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Hs - MH gene # Mar ar her —— IL A ——

€. F. Gellerts

fämmtliche Schriften.

Neue rehtmäßige Ausgabe in fehs Theilen.

Fünfter Theil

Leipzig, Weidmann'ſche Buchhandlung

und Hahn'ſche Verlagsbuchhandlung. 1840.

G us 77 F LISBERY D

Briefe

1740 1762.

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2°) Den 12 Dee. 1740, Meine liebe Jungfer Schwefter

Dear Augenblick ſchickt der Graf Frieſe her und läßt meinen Bruder zu ſich ruffen. Ich Toll ihn entfhulbigen und in feinem Namen kurz fagen, daß er Sie nicht mehr liebt, daß bie Hoch⸗ geit auch nicht vor. fich gehen Tann, weil man ihm ein anber Jrauengimmer in Taucha, 1 Meile von hier, vorgeſchlagen Hat, die alles befigen foll, was ein Srausnzimmer koſtbar macht, Ih habe es gebacht, daß es noch fo werben wird, Mich laffen Sir außer aller Schuld, demm ich menge mic in bie Heyrathes und Staatsfahen nicht eine Minute. Wieleiht nimmt Sie der Mittelfte, weil ber Große °*) nicht Fan. Für mid find Sie nicht. Sie Haben wohl viel gutes; aber auch viel böfes an fich)

*) (dus dem Heyerſchen Nachlaß. ©. dad Nachwort.)

**) (Mit diefen Namen bezelchnet G. Öfter feine beiden ältern Brlber. Dee Große war Belebridh Lebereht, geb. d. 11. Nov. 1711, geft. d. 8. Ian. 1770, erſt Bechtmeifter, foäter Döerpoftcommiffir su Beipzig; der Mittelfte (@heiflieh Ghregott, geb. den 11. Aug. 1713, ge, old Wergrath zu Breiberg b. 18. Mai 1795.)

Gellert V. 1

worunter id) die Satyriſche Zunge und die böfe Kunſt Billetchen zu ſchreiben, hauptfächtich zähle.

Ein Gedichte fol ich ihnen von ihrem ehemaligen rigen mit zu fhiden. Sie können glauben, daß ers verfertigt, Sie kon⸗ nen auch glauben, baf es meine Arbeit iſt, denn das gange Werk ift durch nichts anfehnlih, als durch ein erfolgtes Ges ſchenke. Ach liebe Chriftiane, ein unvergleichliches Geſchenke. Ich ſoll es zwar verſchweigen und gar nicht ſagen, daß es ihr heit. Chriſt werden fol. Ich ſoll weder vom einer golbnen Uhr, nod von einem porcellainen Kruge ſtark mit Silber bes Thlagen & 40 Thlr. (ald das Hodhzeitgefchente), noch von einem Mops, der der Grau Wereln ihren taufendmal übertrifft, reden. Wie gefagt, ich foll ſchweigen, alfo will ichs auch thun, fo ſchwer mird immer antömmt. Indeffen tönnen Sie ſich freuen und mir banken, baß ich Zrigen auf einen fo glücklichen Einfall geholfen habe, ber einen fonft geizigen Heren recht frepgebig ges macht hat. Ach der allerlichfte Krug, er wird fid recht gut in die Wochen ſchicken. Der Cammerjunker Schulenburg hat fon 80 The, gebothen. Itt koͤmmt der Mops mit feinem allerkiche fen Halsbändchen C. S. G. bezeichnet, und unten ein Silbern⸗ ſchloßchen. Das gefällt mir. Im Bertrauen ber Große hält vecht viel auf ben Hund. Der Nare trägt ihn fo gar anf ben Armen zur großen Aergerniß ihres

verfhwiegenen Freundes Sellert,

=.) Un Bottfdeb: eeipzig, d. 20. Juni 1742,

Dochedelgebohrner Oochzuehrender Herr Profeſſor,

Es iſt mir heute unmöglich, Ihnen in Perfon aufzuwarten, weil ich von meinem Hypochonder gemartert werde, und Arzeney au gebrauchen genöthiget bin. Ich habe indeſſen Ihro Magnifie zenz gehorcht und das befohlne Gebicht aufgefegt. Ich bin ber erfte, der es ſchlecht nennt; allein ich habe mir nicht zu helfen gewuft. Die Vorſchrift wer etwas unpoetifch, und ich habe fhon fo vielmal bey der Bahre Hagen müffen, daß ich, ohne mich auds auſchteiben, oft nicht weis, was ich fagen fol. Vielleicht gefällt & dem leidtragenden ‚Hn. Lieutenant, „weil es nicht fhön if, und weil ich fo Zünftlih an fein Studiren und an feine Feldzuͤge gedacht habe. Vielleicht lieſt er es auch wohl nicht gang durch, wenn ev fo begierig ift, ber feel. Brau Mutter ipren Willen in Anfehung, der Enkel zu vollziehen. Sollte das Gedicht node erträglich feyn, fo werben mir Ihro Magnifigenz erlauben, daß id) nit dem Herrn Lientenant, fondern Ihnen felbft zu Befehle gekanden habe. In diefem Falle ift e$ mir unmöglich, eine Wer lohnung anzunehmen. Und Ihre Magnifigenz werben mir bie Heine Mühe nicht befier vergelten Eönnen, ald wenn Sie mir

*) (XuS dem Deiginal, das ſich in ber Univerfitätöbibliothek zu Leipe dig befindet, Nicht ganz genau abgehrudt in: Beiefim, Gellerts mit Dem. Lucius, Heraudgeg. v. Ebert, 1823. Anhang ©. 638.)

4

ferner Gelegenheit geben, Ihnen die Ehrfurcht zu zeigen, mit ber ich unaufhörli bin Ihro Magnifigenz gehorfamfter Diener Gellert,

2.

un der. v. Hageborm”) 16, gJebr. 1744,

Wenn es nad) meinem erlangen gegangen wäre, fo wärbe ich Ionen ſchon längftens die beſondre Hochachtung zu erkennen gegeben haben, bie ich feit vielen Yabren gegen Ew. Hochwohl⸗ gebohren trage; allein, aufrichtig zu reden, fo hat mich die Furcht, bey Ihnen in den Berdacht einer gewiffen Eitelkeit zu fallen, von biefem Vergnügen abgehalten. Es iſt mir immer vorges Zommen, als ob bie Leute, die ohne alle gegebene Gelegenheit anfangen uns von Ihrer Hochſchaͤrung gu verfihern, nichts Ans ders bamit jagen wollen, als baß wir erfenntlich feyn und fie wieber hochhalten follen, So begehrli bin ich zwar nicht; doch kann id) nicht leugnen, daß ich zu gleichen Zeit, indem ich Ihnen meine Ehrerbietung entbedte, ein Verlangen fühle, Sie unter ber Weinen Anzahl meiner Gönner zu wiffen. Vielleicht erfüllen Ew. dieſe Sehnſucht; und vielleicht fegen Sie dem Gönner mit ber Seit noch ben Freund an die @eite, Ich wärbe mie um biefe Ehre alle Müde geben, ‘wenn es nicht ein Geſchenk wäre, das man mehr erwarten ald fuchen muß, Herr Ebert mag bas

) (. Sageborn& poet. Werke heraudgeg. v. Eſqhenburg. 1800. 3. 5 &. 220.)

uebrige hinzufegen, was id) mit Webacht audlaffe. Man Tann an Ihre Poefie ohne Lobeserhebungen nicht beten; und gleich⸗ wehl bin ich zu verfhämt, einem Manne meinen: Beyfali aufs zubringen, ben nur bie Kenner rühmen bürfen. Es wird alfe am beften feyn, wenn ich weiter nichts fage, als daß ich mit ber voutommetuſten Hochachtung bie ıc,

Sellert, 4 Ar Ehrikiane Eleonore Seltert.) \ 8, 6. 14, San. 1746.

Meine liebe Jungfer Braut,

Unter meinen annehmlichen und finnreihen Denkfprüden, bie ich immer im Munde zu führen pflege, ift biefer einer ber vor— nehmſten:

Eheſtand

Weheſtand. Dadurch will id den angehenden Chelenten gu verſtehen geben, daß bie befte Ehe nicht ohne Koemz, und die zufriedenſte nicht ohne Mißvergnägen ifl. Wenn ich ihnen num das Herz ein bie⸗ hen ſchwer gemacht habe, fo mate ich ihnen ein Paar Tauben, bie ſich bey einem Sturmwinde unter bas Dach verbergen unb ſich zärtlich) umarmt haben, mit der Weberfährift:

*) (Selerts jüngere Shwefter, bie fhon 1747 farb; ber an fie geriätete Brief, ebenfo wie der folgende an Ihren Bräutigam, M. Yohmuth, Pfarrer in Thalheim Beh Gtolberg, aus: Sellertö Bantlttenbriefe haraußg. von Beudyte. Freiberg. 1819.)

Durch Cintracht umb durch Zärtlichkeit

Werringert ſich das ſchwere Leid. Den Gturmwind laſſe id von Norden her wehen in Gefait eines großen Blafebalgs.

Ginft wurbe ich von einer Braut gefcagt, wer in der Ehe zu ben meiften BVerbriehlichkeiten Anlaß gäbe, ob der Mann, ober die Frau? Ich legte meinen Finger an die Rafe und fann lange nad, endlich brach ich in diefen Denkſpruch aus:

Dft liegt die Urfad an dem Mann,

Oft ift die Frau auch Schuld daran. Ich wurbe, weil fie hörte, baß ich fo nachdenklich antworten Zonnte, ferner gefragt, worüber wohl die meiſte Uneinigkeit in der Ehe herkaͤne? Da follte man nun benken, ich würbe wies der Lange nachgefonnen haben; allein mit ber größten Geſchwin⸗ digkeit fing id an:

Der meifte Krieg, ber meifte Streit

Entfteht duch eine Kleinigkeit,

Die wird durch unbeſcheidenheit

Ein Krieg von vieler Wichtigkeit. Weil ich fahe, daß meine Ausfprüde gefielen: fo fuhr ich poes tiſch fort:

Gin Ehſtand iſt alsdann beglüdt,

Wenn eins ſich in das andre ſchickt,

Wenn eins das andre liebt und ſcheut;

Er nicht beſiehlt, Sie nicht gebeut;

Wenn eins bem andern, reich an Zucht,

Stets mehr noch zu gefallen fucht,

Unb beid’ noch fo behutfam feyn,

Als wollten fie erſt einander freyn,

Und keins die Fehler fehen läßt,

Als wärd noch vor bem Hochzeitfeſt,

28 man bie gute @eite zeigt,

und eins das andre fein betreugt:

In Wahrheit, folcher Betrug ift gut, Und flärkt die Lieb, bie fallen thut, Wenn man aus viel BWertraulichkeit unachtſam wird und ſich nicht fheut 3u thun, ald wär der Cheſtand

Gin repbrief für den Unverſtand. Wer dieſe Regeln nimmt in Acht, Und täglich fich noch mehre macht, Und bat ein tugendhaft Gemüth,

Das Geiz und auch Verſchwendung flicht, Des Eh wird frey vom Roth und Pein Und rei an Lieb und Gegen feyn.

Ich Habe folder Zuchtfprüche noch viel mehr gemacht; allein ich win fie nicht alle hieher fegen, Ihr möchtet fonft glauben, daß ich damit prahlen wollte. Kurz und gut, und im Grnfte zu teen: Ich wuͤnſche Euch zu Eurer Ehe viel Gluͤck und habe bie größte Hoffnung, daß Euer Mann nicht übel und Ihr nicht ſchlecht gemählet Habt. Macht ihm mein ergebenftes Gompliment und fagt ihm, daß er einen Herrn Bruder an mir Eriegte, ben er nicht beſſer wünfchen könnte. Denn meinen Ruhm und alle meine übrigen Berbienfte ungeachtet: fo iR das ſchon ſehr gut für ihn und alle meine Anverwanbten, baß ich niemals heirathen werde. Folglich fällt mein ganzes Wermögen auf mein Liebes GSeſchwiſter. Die Hochzeit ſoll ſehr Hein ſeyn, und biefes iR ſehr vernünftig. Sie fol auf Lichtmeſſe fegn und ich fo babey ſeyn da ließe ſich noch etwas einwenben: body wenn ich gefund bin, fo müßte endlich wohl zu acht Tagen Zeit Rath werben, Wenn ich nur das Tanzen nicht vergeffen habe; denn ohne zu tanzen wollte ich nicht einen Buß vor die Thüre fegen. Lich mas wüts

den ber Papa und bie Mama Jagen, wer fie mahme Hochzeit zugleich mit begehen koͤnnten! Ja ich glaube es wohl, Die Mama würbe vor Freuden weinen und ich vor Betrübniß, daß ich eine rau hätte, Bur Hypochondrie auch nod eine Frau; das wäre zu viel Kreug. Ich Bann das eine allein kaum ertras gen. Grüßt den lieben Papa und bie liebe Mama gehorfamft,

Gellert.

8. An MU. Chriſtian Nathauael Sochmuth. 8.0.24, Ian. 1746, _

SHohtmoplehrwürbiger Here Paftor, Hochzuverehrender Herr Bruder,

Sie haben mir Ihre Freunbſchuft und Ergebenheit auf eine . fo liebreiche umd eble Axt zu erkennen gegeben, daß ich, kaum weis, wie ich Ihnen bafkr banken fol. So viele Zeilen fo viele Beweife fehe ih van rinem ausnehmenben Wohlwollen und Benz teauen gegen mid. ch nehme beides ald ein Geſchenke an, bad ich noch verbienen foll; und ich werde mich mit bem größten Veife bemühen, Sie durch bie aufrichtigſte Freundſchaft in ber guten Meynung zu beftärken, bie Sie, ohne mid zu Tennen, von mir gefaßt haben.

34 wänfde mir und meiner Schweſter @lüd, daß fie an Ew. Hochmwohlehrwärden einen fo liebenswuͤrdigen Ehemann, und ich an Ihnen einen fo sechtfchaffenen und gelehrten Freund erhal⸗

ten habe. Gott laffe Ihre Ehe vergnägt und dauerhaft ſeyn, und ben Segen meiner lieben Eltern und meine Hoffnung an Ihrer Frau wahr werben,

Das Vergnügen, bey Ihrem Hochgeitfefte gegenwärtig zu ſeyn, werde ich leider nicht Haben koͤnnen. Meine Verrichtungen, die Jahreszeit und meine Leibesbefchaffenheit find Hinderniſſe, die ſich gar nicht heben Laffen. Doc auf Oſtern, wenn Gott will, werde ich &ie gewiß befudyen und einen Zeugen von dem vergnägten Bortgange Ihrer Ehe abgeben, ba ich bey dem Ans fange bderfelben nicht habe zugegen feyn Lönnen, Ich freue mi) recht auf diefe Zeit. Ich habe mir vier Wochen auögefeget, um mid, in ber Gefellfhaft der Meinigen von den mühfamen Bers richtungen zu erholen, in die mid meine Lebensart geſetzet hat. Ich will ben lächerlihen Sorgen der Ehre und des Ruhms auf einige Zeit entfliehen, und bas unfchuldige Bergnügen ſchmecken, das man in dem Umgange und dem Beyfalle der einigen welt lebhafter, als in der Geſellſchaft derjenigen findet, die mit uns nach einem Biele laufen. Won biefen vier Wochen werde ich wes nigftens einige Tage bey Ihnen zubringen, und mir in Ihren Gefprähen und in dem Vergnügen Ihrer Ehe die Munterkeit verſchaffen, die ich ſuche. Ich habe die Ehre, nebft einem erges benften Gruffe an bie werthen Ihrigen, mit der größten Hoch⸗ achtung zu ſeyn

Ew. Hochwohlehrwůrden ergebenſter Diener und Schwager GShriſt. Fürchteg. Gellert.

6 Un Bobmer.‘)

2. d. 13, März 1748, ° Erlauben Sie mir bie Ehre, daß ich Ihnen ben zweiten Theil meiner Kabeln und Erzählungen überreichen darf. Ich bin flolz genug, mir Ihren Beifal zu wuͤnſchen, aber nicht fo eitel, daß ich mir ihn ganz verfprechen ſollte. Wieleiht würde ichs niemals wieder gewagt haben, Kabeln zu dichten, wenn Sie mid) durch Ihren Eräftigen Lobſpruch nicht beherzt gemacht hätz "ten, eben biefe Belohnung noch einmal zu verbienen zu fuchen. Gefaͤllt Ihnen, und denen, die Ihnen unter Ihren Sandeleuten gleichen, diefer wieberholte Verſuch, fo fehen Sie ihn als eine Frucht Ihres Beifalls und meiner Dankbarkeit für dieſen Bei— fal an. Wie gern fragte ich Sie, ob Sie auch mit meinen Komödien zufrieden wären, wenn ich anders ohne Fehler Länger

von mir felber reden Tönnte,

Shriftian Kürdtegott Gellert,

2 un Borawarb.") , 2. d. 9. Dee. 1748, Ich bin eitel genug, mie alle die Ehre gu wünfden und zu gönnen, bie Sie und Ihre liebenswuͤrdige Geſellſchaft mir erwei⸗

®) (Briefe berlißmter und ebler Deutfhen an Vodmer. Hrrausgeg. v. ©. Fr. Stäublin. Stuttg. 1794. ©. 55.)

**) ( Ernſt Samuel Jacob Vorchward, Lönigl. Preuß. Hofrath und Mar graͤfl. Anſpach · Baireuthiſcher Refident, nachher Legations⸗ zath in Werlin; geb. 1717, gef. 1776. Die Briefe an ihn find abgebeudt aus: Nadtrag zu Gellerts freundfeaftlicen Briefen herausgeg. v. I. P. Bamberger. Berlin 1780.)

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fen; allein ich geftehe Ihnen mit eben ber Aufeichtigkeit, daß ich fie kaum halb verdiene. Was für ein ſtolzer und unerträglicher Autor würde ich feyn, wenn ich mir eben fo ſchoͤn vorkäme, abs id Ihnen zu feyn feheine! Rein, mein lieber derr Hofeath, id} bin das Gemaͤhlde nicht, das Gie in Ihrem Briefe fo vortheil⸗ haft entworfen haben; und gleichwohl loben Sie auf eine fo feine und eble Art, daß ich alles darum geben wollte, wenn ich Ihr ganzes Lob verdiente. Ich bin eben fo mißtrauiſch gegen mich felber, ats ich ehrbegierig bin, und ber kluge Lobſpruch, ber anfangs mein ganzes Herz in bie Höhe hebt, macht mid gemeinigli) am Ende bemüthig und verzagt. Wald fehe ich, daß ich mir ihn nicht gang anmafen ann, und bald fühle ich die Mühe und die Gefahr, ihn Fünftig gu behaupten, und fange oft an zu wünfcen, daß id) nirgends, als in dem Beinen gebürs gifhen Zleden, in dem ich geboren bin, und bloß unter bem Namen eines ehrlichen Mannes, bekannt ſeyn möchte.

Sobald ich in Ihrem Briefe fah, daß Sie mic zu einer neuen Gchrift ermunterten, fo warb mir ſchon fo bange, als ob ich eine ſchlechte gemacht hätte. Ich zweiſelte, ob ich Ihre Hoffe nung und bas Vertrauen Ihrer Liebreihen Geſellſchaft wärbe erfüllen Ebnnen; und gleichwohl fchämte ich mich auch, Ihnen eine Bitte abzuſchlagen, die Sie mit fo viel Gründen vortragen, ba fie färker, als ein Befehl iſt.

Beydes geht noch Heute in mir vor. Ich zweifle, ob ich zu biefer Arbeit gefchiett bin, und ſchaͤme mich, daß iche nicht ſeyn fol. Was fol ih thun? Col ich aus Begierde, Ihnen zu gehorchen, eine Sache verfprechen, bie ich vielleicht nie werde hal⸗ ten konnen? Nein, ich will lieber den andern Fehler begehen, und Ihren Antrag ausfclagen. Kann ic ihn bemungeachtet mit der Zeit erfüllen: fo wird meine igige Unhöflichleit nur ein Beweiß feyn, daß ic) Sie, Here Hofrath, und Ihre: Freunde, 36 hoch geachtet habe, als daß ich Ihnen eine Schrift Hätte.vers

1

ſprechen ‚folten, che ih wußte, ob fie mir glüden würbe. Aber 100 weiß ichs, ob fie mir glücten wird?! Muß ichs. micht-verfus en? Ba, ich würde es gleich hun, wenn id) von anbern As beiten frey wäre, Ich wuͤrde ber Sache nachdenken, ich würde die Blätter und Bücher. burchlefen, bie von ben Pflichten der Bedienten reben, ich würde nach Ihrer Vorſchrift einen Beinen om. auffegen, und Ihnen benfelben zur Beurthellung zufdhicen; allein bie ift mic zwiſchen hier und Dftern nicht moͤglich. IE bin nicht mein, nicht Frey genug in mir. Ich habe etliche prak tiſche Gollegia, die mir bes Tags Über vier bis fünf Stunden wegnehmen. Die übrige Zeit muß ich einem nahen Anverwanbs ten von mir fchenten, ber Tünftigen Sommer von bes univerſttat sehen fell, und noch nicht weit gefommen iſt. Sein @läd bes fehlt mir biefe Pflicht. Kurz, wenn ih Ihnen, ohme eine Praha lerey zu begehn, alle meine Beinen Beſchaͤftigungen erzählen Zönnte, wenn ich Ihnen fagen bärfte, daß mir die Eleiafte Arbeit, id weiß nit, ob aus Schwachheit bes Körs pers, oder bes Seiſtes, erſtaunend fauer wird: M würden Sie fehen, daß ich in den Igigen Umftänden einer neuen Arbeit fähig bin. Inbeſſen werde ichs mie vexgeffen, dag man die Wünfche vechtfchaffener und patriotiſcher Seelen als Befehle anfehn fol. Ich werbe, ſobald ih kann, mid am bie Schrift wagen, und vielleicht werbe ih nit cher zuhig, bie ich einen fo Ibhlihen Anfhlag gewagt habe Empfehlen Cie mich, ber Gefelfaft gehorfamft, die mich ihres Andenkens würbiget, inſonderheit Ihrem vortvefflichen und liebenswuͤrdigen Sottesgelehrten, dem Herrn Sad, denn dieſer iſte unſtreitig, der die Schwediſche Gräfin, gu deren Berfaffer ih mich nie belennen werde, mit feiner mehr als zu wahren Critik beehret hat. Sohenken Sie mir, nebſt Bpren lieben Freunden, Ihre De⸗

wogenheit ferner. I fehe ſe old eine Vohithat an, uud fenue mid) ihrer nicht ganz unwerth zu ſeyn. ®

8. Andenfelben. 2. d. 2. April 1749,

I, wollte wünfdhen, daß ich bie gute Hoffnung bald erfüllen Yanse, die Sie ſich nebſt Ihrer lieben Gefelfepaft von mir. mas en! allein ich zweifle zu meiner eignen Veſchaͤmung fehr daran. Ich habe unlängft einen Heinen Plan entwerfen wollen, und es iſt nichts daraus geworben. Vielleicht bin ich, vieleicht iſt auch bie Materie ſchuld. Es läßt ſich in der That viel von der Sache fagen; allein das meifte ift fhon gefagt, und beynahe zu bekannt, als daß man es neu fagen koͤnnte. Und wenn ich biefes nicht kann, was wirb Ihnen und ber Melt mit meiner Schrift gebies net fegn? uUeberhaupt treffe ich in Anfehung meiner Lefer viele Schwierigkeiten an. Macht mans kurz und fein: fo wird es der Belt, die es leſen foll, nicht verftänblich genug feyn. Setzt man alles zum Unterrichte genau au& einander, fo wird das Vollſtaͤn⸗ dise die Aufmerkſamkeit folder Leute bald ermüben, bie ohnedem nicht zum Rachdenken gewöhnet find. Sch weiß alfo niht, ob ich weiter einen Verſuch fobald wagen werde. Sollte ich mich aber jemals dazu geſchict fühlen: fo koͤnnen der Herr Hofrath verſichert ſeyn, daß ichs als. meine größte Schulbigkeit anſehn wil. Die ſchoͤnen Predigten des Dr, Delany, melde unlängft hier in Leipgig, aus dem GEngfifchen überfeht, heraus gelommen find, und welde bie heiligften und nöthigften Pflich- ten ber Geſellſchaft abhandeln, handeln auch von den Pflichten

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der Beblenten gegen ihre Worgefehten; biefe, und verfchiebene GSapitel aus Saurins Eatehismus, verfchiebene Stüde aus dem Bufchauer, würden unfern ehrlichen Bedienten viele gute Begriffe und Empfindungen des Edlen in ihrem Gtande eins flößen, wenn man fie ihnen befannter machen Tönnte,

Die Nachricht von dem Tode Ihres theuren Freundes und des Lefers meiner Troſtgründe, hat mich ungemein gerühret. D Gott, was iſt es für eine Wolluſt, wenn man ſich bereden darf, etwas gutes gethan zu haben! Ich danke Ihnen für biefe Nachricht, als für die größte Belohnung, die id mir jemals für eine feomme Arbeit habe wünfchen Tönnen. Bleiben Sie ferner mein Gönner und Freund, und entziehen Sie mir die Ehre Apres Briefwechfels nicht, wenn ich gleich das nit aus⸗ führen Tann, was ihn veranlaßt hat. Ich bin mit einer wahren Hohadhtung und Ehrerbietung

G.

®» un Bodmer.

eipzig, im Maimonate 1749, Sie werben fih einen fhlechten Begriff von meiner Dienfte fertigfeit machen: und ich bin befhämt, daß ich mic entſchul⸗ digen muß, fo gut auch meine Entſchuldigungen find. Ich laſſe mir von dem Bibtiothelar, Herra Doktor Joͤchern, etliches mal den „Gamurot“ und „Parcival“ ausbitten, und befomme allemal die Antwort, daß das Buch verlehnet wäre. Endlich gehe ich zu Hertn Profeſſor Käftnern und erfuche ihn, weil er

®) (Briefe an Botmer, deraudg. v. Gtäublin. ©. 95 ff.)

mit Doktor Jbchern bekannter if, mir das Much zu verſchaf⸗ fen, oder nur zu hören, was er hätte.

Kurz, ich erfahre, daß er und Herr Profeffor Sottſche d es gehabt, und daß mir Herr Käftner felbft auf das Anfuchen bes Seren von Hagedorn in der Gelegenheit Ihnen zu dienen vorgegriffen hat. Nunmehr will ich meine kleine Schande gern ertragen, denn ich bin überzeugt, daß Ihnen bie Nachricht des Herrn Profeffor Käftners nutzbarer feyn wird, ald meine ges wefen feyn wuͤrbe.

Wegen ber Handſchrift, aus welcher OD pie ben „Lobgeſang auf ben Erzbiſchof Anno” genommen, habe ih an Herrn Strauben nach Bredfau geſchrieben; allein er ift ein fo unflei⸗ Higer Sorrefpondent, daß ich feit der Michaelismeſſe Feine Zeile von ihm gefehen habe. Doch id will nicht auf ihn ſchmaͤlen. Vielleicht hat er fi das Vergnügen gemacht, Ihnen bie erlangte Nachricht ſelbſt zu überfchreiben, ohne ſich erft wieder an mich zu wenden. Wenigſtens will ichs zu meiner Ruhe winfden.

Zür den Beifall, mit welchem Sie in Ihrem Briefe meine Schriften beehren, danke ich Ihnen mit ber aufeichtigften Er— gebenpeit, und freue mich mit Ihnen über bie Ehre, welche der Verfaſſer des „Meſſias“ unfrer Nazion macht. Er hat mir ſchon in ber Michaelismeffe das vierte, fünfte und fechfte Buch zugeſchickt, und ich habe überall ben großen Werfaffer ber erften Bücher angetroffen,

Iet warte ich mit Ungebuld ihn biefe Meſſe auf einige Tage zu fehen und mich auf ganze Jahre mit ihm fatt zu reben. Er bat mir verfchiebenes von Ihrer großmüthigen Worforge für ign ger meldet und id) müßte fein Freund nicht ſeyn, wenn ich biefes erwaͤh⸗ nen könnte, ohne Ihnen von Herzen bafür zu danken. Die Proben der „alten ſchwaͤbiſchen Poeſie“ Haben gemacht, daß ich heimlich wünfche, daß das ganze Werk im ben Händen, ivo es itt iR, bleiben mag, anflatt, daß Sie gütig. genug find, bie Auf[x6]

1

Macift des „parifiihen ober" einem Gelehtten ohne Gatgelb überlaffen zu wollen. Ich für meine Perfon bin igt mit trägen unb traurigen Werrichtungen beichäftigt. Ich unterrichte einen frangöfifchen Kavalier, einen engliſchen Mylord und einen pols niſchen von Adet in der beutfhen Gprache und ich würde ohne Troſt, bey biefer Arbeit umb bey bem Verluſte der Zeit ſeyn, wenn ich nicht Gelegenheit hätte mich dadurch zu beiohnen, daß ich einigen Ausjänbern- unfee guten deutſchen Schriften bekannt machen kann. Der Herr von Straunfieu, welcher auf Koſten feings Königs Hier ift, um deutſch zu lernen, und biefe Meffe wieder nach Paris gehen wird, hat nicht alkin fat bad Bes von unfern Schriſten gelefen, fonbern ſichs auch gekauft, und ich ſelbſt Habe ein Theil von meinem Lehrgelde angewandt, um ihn bamit gu verforgen. Er findet Geſchmack am dem deutſchen Wire, und mil uns feine beiden Brüber bald auch herautſchicken. D wenn wir doch gleich in jeder Art Meifterftüce hätten, damit die Ausländer alle unfee Syrache lernen mäßten. €. 8. Gellert.

20. An Borhwarb.

2. d. 8, Mai 1750.

Cie tommen allen meinen Muͤnſchen zuvor, und ich weiß wicht, wie ich dankbar genug ſeyn fol. Sie fehenken mir nicht allein Ihre Freundſchaft, fonbern Sie forgen auch für mein Wii, als ob ichs um Sie verbient hätte, Ich will Ihnen recht offenherzig auf die Frage antworten, bie Ste im Namen eines Berliniſchen Mäcens, und Ihres Freundes, an mich thun.

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' Wenn es nach meinem Wunſche ginge: fo würde mir eine Ver⸗ forgung in meinem Baterlande, und zwar in Leipzig, bie liebſte ſeyn. Ich will biefen Bunfh.nicht von aller Schwachheit frey fprechen, noch weniger will ich glauben, daß ich ihn, wenn es mein Schickſal wollte, nicht vergeffen koͤnnte. Die Einrichtungen auf den Preußifhen Akademien find mir nicht befannt genug; allein ich glaube doch, daß fie vortrefflich find, und ich wärbe eine philofophifche oder oratorifhe Profeßion in Halle allerdings für ein Glüuͤck Halten, wenn bie Lebensart der Studenten fitts famer und friedfertiger wäre, Dies ift es alles, was ich Ihnen Tagen Tann. Ueberhaupt habe ich noch gar nicht nach einer Bes bienung geſtrebt, weil mich meine Leibesbefchaffenheit Fein langes Leben Hat Hoffen Lafien. Indeſſen fängts mic oft an zu veuen, daß ich vor zehn Jahren nicht eine Dorfpfarre angenommen habe. Ich würbe vieleicht mehr Gutes geftiftet, und, entfernt von dem Geräufche der Welt, ruhiger gelebt haben, ala bey Feiner Profchion.

Sie fragen mid, ferner, warum ich fo lange nichts gefchries ben habe; warum? Lieber Here Hofrath! das Feld ift nicht alle Jahre tragbar, am wenigften bas Feld des Witzes. Geſett ich Hätte noch das Vermögen, etwas zu fchreiben, das des Druds würdig wäre: fo ſcheinen es doch meine Umflänbe nicht zu exe lauben. „Indem man für bie Unfterblichkeit arbeitet”, fagt der Abt Trublet, „fo iſt es nicht verbothen, ein wenig barauf zu „denken, wie man ſich wegen ber Wequemlichkeiten des gegens „waͤrtigen Lebens in Sicherheit fegen möge.” Ich bin nichts weniger, ald geldbegierig; allein ift auch unfre Pflicht, unfre Umftände nicht zu vergeffen, wenn wir andern nüglich feyn wols len. Kein Autor kann von feinem Buchführer leben; und wehe bee Welt, wenn er von ihm Ieben wit! Ich muß alfo meine Zeit auf andere Arbeiten wenden, und lieber junge Herren in meiner Stube unterrichten, als bie Welt, Ich hr Ihnen zur

Gellert V.

Beit nichts verſprechen: Sie follen aber gewiß ber erſte ſeyn, dem ich meine Arbeiten gufchide, wenn ich welche habe; bean von wen wollte ich lieber unb eher gelefen ſeyn, als von Ihnen? Erhalten Sie mir Ihr Wohlwollen und Ihre mir fo ſchaͤtbarr Sreundfchaft unverändert, und fegen Sie mich in bie Gnade bes Gönners, von bem Sie reden, wenn id Ihrer nicht ganz uns werth bin. Ich verharre ıc. ®.

11‘) An ben Gecretair KRerfien.

2. d. 22. Ian, 1751.

Mein lieber Kerften,

Endlich koͤnnen te mein Patron werben, wenn ed Ihnen zu veraͤchtlich iſt, länger mein Freund zu feyn. Sie follen mich nämlid zum ertraorbinaicen Profeffor mit Penfion machen. Das iſt für Sie was Kleines, und für Ihrem Heren Grafen, deucht mich, noch was Kleiners. Er hat mir durch meinen Bruder befehlen laffen, ihm ein Memorial an ben Kirchenrath in dieſer Abſicht zu überfhiden; und der Herr Graf von Loß hat mir in eben biefer Woche durch ben Herrn Legationsſecretair Mies demarkter eben biefen Befehl ertheilen Laffen, den er mir an voriger Meffe ſchon muͤndlich gegeben. Doc hat mir der Graf

©) (Bellerts gamilienbriefe. Anhang. No. 3. Die dafeldfi unter Ro. 1. und 2, abgebrudten Briefe an Kerſten aus d. I. 1748 waren mit einigen Xenberungen No, 2. in wei Beiefe der» teilt von Gelert unter die von ihm felbft Herauögegebes nen Briefe aufgenommen worben. gl. Ih. 3, ©. 150 f.; ©. 101 f. u. 116 fl)

2o$ eben nicht ausbrädlich fagen laſſen, daß ich zugleich um eine Penfion anhalten follte; fo gnaͤdig iſt nur unfer Holze a⸗ dorf gewefen. Wiedemarkter, ber fih einige Tage hier aufgehalten, wollte das Memorial mitnehmen; allein ich konnte das Testimonium von ber philoſophiſchen Facultat nicht gleich bekommen a), alfo hat er mir gefagt, bie Adreſſe an ihn fo eine zurichten, daß Sie, wofern er bey der Ankunft bes Memorials nicht mehr in Dresben wäre, bie Sachen erbrechen und übers geben ſollten. Er hat einen Brief von mir an ben Grafen Lof mitgenommen. Ich überlafie es Ihnen beiden, ober Ihnen, mein lieber Kerften, allein, wem Sie das Memorial von meinen beiden Gönnern übergeben wollen. Ich habe zugleich einen feanzöfifchen Brief an den Kammerherrn v. Diesfau gefchries ben, der mir durch ben Herrn Secretair Müller chen dergleis den gnädigen Antrag vor einiger Zeit hat thun laffen. Grüffen Sie dieſen Letzten auf das ergebenfte von mir, bitten Sie ihn, daß er dem Heren Rammerheren den Brief übergiebt, wenn es ſich ſchicken will, und fagen Sie ihm, daß ich wohl wüßte, daß er als ein großmüthiger Freund bei verfhiebenen @elegenheiten an mir gehandelt Hätte.

Ich bin zufrieden, wenn ich auch jet feine Penfion bekomme ʒ ich bin mit der Hoffnung zufrieden. Es ift immer noch eine große Brage, ob ich eine Penfion verdiene und ob fie Andre nicht. noch mehr verdienen ober mehr brauchen. Profeffor Rapp, ber Decanus ber philoſophiſchen Zacultät, und auch Profeffor Chriſt meynten, baß ich vermöge des Testimonii ben Befehl zur ertraorz

a) Nunmehr folgt ed; id hätte es aber balb zerriſſen, weil man mid) zu fehr gelobt und ein rechtes gelehrtes Khinoceros aus mir gemadt hat. Gin Lob von Ihrem Grafen, von einem Hugen Srauenzimmer, von Ihnen, aber nicht von Wiedemark · tern (denn er lobt mid) gar nicht), das ik was Güffes und mas, bad ich mir wuͤnſche.

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dinairen Profthion ohne vorhergegangenes Keſcript erhalten konnte; und freylich fähe ichs gern, wenn man mir bey ber Aeademie nicht vorwerfen koͤnnte, daß ich die Profeßion erbettelt hätte. Der Rector Magnificus Ludwig, auch mein Freund, will mir als Rector, wenn ichs verlange, ebenfalls ein Testi- monium ertheilen. Ich fage biefes deswegen, weil mir ber Herr Graf Holgendorf Hat befehlen Laffen, daß ich mit dem Memoriale zugleich ein Testimonium von der Academie übers ſchicken folte, damit der Weg verkürzt wuͤrde.

Wenn Cie wüßten, mit was für ſchwerem Herzen ich mid zu dem Memorlale entfchloffen, und mie es meine Freunde orbentli in meinem Namen gemacht und mir aufgebrungen haben: fo würben Sie ganz gewiß zu mir fagen: Mein lieber Gellert, ihr fegb ein N..r; und wer weis, ob Sie ganz uns recht hätten und ob ich nicht gelaffen genug wäre, ben Schimpf zu leiden; benn ich Liebe den Frieden und Sie und mein Leben, and bin gar zu fehr Pr

Freund und Diener Gellert.

Das Zenguih

Facultatis Philosophicae Lipsiensis Decanus Senior et reliqui ejus Professores,

Quod haut ita pridem ab Ordine nostro modeste petiit testimonium studiorum et vitae apud nos exactae Vir Claris- simus, M. Christianus Fuerchtegott Gellertus: ällud eo libentius illi impertimur, quo digniorem illo per va- rios, quos hie commoratus est, annos sese reddidit. Con- firmamıs itaque tibi, Lector, landatum Gellertum A. CIOIOCCXLIL. ab ordine nostro Magistrum Philosophiae renunciatum, A. CIDIOCOXLIV. jura et privilegia ejus dis-

putatione docta de poesi Apologoram et eorum scriptoribus cam laude sibi vindicasse et ab eo tempore singulis annis monnullos juvenes, et inter hos varios illustri sanguine pro- ‚gnatos, exteros etiäm, et ex Italia et Anglia ad nos studio- rum gratia profectos, linguam, eloguentiam et poesin teuto- micam non sine plausu et fructu docuisse. Quemadmodum autem clarissimus Gellertus his recitationibus privatis per complures annos de studiosa juventute egregie eat promeri- tas et adhuc bene promeretur: ita non minus rempublicam litterariam varüis libris, et prosa et vorsa oratione conacrip- tis, insigniter ornavit, qui et ingenium ejus venustum et reconditam doctrinam satis superque produnt, nec sine utili- tate et delectatione a popularibus ‚nostris avidissime legun- tur. Manavit etiam praestantia et elegantia scriptorum cla- rissimi Gellerti ad exteros populos, ita ut et Galli et Dani varia ejus opuscula in suas linguas convertere coepe- rint et in pluribus convertendis adhuc versenfur. Qui qui- dem popularium nostrorum et externarum gentium in seripta CL Gellerti amor, uti non potest non cam ejus lande a6 gloria conjunctus esse: ita nos, qui ejus probitatem, dili- gentiam, modestiam, alinsque virtutes propius intuemur ot adhuc melius perspectas habemus, non modo in societatem hajus laudis labentes venimus, sed etiam ex animo optamns, ut alia praemia, ejus ingenio venusto et pracclara eruditione digna, brevi interjecto tempore consequatur.

Scriptum et signatum Lipsiae d. XXIII. Jan. A. R. G. CRIICCLL

ws) Joannes Erhardus Kappius, U Prof. Publ. et Facult. Philos. b. t. Decanus,

12.

an Borchward. ®. d. 13, Apr. 1751.

Ic ergreife bie Gelegenheit, Ihnen eine @cheift von mir gu Überfchien, um befto begieriger, je weniger ich fonk eta Mittel Habe, Ihnen meine Hochachtung und aufrichtige Erge⸗ benheit zu bezeugen. Von wem wollte ich auch lieber und cher gelefen werben, als von Ihnen? und wie zufrieden werbe ich ſeyn, wenn dieſe Briefe fo glädtich find, Ihnen eine angenehme Stunde mehr zu maden, und Sie in ber guten Meinung zu beftärken, die Sie von mir gefaßt haben! Ich wünſche es vom ‚Herzen, und melde Ihren zugleich eine Nachricht, die Ihnen nit gleihgüttig feyn Tann, und bie ich Ihnen eben deswegen mit boppelter Freube ergähle. Es iſt mir von Dresden aus, wiber meine Hoffnung, befohlen worben, um eine ertraorbinaire Profeßion und Penfion anguhalten. Ich habe es gethan, obgleich mit ſchwerem Herzen, und ich hoffe, wenn Gott will, einen baldigen glüdlichen Erfolg. Ich erfreue mich nicht ſowohl meis ner ferbft wegen, ald wegen meiner Freunde, bie für mein Glück mehr, als ich, befümmert geweſen find, und bie mir nun ben Vorwurf nicht mehr medhen dürfen, daß ich zu gleichgültig ges gen eine Öffentliche Bebienung wäre. Gott gebe, daß mein Uns ternehmen, und die Worforge meiner Gönner, weber mich, noch fie, jemals reue! Ich habe nicht geglaubt, daß man an mid, denke, auch nie geglaubt, daß man Urfache dazu habe, vor andern an mich zu denken. &o bald diefe Sache kein Geheim⸗ niß mehr iſt, werbe ich die Ehre haben, fie Ihnen zu beftätigen. Indeſſen bitte ich um bie Zortfegung Ihrer mir fhägbaren Ger

wogenheit, und verfarse mit aller erſiaulichen Godaditung und Chrerbietung ıc. ®

Empfehlen Sie mic, allen Innen Freunden gehorfanft, wenn ich bitten darf.

23. Andenfelbem 2, d. 24. Mai 1751.

Sie haben mir durch Ihren fchönen und langen Brief ein außerordentliches Vergnügen verurfachet. Jede Zeile ift vol Zreundſchaft und Liebe gegen mich, und alles ift die Sprache eines gütigen und eblen Herzens. Wollte Gott, daß ich Ihrer Gerwogenheit in ihrem ganzen Umfange werth wäre! Ich will mich bemühen, fie zu behaupten, und &ie durch Erkenntlichkeit möthigen, der Breund gegen mich zu bleiben, der Sie aus einem geheimen Zuge der Natur geworden find, In Wahrheit, Herr Sofrath, ich bin ein glüdlicher Menſch. Die vortrefflichften Männer ſchenken mir von vielen Drten her ihre Kreundfchaft und ihren Beyfall auf eine Art, bie mich über alles entzüdet. Aber wie werbe ich mich dieſes Glücd würdig genug machen! Und womit werde ich mid, tröften, wenn ichs in ber Fortſetung meines Lebens durch diefen oder jenen Zufall verlieren follte.

Sie wünfden, mic, von Perfon zu kennen, und eben biefes, geehrteſter Freund, wünfche ich mir auf meiner Geite mit ber größten Sehnſucht. Ja, fo wenig ich zu weiten Reifen gemacht bin: fo fehle mir doch nichts als eine bequeme und geſchwinde Gelegenheit, in einer Woche, in der ich ablommen Tann, um eine Reife nach Berlin vorzunehmen; eine blos freundfchaftliche und feine gelehrte Reife. Ich möchte Sie gern überfallen; aber

wie, wenn @ie glei} zu ber Beit nit in Berlin wären, ba id mirs einfallen Liege, zu Ihnen zu kommen? Wäre das nicht entfeglich für mich? Melden Sie mir alfo, liebfter Herr Hofe rath, zu welcher Zeit Sie ſich in Berlin ficher aufhalten. Ich will beten, daß mich nichts an biefem Bergnügen hindern mag.

Mit meiner ertraorbinairen Profeßion und einer Eleinen Pens fion hat es nunmehr, Gott ſey Dank! feine Richtigkeit, und ich werbe biefes ungehoffte Amt gegen Johannis mit einer gewoͤhn⸗ lichen Rebe antreten.

Daß Ihnen meine Briefe fo wohl gefallen haben, daß mic alles bis auf den Bebienten im Haufe liebt; bieß ift mir Lieber, als eine Penfion. Leben Sie wohl mit Ihrer licbenswürbigen Frau und ber jungen Freundin, und fchmeden Sie das Bers gnügen ber Liebe und des menfchlichen Lebens nad) meinem MWunfche geboppelt. Ich bin xc. ®

14. Un den Freiherrn von Craufſen. 2. d. 5, Det. 1751,

Hochgebohrner Freyherr, Gnäbiger Herr,

ie erweifen mir zu viel Ehre, daß Sie Ihre Manuferipte meiner Gritit unterwerfen. Ich bin ein furchtſamer Scribent, ®) (Sort Wilhelm Chriſtian greiherr von Grauffen, Erb» Lehn · und Veriöstöhere auf Schönwald und Gechökiefer, im Deld- Werne Käbtifhen geboren 1714; feit 1745 Dberhofmeifter der verwitte weten Zerzogin zu Bernkadt; 1757 Gacfen-Goburg-Meiningens fee Geheimerath, get. 1772. Gellert8 Briefe an ihn zuerft gebrudt im Wittenbergiſchen Magazin, 1781, ©. 1., fobann in: Bweiter Nodtrag zu Gellerts freuntfäaftlihien Briefen.

Berl. 1781. Danach find die hier mitgetheilten abgebrudt.)

unb ein eben fo furdtfamer BRidhter. Nidyts if mie ſchoͤn ges mug, fo lange ich noch etwas ſchoͤners denken Bann; baber zittere ih bey allen Kleinigkeiten; und fo fehr ich auch bie Verdienſte verehre, bie Sie, gnädiger Herr, um die Sifſenſchaften haben: fo bin ich doch zugleich Ihrer Meinung, dab Ihre Werke, fo, wie fie jegt find, noch zu flächtig gearbeitet find, als daß fie fih im Drude einen allgemeinen Beyfall ſollten erwerben Eönnen. Sie kennen die Strenge und bie Gpöttereyen ber Kunftrichter, und aud, ohne mid, das Mittel ihnen zu entgehn:

Craignez-vous pour vos vers Ia censure publigue? Soyez-vons A vous-m&me un s6rdre Critique, Faites-vous des Amis promts & vous oensurer.

Hätez-vous' lentement, et sans perdre courage, Vingt fois sur le mötier remettez votre onvrage. Polissez-le sans cesse, et le repolissez. " Ajoutez quelguefois, et souvent effacez.

Diefe Regeln bes Boileau und Horazes haben mir bey meinen geringen Verfuchen vortreffliche Dienfte gethan. Genug, fo wes nig ich Ihnen zu einer ſchleunigen Ausgabe Ihrer Wanuferipte zathe, fo ſehr verehre ich Ihre Gelehrſamkeit, Ihren Eifer für die Wiffenfehaften, und Ihren großen Fleiß; dieſes iſt alles, was ich zu ſagen weis.

Für Ihr gropmäthiges Anerbieten fage ich Ihnen unterthäs nigen Dank; ich verdiene es nicht, und id; würde unruhig feyn, wenn ichs nicht verbienen koͤnnte. Indeſſen will ich bie Bleinen BamilieneFragen, die Eror. Hochgeb. an mic gethan, kurz beantworten. Mein Gintommen, wenn icht nach bem rechne, was ich jährlich brauche, beläuft ſich ungefähr auf fünf bis ſechs⸗ hundert Thaler; und ich danke Gott, wenn ich durch Gollegia und andre Arbeiten fo viel gewinne. Ich habe feit Dfern eine

Yenfion vom Hofe; biefe beträgt mur Hundert Thaler, Ich bin fünf und beeyfig Jahr alt, unverheyrathet, und habe für nier manden ſehr zu forgen, außer für meine fromme und alte Muts ter. Sie iſt hoch in fiebengig; ich Liebe fie unendlich und es iſt mein Wergnügen, und meine Schuldigkeit, alles, was ich nur San, zu ihrer Bequemlichkeit und Zufelebenheit bey zu tragen. Sie hat kein Bermögen; unb wie follte eine Mutter Vermögen Haben, von ber fünf Soͤhne fubirt Haben? ine Schweſter von mir, die ſchon feit vielen Jahren MWittwe ift, wartet und pflegt fie in ihrem Alter Ich breche ab, damit ich nicht in den Zehler verfalle, den man gemeiniglich begeht, wenn man von feinen eigenen Umftänden, ober von feiner Bamilie reden foll. Ja, ic würde Ihre Fragen gar nicht beantwortet haben, wenn ich fie nicht als Befehle angefehen hätte, Die Beſchreibung, bie der Here von Red von mir gemacht, ift viel zu vortheilhaft; ich wünſche das blos zu ſeyn, was er glaubt, daß ich bin. Uebrigens danke ich Ewr. Hochgeb. für die Mittheilung Ih— ver Manuferipte, und für das Vertrauen, deſſen Sie mich haben würdigen wollen, mit der größten Erkenntlichkeit, unb erwarte den Befehl von Ihnen, wohin ich Ihre Schriften ſchicken ſoll. Ich bin zu wenig, als baß ich etwas zur Werfhönerung berfels ben follte beytragen Tönnen; ich bin aud gu weit von Ihnen entfernet, und Sie werben in ber Raͤhe ſchon ſcharffichtige und aufrichtige Freunde und Kenner haben, deren Urtheile Sie trauen Unnen. Würde ich dieſe Sprache wohl veben, wenn ich wenis ger Chrerbietung für bie Verdienſte Cwr. Hochgeb. und weniger Nufrichtigkeit befäße? Ic bin mit ber vellfommehflen Hoch⸗ achtung und Ergebenheit R Ewr. Hochgebohren gehocſamger Diener ©. 8. Gellert.

25. An Borhwarb. 2 b. 15. Det. 1751.

@in ich nicht mehr Ihr Freund, ben Sie mid von Pers fon haben Eennen lernen, oder was iſt bie Urfache, daß ich feit einem halben Jahre keine Zeile von Ihnen gefehn habe? Ich weiß wohl, daß ich hätte fehreiben follen; allein ich habe doch das Werbienft auf meiner Seite, daß ich in Berlin gewefen bin, daß ich, beynahe bloß aus Freundſchaft für-&ie, eine weite Reife gethan habe; und mit biefem Gedanken läßt ſich eine Nachläßige Zeit im Gchreiben fchon entfchulbigen. Genug, ich fehne mich gar zu fehe nach einer Rachricht von Ihnen, unb Sie Lönnen mir fie ohne Ungerechtigkeit nicht wohl verfagen. Gchreiben Sie mir nur, daß Sie mit Ihrer Leben Frau noch fo leben, wie ich Sie in Berlin gefunden habe, daß Sie mid noch Lieben: fo if alles gut, wo nicht, fo komme ich noch einmal nach Ber⸗ Un, und trete gar bey Ihnen ab. In Wahrheit, Lieber Herr Hofrat, es iſt mir in Ihrer Stadt fo viel Ehre wiederfahren, daß ich leicht zu entſchuldigen wäre, wenn id wieber kaͤme; und ich glaube ficher, daß ich an keinem Drte in ganz Deutfchs land fo viele Freunde und Bönner habe, als eben in Berlin. Wie tomme idy zu dieRm Bläde, und wodurch werde ichs bes ſftandig machen Einnen? Tragen Sie, wenn ich bitten barf, das Ihrige bazu bey, und empfehlen Cie mich allen ben Her⸗ ven, bie ich durch Ihre Bermittelung habe kennen lernen, auf das verbindlicfte. Ich weiß zwar ihre Namen nicht, aber befte ficherer ihre Werbienfte und Charaktere. Richts kräͤnkt mid mehr, ald daß ich ben Herrn Geheimbenraty Buchholz, von dem alle Welt fo viel Gutes erzaͤhlt, nicht habe fehn fellen. Bezeigen Sie ihm in meinem Ramen alle bie Hochachtung, bie ich einem fo großen Manne ſchuldig bin. Ihrer Frau Liebſte

konnen Sie nicht genug fagen, wie hoch ich fie fhäge. Sie find ein glüdlicher Mann, das fage ich allen Leuten, und bin mit dem größten Vergnügen zeitlebens ıc, 26

26. An den Sreiberen von Eranffen.

2. d. 2, Dec. 1751,

Hochgebohener Freiherr,

Ihr ſehr ſchoͤner Brief Hat mich um befto mehr vergnügt, je mehr ich gefürchtet, ich möchte Sie durch meine gar zu große Dffenherzigkeit beieidiget haben. Allein warum habe ich biefes gefürtet? Hätte ich nicht wiflen koͤnnen, daß derjenige den Zabel am erften verträgt, ber das Lob verbienet?

Fear not (fpricht Pope) the anger of the wise to raise, Those best can bear reproach, who merit praise.

Ja ic) Habe dieſes gewußt; allein ich habe nicht gewußt, ob ich meine Gritit mit aller ber Beſcheidenheit vorgebracht, mit ber man feine Urtheile allemahl begleiten fol. Ran muß aud da noch mit einem -anfcheinenden Mißtrauen in fich felbft ſprechen, wenn man gleich gewiß ift; bamit man nicht in bie ſtolze Sprache eines Kunftrichters verfalle, welche, trot aller Wahrheit, eine Beleidigung bleibt. Ich war Ihrem Gtande, Ihrer Gelehrſam⸗ Reit, den edlen Abfichten, bie ich in Ihren Gchriften fand, Ihrem Vertrauen und Ihrer befondeen Gewogenpeit zu mir, mehr Bes hutfamkeit und auch mehr fanfte Aufrichtigkeit ſchuldig, als ich gebraucht haben würde, wenn ich einem meiner Freunde mein Urtheil über feine Schriften hätte eröfnen follen. Diefes hat mir

bange gemacht. Ich wußte auch, was man dem Helbengebidhte Ewr. Hochgeb. für einen Lobſpruch ertheitet, das Verdienſte genug dat, wenn es nur einen anbern Ramen führte, La France d’apres Nature ıc. bin ic) begierig zu leſen. Mich bäucht, Sie ſchreiben ftärker und gefälliger in biefer Sprache, als in ber deut⸗ fen; und wie felten findet man einen Scribenten, ber in vers ſchiedenen Sprachen gleich richtig, genau.und ſchoͤn fi ausdräde! Ihre Heine Satyre auf meine gar zu große Autorbeicheibenheit will ich verbient haben, weil fie in Werfen if. Ich bin nichts weniger als unempfindlich gegen ben Beifall ber Klugen, unb alöbenn gegen der Welt ihren; ich fühle ihm nur gar zu fehr; allein ich weis auch, wie ſchwer er zu verdienen, und noch mehr, wie ſchwer er in die Länge zu behaupten ift; dieſes macht mich mitten in dem Kügel des Lobes beſcheiden, bemäthig, oft gar verzagt. Darum, daß biefes Werk gut geraten ift, weis ich noch nicht, ob bas folgende auch gläden wird; benn ein jebes verlanget feine befondern Regeln, und biefe Regeln lehrt uns mehr die Empfindung als ber Verſtand; und was haben wir weniger in der Gewalt als unfre Empfindung? Ich fage oft zu mir, um mid) zu bemüthigen:

Gefegt, daß tauſend fi) im Ernſt für dich erklären;

Gefegt, dein Ruhm iſt groß, wie lange wirb er währen?

Ein Herz, das dieſen Tag bey deinem Rahmen wallt,

Wird oft den folgenden bey deinem Nahmen kalt.

Man wirb es endlich fatt, dich immer hoch zu achten,

Und hört ſchon denen zu, bie di zu flürgen trachten.

Entgeht ein Sterblicher wohl je ber Tadeiſucht?

IR nicht des andern Neid felbſt deines Ruhmes Frucht?

Der Kluge wird an bir bald boahre Fehler merken,

Und mit erbichteten wird fie der Neid verftärken,

Man hört den Gpötter an und liebt ihn noch dazu;

Denn daß du Fehler haft, gehört zu unfrer Ruh,

Ich will Ihre Banuferipte behalten, bis ich eine Gelegenheit finde fie dem Hrn. v. Red zu Überfenden. In den Augen eines Freundes, ber weis, daß wir in ber @il zu unferm Wergnügen bey ber Menge anderer Geſchaͤfte gearbeitet Haben, iſt ein Aufs fag, eine Schrift, immer noch ſchoͤn und leſenswerth, wenn fie gleich für die Kunftrichter in ber großen Melt nicht vollkommen genug iſt. Wenn ich Ihre übrigen Verbienfte um bie Wiffens haften und den Gtaat hätie, gnäbiger Freyherr, wie wenig wöärbe ich mid um ben ungewiffen Ruhm eines Autors befüms mern! Ich würde die Ehre, ein Gönner, ein Veſorderer, ein Belhüger, ein Kenner der fchönen Wiſſenſchaften und des Ge— fhmads zu ſeyn, höher fchägen, ald ben Ruhm eines Autors, eines Geichöpfs, bergleihen bie Welt nur wenige braucht, und bie das, was fie find, zumal in ber Beredſamkeit und Poeſie, mehr durch eine Freygebigkelt der Ratur, und durch gewiſſe zu⸗ fällige Umftände, als durch ihre eignen Werbienfte find. Haben ie nicht ben erften Ruhm? Und wollen Cie denn den anbern in allen Arten ber Berebſamkeit und Dichtkunſt Haben? Iſt das nicht zu viel gefordert? Verlangt nicht jede Kunft, und oft in jeder Kunft eine befondre Gattung berfelben, einen Dann allein? ®ar Ia Fontaine, Molitre, Racine, und taufenb anbete, waren fie in allen Gattungen der Gedichte, Gchöpfer, und Autores? Vergeben Sie mir meine berebte Aufrichtigkeit. Ihe Anfehn, Ihre Berdienſte find mir zu koſtbar, als daß ich in die Ausgabe Ihrer Manufcripte, fo wie fie find, willigen follte. Ich fchäge Ihre Freunbſchaft unendlich Hoch; allein ich will fie Lieber vers lieren, ald wider meine Empfindung Ihre Dlanuferipte von ges wiſſen Fehlern frey ſprechen. Endlich komme ich zu einer Stelle in Ihrem Briefe, die mein ganzes Herz bewegt. Sie wollen meiner alten Mutter eine Beine jährliche Penſion ertheilen. Bott welche Freude wird fie über diefe ſeltne Großmuth haben! Mic wich fie die göttliche Worfehung preifen und für ihren Wohlthä-

ter mit zitternden Händen beten! Aber wer weis, wird diefe FZreude nicht felbft ihrer Gefundheit ſchäͤdlich ſeyn? Sie wird fragen, wie fie zu dieſem Slück koͤmmt. Sie wird es mir nicht glauben, daß ein Frember freywillig fo großmüthig ſeyn Tanz fie wird weinen Ich lebe meine Mutter zu fehr, als daß ich ihr Alter nicht auf alle Art moͤchte erleichtert und verfhßt wiffen; aber wenn ich nun Ihe Anerbieten annehme, wodurch werbe id} bankbar ſeyn innen? Dieß ift mein Kummer! Nicht viel, liebſter Herr Baron, das bitte id; und wänfde Ihaen alle das Vergnügen einer guten That, das immermehr edle Herzen ſchmecken koͤnnen. Meine Mutter wirb nicht lange mehr leben Ich werde unrubig, je mehe ich vergnügt ſeyn ſollte. Warum ſoll ich Sie richt von Perſon kennen ? Ich bin mit der vollkommenſten Hochachtung und Erkenntlichkeit, u. ſ. f.

Chr. Fürhtegott Getlert.

12. an Borhwarb.

2. d. 21, Dee, 1751,

I He Unfall hat mich nicht fehr gerührt; aber ben Habe ich bebauert, ber fo nieberträchtig hat ſeyn Tönnen, ſich fein Glück durch den Berluſt des Ihrigen zu erfaufen, unb weder ben Bors wurf bes Wernünftigen, noch feines eignen Herzens zu ſcheuen. Bie Sie unglücklich ſeyn, iſt in einem gewiſſen Verſtande ein Glück, und ben Unfall, wie Sie, ertragen, ift eine Ehre, und eine fihere Anwartſchaft auf ein größer Gtüd. Freylich muß es fehr weh thun, fi verleumbdet, und eben dadurch ſich eines Am⸗ tes entfeget zu fehn; aber die unſchuld iſt doch allegeit ein heim⸗

s Udher Aroſt, auch che fie gerettet wich, und

gewiffe Weisheit, die und alle Schulen nicht Ichren Zönnen, eine Stärke des Geiſtes, die wir feiten in feeubigen Tagen, und beys nahe allein in Ungewittern, erhalten. Kurz, es giebt gewiffe traurige Begebenheiten in dem Syſtem unfers Lebens; anfangs find fie ſchreckliche Räthfel, und nach und nad) klären fie ſich in lauter helle Bewelſe der göttlichen Borfchung auf, machen unfern Verfiand heitrer und unfer Gerz feſter. Gines folhen Ungläds waren Sie wertg, Cie und Ipre liebe Frau. Warum kann ich doch nicht in dem Augenblide bei Ihnen Weiden feyn, und-mit Ionen über Ihr Ungläd und über Ipren Feind triumphiven? Doch was? noch einmal bey Ihnen gu feyn? So gut wird mich wohl in meinem Leben nicht mehr werben, fo wenig ih Gie auch bey meinem kurzen Aufenthalte in Berlin genofien habe. Aber warum beſchweren Sie fich fo fehr über meine finftre Miene? Wie, wenn id mic über Ihre damals traurige beſchwerte? Es iſt wahr, ich bin in Berlin nicht fehr aufrieben gewefen; aber mein Körper, bie weite Reife, und die kurz angefehte Zeit que Reife waren Urfache und nicht ber Ort. Ich war unzufrie⸗ ben mit mir, und war es um beflo mehr, je mehr ich fah, daß es meine Freunde bemerkten. Vergeben Sie mir den Fehler, ich habe am meiften babey verlohren. Weberhaupt, Herr Hofrath, bin ich auf meinen Reifen unglücklich. Gin gewiffer Begrif, eine vortheilhafte Meynung, bie meine Schriften von mic erwe⸗ den, ‚gebt voran. Man hofft, ben fcherzhaften, ben muntern Mann zu fehn, den man in biefer ober jener Stelle angetroffen hat; man glaubt etwas zu fehn, das man ſich felöft entworfen hat, und man fieht bad Gegentheil, man fieht eine ernſthaft finftee Stirn, man hört einen Dann, ber wenig redt, und man glaubt, er würde viel reden, und lauter Sachen, bes Drudes

werth, veben. Diefes bemerke ich, ich fühle es, und fehe, daß ich meinem Ramen felber im Wege bin, ober wenigftens fehe ich, daß der Rame eine geroiffe Laft ift, die ich zu der Zeit am wes nigften tragen mag.

Ich fol den Winter wieder fhreiben? Nein, biefen Winter und vielleicht viele Winter und Sommer nicht. Warum hat man mir ein öffentlich Amt gegeben? Ich habe es zum voraus gewußt, daß das Amt den Autor verbrängen würbe; benn ich bin ein Genie, das durch eine einzige gemeßne Beſchaͤftigung zu den andern ungeſchickt gemacht wird. Unglüd genug für mich, ober doch Demüthigung genug! Der Gedanke, morgen werben dir wieder hundert Perfonen (denn mehr gehn nicht in meine Stuben) zuhören, unb wie willſt du fie unterhalten, und was wird das Beſte, das Nöthigfte von ben Dingen ſeyn, bie du ihnen fagen Tönnteft? der Gedanke, du mußt dir Mühe geben, figen, ftubiren, mühfam Iefen, ſchon der Gedanke, ohne die Aus⸗ führung beffelben, raubt mir die Munterkeit, bie Leutfeligkeit, die zu den Schriften bes Geſchmacks, wo bie Natur herrſchen folk, fo nöthig ift. Nunmehr mögen bie wigigen Köpfe ſchreiben, bie ünger und Zühner find, als ih, Ich will fie lefen, und bie Welt ihre Verbienfte fhägen lehren. Aber was ſchwatze ich fo viel von mir? Leben Sie wohl. Ich wiederhole alle meine Eins

pfehlungen aus dem vorigen Briefe, infonberheit an ben Herrn Sch. R. Buchholz, Herrn Sad ıc. und über beyde an Sie Uebenswürdige Frau, und bin zc,

®.

Gellert V. 3

18.°) [2. vermuthlich Dec, 1751]

Liebe Mutter,

Treuen Cie Sich, ich habe Ihnen eine gute Nachricht zu melden; aber id} werde Ihnen nicht gleid) fagen, wen fie ange⸗ het. Nein, ich will den Ausgang wie bie Romanfchreiber vers bergen, und &ie erſt durch den Eingang meiner Heinen Ges ſchichte neugierig machen. Bor einigen Wochen ſchrieb der Bas von Graufen in Schlefien, den ich nicht Eenne, einen Franzoͤ— ſiſchen Brief an mi, und bat mich, unter vielen Lobſprüchen, um mein Urtheil über gewiſſe Schriften von feiner Arbeit, bie er wollte bruden Laffen. Ich fah die Werke an, unb fand fie des Druckes nicht werth. Diefes ſchrieb ich ihm, und fagte mit großer Beſcheidenheit, daß fie mic nicht gefielen. Die andere ‚Härfte feines Briefs beftand aus Anerbietungen. Er verſicherte mich, daß er mir gar zw gewogen wäre, baß er mir gar zu gerne bienen wollte, und daß ich ihm eine Freude machen würde, wenn id ihm eine Gelegenheit dazu gäbe. Er wollte ſich beö- wegen bie Freyheit nehmen und einige vertraute Kragen an mich thun: ob ich verheicathet wäre, ob ich Kinder hätte, wie hoch fi) meine Einnahme beliefe, ob ich jemanden zu verforgen hätte. Ich beantwortete dieſe Familienfragen fehr kurz, bebankte mich für feine Großmuth, und bat, baß er fie in Freundſchaft vers wandeln möchte. Ich glaubte, er wollte durch feine Gefälligkeit nur meinen Beyfall und meine Erlaubniß, ſich bruden zu fehen, erkaufen; ich ſchlug alfo alles aus; benn ich Hätte zu feiner Aus torhige nicht ja gefagt, und wenn er mir ein ganzes Ritterguth angeboten hätte, Ich Tonnte natürlicher Weife keine gute Wire Zung von meiner Antwort vermuten; dennoch iſt fie erfolgt.

°) (Gellerts gamilienbriefe.)

Der Herr Baron fehrieb mir, und war über meine graufame Aufrichtigkeit befhämt und entzüct zugleich. Kurz er glaubte, ‚daß ich recht Hätte, und daß ihn die Schmeichler zur Unzeit ges lobt hätten. Er kraͤnkte ſich, daß ich feine Anerbietungen aus⸗ gefchlagen hatte, und fragte mich, ob ich ihm nicht erlauben wollte, baß er Ihnen, liebe Mama, jährlich eine kleine Penfion bis an Ihe Ende ausfegen dürfte. Diefe Erlaubniß Habe ich ihm gegeben, weil fie für mich rühmlich iſt. Ia, liebe Mama, ich freue mid, daß ein Fremder, der mich nicht anders als ben Schriften und bem Rufe nady kennt, mir dadurch feine Achtung und feine Liebe zu erkennen geben will, daß er gegen &ie aufs merffam unb gütig it. &o hat der Ruhm, der beſchwerliche, mir oft entfeglihe Ruhm, doch endlich etwas ausgerichtet, das mir Lieb feyn muß. Der Herr Baron Graufen hat Ihnen jährlich) 50 Gulben ausgefegt, und mich an ein Paar Breslauer Kaufleute geriefen, bey denen ich in ber Leipziger Ofter- und Michaelis: Mefle das Geld gegen einen Schein heben laſſen fol. Damit Sie nun feine Freygebigkeit gleich genießen, fo ſchicke ich Ihnen bie Häfte ber Penfion, melde zu Dftern gefällig iſt, naͤmlich 25 Gulden, zum voraus. Ich Tann den Verlag fehr leicht über mich nehmen, weil ich meine Penfion aus Meißen auf ein halbes Jahr unlängft erhalten habe; unb noch dazu einen Termin, der älter ift, als der Befehl, auf den ich nicht habe hoffen Tönnen, weil ich nicht wußte, von welcher Zeit an meine Penfion, bie vor mir ein Profeffor in Wittenberg gehabt hat, erlebigt worben; denn es ſtand im Befehle: Won ber Zeit an, ba bie Penfion offen worden, Gott fey für alles gepriefen! Er gebe Ihnen ruhige Beyertage, unb ein gefundes und zufriebes mes neues Jahr! Diefes wünſche ich von Herzen und bin Ihr lieber Sohn ©. 8. Gellert.

3.

28.

An ben Freiherrn von Srauffen.

e. den 12. Ian. 1752.

HOochgebohrner Freyherr,

Sie thun mir Unrecht, wenn Sie glauben, daß ich über Ihren Brief empfindlich geworben wäre, Nein, nicht einen Augenblid. Gleichwohl muß ich Ihnen durd meine Antwort Gelegenheit zu biefem Verdachte gegeben Haben, und es ift meine Gchuldigkeit, Ihnen diefen Fehler abzubitten; er mag nun aus ber Gilfertig- keit, mit der ich den Brief gefchrieben, oder aus einer unzufried⸗ nen Stunde hergelommen fegn. Aber vielleicht haben Sie auch meine Befcheidenheit und den Kummer, daß Ihnen Ihre Große muth gegen meine Mutter in die Länge befchmerlich fallen Tönnte, für unzufriedenheit angefehn. Glauben Sie nicht, daß es fchmerzt, wenn man eine Freygebigkeit von einem rechtſchaffenen Manne annehmen fol, ohne ein Mittel zu haben, ihm feine Erkenntliche Zeit zu zeigen? Aber, werben @ie fagen, ich habe es Ihnen ja freywillig, und ohne @egendienfte zu hoffen, angeboten. Gut, iebfter Herr Baron, wenn ich Ihnen dadurch einen Beweiß von meinem Vergnügen über Ihre auferorbentliche Worforge gegen meine Mutter geben Tann, daß ich in Ihre großmüthigen Ges finnungen willige, und bie von Ihnen beftimmte jährliche Pens fion von 50 Gulden annehme: fo will ichs dieſen Augenblid mit ber größten Dankbarkeit thun. Glauben Sie nur, daß Sie biefe Bohithat der dankbarſten Frau erweifen, bie nicht aufhören wich, Ihnen die Belohnungen von Bott zu erbitten, bie man ber Groß—⸗ muth gönnt. Ich Tann es nunmehr kaum erwarten, ihr biefe erfreuliche Nachricht zu geben, bie ihr boppelt Lieb feyn muß, da fie ſolche von mir erhält.

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Ja, ber Autor ber metallurgifchen Chymie ift mein Bruder, und ein paar Jahr älter, als ich. Er iſt ehemals Profeffor Abs junctus in Petersburg zehn Jahr gewefen, und feit fünf ober ſechs Jahren mit dem Pröfeffor Heinfius wieder zurück gekom⸗ men. Er lebt in Freyberg bey dem Bergwerke, weldes feine Sache ift, und genießt eine Meine Penfion vom Hofe. Cr ift nicht zufrieden, daß man ihm Feine ordentliche Stelle im Berg⸗ eollegio giebt, die man ihm verfprochen hat; und ba er einige gute Vorfchläge nad) Neapolis zu gehen, befommen hat: fo weiß ich nicht, ob er fie nicht annehmen dürfte, Er hat mir ſchon lange befohlen, Sie von feiner Hochachtung und Ergebenheit auf das feperlichfte zu verfihern. Mein Bruder, ber Wechtmeifter, dankt Ihnen gehorfamft für ben rebnerifhen Glückwunſch, und empfiehlt fi Ihrem gnädigen Wohlwollen,

Aber was haben Sie in Ihrem neuen Werke Gutes von mir gefagt? Nur nicht zu viel. Unterbrüden Sie lieber Ihren Lob⸗ ſpruch, ald daß Sie mich dem Neide ausfegen. Glauben Sie nicht, daß ich fo begehrlich gewefen bin, dieſes Werk im Manus feripte zu lefen; nein, id bat nur um ein gebrudtes Exemplar, und biefed werden Sie mir zu feiner Zeit ‚nicht verfagen. Ih verſpreche Ihnen eben diefe Autorfreygebigkeit, fo bald ich wieber etwas herausgebe; doch fürchten Sie fih nicht, es wird nicht fobald gefchehn, ich bin bes Autors ziemlich müde, Ich fehe unter Ihren Manuferipten eine poetiihe Erzählung von dem Eofadifchen Mädchen; ich fchließe daraus, daß Ihnen das Leben der ſchwediſchen Gräfin nicht mipfallen hat. Darf ich Ihnen fagen, daß ich® gefchrieben habe? Sie haben Recht, wir machen die Poften rei, wenn wir unfern Briefwechſel fo fleißig forte fegen. Ic will Ihnen alfo verfpreden, nicht eher wieber zu fhreiben, bis Sie es ausbrüdtich verlangen. Wielleiht veife ich auf einige Tage nach Haufe, um meine liebe Mutter mit. ber freudigen Nachricht felbft zu überfallen. Wie ſchoͤn wird fie

erfägredten! Leben Sie wohl, Liebfter Herr Baron, glücklich bis zum Neide! Gönnen Sie mir ferner Ihre Gewogenheit. Ich bin mit ber vollkommenſten Hochachtung und Freund⸗ ſchaft, PR x

ergebenſter Gellert.

20. Un denſelben. 2. 16, Febr. 1752, Hochgebohrner Freyhert,

Sie beſchaͤmen mich durch die edelſte Art des Wohlwollens, mit der Sie fortfahren, mich zu beehren; und ich bin unruhiger, als jemals, daß ich kein Mittel weis, Ihnen meine Ergebenheit und Dankbarkeit zu beweifen. Ich weis zwar, daß Cie zu groß find, bie lezte von mir zu verlangen ober zu erwarten; aber darum hört weder das Verlangen, noch meine Verbindlichkeit auf, fie Ihnen zu zeigen. Doc was beunruhige ih mi? Sie wiffen e8 gewiß, daß ich ein Herz habe, welches gegen Rechts ſchaffenheit und Großmuth empfindlich iſt; Sie würben außerdem weder mein Freund noch Gönner ſeyn..

Wer iſt der Gelehrte, ber ſoiche betraͤchtliche Critiken über Ihr Manufcript angeſtellt hat? Wohl dem Buche, in dem man nichts tadeln Tann, als Zaß der Verfaſſer nehmlich und nicht naͤm lich ſchreibt! Ich will es gern glauben, daß Ihr Richter aufrichtig geurtheilt und gelobet Hat; aber eben deswegen hätte er nit an fo unausgemachte Kleinigkeiten denken, -fondern lies ber nichts tadeln follen. Die Gewiſſensfreyheit in der Rechts

, »

ſchreibung mäflen wir gelehrten Männern allemal laſſen. Ihre Sprache Tann immer ſchoͤn und richtig feyn, wenn glei bie Buchſtaben nicht in allen Worten ben unfern gleichen. Darf ih fragen, hochzuverehrender Herr Baron, wie ſtark biefes Merk ungefähr werben bürfte; was fein genauefter Inhalt if; und was Sie dem Verleger für Bedingungen vorfhreiben? Doch was - frage ih? Es wird Ihnen nicht an Werlegern fehlen. Für bie Drudfehler wollte ich beynahe ftehen, wenn ich einen Verleger hier in Leipzig wüßte, Allein biefes Geſchlecht fucht nicht blos gute Schriften, fondern Schriften, bie fie bald reich machen. Und wo fie biefes nicht vermuthen, fo fehlt bem Manuferipte alles.

Ihr Urtheil über bie ſchwediſche Gräfin bemüthiget mich, und doch danke ich Ihnen unendlich dafür. Ginem Wanne, ber feis nen Zabel nicht zurüd hält, bem kann ich bey ſolchem Lobe befto uverfichtlicher trauen. Den erſten Theil habe ich in meinem Herzen, unb auch gegen meine Freunde oft verflagt. Den ans dern Bann ich leiden und leſen.

Ich bin mit der erfinnlichften Hochachtung

Ewr. Hochgebohren gehorſamſter Diener C. Furchtegott Gellert.

. un denfelbenm e. d. 15. März 1752,

Sie wollen mir Ihre Politik gufhiden, Herc Baron? Wie fehr gefatle ich mir bey dem Vertrauen, bad Sie in mic, feren!

und wollte bodh der Himmel, baß iche nach meinem Wunſche, und volllommen, erfüllen Tönnte! Ja, gütiger Gönner und Freund, ſchicken Sie mir Ihr Manufeript, ich will die Durchſicht über mich nehmen, ben Drud und alles das beforgen, was mir Ihre Ehre, Ihr Vertrauen, der Geſchmack, Oochachtung und Ergebenheit befehlen. Ich will ſtolz feyn, wenn Ihr Werk den Beyfall der Kenner erhält, und in Ihrem Ruhme eine Wolluſt fühlen, die mir mein eigener nicht gewähren kann. Es foll nad Ihrer Ausrechnung dreyßig gebrudte Bogen befragen? Wird dieſes nicht ſchon ein ſehr ſtarker Detavband ſeyn ? wird ſich nicht mancher Verleger an die Stärke des Werkes ſtoßen? Und wie, wenn id} eben deswegen nicht fo glüchich bin, einen zu finden? Doch ich mag biefen Gedanken nicht wiffen, der meiner Begierde, Ihnen zu dienen, fo fehr zuwider iſt. Ich will feinen Grofchen für das Manufcript fordern, wenn ich nur einen guten Verleger auftreibe. Haben Sie Barrentrappen ben Titel des Buchs ger meldet? Wenn biefes tft: fo wird Ihr Rame nicht verſchwiegen bleiben. Ich Senne Heren Warrentrappen. Politik für bie Prinz gen, fcheint mic kein guter Titel gu feyn; ber andere ſcheint mir zu poetiſch. Wielleicht finden Sie einen Titel, der eben fo viel in andern Worten fagt. Ich bin unruhiger, ald wenn ich felbft ein Autor werben wollte; und meine Unruhe ift nichts, ald Hochs achtung und Liebe, Diefes fage ich Ihnen auf mein Gewiffen. Ich weiß es geroiß, daß Grünblickeit und Gelehrſamkeit in Ihrer Schrift herrſchen werden; und wie froh will ich ſeyn, wenn bie Schreibart, ber Vortrag, eben fo lebhaft, fo fhön, fo natürlich neu find, als die Sachen grünblich find! Auf diefe Weife muß ba6®uch (Ieotorem delectando pariterque monendo) nothivene big gefallen. Möchte es doch an Ihrer Schrift wahr werden, was unfer Horaz von einem bortrefflichen Werke überhaupt prophezeyht: Hic meret aera liber Sosils, hic et mare transit Et longum noto soriptori proregat aevam.

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Doch es ift wohl nicht allemal gewiß, daß ein gutes Buch ben

Verleger reich machet, und über das Meer, oder zu ben Auslaͤn⸗

dern, geht. Indeffen erlebe ich dieſe Freude, biefe vieleicht uns

verdiente Ehre, an meinen Beinen Werken, und ich wollte fie gern mit Ihnen teilen, allein mit Ihnen, Herr Baron. Eben jegt erfahre ich durch eine Nachricht von dem Herrn Profeflor

Gärtner in Braunfhweig, daß bie ſchwediſche Gräfin in London

in das Engliſche überfegt wird, und zwar durch bie Beſorgung

des Verfaffers der Glariffa, des Seren Richardſons. In dem

Mercure de France habe id unlängft gelefen, daß der größte

Theit meiner Fabeln und Erzählungen in Frankreich bucch ben

‚Herrn von Niverie, einem Mitgliebe ber Akademie zu Amieng,*

Überfege und nachgeahmt ifl. Die erfte Babel war eingerüdt

und ungleich beffer, ald bie Straßburger franzöfifche Weberfegung.

‚Herr Klopſtock, der Verfaſſer des Meffias, hat mir fhon im vor

tigen Zahre gemeldet, daß meine Fabeln decht gut in das Där

* nifche überfegt feyn follten, nebft etlichen Gomöbien; von welchen auch zwo zu Paris im vorigen Jahre überfegt feyn follen; allein ich habe fie noch nicht gefehn. Vielleicht verfchönern mich meine

Ueberfeger, vieleicht verſchlimmern fie mic. Beſchwerlicher Ges

danke der Eitelkeit! Wie oft wünfche ich heimlich unbefannt zu

fegn! Aber fo hätte ich ja Ihre und vieler andern wadern

Männer Gewogenpeit nicht erlangt Ich bin mit der

erfinnlichften Hochachtung

Ir. Hochgebohren Ewt. Oochseboh gehorſamſter Diener Gellert.

P. 8. Fuͤr ben ül icten Wein danke it ven gehorfamf Fark id Ten Ihre ne ei me hohen Grade; und wodurch werde ich fie Lünftig verdie— nen Tönnen? Gott gebe, daß mich diefe Arzney gefund made, und daß e6 der Hand wohl gehe, aus ber ich fie erhalten be!

=. un benfelben

e. d. 2, März 1752,

Ich babe Biefe Bevertage meine gute Mutter in deonchen, denn ſo heißt meine Vaterſtadt, beſuchen, und mich oft mit ihr von Ihnen, liebſter Herr Baron, unterhalten wollen; allein das ganze Syſtem meiner eingebildeten Freude iſt ſeit etlichen Wo⸗ hen zerſtoͤret worden. Mein Hypochonder quaͤlet mich in dieſem unglüdlihen Donate außerordentlich, und am meiſten in ber Nacht. Nunmehr darf ich Feine Reife von acht Meilen bey einer fo übeln Jahreözeit wagen; unb gleichwohl ift ber Mangel ber Bewegung eine geringe Urfache meiner Beſchwerung. Ich bitte Gott, daß er Sie das Uebel, das Sie ehtbem ebenfalls gebrüdt Hat, nie wieder wolle fühlen laſſen, und baß mich bie Argney, die Ihnen geholfen hat, und die ich von Ihrer Hand empfangen habe, wenn es möglich ift, wieber herftellen mag. Ich danke Ihnen fo oft dafür, als ich davon trinke. Vielleicht gehe ich biefen Sommer in ein Bab; denn was ift bad Leben ber Men ſchen ohne bie Geſundheit?

Auf Ihr Manufeript freue ich mi, und Ihre Gewogenheit ift aud in meinen traurigften Stunden noch eine Art der Bes ruhigung für mid. Ja, fie wird bereinft in meinem Leben, wenn es meine Freunde ber Welt erzählen, die merkwürbigfte und rühmlichfte Begebenheit ſeyn. Ic bin mit der vollkommen⸗ fen Hochachtung und Ergebenheit

Ewr. Hochgebohren verbundenfter Diener und Freund 6. 3. Sellert.

2. un denfelben 2. d. 19, April 1752.

Hocgebohrmer Freyherr,

Die Unruhen der Meffe, und eine Reife, die ich gu meiner Gefundheit nach Dresden gethan, haben mich verhindert, Ihnen eher, als heute, zu antworten. Und was foll ich Ihnen, theuers fer Freund und Gönner, auf alle bie ſchoͤnen Briefe fagen, bie ich feit etlihen Wochen von Ihnen erhalten habe, infonberheit auf ben legten, in welchem Ihr ebles und großgefinntes Herz fo nachdrücklich gefprochen Hat? Gin Mann, der im Unfalle fo denkt, wie Gie, iſt es werth daß man ihn verehrt und nach⸗ ahmt. Sie haben in eben diefem Briefe mich durch allers hand vortreffliche Regeln angewieſen, die Hypochondrie zu erſti⸗ den, und id} bin ſehr von dem Werthe Ihrer Worfchriften übers zeugt, je mehr ich fe aus eigner zwoͤlfjaͤhriger Erfahrung habe kennen lernen. Demungeachtet will es mein Gchidfal feit neun Wochen haben, daß ich biefe Plage geboppelt und durch Gebulb ein Uebel verehrten fol, das ich durch die gewöhnlichen Hülfs⸗ mittel nicht dämpfen Tann. Meine Reife ift elend geweſen, und alles Vergnügen des Frühlings, ber Freundſchaft, des Umgangs, bem ich entgegen geeilet, ift mir unter einer fteten Bellemmung der Bruft ohne Reiz und ohne Geſchmack vorgelommen. Ich bin erft feit geftern zurück und bereue meine Reife, bie is doch in der beſten Abſicht unternommen. . 2 2 oo.

Bär die überfchiete Penfion danke ich Ipnen im Namen meis ner guten Mutter unterthänig, und mit aller ber Empfindung, die man einem großmüthigen Freunde und Wohithaͤter ſchuldig . DO warum Tann ich Ihnen doch meine Dankbarkeit und

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meine Hochachtung nicht auf bie vollkommenſte Art fehen Laffen! Ich glaubte, ich würde Ihnen, liebfter Herr Baron, wenigftens bey Ihrer Pringenpolitit einen Beinen Dienft erweiſen können; aber ich fehe, ich foll die Wolluft nicht haben, dem zu bienen, dem ich vor taufend andern gern dienen wollte. Die Buchhaͤnd⸗ ler, mit benen ich geſprochen, und von benen ich es am erften erwartet, daß fie mir das Werk drucken würden, haben mir das Danufeript mit ausſtudirten Entſchuldigungen wieder zurüd gegeben. Vermuthlich haben diejenigen Auffeher, bie fie bey ihren Manufcripten allejeit um Rath fragen, Sein günftig ur— theil davon gefällt. Ich will noch etliche Werfuche wagen, um alles gethan zu haben, was meine eigene Beruhigung fobert. Das Werk felbft habe ich durchgeleſen, und mir fogar bie Frey⸗ heit genommen, in ber Einleitung hier und ba etwas auszuftreis hen, ober ein Wort einzufchieben. Allein meine freundſchaftliche Verwegenheit hat mich ſchon oft gereut. Wird aud der Herr Baron, dachte ich, mit deinem Gefhmade zufrieden feyn? Bift du nicht zu ſtolz, daß bu ein Wort von feiner Hand verbeffern willſt? wird nicht die Gchreibart ungleich werben ? wirb er biefe ober jene Stelle wohl verlieren wollen? Kurz ich habe die Feder bey dem Ende der Einleitung niedergelegt, und id; bin zu furchtſam, als daß ich Aenderungen machen follte, ohne fie Ihnen erſt zu zeigen, und Ihren Ausfpruch zu erwarten. Rein, Ihre Zreundfchaft ift mir zu fhägbar, ald daß ich das geringfte ohne Ihre Einwilligung wagen follte. Die Sachen Ihrer Politik find alle [hön, und der Vortrag als ein münblicher Unterricht, für einen jungen Prinzen, ſehr bequem, nur weiß ich nicht, ob ee zum Lefen für die Welt angenehm und gefällig genug ſeyn wird. Sie verbienen ber Lehrmeiſter des beften Prinzen zu wers den, und ich weiß gewiß, daß Sie fein Herz und feinen Berftand mach der abgefaßten Vorſchrift vortrefflich ausbilden wirben, wenn auch biefe Worfchrift der Welt im Drude nicht merkwürdig genug

feinen ſollte. Ich in meinem Herzen wüͤnſchte taufendmal les ber, Ihr Schidfal möhte Sie zu dem Auffeher über die größten Prinzen beftimmt haben, und nicht bloß zu einem Geribenten von der Etziehung derſelben. Beehren Sie mich bald wieder mit einer Antwort, und entziehn Gie mir nichts von dem Ver⸗ trauen und der Gewogenheit, bie Sie mir geſchenket, und die ich noch fo wenig verbienet habe. Ich werde mein ganzes Leben hindurch Sie verehren, und vor taufend andern ſeyn

Ewr. Hochgebohren gehorſamſter Diener Gellert.

