner sichtbar sind. Sie sind nichts anderes als die Me dieses Parasiten. Kleinste Breite 5 u, größte Länge 3D u. d) In der nächsten Zeit entstehen in der Mitte der oben unter ce) angeführten ovalen Körperchen grobe Körner (geteilter Kern) und das Protoplasma in der Umgebung sieht wie verdichtet oder granulös aus und das Ganze wird von einer Hülle umgeben. Dieses Bild repräsen- tiert das Anfangsstadium der Vermehrung. e) Ovale, birnförmige oder spindelförmige Körperchen, welche mit ungleich großen, grünlich glänzenden Körnern gefüllt sind (vollständige Cystenbildung mit dem unter a) angeführten Sporozoiten). Kleinste Breite 7 u, größte Länge 35 u. f) Cystenartige Gebilde, in deren Innern 1—10 von unter e) an- geführten Cysten enthalten sind und welche von einer dicken Wand umgeben sind. Die Entstehung dieser Gebilde ist so anzunehmen, daß die in einer Epithelzelle entwickelten Cysten noch von Zellresten um- geben sind. In humanisierter Lymphe sind die kleinen, unbeweglichen Körper- chen am meisten vertreten; ‘dann folgen Amöboidsporozoiten. Die Wachstumsform, deren Durchmesser mehr als 5 u beträgt, und Cysten sind nur sehr selten anzutreffen. Die verschiedenen Formen kann man in 3 Gruppen zusammen- fassen: Sporozoit, Wachstumsform und Oyste. Die Sporozoiten entstehen in den Cysten und, nachdem sie dieselben verlassen haben, entwickeln sie sich zu der Wachstumsform, vorausgesetzt, daß die nötigen Bedingungen da sind. Die kleinsten Sporozoiten machen keine Amöboidbewegungen. Auch die weiter entwickelten ziehen sich durch Einwirkung der Kälte oder Trockenheit zusammen und bekommen ihre frühere Gestalt und die Eigenschaften der Dauerform. (Darüber wird noch weiter unten aus- führlicher die Rede sein.) Hier lasse ich die Schilderung der 3 Gruppen, Amöboidsporozoiten, Wachstumsformen und Cysten, folgen. 1) Amöboidsporozoiten. Diese sind ungleich große, grünlich glänzende Körperchen; bei ihnen sind Hülle, sowie Ektoplasma und Entoplasma nicht zu unterscheiden. Gewöhnlich ist kein Kern zu sehen. Bei weiter entwickelter Form kann man jedoch durch Hämatoxylin den Kern färben und durch Behandlung mittels Flemming’scher Lösung zuweilen den kleinsten Kern zu Gesicht bekommen. Man beobachtet auch Vakuolen. In der Ruhezeit zeigen sie entweder runde oder ovale Gestalt. Wenn sie jedoch mit Feuchtigkeit und Wärme in Berührung kommen, machen sie Amöboidbewegungen. Sie werden dadurch hervorgerufen, daß der Sporozoit von einer Seite des Körpers einen spitzen Fortsatz | Ueber die Kultur des Vaccine- resp. Variolaerregers. 803 austreibt und keilförmig wird; der Fortsatz verlängert sich und bekommt eine „„“-Form. Durch Verlängerung des ganzen Körpers entstehen verschiedene Formen, wie Stäbchen-, Sichel-, Halbmond- oder Spindel- form u. s. w. Er zieht sich zusammen und bekommt seine frühere runde oder ovale Gestalt wieder. Bei weiterer Entwickelung treibt er kurze Fortsätze aus und so entsteht eine unregelmäßige Gestalt. Die Sporozoiten schreiten durch ihre Amöboidbewegungen schwin- gend vorwärts, als suchen sie nach ihren zukünftigen Wirten herum. In Wirtszellen eingedrungen, verhalten sie sich ganz ruhig. Bei noch weiter entwickelter Form, deren Durchmesser über 5 u beträgt und bestimmte Gestalt annimmt, verlängert sich das schmale Ende, gerade wie bei einem zum Saugen vorbereiteten Blutegel (Fig. 9). Man sieht, daß die Bewegungen der Sporozoiten in jüngeren Stadien lebhafter sind, nach und nach träger werden und allmählich verschwinden. Nach dem Stillstande entwickeln sie sich sehr rasch und so entsteht die Wachstumsform. Die Ernährung dieses Parasiten geschieht durch Osmose Die Aufnahme fester Nahrung, wie sie bei Plasmodien oder Acytosporidien vorkommt, findet hier nicht statt. Untersucht man lebhaft bewegliche Sporozoiten zusammen mit Bakterien im hängenden Tropfen, so beob- achtet man, daß die Bakterien mehrere Stunden lang um den Sporozoiten herumlagern, ohne daß sie von dem letzteren aufgenommen werden; auch beobachtet man niemals in den Körpern der erwachsenen Parasiten fremdartige körperliche Elemente (Bakterien etc.). Die kleineren Sporozoiten lassen sich schwer, die etwas weiter ent- wickelten dagegen leichter färben. 2) Wachstumsform. Die Wachstumsform kann entweder rund oder oval auftreten; bei den freiliegenden kann man Ekto- und Ento- plasma unterscheiden. Das Ektoplasma ist farblos, durchsichtig, glän- zend und dünn und umgiebt die ganze äußere Oberfläche des Parasiten und die Oberfläche desselben ist glatt. Bei dieser Form kann man bei frischen, ungefärbten Präparaten keinen Kern beobachten; durch Zusatz von einer Säure oder Farbstofflösung wird er jedoch deutlich. Im Ento- plasma entstehen durchsichtige Körner; diese sind plastische Körner und bedeuten das erste Stadium der Cystenbildung. Wenn die Entwickelung dieses Parasiten einen gewissen Grad er- reicht, entsteht eine Umhüllung; der Inhalt wird körnig und so ent- steht eine Oyste. 3) Cysten. Die Größe und Form des Parasiten variiert je nach den Wirtszellen und nach den vorhandenen Umständen (z.B. bei der Entwicke- lung außerhalb der Zellen). Die Größe und Form der Cysten ist daher nicht immer gleich. Größe und Form der Cyste. Die kleinste Breite 7 u, die srößte Länge 35 «u. Am meisten vertreten sind jedoch diejenigen, deren Breite 12—20 u und deren Länge 15—25 u beträgt. Was die Form anbetrifft, so sind runde Cysten nur selten, ovale oder birnförmige dagegen sehr häufig anzutreffen. Auch kommen spindelförmige vor. Zuweilen beobachtet man, daß von dem schmalen Ende einer birn- förmigen Cyste ein stielartiger Fortsatz zum Vorschein kommt; auch können von der Peripherie einer Cyste 2, 3 oder 4 Fortsätze heraus- treten. Zuweilen beobachtet man, daß 2 CGysten durch die Hülle an- 52% 804 | T. Ishigami, einander hängen. Sehr selten verwachsen 'zwei Individuen zu einem und so wird eine gemeinsame Cyste gebildet. Cysten in Zellen. Wenn in einer Zelle eine einzige Cyste ent- halten ist, so ist deren Gestalt meist rundlich; in den meisten Fällen kommen jedoch 2 oder mehrere Cysten in einer Zelle vor und er- füllen das ganze Zellinnere; infolgedessen drücken sich die Cysten an- einander, und so entsteht eine polygonale Form. Die Zelle kann selten Riesengröße erreichen ; die größte Zelle, welche bis jetzt zu meiner Be- obachtung kam, betrug 72 u in der Breite und 80 « in der Länge und enthielt über 10 Cysten. Hülle. Die Hülle der Cyste wird aus dem Ektoplasma des Parasiten gebildet. Da sie durchsichtig ist, kann man deren Vorhandensein nur am Rande erkennen. Sie wird fest, wenn der Inhalt reif wird und sich in Sporozoiten umwandelt. Sie wird dann grünlich glänzend, gerade wie die Sporozoiten selbst, und schließlich bekommt sie sehr häufig faserige Struktur. Wenn die Hülle noch im Entstehen begriffen ist, d. h. nur verdichtetes Plasma darstellt, kann man sie mittels Methylen- grün färben; später, wenn sie fest wird, wird sie gegen Farbstoffe ganz unzugänglich. Gegen Säuren ist sie sehr widerstandsfähig, gegen Al- kalien dagegen etwas empfindlicher. Wenn man das Deckglas, unter welchem die Cysten sich befinden, leicht drückt, oder wenn sie während des Strömens auf irgend ein Hindernis stoßen, so ändern sie ihre Ge- stalt; ein Zeichen dafür, daß die Hülle nicht sehr derb sein kann. Man kann unter den Cysten 2 Arten unterscheiden, eine dickwandige und eine dünnwandige. Die erstere scheint außerhalb und die zweite in den Zellen selbst zu entstehen. Inhalt. Der Inhalt einer reifen Cyste besteht aus grünlichen, glän- zenden, ungleich großen Körnern — Sporozoiten. Die Entstehung der Sporozoiten ist ziemlich verwickelt, so daß ich es vorziehe, sie weiter unten unter „Vermehrung“ zu beschreiben. Die Anzahl der in verschiedenen Cysten enthaltenen Sporozoiten ist verschieden, je nach der Größe der Cyste. Gewöhnlich sind deren 20—40 in einer Cyste enthalten. Als kleinste Zahl habe ich 8, als größte 260 gezählt; doch gehört eine Cyste mit über 100 Sporozoiten schon zur Seltenheit. Der Austritt der Sporozoiten aus der Cyste geschieht entweder auf einmal oder allmählich, indem die Hülle an einer Stelle zersprengt wird. Die Sporozoiten liegen einzeln oder zu mehreren zusammengeklebt. Das letztere Bild entsteht, wenn die Spaltung der Protoplasmamasse sich nicht ganz vollzogen hat. Woher die grünliche Farbe stammt, ist nicht klar. Durch Chlor oder Aether bleibt sie unberührt. II. Die Vermehrung. Die Vermehrung dieses Parasiten ge- schieht, wie schon angedeutet, auf zweierlei Weise: 1) durch Zweiteilung, 2) durch Cystenbildung, was von Guarnieri und L. Pfeiffer schon beobachtet worden ist. a) Zweiteilung. Die Vermehrung durch Zweiteilung geschieht aus- schließlich bei jungen Individuen; bei den weiter entwickelten kommt sie dagegen niemals vor. In der Zelle beobachtet man, daß ein junges Individuum in einem hellen Hofe sich in 2, 4 oder bis über 10 teilt; die neuen Individuen entwickeln sich, eine Masse bildend; schließlich werden sie alle reif und bilden Cysten. Wenn die Zweiteilung eines Ueber die Kultur des Vaccine- resp. Variolaerregers. 