24. 3. 8. dFreihert ©. Gronegt an Gellert. Hopentrüdingen d. 16, Juni 1752.) Verehrungswurdiger Freund, Ich habe Leipzig verlaffen mäflen, ohne Sie zu fehen; ohne von Ihnen Abſchied nehmen zu Lönnen; ohne Ihnen bey unfern legten Umarmungen wenigftend durch Thränen fagen zu können,

wie ſehr ich Sie liebe, Ich bin von Ihnen getrennt, und foll die großen Worzüge Ihres Geiftes, und die noch größern Vor⸗

®) (Bon ben Herausgebern dee Sammlung von 1774 wohl irr⸗ thuͤmlich in d. 3. 1758 geftellt. Cronegk verließ Leipzig 1752; im 3. 1753 machte er eine Reife durch Stalien und Brank PA der ex erſt Ende des Jahres in feine Heimath zurüde

te.

,

süge Ihres Herzens Tünftig nur aus ber Werne verehren. D wenn ich Ihnen ſchreiben koͤnnte, wie empfindlich mir biefes alles faͤlt? wie fehr ih Sie hochſchäte.

Ich bin auf dem Lande bey meinen Xeltern, und wenn id an ben Plan vom Eandleben benke, den wir einmal zufammen machten, fo feufze ich fo fehr, daß man mir Schuld giebt, ich hätte eine Geliebte in Leipzig zurädgelaffen. Aber alsdann fange id) an von Ihnen zu reben, und ba bin id) fo unerfchöpf- U, daß fogar die Bedienten, die bey ber Tafel aufwarten, untereinander ſprechen, fie möchten doch den Dann gern Eennen, von bem der junge Herr fo viel fage, und bey beffen Erinnerung ihm immer die Ihränen in bie Augen kaͤmen.

Ich bin zeither durch Reiſen nach Anſpach fo zerftreuet wor⸗ den, daß ich kaum Zeit zum Denken gehabt; fonft hätte ich Ihnen ſchon cher gefchrieben. Keine gereimte Zeile, feit ich Leipzig verlaffen.

Es hängt bie früh begriffne Leyer

An ſchwachen Aeſten blaffer Cypreſſen.

Benettt von ſtillen zaͤrtlichen Thraͤnen, Ertönen die ſchlummernden Saiten nicht mehr.

Ich [hide Ihnen meinen Scipio und einige andre Kleinig- keiten. Vertreten Sie auch noch entfernt das Amt meines Lehr vers, und fagen Sie mir bie Fehler biefer Stücke, wenn fie nicht zu viel Fehler haben, als baß fie ſich verbeſſern ließen. Auf biefen Fall aber ſchicken Sie mir fie wieber, und ich vers ſpreche Ihnen, fie augenblictich zu verbrennen, Ich fege noch immer mein Vertrauen auf Sie, und hoffe, Sie follen mid nit ganz vergefien. Vielleicht verdiene ich Ihre Freundſchaft fonft durch keine gute Gigenfhaft: aber mein Herz iſt fo voll von Zärtlichkeit und Dankbarkeit gegen Sie, daß ich noch ba= durch einen Plag in Ihrem Andenken verbiene,

Empfehlen Sie mid; dem Heren Grafen von Bräp!, Ihrem Herrn Bruder und dem ſchalkhafteſten und Liehenswürbigften aller Steuerreviforen. Ich weis, daß Sie nicht gern Briefe ſchrei⸗ ben, und ich will nicht fo unbefcheiden ſeyn, auf fleißige Ants worten zu bringen. Erlauben Gie mir nur, bisweilen Ihnen zu reiben. Leben Sie wohl. Ich bin zeitlebens

Ihr

aufrichtigſter Freund und Verehrer, von Cronegk.

25. Un ben dreiherrn von Erauffen, & b. 15. Juli 1752,

Hocgebohrner Freyherr,

Ich will Ihren letzten vortrefflichen Brief nicht beantworten ; ih wit mid vielmehr für das Wergnägen bedanken, das Gie mir durch ihn gemacht haben. Könnte meine Hochachtung gegen Sie nody vermehret werben: fo würbe fie gewiß durch biefen Brief vermehret worben feyn; fo fhön war er.

Sept habe ih die Ehre, mit Ihnen von Ihrem Manuferipte gu fprechen. Ich ſchie es Ihnen mit zitternden Händen wieber zuräd; denn werben Sie bie Freyheit wohl gut heißen, bie ich mir genommen habe, hin und wieder etwas auszuftreichen, ba und bort etwas an ber Sprache zu ändern? und gefegt, Sie ließen ſich dieſe Dreiftigkeit gefallen, wird Ihe Merk beswegen etwas gewonnen haben; werbe ich bie gute Abfiht, Ihnen zu

Venen, erreicht haben? Rein, gütigfler Herr und Freund, ich Habe nichts gethan, als meinen Willen befeiebiget. Ihr Werk if durch ale meine Mühe, die ih auf bie Durchſicht verwandt, nicht ſchoöͤner geworben, als es vorher war, und ich Eränke mich, ap ich nicht fo gefchidt bin, mich um Sie fo verbient zu mas hen, als ichs ſchuidig bin, und als ich wünfche. Ich habe mich bemüht, bie vielfältigen Fehler Ihres Abſchreibers, und feine ungewiſſe und fi ungleihe Orthographie zu verbeffeen; aber werben fi) in ber neuen Abfchrift nicht auch wieder neue Fehler eingefchlihen haben? Ich muß Sie alfo bitten, bie Mühe bes Durchleſens noch einmal über fih zu nehmen. Ich thue noch mehr, ich erfuche Sie fogar, wenn Sie bey meinen Aenderungen die geringfte Schwierigkeit antreffen, daß Sie biefelben vergeflen, und Ihr erfled Manufeript ungeänbert dem Drude überlaffen mögen. Hier in Leipzig ift mird unmöglich, einen Verleger aufs zutreiben, und wenn ich taufend Thaler daran wagen wollte. 3a ich bin feft überzeugt, daß Sie weder in den ſaͤchſiſchen noch auch in Ihren eignen Landen die Erlaubniß des Drudes jemals erhalten werden. Die Aufrichtigkeit, mit ber Sie bie Wahrheit fagen; die Freymüthigkeit, mit dev Sie insbefondre von bem frangöfifcyen Hofe ſprechen; bie vielen Gemälde, bie Sie von ben Sehlern ber Megenten machen, und bie fich vielleiht auf viele noch lebende Herren ſchicken; alle diefe Wahrheit wird fo leicht keinen Schug finden; es wäre benn in einer hollaͤndiſchen ober englifhen Provinz. Denken Sie nur an bie einzige Stelle, wo Sie von den Rehtshändeln und ber Lift und Ungerechtigkeit zeben, bie Sie in Ihren eignen Proceffen erfahren haben. Wers den ſolche Wahrheiten in der Genfur gebilligt werben?

Kurz; Holland wird wohl der befte Ort für Ihr Manufcript feyn. Ich will mich von Herzen erfreuen, wenn Ihr Werk in den Händen junger Pringen feinen Ruhm erhält, und ben Ver— fland und das Herz folder Herren ausbilden hilft, die gebohren

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find, anbre glädlich gu machen. Der Zitel: Politik! ſcheint mir in Anfehung der erflen Capitel, etwas zw enge zu feyn? Es ift mehn, als die bloſſa Volitik; «4 iſt ein allgemeiner Un⸗ richt für junge Prinzen.

Schrwiehrchale seine Bitte noch einmal, liebfter Herr Bas von: wenn Sie das geringfte Bedenken bey meinen Aenderungen finden: fo behalten Sie Ihr erſtes Manufeript bey, das Sie vermuthtich doppelt haben werden, und Laffen Sie Ihre Gewo— genheit gegen: mic durch bie dreiſte und vielleicht unglüchich erfüßlte Begierbe, Ihnen zu dienen, nicht vermindert werben, Endlich vergeben Sie mir die Sangfamkeit, mit der ih Ihr Manufeript zutũck ſchicke. Ich Habe es keinem Fremden in bie Hände geben wollen. Ein Freund von mir, ein junger Gtus dent, hat es abgefihrieben, und länger damit zugebracht, als ich gedacht Häba: ° J

Sie find doch won Ihrem unfalle völlig wieder hergeſtellt? Ich hoffe es, ich wühfche es, und freue mich im voraus auf bie Gewipgeit miehnee Hoffnung. Wegen ber Gopfalien nehme ich“ nicht die geriugſte Erſezung an. Sind nicht ich, und meine Mutter Ihre -großen- Schufoner? Meine Gefundheit ift noch ſehr mittelmäßig; doch danke ich Bott, daß ich noch im Stande din, allemal über ben andern Sag auszureiten, unb mir eine Bewegung zu machen. Ich habe die Ehre, mit der erfinnlich- ſten Hochachtung zu fepn

. ‚Gier, Hochgebohren gehorſamſter Freund und Diener Gellert.

Gellert V. 4

Eiebfter Herr Baron, -

Wenn id recht Eeinmütpig, recht, unzufriel bin, und gar nichts ‚gutes an mic finden lann mir vor, daß gleichwohl -bie rechtſchaffenſten Freunde find; daß mic, bie Gärtner, bie Cracher, gel, bie Groned lieben; unb ich finde in diefen Namen. nicht allein eine fanfte Bewegung, fondern ich werbe oft fo ſton als ich vorher kleinmuͤthig geweſen war. Ja bad, ſpreche ich zu mir ſelbſt, made bir keine Sorge, du mußt gewiß mehr Ges ſchmack und Berftand haben, als du denkſt, du mußt gewiß ein gutes Herz haben, würden dich biefe Leute. ſonſt wohl lichen Zönnen? Alle zufammen Tönnen fi unmöglich, bettügen, und wenn fie ſich auch irrten, fo gehört es zu beinem @lüde, daß bu biefen Irrthum nicht einfehen ſollſt. So dachte ich, ungefehe auch, mein lieber Baron, als ich Ihren letten freundſchaftsvollen Brief in einer fehr mißvergnügten Stunde erhielt, und. ich fühls te, baß fi mein Unmuth verminderte, Wie fehr würde ich Ihe nen für diefen Dienft danken, wenn es nicht ließe, als ob ich mir dadurch die Verfiherung Ihrer Liebe, Ihrer ausnehmenden Liebe, in allen Ihren Briefen auf immer 'verpfänden und Ihren Beyfall an mich fefleln wollte!

Auf das Vergnügen Ihres Briefes folgte bald ein anderes. Ich fand etliche Tage darauf in der Sammlung vermifchter Schriften Ihre Ode an mich eingebrudt, Ich las fie, als ob ich fie noch nicht gelefen Hätte. Alles war mir neu, alles ſchoͤn,

°) (Aus dem Heyerſchen Nachlaß.)

und ich wünfchte mic Glü®, nAd auf eine ſolche Art öffentlich gelobt zu fehen.; ‚Meine. Eitelkeit ging nych weiter, ich las in der nächften Stunde, weil ich glei von den Schönheiten ber Dbe handelte, Ihre Dde vor. Ich bat meine Zuhörer um Vers gebung, daß id Herz genug hätte, ihnen meine eignen Lobs fprüche herzuleſen, und verfiherte fie, (0 wie ſchlug mic das Hera)‘ daß es nicht das Sob, fondern das geiſtreiche Lob wäre, das mir Ihr Gebicht ſchatdar machte.” Ich Tas, und Hatte Ihe’ eh Samen noch mieht genatint. "Rum war ich fertig and ſahe um mich herum und fahe mehr als hundert heltere Geſichter. Wer der Verfaſſet ift, fing ich an, ter der Poet ift, wollen fie wiſſen, ‚meine Berren? Sch antwortete :ihrien aus dem Quin⸗ tilkan fh der Dunkelheit "mit der er vof-Kinem ber Seribenten feiner '3ht-fpricht: Yir saectlorum memorla digkus, 'qui olim nominaBftur, nunc intelligitur. Doch nein, fuhe ich fort, ich kann ihnen feinen Namen nicht’ verfchwelgen, es iſt ber Here Baron von Groned, ber mir im vorigen halben Fahre noch bie Ehre erwieſen Hat;' mein’ Zuhbrer zu ſeyn; aber nicht meirien Regeln, fehkeih Genie iſt er feine Poefle ſchuldig. Si’praecepte darent eloguentiam, quis esset non eloquens? Na Herr Baron, ich wiederhole e8 Ihnen, Ihre Dde Hat mie aufferor⸗ dentlich gefallen und ich danke Ihnen: dafür, als 06 ich noch nicht gedankt ‘Hätte, Wo bleibt: Ihr Sleveland, und wo dlei⸗ ben · Ihte übrigen Werke? Soll ich warten, bis Ste Sitz und Stimme ini Hofeathe nehmen?

Ih weis Ihnen nichts mehr zu fagen, ale was ih Ih⸗ nen noch oft fagen werbe, daß ich ‚mich‘ nah Ihnen fehne und” recht von Herzen Ihr Freund‘ Hi,

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serm non Granffem

. Hochgebohrner Sm,

wie Tanga iſt es, daß ih Ihnen; nit gelchrieben· wier Wsdın: Sie mit auch biefe Genpfsligkeit vergrben? Ja auoiß; fo halb dd Shnen werde gefagt haben, daf-ich das Bab is. Lauchäpt vien Wochen. gebraucht, Diefe Sur, iſt big Urſache, bie wich, zeither am vielen Pflichten der Breundfihaft,: un Ge⸗ faligkit gahindert hat; .umb- wie gern babienk ſich nicht: rin Bationt vos aUgameinen Privilegii, ſich wenig bei der Mur zu balchaftian! Wet der Zucäeklunft. hat, mic bie Kranfärit-von weines Hruders Frau und endli ihr Tad non neusmm unge fit gemnacht, auch bie, nötkjgfen Gefhäffte zu. beſorsen. Ich weine nady, inbem ich dieſes ſchreibe, und jch ann. mich vom dem maͤchtigen Gedanken des Grahes kaum fo Jange frey wza⸗ chen, ‚um mit Ihnen zu reden; und gleichmohl:mängke ich das Ingte recht fehntühtig . .

ie find: wieder vom. Ihrem unfalke Bergpfette? vis ig "Satt. gedankt! was Iann- dr lieber hoͤren, als bie Machrichk, xon Ihrer Geſundheit und- Aufriebengeit? Ja ich glaube, daß ich Zonen ans be mehr Gutes gbume, als Sie ſich ſelbſt wun⸗ ſchen; und einem Manne von Ihrem Herzen alles zu. gönnen; mas gluͤcklich macht, dazu gehört fehr wenig Tugend, Möchte ich doch ſo glüdid, fepn, ‚jemals etwas zu Ihrem wahren Bere gnügen beptragen zu koͤnnen! Mein letzter Dienft if mehr ein. Wille zu dienen, als ein Dienft felbft gewefen, und id bin alfo immer noch ein Sgutbner des großmüthigften Freundes, ben ich und meine Mutter jemapls gehabt. Ich erzählete einem meiner beften Freunde, dem Herin Rittmeifter von Bülzingslöwen, ber.

mit mir im Bade gewefen, wmbS ber meine Mutter kennt, bie ebelmüthige Borforge, die Be für fie gehabt. Iſt es möglich, fieng er mit Thraͤnen an, daß es ſolche Menfchenfreunde giebt? Din Wo: möchte Ah Eennen, noch lieber möcht ich der Mann

Golan: dent ade mdne. . Cie‘ A ihren Mehithkter ver ehren 7 Dar Yange Beenf dankt Ihnen unterthänig, um ficht GR Funfzchen Bulden als ein Geſchenk an, bus’ cr gu feinem Dtudiven ammenden'foll. Ge "Eukntt fi, daß ar. bie Schretb· Meter naht: genug verudeden doch · Oir ſind ja ſalbſt ſo gmättg garneten, tu zu eaccuidig·

Gelben wii.undsin Dick Weis aicht Fehr: fo awerban: ie names gewiduin der Wiotgbeit: giauch Fegeamen;“ ifo ſchließt A dr herr Brit tt weicher Barpfindamng Habe Ich dieſen ea gelefen und wieder gelefen! Rein, in dielem /Leben werhe ich wohl fo glädtich nicht, Sie zu fehn: aber in einem feligern Aufenthalte umarme ich Sie ſchon im Geiſte mit Gntzüden und Frohlocken, mein theurefter Freund! Die Vorſicht erhalte Sie der Welt noch lange, und begläde Ihre edlen Unternehmungen, Ich verehre Sie, Ihe Herz, Ihre MWiffenfchaft und Ihre Ges wogenheit son mich, nd Halte es für mein Glück zeitlebens

Aber, „wir. leben: Cie. dennm, wmeinslichfken Fweunb: . Auhigee als ih} Ach ja, gewiß! Iqch bin var.ber Meſſe im Babeıge- wein, und glaubte midy:gu flärken; allein. ſeit dreg Sochen hin ich elender geweſen, als in. meinem ganzen Leben Ach Gast, was ift ein ſiechet Rörper-.für- zing:-Rufkh- ‚aber seine ſieche um niebergefchlagene Seele, welche Peiniſt Miches l Webausen Mile mich, mub beten Sie für midi; Gott racke. Ihren Gelundheit aumnb-Bufeiebenheit, Ionen und Inter licben Fraul : Grüßen. Sie ale meine Serunhe enfetigk.mnb ugebeaf um "8 ‚hin serien use

20. ' \ u An benfehbenn‘. . e. d. 27. Ian, 1753,

Ihr freundſchaftlicher / She vortrefliher Troſt hat cine Wirs Tung: auf mind" githan, die ich Ihnen nicht beſchreiben Tann, eine Wirkung, bie ce’ nicht hätte thun Zönnen, wenn er nicht aus der ebelften Abficht gefloffen wäre: Ic las Ihren Brief zweymal nad einander, und danke Gott. mitten unter meinen Beaͤng⸗ fligungen für das Glück, einen Freund, wie Sie, zu haben. Ich bewunberte Ihr empfindliches, Ihr mitleibiges Herz, und vergaß über bem Gefühle der Dankbarkeit, und über ben guten

Sanſchen für Ihre Mohlfahrh, "mein Ungemad) auf einige Beit ganz und gar. Ja, mein lieber Freund, Ihr Brief warb mir eine ber flärkften Urfachen, eine Reife zu meiner Mutter nach ‚und von bar nach Dresden, in ber Geſellſchaft eines Srubers vorzunehmen, ber mich fehr Lieb hat. Diefe Reife iſt mir wohl bekommen, Ich bin wenigftensgefünder, unb nicht So. webrrgefählagen. geweien, als zuvor. Was ann ich von einer Neife von zuiengig Meilen mehr verlangen? Genug, ich preife Sott, daß mein-Uebel dh gemindert hat. Ich fühle freylich feine Gegrawart noch; aber ich habe body mehr heitre Stunden, und felbft. die lhreclichſten find, weniger ſchrecklich. Wie gütig iſt die Borfehung! ‚und mem ift nicht meine ganze Seele Dante barkeit und ıtichel Ich will getroſt ſeyn, unb fein harten; der Ders Aber. alles. wirds mohl machen. .

Here Minigern hat. wich gebetgen, Eünftigen Srüpling bey ihen in Berlin: zugubeingen, und id; habe in ‚meinem Herzen fo darein gewitliget, wie man in eine Cache williget, die man wüpſche, and bie bey der Zukunft Aeht. Sollte ichs. thun: fo werhe ich Sie oft aulſachen und meine Ruhe und meinen Kum⸗ æer mit Ihnen. theilen; -bean ich mh, Cie Heben mich auch mac , wweun ih: Mage: :

: Grüßen Gis-bie Hebreiche Gefährtian Ihrer Bebens mit tau⸗ fend guten Erünfehen von mic, und nehmen Sie zugkeid für bie zetheilte: Radjeiät, im Namen meines Greunbes,: beh verbinbe

lichſten Dank von min an. Es hat alerbings.cine Ral In:ber Crmmı, rar 3% bin :her- u

" gedmbohrner Fasten, ,

. Die Kafeideigese, mitidee Cie im dem Ioptan: Mirkfe: fen Wyarakter entworfen, macht ihn -mır Kebehsrihubtger.: Sich To Cormen, wie Sie ſich Tonnen; und bab Herze haben, feine eignen Haller nicht zu verfähtneigen, bieibe alleinad vint zrohe Cigeuſchate arum fol ich endlich nicht glauben daß Wie zu fMteiigeigegen ch find, und das zum Grempei'als eine Hartnaͤcigteit it‘ Km Tehung Ihres freundſchafttichen Ehabatters bettanhkin; was doch vielmehr eine eble Freymuthigkeit tft? Aus "Linde: ſeinem Freunbe Nie Wahrheit trocken fagm, iſt eine ſeltae Wewbuikkeit) und Sam fir gleih nicht allen sangmehm.tftx.''fo: werden fit dech Biejenigen hochachten, Sie zur. Bueunkfdafs: gebaden And. Berrug, mein Belangen, Ihres näher Umgangs Tr geaichen, ‚If: durch Se. Strenge; mit ber Sie ſich in der Freumdſch aft / abſch ubern, nicht gemindert, ſondern net vermehrit geworhen And ich würde den Wunſch, Sie, theureſter Freund, in Lripſig zu wiffen, Hate aufgeben ,. wenn ich wünta, daß ze. Wir 'Wergntgen tete ſehr Hacker: linnte, als ich weis, daß arbasikiahiäge werben wärbe.: Doch würde ich auch in:mehien.jegigek Unsfläinben vies WR zenug / ſchmecken IBanen? Beiden: Hinrich imiuer noch mit der Hypochondrie ſeit dem. Schrauche det Lauchſtatgercwarcs außerordentlich beſchweret, uub meine Seele leidet mit meinem Körper zugleich. Ohne Munterkeit, ohne Lebhaftigkeit des Geis ſtes ‚arbeite ich mit vieler Mühe und wenigem Glüde, und weis kaum durch bie Nebel hindurchzudringen, bie ihn umgeben. She ichs denke, ermübet mein Körper, und brüdt bie Seele mit ſich nieder. Ich fürchte, weil ich feit einigen Wochen in der

ln ars, aud veni iaten Vube zur: verichlennerimaten In Sch BSuntturen autoitende "Gchawesem geſthlt habe, daB vieleicht wein webet gar An: wine Gliederkrautheit ausarten darfer. Ehhweitedch ec Gedaute! Doch der Setr, Ser unfer Sateſat re⸗ gieert mr verhängt, wieb ve machen, Wie mirs gut iſt, aud de Ergebung in feinen kim, fo ſchwer Me ber Ratur in Hans 0m Biden wich, iſt doch allezeit die Gicht und die Ehre eins Weihöpfen Ich habe viel GAR In der Weit, das ich nicht vewiene; und viel Qungthct wicht, das Sch Mellelcht verdient hadt; warum will id zagen? Ih will mir Ipse Stanspaftgiet: ih Unfaͤllaa ‘cin ge Peyſolel und "einen geheimen Kroft fegm tan. ©

gür.bie Seiten X die Sie une Übeofcyirket, Hamde: Ihr Zhuen erhebenſt mb wanſche Ihnen vor tauſend -Uffe dooh, ‚micht niss-Ani Shefem angeſangenen Jaher, ſondern in Streik ganzen Heben, "alte "die Birfehitienpeht , bie wir in Defeat gewiepen koͤnnen, und die, wo nicht immer, body. oft bie Weloh⸗ uang rechtſchaffener Naͤnnet zu feyn pflegt. Breſußen Sie wik Titmee mein Sehleeſal Mund) Ihre Gewogenhat. Ich bin geitlk va wit der empflablichſtea dochacuag ver Sorge i

WW Getlett.

—RX rivberr! Eu

> Bieten Welef’ dom 3. Februat IR davch meine /Anpaplichkelt and Nadkäfigkeit. fo lange liegen orten, daß ich den 1. en ol ein: Pokfcthpt vapı machen Bank. iu 3 ©

Die übedögitten. Weele von Zhrer —E— rk haben mir gang außerordentlich gefallen: Ich wilniche-fagen, daß eine ſtrenge Kritik nichts zu erinnern fände, dazu bin ich zu aufrichtig; aber das iſt gewiß, daß ein vortreffliches Feuer in diefen Zeilen herrſcht. Die Dichterin weis ihrem Gedanken einen

ılehr. feiern Sqhwang zu geber. nk. den. Wachbrudt mit derüäung- heit zur verbinden. Wet: Tann. man. mehr hegehren? eng, ‚nach meiner: Empfindung iſt in:biefem, Zieisten Gtüds:megn:pen- tiſche Sprache, als, ia mamhem::Otldemgebilkte, - bad. nsfen Bei⸗ Ar hervorhringen · Die ieben Kinder „hätte. ich mein: Syloia ‚uuägen vorſtelen fehanz ſie wurden oAmacht haben, ‚dan ich wer ‚wigftene einen Auahem. Tag meines Lebens meht gebabt hätte. Da ſie Ihren Beyfall verdient..pabenı ſo meis,ich guniß, daß ſe das Stach beſſer agirt haben, als ichs hier auf ber. Schar⸗ Ihöme aufführen ſebhe :

2eihder trinke ich auch Gaffee und rauche au obau⸗ & viel Gewalt ich mir anthue, beides mäßig zu gebrauden: fo-ift wiss dach beunahe unmöglich, eb gang.gur laſſen, weil id dabey Amdion: 8 if} mein täglicher Aummenz; denn wrder das eine moch das; andere kann unfezm Rörper. gms: mafewihlich ſeun. Aber ass für Gewalt hat nicht sine ſchredliche Sowohnheit über. un? Min HDaͤlliſches Apothekchen will ich gewiß, und zwar noch dieſe Woche aus Halle, verſchreiben. DE kende ben Hefrath Mabai, ber die Arten⸗ien ſelbſt befanget: Mas Eieknfte Bofkat Sechs Thaler, und wenn man kein Buch dayı mimmt,: des: Sie vielleicht ſchon haben, achtzehn Groſchen weniger. Aber für Sechs Thaler ift es nicht verſchloſſen, ich werbe alfo wohl eines für Acht Thaler ohne Buch verfchreiben. Wollen Sie bie Ar⸗ geneien gern wor ber Meffe Haben: fo win id ſehn, daß fie mein Serleger, wenn ex Bücher an Hr. Korn ſchidet / mit einfangen ‚unb: bequem fortfchaffen: Bann. In dieſem Iegen ‚Bee erwarte ih Ihre Br Außerdem fol die Apothelt his. zur Meſſe er. bleiben. Rh umpfehle. mich ver Bean vn Dub One Aa un bin ee

oritert.

3: fange. dien Brit mi —E— any daß ih Pr umendtih ebe; Dias win, main Onpy-und aunmeht will ich Ih⸗ nem gleich bie Avfachen :fagen, warum Gie biefe Meſſe weher einen Buief nach: die ‚verlangken Wücer erhalten haben. Ich reiſte den vierten Map mit Dorior, Zillingen, der Bademe⸗ dieus im Garlehade amd. mein Irrued iſt, dabin, ob er air gleich ‚nicht fehr dazu cieth. Ich reite (denn was wagt ein Blender ‚nicht, den bakk:fein Geiſt, hald ſain Koͤrner maztert), ich. veifte in. Gavlahad,; unb verarfison,. den zmanggfign d. M., bin ich weisber in Seipgig angekommen, nachdem ih dep Vo⸗⸗ Gen in Aunabeng,. ſowahl wegen day keiten Witterung, :.gls wegen bed Mangels de Kälte, fill: gelegen babe, und alsdenn drey Wochen im Bada chuveſen bin,. ‚Mom bean -Girfolge, de Gyr Tann jch Ihwen zur Beit nichts Sagen, ‚als deß ieh ſehr matt umb ekwas ſchlallos kin. -Ich verange. keine Oexſtellugg ber Geſundheit; nein, nuw-eine Peine Sinheuing,. Mochte #4; doch dem Vattz ber Menſchon gefallen « mg. mainen.:@aiß; au färken, das Seiten Dub Seibeh wii. ger. bie inzmein Meab- brager! Ach, main liebſter Fruund, welche Veraͤnderung ilt mit mir ſeit⸗ dem vorgegangen, Daß ish Eie nichs.geiehen babe! und welche wir git mir bold vorgehen, wen ſihs micht Ian: kurzen beffert! Es fheint, dab ich Gpir:in; Mefamn Beben: wagt nicht wieber ſehn

werde; -aber im, immer Melt will ich Sie unter den, Frauden ber

Bio aſelagin seiumphirnd umacwer, ah. Ahmenobrüberlidh dan ken daß Sia mic gelicbes hahen. m.Auu. °

Bey biefer Vorſtellung ſaͤut mir Ihr Yaung und der gute Hervey ein, an bie ic in dem letzten Wriefe nicht gedacht habe. Können Gie wohl. zweifeln, daß ich Youngen nicht fo

hochachten follte, als Sie ihn’ähten? daß er mid nicht mehr erbauen follte, ald.der Dichter bed Mehias? Wein, ich verehre Youngen, auch wenn ich ihn nicht verfiehe; denn ich ſchließe aus dem, ‘waß teiäft iſt, daß er auch ſchön und vortrefflich denkt, wenn er Ichwer⸗ tft. Er hat mich viert Me fun: Zittern mit

feinen: Minen Oebenten faengetiflen;' hits enftten in der-Mmmgfk mg erquiet. Bein Heberngtt, Sbert, ein Hortrefiiähee Kopf "UÜbt Pringeniaformater in Braiuſchweigh, If einer meiner ges föheteften Freumde. Et hat mich, ae er vor ade Jahren In Leiphig fubiete, das Engtliſche auichter und aus den erſten Wadern, u eu mit wiir Ind, wären weunge Satyrtne dEe NEE RU ME Here iſt mh weit unter" Youngs if. Wr Het ein frommes Liebes Berız aber fire ſchematifche stmb aurgothiche Art mich zu erbamen, TAB meine Empfindung lt, Ab.“ behßt mich Aus bama-wädklden 'KBlatte eilen. Inbefſen habe · ich ihn «effnitlat: gam duvchgtieſen! Dei ditſen titten, weiche wie Sheigen ind die Neinigen Tutd (TOrGRSM al ich Tebey, Stil 7308" mein Methets Aber UHR Belven Srzahlungen hin zufeden. Sie finb- In: Dieter SYeheit ſeht / naif und ſchon; I manchen ftinen MER: un TG. uez/ iu den Augen · guter Witte, ÄLTEREN ‚gäbe: Yeeiehbirinen, fittd fie des hes bren Vehfaus ORG: " Dernoqh ·wehoupte fr, da re Poeſte nicht· ſ VRR vefauvudes hat, or he hcoſa vrmuchli in fe Schwierigdeit ves erſes die Aid" zu Mbetfielgen ſachen wmüffen, bie iteſache DAN Mangels’ —Den w irt gi Kenn, de 1 Mr: hie dieſem Biicſe ju ſicen. Mehr -Tarın Rh meht "Feptehechigt Ibeih var. wie :Eenftkös in Ep u Go la” 08 Horn TS ke Balken Bene wid allen Ihren Freunden wohl ey?! Sie gern möchte RE Sfe in Voren Haute‘ umattien t’- Ich: bin ei .

28.

Ber: Ting! ; big ,. wie. Sie vielleicht, ‚im. Gone babe gemefen; benz wit Bönnte ich fonf eins Mefle gorhen.dafr- fen, ohme Ihnen gu. ſchreihen. Von meinep.Gur will ic Ihnen, nicht viel fügen. Miflen. Sie nicht ſchon genug, winn Sie wiſ⸗ fen, des ich nicht, Erinker und ‚and, nicht viel aafünder bin, als. ehsbem? Und warum. wollte ich auch alle meine Briefe an Sie au Berjeichaiſſen von. meinen. Zufällen ud Curen machen? Ih. habe dieſen Fehlax ſchon oft gemug: begangen. ‚Genug, daß ich Ihnen mein Glijck nicht verſchweigen werde, wenn mir Goft. nad dem Bade einige Linderung ſchenken follte. Vielleicht ges faut «4 ihmz doch. nicht, wie ich wil ,

@ie find-wieben Pock geworben, theyuefler Ya, Wie fehe- bewunhere ich Zhre Liebe zur Dichtkunſt, und. Ihren euflaumens, den Fleiß! Mic beucht, daß ſich Thra poetiſche Gptache gut zu einem Lehrgedichte ſchiet, und ich, hiete ie fehe, wenn ie foetarbeiten,, baß ie. fih.nor An: ans au vriallhm und ges möhntichen Audbrücn.Shtem, Ihr Plan, fo wie Sie mir ik entworfen ‚haben, iſt ſehr gut, es; ift ipftematifhz, ahar für ein Gedicht zu philofoppifh. Wenn der Dichter ‚siner, fe firengen Drbnung folgen will: fo muß er, indem er lehret, nothwenbig matt und profaifh werben, unb darüber vergeffen, baß man in der Poeſie lehrt, um zu dergmägenz.:denmjdißerbein, wenn ber Untegziht ‚we bie Ypficht. wäre: fo-Aphzden-mig. fle.in: Vroſa weit beffer, aawiſſer und, lachter emppichen koͤrnen, als in das: Poeſie. Rehmen Gie,gur 3. ©. des jingesn Raeine beiden. Schrs: gedichte won det Religion und Gpade, und ſehn Kie, od er aine

ee

fo firenge Methode blicken läßt? .;Er beobachtet bie natürliche Drbnung; außerdem überläft er fih ber Brepheit der Poefle, nicht alles, ſondern nur das, wis daß vorzügtichfte if, und was fich ſchoͤn ſagen läßt, zu fagen. Sie werben eben das bey dem Horaz, bem Vida, dem Boileau in ihren Eehrgebichten von ber Poeſie, bey Dopen in feinem Kriticism, und bey zehen andern Mötern fndenSeh · wanſchte atfo daß Sie das Soſtem in Ihrem Gedichte etwaa verbergen, und: bie phuofophiſche Grunbe IRA durch Die Aumuth der’ Borfie verſaffen Töhnten, Ich fche aus den uͤberſchidten Vogen, daß Ste zu genau fihb. Sie faben: mehr, als man fördert, um michts megzulaffen.- Wolfen Sie im diefer Arbeit fortfahren: fo- milk ich Ihnen von Herzen: Stück bau wanſchen Ränge es bIoß Auf Meine-Beeunöfhaft an, ie wurden das vortreflilhfbe' WReifterftü@ zuwege bringen, und ich wärde, als Ihr Zreund und weicher; ert de za betaint werden.

Ihre Schaͤfergedichte gabe‘ aich · nicht auchen, und ich wante mich, daß ich mich nicht wenigſtent durch bie Korrrktut um die⸗ ſes Gedicht Habe ‚verdient machen follen. BVielteicht kann ich m. Breitkopfen ein Gremplar finden.

Für Ihren langen/ "Tehöhen und freundlchaftnchen PM und für Ihre abermalige Borfärige für meine Mutter, danke ich Ihnen geherfamft, - und bitte um per Sewogenheit. gegen mich bie in mein Srab.“ Sie wiffen es gewiß, wie hoe Sie ſcate, amd wie herzlich ic * Shrige di. oo.

. Val, 2 man. Bu ‚BeBar. gichfiee Were: Barni ı ö

Pr ich idenir immer kraurige Rachrichten von ne Per ren Sie find 7 gefäßckiäp, To Inge Frank geweint Gebe doch Gott, daB diefe Ihre Krankheit die urſache einer langwie⸗ vigen Geſandheit werdel was für eine Freude würde ich gehabt

Seiꝛer t.

Yet, ben dh Die „ie demn Earlcvevel angetwoffen Hatte; wenn ich Zonen an dirſen Drteij- wo man den Betgnfigungen bes Herzens nachhangen · mußz/alles das hätte fagen und zeigen Kitts men, was Ad von Hochachtung und Liede gegen Sie empfinde ae“ empfinden werde, Aber es Hat-mie'nict fo girt- werden fon.” Bär Ihr ſchones Gedicht! Harrke! ich Ihnen ers gebruft, und melde Ihnen yugtbich, daß dub Buch zu-der Bat) iiſchen Arzaeyo hr. Kochen gewiß übergeben worden iſt. Er muß es verlegt haben. Ich habe an Ihn geſchrieben. Wann ers nicht findet: fo will ich Ihnen dato ein ander Eremplar ſchicken. Ich bin mit der volltommenſten Ergebenheit Ihe-Freund und Diener: Geitett. "

33°) Bellsrt an Eurtins ö e. b. 8: Aug, 1758. "

ut

Socebelgebopenen, . , Vochmuehrender · Kern, ... :..

Jch erfreue mich, daß Sie des Arttotties Biächnf ı unfera Landsleuten durch Ihre ſchoͤne Ueberfehung und- dur) Ihre ge}

°) (Zus dem Driginate mitgetheitt tur". H. ©. Breiheren von

2,5 Meufeba. Midjael Konrad Gurtiub (geb. d. 18. Aug.

3924 zu Decpentin in Deklenburg) damals Exzieher im Haufe

. beb geheimen Stoatsminifterd Freiheren Auguft Wilhelm von Schwigeldt zu Yannover, fpäter Profeffor zu Marburg, mo er am 22. Xug. 1802 ftarh. eine Ueberfegung ber Dihtkunft des Ariftoteled (Hannov. 1753) ward auch von Leſſing günftig beurteilt, f. Leffings Schriften, Heraudg. v. K. Laymann Ah. 3, ©. 398.)

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Uahsten Xnparlungen, fo beambbas sumacht; web ah würbe Shaun weine Freudr piel ·eher bagsugt Haben, wenn mid nick Mar. Sa⸗ ksaudı des Garlöhghes verhinbent ‚hätte, das Park fo gelchwiab fin, as ‚ich gefallt und gewinihet. " Wickeidt Habe ichs auch zu aelchwind und flüctig gslefen, ale doß Bie ſich auf main nen Beyfell folsen.werlaffen Tönen; allein Seller: rail: ich: elf wieder gut- machen, ‚wenn ie -Mım zwenteumals keit, Mickhe. Uc-- werben Gie dan Wepfall fo vielen Kemer: non ſich habt. Yap Sie den meinigen leicht wieder vergefien bannem. BE: wünfhie, daß wir mehr gute Meberfegungen aus ham Gricdhis. Then haben möchten, je wenigse dieſe Grade. heut zu Tasa geſchaͤrt wird. Infonderheit wollte ich, daß dem Zenophon biefe Ehre wiederführe. Ich weis wohl, daß Chr. Thomaſius etwas von ihm Üüberfeget hat, allein wenn ich nicht irre, nur aus dem Branzöfiichen. Warum haben wir nicht ein Theater des Greca, wie Brumois im Branzöfifchen gefhrieben? Warum überfegen wir nicht einen Band guter Reben aus dem Griechiſchen? Niels leicht Eönnten wir ben guter Geſchmack durch ſoiche Schriften nicht wenig. beſſern, oder wenigftens dem böfen Geſchmacke das durch wehren; und vielleicht werden andre gefchidte Männer durch IHr’Veyfpiel ermuntert, ſich um die Altin, unſte Lehr⸗ meiſter, auf gleiche Art verdient zu machen. Nibrigens danke ich Jonen für das überihice Ermolar und bin:umis deu. gräfften Oochachtung und Treundſchaft Ew. Hocedelgebohmen - . ; u

ne u \ ergebenſter Diener . Sellert,

2. Un ben Freiheren v. Erauffen, e. d. 8, Det, 1788,

Oochgebohrner Frevherr, Hochzuehrender Herr und Freund!

Wenn Sie von ber gelehrten Welt, wie Sie ſchrelben, Abe füteb nehmen wollen; fo habe ich noch welt mehr Urfache dazu. Ich vermiffe alle Lebhaftigkeit, die zu einem Autor erfordert wirb, und ich erfahre es infonderheit, wie wahr es ift, daß man nicht in jedem Alter Verſe machen Tann, Ich mag die Urfachen nicht aufſuchen, genug daß es meine Pflicht iſt, nicht wider mid ſelbſt zu handeln, und den Beyfall, ben ich mir ehebem erworben, nicht durch unglädtiche Arbeiten zu verderben. Ich begnäge mid), junge Leute zu unterrichten, welche Genie hab, unb ſache meine Ehre darinnen, wenn ich andere Arbeiten ſchaͤten, bewundern, unb befannt machen Tann. Sie, theuerfter Freund, haben fo viel Werbienfte um die Welt, daß Sie bie Mühe eines Posten nicht erſt zu Hülfe nehmen bürfen, um ſich zu verewigen; und wenn Ihre Breunde Sie um Gedichte erfuchen, fo weis ich gewiß, daß Sie allezeit ihre Wuͤnſche übertreffen werben. Scho⸗ nen Sie Ihre fo ſchaͤtbare Geſundheit, und überhäufen Sie ſich nicht mit Arbeiten; Ste folen noch lange geſund und vollkom⸗ men zufrieden leben. Diefes wuͤnſche ich nebſt taufenb andern und infonderpeit nebft meiner alten Mutter, bie Ihnen unendlich für Ihre befondere Gnade dankt.

Ic verharre mit der erfinnlichften Hochachtung

Ewr. Hochgebohren gehorfamfter

Geltert, Gellert V. 5

a. “un Borhwarb.

8, d. 19. Dec, 1758.

Auch ein Brief an meine Freunde ift mie in meinen igigen Umftänden eine Arbeit. Sie müflen mir es alfo vergeben, daß ich Ihnen fo felten ſchreibe, und mic bedauern, daß ich ungläde lich genug bin, in dem Vergnügen eine Arbeit zu finden. Dies fer Eingang verräth, daß ich Luft zu klagen habe, und mer iſt meiner Klagen würbiger, ald Cie, mein liebfter Borchward? Aber um mich felbft zu beftrafen, will ich biefe Neigung igt nicht befriedigen. Ich will Ihnen vielmehr fagen, daß ih Urach Habe, zufriedner mit meinem Schickſale zu feyn, als ich es vor bem Jahre in eben biefem Monate ſeyn Tonnte. Meine Seele iſt noch nicht heiter, noch nicht ftark; aber fie if auch nicht fo verfinftert, fo entkräftet, als fie bamald war. Ich Eränte mich indeſſen peit mehr, daß id fo unempfindlich bin, das Glüd, das ich Habe, zu erkennen und zu fühlen, als ich über bad, was mir mangelt, betrübt bin. Wo koͤmmt dieſe Kälte, biefe undankbare Härte her, von ber ich fonft nichts gewußt habe? Ich ſtehe mit der Trägheit auf, mit der ich mich niederlegte: und ber Gedanke, bu Haft die ganze Nacht ruhig gefchlafen, ift des Morgens meis ner Geelen eine gleihgültige Zeitung. Mein Gott, wie wenig vermag ber Menfch über fich felbft, und wie viel glaubt er ſich doch heimlich zu ſeyn! Ich effe, ich trinke, ich ſchlafe, und fühle doc) keine Kräfte. Freylich habe ich ist wenig Bewegung, unb des Tags drey Gollegia ; aber unter faft gleichen Umftänden war id) doch vor wenig Jahren ein ganz anderer und befferer Menſch. Roch mehr, ich hatte mehr Beſchwerungen des Leibes, weniger Schlaf, mehr Beklemmungen ber Bruft, und bennoch war ich

67

weit munterer, Hätte ih, wie Sie, eine liebenswürbige Frau, fo glaubte ich ber bangen Stunden an ihrer Geite weniger zu haben. Würde nit ein Wort, ein Blick von ihr oft meinen Geiſt aus feinem traurigen Schlummer reifen? Doc, wo weiß ich das? Würde es nicht meine Unruhe eben fo leicht vermeh⸗ ven, wenn ich bie ihrige durch mich wachfen fähe? Genug, die⸗ ſes Glück hat nit in den Plan meines Schickſals gehört; und was wäre bie Gelaffenheit für eine Tugend, wenn fie und nicht wirkliche Uebel ertragen lehrte, indem fie uns auf bie weife und gütige Hand der Vorfehung fehen heißt. Was verbienen wir vor Bott? Nein, ih will den Vorfag, den ich taufendmal gefaßt habe, noch einmal vor Ihren Augen faffen, id will nicht uns leiblich ſeyn, fonbern bes Heren harten, und forgen, wie ich den geringen Reft meiner Kräfte mic und andern zum Beſten ans wenden kann. Könnte ich biefes nur, fo würbe ein großes Theil meiner Unzufeiebenheit wegfallen.

Ach, wie wollte id zu Ipnen eilen, wenn Sie nicht weiter als acht ober zehn Meilen von mir entfernt wären! benn nuns mehr geben mir bie Feyertage einige Freyheit. Nun, ih ums arme Sie in Gedanken mit einem recht brüberlichen Herzen; ich danke Ihnen. für Ihren legten vortrefflihen Brief, und fage Ihnen, daß Ihre Ermunterungen eine recht fiegende Beredſam⸗ keit für mich haben. Ich grüße Ihre Frau Gemahlin, und wünfdhe Ihnen und Ihr die zufriebenften Feyertage.

38. 1. 1758. Meine liebe Freundinn,

Barum fagt mich doch bie Welt fo oft tobt? Win ich wichs tig genug, baß fie etwas gewinnen follte, wenn ich ftürbe? Sroße Herren fterben in ben Öffentlichen Nachrichten immer etlichemal, aber warum ſoll ich diefe Ehre Haben? Ich bekomme ſehr oft Briefe von meinen auswärtigen Gorrefponbenten, in welchen fie mir die ungegründete Zucht melden, worein fie duch eine fals ſche Nachricht von meinem Tode wären geſetzt worden. Im

" einem gewiffen Berflande mögen biefe Nachrichten auch wohl wahr fepn. Wenigftens haben taufend Dinge, weiche bie Lebens digen vergnügen, für mich keinen Reiz und Beine Kraft mehr, fo wie ich’ zu vielen Dingen, welche für bie Lebenden gehören, weber Luft noch Wermögen habe. Zraurige Scene meines Les bens, die id) mir vor drey ober vier Jahren, als bie unglaub⸗ lichſte würde vorgeftellet haben! Aber fo wenig Tennen wir uns ſelbſt und unfer Schickſal. Nichts ſchmerzet mich mehr, als wenn id) bedenke, daß ich auf biefe Weiſe faft alle bie Eigenſchaften verliere, woburdy ich die Liebe meiner Freunde erworben und Andern zu dienen geſucht Habe. So wenig id; endlich abergläus biſch bin, fo denke ich doch nicht zu irren, wenn ich bie dftern Rachrichten von meinem Tode als Erinnerungen anfehe, bie mic noͤthig find, weil ich mir fie vieleicht ſelbſt nicht ernfttich genug made. Mit Ihnen kann ich fo reden, meine Freundinn. Sie wiſſen, wie gern wir bie Augen von biefem legten Auftritte uns ſers Lebens abwenden. Möchte mich doch Gott fo glüdtich wers den laſſen, daß ich, über die Furcht des Todes erhaben, ihn mehr mit Freuden als mit Zittern mir taͤglich vorftellen Eönnte! Ich bin ıc 6.

a An ben Seren Brofeffor See. *)

1758, Liebfer Freund,

Jeh habe mich bes traurigen Privilegii, fumm zu ſeyn, nur gar zu.lange gegen Sie bebienet, und ich will mir bas Jahr aicht umter bem Worwurfe verſtreichen laſſen, daß ich einem meis ner ſchatdarſten Freunde bie Antwort fchuldig geblieben bin, Die Antwort auf einen Brief, ber vom nichts als Freuden vol iſt, bie man mir in ferlin] zubereitet Hatte, und bie ich hätte ge⸗ nießen Zönnen, wenn ich die Kunſt verflünde, weniger hypochon⸗ driſch zu ſeyn, und dem Aengfllichen eines Babes bie Anmuth eine® Landhaufes, mitten in einer Refidenz, vorzuziehen. Aber fo will es mein Gchicfat: ich bestehe die Wäber, ringe nach Ges ſundheit und verfeufge bie Beit, bie ich in den Armen der recht⸗ ſchaffenſten Freunde füß verweinen koͤnnte. Es ift wahr, ich bin nad dem Garlöbabe weniger beängftiget gewefen, als nad) dem Lauchftädter; allein bie Ruhe, die Heiterkeit, die ich ſuche, habe ich auch da nicht gefunden. Indeſſen harre ich, und ſammle ben Reſt meiner Kräfte; diejenige Geduld auszuüben, bie nicht allein igt meine vornehmſte Pflicht, fonbern and meine eingige Arzney iſt. Erreiche ich biefen Winter nur einige von den Stufen der Muntereit, von denen ich zurück gefallen bin: fo beantworte ich alle Ihre freundfchaftlihen Ginlabungen, Ihre Liebe und das Mitleiden Ihrer Wilhelmine Tünftigen Fruͤhling perfönlih, Gebe es body Gott, daß ich dieſe Freude noch fehmeden mag! Ihren 8. habe ich nicht gefehen, ich bin vermuthlich verreiſet geweſen. Aber warum habe ich nun auch bieß Glüd nicht genießen follen, mir einen Mann zum Freunde zu machen, ber Ihr befter Freund

) (An Sulher; vergl, N. 29.)

iM? Wo ich Hinfehe, entzieht mir die Gppochondrie dem recht⸗ mäßigen Antheil an dem gefelligen Leben. Würde ich verzeifet gewefen feyn, wenn ichs nicht gethan hätte, um nicht krank gu feyn? Aber ich wollte ja nicht murren? Rein, ich will es auch nicht thun. Tauſend wackre Leute, die unendlich mehr Verdienſte Haben als ich, find eben nicht glüdlier, und werben vielleicht weniger bebauert, als. id. Leben Cie wohl, Liebfter &.., und tragen Sie ferner durch Ihre Liebe einen Theil meiner Laſt. Ich Füffe Sie und Ihre liebe, gute, fromme Wilhelmine. Es müffe Ihnen nit nur in dem Lünftigen Jahre, ed müffe Ihnen geitlebens fo wohl gehen, als ich und taufend Andre Ihnen wüns fen, und ald Sie Beide vor fo vielen Andern verdienen. Ich bin zeitlebens der Ihrige,

6. 3: Rabener an Gellert. lDresden, 1753] Liebſter Profeſſor,

Wie unvermuthet find wir von einander geriſſen worden, und wie ſehr vermiſſe ich Sie, fo ſtumm Sie auch find! Wir wol⸗ len und unveraͤndert lieben; wir werben beyde glauben koͤnnen, daß wir und Lieben, wenn wir ed auch einander nicht fagen, denn wir find bis igt nicht fehr gewohnt geweſen, davon gu reden. Wie ift Ihnen bas Bad, ober vielmehr bie Reife Ind Bad be⸗ Tommen? ie müflen volltommen gefund ſeyn, wenn bie Wüns

®) (SG. W. Rabenerd Briefe, heraudgeg. v. 6. $. Weiße. 1772. ©. 28 1.)

fe Ihrer Freunde nur einigermaßen erfüllt ind. Sie ih mid) ichtet Habe, und wie es mir hier gefällt, will ih Ihnen auf Michael fagen. MWiel Arbeit, ſehr viel Arbeit habe ich; aber ich bin ihrer gewohnt. Ich nehme meine Freunde aus, ſonſt vermiffe ich hier Bein Mergnügen. Bald werde ich hier einges wohnt. fegn, und Leipgig zwar niemals vergeffen, aber auch nice Tange mehr vermiffen. Leſen Sie denn auch mannigmal. meine Gpeiften? Machen Cie Sich gefaßt, mir auf Michael bie ſchwe⸗ diſche Gräfian eingebunden zu ſchenken. Ja freylich eingebuns ben; denn ber Band ift das befle, und mein Gremplar haben igt die Princeffinnen *** und ==, von denen ich es ſchwer zurüd bekommen möchte, wenigftens kann ich es ihnen nice wieber abfordern. Die guten Princeffinnen haben beyde Theile durchgeleſen, und fie haben ihnen recht wohl gefallen, vermuths U, weil alles fo fein leſerlich gebrudt if, Je ja! das Buch iſt gang gut, es ſteht auch nichts ärgerliches drinne, daß es alfo eine Princeffinn gang wohl lefen mag. Wie befindet fi denn unfer Graf B* mit feinem Mentor? Ich würde ben Derrn Grafen felbft gefragt Haben, aber es iſt bey mic noch fo viel Ge⸗ wire, ald daß ich fo viel Zeit gewinnen Eönnte. An alle Breunde und Belannte, bie id; genannt habe, bie ich noch nennen werde, und die id) nicht nenne, machen Sie meinen verbinblichften Ems pfehl. Bornehmlich geht das auf ben Herrn Grafen von @***, feinen Liebenswärbigen Hofmeiſter und deren hochfreyherrlichen Nachbar. Fragen Sie diefen einmal, wie ihm bie Rüdteife bes Tommen fey, fehen Sie ihm fleif zwiſchen die Mugen, und wenn ex roth wird, fo geben Sie noch nicht alle Hoffnung verloren. Er Hat mir gefagt, daß auf ber Rammifden Gafle, wo ich wohne, viele verbächtige Häufer wären. cher muß er wohl diefe Rachricht haben? Nun koͤmmt ein Yunkt, auf den ich binwen acht Tagen Ants wort haben möchte. Fuͤr einen jungen Grafen, ber auf eine

ambwäztige Mniverfität gehen fall, una etwan fanfzehn Zett mit iR, wich ein Hofmeiſter geſucht. Was von ihm verlangt wish, werden Sie wohl wifien: ich weis es nicht. Bermuthläch win, außer einem äußerlichen guten Auſehn, auch frangöfiich umb Kies duld verlangt, Den Gehait weis ich auch nicht; fo viel hat wan mie aber gefagt, daß es nicht darauf ankommen würke, hundert Thaler mehr ober weniger gu geben. Meine Mägde den grüßen Sie nicht, darum will ich fehe bitten, Antworten Sie mir bald, und recht viel; wenn Sie fepreiben, fo haben Cie ja nicht nöthig zu reden. Lieben Sie mic unverändert, und denken Gie an wich, Wenigſtens werten Cie an mich denken, wenn Ihnen ein Acciögrofchen zum Merfeburger fehlt. Lehen Sie wohl, mein lieber @tummer! Rabener.

39. Bu Joh Under Gramer, e. d. 7. Ian. 1754, Lieber Bruder, Bein ganzes Werbienft beſteht igt barinne, daß ich ‘Dich bes wundre und lobe.

Der Einfall wegen ‚der Pſalme iſt vortrefflich; aber Die Aus führung mod; vortrefflicher. Ich habe nichts zu tabeln, als daß fie nod nicht gedruct und von ber Welt gelefen und auswendig gelernt find, Der Welt wegen wänfchte ich, baf Du hin und

" wieder etwas leichter ſeyn moͤchteſt. Was Di leicht iſt in- Dei⸗

I (Rlopfiek. Buy und über idn, Heandang. v. © ®. Gestner 1789, 24, 8, ©. 178 f.)

ber⸗ ausbömmt; boch ich wollte, daß alle drey Theile zugleich da wäs ven Wegen Deiner Dben und Eehegebichte ſey von mie and im neuen Jahre ermahnet. Du mußt fie zuſammen dru⸗ den laſſen und Deinen Ramen vorfegen, fo gut, als vor bie Pſal⸗

daſeibn gebruat feyn. Ich liebe Dich, als ein Weuber; ich umarme Dich, Deine Grau und Kinder, und bin einig ber Curige, Sellert.

Davis gefißt wir vortceſtiich, bis auf bie zwehte Stwophez dieſe ließ ih weg. Die Welten unter ſeinen Füßen

iſt dunkel, wenigſtens für.bie Welt; und an biefe mäßen Ste

bey Ihren Pfalmen fo ſehr benken, and noch mehr, als an bie Poeten, Ihre Brüder. Pf. 1. Der Sünder ifi ik ſteht falſch dennoch gefaͤlt mir bie Aenderung beffer, als das Erſte. Dieſer Pſalm iſt ſchoͤn zum Singen, ‚und das wunſche id, Pf. 2. wild ihr Arm mir gefaͤllt hier das wild nicht, Der Sterblihen im blinden Grimme Im blinden Grimme, möchte id) voran und Stimme zur anbern Beöle haben: Den ih zu meinem König weihte if atwas bankel. gern man hört deu Weim fehe; aber ex fol wegen des Gohas des Herrn dach. bleiben. 9. 3, Sott Ich wollte, daß es 0 Gott! dieße. Hafier iR mir etwas anflößig:: aber bey bir vertrag ichs. Pſ. 6. Schwellen meine Enger

voll, fiheint mir verwegen active gefagt. Beter ıc. Ich freue mich, daß du dieß Wort in der Poeſie wagſt. Der mid wagt zu haffen ıc. wider bie Grammatik. ‚Pf. 7. Win Leit gerrißner Raub das verſteht die Welt nicht ges mug. Pf. 10. Ihr Lafer machet fie zu Freunden: dunkel, fie, anflatt einander. Diefer Palm ift fehr fin. Pf. 11. Hier Ehmmt das Wort Frevler fo vielmal von Pſ. 18. vortreſſlich. Pf. 14. ihm zu flehn wenn dee noch fernen Rade Stimme Hingt mir hart, Ich bächte, bie Aendrung koͤnnteſt Du behalten. Pf. 23. iſt fhön, zum Singen ſchoͤn, und bas ifts, was ich im Namen ber Welt wünfhe. Alles was Empfindung ift, läßt ſich beſſer ſin⸗ gen, als die erhabenfte Poeſie der Gemälde, Pſf. 20. mit hingeworfnen Leibern— nicht gut, Sie macht fie hüp⸗ fen; biefe Strophe würbe ich wegen der verworrnen Gonftruction tadeln: aber Cramern Tann ich nicht tadeln, bey ihm gefällt fie mir. Pf. 37. Bertpeidigt euer Herz lieber ber wahret, ober fo ein Wort; benn vertheidigen iſt der Melt zwey⸗ deutig. Der ganze Palm gefällt mir vortrefflih, bis auf bie Strophe: Ein Frevler flieg empor ꝛc. Pf. 39. Als ob fie bleiben müßten; bleiben ift gwepbeutig; ein ander Wort. 9. 41. Die Aenbrung fol bleiben. Pf. 46. Entflürzs ten lieber flürgen allein. Pf. 47. Singt auch gern lieber ihm gern. Pf. 57. vortrefflich; nur bie Winters wolte gefält mit nicht. Pf. 70. Ein Lieb in die Kirche; das iſt vortuefflich. Ich Büffe Dich. Aber bafüe mußt Du auch das gerfireu wegthun. Pf. 98. Ich muß Dich wieder küſ⸗ fen; nur Bann ich die aufgewiegelten Ströme nicht leiten. Mein poetiſches Herz iſt zu verzagt bey folden Worten. Pf. 96. Die Aendrung am Ende bleibt, wenn bu eine befice findeft. Pf. 200. Ic) finge Dich ſchon mit in der Dresbner Vofkiche; da ſoll bieß Lich gefungen werben, che Du nad Saͤch⸗

2

Micher Obechofprebiger wirft. Du bi wirklich zehnmal Müger als id; umb id) bin mur ein poetiſcher Hänfling gegen Did Radtis oalle. Pf. 118. Um und um, gefällt mir nicht, ſonſt aber alled. Ich änderte es in Gedanken: Das Zeſt mit Meien; ſchmücte mit Ruhm. Da ichs geändert hatte, fand id) in dem um und um etwas nadhbrädliches, eine Art eins fältiger Malerey, die mir natärlicher war, als ber Ruhm. Alfo iaß Dich ſtehn. Pf.119. Ih treibe meinen Buß zu dir Hin; ich fepte, ich kehre sc. Nachdem ich den 119. Pſaim gelefen habe; fo fääme id) mich, Did weiter zu tabeln, unb auch Dich getabelt zu haben. Du warft geboren, die Pſalme ber Welt vom neuen ſchaͤtbar zu machen,

40. (59.) 2. d. 30. Ian. 1754,

Lieber Herr © **®,

Unter ben vielen Urfachen, warum ich feit etlichen Tagen böfe auf mic, bin, ift biefes eine der geringfien, daß ih einen Brief von Ihnen feit langer Zeit unbeantwortet gelaffen; einen Brief, der mit Liebe und Achtung gegen mich angefült if. und wodurch foll ich meinen Fehler wieber gut machen? Durch einen langen Brief? Durch Verſprechungen, daß ich oft an ie fehreis ben, daß ich mich weber durch den @eift der Hypochondrie, noch des Kathebers, noch bes Autors von dem Wergnägen will abhals ten laſſen, mit Ihnen zu veben, mit Ihnen über Ihe gelchrtes Erxilium zu Hagen, und ie mit ben Beyſpielen großer Männer zu tröften, beren erſtes Schickſal auch Prüfung geweſen if? Leibnig fält mir den Augenblick ein, und nad ihm Moss heim. Sie mögen es num denken, ober nicht: fo if doch Ihre

Bugenb ber Bugenb bikfer Deänmer aͤhntich. Leibnig wollte ia feinem achtzehnten Jahre Doctor werden. San ſchiug es ihm ab, und er ging einige Beit in ein gelehrtes Grilium. Ich kann die Harallel nicht weiter fortfegen, weil ih Lamprets geben dieſes Mannes nicht bey der Hand habe. Mosheim pur digte ald Candidat einige Jahre in Lübeck, und hatte wenig Ausfiht zu einer Dorfpfarre, bie er ſich wünfchte, u. ſ. w. Aber nicht fo gelehrt. Ich bedaure Sie im Ernfte, lieber G..., daß Sie, fern von Freunden, fern von ben Gegenden bes Ge ſchmacks und bes guten Umgangs, die Jahre Ihres Frühlings verregiſtriren ſollen. Aber eben biefes, daß Sie bebauert werben, daß Sie Freunde haben, nach denen Sie ſich fehnen mäffen, und bie fi nad Ihnen fehnen; daß Sie Gefhmad haben, und alſo leſen Tönnen, das ift doch alles Zroft, Perfer et obdura, dolor hic Tibi proderit olim; bas Lette glauben Sie mir, und nicht dem Poeten; das Erſte thun Sie, weil es Ihre Pflicht und Ihre Ruhe erfordert.

Diefer Brief ift, dächte ich, fehr lang, wenn alle Briefe Lang find, in denen nicht viel fteht. Ich fchließe ihn alfo, und vers fichere Sie, daß ich Sie liebe und hochachte, daß ich an Ihr gutes Herz, Ihren Fleiß, Ihr Genie, Ihre Liebe gu den Mile fenfhaften, und, was weit mehr iſt, zur Rechtfchaffenheit und Zugend, allegeit mit Freuden denke, und @ie in Gedanken fegne, Das thue ich ist, und bitte um Ihre fernere Siebe.

au.) An 3. %. dreiherren von Cronese. e. d. 7. Febr. 1754, Mein lieber Baron,

Ich bin ſehr froh über Ihre Zuruͤckkunft; aber ich wuͤrbe weit froher ſeyn, wenn Sie mir zwanzig Meilen näher wohnten, Würde das nicht Hübfch feyn, wenn ich, bey einer traurigen Ars beit, zu mic fagen Eönnte: Sey nicht ungeduldig; morgen ſollſt Du audy zu deinem lieben Baron Groned reifen: es find nur acht Meilen; in vier Tagen bift bu wieder da, und haft dich gefund, munter und poetifch mit ihm gerebet. Ja wohl, wäre das ſchoͤn. Da braͤchte ich Ihnen Ihre Eomdbien mit und ließ fie mir von Ihnen vorlefen, und machte Ihnen peinliche Anmers Zungen; und wenn ich zurüd veifte, nähme ich mir wieder neue Arbeiten von Ihnen mit; und auf diefe Weiſe kannte ich Ihre Liebe und Sie bunten mein Herz genießen, Aber was würde Ihre gn. Br. Mutter dazu jagen? Würde fie nicht glauben, wenn ich fo oft kame, daß ich ein Abgeordneter einer Gächfifchen Schoͤne wäre? Das möchte fie immer fagen. Wenn man ſtu⸗ diret und gereifet hat: fo if bie erſte Belohnung eine liebende wärbige Frau, und bis andre ein liebenswärbiger Sohn, bem Water gleich. Und das ift mein Ernſt, beſter Baron, -@ie müfs fen heiraten. Ihr Herz ſoll ein zweytes Herz giädlich- machen und von ihm glücklich gemacht werben; dazu find Sie gebohsen, Sie follen Lieben und durch Ihr Beyſpiel das wahre Glück ber Liebe und ber Tugend lehren. Gin Water, ber feine Bamilie weife regiert und gütig verforgt, ift in meinen Augen ein großer Mann. Laſſen Sie den Lenz Ihrer Jahre nicht einſam verfizeis

) (Hub dem Deiginel, im Befit, des Sen. D, %. Sqhetz ia Leippig.)

hen unb glauben Sie, daß mein Leben zufriedner feyn wärbe, wenn ich diefen Fehler, biefen unerfeglihen Fehler nicht began⸗ gin Hätte,

Das iſt genug für einen Wrief. Wie ift Ihr erfter April aufgenommen worben? Ich denke, ich werbe Reihthum und Ehre nebſt etl. andern Gedichten batb bruden laffen. Wenn wollen Sie mir wieder fehreiben? Leben Ste wohl! I bin ber

' Helge Gellert.

42. An ben dreiherra von Eranffen. 2. 13. Febr. 1754,

Hochgeborner Freyherr,

Endlich habe ich das Bergnügen, Ihnen zu Ihrem poetifchen Werke von Herzen Glück zu wünfchen. Der eble und fromme Seift, der aus bemfelden hervorleuchtet, ber Gifer für Weisheit und Tugend, und befonders für bie Religion, wird manchen red⸗ tichen Sefer rühren und erbauen, wenn auch bie Poefle den Kunfts richtern niht an allen Orten gefallen follte. Es iſt nicht um die Ehre ber Zeitungen, baß Sie gebichtet Haben; nein, Ihre Abficht iſt größer. Ich würde vielleicht Hin und wieder eine kleine Anderung gewaget haben; boch ohne Ihre ausdrückliche Erlaubs niß habe ich nichts thun wollen. Es werben kaum etliche Syl⸗ ben ſeyn, die ich bey dem Drucke geaͤndert. Die Correctur habe ich beforgt; aber mit was für Blüde, das weiß ich nit. Ins deffen danke ih Ihnen außerordentlich für die eine Gelegenheit, die Sie mir gegeben, Ihnen meine Erkenntlichkeit und vollkom⸗ menfte GErgebenheit zu bezeugen, Je mehr Sie dieſer Gelegens

heiten madhen, befto ruhiger werde ich werben. Die GEremplare, nemlich acht Stüd an Ihro Durchlaucht den Herzog von Gadıs fens Meinungen, und ſechs Stüd nad Gandersheim gehen more gen ab._ Id habe vier Eremplare fauber einbinden, und au jedes von ben beyben hohen Häuptern zwey beilegen laffen. Es it fo gebräuchlich, daß man einige Eremplare einbinden läßt. Sie find nicht koſtbar, aber ſchoͤn gebunden, in engliſches Leber. Der Behler wegen ber zu zeitig abgefchicten Briefe Liegt theils an Herr Kornen, theild an Herr B*. Jener ſchicket fie und ſchreibet nichts dazu, und diefer, ba ich fie abforbern Laffe, hat fie aus übereilter Dienftfertigkeit ſchon fortgeſchicket. Vielleicht iefet man das erwartete Wert mit befto größerm Vergnügen. Ich wieberhole die Werfiherungen, die ich Ihnen in allen Brie⸗ fen, theurefter Freyherr, von meiner Ehrerbietung und Hochfchäs tung gebe, und ich fühle allegeit ein neues Bergnägen, fo oft ich fie wiederholen Tann. Die Verdienſte des Dichters, fo fehr ich fie fehäge, werben bey Ihnen durch noch weit größere Gigenfchafs ten bed @eiftes überwogen, bie taufend Dichter nicht befigen. Ich verharre mit dem erfinnlichften Reſpecte

Ewr. Hochgebohren gehorſamſter Diener Gellert.

2.°) Gellert an Enrtins. 8 d. 28. Febr. 1754,

Hochedelgebohrner, Hochzuehrender Herr,

Es kraͤnket mich, daß Herr Wieland nicht in glücklichen um— fländen ift**), und ich will mir ein wahres Vergnügen daraus machen, einem fo geſchickten Manne zu dienen. Doch was rede ich von Vergnügen? Ich Halte es für meine Schuldigkeit und wünfche mir nichts, als eine Gelegenheit, die feiner würdig iſt. Iet habe ich keine. Heißen Sie ihn indeffen gutes Muthes feyn. Meine geſchickteſten Freunde, Gärtner, Cramer, Schlegel, Klop- ſtock, haben ehedem auch informiren müffen, und igt ſtehen fie in angefehnen Aemtern. Vieleicht ift Herr Wielands Glück auch nicht mehr fern. Hat er etwan euf etwas aus bem Eng⸗ liſchen zu überfegen?

°) (Au6 dem Driginale mitgeteilt duch K. ©. ©. Breiheren vor Meufeba).)

+) Bielondb Brief an Surtius, aus weldem biefer fo etwas gefäloffen und an Gellert gefäjrichen hatte, fheint verloren au fein. Auß einem fpätern Beiefe Wieland6 on Gurtius (jegt - mit den zwei Geilertſchen in meinem Befite), geſchrieben Bür id, den 28. Sept. 1755, erficht man aber, daß Gurtius Mies landen wohl mißverftanden hatte. „IH bedaure nur (ſchreibt Bielond), daß Sie meinettwegen Mühe gehabt Haben, da ich die Stelle, welde Sie mir anbieten, aus mehr ald einem Grunde nicht annehmen Tan; wovon diefer einzige hinlänglich if, daß id} feit einem Jahre mit einem paar vornehmen Zůrchiſchen ‚Herren wegen Unterweifung ihrer Söhne in einem engagement Rebe. 36 habe —— dem Heren Abbt von Marienthal, defz fen Großmuih id mit bankbarftem Herzen verehre, ſhon vor einem Zahte berißtet, I Tee aber Daß mein Beief ihm aicht

a

Für Ihr fo ſchoͤnes Gedichte) danke ich Ihnen ‚gang erges benſt. Ich Hoffe Ihnen bald einige Verſe von mir ſchicen zu innen. Ihren Arifloteles habe ich noch einmal durchgeleſen. Die Ueberfehung und bie Anmerkungen, beides gefällt mir vor⸗ tfefflich; und wie ſehr wünfchte ich, daß alle Griechen, bie übers feget werben follten, fo fhdn überfeget würden!

Ich verharre mit ber größten Hochachtung

Ew. Hochwohlgebohren gehorſamſter Diener ©. J. Gellert.

nuge kommen iſt. Ic ͤberſchiate Ihm damals einen gedrudten Plan, in welchem id) meine Neigung ein Privotiehrer zu feyn, öffentlich fagte. &ie feinen nit völlig von meinen Umftän« den berichtet zu feym. Ich fehe die Bituntion in der id mich befinde für fo angenehm an, daß id} fie auß taufend andern wählen würde, Ic babe fie aud gewählt. Dee Brief den Here Bobmer, der befte und zeütfäaffenfte Mann, an den Hrn. Abt Ierufalem vor 2 Jahren ſchrieb und der meinige, war nit in der Meinung gefchrieben, baß id} eine Beförbe⸗ zung um ber Beförderung willen ſucht⸗ wie meynten nur, «6 wäre gut, wenn id) auß der speeulativen Gphäre, worinn id fonft eingefejloffen war, in ein activereB Leben Time und Bes Tanntföaften in Deutfland machte, welie mir vielleicht Ger Legenheit gäben, in einem weiten Gistel zu nlgen.” X. ©. 8. v. Meufebag.

) Bermuthlich Philoſophiſches Lchrgediht von ben Schilfaien ber Seele nad; dem Tode. Kannover, 1754. 8.“ Derfelde

Gellert V. 6

44.°) An 3. %. Greiperen von Tronesk. e. d. 23, Märy 1754.

Mein lieber Here Hofrath,

Alfo befommen &ie auf einmal einen Brief von Ihrem Graf Morig, einen von Ihrem Gellert und von eben bemfelben auch ein Bändchen huͤbſch gedruckter Gedichte? Das ift viel auf eins mal. Werfen Ste alle Ihre Acten bey, Seite (ed wäre benn, daß Sie ein Zobesurtheil, ober eine Sentenz an MWittwen unb Bayfen zum Beſten zu fprechen hätten) werfen Sie, fage ic, alle Ihre Acten weg und fallen Sie mit Ihrer ganzen Seele auf meine Gebichte und leſen ie folhe ganz in Ihr Herz bins ein. Alsdenn, jo bald Sie das letzte Wort gelefen haben, neh⸗ men Sie Ihre befle Feder, und fchreiben Sie alle gefühlte Ems pfindungen, alle Grititen auf, Dieſer Ihr Fünftiger Brief fol meine Belohnung, meine Beſſerung, ein Befehl mehr zu ſchrei⸗ ben, ein Befehl, aufguhören; kurz, er fol mir alles das fen, was tr feyn kann. Sie loben mich? o wie ftolz hebt ſich mein hypochondriſches Herz empor! Cie Toben’ mich mit? D wie bemäthig gehe ich in meine Kammer und haſſe mid, einfam! Mußte ih noch einmal ſchreiben? Konnte ih nicht aufhören, da ich fühlte, daß mic bie Poefie Arbeit und Kummer warb? Groneden nicht gerührt zu haben? &o werde ich feindfelig zu mie fagen, wenn Ihr Brief ohne Ihren. Beyfall kömmt. Den Chriſten Habe ich in der legten Reujahrsmeffe, mitten im meinen hypochondriſchen Beſchwerungen, gemacht, und flehent= lich gebetet, daß ich ihn aus vedlihem und frommen Herzen mas hen möchte. * Der Stolz ift ein Paar Jahre älter. Wenn

) (Aus dem Driginal, das fi) in der Stadtbibliothek zu Leip- sig befindet.)

8 Sie Ihr Exemplar gelefen haben: fo fehlen Sie es boch dem ‚Herrn v. Gleichen, nebſt bem an ben Heren d. Biveri. Ich habe igt keins mehr bey der Haub und ich will auch das Porto nicht fo unverfhämt häufen. Ih umarme Sie und bin zeitlebens Ihr Freund. Gellert.

a5. an Bordwarb, 8. d. 23. März 1754.

Wem koͤnnte ich wohl meine @ebichte eher ſchicken, als Ihum? Sie gaben erſt Heute bie Preffe verlaffen, und o wie elle ich, daß ſie bald in Ihre Hände kommen mögen! Der Beyfall ber Borchwarde in ber Welt, und ber Borchwardinnen, if die Belohnung, bie ich fuche; wenigftens ift biefer Stolz zugleich ein Beweis eines guten Herzens. Leſen Sie alfo den Augenblich die wenigen Bogen durch. Laffen Sie alles Liegen, ich bitte Cie, bis Sie zu Ende find, Und ſobald Gie bie legte Zeile gelefen haben: fo nehmen Sie bie Weber, und ſchreiben Sie mir alle: Gmpfindungen, bie Sie im Lefen gefühlt, auf. Diefes Verzeich⸗ niß wird entweber ber gewiffefte Lobſpruch, oder ber ficherite Ta⸗ del für mich ſeyn. Sammeln Cie auch bie Empfindungen Ihrer liebſten Gattin; fie werben gewiß lehrreich für mich feyn. Der ‚Shrift if das legte Gedichte, das ich nur in der verwichnen Reus iahremeffe gemacht, nachdem ich etliche Jahre, durch verſchiedne vergebme Verſuche überrebet, geglaubt hatte, ich koͤnnte Leine Berfe mehr. machen. Ich mag Ihnen nicht fagen, was meine biefigen Freunde von biefem Gedichte urtheilen, damit Ihr Aus⸗ ſpruch defto freger bleibt. Aber ach wie glädlich wollte ich mie

\ 6.

x

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Thägen, wenn biefes Gedicht, wegen feines Inhaltes, des Beys falls der Kenner und ber Mechtchaffnen wärbig wäre! Ich habe neun Zage, ohne Aufhören, daran gearbeitet, alle Quaal ber Oypochondrie verfäugnet, und wie Gott weiß, oft gebetet, daß ichs aus ber Fülle eines redlichen und abfihtävollen Herzens Ina= chen möchte. Und eben biefes Gedichte hat mich beftimmt, bie Übrigen auszufuhen und herauszugeben; denn biefe Liegen alle Schon etliche Jahre, manche fünf Jahre, z. €. die Erzählungen, manche drey, mande zwey Jahre. Ja, ich war feft entſchloſſen, fie nie druden zu laſſen: fo fehr fehlte mir der Muth und die Luft, ein Autor zu werben. Grinnern Gie ſich nit, daß ie mid) mehe als einmal, aber vergebens, haben verführen wollen, etwas drucken zu laſſen? Wie gut werben Sie mir nunmehr feyn, baß ich noch menfhlich genug bin, verführt zu werben! Alio, werden Sie fagen, ift wohl ihre böfe hypochondriſche Epoche vorbey? Wollte Gott, ich Lönnte breift Ja fagen! Aber das Zann ich nicht. Indeſſen preife ich Gott, daß es leidlich, ba es nicht mehr fo ſchlimm iſt, als ehedem. Ich weiß nicht, wie ichs machen foll, daß ich mit mir felbft zufrieden werde. Ich glaube ft, daß ich nicht mehr fo gut bin, als fonft; ich glaube, daß bie feinen Empfindungen des Herzens fi bey mir verlieren. Und was glauben? Ich fühle es. Ich bin ſtarr, ich werde wes der gegen bad Gute, noch das Böfe, genug empfinblid, Und geſetdt, daß biefe Beſchaffenheit eine Jolge der Krankheit und bes Mangels der gehörigen Säfte wäre: fo kann ich doch immer die Arſache der Krankheit gewefen ſeyn, und noch ſeyn. Weiter will ich nicht Hagen; aber einen Beinen Anfang zur Klage, den mäfs fen &ie einem einfamen und anachoretiſchen Herzen vergeben. Ob ich Sie biefen Sommer nicht in Berlin beſuchen will? Ad ja, den Willen habe ich, fo oft ih an Sie denke; und wie oft denke ic) nicht an Sie! Aber bie Ausführung hat in meis nen Umftänden große Schwierigkeiten, und dieſe werde ich nicht

fo leicht überwinden. Erſeten te mie ben Genuß ber Liche, den ich in Ihrem perfönlichen Umgange nicht haben fol, durch Ihre Briefe. Diefe haben mid ſchon oft erquidet; und fo lange ich edle Herzen, wenn fie veben, noch zu fhägen weiß: fo lange win ich glauben, daß meine Hypochondrie nod nicht aufs Höchfte geftiegen iſt. Wiſſen Sie, was ich in biefem Augenblide, da ich diefes fchreibe, waͤnſche? Ich wünfchte, daß Sie einen Sohn hätten, den ich zu mic nehmen, und in dem id mich um feinen Vater und feine Mutter verdient machen koͤnnte. &o fromm dieſer Wunſch ift, fo muß er doch mit ber Abſicht der Vorſehung nicht ganz übereinfimmen. Aber wenn es möglich wäre, daß ie die Freuden eines Waters noch ſchmecken follten, wer würde froger feyn, als ih? Ich wünfche mit ganzer Geele Ahnen alles das, was wahrhaft glüdtich und zufrieden macht, unb bin zeitlebens der Ihrige ®.

4#6.°) An Bran Prof. Sulzer. 2. März 1754.

Das Vergnügen von Ihnen gelefen zu werben, iſt mir zu groß, ald daß ich warten Zönnte, bis Ihnen ein Buchführer meine Schriften von ber Meſſe mitbrächte. Nein, ich fchide fie Ihnen ſelber; ich ſchicke fie Ihnen eher, als meinen andern Freundin⸗ nen, nicht anders als ob ich glaubte, ie würden fie gern leſen. In der That bin ich auch eitel genug, einen heimlichen Anſpruch auf Ihren Beyfall zu machen, und ich ftele mir immer vor, wie Sie bey den Gedichten: Reichthum und Ehre, ber Chriſt,

®) (Aus dem Heperfigen Raditef.)

chen und glauben Sie, daß mein Leben zufelebner feyn wuͤrde, wenn id) diefen Fehler, biefen unerfeglichen Fehler nicht begans gin Hätte.

Das ift genug für einen Brief. Wie ift Ihr erfter April aufgenommen worben? Ich denke, ich werbe Keichthum und Ehre nebft etl, andern Gedichten bald druden laſſen. Wenn wollen Sie mir wieber ſchreiben? Leben Sie wohl! Ich bin der

Ihrige Gellert.

42. An ben Freiheren von Erauffen. 2. 13. Bebr. 1754,

Hochgeborner Brephere,

Endlich habe ich das Bergnägen, Ihnen zu Ihrem poetifchen Werke von Herzen Gläd zu wünfchen. Der edle und fromme @eift, der aus bemfelben hervorleuchtet, der Eifer für Weisheit und Tugend, und befonbers für die Religion, wird manchen red⸗ chen Lefer rühren und erbauen, wenn auch bie Poefie den Kunfts richtern nicht an allen Orten gefallen follte. Cs ift nicht um die Ehre ber Zeitungen, daß Sie gebichtet haben; nein, Ihre Abficht ift größer. Ich würde vielleicht hin und wieder eine Heine Aenderung gewaget haben; doch ohne Ihre ausbrüdliche Erlaub⸗ niß habe ich nichts thun wollen. Es werben Baum etlihe Syls ben fegn, bie ich bey dem Drude geändert, Die Gorrectur habe ich beforgt; aber mit was für Gläde, das weiß ih nit. Ins deſſen danke ich Ihnen außerordentlich für die Meine Gelegenheit, die Sie mir gegeben, Ihnen meine Gröenntlichteit und vollkom⸗ menfte Ergebenheit zu bezeugen, Je mehr Sie biefer Gelegen⸗

heiten madhen, deſto ruhiger werde ich werben. Die Eremplare, nemlich acht Stück an Ihro Durchlaucht ben Herzog von Sach⸗ fens Meinungen, und ſechs Stüd nad; Gandersheim gehen more gen ab. Ih habe vier Eremplare fauber einbinden, und an jedes von den beyben hohen Häuptern zwey beilegen laflen. Es ift fo gebräudtich, daß man einige Eremplare einbinden läßt. Sie find nicht koſtbar, aber ſchoͤn gebunden, in englifches Leber. Der Fehler wegen ber zu zeitig abgeſchidten Briefe Liegt theils an Herr Kornen, theild an Herr B*®. Jener ſchicket fie und ſchreibet nichts dazu, und biefer, da ich fie abforbern laffe, hat fie aus übereilter Dienftfertigkeit fchon fortgefchicet. Wielleicht Tefet man das erwartete Werk mit befto größerem Wergnügen, Ich wiederhole bie Werfiherungen, bie ich Ihnen in allen Bries fen, theureſter Freyherr, von meiner Ehrerbietung und Hochichäs tung gebe, und ich fühle allegeit ein neues Wergnügen, fo oft ich fie wiederholen Tann, Die Werbienfte des Dichters, fo fehr ich fie [chäge, werben bey Ihnen durch noch weit größere Gigenfchafs ten bes @eiftes überwogen, bie taufendb Dichter nicht befigen. Ich verharre mit bem erfinnlichften Refpecte

. we, Hochgebohren gehorfamfter Diener Gellert,

2°) Gellert an Enrtins. 8 d. 28. Febr, 1754,

Hochebelgebohrner, Hochzuehrender Herr,

Es kraͤnket mich, daß Herr Wieland nicht in glücklichen um— Händen ift**), und ich wil mit ein wahres Vergnügen daraus machen, einem fo geſchickten Manne zu bienen. Doc) was zede ich von Vergnügen? Ich halte es für meine Schuldigkeit und wünſche mir nichts, als eine Gelegenheit, die feiner würbig if, Set habe ich Feine. Heißen Sie ihn indeffen gutes Muthes feyn. Meine gefchietteften Freunde, Gärtner, Gramer, Schlegel, Klops flod, haben ehedem auch informiren müffen, und igt ftehen fie in angefehnen Aemtern. Vielleicht ift Herr Wielands Glück aud nicht mehr fern. Hat er etwan Luft etwas aus dem Eng⸗ liſchen zu überfegen? J

) (Aus dem Driginale mitgetheilt durch K. H. G. Freiherrn vom Dieufebach)

*.) Wielands Brief an Gurtius, aus welchem dieſer fo etwas geſchloffen und an Gellert geſchrieben hatte, ſcheint verloren au fein. Aus einem fpätern Briefe Mielande an Curtius (jegt

- mit den zwei Gellertfien in meinem Beige), gefäirieben Bür rich⸗ ben 28. Sept. 1755, erfieht man aber, daß Gurtius Wie Ianden wohl mißverftanben hatte. „I bebaure nur (fhreibt Wieland), daß Sie meinettvegen Mühe gehabt Haben, da ich die Stelle, welde Sie mir anbieten, aus mehr ald einens Srunde nicht annehmen Yan; wovon biefer einzige Hinlänglidh if, dap igh feit einem Jahre mit einem paar vornehmen Burchifchen Yercen wegen Unterweifung ihrer Söhne in einem engagement fiehe. I Habe dieſes dem Hexen Abbt von Marienthal, defs fen Großmuth id mit bankbarftem Herzen verehre, fon vor einem Jahre berichtet, ich fehe aber daß mein Brief ihm nicht

a

Für Ihr fo ſchoͤnes Gedichte ) danke id Ihnen ganz erges benſt. Ich hoffe Ihnen. bald einige Verſe von mir fihiden zu Manen. Ihren Ariftoteles habe ich noch einmal burshgefefen, Die ueberfegung und bie Anmerkungen, beides gefällt mir vor⸗ trefflich; und wie ſehr wünfchte ich, daß alle Griechen, die übers fehet werben follten, fo fchön überfeget würden!

Ich verharre mit ber größten Hochachtung

Ew. Hochwohlgebohren gehorſamſter Diener C. 8. Gellert.

zugekommen iſt. Ich uͤberſchidte Ihm damals einen gebrudten Plan, in welchem id meine Neigung ein Privatlehrer zu fe öffenttid) fagte. ie feinen nit vöNig don meinen Umftän« den berichtet zu fen. Ich fehe die Bituatiom in der ich mich befinde für fo angenehm an, daß id fie aus taufend andern mählen würde. I% habe fie auch gewählt. Der Brief ben Yere Bobmer, ber befte und zedtfhaffenfte Dann, an den Sen. Abt Ierufalen vor 2 Jahren ſchries und ber meinige, war nidht in ber Meinung gefdirieben, daß ich eine Wefdrbes zung um ber Befbrderung willen fuhte; wir mepnien nur, e& wäre gut, wenn id} aus der speculativen Sphäre, worinn ich fonft eingefäloflen war, in ein activereB Eeben tüme und Ber kanntſchaften in Deutſchland machte, welche mir vieleicht Ser legenheit gäben, in einem weitern Giekel zu nügen.” X. 9. 3. 0. Meufedad.

) Bermuthtich „Philoſophiſches Lehrgedicht von ben Schidfalen ber Seele nad) dem ode. Gannover, 1754. 8.“ Derſelbe.

Gellert V. 6

44.°) An 3. 3. Sreiperen von Sronesk. 2, d. 23, Märy 1754,

Mein Leber Here Hofrat,

Alfo befommen Sie auf einmal einen Brief von Ihrem Graf Morig, einen von Ihrem Gellert und von eben bemfelben auch ein Bändchen hüͤbſch gebrudter Gedichte? Das iſt viel auf eine mal. Werfen te alle Ihre Acten bey, Seite (ed wäre benn, daß Sie ein Zobedurtpeil, ober eine Gentenz an Wittwen und Wayſen zum Beften zu ſprechen hätten) werfen Sie, fage ich, alle Ihre Acten weg und fallen Sie mit Ihrer ganzen Seele auf meitte Gedichte und Iefen Sie folhe ganz in Ihr Herz hin⸗ ein. Alsdenn, fo bald Sie das legte Wort gelefen haben, neh nen Sie Ihre befte Feder, und fchreiben Sie alle gefühlte Ems pfindungen, alle Gritifen auf. Diefer Ihr Pünftiger Brief fol meine Belohnung, meine Beſſerung, ein Befehl mehr zu ſchrei⸗ ben, ein Befehl, aufzuhören; Kurz, er fol mir alles das ſeyn, was er ſeyn Tann. Sie loben mid? o wie flolz hebt fi mein hypochondriſches Herz empor! Cie loben mich nicht? D wie demuͤthig gehe ich in meine Kammer und Haffe mich einfam! Mußte ich noch einmal ſchreiben? Konnte ich nicht aufhören, da ich fühlte, daß mic bie Poefie Arbeit und Kummer warb? Cronecken nicht gerührt zu haben? So werde ich feindfelig zu mir fagen, wenn Ihe Brief ohne Ihren, Beyfal kömmt. Den EHriften habe ich in der legten Reujahremeffe, mitten in meinen hypochondriſchen Beſchwerungen, gemacht, unb flehent⸗ lich gebetet, daß ich ihn aus reblichem und feommen Herzen mas hen möchte, * Der Stolz ift ein Paar Jahre älter. Wenn

) (Ku6 dem Driginat, das ſich in ber Stabtbibliothet zu Seip⸗ sig befindet.)

[2 Sie Ihr Exemplar gelefen haben: fo fehlten Sie es doch dem ‚Harn v. Gleichen, nebft bem an ben Heren v. Siveri. DI ru ee en ee bee nicht fo unverſchaͤmt häufen. Ich umarme Sie und bin zeitlebens Ihr Freund. Gellert,

45. un Bordwarb, 8. d. 23. März 1754.

Wem Fönnte ich wohl meine Gedichte eher ſchicken, ald Ihnen? Se Haben erſt heute bie Preffe verlaffen, und o mie eile ich, daß fie.bald in Ihre Hände kommen mögen! Der Beyfal ber Borchwarde in der Welt, und der Borhmwardinnen, if die Belohnung, bie ich fuche; wenigftens ift biefer Stolz zugleich ein Beweis eines guten Herzens. Lefen Sie alfo ben Augenblich die wenigen Bogen durch, Laffen ie alles liegen, ich bitte Gie, bis Sie zu Ende find. Und fobald Sie bie letzte Zeile geleſen haben: fo nehmen Cie bie Feder, und fehreiden Sie mir ale: Gmpfindungen, bie Sie im Lefen gefühlt, auf. Diefes Verzeich⸗ niß wird entweber der gemwiflefte Lobſpruch, ober der ficherite Tas del für mich ſeyn. Sammeln Sie auch bie Empfindungen Ihrer liebften Gattin; fie werben gewiß lehrreich für mich feyn. Der Chriſt iſt das legte Gebichte, das ich nur in ber verwichnen Neu⸗ jahrsmeſſe gemacht, nachdem ich etliche Jahre, durch verſchiedne vergebne Berſuche überrebet, geglaubt hatte, ich Könnte keine Berfe mehr machen. Ich mag Ihnen nicht fagen, was meine hiefigen Freunde von biefem Gedichte urtheilen, damit Ihr Kuss ſoruch deſto freger bleibt, . Aber ach wie glädlich wollte ich mic

N 6.

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ſchaten, wenn dieſes Gedicht, wegen feines Inhaltes, des Bey: falls der Kenner und ber Rerhtfchaffnen wärbig wäre! Ich habe neun Tage, ohne Aufhören, daran gearbeitet, alle Quaal ber Hppochondrie verläugnet, und wie Gott weiß, oft gebetet, daß iche aus der Fülle eines redlichen und abſichtsvollen Herzens na= en möchte. Und eben dieſes Gebichte hat mich beftimmt, bie Übrigen auszuſuchen und herauszugeben; denn biefe liegen alle ſchon etliche Jahre, manche fünf Jahre, z. €. die Erzählungen, manche drey, manche zwey Jahre. Ja, ich war feft entfchloffen, fie nie druden zu laffen: fo fehr fehlte mic der Muth und bie Luft, ein Autor zu werden. Grinnern Sie fih nicht, daß Sie mich mehr als einmal, aber vergebens, haben verführen wollen, etwas brudten zu laſſen? Wie gut werben Sie mir nunmehr feyn, baß ich noch menſchlich genug bin, verführt zu werben! Alſo, werden Sie fagen, ift wohl ihre böfe hypochondriſche Epoche vorbey? Wollte Gott, ich Tönnte breit Ja fagen! Aber das Zann ich nicht.‘ Indeſſen preife ich Gott, daß es leidlich, daß es nicht mehr fo ſchlimm ift, als ehedem. Ich weiß nicht, wie ichs machen foll, daß ich mit mir felbft zufrieden werde, Ich glaube ft, daß ich nicht mehr fo gut bin, als fonft; ich glaube, daß bie feinen Empfindungen bes Herzens ſich bey ‚mir verlieren. Und was glauben? Ich fühle es. Ich bin flarr, ich werde wes der gegen bad Gute, noch das Boͤſe, genug empfindlich. Unb ‚gefeht, daß biefe Beſchaffenheit eine Jolge der Krankheit und des Mangelö der gehörigen Säfte wäre: fo kann ich doch immer die Urfache der Krankheit gewefen ſeyn, und noch ſeyn. Weiter will ich nicht Hagen; aber einen Beinen Anfang zur Klage, den müfs fen Sie einem einfamen und anachoretiſchen Herzen vergeben. Ob ih Sie biefen Sommer nicht in Berlin befuchen will? Ad ja, den Willen habe ich, fo oft ih an Sie denke; und wie oft denke ich nicht an Sie! Aber bie Ausführung hat in meis nen Umftänden große Gchwierigkeiten, und biefe werbe ich nicht

fo leicht überwinden. Erſeten Sie mie ben Genuß ber Liche, den ich in Ihrem perſonlichen Umgange nicht haben fol, durch Ihre Briefe. Diefe haben mich ſchon oft erquicket; und fo lange ich edle Hergen, wenn fie reden, noch gu fhägen weiß: fo lange wi id} glauben, baß meine Hypodjondrie noch nicht aufs Höchfte geftiegen iſt. Wiſſen Sie, was ich in biefem Augenblide, ba id diefes ſchreibe, wunſche? Ich wünfdte, daß Sie einen Cohn hätten, den id zu mie nehmen, und in dem ih mich um feinen Bater und feine Mutter verdient machen Tinnte. So fromm dieſer Wunſch ift, fo muß er doch mit ber Abſicht ber Vorſehung nicht ganz übereinftimmen. Aber wenn «6 möglich wäre, daß Sie die Freuden eines Waters noch ſchmecken follten, wer würbe froher fegn, als ih? Ich wünſche mit ganzer Seele Ihnen alles das, was wahrhaft glüdlich und zufrieden macht, und bin zeitlebens der Ihrige o

486.°) Un Iran Prof. Sulzer.

®. März 1754.

Das Vergnügen von Ihnen gelefen zu werben, iſt mir zu groß, ald daß ich warten Eönnte, bis Ihnen ein Buchführer meine Schriften von der Meſſe mitbraͤchte. Nein, ich ſchicke fie Ihnen felber; ich ſchice fie Ihnen cher, ald meinen andern Freundin⸗ nen, nicht anders ald ob ich glaubte, Sie würden fie gern lefen, In ber That bin ich auch eitel genug, einen heimlichen Anſpruch auf Ihren Befall zu machen, und ich ftelle mir immer vor, wie Sie bey den Gedichten: Reihthum und Ehre, ber Chriſt,

*) (As dem deherſchen Nadiet.)

s6

Ihrem lieten Bann zurufen, mic rinen guten Menfchen beißen und ih verführen werben, mich auch gu leſen. Er wird nun freylich nicht fo fanft mit mir verfahren; er ift gelehrter abs wir begde; er wird Fehler fehen, mo wir Zeine wahrnehmen; aber ich tröfte mich, daß bie Sulgerinn mich vertheidigen wirb, wenn -@ulger mid) erittſirt. Und was will er maden? Aus Liebe für feine Frau muß er doch gu wiberfprechen aufhören. Urberhaupt ‚Habe Ich in meinem gangen Leben mehr Glück bey den Frauen⸗ gimmern gefunden, als bey den Männern; und darauf bin ich ſtoltz. Denn daß jene mehr feine Empfindungen, mehr Mitlei⸗ "den haben, mit einem Worte mehr Herz find, als biefe, das hbaben bie Beſten unter den Männern felbft gefaget, und ich werde nicht aufhören, es gu fagen. Ich werbe mich auch be—⸗ ſtaͤndig mehr zu ihrem Geſchlechte halten, al& zu dem meinigen. Bas foll ich bey den Männern mit tiefem Berftande! Traurig und ſtarr werben? Das Tann ic für mich; und ich habe nur dar zu männliche Fähigkeiten in dem Falle. Ich will auch dar⸗ auf nicht Hören, was bie Männer zu meinen Gebihten fagen werben. Genug, wenn ich dem Geſchlechto gefalle, das zur Freude des Lebens gefhaffen iſt.

Aber liebe Madame, ich rede fo trogig von Ihrem Manne; nun wird er mir nicht erlauben, daß ich ihn biefen Sommer befuchen darf? Ich dächte, ich wiberriefe das, was ihn in dies ſem Briefe angehet. Gin Menſch, ber hypochondriſch ift, über- eitt fi oft und meynt es nicht böfe, auch wenn er böfe ausſieht. : Miller fich durch biefe Abbitte nicht befänftigen laffen; nun Beadame, fo erlauben Ste mir nur, daß idy Sie beſuchen und durch Ihre Zufriedenheit einige Tage meines Lebens zufrieden werben darf. Im Ernſte, Madame, ich bin ein ordentliches Kind. Ich möchte herzlich gern nach Berlin; ich tröfte mich oft damit; ich weis, wie wenig es geſchehen wird, und body beträge ich mich, als würbe es gefchehen. So find die Wenſchen, bie es nur halb find.

Ich kuſſe Ihren Lieben Sutzer mit druͤderlichem Herzen, ihn and Ihre Beine Rachwelt, und bin mit ber vollklommenſten Gohachtung ıc. i .

ar.» An Rabenen e. März 1754. Mein liebfter Rabener,

3% hätte Ipnen das Poſtgeld, mepnen Sie, erſparen und mit meinen Gedichten warten Zönnen, bis Sie zur Meffe ge tommen wären? Aber ich meyne es nicht, und vieleicht werben Sie es auch nicht mehr meynen, wenn Sie bas Beine Werk durchgeleſen haben, „Rein, mein lieber Gellert, dazu Habe ich tt keine Zeit, ich habe möthigere Sachen zu tun, als müffige and ſchwerfaͤllige Posten zu leſen; ich bin igt für das Water Aand ba, und nicht für den Parnaß, ben fich ein jeber meiner Areunde aufrichtet.“ Ja doch. Sie haben Recht. Aber mar⸗ tern Sie mich nicht. Leſen Sie mich immer; es ſoll das letzte⸗ mal feyn, daß Sie mic leſen. Sie können doch nicht immer arbeiten, nicht immer veferiven und cataſtriren, oder wie es heißt, Laffen Sie fih eine Bouteille Wein bringen und lefen Sie mich biefen Abend noch. Im einer Stunde haben Sie mich gelefen und ber Wein wird Sie gewiß beleben, wo «3 meine Poeſie nicht thun Tann. Alſo wollen Sie mich Iefen? Run Sie find auch ein recht gutes Kind. „Mein wenn ich Sie lefe, werbe nich fein Kinb ſeyn. Ich werbe Sie richten und da Tann es licht kommen, daß Sies beueuen, mich fo flehentlich zu Ihrem

®1 (06 dem deverſwes Hahiet.)

„ceſer gemacht gu haben.“ Cut, ich übexlaffe mich Ihrer rich⸗ terlihen Gewalt. Es wirb Ihnen doch gu weh thun, als baf Sie mir alles das Böfe fagen Tönnten, was Sie denken, we— nigftens wird es Ihnen zu viel Mühe machen, als daß Gie als les nieberfchreiben follten, was &ie in einer Stunde boshaft denken; unb endlich haben Sie die Gabe, Ihr Böfes noch ſchoͤn zu fagen: alfo will ichs immer darauf ankommen Laffen.

Aber ganz im Ernfle! Sie werben ſich wundern, wie ich zu den Gedichten komme, ba ich feit etlichen Jahren fo hypochon— driſch unfruchtbar geweſen bin. Die meiften davon, mein lieber Nabener, find vier und fünf Jahre alt. Die Erzählungen find es durchgängig; denn das iſt gewiß, daß ich feit vielen Jahren nichts mehr erzählen Tann, und daß ich kimftig niemals mehr erzählen werde. Reichthum und Ehre hat lange im Manuſcripte gefeufzt. Den Ghriften habe ich in der Reujahrömeffe gemacht, und biefen haben Schlegel und viele andere fehr gelobt. und gleichwohl habe ich gedacht, ich koͤnnte Leine Werfe mehr machen, und in ber That habe ich diefes aus mehr als einem vergeblichen Berſuche glauben müffen. Ich kann es kaum erwarten, bis ich Ihr Urtheil von den Gedichten Iefen werbe. In ber That ver liere ih, daß ich meine Eritifhen Freunde nicht mehr um mic habe; und wie Herzlich gern hätte ich Ihnen das Manufeript zugeſchidt und Ihre Critiken gehabt? Aber follen Gie ſich hin— fegen und Ihre Anmerkungen aufichreiben? So begehrlich habe ich bey Ihren Arbeiten nicht feyn Tönen. Und wenn kann man daB alles nieberfehreiben, was man in einer Stunde fagen unb erweifen Tann? Wenn Sie zufrieden mit mir find, fo ſchreiben Sie mir bald. Wenn Sie aber nicht bald fehrefden, fo fol mir dieſes ein traurige Kennzeichen feyn, daß Sie es nicht find. Weis ich denn nichts mehr um den Brief voll zu maden? Nichte, in ber Welt nichts, als daß id Sie Herzlich bitte, bald eine liebe, vecht liebe Frau zu nehmen, Die Jahre unſers Frühe

Uings,, tiehfter Btabener,, firb fo ſchon vorbey . Ich umarme Sie und bin zeitlebens der Ihrige. 6.

48.) Rabener an Gellert.

Dresden, d. 24, März 1754, Lieber Kleiner**),

Wenn Sie meinen Beyfall aus ber gefchwinden Antwort fließen wollen; fo hätte ich Ihnen wohl mit einer Gtaffette ‚antworten mögen. ie find ein allerliebfter Gchleicher, fo fchleis hend, wie Ihr horchender Apoll auf dem Titelblatte. Da id von Ihnen kaum eine gereimte Zeile vermuthet, fo überrafchen Sie mich mit einem Baͤndchen, worinnen ich meinen @ellert gang finde, Ich würde mit Ihrer Burchtfamkeit fehr unzufrieden feyn, wenn Sie im Ernſt aufhören wollten, mehr zu ſchreiben. Wollen Sie nit mehr erzählen? aber warum wollen te das nicht mehr? fo geben Sie uns Lehrgebichte, in denen Sie gewiß glädtich find, Wiffen Sie, daß mir ber Stolz am beften gefält? Die Gedanken find neuer, als in Reichthum und Ehre: doch hat auch dieſes Stüc, gleich dem CHriften, vorgüglihe Schönheiten. In ben Erzählungen weis ich beynahe keine Wahl zu treffen; fie find alle ſchͤn. Die 2. 3. 12te und 13te kommen mir entweber nicht neu genug, ober nicht forgfäls tig genug erzählet vor. Der Informator wird wohl confiſcirt

°) (Rabenerd Briefe, heraudgeg. von Weiße S. 250. ff.

=>) Babener pflegte Gellerten, in Beziehung auf feinen äteften Brus der, den Dberpoftsommiffechus Ist@eippig, fo sunennen. Weiße,

vo

erben; ob fie den füommen Seneral in bie Beee Zeitung eia⸗ rüden möchten? daran zweifle ih faſt. Ich freue mich, daß Sie das auf unfern Grafen mit beybruden laſſen. Gr verbient, von Ihnen auf dieſe Art Öffentlich gelobt zu werden; und viels teicht hat es auch Fänftig feinen großen Rutzen, wenn es ihm einmal, als Greelleng, ungefähr wieder in die Hände fallen folte. Einen einzigen Punkt haben Sie barinne vergeffen. Bey einer neuen Auflage Armen Sie inmmer noch eine Strophe nach der zehnten Strophe einrüden. In bem Gedichte auf Gramern ift viel Zärtlichkeit und Weißagung, außerbem würde ich es mehr für ein Gedicht für bekannte Freunde, als für bie frembe ‚Welt halten. Die Stelle ©. 183.

Da liebe Zöhter, liebe Söhne, ıc.

möüffen Sie ſchlechterdings Selbſt, und mit Ihrer eignen men= ſchenfreundiichen Miene leſen, wenn fie gefallen ſoll. Jagwiſchen iſt der Gedanke gar chriſtlich, und er bringt mich auf den er⸗ beulichen Kichengefang:

Schoͤne

Söhne

und bie Doden,

Die den Roden

ein abfpinnen,

Und bie Zeit mit Kunft gewinnen!

J nunſer Cramer wird itt wohl bey Ihnen ſeyn. Wie beneide id ei! RE . Eeben Sie recht wohl, und haben Sie mich recht Lieb, Mein ledter Gegen iſt: Sey er ruhig, ef er und trink er ꝛtc. Sqhreib er. fleißig Mäder, mein Sohn

Dir, weldes vinerley iR: Auf! mag’ es noch einmal; vergiß den Zeitvertreib, Sahlaf, Freunde, Lieb’ und Wein! Werläugne di, und fehreib! Diefes wünfcht mit Herr Wendlern Ihr

redlicher Rabener,

Setraet and dem dresdniſchen Anzeiger.

sub. rabr. Allerhand kleine Schriften ıc.

Leipzig. Allhier haben wir aus dem Wendleriſchen Vers lage abermal ein Werken befommen, welches ben Titel führt: Lehrgedichte und Erzählungen von Gellerten, groß Octav, 9 Bor gen. Es ift dieſes eine Sammlung gar Ichrreicher Denkfprüche, die und der fel. Mann hinterlaffen hat, und bie feine Erben zufammen bruden laffen. Wir hätten gemänfcht, daß einige Radricht von feinem Leben vorgefegt wäre. Da er ſchon vor zwey Jahren geftorben ift*), fo würde es nod Zeit ſeyn, vers ſchiednes von feiner Perfon und Umftänden zu fammlen. Der felige Dan gehörte unter die großen Geiler, die mehr als eine Sphäre füllen, und feine tiefe Einſicht in Die Berg» und Metal- Ienwiflenfhaften **) werben. ihn im feinem Waterlande unſterblich machen. Wir freuen und, daß der Herr Paftor Bee in See Hoffnung macht, eine ausführkiche Beſchteibung von feinen Bes

) Der Ruf hatte ihn dazumal tobt gefaget, Weite.

@*)Dieß bezieht ſich auf eine Stelle im Jonrnal Btranger, wo man bet) Celegenpeit ber Wecenfion ber Detallurgie bed Yerın Berge commiffionzath, Gellertd in®repberg, ihn mit dem Dichter ders woedfelt, und fi verwundert Hatte, daß ein Mann in einer fo teocnen Zifienfaft zugleich ein fo guter Dichter ſeda Uonnte. Weiße,

bensumftänden Tünftige Peterpaulmeffe zu liefern. An Druck und Papier hat ber Verleger nichts. gefpart. Wir wollen zur Mrobe von biefen Gebichten eine anakreontiſche Ode einräden: An den Herren Grafen Hanns Morig von Brühl. ꝛc. ꝛc.

Wie gefaͤllt Ihnen dieſes Ertractchen, mein Lieber Kleiner? Ich erſtaune, da es mir den Augenblick in die Hände fällt, als ich den Brief fliegen will, Sehn Sie, daß wir in Dresden auch Gefhmad haben! Am 26, Merz.

49. An ben Freiheren von Erauffen

e. d. 2, Apr. 1754.

Hochgebohrner Freyherr! 34 bin unendlich zufrieden, daß Ihr Werk in Gandertheim fo gnäbig aufgenommen worden iſt. Wer kann Ihnen biefes Vergnügen mehr gönnen, und wer muß es Ihnen mehr gönnen, als ich, da ich Dankbarkeit und Liebe zugleich gegen Sie em= pfinde? Mir haben Gie Seine Mühwaltung mit Ihren Poeflen verurſachet; nein, theuerfter Freund und Gönner, nun ift alles Freude für mid, wenn Sie nur ruhig und mit miv zufrieden find. Aber wie Eönnen Sie von Dankbarkeit reden? Was bin ich Ihnen im Nahmen meiner Mutter nicht fhuldig? Ich habe nichts gethan, was nicht ein jeder auch nur halb rechtſchaffner Zreund thun würde. Die Auslage für die. vier Bände beträgt zwey Thaler, Sähfiih. .

Ic) bin begnape mit Ihnen zugleich Autar geworben, aber nur im Kleinen; und id mürbe mir bas Wergnägen machen, Ihnen meine Gedichte früher, als allen andern, zu ſchicken, wenn bas Poſtgeld nicht höher Lime, als das Merk ſelbſt. End⸗ Uch weiß ih, daß Sie ſolches von Here Kornen beynahe eben fo geſchwind Haben Einnen. Möchte Ihnen doch meine gute Abficht fo wohl gefallen, als mic Ihre ruhmliche Abſicht bey Ihren Gedichten hat gefallen müßen.

&ie find wieber gefunb? Gott fey gepreifet! Er erhalte Sie ferner, und erfülle die Wünfche Ihrer Seele! Meine Ges ſundheit iſt nicht bie befte; aber auch nicht bie ſchlechteſte. Leben Sie wohl, und Laffen Sie mir den Ruhm, daß id Sie vor taufend andern verehre und liebe. Ich bin gewiß zeitlebens der Ihrige

Sellert.

80. Un Borhwarb.

2. d. 8. Apr. 1754,

Wenn auch Fein Denf weiter meine Gedichte lobte, fo würde Ihr Brief allein mich für alle meine Mühe reichlich belohnen. Wie vortrefflich haben Sie mid, gelobet! Ich bin oft im Leſen zweifelhaft geworben, was ich lieber ſeyn möchte, ob der Lobende ober der Selobte. So lang Ihr Brief ift, fo hielt ich mich doch oft im Lefen auf, um ihn noch länger für mein Vergnügen zu machen. Oft Tas ich etliche Seiten flächtig, um ein Recht zu haben, ihn noch einmal gu leſen, und nicht alles auf einmal zu wiſſen. Wald erwachte bie Gigenliebe, bald eine Heine Bes ſcheidenheit, bald bie Dankbarkeit und Liebe gegen Sie, kald ein gutes Gewiſſen. Gnblid, da id mit deſen fertig war, ſprang

%

ish von bem Stuhle auf, und fagte: Gott Lob! Gott Lob! daß ich fo glücklich binz daß ich foldhe Freunde habe! Er übertrifft mich an Güte bes Hergend weit, ber gute Borchward! Ich gieng in der’ Stube herum, und überdachte bad Wergnügen, das ich haben wäürbe, wenn ich Sie igt umarmen koͤnute. Doch ich will Ihnen nicht alles fagen, was ich empfanb, ich möchte Ihnen zu viel jagen: Unb Ihrer Liebenswürbigen Frau, wie viel bin ich dieſer Dank ſchuldig? So iſt fie gewiß Ihrer Wey⸗ nung und Ihrer Empfindung in Anfehung meiner. Gedichte? Bas für ein glädliher Autor bin ich nicht! und Ihr lieben Bergius, mein Freund, ift auch mit mir zufrieben?

Was Kann id mehr begehrten? " Mit dem erfiegten Ruhm ſoll FL mein Herz ſich nähen.

Im guten Berftande! Ich habe heute eine franzöffche Ueber— fegung der Schwebifhen Gräfin, in Berlin gebrudt, in ben Händen gehabt. Wer muß ber Mann feyn, der mir biefe Ehre erwiefen hat? Kennen Sie ihn etwan? Das Franzöfifche iſt, deucht mich, ohne Fehler; ob es nach dem Genie der Sprache frey und beredt genug ift, das muß das Ohr eines Franzofen ausmahen. Wie herzlich wollte ich wünſchen, daß die Uebers ſetzung recht ſchoͤn ſeyn, und mic für die Schmach ber überfeg- ten Babeln und für eine Englifhe, aber elende Ueberfegung der Schwediſchen Gräfin, bie vor ein paar Jahren in London her⸗ außgetommen, ſchadlos halten möchte. Man hat mir mehr als einmal frangöfifhe Weberfegungen, fowohl von den Gomöbien, als den Vroftgründen, und der Gräfin, bald aus Halle, bald aus Magdeburg, bald aus Strasburg, im Manufcripte zuges ſchicket; ich. Habe aber ben Drud allemal verbeten. . Diefe Meſſe werde ich eine Ueberfegung ober vielmehr eine Nachahmung ber neueften von imeinen Babeln aus Paris erhalten. Der ueberſeter iſt dee Herr von Riverie, ein. Mitglied ber Academie zu.

Kmiemb, der fi in Paris mufpkit, Gr IP ein Port; ba: if: ſchon Troſt genug. Gr wird, wie er mr durch einen guten Zerund hat ſchteiben laffem, der ihn in Paris hat kennes lernen, diefen Gommer nach Beipgig Fommen, aus Biebe zu mir; das iſt ſehr ſchweichelbaft —.

Die Adreſſe folget.. Ich danke Ihnen noch einmal für Ihren vorteefftichen Brief, die Sopie Ihres Herzens 6 ſtandes; ic grüße Ihre vote Bean, alle Ihre Freunde, und bin der: Ihrige . ®

51°) “un Bormen e. d. 9, Apr. 1754,

Hochedelgebohrner, Hochzuverehrender Herr Profeffor,

Sie haben mir zu viel Ehre erwiefen, als daß ich Ihnen nicht den verbindlichften Dank dafür abftatten follte; eine Ehre, die ich mic würde getwünfchet haben, wenn ic hätte wünſchen dürfen, bie ich aber npn einem fo berühmten Scribenten nicht erwarten Eonnte. Ihre Ueberfegung ber Gchwebifhen Gräfin, wird eher des Fehlers befchuldiget werben, daß fie das Driginal verfchdnert, als daß fie es geſchwächet Hätte. Ich bin freplich fein Kenner der befondern Schönheiten der franzoſiſchen Sprache; allein ber allgemeine Beyfall, den ſich Ew. Hochedelgeb, durch Ihre berebte Schreibart erworben, Eann bey mir wegen ber Güte Ihrer Ueberfegung, bie Stelle der Einſicht und bes Ber

®) (Ku6 dem Driginal, das fich in ber Königl. Sibliothet zu Ber⸗ lin befindet, mitgetheilt von Hrn, Pr. ®. Brtebländer.)

weifes. vertreten. Iſt etwas gutes in Diefem Bomane, und die⸗ ſes dürfte ich beynahe ſicher glauben, da Sie fich die Mühe gegeben Haben, ihn zu überfegen; - fo wirb Ihnen bie Melt weit nach⸗ beücklicher für Ihre Bemthung banken, als id es thun Tann. Ich will nicht eiferfüdhtig werden, wenn man der Ueberfegung -einen Vorzug vor dem Driginale giebt: ich will mich vielmehr glädtid fhägen, daß eine Arbeit von mic durch Ihren Geiſt beiebter und nüglicher geworben iſt. Sollten die Kunfteichter bie Fehler meines Romans, durch die Hälfe Ihrer Ueberfegung, befto genauer bemerken: fo will ich mic damit tröften, daß durch dieſe Weberfegung auch manche gute Empfindung in dem Herzen eines Ausländers wird erwecket werben. Ich wiederhole alfo meine Dankfagung und verharre mit der vollfommenften Oochachtung Ew. Oochedelgebohren gehorſamſter Diener E. F. Gellert.

52.) 2% 59. Apr. 1784. Madame!

Da bie Ueberfegung der Schwediſchen Gräfin aus fo guten Händen koͤmmt, und da Sie durch biefelhe den Druck einer ſchlechten verhindert haben: fo würde id fehr unbillig handeln, wenn ich Ihre Bemühung nicht mit allem Danke erkennen und Ihnen Glüͤck dazu wünfhen wollte. Ich zweifle nicht, daß die

°) (&n die Bergen von gormeys Ueberfegung der Schwediſchen Seäfin. Siebenter bis achtzehnter Brief von Geller. Berlin ım. Ro. 18)

n

meberfegung eines fo geſchaten und berthmten Mannes, als det Derr Profeſſor Formey Hk, nicht ſollte gefucht und mit Ver⸗ gnügen gelefen werben.

DaB Sie die ſchlechten ueberſetungen nicht in Werlag genoms men, dadurch haben Sie mic den größten Dienfl von ber Welt enwiefen, und ich erſuche Sie inſtaͤndig, mir diefe Wohlthat ferner zu ergeigen.

Zugleich danke id Ihnen für das überfdhläte-Gremplar erge · bent und verharre mit der ſchutdigſten Hochachtumg

Madame

Ihr verbundenfter Diener ©. 8. Gellert.

ss. Gellert an feine Schwehen*) 2, d. 4. Juni 1754, Liebe Schweſter,

Ich bin, Gott fey gepriefen! wieder in Leipzig, und habe das Mühfelige der Reife und der Gur zum anbernmale übers flanden. Ich habe das Waſſer nur vierzehn Tage getrunken, und bin überhaupt nur ſechzehn Tage in Carlsbad gewefen; aber umeubiger ald bas erftemal, ich weis nicht warum, vieleicht hat der Mangel an Gefellfchaft etwas, ober wohl bas Meiſte, beys getragen. Es war, außer Dr. Zillingen, niemand gugegen, mit bem ich umgehen Tonnte, und bieke gute Mann machte

®) (Bellerts ältere Sqhweſter, bie Wittwe des Diaconus Biehle in

Zeinichen Die Briefe an fie find abgebrudt aus: Gelertd Samilienbriefe, herauögegeb. von Sexhte.) Gellert V. 7

mid durch feine Jurchtſamkeit noch furdtfamer. Gleich nad den erften Sagen wuͤnſchte ich mich wieder fort, unb biefer Wunf verließ mid) felten. So find wir kindiſche Menfchen. In Leip⸗ ais wünfchte ich bald ins Garlsbab zu kommen, und fehmeichelte mir, wie gelaffen und ruhig ich ba feyn, und mein Schidfal abwarten würde. Kaum war ich bafelbft, fo fahe ih, daß ich mich hintergangen hatte, und nun war mie Leipzig ber Drt, den ich wünfchte und ſuchte. Genug, es iſt alles vorbey, und vielleicht läßt mich Gott noch eine gute Wirkung bes Brunnens genießen. Das fehe ih, daß meine Gefundpeit fehr unbeftänbig ift, und daß ich oft in wenig Augenblicken von allen Kräften Tomme, ohne zu wiffen wie. &o bin ich denn wieder in Leip⸗ 39; darum bat ich Bott, und ich will getroſt ſeyn. Was macht die liebe Mama? Was macht Ihr ale? Ich grüffe fie und Euch, und Hoffe bald das Beſte von Haufe zu hören. Dr. Zilling hat ſich wieder als ein wahrer Freund um mid verbient gemacht, Lebt wohl, Gott gebe es Euch und mir. ®.

[7 9 An biefelbe 2. d. 24. Juni 1754

Der Zufall ber guten Mama hat mic erfchredt; aber Bott fey Dank, daß er keine fchlimmern Zolgen gehabt hat. Er wird übe Helfen bis an das Ende ihrer Tage, MWielleicht ſehe ich fie Zünftige Feyertage. Denn daß ich verreife, ift in meinen Ges danken, wenn Gott will, feft befchloffen ; aber ich weis nicht wohin. Es kann kommen, daß ich die ganze Zeit von Oſtern

bis Pfingſten zu einer Reiſe für meine Gefundheit und Ruhe anwende. Ih habe Urfahe, Gott herzlich zu danken wegen meiner jetigen Gefundheitdumftände. Sie find nicht mehr fo aͤngſtlich, als da ich bey Euch war. Lebt alle wohl, Bott gebe es! G.

55. An diefelbe

2. d. 1, Juli 1754. Ich Habe jegt des Tages fünf Collegia, fo viel habe ich ihrer nie gehabt. Wielleieht denke ich weniger an mich, wenn ich mit Arbeit überhäuft bin. Meine Gefundheit ift noch ſehr wandelbar; aber, Gott fey Dank! in voriger Woche habe ich etliche glück— felige Zage gehabt. Das Lied, das der Bruder in Freyberg ehebem von mir erhielt, will ich Euch ſchicken, wenn ichs finde. Id) grüffe bie liebe Mama, und mwünfche ihr Leben und Geſundheit. Künftigen Donnerftag ift mein Geburtstag. Wünfcht mir, daß dieſer Tag ein Tag ber Freude und ber Ruhe für

mid) feyn möge. 6

se ‚An ben Freiheren von Eranffem: 8. d. 17. Juli 1754,

Hochgebohener Freyherr,

Mit Ihrem Urtgeile über meine neuen Gedichte bin ich voll: Zommen zufrieben, und ich fehe Ihren Beyfall ald eine meiner größten Belohnungen an; denn was kann man fih mehr wüns fen, als dem vechtichaffenen Manne und bem Kenner zugleih, zu gefallen. Die Erzählungen Hatte ich felbft nicht für fo muns ter, als die erften; und ich weiß es gewiß, daß ich in meinem Leben Keine mehr machen werbe, Diefe Periode ift vorbey; und das Ähuß dem Poeten genug feyn. Bon Ihren Gedichten find nidt mehr ald Fünfpundert- Gremplare gebrudt worben, wie mir Breitkopf gefaget hat. Ich weiß nicht, warum er eine größere Anzahl verläugnen follte; wenigſtens fehlen es nicht fo, als ob er zurüdhielte. In meiner Schuld, theuerfler Frey⸗ herr, find Sie nicht. Ich gber bin fehe gewiß in ber Zhrigen und werde es, wie ich fehe, zeitlebens feyn, wenn @ie nicht dies Geftänbniß für die Wergeltung ſelbſt anfehen. Gott laſſe es Ihnen doch fo wohl gehen, als ichs Ihnen und mit- mir fo viele Rechtſchaffne, wunſchen. Ich Tann nicht aufhören diefen Wunſch zu wieberholen, und mit der erfinnlichften Hochachtung zu vergarsen .

Ew. Hochgebohren

gehorſamſter Diener Gellert.

=.) An den Grafen Morig von Brühl. ')

2. d. 18, Juli 1764.

Ihr Meines moralifches Gebicht iſt in der That fhön. IE will es gar nicht non allen Fehlern frey ſprechen; dadurch würbe ich meine Aufrichtigkeit und Ipren rühmlichen Charakter belei⸗ digen. Es ift allemal die Eigenſchaft eines großen Genies, den Zabel gu fordern, um ben Ruhm befto mehr zu verbienen. Und wer bat wohl bey feinem erſten Verſuche in ber Poefie gleich ein Meifterftlict geliefert? Indeſſen wieberhole ichs, daß Ihr Gedicht, bey feinen einen Fehlern, große Schönheiten hat. Ja ich kann Ihnen zuverfichtlic fagen, daß in dem ganzen Canit kein fo ftarkes Gebicht ſteht. Sind Sie mit biefer Ehre zufrieden? Kurz, Ihe Gedicht verbienet Tritifiret zu werden. Das ift in der Sprache der Kunftrichter fehr viel gefagt. Und diefe Kritik werben Sie wohl von mir, und zwar mit diefem Briefe erwar— ten? Rein, liebfter Graf, das ift mir itt unmöglich. Ich müßte werdgftens zween Bogen Anmerkungen auffegen, wenn ich mid) deutlich ausbrüden wollte; und wie Könnte ich bas, da ich täglich fünf Stunden und eine Gorreftur habe, die mic auch zwo Gtunden und wohl Hundert kummervolle Ah! D! und Go! koſtet. Ich will lieber bald auf Ihre Koften nach Dresden Toms men, und Ihnen meine Kritit mündlich fagen. Indeſſen bitte

ans dem Yeyerfihen Rechlas. Son den Serauegebern dee Gemmlung von 1774 (Wr. 18.) betziättih ae ad vis

ändert.)

®*) (Hannd Morig von Brühl, Neffe des Diinifters, geb. b. 20. Dec, 1736 zu Wicerou; ging 1755 Im Xuftzog des Gädfifen Hofeb nad Parid; 1759 nad Marfhau; 1764 Shäffäee sl in Yarib, dam 'in ‚London, wo er am O, Jan. 1809

ich Sie, theuerfter Graf, laffen Ele ſich von ben Zaubereyen ber Poeſie nicht zu ſehr hinveißen. Ic kenne die Gewalt biefer Si— rene. Sie find, fo glücklich Ihr Genie auf der poetifhen Geite iſt, doc ganz gewiß zu größern Dingen beftimmt. Bon diefen darf Sie bie Poefie nicht abziehen. Sie foll nur Ihren Geift befchäfftigen, wenn Sie in jenen nicht arbeiten fönnen ober follen. Vergeſſen nie, daß Addiſon einer der größten Staats— männer in England war; fo wie er einer ber größten Dichter gewefen ift. Ihre Moral in Ihrem Gedichte ift vortrefflich und id) umarme Sie mit belohnenben Küffen. O liebfter und vor- teefflicher Graf, laflen Sie nicht zu, daß das Geräufch des Hofes Ihnen diefe Stimme ber Wahrheit und Tugend unvernehmlicher madt. Ich weis wieviel dazu gehöret, unter taufend Verſu— dungen ber Lift und bes Ehrgeizes rühmlih zu wiberftehen; - allein ich weis auch, welch edles Herz ich ermuntere. Bedenken Sie den Sieg, glücfeliger Morig: In feinen lebhafteften Jah— ven, in’dem Angeſichte bes Hofes über alle ben falfchen Reiz ber Wolluft und ber falfchen Ehre durch Weisheit und durch ben Buruf eines empfindlichen Gewiflens triumphiren! D wie wers den Sie mich noch lieben, wenn ich lange von der Welt bin! Wie werden Sie, zufrieden mit fi und der Welt, in der Stunde der Betrachtung oder an der Seite einer Liebenswärbigen Byron Ihren Freund fegnen, ber Ihnen nichts ſchoͤneres zu fagen wußte, "als Ihre Pflicht. Ia, ich weis es, mein Wort gilt bey Nies manden foviel ald bey Ihnen, benn eigentlich ift es Ihr eignes Wort. Daß Sie noch nicht im Gollegio arbeiten hürfen, o bas iſt (hin! Indeſſen koͤnnen Sie fih üben, ein großer Minifter- au werben und doch auch bie fhönen Wiſſenſchaften Lieben und Thägen. Sie werben fi) den Beyfall zu verbienen fuchen und doch in ben Beyfall des Hofes ein gerechtes Mißtrauen fegen. Es giebt elende Gefchöpfe, die .unfere Schmeichler werben, um und unglädiih zu maden, wie fie find; es giebt tiende Ge—⸗

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fübpfe, bie ed nicht leiben innen, daß wir durch Werbienfte fo weit über fie erhaben find, und die uns durch tauſend Künfte bis zu ſich, bie gu der Ausfchweifung herunter zu ſtuͤrzen ſuchen. Über was fage ich Ihnen? Vergeben Sie ber Liebe, bie mich mit biefen Sittenfprüchen begeiftert; ohne die Liebe zu Ihnen würden es Lauter Beleidigungen ſeyn; aber fo find es die Aus⸗ fläffe eines Herzens, das Sie hochachtet, das Sie verehtet, das Sie ewig lieben und bewundern will, Ja, das find es. Leben Sie wohl und Lieben Sie Ihren G.

38. aa) Morig v. Brühl an Gellert. Dresden, d. 27. Juli 1754,

Siebfter Freund,

Bin ich nicht ſehr verwegen? Ich wage ed, Ihnen zu ants worten, ftatt daß mich bie Wortrefflichkeit Ihres Briefs bavon hätte zurüchalten follen. Allein wie follte ich nicht von Ihrer Freundſchaft alles erwarten, von ber ie mich fo ſchoͤn verfichern? Ja, liebfter Freund, biefe macht mic verwegen, und ich müßte Sie weniger lieben, und wie ift das möglich? wenn fie nicht dieſe Wirkung auf mich than follte. Eben diefe iſt es, der ich ſchon fo viel zu verbanten habe; und ich werbe nur fo lange gläctich ſeyn, fo lange ich fie zu erhalten wiflen werde. Aber wie Tann ich Ihnen nur den geringflen Theil davon erwiebern ? Mit dem bankbarften Herzen bleibe ich noch ſtets unerkenntlich, und o wie füße iſt es nicht, ſo übertroffen zu werben! Glauben

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Sie indefjen nicht, liebſter Freund, daß mein Herz nur im ge⸗ ringſten von feiner Dankbegierde dabey verlieret. Nie ſchlug es dankbarer für Sie in meiner Bruſt, und niemals auch war es rufriedner, als es ipt iſt.

Ich danke Ihnen unendlich für die Guͤtigkeit, mit ber Cie mein Gedicht beurtheilen. . Ihr Beyfall iſt ſowohl bie Wirkung Ihrer Nachſicht als Ihrer Scharffichtigkrit, und er würde mis weit minder angenehm ſeyn, wenn Sie in Beurtheilung deſſel⸗ ben nur bie erſtere gebraucht hätten. Verzeihen Sie mir hey Berluſt der Zeit, bie es Sie gekoftet, Ich erwarte Sie nebſt Ihren Anmerkungen. Das erfle, was Sie zu thun haben, ift, daß Sie Ihre Reife nach Dresden antreten. Alles wartet auf Sie, und der’gange Hof ift ungeduldig auf Ihre Ankunft. Zünf Gollegia und Eine Gorrectur Zönnen, deucht mich, ſchon warten, Leben Sie wohl, und vergeffen ie niemals, daß ich es mein größtes Vergnügen feyn laffe, Sie zu lieben und zu verehrten. D! wie glüdtich macht mich ſchon igt Ihre Freundſchaft, und wie viel glädlicher wird fie mich nicht einft machen, wenn ich fie mehr werde verdient haben!

Ihr . Brühl,

3. as) Un den Grafen Morig von Brüßt,

8. d. 18. Det. 7754.

Berdiene ich nicht Ihr Sob ? Ich reiſe ſechs und zwanzig Deilen, um Sie zu ſehen, und Ihnen zu fagen, wie hoch äh Bis ſchaͤte. Das fell mis, sin. andrer Hppodonkrift nachthun,

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wenn er Tann. Indeſſen darf ich auf das gute Merk meiner Heife eben nicht ftolz feon; benn fo beſchwerlich fie auch geweſen ik, fo bin ich doch reichlich dafür belohnet. Ich habe meinen Grafen Morit wieder gefehen, und ihn fo Liebenswürbig ges funden, als ich wuͤnſchte. Dieſes Vergnügen hat bie Ratur der Zugenb, bie ums nicht nur bey ber Anfalt und bey der Auss übung, fondern am meiften durch eine ſtille Grinnerung belohnet. 3a, theuerſter Graf, fo lange Sie fertfahen, bie große Hoffs zung zu erfüllen, bie ich mic von Ihrem Werflande und bem, ihm gleichen Herzen mache: fo werbe ich bey aller meiner unruhe immer nod eine Nahrung zur Aufrtebenheit haben, und nidt glauben, daß id} gang vergebens gelebet. Mein letzter Munich, wenn ich fterbe, foll noch Ihre Wohlfahrt feyn; und meinen breunden will ic, als Bermächtniß bie Pflicht hinterlaſſen, Ihr zähmliches Leben ber Nachwelt zu erzählen. „Und alles mit Einem Worte zu fagen, wird Ihr künftiger Biograph Ihren „Lobſoruch befehliegen: Er fürdtete Bott, darum war „er ſo groß!”

So wenig Sie dieſe Stelle aus Ihrer künftigen Lobrede in dieſem Briefe vermuthet haben werden: ſo habe ich Sie doch damit Lieber als mit einer ermäbenden Grzählung meiner Reiſe unterhalten wollen. Genug, Id &in wieber in Leipzig, und ein Pofamentiver aus Dresden iſt mein getreuer Gefährte geweſen. Cr Hat mir den Tod feiner Rinder mit taufenb Thränen, bie Lehe zu feiner krank zurückgelaßnen rau recht poetiſch fchde, und feine Unfäde, feine Armuth, fein Vertrauen auf bie Vor⸗ fegung während feines zwoitzaͤhrigen Aufenthalts im ber rembe, das harte Herz feiner geisigen Gähisiegermntter recht erbaulich beſchrieben. So bin ich von einer Poftjäule zer andern geloms men,. weniger laugfam, ald ohne biefen Dann geſchehen ſeyn würde. Leben Bis wohl.

6.

106 eo. Un Borhwarb, 8. d. 6. Nov. 1754.

Ja wohl, Sir Carl, das ift ein Mann, der moͤchte ich lies ber ſeyn, als König der Helden. D wenn ih nur fein Herz ganz hätte, fo wäre ich der gluͤcklichſte Sterbliche. Und ber Bater, ber Schöpfer dieſes Sir Carls, ben bemeibe ich, indem ich ihn verehre, bewundre und liebe. Warum warb ich nicht auch in England geboren? Ob ich ihn Lieber habe als ben Fiel⸗ bing? Tauſendmal lieber, ob ich gleich diefem in feiner Art feine Verdienſte gern zugeftehe.

Bie mirs geht? Ertraͤglich; beffer, ald vor Jahren um biefe Zeit; nicht fo gut, als ich wünfdhte; weit beſſer, als ich verbiene. Bis hieher hat mir ber Herr geholfen, und ich bete ihn in biefem Augenblide für alle feine Barmperzigkeit an, und ermuntere Sie, indem Sie biefes Iefen, ihm mit mir zu danken. Ich Habe heute mehr Muth als fonften, und durch wen habe ich ipn? Er begehret mein, fo will id ihm auähelfen. Ich bin bey ihm in der Noth Göttliche Worte! Und o was ik bie Freude ber Seelen für ein But, Wäre ich doch jept bey Ihnen, daß ih, durch Ihr Beyſpiel geflärkt und belebt, alle das Glüd des Lebens und ber Freundſchaft, der Ruhe, ganz in mein Herz fammeln Zönnte! Oder wäre ich doch ein Gefaͤhrte Ihres Vergnügens auf dem Lande bey Ihrem lieben Halbbruder gewefen! Ich gönne Ihnen den glüͤcktichen Monat, den Sie in Gauen zugebrocht. Aber Sie melden mir nicht, ob Sie ihn in der Geſellſchaft Ihrer Lieben Frau genoffen: doch das ift Feine Srage; fonft würde er Ihnen nicht fo ſchoͤn geweſen ſeyn. Sie iſt mic doch noch gewogen? Antworten Sie immer: Das ik auch feine Frage!

Dem Herrn von Formey bin id ſehr viel Dank für feine fhöne Ueberfegung ſchuldig. Winer meiner Zuhörer überfeget, ober hat den 3ten Theil feines Ghriftlihen Philofophen übers feget; ich wollte wänfhen, daß bie erfien deyden Theile auch ihm vorbehalten gewefen wären. Der Herr von Riverie iſt noch nicht hier, und feine Kabeln fehe ich auch nicht. Die Einlage ift beftellt; und ich weiß nichts weiter zu fagen, ala was id) Ihnen ſchon taufendmal gefagt habe, daß ich ewig ber Ihrige bin

®

61. an denfelbem

2. d. 4. Dee. 1754.

Herr Reich, ber Buchhändler aus ber Weidmanniſchen Handlung, reifet nach Berlin. O wie gern reifte ih mit, um meinen lieben, theuren Borchward brüderlich zu umarmen, und an feiner Seite bie Laſt meiner Hppochondrie einige Tage zu verreben! Aber der Winter, mein Körper, meine Gollegia, das find ja Hinderniffe genug. Indeſſen grüße ich Sie durch diefen Brief mit eben ber Liebe und bem Gorgen eines Freundes, bee gegenwärtig iſt, umb fage Ihnen, baß meine Hochachtung und Erkenntlichkeit für Sie nie höher fteigen Lönnen, wenn wir auch noch einmal fo lange leben follten, als wir ſchon gelebt haben. Ich weiß es, wie fehe Sie mid lieben. Ale Ihre Briefe fügen mir auf bie durchdringendſte und edelſte Art, bie ich nicht nachahmen, aber deſto mehr fühlen Tann. Wie man⸗ er Zroft, den ich oft gehört, oft gebacht, if mir In Ihrem Briefen neu und doppelt Träftig geworden; denn Sie, Sie ſag⸗

ten mic ihn! Möchte ich Ihnen doch halb, nicht buch Wrofk, nein, durch herzliche Theilnehmung an neuen Seenen ber Freude Ihres Lebens, alle meine Liebe und Dankbarkeit, mein ganges gutes Herz beweifen Zönnen! Sie wiſſen ſchon, mas ih für Seenen ber Luft meyne.

Der Welt eine Glariffa ober einen Grandifon zu geben. Aber was rede ih? Müſſen nicht auch unſchuldige und fromme Wünfche auf das Wohlgefallen der Borfehung zurüd gefegt wers ben, wenn fie nicht aufhören follen, gut zu feyn? Ich will bey dem Granbifon ber Erdichtung bleiben. Der vierte Theil iſt fertig. Ich glaube, daß ihn Reich fhon nad Berlin geſchickt hat, außerdem würbe id Ihnen mein Eremplar aufbringen, ob ichs gleich felber im Deutfchen noch nicht gelefen habe. Ich bin durchaus in dies Buch verliebt, und zwinge alle junge Herren, daß fies auswendig lernen follen. Ebert, ber Ueberfeger, ber glüctiche Ueberfeger Youngs, hat einen grotesken, aber doch f&hönen Einfall bey der Durchlefung des fiebenten Theils gehabt. Wenn ich, fpricht er zu Profeffor Gärtnern in Braunſchweig, den Grandiſon gefchrieben hätte: fo wüßte ich gewiß, daß ich felig werden müßte. Gott vergebe ed ihm! ich muß es ihm vers geben. D hätte bo Ebert den Grandiſon überfegt, und eben ex follte ihn nad; meinem Plane überfegen; aber er Eonnte, und wollte nicht,

Die Ucherfegung des Heren Riverie iſt angelommen. Mr hat eine gewifle Angahl aus meinen und aus bes Gngeländers Say feinen Jabeln, ben Sonden in bas Begräbnis der Könige gelegt Hat, Überfeget, (Ich kaun ſterben, wenn ih will, mon trägt mid, gewiß nicht in das Churfürſliche Begräbnis nah Zrepberg.) Kurz, ber Herr vom Riverie hat mir viel Ehen, zumal in ber Vorrede, die ziemlich feauzöfich ift, erwiefen; unb da ich bad Deigingl big, fo barf ich nicht Sticken Iyn. Men

G wante Dub ia keine Giteffeit Deplanger fo ieh ich Ihnen ein Gremplar von Arkſtee holen. So lange habe ich geredt, ohne om bab Klagen zu denken? und koͤnnte ich nicht Magen? Leben Sie wohl) Hiebfier Borch ward. Gräßen Cie Ihre Frau, meine Irrundinn; gräßen Sie Ihren Bergius. Ich bin ewig Ihe Freund und Diener

® 62.0) An Iobenn Anbreas Eramer. 2. d. 6, Dec. 1754, Theuerſter Gamer!

&o-wie ich vielleicht der erſte Lefer Deiner Predigten geweſen din, fo will ih auch nicht der erfte Nichter, das Tann ic at nein, der erſte und aufeichtigfte Lobrebner feyn. IA benundere Dich, Mo ich Dich fehe, in welcher Scene der Wiſ— ſenſchaft und der Werebfamkeit es auch fey, da fehe ich meinen gangen Gramer, Dich ganz mit Deinem großen Genie, mit Deis nem durchdringenden Verſtande, mit Deiner fruchtbaren und freywillig gehorchenden @inbilbungskraft, mit Deinem feligen Gedaͤchtniſſe. Vergieb mir meinen Lobfpruch; er quillt aus dem Innerften meines Herzens. BWergieb mir ihn und glaube ihn; Du mußt ihm glauben; Du bift es werth, ihn nach dem Buchs Raben glauben zu dürfen. Babe Dank, guter trefflicher Cramer, für Deine Reben. Sie haben mich ſchon eben fo fehr erbaut, als vergnägt, und meine Zuhörer in der Werebfamfeit Hören

*) (Mriefto. Gellerts mit Dem, Buchus, Anhang S. 630.)

ſaon Stellen ank thuen, ehe ſe mod fertig And; bean ich habe”

nicht mehr als zehn ober zwölf Bogen, ba ich biefes ſchreibe, gelefen, und biefe Bogen habe ih mir von Breittopfen felber geholet, felber erbettelt, felber geheftet, umb it fhice ich Herm 8. demäthig an ihn, mir die übrigen, bie aus ber Preffe feyn werben, zulommen zu laffen. O herrlicher Gramer, wie Hein werbe ich mir, wenn id Dich Iefe, und wie groß auf der andern Seite, wenn id Did als meinen Freund, ald meinen Bruder denke! Gott laſſe es Die und Deiner Charlotte und Deinen Kindern vorzüglich unaufhörlih wohlgehen, und Dein König möüffe noch täglich Dich mit neuer Gnade belohnen. Er ift es unter allen Prinzen, ber e8 am wuͤrdigſten thun Tann, obgleich nicht der einzige, ber es thun würde. Meinem Grafen M orig will ich Deine Reben, fobald ich fie habe, ſchickken. D wie wird er mid) Heben! wie werbe ich mir ihn zu Dankfagungen gegen mic, zu füßen Empfindungen gegen bie Religion und gegen ihren Prebiger verbinden!

So / weit‘ habe ich mit einer wahren Hige geſchrieben. Ih will aufhören, damit id Dich nicht von Neuem lobe. Lebe wohl, Hiebfter Freund, theurer Gramer, liebe mich unaufpörlich, bete für mich taͤglich. Ich bin ewig Dein Freund,

. Geltert,

63. (18) Un ben Grafen Morig v. Brühl. 2. d. 12, Dec, 1754, Ihr letzter Brief verbienet zwo Antworten, unb mehr als wo; fo fchön iſt er. Alles lebt barinnen vom einer ungekünſtel⸗ ten Anmuth und gefällt wie die natürliche Farbe eines Gefichts, bie aus einem heitern Geifte und aus einem gefunden Blute her—

u

vor blüht, Nun werben ie bald ein Heiner Gicero werben, und ba werben denn unſte Nachkommen bie Briefe beö Grafen Morig dv. Brühl an feinem Atticus fleißig in den Schulen leſen, umb. forgfältig darüber commentiren. „Doctor Barts bet, wird es heißen, mit dem er ihn in dem unb bem Briefe „vergleicht, ift nicht in dem Gelehrten: Lerico zu finden; wir „muthmaßen aber, daß es ein tieffinniger Gelehrter und großer Publicift gewefen feyn muß, und zwar aus vielen Urſachen.“ Ich wollte biefe Urſachen eben ausfindig machen, und eben igt bekomme id} einen Gorrekturbogen von ber ſchwediſchen Gräfin, der mir bie Luft dazu benimmt. Mein Brief foll ſich auch gleich fliegen, Wie hat Ihnen Herr Riveri gefallen? Der Ver— faſſer der Briefe über bie Engländer ift doch wobl Herr le Blanc? ‚Haben Sie den Grandiſon ganz? Wald will id Ihnen Eramers Predigten und ben erften Theil feiner Pfalmen ſchi— den. D wie werben Sie mic für biefe Bücher banken! Bald wäre ich mit nach Dresden gekommen. Ich empfehle Ahnen ben Herrn Gammerjunfer von Ber... beögleichen die Lote terie meiner Vaterſtadt aufs befte, Leben Sie wohl, Liebfter beſter Graf. G.

64. Graf Morig v. Brahl an Gellert. Dresden, d. 14. Dec, 1754. Liebſter Gellert,

Sehen Sie, wie lieb mich meine Freunde haben! Gelbft in ihrer Gegenwart verlangen fie, daß. ich an Sie ſchreiben foll, und wie follte ich ber Freundſchaft mein eigen Vergnügen abs Thlagen? Wenn Cie und nur zufammen fähen! Der Herr von Be... und B.. lefen beide mit einer Stille, bie ich bemundere, und das zwar bloß aus Burcht, mic zu ſtoͤren. Sie mögen mir

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es mun bald abgemerft haben, wie ſehr ih Ste liebe, und fie gewinnen ſelbſt durch bie Achtung gegen unfere Freundſchaft in meinem Herzen. Aber wie fol ich Sie für alles Wergnägen bes lohnen, das mir Ihre Briefe gemacht haben? In mas für einem angenehmen Geſichtspuncte zeigt mich Ihnen Ihre Einbildungs⸗ kraft! Laſſen Ste fi ja nicht von dieſer Betrügerinn hinterges den. Indeſſen, wenn ich gleich nicht bey unfern Enkeln die Stelle de Elcero vertrete, fo werde ich doch vielleicht die Stelle des Attieus bey ihnen verbienen. Warbd niht Attieus bar durch berühmt, daß Eicero an ihn fehrieb, und Ehnnte ich es nicht eben ſowohl werben, ba Sie an mid, fehreiben? Doc das wollen wir ber Nachwelt überlaffen. Iht muß ih Ihnen für Ihren Beyfall banken, und Ihnen fagen, baß ich niemals zu⸗ friedner bin, als wenn ich ihn verbiönen Tann.

Wie mir der Herr von River gefallen Hat? Ziemlich wohl, Über Sie gefallen mir doch umenblich beffer. Ich bin immer noch der Meynung, daß men keinen Poeten, deſſen Worzüge in dem UngeBünftelten und Leichten, kurz, in bem Naiven beftchen, nur mittelmäßig gut überfegen Tann. Oft iſt es bie Art, womit ein Gedanke gezeigt iſt, oft eine Redensart, oft nur ein Wort, welches und gefällt, und fobald man Eines davon wegnimmt, fo Hört der ganze Gedanke auf, und zu gefallen. Wie viel hat Ihre Erzaͤhlungl von der Fliege und ber Spinne nicht verloren! Der Here Le Blanc ift eben auch der Verfaſſer der Briefe über bie Engländer. Ich erwarte bie Werke von Gramern mit ber größten Ungebulb, Wie fchön werben fie nicht ſeyn! Gewiß, ich werbe Ihnen ben größten Dank dafür wiffen, und id freue mid nicht wenig, daß Sie meine Gedanken im voraus erras then. Ich bin ewig

Ir

Brühl,

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635.°) Un I. 9. Freiheren von Eronegt. 2. 5. 21. Dechr, 1754, Liebſter Baron, J Sind Sie böfe, daß ich fo lange nicht an Sie geſchrieben habe? Nein, das find Sie nicht. Und gleichwohl, warum has ben Sie mich nicht befhämet, warum haben Sie mir mein Stils ſchweigen nicht vorgeworfen, warum haben Gie feit einem hats ben Jahre nicht an mich gefchrieben? Sie dem bas Schreiben ein Bergnägen, und beffen Briefe mir Volluſt find? Gind Ste krank? Nein. Das fürchte ich nicht. Sind Sie mit Gefchäften und Arbeiten befchwert. Das glaube ih; und dennoch Bann ich keine Arbeit denken, die Sie fo ſehr ermäben follte, daß Sie nicht an Ihren Gellert bächten. Iſt es ber Autor, ber mich um Ihre Beirfe bringe? Das will ich nod am erften ertragen. Vielleicht Ihiden Sie mir ftatt eines Briefs eine Raciniſche Tragoedie; und biefe konnen Sie gewiß ſchreiben, gewiß, ganz gewiß, fobalb Sie nur einen guten Plan haben. Ihr Leichtgläubiger übertrifft alle Ihre vorigen Gomsebien. Der Charakter, ald ein Gemälde, if trefflich; nur weis ich nicht, ob er genug comifche Züge hat. Cr ift fhön, aber nicht ſtets lachend ſchoͤn. Bielleicht bricte ich mid) dunkel aus; vielleicht habe ich Unrecht. Der ruͤhrende Theil Ihres Stucks Hat große Wirkung auf mid, gethan. Und bie Sprache biefes Theiles geht beynahe in das Erhabne, Sie vers fehn mich. „Wie ift die Action bes Nachſpiels, von beffen balbis ger Aufführung Sie in dem legten Briefe gebacht haben, abges laufen? Wo Äft denn ber Baron Gleichen? Ich bin ihm eine Antwort ſchuldig. Grüffen Sie ihn taufendmal in meinem Ras men, wenn Sie an ihn fchreiben. Melden Sie ihm, daß ich noch keine Briefe von dem Herrn von Kiveri erhalten. Aber *) (Aub dem Driginal, das fich in der Stadtbibliothek zu Beipzig befindet.) Gellert V. 8

a

feine Fabeln find da. Ich will kein Bichter ſeyn, weil ich das Driginal bin. Genug, ber Mann hat mir viel Ehre erwieſen, und verdient den erfinnlichften Dank von mir. Geine Rachrich⸗ ten, bie er in der Vorrede giebt, find fehr mangelhaft. Warum hat er nicht an Sie oder mich ſich gewendet und einen Auffat merlanget. Wie gefält Ihnen bie treffliche Aeſthetik? Richt wahr, mein licher Croneck, biefe Begegnung habe ich nicht ver Dienst ? ie hat mich ſehr gefnänfet unb ich Ferne am ihr, weis men Beleibigern zu vergeben. So werde ich mich wohl am beſten zähen. Warum ſchicen Sie mir nichte von Ihrem Moden blatte? Thun Sie es doch, mir zur Feeude. Won Gramern werten idt Prebigten, fchöne Predigten, und auch die erſten funfzig Plalmen gebrudt. DO wie Bein werde ich mir, wenn ich wich gegen biefen Mann fielle! Sein Genie gleiht an Größe dem Meere, bem er igt nahe iſt. Des Neffin Briefe haben nie sortzeffiich gefallen. Zachariae hat in reimloſen Werfen bie vier Zaggeiten befungen, tch hoffe mit dem Glücke feines Borgängens, Sie werden ist gebruct. Ob ich gefunb bin? Ja, biefe Mode über habe ich bies Glück und das Glüd der Heiterkeit mehr ges ſchmectet, als feit zwey Jahren. Unb id habe: angefangen, eim gewaltige Menge von Briefen, die ich in biefem Jahre umbeants wortet gelaffen, zu beantworten, unb bin bald damit fertig; fo Hark habe ich mic, gefühlet. Unfer Graf Moritz, ber Sie fehr Uebt und vsrehret, lebt wohl; und ber Hof hat ihm noch Beinen Eintrag gethan. Er behauptet feinen trefflichen Character der Bermunft und Tugend zur Ehre. Und nun, mein Jiebfter Gros net, leben Sie wohl, ſchreiben te mir bald, lieben Sie mich, amarmen Sie mich in Gebanken und nehmen Sie den auftich⸗ tigften Glücwunſch zu dem Bünftigen Neuenjahre, zu allen Ihren wühmtihen Abfichten. und Unternehmungen, zum gangen Plane Ihres künftigen Schilfals, von mir an, ich bin. der Ihrige Gellert.

@6. (1e) An ben Grafen Morig von Brühl.

2. d. 27. Dec. 1754, Mein lieber Graf,

um Sie für Ihren legten, mitten unter dem Ungefläme Ihrer Freunde und body fo fchön geſchriebenen Brief, fo gut ich kann, zu belohnen: fo ſchicke ich Ihnen etliche Bogen von ben Grames riſchen Pfeimen, und will Ihnen zugleich eine Heine GSeſchichte erzählen, die Ihrem guten Herzen nicht gleichgültig feyn Tann. Ein junger Preußiſcher Officer ... hat hier von feiner derſtorb⸗ nen Tante eine Erbſchaft von fünf ober ſechs taufend Thalern gethan. Ich habe ihr, weil er mich zu kennen verlanget, zwey⸗ mal bey den Advocaten T.. gefprochen, und einmal mit ihm nebft diefem anne gefpeifet. Am Sonntage treffe ich ihn Abends wieder ba an. Ehe wir noch aßen, waren wir einen Augenbiid allein. Ach, fleng er mit einer fhamhaften Offenherzigkeit an, Sie wiffen es nicht, ic bin Ihr Schuldner, Ihr großer Schuid⸗ mer, und id) bitte Sie inftändig, nehmen Sie eine Erkenntlich⸗ keit von mir an, und danken Sie mir nicht dafür. Zu gleicher Beit drüdte er mir ein Papier mit Gelbe in bie Hand. „Sie „mein Schuldner, mein Herr, der ich Sie in meinem Leben nicht gefehen, und Ihnen nie ben geringften Dienft erwieſen?“ Nun ich rufe nicht, Ste müffen es annehmen. &ie haben mein- Herz durch Ihre Schriften gedeſſett; und gegen dieſes Glück ver⸗ taufchte ich die ganze Melt nicht. Det koͤmmt Ihr Freund, laſſen Sie mic nicht vergebens bitten. Gr foll kein Beuge mei— ner Schuldigkeit feyn. Ich. nahm es, und wußte vor freudi⸗ ger Beftärzung nichts zu antworten. Als ich zu Haufe bad Pas pier öffnete, fand ich zwanzig Louidore. Nun erfchrad ich zum zweytenmale. Dieſes freubige Schrecken that eine mächtige Wire.

5.

kung auf mein Herz. Nicht das Geld (nein das Geld konnte @& nicht feyn; dieß bringt nie in das Innerfte der @eele); bloßes Gelb Tann biefe Freude nicht erregen, bie id fühlte. Nein, lie— ber Graf, ein Gedanke, ein dunkler Gedanke, den ich mich ſcheute ganz zu denken, weil ich ihn vor Bott gedachte; ein Gedanke, daß ich nicht unnüge wäre, eine nicht ganz unvernehmlihe Eins ſprache, daß ich getroft feyn, daß ich aus dieſem Vorfalle Muth ſchoͤpfen und nicht immer in Kummer verfinken follte; ein folder Gedanke war es. Alſo bift bu noch empfindlich? fagte ich bey mir felber. Alfo rührt did) doch noch etwas? Das Geld well teft bu gern wieber einem ehrlichen Wanne geben, wenn bu nur ben Eindruck biefer Begebenpeit immer behalten koͤnnteſt. Nichts, dachte ich zitternd, nichts ift fo Hein, das nicht unter der gött- lichen Regierung fteht. Gollteft du nicht glauben, daß er biefe Begebenheit zu beiner Freude zugelaffen hat? Zu deiner Freude? D wer wäreft bu? Wie glüdiih! Gin Herz gebeffere! Ich trat näher zum Fenſter und fah gen Himmel, Allein gewiffe Empfindungen Tann und darf man auch feinen beften Freunden nicht fagen. &o bald man fie ausbrüdt,. fo giebt vielleicht der Ehrgeiz heimlich die Farben bazu ber. Genug, mein lieber Graf, es war ein glüdlicher Abend für mich, für den ich Gott nicht genug banken Tann, Mein gütiger Freund bat mic, feine Freundſchaft zu verſchweigen. Niemand fol fie auch wiffen, als Sie und meine Schweſter. Er hat fih bloß duch, das Lefen guter Bücher aus ben Vorurtheilen wider bie Neligion, womit ihn fein Stand angeſtecket hatte, herausgeriffen. Er if ein gelaßner, befchribner und wirklich weifer Soldat; doch bat feine Miene noch einen Reft von einer vormaligen Traurig keit, worunter fie aber nicht leidet. Er will als Golbat flerben, weil er einmal gelernt hat, was zu diefem Stande gehört. Er ſchreibet gut und will dieß der Abhandlung vor meinen Briefen au danken haben, Aber der gute Mann, fein Herz und nicht

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meine Abhandlung ift die Mutter feiner Schreibart. Ih habe ihm noch eine Meine Bibliothek aufgeſetet.

Nun, das ift ein langer Brief, guter Graf, Meine ganze Bruft thut mir weh, fo Lange habe ich gefeffen. Leben Sie wohl; fo glucklich, als ich mir zu ſeyn wünſche, und bleiben Sie es bis an ben legten Ihrer Tage! Dieß wäre alfo ber letzte Brief in bem 1754. Jahre. Und in dem Lünftigen, wie wird es ba fepn? Gut! Nun das gebe Bott! ®

2. An ben Freiheren von Erauffem.

2. d. 30. Dec. 1754,

Hochgebohrner Freyherr,

Meine legte Beſchaͤftigung in dieſem Jahre fol zugleich eine meiner angenehmften ſeyn. Ich will mic aller ber befonderm Gnade und Liebe, womit Sie mich nun ſchon fo lange erfreut, lebhaft erinnern, den Werth derſelben von neuem fühlen, Ihren ebelmüthigen Character durchdenken, und mich der Hochachtung und Grgebenheit, bie ich Ihnen fo gern ſchuldig bin, ganz übers laſſen, und mid durch aufrichtige Wünfche für Ihr langes Les ben, für die Ruhe Ihres Geiſtes und die Dauer Ihrer Gefunds heit befriedigen. Diefes alles will id thun, Theuerſter Gönner und Zreund, und ich thue es in diefen Xugenblicden. Niemand Tann Ihre rühmlichen Eigenfihaften und Abfichten höher ſchätzen, als ich fie [häge, und Niemand ann Ihnen mehr Gutes göns nen, als ich Ihnen gönne und zeitlebens gönnen werde und göns nen muß. Gott laffe ed Ihnen in dem Jahre, das und wieder entgegen eilet, und in allen ben Zünftigen Jahren Ihres Lebens

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nad dem Wunſche eines Herzens gehen, das bie wahre Stube kennet und fich ihr täglich mehr nähert. Er Laffe Ihre Löblichen Auſtalten ber Welt und Ihrem Geſchlechte immer Heilfamer und nüglicher werben, und Sie die füßen Früchte eines guten Ber wußitfeyns täglich einernbten. Rach biefem Wunfche erſuche ich Sie um Ihre fernere Liebe gegen mid), und um die Zortfegung des Vertrauens, mit bem Sie mich zeither beehrt haben. Ihre Georgica find mir nicht zu Gefichte gefommen; ich will fie aber diefe Meſſe von Herr Kornen felbft fordern. Ich Hoffe, daß Sie durch ihn bie erſten fünfzig Pfalmen des Herrn Hofprediger Eras mers erhalten werben, wenigftens find fie bald fertig, und ich fhmeihle mir, daß fie Ihren Beyfall größtentheils erlangen werben, ſowohl als feine Reben. Ich habe biefen Mann, ber vor acht Jahren hier ftubierte, und mich jegt fo weit übertrifft, mit bilden helfen, und feine Größe voraus gefehen. Atfo ift unfer Hagedorn auch tobt? Ich habe Nachricht, daß er als ein guter Chriſt geftorben ifl. Gein Nachruhm ift ihm fehr vers ſichert. Doc was iſt der Nachruhm? Ich wünfche nur, bald eine erfreuliche Nachricht von Ihnen zu hören, und verharre mit ber erfinnlichften Hochſchaͤzung Ewr. Hochgebohren gehorſamſter Diener C. J. Gellert.

Für das Gedichte, bie Majeftät im Kleinen, danke ich Ihnen gederfanf: Der Loblpruch, den Sie mir bavinnen ertheilen, ft nur gar zu groß, gar zu gütig. -

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68. (s.) 1754, Mein lieber Herr Better,

Nein, ich habe Ihre Klagen gar nicht übel genommen, ich danke Ihnen vielmehr für Ihr Vertrauen gegen mih, und lebe Sie wegen ber Beſcheidenheit, mit der Sie fih über Apres verbeieglichen Umftänbe beklagen, nur befto mehr. Aber wenn ich Ihnen nur auch Ihr Cchichfal erleichtern Eönnte! Und wos wech? Durch mein Mitleiten? Das haben Sie, und bas wer⸗ ben Sle ſtete Haben, unb chen fo geroiß werde dh auch Ihre Unfänbe zu verbeſſern fuchen, fo bald fih eine Gelegenheit zeigt, ich nichts zu thun, als Sie zur Geduld zu ermı Diele in ham Menihe zu Birken mit dem Bis She jes Schieſal ertragen. Bahren Sie fort Ihre Pfliche beobachten, und durch Klugheit und Beſcheibenheit ben

jegungen fo auszuweichen, als es die Umftände erkane Sie ſich aber auch durch Feine niedrige Wenſchen⸗ jend etwas verleiten, das im Seringſten wiber Ihe

und bucch Beine Begierde, Anbern gefällig gu wer⸗ fih um 88 eignen. Veyfall bringen. Nichts if in unfern Umftänden fo geringe, das nicht unter ber Begierung ber Wors ſehung fände. Dieſer große Gedanke wirb Ihe Herz ſtaͤrten wenn Sie ihn oft und viel denken, und die Erinnerung biefer ſchwerlichen Tage wird Ihnen in glüdlichern Stunden noch eine veiche Materie zum Danke und Vertrauen gegen Bott wers den. Wir find nicht für ums allein in ber Welt da. Unfere ſchlimmen Umftände haben oft. einen unvermerkten und nüglichen Ginfjuß auf Andere. Und wer weis, was Ihr Bepfpiel, Ihr Bezeis gen, Ihr Unterricht noch nach vielen Jahren an bem Drte für Gutes fiften, an dem Sie ſich int, nach Ihren Gedanken, vergebens aufs Yalten. Die Erfahrung, die Sie einfammien, bie Kenntnip der

1* 2:

guent

&

Menfchen, die Ste ſich erwerben, bie Geduld, die Sie lernen, bie Be⸗ kanntſchaft mit einem wadern Manne, ben ie ohne biefe Umftände nicht würden haben Tennen lernen; alles biefes find zuverläffig Vortheile, die Ihnen auf Ihre Lebenszeit nügen werden. Glüds ſelig ift der Mann, ber bie Anfechtung erbulbet! Diefes laffen Sie Ihr Orakel feyn, wenn Ihr Herz unter fo vielen und täg⸗ lichen Verdrießlichkeiten unruhig feufzet. Ueberdieß fehen Sie vor ſich in eine angenehme Scene Ihrer künftigen Tage hinaus. Ein Zängling, der feine Jugend unſchuldig und tugendhaft zu= bringt, der mit der Tugend Klugheit und Fleiß verbindet, kann ats Mann nicht unglädlic feyn. Nein, mein lieber ‚Wetter, das Herz Ihres frommen und gewiß feligen Waters, bad auch in Ihnen ſchlaͤgt, wirb nicht ohne Belohnung bleiben. Ihr Schich⸗ fal ift von einer gütigen Hand angeleget, warten Sie nur, bis & Zeit ſeyn wich, daß es fih zu Ihrem Vortheile entwickelt, Bir find fo kurzſichtig, darum koͤmmt und vieles fo fremb und hart vor, das doch in dem Zufammenhange unfer Glück ifl. Endlich hindert Sie ja nichts, wenn fich Ihnen eine vortheile haftere Gelegenheit zeigt, folche zu ergreifen, und ih will zu dieſer Abſicht nichts unterlaffen, was Sie von mir wünſchen konnen. Nur getroft! Wer recht thut, varf Riemanden fcheuen. Sagen Sie ſich dieſes täglich vor, und werben Sie ruhig und lieben Sie mich; denn ich bin gewiß Ihr aufrichtiger Freunb, 6.

62. (o.) an Deren

1754.

Ohne Ihren berebten und mit Ihrem ganzen Herzen anges fünten Brief würbe mich Ihre Zurückunft aus fremden Ländern

naur Halb vergnügt haben; fo aber erfreut fie mich vollkommen. Ich fehe es in jeder Beile, daß Sie noch mein Freund find, und es immer feyn werben. Was fol ich nun .auf alle Ihre Liebe antworten? Ic umarme Gie in Gedanken, preife die Vor⸗ fehung, die Sie glücklich zurüd gebracht hat, und wünſche ben Ihrigen und Ihrem Vaterlande Glüd. Grfüllen Cie die Hoffe nung, lieber Freund, bie fich mein Herz beftändig von Ihnen gemacht hat, und helfen Sie das Befte ber Welt fo vorzüglich befördern, ald Sie vor Andern die Kräfte und den Willen dazu empfangen haben. Das Amt wirb nicht mehr fern feyn, das Ihre Pflichten näher beftimmen fol. Nehmen Sie es an, auch wenn es nicht das größte feyn follte. Kein Amt ift fo geringe, worinne ein geſchickter und rechtſchaffener Mann nicht taufend Gelegenheiten finden folte, nüglich zu feyn und feinen Verſtand ſowohl als feine Wiſſenſchaften zu zeigen. Wir laſſen nicht ſel⸗ ten, aus großer Begierde, uns viel Geſchicklichkeiten zu erwers ben, die beften Jahre vorbepgehen, fhon erlangte Geſchicklichkei⸗ ten zu gebrauchen, unb unfer Leben verfliegt unter ber ſtolzen Vorbereitung, es recht glüdlich anzuwenden. If ein Mann, welcher der Republik feine täglichen Pflichten in einem beſtimm⸗ ten, wenn auch ſchon weniger anfehnlien Amte mit Rechtſchaf⸗ fenpeit abträgt, ber feine Familie weiſe und liebreich vegieret und verforgt, unb in den Armen einer würbigen Gattinn und an ber Seite hofinungsvoller Kinder das Gluͤck bes Lebens mit— ten unter feiner Buͤrde zu. finden weis; iſt der, fage ich, kein mögliches und glüdliher Mann? Müffen wir erft große Würs den erringen, ehe wir gluͤclich ſeyn Tönnen? Aber verfalle ich nicht in ben Fehler des Docivens, daß ich Ihnen alles dieſes fage? Ja, es würbe ein Fehler feyn, wenn ichs aus einem andern Grunde, ald aus Liebe, und zu einem Manne, ber wes niger mein Freund wäre, gefagt hätte. Gine fortgefehte Bes ſchaͤfftigung, mit einem Worte, dig Arbeit if zu unfter Rufe

.

unentbehrlich; bieß weis ich aus ber Erfahrung. Und baß bie Lebe einer vernänftigen Gattinn eine große Welohnung für dem arbeitfamen Mann, und ein Schutz vor taufend Anfällen der beſchwerlichen Cinſambkeit it, das ift eben fo wahr, als jene, wenn id} es fhon nicht aus der Erfahrung weis. Leben Sie wohl, und fehreiben Sie mir bald wieber. ..

0. (11) Un deu Seren Baron von 3°*. ATS.

Der Dienft, den fd) Ihnen geleiftet, ift auf meiner Seite fehr geringe, und id} habe mehr Urſache, Ihnen für bie Sele- genheit, die Sie mir zur Ausführung einer guten Abficht gegeben, ſelbſt zu danken, als den Dank anzunehmen, den Sie mic ſchrift⸗ ld, abgeftattet, und der mehr ein Beweis eines forgfältigen und gütigen Waters, als eine Belohnung ift, Die ich wirklich vers dienet hätte. Indeſſen glaube ich gewiß, daß ich Ihren Herren Sohnen einen rechtſchaffnen und geſchiaten Mann zum Sofmeiſter gewaͤhlet habe. Er wird feine Fehler haben, denn wer iſt ohne Fehler? Auein ich glaube, daß es ſolche feyn werben, die Sie ober bie Frau Gemahlinn durch ihre Aufmerkſamkeit bald vor⸗ beffeen werben. Er hat etwas gezwungenes in feier Stellung, das mir nicht gefällt; allein es iſt doch tauſendmal beffer, als ‚bad Rohe und Ungefittete, das junge Leute oft mit von der Unoerfität bringen. Unb ich weiß gewiß, er wird das Gepwun- gene in der Seſellſchaft, in die er jeht eintritt, unter den freyern Sitten des Landlebens bald verlieren. De er einen fanften Cha⸗ walten unb babep ein gefegtes Mefen «hat, fo hoffe ih, ec fol fich die Liche und Die Jolgſamkeit ber jungen Herten bald ers

Genies feiner untergebenen richten: bieß iſt nach meinem Erach⸗ tm bie beppelte' Regel aller guten Unterweifung. Und was Zaun ein Hofmeifter, ber Seſchictuichteit und guten Willen hat, ber

esmuntert, und durch bie Lehrbegierbe feiner Schuler angefeuert wich, wicht in etlichen Jahren bey ihnen ausrihten? Ob Herr 9.. gleich ein Ipeolog iſt, fo bin ich boc ſicher, daß er ben jubgen Herren bie Grundſaͤte der Keligion durch Unterricht unh Wenfpiele immer mehr einbrüden, und fie frühzeitig lehren wir, daß bie wahre Tugend ein @läd aller Menſchen umd Beine befeiwerlihe Laft fen. Id Hoffe, ex wird ihre Herzen lenken, feib indem ex fich nad) ihren Neigungen zu richten feheint, und nie vergefien, daß alle Wiffenfhaft, alle Künfte, bie man ers lernt, aller Wig, aller Verſtand den Mangel eines guten Her⸗ gene nie erfeget, und daß ber gelchete Mann unendlich weniger iſt, als der rechtſchaffne. Ich bin mit ber vollismmenfien Hochs achtung und Ergebenheit ıc. P

Tm. (12) Yanerın Ber. 1784.

Beynahe habe id) in ben letten Wochen dieſes Jahres nichts gethan, als die Mriefe meiner Freunde und Sonner beantwor⸗

tet, und wie Eönnte ich ben Ihrigen vergeffen, wenn ich auch noch fo vergeßlih, noch fo ermübet ‚wäre? Aber was foll ich Ihnen auf alle Ihre bevebten Dankſagungen antworten? Ge Find gewiß aufrichtig, fo hoch fie auch getrieben find, und des wegen find fie mir fhägbar, ob ich mir gleich nur einen Kleinen heil davon zueignen Tann, und bas Uebrige als eine Belohnung anfehen muß, bie ich erſt nod zu erwerben habe. Habe ich Ihnen alfo anders gedienet; habe ich jemals "zur Verbeßrung einer Ihrer guten Gigenfhaften durch meinen Unterricht ober mein Beyfpiel etwas beygetragen: nun wohl gut, fo hören Sie eine Bitte von mir an, durch deren Erfüllung Sie mich zeit⸗ lebens unb unendlich belohnen koͤnnen. Grweifen Sie Andern eben die guten Dienfte, die Sie von mir rühmen, und mit eben der Xufrichtigteit, Uneigennügigkeit und Klugheit, mit der ich gewünfdt habe, fie Ihnen zu leiſten. Alsdann bin ich Ihr Schuldner fo gewiß, als Sie nach Ihrem guten Herzen und Ihrem Briefe der meinige find. Sie werben allegeit junge Leute um fi haben, wo Sie auch find, und nie wirb Ihnen alfo an Gelegenheit, meine Dienffertigkeit zu übertreffen, fehlen. Aller Beyfa der Welt, aller Ruhm der Loblieder if nichts gegen den ſtillen Ausſpruch des Gewiffens, daß wir ein einziges junges Herz für den Himmel gebildet, ober doch zu bilden und aufrich⸗ tig bemüßet haben. Das wird Ehre, das wird Wolluſt, eine unaufhörlihe Nahrung ber Zufriedenheit feyn, wenn in dem Reiche der Tünftigen Welt uns eine Seele zujauchzet: Du haft mich geleitet, mich ermuntert, unendlich glädtich zu feyn! Heil ſey dir, mein Freund, mein ewiger Wohlthäter, und Ruhm vor Gott! Und wenn auch Fein Menſch auf Erden unfere guten Abfihten bemerken follte, würbe wir deswegen weniger belohnet feyn? Ihre igigen, nicht gar zu günftigen Umftände tragen Sie mit Gelaffenheit. Dieß ift der ſicherſte Seg, bdeßre zu verdienen, Kür Ihr Gluͤck ſeyn Sie nie bange, aber ſtets

beforgt für mehrere Verdienſte. Gin Gtäd, das uns auf dem Wege nach Miffenfhaft, auf dem Wege eines Eugen, Attfamen Verhaltens begegnet, bas wir nie durch kriechende Sämeicheleyen gefucht Haben, das ift das @lü, das unfer Leben Leicht und rähmlich wirb machen helfen. Es wird Ihnen nit an Bönnern fehlen; aber alle Bönner find Wenſchen, wie wir, Laſſen Gie nie von bem Fleiß in den Sprachen, infonberheit der Schrift, ab. Predigen @ie zuweilen, opne kaͤnfilich prebigen zu wollen. Machen Gie nicht zu viel, Lieber zu wenig Verſe. Schicken &ie mir bey Gelegenheit eine von Ihren legten Pres digten. Ih will aufhören, denn was würbe ich Ihnen nicht noch fagen, wenn ich mich fatt reden wollte? Gott laſſe «8 Ihnen in bem neuen Jahre, in allen Jahren Ihres Lebens, wohl gehen! ®

KL Un ben Ireiherrn von Granffen. &. d. 8, März 1755, Oochgebohrner Freyherr,

Sa, ich habe bie üͤberſchicten 12 Ducaten, als bie Penſion für meine Mutter auf dieſes Jahr richtig erhalten, und ich bitte taufendmal um Vergebung, daß ich Ihnen ben Empfang nicht eher gemeldet. Ich wollte noch acht Tage warten, bis meine Collegie und andere Arbeiten geſchloſſen wären, und alsbenn ſollte mein erſter freyer Nachmittag eine Beit der Erquickung, eine Zeit zu einem langen Briefe an Cie, theuerfter Freyherr, werben. Doch da ich nunmehr von Ihnen erinnert werde: fo würbe ich mirs nicht vergeben Zönnen, wenn ich noch einen Pofte tag ohne Antwort und ohne Dankfagungen verbey gehen ließe, Meine Mutter erliegt bepnahe unter Ihrer Freygebigkeit, und

ich wegen bed Abgangs ber Poſt fchließen; aber vor ben Jeyer⸗ tagen habe ich gewiß bie Ehre noch, Ihnen ſchriftlich meine Ehrerbietung zu bezeugen, mit: ber ich ſtets bin

Ew. Hocgebohren

gehoͤrſamſter Diener und Freunb €. 8. Gellert.

23. An benfelben ©. d. 13. März 1755, HGochgebohrner Freyherr, Gnäbiger Here und Gönner!

Nunmehr folgt erft die Antwort auf Ihren gäfigen und lieb- teihen Brief vom Anfange bed Märzes. Aber was fol ich Ihnen auf alle bie Liebe antworten, bie Sie in allen Briefen gegen mich begeugen? Beynahe muß ich fagen, daß ic) fie nicht verdiene, fo groß iſt fie; und doch wuͤnſchte ich herzlich, fie gamz zu verdienen; und wenn fie durch bie aufsichtigfte Ergebenheit Eönnte verbienet werben: fo müßte ich ihrer gewiß werth feym. Ich Halte an mich, Ihnen alles das zu Tagen, was Ihr edler und geoßmüthiger Charakter mid empfinden Heißt, damit ich Ihre Beſcheidenheit nicht beleibige, indem ich Ihren andern Eigenſchaften Serechtigkeit wiederfahren Laffe. Wenn der bes wußte Griticus Sie beffer Eennte: fo würde er mehr Achtung im

feiner Gritit haben ſprechen laſſen. Ich habe fle nicht gelefen, und ich bin zufrieden, daß Sie großmüthig ſchweigen, und daß ich an Ihnen Werbienfte verehre, bie über alle Poefie gehn, und von denen Boiltau fpricht, wenn er fagt:

Que la Poesie ne soit pas vötre 6ternel employ!

Cultives vos amis, soy6s hommes de foy.