805 Individuums unvollständig vor sich geht und die neuen Individuen in solchem Zusammenhange sich weiter entwickeln, entsteht eine zusammen- hängende Cyste. In Nährbouillon kommen die Amöboidbewegungen der Parasiten zum Stillstande; sie werden länglich-rund (Länge 5—5 u, Breite 1—2 u). Zuerst teilt sich der Kern in 2, dann rückt er in die Mitte des Para- sitenkörpers und schließlich schnürt sich der letztere von der Mitte ab. Die doppelte Vermehrungsweise beobachtet man auch bei sonsti- gen Sporozoen, wie bei Microsporidium bombyeis und Sero- sporidia. Die Sporozoiten dieses Parasiten entstehen, wie es noch unten genau zu beschreiben ist, eigentlich durch mehrfache Teilungen der kernhaltigen Protoplasmamasse in der Cyste. Sie besitzen daher die Eigenschaft, sich immer weiter zu teilen. Folglich ist es ganz natürlich, daß sie diese Eigenschaft auch dann beibehalten, wenn sie schon ziemlich weit entwickelt sind. b) Cystenbildung. Diese geschieht auch auf zweierlei Art: 1) Die Sporozoiten entwickeln sich in Epithelzellen und bilden Cysten. Wenn die Cysten einen gewissen Grad der Reife erreichen, so verschwindet gewöhnlich die sie einschließende Zellwand und sie kommen frei zum Vorschein. Das ist der eigentliche Typus der Ver- mehrung bei diesem Parasiten. 2) Die Sporozoiten entwickeln und vermehren sich auch außerhalb der Zellen. Wie oben gesagt (s. Kapitel III: „Das Eindringen der Parasiten“), bilden sie zwischen den neugebildeten Zellen der Impfstelle innerhalb 24—48 Stunden Cysten. Diese sind kleiner als die erste Art und haben eine Länge von 7—12 u. Solch Beispiel sieht man auch bei anderen Sporozoenarten, so z. B. bei Coccidium oviforme (L. Pfeiffer). Der Vorgang der Cystenbildung, den man innerhalb der Zellen und in hängenden Tropfen beobachtet, ist kurz folgender: Wenn die Entwickelung der Sporozoiten einen gewissen Grad er- reicht, wird das Ektoplasma dichter, umhüllt den Parasitenkörper und es entsteht eine Cystenwand. Im Entoplasma teilt sich zuerst der Kern und bildet mehrere grobe Kernteilchen; diese sind unregelmäßig gestaltet und liegen anfangs in der Mitte; dann teilen sie sich noch feiner und verteilen sich im umliegenden Entoplasma. Das Protoplasma in der Umgebung verdichtet sich seinerseits und bildet zahlreiche Proto- plasmamassen. In jeder derselben ist gewöhnlich ein Kern enthalten; es können auch mehrere durch weitere Teilung entstandene Kernteilchen enthalten sein. Diese Masse sieht ganz ähnlich aus wie Archisporen (Labbe£), nur mit dem Unterschiede, daß sie keine Vorsprünge zeigt. Sie besitzt auch keine Hülle, was gegen Sporoblasten spricht. Ich nenne sie daher kernhaltige Protoplasmamasse. Sie zerfällt dann ihrerseits in eine unbestimmte Anzahl von Sporozoiten. Wenn man die Entstehung der Sporozoiten noch genauer betrachtet, beobachtet man folgendes: Wenn ein Individuum einen gewissen Grad der Entwickelung erreicht, so verliert es zuerst seine grünliche Farbe und Glanz. Behandelt man es um diese Zeit mit 30-proz. Essigsäure, so beobachtet man fast gleich große, feine Körnchen nebst einem ver- hältnismäßig großen Kern. Die Körnchen sind plastische Granula und lassen sich durch Jod färben; der Kern färbt sich dagegen durch Neu- 806 T. Ishigami, tralrot; durch Hämatoxylin (bis Ferro-Hämatoxylin) läßt er sich sehr deutlich dunkelviolett färben. Wenn der Kern sich in zahlreiche Kernteilchen teilt, erscheinen die Zwischenräume derselben strukturlos und hell. Durch Behandlung mittels Flemming scher Lösung zeigen sich in den Zwischenräumen feine Chromatinkörnchen und Chromatingerüste. Um diese Zeit zeigt sich das Entoplasma in der Umgebung jedes Kernteilchens verdichtet und leicht granuliert. Man kann dann am Parasitenkörper 5 Schichten unterscheiden: 1) die in der Mitte liegende grobkörnige Schicht mit hellen Zwischenräumen; 2) die mittlere Schicht — Entoplasma granuliert und undurchsichtig; 3) die äußere Schicht — Hülle. Die Kernteilchen teilen sich wiederum und dringen in das um- liegende Ektoplasma und so entstehen ungleich große Protoplasma- massen. Die letzteren zerfallen wiederum in die feinen Sporozoiten, welche vielleicht in den Cysten selbst einen gewissen Grad der Ent- wickeiung erreichen können und infolgedessen verschiedene Größe zeigen. Da um die Zeit verschiedene Substanzen, wie plastische Gra- nula, Chromatinkörner, sowie Fettkügelchen und fetthaltige Granula u.s.w. in der Cyste enthalten sind, so wird die Struktur der Cyste viel ver- wickelter. Werden die Sporozoiten völlig gebildet, so bleiben nur ungleich große Sporozoiten und dazwischen liegendes helles Protoplasma übrig, die sonstigen Substanzen, außer Fettkügelchen und fetthaltigen Körnern, verschwinden ganz. Die Kernteilchen, kernhaltige Protoplasmamasse und etwas ent- wickelte Sporozoiten sehen grünlich und glänzend aus. Auf den ersten Blick sind sie daher schwer voneinander zu unterscheiden. Folgende Merkmale genügen jedoch zu ihrer Unterscheidung: Die Kernteilchen, welche unregelmäßig gestaltet, hüllenlos, wenig glänzend sind, liegen in der Mitte; die Protoplasmamassen, welche rundliche oder ovale Gestalt haben, hüllenlos und kernhaltig sind, liegen in der Cyste zerstreut oder mehr oder minder regelmäßig angeordnet; sie besitzen grünliche Farbe und lassen sich durch Jod gelb färben. Auch durch sonstige Farbstoffe, besonders durch Methylgrün und Neu- tralrot, lassen sich diese beiden Substanzen färben. Der entwickelten Sporozoiten sind verhältnismäßig wenig vorhanden und liegen zwischen jüngeren, feinen Sporozoiten; sie besitzen ovale Gestalt und scheinen eine Hülle zu besitzen. Sie glänzen stärker und lassen sich weder durch Jod noch durch sonstige Farbstoffe färben. Die bedeutend entwickelten Sporozoiten erscheinen manchmal wie Cystenkerne. Auch kommt es vor, daß in einer Cyste, in welcher mehrere un- gleich große Sporozoiten enthalten sind, einige rundliche oder ovale Körperchen liegen, welche mit hellem Hofe umgeben sind und in deren Inneren durch Neutralrot färbbare Körner enthalten. Die ganze Er- scheinung sieht ähnlich aus wie die Kernteilung in dem Anfangsstadium der Cystenbildung. Es ist jedoch nicht klar, ob dieselben Reste der Kerne oder die entwickelten, schon wieder in Teilung begriffenen Sporo- zoiten sind. Die plastischen Granula, Chromatinkörner, Fettkügelchen und fett- reiche Körner lassen sich durch folgende spezifischen Eigenschaften von- einander unterscheiden: u u Al aa un de mu m Lane nn a U nn —n = 5 ER Ueber die Kultur des Vaceine- resp. Variolaerregers. 807 1) Plastische Granula. Man beobachtet diese bei entwickelten Sporozoiten; sie sind hell und gleichmäßig verteilt; nur durch Behand- lung mit Säuren werden sie sichtbar. Diese Körner färben sich gleich- mäßig durch Anilinfarbstoffe und werden durch Jod gelb; durch Zusatz von Schwefelsäure werden sie nicht entfärbt. Das ist ein Unterschied von dem Paraglykogen der Gregarinen. Diese Körner verschwinden, wenn die Sporozoiten reif werden. | 2) Chromatin. Dieses tritt nach der Kernteilung auf und existiert als Chromatingerüst zwischen feineren Körnern und Kernteilchen. Durch Behandlung mit Flemming'’scher Lösung glänzen sie dunkelviolett, durch Ferro-Hämatoxylin lassen sie sich besonders gut färben. Dieses Chromatin bildet später den Kern des Sporozoiten. 3) Fettkörnchen. Sie sind meist rund, unregelmäßig groß und kommen während des Verlaufes der Cystenbildung zum Vorschein und existieren bis zum Endstadium der Sporozoitenbildung; sie verschwinden, wenn die Sporozoiten reif werden. Sie lösen sich in Alkoholäther, färben sich rot durch Sudan, schwarz durch Osmiumsäure, Durchmesser 0,5—2 u. 4) Fettreiche Körnchen. Sie kommen während des Verlaufes der Cystenbildung zum Vorschein; sie existieren zuweilen, auch wenn die Sporozoiten reif sind. Die Gestalt ist meist oval oder unregelmäßig rund und viel größer, als die sonstigen Körner. Die außerhalb der Cysten freiliegenden sind besonders groß und zeigen zuweilen 1 bis 4 Vakuolen. Diese Körnchen -sind gelblich-grün; durch Sudan werden sie gelblich-rot, durch Osmiumsäure nicht gefärbt; sie lösen sich auch nicht in Alkoholäther. Wenn man durch Sudan gefärbte Körnchen unter dem Mikroskop untersucht und zugleich Aether hinzusetzt, so be- obachtet man, daß sie sich entfärben; sie behalten jedoch ihre Gestalt bei. Bei den mit Alkoholäther fixierten Präparaten kann man sie zwar erkennen, aber die Färbung mittels Sudans gelingt nicht mehr, da sie schon entfettet sind. III. Die Dauerform. Als Dauerformen anzunehmende, unbeweg- liche Sporozoiten sind rundlich oder oval, grünlich-glänzend und be- sitzen dunklen Ring. Sie sind keinem Farbstoffe zugänglich; durch Behandlung mittels Flemming’scher Lösung oder Hämatoxylin kann man keinen Kern beobachten. Ge&en Säuren und Alkalien sind sie sehr widerstandsfähig. Diese kleinen Sporozoiten erscheinen bei 500-facher Vergrößerung nur als dunkle Körner, bei noch stärkerer Vergrößerung bemerkt man grünen Glanz. Obgleich sie mit Wärme und Flüssigkeit in Berührung kommen, zeigen sie im Gegensatz zu den größeren Sporo- zoiten nur langsam Amöboidbewegungen. Im hängenden Tropfen treiben sie nach mehreren Stunden aus einem Ende einen feinen Fortsatz und bewegen sich allmählich. Ob die Sporozoiten direkt aus kernhaltigen Protoplasmamassen ge- bildet werden oder aus vorhin entstandenen geschalten Sporen heraus- kommen, die Frage ist sehr wichtig. Da Vaccine- wie Variolavirus sehr widerstandsfähig ist und im pulverisierten Zustande oder als Krusten jahrelang seine Virulenz beibehält, so liegt die Vermutung nahe, daß es als Sporen enthalten sein muß. Um die Frage zu beantworten, habe ich folgende Experimente ausgeführt: Wenn man über anderthalb Jahre alte, trockene Krusten der Variola- bezw. Vaccinepusteln 24 Stunden lang mit 1-proz. Karbolsäurelösung erweicht und mikroskopisch untersucht, so beobachtet man zahlreiche 808 ; T. Ishigami, Amöboidsporozoiten und Cysten. Impft man mit diesem Materiale ein Kalb, so entstehen regelrechte Pusteln, welche das Tier gegen nach- herige Impfung mittels wirksamer Lymphe immun machen. Daraus sieht man, daß diese Sporozoiten und Cysten die wirksamen Bestand- teile der Kruste repräsentieren. Sollten Sporen vorhanden sein, dann müßten sie auch in der Kruste als solche vorhanden sein. Wenn man getrocknete Kruste pulverisiert und auf einem Objekt- glase zerstreut und darauf mit einem Deckglase überdeckt und mit dem Objektiv DD, Okular 8 untersucht, findet man zahlreiche runde oder ovale, grünlich glänzende Körperchen, deren Durchmesser 0,5—0,4 u beträgt und an deren Peripherie ein dunkler Ring sichtbar ist. Setzt man diesem Präparate allmählich mit einem Kapillarröhrchen warmes Wasser hinzu und untersucht es in einem Wärmeschranke von 25—37° GC, so beobachtet man, daß jenes mit einer Hülle umgebene Körperchen nach einem oder beiden Enden sich verlängert. Nach weiterem Verlaufe treibt es aus einem Ende einen Fortsatz und wird keilförmig. Bei diesem Vorgange ist es charakteristisch, daß die Hülle an dem Fortsatze verschwindet; es macht also den Eindruck, als ob der Sporozoit, eine dicke Schale durchbrechend, heraustrete. Bei noch weiterem Stadium beobachtet man den Ring nur an dem dicken Ende; wenn der Fortsatz sich zusammenzieht, erscheint der Ring jedoch fast an der ganzen Peripherie des Sporozoiten. Nachher, wenn der Sporozoit lebhaft sich fortbewegt, verschwindet der Ring ganz oder er bleibt nur am dicken Ende oder an einer Seite haften. Niemals beobachtet man die freiliegende Schale. | NB. Um getrocknete Krusten zu pulverisieren, schneidet man die- selben mittels Skarpels in Stücken. 2 oder 3 davon zerzupft man mit einer Nadel auf einem Objektglase, dann zerdrückt man sie mit einer dicken Glasplatte. Die groben Teile nimmt man mittels Nadel hinweg und dann deckt man sie mit einem Deckglase zu und untersucht mikro- skopisch. Beim Hinzusetzen warmen Wassers muß man immer die um die Krustenstücke herumliegenden Körperchen betrachten. Die frei, d. h. nicht um die Krustenstücke liegenden Körperchen schwimmen sehr oft hinweg. | Bei denjenigen Sporozoen, bei denen Sporen gebildet werden, ist es Regel, daß die Sporen von einer dicken Schale umgeben sind und daß jede der Sporen 1 oder mehrere Sporozoiten enthält. Das Heraus- treten der Sporozoiten aus der Schale geschieht, indem die letztere entweder der Länge nach zersprengt oder an einem oder beiden Enden eröffnet wird; die Schale bleibt auch nach dem Heraustreten der Sporo- zoiten liegen. Alle diese Erscheinungen fehlen bei diesem Parasiten. Ich bin daher gezwungen, anzunehmen, daß die Sporozoiten durch Ein- flüsse verschiedener Reize sich zusammenziehen und von einer dicken Hülle umgeben werden, daß sie dagegen, wenn Reize verschwinden und passende Wärme und Feuchtigkeit da ist, wieder erschlaffen und Amö- boidbewegungen ausführen. Behandelt man die Lymphe, in welcher kleine Sporozoiten enthalten sind, mit Reagentien, wie Säuren, Alkalien oder Jodlösung u. Ss. w., SO beobachtet man nie Polkapseln, wie sie Th&ölohan bei Sporen des Microsporidium bombyeis beobachtet haben will. Wie gesagt, behalten die Sporozoiten jahrelang ihre Lebensfähigkeit und Virulenz bei, wenn sie im zusammengezogenen Zustande in trockenen Ueber die Kultur des Vaccine- resp. Variolaerregers. 809 Krusten sich befinden, auch wenn sie mit der Wärme von 20—30° C in Berührung kommen. Die Sporozoiten dagegen, welche mit Hilfe der Wärme und Feuchtigkeit amöboidbeweglich geworden sind, sterben in 24-48 Stunden, wenn sie an Nahrungsmangel leiden. Die in der im Eisschranke aufbewahrten Lymphe enthaltenen Sporo- zoiten sehen ganz ähnlich wie diejenigen in getrockneter Kruste aus, nur mit dem Unterschiede, daß die ersteren, wenn sie passende Wärme bekommen, gleich amöboidbeweglich werden. Warum die Lymphe in der Sommerzeit bei Zimmertemperatur rasch ihre Wirksamkeit einbüßt, ist daraus leicht zu erklären. Humanisierte Lymphe enthält im Vergleich zur Kuhlymphe mehr unbewegliche Sporozoiten. Das ist der Grund, warum die erstere wirk- samer ist als die letztere. Ueber das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Sporen muß man noch weiter studieren. Kapitel IV. Die Kultur. Um einen Parasiten, pflanzlichen wie tierischen, künstlich zu züchten, muß man vorerst seine natürlichen Verhältnisse der Entwickelung und Vermehrung kennen lernen. Die meisten Forscher behaupten, daß der Variola- resp. Vaccine- erreger ein Zellparasit ist und daß er folglich außerhalb der Zellen nie- mals zur Entwickelung und Vermehrung kommen kann. Ich habe jedoch beobachtet, daß er wohl im Impfschnitt zwischen den Zellen sich ent- wickeln und vermehren kann, wenn nur die nötigen Bedingungen vor- handen sind. Es ist mir gelungen, in einem Nährmedium, dessen Hauptbestand- teil aus Epithelzellen noch nicht geimpfter Tiere besteht, die künstliche Kultur dieses Parasiten anzulegen. Als Ausgangsmaterial zu dieser Kultur habe ich die Lymphe, in welcher kein Bakterium enthalten war, benutzt. Die sterile Lymphe gewinnt man folgendermaßen: Man nimmt Kuhlymphe, zerreibt sie, ver- dünnt mit sterilem Wasser, filtriert mit Watte, und nachdem sie auf 37° erwärmt ist, injiziert man sie in die Ohrvene eines Kalbes. 7 bis 14 Tage nach der Injektion kommen an Augenlidern, Maul- und Nasen- höhle, an der Umgebüng des Anus, der inneren Fläche der Ohrmuscheln und an der Innenseite der Schenkel mehrere Vaccineblasen zum Vor- scheine. Wenn man die Lymphe, bevor der Blaseninhalt zur Eiterung kommt, steril aufnimmt, bekommt man sie ganz keimfrei. Zur Zeit umgehe ich diese komplizierte Methode und benutze ganz einfach mit Karbolsäure versetzte Kuhlymphe oder humanisierte Lymphe oder auch Variolakrusten. Da das Nährmedium flüssig ist und feste Bestandteile enthält, so muß man eigentlich jeden Tag Präparate anfertigen und mikroskopieren, um den Vorgang der Entwickelung und Vermehrung zu verfolgen. Diese Umstände zu vermeiden, mache ich mit demselben Nährmedium hängende Tropfen und impfe mit demselben Materiale und untersuche im Wärmeschranke (37—38° CO). Der Vorgang der Entwickelung dieses Parasiten im Nährmedium ist im großen und ganzen derselbe wie im lebenden Körper. Die anfangs 810 T. Ishigami, im Medium sich bewegenden Amöboidsporozoiten haften an festen Be- standteilen des Mediums (einige hängen mit dem Fortsatze ihres schmalen Endes an den festen Bestandteilen herunter) und entwickeln sich all- mählich. Inzwischen entsteht eine Hülle und der Inhalt wird granulös, und so entstehen zahlreiche Sporozoiten. Der Vorgang ist sowohl bei Kuhlymphe als bei Variolakrusten ganz gleich. Es ist wieder ein Zeichen, daß Vaccine und Variola von einem und demselben Erreger hervorgerufen werden. Die Entwickelung im Nährmedium geht etwas langsamer vor sich, als im lebenden Körper, und es sind zur Cystenbildung 5—9 Tage nötig; die Größe der Cyste ist auch etwas geringer (Durchmesser 10—15 u). Das Temperaturoptimum liegt in 37—38° C. Der Parasit kann auch bei Zimmertemperatur sich entwickeln. Kapitel V. Tierversuche. 1) Als Versuchstiere habe ich hauptsächlich Kälber benutzt. 2) Zur Impfung der Versuchstiere habe ich Kulturen entweder aus we oder humanisierter Lymphe oder auch aus Variolakrusten enutzt. 3) Die Impfung geschah, indem ich in einer Hautfläche von 3 qcem netzartige Schnitte, Linienschnitte oder -Kreuzschnitte ausführte und mit Kultur einrieb. 4) Die durch Impfung mit Kultur entstandenen Blasen benutzte ich zum Teil zur Untersuchung, zum anderen Teil zur Impfung der Kälber, um die Wirksamkeit des Blaseninhaltes zu prüfen. Die Gewebsveränderungen sowie die Art und Weise des Eindringens des Parasiten in die Zelle erwiesen keinen Unterschied im Vergleich zu den durch Impfung mit Kuhlymphe entstandenen Blasen. Die Resultate der weiteren Impfung mit dem durch Impfung der Kultur entstandenen Blaseninhalte fielen auch günstig aus. 5) Die mit Kultur geimpften Kälber wurden, gleichgiltig ob die Blasen zur Entwickelung kamen oder nicht, nach bestimmter Zeit mit sicher wirksamer Lymphe geimpft und dabei habe ich gefunden, daß die mehr oder weniger eruptionierten Kälber sich gegenüber einer späteren Impfung immun verhielten. 6) Die durch Impfung mit Kultur entstandenen Blasen erwiesen keinen Unterschied im Vergleich zu den durch Impfung natürlicher Lymphe entstandenen. Nur wenn die Virulenz der Kultur nicht stark genug ist, kommen die Blasen etwas später zum Vorschein und die Form derselben ist kleiner und abgeplattet. 7) Ob die Kulturen aus einer Kuhlymphe oder humanisierten Lymphe oder auch aus Variolakrusten herstammen, das macht keinen Unterschied in Bezug auf Eruption und Immunität. Wiederum ein Zeichen, daß die Vaceine und Variola von einem und demselben Virus hervorgerufen werden. 8) Von den mit Kultur geimpften Kälbern habe ich schon in der ersten Mitteilung 34 aufgezählt. Die mit der 1. Generation ge- impften 14 Kälber sind alle mit Erfolg gekrönt; unter den mit der 2. Generation geimpften 9 Kälbern 7 und unter den mit der 3. Gene- ration geimpften 11 Kälbern sind 5 ebenfalls mit Erfolg begleitet. Nach dieser Zeit habe ich noch 33 Kälber (darunter 23 mit Erfolg) geimpft. , Ueber die Kultur des Vaecine- resp. Variolaerregers. 