C'est peu d’&re charmant dans un livre,

U: faut savoir encore et converser et vivre, Die Palmen von Gramern, nemlic der erfle Theil, find aus der Preffe. Ich will bie Poften nicht deich machen, "außerdem ſchicte ich fle Ihnen gern zu. So verfpreche ich Ihnen auch, nicht eher wieder an Sie zu ſchreiben, bis Sie es felbft verlans gen werben, damit Sie nicht mehr für meine Briefe ausgeben möüffen, als fie werth find, Indeffen bitte ich Ewr. Excellenz unterthänig, mich nicht gu ſchonen, wenn Sie Commiffionen Hier in Leipzig haben, da ich höre, daß Sie fi Herrn Korns nicht mehr bedienen werben. Die Dankfagung , die ich in bem legten Briefe im Namen meiner Mutter abgeftattet, muß ich hier wies derhofen; denn fie befichlt mir dieſe Pflicht in allen ihren Briefen. Sollten ſich die Umftände berfelben durch irgend einen Zufall verbeffern: fo wird fie ſich ein Gewiſſen daraus machen, Ihre Gnade länger anzunehmen. Aus Dankbarkeit wünſcht fie es mehr, ald zu oft; denn fie glaubt ſtets, daß fle Ihre Pens fion nicht verbienet. Ihnen aber, theuerſter Freyherr, wünfche ich zum Beſchluſſe meines Briefes das, womit fich vielleicht alle meine Briefe fchließen, Gefunbheit und Zufriebenheit in reichem Maafe und verharre mit der volllommenften Hochachtung und Ergebenheit

Cor, Greelleng gehorfamfter E. 8. Sellert.

128 v2.) An I. %. Freiherru von Eronegk. 2. d. 2, April 1765.

Liebfter Croneck,

Wem fol ich wegen Ihrer Tragoedie mehr Glück wünſchen, mir, Ihrem Freunde, oder Ihnen? Und womit foll ih Sie belohnen, mit ber Byron ober mit bee Giementine? Ic habe den ganzen Sonnabend vor ben Zeyertagen mit Ihrem Codrus zugebracht, ihn geprüft und gefühlt, und bis bes Abends um fieben.upe, das iſt viel, darinne ſtudirt. Ich hatte fo Lange geſeſſen, daß ich Zaum mehr Athem Holen Tonnte, Gr ift ſchoͤn, ſeht fhön, und doch kann er und muß er noch ſchoͤnet werben, ich ruhe nicht eher. Ich Habe vicl angeſtrichen und mich der Freyheit bebienet zuweilen ein Wort an ben Rand zu ſchreiben. Das werben Sie mir vergeben. Ich habe die unrichtige Orthos graphie meiftens verbeffert, damit das Werk rein abgeſchrieben werben Tann. Wenn ich alfo eine zuweilen nachläffige, gezwuns gene, bald harte, bald gedehnte Verfification, mit einem Worte nicht genug gearbeitete und durch die Kunft verfchönerte Verſe, wenn ich die nicht ſtets gewählte, ober ‚nicht ſtets glüdlic ges wählte Sprache (denn bie eble Sprache der Tragoebie, wie ſchwer iſt dieſe nicht zu erreichen?) ausnehme: wenn ich die Länge bes Stückes felbft, und einzelner Scenen, theild vom Anfange, theils in bem legten Acte: wenn ich bie zweymalige Erſcheinung bes Mebon ausnehme: fo glaube und behaupte id}, Ihr Codrus if fhön. Sein Character {ft groß, immer geoß und bepnaße chriſtlich groß, welches Letzte ich zuweilen gemäffiget willen moͤchte. Mebon, feine Mutter, feine Geliebte, alle drey find einander werth. Man ann ber vielen Zwiſchenfaͤlle wegen, viels

*) (Aus dem Original, das fi in der Stadtbibliothek zu Leip⸗

dig, befindet.)

. 129

leicht dem Gobrus, wie dem Gib, das Beladne, vergeben Sie mir dad Wort, vormwerfen; aber man muß zu gleicher Zeit bie wunderbaren Stellungen und @ituationen zum Dienſte bed Affects, mit Dankbarkeit loben, und ich Lüffe Sie dafür. Auf bem Theater muß das Stück, fo viel auch bie Critik im Lefen erinnern mag, dennoch durch die Hülfe eines Eckofs, Koce, einer Kochinn oder Kleefelderin, Wunder tun Lönnnen. Dad hoffe ich. Wäre Verbeffern eine leichte Sache, wären ber Bers befferungen nicht fo viel, hätten Sie nicht andre Gefchäffte, fehlten Ihnen nicht geroiffe Heine Regeln des Körperlihen in ber Poeſie, ich meyne des Versbaues, müßten Gie bie Kleinigkeiten der Gprade und Grammatil genug, wären &ie von Natur nicht fo lebhaft und paftig, wüßten Sie ftets, welches glädtiche Aenderungen wären, fo würbe ich nichts thun, als Ihnen Ihren Codrus zurückſchicken und Gie inftändig bitten:

Vingt fois sur le metier remettez vötre onvrage etc. Aber fo gittre ich, Ihnen bdiefes zuzumuthen. Gchlegel, der igige Paftor und Profeffor in Zerbft, war ehedem ein trefflicher Verbefrer. Wenn ich zwanzig ober dreißig Thaler Geld, und er Zeit übrig hätte: fo machte ich mir, ohne Ihre Erlaubniß zu erwarten, bie Breube und bäte ihn, das Werk hin und wieder auszubeffern und abzulärzen, denn ich denke es ift für bie Acteure zu lang. Wäre es meine eigne Arbeit: fo würde ichs gewiß thun. Das große Schöne wäre und bliebe doch mein, nämlich der Plan, bie Gharactere, bie Reben, bie Leidenſchaften; und dat Pope nicht auch einem zeitverwandten tragifchen Dichter diefen Dienft erwiefen? Igt will ich ben Codrus dem Grafen Morig fhiden. Herr Weife hat ihn auch gelefen. Der Gräfin Benting, bie ſich feit einigen Monaten hier aufhält, wuͤrde ich ihn auch zeigen, weil fie eine große Werehrerinn ber Tragoedie iſt, wenn ich meine Striche wegnehmen Tönnte. Und fo viel für diepmal, Lieber, guter, trefflicher Croneck! Die übrigen Theile

Gellert V. v

130

Ihres Brief, will ich nicht beantworten. Es kraͤnkt mih, daß ich Zeinde habe. Aber ich Thor, will id ein Gluͤck haben, das felten ein Menſch bis an fein Ende gehabt hat? Alles was ich wünfche ift Befcheidenheit. Den Zabel felbft muß jeder Autor ertragen koͤnnen. Aber was wäre bie Vergebung, wenn Beleis digungen in uns keinen Widerſtand fänden? Haben Sie ben Brief an ben Hrn. v. Riveri fortgefchidet? Und wollen Sie ben an den Baron Groned [Gleichen ?] aüch beſtellen? Sa, ſeyn Sie fo gut. Grüffen Sie Herr Ugen, Herr Hirfchen und alle Ihre und meine Freunde ergebenft von mir und leben Sie recht wohl. Ich bin ftets der Ihrige Sellert.

Ich muß Ihnen die ganze Stelle des Boileau herſetzen, wenn Sie fie gleich auswendig wiſſen:

Hastez-vous lentement, et sans perdre courage,

Vingt fois sur le metier remettez votre ouvrage,

Polissez-le sans cesse, et le repolissez.

Ajeutez quelquefois, et souvent effacez.

2. Anden Grafen °*.) 2. d. 3. April 1755. Ich bin außer mir, und id muß es Ihnen fagen, daß ichs bin, ob ich gleich erft geftern an Sie gefchrieben habe. Geftern war ich noch nicht mit dem 5ten Theile bes Grandifon zu Ende. Ich las zwar bis des Nachts um 12 Uhr ein Fehler, bem ic) feit der Clariſſa nicht begangen. Ich fehlief, wie Sie leicht °) ermuthlich an ben Grafen D. v. Brühl. Bekannt ge—

magit von grang Som in: Mielante Briefe an Sophie d. La Rode ıc. Berlin 1620. Anhang. ©. 361. f.)

ı31

denken koͤnnen, die ganze Nacht wenig elend. Kaum hatte ich heute morgen nach 6 Uhr in der Wibel gelefen, fo ergriff id) ben Grandifon, um ihn flatt einer Rebe aus bem ** zu lefen. Ich las, ich kam auf ben Abfchieb bes Brandifon und der Glementine. Ah Graf, lieber Graf! Run Habe id; "wieder bad größte Vergnügen des Lebens gefhmedt, das ich ſchmecte, als ich ben legten Theil der Glariffa las. Seit fo vielen Jahren habe ich weder über Natur, noch Rachahmung (einige bittere Thraͤnen ber Traurigkeit ausgenommen), weinen Zönz nen nicht weinen fönnen, um alle Wunder ber Natur nicht, fo Hart, fo verfchloffen ift mein Herz gewefen! und heute, dies fen Morgen ben 3. April zwifhen 7 und 10 Uhr (gefegneter Tag —) habe ich geweinet, theurer Graf, mein Buch mein Pult mein Gefiht mein Schnupftuch durch burchges weinet, lautgeweinet, mit unendlichen Freuden geſchluchzet, als wäre ich in Bologna, ald wäre ich Er, ald wäre ich Sie, als wäre ich das feelige Gemifche von Gluͤck und Unglüd, von Liebe und Schmerz, von Tugend und Schwachheit geweſen, und kein Menfch hat. mich geftöret. Gott was iſt in biefem Buche! Nun begreife ih, wie die Tragödien ber Alten haben fo gewaltfame und unglüdliche [unglaubliche ?] Wirkungen thun koͤnnen. Ja, Graf, in den Augenbliden nicht fort leſen nicht mehr fühlen follen dort auf ber Raſenbank hier in der Glementine Zimmer lieber hätte ich alle mein Vermögen verloren. Kann benn Ris chardſon zaubern? Ja, ihm fteht alles, was nur rühren beftürmen, alles was hinreißen, und zur Trunkenheit entzüden Tann, zu Gebote, und feine Landsleute zweifeln noch einen Aus genblick daran? Aber’er muß fterben; Gr foll flerben! und alsbann wird man ihm Gerechtigkeit wieberfahren laffen. Haben: fie den Gay einiger Fabeln wegen in bie Gräber ber Könige gelegt: fo werben fie einen Richardſon unfterbliher Name! Ehre des menſchlichen Geſchlechts und Fürft.der Romanenbichter!

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Sladlicher Tyrann aller unfrer Leidenfhaften! Dich follten fie nicht in die Gräber der Könige, nicht zur Afche des Müton, unb wenn noch ein ehrwürbigerer Ort ift, nicht bahin legen? Schreib, aber das iſt über die Kräfte der Menfchheit, ſchreib noch einen Grandiſon, und dann ſtirb, feliger ald beine Glemen- tine, als bein Grandiſon den Gedanken nach flerben müffen! Ia, Graf Gott vergebe mirs! Ebert hat wohl nit un- recht. Wem er, ſpricht er, den Grandiſon gemacht hätte, fo glaube er gewiß, daß er feelig werben müßte. Gott vergebe mirs! Zönnte der Himmel durch Werftand und Kunft, durch Wit und Herz, durch göttliche Moral verbienet werben, nun, To Hätte ihn Gtandiſon überverbient! Heben Sie biefen Brief mit aller feiner Gnthuflafterei, mit aller meiner aufrichtigen Albernheit auf! und wenn ich bald fterbe, fo laſſen Sie, Sie Sollen es thun, ihn mit meinem ganzen Namen, zur Ehre eines Richarbfon (denn fobalb ich tobt bin, bin ich groß gemig-ihn zu ehren) und folgende Stelle groß drucken: Zween meiner vergnügteften Tage, foll bie Nachwelt wiffen, find bie gewefen, ba id den 7. Eheil ber Glariffa und ben 6. bed Sranbifon gelefen. Wenn bie Tugend in jenem "eben eine fortgefegte ewige Empfindung ſolcher Freuden if, als ich hier gefühlet, fo Tann kein Menſch, auch in einem zehn— fachen Leben, "zu viel für fie ausſtehn. Ich habe noch nie na= mentlich für den Micharbfon gebetet, aber bey dem 5. Theile habe id) das Gebet für feine immerwährende Wohlfahrt ge— macht. Dürfte ich doch nicht denken, daß es Geſchöpfe gebe, denen dieſes Werk nicht gefällt. Ich will nicht mehr fehreis ben. Ich Tann auch nicht. Ich bin immer noch außer mir. Ich habe geweint daß ich noch immer zittere. Und wenn ich itt krank werbe, fo ift Grandiſon die Urfache, umd meine Kranke heit das Lobgebicht des Richardſon. Ich umarme Sie, lieb⸗ fer Graf. Sellert,

2.

Un ben Gecretair Kerken.

. 8. 9. 7. Mai 1755, Mein lieber Kerften,

Sie fragten mid) lettens, ob &ie mic nicht dienen Könnten. Ad) ja, Sie können es. Aber es ift nichts Geringers, als ein Öffentliches Amt an ber Kirche zu Schulpforta, darum id Sie bitte; ich mepne den Küfterbienft. Eigentlich möchte ichs für mic, felbft Haben, und id würbe vielleicht ruhiger babey ſeyn, als bey einer Profeffion; dennoch will ich den Dienft lieber meinem Famulo, Herrn Boden, abtreten, wenn Sie mir dazu verhelfen wollen. Er hat fi) ſchon vor einem halben Jahre und auch wieber biefe Meſſe bey Ihrer Erxcellenz, dem Herrn Präf, denten gemeldet, und das letztemal eine günftige Antwort erhals ten. Der DOberhofprebiger und der Gonfiftorialrath Leyfer find auch auf feiner Seite, fo wie alle Werbienfte, die zu einem Küs fer gehören. Er ift ein ordentlicher und geſchickter Menſch, und feine größten Fehler find Armuth und Krankheit bes Körpers, Er verſteht mehr Theologie und hat weit mehr Kenntniß in den humanioribus, als zu feinem Amte nöthig ifl. Geine Hand ift freylich nicht die trefflichfte; aber er beffert fie und wird fie befs fern. Er verftcht etwas Mathematik und Baukunft, ift bienfts fertig und hat ein ehrliches frommes Herz. Das Amt wird feis ner Gefundpeit und Zufriedenheit unftreitig mehr nügen, als alle Arzney und alle Philofophie, und Sie werben gewiß eine gute und belohnenewürbdige That tun, wenn Sie ihn bey dem Herrn Präfidenten mit Ihrem Vorſpruche unterftügen, und ich will den Dienft annehmen, ald ob Sie mir ihn felbft erwiefen hätten... Reben Sie alfo, mein lieber Kerften, ohne Verzug mit dem

©) Gellerts damilieabrleſe. Yahang Ro. 4.)

14 .

Herrn Präfidenten, bem ich, fo gewiß ich lebe, dreymal, aber allemal vergebens, aufzuwarten gefuchet habe.

Ein jeder Freundſchaftsdienſt, ein jeder treuer Rath, So Hein die Welt ihn ſchaͤtzt, ift eine große That.

Bott gebe Ihnen Ihre Gefundheit im- Bade wieder. Dieß wünſche ich Ihnen von Herzen und bin ſtets Ihr ergebenſter Gellert.

727. (19.) An ben Grafen Morig v. Brüpl.

2. d. 7. Mai 1755.

Wie fehr Hat mich nicht Ihr Abfchieb gerührt! Ich bin mit Thraͤnen den Weg vom äußerſten Thore hereingegangen, mein ganzes Herz that mir weh, und ich glaubte den ganzen Nach— mittag, es müßte mir etwas ahnden, fo betroffen war ich. Viel— leicht, dachte ich, fiehft du ihn nicht wieder; aber das wolle Gott nicht! dachte ich fogleich dazu. Ich gieng Abends zur Frau von °°, „Sie find traurig, fagte fie, daß Ihr Morig fort „iſt, das gefällt mir an Ihnen. Es ift ein trefflicher Juͤngling. „3% will mit Ihnen weinen, wenn ic Sie dadurch beruhigen „fann , wenigftens wollen wie von ihm veden. eine Befheis „denheit, da ihn alle Leute loben, iſt ein großes Verdienſt und „ein fichres Kennzeichen feiner künftigen noch größern Verbienfte, „Seine Schamhaftigkeit nimmt ungemein für ihn ein: und wenn „er bie erhält: fo werden ihm alle Berfuhungen nicht? abgewin— „men, Gr trinkt einen Bein, ber fonft die Quelle vieler jugend⸗

iss

lichen Thorheiten if. Er Met umb ſchreibt gern, bieß wich ihn „vor ben gefährlichen Zerftreuungen bed Müßiggangs und ber ıböfe bewahren Grinnern Sie ihn, wenn er auf Reifen geht, nbaß er fi ein Tagebuch von ſich felbft macht; daß er alle Abende ein getreues Bergeihniß aller feiner Handlungen aufs „ſeetzet, als vor ben Augen feines beften Freundes, und noch mehr, „als vor den Augen feines allfehenden und allmaͤchtigen Freun⸗ des; daß er ſich keine Thorheit, fo Hein fie ift, ungeflraft vers giebt, eine gute That unüberbacht bemerket, und keine eble „Abſicht ungefühlt niederſchreibt. Dieß ift eine Art des Gebete, „und vielleicht eine ber vorgüglichften Arten bes Gebets, weil es „mit unfeer Prüfung und mit unfeer Beßrung verbunden iſt. „Ich Habe diefe Pflicht neun ganger Jahre ohne Ausnahme auds „geübt, und bieß find die beften, weifeften und ruhigften Tage „meines Lebens geweſen. &agen Sie ihm, daß ich nie einen „vortrefflichern Ausſpruch gehört hätte, ald der if, den Sie mir „von feiner Dutter erzählt, daß ohne bie fittlichen Tugenden bes „ODerzens alle Außerliche Wolllommenheiten ihren Werth und „auch geriffermaßen felbft ihr Dafeyn verlieren müßten; und „daß ein Mann von Religion doppelt liebenswürdig wäre, auch „gu dee Zeit, wenn er am firengften handelte. Ich denke, er nliebt das Geld nicht, und fein ganzer Charakter ſcheint mie „für diefe Reigung zu groß gu feyn; Güte," Leutfeligkeit und „Breugebigeit eben aus feinen Augen.”

Alles dieſes und noch weit mehr, lieber Graf, hörte ich an, ohne beynahe ein Wort zu fagen. Das, hub ich endlih an, wit ich dem Grafen alle fehreiben. Er wird Sie und meine Liebe zu ihm, durch die Sorgfalt für feinen Charakter, ober wel⸗ des einerley iſt, für fein Gtäd, belopnen.

Leben Sie wohl.

©.

7. (#) un benfelben

% 5.18. Mai 1755,

Die Zreundfchaft thut das in Ihren Briefen, was bie Kunft, unterftügt von der Natur, in den Werken des Geſchmacks thut. Die Lunft, fagt Pope*), wirkt, ohne ſich zu zeigen, und herr⸗ ſchet ohne Gepraͤnge. So näprt bie verborgne Seele in einem ſchoͤnen Körper alles mit Lebendgeiftern und erfüllt das Ganze mit Staͤrke. Sie wirkt jebe Bewegung und unterflüget jebe Nerve; fie felbft ift ungefehn; aber in den Wirkungen zugegen. So, fage id, wirkt die Freundſchaft, unterftügt von dem guten Geſchmacke, in Ihren Briefen. Sie herrſchet ohne Gepränge, belebt alle Gedanken, macht ben Ausdruck beredt; fie kündiget ſich nicht an, und iſt doch in allem, mad Sie mir fagen, zuges gen. Weide Freude für mich! Ich weis Ihnen meine Danks barkeit nicht beſſer zu zeigen, ald daß ich mein Lob zurückhalte, und Ihnen öfter fehreibe, ala meinen übrigen Freunden, und mic bemühe, Ihnen auch in dem, worinne ich Ihnen Bein Meys foiel ſeyn Tann, wenigftens ein Gefährte zu feyn. Das weis ich gewiß, daß Cie bie Ermunterungen in meinem Isgten SBriefe nicht vergefien werben, fo fehr Cie ſich auch felbft die beſte Er⸗ munterung find. Ich habe fie Ihnen niedergeichrieben, wie mar Freunden, bie glüdlid find, immer noch Glück wänfet. Die rau von ** meyat es auferorbenttih gut mit Ihnen, und ich

ar Works withont sbow, and withost pomp presiden ı In some fair body thus the seoret soul, With spirits feeds, with vigour Alle the whole, Each motions given, nerve sustalns, It self unseen, but in th” offocts remaias.

giaube, daß fie mic Ihrentwegen gewogner ik; denn in ber That mag fie denken, daß ih zu Ihrem Beſten mehr beygetragen habe, als ich wirklich gethan. Allein, opne mich zu erniebrigen, muß ich doch bey Innen und Cronegken die Anmerkung mes hen, die man von ben größten Malern gemacht, daß fie meiftens ohne große Lehrmeifter ſich felbft gebildet Haben. Ich will fie Beide dadurch nicht ſtolz machen; denn auch das glücklichſte Ges nie, wenn ed an feinen Urſprung gebenket, Hat mehr Urfache zur Beſcheidenheit ald zum Stolze, und ber Stolz ift gemeiniglich nur die Ausfülung des leeren Raumd in unfter vieffegnwollene den Seele. Ich fühle es fehr wohl, liebſter Graf, daß ichs in meinen MBriefen an Gie nicht vergeſſen Bann, daß ich no einz mal fo alt bin, als Sie; aber felbft meine Docisfucht if aoch Liebe, Ich denke alle Augenblide, ich möchte Sie durch mein &eb, davon mein Herz fo voll ift, ficher machen; und gleich wi mein Berflanb daß wieber gut machen, was mein Herz verſehen zu haben glaubet, und da fange ich denn an, lehrreicher zu ſeyn, als es Ihr Charakter bebarf. Sie werben mirs leicht vergeben; umb wenn aud meine Briefe an Sie einmal Andern in bie Hände fallen follten, fo konnen fie doch nichts weiter bavon füs gen, als was man gewiffen Geficktern ber Frauenzimmer vor⸗ wirft, die ſich unvermerkt in eine zu gütig erklaͤrende Miene vers lieren, es fühlen und biefe freywillige Miene durch einen aufges botnen furchtfamen Ernft widerlegen wollen. Ich bin heute ſehr fruchtbar in Gleihniffen und folden Sachen. Vermuthlich habe ich zu viel Zeit gu biefem Wriefe; benn ber Btegen hat meinen Bubörer, dem biefe Stunde gehört, abgehalten.

Au bem Journal des Savans et de Trevoux find Rives wis Zabeln rũbmiich genug receufiret; nur ärgee ich mich, dep der Necenfent aus toller Ueberellung eime Stelle vom Rabenern fagst, tie Riveri in ber Vorrede vum Rabekais oder Swifs

ten gefaget hat. Ich will deswegen an Riveri ſarelben. —— Leben Sie wohl, beſter Graf. G.

70. (21.) Morig von Brühl an Gellert.

Dresden, d. 18. Mai 1755.

Liebfter Profeffor,

Die Vergleihung, mit ber Sie Ihren legten Brief anfangen, fo wie die Stelle aus dem Pope, find beibe fehr fhön. Wie glüdlich wäre ich, wenn ich fie wahr machen koͤnnte! So viel Äf indeffen gewiß, daß, wenn anders meine Briefe an Sie einie gen Werth Haben, fie ihm bloß durch meine Zreundfchaft gegen Sie erhalten, und vieleicht iſt fie es, bie mich bey Ihnen ent⸗ ſchuldiget, und meinem Verſtande Lobfprärhe erwirbt, die meinem Herzen allein gehören. Sie erfreuen mich umendlich durch dem Vorſatz mir oft zu fehreiben, und befchämen mich zugleich, indem Sie es als ein Mittel anfehen, mir Ihre Dankbarkeit zu begeis gen, ba es in ber That eins ift, mich noch mehr dazu zu vers binden; mich, ber ich Ihnen fo viel, ber ic Ihnen alles zu verbanken habe. .

Die Frau von °° hat Recht, wenn fie biefes glaubt, und, Magen, daß ich Sie feit fünf Jahren kenne, Heißt nichts anders fagen, als: Gellert hat ihn gebildet, er hat ihn erzogen. Ihr Beyfpiel, das ich glücklich genug war mir zum Mufter zu wäh Ten, hat mir jederzeit mehr genügt, als die trefflihften Lehren wicht würden getyan gaben, bie nicht damit unterflügt geweſen wären, und man kann von ber Erziehung insbefondere behaups ‘ten, was in allen Sachen wahr iſt, baß ſtets bie Grempel mehr

als die Vermahnungen beffeen. Was Sie von dem Stotze fagen, iſt vortrefflich, und ich begreife noch immer micht, wie man bey einem wahren Werbienfte ftolz feyn koͤnne. Wenigſtens find ſolche Yerfonen allemal Räthfel; fo wie ed unmoͤglich ik, daß ein ges ſchwollner Körper zugleich gefund feyn ann; umd was ift bee Stolz anders ald @efchroulft? Aber es if Beit, daß id meinen Brief ſchließe. Worgen früh veife ich nach Pohlen, und es iſt ſchon bald Mitternadht. Leben Sie wohl, ich bin ewig

Ihr Bruhl.

so’) Ich. Andr. Eramer an Gellert, Gopenhagen, d. 29. Mai 1755. . Liebſter Gellert,

Ic freue mich ſehr, daß ich mich einmal von meinen uns dankbaren Arbeiten losreißen, und bir fagen Tann, daß ich Dich unausſprechlich tiebe. Was für Freude und Wolluft Haft Du mir mit Deinen Liedern gemacht! Sie find fo fchön, bie meiften fo fehr nach meinem Wunſche, fo bibelreich und voll Empfindung der Religion, daß ich Dir nicht genug danken Tann. Aber eben ihrer Wolltommenheit wegen werbe ich fie mit aller Gtrenye ber urtheilen. Sole Lieber verbienen fo unfehlerhaft zu feyn, als möglich iſt, je länger ſie gefungen zu werben verdienen. Meinem Heben Bernflorf (0 daß Du biefen großen liebenswürdigen Mann

) (Riopftod. Gr; und fiber ihn, Heraudgeg. v. C. B. Cramer. 2.5, ©. 278 .) i

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Tonnen mehditeft, chen fo als fekne Gewahlian) habe ich fie ges wiefen; fie haben ihn entgädt, und weil ex bie meiſten ben ſich Sat (fie find bey ihm fo fiber, als bey mic); fo bann ich heute nur über einige. Geititen machen. So oft id aber vor einem Boſſuet Odem hole, will ich fortfahren. Ueberhaupt mache ich die Anmerkung: erfitih was die Siarichtung betrifft, daß Lieber mehr aus Empfindungen, als Betrachtungen befkchen und feine Lehroden feyn müſſen. Diefen Gharacter hat das Gebet nicht, welches mehr aus ſchoͤnen Lehrſprüchen, als Em⸗ pfindungen befteht. Doch beftehen, zu Deiner großen Ehre, bie meiften baraus. Zweytens merke ich, was bie Schreibart betrifft, an, daß ich wünfchte, fie möchte fih hier und da mehr von bem zwar nicht uneblen, aber doch gemeinen Ausbrude entfernen, und poetifcher werben. Wie ſtark iſt nicht die Schreibart der Pfals men. Die Geduld. 1. Str. 1. 8. in Kreuz und Leib: das iſt einer von ben Ausbrikten, bie mic für Deine Lies der nicht ebel genug find. 4. 8. Künftig, wenn Du in biefem Genere Lieber machſt, fo laß lieber biefen Heinen Bers v-v—u fo feyn. Es lieſt und fingt ſich beffer. 2. St. 3. St. Bo— fen Tage: Böfes wir erbulden, Lömmt zu ſchnell auf einander. 3. V. Künftig bitte ich bekommen für erhalten nicht zu brauchen; das Wort iſt zu unpoetifh. 4. Str. Was ift des Unmuths Schmerz: foll Unmuth Zorn ober Wehmutg ſeyn? 5. Str. IR deren Quaal: hier follte bilig bie Anrede an Gott wiederholt feyn. 6. Str. 2.8. Läßt bu: Beſſer Lehrſt du ıc. 3. 8. Miffethat: Hier follte Bünde fles Yen; weil Sünde alle Arten von Unorbnungen begreift. 9 [10] Str. 2.8. Wollen Sie etwa fegen: Doc wenn Gott Ihlägt, an Gott voll Demuth denken? Die lette Strophe muß ja bleiben, als eine ber ſchönſten. Bitten. 1. Str. Die vier seften Verſe gefallen mic nicht, wegen bes für u. für, und des gebeten, das ich nicht für deutſch halte. 2, Str. Mbenn ber

Ste Werd Hiehe: @icb mic ıc. fo wäre ber aie Überfläßig. Be ſtimmen Sie dm Aten zu noch einem beſondern Gebanken. Das Gebet. 1. Str. verſcherzen, nicht ebel genug; präfe und nicht prüf, wenn ein Vocal folge. 2. Str. beque⸗ met, ein umebled Wort, zumal von Gott gebraucht. 3, Str. Sein Gläd; fein Heil; eind if gemug. Wollen Sie unser Süd die irdiſche, unter Hell die geift. und ewige Seligkeit vers ftehen, fo iſts nicht beutfich. 3. 4. ©. Statt ber Frage, ob Mes ten nicht unſre Seele echebe, möchte ich Lieber gefagt haben, wie es biefelbe erhebe. 5. Str. würde ich eine rime riche mas den: Wer das was einem Chriſten dienet,

Im Glauben ſucht, ber ehret Gott;

Wer bad zu bitten ſich ertühnet,

Bas er nicht wůnſcht, der fpottet Gott. Des Flehn iſt Spott, ift ein wenig zu gezwungen audge⸗ brüdt. 7. Str. 4. 8. Mädtig u. verfüßen find Ideen, de ich nicht zufanımen bringen möchte: pütig ober liebreich. 8.Str. Schau, befhau flatt ſchaue, beſchaue. Sieh an bie Wunder, die er that, (denn fatt kann und fol man ſich nicht an Gottes Wunbern fehn). Schau auf den Ernftw auf die Güte, Womit (bamit es fi auf Masoul. u. Foem. zugleich beziehe) ftatt mit der ıc. 9. Str. Den 8.8. deuts licher zu machen: Und fhmede feiner Himmel Kräfte 10. Str. Bet oft, durchſchau mit heilgem Muthe, mit Freude, mit Entzüden lieber. Ich mag eigen, heilgen, künft⸗ gen, und alle Zufammenziehungen nicht leiben, wo das i her⸗ ausgeworfen wird. 11. Str. Dein Glaub an ihn ıc. iſt beſſer ald der andre Wer, 12. Str. Gereht u. gut: Ges seht und fromm lieber. Du fiehft, mein liebſter Gellert, daß , ich nur Kleinigkeiten table; allein bloß, weil ich Feine gröffern Flecken entbeden kann. Gott erhalte Dich noch lange, lange gefund. Gieb Deine Lieber ja noch nicht heraus; wir mäffen

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fr viele von Die haben. Coll ich fie herauägehen? Mache viele kurze. Lieber vom vier, ſechs, acht Strophen find bie beften ; ſolcher werbe ich auch eine eine Anzahl zu machen fuchen. 3a) fende Mſcpt. zu meiner Bortfegung des. B. [Bofiuet] nad Leipzig; wollteſt bu die Barmherzigkeit an mir beweifen, und zum menigflen von ben hiſtoriſchen ben Iegten Probebogen durch⸗ fehen. Bon Deinem Ghriften find hier zwo Ueberfegungen gebrudt worden, und beyde find fo glüdlich gevathen, daß es ſchwer zu entſcheiden ift, welde man für die befte halten müffe. Wollen wir nicht fleißiger an einander ſchreiben? Antworte mir bald. Sage meinem lieben Heine, wenn er noch da ift, daß ich ihm göttl. Beyftand zu feiner Reife wünfche, und über acht Tage fhreiben würde. Itt bin id; im Lingbye, wo id für meine Bamilie ein Logis für den ganzen Sommer gemiethet habe. Wir find alle gefund. Ich arbeite fleißig. Lebe wohl, mein theuer⸗ fler Freund. D wie herzlich liebe ih Did! Gott. belopne Dich für Deine Lieber mit taufend wahren Freuden. Meine Charlotte grüßt Did. . Dein

Cramer.

Empfiehl mich allen, die mich kennen und lieben.

81.) An Sleim % d. 7. Juni 1755. Mein lieber Gleim!

Sehn Sie, daß ich mein Wort beffer Halte, ald Sie? Mer hat nun am erften gefchrieben? Ich! Wer ift alfo ber Ordent—

*) (Deutied Muſeum 1779. ®b. 2. S. 351.)

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lichſte unter uns Beiden? Ich! wer ber Empfinblichfte, ber Artigfte, der Befte? Hier will ich, aus Beſcheidendeit, Plat laffen, und Sie follen felbft, nach Ihrem Gewiffen, meinen ober Ihren Ramen Hineinfegen. Ich will mich nicht mit eigner Hand Trönen, fo ſehr verlaffe ich mich auf Ihre Willigkeit und auf meine gerechte Sache. Nunmehr will ich auch in Ihrem Namen etliche Fragen aufıwerfen, und den ganzen Brief in Frag und Antwort abfaffen; ich denke, es hat ed noch niemand vor mir gewagt. Wer ift alfo (Gleim fragt) ber befte Poet unter uns beiden? Sie! antworte ich. Mer wird die befte Ftau von und beiben bekommen ? Sie! wenn Sie nur wollen, und ben Früh⸗ ling Ihrer Zahre nicht forglos verſtreichen laſſen. Aber wer verbient bie befte Frau von und Beiden? Ja mein lieber Freund, das ift eine andre Frage, die wollen wir wieder im Herzen aus⸗ machen. Genug, daß ich fie Ihnen mwänfche, und auf Ihre Hoch⸗ zeit kommen, und, wenn ih gefund bin, aud tanzen will. Das iſt viel gefagt! Aber wer wird am längften unter uns leben? Mein Herr, in biefer Frage ſteckt eine Zweideutigkeit. Meinen Sie das phyſikaliſche oder poetiſche Leben? In bem erften Falke werben Sie am längften leben. Das beſcheide ich mich gang gern. Wenn ich gelaflen und fromm fterbe: fo bin ich Herzlich, duftieden. In dem andern Falle folten Sie, nad) dem orbent- lichen Laufe ber Werdienfte, auch am längften exiſtiren. Geht es aber nad) der Menge ber Werke: fo werden ie es nicht ungütig nehmen, daß ich Sie überlebe, Gönnen Sie mir immer biefes uneinträglihe Glüd. Ich bin Ihr Kreund; und nach meinem Tode ift es Ihre Pflicht, meinen Ruhm zu fehügen, Eher, follen Sie mich nicht vertheidigen. Nur bie allerlegte Frage in Ihrem Namen: Wenn wollen Sie denn nad) Halberſtadt kommen? Dem Willen nah, fehr bald, Bis dahin Züffe ih Sie in Gedanken, bitte, daß Sie mich vor andern lieben, und mir erlauben, meinen Brief zu ſchliefſen. Wenn Sie mit der Beants

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wortung der Fragen zufrieden find: fo verlange ich keine geile Antwort von Ihnen; denn ich bekomme doch fo bald Keine. Le— ben: @ie nur wohl: fo fol alles gut ſeyn. Empfehlen Sie mic allen Ihren Freunden und Gönnern!

Gellert,

882. (22.) Morig v. Brüblan Gellert.

Dresden, d. 3, Juli 1755.

eiebfler Profeflor,

Ich denke noch immer an den Augenblid unfers Abfchieb, und ich denke mit Vergnügen daran. Niemals habe ich lebhafter als damals empfunden, wie unthätig unfer Werftand ift, wenn unſer Herz in Bewegung ift; und ich bin niemals zufriebner, als wenn ich mich felbft recht lebhaft überzeugen kann, wie fehr 4 Sie liebe. Glauben Sie nicht etwan, daß id) jemals daran gezweifelt; nein, dazu kenne ich mich zu gut, um fo mißtrauiſch gegen mid) felbft zu feyn. Aber das Vergnügen, dieſes beftändig vor meinem Herzen zu erfahren, und biefes Werbienft in ihm zu erkennen (bemn eine feiner beften Eigenſchaften iſt gewiß bie, daß es Sie liebt), macht, daß ich fo genau auf alle feine Bewegun⸗ gen Achtung gebe, ald ob ich ihm gar nicht trauen dürfte, Wie gefält Ihnen dieſe Heine Metaphyſik des Herzens? Ich Kann ‚&ie verfihern, daß fie eben fo gewiß ift, ald wenn ich fie auf lauter Grundfäge gebaut hätte; denn fie gründet fi auf meine Empfindungen, und biefe find doch gewiß wahr, wenn fie auch unrichtig wären.

Ich befinne mic, in dieſem Augenblide, daß. morgen Ihr @rburtstag ift, ein Tag, ber unter ben Großen frofligen Goms

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plimenten und unter ben Riedern abgefihmackten Wünfchen ge— weiht if. Unter Freunden aber iſt er der Empfindung und der Zreude gewidmet. Darf ich Ihnen wohl erſt fagen, wie groß und wie aufrichtig die meinige darüber if? Ich kann hierbey eine Anmerkung machen, bie mir gewiß Ehre bringt, die aber doch darum nicht minder wahr ift: nämlich, daß ich die erflen Berfe, die ich jemals gemacht, der Freundſchaft zu danken habe, fo wie Corneille feine erften der Liebe fhuldig war. Grins nern Sie fih noch an bie herzbrechende Ode, bie id) vor vier Jahren auf Ihren Geburtstag gemacht, und bie Herr &*** cor⸗ tigiet hat! Habe ich alfo nicht Recht, wenn ich mid, mit Cor⸗ neilten vergleiche? Und vieleiht war’ mein Trieb noch ebler

als jener, der Gorneillen befeelte. Leben Sie wohl, Ihe Brühl, 83. (23.)

Anden Grafen Morig v. Brühl,

2. d. 4, Juli 1755. - Liebfter Graf,

3a heute ift mein Geburtstag, und ich danke Ihnen fürIhren lieben, "freundfchaftsoollen Brief. Erfreuen Sie fih mit mir, daß ich noch lebe! Danken Sie ber Borfehung mit mir, daß ich fo viel Urfachen habe, ihr zu danken, Wünfhen Sie mir Ges fundpeit, wenn fie mir gut ift, und ein frohes Herz. Wünfchen Sie, daß meine künftigen Tage, es mögen ihrer viel ober wenig ſeyn, age der Weisheit und Gelaffenheit feyn mögen, daß ich bis an dad Ende meines Lebens den Eifer Gutes zu thun, fühe Jen und beweifen mag; daß ich unter dem Beyfalle der Welt

Gellert V ı0

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nicht eitel, umter dem Zabel nicht Bein, tm Släde nicht zu froh, und im Unfalle nicht zu traurig werben, bie Liche meiner Freunde ald ein Sluck genießen und ald bie Ehre des guten Here zens verbienen, daß ic, Werftand und Tugend über alles fehägen und bewahren mag. Ia, mein liebfter Graf, das gebe Gott!

Alſo habe ich ſchon acht und dreyßig Jahre gelebt, weit über die Hälfte des menfhlichen Ziels und wer weis, mie weit über die Hälfte des meinigen! Und ich fahe an alles, was un: ter der Sonne war, und fiehe, es war alles eitel! Es fol aber auch eitel und unfer Glück hier nie vollkommen ſeyn. Ich finde vielleicht in bem verfloßnen Jahre weniger Feh⸗ ier von mir als in bem vorhergehenden: aber ich finde auch vieie gläcfelige Empfindungen bes Herzens nicht mehr, die ich ehedem gehabt habe. Doch mein Leben hat taufend Spuren der liebrei- hen Vorſehung aufzumeifen, die ich verehre und noch weit mehr zu verehren wünfde. Ich Hoffe auch auf bie noch übrigen Tage das Beſte von ihr und das Glüd eines ruhigen Todes, Ich will meine übrigen Empfindungen heute noch mit ber theilen, der ich das Leben ſchuldig bin. Alſo Laffen Sie mich diefen Brief ſchließen, mich ihn mit dem Wunſche für Ihr Leben, für Ihr Gluͤck, für die Erhaltung Ihres beſten Ruhms, Ihrer Zus gend, Laffen Sie mid) ihn mit dem Wunfche fließen, daß Sie das Beyfpiel liebenswürbiger Sitten, daß Sie Lünftig der nütz⸗ lichſte und glüdlichfte Mann , der befte Water, daß Sie ſtets ber wuͤrdigſte Freund, daß Sie mir no im Tode Freund und Ehre ſeyn mögen!

" G.

s.') Au Ioh Andre Cramer.

2%, d. 11. Aug. 1755, Liebfter Cramer,

Dein Brief hat mich außerordentlich gerühret, und wie Eönns ten mic Zobfprüche, bie von Dir kommen, bie mit aller Deiner Liebe und Einſicht begleitet find, weniger rühren, weniger für eine gute Abſicht belohnen? Denn Deinen Brief fehe ich für die erfte und rühmlichfte Belohnung meiner Lieder an, fo wie er mir zu gleicher Zeit Regel und Muth feyn foll, wenn ic) ihrer. noch mehr verfertige, In der That habe ich, feitdem ih Dir bie Legen geſchicket, wieder 18 oder 19 Stüd gemacht, daf ihrer alfo ungefähr 50 in allen fegn möghten, und über biefe Anzahl habe ich nicht hinaus gehen wollen, um nicht in meinen gewöhnz lichen Fehler, mich felbR zu copiten, unglüdlicerweife zu” der— fallen. Kurz, meine Lieder follen nunmehr ruhen. Ich will an Ausbefferungen denken, und nur dann und wann ein neues mas gen, wenn ich mich gefchidt dazu glaube. Ich denke an nichts weniger als an ben Drud berfelben; und wenn ich fterbe, ehe fie gedruckt werden: fo ſollſt Du fie herausgeben. Das ift mein Wille. Du haft Recht, daß viele mehr Lehroden, als Lieder im eigentlichen Verftande, und alfo mehr zum Lefen, als zum Sins gen find; und ic) wünfehte ſeibſt, daß ihrer von ber erſten Gats tung weniger, uub dafür mehr von der andern feyn möchten, Allein es ift immer leichter, bloße Lehren vortragen, als Lehren in Empfindungen verwandelt vortragen. Der Zitel: Lieber, Tönnte alfo nicht der Zitel biefer. Gebichte werden, Die Länge iſt der andre Fehler, ben ich ſtets gefühlet, und aus dem Ges

®) (Riopftoh Gr; und über ihn, Heraudgeg. v. C. J. Cramer, 5. 5, ©. 284 fi.) 10°

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fihtspuncte des Lefens und nicht bed Singens, mir erlaubt habe. Unter den neuen, bie id Dir bey Gelegenheit abfchreiben will, find mehr kurze, aber auch einige ſehr lange, Lehrgebichte über Wahrheiten ber Religion in Form ber Ode, und in ber That alſo Feine Lieder, ob ich wohl glaube, ba fie aufferbem erbaulich zum Leſen fegn koͤnnen. Für Deine Beinen Grititen danke ich Die eben fo fehr, als für die großen. Ich will fie nügen und ihrer mehr von Deinem freundſchaftlichen Fleiße erwarten. Gärtner hat mir auch einige niebergefhrieben, bie aber nur_ben Ausbruc betreffen. Cr ift wohl mit mir zufrieden, aber fo hat er nicht gelobet, wie Du, gutes Kind. Außer ihm hat niemand weiter bie Lieder gefehn. Daß Du fie dem Hrn. von Bernftorfen u. f. Br. Gemahlinn, der $r.v.Pleffen, und ich weiß nicht wem noch mehr vorgelefen, dad muß ich Dir vergeben, weil mirs fauer wird, einen fo nachdrücklichen Beyfall zu miffen. Ich habe den Hm. v. Bernftorfen aus Briefen an f. Neveur, die ehedem hier ſtudirten, Eennen lernen. Es waren treffliche Briefe, voller Geift und Herz. Igt muß ich ihn Lieben, da er Dich liebt. Empfiehl mich ihm u. f. Gemahlinn und der Fr. von Pleffen mit aller Deiner Beredſamkeit. Der britte Band Deiner Predigten fol die erften beiden übertreffen? Da wirft Du viel zu thun haben. Ich wünſche es beynape nicht; u. doc Tann ichs von Die hoffen, wenn ed zu wünfchen if. Der andre Band ift noch nicht ganz fertig. Leffing in Berlin hat den erften, fo viel ich mich befinne, oder die Pfalmen (menigftens hat er von beiden zugleich geredet), am beredtften u, wahrhafteften tecenfirt. Er lobte Dich meifterlich, u. er hat eher.das Privilegium dazu als andre. Eine Deiner großen Leferinnen iſt die Fürftinn Fr. Mut: ter von Zerbft, mit ber ich im Briefwechſel feit einigen Mona⸗ tem ſtehe. Sie hat von mir auf ihre verflorbne Tante, Deine lebe Aebtiſſinn, ein Gebichte in meinem Namen verlange, Ih habe es ihr aus vielen Urfachen ab» und Di und Gifeden

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vorgefchlagen. Kurz, ich habe ihr verſprochen, Did; zu bitten, daß Du in Deinem Namen eins machen ſollteſt. Es würde, da Du bie fel. Xebtiffinn in ihrem ganzen Werthe gefannt, da Du einer berbeften Poeten und weit mehr Poet wäreft, als ich, noth⸗ wenbig ein ſchoͤnes @ebdichte feyn; fo wie es in der Gefchichte ber Aebtiſſinn bey der Nachwelt mehr ald Ehre feyn würde, daß fie einen Boffuet zum Beichtvater gehabt. Diefes waren etwan meine Worte. Ich dähte, Du erfülltefk meine Bitte, Ich hoffe, bie Fürftinn, die, holt ih, Erbinn der Acbtiffinn if, und großeVer— dienfte hat, wird auch das Verbienft der Erkenntlichkeit haben. Siſecken habe ichs auch gefchrieben. Und Dein Boſſuet follte aud zu Michaelis wieder fertig fepn? Gebe es der Himmel! Ich habe etliche Bogen davon gelefen, Du biſt allenthalben zus gegen. Deine Einleitung in die Glaubens = und Sittenlehre nach einem neuen Plane kündige ich ber Welt fchon an, und ich bin fiber, nicht vergebens. Ic kenne Did. Du denkſt und fchreibft für alle Deine Freunde und Gollegen. Du biſt ein nüglicher und großer Mann zugleich. Laß mich Dich immer auch rühmen. Deine Gommiffion bey Steinauern habe ich ausgerichtet, und mit großem Gtolze für Gramern gut gefagt. In wenig Tagen will er mir einen Löffel von der feinften Arbeit für das gefegte Selb zufciden; denn um Deinen Preis hatte er feinen fertig. Ich will Dir ales beforgen, fo gut, als wenn ich fein Port wäre, und wer weis, unter und gefagt, ob ichs fehr bin. Deine Fr. Schweſter ift dutch bie Schwindſucht, wie ich von Wehrend gehört, dem Tode fehr nahe. Die gute Frau wird alfo Dein Geſchenke nicht lange nügen. Depling ift tobt. Du follteft‘ nach meinen Gedanken an feine Stelle tommen; aber «6 denken nicht alle Leute fo Hug, ald id und Du. Deine liebe Charlotte wird wohl wieder bener feyn, wenn Du folgende Gommiffion an fie ausrichten wirft. Erft Lüffe ihr die Hand; dann fieh fie ſehr freundtich und barmherzig an, als ob Du ihr mit den Augen

bie Gefundheit und das Leben geben wollte; daun Eüffe fie ein, wory, beegmal in meinem Ramen, und fied fie noch einmal an. Deine Kinder fegne in Deines Geäerts Beck. "Bott laß es Die und der Mutter und ihmen täglich wohl gehen. Ich bin ewig. Dein Freund Gellert.

85.) Un I. 8. Freihberta von ronese. e. d. 12. Aug. 1755.

Liebfter Croneck!

So hypochondriſch ich feit einigen Tagen bin: fo fühle ich boch eine heimliche Freude bey Ihrem Namen, und bey ber Er—⸗ inmerung aller der Liebe bie Sie für mic haben, von ber Ihe ledter, fo wie Thr erfter Brief voll iſt, dringt ein gewifler Stral des eichts in meine dunkle Seele. Immer verbeſſern Sie Ihren Godrus, guter Baron, und übertreffen Sie alle meine Hoffnung, und wenn es möglich ift, fich ſelbſft. Gramer hat mir unlängft gefhrieben. Gr ift ganz trunten von meinen Liebern, er wi aber auch ſchwere Werbeßrungen. Ich möchte Ihnen balb dem Brief mitſchicken, fo ſchoͤn ift er. Sehn Cie alfo, baß die Laft deo Xusbefferns fo gar. bis auf bad Lieb fich erfiredt? Mein Hauswirth, Dr. Junius iſt über den Freund ganz entzädt, und beynahe wäre ich ein Schwäger geworben. Die Gräfim, bie Sie ſehr liebt, vielmal gräßt und mich mit lauter Hochachtung qualet, laßt Gie fragen, ob Sie keinen Hofmeifter für Sie miße tem, ber bep feinen guten Eigenſchaften bas Verdienſt Hätte, mit

*) (Ausdem Driginat, dad fich in ber Stadtbibliothek zu Leipzig Befindet.)

iehmen; ich aber habe große

Leute bezahlen, bie es eben nicht fehr verbienen. Gräffen Sie den lieben Riveri und Gleichen fo oft von mir, als Cie ihnen reiben, und mit aller ber Berebfamteit, mit der Sie zu fchreis ben pflegen. Endlich gräffen Sie doch auch Ihre gn. Mama, Ihren Hrn. Vater, Ihe ganzes Haus, dem ich Sie fhulbig bin, mit ber ſtaͤrkſten Verficherung meines Hochachtung und Ergebens heit auch Hr. ügen und Ihre übrigen Freunde; Hr. Hirſchen, deffen Hr. Bruder recht fleißig und ordentlich if. Das muß. ich ihm itt nachtrũhmen. Ich erwarte bie Zortfegung des Freundes und bin der Ihrige Glrt.

86. (4) Morig v. Brühl an Sellert.

Diesen, d. 12, Aug. 1755.

Mein liebſter Profeffor,

Sie haben midy fo fehe verwöhnt, daß ich es für etwas aufers ordentliches halte, wenn eine Woche vergeht, in ber ich keinen Brief von Ionen bekommen habe. Glauben Sie indeſſen nicht, daß biefe Gewohnheit ihre ordentliche Gewalt, gleichgültig zu machen, auch bey mir ausübet, und daß Sie nöthig haben, fie ws unterbrechen, damit Sie mein Wergnügen vermehren. Ich

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bin nicht fo ungerecht, baß ich Ihnen biefen Verdacht Schuld geben follte, und Sie wiflen zu gut, wie fhägbar mir alles ift, _ was von Ihnen koͤmmt, als daß ich Sie erft davon verſichern dürfte. Sa, was fehr fonderbar ift, meine Gewohnheit jelbft vers mehrt mein Verlangen nach Ihren Briefen, und id darf fie nie⸗ mals in der Anzahl erwarten, in der ich fie mit Ungebulb wäüns fe. Ich werde Ihnen alfo nicht fagen, daß ich mich igt mehr als jemals barnady fehne; aber daß ich unendlich viel vermiffe, dieß will ich Ihnen fagen.

Es iſt wohl billig, daß ich Ihnen etwas don meiner Beife nach Frankreich melde, weil ich noch immer hoffe, daß Sie mich bahin begleiten werden. Allem Anfehen nad wird fie ſehr bald vor ſich gehen, und ich hoffe Ihnen morgen den Tag meiner Ankunft in Leipzig zu melden. Es ift mein wahrer Ernſt, was ich Ihnen fage; und id) würde fehr betroffen feyn, wenn Sie mich nicht begleiteten. Richten Sie alfo immer Ihre Borlefuns gen fo ein, daß Sie in acht Tagen höchftens ſchlleßen können. Vielleicht bin ich fhon in diefer Zeit bey Ihnen. Schreiben Sie mir aber erſt noch einmal. Vielleicht ſchreiben Sie nicht fo bald wieder an mich nad) Dresden. Leben Sie wohl.

Ir Bräpt.

87. @5) An ben Grafen Morig v. Brühl 2. d. 18. Aug. 1755.

Liebſter Graf,

Alfo wollen Sie noch nad Paris gehen? Ich verliere viel dabey; aber will ich nicht verlieren, wenn Sie gewinnen? Gebe

es doch Gott, daß biefe-eife alle Ihre guten Eigenſchaften in ein noch größer Licht fege, daß Sie mit einer fruchtbaren Kennts niß der Menfchen und ber Gefchäffte und mit dem ganzen Abel Ihres Herzens und Ihrer Gitten, zu Ahrem Glüde, zu dem meinigen, zur Freude und Ehre aller Ihrer Freunde zurüd kom⸗ men mögen! Und wann wollen Sie wieder tommen? Ich hoffe, ber Segen Ihrer Freunde fol Sie allenthalben Begteiten, Laflen Sie mid, fo lange Sie auf Reifen find, im Geiſte Ihnen tägs lich gegenwärtig feyn, und fchreiben Sie mir Ihr ganzes Herz, alle Ihre Begebenheiten von Zeit zu Zeit auf. Hätte ich Ger fundpeit genug, fo würbe ich felbft mit Ihnen reifen. Aber fo wird es genug fiyn, wenn Sie fih meiner alle Tage erinnern, unb ich alle Zage für Sie bete. In der That wollte ich wüns ſchen, ich könnte einige Monate aus Leipzig gehen. Sie wiffen fhon warum. Ale Hochachtung, die man ung erweifet, erfeget doch nicht den Verluft einer gewiſſen Freyheit, zu der ich vor Andern geneigt, oder gewöhnet bin, Ich umarme Gie für Ihren legten Brief, und erwarte bald nur zwo Zeilen von Ihnen, lies ber Graf! G.

88. as) Morig o. Brühl an Gellert. Dresden, d. 16. Aug. 1755. Liebſter Profeflor, Sie werben mich nicht begleiten? Darf ich Ihnen wohl erſt fagen, wie ſehr mich dieſe Nachricht betrübt? Ich werde das

Vergnügen biefer Reife nur Halb fühlen, ba ich es nicht mit Ihnen teilen kann, und ich brauche alle Mühe, midy von bes

Ba

Vewitheit dieſer Nachricht zu uͤberreden, fo ſeht habe ih mich darauf gefreut, daß Sie mein Neifegefährte ſeyn wurden. Ich nehme indeſſen Ihr Anerbieten an, und ich würde Sie ſchon darum gebeten haben, wenn ich vermuthet hätte, daß ich es jes meld wärbe anwenden koͤnnen. Sie follen ber getreue Bewahrer aller meiner Begebenheiten, und meines Herzens felbft feyn. Wem. konnte ich es ſicherer vertrauen, als einem Freunde, der es ſchon gang befigt? Ich weis gewiß, bie Gntfernung felbft wird nur ein neues Band unfrer Freundſchaft ſeyn, fo wie mir biefe zum Schutz und zur Grmunterung bienen fol. Id kann Ihnen noch nicht ben Tag meiner Ankunft bey Ihnen melden. Leben Sie wohl. Brüpt

88. (7) an den Grafen Morig v. Brühl.

[October 1755.] Liebfter Graf,

Der erſte Brief, den ich Ihnen nach Paris fehreibe, fol kurz, fol nichts, ald der Wunſch feyn, daß e6 Ihnen wohl gehen mag, Doch wohl gehen, das ift für mein Herz zu wenig gewuͤnſchet. Rein, es müffe Ihnen fo wohl gehen, als es bem beften Herzen auf Erden gehen kann. Es müffe Ihnen Feine von ben Freuden fehlen, bie ber Hof nicht Tennt, bie ber Weiſe in ſich fucht, und in der ſtrengen Herrſchaft über fich ſelbſt allein findet, Ja, mein Hebfter Graf, ein ſolcher Wunſch iſt ber wärbigfte umd größte, ben ich für Sie weis; und wenn Ihe Herz Freude für Sie hat, fo werben taufend Dinge für Sie Anmuth werben, bie Anden gleichgültig find, und hundert Beſchwerlichkeiten Ipmen "Bein

werben, bie Audern unerträgliche Laſten find. Gott gebe Ihnen, unter ben Beizungen und Serfuhungen bes Hofs, Muth und Stärke, die wahre Hoheit der Seele zu behaupten! Und Feine @timme der Freygeiſterey, kein angefehener Wit, keine falſche Nuhmbegierbe mache Sie einen Augenblick in der Weisheit der Religion ungewiß! Beſter Graf, wer uns biefe nimmt, ber nimmt uns Wahrheit und Gott, und mit beiden alles, Ach weis, wie gefährlich ber Ort if, an dem Sie leben, und ich müßte Sie nicht Heben, ich müßte Fein gewiffenhafter Dann feyn, wenn ich Sie nicht zur Behutfamkeit ermuntern wollte; fo fehe ih audy weis, daß Sie ohne mich alles und mehr thun werben, als ich irgend einem Jünglinge von Ihren Jahren zutrauen ana; denn in meinen Augen find ie kein Jüngling, ober doch nur das Beyſpiel ber beften Jugend.

Und nun, theuerfler Graf, will ich Sie fragen, wie es Shen in Paris gefällt, womit Sie fich vergnügen, womit Sie fi befchäfftigen? Sie leſen body über Ihre gemöhntichen Befchäffte flifig? Ja wohl. Auf biefen Bleinen Brief fol Tünfz tige Moche ein befto größrer folgen. Diefes verfpreche ich Ihrem ober vielmehr mir felber, und bin bee Ihrige,

®

90. (a8) Morig o. Brühl an Gellest, Paris, d. 18, Det. 1755. Liebfer Profeffor, Ich bin ſchon vierzehn Tage hier, vier Wochen von Ihnen abweſend, und habe noch wicht Ginmal an Gie gefihriehen! Es ſcheint mir unmöglich, und doch iſts leider alzuwahr. Ich Hätte

Ihnen germ unterwegens gefdhrieben, aber da konnte ich nicht; und ba ich nad Paris komme und alle Freyheit habe, meinem Verlangen zu folgen, warte ich vierzehn Tage, ehe ich es flille, In der That, idy bin ein fonderbarer Wenſch! Sie werden mic vielleicht mit ben Zerfireuungen entſchuldigen, bie ſich überall in einer fo großen Stadt barbieten; Ihre Gütigkeit lägt mich biefes erwarten. Aber auch biefe Rettung bleibt mic nicht übrig; denn ich bin zu einer Zeit meines Lebens weniger zerfireut und mehr in mid felbft zurüdgezogen geweien, als feitbem ic in Paris bin; und erft heute fange ich wieder ein wenig an, mich und meinen @eift, an bem ich faft verzweifelte, zu entwideln. Aber woher tömmt bad, mein lieber Graf? Paris wird Ihnen doch nicht mißfallen? - Rein, liebſter Profeffor, es gefällt mir vielmehr, und mein Üctheil wärbe gu übereilt ſeyn , wenn id eb igt ganz entſcheidend darüber fällen wollte. Bielleicht wirb es mir um befto mehr gefallen, weil ich nicht zu viel erwartet habe. Ich entdecke indeſſen ſchon viel Echönes, viel Wortreffliches, viel Zborichtes, viel Abgeſchmacttes, und bitte täglich den Himmel um Augen, Beides zu unterfcheiben und von einander zu trennen. Ich beſuche fleißig die Frau von Graffigny, und habe Fons tenellen, Marivaur und Düclos gefehen. Die erfte befigt wirklich ben Lebenswürbigften Charakter, und man vergißt bes ftändig bey ihr, daß fie eine Gchriftfiellerinn ift. Ich denke, ich werde ihr fehr wunderbar vorgekommen feyn; benn ich bes finne mid) nicht, daß ich nur zwey erträglihe Worte bey ihr gefagt habe, meiftens aber gar nichts. Ic bin fleißig in ber feangöfifhen Komödie. Geſtern war ic in dem Mahomeb des Voltaire, wo ich wie ein Kind geweinet. Künftige Mitts woche wird man eine neue Tragödie von ihm aufführen, POr- phelin de la Chine.

Den 24. Det. Es ift heute fhon Freytag, und mein Brief iſt noch nicht fertig? Glauben Sie indefien nicht, daß es

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mir wie Boitüren geht, ber acht Tage über einem Glüdwunfche ſchrieb. Sie haben alfo vielleicht große Werhinberungen ges habt? Das Tann wohl feyn. Und wenn ich Ihnen fagte, daß ich dem Könige vorgeftellt worden, ber Königinn aufgewartet, kurz ben ganzen Hof gefehen und beſucht habe; find das nicht wichtige Hinderniffe? Ich Habe überdieg mein Quartier veräns dert, und ein Gefängnig mit einem andern vertaufcht, Ic Habe bie obermähnte Tragdbie gefehen. Sie hat fhöne Stellen, _ iſt gut geſchrieben, thut aber wenig Wirkung. D Eins ten Sie mir nicht mit einer Gelegenheit den folgenden Theil des Sranbifon ſchicken? Ich mepne ben fiebenten. Ih würde Ihnen unendlich dafür verbunden feyn. Herr Wächtler läßt fih Ihnen empfehlen. Ich habe bier einen geſchickten Kupfer ftecher, Ihren großen Verehrer, kennen Iernen, Er heißt Wille, und ift mir Ihrentwegen gut. Was für ein glückliches Vorur— theil iſt doch Ihre Freunbfchaft! Werden Sie mid) aud) nicht vergeffen? Mir fehlt nichts in Paris ald meine Freunde. Wenn ic) auch meinem Vaterlande nichts ald diefe fhuldig wäre, wie groß wäre nicht fchon meine Verbindlichkeit! Grüßen Sie fie ale in Leipzig, und lieben Sie flets

Ihren Brühl.

.‘) An bie Fran v. Mosheim.

2. d. 23 De. 1765. Hochwohlgebohrne Frau, Gnädige Frau,

&o wie ih Ew. Hochtohlgeb. wegen des Verluftes, den Sie durch das Ableben Ihres Heren Gemahls erlitten, unendlich beflage; fo ift vielleicht Niemand, der den Tod des hochſeligen Kanzlers von Mosheim empfindlicher bedauert, ald ih, Ich bin, fo Lange ich nur habe leſen können, ein Verehrer und Bewunderer biefes großen Mannes gewefen; ich habe die meiften feiner Werke nicht ein, fondern zehnmal und ftets mit einem neuen Vergnügen ges ieſen; ſtets Hat mich fein edies und frommes Herz, fein durchdrin— gender Verſtand, feine erftaunende Gelchrfamkeit und feine eben fo große Beredſamkeit im Lefen belohnet und gebeffert. Was ift natürlicher, als daß ich feinen Verluft beflage? und was Eonnte billiger feyn, als daß ihn bie Gelehrten ſovieler Nationen bes dauern? Nie müfle es einem Mosheim an Verehrern und Nach⸗ ahmern, und nie feinem Geſchlechte an Wohlfahrt und Gegen mangeln, niemals auch Ew. Hochwohlgeb. an Beruhigung we⸗ gen biefes fo fhmerzlichen Verluſtes. Uebrigens erkenne ich bie mir hiervon evtheilte Schriftliche Nachricht mit dem größten Dante und verharre mit der volllommenften Ehrerbietung

Em. Hochwohlgeb. Gnaben gehorfamfter Diener Gellert.

°) Gus dem Heyerſchen Nahlas.)

9». an Borhmwarb.

&. d, 24. Det, 1755.

Ich follte Ihnen feit einem Jahre nicht gefchrichen haben T Nein, das iſt unmöglich. So viel Wosheit oder Rachlaßigkeit traue ich mir nicht zu. Lieber will ich glauben, daß ein Brief von mir verloren gegangen, ja daß ihrer zehn verloren gegangen find. Mein Tann id mic, bey allem Beugniffe meines Dergens nicht irren? Ja, und in biefem Fall bitte ich Sie feyerlich um Vergebung, und hoffe fie von Ihrer Freundſchaft, bie aus allen Ihren Briefen vebet, und die ich nie zu verbienen weiß. Sie find alfo nebft Ihrer lieben Frau, bie ganze Zeit über, da ich einen Brief von Ihnen erhalten, gefund und zufrieden geweſen? Wie glüdtic find Sie, und wie überglädtih, da Sie Ihr Glüd mit, fo vieler Dankbarkeit fühlen! Gott ſchenke es Ihnen ferner, und gebe Ihnen Beyben, was Ihr Herz mit Recht wünſchen Tann. Meine Umftände, theuerfter Freund, find erträglich, Ich fühle freylich die Laft eines fiechen Körpers und eines ſchweren Geiſtes nicht felten; aber Gott ſey Dank, ich Liege derfelben niemals ganz unter. Und felbft ist, ba ich meine Klagen zu: rückhalte, erfreue ich mich über meine Kleine Stärke, Indeſſen meldet fi der Wunſch nach der Einfamkeit und bie Furcht vor dem Geräufhe der Welt alle Tage mehr bey mir; und wenn ich glaubte, daß ich nicht wider meine Pflicht handelte; fo würde ich das Landleben, das ich jest drey Wochen genofien habe, den Augenblid für meine übrigen Tage erwählen. Sie wünfchen etwas von mir zu lefen. Nun wohl gut, mein Freund, Sie follen mit biefem Brief mein vertrauter Lefer werden. Ich ſchicke Ihnen 31 geiſtliche Lieder, bie ich geither verfertiget. Niemanden, als Gramern unb Gärtnern, find fie von mir zugeſchicket morben;

und ich bitte Sie, bey allem, was in ber Freundſchaft Heilig ift, dieſe Sieber „nicht abfehreiben zu laffen, fie nicht in fremde Hände „zu geben, und wenn Sie ſolche einigen Ihrer Freunde leſen faffen, meinen Ramen zu verfchmweigen.‘” Ich weiß, wen ich bitte. &ie lieben mid), und glauben mir, daß ich aus gültigen Urfachen bitte, Eefen Sie alfo meine Lieder, und ſchreiben ie mir Ihre Gritit, und die Meynung Ihrer lieben Frau. Wollte Bott, daß fie einftens zur Erbauung und zur Ehre ber Reitz gion etwas beptragen, Ich ſchicke Ihnen auch einen Brief von Gramern, der biefe Lieder angeht, und den Sie niemanden müf- fen leſen laſſen.

Endlich fage ih Ihnen, wer Ihnen dieſen Brief überbringt; er iſt arm; aber er ift nicht begehrlich, und wird mit einer ges ringen Hülfe zu feiner Reife zufrieden feyn. Können Sie dazu etwas beptragen, fo thun Sie es, als ein gutes Werk. Der Mann ift ja ein Unglüdlier, das ift zu feiner Empfehlung genug. Ich umarme Sie, nnd Züffe Ihre liebe Fran.

G.

93. (2) An den Grafen Morig v. Brüßl.

2. d. 24. Nov. 1755.

Liebſter Graf,

Ale, was in Ihrem erften Briefe aus Paris fteht, hat mid, gerührt; alles ift mir wichtig vorgelommen, entweder weil es Sie anging, ober weil Cie mirs fagten, mir von Paris aus fagten, mic nichts fagen Eönnen, was ich nit mit Vergnügen Iefen follte. Alfo, werben Sie fragen, haben ie es mit Ber gnuͤgen gelefen, daß ich die erfte Zeit über fo tieffinnig in Paris

gewefen bin? Ja, das hat mich erfreut. Ein Isered Herz würde geld) eingenommen, gleich entzädt und hingeriffen werben ſeyn. Aber Ihres waffnete ſich erſt mit Eruſt und Nachdenken, um ſich der Freude defto ruhiger und ſicherer zu überlaffen, um fle gu waͤhlen und micht um fie blindlings zu verfolgen. Ich glaube, bie meiften jungen Herren, wenn fie nad) Zrankreidh gehn, gleis den den Gchapgräbern. Cie nehmen bie Begierde, Vergnügen and Wunder zu finden, für die Gewißheit an, daß fie fie finden werden, und betrügen fid einige Zeit durch ihre füßen Borſtel⸗ lungen,

Sie fprechen die rau von Braffigny oft. Gine nme Breade! Bey diefer würdigen Frau müflen Sie, wenn Sie anders liebeuswuͤrdiger werben Eönnen, es gewiß werden. Ihe Umgang wirb Ihnen ein ſichres Gegengift wider bie Gefahr ber großen Geſellſchaften feyn. Ich trage es Ihnen auf, ihr im meinem Ramen bie Hand vecht fegerlich und ehrerbietig zu Lüfs fen; und wem Zönnte ich es lieber und zunerfichtlicher auftragen? Ehen biefe Sommiffion gebe ich Ihnen noch einmal an Madame Bille. Sie hat mich mit der Gleopatra beſchenket, und mir mit Bleyſtift etwas Angenehmes unter bad Kupfer gefchrieben. Auch ihren Mann verfihern Sie aller meiner Freundſchaft. Ich bin fein Bewunderer und Verehrer, und ſtolz, daß er ein Deuts fer if. Herr Wählern) wünfche ih Glück zu Ihrer Bekanntſchaft, und überlaffe Cie ihm itzt mit der Bedingung, daß er Sie binnen anderthalb Jahren gefund und zufrieden, unter dem Beyfalle der Klugen, wieder zuräd bringt, und quer zu mir. Das verſteht fi. Zu feiner Eritifchen Nachricht vom Theater habe ich noch Riemanden; denn wenn ich fie ihm nicht gut ſchaffen kann; fo will ich fie ihm Lieber gar nicht ſchaf⸗

®) Dieſer verfertigte damals die deutſchen Astidel für das Journal Meranger. Anmert. ber Geraudgeber 1776. Gellert V. 11

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fen. Neues aus Sachſen, aus der Welt Ihrer Freunde, liebſter Graf, weis ich nichts. So leben Sie benn wohl, befter Graf, lieben Sie mich, ſchreiben Sie mir, lieben Sie fi, umb bedenken Sie, wie viel Ihre Freunde, wie via Ihr Waters land von Ihnen erwartet, und ich mir und ber Welt von Ihnen verfpreche.

NR. S. Wenn ein Auszug aus dem Loofe in ber Lottes rie gemacht werben follte: fo fagen ie Herr Wächtlern, daß er bie legten Scenen, wo Garoline ihrem Geliebten das 2008 giebt, wegläßt, und bie Handlung ba enbiget, wo bie Frau Damon ihr das Billet zurüd giebt. Man wird fonft fagen, baß ber Geliebte, ber in dem ganzen Stücke nicht vore Zömmt, Deus ex machina, und bie Handlung nicht gehörig geichloffen fey.

G.

94. (30) Morig dv, Brühl an Gellert,

Paris, d. 18, Dec. 1755,

Mein liebfter Profeffor,

Erſt Einen Brief von Ihnen; und es find ſchon über zween Monate, daß ich von Ihnen entfernt und weit entfernt bin! Nur dieſes ift bier bie Urfache meines Kummers und meiner Uns zuge. Sie follten mir dieſe Entfernung wenigftens vernähern, indem Sie mir, fo oft als es Ihnen möglich wäre, ich fage nicht, fo oft als ich es wuͤnſche, fehrieben. Ich bin igt mit biefem Lande ziemlich zufrieden. Ich habe Freunde, Umgang und Befellfchaft ges funben. Aber ich bin nicht bey Ihnen! Der erfte und legte meiner

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Gedanken bey allem Vergnuͤgen, das ich hier genieße, geht ſtets Sie, Ihre Gütigkeit für mich, bie Vortrefflichkeit Ihrer Werke, Ihren perfönlichen Charakter an; und ich bin nie zufeiebner, ala wenn man mit von allem biefen Rechenfchaft abfordert. Sie find Hier fo ſehr befannt und verehrt, als an keinem Orte, wo man Deutſch redet. Welcher Ruhm für Sie und welche Zufriedenheit für mich! Die Frau von Graffigny, bie mir Ihre Stelle erfept, in fo ferne es eine Perfon von ihrem Geſchlechte thun - Iann, ſchaͤtt Sie unendlich hoch, und fragt mich oft, ob ih keine Nachricht von Ihnen erhalten, und ob Sie fie nicht Hätten gräßen laffen. &ie verdient alle Ihre Hochachtung. Sie vers bindet mit einem richtigen, aufgeflärten und ungezwungenen Berſtande (einer fo feltnen @igenfchaft befonders bey bem Frauen⸗ zimmer), bie Redlichkeit bes tugendhafteften Mannes, bie Ber ſcheidenheit des unbekannten Berbienftes, und die Munterkeit und die Heiterkeit einer jungen Perfon von zwanzig Jahren. Sie flept Hier in dem Rufe, den man nur erwirbt, wenn man tu— gendhaft und meife tft, und ſtets den Wit zur Beförderung ber Zugend anwendet. Sie ift meine wahre Freundinn, und nach Ihnen weis ich Niemanden, ben ich mehr liebe und verehrte, Sie ift hier bie Berounderung ber Bornehmften, mit benen fie als eine Frau von Stande umgeht, dad Vergnügen ber Ver— nünftigen, bie ſich nach ihrem Umgange fehnen, und das Mufter aller, bie fie auch nur meitläufig kennen. Ich habe ihr hier die Bekanntſchaft mit einem gewiſſen Chevalier b’Arc ver fhafft, dem Verfaſſer der Lettres d’ Osmann. Auch biefer ift einer von benen, bie ich wegen ihres Umgangs fuche, und wegen ihres Herzens verehrte. Er iſt ein natürlicher Enkel von Ludwig bem Vierzehnten, ein Mann, ber mitten in dem Kriege niemals bie Liebe zu den Wiſſenſchaften vers loren hat, ber burch verfchiebene Unfälle Tein großes Glück in diefem Stande gemacht, und ber fi ben Wiſſenſchaften und

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einigen Freunden ist ganz gewibmet hat. unſere Freundſchaft Hat ſich ohngefaͤhr fo angefangen, wie bie mit Herr Gramern, Er hat mir gefagt, daß er einen Zug gegen mich fühlte, und mir eine ordentliche Liebeserflärung getan, bie ich mit dem größten Verlangen angenommen habe. Es Kat und Niemand als Sie zum Mittler dabey gefehlt. D! wenn Sie wüßten, wie oft ich am Sie denke, wie oft ich Sie wünfde! ie würben mid; vielleicht bebauern, meine Wünſche erfüllen, und Ihren Schüler, Ihren Freund, Ihren Verehrer, in Paris befuchen, Er verdient noch einen Theil von Ihrem Andenken, weil er @ie fo fehe liebt. Ic kenne Hier viel Gelehrte, viel große Häufer and noch mehr Thoren. Ich habe das Glüd biefe vermeiden zu önnen, in jenen gelitten zu ſeyn, und bie erſten zu unterfcheis den. Düclos if ein liebenswürdiger Mann; aber nicht. wie Sie. Ich kenne Racinen, Marivaur, Saintfoir, ben “Präfident Henault. Ic werde Ihnen bald mehr von bien fen Herren fagen. Heute will ih mic nur für Ihren kurzen Brief, den Sie mir durch den Herrn von M.. zugeſchickt, bes danken, Ich bitte Sie, mir bald wieder zu fchreiben. Denn Ihre Briefe find mir fo nöthig als einem Durftigen der Trunk. Och lefe viel Deutſch, überfege die Tragödie von Cronegken, verkürge viel Stellen, verändere manche, und bieß alles für bie Sram von Graffigny. Sie find nicht mit ber boppelten Er⸗ ſcheinung bes Mebon zufrieden; ich follte doch mepnen, daß fie zu entſchuldigen wäre, Die Entwickelung ift unſtreitig ſchoͤn, aber viele Unterzebungen find: zu lang. Ich habe (werben Cie es wohl glauben?) Hier ben Entwurf zu einer Komödie gemacht. Wenn ich ihn jemals ausführe, fo follen Gie fie zuerft ſehen. Ich fage hier allen Menſchen, daß Sie mein Lehrmeifter finb, und daß ich Ihnen alles fchuldig bin, was ic weis, und was ih jemals wiſſen werde. Ja ich bin Ahnen nod viel mehr ſchuldig. Denn auch bie Liebe zur Zugend, wenn ich anders

gtũctlich genug bin, ühe- lets gu felgen, iſt Ihe Merl. Wenn Sie mit biefem Geftändniffe zufrieden find, fo därfen Sie mid wenigfiens nicht für unerkenntlich halten. Mean beneibet mich meiftens, umb wuͤnſchet mic Bläd, fo oft ich es thue, umb ich thue es oft. Fahren ie ja fort, mid; zu lieben. Ich weis kein groͤßeres Ungläd, das mir wieberfahren Lönnte, als ben Werlufk Iprer Freundſchaft. Leben Sie wohl. Ich bin ewig Ihr Bruͤhl.

95. (2)

[An Iran v. Sedtwig.] e. d. 22, Dec. 1755. Gnädige Frau,

Unb das haben Sie von Ihrem Briefe benten konnen, daß es in die Gefängniffe der ſchlechten Briefe kommen würde? Bes hüte der Himmel! Gr liegt, wo daͤchten Sie wohl? in meiner beften Gommobe, zwiſchen ben Briefen meiner geiftreichften Gorres Mponbenten. Wäre ich fo veich wie Alerander ber Große: fo würde ich Ihren Briefen eben bie Ehre erweifen, die er ben Ges dichten bes Homers erwiefen. hatz ich wärbe fie in eine golbne Kapfel, mit Diamanten befegt, verſchließen. Alerander nahm Diefe Bebichte mit in das Feld; das Tönnte ich aun freylich nicht un; aber ich koͤnnte fie dafür mit auf ben Katheder, mit auf meine Spaziergänge, und auf meine Reifen nach Blonau] und Elbottau] nehmen. In Wahrheit, gnäbige Frau, Sie haben mie buch Ihren vortrefflichen Meief die größte Freude gemacht, und ich bin ihm vielleicht die erſte heitre Wiene feit einigen Wo⸗ den ſchulbdig. Stande es bey mir, fo wärbe ic Ihnen perſoͤn⸗

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x lich dafür banken, Allein ich habe eine Gelübbe gethan, nicht eher an eine Reife zu denken, als bis die Leipziger Lotterie mein Schickſal entſchieden haben wirb. Dieſes gefchieht in dem Februar des Zünftigen Jahres. Gewinne ich nun bie gehofften acht taus fend Thaler: fo habe ich bereits die Einrichtung gemacht, daß ich Leipzig in den erflen acht Sagen verlaffen und mit meiner ganzen Habe nach Blonau] eilen kann, meiner Ruhe und ends lich meinem Grabe entgegen.

Ob ich fehe gefund bin? Nein, gnäbige Frau, ich habe 3. E. dieſe Nacht wenig gefchlafen, und ich habe mich an biefem Briefe wieder gefund ſchreiben wollen, aber biefe Mebicin will mir auch nicht Helfen. Ich will ihn alfo nur ſchließen, fo kurz und leer er auch iſt. " ©

96. Un Borhwarb

2. d. 22, Dee. 1755.

Ihe Beyfall und Ihre Gritit über meine Lieder, beybes ik Wohlthat und Belohnung, und ich muß Ihnen für das eine eben fo herzlich danken, als für das andre. Die Gritifen, davon bie meiften wohl gegränbet ſeyn mögen, will ih nügen, fo gut ich Tann, fo gar bi auf bie Orthodoxie. In den Leibliebern, das Gebet, die Bitten, ſtimmen wir fehr überein; nur fürchte ih, daß Sie gegen bas lange Paßionelied zu graufam geweſen find. Dem ungeachtet bewundere ich Sie wegen Ihrer kunſtrich- terlichen Anmerkungen. Cie haben beynahe mehr Einſicht in bie Poeſie, ald der Poet. Ob ich fortfahren werbe, mehr Lieder zu machen, das weis Bott, ich Tann es nicht fügen. So viel merke

ih, daß meine Gabe zu dichten und gu ſchreiben fehr, wo nicht ganz, verlofchen iſt. Alles wird mir fauer, blutfauer; und if biefes nicht ein Beweis, daß das Feuer fehlet, die Begierde, bie und beleben, und und bie Laft der Arbeit unmerklich machen muß? Rach Ihrem Briefe zu urtheilen, fo haben Sie in Ihrer Krankheit mehr Lebhaftigleit gehabt, als ich bey gefunden Tas gen fpüre. Aber Mage ich niht? Ja, und bis hieher Mage ich mit Recht. Ich verlange nicht von Gott neue Kräfte, ich will nur darthun, daß ic zum Schreiben nicht mehr geſchickt bin. Indeſſen muß ic Ihnen fagen, daß ich noch zwanzig Lieder habe, die Sie ehſtens erhalten follen. Sie werben die Fehler ber exften gewiß darinnen finden; aber auch bie Tugenden? Daran muß ich zweifeln. An die Ausgabe dieſer Lieber denke ich nicht. Sind fie gut, fo kommen fie nie zu fpät, wenn fie aud nad meinem Tode erft erfheinen. Und vielleicht Lieft man fie alsdenn deſto begieriger, wenn man glaubt, daß ber Autor nicht beloh⸗ net ſeyn will. Ihrer vortreflihen Frau zu gefallen, ift ein grofs fer Lobſpruch. Ich Lüffe Sie und Ihre Freundin, daß Sie Wort gehalten, und nichts abgeſchrieben haben. Das Auswenbigbehal« ten ift zwar nichts beſſer, es ift frommer Betrug, unb dennoch Tann ich nicht zürnen. Aber auf den Lieutenant bin ich böfe. Es iſt mein Fehler, daß ich bie Leute nicht beffer prüfe, und Gutes glaube, wenn ich kein Wöles offenbar fehe. Und nun habe ich Ihre Sehnſucht und die meinige geſtiut. Richts iſt übrig, als daß ich Ihnen von Grund meiner Seele das Glüd zum neuen Jahre wünfche, bad die Welt um biefe Beit aus Ge⸗ wohnpeit zu wünfchen pflege. Geſundheit und Zufriedenheit beglũcte Sie nebft Ihrer Gattin in allen noch Lünftigen Tagen Ihres Lebens. Und auch mir gebe Gott, wenn id leben fol, ein ruhiges und freubiges Jahr, nach feinem Willen, ®

oc. [An Onlzer.] 2. d. 26, Dechr, 1755.

Liefer Freund, Ich färelbe an Sie, nicht ſowohl um Ihnen bey dem neuen Zahre Gläd zu wünfcen (benn Slück wüünfche ich Ihnen täg- UN), als Ste zu nötigen, daß ie an mid denken müffen, denn bas Tönnen Sie und Ihre Wilhelmine nad) meinem Wunſche nicht zu oft thun. Endlich will ic Ihnen auch einen geſchickten Menfchen bekannt machen und alfo ein gutes BEE thun. Er ‚beißt Schlegel und fein Name und bie Befchickligkeit feiner Wels ‘der, des ſeel. Profeflors in Gopenkagen, und bes itzigen Profeſ- ford in Beröft, ſpricht beffer für ihn als meine Empfehlung. Leſſing, der itt hier iſt und mit einem jungen Winkler aus zelpgig noch vor Oſtern auf Beifen gehen wird, Hat ihm von der Gondition gefagt, zu der Sie Reifingen ehebem empfohlen haben. Wenn fie noch offen ift, fo bietet er ſich, wofern er Seidiktiggeit genug hat, unter meinen Bkügeln bau an, und fucht Ihren Vorſpruch mit aller der Hochachtung, bie er Ihren Berdienſten ſchuldig iſt. Er Hat wirklich fehr gute Gaben gu einem Anführer und Gefährten, Verſtand und ein vechtſchafnes Herz, Wiſſenſchaft und Seſchmack. Da er bey mir im Haufe wohnt, feit 4 Jahren um mid gewefen iſt, 6 Jahr in Meifen auf ber Fürftenfehule die Humaniora wohl fludiret hat und das beſte Zeugniß feiner Brüder, Freunde unb Lehrer vor ſich Hat: ſo Tann id) mit Gewiffen loben. Und um alles mit einem male gu fagen, fo würbe ich ihm, wenn ich einen Sohn auf Helfen ſchiden wollte, meinen Sohn mit der größten Zuverſicht übers

*) (Aus dem Heyerſchen Nachlas.)

laſſen unb gewiß feyn, daß er ir feine Gitten, Geſellſchaften und Gelder wachen und ihn in die Wortheile des Reiſens gewife fenhaft einführen würde. Allein ba ic und er nicht wiffen, was für ein Mann für den jungen Herrn in Halle verlanget wird, was für Bedingungen vorgefchrieben werben: fo muß ich Ihnen noch ſagen, daß Here Schlegel ein Theolog iſt, und bey ber Zheologie bleiben wird, Daß er beffer Latein als Weanzöfiich ſchreibt, aber das Lehte in kurzer Zeit in feine Gewalt bringen wirb, wenn es nöthig if. Er macht itt die Roten zu der Mer berfegung des Banier. Sein Aeußerliches ift gut und feine Mine verkündigt einen gefegten und ehrlichenden Charakter. Er wünfcht bie Welt kennen zu lernen und hat mehr Begierbe dazu, als ih. Gr gefällt bie folgenben male beffer, als bie er⸗ en. 3 lefe ein Gedicht von ihm fo gern, als eine Predigt, unb eine Predigt fo gern als ein Gedichte. Was ihm fehlt, bad kann er allemal erfegen. Bor Johannis Tünftigen Jahres wich er nicht wohl von bem Manier Iostommen können. So viel! Gr mag felbf an Sie ſchreiben, wenn bie Stelle noch der iſt.

Nunmehr Tüffe ich Ihre Wilhelmine und was Sie glei ihr lieben, grüße meine Herren Brüder, bie in Ihrem Gaufe wohnen, und fegne @ie, mein liebſter Gulger, brüderlich auf das neue Jahr und alle Jahre Ihres Lebent. Leben Sie wohl

und Heben Sie Ihren ergebenſten Glrt.

ım

.. Gellert an feine Schweſter.

2. d. 31, Dec. 1755,

Ich muß Euch doch noch einmal in dem alten Jahre fchreis ben, Alſo ift es wieber glücklich vorbey, bis auf vier und Awanzig Stunden vorbey? Gott fey gelobet, der und erhalten und befhügt hat, und uns ferner helfen wird nach feinem heiligen Willen! Es ift wahr, daß meine Gefundheit nicht die befte ift; allein fie ift vor drey Jahren weit ſchlechter geweien. Ich habe in biefem Jahre viel Sorgen auögeftanden, und dennoch find fie sie ganz über meine Kräfte gewefen. Ich plage mid mit einem finftern und verdrießlihen Weſen, das mir Arbeit und Wergnüs gen zur Laft macht, und bennoc bin ich noch glüdliher, als hundert andre Menſchen. Warum bin id alfo nicht dankbarer gegen mein Schickſal. Die Gräfinn, dic mich mit ihrer Gnade in diefem Jahre fo gemartert und mir fo mande Stunde ents riſſen Hat, ift auch fort, unb nad; Wien ihres Procefied wegen gereifet, und ich fürchte nicht, daß fe fo bald wieder kommen wird, Auch dieſes macht mich noch nicht zufrieden. Man hat in diefem Jahre etliche von meinen Schriften in Paris ins Brans Höfiiche überfegt und mir große Lobſprüche gemacht. Wie wenig rührt mich dieſes! Ich Habe beynahe etliche Hundert Thaler weniger in biefem Jahre eingenommen und doch feinen Mangel gefpürt. Auch dieſes follte mich rühren. Doch nicht geklaget!