811 Nach der 4. Generation habe ich bis jetzt nie Eırfolg sehen können. Da die Wirksamkeit meiner Kultur allmählich abnimmt, könnte man leicht einwenden, daß es sich nicht um eine wirkliche Kultur handeln kann, sondern sie weiter nichts sei, als verdünnte Lymphe. Nun, eine Reihe folgender Versuche wird beweisen, daß es nicht so ist: a) In dem spezifischen Nährmedium impft man mit einer wirksamen Kuhlymphe (das Verhältnis zwischen Lymphe und Medium ist 1: 1000) und hält diese 5—7 Tage im Brütschranke (1. Generation). Dann impft man das Nährmedium mit dieser 1. Generation (Verhältnis eben- falls 1 : 1000) und hält es wieder 5—7 Tage im Brütschranke (2. Gene- ration). Bei der 3. und 4. Generation verfährt man ganz ebenso. Alle Generationen werden nach den angegebenen Tagen aus dem Brüt- schranke herausgenommen und im Eisschranke aufbewahrt, bis sie zur Impfung benutzt werden. b) Die mit dem Fleische noch nicht geimpfter Kälber bereitete Bouillon wird als Nährmedium benutzt. Das ganze Verfahren geschieht gerade wie bei a). Sollte mein Nährmedium kein spezifisches sein, so müßten die Resultate beider Versuchsreihen einander gleich sein. c) Das Nährmedium und die Verdünnung sind ganz gleich wie bei a). Die Verdünnungen werden jedoch nicht in den Brütschrank gelegt, son- dern direkt zur Impfung verwendet. Sollte meine Kultur nichts anderes sein als bloße Verdünnung, so müßten die Resultate der Impfung mit dieser Verdünnung besser sein, als diejenigen mit der Kultur. Die Resultate der mit diesen 3 verschiedenen Arten angestellten Tierversuche waren in der That folgende: a b c 1. Generation Erfolg gut erfolglos erfolglos 5 » h) » D) » 3. n u ziemlich gut 5 a Man sieht also, daß bei a) bis zur 3. Generation Erfolge zu ver- zeichnen sind, während bei b) und c) selbst bei der 1. Generation keine Erfolge zu erzielen sind. Damit ist ein Beweis geliefert, daß meine Kultur keine bloße Verdünnung sein kann und daß ferner mein Nähr- medium etwas Spezifisches sein muß. Nach alledem, was ich bis jetzt angeführt habe, ist es sicher, daß die von mir gezüchtete Art der Sporozoa der Erreger sowohl der Vaccine als auch der Variola ist. Kapitel VI. Schluss. Fasse ich nun die Resultate meiner Untersuchungen zusammen, so sind sie folgende: 1) Unter den Bakterien, welche in der Variolalymphe oder den Variolakrusten, in humanisierter oder Kuhlymphe sowie in geschwol- lenen Drüsen der geimpften Kälber u. s. w. vorkommen, ist kein Er- reger vorhanden. 2) In Schnittpräparaten der Impfstelle beobachtet man, besonders in den Epithelzellen, eine bestimmte Art von Protozoen, welche sowohl in der Lymphe (Variola-, Vaccine- und humanisierter Lymphe) als auch in Krusten (Vaccine- wie Variolakrusten) sehr zahlreich und konstant 812 T. Ishigami, Ueber die Kultur des Vaccine- resp. Variolaerregers. vorkommt. In der Eruptionszeit beobachtet man sie auch im Blute sowie in verschiedenen Organen der geimpften Tiere. 3) Dieses Protozoon stellt rundliche oder ovale, grünlich glänzende, einfache Zellen dar und besitzt einen Kern. Im jungen Stadium macht es Amöboidbewegungen. Wenn es in die Zelle eindringt oder einen gewissen Grad der Entwickelung erreicht, dann sistiert und entwickelt es sich weiter (die Entwickelung geschieht auch außerhalb der Zellen). 4) Die Vermehrung dieses Protozoons geschieht auf zweierlei Art. In jüngeren Stadien vermehrt es sich durch Zweiteilung, gerade wie bei Zellen. Wenn seine Entwickelung einen gewissen Grad erreicht hat, dann bildet es eine Cyste. ‘Von dem Inhalte derselben entstehen durch Teilung zahlreiche Sporozoiten. Es gehört also zu den Sporozoen. 5) Die Cystenbildung geschieht ebenfalls auf 2 Arten. 1) geschieht _ sie in den Zellen und es werden verhältnismäßig große Cysten gebildet. 2) beobachtet man in dem Impfschnitte schon nach 24-48 Stunden, daß verhältnismäßig kleine Cysten gebildet werden. Die letztere Art der Oystenbildung spricht zwar gegen die Ansichten der meisten Forscher, ist jedoch eine Thatsache, die jeder beobachten kann. 6) Dieses Sporozoon kann man in einem besonders dazu bereiteten Nährmedium, dessen Hauptbestandteile aus Epithelzellen noch nicht ge- impfter Tiere besteht, künstlich züchten. 7) Wenn man diese Kultur Kälbern einimpft, so entstehen an der Impfstelle am 3. oder 4. Tage (oder noch etwas später) Impfblasen, welche mit Fieber begleitet sind. Die Form und der Verlauf sowie die Gewebsveränderungen bei diesen Blasen sind denjenigen der durch Impfung mittels Kuhlymphe hervorgerufenen ganz gleich. Auch die darin enthaltenen Parasiten sind ganz identisch. Die mit der Kultur geimpften Kälber verhalten sich ganz immun gegen spätere Impfung mit wirksamer Kuhlymphe. Die Lymphe der durch diese Kultur her- vorgerufenen Blasen, einem anderen Tiere eingeimpft, ruft regelrechte Vaccineblasen hervor, welche wiederum dem Tiere Schutzkraft verleihen. Folglich ist diese Art der Sporozoen als Erreger der Vaccine anzunehmen. 8) Variola und Vaccine werden durch denselben Erreger hervor- gerufen, und zwar aus folgenden Gründen: a) Die Form und Eigenschaften des in Variolalymphe oder Variola- krusten enthaltenen Parasiten sind denjenigen der in Vaccinelymphe oder Vaccinekrusten enthaltenen ganz gleich. b) Die durch Impfung mit Variolalymphe oder -krusten hervor- serufenen blasen weisen in Bezug auf Gewebsveränderungen, die Art und Weise des Eindringens des Parasiten in die Zellen u. s. w. keinen Unterschied auf im Vergleich mit den Blasen, welche durch Impfung mit Vaccinelymphe oder -krusten entstanden sind. c) Die mit einer aus Variolakrusten herstammenden Kultur ge- impften Tiere verhalten sich ganz immun gegen spätere Impfung mit Vaccinelymphe und umgekehrt (da Variolalymphe nicht immer zu haben ist, so habe ich meist Krusten dazu benutzt). 9) Das durch den Kalbskörper einmal abgeschwächte Variolavirus bekommt seine frühere Virulenz nicht wieder, auch wenn es wieder- holt menschliche Körper passiert. Ueber diesen Punkt muß man noch weiter studieren. Ä 10) Die Form und Eigenschaften dieses Parasiten sind denen des Microsporidium bombycis ähnlich. Das letztere bildet Sporen Gabritschewsky, Beiträge zu bakteriologischen Untersuchungsmethoden. 813 mit Polkapseln, welche bei dem Parasiten noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen sind. Ich will mir die Mühe ersparen, diesem Parasiten eine gewisse Klassifikation zu geben, das kann ich einem anderen über- lassen. Zum Schlusse möchte ich eine angenehme Pflicht erfüllen, indem ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Kitasato, für seine Leitung und Förderung meinen aufrichtigsten Dank ausspreche. Nachdruck verboten. Beiträge zu bakteriologischen Untersuchungsmethoden. Von &. @abritschewsky, Moskau. Ueber den Einfluß hoher Temperaturen auf die Färbbarkeit der Bakterien. Beim Studium diverser Differenzierungsmethoden der einzelnen Bakterienarten voneinander hatte ich unter anderem Gelegenheit, Trockenpräparate bis auf verschieden hohe Temperaturen zu erhitzen, wobei einige Ergebnisse gewonnen wurden, welche nicht ohne Interesse sind. Die Technik des Verfahrens war folgende: Aus frischen Kulturen gefertigte und in möglichst gleichmäßiger und dünner Schicht über dem Deckglas ausgebreitete Trockenpräparate wurden auf die mittlere Einlage eines kupfernen Trockenschrankes (17 xX19X21 cm) gebracht und an- fänglich durch einen Gasbrenner bis auf 150° C, danach durch zwei Gasbrenner bis auf höhere Temperaturen erhitzt. Bei jedem Ansteigen der Temperatur um 10° C wurde ein Präparat aus jeder Serie heraus- genommen und alle bis auf verschiedene Temperaturen (140—220° C) erhitzte Präparate auf gleiche Weise gefärbt. Bemerkt sei, daß bei jedesmaligem Herausnehmen der Präparate aus dem Trockenschrank die Temperatur des Luftraumes temporär um 10—20° C abfiel. Es ist sehr wahrscheinlich, daß eine ununterbrochene Erhitzung während eines bestimmten Zeitraumes und bei konstanten Temperaturen noch exaktere und subtilere Resultate ergeben kann. Die Methode der differentiellen Erhitzung ist zur Färbung von Zellelementen des tierischen und menschlichen Organismus zuerst von Ehrlich bei seinen hämatologischen Untersuchungen angewandt worden. An Mikrophyten sind diesbezügliche systematische Untersuchungen noch nicht angestellt worden. Nur eine Angabe von Buchner (Heim, Lehrbuch der Bakterio- logie. 2. Aufl. 1898. p. 191) konnte ich in der Litteratur finden, nach der bei längerer Einwirkung trockener Hitze (210° C) der vegetative Teil der Bacillen sein Farbstoffaufnahmevermögen größtenteils einbüßt, während die Sporen zum Teil intensiv gefärbt sind. I. Die erste Reihe von Beobachtungen wurde an säurefesten Bakterien ausgeführt: Bac. tuberculosis hominis, — avium, piscium, Bac. Möller II (aus Gras), Bac. Korn (aus Butter), Bac. Marp- 1) Berichte der Bakteriologischen Sektion der Kaiserl. russ. Naturforschergesell- schaft. Sitzung am 3. März 1901. 