Gine meiner täglichen Sorgen iſt @***L; denn ba berfelbe -bey ben jegigen Umftänden, bey der Xufficht, bey den Beyſpie⸗ len, die er hat, nicht fleißig und klug wurbe: fo fürchte ich, ev wird es nie werben. Es ift wahr, er if nicht alt; aber wenn ich bey feinem Alter jemanden gehabt hätte, ber mir bie Wahr⸗ heit fo aufrichtig, To nachdrücklich und fo Liebreich zugleich ges faget hätte, fo müßte ich früher Hug geworben feyn. Mit einem

ın

Worte, ex begeht eine Ausfchweifungen, er hat fid, etwas ger beffert, er hält feine Stunden; allein er ift nicht aufmerkfam, nicht bedachtſam, nicht begierig genug, etwas zu lernen, und auch nicht fparfam genug. Gr hätte niemals nad Freyberg kommen und firenger erzogen werben follen. Doc ich will Ges duld haben; denn was ift Erziehung ohne Geduld? Man hat mie vor wenig Wochen einen jungen Deren von B. aus 3. ems pfohlen. Er wohnet in meinem Haufe, iſt erſt achtzehn Jahre, iſt Page in 3. gewefen. Diefe Leute pflegen gemeiniglic nichts zu wiffen und ungezogen zu feyn. Aber wie froh wäre ich, wenn &***L der Here von B. wäre, Ich fehe nicht, wie dee arme Bater bie Koften in bie Länge befreiten wid, wenn @***1 keinen Tiſch im Gonvictorio erhält. Ich habe ihm ein alt Kleid gegeben, das er alle Tage trägt, weil fein altes nicht viel mehr taugte. Ich grüffe die liebe Mama von Herzen und wünfde ihr und allen meinen Freunden taufend Gegen und Bohlergehen zum neuen Jahr. Lebt wohl. P

99. (50.) Un einen Prenkiihen Officier in Schleſlen. 1755,

Ihr gutes Herz fehreibt fi in alle Ihre Briefe, und fo ſehr Sie es der Empfindung nad; zuweilen vermiffen mögen: fo ſehr fehe iche doch in jebem Gedanken. Id will Sie gar nicht ſtolz, fondern nur muthig machen, an dem guten Erfolge Ihrer from⸗ men Abfichten und Bemühungen nicht zu ſehr zu gweifeln. Auch ber Zugenbhaftefte bleibt ein Menſch, bleibt ſchwach bis an fein

Ende, und bie Religion gebt umfere natürlichen Neigungen nähe auf, fie mäßige, befiert, und veiniget fie nur. Unſere Sawas heit fol uns zwar zum Fleiße, zur Wadyfamkeit über und feiö, gur Unterfuchung unfers Herzens antreiben, ‚aber fie foll und wicht traurig, niedergeſchlagen und furchtſam machen. Mit unferer Angſt iſt Gott nicht gebienet, und wenn er Traurigkeit verflattet, oder beſiehlt, fo iſt es nur diejenige, bie zur Ruhe und zum wahren Vergnügen unfers Geiſtes führet, Cie Hagen, daß Sie fi leicht in Geſellſchaft vergeffen, und ben Wergnägungen alt bann zu fehe nachhaͤngen. Das glaube id Ihnen ſehr Leicht. ine oftmalige Grfahrung, auch felbft meine .eigene hat mid . geichret, daß Gemüther, die von Ratur zur Traurigkeit geneigt find; die Freude zu gewiſſen Zeiten fo tief in fich eintaflen, baf fie bis zur Luſtigkeit anwächft, und ernfhaftern Gedanken nicht wieber weichen will. Sobald fie endlich weicht, behauptet bie Schwermuth wieber ihre Rechte, und ſtellt uns unfere Wehler, wo nicht zu groß, doch auch gewiß micht geringe vor. Indeſſen gebe ich es zu, es follen Fehler feyn, auch oftmalige Fehler; aber, mein liebfter Freund, wer hat am Ende bed Tages keine Behler zu bereuen, und am folgenden keine zu verbeffern? Bei— des iſt unfere Pflicht. Wenn wir biefes thun, bem Fehler nicht nachhaͤngen, bie natürliche Traͤgheit bekämpfen; fo dürfen wir nit nur, wir follen und auch eines höhern Beyſtandes getröften. Und ba müffen wir nicht zagen. - Die Kraft Gottes, die in einem guten Herzen ift, tft größer als bie, bie in ben Neigungen ber Welt if. Müßten wir unfer wahres Glüͤck verdienen, durch Wollommenpeit verbienen; fo wäre nichts gewiffer, ats ba wir twaurig in bie Eindben fliehen und ba verzweifeln müßten. Aber umfer Geh if göttliche Wohlipat und Gnade; und Gott ber gtüdt als ein Bott unter Bebingungen, bie wir ihm durch feinen BWerftand leiſten Tönuen,. Freuet euch, und abermal fage ich, frewet eu! MWergeffem Cie biefe Grmuntsrung widt.

Die; am welche fie ergangen if, waren ſchwach und fehlerhaft wie wir, und bemüßten fih, es nicht zu feyn. Gin guter Muth if ein tägliches Wohlleben. Diefen göttlichen Gedanken fage ich mir oft vor, wenn ic bem Kummer nachge⸗ ben will. und ich erinnere mich ſehr oft ber Worte, bie ich einen Theologen zu einem feiner traurigen Freunde fagen hörte: Ber einen Gott zum Water und Grlöfer hat, muß nicht traus ris feyn.

Möchte ich doch im Gtande feyn, die befondere Bewogenpeit und das außerorbentliche Wertrauen, das Sie zu mir haben, zeitlebens zu verbienen und zu erhalten! Ich will ed, und werde befkänbig mit einer wahren Hochachtung und Freundſchaft feyn,

G.

200. (s1.) Un denfelbem

1755.

Ehe das alte Jahr vergeht, muß ich nothwendig noch eins mal mit Ihnen reden. Ich ftelle mir vor, ald ob ich bey Ihnen in ** auf Ihrer Stube fäße, und nur eine halbe Stunde Zeit hätte, mit Ihnen zu ſprechen. Da würde id in der Geſchwin⸗ digkeit hundert Eleine Fragen an Sie thun, ohne zu warten, bis Sie bie erſten beantwortet hätten, ſchon bie andern beants wortet wiffen wollen, und bie Antworten aus Ihren Mienen, aus jebem Tone der Stimme mir ergänzen. Nun, würde ih haſtig fagen, wie haben Sie biefes Jahr zugebraht?! War es beſſer, ſchlimmer, als das vorige? Haben Sie mehr gefunde als kranke Tage gehabt? „Mehr gefunde” KBortrefflich! Mehr heitre, als trübe Stunden? „Ich glaube, mehr heitre“ Gott fey gedankt! Zäplen Sie, welches find Ihre freubigen Bes

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gebenheiten gewefen? &ie finnen nach, unb id; Iefe indeffen in Ihrem Geſichte ihrer viele, und ich Hoffe, ich betrüge mich nicht. Aber Ihre traurigen-Zufälle? Ia, wie follten Ihnen keine ber gegnet feyn? Aber fie find vorbey, und bie Art, mit der Sie ſolche ertragen Haben, oder doch haben erfragen wollen, giebt dies fen Unfällen noch eine heitre Ausſicht. &o erinnert ſich ber Sol⸗ dat, wenn er bie Gegenden des Treffens wieder erblickt, ‘der überftandnen Gefahren, und freut fi, nad} einem Meinen Schauer, feines Muthes, feiner beobachteten Pflicht, und fieht mit einem dankenden Blide gen Himmel, preift Gott für bie Errettung, und belebt dadurch fein Vertrauen auf das Künftige. Immer zählen Sie die beſchwerlichen Fälle, bie traurigen Stunden durch. Das Probuct wirft, wenn auch nicht allemal Freude, dennoch Stanbhaftigkeit, Geduld, Vertrauen; und aus ihnen entfteht doch gufegt Ruhe und Zufriebenheit. „Das fagen Sie mir fehr nbeeift, werben Sie denken; aber find Sie denn aud immer nheiter und ſtark genug, diefe Rechnung anzuftellen? Und wenn „man nun fieht, daß man bie Laſt des Lebens nicht fo getragen hat, wie man ſollte?“ Wenn ich das fehe, fo verweiſe id mirs; fo demüthige ich mich im Herzen vor ber Vorſehung, unz ter deren Regierung Glück und Unglüd fteht, bereue meine Schwachheit, hoffe, und ftärke mich durch einen Blick in jene Welt, der ich in biefer entgegen gehe. Der Gedanke: Es find noch wenige Schritte, bie ich zu thun habe; fie find befchmertich, aber mit jedem komme ich ber Ruhe näher! diefer Gedanke hat, wenn gleich nicht ſtets, doch oft einen mächtigen Einfluß auf mein Herz. Aber was fehe ich in Ihrem klagenden Auge, lieb⸗ ſter Freund? ine Unzufriedenheit über ſich felöft. Sie Haben in biefem Jahre nicht fo viel Gutes gethan, ald Sie gethan zu haben wünfchen, und ald man thun foll? Ich und tauſend Andre auch nicht. Und diefe, bie dieß fühlen und beklagen, finb doch glüdlicher als die, die es gar nicht wiffen, oder nicht wiſſen

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wollen. &o lange wir Denfchen find, fo lange werben wir Urs ſachen, über uns zu Blagen, und Urfachen, uns zu beffern, aber doch deswegen nicht immer Urfache, an unfrer Aufrichtigkeit und Begierde zur Tugend zu zmeifein, haben. In den Gpiegel fihauen, feine Fehler bemerken, und Beine Luft haben, fie zu befs fern, das ift ein böfes Kennzeichen. Aber oft in den Gpiegel ſchauen, feine Flecken mit Widerwillen wahrnehmen, fie, obgleich mit langfamer und wiberftehender Hand zu entfernen fuchen, iſt ein Kenngeihen, daß wir durch bie Laͤnge der Beit, durch wieberholte Bemühungen, zu einer gewiffen Reinigkeit und Schöns heit gelangen werden. &o würbe ich ungefähr mit Ihnen veben, wenn ich igt bey Ihnen wäre. Und das Ende meines Geſpraͤchs, würde bad nicht ein freundfchaftlichere Wunſch zum neuen Jahre ſeyn? Diefen ftatte ich Ihnen hiermit aufrichtig ab. Wie wohl wirb es Ihnen gehen, wenn er erfüllt wird! @efunbheit und Zufriedenheit wird Ihnen das Leben verfüßen, und Sie in den Stand fegen, Andre ruhig und glücklich zu machen. Gott gebe Ihnen und mir, mas wir nad feinem Willen wünfhen! 6.

101. an Borchward.

2. d. 3. Ian. 1756.

Der Ueberbringer dieſes Briefs, ein Freund von mir, der Sie aus einigen IHrer Briefe an mic kennet und Ihre Freundſchaft wäünfepet, wird ſich felbft am beten empfehlen. Er ift jet Goms mißionsrath und fonft bei verfhiedenen jungen Herren mit Ehren und Gewiſſen Hofmeifter gewefen, und wird fih einige Zeit in

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Berlin in guten Händen aufpeiten. Gr ift ein rechtſchaffener Mann.

Ich habe Ihre Gritiken wicher burchgelefen, und wirklich fon einige Aenderungen verurſacht. Richts beunzupiget mid, als daß Sie bey bem Soſteme meiner Kicche fo oft anflopen; denn aufrichtig zu reden, ift es nicht meine Kirche, fondern mein Glaube, ben ich ausgedrückt habe. Ich will nicht einzelne Worte umb Rebendarten vertheibigen, die id) vieleicht in Peofa forgfäls tiger würde gewählt Haben. Aber was bie Eehre von dem Opfer des GErlöfers betrifft, ald den Grund aller Hoffnung unferer Ges vechtigkeit und Geligkeit: fo glaube ih, daß fie fo, mie ich fie vorftelle, in ber Schrift, und nicht bloß im unfern fymbolifchen Büchern, ſteht, daß ich nichts gefagt habe, als was Sad, Bernet, Saurin, und bie beflen Lehrer ber Reformirten Kirche, in ihren Schriften vortragen. Das Wort Gottmeſſias ſteht nicht in der Schrift; aber fleht die Sache nicht darinne? Geben Sie nicht felbft mit beyden Hänben zu, daß, der ba fagt, ich und ber Water find eins ıc. wer mich fieht, fieht den Bas ter zc. wer an mich glaubet, wird nicht verloren werden zc. und taufend ſolche Stellen mehr daß ber, ber dieſes fagt, mit Recht Gott genennet werde? InAnfehung der Bten Strophe des Liebe, bie Tobeserinnerung, geben ie ſich für einen Ketzer . aus, und ich glaube fiher, wir haben einerley Glauben. Wenn

bie Schrift faget, Gott ift ed: der in und wirket das Wollen und dad Vollbringen: fchaffet, daß ihr feelig werdet mit Furcht und Bittern! fo will fie ohne Zweifel fagen, baß wir durch bie Kräfte der Natur uns nicht heiligen koͤnnen, fondern durch bie Kraft, die Gott mit feinem Worte ber Offenbarung verfnäpfet hat, und daß wir alfo alle unfere Kräfte des Verſtandes und Willens anwenden mäffen, dieſes Wort zu faffen, mit Aufmert⸗ ſamkeit, Ehrerbietung umd einem feinen guten Herzen, daß wir es bewahren, und Frucht in Standhaftigkeit oder Geduld dadurch

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bringen mäffen. Gott geht mit uns als vernänftigen Befchäpfen um, unb bie Kräfte, die wir und nicht geben Eönnen, Zönnen wie body verwerfen ober gebrauchen. Anders habe ich nichts fogen wollen, und bieles würde ich auch fagen, wenn ich in Bers tin lebte. Ich bin ein fleifiger Lefer von Gads vertheibigtem Glauben, und ich finde, vielleicht den legten Artikel ausgenoms men, immer meine Religion darinne. Diefes gilt aud vom Saurin, welches eines von meinen Leibbüchern ift, fo wie Mosheims Sittenlehre. Aber ich will glauben: daß die Uns behutſamkeit meines Ausbruds Schuld an unferer Uneinigkeit iſt. Wenigftens wirb es mic unendlich ſchwer werden, zu glauben, daß wir, die wir einander fo lieben, verſchiedene Grundfäge ber Religion, bes Glaubens und der Tugend, haben ſollten. Ine deſſen wieberhole ih Ihnen, liebſter Freund, meine Dankfagung für die Grititen, die mir allezeit ſchaͤtbbar fegn werben. Gönnen Sie ben Liedern, bie ich Ihnen bald zu ſchicken gedenke, eben bie Aufmerffamkeit. Jett aber grüßen Sie Ihre theure Battin mit aller Ergebenheit von mir, dem Verehrer berfelben und ihrem wahren Freunde. ®

108. (21.) Un ben Grafen Morig von Bräßl. 2. d. 14. San, 1756, Liebfter Graf,

Ihr Brief Hat mir die erfien heitern Stunden in dem neuen Jahre oeſchentet; und wie kann ich erkenntlicher ſeyn, als wenn ih ihn in eben ben frohen Stunden beantworte, bie ih Ihnen

au banken habe? Im der That, Sie lieben mich zu fghr, und Se fagen mir dieſes viel Kanne, als ichs Ihnen von meiner Seite fagen Tann.

Gellert V. 12

178 -

Ih, liebſter Morit, follte Ihnen in Paris Ehre maden? Sie, vielmehr Sie, machen mir, wenn Gie fo rühmlich fortfahe ven, felbft noch bey der Nachwelt Ehre. Sie nennen ſich meis men Schüler; vielleicht werbe ich mich bald in manden Dingen den Iprigen nennen mäffen. Sie fagen mir, daß ich in Paris nicht ganz unbekannt bin; vieleiht mehr durch Ihre Freunb⸗ ſchaft, bie für mic, fpricht, als durch ben Werth meiner Gchrife ten. Die Frau von Graffigny ift mir gewogen; vielleicht weil fie von Ihrem Charakter vortheilhaft auf den meinigen fließt. Die Gewogenheit biefer weifen und würbigen Dame ift ein Geſchenk, dafür Sie der Vorſehung nicht genug banken kön⸗ nen. Ihr Umgang wird Ihnen das berufne Schild der Minerva werben, bad vor allen Gefahren fhäget. Cine glüdtiche Worbes deutung bey Ihrem Gintritte in die Welt, daß Ihre erſte Weis gung auf eine tugendhafte Frau fällt; und die Liebe einer Grafs figny auf Sie! Quod vero in C. Marii, suavissimi doctis- ⸗imique kominis familiaritatem venisti, non dici potest, quam valde geudeam: qui fac ut te quam maxime diligat. Mihi rede, nihil ex ista provincia potes, quod iucundius sit, de- portare. Diefe Stelle des Gicero an feinen Trebatius können Sie, des verſchiedenen Geſchlechts ungeachtet, ficher auf die @rafs figny deuten. Da fie fo viel Freundſchaft für Sie hat, da fie Ihnen Dienfte für das Herz erweifen wich, bie unfpägbar find: fo Hat fie mich ſchon fo fehr verpflichtet, daß ich ihr noch ewig dafür danken will, Was ift ein geiſtreiches und tugendhaftes Frauenzimmer für eine Wohlthat für beide Geſchlechter! Auch Ihren Heren von Arc verſichern Sie aller meiner Hochachtung.

Ihre Komödie, Liebfter Graf! Gine Kombdie IE das möglih? Cronegken überfegen und verbeffern! Iſt das moͤg⸗ lich? Wi nad Paris rufen, ber id kaum nad Weißenfels reifen Tann! IR das Ihr Ernſt? Und dennoch, wenn Jemand in ber Welt mich verführen koͤnnte: fo wären Sie es und bie

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drau von Graffigny. Wer Mopft? Ihr Webienter Öffnet die Saalthure, erfchrict, faͤut zuräd in das Zimmer, ſchreyt: Dee Here Profeffor Gellert! Indeſſen zittert der Herr Pros fefor in das Zimmer hinein und ber Graf —? Der Graf in ber erfien Beſtürzung will feinen Augen nicht trauen, und doch auch der Erſcheinung nicht widerſprechen. Gr nähert ſich mie und ih weine ihm Gruß, Gegen, Freundſchaft, alles entgegen. Gmblich ziehe ich den flebenten Theil bes Grandifon aus der Taſche heraus und fage: biefen überbringe ich Ihnen perſonlich, perſonlich, Liebfter Graf. D! mie geht es Ihnen in Yaris? Hier forbre ich einen Stuhl, weil ich merke, daß mich meine Süße in meinen Freuden nicht mehr halten wollen. Bärtliche Scene Beſchreibung der erften Geſpraͤche Was Yaris für einen Eindru in mid macht Zuſammenkunft mit der Frau von Graffigny. Der Fremde hat alles gefchn, will wieber zuräd reifen Zrauriger Abſchied u. ſ. w. Büllen Sie diefe Züge aus, Leben Sie unaufpörlih wohl, Ich umarme Sie, und bin zeitlebens

Ihr

NR S.

Indem ich diefen Brief nad; Dresden abſchicken will, erhalte ich das Journal Etranger vom November. Die Kritik über bie Betſchweſter hat mich nicht fehr vergnägt. Kerr Freron urthels let, ohne dad Stück ganz gelefen zu haben, und ohne Deutſch zu verftehen.

1. Die Betſchweſter iſt nicht ſcheinheilig, wenn fie auf Pfaͤn⸗ der leiht. Es if ein Bug ihres Geizes, und um ihren Geiz zu verdecken, nennt fie das vor ber @efellfchaft einen Liebesdienſt, was die Anbern nicht wiſſen follen. J

2. Der Character der Betſchweſter iſt, nach meiner Meinung, fo ſehr gezeigt, daß er ekelhaft werden würde, wenn er noch mehr

12°

©.

gezeigt würde, und welches find die Gefichtöpunce, aus denen es noch geſchehen Eönnte. Herr Freron muß wiſſen, daß im einem Auszuge taufend Feine Striche des Charakters verloren gehn.

3. Der erfle Act enthält bie Grpofition. Aber der Bufchauer iR immer noch begierig gemacht worben, zu erfahren, ob bie Betſchweſter ihre Tochter weggeben wirb, bie fie aus Geig, wer gen ber Ausfteuer, nicht gern weggeben will. Sie hat es gezeigt. Lorchen ſagt ed am Ende bes erflen Acts. Dee Knoten if alfo durch den Act angelegt: weil bie Richarbinn ber Tochter 10,000 Rthlr. mitzugeben verfprochen, und fie es bereut, und bed auch den Freyer nicht gern verlieren möchte; was wich fie than? Berner: was wirb Herr Simon thun, dem Chriſtianchen nicht gefäut? Hat er ſchon einmal ſich entfchliegen Eönnen, fie nicht zu begehren; vielleicht beſtimmt ihn ein Umſtand, daß er gar von ihr abgeht. Dieß ift bie Anlage zu feiner Veränderung im andern Acte. -

4, Ehriſtianchens Charakter aus ber Mutter ihrem herzulei⸗ ten, wäre angegangen, und war beöwegen doch nicht nöthig.

5. Lorchen hätte, fich freylich ſtellen Eönnnen, als wollte fie @is monen nehmen, das ift auch wahr; aber fo wäre vieles vielleicht von dem Freundſchaftlichen dieſer beiden Mädchen verloren ges ‚gangen, wenigftens wäre bie Entwicelung für die Zuſchauer nur eine Zheaterbeluftigung geworden, wenn fie ihre Werftels lung gewußt hätten. Doch biefen Punkt will ich nicht hartnäs dig behaupten.

6. Das Rachgierige fehlt dem Charakter der Betſchweſter, deucht mich, nicht gang. Warum ſchimpft und ſchmaͤht fie auf Simon? auf Lorchen? Warum redt fie Böfes von ihrer eignen Tochter? Sollte Herr Freron das Stück gelefen haben? ich gweifle fehr. Daß mehr Leben und Feuer barinne ſeyn Lönnte, ober follte, gebe ih zu. Es if mir auf dem Theater ſelbſt fo vorgekommen. Indeffen tabelt Herr Freron doch beſcheiden,

ısı

wenn er gleich mit der Zlächtigkeit eines Franzoſen tabelt, Sein Zabel ift wahrfcheintich, wenn er gleich nicht Wahrheit genug hat. Bir Tann er nicht ganz lieb ſeyn, wenn ich ihn gleich ertragen Tann. Er ſcheint einer Meinen Monarchie der Kritik über die Werke ber fremden Mationen fih anzumafen. Gr tüs delt alfo, ohne daß ers will und weis, vieleicht aus Stolz und aus Vorurtheil für feine Nation. Ich wollte, daß ihm Herr Bächtler nichts mehr von meinen Arbeiten gäbe. Er wird in eben dem Zone fortfahren. &o bald bie Franzoſen Dentich vers ſtehen: fo müffen wir uns gefallen laffen, daß fie von uns ur⸗ theiten; aber eher nicht.

108. (32.) Morig v, Brüpl an Gellert.

Paris, d. 17. Ian. 1756, Mein liebfter Freund,

Endlich bin ich glücklich genng Ihnen zu antworten. Jeden Zag, feitbem ich Ihren zweyten Brief erhalten, habe ich mirs vorgenommen; aber keinmal habe ich meinen Vorſat ausführen Unnen. Die Commiſſion, bie Sie mir an bie Brau von Sraffigny auftragen, habe ich treulich ausgerichtet. Sie Tate Ihnen gern wieder die Hand, wenn ſichs für ein Frauen⸗ immer feiete. Gegen Sie indeffen alles anbre an bie Stelle des Oandkuſſſens, bas eben fo viel bebeufet, und Sie werben noch nicht genug für ihre Hechachtung gegen Sie tpun. Ich fage ihr befkänbig, daß Sie mein Lehrer und Breund find, daß ich Ihnen alles zu banken habe, was ich bin und denke; und fie liebt mich nicht wenig, fie heißt mi Ih⸗en Sohn. Biele Menſchen in

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Paris wundern ſich, daß ich fie kenne, und baf fie mic) leiden Zann; die meiften beneiden mich um ihre Bekanntſchaft, und die Deutſchin, bie hier find, halten mich für einen Gonberling, weil ich, zu meinem Glaͤce, nicht fo bin wie fie. Ihren Auftrag an Madame Wille habe ich noch nicht ausgerichtet. Cheſtens aber ſoll es geſchehn.

Ich habe neulich der erſten Vorſtellung einer Tragoͤdie bey⸗ gewohnt, bie keinen Beyfall gefunden hat. Die drey erſten Tete über war alles ziemlich ruhig, bey dem legten aber fing der Lärmen an. Doch iſt er igt bei weitem nicht mehr fo groß, als ehemals. Das Gtüd heißt Aftianar. Binnen acht Tagen hörte man von nichts als bavon reben, fo wie man vorher bes fländig von dem Grbbeben zu Liffabon geredet hat.

Ich habe igt viel Bekanntſchaften, und unter allen find auch hier die Geſellſchaften der Großen die unangenchmften und langs weiligſten. Das Spiel, bie große Triebfeder aller ihrer Untere haltung, fegt ben Thor in gleiches Verhaͤltniß mit dem Klugen, und oft hat jener noch mehr Verſtand bey folhen Gelegenheiten, als diefer. Die mittlern Geſellſchaften, ich meyne die von Beus ten, bie nicht bloß mit ihrem Stande, ihrem Anzuge, und felbft wit ihrem Müßiggange befhäfftigt find (und dieß find leider bie meiften Großen), biefe find allein bie angenehmen und biejenis gen, in benen es mic am beften gefällt. Das Yrauenzimmer Ja das weis ich Ihnen nicht zu fagen Id habe wenig ders nünftige gefunden. Die meiften von benen, bie ich Eennen ges lernet, find mit ihrer Perfon befäfftiget; und wenn fie ja Ver⸗ Hand haben, fo haben fie ihn doch felten fo, wie gewiffe Frauen⸗ Aimmmer bey und, (6 vähret wohl daher, Daß Die wenigften eine gete-Eryiehung befommen, - fondern daß fie meins Die Melt eher fehen, als fe. fie. kennen. Die Mannsperfonen ſchmeicheln ihnen und veraditen fie. Die Frau von’ Braffigny (dran ich vebe' immer von ihr, wo id mur Tann) hat einige Auverwands

tiamen, die ſehr Liebenswärbig find. Die eine davon I an einen Mann verheirathet, der einer der richtigfen und wigigfien Köpfe von Frankreich iſt. Gr hat noch mie etwas drucken laffen, ob er «6 fon Längft Hätte thun koͤnnen. Id kenne auch Here Sreron. Gr hat nichts als ein Wisden Wit, viel Weißendes im feiner Arr zu denken und id) auszubräden, und ift fehe wenig gehhitt, einen Bidhter ber Gihriftfeler abyugeben. Cs giebt igt wenig wahre Genies in Frankreich, und die meiſten, die hier füreiden, machen die Mäder, wie bie Brauenzimmer bie Knoͤt⸗ Gen. Ich dachte, das wäre genug aus der gelehrten Welt.

Wann, liebfter Freund, werde id} von Ihnen wieder einige Beilen bekommen? Wenn Sie wäßten, was für ein Troſt Ihre Briefe für mid find, zumal da ich fo entfernt von Ihnen bin, wie oft wärben Sie mie nicht ſchreiben! Bergeſſe ich nicht mein Deutf? Meine Schuld ift es nicht; bean ich leſe fa wiches als beutfhe Wücer. Ich Habe den zweyten Theil vom Gramers Predigten, Sie find fhin. —. Sehen Sie wohl,

Braͤhl.

104.°) Rabener an Geliert. Dresden, b. 19. Jan. 1756, Liebfter Gellert, 30 Habe mit gutem MWeorbebachte auf Ihren Brief vom deen Movember wicht cher antworten wollen, um ben größten dell Speer traurigen Bonase vorbep gehen zu laffen. Ich bes

©) (Webmerd Weiefe, Ierandg. von Weite ©. 264 F.)

Fürchtete, zu viel zu verlleren, wenn Sie mein Brief in einer trüben Stunde finden follte. Ich bin immer aufgeräumt, aber nicht immer geſchickt, an meine Freunde aufgeräumt zu fchreiben, Ueberhaupt werde ich es bald gar veriernen, an meine Freunde zu ſchreiben, ba Zeiner von ihnen an mich ſchreibt. Gramer hat mir auf zween Briefe nicht geantwortet. Giſeke aud nicht; von Braunſchweig kann ich Teine Briefe verlangen, ohme bie Herren in ihrer wigigen Ruhe zu flören, und Graf Mforie] hat mich ohne Zweifel, mich armen Deutfhen, gar vergeflen. Sind Sie mit dieſer Entſchuldigung meiner fo lange unterlaffenen Ants wort zufrieden? Oder verlangen Sie, daß ich noch mehr Ents ſchuldigungen von meinem Amte hernehmen fol? Ic bitte Sie, verlangen Sie das ja nicht, ober es wird Ihnen gewiß Angſt, fo bald ich von meinen Berufdarbeiten zu erzählen anfange, So viel Tann ich Ihnen wohl fagen, daß ich esft vorgeftern mit denen Arbeiten zu Stande gekommen bin, bie feit der Michaeliss meſſe auf mir gelegen haben. Da fehen Sie Ihren alten ges ſchaͤfftigen Freund, welcher dem ungeachtet mitten unter fo vielen Froͤhnen gefund, vergnügt, und mit der ganzen Welt zufrieden unb verwegen genug getvefen iſt, igt erſt englifch zu fernen. Wie gefäut Ihnen meine Pebanterey? Wahrhaftig englifh, ober engländifh, wie es heißt, lerne ich, und lerne es feit Michael ohne Anführer, und Tann bavon ſchon fo. viel, als Feiner von unfern Caſtraten, und fpreche es wirklich bereits faſt fo gut, wie ein Walfiih. Denken Sie ja aber nicht, mein lieber Kleiner, daß mich mein Steuerjoch und meine Bücher ganz von meinem Vergnügen abhalten. Ich gehe fleißig in bie Oper, auch wohl mandmal auf Bälle, und id} ſtehe Ihnen nicht dafür, daß ich nicht heute auf die Redutte komme, Ich befuche meine Freunde, und hübfche Mägbchen in Bamilien, von benen man Ehre hat; und im Sommer find wenigftens zwo Stunden vom Tage meine, an benen id in unfern himmliſchen Gegenden fpagieren gehe.

1 Bin ich nicht recht glüdtich, Lieber Sellert? Märde ich es wohl mehr feyn, wenn ich ein Weib hätte? Erbauen Sie fi durch mein Crempel, guter Kleiner, und durchleben ie das übrige dritte Theil Ihrer Jahre auch fo vergnägt. Der Beyfall meiner Landsleute und ber Fremden trägt vielleicht zu meis mer Heiterkeit etwas bey; aber ich verlaſſe mid darauf mehr nicht, als ſich ein vernünftiges Brauengimmer auf ihre Schönheit verläßt, bie vielen gleichgültig, vielen zweydeutig, und überhaupt fehr flüchtig und vergänglich-ift. Es werben Tage kommen, mo wir beyde vergefien find, und in denen wir hoͤchſtens darum noch genennet werben, weil wir gelebt haben. „Der fließende Herr „Gellert, und der fpigige Herr Rabener (wird es heißen), haben nbier und da ganz artige Gedanken gehabt, und bie wenigen „Bogen, bie von ihren vermuthlic gar weitläuftigen Werken „noch übrig find, verrathen einigen Geſchmack, fo gut man ihn „don den unaufgeffärten Beiten, in benen fie gelebt Haben, erwars „ten Tann ıc.” Wie gefällt Ihnen dieſes Stückchen aus ber Rachwelt, mein lieber Gellert? Ich bin gelaffen babey, wenn diefe Nachwelt nur erfährt, daß Sie mein Freund geweſen find. Wil die undankbare Nachwelt meine Schriften nicht leſen, fo fo fie doch meine allergnäbigften Befehle leſen, durch bie ich mid als Steuerfekretär verewige, fo, wie ich mid dadurch, und nicht durch den Wi, ernähre.

Auf welches Dorf werden Cie denn In Fünftiger Meſſe fläche ten? Sie find ein Gpötter, indem Cie fich über bas Gläd mels ner Schriften, bie in Blonau] immer auf bem Rachttiſche lies gen, eiferfächtig flellen. Vermuthlich fol ich Sie, zu Ihrer Bes ruhigung, daran erinnern, daß Kinder von guter Erziehung Ihre Schriften auswendig lernen mäffen, und gern auswendig lernen. Der Wegfall des Pfarrers und feiner häuslichen Tochter iſt mir fo fehmelchelhaft, als der Beyfall einer Ereellenz und einer Hoſdame. Ich habe immer ben feltwen Hochmuth gehabt,

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wäünfdgen, daß meine Satiren das Siegel ber Drthoberie erhalten möchten; und es if mir immer erfreulich, wenn meine Sariften auch denen gefallen, bie den Beruf eben nicht haben, witzig zu ſeyn.

Leben Sie wohl. Ich tiebe Sie ewig. Sind Sie mit biefem Briefe zufrieden? Mich dankt, er iſt ein ſehr lauges freund⸗ ſqaftliches Gewaͤſche. Sqhreiben Sie mic noch einmal vor der Meſſe. Und in kunftiger Meſſe laſſen Sie fih wenigſtene einen Xag lang ſehn. Mod einmal leben Sie wohl!

Rabener,

205.') an KRabener

&. d. 24. Ian. 1756, Liebfter Rabener,

Sehn Sie nur, wie artig ich bin. Heute früh um neun uhr, da ich publice leſe und eben ſehr weislich de epicheremate reote tractando, hoc est copiose exoraando amplificandoque, in quo magna vis oratoris cornitur, handle, erhalte ich Ihren Brief, Ob ich nun wohl ſelbſt von der Gatheber fleigen, ben Brief dem Bedienten abnehmen und mic alfo in meiner Weis⸗

‚heit unterbrechen laſſen mußte: fo hörte ich doch den Augenblick auf böfe zu ſeyn, als ich fah, daß es ein Brief von meinen lies ben Rabener, ocello et corcule meo war. Ja, ich beſchloß, fo bald meine gelehrten Arbeiten geendiget feyn wärben, d. i. heute Nachmittag um drey Uhr, Ihnen zu antworten, Ihnen für Ipren langen, berebten und bohaften Brief zu danken, Sie wu küſſen unb Ihnen zu fagen, daß ih Sie ungeachtet meine

*) (And dem Heverſchen Rechlaz.)

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Unempfinblichleit, doch noch erſtaunend liebe. In Wahrheit, Hebfier Rabener, ich habe lange Keine ſoiche Freuden gefühlet, als biefe Woche. Am Montage einen MWrief von Morigen, am Donnerflage einen von Gramern, heute einen von Ihnen; was wird dieſes afade Bergnügen für eine Worbebeutung fegn. IA füyide Ionen deyde Briefe, fo willen Sie wenigſtens von Wo⸗ riten und von Gramern fo viel ald id. Den letten ganz zu verfichen, möffen Sie vorausfegen, daß ich Gramern vor einiger Beit etlidge geifttiche Lieder und Dden gefchiet habe. Wenn Sie fo fromm wären, wie ber gute gute Gamer: fo hätte ich fie nach Dresden und nicht erft nach Gopenhagen ſchicken bürfen.

Ihre Satyre auf mein kleines eitles Herz iſt nicht ganz wahr. Gine Zeile Tadel, nein, böfer Rabener, ein ganzer Bogen Zabel, wenn er befeheiben iſt, ſchlaͤgt mich nicht banieder, aber boshafs tee Zabel, ja da haben @ie recht, ber wirft mein auffliegendes Derz zu Boden. Und bie Sobfprüche? Mey denen, aufrichtig gu eben, fie mögen aus Paris, oder aud London kommen, fühle ich oft wenig, oft gar nichts, oft Demüthigung. Wenn Sie, wenn Gärtner, wenn Gramer mich loben, ba gefalle ih mir freylich; aber ich feinde mich doch bald darauf wieder an.

Bon Gärtnern weis ich nichts, als daß er zum brittenmale Vater geworden, von Gchlegeln nichts, als daß er gefund iſt, und von Giſecken kaum fo viel: daß er noch lebt.

Sreron hat nicht gefärieben, und das ift mic Lieb; denn fe darf ich auf Leine Antwort fiubiren. Seine Gritit Über bie zärts lichen Schweftern hat mid, nicht beunruhiget. Sie ift nicht halb wahr; aber fie ift doch befcheiden. Gr hat das Stück nicht ger leſen, ſonſt würbe er gefehn haben, daß es eine rährende Gos möbie ſeyn fol, und daß feine Anmerkung, bie Gchidfale der Gäyweftern und die Liebhaber zu verwechfeln, meine Abficht aufs gehoben haben würbe. Begen der beppeiten Handlung Tönnte er wohl ein Biechen seht haben.

Der BWerfaffer ber Weiefe über den Geſchmack iſt Nicolai, ein junger Bucführer von 18 Jahren in Berlin, ein Bruder des VProfeſſors. Es muß ein treflicher Kopf feyn. Ich habe lange Beit nichts von der Art gelefen, das mic richtiger und ange: nehmer geſchienen hätte. Diefe Nachricht habe ich von Leflingen. Irre ich nicht, fo foll der erfle auch der Werfaffer der Dunciade ſeyn, das ich nicht wünfchte, und das ich auch nicht glauben Will Ih habe biefe Schrift bey ben erflen MWlättern weggelegt, und ba ic) hörte, daß fie unbändig Hart fey, fie niemals wieder in die Hände genommen. Ich haffe ſolche Methoden, bie Mens [chen zu beffeen, die bem Lefer ein Schreden einjagen, indem fe die Hige des Autors befriedigen. Warum geſchmaͤht und ges ſchimpft. Eben dieſer Nicolai foll auch den geretteten Milton wider Lawdern geſchrieben und etliche hübfche Komödien im Manuferipte Haben, Die Briefe von ben Empfindungen find das Werk eines jungen Ju den in Berlin, der auch Wolfe Leben „herausgeben will. Gin Jude! Ja. Gollte die Nation gar noch fruchtbar an wigigen Köpfen werben?

Dan will Erneftin mit aller Gemalt nach Göttingen ziehn. Können Sie verhindern, fo thun Sie ed aus Liebe für Leips sig. Es ift ein wahres Unglüd für unfre Academie, wenn man biefen gelehrten, brauchbaren, fleißigen und treflihen Mann fort gehn läßt. Gr ift nuͤtzlicher und in 10 Jahren berühmter, ale 100 Andre. &o wollen fie auch Dr. Baden gern nach Götz fingen locken. Cine verteufelte if! Warum nicht aud ie? Denn id} bin fiher, weil ich nicht gelehrt bin.

Engliſch? lieber Rabener! D das iſt treflich. Cie find doch ein glüdfeliges Geſchoͤpfe. Alles, was Sie unternehmen, glädt Ihnen, und Iyr ganzer Kopf ift Bähigkeit, fo wie Ihr ganzes Herz Heiterkeit, und das meinige Traurigkeit und Albernheit iſt. ueberſeten Cie Popens Criticiem proſeiſch. Hören @ie?

Ei}

Hecht ſchoͤn aber. Es iſt eine meiner Leibfähriften. "Melle hat Ihnen, wie ich höre, ben Gpectator kommen laffen.

Kun will id) nod an Morigen ſchreiden. Alſo ſchlieſſe ich mein freundſchaftliches Gefhwäge, umarme Sie und bitte Sie bald wieder um einen fo ftärkenden Brief. Schicken Sie mie auch die beyben Briefe bald wieder. Lieben müflen Sie mid, das geht gar nicht anders an, und das thun Sie auch, und bas werde aud) ich zeitiebens thun, ich, Ihe guter

Sellert.

108.°) Rabener an Gellert.

Dresden, d. 31. Ian. 1756, Mein lieber Gellert,

‚Hier fende ich Ihnen bie Briefe zurück, welche mich fehr vers gnügt haben. M[orig] bleibt doch unfer guter Graf, und ba ex es in Paris bleibt, fo wird er fich auch in Dresden nicht äns dern. Run freue ich mich doppelt darauf, daß er mit ber Zeit hoch fleigen wird. Denn von ihm Hoffe ich gewiß, daß er nies mals wirb fhwinbelnd werben. Diefe Woche geht Ihr Brief an ipn fort. Da Sie mir Ihre geiſtlichen Lieder nicht anvertraust baben, fo erwarte ich bie Trinklieder, bie Sie, wie mich ein gu⸗ ter Freund von Ihnen noch geftern verfichern wollen, unter ber Feder haben. Das fhlagen Sie mir doch nicht ab?

Ich bin mit der Entfhulbigung- vortrefflich zufrieden, bie Sie air wegen Ihres Heinen eitlen Herzens gemacht haben. Meine Vorwürfe feinen nur denen graufam, bie mich nicht fo, wie Sie, kennen.

®) (Rabeners Deieſe, herandgeg. v. Weiße. ©, 258. f.)

Ih Tann es gelchehn laſſen, daß wir Erneſti und Machen verlieren; behalten wir nur den göttlichen Belli und bie unſterb⸗ Uche Pilaja*). Käftnern können wir leicht vergeffen; er Bonnte nit einmal tanzen, und haben Sie wohl, fo lange Sie ihn kennen, eine vernünftige Perüde auf feinem Kopfe gefehn? Mols len die Ausländer etwa Joͤchern, Mafcoven, Grufins zc. and wegnehmen? Gut; wenn nur Sie bey uns bleiben, denn Sie machen gar zu brollichte Jabelchen. Unb geht aud bie gange Univerfität ein; wad ift ed nun mehr? Peipgig wird doch wegen der Lerchen, nach wie vor berühmt bleiben! ıc, ıc.

Rabener.

102. (s3.) Un den Grafen Morig vo. Brühl & d. 4, Behr, 1756, eiebſtet Graf,

Geſtern erhalte ih Ihren Brief vom 17. Ianuar, eben ba ich ben Fuß aus dem ſchwarzen Brete fegen will. Nun, dachte ich, ob bu ihn wohl gleich den Augenblick Läfeft. Ich ſuche das Voſtgeld, gebe vor Freuden dem SBriefträger etliche Sroſchen mehr, und berathfchlage, ob ich ihn Lefen will, ehe ich ben Eins gang bes ſchwarzen Brets verlafle, denn ich war im MWegriffe zu Tiſche zu gehn. Ich breche das Beine Giegel auf, leſe das Das tum, und flede ben Brief hurtig und mit wiberfichender Haub ein. Nein, ſprach ich zu mir ſelbſt, wenn bu ihn itt Ueſeſt, was willſt bu denn bey Tiſche lefen? Lies ihn wicht, gehe ges froind, fo Haft du die Freude bey der Mahlpeit, und fo wich

®) Beiti, ein großer Sänger, und Pilaia, eine berühmte Sän« gerinn auf Dem damaligen breöbner Operntheater. Weiße.

dee Weg nicht halb fo lang werben. Nun laufe ih, was kann. Gnblid, bin ic mit meinem treuen Gefährten, dem von Bofen, vor dem Haukifchen Haufe. Er verläßt Ich gehe die erſte Treppe ſchnell, ſchaell hinauf. Bey Awepten greife ich fchon in bie Taſche. „Ein Wenig, nur liche Zeilen willſt du leſen.“ Ich las bie erſte Seite. Es ein Hund and zopfte mid bey bem Pelze, ich that ihm Es kam eine Magb und fah mic in den Brief, ich that nichts. Jqh las Immer herzlich fort, las langſam, als wleſerlich geſchrieben wäre, und Eonnte doch alles fehe gut Cs kam ein Kaufmann, ber im Haufe wohnet: „D bad ‚geriß bie heutige Lotterielifte, iR das große Loos heraus?’ antwortete ihm nichts, ſchuttelte den Kopf, nieng im Eefen Treppe höher, und war immer noch auf ber erfien Seite, freute mich, daß ich micht weiter war und überlegte, was dem übrigen drey Geiten ſtehen und wie gut mir das erfle Glas Wein ſchmechen würde, wenn ichs mit Ihrem Briefe in der Hand traͤnke, und Gie in Ihrer heitern, fanften, unſchuidi⸗ gen, bentenden Miene dazu bädte. Man ſetzte fich zu Tiſche, ich die Suppe, erwartete den Wein nit, fondern las den ganzen Brief burch, ohne zu hören und zu fehen. Sa, ichs flee und vortrefflicher Graf, ein Water, dem fein Sohn nad) zehn Jahren das erftemal aus der Fremde ſchreibt, Tann nicht freus biger feyn, als id war. Ich übertreibe ed nicht, Lebfler Morig, meine ganze Seele geräth in Bewegung, wenn ih einen Brief von Ihnen leſe. Redt Ihe Herz, fo lebt das meinige auf. Medt Ihr Berfland, Ihr Wip, fo vegt fi) der meinige. Grählen Sie mir, fo bin id; gegenwärtig, wo auch bie Scene if. Kurz, wenn Ihnen meine Briefe, wie ie fagen, Troſt find: fo find mir die Ihrigen nichts geringerd. I fol Ihnen oft fhreiben? Und o fepreibe ich Ihnen denn nicht oft? Iſt biefes nicht feit kurzem der dritte Brief, und find nicht meine Briefe ihrer Länge

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nad Zractate, wenn fie gleich leere Tractate find? Die Fürftinn Frau Mutter von Bferbfl] eine Dame von unges meinem Geifte und Verſtande, hat mic auch zu ihrem Gore fpondenten gemacht. Sie fchreibt franzoͤſiſch, ich deutſch. Biel Ehre für mich, werben Sie denken. Allerdings, aber ich denke doch: ‚Bene qui latuit, bene vixit. Keine Ehre, fein Weyfal ber Welt, kein Beitungslob; nichts als dad Bewußtſeyn feiner Yrlicht macht ruhig; nichts ald die befolgte Regel der Religion macht glädtich und färket bie Seele. Der alte R°*, der in feinem fonft heitern Alter ist in eine gewiſſe Schwermuth vers fallen ift, und den ich oft beſuche und teöfte, if meinem Herzen, wenn es noch fo finnlich Frank tft, eine heilſame Arzney. Wenn ich nun, denke ich, König der Welt und ber Liebling aller Sterb⸗ lichen wäre, und meine Seele litte fo: was wäre ich? Elender als ber, der in ber Sklaverey, durch harte Arbeit ermübet, feis nen Hunger mit ſchwarzem Brodte filet, und ſich tröftet, daß ex ohne feine Schuid elend ift, und ſich freut, daß er ſich noch benten, baß er feinen Tod denken und hoffen Tann.

Leben Sie wohl. 6G.

108. (24.) Morig v. Brühl au Gellert. Paris, d. 3. Febr. 1756. Mein liebſter Freund,

Ich bleibe allen Leuten die Antwort ſchuldig; und Ihnen antworte ich mit der größten Genauigkeit, Richt bey Ihnen will ich mir das zum Verdienſte anvehnen, aber dach bey mir felber mache ich mir eines daraus. Diefes müffen Sie mir erlaus ben, und ich barf ja wohl mit mir ſeibſt zufcieben ſeyn, wenn

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ich Sie mehr als meine andern Gorrefponbenten Liebe. O! wars um find Gie bo in Leipzig, wenn ich in Paris bin! So glück- lich mein Schidfal auch ift, Ihre Freundſchaft zu befigen: fo bitter ift es auch zugleich, fo weit entfernt von Ihnen gu feyn! Was ift das Andenken für ein ſchwacher Genuß in Vergleichung mit ber Gegenwart! Bey biefer lebt alles, alles fagt uns, daß wir uns hochfchägen, daß wir und lieben, jeder Augenblid if eine neue Freude; wenn bort kaum einmal die ermüdete Cinbils bungäfraft den Meg. zu unfrer Empfindung findet. Gewiß Sie folkten eine Meife nach Paris thun. Wenn ich Sie verführen Zönnte, fo würbe ich es hoffen, Sie hier zu fehn. Ihre Briefe find ſtets eine neue Stärkung für mein Herz, unb eine zeue Ermunterung zur Tugend. Sie werfen mir vor, daß ich Sie zu fehr liebe, und Sie verdienen weit mehr biefen Vorwurf in Abficht auf mich. Aber hören Cie ja deswegen nicht auf, ihn zu verbienen, und laſſen Sie mir allein die Gorge, Sie de= von zu befreyen. Ich babe.der Frau von Graffigny noch nicht alles fagen Zönnen, was Sie mir an fie aufgetragen. Der Shevalier b’Arc wird Ihnen felbft ſchreiben, und ſich für Ihre Bewogenheit gegen ihn bebanken. Täglich vermehrt ſich die Zahl meiner Belanutfihaften. Die Zeit vergeht mic hier ziemlich ges ſchwinde. Des Morgens gehe ich viel zu Buße, befuche meine Freunde, eſſe faft täglich auswärts, gebe alsbenn Wifiten, und gehe, um ben Tag würdig gu beſchließen, zu einem Peinzen ober Prinzeffion von Geblüte. Dieß ift ohngefahr das Leben ber meis fen Ginwohner in Paris. Meines ift wicht ganz fo. Ich Isfe noch zuweilen, denke faft immer an Sie, und made, wie Sie siften, Cine Komöbie, zwo Tragöbien und drey Heldengedichte auf einmal, Meine Komöbie ift noch nicht weiter, als fie war, da ich Ihnen bavan ſchrieb. Eine Komödie ift eine ſchwere Sache. Lieber eine Tragödie, wenn man Verfe machen Tann. Ich habe immer vortreffliche Anfchläge, aber ich führe fie Fl vortrefflich Gellert V.

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aus. Ich werde vermuthlich ein fehr philofophifh Werk von dem Gharakter ber Franzoſen ſchreiben. Die Unternehmung if nicht Hein. Cine Ration befchreiben, die fo bekannt iſt, von der man ſchon fo viel gefagt hat!

Allein ein edles Werk, ift nur für edle Seelen, Und zur unſterblichkeit, muß man nichts Leichtes wählen.

Man fieht noch immer in biefer Nation Spuren deö guten Se— ſchmacts, der Liebe zu ben Wiffenfchaften und ihres vergangnen Glanzes. Sie iſt freylich nicht mehr fo fruchtbar an großen Geiftern, als im vorigen Jahrhunderte, dennoch aber bleibt ihr die Ehrfurcht für alles, mas fchön iſt, der Gifer es zu kennen, und bie Begierde es zu befigen, übrig. Der Geiſt ber Unterfas ung, ber Phitofophie, der eine Bolge ber fchönen Wiffenfchaften ift, wenn fie wohl verftanden find, und ber fo gefährlich wich, wenn er nicht mit vielen Gaben und einem hellen Verſtande ver Enäpft ift, ift fgt die allgemeinfle Cigenſchaft dieſer Nation. Der Thor glaubt ihn bier zu befigen, weil ex froftig und Langfam benkt, und der Flüchtige glaubt alles gefehn, alles unterfischt zu haben, wenn er von allem urtheilet und entſcheidet. Das Frauenzimmer befümmert ſich Hier meiftentheils nicht fo fehr um bie Wiflenfhaften, ald man es glaubt. Die jungen find nur damit befchäfftiget, wie fie gefallen wollen, und bie alten, wie fie am meiften und am fiherften im Gpiele gewinnen Zönnen, Die Komdbie ift faft bie einzige Art, wodurch fie fih darum ber timmern, und auch diefe befuchen die meiften nur, um gefehn zu werden. In Anfehung ber Religion kennt man bier nur gween Gegenfäge: entweder gar feine ober eine abergläubifce Andacht. Das Vergnügen unh bie Zerſtreuung verhindert die meiften, Religion zu haben, unb bie Einfalt ober der Eket in bie Quelle der Andacht bey den Anden. Ich habe Heute die Mabame Dubocage gefehn. Wieder ein

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Autor. Auf tünftigen Sonntag effe ich bey dem Herrn vom Reaumur. Herr Duclos läßt fih Ihnen empfehlen. Ich befuchte ihn neulich des Morgens in einem garfligen Mantel, wie man früh auszugehen pflegt, unb entſchuldigte mich, daß ich mir diefe Freyheit nähme. Mein Herr, fagte er, Sie dürfen fi nicht entihuldigen. Sie find mir ftetd angenehm, und ich mürbe es Ihnen nicht fagen, wenn ichd anders meynte. Er ift von einer unnachahmbaren Offenherzigkeit, bie ihm ſchon viel

Beinde gemacht hat. Leben Sie wohl. Gchreiben Sie mir.

bald wieder, S Brühl.

109. (s3.) [in Srau von Sedtmwig.] 2. d. 7. Febr. 1756. Ach! gnädige Frau, die Loofe von acht, von zwölf, von

ſechehn taufend Thaler find heraus, und ich armer Menfh -

habe nichts bekommen; und ich fol alfo in ber traurigen Stadt, bey den böfen Büchern, und noch böfern Menfchen bleiben, und nicht auf das Land ziehn, mich nicht in Blonau) anfaufen, nicht Bäume pfropfen, Wein pflanzen, Obft baden, nicht D[eineweh] pachten, nicht mit Ihnen fpagieren gehn, mit Einem Worte, nicht bey Ihnen meine Tage zubringen? Das ift tläglih, gnaͤdige Frau. Ich mag ja an keiner fürfts lichen Zafel fpeifen, ich will in Blonau] von dem guten Salate, von dem Krauskohle, bet daſelbſt wächft, von den Enten, bie da geboren und erzögen werden, effen. Mas hilft nun der Ruhm? Habe ich das geringfte Glüd in ber Rotterie ges Habt? Cs ik wahr, die legte Glaffe der Lotterie in meiner Baterftadt iſt noch nicht gezogen; aber das größte &oos iſt nur 13°

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ja nur 300 Kthlr., und dafür werben Sie mie bad Hans am Garten nicht laffen. Und anfäßig muß ich doc feyn; denn -fonf wird die Fraͤulein piht Gie hat auch Bat. D gnädige Frau, wie weife iſt es, ſich nicht durch Hoffaungen sinnehmen lafjen! Ich kränke mich, Shäme mim, ſchmaͤhle auf wid, und kuͤſſe Ihnen mit vieler Demuth für ben letzten fo fhönen, aber Zurzen Brief, die Hand, und verharre in großer Traurigkeit ©

110°). An I. J. Freiheren von Eronegt.

2. d. B. Behr. 1756. Lieber, guter, böfer Baron,

Wie lange iſt es wohl, daß Sie nicht an mich gefchrieben Haben? Behr lange; ich kann es nicht läuguen. Aber warum haben ie feit fo langer Zeit nicht geſchrieben? Barum? D Cie kennen mich ja. Ich habe Gie lieb, und ih ſchreibe an viele Leute, die ich lieb habe, noch feltner, als an Sie mein lieber Profeffor. Das Septe mag ich nicht wilfen, ſchlauer Here Baron. Ih frage Cie, wie Sie es über Zhe zaͤrtliches, freundſchaftliches, poetiſches Herz haben bringen Eins nen, mie nicht zu antworten; benn ich habe Ihnen ja duch „Herr Weiſen gefchrieben? Nun bas will id Ihnen fagen. 34 bin Hofrath Ja das weis ih, Ich muß Atten leſen echt gut; und ich Collegia, und dennoch ſchreibe ich auch Briefe. Ich bin ein Autor Das bin ich auch, wenigſtens bin ichs geweſen.

) (Aus dem Driginal, im Befit des Hrn. O. A. Schulz zu beip⸗ dig. Dit wilkübelichen Xenderungen gebrudt in der Sammlung von 1774: Gelletd Sqhriften IH. 8, ©. q. Ro. 4)

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Ic bin ein Tragoedienfchreiber Viel Ehre? basbin ich nie geweſen und hätte ed boch herzlich gern feyn mögen. Aber wo find die großen Zrauerfpiele, mein Here Tragoedienſchreiber? Codrus iſt bey mir, unb zum Theile bey dem Grafen Morig in Paris, der ihn ftüdweife für bie Madame Grafigny überfeget Haben Sie benn alfo Ihren Codrus ausgebeffert? Noch nicht. Das gefällt mir. Warum benn noch nicht? Ich bin auch ein Gteele, ich fchreibe wöchentlich für mein Waterland Weishelt nieder. Sie wiffen es ja, ich fchreibe den Breund. Das weis ih, und darum Bann ich eben nicht begreifen, wie ein Autor, ber bie Pflichten der Freundſchaft beftimmt und beflngt, eben biefe Pflichs ten vergeffen und unterlaffen Tann. Ich befinge fie, daß Andre fie ausüben follen. &o thue ich ja aud) mein Gutes. Ber Tann Alles thun? Ich bin ja noch mehr, als bloß ein Hoftrath, ein Tragoedienſchreiber, ein Journaliſt. Und was find Sie denn mehr? Nur heraus mit der Sprache, wenn Sie ein gut Gewiſſen haben. Ich darf und ich muß’ alles wiffen. Ich fchäme mich; dennoch will ichs Ihnen fagen, lieber Gellert, ich bin auch ein Schäfer, ein Beliebter, und id muß oft an meine Schöne fehreiben, und ich fehreibe doch noch lange nicht fo oft, als ich wünfdhe, als id} fol, als vieleicht Andre fchreis ben, die ed nicht fagen und fehe ftoifh thun, und doch fehr wächfern find. Das Leste ift ein Gedanke, der nicht aus ber Materie entfpringt. Gr ift nur im Worbengehn erhaſchet, und Sie hätten ihn ganz wohl entbehren Können. Aber wer ift denn die glädtihe Schoͤne, in deren Weffeln Sie einher gehn? Doc ich will es nicht wiffen. Sie fol ewig Ihre feyn. Schreiben Sie alle Tage an fie. Verküffen Sie alle leere Augenblicke bey ie. Machen Sle Zrauerfpiele, Luftfpiele, Lieder und Gompos ftionen,; @inngedidhte, Wodhenblätter, alles, was Sie wollen, ich bin es fehe wohl zufeieben. Ich will Sie leſen, loben, tar dein; das iſt meine Schuldigkeit; aber ich will nicht mehr an

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Sie ſchreiben; benn bas iſt auch meine Schulbigkeit, da Sie mir nicht antworten. Kurz, mein lieber Herr Baron, leben Sie wohl, und bemühn Sie fi, mic ferner zu vergeflen. IE

war ehedem Ihr befter Freund Gellert.

Noch ein ernſtlich Wort, Liebfter Groned. Sie haben mir von einer Paffion gefagt, die Sie gemacht. Der Gantor Doles, igiger Gantor an ber Thomasfcule, ein gefhidter Gomponift, wie &ie wiffen, wünfcher eine zu haben, aber bald. Greifen fie ber Religion die Ehre und ſchicken Sie Ihr Manuſcript, fo bald als es moͤglich ift, an mich oder an ihn.

111. An den Freiherru von Eranffen. 2. d7 15. März 1756,

Oochgebohrner Freyherr! Theuerſter Freund und Gönner,

Sie find vermaͤhlt, nady Ihrem und alfo auch nach meinem Wunfde vermählt? Welche glüdlihe Veränderung Ihres Les bens unb melde Freude für mich! Niemals habe ich eine Stelle in Ihren Briefen fo oft, mit fo vieler Empfindung, und mit fo vielem Mißtrauen gegen meine Augen gelefen, als bie Stelle: id bin beweibt Lies noch einmal, dachte ich, wer weis, was du gelefen haft Der gute Baron ſcherzt er hat ja nie heirathen wollen. Aber wie fhön wäre es gleich wohl, wenn er es gethan hätte! Ein Herz, das zur Freundſchaft ges bohren ift, if es auch zur Liebe. Gr ſoll lieben, er muß lies ben wenn du doch feine Gemahlin ſchon kennteſt! Sie muß

\ 19 geoße Gigenfhaften, wenigflens ein Gerz, gleih bem feinigen haben. &o dachte ich und las meinen frohen Brief noch einmal wieber durch. B i

Empfangen Sie denn, Theuerſter Freyherr, ben aufrichtigs fin Glückwunſch zu Ihrer Wermählung, von Ihrem Verehrer und Freunde, und genießen Sie mit Ihrer würbigen Gemahlin alle Freuden des Lebens und ber Liebe, der Tugend und Freund⸗ ſchaft und Tünftig des glüdlichften Waters in langen langen Jah⸗ ven. Wenn ber legte Theil meines Wunfches eintrifft, und ich lebe: fo fehe ich eine freudige Ausficht vor mic, mich noch um Sie verbient machen zu Tönnen.

Wie freu ich mich des Glüds, wofern ichs einft erlebe, Daß, mit dem Sohn an beiner Hand,

Du fpricft: Der ift es, Freund, den ich Dir übergebe, Bild ihm das Herz und den Verſtand.

Ihrer Frau Gemahlin küſſe ich die Hand mit der größten Chr: erbietung, und danke ihr für die Zufriedenheit, bie fie Ihrem Leben geſchenket hat, und täglich fehenten wird. Cie kann mir ihre Gnade nicht verfagen, ba ich die Gewogenheit ‚ihres Ge⸗ mahls befige.

An der neuen Belohnung Ihrer Verbienfte, die Ihnen Ihro Durchl. der Herzog von Sachien- Meinungen in der Stelle eines Geheimen Raths ertheilet, wie könnte ich an dieſer Belohnung keinen Antheil nehmen! Alſo ift Ihr Werftand und Ihr Herz zugleich belohnet worden? Und Sie machen mir auch Hoffnung, gluctlicher Freund, Sie auf den Sommer zu fehn, wenn Sie in das Garlöbadb gehn? Das wäre eine neue Wohlthat für mich! Aber, wenn ich nun nicht ins Garlöbab komme, woran id) zweis fein. muß? Sollte Sie der Weg über Leipzig tragen, ober hoffe ich zu viel? Nach fo vielen angenehmen Worftellungen mag ich nicht an das Journal &tranger benten, das Sie in Ihrem Briefe

erwäßmen, Ihe Urtheit if das meinige. Man lobt. und viel⸗ leicht aus Gtolz; man tabelt uns vieleicht aus Stolz; man maßt ſich der Critik über die Werke aller Europäiihen Rationew

am, und verfleht vielleicht ihre Sprache nicht, oder nur halb.

Ich verharre zeitiebens mit wahrer Hochachtung \ Ewr. Hochfreyhertl. Gnaden

gehorſamſter Diener Gellert.“

212. Gellert an feine Schwefter. 2. d. 27. März 1756..

Grüſſet bie liebe Mama in meinem Namen herzlich, und wünfdet ihr Gefundheit und Ruhe. Ob ich fie biefen Sommer fehen werde, das weis ich leider nicht. So groß mein Verlan⸗ gen iſt, fo. fehr ſchreckt mich doch ber weite einfame und koſtdare Weg; denn reiten Bann ich nicht, und eine eigne Fuhre zu neh⸗ men iſt eine Sache von zwanzig Thlen. Bür bie Nachricht von Reichenhayn danke ich Euch, grüffet ben Heren Pathen und die Frau Pathe herzlich von mir und wünſchet ihnen Gefundheit und Zufriedenheit. Ich habe zehn Tage das bittere Waffer eine Stunde von hier mit dem Commiſſiontath Wagner getrunken und wenig Hälfe davon gehabt. Es waren faſt alle Tage Kalt und regnicht. Jetzt habe ich meine Arbeit wieder. Das meiſte macht mir das Publicum, worin ich bie Moral lefe, ums fonft, und etliche Hundert Zuhörer, dafür aber in: meinen aubern Stunden deſto weniger Habe. Meine Seſundheit, ja die iſt ziems

a1

Uch baufältg; alles wird mic ſchwer und ſauer; doch ich will nicht klagen, Bott hat ja bis hieher geholfen. Lebt wohl. G.

113. (5.) I. 8 Freiberr von Eronest an Gellert,

Anſpach, d. 28. April 1750, Liebfer Gellert,

Ihr Brief, in dem Sie mir wegen meines langen till füweigens einen Verweis geben, hat mir fo viel Freude gemacht, daß ich es faft nicht bereuen Tann, daß id; einen Verweis vers dient habe. Gin fo freundſchaftlicher Verweis ift in der Freund⸗ haft fo angenehm, als in ber £iebe ein Schlag mit dem Fächer. Aber machen Sie es ja auch, wie ein Mäbchen, das feinen Ges tiebten mit dem Fächer ſchlägt. Werden Gie gleich wieber gut. Ernſthaſt zu reden, liebſter Gellert, habe ich Unrecht, und mein langes Stillſchweigen ift nicht zu entfchuldigen. Aber von wem kann ich cher Wergebung hoffen, als von meinem beften Sreunde, von. meinem liebſten Gellert? Daß ih auch auf Ihren letzten Brief fo lange nicht geantwortet, daran ift die Nachricht fhuld, die ich von Ihrer Reife nach Braunſchweig ers halten habe. Ich habe mich recht oft Hingefehnet. Aber was helfen Wünfche? Im Gelfte war ich gegenwärtig. Lebt denn auch Gärtner, leben Giſecke und Ebert recht vergnägt? Mein Paffionsoratoriam hätte ich Ihnen, fo ſchlecht es ift, laͤngſt geſchickt, wenn nicht meine Hand fo ſchwer zu Iefen wäre. Ich habe es abfchreiben laffen. Herr Weiße wird es Ihnen übers fen -— . ẽ. ——

Sie werben auch drey geiſtliche Lieber mit dieſem Briefe ers

halten, Ich Habe es gewagt, Sie nachzuahmen, und erft duch die Rahahmung empfunden, daß Sie unnahahmbar find. Dad ich bachte, ein Schüler dürfe unter feinem Lehrer bleiben, und ich hielt es gewiffermaßen für eine Pflicht, auch der Religion zu Ehren zu fingen.

Mein Kobrus ift noch nicht fertig, das haben Sie in Ihrem Briefe erraten. Daß ich ein Schäfer war, haben Sie in fo weit auch erraten; denn gerade an dem Tage, an bem ih Ihren Brief bekam, ftellte ich den Damöt in Ihrer Sylvia vor. Aber mic, für verliebt zu halten, weil ich im Schreiben nad: täffig bin? Da haben Sie in der That einen falfhen Schluß gemadht. "

Wenn ich doch nur bald wieder fo glüdlih wäre, Cie zu fehen! Vielleicht geſchieht ed auf kuͤnftige Michaelmeſſe; vielleicht auf Oſtern im Zünftigen Jahre. Ich Tann nichts beftimmen. Ich bin auf doppelte Weife ein Sklav; als ein Zurift und als ein Hofmann. Behalten Sie mich in ber Entfernung lieb, Dies fen Sommer, ja diefen Sommer will ic Ihnen recht fleißig freien. Ich habe mein kleines Tibur zum ordentlichen Wohn: hauſe eingerichtet. Da will id) im Sommer refidiren und Trauer⸗ fpiele ſchreiben, die beſſer feyn follen, als Kobrus, wenn es anders nicht beym bloßen Vorſate bleibt; denn ich habe ihn ſchon oft gehabt, und niemals ausgeführet. Und wenn ich auch feine Zrauerfpiele ſchreibe, fo will id doch meinen Freunden fleißig ſchieiben. Sie werben müde werden, meinen langen Brief zu lefen. Leben Sie recht wohl. Ich werbe allegeit ftolg, wenn ich einen Brief an Sie ſchließe. Der Titel eines Freundes ift eine Schmeicheley, die ich mir felber made. Man ann mir einen Zitel geben, ber größer wäre. Ich umarme Sie taufends mal in Gedanken, und bin

Ihr Verehrer, Ihr Freund, Gronegt.

Ta. Un Borhwarb.

2. d. 3. Juni 1756.

Endlich fie ich Ihnen bie fo lange zurüc gehaltenen Lie⸗ der; denn wie kann ich bie Witten Ihres fo nachdrücklichen und herzlichen Briefs beffer beantworten? Ich ſchicke fie Ihnen unter der erften Bedingung ; das verſteht ſich; und Sie find zu fehr mein Freund, als daß Sie wider meine Abfihten handeln follten. Im Vertrauen gerebt, bin ich nicht ganz zufrieben mit Ihnen. Bor etlichen Jahren gingen ein paar Ganbidaten aus Berlin hier durch. Sie verſicherten mich ziemlich breift, daß ich Lieder gemacht hätte. Vermuthlich war bey Herr Saden davon gefprochen worben. Ich leugnete die Sachen fo, daß ich fagte, ich hätte einige wenige Stüce, die aber deswegen keine Lieber wären, fondern biblifhe Betrachtungen. Kurz fie mußten nicht Recht haben. In der That fehe ich auch, daß wenn ich bie Poefien, von denen die Rebe ift, jemals will drucken laffen, ich ihnen ben Titel: Geiſtliche Oben und Lieder geben muß, weit fie nicht alle Lieder im engen Verſtande find. Aus biefem Geſichtspunkte, Liebfter Borhward, werden Sie viele in ber jegigen Sammlung beurtheiten müſſen; und beurtheilen follen Sie, eben fo aufrichtig und firenge, als Sie bey den erflen ges than haben. Wo bie Titel nicht adäquat ober beutlich genug find, da haben fie völlige Macht, andere an ihre Stelle zu fegen. Ich habe Hin und wieder Melodeyen beygefügt, nach welchen bie Lieder Zönnen gefungen werben, oft habe ich fie mweggelaffen, weil fie mie nicht gleich einfallen wollten; allein viele, wenn fie follten gefungen werben, müßten ihre Harmonie erft von ber Hand eines geſchickten Gomponiften erhalten. Diefen Dienft hoffe ich leicht zu erhalten, wenn es ſeyn müßte. Aber iet, liebſter Freund, denke ich noch an keine Ausgabe. Ich habe bie Critiken

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meiner Freunde noch nicht beyſammen. Ich habe noch wenig Berbefferungen gemacht. Ich bin noch niche überzeugt, daß die Heinen Werke fhön genug find. Ich habe noch Feine Wahl ges troffen, in was für einer Ordnung fie zu ftehn kommen follen. Ich bin noch nicht eins, welche fch weglaffen mil; denn alle werde id} fie body nicht: deucen Iaffen. Sie erhalten jegt ſrche und zwanzig Städe, bie erflen betrugen ein unb dreyßig. Made ich noch drey ober viere, ſo Habe id eine Zahl von ſechzig. Unter ſechzig Fönnen zehn leicht zurüd bleiben mäffen, und mit fünfzig wollte ich auch gern zufrieden ſeyn, wenn fie fonft gut ohren. Mit meinem Namen bin idy noch ſehr uneins, Gott weiß es, baß ich ihm jeht nicht würde vorfegen, und dieß aus guten Abfichten, wofern id} wüßte, daß ich verborgen ſeyn könnte. Aber leider ſcheint das Tegte unmöglich zu ſeyn. Ich würde ger fhreinder an bie Herausgabe benten, wenn kein Menſch wüßte, daß ich Lieber gemacht hätte. Ich würde mich erfreuen, wenn fie die Abſicht der Erbauung befdrberten, und glauben, baß ih mas Gutes gethan hätte. Aber nunmehr, ba ich ſchon in der Rebe bin, faͤlt ein großes Verdienft auf meiner Seite weg. Es wird mir und andern vorkommen, daß fc) als Autor, aus Bes gierde bes Namens, geiſtlich gebichtet habe: Elender Gebanke! Meine Breunde fagen, mein Rame wird taufend Leute zeigen, die Bieber zu leſen, bie fie fonft nicht würden gelefen haben. Das glaube ich ohne Eitelkeit ſelbſt. Aber koͤnnen nicht auch taufend Leute fagen: Warum war der Mann nicht fo beſcheiden, und hielt feinen Namen zurluick! Will er durch Lobſpruche bes lohnet ſeyn? Es bleibt doc nicht verborgen. Man Eennet Ihre Schreibart. Man wird fagen: Sie ſchaͤmten ſich der geift- lichen Sieber, aber’ nicht Ihrer Fabeln und Erzählungen; oder Sie wüßten e8 ſchon, daß es die Fette müßten, und daß es nicht verborgen bieiben koͤnnte; drum hätten Sie ſich verborgen halten‘ wollen, mit aller Kunft: einer flolgen Demuth. Rathen te

mie, thenerfier Freund, und behalten Sie de Sachen nicht läns ger, als vierzehn Tage. Ich will fie gern Heren Gaͤrtnern ſchiden, der fie noch nicht gelehen hat. Mo Ihnen ein Gtüd durchaus nicht gefällt: fo merken Cie «8 reift an, und ziehn Sie Itzre liebe fcomme Beau dabep fergfältig zu. Bathe, der ich mid beſtens empfehle. Leben Sie wohl, Ich bin ber Ihrige ®

215. (s7.) 2. d. 80. Juni 1756,

Theuerſter Freund,

Dee König hat mir fechzig Thaler Aeciögelb autzahlen Laffen, ‚and gleichwohl kennt mich der König nicht. Bey wen fol ich mich num bedanken? Bey bem Könige, der mich nicht keunt? Bey dem Minifter, ber mich auch nicht keunt? ober bey dem Aceiöratge **, ber wich keunt? Ich daͤchte, bey dem Ichten. In der That bin ich eben nicht geisig, und body freue ich mich über meine fechzig Thaler erftaunend. Die Urſache davon hat lange vor mir ein Frauenzimmer bey dem Terenz gefagt: gratum est donum, non tam per so, quam qnod abs te da- tum est. Diefes Gompliment war bey dem Mäbchen eine lſtige Gajanserie, und bey mir wirb es der wahrefte und freundfchafte liſte Dank. Endlich fhidt es fih für einen Profeflor ganz üblich, daß er ſich lateiniſch oder griechiſch bey feinem Gönner oder Breumbe bedanket, Wie gut iſt es hoc, licher Here **, ‚wenn man Buhörer hat, die bald an das Steuerruder kommen! Gi nehme das Wart Steutr hier im Rabnerifhen Verſtaude) Hätten Sie bey mir fein Collegium über ben Styl gehöret: fo würben Sie zwar vortrefflich haben ſchreiben lernen, ich aber

wörbe dur allen meinen Styl, durch alle Wendungen, bie ih meinem Memoriale gegeben, das Aceiscollegium nicht bewegt haben, mir ſechzig Thaler zu geben, bie ich aus Beſcheidenheit und aus Liebe für bas Publicum ſechs Jahre fpäter gefodert, als ich gefolt. Es wäre bie größte Undankbarkeit, wenn ich ünftig von ‚Ihrem Sohne (ſchleben Sie Ihre Wermäplung ja nicht lange auf, ich werde alt) das Honorarium für bie Rhes torik annehmen wollte. Nein, lieber Herr ** und ehemaliger theuerfter Zuhörer, Sie haben dadurch, daß Sie mir ben Befehl auögewirket, für alle Ihre Nachkommen bezahlet, und es wird "mein Eebendbefchreiber bey dem Jahre 1758 folgende rühmliche Anecbote gewiß einrüden laffen:

„Als unfer Autor theils aus Beſcheidenheit, theils aus Nach⸗ läffigkeit das gewöhnliche Acciögeld ſich zu erbitten, ſechs Jahre unterlaffen hatte: fo flug mans ihm das erflemal ab, weil man feinen Ramen in Dresden nicht kannte. Als er dad andrer mal anhielt, behauptete einer bey dem Gollegio, daß biefer Mann faft eine Tonne Golds, wie er gehört, in Vermoͤgen haben, und wegen gemachten Unterfchleifs bey ber Acciſe verbächtig ſeyn foltte, bis endlich zum Glücke der Accisrath *°, ber damals nicht zugegen gewefen, in bad Gollegium trat, und feinen Gollegen eröffnete, wer ber Mann wäre.”

Schöne Anecbote! über der ich meine Dankfagung vergeffen babe; doch fie felbft ift ja der Fünftige Dank.

Alſo find Sie mein Zuhörer, mein Freund, mein Gönner, meine Verdienfte, mein Ruhm, alles dieß in verſchiedenen Bes fihtspuntten? Ja wohl, Sie find mir Minifter, Befehl und König gewefen. Wit welcher Freundſchaft, Liebe, Chrerbietung, Unterwerfung und allertieffter Devotion zugleih, muß ich nicht zeitlebens verharven und barinne erſterben ıc.

®

116. (35.) Un den Grafen Morig d. Brühl.

2. d. 12. Nov. 1756, eiebſter Graf,

D wie lange habe ich Ihnen nicht gefhhrieben! wie lange haben Sie mir nicht gefchrieben, und wie traurig fieht es feit unfrer unterbrochnen Gorrefpondenz in unferm Waterlande aus! Erwarten Sie keine Beſchreibung unfers tragifhen Zuftandes von mir. Er ift, denke ih, der ganzen Welt befannt. Wir find tief gefallen, liebſter Morig, und ich weine über unfer Schickſal, und fehe auf die Hand, die allein auch bie allgemeinen Schidfale der Sterblihen lenkt, ſtrafend und gütig. Nunmehr werben Sie Sachſen nicht fo balb feyen mögen, und id werde Sie nicht fo bald zu fehen wünfchen; denn follen Sie ein Zus ſchauer unfers Elends feyn?

Ich bin von allen Geiten beängftiget. Schon einige Monate vor Michaelis Tieß ich mich gezwungen in eine Autorarbeit ein, wie Sie aus ber Beylage fehen werben; und erft geftern ift meine Arbeit, aber nicht meine Sorge, geendiget. Hier haben Sie alfo meine vermifchte Schriften. Lefen Sie erſt die Vor— rebe, liebſter Graf, ehe Sie das Merk leſen, und fo bald Sie es gelefen haben, fo ſchreiben Sie mir Ihr Urtheil. Ich bin von allen Seiten geängfiget, habe ich vorhergefagt. Ueber bie allgemeine Roth habe ich eine im Haufe. Aber was quäle ich Sie mit der Erzählung meiner Noth? Um etwas zu thun, daß ich weniger trauriger werde, fu will ich diefen Winter meine geiftlihen Oden und Lieder ausbeffern, unb fie gegen Dftern unter dieſem Titel herausgeben. Gott fegne diefe Arbeit! fo thue ich gewiß etwas nügliches, das mich am Ende meines Lebens mehr erfreuen wird, ald alle meine übrigen

Arbeiten. Run fo leben Sie wohl und unauſhoͤrlich glädtiä. Dieß wünfdt und gönnt Ihnen mein ganzes Herz.

217.°) An 9. 8%. Freiheren von Eronegk.

e. d. 15. Rov. 1756. Liebfter Herr Baron, 5 Nach meinem Gewiffen zu urtheilen, fo habe ich Ihnen vor langer Zeit und zwar duch Hrn. Meifen geantwortet. Alleia es ift möglich, guter Croneck, daß ich mich irre, und in biefem Zalle bitte ich taufendmal um Vergebung. Da ich zeither ein Autor, ein Autor aus Zwang gewefen bin: fo habe ich eher Recht gehabt, einen Fehler der Correſpondenz zu begehn, als zehn andre, Aber wo ift denn das große Werk, dad Sie ebiret haben, Herr Autor? Es liegt in der MWeidmannifhen Hands lung gebrudt; und id; würbe Ihnen gern ein Exemplar ſchicken, wenn bas Porto nicht mehr ald das Buch Zoftete. Indeflen kraͤnkt es mi, daß Sie nicht einer meiner erften Lefer ſeyn Tonnen, da Sie es doch fepn follten; das Buch mag nun unter die guten oder böfen Bücher gehören. Leſen Sie ja bie Bor rede, che Sie das Werk ſelbſt leſen: Sie werben fonft nicht wiſ⸗ fen, was Sie aus mir machen follen. Ihr Oratorium hat Here Doled. Eins von Ihren Liedern hat mir vortrefflich gefallen. Doles hat fie auch. Ihr Dratorium iſt fiellenweife außerors dentlich ſchoͤn für die Muſik. Ihren Godrus erwarte ih, fo aud Ihre neuangelegte Tragoedie. Wie fchön ift es, daß ber fleigige und gefchidte Hofrath auch ein emfiger und glüds *) (Aus. dem Deiginal, "dab fich ie bes Siedtbibliothet zu Beip- dig befinbet,) 1 \

licher Dichter iſt. Ich elle Sie allen jungen Herrn zum Bey- fpiele auf, die nur für den Parnaß und nicht für die Welt zugleich ſtudiren wollen.

Die Laft meines Vaterlandes liegt wenigftens buch Mits leiden auf mir. Ad liebfter Baron —! Dennoch, da ich dieſes halbe Jahr etliche Gollegia weniger habe, bin ich ents fhloffen, gegen Oſtern meine geiftlichen Oden und Lieber heraus au geben, und fie binnen ber Zeit auszubeffern. Gott gebe, daß ichs aus gutem veblichen Herzen thue, wenn ich fie dem Drude überlaffe. Sylvia, ja ich glaube es. Aber die Betſchweſter in Berlin ift weit mehr Weberfegung. Der Chevalier d’ Arcq will gern gute Recenfionen haben. O ſchicken Sie doch ihm ober glei Wächtlern etwas. Meine Freunde haben mich unter ben öffentlihen Unruhen mit ihrem Beyſtande verlaffen. Ich bitte nicht für das Journal &tranger ald Journal, fondern für mein Waterland, damit nicht ſchlechte Werke noch ſchlechter vecenfirt werden. Empfehlen Sie mich Ihrer gn. Br. Mutter, Ihrem gu. Hrn. Vater, und grüffen Sie die Mitarbeiter des Freun— des, eines guten und nuͤtzlichen Wochenblattes, lieben Sie mich und leben Sie wohl. Ich bin ewig ber Ihrige

Gellert,

118. Sellert an feine Schwerer

e. d. 15. Rov. 1756. Hier folgen ein Paar Cremplare meiner vermiſchten Schriften, leſet die Vorrede, wenn Ihr wiffen wollet, wie es bamit zuges Gellert V. 14

gangen it. Ich Habe 150 Thaler dafür befommen, und es tft fee billig, daß ich der Mama davon ein Paar Thaler zu Holze fbide. Gin Gremplar folgt für den Mittelften. Es Eofket 36 gr. Diefes Gelb gebt an ein Paar Arme, ohne mich zu nennen. Ic babe geftern meine Andacht gehabt und zus gleich einen ſehr träben Tag; aber heute, Gott ſih Dank! bin ich heitrer.

Den Heren Buder grüffe ich Herzlich. Ich weis ihm wegen Geeei jetzt keine weitere Nachricht zu geben, als ich ihm in dem legten Briefe gegeben. Ich will es noch einmal mit ihm verſuchen, ob ich gleich fehr wenig Hoffnung habe. Aber genug, ich will es thun, um alles in ber Welt gethan zu haben. Mich bauert ber arme Water, fo oft ih an ihn denke. Gienge es denn nicht an, daß er in ein Amt als Schreiber gethan würde, wo ihm ber Actuarius auf der Seite füge, und ihm das gäbe, was er thun müßte. Gin Schreiber ift ein nothwendiger Menſch und unenblic, beſſer, als ein verborbner Student.

Lebt wohl. Gott erhafte bie liebe Mama’ und euch ale geſund und wohl,

6.

118. Un ben Freiheren von Erauffen.

&. d. 17,Rov. 1756. Hochgebohener Freyhert, Gnaͤdiger Herr Geheimde Rath!

So ſehr iche auch feit vielen Jahren gewünfchet Habe, Sie als meinen Gönner und theuerften Freund, von Perfon kennen

au

gu lernen, und fo viel mir auch einer Ihrer legten Briefe Hof- nung zu biefem Glüde gemacht: fo habe ich doch biefe Hofnung nie ganz faffen Lönnen, vieleicht deswegen, weil mich die Erfah— rung nur zu oft gelehret, daß meine liebſten Wuͤnſche unerfüllt geblieben find. Ihr Iegter Brief fpricht für diefe traurige Ers fahrung. Ich fol in diefem Jahre das Glück noch nicht haben, Sie zu fehen und Ihnen mündlich zu fagen, wie fehr id Sie verehre und Lebe! Und wenn werde ich biefes Wergnügen denn erleben? Wielleiht niemals! Run fo muß ich beflomehr fort- fahren, einen Dann ſchriftlich zu genießen, den ich perfönlich nicht genießen fol, und aus Verlangen einer nähern Bekanntſchaft das Vergnügen bed Umgangs in Gedanken nicht verfäumen. Sie haben abermals, theuerfter Herr, meiner Mutter bie beftimmte Penfion auszahlen laffen, und diefe wird Ihnen vielleicht zu eben dee Zeit, da ich dieſes ſchreibe, ben Dank im Herzen abftatten, dem fie Ihnen zeitlebens vor fo vielen andern Großen, bie nie an fie gebadht haben, fehutbig ift, und den fie gewiß noch in das andere Leben fortfegen wird. Sie hat Geſchwulſt feit einigen Monathen bekommen, und ich fürdte ihr nahes Ende. So fehr mich aber ihr Tod bey der erften Nachricht betrüben bürfte, weil ich fie zärtlich liebe, fo Hoffe ich doch meinen Schmerz bald durch den Gebdanken zu befiegen, daß fie glücklich geftorben, und nur vor mir hergegangen iſt. Ich fol Ihnen bie bemuften Mas nuferipte zurück ſchicen? Aber verzeihen Sie mir, Theuerſter Here und Freund, ich habe fie nicht. Sie haben mir felbft ein—⸗ mal bad Recht ertheilet, fie zu behalten. Den größten Theil davon befiget der junge Graf Morig von Bruͤhl, der vor etlichen Jahren hier unter meiner Anführung ftubiret hat, und jept in Paris. bey der Sähfiihen Geſandſchaft ſich aufhält. Kömmt er bald zurück, fo weis ich, daß kein Blatt von bem, was er hat, verlohren iſt. Ginen Theil, wo ich nicht fehr irre, habe ich ſchon vor langer Zeit dem Heren von Red auf fein oder Ihr Wers

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langen zugeſchickt. Ich will mit naͤchſter Gelegenheit an den Grafen nach Paris fchreiben.

Jetzt bitte taufendmal um Wergebung unb Züße ber Frau Gemahlin mit größter Ehrerbietung bie Hand; ber ich zeitlebens das Vergnügen Habe zu ſeyn

Ewr. Hochgebohren "gehorfamfter und ergebenfter Diener und Freund ©. 5. Gellert.

2130.) Au den Grafen von Brühl,

[E. aus der erften Hälfte des J. 1756.]

Ich wage es Ew. Excellenz eine Nachricht zu ertheilen, ohne ‚einen Beruf bazu zu haben, Allein wenn id; auch einen Behler begehe, fo find Sie body viel zu gnäbig, als daß Gie mir einen Zehler, der aus einer guten Abſicht herflieht, nicht vergeben ſoll- ten. Der Minifter von Muͤnchhauſen fucht vom neuen bem hiefigen Prof, Ernefti nah Göttingen zu ziehen. Man bietet ihm bie Kanzlerſtelle an, man verfpriht ihm ungefähr 2000 Rthir. und, wo ich nicht irre, aud bie Doctorwürbe im ser Theologie. Ich ſtehe mit diefem Manne in keiner Berbin-

®) (Heöperu, 1825. No. 267. An den Minifter von Beäht. 3.4. Erneſti erhielt das durch den Tod bed Prof. Rapp erie⸗ digte ordentlihe dehramt der BVerebfamkeit, und disputirte pro Noco in ber philof. Bacultät d. 24. Juli 1756. Doctor ber Xheologie warb er b. 21. Det, deffelben Jahrs ©. die Neuen Beitungen von Gelehrten Sachen. Leipz. 1756.)

bung, und ich gewönne vieleicht für meine Perfon, wenn er wegginge. Allein aus Liebe zur Wahrheit und aus Achtung für unfte Akademie muß id geftehen, daß wir einen ber gelehrteften, brauchbarften und fleißigften Männer verlieren würden, wenn er mweggehen follte. Genie, Wiflenfchaft, Arbeitfamkeit, ein belebter Vortrag, eine fhöne und fehr denkende Schreibart, eine große Kenntni der alten Sprachen und Werke find feltene Eigenſchaf⸗ ten eines Gelehrten. Diefer Dann hat vor einigen Jahren Doctor der Theologie werben wollen und man hat es ihm abges ſchlagen. Nunmehr bietet ihm eine fremde Akademie die erfte und vornehmfte Stelle an. Darf ich frey reden, gnäbigfier Graf und Kerr, laffen Sie lieber ſechs ſolche Leute, wie ich und meis nes Gleichen aus dem Lande gehen, als einen Erneſti. Einen Mann, ber zwey⸗ bis dreyhundert Studenten zu Zuhörern hat, wenn er über einen lateinifchen Autor lateiniſch lieſet, bey dem das Aubitorium zu enge ift, wenn er über das Reue Teſtament commentirt, bas ift vieleicht feit bem Melandthon in Wits tenberg und dem Gamerarius in Leipzig, nicht erhört. Möchte ich doch jegt ein großer Mann feyn, damit Ew. Ercellenz meinen Worten trauen Fönnten. Doc) es werben beſſere Zeugen ba ſeyn, nad beren Ausfage Cie, gnäbigfter Graf und Beſchützer der Wiffenfchaften, unfrer Akademie die größte Wohlthat erweifen werden, wenn Sie den Prof. Ernefti nicht von und laſſen. Sc glaube, wenn er bie Anmweifung auf eine theologiſche Pros feflue ober auf die Kappifche, wozu er ſich auch vortrefflich ſchict, erhielte, bap Göttingen und ihn nicht nehmen ſollte. Gebauer, Gesner, Käftner und endlich Ernefti das wäre zu viel.