814 | G. Gabritschewsky, mann (aus Urin). Nach 5 Minuten langer Färbung mit Karbolfuchsin ohne Erhitzung entfärbten sich alle diese Bakterien bei Bearbeitung mit 5-proz. Schwefelsäure, wenn die Präparate zuvor bis auf 180° C erhitzt waren. Die Färbung nach Gram war bei dieser Temperatur noch erhalten, aber von 190° C an färbten sich die Bakterien nach diesem Verfahren auch nicht mehr, während sie bis zu 200° C einfache Färbung an- nahmen. Von 210° © beginnt eine Schwächung der Färbbarkeit und bei 220°C tritt bereits totale Zerstörung und Verbrennung der Zellen ein. II. Die zweite Versuchsreihe wurde an Bac. anthracis, seiner ersten und zweiten Vaccine, Bac. subtilis und Bac. pseudo- anthracis angestellt. Nimmt man eine 24-stündige Bac. anthraeis- Kultur mit Sporen, so färben sich letztere durch Karbolfuchsin mit nachfolgender Differenzierung durch 5-proz Schwefelsäure, wenn die Präparate zuvor bis auf inclusive 160° C erhitzt waren. Bei Erhitzung bis auf 170 und 180° C färben sich sowohl Sporen, als auch Bacillen nach Gram, aber schon bei 190° G wird die Gram-Färbung nur von den Sporen festgehalten, und da der restierende Teil der Bakterienzelle sich noch mit Fuchsin färbt, so erhält man eine Doppelfärbung. Bei 200° C färben sich die Sporen nicht nach Gram, jedoch bei einfacher Färbung intensiver als die Bakterienzellen selber. Bei 210° CO sieht man im Präparat fast ausschließlich die Sporen allein gefärbt und bei 220° GC tritt totale Verbrennung und Schwund der morphologischen Elemente ein. Parallelversuche mit Bac. anthracis einerseits, seinen Vaccinen, Bac. subtilis und Bac. pseudoanthracis andererseits ergaben, daß letztere gegen hohe Temperaturen weniger resistent sind und die Eigenschaft der Gram-Färbung schon bei 170° C einbüßen, und wenn sie diese Färbung noch teilweise festhalten, so bleiben sie in Bezug auf Intensität der Färbung hinter den virulenten Anthraxbacillen zurück. III. Versuche mit Kulturen von Diphtherie- und Pseudodiphtherie- bacillen (24-stündige Kulturen auf geronnenem Pferdeserum) ergaben, daß die Ernst-Neisser’schen Körnchen sich an Zahl progressiv ver- mindernd bis zu inklusive 170° C erhalten bleiben. Die Gram’sche Färbung schwindet bei Diphtheriebacillen bei 150° C, bei Pseudodiphtheriebacillen bei 190° C, so daß demnach letz- tere, wenigstens aus meinen Kulturen, gegen hohe Temperaturen resi- stenter sind. Bei Erhitzung der Präparate bis auf 200° C lassen sich Diphtherie- und Pseudodiphtheriebacillen einfach färben, wobei bei ersteren bisweilen eine intensivere Polfärbung, bei letzteren ein intensiv sefärbter Streifen an der Grenze zwischen paarigen Zellen wahrnehmbar sind. In den Erscheinungen einer derartigen Thermodestruktion offen- baren sich auf diese Weise Eigentümlichkeiten, welche für bestimmte Bakterienspecies charakteristisch sind. Bei paralleler Färbung nach Gram virulenter und nicht virulenter Diphtheriebacillen konnte kein Unterschied von entscheidender Bedeutung festgestellt werden. Tl. Ein neues re Die zur Zeit gebräuchlichen Thermostaten sind derartig konstruiert, daß für jede Temperatur ein besonderer Apparat mit aparter Heizvor- 1) Berichte der Bakteriologischen Sektion der Kaiserl. russ. Naturforschergesell- schaft. Sitzung am 1. Dezember 1901. Beiträge zu bakteriologischen Untersuchungsmethoden. s15 richtung aufgestellt wird. Zieht man inErwägung, daß für bakterio- logische Zwecke wenigstens 3 Thermostaten (für Gelatinekulturen, Kulturen bei 37° C und für thermophile) notwendig sind, so entsteht die Frage, ob es nicht möglich ist, Thermostaten für beliebige Tem- peraturen in einem Apparat mit ein und derselben Heizvorrichtung zu vereinigen. Die Herstellung eines derartigen „Polythermostaten“ liegt, wie aus vorläufig angestellten Versuchen hervorgeht, im Bereiche der Möglichkeit. Vor vielen Jahren ist von Ehrlich der Vorschlag gemacht worden, zur Fixation von Blutpräparaten die verschiedenen Temperaturen einer an einem Ende erhitzten Kupferplatte zu benutzen. Eine modifizierte Ehrlich’sche Kupferplatte wurde von Radais speziell zur Paraffin- einbettung angegeben. Die nämlichen Platten, nur von größeren Dimensionen, lassen sich auch zur Kultivierung und Isolierung von Mikroorganismen verwenden. Nimmt man nämlich eine Kupferplatte von 1,5—2 mm Dicke, 1 m Länge und 20 cm Breite und erhitzt das eine Ende über einer Gas- oder irgend einer anderen Flamme, so erhitzt sich dank der guten Wärmeleitung des Kupfers die ganze Platte, aber in verschiedenem Grade, so daß bei Benutzung z. B. eines Gasbrenners in einem Abstande von 25—30 cm von letzterem Wasser in einem Gläschen bis auf 55--65° C, in der Mitte der Platte bis auf 35—40° C und an dem dem erhitzten entgegengesetzten Ende bis auf 20—25° C erwärmt wird. Auf diese Weise ist die Möglichkeit geschaffen, stundenlang eine beliebige Temperatur in den für Kultivierung von psychrophilen bis zu thermophilen Bakterien erforderlichen Grenzen zu erzeugen. Bringt man an einer solchen Platte einen Thermoregulator an, und das bereitet keine Schwierigkeiten, so ist man im Besitze nicht nur einer polythermalen, sondern auch einer polythermostatischen Platte. Eine weitere Gelegenheit, wo man leicht ohne großen Kostenaufwand ein und dieselbe Heizvorrichtung zur Erzeugung verschiedener Tem- peraturen ausnutzen kann, bieten unsere großen Thermostaten mit centralem Ofen. Läßt man über dem Ofen verstellbare Etageren an- bringen, dann kann man ja letztere nach Belieben für verschiedene Temperaturen aufstellen, was bereits seit 2 Jahren in dem bakterio- logischen Institut der Moskauer Universität zur Ausführung gelangt ist. Endlich läßt sich mit Ausnutzung einer einzigen Heizvorrichtung und der guten Wärmeleitung des Kupfers ein Polythermostat von cylindrischer Form mit übereinander gelegenen Abteilungen (20 X 20 cm), in welchen eine verschiedene (z. B. 52—36—26° C) mit Hilfe eines für alle Ab- teilungen gemeinsamen bimetallischen Thermoregulators regulierte Tem- peratur erzeugt wird, konstruieren. Einige Uebelstände, wie z. B. die ungleichmäßige Erwärmung der Wände und als Folge davon ein Temperaturunterschied in den untereu und oberen Teilen einer jeden Abteilung des Thermostaten kann man beseitigen, wenn man in jede Abteilung einen im Außenraum mit flüssigem Vaselinöl gefüllten doppelwandigen Cylinder stellt oder wenn man letztere ohne weiteres säulenförmig übereinander reiht. Derartige Cylinder kann man auch auf die polythermalen Platten aufstellen und auf diese Weise kleine verstellbare Thermostaten für verschiedene Temperaturen einrichten. Die Litteratur enthält einige Angaben über derartige Polythermo- staten. Van Ermengem hat in seinem „Manuel technique de Micro- 816 Gabritschewsky, Beiträge zu bakteriologischen Untersuchungsmethoden. biologie“ (1887) einen derartigen Thermostaten für bakteriologische Zwecke angegeben. Ferner hat W. Pfeifer!) einen Zimmerraum mit ver- schiedenen Abteilungen und entsprechenden Temperaturen, die zwischen 22,5 und 37° C liegen, für die Kultivierung von Pflanzen konstruiert. Neuerdings hat Panum’) ein System angegeben, in welchem er einen gewöhnlichen Thermostaten von 40° C und einen Kühlschrank mit schmelzendem Eis vereinigte und zwischen diesen zwei extremen Tem- peraturen Abteilungen schuf, welche je nach ihrer Lage verschiedene. Wärmegrade darboten. Die von mir angegebenen polythermalen und polythermostatischen Platten und Etageren sind preiswert anzufertigen, erfordern geringe Be- triebskosten und sind für gleichzeitige Kultivierung und Isolierung gewöhn- licher und thermophiler Bakterien, für Einbettung von Schnitten in Paraffin, Austrocknung von Präparaten und für chemische Reaktionen bei verschie- denen Temperaturen, besonders in kleinen Laboratorien, sehr geeignet. Die nach meinen Angaben konstruierten Polythermostaten werden vonSchwabe in Moskau, Lautenschläger iin Berlin und Wiesnegg in Paris geliefert. 1) Berichte der deutschen botanischen Gesellschaft. Bd. XIII. 1895. 2) Cit. nach A. Klöcker, Die Gärungsorganismen. 1900. Corrigenda. p. 581 Zeile 17 v. o. lies „tympanitischem“ statt „tympatischem‘“. Inhalt. v. Linstow, Zwei neue Parasiten des Men- schen, p. 768. Lühe, M., Ueber Geltung und Bedeutung der Gattungsnamen Eimeria und Cocci- Originalmitteilungen. Bonome, A., Ueber die Erzeugung der Toxoide aus den Kulturen des Tetanus- bacillus, p. 777. Cohn, E., Untersuchungen über eine neue tierpathogene Hefeart (Hefe Klein), p.739. Eisenberg, Philipp, Untersuchungen über spezifische Präcipitationsvorgänge, p. 773. Gabritschewsky, G., Beiträge zu bakterio- logischen Untersuchungsmethoden, p. 813. de Haan, J., Bösartige Schimmelkrankheit des Pferdes (Hyphomycosis destruens equi), p. 758. Ishigami, T., Ueber die Kultur des Vac- cine- resp. Variolaerregers. II., p. 79. Landsteiner, Karl, u. Calvo, Arturo, Zur Kenntnis der Reaktionen des nor- malen Pferdeserums, p. 781. dium, p. 771. Meyer, Arthur, Kurze Mitteilung über die Begeißelung der Bakterien, p. 737. Preisich, Kornel, Der Einfluß ausschließ- licher Fleischnahrung auf die Impftuber- kulose der Hühner, p. 749. Tavernari, Luigi, Die Pyocyanase Em- merich’s und Loew’s bei dem experimen- tellen Milzbrand, p. 786. Tsuzuki, J., Ueber die Ergebnisse meiner Malariaforschuug in Hokkaido (Japan), p- 763. Corrigenda, p. 816. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, W- ET E47 RR FE Te ag CENTRALBLATT Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten Erste Abteilung: Mediz.-hygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Verbindung mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald Königsberg i. Pr. herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Verlag von Gustav Fischer in Jena AXXI. Band. — Jena, den 26. Juli I902. — No. 16. Preis für den Band (50 Bogen) 15 Mark. — Die Nummern erscheinen zwanglos je nach dem vorliegenden Stoffe. Inhaltsverzeichnis. I. Verzeichnis der in Band XXXI enthaltenden Arbeiten. Abbott, A. C. and Gildersleeve, N., On the Actinomyces-like development of some of the acid resisting bacilli. 547 Altobelli, A. u. Memmo, @., Ueber die Erscheinung der Agglutination. 221 Aujeszky, A., Ueber das Vorkommen der Tuberkelbaecillen in der Budapester Markt- butter. 132 Barannikow, J., Zur Kenntnis der säure- festen Mikroben. Was für ein Mikrobium ist der sogen. Smegmabacillus ? 282 Baruchello, L., Les manifestations de la sepsis dans la psoriasis. 37 Bell, C. M., Der Einfluß niederster, mit flüssiger Luft erhaltener Temperaturen auf die Virulenzder pathogenen Keime. 355 Bernheim-Karrer, J., Untersuchungen über das Fibrinferment der Milch. 388 Bonome, A., Ueber die Erzeugung der Toxoide aus den Kulturen des Tetanus- bacillus. Zu Breymann, M., Ueber Stoffwechselprodukte des Bacillus pyocyaneus. 481 Calvo, A., siehe Landsteiner, K. Erste Abt. XXXI, Bd. Cano-Bruseo siehe Fermi, Cl. Castellani, A., Upon a special method for the detection of the typhoid bacillus in the blood. 477 Centanni, E., Die Vogelpest. 145. 182 Cohn, E., Untersuchungen über eine neue tierpathogene Hefeart (Hefe Klein). 739 Dietrich, A., Sind alle Einwände gegen die Natur und Wirkungsweise der sogen. Nukleasen widerlegt ? 165 Duval, C. W. siehe Vedder, E. B. Eisenberg, P., Untersuchungen über spe- zifische Präcipitationsvorgänge. 773 —, Ph. siehe Kraus, R. Emmerich, R., Sind alle Einwände gegen die Natur und Wirkungsweise der sogen. Nukleasen widerlegt ? 585 —, Löw, 0. und Korschun, A., Die bak- teriologische Wirkung der Nukleasen und Nukleasen-Immunproteidine als Ur- sache der natürlichen und künstlichen Immunität. 1 Engels, Das Schumburg’sche Verfahren 53 818 der Trinkwasserreinigung mittels Brom. 651 . Epstein, St., Abfüllbürette für sterile Flüssigkeiten. 330 Feistmantel, C., Säure- und Alkoholfestig- keit der Streptothrix fareinica und die Beziehungen der Streptotricheen zu den säurefesten Pilzen. 433 Fermi, Cl. u. Cano-Bruseo, Prophylak- tische Versuche gegen die Malaria, an- gestellt auf den königl. sardinischen Eisenbahnen. sea — u. Repetto, R., Beitrag zur Verbrei- tung der proteolytischen Enzyme im Tierreiche. 403 Fokker, A. P., Zur Alexinenfrage. 524 Foulerton, A. @. R., The etiological signi- ficance of Bacillus dysenteriae (Flexner) as tested by the agglutinative reaction with the serum of patients suffering from dysenterie symptoms. 205 Friedberger, E., Ueber die Wirkungsweise anorganischer Salze und organischer Krystalloide auf die Agglutination der Bakterien. 109 Gabritschewsky, teriologischen G., Beiträge zu bak- Untersuchungsmethoden. 813 Galeotti, &. u. Zardo, E., Ueber einen aus dem Murex bradatus isolierten pathogenen Mikroorganismus. 593 Galli-Valerio, B., A qui revient la priorite de la decouverte du foyer de peste du lac Baikal ? 268 —, Contribution & l’etude de la Bo- tryomycose. 508 —, Untersuchungen über die Hämosporidien der Alpenvögel. 162 Gauss, €. J., Babes-Ernst’sche Körperchen und Virulenz bei Bakterien. 92 Geisenberg, K., Ein Fall von Tubereulosis pulmonum eines Ursus malaianus. 248 Giemser, @., Färbemethoden für Malaria- parasiten. 429 Gildersleeve, N: siehe Abbott, A. C. Grijns, &., Eine einfache Vorrichtung, um zu verhindern, daß beim Gebrauch des Brutapparates für konstante niedrige Temperaturen, System Lautenschlägcr, wenn das Eis im Behälter ausgeht, das ungekühlte Wasser in den kalten Schrank fließt. 430 Grimm, M., Einige Bemerkungen zu Herrn Issatschenko’s Arbeit „Untersuchungen über einen neuen für Ratten pathogenen Mikroben“. 459 —, Vergleichende Untersuchungen über den Bacillus Danysz und über einen neuen für Ratten pathogenen Mikroben. 286 Haan, J. de, Bösartige Schimmelkrankheit des Pferdes (Hyphomycosis destruens equi). 758 Hammer], H., Zur Züchtungder Ana£roben. | 589 - Register. Harrison, F. C., The Duration of the Life of the Tubercle Bacillus in Cheese. 250 Heim, P. siehe Preisich, K. Herzog, H., Zur Tuberkulose im Kalt- blüterorganismus. | 78 Hirota, K., Ueber die Infektion vom un- verletzten Bindehautsacke aus. 225 Hollborn, K., Züchtung der Trichophytie- pilze in situ. 479 Jaeger, I., Die in Ostpreußen heimische Ruhr, eine Amöbendysenterie. 551 Inghillieri, F., Ein neuer Spritzentypus für bakteriologische Untersuchungen. 171 Joest, E., Unbekannte Infektionsstoffe. 361. 410 Joseph u. Piorkowski, Beitrag zur Lehre von den Syphilisbacillen. 445 Ishigami, T., Ueber die Kultur des Vaceine- resp. Variolaerregers II. 794 Issatschenko, B., Untersuchungen mit dem für Ratten pathogenen Bacillus. 26 Karlinski, J., Zur Aetiologie des Re- kurrenstyphus. 566 Kasparek, Th., Ueber eine Taubenepizootie, veranstaltet durch Invasion von Heterakis perspicillum. 245 Kayser, H., Das Wachstum der zwischen Bacterium typhi und coli stehenden Spaltpilze auf dem v. Drigalski-Conradi- schen Agarboden. 426 Klein, E., Ueber eine neue Species, zu der Gruppe der Bacillen der hämorrhagischen Septikämie gehörig, Bacterium phasiani- cida. 76 Körmörezi, E., Durch Streptokokken- infektion verursachte Polymyositis. 688 Kolb, R., Ueber den Befund von auf dem Peritoneum des Cavum Douglasü an- gewachsenen Oxyuriden. 268 Korschun, A. siehe Emmerich, R. Kraus, R. u. Eisenberg, Ph., Ueber Immunisierung mit Immunsubstanzen. 208 Krause, P., Ueber durch Pressung ge- wonnenen Zellsaft des Bacillus pyocya- neus nebst einer kurzen Mitteilung über die Einwirkung des Druckes auf Bak- terien. 673 Kurlow, M. v., Anguillula intestinalis als Ursache akuter blutiger Durchfälle beim Menschen. 614 Laitinen, T., Erwiderung auf den Artikel von Herrn S. J. Goldberg in No. 18 u. 19. Bd. XRX. diBR 5 56 Landsteiner, K. u. Calvo, A., Zur Kennt- nis der Reaktionen des normalen Pferde- serums. 8 Linstow, v., Atractis eruciata u. Oxyuris monhystera, zwei neue Nematoden aus Metopoceros cornutus. 28 —, Zwei neue Parasiten des Menschen. 768 Lipstein, A., Die Komplementablenkung bei baktericiden Reagensglasversuchen und ihre Ursache. 460 ee - N Register. Loehmann, F., Ein neuer der Gruppe des B. eoli commune verwandter, für Mäuse und Meerschweinchen pathogener Mikro- organismus (Bacillus caseolyticus.) 385 Lode, A., Notizen zur Biologie des Er- regers der Kyanolophie der Hühner. 447 Löw, 0. siehe Emmerich, R. Looss, A., Ueber die Giltigkeit des Gattungs- namens Ankylostomum Dubini. 422 —, Zur Kenntnis der Trematodenfauna des Triester Hafens. 637 Lühe, M., Bemerkungen über die Cestoden aus Centrolophus pompilius. 629 —, Revision meines Bothriocephaliden- systems. 3 —, Ueber Geltung und Bedeutung der Gattungsnamen Eimeria und Coceidium. 771 Mae Callum, W. &., On the life history of Actinomyces asteroides. 529 Markl, @., Ueber die Bedeutung des Danysz’schen Bacillus bei der Ratten- vertilgung. 202 Marshall, H. T. u. Morgenroth, J., Ueber Differenzierung von Komplementen durch ein Partialantikomplement. 570 Marx, H., Einige Bemerkungen zu Krom- pecher’s Arbeit über metachromatische Körnchen und Babes-Ernst’sche Körper- chen in No. 10 u. 11 dieses Bandes. 108 Memmo, &. siehe Altobelli, A. Meyer, A., Kurze Mitteilung über die Begeißelung der Bakterien. 737 Moeller, A., Der Smegmabacillus. 278 Morgenroth, J. siehe Marshall, H. T. Müller, P. Th., Ueber den bakteriologischen Befund einer Dysenterieepidemie in Süd- steiermark. 558 Neelow, N. K., Zur Frage der Durch- gängigkeit der Placenta für Mikro- organismen und ihrer phagocytären Fähig- keit. 691 Neumann, R. ©., Virulente Diphtherie- bacillen bei einfacher Rhinitis. 33 Odhner, Th., Fasciolopsis Buski, ein bisher wenig bekannter Parasit des Menschen in Ostasien. 573 — , Mitteilungen zur Kenntnis der Dis- tomen 1. 58 —, Mitteilungen zur Kenntnis der Distomen. II 152 Onorato, R., Der Widerstand des Influenza- bacillus gegen physische und chemische Mittel. 704 Paine, A. siehe Poynton, F. J. Pfaundier, M., Ueber das Verhalten des Bacterium coli commune zu gewissen Stickstoffsubstanzen und zu Stärke. 113 Piorkowski siehe Joseph. Plaut, H. C., Züchtung der Trichophyton- pilze in situ. 213 Poynton, F. J. u. Paine, A., Eine kurze Zusammenfassung der Resultate einer 819 Untersuchung betreffend die Pathogenesis des akuten Rheumatismus. 502 Preisich, K., Der Einfluß ausschließlicher Fleischnahrung auf die Impftuberkulose der Hühner. 749 —, u. Heim, P., Ueber das Wesen der Tuberkulinreaktion. 712 Preisz, H., Ein praktischer Filtrierapparat. 173 Pretiner, M., Die Widerstandsfähigkeit der Büffel gegen die experimentale Tuberkulose. 681 Pröscher, E., Zur Anstellung der Widal- schen Reaktion. 400 Repetto, R. siehe Fermi, Cl. Rodella, A., Einige Bemerkungen zu dem Aufsatz von Dr. Cahn ‚Ueber die nach Gram färbbaren Bacillen des Säuglings- stuhles“. 17 Röse, C., Moderne Mundwasserunter- suchungen. 473 Sanfelicee, F., Zelleinschlüsse, Zellent- artungen und endocelluläre Parasiten bei bösartigen Geschwülsten. 254 Schilling, 2. Bericht über die ‚Surra- Krankheit der Pferde und Rinder im Schutzgebiete Togo. 452 Schlagenhaufer, F., Osteomyelitis und Phlegmone erzeugt durch den Bacillus neumoniae. 73 Schmidt, 6., Zur Frage der Widerstands- fähigkeit der Shiga-Kruse’schen Ruhr- bacillen gegen Winterfrost. 522 Schumburg, Die Beziehungen der Babes- Ernst’schen Körperchen zu der Virulenz der Bakterien. 694 Stefansky, W.K., Ueber ein neues, Eiterung hervorrufendes, verzweigtes Bakterium. 86 Tashiro, Y., Uebertragungsversuche von Lepra auf Tiere. 276 Tavernari, L., Die Pyocyanase Emmerich’s und Löw’s bei dem experimentellen Milz- brand. 786 Thalmann, Zur Biologie der Gonokokken. 678 Tsuzuki, Z., Ueber die Ergebnisse meiner Malariaforschung in Hokkaido (Japan). 763 Turrö6, R., Zur Anaörobenkultur. 175 Ucke, A., Zur Verbreitung der Amöbenen- teritis. 317 Vaerst, K., Immunisierung gegen Milz- brand mit Pyocyanase und Kombinationen derselben. 293 Vedder, E. B. and Duval, C. W., The etiology of acute dysentery in the United States. 134 Vineenzi, L., Zur Aetiologie des Keuch- hustens. 273 Viquerat, Toxin und Isomerie. 581 Voges, O., Beobachtungen und Studien über eine in Südamerika bei jungen 53* 820 Rindern vorkommende Erkrankung der Extremitäten. 136 Voges, 0., Die Differentialdiagnose der verschiedenen in die Gruppe der Bakterien der hämorrhagischen Septikämie gehöri- gen Mikroorganismen mit Hilfe der speci- fischen Serumreaktion. 645 —, Panophthalmia bovina carcinomatosa. 