Ich fühle am (Ende meines Briefes erſt bie Verwegenheit, bie ich begangen habe. Allein, ba id; mic bey berfelben Zeines GEigennuges, Feiner Partheylichkeit bewußt bin, da ich bloß aus

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Gewiſſen und Pflicht kühn geweſen bin, fo fürchte id von Ew. Excellenz auch keine Ungnade.

Ich verharre ꝛc. Gellert.

121. cs) e. 1756,

Mademoiſelle,

Meine Freude über Ihren Brief iſt erſtaunend groß, und id weis nicht dankbarer zu fepn, als dab ich Ihnen dieſes aufride tig geftehe. Heute erhalte ich ihn, und am eben bem Tage ber antworte ih ihn, Dieſe Eilfertigkeit im Antworten ift mir wes der natürlich, noch wegen meiner abgemeßnen Stunden ganz erlaubt; darf ich fie alfo ald einen Beweis anführen, wie ſeht mir Ihr Brief muß gefallen Haben? Ja, meine liebe unbekannte Breundinn, er Hat mir nur gar zu fehr gefallen, und Sie fahteis ben weit beffer, als Sie ſich zutrauen, und als viele von Ihrem Geſchlechte niemals werben ſchreiben lernen. Ihre Furchtſamkeit iſt eine Tugend, fie vergrößert Ihre Geſchicklichkeit in meinen Augen, und giebt Ihrer Schreibart eben bie gefallende Biene, welche die Beſcheidenheit einem ſchoͤnen Gefichte zu geben pfleget. Ich will Ihnen diefe Tugend nie, weder durch meine Ermuntes zungen, noch durch meine Lobſprüche, rauben. Ich liebe fie, weil fie mic ziemlich natürlich iſt. Alfo erlaube ichs Ihnen auch, daß Sie bey Ihren Berfuchen fo lange an Ihrem Genie ober an Ihrem gehabten Glücke zweifeln mögen, bis R** und bie, welche ihm gleichen, es Ihnen bekennen. Gelehrte Frauenzim⸗ mer braucht bie Welt, denke ich, nicht fehr; aber ein Frauenzim⸗ mer, bad, gleich Ihnen, fi durch das Lefen guter Bücher den Berſtand, bad Herz und ben Geſchmack bildet, if ihrem Haufe,

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! ihren Freunden, einem vernünftigen Wanne, Vergnügen, Gläd und Ruhe. Sie wird ſchreiben, ohne ihre andere Pflichten zu vergeffen, und dadurch, daß fie gut zu denken weis, wird fie ihren übrigen Verrichtungen, auch ben geringern, noch einen ges wiffen Reiz, und ihren Tugenden eine größre Anmuth geben. Sie alfo, meine neue liebenswärbige Kreunbinn, zur Fortſetung im Leſen und Gchreiben zu ermuntern, halte ich für meine pflicht, und danke es Here R**, daß er mir bie Gelegenheit dazu gegeben hat. Ich bin mit ber größten Dankbarkeit und Hochachtung ıc.

G.

122. (36.) Morig von Brühl an Sellert.

Paris, d. 12. Yan. 177.

Mein liebſter Profeffor,

Wie lange iſt unfer Briefwechſel nicht unterbrochen gewefen, und was für beträbte Hinderniffe haben ihn unterbrochen! Es iſt ohngefähr drei Wochen, daß ich Ihren Brief nebft der Bey⸗ Sage erhalten. Er hat mir feit vier Monaten bie erfle anges nehme Rachricht aus Sachſen ertheilt, nämlich die Nachricht vom Ihrer Geſundheit. Wie oft habe ich nicht an Sie gebacht, wie oft bin ih um Sie befümmert geweien, und wie oft habe ich Sie nicht bebauert! Es ift in der That ein Zufag zu dem Schmerze, den ein jeder Patriot empfinden muß, ein Zufhauer bes Unglüds feiner Freunde und feines Waterlandes zu ſeyn.

Doc) ich will Sie nicht Länger mit einem Gegenftande unters halten, der uns nur leider ſtets alzugegemmärtig iſt, und an den wir noch denken werben, wenn er lange nicht mehr gegenwärtig

fegn wird. Die Unfierheit ber Poſt und ber Mangel an Ges legenheiten haben mir niemals erlaubt, binnen fo Langer Beit nur Einmal an ie zu fhreiben. Cie können leicht denken, wie nah mir biefe Beraubung gegangen ift; und ich war eben Ihrents wegen in ber größten Unruhe, als Ihr Brief ankam, und mid aus dieſer Beforgniß zog. Ich könnte Ihnen alfo niemals genug dafür, bloß als Rachricht betrachtet, danken, ſelbſt wenn Sie ihn auch nicht mit einem, mic fo angenehmen Geſchenke begleitet hätten. &o undankbar biefe Arbeit für Sie gewefen feyn mag, fo nüglih wird fie für den Geſchmack und befonders für alle junge Dichter feyn, bie ihre erften Werfuche ſchon für Meifters ftüde Halten. Sie erfreuen mich unendlih mit der Hoffnung, Ihre geiftlichen Oben balb zu fehen. Wie ſchoͤn mäffen fie nicht ſeyn! Vieleicht ift das bie einzige angenehme Zerftreuung, bie Ihnen bey biefen traurigen Umftänden übrig bleibt; und wie angenehm wirb fie nicht für die vernünftige und tugendhafte Belt ſeyn!

Itt, mein lieber Profeffor, muß ich Ihnen eine ber feltfams ften Begebenheiten erzählen, die Ihnen vielleicht bie öffentlichen Nachrichten ſchon werben gemelbet haben. Am fünften biefes, bes Abends um halb ſechs Uhr, hat ein Menfch, Peter Damiens genannt, aus ber Provinz Artois gebürtig, die Frechheit gehabt, dem Könige von Frankreich zu Verſailles einen Stoß mit einem Meffer in bie rechte Seite zu verfegen, mit dem Vorſatze ihn zu ermorden. Die Wunde iſt zum Glück nicht gefährlich. Sie koͤn⸗ men ſich leicht vorftellen, wie groß bieBeflürzung und bas Schre⸗ den über dieſes Unternehmen ifl. Man weis nod nicht, wen man: für ben Anftifter diefer entfeglihen That halten fol. Der . Thaͤter ift gefangen und wird in einigen Tagen nach Paris ges bracht werben. Hier haben Sie nun die Nation, bie ihren Kö— nig fo übermäßig liebt. Welche hat fonft Kavaillacs und Gier ments erzeugt? Dieß Ieptere Werbrechen wird ein großer Flecken

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in der Geſchichte dieſes Volke und befonders in dieſem Jahrhun⸗ derte bleiben, Wie fruchtbar ift nicht unfere Zeit an entfeglichen und abſcheulichen Begebenheiten! Wie fehr beweifen fie nicht ben Srunbfag, daß die Menfhen zu allen Zeiten und in allen Ums Händen nod immer Menſchen bleiben! Leben Sie wohl, mein liebſter Profefior. Der Himmel gebe, daß ſich unfere Berfaflung bald ändere! Ich bin ewig Ihr 8.

123.°) Rabener an Gellert,

Dresden, d. 18. Ian. 1757.

Mein liebfter Freund,

Um mid; wieber aufgumuntern, will ich mit Ihnen reden; was machen Gie mein guter, befter Gellert? lElegien ] Hum! Ein Phis loſoph wie Sie, das wäre ſehr unexemplariſch, wenn er ſich bie gegenwärtige Roth zu fehr niederfchlagen lieffe. Aber gefund find Sie doh? Das will ich Ihnen rathen, denn ich bin fehr gefund, und kann e6 nicht leiden, baß meine Freunde krank find.

Mean verfichert mih, daß der König von Preußen Befehl gegeben habe, Ihnen Ihre Penfion richtig auszahlen zu laſſen.

©) (Diefer und der folgende Brief aus: Babenerd Briefen, heraudg. d. Belße, ©. 247 fl. u. ©. 280 f. Beide Briefe aub, als No. 3 u. 4, in den Segẽ Briefen von Gelert und Mabener (Berlin 1770; zuerſt wohl 1761, dann 1763 ohne Vorwiſſen Berf, aud ungeneuen Abfäriften gebrudt) mit einigen Bus

fügen, die Hier in Klammern eingefäloffen find.)

as

Wie groß am mir unfer Feind, ber König, in dem Augendlie vor, als ich biefes hörete; wor Wergnügen vergaß ich, daß er mir felöft meine Berolbung zurück halten laͤſſet.

Haben Sie etwan auch gehöret, daß ich in Preußifche Dienfte sehen werbe? Hier fagen es unfer Bof und bie Stadt. Aber Hof und Stadt fagen ein Märchen. Ich würbe es am wenige ften igt thun, ba ein folder Entſchluß mehr eine Defertion, als eine erlaubte Verbefferung meiner Glüdsumftände fcheinen würde.

ber ich will Ihnen ben Schlüffel“ zu biefem Näthfel geben. Ich Habe hier fehe viele Bekanntſchaft mit Preußiſchen Officieren und Beamten gemacht, weil ich bey vielen ein vernünftiges Be— tragen, einen feinen Gefhmad, eine gute Beleſenheit und ein. vebliches Herz gefunden.

Ich bin bey dem Prinz Heinrich länger als eine halbe Stunde gewefen, und bin mit wahrem Wergnügen bey ihm gewefen: Ich habe fo viel es der Wohlftand erlaubte, lebhaft mit ihm geftritten, da er bie deutſche Sprache und unfere itteratur wer nig fehäget; aber er fchäget Sie, mein guter Gellert, und dieſes macht ſeinen Fehler verzeihlich.

Er kannte ben Poeten Bellert; aber ich lehrete ihn auch den redlichen Menfehenfeeund Gellert kennen, und zu meiner Beloh: nung fagte ich ihm trogig, daß eben biefer Gellert mein ältefter Freund ſey; denn auch bey Prinzen thue ich mit Ihrer Freund⸗ ſchaſt groß.

Sie können wohl glauben, daß ich als ein deutſcher Patriot mit biefem liebenswürbigen Prinzen gefprochen, unb ihm @in- würfe gemacht habe, bie ihm unerwartet zu ſeyn fchienen. Die wichtigften Beweiſe hebe ich für den König auf. Geit vierzehn Zagen ftehe ich mit dem Könige in Zractaten, wer Ihm mid vorftellen fol. Der Marquis b’Argens verlangt es zu thun, unb hat mid darum anſprechen laffen. Muß es denn eben ein Fran⸗ zoſe ſeyn, ber mitten in Deutfchland einen deutfchen Autor mit

einem beutfchen Könige bekannt macht? Wahrhaftig mein lieber Gellert das thut mir weh! Ich habe mich bey dem Marquis entſchuldigen laffen, daß ich durch feine Bermitkelung nicht würbe den König fehen koͤnnen, da ich nicht geübt genug fey, Branzds ſiſch mit ihm, und noch weniger mit dem König zu fprechen. Dee Baron von Gfocceji] ift dieſer Sache wegen unfer Abjutant.

Ich fand nöthig einen Brief zu ſchreiben, und mic darinne alfo auszubrüden:

Je suis bien fäche, Monsieur, que je sois trop alle- mand et Monsieur le Marquis d’Argens trop frangois, pour que je puisse profiter de Ia permission de rendre mes respects & ce scavant, d’autant plus estimable, qu’il est peut-£tre le seul de sa nation, qui permette à nous autres Allemands, d’avoir de l’esprit. Mais, au comble de mon malheur, je me vois par cette m&me raison tout & fait priv& de I'honneur, d’&tre pr&sent6 par Monsieur.le Mar- quis au Roi et de me jeter aux pieds de sa Majeste. Je Vous conjure Monsieur de menager l’affaire si bien, que Monsieur le Marquis ne me croie pas absolument barbare, Il faut &tre pr&cisement de mes meilleurs amis, pour me passer !’ennui, que je puisse donner par le Francois, que je parle; aussi suis-je trop discret, que d'y vouloir exposer Monsieur le Marquis. Voila Ia seule raison, qui m’emp&- che de me prösenter & lui etc.

Der Marquis b’Argens foll es alfo nicht ſeyn, welcher mich zu ben Füflen bes Königs legt. Der König ift fo gnäbig ſich meine Weigerung gefallen zu laffen. Er will (wird das wohl bie NRachwelt glauben? deutſch, deutſch will der groſſe Brieber rich mit mir reden. Hat wohl jemals Auguft mit dem Horaz in feiner harten Mutterfprache geredet? Wohl niemals; denn das Griechiſche war die allgemeine Sprache der Welt und bes

‚Hofes; nur ber Pöbel und bie traurigen Pebanten in Rom, fpras hen Latein. Alſo if die Sprache feft geftellet, in welcher der König mit mic deden will. Ich erwarte täglid feine Befehle, durch wen endlich biefe Borftellung gefchehen fol.

Wie freue ih mid), mit dem Könige zu reben? Wie viele gelehrte und witzige Brandenburger, fo gelehrt und witzig als Boltaire und Baumelle, wenigflens treuer und dankbarer als Voltaire und Baumelle, will ic ihm nennen, bie Er und feine Franzoſen nicht kennen.

Ich bin durchaus muthig, wenn es mir einfällt daß ich zum Beften meiner Mutterſprache dem tapferften und noch nicht übers wunbenen Könige biefer Zeit, (ach wäre biefee König nur nicht unfer Zeind!) den deutſchen Wig prebigen foll. [Aber ih weiß es ſchon, ich prebige den Brandenburgern eine Aergerniß, unb den Franzofen eine Thorheit.] Nun werden Sie es begreifen Tönnen, lieber Gellert, wie es möglich ift, daß man hier glaubt ich ſey in Preußifche Dienfte getreten. Das muß ich Ihnen noch fagen, daß vor einem Jahre ſchon der König ben Einfall in Potsdam geäuffert hat, mic in feine Dienfte zu ziehen, daß vielleicht bey feinem Hofftaate auch hier davon geſprochen wor— den ift, und daß viele von ben Preußen gewiß glauben, er werbe mir noch feine Dienfte antragen. Ich glaube es nit, ih wünz ſche es auch nicht, denn je gnädiger er dabey wäre, je verlegener würde ic} fegn, meinen Entſchluß zu erklären, ohne ihn zu beleiz digen, Im Ernſte wuͤnſchte ich mit dem Könige zu ſprechen, und auffer meinem beflen Könige, ift es von allen Königen nur biefer, und einer noch, die ich zu fprechen wuͤnſchte. Aber wann mir auch einfällt, wie man bier ſchon igt davon urtheilet, und was für einen nachtheiligen Eindruck es in Tünftigen Zeiten wie der mich machen Eönne: fo vergeffe ich meine Wünfhe, und werbe ſtumm, um nichts bitteres von biefer argwöhnifhen Den⸗ tungsart zu fagen,

Küffen Sie mich, guter Gellert, Tüffen Cie Ihren freund⸗ ſchaftlichen Plauberer taufenbmal; denn das ſchmeichele ih mir, daß Sie weder an ben Obriften Mannflein, noch an Ihre Oypo⸗ chondrie bie ganze Zeit über gedacht haben, als Sie diefen mei— nen langen Brief gelefen.

Noch etwas und zwar etwas fehr luſtiges; Zönnen Sie ſich wohl vorftellen, daß unfer @f[leim] den unerwarteten Einfall hat, eine Geſchichte des gegenwärtigen Krieges, und die neuen Stege feines Königes zu ſchreiben? @f[leim], der Menſchenfreund, ber Freund ber Freuden und bes Weins, unternimmt aus freyem Willen, einen blutigen Krieg, unb bie traurige Zerflörung fo vieler taufend Menſchen, bie auch trinken und ſcherzen und Lüfs fen tönnen, zu befchreiben. Durch feinen und meinen Freund, den Heren E* habe ich ihm fagen laffen, baß ich ihm dieſen graufamen Wig unter einer Webingung verzeihen würde, als unter biefer, baß er den ganzen traurigen Krieg in anakreontis ſchen Werfen beſchreibe, und feine Mordgeſchichte anftatt der Gas pitel in Trinklieder eintheile.

Sagen Sie mir, mein Freund, woher kommt ed, daß Könige fo gern Dichter zu ihren Herolden haben?- Wolleau, Racine, Voltaire, drey Dichter; und unſer Glleim], ber taumelnde @fleim], die follen für bie Rachwelt Zeugen ſeyn; Zeugen in Sachen, bie fie ſelbſt nicht glaubten, vor benen fie felbft erzitterten!

" Warum verlangen bie Könige nicht mich zu ihrem GHerolbe? Aber vielleicht fürchten fie ſich, daß bie hiſtoriſche Lobfchrift ihrer unſterblichen Thaten ber fünfte Theil zu meinen Satiren werben möchte. &sben Sie wohl, mein fliller, friedfertiger, mein befter Gellert ıc.

Rabener.

Gellert an Rabenen le. Ian. 1757.] Mein befter Freund!

Penfion? gurer Rabener, nein, es wirb mir keine aus⸗ gezahlet; ic habe auch ohne die geringfie Unruhe, meine Quit⸗ tung, die mir von Meißen zurück gefchit wurde, in mein Pult gelegt; das kraͤnkt mich nicht, ob es mich gleich nicht erfreuen kann.

Könnte ich meinem Waterlande ben Frieden, und beffere Beis ten durch den Verluſt von hundert Thalern jährlich erkaufen, id, der ich, fo bald ich nicht mehr arbeiten Tann, aud nichts mehr habe; o, mit Freuden!

8** hat mir buch ©** **) ben Antrag thun Laffen, ob ich mic zur Erziehung bes Kronprinzen wollte brauchen laſſen ? Aber mein liebfter Freund, fo Tange ich nicht wegen meiner notpbürftigen Erhaltung gebrungen bin, mein Baterland zu vers laſſen, fo will ich glauben, daß ich eine Pflicht habe, auch in einem unglüdlichen Baterlande zu leben; fo denken Gie auch; ja denken Sie ewig fo, wenn es möglich ift. Sachſen verlieret (dieß kann unb muß ich fagen) zu viel mit Ihnen; einen Dann für Geſchaͤffte, für den Staat, einen Autor! Sie müffen unfer bleiben.

Bey mir hat es wenig Gefahr. Halb frank, an bie Stube gewöhnt, wahrfcheinlicher Weife nicht lange mehr zu leben be= ſtimmt, nur für einige junge Leute gut! D, ich kann bleiben wo ich bin, und mein Wunſch ift bie Einſamkeit, das and und noch ein gutes moraliſches Buch nach meinem Tode.

Sie ehren mid, wie ichs verbiene, wenn Sie bem Prinz Heinrich fagen, daß ich Ihr ältefter und befter Freund bin; und ich würde Ihm zu meinem Anfehen eben das gefagt. haben.

*) (©. die Anmerkung zum vorigen Briefe.) °) (Wernftorff durch Eramer; vergl. No. 126.)

Sa, daß Sie, Gärtner, Gchlegel, Cramer, Gifele meine Sreunde gewefen , biefes fehe ich als meine Glüdfeligkeit des Ber bens an; biefes foll mir bey der Nachwelt fo gewiß Ehre, Ber weis meines guten Herzens, Sicherheit meines Gefhmads ſeyn, als es Racinen Ehre ift, daß Boileau und Moliere feine Freunde gewefen: Unfere Periode, die itige, wird in ber Litteratur ber Deutfchen nicht weniger merkwürdig ſeyn, als es ber Zeitpunkt des Boileau im Franzdfiſchen iſt.

Gehen Sie immer zum Könige, Gr foll Sie fehen und bes wundern; ich will haben.

Ich verlange meine Penfion nicht, aber Er foll Ihnen geben, was Ihnen von Rechtöwegen gehöret; Er fol beffere Gedanken von den Deutſchen und unter biefen von ben Sachſen, in Anfes hung des Witzes bekommen, unb Sie follen ihm flatt aller Des monftration feyn, und follen ihm, wenns möglich ift, den Geiſt des Friedens einflöfen und meiner Burchtfamkeit. Aber laffen Sie fid durch nichts feffeln! [ueber Gleims Unternehmen ärgere ich mich.] Leben Sie wohl, ftets wohl, ich bin Ipr guter Freund

Geltert,

185. (s7.) un ben Grafen Morig von Brühl.

\ 8. 6.1. März 1754. iebfter Graf,

‚Heute, den erſten März, erhalte ich Ihren Brief vom 12, Ja⸗ nuar, den erften Brief feit fechd Monaten. Traurige Epoche! „und warum färeibt Morig nichts? Gr vergißt dic nicht, „das ift gewiß; aber follte er unglüdlich genug feyn, ſich ſelbſt

einige Beit zu vergeffen? Eben fo wenig. Und warum ſchreibt » „ee doch auch nicht eine Zeile?” So habe ich mitten unter der Noth meines Waterlandes oft zu mir gefagt. Gndli kam Ihr lieber Brief, und aus dieſem Briefe weis iche ficher, daß Ihr Herz noch das vorige gute ebelgefinnte Herz iſt, und ich fegne &ie, wie ber Water feinen entfernten Sohn, mit Thränen ber Freude. Meine vermifchten Schriften, liebſter Morig, find für unfee jungen Sandsfeute gewiß ein nüglihes, wenn gleich nicht für die Welt das angenehmfte Buch. Und meine Dbden unb Lieber, an denen wirb bereits gebrudt, und in vier Wochen, hoffe ich, find fie in Ihren Händen. Neuigkeiten: Profeſſor Sloͤckner, der wackre Mann, ift vor drey Wochen zu Mittage, gleich bey dem Schluſſe eines Golleglums über das Evangelium Johannis, vom Schlage gerühret worben, unb gegen Abend geſtorben. Ich bin etliche Stunden vor feinem Gterbebette ges wefen; aber er war unb blieb empfindungslos und ſchlief fanft ein. unſer Vaterland? Ich will ſchweigen unb beten.

Leben Sie ewig wohl! je ewig wohl ®.

1826. (15.) An benfelbem

Den vorhergehenden Brief vom 1. März begleite ich mit einem noch Zürgern vom 28, März. Herr Reich geht nah Frankfurt und verfpricht mir, von ba aus bepfolgendes Packet nad Paris fiher zu fhaffen. Sie erhalten in bemfelben ein Exemplar meiner geiftlihen Oden und Lieber. O wie werde ih mid, erfreuen, wenn Sie diefe Lieber mit Ihrem Veyfalle und zuweilen mit einer Ihrer fcommen Empfindungen belopnen! Gott gebe es!

Daß wir igt viel leiden, daß ich und hundert wadere-Beute Teine Penfion mehr bekommen, daß unfere Univerfität täglich mehr abnimmt, o das verficht ſich. Ich Eönnte, wenn ich wollte, nach Copenhagen gehn, wo man mid bey ber Erziehung des Kronprinzen zu brauchen gedenkt; allein ih, der ich bald vierzig Sabre alt, meines Lebens oft müde, zu vielen Verrichtungen gar nicht mehr lebhaft genug, und der Cinſamkeit gewohnt bin, werde nicht gehn. Aber wenn Sie wieder in unfer Vaterland zurüd Tommen; fo will ich mir auf einem Ihrer Büter einen Play der Nuhe und des Grabes ausbitten. Gay, der englifche Babels dichter, Liegt in den Gräbern ber Könige zu Weftmünfter; und GSellert ruhe, felig geftorben, in Martinslichen! Leben Sie weht,

®

187. un Borswarb,

2. d. 21. März 1757.

Gndlih kommen meine Lieber, und fordern nad Ihrer Gris tte, auch Ihren Beyfall. D wie glüctic werde ih fepn, wenn fle fo guten Hergen, als das Ihrige if, als Ihrer Gemaplinn ‚Herz iſt, gefallen und dann und wann es rühren! Dies wüns ſche ih mir; dies gebe Bott, und laſſe «6 für mic einen füßen Gedanken, wo nicht igt, doch künftig fegn, daß ich für Die Mes Ugion gebiätet habe. Es war meine Schuldigkeit, da er mic Das Genie dazu verliehn. D wie wenig habe ich noch getan! Seſen Sie, und wenn Sie mit mir zufrieden find; fo laffen Sie mich Ihren Beyfall nicht lange entbehren, Der Verleger wich Herr Saden ein Gremplar ſchicken. us arte jet igen

Gellert V. u

Umftände? Laffen Sie uns einen Vorhang baräber ziehn.

Nur Friede! Friede! Leben Sie wohl mit Ihrer Freundinn und

der meinigen. Ic liebe Sie, und bin beftändig ber Ihrige. G.

128.) RNabener an Gellert. Dresden, 6. 25. März 1757.

Wie befcheiben find Sie, mein liebfter Gellert, daß Sie meir nen Beyfall ald einen Theil der Belohnung für Ihre frommen Gedichte anfehn wollen. Sie haben ihn ganz, biefen Beyfall, den Ihnen keiner von Ihren Lefern verfagen wird, welcher nicht fo unglücklich ift, ein Feind von Religion und Wige zu ſeyn. Bieher Habe ich Sie, als meinen beften Freund, aufrihtig und gärttich geliebt; ich habe nicht geglaubt, daß meine Achtung für Sie noch Höher fteigen koͤnnte, als fie war: aber fie ift in der That noch um einen ziemlichen Grab höher geftiegen.

Siebensiwärbig find Sie mir allegeit gewefen, aber nun find Sie mir auch ehrwürdig. Ich nehme biefes Wort in feinem weiten und prächtigen Umfange, ben es hatte, ehe man es noch an viele Thoren verſchwendete, bie Feine Worzüge vor dem Pöbel haben, ats bie Kleidung.

Sie dürfen keinen Augenblid zweifeln, daß Sie mit biefen Ihren frommen Gedichten erbauen werben. Die Erbauung wirb doppelt feyn, ba die Welt Sie bereits auf einer fo vortheilhafs ten’ Seite Eennt, Durch Ihren Wig haben Sie bie gerechten Borurtheile des Publich gewonnen, welches nichts anders, als

*) (Babenerd Briefe, herauss. v. Weife ©. 259 f.)

a

etwas lehrreiches, tugendhaftes und vollfommenes erwartet, fo bald es Ihren Namen erblidt. Wie vortbeilhaft wird nunmehr biefes Zutrauen der Welt für unfee heilige Religion ſeyn! Ihre Fabein und Eehrgebichte Haben die Leſer zu denen erhabenen Ges danken vorbereitet, die fie nunmehr in Ihren geiftlichen Liedern finden. Verehrer ber Religion werben mit biefen Gedichten ben 2eichtfinn bererjenigen beſchaͤmen, welche glaubten, daß ber Witz nur zu einer eitien Beluftigung gut fey. Unb biefe Leichtfinnts gen müffen die Religion lieb gewinnen, da fie ihnen in einer fo angenehmen und reizenden Kleidung vorgeftellt wich,

&o glüctid find die Folgen, mein redlicher @ellert, bey denen, bie Ihre Schriften lefen, ohne Sie genauer zu kennen; mas werben Sie nicht erſt bey demenjenigen würfen, bie Ihr gus tes Herz Fennen? Diefen find ihre Wahrheiten doppelt über- geugend, da fie wiffen, aus was für einer reinen Quelle, aus was für einem guten Herzen alle diefe Wahrheiten herfliepen, 3% Habe es Ionen fo oft geftanden, baf mir Ihe rechtſchaffe⸗ nes Herz noch fhägbarer ift, ald Ihr Wig: und hätte ich es Ihnen noch niemals geftanden, fo würden ie mir durch Ihre Lieder dieſes Bekenntnig nunmehr geroiß entreißen. Unmöglich Hätten Sie fo gut und lehrreich fehreiben tönnen, wenn Gie nicht biefe Heiligen Wahrheiten aus einer innern Uebergeugung gefchrieben hätten. Ic glaube, fcharffichtige Augen entbeden ben feinften Heuchler allemal unter der frommen Maske, hinter welz her er verborgen zu feyn wünfdt. Voltaͤre kann uns goldne Sittenfprüche predigen, Tugend uud Menſchenliebe in feinen Verſen vergöttern, und die Religion in tragifhem Pompe aufs führen. Er wird gefallen, aber niemals wird der Voltäre ers bauen, deſſen ungöttticher Leichtfinn, deſſen ſchmutiger Wit, deffen tieblofer Eigennug uns feine Sittenſprüche, feine Reime von Tugend und Menfchenliebe, und feine Religion verdächtig

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und doch empfinde ich aller dieſer Eraſthaſtigkeit eine Art bes Bergnägens, das id Baum empfunden habe, wenn ich ſcherz⸗ haft und fpottend an Sie ſchrieb. Mel ein vertreffticer Zeeund -find Cie! IA fühle ig ben ganzen Serth Ihrer Vreundſchaft. Ihnen darf ich Sachen vorfagen, bie ich keinem andern vorfagen würbe, da fie zu viel Aehnliches von einer Scähmeicheley haben: Aber Sie, guter Gellert, Sie kennen Ihren Babener, der nicht gern beleidigt, aber noch weniger ſchmeichelt. und wenn ich Ihnen fage, daß Sie meinen Beyſall haben, daß Sie bie Welt gewiß erbauen werben, und daß Sie alle Lefer von Ihrem guten Herzen überzeugen; fo fage ich Ihnen eine Wahrheit, die Ihnen meine Freundſchaft und mein Geſchmac— quidis find. Od ich Ihre Entſchliezung, nichts mehr zu fehreiben, billige? bdarüber will ich mich itt noch nicht erklaͤren: aber das will ich Ihnen geſtehen, daß ich hoffe, es fey nur ein flüchtiger Cinfal geweſen, wenn Sie mir melden, daß Sie nunmehr wünfchen, den Reſt Ihres Lebens auf bem Lande in einer guten Bamilie zubringen zu Eönnen. Berlaſſen Sie Ihr Amt nicht, fo Lange Sie noch Kräfte haben, den Geſchmack und das Herz ber Ju⸗ genb zu bilden. An Ihrem nothbärftigen Unterhalte wirb es Ihnen niemals fehlen; und ſchenkt Bott unferm Waterlande bie Stuhr wicber, fo werben ſich bey ber Univerfität gewiß folde Amftände äußern, bie Ihnen ein bequemes Austommen verfhaffen. Tauſendmal habe ich Schlegeln in Gedanken umarınt, datß er Sie bey Ausarbeitung Ihrer Lieder mit feiner Kritik fo feeundfchafttich geferkert hat, Mic großmüthie urtheilen Sie won diefen Geflkigksiten; aber Sie haben auch gewiß babıy gewonnen!

Damit id meinen Brief mit eben bem Wergnügen, und ber Gemüthärute ſchtiebe, mit welcher ich ihm angefangen habe; fo will ich von unfern hiefigen Umfländen nichts melden. Wann werben wir und wieder fehn? Wann werden wir uns in Ruhe forechen Binnen?

eben Sie wohl, mein wigiger, mein menfchenfreunblicer, mein feommer @ellert! Ich umarme Sie, und banke Gott, daß er mir Sie zum Freunde gegeben hat.

Rabener.

108. @ I. 9. Freiherr ». Eronegt an Bellert.

Anſpach, b. 21, Apr. 1757.

Liebfler Bellert,

Schreiben Sie die lange Verzögerung meiner Antwort auf Ihren lieben freundfehafttichen Brief dießmal keiner Racläffige keit zu. Ihr armer Cronegk hat in der That eine geraume Beit her viel ausgeftanden. Eine Mutter, ber ich meine Aufs erziehung, meine Art gu denken, kurz, der ich alles, was viel⸗ leicht Gutes an mir ift, mein Herz zu verdanken hatte; biefe Mutter habe ih verloren. Mein bejahrter Water und fein ganzes Hausweſen iR nunmehr meiner Gorge anvertraut, bie Gefchäffte meines Berufs nehmen täglich zu, unb doch find bie, ſchoͤnen Wiffenfhaften noch der Troſt meines Lebens. Wenn ich einen heitern Augenblick genießen kann, fo wende id ihn an, um an einem ZTrauerfpiele zu arbeiten, wovon ich Ihnen naͤchſtens dem erſten Aufzug ſchiden will, Meinen verbefferten Kobrus follen Sie auch nächſtens befommen. Nur Ihnen darf ich es geſtehen, daß ich die Schwachheit gehabt habe, ihn nach Merlin an bie

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Berfaſſer ber Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften zu ſchicken. Den Preis zu erhalten, ift weder meine Hoffnung noch meine Abfiht. Sollte es feyn, fo wird man in dem Zebdel, auf dem der Name bed Werfaffers ftehen ſollte, eine Bitte finden, bie zum Preife beftimmte Summe fonft auf eine den Wiſſenſchaften zuträgliche Art anzuwenden. Sagen Sie aber Niemanden etwas davon.

Ihre Lieber find gedrudt, dieß habe ich aus den Zeitungen gefehen. Morgen hoffe ich fie aus Nürnberg zu erhalten, und ich freue mich zum voraus darauf. Fahren Sie fort, liebfter Zreund. Deutfchland wäre Ihrer nicht werth, wenn es nicht, auch nach ganzen Jahrhunderten, einen feiner liebenswürdigften Schriftfteller verehrte. Wie viel Gutes werben Sie nicht ftiften, auch bey unfern Nachkommen! Zu wie vielen wahren, reblichen Empfindungen ber Religion werben Sie Anlaß geben! Wie ftolz bin id) nicht darauf, daß es mir erlaubt ift, mich Ihren Schüs ler, Ihren Freund zu nennen! Ich verlange es nicht, ich darf es nicht hoffen, der Nachwelt bekannt zu werben. Wenn fie nur einmal fo viel von mir fagt: „Cronegk lebte, er war ein „Schüler, ein Freund des vorteefflihen Gellerts" diefes in ber größte Lobſpruch, den fie mir geben kann. Ich umarme Gie taufendmal in Gedanken. Leben Sie wohl, Ich bin

She gärtlicher Freund, Sronegk.

130. Un Borchwar d. Bonau, d. 23. Apr. 1757.

Ich habe Ihren Brieſ nicht ohne Thraͤnen, und, damit ich alles ſage, nicht ohne Gebet, iefen koͤnnen. Schon auf ber

erften Seite legte ih ihn weg, und hob die Hände auf, und wuͤnſchte mit ganzer Seele, daß meine Lieder nur bie Hälfte,des Seegens, den Sie ihnen verſprechen, ftiften möchten, und mid nur der geringfte Theil ber Belohnungen, bie Sie mir fo reiche lich wünfchen, treffen möchte. O was ift es für ein Glüd, vechte ſchaffene und fromme Freunde zu haben! Rabener fohließt feinen Brief an mid, der ebenfalls meine Lieber betrift, mit einer Stelle, die mich, wenn id fo reben darf, beynahe vor Empfindung getödtet hat. Ich danke Gott, fagt er, daß Sie mein Freund find! Und ich, liebſter Borchward, danke Gott, daß Sie mein Freund auch find. Niemand unter allen meinen Freunden hat mich für meine frommen Gedichte fo ſehr belohnet, ald Sie und Rabener. Beyde Briefe, wenn fie auf bie Rache welt tommen, werben ihren Berfaffern mehr Ehre machen, als mir. Niemand konnte fie fehreiben, ald Männer von dem beflen Herzen, als Männer, bie ihren Autor, ben fie wegen feines ‚Herzens lobten, felbft an Güte des Herzens weit übertreffen. Ich habe Prof. Schlegeln in Zerbft Rabeners Brief geſchickt, außerdem würde ich bie Beſcheidenheit vergefien, und Ihnen fols hen hier beylegen, ald eines meiner größten Giegeszeichen. Und wenn nun meine Lieber erbaulich find; wie viel Dank bin ich Ihnen und Schlegeln und Gramern und Gärtnern fhuls dig, daß Sie mich duch Ihren Beyfall ermuntert, durch Ihre Gritiken unterflüget, und durch Ihr Anfehn vermocht haben, fie herauszugeben, ba fie nach meinem Plane erfi nach meinem Tode herauslommen follten! Schlegel in Zerhft, dem trefr lichen Manne, habe ich erflaunende Mühe mit meinen Liedern und mit meiner Unentfdließigkeit gemacht. Er hat fie wohl zu vier verfchiedenen malen burchlefen, critifiren, vertheibigen und verbammen müflen. Gr hat alle Aenderungen wieber burchlefen, wieber anfeinden, ober loben müffen. Und diefes hat er mit fo vieler Strenge, Aufrichtigkeit und Gcharflichtigkeit gethan, daß

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bafür banken werde. Gr hat mid bis zur Gute und bis zur Ohamacht oft getadelt, wenn ich lusdrucs bedienen darf. Kurz, liebſter Freund, von Zleifes und ber angewandten Weühe bin ich ſicher, Beyſall meiner Freunde mir mit Recht zugehört. MWelte ,. 16 hätte den Beyfaul meines eigenen Derzens und ber Abficht, in der ich wenigflens habe arbeiten wollen, eben fer, ober empfände ihn eben fo lebhaft! Gads und Buchholzens Lob!

D das if zu viel @lüd, fo viel rechtfehaffenen und groffen Mäe« mern auf einmal zu gefallen! Ich danke beyben durch Befcheie benpeit und Demuth, und bete für den legten in feiner ſaweren Krantpeit. Ihren Bergius umarme ih für bie künſtliche Brzube, bie er Ihnen und mir bey dem Cmpfang meiner Lieder gemacht. Darf ich das nicht auch in Gedanken bey Ihrer Gens tiette thun? Warum nicht? Ic küfle fie alfe aus Dankdar⸗ Weit und Jreundſchaft für den Antheil, den fie an meiner Arbeit nimmt, unb für die Erbauung, bie fie durch meine Lieber nach ihrem guten Herzen in ſich erweden läßt. Edie und gegen bie Neligion empfindliche Geelen durch geiftlihe Befänge zu bewe⸗ gen, tft auf gewiſſe Weiſe ein nothwendiges Häd, bavon der Autor fi nur den Meinften Theil zufreiben kann, wenn er auch nod fo ein guter Dichter wäre. Die Kraft der göttlichen Dadhrheit und das gute Herz bes deſers thum ba alles, wo ber Poeet auch noch fo viel zu thun feheint. Er hat ben Buhm der vollbrachten Pflicht, und ber Sieg ift eigentlich auf der erſten Seite. Aber body barf ſich der Dichter erfreuen, daß er feine pflicht mit Städt ausgeübt hat. Wielands Empfindungen Yaben, als Poeſie betrachtet, große Gchönpelten für bie Eindits bung; aber mein Gerz weigert fi, feine Sprache zu reden, wenn es mit Bett redet. Ihre Aufläge in dem Menfchen würde ich ſchon begierig gelefen haben, wenn ich in Ecipig wäre;

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aber. ich ſchreibe dieſes auf bem Lande, fünf Meilen von ber Stadt, wohin ich zur Ruhe geflüchtet bin, die ich auch bey dem beften Wirth und ber gefälligften Wirthin genießen würde, wenn ich mich feibft, oder meinen Körper nicht mitgebracht, ober anders zu reden, wenn ich den Schlaf mitgebracht hätte. Bey dem Mangel deffelben empfinde ich bie Annehmlichkeiten bes Frühlings und die Freundfhaft des Herrn von Zedwitz und feiner Gemahlin nur halb, und eile alle Tage wieber in Gebans ten nach meiner Einöde in ber Stadt. Alſo fol meine Freude niemald ohne Beſchwerung ſeyn, vermutlich zu meiner Demüs thigung. Ich Habe hier mir Ihren Brief gewiß verſprochen. Diefes Glüd ift eingetroffen. Aber ich habe mir auch Briefe von Sramern, Gärtnern, Ierufalem, verfprochen; biefes Sluck iſt nicht eingetroffen; vermuthlich zu meiner Demäthigung. Db mir Ihr König meine Penfion auszahlen laͤßzt? Rein. Aber dies hat mid, Bott weiß es, noch keinen Augenblid beunruhi⸗ get. Könnte ich durch den Werluft derfelben auf zeitlebens meis nem Baterlande Ruhe und Friebe wiebergeben, o mit Freuden wollte ich meine hundert Thaler fahren laffen. Die Vorſehung, die das Werk der Reglerung weistidh und gütig führet, wirb diefe Stürme zur Zeit, wenn es ihr gefällt, in heitere Tage für uns und fie, für Sreunde und Feinde, verwandeln; wenigftens mäffen wir fo hoffen, und beten, und mit Geduld uns allen Shidungen zu ergeben, arbeiten. Rabener bekoͤmmt eben fo wenig, als ih, und er iſt nicht ungufriebener, als ih, Er bat felbft einiges Wermögen. Run habe id Ihren langen Brief durch einen nicht kurzen beantwortet. Leben Sie wohl mit Ihrer Henriette und allen Ihren würdigen Freunden. Ich bin ewig Ihr Fieund und Diener ®

ı31.°) Rabener an Gellert. Dresben, d. d. May 1757.

Lieber Gellert,

Machen Sie mir doch hurtig und geſchwinde einen Informas tor nad bepgehendem Recepte. Sie werben finden, daß bie Bedingungen nicht zu verachten find; und da ich bie Ehre habe, den Herrn Kriegsrath wohl zu Eennen, fo kann ich Ihnen bie Berfiherung geben, daß er durch eine gute Aufführung biefe Bedingungen noch mehr verbeffern Tann. Ich glaube nicht, daß die Fähigkeiten und bie Arbeiten, bie man verlangt, die menſch— lichen Kräfte eines S. S. Th. Candidati überfteigen. Er muß allerdings, wie Sie fehn, ein Theolog feyn, denn der Water will, daß feine Kinder Religion haben follen. Halten Sie biefes, fo viel möglich, geheim, es möchte dem Vater an feinem Glüde und an feinem guten Namen Schaden thun, da er Kriegsrath, ein Hofrath und von Gefchlechte ein Ve iſt. Freuen Sie Sich nicht, lieber Gellert, daß, nebft dem Lateine, auch bie reine Mutterfprache gelehrt werben fol? Wie glüdlid iſt unfer Pros feſſor &*, daß er dergleichen Aergerniß nicht erlebt hat! Nur mit reimfreyen Verfen ſollen die Kinder nicht angeftectt werben; merken Sie das ja wohl. Klopſtocks Meffias Hat den Dlresdner] Hof und bie ganze Pfreußifche] Armee wider fi}: den erfleen, weil ihm bie Caſtraten nicht fingen Tönnen; und bie legtere, weil er ber Meſſias iſt.

Wie wird ber Herr Candidat mit dem Franzoͤſiſchen zu rechte kommen? Doc, biefes wird mehr des Informators, als ber Kinder, wegen verlangt, weil über Tiſche nichts anders gefpros hen wird, ald franzöfiih. Man wird es dem beutfchen Michel

®) (Babenerd Briefe Heraudg. v. Weiße ©. 263 f.)

vergeben, wenn er bafür nur weiße Wäfche unb eine gefittete Verüde hat. Ich glaube, dieſes beibes verfteht man unter der fitelihen Lehrart, fo, wie bie beliebte Lehrart ihre eigene Erklärung befommen hat.

Laffen Sie Sich, mein lieber Gellert, die Befchleunigung ber Sache angelegen feyn, und antworten Sie mir bald. Wäre es nicht eine Sache für den Herrn $**° ber fchon hier ift, und ben ich nicht wohnen weiß? Leben Gie wohl.

Rabener.

132.°) An 3.%. Freihberin dv. Eronege. e. d. 11. May 1757.

Liebſter Cronegk,

Ich beklage mit Ihnen den Verluſt Ihrer theuerſten Mutter und verehre das Andenken derſelben zeitlebens. Sind Sie ihr Ihr Herz und alles ſchuldig, was fie glücklich und ſchätbar madht, fo bin ich ihr einen meiner beften Freunde, meiner geifts teichften Freunde, fhuldig. Gott habe fie felig! und er hat fie felig. Immer opfern Sie ihr die dankbarſten Thränen. Cs iſt Liebe und Pflicht. Aber fie mäßigen, biefe Thränen, biefe ſchmerzhaften Empfindungen, ift auch Liebe und Pflicht. Troſt genug für Sie, daß fie werth war, zu flerben, und baß Sie werth find, den Kummer Ihres rechtſchaffenen Vaters zu lindern, und burd Ihre Sorgfalt fein Leben zu erleichtern. Daß Sie den Codrus nad) Berlin geſchickt Haben, ift mir fehr lieb,

=) (Kus dem Heperfihen Nachlaß. In der Sammlung von 1774 (Gr. 7) verkürzt und verändert.)

Biecleicht find biefe Herren fo dankbar und beurtheilen ihn bes ſcheiden, wenn fle ihn nicht Erbnen. Ich bin in ber Chat zu umgefhidt bazu; denn ich liebe Sie, und was von Ihnen koömmt, zu fehr. Meine vermifchten Gchriften gefallen Ihnen; und werum? ie lieben mid, Sie haben eine günftige Mcynung von mir, bie Sie zum Benfalle zubereitet, che Sie mich no leſen, und &ie vielleicht verführt, indem Sie mich leſen. Dens noch mag und kann ich Ihr Lob nicht entbehren; ja ich freue mid auf das, das Sie meinen Liedern ertheilen werden, mit einer herzlichen Sehnſucht. Nunmehr werben Sie biefes Werk wohl erhalten haben. Unfere igige Meffe if ſehr unfrucht⸗ bar; vielleicht zum Sluͤcke des guten Gefhmads. Was macht der Beine Herr Hirſch? Grüſſen Sie beyde freundſchaftlich von mir, nebft Herr uden. Der Ueberbringer dieſes Briefe, Hr. Bolkmann (aus Hamburg), der einige Zeit hier ſtudiret und mic gehöret hat, ein wadrer Mann, ift fehr begierig Sie ken⸗ nen zu lernen, und Ihre Gewogenheit zu verbienen. Geben Sie ihm Gelegenheit dazu, wenn ich bitten barf, und ſcheuken Sie mir ferner ale die Liebe, mit der Sie mich geither belohnt dar

ben. Ic bin ewig Ihr ergebenfter Gellert

138. (2) Morig ©, Brühl am Gellert.

Varis, d. 30. May 1757. Mein liebſter Profeflor, Ih bin Ihr großer Schuldner, Auf zween Briefe bin ih Ihnen bie Antwort ſchuldig. Mberden Cie mir verzeihen, ober

wieimebr, werde ich mie felb verzeihen? Doch igt will ich mich dies mit dem Wergnügen befihäfftigen, bas mic Ihre Briefe vers urſacht Haben, mit ber Dankbarkeit, bie ich barüber empfinde, und mit ber umausfpredlihen Freude, bie mic jede Verſicherung Svrer Liebe und Freundſchaft erwedet. Ihre Oben und Lieber Yabe ich gelefen und bewundert. Sie find überhaupt fhön, aber einige darunter find vortreffti. Möchte ich Ihnen doch alle bie Gmpfindungen ausbrüden Ebnnen, bie ich biefem Werke ſchul⸗ dig bin!

Werden Sie mir Gramers Beine Schriften und alle andern neuen deutſchen Bücher bald fhiden? ie konnen fih das Ver⸗ gmögen nicht vorftellen, das mir jebes deutfche Buch in Paris verurfacht. Es iſt ohngefaͤhr wie das Vergnügen, bas man über bie Ankunft eines feiner Landsleute empfindet, und Ihre Gchrifs ten unterfcheiben ſich bey mie von ben allgemeinen Empfinduns

"gen, welde gute deutſche Gchriften in mir erweden, wie fi ein Freund von einem bloßen Landsmanne unterfcheibet. Paris iR nicht fruchtbarer an guten Schriften, als Sachſen mitten unter ber Laſt und bem Gchredten bed Krieges, Man wird in einigen Zagen eine neue Tragoedie aufführen, Iphigenio em Tauride, eine Handlung, zu der Racine ſchon den Plan ents worfen hatte. Ich habe vor einigen Tagen von ungefähr mit dem Berfafler bed Glevelamb gegeffen. Es iſt ein angenehmer Mann, ber nicht ben Pehler ber meiften vermepnten wigigen Köpfe hat, bie ſtets reden und niemals zuhören. Der franzöffhe Big muß viel von feinem Blanze feit einiger Zeit verloren has ben; denn nach einer wahrhaft Liebenswärbigen Frau iſt nichts feltner, al8 ein wigiger Kopf, ber nicht durch fein vieles eben entweber beſchwerlich, ober Durch fein wichtig ftolges Stiulſchwei⸗ gen unleibli waͤre. Der Geiſt der Philoſophie, fo nennt man die Zrodenpeit und Armuth des Verſtandes, hat fat alle Ans muth und Leichtigkeit aus den Geſellſchaften vertrieben. Gin

jeder will it unterfuchen, erforfhen, und bie Quellen und bie geheimften Triebfedern von allem entbeden. Die Meynung, diefe Königinn der Welt, ift es indbefondere in biefer Stadt.

Wann werde ih Sie wieber fehn? Möchte es doch eher ges ſchehn, als ich es hoffe und vermuthen darf. Werben Sie mir bald wieder ſchreiben? Werdiene ich auch nach einer fo fpäten Antwort Ihre fernere Güte? Aber wer fieht bey feinen Wüns ſchen auf fein Werbienft zurück? Leben Sie wohl, mein liebfter Profeffor. Ich bin ewig

Ihr Bruͤhl.

124. 60.) - Derfelbe an benfelben.

Paris, d. 4. Jul, 1757.

Liebſter Profeffor,

Ih mus Ihnen doch billig eine Nachricht von dem Erfolge bes neuen Stüdes geben, von dem ic) in meinem legten Briefe geredet habe. Iphigenie in Tauris hat ben größten Beyfall erhalten, den nur immer ein Gtüd erhalten kann. Am Ende der erften Worftellung war das Parterre fo entzüdt, daß es mit Ungeftüm den Autor zu fehen verlangte; und ber gute Mann ift nicht mit Ginemmale weggefommen. Bey ber zwoten hat er ein ähnliches Schickſal gehabt; ein Fall, ber ſich noch niemals zugetragen, Ich wünfehte, daß Sie biefes Stuͤct fehen Zönnten, Sobald es gebrudt ſeyn wird, welches aber noch nicht fobald geſchehen wird, werbe ic es Ihnen ſchicken. Ich Eenne den Autor. Er ift ein junger Mann von fieben und zwanzig Jah⸗ ven, ein Freund ber Frau von Graffigniy, und fehr ſtill und beſcheiden. Die Scene ber Breundfchaft zwiſchen Dreftes und

PYilabes, die Erkenntlichkeit zwiſchen bem erſten und feiner Schwes fler, und bie Entwidlung oder vielmehr bie Gataftroppe find Meifterftüde, Ich möchte Ihnen gern einige Stellen anführen, wenn ich nicht befürchtete, meinen Brief zu fehr zu verlängern, Eine kann ich doch unmöglich vorbeylaffen, die als ein Exempel des Erhabnen dienen Tann. Pilades ift von Iphigenien zum Opfer erwählt worden, und Dreftes fol abreifen, weil fie lieber den Dreſtes retten will, als ben Pilades. Drefles, dem feine Vorwürfe, womit ihn bie Götter beftcaften, bas Leben felbft beſchwerlich machten, wendet alles an, feinen Freund zu bewe⸗ gen, ihn an feiner Stelle fterben zu laffen. Da ſich diefer gar nicht ergeben will, fo fpricht Dreftes: „Ich will der Priefterinn „erzaͤhlen, wer ich bin, und wen ich umgebracht habe, ich will nfie zwingen, mich aus Pflicht aufzuopfeen. Sollte fie aber alles „das nicht bewegen: nun gut, fo magft du ſterben; aber ich opfere „mich ſeibſt meiner Wutb auf;” und dann fagt er, indem er auf feine Hände fieht:

Si cette main balance, o terre entrouvre toi,

Et vous, qui m’entendez, o cieux, &crasez moi!

If diefer Gedanke nicht erhaben? Auch that er eine ſchreckiche Wirkung. Ich kenne kein Stüd, das mehr Schreden und Mits leid erweckt ald dieſes. Sie können leicht denken, daß keine Liebe darinnen ift, und dennoch intereffirt e8 vom Anfange bis zum Ende, und immer mehr, je näher man dem Ende Lmmt. Doc, genug von dem Stüde. Wann werden Sie mir doch alle neue deutſche Bücher fhiden? Scheuen Sie Keine Koften für mid. Kann man fein Vergnügen wohl zu theuer bezahlen? Vom Kriege? Nichts vom Kriege, liebſter Profeffor. Der Hims mel gebe und bald glüdlichere Zeiten! Leben Sie wohl. Brühl

135. as) [Un den Gommiffionsrath Wagner. °)] Bonau, d. 4. Sept. 1757. Biefter **,

Länger Tann ichs nicht aueſtehen, ohne zu wiffen, wie Sie leben. Die letzte Rachricht, bie mie &** von Ihnen gegeben bet, iſt traurig; aber chen beöwegen glaube ich fie nicht, ober mag fie doch nicht cher glauben, bis ich fie von Ihnen ſelbſt erfahren habe. replich werben Sie noch mict ganz gefunb feyn; aber bettlägerig, das fürchte ich auch nicht. Rein, wenige fens nicht fhlchter, als da fie ins MWab giengen, Diele if ungefähr mein Zuſtaud, unb ich hoffe, es foll ber Ihrige feyn, wenn id nicht alles hoffen darf, was ich Ihnen wünfche. Gchreis ben @ie mir alfo bald; denn mein Erilium wird mic, entfernt von meinen Freunden, alle Tage unerträglicher, und ich ſeufze fon nach ber Gtabt, bie ich vor ſechs Wochen nicht ungern verließ. So widerſprechend find die Wünfche des Hppodonbriften! Es fehlet mir hier auf dem Lande nichts, als daß ich nicht in meiner Ordnung, ſondern vielmehr ein unnüges Geſchoͤpf für die Welt bin. Ich bin müßig, ohne es feyn zu wollen, und Iefen, denke ich, iſt nicht viel beffer als Muͤßiggang. Endlich wer kann Iefen, wenn man alle Stunden mit neuen Rachrichten, fals fen und wahren, erſchrecket wird? Schreiben ja aud bad barf man nicht, denn wer Bann fehreiben, ohne zu Magen?

Sive pium vis hoc, sive hoc muliebre vocari;

Confiteor misero molle cor esse mihi,

Jeh liebe Sie und bin Ihr ergebenfter G.

) (Damals in Seiyzig; kam 1764 als Sch. Gammerrath nad) Dirk den, mo ex fpäter Geh. Sinangeath und eh. Rath wurde.)

186. (1s3.) uUnbenfelben

Bonau, d. 21, Sept. 1757,

Benn ber Dam, dachte ih, da ich Ihren legten Brief las, feine Berebfamteit bey bie gelernet hätte, ba$ wäre ein großer Lobfpruch für dich; aber wenn bu fein gutes Herz gebildet haͤt⸗ teft, das wäre ein unendlich größter, Er wünſchet nicht ängft- lich, gefunb zu feyn, fondern nur die Krankheit mit einem chrifte lichen Anftande und einem verſtaͤndigen Muthe zu tragen. Biſt du auch ſtets fo gut gefinnt? Er klaget in einem langen Briefe gar nicht, oder doch fehr verfhämt; und fein Kummer ift nicht die Schwachheit feines Körpers, fondern bie Mattigkeit des Geiſtes, den er immer zur Tugend ber Gelaffenheit angeſtrenget wiffen will. Wenn er auch barinne fehlet, daß er bas Uebers gewichte ber Geduld und des Muthes in feinen Zufählen ftets lebhaft fühlen will: fo iſt es doch immer der Fehler eines fehr guten Herzens; mit bem er bich befchämet, indem er ſich felber beſchaͤmen will. &o ungefähr dachte ih, mein lieber **, als ich Ihren lieben, guten Brief lad. Ich wünſchte Ihnen Ges ſundheit, Heiterkeit des Geiftes, und taufend kleine Gelegenheiten Gutes zu thun, weil Sie die größern igt nicht ergreifen koͤnnen. Bas Kann ich Ihnen heute, da ich biefes fhreibe, anders wüns fen? Und was ift mein Wunſch mehr, als eine natürliche Dankbarkeit für alle die Liebe, bie Sie für mich haben, und feit fo vielen Jahren für mic gehabt haben? Wirklich ift das mein eigenthümliches Glüd, daß fo viele rechtſchaffne Leute, um die ich mich nie verbient gemacht, meine Zreunde find, aber in ges wiffen Stunden ift eben biefes Gluͤck für mich bie größte Des müthigung; denn fol ich wohl glauben, daß ichs vor Andern verdiene, ober genug verbiene? Daß ich kein ganz mittelmäßiger Autor bin, o das gebe ich gern zu, wenn mirs bie Welt vors

Gellert V. 16

faget; aber der fromme Mann, fe den mich meine Freunde halten, lieber °°, o da macht .mein Herz taufend Ginwürfe, die aller Beyfall nicht widerlegen Tann. „Wie oft fehlt mir zum Guten ſelbſt der Wille!“

Für Ihre politifchen Neuigkeiten danke ich Ihnen nicht wer nig. Ich habe in vierzig Jahren nicht fo viel Beitungen gele— fen, ots feit vier Wochen; und es ift mir etwas geringes, in die Schenke nach Eeineweh zu gehn, und: da zu warten, bis bie Poſt anlömmt. Möchte doch ber Zag ber Öffentlichen Ruhe und das ‚Ende meined müßigen Erxils nit mehr fern feyn! Wie freue ich mid, Sie bald umarmen m innen! Leben Sie wohl. ®.

137. (ısa.) Yubenfelben

Bonau, b. L Rov. 1757. An Sie kann ich wieder fehreiben?*) O Bott, ber Allmäch— tige, ſey ewig gelobet, der mir das Leben von neuem geſchenket hat! Ich umarme Sie, theuerſter Freund, mit zitternden freu⸗ digen Händen, mit Thränen, mit brüderlicher Liebe, Freuen Sie fih mit mir; und danken Sie Gott mit mir; unb nehmen Sie auch den Dank von mir an, ben Sie durdy Ihren Beſuch in meiner Krankheit auf zeitlebens mir abverdienet haben. Bott fegne Sie und Ihr Haus, und Kaffe mich bald einen Beugen Ihrer Zufriedenheit feyn! Genug Für dießmal! Grüßen Sie meinen liebfien Heinen und ‘Heyern und vorher Ihre befle

Grau. Ich bin ewig Ihr ®.

) Es waren bie erfien Zeilen, die ex nah feiner Harten Krantheit {n Bonau wieber freiben konnte. D. Yeraudgeber 0.1774.

138.°) Bonau, d. 2.Rov. 1757.

eiebſter Bruber, Endlich kann ich Euch meine Beſſerung eigenhändig melden, meine Genefung von einer fehr ſchweren Krankheit. Wie groß {ft diefes Glück, und wie fol ich dem Herrn vergelten alle feine BWopithat, die er an mir gethan hat! Laffet Eure Freude Dank mit mir feyn und empfanget zugleih von mir, lieber Bruder! für all Euer Mitteiden und Eure Sorgfalt ben brüberlichften Dank. Saget ihn zugleich allen meinen Freunden. Meinet liebreichen Wirthinn und ihrem Gemahle bin ich taufendfache Verbindlichkeit fhuldig, fo wie ich ihnen tauſendfache Sorge und Weihwerung gemacht habe. An einem fremden Orte habe ich Ws gefunden, was ſich ein Kranker von Großmuth und Mit: Feden toänfchen Tann, und ich wüßte feinen Ort nad) Leipzig, wenn fd) einen zu melner Krankheit hätte wählen follen, als eben Bonau', wo ich nad Gottes Willen habe krank werben möffen. Run ift es mein Wunſch, nach Leipzig zurüc zu Beh: zen; aber meine Kräfte find dazu noch zu fhmach. Das ganze Bebtroigifche Haus grüffet Euch. Lebet wohl, lieber Bruder! Meldet unfrer Mutter meine Befferung. Auegegangen bin ich noch nicht, und mein Kopf ift fehr ſchwach. Lebet wohl. G.

) (Sellerts gawullenbriehe. Vermuthlich an den Dberpoſttom Ameir zu Leipzig.)

16°

139. (185.) [An den Eommiffionsrath Wagner] Bonau, b. 15. Nov. 1757.

Bie befümmert find Sie nicht um meine Geſundheit und Ruhe, und wie ängftfich werbe ich, daß ich nicht eben fo banks bar feyn ann, als Sie beforgt und liebreich gegen mich find! Ihr ganzer langer vortrefflicher Brief vom 11. November ift bie Geſchichte Ihrer freundfchaftlichen Empfindungen gegen mid und die Zortfegung Ihres Beſuchs in meiner Krankheit. So wie mich Ihr Beſuch geftärkt Hat, fo ftärkt mich biefer Brief. Gott, was wäre das Leben der Menfchen, ohne ben Troſt ber Freund⸗ ſchaft; und mie viel würde mir bey meiner Zurückkunft nad Leipzig fehlen, wenn ic nicht wüßte, dag Ihr redliches und großes Herz mit alfer feiner Liebe und feinem Werthe auf mid wartete! Ich höre Sie noch vor ‚meinem. Bette reden (denn fehen konnte Sie mein mattes Auge wenig), und füple ‚noch ben fanften Schauer eines freundfchaftlichen Kuſſes, ‚ben. Ih damals für den legten mic einfegnenden Kuß hielt, .. und eben Sie, liebſter **, den ich mehr zu ſehen nicht, hoffte, deſſen Stimme ich zum letztenmale gehöret zu haben glaubte, ſoll ich bald, von neuem in das Leben gerufen, in Leipzig ſehen, brüberlich umar⸗ men, und über den Namen Freund, nod den Ramen Gevatter von Ihnen Hören? Ich ſtarb, und fiche, ich Lebe noch. O ſey nun wieder zufrieden, meine Geele, denn ber Herr thut bir Gu— tes! So rede ich mich oft an, um Freude und Dankbarkeit in meinem Herzen zu erweden und zu erhalten. Wodurch foll ich doch meines neuen Lebens würdig werben, gnäbiger und allmäd- tiger Vater? Dadurch, ba ich noch beffer fterben lerne, Ja, liebſter Freund, Sie haben Recht; nicht ſowohl bie Hand meines gefchieten Arztes, als der Wunfd und das Gebet meiner

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Freunde, Haben mir bas Leben wieber gegeben; denn ich weis, daß meine beften reunde, Freunde Gottes find. Welche Glüds feligteit für mi und welcher Ruhm für meine Freunde, und befonders für Sie, theuerſter ⸗*l Ich mache Ihnen keinen obs ſpruch; aber ich Tann auch meine Empfindungen, um ben Ver— bacht des Lobes zu vermeiden, nicht zur Hälfte nur ausdrüden. Sie böten mir gern einen Wagen und Freunde, bie mich abhos len follten, an, wenn Sie meiner Gefunbpeit trauen koͤnnten? Und ich würde dieſes Anerbieten, als einen Ruf der Pflicht zus räd zu kommen, anfehen und ergreifen, wenn ich felbft ihr trauen konnte. In der That fammeln ſich meine Kräfte. Wirb bie Witterung guͤnſtig billigt es Springsfeld und Heine, laͤtt es meine beforgte gnäbige Wirthinn zu: fo hoffe ich mit Bott bald bey Ihnen zu ſeyn. Möchte doch die allgemeine Ruhe, wach der wir ſeufzen, deren Verluſt wir in biefer Gegend nur gar zu fehr empfunden haben, vor mir hergeben! Seit fehs Bochen, o ba habe ich viel erfahren! MWielleicht bitte ih Sie bald um einen Wagen; benn ich fürchte hier den Mangel ber Pferbe, und möchte doch gern vor der Nieberkunft Ihrer lieben Shriftiane bey Ihnen ſeyn; fie fegne nun Ihr Haus durch eine Tochter, ober einen Sohn, Wünfchen Sie ihr in meinem Ramen Gefundpeit und ben Heldenmuth einer Gebährerinn, bie da weis, daß fie Unfterbliche zeugt, für bie Melt und ben Hims mel zugleid. Die gnäbige Frau und ihr Gemahl verfihern Sie, liebſter **, aller Hochachtung und Ergebenheit, nebſt Ihrem ganzen Hauſe. Ich aber bin zeitlebens der Ihrige

G.

140. (a1) An den Grafen Morig v. Brühl.

Bonau, bey Weiffenfels, d. 18. Nov. 1757.

Liebfler Graf,

Baffen Sie fih mein Scicfal Hagen. Seit dem achtzebnten Julius bin ich außerhalb Leipzig. Erſt gieng ich wegen eimer Sälaflofigkeit und großen Trägheit des Geiſtes mit bem guten Blagner] ins auhhflädter Bad. Die erfte verlor ſich, aber ach! bie andere nicht. Rach drey Wogen verlieh ic daß traurige Bad, und fuchte meine Zuflucht in Bonau, um ba vom Bade @aszuruhen, und nach etlichen Wochen wieder in mein einfames ſchwarzes Bret zurüd zu kehren; aber dieſe etlichen Wochen find nun bis auf fünfzehn geftiegen. Anfangs verehrte mir die Burcht vor den Öffentlichen Unruhen den Rüdweg von einem Tage zum andern, und meine Freunde in Leipzig hießen mic auf dem Lande bleiben. Endlich kam eine noch dringendere traus tige Urfache, beven ich mich, fo ſehr bin fh Menfh, am wenige fen verfehen hatte. Ich mar in Gedanken nihts als Rüdreife, ich fchrieb fhon um einen Wagen, und achtete der broßenben Unruhen nicht weiter, als (ch den vierten Dcteber in Weinerech von einem plögfichen fanften Schauer überfallen wurde, dem mir unkennttichen Vorbothen einer gewaltſamen Krantyet. Ih noch mit Hunger an diefem Abende; aber faum wat ih nad Bonau und in mein Bette: fo kam Bige, uneeträglicher Kopf⸗ ſchmerz, und von ber Stunde an eine recht tödtliche Hinfälligs teit. Hier lag ich biß an ben dritten Tag ohne Arzt; denn ihm (Br. Springsfelden aus Weiflenfels) war der Weg zu mir durch den Krieg verfehloffen. Aber Gott, der gütige Water, wollte mich erhalten. Der Doctor, ber, vier und zwanzig Stunz den fpäter, vielleicht ohne Hülfe gelommen wäre, kam noch an

„bem age, ba bie Aber geöffnet werben durfte. (he er ankam, war fhon ein Balbier aus Naumburg, nicht für mich, nein, feit vielen Tagen von bem Kammerheren von Zfedtwig] auf einen Tas, wenn er wollte, verfehrieben, zugegen. Ghlüdticer Umftond! Warum fiel es diefem Wanne nicht ein, eher ober foäter gu Tommen? Der Doctor Eonnte alfo das einyige, obgleich gefährliche Hütfsmittel, die Deffnung einer Ader ohne Zeitverluft ergreifen, um einer tobenden Pleurefie zu wehren. Das Blut bewies ihm die Gewißheit der vermutheten Rranbgeit; ein ſchreck- liches harziges Blut! Diefes gefhah ben fiebenten Detober. dein ben 9.d. M. (oder ben fünften Tag ber Krankpeit) warb ich fo krank, daß ich mich meines Lebens bergab, und mir noch in der Racht das heilige Abendmahl reichen ließ. O liebſter Morig, was iſt der Schritt in die Ewigkeit für ein feyerlicher bebender Schritt! Welch ein Unterfcieb zwiſchen den Borſtel⸗ lungen des Todes bey gefunden Tagen und am Rande bed Gras bes! Welcher Held muß ba nicht zittern, wenn ihn nicht. bie Religion, gleich einem Engel vom Hinsmel, färtt? Ich dachte zu fleeben, und fiehe, ich lebe noch durch die Güte Gottes. Wie werbe ich biefed neugefchenkte Leben recht nüglic und dankbar amvenden? Wie lange ober Fury wird es noch bauern; umb wenn es noch fo lange dauerte, wie bald wird es gleich dem vo⸗ tigen verfhmwunden ſeyn!

Un eben beim gebachten Tage minberte ſich Nachmittags bie Krankyeit, und id; genoß ein unverhofftes Vergnügen, das für meine Empfindungen faft zu ſtark wer. Blagner], Dr. Heine] und Hfleyer) beſuchten mich, und brachten auch Springsfels den mit aus Weiffenfels. Ich Hörte diefe Freunde mehr, als daß ich fie genau fehen konnte, und fühlte mid duch das Er⸗ quidende der Freundſchaft fo geflärkt, Daß ich feit fünf Tagen das erftemal einen Biſſen Brodt forderte. Auch biefer Beſuch meiner Freunde war eine göttliche Wohlthat. Des Tages vors

ber war fchon mein lieber Famulus angelommen, ber mir fehe gebienet. Rach wenig Tagen fahe ic; auch Ihren würdigen Rach⸗ folger, den Herrn von Bofen, ber fi mitten duch bie Hufas ven zu mir gebränget hatte, Ich ftanb bey Dr. Hleines] Ans Zunft in den traurigen Gedanken, daß mir ber Aderlaß fchäblich gewefen; und zum Gläde war noch das Blut aufbehalten wors den. Er ſah es, erfhrad, umarmte Springsfelben nor Freu⸗ den, und verficherte mich, daß ich ohne die Deffnung ber Aber ſchwerlich würde haben leben koͤnnen. Preifen Sie die gütige Vorſehung mit mir, liebfter Marig, der wir alles ſchuldig find, Ich habe aus ben Händen meiner gnädigen Wirthinn und Bers forgerinn alles erhalten, was ein Kranker wünfchen kann; alles ift für mich Mitleiven und Hülfe gewefen. Gott, was ift ber Menſch, daß du fein gebenkeft! Ich übergehe bie übrigen Tage ber Krankheit, bamit ich nicht ein mebicinifches Verzeich⸗ niß flott eines Briefs auffege. Genug, liebfter Graf, ich bin in ber fiebenten Woche nach der Krankheit fo weit hergeftellet, daß ich biefen langen Brief habe fhreiben Zönnen: und wenn uns Gott driede fhenkte, hoffe ich bald in Leipzig zu fegn. Möchte Sie doch biefer Brief gefund und vollfommen zufrieden antrefs fen, und Ihnen Thraͤnen ber Freude abnöthigen! Möchte er mie body bald eine Antwort von meinem fo fhägbaren Freunde zuwege bringen! Gott beglüde Sie, theuerfter Morig, und bewahre Ihre Tugend, und gebe Ihnen langes Leben und allents halben vebliche Breunde, fo wie mir. Ich liebe Sie mehr, als ich Ihnen fagen Tann, und bin ewig ber Ihrige,

241. Bonau, d. 4. Dee. 1757.

Liebe Schweſter,

Euer Brief ift mic herzlich angenehm unb eine unvermuthete Beruhigung auf etliche Stunden geweſen, die für mich fehr trans tig waren. Er hat mich nod in Bonau gefunden, unb es ſcheint, daß ic an diefem Drte meinen Winter werbe zubringen müffen, wenn mir Bott bad Leben friſtet. In Bonau alfo und nicht in Leipzig? Ja, benn meine Freunde und meine Geſchaͤffte zufen mich nicht nad) der @tadt, bie id nunmehr zwanzig Mor hen nicht gefehen habe, Welch Schidjal! Doch ich werde es aud in Gebuld überſtehen Tönnen. Leiden nicht tauſend wadere Leute bey ben gegenwärtigen Unruhen noch mehr, als ih? I es nicht genug, daß mir Gott das Leben und bie verlornen Kräfte wieber gefchenkt Hat? Alſo muß ich zufrieden feyn, und mir an ben Umftänden, bie da find, gnügen laflen, und das Befte hofs fen. Meine Verrihtungen haben zeither meiftens im Briefſchreiben beftanden.. Lefen über eine Stunde auf einmal Tann ich nicht wohl, Mein Kopf gleicht oft meinem Magen, mas er faßt ober Lieft, befchweret ihn bald. Die Einfamteit würde noch fehr erträglich werben, wenn ich wegen ber Jahres⸗ geit mehr in bas Freye gehen Könnte; benn gehen Tann ich beſſer als figen, und mein erfter Ausgang ift in die Kicche nach Meis neweh gewefen. In Bonau fieht man mid gern, Herr und Frau von Bebtwig erzeugen mir alle Freundſchaft; aber ich habe doch zu wenig lebendigen Umgang. Bon Beiden habe ih an bie liebe Mama und an Euch alle viele Empfehlungen. Alſo iſt die gute Mutter zu eben ber Zeit Trank geweſen, ba id es war; und Gott hat ihr auch wieder geholfen. Möchte ich doch dankbar genug ſeyn koͤnnen! Grüffet fie Eindlih von mir und danket ihr für all ihr muͤtterliches Mitleiden und Gebet, Gott

ſtärke fie in bem angetretenen acht und fiehzigften Jahre ihres Lebens mit neuen Kräften, und an bem Ende ihrer Laufbahn mit neuem Muthe! Ich danke Euch Herzlich für alles, was Ihr meinetwegen gefühlet habt, und für alle Eure Gebete um meine Erhaltung. Meine ehemalige Flucht nach Eiſenberg ift mit Urſache an meiner Krankheit geweſen. Ich wohnte bey einem Schmidt in einer neu gemeifieten Stube. Reben mic war ven ein Paar alte Jungfern, die meine Schriften gelefen hatten, umb die mir taufend @efäfigkeiten erwieien. Der Hofmeifter, ben ich hierher empfohlen habe, hat mir in meiner Krankheit ſehr viel zu liebe gethan und nebft. meinem Famulo viele Rücte bey mir gemacht. Der Gommiffionraty Wagner aus Leipzig hat viel, fehr viel zu meiner Erquickung bepgetragen. Gott vergelte es ihm. Er ift ehedem mein Zuhörer geweſen. Lebt wohl mit

allen den Unfrigen und grüßt fie alle herzlich. ®

142. (83.)°) Bonau, d. 5. Der. 1757. Lieber Herr von Bofe,

Indem ich nur etliche Zeilen von Ihnen Hoffe und wünſche, erfreuen Sie mid) mit einem langen Briefe, aus dem Innerften Ihres Herzens gefchrieben, und deswegen für mich fo ſchön, und für mein Vergnügen viel zu kurz. In der That verdiene ich Ihre Biebe; aber fo groß, als fie if, habe ich fie doch nicht vers dienet; und dennoch nehme ich fie an, als ob fie mir gehörte, und als ob ih ficher wüßte, daß ich fie zeitlebens würde behaups

®) ervouſtaͤndigt aud einer im Heyerſchen Nachlaß befindlichen , Abfehrift bed Deiginel,

2:

ten Yönnen. Fahren Sie fort, mir biefelbe in meiner Abweſen⸗ Heit durch Mriefe genießen zu laffen, ich bitte Sie darum, Aber auf Unkoflen Ihres Flefßes will ic Beine Briefe haben. Ich bin mit wenigen Zeilen und mit ben Augenbliden zufrieden, bie Ihnen Ihre Bücher und der Umgang noch frey laffen. Mir it mehr Zeit übrig, fo Tann ich auch mehr und öfter an Sie ſchrei⸗ ben. Ja, jede Stunde, bie Sie bey dem Commiffionrath Wage ner zubringen, foll mir einen Brief gelten. Eben biefes, daß Sie die Freundſchaft biefes Mannes fhägen, vermehrt mein Vergnügen und Ihr Werdienft, und fein Umgang ift für Sie, fo geſetzt Sie auch find, und für mich, fo alt ich auch bin, ims mer eine Schule, und eine defto nüglichere, je angenehmer fie if. &ie wollen auf Dſtern von mie ziehen! Ja, von Kerzen gern. Suchen Sie ſich eine bequeme Wohnung aus, wo Gie wollen. Jedes Haus wird für Sie mein Haus feyn, fo fiher macht mid Ihr Herz und Ihr Fleiß und Ihr Umgang mit den rechtſcheffen. fien Leuten. &ie werden nichts verlieren, denn fonft ließ ich Sie nicht ausziehn, und id werde gewinnen, weil ich Sie dfr ter ſuchen und fehn werde, fo bald ich weis, daß ih Gie nicht um mit habe. Der Fürftin mil ich Ihren Entſchluß bey Ges legenheit melden und ihn zu dem meinigen machen. Wenn fie, wie ich denkt, fo giebt fie Ihnen Ihre Einwilligung mit einem geheimen Bergnägen.

Wie baid id} nad) Leipzig kommen werde, mein Iteder Bofe, dieſes ſteht auf geroiffe Weife nicht mehr bey mir. Ich habe es, mich zu beruhigen, dem Mathe und dem Rufe meiner Freunde aberianen. Es if wahr, ich lebe, weit ich mich nicht genug bes faäfftigen Tann, zu einfam; allein genug, daß ich an einem Orte lebe, wo man mid) gern flieht, und wo mich mein Shidfal hin⸗ geführt hat. Um nicht ganz unnüge zu leben, und einigermaßen demkbar zu fegn, unteveidhte Ach Apr täglil die beiden jungen Beetroige, eime Arbeit, bie, werm ich ein flolgerer Gelehrter

wäre, mir fehr geringe vorlommen würbe, und bie mich body, wenn ic an ben Nugen denke, beruhiget. Iſt man im viers nigſten Jahre wohl zu alt, um ſich mit feiner Weisheit bis in das zehnte und eilfte Jahr herab gu laſſen, und den Saamen derfelben in bie Herzen ber Kinder zu freuen? Gefegt, bie umſtaͤnde unfrer Akabemie follten fehlechter werben als id fürchte: fo würde ich mich keinen Augenblick ſchaͤmen, einen Hofs meifter abzugeben. Beſſer ein arbeitfamer Informator, als ein möffiger Profeffor! Und wer Tann immer Bücher ſchreiben? Ich am wenigften; und bie ausgeſtandne Krankheit hat mich auf lange Beit zum nadjfinnenden Sigen unfähig gemacht. Leben Sie wohl, meine Schüler Tommen. Ich liebe & und bin zeittebens Ihr Freund und Diener, ®

143. (42.) Morig dv. Brühl an Gellert.

Paris, d. 16, Dec. 1757. Liebſter Profeffor,

Ich Habe zween Briefe von Ihnen. Den erften hat mir „Here &** nebft den Büchern, bie Sie ihm für mich mitgeges ben, einige Zeit nad) meiner Zurüdkunft aus Holland, zugeſtellt. Ich danke Ihnen unendlich bafür. Aber wie groß ift nicht meine Verbindlichkeit für Ihren legten Brief! D wenn Ste mid ihn Hätten Iefen fehn! Welche Unruhe bey den erften Zeilen, und welche unbefchreibliche Zufriedenheit bey ben legten! Welche Gtädfeligkeit für mich bey ber Entwidelung dieſer rührenden Scene! Niemals habe ich deutlicher wahrgenommen, wie viel

unfee Empfindung durch eine große Bewegung umfeer Seele ger winnt, Ich wußte es, daß ich Sie Uebte. Ich fühlte mein Städ, Aber niemals habe ich es fo lebhaft, als beym Schluſſe Ihres Briefes, empfunden. Gott! in welcher Gefahr haben Sie ſich nicht befunden, und wie glüctich find Sie ihr nicht entgan« gen! Ich habe es meiner Gntfernung von Ihnen zu banken, daß eine Wegebenheit ſich für mich in das größte Wergnügen verwandelt hat, bie auferbem, wenigſtens verfhlebne Tage über, bie größte Qual für mic) wurde geweſen fen. Sie find alfo völlig wiederum hergeſtellt? Darf ich noch daran zweifeln, nach⸗ dem &ie mir einen fo langen entzüdenden Brief gefchrieben ? Alſo Hätte ich bald meinen würbigen Freund verloren? Ic zittere, wenn ich daran denke. Tauſend glückliche Zufäle haben ihn der augenſcheinlichſten Gefahr entriffen. O Vorſehung, welche neue Wohlthat! Grhalte "ihn fernerpin zum Nugen der Welt und zum. Gläde feiner Freunde! Dieſe überftanbene Krank: heit, liebſter Profeffor, wich ein neuer Zuwache für Ihre Ges funbyeft feyn. Bis zum neunten October habe ich bey Leſung Ihtes Bliefes nicht wenig gelitten. Aber fobalb nur der einmal votbey war, fo wuchs meine Hoffnung und meine Breube. Ich habe das Wergnügen Ihrer Befferung vollkommen mit Ihnen getheilt. Itt ſehe ich Ihr Witte, umringt von Ihren Freunden, und mid mitten unter Ihnen. Ihre Sprache ift zu ſchwach, fi mit und zu unterhalten. Ihr Auge erfegt ihre Stelle und zeigt une zugleich bie überwundene Gewalt ber Krankheit. Ich war in allen biefen Xugenbliden bey Ihnen, und indem ich bies fes ſchreibe, ſcheint mir Paris und Leipzig faft nur Eine Stadt gu fegn. She Wunfd) iſt erfüllet worden, Ihe Brief Hat mich gefund angetroffen, und mir Freudenthraͤnen abgenöthigt. Der Himmel gebe, baß ich niemald andere für Sie, liebſter Breund, vergießen barf! Hier iſt alfo die Antwort, bie Sie erwarten, Möchte Sie Ihnen body nur ben geringften Theil von

Es

ben Gmmpfinbungen ber Freundſchaft und Zaͤrtlichkeit abkliben önmen, wit henen ‚mein Herz gegen Sie angefühlt if. Wir find igt am Eade biefes Yahres, eines merkwürdigen Zahres vol Thredlicher Begebenheiten. Ich weis bie Schicfale des künftigen nicht, aber fo viel weis ich gewiß, daß ich Sie unendlich Liebe,

> und. baß weder Zeit noch Umflände hieriune bie geringfle. Macht über mid hahen. Sie wiſſen, es Bann fein Glück auf ber Welt feon, has ich Ihnen nicht wünfshte, fo wie es keins giebt, das Sie nicht verdienten. Ich bin ewig - . She

Brühl

144.. (se) [tn den Eommiffirnscars Basuırs .

Bonau, d. PR Dr an},

& wenig Ihre Briefe an mich in dem befäjeibuen graph, ben Sie angeben, Ihr Beruf find; fo fehe find fie 3: ous iner andern urſache, weil fie mich erhöten unb erbauen. ‚Zeh habe Ihre ganze feyerlihe Morgenbetrahtung auf mich anwenden tönnen, und ich werde fie mic noch mehr ald einmal vorlefen, wenn fi mein Herz weigert, ben Tod lebhaft zu denken, bes arſt fürchterliche und dann heilfame Bild. Die erſte Seite Ihres Briefs war traurig für mih. Gin fanftes Herg, das Herz meis ned Freundes; und gegen baffelbe harte, rauhe, demüthigende Begegnungen! Ich las voll Mitleiben und Widerwillen fort, Nun, dachte ich auf der dritten Geite, ber Mann, wenn es gleich leidet, und nad beinen Gedanken nicht leiden follte, iR doch in der Seele glüdlih und weit größer als bie, bie ibm erniebrigen. Ich kam auf Ihre Verf, den Schluß Ihres Brisfs:

a

Er thut, was er gebacht wird bee, der er will ſeyn,

Und wie ein Frommer ſtirdt, fo feßktich fhläft er ein. Selige Prophezeifung, wenn du fie erfüft! fprach ich zu mic ſelbſt. Ia, wenn du fie erfüuft, o wer iſt glädlicher als du? Gebe es Gott, men lieber **, daß ich biefen Gedanken Iehhaft mit in das neue Jahr nehme, und um das Glück ber letzten Zeile zu erlangen, ben Inhalt der erften täglich von Herzen, fo ſchwach auch dieſes Herz feyn mag, ausäbe! MDieß Gida und tein anders bitte id von Gott in dem neuen Jahre, und was ich mie bitte, bitte ich aud Ihnen; und was dieſes Gtüd hin⸗ dert, fo angenehm es und auch ſeyn möchte, ſey ewig fern von und! Bleiben Bie mein Beyſpiel und mein Troſt. Sehn Be muthig auf dem Pfade Ihres Lebens fort; uns ſchätt eine alls maͤchtige und gnädige Hand, Was forgen wir denn?

G.

125. (e2.) Un ben Sofrath **.

1757. Ich Kann ben Heren Sohn nicht von unfrer Akademie gehen " taffen, ohne ihm das rühmlice Zeugniß des Fieides und ber guten @itten, das er vor vielen Anbern verbienet, zu ertheilen; wu) ich thue biefes mit dem größten Wergnügen, und zugleich mit der firengften Aufrichtigkelt. Sind die erflen Monate feines akademiſchen Lebens nicht bie glüclichften für ihn gewefen: fo Hat er bie übrige Beit feines hieſigen Aufenthalts defto mehr zu feinem Glüde angewandt. Ich Eenne ihn genau, ich habe ihn ganze Jahre faſt alle Tage geſprochen, und bin bie zur-Zreunds ſchaft mit ihm umgegangen. Ich Zenne feinen Verſtand,ſein

Herz und feine Geſchickichkeit. Alles breges macht ihm Ehre, und Sie tönnen biefen würbigen Sohn nicht ohne Freude und Gegen ſich entgegen eilen fehen. Gr ift ein guter Wirth gewe— fen, und hat doch bie Regeln des Wohlſtandes aufs genaufte beobachtet. Cr hat bie ſchoͤnen Wiffenfhaften getrieben, ohne bie höhern gu verabfäumen. Gr hat bie beften Gefellichaften ber ſucht, und bie waderften jungen Leute zu Freunden gehabt, ohne feinem Fleiße zu ſchaden; und felbft fein Fleiß ift die Urſache geweien, daß man feinen Umgang gefucht hat. Da ich gewiß weis, daß Sie kein Mißtrauen in mein Zeugniß fegen Eönnen: fo weis ich auch gewiß, daß es Ihnen die angenehmſte Nachricht fegn muß. Wie gluͤcklich würde ich mic) fchägen, wenn ich ein Bater wäre, und ein vedlicher Mann fagte mir fo viel, Gutes von meinem Sohne, und zwar aus Pflicht und Ueberzeugung! Ich wünſche Ihnen alfo zu dieſem fo lieben Sohne, zu feinem glüdlichen Abzuge von der Akademie, zu aller der Freude, bie er Ihnen und feinem Waterlande machen wird, von Herzen Glüd, Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin; und fo ungern ich ihn vers liere, fo fehr werbe ich ihn ftets Lieben unb hochſchaͤtzen. Ich bin mit ber volllommenften Hochachtung . J G.