142 Volk, R., Ueber eine Kaninchenseuche. 177 Wendelstadt, H., Ueber die Vielheit der Amboceptoren und Komplemente bei Hämolyse. 469 Wendt, @&. v., Ueber eine einfache Methode, Bakterien ohne Trocknen an Deck- oder ÖObjektgläser zu fixieren. 671 Wildbolz, H., Zur Biologie der Gono- kokken. 128 Register. Wolff, A., Die Ergebnisse der Neutralrot- methode zur Unterscheidung von Bact. typhi und coli. Wood, & E. C., On the difference in action of the homoeoplasmatic toxines produced by the Diphtheria bacillus. 241 Zardo, E. siehe Galeotti, 6. Zinno, A., Beitrag zum Studium der Ent- stehung der Toxine, mit besonderer Be- rücksichtigung neuer Kulturböden mit starker Erzeugung von Toxinen. 42 Zirolia, &., Der Pestbacillus im Organismus der Flöhe. 687 Zschokke, F., Hymenolepis (Drepanido- taenia) lanceolata Bloch als Schmarotzer im Menschen. 33l II. Namen und Sachregister. Abfüllbürette für sterile Flüssigkeiteu. 335 Abothrium. 328 Actinomyces asteroides, Entwickelung. 529 Agglutination, Beeinflussnng durch Salze. — der Bakterien durch Salzlösungen. 221 Alexine, Existenz. Alkohol, Einfluß bei Infektionen. 56 Alpenvögel, Hämosporidien. 162 Amöben bei Ruhr in Ostpreußen. 551 Amöbenenteritis, Verbreitung. 317 Amphicotyle, Beschreibung. 327 — heteropleura, Synonymie. 635 Amphicotylinae. 327 Ampbhitretidae. 330 Amphitretus Settil, Synonynie. 636 — Wageneri, Synonymie. 636 Anaöroben, Plattenkulturen. 589 Aneistrocephalus, Beschreibung. 324 Anguillula intestinalis bei blutigem Durch- fall. 614 Ankylostomum statt Uncinaria. : 422 Anonchocephalus Lühe, Beschreibung. 325 Apparat für konstante niedrige Tempera- turen, Schutzvorrichtung gegen rück- fließendes Wasser. 430 Atractis, Beschreibung. 28 — cruciata v. Linst. in Metopoceros cor- 2 nutus. — dactylura. 29 — opeatura. 29 Babes-Ernst’sche Körperchen, Beziehungen zur Virulenz. 694 — — —, Verhältnis zur Virulenz. 92. 108 Bacillen bei Dysenterie. 558 — bei Syphilis, Wachstum auf Placenten. 445 — des Säuglingsstuhles, Trennung der Arten. 111 — säurefeste, Actinomyces-ähnliches Sta- dium. 547 Bacillus bovis morbificans, Wachstum auf v. Drigalski-Conradi’schem Agarboden. 427 — breslaviensis, Wachstum auf v. Drigalski- Conradi’schem Agarboden. 428 Bacillus caseolyticus Lochm., Kultur u. Im- pfung. 388 — cholerae gallinarum, Infektion vom Bindehautsack aus. 234 — — —, Verhalten gegen flüssige Luft. 358 — der Schweineseuche, Nichtinfektion vom Bindehautsack aus. 235 — dysenteriae, Agglutinierung durch Serum Dysenteriekranker. 205 — — bei Dysenterie in Nordamerika. 134 — enteritidis, Wachstum auf v. Drigalski- Conradi’schem Agarboden. 428 — friedebergensis, Wachstum auf v. Dri- galski-Conradi’schem Agarboden. 428 — mucosus capsulatus, Nichtinfektion vom Bindehautsack aus. 236 — murisepticus, Infektion vom Bindehaut- sack aus. 233 — pathogener aus Murex bradatus. 605 — pneumoniae als Ursache von Östeo- myelitis und Phlegmonen. 73 — prodigiosus, Verhalten gegen Druck. 677 — pyocyaneus, Bildung und Wirkung der Stoffwechselprodukte. 481 — —, Verhalten gegen Druck. 674 — septicaemiae murium Grimm, Kultur. 287 — — —, Wirkung auf Ratten. 459 Bacterium coli commune, Ammoniakbildung auf Kartoffeln. 119 — — —, Nichtspaltung nativer Eiweiß- substanzen. 114 — — —, Verhalten gegen Druck. 677 — — —, Verhalten gegen Stärke. 125 — — —, Wachstum auf v. Drigalski- Conradi’schem Agarboden. 428 — — -—, Zersetzung des Harnstoffes. 121 — paracoli gasoformans, Wachstum auf v. Drigalski-Conradi’schem Aearbou TE — paratyphi, Wachstum auf v. De | Conradi’schen Agarboden. 4 — phasianicida E. Klein bei Fasanen- septikämie. 7 — pyogenes ramosum Stef., Kultur u Impfung. £ £ » ö a Register. Bakterien der Be eragischen Septikämie, Unterscheidung durch specifische Sera. 645° —, Eintreten von Beweglichkeit auf gün- ee Nährböden. 737 —, Fixierung an Glas. 671 — pathogene in Fleisch, Fischen und ollusken, Historisches. 593 — Verhalten gegen Druck. 674 Bathybothrium Tühe, Beschreibung. 329 Bothridium. 320 Bothrimonus. 320 Bothriocephaliden, Revision des Systems. 318 Bothriocephalus. 330 Bothriocotyle solenosomum, Synonymie. 636 Botryomykose verursacht von Staphylo- coceus pyogenes aureus. 508 Büffel. Resistenz gegen Tuberkulose. 681 Callodistomum diaphanum Odhn. in Polyp- terus bichir. 154 Carcinom der Konjunktiva bei Stieren. 142 Centrolophuscestoden, Synonymie. 629 Choleravibrionen, Auflösung durch. Pyo- cyanase. 19 —, Verhalten gegen Brom. 662 Clestobothrium. 330 Cyathocephalinae. 320 Cyathocephalus. 320 Deropristis Odhn., Diagnose. 154 — hispida, Beschreibung. 156 — inflata, Beschreibung. 157 Dibothriocephalidae. 320 Dibothriocephalinae. 320 Dibrothriocephalus. 320 Diplocotyle. 320 Diplogonoporus. 320 Diphtheriebacillen, Auflösung durch Pyo- cyanase. 14 — virulente bei einfacher Rhinitis. 33 —, Wirkung der verschiedenen Toxine. 241 Diplococeus als Ursache des akuten Gelenk- rheumatismus. 502 — pneumoniae, Infektion vom Bindehaut- sack aus. Ä 236 Distomen der Harnblase von Fischen. 66 — ovofarctum Odhn. in Synodontis. 153 Duthiersia. 320 Dysenterie in Nordamerika durch Bac. Dysenteriae. 134 — in Steiermark, Bacillenbefund. 558 Eimeria statt Coceidium. %rl Enzyme Eemmiusche, Verbreitung im Tierreich. 403 Eucoceidium statt Benedenia. 773 Färbbarkeit der Bakterien, Einfluß hoher Temperaturen. 813 Fasciolopsis Buski im Menschen, Organi- sation. 573 Filtrierapparat. 173 Pisinlieo)a, Beschreibung. 321 — dalmaticus. 322 — plicatus. 322 Gonococcus Neisseri, Kultur auf Agar. 128 821 # Gonococeus Neisseri, Züchtung auf ein- fachen Nährböden. 678 Haemoproteus Danilewskyi in Alpenvögeln. 163 Halteridium Danilewskyi in Alpenvögeln. 163 Hefe pathogene von Klein, Kultur. 739 — — —, Tierversuche. 742 Helicometra Odhn., Diagnose. 160 — fasciata, Beschreibung. 162 — pulchella, Beschreibung. 161 — sinuata, Beschreibung. 162 Heterakis perspieillum als Ursache einer Taubenepizootie. 245 Hymenolepis lanceolata im Menschen. 331 Hyphomycosis destruens equi, Krankheits- bild und Ursache. 758 Immunisierung mit Immunsubstanzen. 208 Infektion, Unterscheidung von Intoxikation. at Infektionsstoffe, Uebersicht. 361 — unbelebte, Nichtvorhandensein. 362 Influenzabacillen, Verhalten gegen Aus- trocknen. 708 —, Verhalten gegen chemische Mittel. 709 —, Verhalten gegen hohe Temperaturen. 705 —, Verhalten gegen niedere Temperaturen. 707 —, Verhalten gegen Sonnenlicht. 707 Intoxikationen unter dem Bild von Infek- tionen. 365 Kaninchenseuche, bakteriologische Be de. 77 Keuchhusten, Bacillenbefund. 22 Komplementablagerung bei baktericiden Reagenzglasversuchen. 460 Komplemente, Trennung im Serum. 469 Konjunktiva gesunde, Durchlässigkeit für Bakterien. 225 Krankheitserreger, Größenbestimmung. 413 — , Gründe für die Nichtsichtbarkeit. 377, 410 Kulturröhre für Anaeroben. 176 Kulturschale für Anaöroben. 175 Kyanolophie der Hühner, Natur des Ve Labyrinthschwindel bei Tauben durch In- fektion mit Vogelpest. 193 Lepidophyllum Steenstrupi in Anarrhi- chas minor. 68 Lepra, Uebertragung auf Tiere. 276 Ligula. 320 Ligulinae. 320 Luft flüssige, Einfluß auf pathogene a 355 Malaria in Hokkaido. 763 — , Schutzmittel. 734 Malariaparasiten, Färbemethoden. 429 Meerschweinchenserum, Nachweis von zwei Komplementen. 570 Micrococcus ceitreus, Geißeln. 738 — grossus, Geißeln. 738 — helvolus, Geißeln. 738 822 Milch, baktericide Wirkung. 525 Milchgerinnung durch Hydrocelenflüssig- keit. 389 Milchsäuren als wirkende Stoffe in den Heil- sera. 581 Milzbrand experimenteller, Wirkung der Pyocyanase. 786 — , Immunisierungsversuche mit Pyo- cyanase. 293, 348 Milzbrandbacillen, Infektion vom Binde- hautsack aus. 229 —, Verhalten gegen Druck. 677 —, Verhalten gegen flüssige Luft. 35u —, Verhalten gegen Pyocyanase. 5 Mundwässer, baktericide Wirkungen. 473 Nährböden zur Erzeugung sehr virculenter Toxine. Neutralrot zur Unterscheidung von Typhus- und Oolibacillen. 69 Opisthorchis piscicola Odhn. in Gymnar- chus niloticus. 152 Orophocotyle Looss, Beschreibung. 637 — divergens Looss, Beschreibung. 643 — planci, Beschreibung. 643 Oxyuris monhystera v. Linst. in Metopoce- ros cornutus. 30 — vermicularis auf dem Peritoneum. 268 Pest am Baikal, Priorität der Entdeckung. | 268 Pestbacillen in Flöhen. 687 Pferdeserum normales, agglutinierende etc. Stoffe. 784 — —, Präcipitinreaktion. 78 Phyllodistomum linguale Odhn. in Gymn- archus niloticus. 66 — spatula Odhn. in Bagrus. 66 — spatuliforme Odhn. in Malapterurus electricus. ) — unicum Odhn. in Serranus. 66 Physaloptera caucasica v. Linst. im Men- schen. 769 Placenta, Durchgängigkeit für Mikroorga- nismen. 691 Polymyositis durch Streptokokken. 688 Präcipitationsvorgänge. 713 Pseudophyllidea. 320 Psoriasis mit Staphylococcus pyogenes aureus. 337 Ptychobothridae. 326 Ptychobothriinae. 330 Ptychobothrium. 330 Pyocyanase als Ursache von Agglutination. 16 —, baktericide Wirkung. 4, 585 — ‚ Eigenschaften. 165 —, Hitzebeständigkeit. 2 — verschieden vom peptonisierenden En- zym des B. pyocyaneus. 3 —, Wirkung auf die Form der Bacillen. 10 —, Wirkung bei experimentellem Milzbrand. 786 — zur Immunisierung gegen Milzbrand. 293, 348 Pyramicocephalus. 320 Register. Ratten, Tötung durch den Danyszbacillus. 26 — ‚Vertilgung durch den Danyszbaeillus. 202 Rekurrenstyphus, Uebertragung der Spiril- len durch Wanzen. 566 Rheumatismus akuter, Befund von Rn kokken. 502 Rinder, Erkrankung der Extremitäten. 136 Ruhr in Ostprenßen durch Amöben. 551 Ruhrbacillen, Widerstand gegen Frost. 522 Sarcina aurescens, Geißeln. 738 — flava, Geißeln. 738 — flavescens, Geißeln. — fuscescens, Geißeln. 738 _ gasoformans, Geißeln. 738 — marginata, Geißeln. 738 — mobilis, Geißeln. 738 — olens, Geißeln. 738 — pulmonum, Geißeln. 738 — rosea, Geißeln. 738 — Samesii, Geißeln. 738 — striata, Geißeln. 738 — ureae, Geißeln. 738 — ventriculi, Geißeln. 738 — vermiformis, Geißeln. 738 Schistocephalus. 320 Scyphocephalus. 320 Smegmabacillen, Isolierung. 278 —, Kultur. 282 Spritze für bakteriologische Zwecke. 171 Staphylococcus pyogenes albus, Verhalten gegen Druck. 677 — — aureus, Agglutination durch Pyocya- nase. 19 — — — als Ursache der Botryomykose. 508 — — — bei Psoriasis. 397 — — —, Verhalten gegen Druck. 677 Staphylokokken, Verhalten gegen Be cyanase. M Streptococcus pyogenes, Agelitihatton durch Pyocyanase. 18 — —, Auflösung durch Pyocyanase. 13 — —, Verhalten gegen Druck. 677 tyrogenus, Geißeln. 738 Streptokokken als Ursache von Polymyo- sitis. 688 Streptothrix.fareinica, Säure- und Alkohol- festigkeit. 433 Surrakrankheit der Pferde und Rinder in Togo. 452 Taenia hominis v. Linst. im Menschen. 770 — trichoglossi. 32 Taphrobothrium. 330 Tetanusbacillen, Erzeugung von Toxoiden in den Kulturen. TR Thermostat neuer. 814 Tiere, Gehalt an. proteolytischen une Triaenophorinae. 321 Triaenophorus. 326 Trichophytiepilze, Züchtung. 213 —, Züchtung in feuchter Kammer. 479 Trinkwasserreinigung, mittels Brom. vol Toxine, Entstehung in AbbeEz 3 von den Nährböden. 42 128 DEU 2 z Register. Tuberkelbaeillen, Lebensdauer in Käse. 250 —, Verhalten gegen Druck. 678 —, Vorkommen in der Budapester Markt- butter. 132 Tuberkulin, Wirkung auf den Körper. 712 Tuberkulose bei Ursus malaianus. 248 — der Fische, Impfung auf Frösche. 78 — der Hühner, Einfluß der Fleischnahrun “ bei der Impfung. 741 — der Säugetiere, Impfung auf Frösche. 82 Tumoren maligne, parasitäre ei 54 Typhusbaeillen, Methode zur Auffindung im Blut. 477 —, Verhalten gegen Brom. 667 —, Verhalten gegen Druck. 677 —, Verhalten gegen Pyocyanase. 5 —, Wachs schem Agarboden. tum auf v. Drigalski- Conrad 428 Uredineen, Züchtung der Mycelien in feuch- ter Kammer. 479 Ursus malaianus, Erkrankung an Tuber- kulose. 248 Vaceineerreger, Kultur. 794 III. Verzeichnis Abfüllbürette für sterile Flüssigkeiten. 336 Actinomyces asteroidea. 545 Amöben von Dysenterie. (Taf. I—III) 558 » Amphiveotyle typica, Schnitte. 328 Amphitretus Wageneri. Fig. 1. 633 Anaerobenröhrchen. 176 Ana£robenschalen. 175 Anguillula intestinalis im menschlichen Darm. 624, 625 Apparat zur Verhütung von Einfluß un- gekühlten Wassers in Brütapparate mit niedrigen Temperaturen. 431 Atractis cruciata. (Taf., Fig. 1—5). 32 Bacterium pyogenes ramosum. 88 Bathobothrium rectangulum, en. 329 Bothriocotyle solenosomum. (Fig. 3). 633 Botryomykose, Impferfolge bei einem Meer- schweinchen. 817 Botrytis bei Trichophytie, Kultur in situ. 216 Cestode jugendlicher (Fig. 2). 633 Clestobothrium crassiceps, Schnitte. 326 Deropristis inflata. 158 Diphteriebaecillen bei Einwirkung von Pyo- cyanase. (Taf. Fig. 4—6). 25 Fasciolepis Buski. (Taf.). 58l Filtrierapparat. 174 Fistulicola dalmatinus, Anatomie. 323 — plicatus, weibliche a ungemtee. 3 Grasbacillus II, Actinomycesstadium. (Taf. Fig. 1). 550 Helicometra pulchella. 162 Hyphomycosis destruens equi, Schimmel- pilzfäden. 760 — — —, Schimmelpilzknoten. 759 823 Virus filtrierbare. 198 Vogelpest, Beziehungen des Virus zu Bak- terien. 196 —, Empfänglichkeit anderer Tiere. 192 —, Entwickelung infizierter Hühnereier. 187 —, Geschichtliches. 145 —, Histologisches. 150 —, Infektiosität des Blutes. 151 —, Kulturversuche. 184 —, Nichtübertragbarkeit durch Läuse, 190 —, Passieren des Virus durch Filter. 182 —, Resistenz ves Virus. 191 —, Symptome. 147 —, Uebertragung durch Faeces. 188 Wasser destilliertes, baktericide Wirkung. 526 Wasserbakterien, Verhalten gegen Brom. 659 Widal’sche Reaktion, neue Methode. 400 Zoogonoides, Beschreibung. 64 — viviparus, Beschreibung. 62 Zoogonus, Beschreibung. 64 — rubellus, Beschreibung. 59 der Abbildungen. Keuchhustenbaeillen, Kulturen. (Taf.). 276 Krebszellen mit parasitären Einschlüssen (Taf, I, ID. 267 Kulturröhrchen kommunizierende. 186 Lepidophyllum Steenstrupi. 68 Microsporon, Kultur in situ. 216 Orophocotyle divergens. 640 — planci. 640, 641 Oxyuris monhystera. (Taf., Fig. 6-9). 32 Panophthalmia bovina carcinomatosa, Schnitt. 143 Physaloptera caucasica. 769 Pityriasis versicolor, Kultur in situ. 217 Smegmabacillen, Kulturen. (Taf. I, II). 282 Spritze nach Inghillieri. 172 Staphylococcus pyogenes aureus bei Bo- tryomykose, gefärbtes Präparat. 513 Streptococecus pyogenes bei Einwirkung von Pyocyanase. (Taf., Fig. 1-3). 25 Taenia hominis. 770 Temperaturkurven für mit Milzbrand und Pyocyanase behandelte Kaninchen. 791 Timotheebacillus, Actinomycesstadium.(Taf. Fig. 2). 550 Trichophytia corporis, Kultur in situ. 215 Trichophytiepilze, Kulturapparate. 214, 219 Tuberkulose der Fische beim Frosch, Nie- renschnitt. 8 — der Säugetiere beim Frosch, Nieren- schnitt. 83 Typhusbacillen bei Einwirkung von Pyo- cyanase. (Taf., Fig. 7, 8). 25 Vogelpest bei Tauben, Läsionen im Felsen- bein. 195 Zoogonoides viviparus. 62 Zoogonus rubellus. 60 3 1 Frommannsche Buchäruckerei @ ann Pohle) tig Parasitenkunde 3 und Infektionskrankheiten E Erste Abteilung: & Mediz. hıygien. Bakteriologie u. tier. Parasitenkunde Originale In Phindie mit Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Loeffler, Prof. Dr. R. Pfeiffer, Prof. Dr. M. Braun Greifswald EEE LıPE herausgegeben von Dr. 0. Uhlworm in Berlin W., Schaperstr. 2/31 Be Verlag von Gustav Fischer in Jena Ba mm 3 XXX. Bd. 63 Jena, den 24. Januar 1902. = No. 2. 2 Annoncen- a nl Wien, VII, Wien, VIT, &, Mar Mariahilferstr. ® ; —- -—— m nn nn = Paul Hltmann — Jaisen-Strasse 4. Berlin N.W., Luisen-Strasse 47. -........ Fabrik und Lager aller Apparate und Utensilien für a Bacteriologie, Microscopie und Hygiene. Vollständige Einrichtungen von bakteriolog.-microscopischen Laboratorien, hygienisch-chemischen Arbeitsstälten. Präparaten-Cylinder für anatomische u. patholog. Sammlungen. 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Ausser den Parasiten des menschlichen bei Febris Quartana, Tertiana, Perniciosa: und den sterilen Formen der kleinen Par wozu namentlich Halbmonde "und Geisselträger zu zählen wären, erfahren auch die B parasiten der Rinder, der Kaltblüter und namentlich der Vögel eine eingehende Würdigu ..., Das höchste Lob verdienen die farbigen Abbildungen der ersten Tafeln; Kunstwerke in Anlage und Ausführung, halten si: frei von Schömatiamtr und bilden die Perle des ganzen Werkes Deu Ban Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene Bd. ll, Heft 5: s BA Das vorliegende Buch enthält vorwiegend die Resultate eigener Beobachtun “ Verf, hat alle Typen der Malariafieber in verschiedenen Teilen der Erde gesehen somit in den Stand gesetzt, Vergleiche anstellen zu können, Das reichhaltige Ma ist gut durehgearbeitet, die Thatsachen sind nicht wie z. B. in dem neuesten Laveran’s (Traite be paludisme 1898) nur einfach aneinander‘ gereiht, Im Gegenteil! anderer Autoren Er erörtert eingehend das „Für“ und „Wider“ in ‚den en Streitfragen. Ob er dabei immer das Richtige getroffen hat, wird Ja die Zukunft Im grossen und ganzen aber kann Ref. ihm nur beistimmen. ; Durch die neue’Färbemethode ist Z. im Stande gewesen, ee bis Re Fragen zu lösen. Einerseits erscheint die Art der Fortpflanzung der Malariaparasite sültıg festgestelit, und andererseits ist uns ein Verständnis dafür möglich ‚gemacht wie und warum das Chinin sehr viel mehr auf die jüngeren Malariaparasiten als auf reife Formen wirkt, Wir hnben durch die Chromatinfärbungen’ endlich einen posläuen halt für die Behandlung und Beurteilung der Malariafieber erhalten. Die beigegebenen Tafeln sind nicht nur sachlich richtig, sonder auch künstlerisch schön. Namentlich gut getroffen ist der Farbenton auf Tai — einen grossen Quartana-Parasiten darstellend — und die feinen Farbennüancen. der und chinisirten Formen auf Tafel I. Diese Tafeln sind eine Zierde des Buches und stechen vorteilhaft gegen die nichtssagenden Abbildungen in dem eben erwähnten Buche Lavera ab. Das vorliegende Buch bedeutet jedenfalls einen wesentlichen Fortschritt in der | a forschung, SE BR Berliner klin. Wochenschrift ‚No, 43, 1898: In der vorliegenden Broschüre giebt der auf dem Gebiete der Micha rühmlichst bekannte Autor eine Uebersicht über die Resultate seiner Untersuchungen, in Deutschland, Westafrika und verschiedenen Gegenden Italiens an einem So vers artigen 1 Material von Malariablut gewonnen sind; wie es bisher wohl li einem Forscher zu Gebote gestanden hat. Die Untersuchungen Ziemann’s sind von grösstem Wertes mal neben der Beobachtung der lebenden Blutparasiten eine neue Färbetechnik d Parasiten mit grossem Geschick ausgebildet hat, wodurch die feineren Vorgänge ı des . und Vermehrung. der Parasiten eine z. T'. ganz neue Deutung erhälten, und wei er auch die klinische ünd therapeutische Seite bei seinen Studien eingehend 'berücks e Ueberaus zahlreich sind schliesslich die Untersuchungen, welche Ziemann at von Tieren, besonders Vögeln ausgeführt hat, und welche grosse Aehnlichkeit wickelung der tierischen und menschlichen Blutparasiten ergeben haben. Sehr schön Tafeln und Photogramme illustrieren die wichtigen Befunde des Verf. und beschl Werk, welches in der grossen internationalen Malarialitteratur als ein "Muster Sri deutschen Fleisses eine wichtige Stelle re wird. E. Grawitz- Charl für Esert- iekioloeien, IETNGEPE. von Prof, San orn, Fee Beachtung epIchleh wird, = ie De UNIVERSITY OF ILLINOIS-URBANA 589.05CE C001 Bez FUR BAKTERIOLOGIE, PARASITE