146. Seltert an feine Shweher. Bonau, d. 22, Ian. 1758.

Mein Zuftand ift erleibtich, und Bott gebe, daß der Curige allerfeits 08 auch feyn und lange bleiben mag. Ich grüffe die

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liebe Mama unb fegne fie kiadlich. Gott laſſe es ihr auch in biefem Jahre wohlgehen. Der Baron Sronegk, ein Hofrath in Anſpach, ein junger Herr von etlichen zwanzig Jah⸗ ren, mein Zuhörer vor einigen Jahren, und mein Freund, ein trefflices, gelehrteö, geiſtreiches und frommes Kind, ift an den Blattern auf einer Reife nach Rürnberg geftorben; aber mit großem chriſtlichen Heldenmuthe. ein Tod hat mich in meiner Einfamkeit viele Thränen geloftet, und mich an ben meinigen erinnert, den Gott im Himmel zu feiner Stunde mir wolle felig ſeyn laffen, das einzige Glück des Ghriften. Gin Preußiſcher Major von Kleift, der in Leipzig fteht, und ein großer Poet if, hat auf meinen vermeynten Tod vier Verſe gemacht, bie ich Guch herfegen will:

Als Dich ded Todes’ Pfeil, o Gellert! jüngft getroffen,

Klage’ ih und weint’, und fah den Himmel plöglid, offen;

Auch ben belebten Raum ber weiten Welt fah id:

Die Erde weinete, der Himmel freute fi.

Ich bin bey ber letzten Zeile beynahe in Ohnmacht gefallen. O Gott, wer wäre ich, welcher Engel wäre ich, wenn ich dieſen obfprudh verdiente! Grüffet alle meine Freunde herzlich, und lebt wohl, Ich werde, wenn ich lebe, biefen Winter in Bonau bleiben.

G.

147. (187.) Lan den Gommiffionsratp Wagner] Donau, b. 28. Ian. 1758, Immer Hagen Ste, ich höre e8 gern, und ich erbaue mich

aus Ihrer Traurigkeit eben fowohl, als aus au Freudigkeit. Gellert. V.

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Was koͤnnen wir bey dem frähen Tode ber Rechtſchaffnen beſſers thun, als daß wir an ben unfrigen denken und uns mit eben dem Geifte auf ihn zubereiten, mit bem Sie ihn chriftlich und felig überwunden haben? Der liebe Cronegk! Gott hat ihn der Welt entnommen. Der liebe **! Gott giebt ihm das ke ben no, und ſchenkt ihn mir und der Welt. Getroft, mein Breund! Wäre unfre Tugend bie Urfache unfers ewigen @läds: fo müßten wir ale verzweifeln; aber wir haben ein göttlides Berdienſt, das muß unfre Herzen unter dem aufrichtigen Gefühle ihrer Unwürdigkeit ftilen und tröften. If Gott für uns, wer mag wider uns ſeyn? Welche Hoheit der Religion über alle Kraft der Vernunft! Ich umarme Sie brüderlich und bante Ihnen für die Thränen, die Sie mit mir über Eronegtsxob geweinet.. Ich habe eine Heine Verordnung aufgefegt, wenn ich etwa balb feeben ſollte. &ie fommen einigemat darinnen von Dee Tod! weicher unendliche Gedanke! gehen Sie wopt mit Ihrer lieben Chriſtiane und Ihren Söhnen. Ich bin der Ihrige @

148. Gellert an feine Schwerter.

Bonau, b. 25. Febr. 1758. Euer Brief, auf ben ich Lange gehofft habe, ift mir bis auf bie tragifche Nachricht von F. fehr angenehm geweſen. Möchte doch der betrübte Ball biefes Verftorbenen allen, infonderheit jun⸗ gen Leuten, ein Schrecken gegen alle Ausichweifungen und böfe

Gewohnbeiten erwedten! Meine Gefundheit hat feit eini⸗ gen Wochen vermuthlich durch bie Jahreszeit gelitten. Ich ſchlafe wenig, und habe wenig Athem, infonderheit gegen Abend, und alsdenn, wenn id ins Bette fomme, wo ich oft auffigen muß, fo kurz wird er, Doc Gott thue, was ihm wohlgefällt. Das Zeben ift nicht mein Wunſch; aber ein feliger Tod, der fey mein täglicher Wunfh! Ich habe geftern mit ber Herrſchaft meine Andacht in Küftrig gehabt; und biefer feyerliche Tag, ben ich mic ald einen freudigen verfprah, war für mein Gerz ein finfter ver und Faltfinniger Tag. Gott vergebe mird, wenn bie Schuld zum Theil meine Schuld gewefen. G*""1 hat Göbiden ger fhrieben, daß er ihn wieder zu fih nehmen fol, Der gute Menfch ! ich bedaure ihn; aber ich bebaure es noch mehr, daß id) nichts zu feinem Veſten begzutragen weit. Leipzig, das fein Gtüc Hätte feyn follen, if durch feine Schuld fein Ungläd, und er meine Plage gewefen. Gödide Hat einen Gtubenburfhen und, welches ſehr natürlich ift, keine Luft zu ©*" "In. Wollte Gott, ich wüßte dem armen Vater zu rathen, und müßte nicht hören, dag G** "I fih von feinen unglüdlicen Gewohnheiten noch nicht Tosgeriffen hat!

Wie lange ich noch auf dem Lande bleiben werde, kann ich nicht fagen. &o viel ift leider gewiß, daß mid meine Freunde nicht nach Leipzig kommen heißen. Indeſſen muß id immer beynahe 70 Thit Hauszins und 8 Thir. Gontribution bezahlen. Doch es wird ja Rath. Ich grüffe die Mama Findlid und alle meine Freunde mit taufend Glüdwünfchen. Lebt wohl,

17°

148.°) A Monsieur Monsieur Nicolai, le cadet p. couv. & Berlin In der Nicolaifehen Buchhandlung abzugeben.

Bonau, bey Weiffenfels, d. 8. März 1758. Hocebler, Hochzuehrender Herr,

3Ich bin feit einem halben Jahre in fo ſchlechten Umftänden geweſen, daß ich wenig Pflichten der Gefelligkeit und ber reunds ſchaft habe beobachten Tönnen, Eben in ben Tagen ber Bas taille bey Ros bach und kaum zwo Stunden von biefem Schau: plage bes Kriegs befiel mic auf dem Landgute, wo ich von dem Gebrauche des Lauchflädter Bades ausruhen wollte, unvermuthet eine töbtfiche Krankheit, mit deren Folgen ich noch täglich zu flreiten habe. Sie werben alfo in diefer fpäten Antwort nichts als eine Danffagung, keine Critik fondern nur den verdienten Beyfall Ihrer Bibliothek"), mit der Gie fo ruhmlich fortfab⸗ ven, ben guten Geſchmack auszubreiten, finden. In ber That > würde ich, ber ich nie der befte Richter bin, igt ber ſchlechteſte ſeyn, fo dunkel ſieht es in meinem Geifte aus; und überhaupt, Hochzuehrender Herr, bin ich mehr gebohren, gute Schriften zu genieffen, als ihre klelnen Fehler zu bemerken. Sie haben Freunde und Kenner, bie zuverläffiger find, ale id; dieſes iſt weder ftolze Demuth, noch künſtliche Entfhuldigung. In dem gioepten Gtüce des zwepten Bandes haben mir bie Betcachtuns gen über das Erhabne und Naive, fo wenig mid auch igt Schoͤn- heiten zu rühren pflegen, außerordentlich gefallen, und ich wünfchte ©) Gus dem Driginal im Befig der Weidmannſchen Buchhandlung.) **) (Die Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften und ber freien Künfte,

die Chr. Br. Nicolai mit Mofed Mendelöfohn feit 1757 her audgab.)

im Leſen, baß Sie deren Verfaſſer feyn möchten. Ihr Herr Bach hat meinen geiftl. Liedern Melodien gegeben und fie mir. vor einigen Tagen zugeſchickt. D wie kraͤnke ich mich, daß ich auf dem Lande Niemanden finden Tann, der mir fie fingt! Der Graf Mori iſt noch in Paris und Ihr großer Freund. Leben Sie wohl und ruhiger, als wir. Ich verharre mit aller Gochachtung und Freundſchaft Ei. Hochedlen gehorſamſtet Diener €. F. Gellert.

Die gnädige Frau, die mir ben Aufenthalt auf ihrem Lande gute feit acht Monaten gönnt, ift eine verftändige Leferinn Ihrer Bibliothek, «

150. Un Bordwarb Bonau, d. 9. März 1758,

‚Hier ift ein Meiner. Auszug meines Lebens feit drey Biertels jahren. Ich gieng in der Mitte des Julius vorigen Jahres wegen Schlafloſigkeit in das Bad nad) Lauchſtaͤdt. Hier fpürte id) einige Befferung, und begab mich nach drey Wochen auf ein Landgut bey Weiffenfels, um da vom Babe auszuruhen, und an meine Verrichtungen nach Leipzig zurüd zu ehren. Allein eine Hinderniß, eine traurige Nachricht über die andere, hielten mich auf, und da ich im Begriffe flund, wider den Willen meis mer Freunde, nach meinem Gatheber zu eilen, ließ mid Bott ungefürchtet, und felbft im &paziergehen, in eine töbtliche Kranke heit finten. Im Detober alfo mitten unter dem Tumulte ber Waffen, die felbft vor meinem Zimmer tobten, lag ich in den

dan Empfindungen ber Freundſchaft und Zaͤrtuchkkrit abhäben Zönaen, mit benen ‚mein Gerz gegen Sie angefüllt iſt. Wir find igt am Gnade biefed Jahres, eines merkwürkigen Jahres voll ſchreclicher Begebenheiten. Ich weis die Schidfale bes kanftigen nicht, abes fo viel weis ich gewiß, daß ich Sie unendlich Liebe, und daß weder Zeit neh Umftände hierinne die geringfte Macht über mid) haben. wiſſen, es Bann fein Glüd auf der Welt fenn, das ich Ihnen nicht wünfehte, fo wie es keins giebt, das

Sie nicht verdignten. Ich bin ewig

Dr She

Brühl.

144.'(180.) Ian deu Eomuiffinndrath Base

Bonau, va Dee. 177,

So wenig Ihre Briefe an mich in dem befopeibugn Merkanbe, ben Sie angeben, Ihr Beruf find; fo fehe find fie e$-gus einer andern Urfache, weil fie mich ergägen unb erbauen, Ich habe Ihre ganze feyerlihe Morgenbetrachtung auf mich anwenden tönnen, und ich werde fie mic nod mehr ald einmal vorlefen, wenn ſich mein Herz weigert, den Tod lebhaft zu denken, has erſt fürchterliche und dann heilſame Bild. Die erſte Seite Ihres Briefs war traurig für mic. Gin ſanftes Herz, das Herz mei⸗ ned Freundes; und gegen daffelbe harte, rauhe, bemüthigende Begegnungen! Ich las voll Mitleiden und Widerwillen fort, Nun, dachte ich auf der dritten Seite, der Mann, wenn ex gleich leidet, und nad deinen Gedanken nicht leiden follte, iſt doc in der Geele glüdlich und weit größer als die, bie ibn erniebrigen. Ich kam auf Ihre Verf, den Schluß Ihres Briefs:

a

@e thut, mas er gebacht wird ber, ber er will ſeyn,

Und wie ein Frommer ftirbt, fo feſttich ſchlaͤft ex ein. Selige Prophegeifung, wenn du fie erfüllſt! fprach ich zu mic ſelbſt. Ia, wenn du fie erfälft, o wer iſt glädticher als du? Gebe es Gott, men lieber **, daß ich Diefen Gedanken Tebhaft mit in das neue Jahr nehme, und um das Blüd ber Iehten Zeile gu erlangen, den Jnhalt ber erſten täglich von Herzen, fo ſchwach auch dieſes Herz feyn mag, ausübe! Dief &tüe und tein anders bitte ich von Bott in dem neuen Jahre, und mas ich mie bitte, bditte ich audy Ihnen; und was biefes Glüd hin⸗ dert, fo angenehm es und auch feyn möchte, "fen ewig fern von uns! Bleiben Bie mein Beyſpiel und mein Troſt. Sehn Be muthig auf dem Pfade Ihres Lebens fort; uns fhügt eine alle maͤchtige und gnäbige Hand, Was forgen wie denn?

G.

125. (e2.) Un den Sofrath *".

1757. Ich Tann den Heren Sohn nicht von unfrer Akademie gehen Laffen, ohne ihm bas rühmliche Zeugniß des Fleißes und ber guten @itten, das er vor vielen Andern verbienet, zu ertheilen; uud ich thue diefes mit dem größten Wergnügen, und zugleid mit der ſtrengſten Aufrichtigkett. Sind die erfien Monate feines alabemifchen Lebens nicht die glüctichften für ihn geweſen: fo hat er bie übrige Zeit feines hiefigen Aufenthalts defto mehr zu feinem Glüde angewandt. Ich Eenne ihn genau, ich habe ihn ganze Jahre faſt alle: Tage gefprodhen, und bin bis zur Freund⸗ ſchaft mit ihm umgegangen. Ich Eenne feinen Verſtand, fein

Herz und feine @eichichtichleit. Alles breyes macht ihm Ehre, und Sie können diefen würbigen Sohn nicht ohne Freude und Gegen fi entgegen eilen fehen. Er ift ein guter Wirth gewes fen, und hat doch bie Regeln des Wohlſtandes aufs genaufte beobachtet. Er hat die ſchoͤnen Wiffenfhaften getrieben, ohne bie höhern gu verabfäumen. Er hat bie beften Gefellfchaften ber ſucht, und die waderften jungen Leute zu Freunden gehabt, ohne feinem Fleiße zu haben; und felbft fein Fleiß ift die Urſache gewefen, daß man feinen Umgang gefucht hat. Da ich gewiß weis, daß Sie kein Mißtrauen in mein Zeugniß fegen Eönnen: ſo weis ich aud gewiß, daß es Ihnen bie angenepufte Nachricht fegn muß. Wie glüdlich würde ich mich ſchaͤten, wenn ich ein Bater wäre, und ein veblicher Mann fagte mir fo viel, Gutes von meinem Sohne, und zwar aus Pflicht und ueberzeugung! Ich wünfche Ihnen alfo zu diefem fo Lieben Sohne, zu feinem glüdlichen Abzuge von ber Akademie, zu aller der Freude, bie er Ihnen und feinem Waterlande machen wird, von Herzen Glüd, Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin; und fo ungern ich ihn vers liere, fo ſehr werde ich ihn ftets Lieben und hochſchaͤtzen. Ich bin mit der volllommenften Hochachtung

146. Gellert an feine Schweſter. Bonau, d. 22, Ian, 1758.

Mein Zuftand ift erleidlich, und Bott gebe, daß ber Eurige allerfeits 08 auch ſeyn und lange bleiben mag. Ich grüffe die

2337

liebe Mama und fegne fie kiadlich. Gott Lafle es ihr aud in biefem Jahre wohlgehen. Der Baron Sronegk, ein ‚Hofrath in Anſpach, ein junger Herr von etlichen zwanzig Jahr ven, mein Zuhörer vor einigen Jahren, und mein Freund, ein treffliches, gelehrtes, geiftreiches und fcommes Kind, ift an den Blattern auf einer Reife nad; Nürnberg geftorben; aber mit großem dhrifttichen Heldenmuthe, Sein Tod hat mich in meiner Ginfamkeit viele Thränen gekoftet, und mid; an ben meinigen erinnert, den Gott im Himmel zu feiner Stunde mic wolle felig fon laffen, das einzige Glüd des Ghriften. Gin Preußifher Major von Kleift, der in Leipzig fleht, und ein großer Poet iR, hat auf meinen vermennten Tod vier Verſe gemacht, die ich Guch herfegen will:

Als Dich des Todes Pfeil, o Gellert! jüngft getroffen,

Kiagt’ ich und weint’, und fa den Himmel plöglich offen;

Auch den belebten Raum ber weiten Welt fah ich:

Die Erde weinete, der Himmel freute ſich.

3% bin bey ber legten Zeile beynahe in Ohnmacht gefallen, O Gott, wer wäre ich, welcher Engel wäre ich, wenn ich biefen Lobſpruch verbiente! Grüffet alle meine Freunde herzlich, und lebt wohl. Ich werde, wenn ich lebe, biefen Winter in Bonau bleiben.

G.

147. (1e7.) [An den Eommiffionsratp Wagner] Bonau, d. 28. Ian. 1758, Immer Hagen Cie, ich höre gern, und ich erbaue mich

aus IHrer Traurigkeit eben fowohl, als aus sun Freudigkeit. Gellert. V.

258

Bas koͤnnen wir bey dem frühen Tode der Rechtſchaffnen beffers thun, als daß wir an den unfrigen denken und uns mit eben dem Geifte auf ihn zubereiten, mit dem Sie ihn chriftlid und felig überwunden haben? Der liebe Cronegk! Gott hat ipn der Welt entnommen. Der liebe **! Gott giebt ihm das Ber ben no, und ſchenkt ihn mir und ber Welt. Getroft, mein Breund! Wäre unfre Tugend bie Urfache unfers ewigen @läds: fo müßten wir alle verzweifeln; aber wir haben ein goͤttliches Berdienſt, das muß unfre Herzen unter dem aufrichtigen Gefühle ihrer Unwürbigkeit ftillen und teöften. If Gott für und, wer mag wider und fegn? Welche Hoheit ber Religion über alle Kraft der Vernunft! Ich umarme Sie brüderlich und danke Ihnen für bie Thränen, die Sie mit mir über Cronegkis Tod geweinet.. Ich habe eine Eleine Verordnung aufgefegt, wenn ich etwa bald ſterben follte. Sie kommen einigemal barinnen vor, Der Tod! welcher unenblihe Gedanke! Leben Sie wohl mit Ihrer lieben Ehriftiane und Ihren Söhnen. Ich bin der Ihrige G.

148.

Gellert an feine Schweſter.

Bonau, d. 25. Febr. 1758. Euer Brief, auf den ich lange gehofft habe, ift mir His auf die tragiſche Nachricht von F. fehr angenehm gewefen. Möchte doch der betrübte Fall dieſes Verſtorbenen allen, infonderheit jun⸗ gen Leuten, ein Schreden gegen alle Ausichweifungen und böfe

Gewohnheiten erweden! Meine Geſundheit hat feit eints gen Wochen vermutlich durch die Jahreszeit gelitten. Ich fchlafe wenig, und habe wenig Athem, infonberheit gegen Abend, und alsdenn, wenn id ind Bette komme, mo ich oft auffigen muß, fo Burg wird er. Doch Gott thue, was ihm wohlgefält, Das Leben ift nicht mein Wunfch ; aber ein feliger Tod, der ſey mein täglicher Wunfh! Ich habe geftern mit ber Herrſchaft meine Andacht in Küftrig gehabt; und biefer feyerliche Tag, den ich mir als einen freudigen verſprach, war für mein Herz ein finftes rer und Faltfinniger Tag. Gott vergebe mirs, wenn die Schulb zum Theil meine Schuld geweſen. G***I hat Göbiden ger fhrieben, daß er ihn wieder zu fich nehmen fol. Der gute Menfch! ich bedaure ihm; aber ich bedaure es noch mehr, daß id) nichts zu feinem Beſten begzutragen weis. Leipzig, dad fein Gtü hätte feyn follen, ift durs feine Gchuld fein Ungläd, und er meine Plage gewefen. Göbdide hat einen Gtubenburfhen und, welches fehr natürlidy ift, Beine Luft zu @**"In. Woilte Gott, ich wüßte dem armen Vater zu rathen, und müßte nicht Hören, daß &***I fi von feinen unglüdlichen Gewohnheiten noch nicht Losgeriffen Hat!

Wie lange id) noch auf dem Lande bleiben werde, Tann id nicht fagen. So viel iſt leider gewiß, daß mid; meine Freunde nicht nach @eipgig kommen heifen. Indeffen muß id immer bepnahe 70 Zhlr. Hauszins und 8 Thir. Gontribution bezahlen. Doc) e6 wird ja Rath. Ich grüffe die Mama kindlich und alle meine Freunde mit taufend Giückwünſchen. Lebt wohl.

G.

17°

248.°)

A Monsieur Monsieur Nicolai, le cadet p. couv. % Berlin In der Nicolaifhen Buchhandlung abzugeben. Bonau, bey Weiffenfels, d. 8. März 1758, Hochedler, Hochzuehrender Herr,

Ich bin ſeit einem halben Jahre in fo ſchlechten Umftänden geroefen, daß ich wenig Pflichten ber Gefelligkeit und ber Freund⸗ ſchaft habe beobachten tönnen. ben in ben Tagen ber Bas taille bey Rosbach und kaum zwo Stunden von biefem Schaus plage bed Kriegs befiel mich auf dem Landgute, wo id} von dem Gebrauche des Lauchſtaͤdter Bades ausruhen wollte, unvermuthet eine todiliche Krankheit, mit deren Folgen ich noch täglich zu freiten habe. Sie werben alfo in diefer fpäten Antwort nichts als eine Danffagung, Feine Critik fondern nur ben verdienten Beyfall Ihrer Bibliothek *), mit der Sie fo rühmlich fortfahs ven, den guten Gefchmad auszubreiten, finden. In ber That

> würde ich, der ich mie der beſte Richter bin, ist ber ſchlechteſte ſeyn, fo dunkel fieht e8 in meinem Geifte aus; und überhaupt, Oochzuehrender Herr, bin ich mehr gebohren, gute Schriften zu genieffen, als ihre Elelnen Fehler zu bemerken, Gie haben Zreunde und Kenner, bie zuverläffiger find, als ich; diefes fft weder ſtolze Demuth, mod; Eünftliche Entfhulbigung. In bem zweyten Stüde bed zwepten Bandes haben mir bie Betrahtuns gen über dad Erhabne und Raive, fo wenig mich auch igt Schon— heiten zu rühren pflegen, außerordentlich gefallen, und ich wänfchte ©) (Hus dem Original im Befig der Weidmannſchen Buchhandlung.)

=) (Die Bibliotpek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften und ber freien Künfte,

bie Chr. Br. Nicolai mit Mofed Mendelöfopn feit 1757 her⸗ ausgab.)

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im Leſen, daß &ie deren Werfaffer feyn möchten. Ihr Herr Bach hat meinen geiftl. Liedern Melodien gegeben und fie mir. vor einigen Tagen zugefchidt. - D wie Eränke ich mich, daß ich auf dem Lande Riemanden finden Bann, der mir fie fingt! Der Graf Morig iſt noch in Paris und Ihr großer Freund. Leben Sie wohl und ruhiger, als wir. Ich verharre mit aller Hochachtung und Freundſchaft Ew. Hocheblen gehorfamfter Diener ©. 8. Gellert. Die gnäbige Frau, bie mir ben Aufenthalt auf ihrem Lands gute feit acht Monaten gönnt, ift eine verftändige Leferinn Ihrer Bibliothek.

150. an Borhdwarb Bonau, d. 9. März 1758,

‚Hier ift ein Meiner. Auszug meines Lebens feit drey Wiertels jahren. Ich gieng in der Mitte des Julius vorigen Jahres wegen Schlaflofigkeit in das Bad nad) Lauchſtaͤdt. Hier fpürte ic) einige Befferung, und begab midy nach drey Wochen auf ein Sandgut bey Weiffenfeld, um da vom Babe auszuruhen, und an meine Werrichtungen nad) Leipzig zurüd zu ehren. Allein eine Hinberniß, eine traurige Nachricht Über bie andere, hielten mid auf, und da ich im Begriffe ftund, wider den Willen mei⸗ ner Zreunde, nach meinem Gatheber zu eilen, ließ mid Bott ungefürchtet und felbft im Spaziergehen, in eine tödtlihe Kranke heit finten. Im Detober alfo mitten unter dem Tumulte ber Waffen, bie felbft vor meinem Zimmer tobten, lag ich in ben

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Banden bed Todes, fern von meinem Arzte, dem der Zutritt in den erfien Tagen meiner Krankpeit zu mir verfchloffen war, weil Weiſſenfels gefperrt gehalten wurde. Aber unter allen dies fen traurigen und fehredlichen Ausfihten hat mich bie Borfehung Mitleiden, Pflege, Wartung, unb endlich den Arzt, finden laf- fen, ber durch einen gewagten Aberlaß eine töbtliche Pleurefie aufzuhalten fuchte. Er fam ben fünften Tag ber Krankheit an, und wußte vieleiht, vor dem Anblice des Bluts, den Namen derſeiben nicht, vielleicht auch bad Mittel nicht, wenn es ihm nicht durch einen befondern Umftand wäre eingegeben worden. Der Here von Zediwig, bey bem ich damals lebte, und noch it bin, hat bie Gewohnheit alle Herbfte ſich die Aber öffnen zu laſſen, und fein Barbier in Naumburg, war ghne Verorbnung, an bem gedachten Tage in bdiefer Abficht angekommen. Diefen fand der Mebicus, und ließ ihn, ob ich gleich dawider zu ſeyn fbien, mir unverweilt die Aber ſchlagen. Zwey Tage darauf Tam mein Medieus nebft etlichen Freunden aus @eipzig an, fand das harzige ſchrecliche Blut noch auf vier Tellern flehen, und umarmte den auch angelommenen Mebicum aus Weiſſenfels, Hofrat) Springsfelden, bey dem Anblide des Blutes mit dankbarer Seele. Cr hat mir nachher fehriftlich geftanden, daß, wenn ich in Leipzig unter feinen und feiner Zreunde Händen gewefen wäre, fi: au& großer Liebe und Behutfamteit die gefährs liche und doch retterifche Ader nicht würden gewagt haben. Aber kein Tageregifter meiner Krankheit! Genug, ich lebe und bin viel zu geringe bee Treue und Barmherzigkeit, bie Bott an mir gethan hat; und ich zittere oft bey den Spuren feiner wuns derbaren Borfehung, aus Erſtaunen, mie fi ber Allmächtige bis zum Gtaube mit feiner regierenden Hand herablaſſen kann. Preifen Sie ihn, frommer Freund, mit mir und wuͤnſchen Sie mir, daß ich mein zweites Leben nach feiner Abficht nugen mag. NRo& ein rüpmlicher Umſtand für einen Ihrer Generale, beffen

Namen ih nicht weiß. Gr hatte durch Springsfelden meine Krankpeit erfahren, und Ordre gegeben, daß bie Bothen, die von mir kämen, ungehindert, unaufgehalten und zu aller Beit, aus⸗ und eingelaffen werben follten. Dank fey es dem tedlichen Manne, nach deſſen Namen ich mich erkundigen wi! Gr hat aber nicht lange in Weiffenfels geftanden.

Die Bataille bey Rosbach, o ja, liebfter Freund, bie habe ih, kaum anderthalb Stunden, vielleicht nicht eine Stunde von ihre entfernt, erlebt, und von der Krankheit entfeelt, von dem Krachen des Geſchützes mit dem ganzen Gebäude erfchättert, mit keuchender Bruft, mit bebenden Händen, unter Gebeten für bie Sterbenden, nein nur unter Geufjern (denn ich Eonnte nicht bes ten, nicht weinen), fo habe ich fie vier Stunden nach einander gehört, oder vielmehr zu fehn geglaubt, ſchon den Tag vorher gehört, ſchon lange vorher an dem Raſſeln der Gtüde, bie durch den Hof, hart vor meinem Lager gezogen wurden, gehört. Genug! ber Herr regieret die Welt, und lebt!

Wegen ber Freude über meine componirten Lieder verweiſe id Sie auf den Brief an den trefflihen Bach, Ihren Freund. Ich ſchmachte nach einem geſchickten Wanne, ber mir fie vors fpielt, jet noch vergebens auf dem Lande, Aber vieleicht iſt der Period meiner Rüdkehr nad) Leipzig näher, als ich denke. mia uns doch Gott allen Friede und Rube ſchenken!

Aus Dankbarkeit gegen das Baus, wo ich fo viel Sorgfalt

genoſſen, gebe ich jegt, in dem vierzigften Jahre, einen Hofs meifter über ein Paar junge Herren von zehn und eilf Jahren ab, bie aber noch ihren befondern Auffeher haben.

Ich umarme Sie und Ihre Freundin, und bin der Ihrige

151. (a3)

Un den Grafen Morig d. Brühl.

Bonau, d. 22, März 1758.

Eiebfler Graf, "

Ich Habe viel Materie zu einem langen Briefe an Sie, wenn nur meine Bruft auch Odem genug für den Gchreiber hätte, Doch ih will nicht mit Klagen, ich will mit Dankfagungen ans fangen. Welche Freude haben Sie mir durch Ihren legten Brief gemacht! Cr ift die getreufte und feinfte Gopie Ihres ganzen guten vortrefilichen Herzens, und ich weiß Niemanden von meis nen jungen Freunden, dee fo ſchoͤn fchreibt, wie Sie. Sonſt hatte ich zu Ihnen noch einen Cronegk, aber ja, guter Morig, erfahren Sie ed nur, denn mein Gerz kann es nicht länger verbergen. Es blutet! GronegE ift nicht mehr, unfer GronegE ift den erften Tag in biefem Jahre, in ber erſten Stunde dieſes Jahres, und entzogen worden; mir wahrſcheinlich nicht auf Lange Zeit, und doch hat mid fein Verluſt tief ges beugt. Ich warf mich bey der erften Zeitung von feinem Tode auf das Lager, wo ich wenig Wochen vorher meinen eignen Tod erwartete, unb weinte. Der felige Süngling! Die Blate tern find fein Tod gewefen, haben ihn an einem fremden Orte überfallen, und ben neunten Tag getödtet. Ex hat fein Ende voraus gefehen, und feinen Tod flandhaft erwartet. Wenige Tage vor feinem Ende hat er auf feinem Todbette noch an verfchiedene feiner Freunde in Anſpach geſchrieben, und zugleich felbft eine Verorbnung aufgefeget, in der ich feinen Geiſt mehr bewundre als in feinen beften Gedichten. Nach biefer Werorbnung wird feine Bibliothek verkauft, und die Summe in drey Theile ges theilet. Ginen erhält fein erfter Hofmeifter, ber Hofcaplan Rabe; den andern Ug, der Dichter, und ber dritte Theil foll

einige Hausarme erquiden. Der Webiente empfängt einige hun⸗ bert Thaler fein Glück zu machen. Mir hat er fein Portrait und feinen Ring zum Andenken hinterlaffen. Diefes Bild eines geiftreichen und frommen Freundes hängt igt vor meinen Augen, und vertritt oft bey mir die Stelle einer Iehrreichen und anmuths⸗ vollen Schrift. Seine legten Worte waren: ob, wo ift bein Stachel; Hölle, wo ift dein Sieg? Gott fey Dank, der und den Sieg gegeben hat durch unfern Heren Iefum Chriſt! Nunmehr freut er ſich der Unfterblichkeit, ber Liebe und der Anbetung feines Gottes. Wir, theuerfter Graf, wir fehn ihm in den Him⸗ mel nah, und folgen ihm auf der Bahn, auf welche er fo rũhmliche Fußtapfen eingebrüct hat. Ich hätte gern, als Dich⸗ ter, ihn beweinet; aber in meinen itzigen Umftänben iſt biefes eine unmoͤgliche Pflicht.

Der Major Kleift hat auf meinen vermeynten Tod ein Sinngedichte verfertiget, das für mich unendlid rühmlich ift, und über das hinaus nichts Großes mehr gedacht werben Tann. Aber ach, ic) Unmwürbiger! ich verdiene nicht die Hälfte davon; das fagt mir mein Herz laut.

As füngft des Todes Pfeil, o Gellert, dich getroffen, Klagt id und weint und fah ben Himmel plöglic, offen, Auch den belebten Raum ber weiten Welt ſah ich;

Die Erde weinete, ber Himmel freute ſich.

Als ich die erfte Hälfte der letzten Zeile las, fo erfchrad ich ſchon nicht wenig; aber Gott! wie zitterte ich, als ich weiter las: ber Himmel freute fich! Ich weinte, daß id dieſes Glücks nicht würbig war, und fühlte den göttlichen Reiz der Tugend und mein Richts in Einem Augenblide. Sie, Liebfter Graf, kon⸗ nen ſich diefen Lobfprudy ganz verbienen, und nach meiner Liebe gönne id Ihnen denfelben. Die Erbe weinete! ein großes Stüß, ich geftche «6; aber doch ein ungeiwiffes und zweifeidaftes

@lül, das großen Serien im Tode nicht allezeit folgt. Der Himmel freute fih! Welch Gisc, das keine ärklärung leidet, das nur gefühlt werden will, und das doch jeber edlen Seele gewiſſes Süd und heilige Ehrbegierbe ift! Ihr Gläd, Ihr Ruhm, mein Graf, und einft Ihr ganzer Lebenslauf!

Kleift ſteht feit dem Anfange bes Kriegs in Leipzig bey ber Garnifon, und ift aud den Bitten nad ein liebenswürdiger Mann,

Bach, ber Kammermufikus in Berlin, hat, wie ich höre, alle meine geiftlihen Lieber componiret, und fie follen für die Kenner vortrefflich gefeget feyn.

Der Kobrus des feligen Cronegks hat nach feinem Tode den in ber kritiſchen Bibliothek aufgeftellten Preis erhalten. Im verfiegelten Zebbel hatte fein Rame nicht geftanden, fondern nur dieſes: Wenn Kodrus den Preis erhält, fo können ihn bie Austgeiler zum Beſten Anderer anwenden.

Ich bin noch hinfällig und habe wenig Odem. Aber Gott wird helfen. Er beglüde ie immerdar! Leben Sie wohl.

@.

152. Gellert an feine Schwerer.

J Bonau, d. 25. März 1758.

Jah danke Euch Herzlich für Euren langen Brief und Eure guten Rathichläge. Thue ih, was ih Tann, fo darf ich das Uebrige Bott getroft überlaffen, fo ſchwer mir aud oft mein Schiefal werben will. Meine Stirne, o meine Stirne, bie leis det nun feit vielen Jahren, und jett faſt täglich. Ich fühle in der Mitte derfelben in einem Umkreiſe, etwa eines Groſchens

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groß, ein Ragen ober Spannen, das ich frühe aus dem Wette mit in den Zag, und aus bem Tag mit in bie Nacht bringe, das mir das Denken fauer und das Vergnügen oft zur Traurig⸗ keit macht. Aber

Ein ſtarkes Herz ſteht in der Noth noch feſte, Doffe das Beſte.

Bad, ein Gammermuficus in Berlin, hat alle meine Lies der componirt und mir unlängft ein Erempiar überfhidt; ber Here Gammerherr von Bedtwig und der Herr Gammerherr von Schönberg fpielen zuweilen etliche, unb bie gnäbige rau fingt fie. &ie find ſchoͤn, aber zu fchön für einen Saͤnger, der nicht muſikaliſch if. So erfahre ich aud von Berlin aus, daß man mid, bafelbft nach einem Gemälde, das Profeffor Suls zer von mir hat, in Kupfer licht; eine Ehre, darüber ich eben keine Freude habe.

Ich habe unlängft eine kleine Verordnung aufgeſett, wie es nach meinem Tode mit meinen Meubeln und Büchern gehalten werben fol. Ic habe keine Schäge und auch feine Schulden, und ein feliger Tod fey mein unendlicher Reichthum, den wird ung Bott geben. Ich grüffe die liebe Mama kindlich und alle herzlich.

®

153. un biefelbe Bonau, d. 21, April 1758.

Ih bin noch in Bonau und kämpfe mit dem Gntfcluffe, nad Leipzig zurüd zu kehren. Vor der Pfingſtwoche, wenn es

noch gefdhicht, dürfte es wohl nicht geſchehen. Hart an meinem Kammerfenfter in Leipzig iſt ein Hospital für Bleſſirte und Kranke errichtet, und ich Tann fie aus meinem Yenfter klagen hören und leiden fehen. Ein trauriger Umftand für mih! Run id) will mich nicht in voraus ängftigen. Die Pfingftwoche ift noch nicht da. Habt Ihr etwas von meinen erften Poefien, Briefen und Predigten, fo padet es zufammen und ſchicket es nad) Leipzig an Goͤdicken. Ich fege einige kleine Nachrichten, die mein Leben und Studiren betreffen, auf; und bazu brauche ich noch fo etwas. Ihr follt alles ohne Ausnahme wieber haben. Lebt wohl, Der Anfang des Frühlings thut Feine gute Wire, tung bey mir; doch Gott wird alles auch für mic einrichten, wie es mir gut ift, aud wenn es mir nicht gut ſcheint. Lebt wohl, Ich gräffe alle Herzlich. ri

154. Un biefelbe

Bonau, d. 6. Mai 1758,

Mein Brief würbe meiſtens Klage fegn, wenn ich Euch nicht Nachricht zu geben hätte von einem Präfent, das mir von einer Dame aus Liefland gemacht worden ift. Die Frau von Gams penhaufen in Riga, bie id} ehedem im Garlöbabe und auch in Leipzig Eennen lernte, wo fie ſich ein halbes Jahr der Ge— funbpeit wegen aufhielt, und deren Sohn mein Zuhörer geweſen, jegt aber Saͤchſiſcher Gefandter am Dänifhen Hofe ift, biefe Dame, der ich vor einem Jahre fehrieb und meine Lieder ſchickte, hat mir ben 3. May einen Wechfel von 300 Thlen. zugefandt, ber mir bereit in Leipgig ausgezahlet worben iſt. Bon biefen

300 Thirn. find zweyhundert mein unb einhundert war für den Bruder, ben fie auch Eennt, beſtimmt. Da mic oft bie widtigften Gegenftände nicht rühren, fo könnt Ihr leicht denken, baß mich dieſes Geld, fo fehr ichs auch nöthig habe, wenn ich wieber in Leipzig leben will, ebenfalls nicht gerühret hat, Date über Habe ich mich freylich gekraͤnkt, daß ich der Worfehung für dieſe Wohlthat nicht herzlich genug banken und ihre Guͤte fühlen Tann. Gott vergebe mirs, und mein Dank fey unvergeffen. Der Bruder hat eine große Freude gehabt. Ich ſchicte ihnen den Wechſel durch einen Erpreffen; und mein Famulus Göbide, aud der ift von Vergnügen fo gerührt geweſen, wie er mir ſchreibt, daß er auf feine Knie niedergefallen und Bott laut ges danket hat. Es iſt ein guter Menſch. Zu Ende der Pfingft: woche, wenn es Gott gefällt, denke ich in Leipzig zu feyn, fo baufällig meine Gefundgeit auch ift. Ich leide an meiner Bruſt noch oft, aber warum will ich klagen? Gott giebt uns nichts als was und gut iſt, fo ſchwer es auch zu fragen ſey; und er ift noch mäßtig in dem Schwachen, wenn wir unfer Vertrauen auf ihn nicht wegwerfen. Gr ftärke die Liebe Mama in ihrem Alter, und gebe Euch und allen meinen Verwandten Gefundheit des Geiftes und des Leibes. P

155. ‚un biefelbe 2. d. 29. Mai 1758,

Ich habe feit einigen Tagen heftige Zahnſchmerzen gehabt. Heute Morgen fpürte ich einige Linderung. Wollte Gott, daß ich doch Beinen bürfte heraus reißen Laffen; ein Mittel, davor ich

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mich fo ſchrecllich fürdte. Die Beſſerung ber lichen Moma hat mich ſehr erfreut, und id wünfche ihr Stärke und Kraft nach Gottes Willen. Ic lefe wieder Collegia, und habe in bem Publico viel Zuhörer, Ich bin nunmehr eilf Tage wie— der in Leipzig. Gott ftärke mid und alle meine Freunde, bie ich alle Herzlich grüffe, aud den Bruder in Frepberg. Lebt

wohl und getroſt. G.

156. An diefelbe 2. d. 4, Juni 1758.

Ich würde heute nicht am Euch fhreiben, wenn ih Euch nicht meine Freude über die Befrepung von meinen Zahnſchmer⸗ sen mittheilen wollte. Mittwochs zur Nacht waren fie bis um drey Uhr bepnahe unerträglich, und Donnerstags früh ſchien ich zum Herausreißen entſchloſſen zu ſeyn, obgleich der Baden fege gefehwollen war; alein Dr. Zilling hatte keine Luft dazu und meynte, ich follte erſt Breyern, unfern beſten Chirurgen, tommen und ben Zahn von ihm unterfuchen Laffen. Der Doctor gieng und ich ſchickte nah Breyern. Er befah den Zahn. Sie haben ein Geſchwür, fieng er ganz gelaffen an, das wollen wir gleich Öffnen, und fo werben Sie Ihrer Schmerzen auf einmal los. Gchon griff er nach den Inftrumenten, gab mic ben Stuhl und fagte: Blinzen Sie nur einen Augenblick zu, Herr Profeſ⸗ for; und das that id, ohne mich zu bedenken. Er fchnitt alfo, und ber Schnitt, einen Kagel lang, that, fo lange er währte, freylich fhredlich wehe; aber kaum lief die Materie und das Blut heraus, fo hörten bie Schmerzen des Zahnes fogleih auf.

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Seit dieſer Stunde bin ich alſo frey; o wie habe ih am Don⸗ nerstag vor Freuden geweint, unb wie foll ich Gott genug auch für biefe Wohltbat danken! Breyer kommt nod alle Tage zu mir, um bie Wunde offen zu halten; aber ich denke nicht, daß es weitere Folgen haben foll. Indeſſen habe ich biefe Woche nicht leſen Tönnen, und zu Haufe mich halten müffen. Breyer hofft den Zahn zu erhalten. Was find Zahnſchmerzen für Uebel! ein Uebel, das ich beynahe in zwanzig Jahren nicht, oder doch nur wenig erfahren habe. Was machet die liebe Mama! Gott gebe ihr eine gute Woche mit bdiefem Sonntag. Auch hat geftern ber Auszahler meiner Penfion wieder an mich gefchrieben, und mir einen Zermin von Dftern vorigen Jahres angeboten. Ich weis nicht, wie ich zu dieſem Glücke komme, und id) wollte, daß michs mehr rührte. Gott forgt fehr wunderbar für mich. Dank und Preis fey feiner Güte; Lebt wohl mit allen meinen

Zreunden, ©.

1537. (a4) Morig dv. Brühl an Gellert. Paris, b. 6. Juni 1758. Mein liebſter Profeffor,

Wie groß iſt nicht das Vergnügen, das mir Ihr Brief ver urfaht! Wenn ich ihn fo oft beantwortet hätte, als ich ihn gelefen: o wie viel Antworten würden Sie nicht ſchon erhalten haben! Sie find ſtets ber eble, geiftreihe, vortrefiliche Freund, der Sie jederzeit gewefen. Ich wundre mich nicht über biefe Unveränberlicleit, wenn ich anders fo reden barf; aber ich freue

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mic) darüber, mehr als ich Ihnen fagen Tann. Wenn ich bis— weiten bebenfe, wie viel vortreffliche Cigenfchaften des Herzens und des Verſtandes Sie in Ihrer Perfon vereinigen, fo erflaune Ad) weniger über bie große Anzahl mittelmäßiger Gefhöpfe. Die Natur iſt nicht verſchwenderiſch mit ihren Gaben. Welch Glüd, Ihre Freundſchaft zu befigen, und wie großmüthig ift es nicht von Ihnen gehandelt, fie auch an Perfonen zu ſchenken, deren größtes Verdienſt darinnen befteht, daß fie Sie unausſprechlich Tieben! MDiefes Verdienftes bin ic vorzüglich gewiß, und Sie lieben mich zu fehr, ald daß Sie mir es abfprechen follten. Wie vortHeithaft überhaupt zeigt mich Ihnen Ihre Freundſchaft nicht! Weich ein gütiger Beurtheiler, welch ein gelinder Richter! Wie viel gewinne ich nicht dabey, aus dieſem Geſichtspunkte von Ihnen betrachtet zu werben! Ich bemeine noch immer den lieben SronegE, und feufze zugleich über das entfeglihe Uebel, das mir fon die meiften meiner Bekannten entriffen hat. Ich habe Sie erfuchet, mir bey Gelegenheit feine gedrudten Werke zu überfhiden. Menn ſich eine ereignen follte, fo würde id) Ihnen unenblich für diefe Gefätligkeit verbunden feyn.

8 erſcheinen igt wenig wigige Schriften in biefem Bande, Der Geift der Zwietracht und des Gewinnſtes beſchaͤfftiget den größten Theil der Nation. Das zweyte Stüͤck der Frau von Graffigny hat nicht fo viel Beyfall gefunden, ald Genie. Verſchiedene Umftände find an dem Falle beffelben Schuld; bes ſonders aber bie vielen Weränderungen, bie fie aus zu großer Unterwürfigfeit gegen bie Urtheile verfchlebener ihrer Freunde gemacht hat. Sie werben es in einiger Zeit gebrudt, und fo wie ich es vor zwey Jahren gelefen, hergeftellt fehen. Die uns gegwungne Gleihgültigkeit, mit der fie diefen Meinen unfan aufgenommen, ift vollfommen ihrer Denkungsart gemäß, und würde meine Hochachtung gegen biefe verehrungsmwürbige Frau vermiehren, wenn fie anders zunehmen könnte.

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Here Plajon} ift feit viergehn Tagen hier, und noch immer ſehr ſchwach. Gr hat mir die Heinen Stüde von Herr Weißen’) mitgebradt, worunter in der That die größte Anzahl fehr artig if. Sie it, meiner Meynung nad, eine ber beften Samms lungen, bie wir in diefer Gattung haben.

Der Baron von Bernsborf meldet mir, daß Gramer ein Wochenblatt, wie der Zuſchauer, ſchreibt. Iſt es Ihnen bes kannt? Ich werde mir es kommen laffen. O Tönnten Sie mir denn nicht die Melodien Ihrer Lieber von Bachen fchiden? Sch wünfche recht ſehnlich, fie zu fehen. Aber bin ich nicht zu begehrlich? Das Sinngedichte von Kleift hat mic entzüdt, Ich fehe es ald eine Prophezeihung an, deren Erfüllung unfehls bar iſt. Ihren Verluſt, mein liebſter Profeffor, werden bie Klagen der Welt und die Freude bes Himmels begleiten. Kön— nen Sie wohl daran zweifeln? Doch biefer Augenblick fey noch lange entfernt,

Ich leſe igt die Ueberfegung ded Homer von Pope. Was für ein Genie wirb nicht zu einem folhen Werke erfobert! Der alte Homer wird ſtets für diejenigen neu bleiben, die Empfins dung und feinen verderbten Geſchmack haben, Leben Sie wohl, mein liebfter Profefior. Ich bin ewig

She Brühl.

*) (Die f&erghaften Lieder von CE. 8. Weiße find gemeint, Pajon aus Paris, war zu Anfange ded fiebenjährigen Kries geb Prediger der reform. Gemeinde zu Leipzig; gieng 1758 nad) Paris zuch@; ſiarb 1800 in Berlin als Prediger bey ber frangöf. Kirche und Gonfiftorialrath. S. 6.8. Weißend Selbft - Biographie. epis. 1806. ©. 65.)

Gellert V. ı8

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188. Gellert an feine Schwerer

®. d. 21. Juni 1758,

IH will nur ein Paar Zeilen fchreiben, Euer Verlangen zu flilen, und Euch fagen, daß meine Umftände, Gott fey Dank, leidlich find. Den 15. und 16, diefes Monats bin ich in Lauch⸗ fädt gewefen, der Herzoginn von Curland, bie das Bad ger braucht und meinen Beſuch befohlen Hatte, aufzumwarten. Sie hatte viel Zufriedenheit über meine Gegenwart, die ich vorher der Zahnfehmerzen wegen ſchon abgefhrieben hatte. Die Reife war glücklich, aber ich felbft in Lauchftäbt nicht wohl, weil ich beidemale mit bey ber Tafel bleiben mußte, Dr. Heine, mein Medicus, wird vermuthlich de Amtmann Riedners in Lauch— ſtaͤdt Schwefter heirathen. Ich Habe diefe Heirath mit ftiften helfen. &*°*L Lebt zu meiner Freude noch orbentlih, wie er angefangen hat. Aus London habe ich von einem Water, beffen Sohn vor drey Jahren hier flubieret hat, und an mic empfohlen gewefen, und nunmehro von Reifen wieber zurüd ges Tommen ift, einen Wechfel von hundert Thalern zur Belohnung erhalten. Gott fey dafür gedankt! Alſo kann ich der Mama aushelfen, wenn auch ihre Penfton in biefem Jahre nicht käme. Weil das Johannisfeft auf den Sonnabend fällt, fo kann es tommen, daß ich auf ein Paar Lage nad Bonau reife und meinen wohlthätigen Wirth und Wirthinn befude, Vielleicht auch nicht, Lebt wohl, und gräffet alle herzlich.

6.

158. Au biefelbe. 2%... 9. Juli 1758,

Die Nachricht von Eures Sohnes Krankgeit hat mich fehr beunruhigt, fo wie mich feine Beflerung erfreuet. Ich wuͤnſche, daß er zu der Zeit, da Ihr biefes Iefet, volllommen wieber herz geftellt, und der zuſtand ber lieben Mama und Euer aller ber befte feyn möge. Gott gebe es! Ich habe feit einiger Zeit einen böfen Hals gehabt, und «3 Liegt mir immer noch auf der Bruſt. Ob ich gleich in der That nicht wohl bin: fo hab ich doch meine Collegia nody nicht ausfegen dürfen. Meinen Geburtstag, ben 4. Zuly, habe ich auf der Stube fehr einfam begangen. Ich tieg mic um eilf Uhr vier Thomasfhüler kommen und etliche von meinen Liebern fingen; biefes ift die ganze Zeyerlichkeit ger weſen. Alfo bin ich nunmehr drey und vierzig Jahre alt? Gott fey Dank! Die übrigen Jahre oder Tage wird er auch übers ſtehen helfen, wenn es auch bie wären, von denen wir fagen: Sie gefallen uns nicht.

G***1 fügt ſich recht gut auf. Die liebe Mama fol ſich nichts abgehen laſſen. Lebt wohl, grüffet alle herzlich.

160. un biefelbe 2. d. 29, Juli 1758,

Meine Gefundpeitsumftände, ja bie find nicht bie beften, aber doch erträglich. Ich feufze ſehr nach Michaelis, um etwa etliche Wochen aufs Land reifen zu koͤnnen. Ich ſchicke Eud meine

18°

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componirten Lieber, wenn vielleicht der Herr Gantor ober ber Herr Rector ſich etliche Compoſitionen abfchreiben wollen. Bier Wochen koͤnnt IHr fie behalten. Geeel ift in guter Ordnung.

BWiffet Ihr ein Paar Kinder in Haynichen ober auf ben Dörfern, welche von den Eltern oder Anverwandten aus Armuth nicht zur Schule gehalten werben: fo meldet mir, was jaͤhrlich das Schulgeld für zwei Kinder beträgt; ich will es allegeit auf ein halbes Jahr voraus ſchicken, und aud bie Schulbücher auf mich nehmen.

Grüßt den Heren Bruder. Ich freue mic fehr über das Bermaͤchtniß. Gott gebe, daß es &°**L zu feinem Glüde vers ſtudiret, und bis igt hoffe ichs noch. Der Herr Bruber fol fo gut feyn, und Gödiden von den 100 Thalern zwey has Ter zu einem fregmwilligen Geſchenke geben. Er verbienet ed an @***In und thut weit mehr, als ich thun ann. Ich grüffe Euch herzlich. Gott fey mit Euch allen!

1261. An biefelbe

®. b. 3. Det. 1758.

Meine Umftände find, Gott fey Dank, leidlich, wenn gleih nicht die, die wir uns zu wünfchen pflegen. Bor Michaelis war ich zehn Tage in Welle bey dem General Vitzthum. Man erwies mir außerordentlich viel Ehre; denn die Frau Gräfinn Tann mid, auswendig. Aber alle biefe Ehre verhinderte nicht, daß ich nicht etliche Tage an einem Flußfieber gelitten hätte; es war rauhes Wetter. Die Gräfinn ift eine gebohrne von Bullen aus Störmtpal, bey der die Frau Magift. Lechla

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ehebem geweſen if. Diele Dame, die ich feit wenig Monaten tenne, hat mir, ohne daß ih mit ihr bekannt war, folgende Gelegenheit zu einem Briefwechſel gegeben. &ie fehrieb vor etlis den Monaten an mic, fie hätte erfahren, baß ich meine Pens fion bey ben jegigen Unruhen nicht ausbezahlt bekäme; fie hätte fih alfo, um ſich um mic verdient zu machen, ohne meine Er⸗ Taubniß durch ihren Gemahl an bie Ghurprinzeffinn gewendet, und es bahin gebracht, daß ich von berfelben gegen bie gewöhns liche Quittung zwephundert Thaler auf meine Penfion, unter der Bebingung des Stillſchweigens, ausgezahlet bekommen follte. Sch hatte nicht mehr als drey Termine zu fordern, ber Weg zu meiner Bezahlung fchien mir zu außerordentlich; ich wußte, daß andere wackere Leute längere Zeit hatten zurüdftchen müſſen, kurz, ich ſchlug die @nabe aus, und fagte, daß ich bie allgemeine Laft auch mittragen, und eine Prinzeffinn, bie fo großmüthig gefinnt wäre, nicht zu einer Zeit beſchweren wollte, ba ihr eigner Hof litte. Diefe unerwartete Uneigennügigfeit hat man am Hofe fehr wohl aufgenommen, und feit biefer Zeit Habe ich der Gräfinn einmal in Störmthal und letzthin in Welke aufgewartet. Wenn fie künftig nad) Lichtewalde zur Frau Gräfinn reifet, fo will fie ben Ort fehen, wo ich geboren bin, ich, ber ich fo vielen 2euten merkwürdig bin, und mir, wie Gott weiß, oft fehr ges ringe und armfelig bey allem meinen Ruhm vorkomme. Lebt wohl, grüffet alle unfre Freunde herzlich. Und ber lieben Mama wünfche ich von Gott Kraft und Stärke. G. 1682. (e7.) 2. d. 14. Det. 1758, Gnädige Frau,

&o wenig Sie auch meine Dankfagungen für Ihr Gnade

verlangen, fo bleibt es doch meine Pflicht, fle Ihnen abzuftatten;

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und wer unterläßt gern eine angenehme Pflicht, aud wenn fie nicht verlanget wird? &o weit, gnädige Frau, war id in meinem Dankfagungsfchreiben gekommen, als ic durch eine Be— gebenheit unterbrodhen wurde, bie ich Ihnen nicht verfchmeis ‚gen kann.

Mein Famulus trat herein, übergab mir einen Brief nebft einem Päctchen und fagte: „Cine Frau, die ich nicht Tenne, brachte biefe Sachen.” Ich erbreche den Brief; aber es ſteht fein Wort barinne. Ich erbreche das Padet, finde ein Schäch- teihen, ein Arznepfhächtelhen, beffen Titel ein Lebenspulver verfpradh, das für alle mögliche Krankpeiten helfen fol. Run, dachte ich, das muß eine ſehr mitleibige Gecle fegn, die dich un: gebeten curiren will, und öffne das Siegel. Ich fand Feine Arz⸗ ney, aber das ganze Schaͤchtelchen voll Louisbore, und bey die— fem Gelde war wieder Feine Zeile. Ich ſehe nach dem Siegel; aber das Siegel war ein Kopf, ber allen Menfchen ähnlich fah. 3 rufe meinen Famulus: Wo ift die Frau hergeweſen, bie Ihnen biefen Brief gegeben hat? Das weis ih nicht. Sie fagte, ber Herr Profeffor wüßte fhon, von wem der Brieffäme. Alfo war ich berichtet. Wergeben Sie mic, gnäbige Frau, daß ich Ihnen dieſe Heine Gefchichte fo forgfältig erzähle, als ob fie für Sie ſelbſt merkwürdig wäre. Wenigſtens mwürben Sie mir eine große Gnade erweifen, wenn Sie mir einen Rath ertheilen wollten, was ich mit biefem mir ziemlich verbädhtigen Gelbe ans fangen fol. Es ift mir dtiemand etwas fhulbig, und die Schulbz ner verfhmweigen auch ihren Namen nicht. Geld in einer Arz— mepfhadhtel? Könnte das Gelb, oder ber Brief, oder bie Schach tel wohl gar vergiftet fegn? Aber ih bin ja Fein großer Herr, und id habe auch in meinen Gchriften Niemanden beleidiget, einige übereilte Stellen wider dad Brauenzimmer ausgenommen ; doch diefe Stellen ſtehen in den Zabeln, und find auch Babeln. Wie fol ich mic) alfo vorfichtig genug bey dieſem Gelde verhals

ten? Soll ichE in meine Ghatoulle legen, fo koͤnnte es vielleicht ungerechted Gut ſeyn, und mir ein tinfegen werden? Es ſoll auf Ihren Ausfpruc ankommen, ob ich behalten, ober lieber ben Armen, ober Ihrer Königl. Maj. in Plreußen] geben fol, Bielleicht ift es felbft eine Wohlthat von dieſem Herrn, wenn er etwan durch bie dritte Hand erfahren hat, daß ich mid in ** anlaufen will. Mir wird Angft, gnaͤdige Frau, ic weis nit warum; und ich werbe, ohne Ihren Rath abzuwarten, mic mit der Schachtel auf einen Wagen fegen, und das Gelb bey Ihnen gerichtlich deponiren, bie ich mehr Licht erhalte. In diefem alle darf ich auch meine angefangene Dankfagung nicht fortfegen; denn &ie erzeugen mir body wieder neue Gnade, wenn id) mit meinem Deposito ankomme. Den Herrn Gemahl habe ich geftern bey meiner Ankunft aufgefucht; aber vor ber Mahl⸗ geit war er nicht zugegen, und um fünf Uhr war er abgereifet, Eine neue Urſache zur Reife nah °*! Ich bitte alfo unterthäs nig, daß Sie mir auf biefen Brief eine fchriftliche Antwort erteilen. Ich bin ıc. G.

163. Gellert an feine Shweher. ©. d. 10, Nov. 1758.

Der Bruder in Freyberg wird Euch mündlich von mir Nach⸗ richt geben, und alfo will id) Euch weiter nichts fagen, als daß meine Umftände leidlich find; denn der böfe Hals, ben ich einige Zage gehabt habe, ift nur ein Eleines Uebel geweſen. Der bier fige Bruder Hatte Luft, wenn ber Bruder in Brepberg einen viers figigen Wagen gehabt hätte, mit ipm die Mama zu befuchen,

und id würbe ungeachtet ber Jahreszeit bie Reife gerne mit gethan haben, wenn es mit dieſer Gelegenheit hätte gefchehen tönnen; benn es ift ſehr lange, daß ich die gute Mama nicht gefehen habe. Aber mein Wunſch wird wohl bis auf kunftiges Jahr unerfült bleiben. Gott erhalte nur die liebe Mutter bey leidlicher Gefundheit in ihrem Alter, und laſſe mich von Cuch allen immer frohe Rachricht hören; biefer Wunſch erſtreckt fi infonberheit auf ben armen Stadtſchreiber; denn nach des Brus ders Befhreibung ift er ſehr ſowach. Ich grüffe ihn herzlich, und wünſche ihm zu wiederholtenmalen von Gott alles, was ihm und uns allen heilfam ift. G.

164. an biefelbe e. d. 12, Dec. 1758.

Der Baron Graufen hat mir unlängft gefchrieben, daß er feine Schuld ſchon zu feiner Zeit abtragen würde, Ich will feis nen Brief beylegen und Ihr werdet ihn bald wieder zurück ſchi⸗ den. Ich fehreibe diefen Brief im voraus, weil ich nicht weis, wenn eine Gelegenheit antommen, und ob ich nicht in ber Woche vor dem Feſte nach Bohau reifen möchte. Die Frau von Zedt⸗ wit hat mic ſehr inftändig eingeladen; ich will ihren Brief auch mit belegen. Meine Geſundheit iſt bey ber jegigen Jade reszeit leidlich, indeſſen habe ich doch Feine große Luft zum Reis fen. Ich komme aus meiner gewohnten Ordnung unb gemeinigs lich kraͤnker zurüd, als ich ausreiſe. Und fo bin ich auch gegen das, was Wergnügen heißt, überhaupt fehr unempfindlidy gewors den, leider ſchon feit vielen Jahren. Die liche Mama möchte

ich freylich herzlich gerne fehen, wenn es bloß auf mein Wüns ſchen anläme. Dr. Bach, ein guter Breund von mir, ben Ihr bey mir müßt gefehen haben, ftarb vorige Woche an einer Auss zehrung und ich habe ihn zu feinem Grabe begleitet. Gr ift jünger, als id. So geht einer nach dem andern hin und lehrt uns fterben. Ich bin vorgeflern bey ber Herzoginn zur Tafel geweſen. Sie fragte nah der Mama, und fagte, daß fie den Bruder aus Freyberg mit dem Xelteften auf der Gaffe gehen gefehen habe. Gr möchte wohl gefünder feyn als id. Ber ift denn der Beſte von Ihnen Dreyen? fuhr fie fort. Ihre Durchlaucht, fagte ich, jeder denkt, er ſey's, und ber Aeltefte macht ſich fein Gewiffen, es zu fagen. Letthin waren zwölf Preußiſche Dfficierd vom Gorps bed Grafen Dohna bey mir im Collegio, und unter ihnen der junge Graf Dohna, Adjutant feines Waters, ein lieber frommer und gefhidter Soldat. Ein Yufarenlieutenant vom Regiment Maltoveky (Molachowsky] bes ſuchte mich vor einigen Wochen, und wollte mir von feiner Beute bey Zorndorf erft etlihe Rubel, und hernach Gewehr aus großer Liebe für meine Schriften aufbringen. Ich dankte ihm für Beides. Es war auch ein guter Mann, ſchon bey Jahren.

IH danke Cuch herzlich für Euern langen Brief, und preife Gott mit Euch allen, daß er uns bis hicher gebracht hat. Möchte doch Bott der Allmächtige den armen, kranken Gtabts ſchreiber flärken, an Geiſt und Leibe flärken, darum will ich herz⸗ lich beten, mit ihm in Gedanken beten. Möchte ich ihn doch fehen und tröften Zönnen. Ic weis keine Erquidung für ihn, fo gern ich ihm eine f&idte. Nunmehr reife ich die Zeyers tage nicht weg; ich will ben erſten meine Andacht haben. Ich grüffe die liebe Mama, und den armen Gtadtfhreiber von Here gen. Lebt wohl. Ich erhalte eben jegt einen Brief von ber Tochter ber Gräfinn Vitzthum, und werde eingeladen, biefe Beyertage nad) Meike zu kommen; aber nein, weder nach Welke,

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noch nach Bonau: ich will in Leipzig in bie Kirche gehen. Gott erhalte Euch alle bey Leben, Geſundheit und Ruhe.

©

. 165.°) [Un Fräulein von Schönfeld] [E im Dec. 1758.

R Gnäbiges Fräulein!

I Hr zweyter Leib: Medicus, Herr Kadelbach, hat mir vers fiert, daß Sie wieder in den Umftänden wären, einen Brief von mir zu Iefen, und biefes ift mir ſchon genug einen zu ſchrei⸗ ben. Aber, womit werde ich Sie unterhalten, gnäbiges Fraͤu⸗ kein? mit Ihrer ausgeftandenen Krankgeit? Das wäre ſehr graufam! mit meinen Collegiis? das wäre noch graufamer! Rein, mein Brief foll ein Meines Krieges » Diarium aus dem ſchwarzen Brete enthalten: denn ich weiß doch, daß Sie gütig genug find an meinem Schicfale Theil zu nehmen.

Den achtzehnten November ließ fih ein Dufaren » Lieutenant,

von dem Gefolge des General Malachowsky, fehr ungeflüm bey mic melden. Der Gewalt, dachte ich, Eann Niemand widerfiehen, faffe bi und nimm ben Befuch an, es begegne dir au was da will. Sosgleich trat. ein hagerer ſchwarzer Mann mit drohenden Augen, Eothigten Stiefeln und blutigen Sporen haftig auf mich au; fein gelbes Haar war in einen großen Knoten, und fein Bart in etliche Heine geknüpft, mit ber linken Hand hielt er

*) Sechs Briefe von Gellert und Rabener. Berlin 1770. No. 1,

Vgl. die Anm. zu No. 123. Daß dieſer Brief an Bräuf. v. Schönfeld geriltet war, get auß No. 262 hervor.)

einen fürdterlihen Saͤbel, und in ber rechten (ben Arm mit dazu genommen) den Stock, ein paar Piftolen, die Müge und eine Karbatfche mit Drath durchflochten. Was ift zu Ihrem Befehl, Herr Lieutenant? fragte ich mit Bittern an; haben Sie Drdre mich zu arretiven? ich bin unſchuldig. Rein mein Herr, find Sie der berühmte Wücherfchreiber und Profeffor Gellert? 3a, id bin Gellert. Nun, es freuet mich, Sie zu fehen und zu umarmen! (O wie zitterte ich bey diefer Umarmung!) Ich bin ein großer Verehrer Ihrer Schriften, fie haben mir in meinen Feldzügen viele Dienfte gethan, und ich komme Ahnen zu dan— ten, unb &ie meiner Freundſchaft zu verfichern. Das ift zuviel Ehre für mid, Herr Lieutenant, mehr konnte ich vor Schreden noch nicht aus mir hervor bringen, haben Sie die Gnade und laſſen Sie fih nieder. Ja, bas will ich gerne thun, fagen Sie mir nur, wie Sie es anfangen, daß &ie fo viel fhöne Bücher ſchreiben können? Ob meine Bücher fchön find, Herr Lieutenant, das weiß ich nicht; aber wie ich es mit meinen Büchern anges fangen habe, das Tann ich Ihnen fagen. Wenn ich Luft und Beit zum Schreiben hatte, fo dachte ich ein wenig nach, was ich ſchreiben wollte. Alsdenn fehte ich mich hin, vergaß alles andre, dachte nur an meine Materie, und fehrieb was dieſe mir eingab, fo gut ich konnte. War ich fertig, fo fragte ich ehrliche Leute, ob fie das Werk für gut hielten, und was fie zu erinnern hät- ten? Sagten fie, ed wäre gut, ich follte es hin und wieber ver= beffern und alsbann bruden laſſen; fo befferte ichs und ließ es deuden. Diefes, Herr Lieutenant, ift die Geburt meiner Schrif⸗ ten, die das Gtüd haben, Ihnen zu gefallen. Nun dad will ich mir merken, verfegte er: ich habe Luft und Beit zu ſchreiben, und fobald die verteufelten Ruffen aus dem Lande find, will ich einen Verſuch nach Ihrer Weife machen, ist aber biete ich Ihnen ein Andenken von meiner Beute an, Sie haben doch wohl keiz nen Rubel in Ihrer Chatoulle, Here Profeffor? Leſen Sie fi

alfo einen aus, biefe hier find von einem GofadensObriften, ben ich bey Zorndorf vom Pferbe Hieb: und diefe da, von ber Frau eines Rußifchen Officiers, bie in ber Flucht mit dem Pferde ſtuͤrzte.

Es lief mir bey dieſer Erzaͤhlung und bey dem Präfente, eiskalt über ben Leib: Das fey ferne, daß ich Ihnen ein Theil Ihrer Beute entziehen follte! Mein lieber Herr Lieutenant, bes halten Sie Ihre Rubel, ich habe genug an der Gewogenheit, aus der Sie mir biefelben anbieten. Aber Sie müflen ein Anz denken von mir nehmen. Herr Profeffor gefallen Ihnen diefe Piloten, es find Gieberifhe, und biefe Peitiche, das if eine Knuthe, beybes ift zu Ihren Dienften. Ich habe noch trefliches Gewehr erbeutet, Türkifches und Tartariſches, es ſtehet bey Eu⸗ Ienburg, und was Sie verlangen, will id Ihnen ſchicken. Ein Wort ein Mann, der Soldat hat nichts koſtbarers, als Beute mit feinem Blute erfochten: Warum gefallen Ihnen bie Piftolen nicht? Es ift auserlefenes Gewehr; hier nahm ich ihn bey ber Hand, und führete ihn an meine Bücherfchränke, dieſes ift mein Gewehr, Herr Lieutenant, mit dem ich umzugehen weiß, unb Zaum; benn einen Theil verftehe ich nicht, den andern brauche ich felten, und ben britten könnte ich zur Roth entbehren; aber um gelehrt zu fcheinen, muß ich folhe Waffen haben. Wollen Sie fih ein Andenken von meiner gelehrten Beute auslefen? Ja! Geben Sie mir Ihre gelehrten Troftgründe wider ein ſieches Leben; wenn ich etwa noch von ben Ruſſen bieffirt würbe; denn ad! die Ruffen, das ift ein ſchreckliches Wolf, fie ſtehen wie die Berge fo feſte, und man arbeitet fih müde und todt, ehe man fie zum Weichen bringt. Nunmehr wollte er mir bie legte Bas taille erzählen; aber zu meinem Glüde ſchlug es, meine Zuhörer kamen haufenweife, und ich fagte dem Heren Hufaren-Bieutenant daß ic) ein Gollegium hätte, er bot mir nochmals fein Gewehr an, umarmte mich herzlich und war unzufrieden, baß ich nichts annehmen wollte, befahe meinen Gatheder, wänfdte mir viel

Gutes, und gieng mit feinen Piſtolen und feiner Knuthpeitſche, die ihm ein Hufar, der bie Treppe mebft etlichen andern Games raden befegt hielt, abnahm. Peter, tief der Lieutenant, das iſt ber Here, der bie Schwediſche Graͤſinn gefchrieben hat! Peter ſahe mic, ſtarr an, griff ehrerbietig an die Wüge, und lächelte mir feinen milden Beyfall zu: bie andern Huſaren büdten ſich auch ſehr tief, und unter biefen Umftänden begleitete ich den Lieutenant die Treppe hinunter. Kann ic Ihnen, war fein legtes Wort, nod bey dem General Malachoweky auf irgend eine Weiſe dienen? Im geringften nicht. Oder auch bey bem General Dohna, oder auch bey dem Könige? Rein, Herr Lieu⸗ tenant, empfehlen Sie ihm den Frieden in meinem Namen fußs faͤlligſt, und ſchnell entflohe id dem Huſaren.

Den neun und zwanzigſten Rov. An biefem Tage ließ fi der junge Graf Dohna, Adjutant bey feinem Bater, dem Genes ral, melden, ich erſchrack wieder, aber ohne Urſache. Rein, gnäs diges Fraͤulein, bad war ein gutes Kind von neungehn Jahren, mit einer fanften frommen Miene, wie bie Ihrige, ber alle meine Schriften, und felbft den Granbifon, auswendig wufte, der mich verficherte, daß ber wahre Heldenmuth ım Treffen ein gutes Ges wiffen und das Vertrauen auf Bott fey, baß bie Freygeiſter in ber Schlacht bie verzagteften Geſchoͤpfe wären, und daß er mich infonbergeit wegen meiner Lieder fehr lieb Hätte, aber fuhr er fort, ich habe eine Bitte an Cie; werben Cie mir ſolche wohl abſchlagen? Was verlangen Sie? Daß id) dann und warn an Sie fehreiben darf, Bon Herzen gerne Herr Graf! Ein fo junger lieber Officier wie Sie, kann Alles von mir bitten. Run, rief er, fo möchte ih &te wohl um ein Srauenzimmer bitten, wie bie Schwediſche Gräfin, ober Lottchen in ben zärtlihen Schwe⸗ flern ift: &ie müffen doch folche Perfonen Tennen, bie fie fo gut abgefchlibert haben. Ia, Herr Graf, ich kenne ein recht liebes

- Bräulein, Sie ift jest krank, und fo lange nicht Friede ift, fage

ich IHnen ihren Namen nicht. &o weit waren wir, als ein Gorporal herein trat; bie ſaͤmmtlichen Oberofficiers, fieng er an, von dem Beverſchen Regimente find vor ber Thüre, und wollen Sie, Herr Profeffor, leſen hören. Wer? rief ich, und ſchon tras ten zwölf und mehr Dfficiers nebft einem felbprediger herein (e6 war Mittwochs um eilf Uhr), und ich mufte alfo vor ber halben Armee lefen.

So Eriegerifch, gnädiges Fraͤulein, geht es im ſchwarzen Brete zu, und ich werde es nicht lange mehr aushalten, ich flüchte ent⸗ weber nad Woͤlke, ober wie ich ſchon verfprochen habe, nach Bonau. Wie viel önnte ich Ihnen nicht noch erzählen, wenn ich mic) nicht ſchaͤmete, den beitten Bogen zu nehmen. Berges ben Sie mir meine Schwatzhaftigkeit und leben Sie wohl, und fagen Sie es der gnädigen Mama nicht, daß ich fo oft an Sie ſchreibe ꝛtc. ıc.

Gellert.

166. ces.) °) 2. d. 29. Dec. 1758,

Theuerſte Freundinn,

Sie haben Ihr böfes Fieber wieder bekommen, und zwar bald nach meinem legten Briefe? Das ift traurig. Bald bürfe ten Sie denken, daß ich Ihnen das Fieber ancorrefpondirte;, und wer weis, ob Sie es nicht ſchon gebacht haben? Aber ich armer Menſch, ich bin wohl unfchuldig; und warum follten meine Briefe, meine treuherzigen Briefe, eine fo böfe Wirkung thun? Nein, ich wage es getroft, mitten in Ihrem Fieber an Sie zu f&reiben. Hat doch ein Poet ehedem durch fein Trauerfpiel ein Gefpenft vertrieben; wer weis, ob ich durch meine Profa nicht

*) (Wohl an dieſelbe &reundin, an welche der vorige Brief gerichtet war.)

auch ein Fieber wegfchreiben Tann? „Aber bas Krauerfpiel „war ſchiecht.“ Nun, bewegen machen Sie fi keinen Kummer. Ic bin feit dem britten Feyertage fo hypochondriſch, daß ich mir zutraue, ed mit jebem Menfeen in ſchlechten Brie⸗ fen und Gebichten aufzunehmen, und, um witzig zu reden, mich felbft zu übertreffen. Ich wollte nach) Bonau reifen, und machte alle Anftalt, und blieb da, Ich wollte nad) Wolkau mit meinem Bruder reifen, und fchidte nach dem Wagen, und blieb ba. Ich wollte meinen Gönnern zum neuen Jahre Gluͤck wünſchen, ich fegte mich nieder und ſchrieb an Beine Gönner, ich ſchrieb an meine Breundinn, die das Fieber hat. So zweydeutig ficht es heute und geftern in meinem Herzen aus; und ich follte keinen Brief zuwege bringen koͤnnen, vor dem ſich das Fieber fürchten müßte? Aber, werben Sie fcagen, warum find Sie benn fo hopochondriſch? Ja, liebe Zreundinn, diefes Tann ih Ihnen nicht fo genau fagen. Die Bücher o hüten Sie fi vor den Büchern! Die Civil: und Mititärbefuhe; o wenn bod Feine nad kämen! Die vielen Briefe, in denen nichts fteht, als daß ich antworten foll, und auf die ich nichts zu antworten weis; o hüten Sie ſich vor den Briefen, auch vor ben meinigen, wenn Sie können! Ich las unlängft, daß der Poet Gampiftron zugleich Secretair des Herzogs von Vendome, und nicht gar zu forgfältig in Beantwortung ber Briefe geweſen, und ich ge= wann ben Mann heimlich lieb. Ich las fort, und fand, daß er bey dem Beſchluſſe eines alten Jahres mit vieler Mühe ein gros es Packet Briefe verbrannt, und daß der Herzog, der ihm zus gefehen, gefagt habe: le voilà tout occupe, & faire ses r&pon- ses! Diefer Gedanke, ober vielleicht die Sache felbft, gefiel mir unendlich, unb wer weis, ob ich morgen zum legten Tage im -Zahre meine unbeantworteten Briefe nicht größtentheils auch fo geiftgeich beantworte? Und ih, Herr Profeffor, die Ihrigen dielleicht auch fo Won Herzen gern, nur biefen nidt, wenn

er etwan für bas Fieber gut ſeyn follte. Bier ganzer Geiten zu befchreiben, und das mit Richts? Ja wohl, liebſte Freundinn, das Tann Niemand fo leicht, wenn er nicht ſehr hypochondriſch iſt. Mein Herz fagt mirs, daß Sie das Fieber igt verläßt, ih kann alfo mit Ehren fliehen. Leben ie wohl.

®

167. (69°) An ben Freiheren von ECrauffen.

2. d. 25. Ian. 1750,

So wie ich Niemanden weis, ber fih um meine Mutter vers dienter gemacht, ald Sie, großmüthiger Freund, fo haben Gie aud) unter allen meinen Freunden das Recht, ihren Tod zuerft zu erfahren. Bor wenig Stunden erhielt ich die Nachricht das von, und Saum habe ich die erften Regungen ber Liebe und des Schmerzes durch kindliche Thränen befriebiget: fo fchreibe ich an Sie; das Wichtigfte, was heute mein gerührtes Herz thun Tann und will. Der Tod meiner Mutter ift am 23ften diefes Monats erfolget; und fie ift geftorben, wie fie gelebet hat, fanft und fromm. Ich bin zwar nicht bey ihrem Ende gewefen; aber ih weis es fiber, daß ihr legter Segen mid, und Sie zum Gegens ftande gehabt hat. Im Namen biefer Seligen alfo danke ih Ihnen, theuerflec Gönner und Freund, hiermit für bie Liebreiche Wohlthat, mit der Gie diefelbe fo viele Jahre erfreut, und in ihrem Alter geftärtet Haben. Gott belopne Sie mit den Jahren meiner Mutter: fie hat achtzig Jahre gelebet; und mit ihrem Gnde: fie iſt freudig und fanft eingefhlafen, und ihr ledtes Wort ift Dank und Preis Gottes gewefen. Es ift meiner feligen

®) (Diefer Beief ſteht nicht in ber bei Ro. 14 angeführten Sammlung.)

Mutter unbegreiflidh vorgelommen, wie ein Fremder ihr eine fo geope und langwierige Gutthat erweiſen Zönnte, bie fie nicht vers dienet hätte, und ihr Bohn eben fo wenig; wird es der Nach—⸗ welt wicht eben fo unglaublich vorfommen, wenn fie vielleicht erfährt, daß ein gelehrter Herr und Kenner der Wiffenfchaften, außerhaib meinem Baterlande, mic, ohne daß ich vorher feinen Namen gelannt, eine jährliche Penfion auf die großmüthigfte und verborgenfte Art angeboten, und, ba ich fie verbeten, fie meins: Mutter, bie er aus meinen Briefen gekannt, beſtimmt Hat? 3% habe meine Mutter außerordentlich geliebet, und fo werbe ich ihren Wohltyäter auch bis am mein Enbe außerors dentlich lieben und verehren, und wie das erfle meine Schuldig⸗ keit war, fo thue ich auch im ambern Kae noch nichts als Schule digkeit. Io, theuerfter Freund, fo erfenntlid ich im Herzen kin; fo bleibe ich doch ftets ein Schuldner, ber nicht weis, wie er in der That dankbar feyn kann. Mit biefer Empfindung bin ich zeitlebens 2 .

168. Gellert an feine Shwerer.

2. den 27. Ian. 1759.

Alfo ift unfere liebe Mutter nun auch in bie Ewigkeit einges gangen? Ich weine und danke Gott, der fie durch einen fo fanften und feligen Tod von ber Welt genommen hat. Gr laffe mein Ende ſeyn, wie das ihrige! Ihe Tod Eränkt mid nicht fo ſehr, als baß-idh fie nicht vor ihrem Ende noch einmal habe fehen konnen; und biefes Bergnügen hoffte ich kanftige Oftern. So hoffen wir Menſchen. Die Koften ihres Begräinifis wird.

Gellert V.

wohl ber Mittelſte audgeleget Haben; fo wirb er fie auch unter und drey Brüder vertheilen. Dem’ Herrn von Graufen habe id) den Tod unferer Mutter bereitd gemeldet und ihm gedanket; allein ich Habe ihm nicht gefchrieben, daß ich bie Penſion vom vorigen Jahre ausgelegt habe, biejes wäre fo begehrlich gewefen. Er ſchicke fie nun oder nicht: fo bin ich vollfommen zufrieden. uUnd weil Ihr, liebe Schwefter, mit unfeer Mutter body einige Bortheile verlieret: fo will ich Euch jährlich, fo lange ich Lehe, 8 Thaler zu einem kleinen Zuſchuſſe ausfegen. Kann ich mehr zu Euerm Beſten thun: fo verſteht es ſich, daß ichs gern thun werbe, Mein Kopf beunrudiget mich feit einigen Tagen fehr. Gin beftändiges Spannen in bemfelben macht mich träge, vers deoffen, unb zur Arbeit, die nur einiges Nachdenken erfordert, ungeſchickt. Aber warum bift bu fo unruhig in mir, meine Seele? Harre auf Gott! Das erbauliche Ende des fel. Stadtſchreibers hat mich fehr gerührt. Bott ſey Preis und Dank dafür! Xrauern werde ich um bie fel. Mutter nicht. Mars um follte id) bey ben itigen Zeiten vierzig bis funfzig Thaler zu einer Geremonie anwenden, bie nicht nothwendig ift. Ih werde Sonntags unb etwa, wenn ich Beſuche gebe, ſchwarz ger hen; mehr werde ich nicht thun, Lebt wohl! Grüffet ben -Heren Bruder und den Herrn Diaconum ergebenft. Ich danke dem Legten herzlich für bie umſtaͤndliche Rachricht von dem Tode der Seligen. Ich bin der Eurige ®

169. an biefelbe ©. d. 16, Gebr. 1780, Ich weis Cuch nichts zu ſchreiben, als daß ich vier Wochen in Gtörmthal geweſen bin, und morgen auf einige Sage nach

Bonau reifen muß, weil die Frau von Bebtwig mir ſonſt alle Sreundfeaft auffagen will. In Rippach will fie mich nebft ihrem Semahl und bem Herrn Gammerheren von Schönberg ab: holen. Aber was macht ber gute Here Bruder? Gott flärke ihn am Leibe und Geiſte, und feifte ihm, wenn es ihm gefänt, das Leben noch lange zum Beften feines Hauſes. G***I geht auf feinem guten Wege fort, Gott gebe, beftänbig.

Der Bruber aus Freyberg ift noch hier bis künftige Woche. Wie lebt Ihr feit dem Tode unferer feligen Mutter ? Xraurig? Bon mir weis ich Euch nicht viel zu fagen; ich müßte über meinen Kopf Magen und bas will ich nicht thun, damit ich mich nicht verfündige. Geduld und Hoffnung fol unfre tägliche Zugenb feyn. Grüßt den Herrn Bruder und alle, bie noch von und übrig find, und lebt wohl.

®

170. (s5.) Morig dv, Brühl an Gellert.

Paris, d. 17. März 1759,

Liebfter Profeflor,

Ich ſchreibe Ihnen igt, da ich im Begriffe bin, eine große unruhige Stadt zu verlaffen, überhäuft mit verbrüßliden Vor⸗ bereitungen zu einer weiten Reife, bie mir nicht fo weit vorkom⸗ men würde, wenn ich fie zu Ihnen thun follte. O wenn wird mir doch ein günftiges Schickſal erlauben, Sie, mein verehrungs⸗ würbiger Freund, zu umarmen! ie lange werbe ich noch hers umirren müffen, ehe ich dem Umgange meiner Freunde, entfernt von dem Getümmel ber Höfe und ber unruhigen Gewinnſucht der Städte, auf einem flillen Landgute bie Ruhe und die Zus

19°

friedchheit werde finden koͤnnen, nach ber bie meiften fo frudt- los fireben! Alsdann werben Sie fortfahren, mir Lehren ber Weiöheit zu geben, womit &ie ſchon in dem Anfange meiner Jugend den Grund zu meinem Glücke gelegt haben Aldbann erft werde ich Ihnen meine Dankbarkeit für fo auänehmmende Wohlthaten beweifen tönnen, indem ich bie Frucht davon mit vollen Händen einfammeln werbe. Ich erinnere ie igt an Ihr ehemaliges Verſprechen. Möchte ich doch bald bie Erfüllung das von fehen!

Darf ich hoffen, daß Sie mich in Warfchau bisweilen mit ‚einigen Zeilen von Ihnen beglüden werben? Wie viel beutice Bücher find nicht feit meiner Abweſenheit exfhienen, bie mic alle unbekannt. find! Sollte ſich denn eine Gelegenheit. finden, mir felbige nach Warfchau zu ſchiden? Ich bitte Sie darum, mein liebſter Profeſſor, auf bas inftändigfte. Herr Plajon] hat feit einem Monate den Meffias zu überfegen angefangen. Der Che: valier d’Arc, der ihn zu biefer Arbeit veranlaft, hatte anfäng-

lich Luft, nach dem Gebrauche feines Landsleute viel Verände— zungen barinnen zu machen. Ich habe es aber doch dahin ge— bracht, daß das Driginal genau nad) den Worten überfeget wird. Es wird ſchwer feyn, den Nachdruck und die Stärke des Drigis nals in ber franzöfifhen Weberfegung beyzubehalten; wenigftens wird fie aber doch getreu feyn; und bieß if, deucht mich, eine nothwendige Eigenſchaft einer jeben Ueberfegung,

Itzt nehme ich Abichieb vorn Ihnen, mein. liehflee Profefier, auf beynahe zween Monate, Schreiben Sie mir nicht eher als bis ich Ihnen meine Ankunft in Warfchau. werde gempibet: haben, eben Sie wohl,

Brühl.

272, (188)

[An den Eommiffionsrath Wagner]

Bonau, d. 20. May 1750,

Ich fchreibe Heute an Ste, und zwar aus berfelben Stube, wo Sie mich vor zwey Jahren aud an einem Sonntage in einer ſehr elenden Geftalt angetroffen und mit Ihrem Beſuche erquicet haben. Ich möchte gern zu der Empfindung des Vor— zugs kommen, ben ich igt vor der damaligen Berfaffung genieße; aber ob ich gleich nicht auf dem Bette feufgen darf, ob ich gleich, indem ich biefe fhreibe, bie Allee, den Berg mit feinem Getraibe, ben Himmel mit feiner Sonne ganz offen vor mir fehe: fo freue ich mich doch viel zu wenig über mein Gläd; und daß ich biefes mir nicht leugnen kann, iſt für mich ſchon Urfache genug zur Unzufeiedenheit. Rad, diefem mic demüthigenben Eingange will ich fo wenig mehr von mir: felber reden, als es möglich, feyn wird. Was machen Sie alfo, mein lieber. An ben armen Thomä benke ich oft; aber ich fürchte, er wird nicht mehr leben, werm ich nad) Leipzig komme; eben der Mann, der viel gefünder und ftärker war, als ich und taufend Andere. Doch tft denn ein guter Tob nicht das größte Glück? Warum denke ic) ihn fo wenig von biefer @eite? Bete für deine ſter⸗ benden Freunde, und ſtirb täglich in Gedanken, und fey fromm und fglih. -— -— -— - = - - - - - Die rau von Z[edtwig) und Ihr Semahl wünſchen, daß Sie fle von Bauchflädt aus befuchen möchten; und ich dachte, Sie thäs ten es und brächten Ihre Brau mit. Sie haben mich nebft dem Kammerheren Schönberg] feyerlich in Rippach eingehotet, und derſelde Abend war für mich wirklich angenehm. In der That fehlet mir nichts in Bonau gu meiner Freude, als id mic felber und etwas mehr Gefundhel, -

MH -

Leben Sie wohl. Ih kutſe Sie und die Ihrige, und bin

bi Ihr ergebenfter o

172. (180.) An denfelbem

[%. Juni 1759]

Der Tod Ihrer feligen Großmutter hat mich nicht erfchredt, aber defto mehr Ihre Hinfälligkeit bis zum WBettlägrigwerben, Wollte bod Gott Ihnen das geben, was ich in ber Pfingſtwoche fo oft für mich erbeten habe, Kraft zur Gelaffenheit und zu einer muthigen Ergebung in alle feine Schidungen! Ich habe ben andern und dritten Zeyertag in Bonau das ausgeftanden, was ic) in meinem eben nicht gefühlet und was ich Ihnen nicht ber ſchreiben Tann. Troͤſten Gie fi mit mir, guter *°. Gott for- get für uns; barum laflen Sie und weniger forgen. Was kana mic wieberfahren, wenn Gott mich will bewahren? Und er mein Gott bewahret mid, und wird geben, daß alled zu unferm wahren Beften diene. Diefen Zroft tief in meine Seele zu drü— den, ift meine Arbeit, aud wenn ich fühle, ba ichs nicht vers mag Gott ift die Liebe und unſer Erlöfer unfre Kraft und Stärke und Geligkeit. Vielleicht findet Sie biefer Brief gebeflert; und ich habe weit mehr Wertrauen zu Ihrer Gefundheit, als zw der meinigen, bie mich kaum bdiefen Brief ohne Beängftigung fhreiben lt. - Ich bin geftern wieder in Leipzig angefommen und weine, daß Sie nicht da find; denn alles ift für mich dbe und leer. Aber Muth und Geduld. Ohne Ergebung in die göttlichen Kath⸗ fehläffe ift Beine wahre Ruhe der Geelen. Gr weis allein, was und bienet, und iſt mit feiner Kraft in dem Schwaͤchſten

noch mächtig, der fie ſuchet und wöget. Run, guter *°, kommen Sie geftärkt, und wenn es moͤglich ift, bald wieder zu und. Ich grüße Ihre liebe rau und Ihr ganzes Haus herzlichſt und ergebenſt.

®

173. (46) Morig v. Brühl an Gellert. - BWarfhau, d. 21. Sun, 1759,

Mein liebſter Profeffor,

Schon feit drey Wochen bin ich hier, und ich habe Ihnen noch nicht gefchrieben! Das ift freplich Fein geringer Vorwurf für mid. Aber wenn Sie wüßten, was bad wäre, fo zu reden in eine neue Welt verfegt zu werden, und zwar in eine ſolche neue Welt, bie gewiß nicht unter allen möglichen bie befte ift: vielleicht würden Sie mid nicht nur entfhuldigen, Sie würden mich fogar beffagen, und empfinden, daß man nicht verbient, an Sie zu ſchreiben, wenn man von Paris hieher fümmt. Ic bin eben nicht auf eine Lächerliche Art in Paris verliebt. Sie wiffen, mein liebſter Profeffor, daß Freunde und Freyheit jeden Ort für mich in ein Paris verwandeln Tönnen, und daß Daynchen für mid eben fo viel Reizendes haben würde, als bie Hauptftäbte der Gngelländer und Branzofen, wenn ich das Blüd hätte, Cie dort anzutreffen. Welch ein Troft für mich, daß ich endlich mein Herz gegen Sie ausfchütten Tann? Ich fühle fhon kaum noch Halb die Saft, unter ber id) beynahe verfunten wäre. Sie müfs fen mir noch einige Klagen erlauben. Die Zuverfiht, mit der ich Ihnen Mage, ift ein Balfam für mein Herz. Schon iſt es ruhiger, als es beym Anfange diefes Briefe war; ſchon fängt es

er etwan für das Fieber gut feyn follte. Vier ganzer Seiten zu beſchreiben, und das mit Nichts? Ja wohl, Liebfte Freundin, das Fann Niemand fo leiht, wenn er nicht fehr hypochondriſch iſt. Mein Herz fagt mirs, daß Sie das Fieber ist verläßt, ich Tann alfo mit Ehren fchliefen. Leben Cie wohl.

©

167. (69.)°)

An ben Freiheren von Erauffen

2. d. 25. Ian. 1758,

&o wie ich Niemanden weis, ber fih um meine Mutter vers bienter gemacht, als Sie, großmüthiger Freund, fo haben Sie aud unter allen meinen Freunden das Recht, ihren Tod zuerft zu erfahren. Bor wenig Stunden erhielt ich die Nachricht das von, und kaum habe ich die erften NRegungen ber Eiche und des Schmerzes durch Eindliche Thränen befriebiget: fo fhreibe ih an Sie; das Wichtigfte, was heute mein gerührtes Gerz tun Tann und will. Der Tod meiner Mutter ift am 23ften dieſes Monats erfolget; und fie ift geftorben, wie fie gelebet hat, fanft und fromm. Ich bin zwar nicht bey ihrem Ende geweſen; aber ich weiß es fiher, baß ihr legter Gegen mic) und Sie zum Gegens flande gehabt hat. Im Namen biefer Seligen alfo danke ich Ihnen, theuerfter Gönner und Freund, hiermit für die liebreiche Wohlthat, mit der Sie diefelbe fo viele Jahre erfreut, und in ihrem Alter geftärket haben. Gott belohne Sie mit den Jahren meiner Mutter: fie hat achtzig Jahre gelebet; und mit ihrem Gnde: fie ift freudig und fanft eingefhlafen, und ihr ledtes Wort ift Dank und Preis Gottes gewefen. Es ift meiner feligen

*) (Diefer Brief ſteht nicht in der bei No. 14 angeführten Sammlung.)

Mütter anboegreiflich vorgelommen, wie ein Fremder ihr eine fo geope und langwierige Gutthat erweifen Zönnte, bie fie nicht vers dienet hätte, und ihr Bohn eben fo wenig; wirb es ber Radıs weit nicht eben fo unglaublich vorfommen, wenn fie vielleicht erfäget, daß ein gelehrter Herr und Kenner der Wiſſenſchaften, außerhalb meinem Baterlande, mir, ohne daß ich vorher feinen Kamen gekannt, eine jährliche Penfion auf bie großmüthigfte und verborgenfte Art angeboten, und, ba ich fie verbeten, fie meiner Butter, die er aus meinen Briefen gefannt, beſtimmt dat? Iqh Habe meine Mutter außerordentlich geliebet, und fo werbe ich ihren Wohlthaͤter auch bis am mein Ende auferors dentlich lieben und verehren, und wie das erfte meine Schuldig⸗ teit war, fo thue ich auch im andern Kae noch nichts ald Schule digkeit. Ja, theuerſter Freund, fo erienntlih id im Herzen Kin; fo bleibe ih doch flets ein Gchulbner, der nicht weis, wie er in der That ‘dankbar feyn Bann. Mit diefer Empfindung bin

ich zeitlebens u 6.

168. Sellert an feine Schweſter. 2. ben 27. Ian. 1750.

Alſo ift unfere liebe Mutter nun auch in die Ewigkeit einges gangen? Ich weine und danke Gott, ber fie durch einen fo fanften und feligen Tod von ber Welt genommen hat. Gr laffe mein Ende fegn, wie bas ihrige! Ihr Tod kraͤnkt mic nicht fo fehr, als daß ich fie nicht vor ihrem Ende noch einmal habe fegen konnen; und biefss Bergnägen hoffte ich Fänftige Oftern. So hoffen wir Menſchen. Die Koſten ihres Besräimifee wird:

Gellert V.

wohl ber MWeittelfte audgeleget Haben; fo wirb er fie auch unter uns drey Brüder vertheilen. Dem’ Heren von Graufen habe ich den Tod unferer Mutter bereitd gemeldet und ihm gebanket; allein ich habe ihm nicht gefchrieben, daß ich bie Penfion vom vorigen Jahre ausgelegt habe, dieſes wäre fo begehrlich geweſen. Er ſchicke fie nun oder nicht: fo bin ich vollfommen zufrieben. und weil Ihr, liebe Schweſter, mit unfeer Mutter body einige Vortheile verlieret: fo will ich Euch jährlich, fo lange ich lebe, 8 Thaler zu einem kleinen Zuſchuſſe ausfegen. Kann ich mehr zu Euerm Beſten thun: fo verficht es ſich, daß ichs gern thun werde, Mein Kopf beunruhiget mich feit einigen Tagen fehr. Ein beftändiges Spannen in bemfelben macht mic träge, vers droffen, und zur Arbeit, bie nur einiges Nachdenken erfordert, ungefhidt. Aber warum bift bu fo unruhig in mir, meine Seele? Harre auf Gott! Das erbauliche Ende bei fe. Stadtſchreibers Hat mich ſehr gerührt. Bott ſey Preis und Dank dafür! Trauern werde ich um bie fel. Mutter nicht. Mars um follte id} bey ben itigen Zeiten vierzig bis funfzig Thaler zu einer Geremonie anwenden, bie nicht nothwenbig ift. Ih werde Sonntags und etwa, wenn ich Beſuche gebe, ſchwarz ges hen; mehr werbe ich nicht thun. Lebt wohl! Grüffet ben Oerrn Bruder und den Herrn Diaconum ergebenft. Ich danke dem Lesten herzlich für bie umfländliche Rachricht von dem Tode der Seligen. Ich bin der Eurige ®

168. An biefelbe 2. d. 16. Bebr. 1750, Ich weis Euch nichts zu fchreiben, als daß ich vier Wochen in Stoͤrmthal gemwefen bin, und morgen auf einige Tage nach

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Bonau reifen muß, weil bie Frau von Bebtwig mir font alle Freundſchaft auflagen will. In Rippach will fie mich nebft ihrem Semahl und bem Herrn Gammerkeren von Schönberg ab: Holen. Aber was macht der gute Here Bruder? Gott flärke ihn am Leibe und Geiſte, und frifte ihm, wenn es ihm gefällt, das Leben noch lange zum Beſten feines Hauſes. Geeei geht auf feinem guten Wege fort, Gott gebe, beftänbig.

Der Bruder aus Freyberg iſt noch hier bis Fünftige Woche. Wie lebt Ihe feit dem Tode unferer feligen Mutter? Zraurig? Bon mir weis ich Euch nicht viel zu fagen; ich müßte über meinen Kopf lagen und das will idy nicht thun, damit ich mich nicht verfündige. Geduld und Hoffnung fol unfre tägliche Zugenb feyn. Grüßt ben Herrn Bruder und alle, bie noch von uns übrig find, und lebt wohl.

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170. (a5) Morig v, Brühl an Gellert,

Paris, d. 17. März 1759,

Liebfier Profeffor, -

Ich fehreibe Ihnen igt, da ic im Begriſſe bin, eine große unruhige Stadt zu verlaffen, überhäuft mit verbräßliden Vor⸗ bereitungen zu einer weiten Reife, die mir nicht fo weit vorkom⸗ men würde, wenn ich fie zu Ihnen thun follte. OD wenn wirb mir doch ein günftiges Schickſal erlauben, Sie, mein verehrungs⸗ würbiger Freund, zu umarmen! Wie lange werbe ich noch hers umirren müffen, che ich dem Umgange meiner Freunde, entfernt von dem Getümmel der Höfe und der unruhigen Gewinnſucht der Städte, auf einem ſtillen Landgute die Ruhe und die Zus

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friedchheit werbe finden Tönnen, nach ber bie meiften fo frucht- los fireben! Alsdann werben Sie fortfahren, mir Lehren der Weisheit zu geben, momit Sie fon in bem Anfange meiner Jugend den Grunb zu meinem Glüdte gelegt haben Aldbann erſt werbe ich Ihnen meine Dankbarkeit für fo auanchmende ohlthaten beweifen Tönnen, indem ich bie Brut davon mit vollen Händen einfammeln werde. Ich erinnere Sie igt an Ihr ehemaliges Berfprechen, Möchte ich doch bald die Erfüllung da von fehen!

Darf ich hoffen, daß Sie mid in Warſchau bisweilen mit «inigen Zeilen von Ihnen beglüden werben? Wie viel deutſche Bücher find nicht feit meiner Abwefenheit exſchienen, die min alle unbekannt find! Sollte ſich denn keine Gelegenheit finden, mir felbige nah Warfhau zu ſchicken? Ich bitte Sie darum, mein liebſter Profeffor, auf bas inſtaͤndigſte. Herr Plajon] hat feit einem Monate ben Meffiad zu überfegen angefangen. Der Eher valier d'Arc, ber ihn zu biefer Arbeit veranlaßt, hatte anfängs

lich Luft, nach dem Gebrauche feiner Landsleute viel Veraͤnde— zungen barinnen zu machen. Ich habe es aber body dahin ge: bracht, ba das Driginal genau nad} den Worten überfeget wird. Es wird ſchwer feyn, den Rachdruck und die Stärke des Drigis nals in ber franzöfiihen Ueberfegung beyzubehalten; wenigftens wird fie aber doch getreu feyn; und bieß iſt, deucht mich, eine nothwendige, Eigenſchaft einer jeben Ueberfegung,

Iet nehme ic, Abfchieb von Ihnen, mein liebſter Profeffer, auf beynahe zween Donate, Schreiben Sie mir nicht eher als bis ich Ihnen meine Ankunft in Warfchau werde gemeldet haben. eben Sie wohl,

Brühl.

272, (188) .

[an den Eommiffionsrath Wagner]

Bonau, d. 20. May 1750,

Ich fhreibe Heute an Ste, und zwar aus derfelben Gtube, wo Sie mid vor zwey Jahren auch an einem Sonntage in einer fehr elenden Geftalt angetroffen und mit Ihrem Befuche erquicket haben. Ich möchte gern zu ber Empfindung des Vor—⸗ zugs kommen, ben ich igt vor der bamaligen Berfaffung geniepe; aber ob ich gleich nicht auf dem Bette feufgen barf, ob ich gleich, indem ich dieſes fchreibe, bie Allee, den Berg mit feinem Getraide, ben Himmel mit feiner Sonne ganz offen vor mir fehe: fo freue id; mich doch viel zu wenig über mein Glück; und daß ich biefes mir nicht leugnen Bann, ift für mich ſchon Urfache genug zur Unzufriedenheit. Nach diefem mich demüthigenden Eingange will ich fo wenig mehr von mir- felber reden, als es möglich ſeyn wird. Was machen Sie alfo, mein lieber 7 An ben atmen Thomä benke ich oft; aber ich fürchte, er wirb nicht mehr leben, werm ich nad) Leipzig komme; eben der Mann, der viel gefünder und ftärker war, als ich und taufend Andere. Doch iſt denn ein guter Tod nicht das größte Gläd? Warum denke ich ihn fo wenig von biefer @eite? Bete für beine ſter⸗ benden Freunde, und ſtirb täglich in Gedanken, und fey fromm und frhlih. - —- - Die Frau von Z[edtwig] und Ihr Cermahl wünfhen, daß Sie fie von Lauchftädt aus befuchen möchten; und ich dachte, Sie thäs ten es und brächten Ihre Grau mit. Sie haben mich nebft dem Kammerheren G[chönberg] feyerlic in Rippach eingeholet, und derſelbe Abend war für mich wirklich angenehm. In ber That fehlet mie nichts in Bonau zu meiner Freude, als ich mir felber und etwas mehr Gefundhell.

SM -

Leben Sie wohl. IH Ehe Sie und bie Ihrige, und bin

be Ihr ergebenfter Pi

172. (180.) An benfelbem

[8. Juni 1759]

Der Tod Ihrer feligen Großmutter hat mic nicht erfchredt, aber defto mehr Ihre Hinfälligkeit bis zum Bettlägrigwerden. Wollte doch Gott Ihnen das geben, was ich in ber Pfingſtwoche fo oft für mich erbeten habe, Kraft zur Gelaffenheit und zu einer muthigen Ergebung in alle feine Schickungen! Ich habe ben andern und britten Zeyertag in Bonau das ausgeflanden, was ic) in meinem Leben nicht gefühlet und was ich Ihnen nicht bes foreiben Tann. Troͤſten Sie fih mit mir, guter *°. Gott for get für uns; barum laflen Sie und weniger forgen. Was kann mir wieberfahren, wenn @ott mic will bewahren? Und er mein Gott bewahret mid, und wirb geben, baf alles zu unferm wahren Beften diene. Diefen Troſt tief in meine Seele zu drüs den, iſt meine Arbeit, aud wenn ich fühle, daß ichs nicht vers mag Wort ift die Liebe und unfer Erlöfer unfre Kraft und Stärke und Geligkeit. Vielleicht findet Sie diefer Brief gebefiert; und ich habe weit mehr Vertrauen zu Ihrer Gefundpeit, als zw der meinigen, die mich kaum biefen Brief ohne Beängftigung fchreiben fl. Ich bin geſtern wieder in Leipzig angekommen und weine, daß Sie nicht da find; denn alles iſt für mic dbe und leer. Aber Muth und Geduld. Ohne Ergebung in die göttlichen Rath⸗ feptäffe ift Beine wahre Ruhe der Seelen. Gr weis allein, was uns bienet, und ift mit feiner Kraft in dem Gchwächften

noch mächtig, der fie ſuchet und müget, Run, guter *°, kommen Sie geftärkt, und wenn es möglich ift, bald wieder zu und. Ich grüße Ihre liebe Frau und Ihr ganzes Haus herzlichſt und

ergebenft. 6.

173. (a6) Morig vd. Brühl an Gellert. _ Warſchau, d. 21. Jun. 1750, Mein liebſter Profeſſor,

Schon ſeit drey Wochen bin ich hier, und ich habe Ihnen noch nicht geſchrieben! Das iſt freylich kein geringer Vorwurf für mid. Aber wenn Sie wüßten, was dad wäre, fo zu reden in eine neue Welt verfegt zu werden, und zwar in eine folde neue Welt, die gewiß nicht unter allen möglichen bie befte iſt: vielleicht würden Sie mid nicht nur entfhuldigen, Sie würben mid) fogar beklagen, und empfinden, daß man nicht verdient, an Sie zu ſchreiben, wenn man von Paris hieher kömmt. Ich bin eben nicht auf eine läcerliche Art in Paris verliebt. Sie wiffen, mein Hebfter Profeffor, daß Freunde und Freyheit jeden Ort für mid, in ein Paris verwandeln koͤnnen, und daß Haynchen für mid) eben fo viel Reizenbes haben würbe, als die Hauptftäbte der Engelländer und Franzoſen, wenn ich das @lüd hätte, Sie dort anzutreffen. Weich ein Troſt für mich, daß ich enblid mein Herz gegen Sie ausfchütten Tann? Ich fühle ſchon kaum noch Halb die Saft, unter ber ich beynahe verfunten wäre. Sie müfs fen mir noch einige Klagen erlauben. Die Zuverfiht, mit ber ich Ihnen age, ift ein Balfam für mein Herz. Schon ift es ruhiger, ald es beym Anfange dieſes Brieſs war; ſchon fängt es

an, mit den beglüdenden Empfindungen erfüllt zu werben, bie ich fo oft in Ihrer Geſellſchaft gefühlt, und die ewig denen uns beannt bleiben müffen, bie weder Gefhmad noch Tugend kiss ben, und beftändig genöthigt find, fo zu reben fich felbft ımb Andere zu fliehen. Wie groß iſt nicht hier bie Anzahl diefer unglüdlichen Gefhöpfe! Doch ich will nicht weiter Hagen. Ich darf nicht vergeffen, daß die Mäßigung in allen Gtüden eine Grundregel ift, von der man nicht abweichen fol. Wenn mir auch gleich Ihre Freundfhaft langweilige Klagen verziehe, fo würde ich mir fie doch ſelbſt nicht verzeihen können. Aber, lieb⸗ fter Profeffor, find Sie denn noch unverändert derfelbe gegen mih? Haben nicht Zeit und Abweſenheit auch über Ihr Herz igre gewöhnliche Herrfchaft ausgeübt? Glauben Sie nicht, daß ich diefen Gedanken nähre. Er ift viel gu beunruhigend für mid, um ihn jemals für wahr halten zu Tönnen. Zürnen Cie mit mir, daß ich feiner nur Erwähnung gethan habe, und zei— gen Sie mir in Ihrem erflen Briefe, da ich Ihre Freundſchaft gu verlleren verbiente, wenn id) im Gtande wäre, an berfelben gu zweifeln. @eben Sie wohl. Ih bin ewig Ihr Brühl

Meinen Bruder, der igt in Leipzig ift, und vermuthlic auch das Glück hat, Sie zu Eennen, bitte id Sie, vielmald in meis nem Namen zu grüßen. Mein Gruß wird in Ihrem Munde einen neuen Werth für ihn befommen, und ich liebe meinen Bruder zu ſehr, um ihm nicht meine Erinnerung fo angenehm au maden, ald es mir nur immer möglich if,

zu.

Gellert an feine Schwefter. 2. d. 23. Juni 1750,

Ich habe feit dem andern Pfingfifeyertage viel traurige Stuns ben umb beynahe lauter kranke Tage gehabt. An biefem Tage warb ich in Bonau früh beym Aufftehen, auf eine mir vorher unbekannte Art, bie ich Euch nicht befchreiben kann, Trank, zwey Zage krank, ohne bettlägerig zu ſeyn, und doch Eonnte und mochte ich weber figen, noch ſtehen und gehen, noch eflen, mod) lefen, - noch legen. Donnerstags barauf veifte ich nach Leipzig zurüd, und heute, da ich biefeß fehreibe, bin ich feiblich, wenigftens fühle id) feine Angft, wenn gleich Feine Heiterkeit. Ich trinke auf den Montag eine Bouteille Bitterwaſſer. Weine Nerven feheinen fehr gefehwächt und mein Magen kraftlos zu feyn. Aber nicht getlagt, ich habe viel Urfache, Bott zu banken, ba die Laft noch nicht über Vermögen gewefen if. Er thut und läßt zu, mas und gut und felig if, wenn es uns auch noch fo bitter wäre; wir follen unfer Vertrauen und unfre Gebuld üben, und hoffen, wo wir nicht fehen, Der Advokat Ihomä, fonft ein gefunder und fefter Mann, fiel vor etlichen Wochen in eine Krankheit, ohne das Bette zu hüten, und ftarb die Woche vor Pfingften an einer verhärteten Leber. Wieder einer von meinen Breunden vor mie hin, der mid buch fein Beyſpiel fihtbar lehret, daß ber Gefunde und Kranke in ber Hand des Heren mit feinen Tagen fleht. Nüge dein Leben und ftirb täglich in bem Herrn, fo wird dich der Tod nicht erfchreden, er komme, wenn er wolle. Unfer Exlöfer dat ihn überwunden und ihn uns felig gemacht. Der gute Herr Bruder, wie ich höre, ift auch noch ſchwach. Ich bete für ihn. Lebt wohl und betet für mid, r

An biefelbe 2. d. 2. Juli 1750.

Beunrubiget Euch nicht! So befchwerlih mir auch meine Umftände vielleicht mit Recht zu gewiffen Stunden vorfommen: fo find fie doch in andern Stunden wieder erträglich, und biefes muß mic) in der Gebuld und dem Vertrauen auf bie Hülfe Bots tes flärken. In zweymal vier und zwanzig Stunden habe ich vier und vierzig Jahre erlebet, und er hat mir aus fo mancher Roth gnäbig und wunderbar geholfen; und fo wirb er ed auch in den Zagen thun, die mir nod zum Leben übrig find. Diefe Tage wohl anzuwenden, um getroft zu flerben, dieſes fey mein ganzer Kummer; das Uebrige alles fey Gott heimgeftellt. Begeht meinen Geburtstag mit Gebet und guten Wünfchen, fo wie ich ihn zu begehen denke Wermuthlic werde ich den Rad mittag bey dem Gommiffionsrath Wagner zubringen. Vor— mittags will ich meine Stunden Iefen. Ich folte am Sonns abende mit nad Reinharz zum Erbmarſchal Löfer fahren; er ſchickte Pferde, ich hatte es verfprochen; aber ed war mir zu übel, als daß ich eine Reife von ſechs Meilen hätte thun Tönnen, ich ließ alfo den Bruder allein reifen. Göbdide iſt krank; und vermuthlich wird ein Fieber kommen. Nun getroft! Lebt wohl, Ich grüffe alle Herzlich, @.

176. (190.) [in den Eommiffionsrath Wagner] Störmtgal, d. 16, Sept. 1759.

3% denke fo oft an Sie, ja ich bete felten für mid, ohne zugleich für Gie zu beten; warum follte ich alfo nicht auch oft

an Sie reiben, ba ih Brit genug übrig habe? Es iR wahr, daß ſich mein Unvermögen aud bis auf die Briefe erſtrecet; aber um biefem Unvermögen nicht nachzugeben, will ich lieber ſchreiben, und Ihnen, wo nicht durch ben Brief, doch durch meine Ueberwindung ein Bergnügen machen. Meine Umflände find faft eben diejenigen, in denen Sie mich letztens verlaffen haben, und ohne Hagen zu wollen, fage ich Ihnen, daß ich viel leide; viel, das weis Bott. Aber ich fuche mich mit dem Troſte feines Wortes zu beruhigen, mich zu flärfen, wenn ich ſchwach werde, und zu hoffen, wo nichts zu hoffen ſcheint. Niemals habe ich vielleicht fo fehr empfunden, wie wenig ber Menfch ohne den beftändigen Ginfluß der göttlichen Gnade vermag, als in diefem Jahre, und ich lerne Davids Belenntniß verfichen: Wenn dein Wort nicht wäre mein Zroft gewefen, fo wäre ich vergans gen in meinem Elende. Ich lerne bie Worte, Röm. 9. vers ſtehen: „So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, fondern an Gottes Erbarmen.“ Er muß uns Kraft geben, uns fer Elend und Verderben lebendig zu erkennen und. zu fühlen, und Kraft, feine freye Gnade in Chrifto zu glauben, unb ohne alle unfre Würdigkeit und vielmehr ald bie Unwürbigften, uns guguelgnen, unfer @eroiffen daduech zu beruhigen und im Glaus ben an dieſe feine Gnade, an bie Vergebung aller unfrer Güns ben um Jeſu Ehriſti willen, uns mit Liebe und Vertrauen zu ihm, mit der Hoffnung bes ewigen Lebens und mit Luft und Kroft zum Guten und einem heiligen Abſcheu vor allem Böfen zu erfüllen. D Liebfter **, wie ſehr follte ich Gott bloß für bie Sohithaten danken, baß ich einen Freund an Ihnen habe, mit dem ich fo chriſtlich reden und durch beffen Beyſpiel ich mid erwedten und tröften Bann! Ja, bes Menſchen Herz iſt ein trotzig und verzagtes Ding. Wenn Gott eb bemüthiget, und zur befe fern Kenntniß fein ſelbſt, feiner Sünden, feiner böfen Reiguns gen und feines Unvermögens, ſich felbft au heiligen, bringen

wi: fo flieht dieß Herz zu feinen eignen Bemühungen, fh zu Seifen, und ſich von feiner Angft durch Thränen und Gebete, durch 2efen und Studieren, burch gute Werke, burch mühfeme Einfamteit zu befreyen, und Bott zu bewegen, ihm das Ver— dienſt des Erldſers deswegen zu Gute kommen gu laſſen. Luther fagt an einem Orte: „Wenn der Glaube rein und ungefaͤrbt bleibt, fußet und gründet er ſich nicht auf mich felbft, noch mein Thun, daß mir Gott darum follte gnäbig feyn, wie der faiſche Heuchelglaube thut, welcher menget in einander Gottes Gnade und mein Berdienft, ob er auch wohl bie Worte behält von Ehriſto, aber doch des ‚Herzens Zuverficht feget heimlich ‚auf fih feibft, alfo daß es nur eine angeftrichene Farbe iſt Das hebe an und verfuche ed, wer da will, fo wird er fehen und erfahren, wie trefflich ſchwer es ſey, und wie fauer es wird, baf ein Menfch, ber fein Eebetage in feiner Werkheiligkeit geftedtet, ſich herausfchlinge und mit ganzem Herzen erhebe durch den Glauben in biefem einzigen Mittler. Ich habe es nun felbft {hier zwans sig Jahre geprediget, daß ich follte herauslommen feyn; noch fühle ich immerbar den alten anklebiſchen Unflat, daß ich gern mit Gott fo handeln wollte, und etwas mitbringen, daß er mir feine Gnade für meine Deiligkeit müßte geben, und will wit nicht ein, daß ich mich fo gar fol ergeben auf bie bloße Gnade, und muß doch nicht anders ſeyn.“ Wie bemunbre ih den feligen Luther in feiner biblifchen Weisheit, in feiner frey⸗ müthigen Aufrichtigfeit und großen Demuth; und wie ſehr fürchte ich, daß Gott oft ein erwectted Herz, das fich aber felbft Helfen will, nicht anders von feinem Irrthume und heimlichen Unglaus ben heilen und zur Erkenntniß feines großen Etends bringen will, als wenn er ed einige Zeit durch Entziehung feiner @nas denkraͤfte ſich ſelbſt, feiner Weisheit und Stärke, das if, feiner Thorheit und Schwachheit überläßt. Altbann fühlen wir, wie viel Bbſes noch in und wohnet; umb wie feibft bie Beibenfchafs

x

ten. unb Neigungen, bie wir am gewifleften und feit vielen Jah⸗ zen befiegt zu haben glaubten, noch in uns ba find, und nad der Herrſchaft ſtreben. Alsdann fühlen wir bey den Anklagen unfers Gewiſſens, wie wenig wir feine Unruhen ſtillen Pönnen, und wie nicht unfre Lebensbefferung, fondern bas göttliche und unendliche Berbienft unfers Griöfers der Grund unfrer Gnade bey Gott allein, ganz allein ſeyn, und wie ung Gottes Geift durch den Glauben umbilben, heiligen und getroſt machen muß. Liebfter* ich habe viel gefchrieben, möchte ich doch etwas Gutes für mich gefchrieben Haben!

Und wie leben &ie denn? Wein Herz fagt mirs, daß Sie glũctiicher leben als taufend andre Menſchen. Ich bitte Gott darum, bitte, daß er mich diefen Tag, fo ſchwer er auch feyn mag, gebuldig und voll Hoffnung wolle zubringen, und nicht fo Heinmüthig feyn laffen. Wer einen Gott zum Erlöfer und Hels fer hat, fagte Eram er einflens zu mir, ber foll nicht traurig fen, wenigftens es nicht bleiben. Ich grüße Ihre liebe, Fromme, vortreffliche Frau, das Glück Ihres Lebens, und bin ıc.

G.

177. Gellert an feine Schwerer.

2. d. 2. Oct. 1759. Der 23. September dat, Gott fey gepreifet! nichts weiter bebeutet, als bag er mich nachbrüdlicher an meinen Tod erins nerte*), Unb wenn er biefe Wirkung auf mich gethan, fo if ©) Diefer Brief war bie Antwort auf eine Zuſchrift feiner Schweſter,

im welcher die Rede von einem Traume geivefen war, ber fie in bſicht auf den geliebten Beuber:fchs beanzahigt hatte. Leuchte,

es eine große Wohltgat für mid. Gott fen gelobet, ber mic bisher aus fo mander Gefahe und Kümmerniß geholfen hat; er wird ferner mit feiner Gnade mir und uns allen nahe ſeyn. Unfern Freund wird alfo fein Water bald wieder erhalten. Das Eramen ift zwar noch nicht vorbep; allein es iſt mir auch nicht bange, und ich bin fehe ruhig. Er hat mir verſprechen müffen,

den Sonntag ſtets feyerlih und mit Uebung der Religion zu begehen, und ohne bie höchfte Noth Leine Beruftarbeit an dem⸗ felben zu verrichten, noch fich ſolche Vergnügungen zu erlauben, die dem ‚Herzen ſchädlich find. @elegt, Bott rief feinen lieben Water zu fih, ehe er ihn verforgt hätte, fo weis ich body, er wird fein Fortkommen in der Welt finden, wenn er nur Bott fürchtet und Fleiß anwendet.

Ich verreife diefe Meſſe nicht, weil ih mir nicht trauen barf und weil mein Uebel faft ſtets anhält, ober doch, ehe ichs denke, wieder Eommt. Lebt wohl. Ich grüffe Cuch alle herzlich. .

178. un dbiefelbe

2. d. 21. Dec. 1750.

Her Bufhmann wird Eud fein Glück erzäͤhlen. Ih banke Eud für Euren langen Brief und wünfehe durch "biefen ud und unferm ganzen Haufe Leben, Gefundpeit und’ Bufries denheit zum neuen Jahre, Sott ftärke infonderheit den Lieben Herrn Bruder, Ich habe ein Gefchent aus Warſchau buch einen mir unbefannten Gönner erhalten, der mir fogar eine beftändige Penfion ungenannt geben will. Ic Tann Eudy daher

defto eher ein Vierteljahr von Eurer Penſion auf das künftige Jahr bezahlen. Hier find 2 Thaler, und zugleich 8 Groſchen für Arme, Danket Gott, ber fo gnäbig und mehr ald gnädig für uns und befonders für mid) forgt. Leber wohl, Ich grüffe

alle herzlich. Pi

179. (70.) Un bie Fran Gräfinn von ®®, 1750.

In dieſem Augenblide erinnere ih mich, baß morgen ein fehe fegerlicher Tag für Cie einfält. Möchte id doch mit meiner Freude und mit meinem Glüdwunfhe ber erfte feyn! Ja, theuerſte Gräfin,

Noch oft wird dieſer Tag ein Feſt des Dankens ſeyn, Roch oft des Grafen Herz erfteun,

Noch oft der Kinder Wunſch erneun,

Roc oft der Enkel Wolluſt feyn:

Da wirft Du, Gräfinn, noch in langen langen Jahren Des Lebens größtes Gluͤck erfahren, Das Glül der Lieb und Zärtlichkeit, Der Tugend und Zufriedenheit,

Das Gluͤc, mit Kindern edler Gaben, Die Welt und dich erfreut zu haben, Das Glück, mit den verliehnen Gaben, Die Benfhen gern beglädt zu haben, Das Glüd der oft vollbrachten Pflicht; Mehr Städ Hat diefes Leben nicht.

188. (e7.) An den Grafen Morig v. Brühl.

2. d. 10. Ian. 1760.

Sie haben mir durch meinen Bruber fagen laſſen, daß ih Sie nicht vergeffen fol; das heißt, wie mir mein Herz fagt, das ich bald an Sie fchreiben fol; und was thue ich lieber, als daß ich an Sie denke, an Sie fchreibe, und von Ihnen vede? Aber warum fehreibe ich gleichwohl nicht öfter? Liebſter Graf, warum? Weil ich igt faſt niches als Collegium, und nad) den Gollegiis nichts als Hinfäligkeit bin.. Auch ein Brief, ber mir fonft Freude war, wird mir igt nicht felten eine große Arbeit, D wie wenig bin id} ber Vorige, und wie alt muß ich ſeyn, da ich fo germ Mage! Doch heute will ich nicht lagen, ich will mich freuen, daß ich noch an Sie fehreiben, und wieder in einem neuen Jahre Sie aller meiner Liebe und Hochachtung, bie Sie vor taufend Andern verdienen und haben, verfichern ann. Ims merbar müſſe es dem Grafen Mori mohl gehen, und fein Glück und fein Verdienſt müffe das Gluͤck vieler Tauſende und die Freude aller Rechtfcaffenen werben! Ja, theuerfier Graf, Gott, ben Sie von Jugend auf vor Augen gehabt, wird Sie mit einem reichen Maaße von Weisheit und Tugend, und alfo aud von Zufriedengeit und Glücfeligkeit fegnen, und Ste, wie ich ſicher hoffe, das hoöchſte und freubigfte After erreichen und bereinft flerben laffen, wie Sie gelebt haben. Alle gute Mens fen, die von Ihnen reden, rebden nichts als Rühmliches von“ Ihnen; beynahe nichts anders, ald was ich in meinem Gedichte zu Ihrem vierzehnten Geburtstage, nicht von der Poeſte, fons bern von Ihrem Charakter begeiftert, vorher verkuͤndiget habe. D welche Zufriedenheit wirb mir das noch in ber Ewigkeit geben, daß id) auf Erden mit zu ber Pflicht beſtimmt war, die erften Empfindungen Ihres edlen Herzens zu bemerken und zu bilden!

Möchte doch der Graf Heinrich feinem wärbigen Bruder volls tommen ähnlich werben! Gr zeigt, fo jung er iſt, fhon viel Anlage dazu.

Cine Beine Entdedung muß ich Ihnen noch machen. Ich habe vor wenig Wochen bie Verfiherung aus Warfhau erhalten. das mir ein unbelannter Gönner bafetbft eine jährliche Penfion von 150 Thalern (denke ich) auögefeget hätte, und zugleich wurde mir von Heren D *°* bie Hälfte ausgezahlet. Gin fons berbared, unerwarteted und unverbientes @lüd! Wer ift der Scoßmäthige, ber mir Gutes thun wi, ohne mich den Wohle thaͤter Eennen zu laffen? Ich verweife Sie, beſter Graf, auf einen Brief an ben Herrn von &*°*, in der Hoffnung, daß Sie mir einiges Licht über mein Glück geben werben, wenn ie Zönnen, und wenn mirs gut ifl. Ich umarme Sie und bin bis an mein Ende der Iprige,

®

181.°) Un Vriedei Nicolat.

& d, 24. Ian, 1760,

Hodhebler, Hochzuehrender Herr, Sie verlangen in Ihrem legten Briefe einige Nachrichten von meinem Leben; und wie gern wollte ich Ihnen folche ertheiz Ten! Aber auf der einen Seite ift mein Leben nicht fehr merk⸗ würbig, und auf der andern @eite, wo es etwas Beſonderes dat, ba darf ichs Ihnen, lieber Herr Nicolai und ber Welt

©) (Hub dem Original, im Befig des Hin. Venonl Beiebländer u Bein.) Gellert V. 20

nicht ſelb ſt · zeigen, wm nicht wider bie Veſcheidenheit ober King: helt zu ſündigen. Nach meinem Tode wird man verſchiedne Heine Aneedoten finden, bie theils nüglich theils dem Prdlico⸗ angenehm fegn Binnen. Iht muß ich Ihr Verlangen bloß mit einigen hiſtoriſchen Umftänben zufrieden ſtellen; und biefe follen Sie zu Ende des Briefs finden. uebrigens wünſche ich Ihnen zu. dem gefaßten Entſchluſſe, die Leben ber deutſchen Poeten, nad) Att des Gubbers zu beſchrelben, Glück, Geduld umb Zeit; denn ſoviel Sie auch Beruf zum Autor haben, fo haben Sie doch noch einen babey, ben Sie nach meinem Wunſche nie aufs geben fellen. Bon ben Briefen über bie neuefte Literatar habe ich geftern das Ende des Aten und ben Anfang des äten Theis durch Here Reichen erhalten; wofür ich Ihnen ergebenft danke, und zugleid für das erfle Stück des Aten Bandes von ber Gamms lung Berm. Schriften. Ic glaube, daß diefe ueberſetzungen allerdings für viele Leſer angenehm und lehrreich find. Könnten Sie nicht dann und wann ein Meines Stüd aus einem griehis ſchen Autor mit überfegen Laffen? Herr Weife, wie Sie viels leicht fhon wiſſen werben, iſt igt mit feinem Grafen in Paris und wenig mit feinem Auffenthalte bafelbft zufrieden.

So bald ich eine bequeme Gelegenheit finde, will ich ihm des ſel. Kleifts Leben, das noch bey mir liegt, zufchiden. End⸗ lich bitte ih um Vergebung, daß ich Ihren legten Brief fo lange unbeantwortet gelaffen. Ich leide theils in Anſehung mei: ner Gefundpeitsumftände, und theil® in Anfehung ber allgemeis nen Laſt viel, wenigftens in meinen $reunden, und ich bin daher oft auch zu den angenehmen Pflichten ungeſchickt. Leben Gie allezeit wohl. Ich bin beftändig mit einer wahren und großen dochachtung und Freundfchaft

Ewr. Hochedeln ganz ergebenſter Diener ©. 8. Sellert.

N. ©. Laffen Sie in dem beygelegten Leben weg, was Sie wollen, mir Timmt: alles: Hein und eitel vor, mad ich von mie felber fagen fol. Die Jchrzahten zu den Schriften weis ich feibſt nicht ſo genau. Die Meberfegungen habe ich faft alle.

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Weitage] *)

Chriftian Kürhtegott Gellert geboren 1715 den 4. Julius zu Haynichen, einem Städtchen im Erzgebürge, zwiſchen Freyberg und Chemnig gelegen und dem ‚Heren von Schönberg gehörig. Hier war fein Vater Chriftian Gellert, länger als funfzig Jahre, Diaconus und nachher Oberpfarrer und ftarb 1746 in einem Alter von 76 Jahren, nachdem er dreyzehn Kinder von ſich gefehen und größten Theils erzogen hatte, Herr Prof. Gellert genoß ben erflen Unterricht in der öffentlichen Schule feines Geburtsorts und wurde nachher einige Jahre durch Privatunterweifung geſchickt gemacht, daß er in feinem dreyzehnten Zahre die Fürftenfhule Meiffen bes ziehen Tonnte. Hier errichtete er die vertraute Freundſchaft mit dem igigen Herrn Profeffor Gärtner in Braunfhmweig und dem Herrn Oberſteuerſekretair Rabener. Nachdem er in Meiſſen fünf Jahre die Yumaniora erlernt und ein Jahr für fl in dem Haufe feined Waters ſich zur Academie vorzubereiten gefucht: fo gieng er im Jahre 1734 nach Leipzig und trieb bafelbft die Ppitofophie und Theologie nebft der Eitteratur**). Nach vier- Zaren vief ihn fein Water nach Haufe zurüd. Bald darauf,

*) (Die Beilage ift nit von Gellert geſchrieben, aber von ihm felbft durc:orrigist,) °*) (Duräfirigen: Er hoͤrte daſelbſt die Philofephie bei Dr. Adolph Beiebrid Hofmann, Die Nheologle bey Dr. Klaufingen und Dr. De Beer, und die Hiſtorie und Litteratue bey Böden, Shriften und Kappen,) 20·

bekam er auf dem Lande bie Aufficht Aber einen jungen Serm von Lüttihau*), und nachher unterwied er ein Jahr Lang zu Haufe einen Schweſterſohn, weichen er 1741 auf die Academie nach Leipzig begleitete. Gr hörte hier zum zweytenmaie die Philos fophie bey Dr. Hofmann, den er ſehr Hoch hielt, führte die Aufficht über die Studien feines Vetters und gab etlichen jungen von Abel einen Privatunterricht im deutſchen Style. Um biefe Zeit fur Bitte der fel. Johann Elias Schlegel, nachheriger Profefe for zu Soroe, in Leipzig, mit weichem Herr Geller, durch gleiche Neigungen und Liebe zu den fdhönen Wiffenfchaften ver: eint, einen genauen und täglichen Umgang gepflogen. Im Jahre 1743 ward er in Leipzig Magifter der Philoſophie und das Jahr darauf erwarb er fi) auf dem philofophifchen Gatheber duch eine Disputation de Poesi Apologorum eorumque scripte- ribus das Recht, Gollegia zu lefen. Der berühmte Herr Hofs yprebiger Gramer bisputirte damals unter ihm. Won biefer Zeit an as er über die Poefie und WVerebfamkeit, fehrieb verſchiedene feiner Schriften nieder **) und gab darauf 1748 den erſten Spell feiner Kabeln und Graählungen, 1747 den erflen Theil ber Schwediſchen Gräfinn, 1748 den zweiten Theil der Fabeln und Erzählungen, und bie Troſtgründe wieber ein ſieches Leben (*), ferner 178 bie Euftfpiele; 1751 die Briefe; 1754 bie Lehrge:

) CDurqhſtrichen: über ein Past junge von Abe.)

®*) (Gier iſt duräfte.: 3. E. die Betſchweſter und den erften Theil der Schweißen Bräfinn.)

U) Dee Berfaffer derfelben ift fhon feit zwanzigJahren mit di pochondriſchen Bufhllen beſchwert, von melden ihn weder Bruns men nad) Bäder haben befrepn wollen, auch tee tbbtli Krankheiten nicht, bie ihm felt zwölf Jahren befallen und bavı er bie Iräte, eine Pleurefie, auf dem Lande ohmweit Mops bad) eben zur Bett der Moßbadırr Wattalie üdreflanden. (An mertung von Gelert6 eigner Hand.)

dichte: 1756 bie Sammlung vermifhter Schriften und 1757 die geiſtiichen Lieder heraus. Berſchiedene biefer Schriften find in das ranzöfifhe, Englifhe, Holländifhe, Dänifhe und Pohle niſche, proſaiſch und poetiſch, aber nicht alle mit gleichem Glüde überfeget. Herr Gellert erhielt das Amt eines Professoris phi- Iosophiae extraordinarii 1751 und trat es mit einer Rede von dem Ginfluffe der fhönen Wiſſenſchaften in das Herz und bie @itten, an, die in der Sammlung vermiſchter Schriften, übers fegt von Herr Mag. Heyern zu finden ift, und lud zu dieſer Rede durch ein Programma de Comoedia commovente, ein, das Hr. M. Leffing in feiner theatralifhen Bibliothek übers fegt hat.

Er hat noch zween ältere Brüder, mit benen er zugleich in Meiffen und Leipzig ftubieret Hat; der erfte ift Oberpoftcommifs far in @eipgig und der andere BWergeommiffionrath in Frevberg und Mitglied der Academie zu Petersburg.) Beine Mute ter, eine gebohrne Schützinn, die Here Prof. Gellert außers orbentfidh geliebt hat, ift 1759 in Daynichen in einem faft achte siglährigen Alter verftorben. Sie hat ſich an diefem Drte durch ihren frommen und fanften Character und durch ihren fehr ers baulichen Wandel unfterblic, gemacht.

®) (Duröfteigen: dep der er zehen Jahre Professor Adjuuctus gewefen.)

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298 °). Rabener an Öellert.

Wölfau, d. 25. Ian. 1760.

Ich habe vergeffen, Ihnen, Liebfter Kleiner, da ich in Leip- sig war, meine Autornoth zu Magen. Meine Schriften werben im ber Schweiz nachgedruckt. Defto mehr Ehre für Sie, mein Herr Eollege, werben Sie fpreden Aber fprehen Sie dad im Ernfte? Unmöglih! Ein verpfuſchter Rachdruck, vie bie fer feon fol, muß mid) eher demifithig als ftol; machen. Mein ehrlicher Verleger dauert mid) zu fehr, als daß ich mich über den prächtigften Nachdruck freuen follte: Denn, ob ich gleich ein Steuerſekretar bin, fo habe ich doch, Gott verzeih mirs, fo viel Menfchenliebe, daß ich mich über den Verluft meines Verlegers von ganzem Herzen kraͤnke. Das Schlimmfte aber iſt dieſes, daß der fchelmifche Gorfar in der Schweiz durch die Cchafhaufer Zeitung hat befannt machen laffen: er gäbe meine Schriften vermehrt heraus, Unter und geſprochen; id} bin darüber fehr verlegen. Ich Tann mir nicht ausdenten, durch was für Gtüden fie Fönnten vermehrt feyn? Durd) einige, aus den Beluftigun: gen, bie ih, als unehte und ungerathene Kinder, vorlängft verftoßen habe? das will ich nicht wünfhen. Und doch wünfche ich das noch eher, als wenn biefe angebrohte Vermehrung durch einige Briefe gefchehen ſollte, bie ih, zum Theil vor vielen Jahren, an Bf[obmer] und andere Schweizer geſchrieben habe. Und wäre das, wie id) es behnahe befürchten muß, was fol ich thun? Rathen Sie mir, mein lieber Gellert. Ich glaube wohl, daß einige Ausbrüde in biefen Briefen feyn mögen, bie id) würde gemäßigt haben, wenn ich mir hätte vorftellen können, daß jemand meine Gorrefpondenz auf diefe Art mißbrauchen

*) Gabeners Briefe, heraudgeg. von Weiße ©. 264 ff.)

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würbe: ber bach getraue ih mir alles zu verantworten, was barinme ſteht. Col ich an das Publitum appellicen und pros sftiren? ſoll ich die Briefe, fo viel ich deren etwan noch in ‚Händen habe, felbft bekannt machen, ohne zu erwarten, daß fie ber Rachdrucker der Welt, vielleicht verflümmelt mittheilt? ober ſoll ich das alles erwarten, und mid) aldbann erſt bey bes Melt entſchuldigen, oder bucch einen Freund mich entſchulbigen Laffen? Biche dem Nacdruder, wenn er es fo weit kommen läßt! Kurz, lieber Gellert, geben Sie mir einen guten Rath. Ih bin ganz unfchlüßig dabey, fo unfchlüßig, daß ich noch nicht eins mal recht weis, ob ich bey der Schelmerey biefes Buben mich ärgern, ober gleichgültig fegn foll. Läßt er fie bruden, fo ers fährt bie Welt einige vortheilhafte Urtheile, die ich von meinen Freunden gefällt Habe, und welche deſto unparthegifcher feyn müffen, da fie niemals in der Abficht gefhrieben waren, ber Welt folhe befannt zu machen. Und find auch etwan hier und ba läherliche Züge von andern Perfonen barinnen, fo ift das nicht eine Beleidigung von mir, fondern von dem, ber fie wiber meinen Willen hat druden laflen. Und doch werde ih mid ärgern, gewiß werbe ich mich ärgern, ich mag mic auch igo noch fo phitofophifch dabey anftellen; wer weis, ob id nicht durch dieſe philofophifche Gelaffenheit mich ſelbſi zu beträgen fuche. Ihren Rath, befter Freund, erwarte ich mit Ungebulbz und ec wird befto grünblicher ſeyn, ba fie gewiffermaßen Gelb in den Umftänden find, nur mit dem uUnterſchiede, daß Ihr Brief Ihnen gewiß Ehre macht, wem er auch, welches ich noch wicht glaube, durch den Drud bekannt werben follte; meine Briefe aber 0, bad war gar zu befcheiden, Schande follen mir diefe Briefe auch nicht machen; ich will doch fehn, wer das Her; hat, mir fo etwas nachzufagen? Aber barinne iſt ein gros Per unterſchied: in breyen von meinen Wriefen wird etwan von Einer Perfon ein wenig Gutes geſprochen; und Sie haben in

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Einem Briefe von dreyen Perfonen auf einmal’ fo viel Gutes gefagt; und find auch einige ſcherzhafte Züge mit darinnen, fo find diefe für das Driginal immer noch vortheilhaft, denn id glaube, ein preußifher Hufar, wie fie ihn geſchildert haben, wird ſich dabey immer noch fehr geſchmeichelt finden, anftatt, daß er ſich hätte mäffen für beleidigt halten, wenn Sie ihm hätten eine füße lifpeinde Sprache, eine Beutelperücke, glaßirte Handfhuhe, und weiße feivene Gtrümpfe gegeben. Aber, ih weis nicht, warum ich mich bey Ihrem Briefe*) aufhalte, da ich felbft fo viel Roth wegen der meinigen habe.

Mit einem Worte, ic bitte mir Ihren freundſchaftlichen Rath aus, und barauf fehwöre ich Ihnen bey der mwildeften von meinen Gatiren, Ihr Gecundant in allen dergleichen Fällen zu feyn. Leben Sie wohl, mein lieber Greugbruder!

Rabener.

183. Gellert an feine Schwerer.

2. d. 25. Febr. 1760.

Mein Kopf, o, ber ift immer nody mein Beind. Ich dulde viel daran, das weis Gott; aber der weiß auch zu helfen, daran ſoll und gnügen. Won den Liedern will ich binnen acht Tagen noch drey Eremplare in Heinem Zormate ſchicken, eins für ben Herrn Paftor Lehla, eins für den Herrn Bruder, und eins nad) Reihendayn. Gott gebe, daß dieſe Arbeit biejenige werde, auf die ich mit dem meiften Vergnügen zurüd fehen mag. Ich wollte bem Publico zum Beflen anfangs von bem Verleger gar nichts nehmen; allein ba meine Penfion jest wegfält, da mir bie Meinigen näper find, als das Yublicum, fo habe ih

*) Germuthlich der unter No. 165. abgebrudte Brief.)

125 Thaler gefordert und 150 erhalten. So viel, Lebt wohl und betet. um Frieden ®.

184. °) e. d. 22, März 1760, Lieber Better,

Ich danke ihm fehr für den guten Brief, den er mir ges fhrieben Hat, und erfreue mid) zugleich über bie Nachricht von feiner leiblichen @efundheit, feinem Fleiße und der hinlänglichen Arbeit feines Berufs. Fahre er fort, mein lieber Sohn, und er wird ein Beweis feyn, daß Gebet und Arbeit Riemanden verläßt. Es ift fchon ein großes Glüd für ihn, daß ihm Gott feine Mutter fo lange erhält, und daß er diefe Wohlthat durch fo viel Liebe und Behorfam zu verbienen ſucht. Kann ich ihn in feiner Handthierung durch einen Vorſchuß an Gelbe ober Büchern unterflügen: fo melde er mird, ich wills gern thun. So viel, mein lieber Wetter. Lebe er wohl; und wer nach Bots tes Willen lebt, der lebt allezeit, auch im Unglüde, noch wohl. Ich grüffe feine Liebe Mutter und bin zeitlebens fein

ergebenfter Vetter G.

) (An den Sohn von Gellerts Schweſter, Friedrich Bichle, ber 1805 in vodnichen ald Buhbindermeifter farb. Gellerts Bamilienbriefe.)

188. (m) le. d. 3. Apr.) 1768, Liebfter Häfeler, *)

Als ich heute, am grünen Donnerftage, in bem Gedanken der feyerlichften Handlung ber Religion, die ich eben verrichtet Hatte, nach Großbofens Garten gieng, kam mir vor demſelben ein Briefträger mit dem Briefe an ben feligen Schmehr ents gegen. Ich erbrach ihn mitten auf dem Mege, las, erfhrad, las ihn noch einmal, fah gen Himmel, und konnte weber beten noch weinen. Aber ich gieng zurüd in.mein Haus; und nun habe ich das erfte, und ich denke, aud das andre gethan. Alſo ſtehen Sie, mein theuerfter Freund, nahe an den Pforten der Ewigkeit? Gott, der barmherzige Gott, ftärke Ihre fromme Seele im Glauben zum ewigen Leben, und laffe die Tage, ober Stunden, die er Ihnen noch auf der Erbe beftimmt, zu Stun: den ber Gtanbhaftigkeit im Leiden, zu Stunden des Troſtes und der Freude in Gott, Ihrem Heilande, und für bie, die um Sie find, zu lehrreihen Stunden werden! D wie glüdlid, wie überglüdlich find Sie, befter Freund, daß Sie freudig und felig zu ſterben durch die Religion gelernet Haben! Ihr Brief, den ich igt dor mir habe, Ihr Brief vol Chriftenthum, und Ergebung in den göttlichen Willen ift Ihre größte und rühms lichſte That auf Erden, und er fol nicht von mir kommen. Sie thun noch, indem Sie fterben, einem Manne Gutes, der ſchon wor Ihnen zu Bott gegangen ift, und ba für feinen Wohlthäter "betet. Sagen Sie ihm in ber Ewigkeit bereinft, daß Ihre lette Bohlthat, die ihn nicht mehr gefunden, durch meine Hände andre Arme erquidet hätte. Ah, liebſter Häfeler, ich weine und umarme Sie im Geifte, und fegne Ste mit Wänſchen ber Liebe, und erbaue mic aus Ihrem Briefe, aus Ihrer Gelaſſen— heit und Ihrem Glauben. Ia, es gehört zu den Woplthaten

*) (Wet. Ro. 189.)

des heutigen Tages, daß ich Ihren Mrief erhalten. Ich foll an meinen Tod denken, inbem ich den Ihrigen fühle; ich ſou für Sie beten, und mich, zum Beweife der Liebe der Religion, über Ihre Geligkeit- erfreuen, an dem Gebächtnißtage der Leiden bes Sohnes Gottes erfreuen, ber die Auferſtehung und bas Leben, der ewig unfre Gerechtigkeit, und im Tode allein unfer Troſi und unfre Stärke if, Bor wenig Tagen las ich in einem ger drudten Schreiben des D. Young eine Nachricht von dem Tode des großen Addiſon, die mich ganz entzückt und zugleich ges demäthigt hat. Ais er auf feinem Iegten Lager bie Aerzte auf: gegeben, und fi allein zu Gott feinem Erlöfer gewandt, befahl er, baß man einen feiner jungen Anverwandten rufen follte. Gr tam, Addifon lag ruhig und ſchwieg. Ich komme, fagte der Züngling, Ihre legten Befehle zu Hören, bie ich heilig erfüllen werde. Was haben Sie mir zu befehlen? Nichts, verfegte Ad- difon, Sie follen fehen, in weldem Frieden ein Chriſt fterben Tann, Und bald darauf ſtarb er. Ihr Ende, wenn es Gott befehloffen Hat, gleiche dem Ende diefes frommen Mannes, und meines fey felig in Chrifto, wie das Ihrige!

Hat Gott und feinen Bohn gefchentt,

EGSo Laß mich noch im Tode denken)

Bie ſollt' und der, der ihn geſchenkt,

Mit ihm nicht alles ſchenken!

CO was hätte ich an meinem Gommuniontage beffer tfun kön— nen, als an meinen fterbenden Häfeler fchreiben? Aber ich bin ſehr bewegt, ich weis nicht, was ich Ihnen fagen foll; ich möchte Sie wohl in biefer Welt noch fepen! In ber feligen fehe ich Sie ; das hoffe ih zur Gnade Gottes, Diefe fey mit Ihnen und mir! Alfo leben Sie wohl, und alfo fterben Sie, wenn Ihre Stunde koͤmmt, hriftlid groß. Ich bin ewig Ihr Freund,

86 188. (e⸗.)

An Herrn von Bofe GStörmthal, b. 10. Apr. 1760.

Ich Halte es allerdings für eine befondre Worfehung, baf Ihnen ein Antrag, wie der @*** ift, und nod dazu in dem Augenblicte gefhieht, da Sie Leipzig verlaffen müffen, und eine nähere Beftimmung Ihres Schidfald erwarten. Gehen Sie nad E**, das verlange ih von Ihnen als Ihr Freund und ches maliger Führer; ich Hoffe fiher, Sie gehen Ihrem Glücke ents gegen. Aber wollen Sie erft die Antwort von P** erwarten? Ich dächte nicht, fondern ich erwartete fie in dem Haufe bes Herrn von B***, nicht ald Regierungsrath, fondern als ein Fremder, ber ſich bey Hofe bekannt machen will. Was if das

für ein Here von B*°*? Kenne ih ihn? Es muß ein wad- ter, ein vortrefflicher Mann feyn, wie ich aus feinem gangen Briefe fehe, ber mit fo vieler Einſicht, Freundſchaft und Geſchmac— geihrieben ift. Empfehlen Sie mich feiner Gewogenheit nad: drücklichſt. Lieber Bofe, gehn Sie getroft. Gott, den Sie fürchten, wird Sie allegeit wohl führen, gefett, daß auch biefer Weg ber nicht wäre, ben Sie zu Ihrem künftigen Glüde gehen follen. Er gefällt mir unendlich beffer, als der Weg der Reife in frembe Länder. Sie koͤnnen nägen, ohne zu reiſen, und bar ben Lebensart, ohne fie in fremben Ländern zu fuhen. Leben Sie wohl, und bleiben Sie ftetö der, der Sie zeither ges weſen find, fo werben Sie in allen Umftänden des Lebens glüds lid) feyn, wenn Sie auch das Glüd der großen Welt nicht mas hen. Ich umarme Sie, fegne Sie im Herzen, und bin ewig Ihr Freund,

6.

87 187. (101.) IYn den SGommiffionsrath Wagner] Gtörmthal, d. 13. Apr. 1760,

Sie wollen mich auf ben Freytag abholen? Das iſt viel Freude für mich, wenn mir anders bie Freude nicht unmöglich geworben iſt. Ich für meine Perfon Bann alle Stun⸗ den fort; denn das Land hat fo wenig Reiz für mid, als bie Stadt, und ich weis nicht, welcher traurige Weißt ſich meiner bemächtiget hat, daß gar Feine Freude in mein Herz koͤmmt. Mein Kopf, mein armer Kopf, ach ber ift gefpannt, gebunden, und alle Gedanken liegen an Zeffein, nur die beſchwerlichen nicht, Lieber Bott, wie nichts, wie gar nichts ifk der Menſch! Aber vielleicht fol ich dieß beffer lernen, weil ichs noch nicht genug weis oder wiffen will. Die Frau von Zledtwitz] erwartet mich, und heimlich bedaure ich fie, daß fie mich erwartet, Gleich⸗ wodi ift es Pflicht, daß ich eine Dame befuche, die fo viel Were trauen und Zreundfchaft für mich hat, daß fie fih von meinem Beſuche viel Vortheil verſpricht. Vermuthlich werde ih alfo Zünftige Woche nach Bonau gehen, an einen Ort, wo ich durch 400 Krankpeiten unendlich an meinem Charakter gelitten habe. Aber. fo. viel habe ich doch micht gelitten, daß ich nothwendig Uagen und ungebuldig feufzen muß. Rein, wenn auch das Elend unſte Schuld nicht wäre: fo ift doc der Mangel ber Gelaffens heit und Gebuld im Elende gewiß ſtets unfre Schuld. Wen bes Tchäme ich alfo, wenn ich Mage, ald mein eigen Herz? Und alfo hätte ich weifer gehandelt, wenn ich von mir felbft geſchwiegen hätte, Aber ich dachte, weil id mit Ihnen vebte, fo dürfte ich einmal Hagen, bad heißt, fehlen.

34) bin der Ihrige .

188. °) 2. d. 2, Mai 1760.

Hochwohlgeborner, Hochzuehrender Herr Hauptmann!

Sie erweifen meinen Fabeln durch Ihre Ueberfegung viel Ehre, und geben zugleich einen Beweis, wie glücklich der Dfficier iſt, der auffer feiner Hauptiwiffenfchaft ſich mit ben fchönen Wit ſenſchaften zu unterhalten gelernt hat. Möchten doch viele von Iyrem Stande das Vergnügen des Leſens und des Studirens in ben Winterquartieren Tennen, unb dadurch ihr Herz auf diejenige Beit ftärken, wo fie vor den Waffen nicht mehr Iefen Eönnen. Bon ber Ueberfegung felbft, Bann ich, Hochzuehrender Herr Haupte mann, als ein Teutſcher, nicht zuverläffig urtheilen. Allein nad meiner Empfindung find bie überfhicten Fabein größtentheils ſchon, und weit richtiger, ald bie Stradburger Ueberfegung. Der ‚Here von Riveri in Paris haf aud viele von meinen Fabein überfepet; und ich weis nicht, ob Ihnen dieſes Werk bekannt fegn wirb. Es führet den Titel: Fables et Contes. Paris, 1754. in 12mo. Uebrigens daute ich Ihnen außerordentlich für bie Wittheilung Ihrer Poeficn ‚"ioetfihere Sie meine Gdade tung auf die vontommenſte Art, und wänſche Ihnen von Bergen in dem bevorftehenden Feidzuge Geſundheit, und in allen Gefah-

*) (Mus: geeundſchaftliche Briefe von Gellert. Leipzig, 1770. Die in biefer Sammlungenthaltenen, an einen preufifpen Yauptmann, nachher Major, dv. ®. (nad €. H. Schmid, Nekrolog. 1785. 8t.2, ©. 530 Xen. v. Grabodty) gerichtetin eilfBtidfe bilben au, mit dem oben unter No. 52. abgedruckten, ‘den Zuhalt der Sammlung, die unter dem Titel: Giebenter dis Adhtzehnter Brief von Gellert, Berlin, 1770 erſchien.)

sen den Schut Gottes. Ich verharre Zeit Lebens mit aller Er⸗ gebenheit und Freundſchaft vor. Hochwohlgebohren gehorfamfter €. 8. Gellert.

188. (as.) An den Grafen Morig von Brühl.

2. d. 2. Mai 1760.

Ich weis Ihnen außer meiner Liebe und unferm Unglüde wenig gu erzählen. Das Iegte ift weltkundig, und die erſte ift Ihnen fehon feit Ihrem vierzehnten Jahre bekannt. Indeffen gehört es zu meiner Ruhe, daß ich Ihnen in jedem Briefe fage, wie fehr ich Sie Liebe und verehre. Ich fange alfo aud den heutigen in diefer Sprache des Herzens an, mein liebfter Graf. Denn bas find Sie; Sie find einer meiner Liebften Freunde, und Sie werben es mir bis an mein Ende bleiben. Der Here von Käubern hat Youngs Brief über die Drigie naiwerke überfegt. Diefer Brief iſt zu fhön, als daß ich Ihnen ſoichen nit mitfchiden folte. Wie ift ed möglich, daß ein Greis von achtzig Jahren noch fo lebhaft und doch fo richtig denken Tann? Lefen Sie nur, liebfter Graf. Ein Periob von Young hat mehr Leben, als mein ganzer Wrief nicht Haben wird. Wie feht wird &ie die chriſtliche Anecdote von Addifon erfreuen! Ich Habe fie wohl ziwanzigmal gelefen; fie if ganz Original, Drigie nalgroͤße. Bon Cronegks Schriften ift der erſte Theil fer⸗ tig. Ich habe ihm noch nicht geſehen, allein wenn ich ihn forte bringen Tann, fo erhalten Sie ihn mit diefem Briefe, Daß

der Here von Riveri an den Blättern geftorben iſt, werben Sie wohl aus bes Freron Annde Litteraire gefehen haben. Ich müßte fehr unempfindlich feyn, wenn ich ben Werluft eines Mannes, der mir fo viel Achtung bewiefen, nicht bedauren follte, So habe id auch vor wenig Tagen einen lieben Freund an

dem jungen Heren von Häfeler verloren, ber in ber Oſterwoche in Halle an einer Auszehrung geftorben ifl. Er hat mir noch auf feinem Sterbebette einen Brief gefchrieben, der mehr Ruhm für ihn ift, als ein ganzes Buch. Sein Herz war vortrefflich, und feine Gefhidlichteit groß. Er ift lange mein Zuhörer gewes fen, und fein Brief ſchließt ſich mit der Stelle: ,

Da will id) dem ben Dank bezahlen,

Der Gottes Weg mich gehen hieß,

Und ihn zu Millionenmalen

Noch fegnen, daß er mir ihn wies,

Weihe Belohnung iſt fo ein Dank, mein Tiebfter Graf! Eramers Auffeher, Sie haben Recht, ift wirklich ſehr ernfts haft; allein er foll ed auch nach feiner Abficht und ben gewähl- gen Materien fgn. -— Leben Sie wohl, llebſter Graf.

190. (7a.) Bonau, d. 12. Mai 1760, Theuerſte Freundin,

3% bin in Bonau, und wenn idy Ihnen auch nicht verfpros hen haben follte, von hier aus zu fehreiben: fo fühle‘ ich doch, daß «6 auch ohne Werfprechung meine Pflicht if. "Ich made ven Anfang meines Briefs mit einer Heinen Reifebefchreibung.

Dem 10, May gieng id) mit Quasi-Poftpferden, nachdem ich

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von halb fünf uhr bis um fieben auf fie gewartet hatte, in ber Geſeliſchaft meines Famulus und noch eines Gtubenten, herzlich ungufrieben nah Rippach ab. Der Himmel war fehr neblicht, aber mein Kopf war noch mehr. Ohne Pelz fror ih, und im Pelze wollte ich verfhmadhten. Meine drey Pferde, ein weis Bes, fpwarzes, und braunes, ſchilefen im Gehen, und der Poftils lion verſicherte mich, daß er Frank, noch viel müber als feine Pferde, und auf meine Reife gar nidt wohl zu ſprechen fey. Ich trug alles dies mit einer mürrifchen Geduld, vor Uns gufriebenheit eine halbe Semmel, bie mir fehe bitter ſchmecte, und kam endlich in Markranftäbt an, wo bie Pferbe geträntet und ein Schmidt und ein Wagner herbey gerufen wurden, um eine Beſichtigung an meinem Wagen, bet dem Grafen H** gehörte, anzuftellen. Der Poftillion behauptete, der Wagen würbe nicht bis Rippach halten, wenn er nicht gemacht wuͤrde. Ver—⸗ muthlich wollte er Zeit zur Erholung für fih und feine Pferde gewinnen; und der Schmidt fagte, wenn er nicht drey bis vier neue Schrauben von feiner Arbeit an-diefen Wagen anfepte, fo würde er auf immer unbtauchbar ‚bleiben, Mit dem Wagner ließ ich mich gar nicht ein, denn er fagte, ber Mann, ber biefen Wagen gebaut, müßte gar Zeinen Menfchenverftand, und der ihn getauft Hätte, viel Geld übrig und- nicht viel Werftand mehr als der Meifter gehabt haben; kurz, ich war in ber Gewalt bes Schmidts, ber eine Schraube nach ber andern abriß und neue machte, und fie anfegte, und mich einmal Über das andre anfuhr, daß ich mit einer ſolchen Chalfe zu fahren mir kein Gewiſſen machte, Indem ich alfo Hielt, Bam die Brau von *** mit ihrer Zamitie, fieben Yerfonen in Einem Wagen, Ich mußte noths wenbig aus dem meinigen ausfteigen und fie becomplimentiren Wo wollen Sie denn hin, Here Profeffov? Rach Bonau, gnädige Frau. Wo liegt das Bonau? Bey Weiffenfels, . Naumburg und Zeit Cs kann bod nicht A allen brey Gellert Y.

Drten liegen? Ach ja; es liegt bey allen breyen: ich kann es nicht ändern. Was wollen Sie denn in Bonau?— Nichte, auf der Welt nichts, gnäbige Ftau. Ih ſchictte geftern in Leipzig nad) Ihnen, Herr Profeffor: da ließ man mir fagen, Sie wären in ** bey **. Gie reifen ja vecht herum Leider! und Gie find nicht fiher, daß ich nicht zu Ihnen komme, wenn der Krieg noch länger dauert. Herr Profeffor, fing eine von ben Fräulein an, Gie ftehen ja mit Damen in Briefwedhs fl? 34? mit Damen? Ia, fehen Sie ein allerlich- fler Brief Ich mochte gern nicht fehen noch wiffen, was fie für einen Brief meynte, ober wie fie dazu gelommen wäre: ges nug, dieß Gompliment und das Hämmern bed Schmidts brach⸗ ten mid; vollends um alle meine Gelaffenheit. Ich Eonnte auch ber gnädigen Frau auf alle Kragen nichts weiter antworten, als Ia und Nein, und Nein und Ia. Diefes hatte die Wirkung, daß fie den Poftiflion fortfahren und mic glücklich nachkommen hieß. Es geſchah auch. Ich erreichte Kippach um zwölf Uhr. Aber zu meinem Schrecken erblicte ich mich hier unter lauter Freyhuſaren und Freybeutern. Ich bat den Poftmeifter innſtän— dig, daß er mich bald fortfcaffen und mir eine Stube allein geben follte. Kommen Sie, fagte er, in meine. Schlaflammer, fonft ift kein Winkel mehr leer. Ich gieng hinein, befeufgte mein Schidfal, daß ich nichts zu eſſen bekommen und doch auch keine Pferde haben konnte. Hier faß ih alfo, und nun traten ſechs Dffieiere unangemelbet in mein immer. Ich ſtehe auf und büde mich. Laffen Sie fi nicht flören, Here Profeffor, fieng der erfte an. Dieß bier ift ber Rittmeiſter Ke“, ein großer Berehrer Ihrer Schriften, und ich bin der General &***, Wo gedenken Sie Hin? Nach Bonau, Here General, komme ich Ihnen etwan verbädtig vor? Nichts weniger. Sie mögen wohl oft in Bonau feyn? Mm Vergebung, wie hat Ihnen das bekannt werben Eönnen? Eben fo, Herr Profeffor, wie mirs

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bekannt if, daß Sie oft in** find, und oft Beſuche von ſolchen 2euten haben, wie der Rittmeifter R°* if. Runmehr trat der Rittmeifter näher auf mich zu, mit einem ſehr freundlichen Geſichte, und fagte mir, daß er mid, ſehr Lieb habe, und mich gern läfe. Here Profeffor, fuhr dee General fort, ich bitte Sie, daß Sie diefen Mittag mit mir fpeifen; alsdann wid id; Sie ruhig nad) Bonau reifen laffen. Run, dachte ih, das wird eine ſchoͤne Mahlzeit werben. Aber was hilft? Gehe. mit, ehe man Gewalt braucht. Ich fpeifte alfo mit biefen Her⸗ ren im Garten. Das Eſſen war fehr gut, und der Kittmeiſter und der General begegneten mir mit vieler Freundſchaft; ich aber- konnte nicht eſſen und nicht trinken, fo fehr fie mir auch zurebes- ten. Immer dachte ich, ich würde bie ganze Racht hier reſibi⸗ ren mäffen, und dieſe Burcht gab mir, wie ich vermuthe, ein fo- můͤrriſches Anfehen, daß fie fih wohl fehr über den menſchen⸗ freundlichen Profeffor wundern mochten; benn fie fahen mich immer einer um ben andern aufmerffam an. Zu meinem Glücke blies in der Hälfte der Mahlzeit ein Poſtillion. Kalten Sie mirs zu Gnaden, Here General, fieng ih an, der Poſtillion rufe mid; und fogleih flund ich auf, und zitterte heimlich vor ber Arretirung. Aber nein, theuerfte Freundinn; ber General lieh mid fehr gütig von fih, und ic muß es rühmen, daß ih an feiner Tafel kein unanftändiges Wort gehöret habe, Ich tief gefhwind duch den Garten, fprang in den Wagen, und fagte zum Poftillion: Fahrt zu, ich gebe euch doppelt Trankgeld. Alle Borpoften wollten mich aufhalten. Wo kommen Sie der? Wo werde ich herfommen? Won ber Tafel des Generals. Sind Sie der Herr Profef[or Gellert? Ja wohl. Run fo fahren ie ruhig, wir haben Ordre, Sie nicht aufzuhalten. Zaprt zu, Poftition! faprt zu, rief ich aufs neue, indem ich voll Dank meinen Hut gegen bie guten Hufaren abzog. Der Poſtil— Kon fuhr, was er Tonnte, und hörte gar nicht mehr, bie Vor⸗ 21°

poſten mochten rufen, wie fie wollten. Ih kam alfe wie im Trunke nah Bonau, Hier fand ich die gnäbige Frau krank, und zwar Trank über das Gchreden, das ihr den 8. May zwey Huſaren von bemfelben Corps gemacht. hatten. Giner hatte fie erſchießen, ber andere erſtechen wollen, und fie felbft war von allen ihren Leuten, die von ben Hufaren durch Prägel waren verfcheucht worden, verlafen, bie Rammerjungfer ausgenommen, Ich erzaͤhlte biefer armen Dame meine in Rippach gemachten Belanntichaften, und fie fah meine Ankunft für ein Gläd an. Kurz, ich nügte mein Anfehn und ſchrieb (an wen bächten Sie?)- an ben Rittmeifter R°*, und bat, daß er keine ſolchen tyranni— {hen Hufaren mehr nach Bonau ſchicken follte, wenn er mich anders lirb hätte, Ich Hoffe don biefem Briefe gute Wirkung. Vielleicht Tann auch einmal ein bemüthiger und friedfertiger Aus tor eine Dame befchägen, die alle Landftände vor ſolchen Ans fällen nit würben fhügen koͤnnen. Sie hat ſich, da fie nicht: mehr in durcht if, größtenteils erholt, und mir felbft -befohlen, es Ihnen zu melden, in welcher, Gefahr fie zeither beynape feit vier Wochen geweſen. Dieß.chabe ich mun, deucht ‚mich, ſehr treulich gethan. Itt will ich alfo ſpatieren gehen, unh wäus Then, daß keine Huſaren wieder kowmen. eben Sie wohl.

10.09 Un biefelde Bonau, d. 20. Mai 1760,

Ich liege noch immer zur Bedeckung in Bonau, und in ber That ift zwiſchen mir und eimm Huſaren itzt eben Fein großer unterſchied. Erſt hatte ich meinen Quartierftand in [Storm⸗

thal], alsdann in [Eeipgig], und nun ſtehe id in Bonau; und alles, weflen ic mich bey meiner Freybeuterey rühmen Tann, iſt, daß ich den Leuten nichts mit Gewalt nehme. Gleichwohl zehre ich auf Koften meiner Wirthe, und bringe fie über biefes um bie Zeit, ja ich bin in einer gewiffen Betrachtung noch ſchlech⸗ ter, als ein Hufar; denn anftatt baf dieſer Tag und Nacht in Bewegung ſeyn muß, fo bin ich Tag und Racht im Müßiggange. Bey biefer Lebensart Tann unmöglich viel Segen feyn, und baher mag aud wohl die heimliche Unruhe kommen, bie ich auf meis ner Stube, im Garten und überall fühle, Ich fehe die Baums blüthe vor mir, und fie lacht mich nicht an. Ich höre bie Nach⸗ tigallen, unb bleibe immer Taltfinnig. Ich gehe nach Meineweh in das Faſanenholz, und es ift, als ob mir jeber Baum etwas vorzuwerfen hätte. Aber, werben Sie fagen, wenn Sie alles das fühlen und einfehen, warum gehen Sie nicht zurüc nach Leipzig, wo fie hingebören? Warum ich nicht zurückgehe? Die Frau von Z[edtwig] will mich nicht fortlaffen. ‚Sie fpricht, ich würde vor ben Feyertagen nichts in Leipzig thun; und ih, ich wit dennoch fort, fo fehr die gute Dame das Gegentheil wii. Welcher Wille wird gelten? Heute iſt Dienftag; nun muß fie bald ausweifen. Leben Sie wohl. ®

N. ©. Hier fchide ich Ihnen die Antwort des Heren Mitte meifterd von K**. &o lange ich hier bin, haben wir Ruhe gehabt.

198. 7.) °) Un Herrn von Rodom. 2. d. 10. Zum 1760.

Liebfter Herr von Roch au,

Sie machen mir wegen meines Charakters einen großen Lob: ſpruch in Ihrem Briefe, und wie glüdlich würde ich ſeyn, wenn mir mein Herz fagte, daß ich das wäre, was ich nach Ihrer Meynung bin! Allein mein Herz fagt oft nein. Indeſſen if ed mein Wunſch, ber Mann zu fepn, der ich ſeyn foll, ja es ift auch mein Beſtreben. Diefes ift es alles, was ich mir mit Wahr: heit nachfagen Tann; und wenn ich endlich beffer wäre, als ih nicht glaube, wen hätte ich mein Gutes zu verdanken? Sewij nicht mir. So aufrihtig alfo aud Ihr Lobſpruch ift, mein lies ber Here von Rochau, fo hat er mid dody weit mehr gebe: müthiget, als erfreut; aber dennoch muß ich Ihnen dafür danken, und id thue es mit dem freunbfehaftlichften Herzen. Zugleich verfihre ich Sie, daß ich Sie, nachdem ich Sie perſonlich Habe kennen lernen, noch weit mehr liebe, als vorher durch alle güns flige Beſchreibungen, bie mir, ber Herr von Bofe von Ihnen gemacht; denn ich kenne Sie nunmehr felbft als einen Freund der MWiffenfchaften und Verehrer ber Religion und als ben anges nehmften Geſellſchafter. Gott laſſe Sie lange zum Beften Ihrer Freunde, und zum Glücke Ihrer Untertanen, und zum Trofe Ihrer Gemaplinn leben, und taufendfaches Gutes ftiften! Gin ſolches Leben ift eigentlich ein wahres Leben.

Mein Aufenthalt in Bonau, ber drey Wochen gedauert hat, iſt für mic, zwar nicht der ruhigſte gewefen, aber ich würde uns

*) (Wervolftänbigt aus einer im Heyerſchen Nachlaß befindlichen Abſchrift des Originals.)

dankbar ſeyn, wenn ich bie feohen Stunden vergeffen wollte, die ich auch an diefem Orte genoffen. Ich habe wenigftens das Ber- onägen gehabt, die Frau von Zedtwitz burch meinen Ramen von den Ausfchweifungen der Freyhuſaren zu befreyen. Kaum war ich wieber in Leipzig, fo überfielen mid die Beſchwerungen, bie ich gemeiniglich im Feühlinge dulden muß, auf das heftigfte, und bie Woche vom 1. bis zum 7ten Junius iſt eine der fhreds lichſten meines Lebens geweſen. Aber ich hoffe zu Gott, bas Meifte überftanden zu haben, und preife feine Güte, daß es übers fanden iſt. Er gebe mir nur Vertrauen und wahre Gebuld in den böfen Tagen. unſer lieber Bofe fcheint feiner Verſorgung nahe zu feyn; und warum follte aud ein junger Herr mit fo vielen guten Gigenfchaften bes Werftandes und Herzens fein Städt nicht früher finden als andre und zwar an einem wohls eingerichteten Hofe? Ich habe es oft gefagt, daß er einer ber beften Männer feines Standes und ein Beyfpiel wahrer Berbienfte werden und baß ihn Gott zum Gegen vieler Menſchen fegen würde; und ich habe diefes, da ich ihn, feinen Fieiß, fein Genie und fein frommes Herz fo lange und fo genau gekannt, mit Bur verficht wiffen koͤnnen. Daß er feine Wohlthäterinn verlohren hat, beunruhiget mich wenig. Sie hat ein gutes Werk an ihm gethan und ift baburch belohnet; unb er iſt dankbar genug, daß er ihee Vorſorge zu feinem und andrer Glück angewandt und ſtets anwenden wird. Ich will heute noch an ihn fchreiben, und wenn er wegen bes erfolgten Todesfalls fein Gelb nicht bekom⸗ men follte, ihm hundert Thaler anbieten, bie ich igt nicht noths wendig brauche, und bie ich, ohne zu wiffen von wen, vorige Woche mit der Preuſſiſchen Voſt nebft drey frangöfihen Zeilen voll großer Liebe und Ergebenheit, erhalten habe. Rach ber Poſtkarte ift das Geld in Ziefer oder Biegefer, unweit Magbes burg auf die Yoft gegeben worden. Gott weis, wer biefer mein @önner iſt, der mich durch feine eble Freygebigkeit mehr beträbt

ala erfreut Hat! Ich bin unruhig, daß ichs nicht weis, und ich erzaͤhle Ihnen diefe Geſchichte mit Fleiß, ob Sie mir viel: leicht einiges Licht geben können, . . . . Leben Sie wohl, liebſter Freund. J ®

283. Geltert an feine Schwerer. , e. d. 12. Juni 1760.

Liebe Schweſter,

Ich habe mein jaͤhrliches Uebel ſchon feit Oſtern gefühlt; aber .uanterbeechen. Doc) feit bem erften Junius bis zum fiebenten iſt es fo außerordentlich heftig geworben, baß ic) zittere, wenn ich daran. gebente. D wie viel läßt mich Gott erfahren; aber feine ‚Wege find doch gerecht und gütig! Er will mid Geduld und ‚Bertrauen zu ihm lehren; denn Gebuld ift euch noth, daß ihre den Willen Gottes thut und bie Verheiſſung empfahet. Seit dem Sten Junius habe ich einige Erleichterung. Ich kann wies der Schlafen und bie Tage find weit ſchlimmer für mich, als bie Racht.

In eben dieſen traurigen Tagen, da ich um Geſundheit des Leibes und des Geiſtes bete, Läßt mich Gott andere Beweiſe ſei— ner Fuͤrſorge ſehen. Mittwochs den 4. Jun. erhielt ich hundert Thaler mit ber Preußiſchen Poſt, über Magdeburg ohne Namen und Ort. In dem Gouverte war nichts als ein Franzoͤſtſches ſehr verbindliches Gompliment enthalten. Ich hatte leider wenig , Srende darüber, ja das Geſchenke betrübte mich vielmehr. Aber

warum erkenne ichs nicht mit Dank? Das ift traurig, fo uns fühlbar zu werben.

Der gute alte Herr Bruder mag wohl feinem Ende fegr nahe ſeyn; doc find wird nicht alle täglich? Gott flärke ihn in feiner Schwachheit und thue aud in feinem Tode wohl an ihm nach feiner Gnade. Auch wünfde ich ben beiden Wer- lobten allen Bergen von Gott. Waͤre bie Hochzeit in ber Nähe, fo würbe ich gern babey zugegen feyn; aber acht Meilen, bie ſchweren Reifeloften und mein jehiger Zuſtand Rein, ich komme nicht. *

Grüßet alle herzlich, und lebt wohl.

194. (1.) le. d. 11. Zuni] 1700,

Theuerſte Freundinn,

Bas ſoll das bedeuten? Heute, Mittwochs, vor acht Tagen erhielt ich mit der Preußifchen Poft hundert Thaler: und eben ige erhalte ich mwieber hundert Thaler: unter eben dem Siegel und von eben ber Hand. Ich bin erſchrocken, daß ich zittre; und id) erſchrecke noch mehr darüber, daß ich weder Freude noch Dankbarkeit genug bey meinem Geſchenke empfinde. Wer will mid wiber mein Wünſchen reich maden? Und wie werbe ich die Wohlthaten anwenden, bie mich Gott fo unverbient, durch unbekannte Hände empfangen läßt? Ich feufge um Geſundheit und Geduld, um Luft und Kraft zur Arbeit; und ic bekomme einmal über das anbre Geld. Ich gäbe gern alles, mas id habe, darum, wenn ich das Uebel, das mich diefen Brühling wies ber und weit heftiger befallen hat, von mir entfernen koͤnnte. Soll id lernen, daß alles in ber Melt ohne Geſundheit keinen

ss

Werth für das Herz des Menſchen hat; und daß Gelaſſenheit und Geduld unendlich größre Güter find, als Reichthum und Ehre? Ach, theuerfte Freundinn, die erhaltnen Wohlthaten find wohl Prüfungen für mich; aber auch, wenn fie dieſes find, muß ich fie mit Dank annehmen. Ich will gegen Andre gutthätig zu ſeyn ſuchen, wie es Andre gegen mich find, ohne Geräufche und ſtets aus Religion und Dankbarkeit gegen.Gott, unfern hoͤchſten Wohitpäter. Diefes will ich thun und nidt weiter forſchen, woher und warum ich fo viel Geld erhalte. Ich ſchicke Ihnen das Billet mit, das bey dem Gefchenke Tag; vielleicht Iefen Sie es lieber, als biefen meinen Brief. ®

185. Gellert an feine Shwefter.

2. d. 7. Juli 1760.

Der Montag und Donnerdtag voriger Woche finb wieder zwey ſchwere, ach ſchwere Tage für mic gemefen; aber genug, fle find durch Gott überftanden. Mein Geburtstag war Eraftlos aßer doch erträglih. Ich bin init Büchern und Silberwerke beſchenket worben, unb nichts rühret mich. und bie Frieder richſche Hochzeit, biefe wird, wie ich Hoffe, glücklich vollzogen feyn. Aber der Abfchieb wird Mutchen freylich fauer werben. Getroft: Gott wohnet überall, Ich grüffe die beiden Verheiratheten herz⸗ lich, und wünfche ihnen Glück auf ihr ganzes Leben. Auch den ‚Herrn Bruder gräffe ich mit taufend guten Wünfhen; und fo grüffe ich alle, Lebt mohl,

G.

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108. An diefelbe.

2, d. 21. Juli 1760.

Odbsleich mein Uebel noch gegenwärtig ift, fo habe ich doch feit dem 4. Juli keinen heftigen Anfall gehabt; eine Wohlthat, dafür ich Gott flünbli danken follte. Auf ben Donnerätag gehe ih nach GStörmthal, um nad) dem Willen des Arztes den Brunnen bafelbft zu trinken. Ich bitte Gott nicht um Geſund— beit, fondern nur, wenn es möglich ift, um Befreyung von dem Uebel, das mic, zeither geängftiget hat. Hiob wünfdt eins mal: o daß id wäre, wie in ben vorigen Monaten! Mehr wünfche ich auch nicht. Gefällt es Gott nicht, meine Bitte zu erfüllen, fo ift e8 Erhörung genug, wenn er mir Gebuld, Muth und Bertrauen verleiht, und mit diefen eine gelaffene Ergebung in alle feine Wege. Drey Wochen werde ich wohl auf dem Sande zubringen; es müßte benn feyn, daß ber Brunnen mir durchaus nachtheilig wäre. Wielleicht fehreibe ih Euch binnen dieſer Zeit einmal. Lebt wohl, liebſte Schwefter, grüffet unfer ganzes Haus unb den Deren Paſtor Lechla.

®.

192. °) Nabener an Gellert. Dresden, d. 9. Aug. 1760, Siebfter Gellert,

Aus meinem Briefe an den Heren Gommiffionsrath, ben ich Herr W** vor etlichen Tagen zugeſtellt, werben Sie einige‘

®) (Babenexd Belefe herauss. d. Weite, ©. 268 ff)

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Nachricht von meinem traurigen Schidfal erfehen Haben. Er— Tauben Sie mic, daß ich mid, auch mit Ihnen davon unters halte, benn id} finde eine große Beruhigung barinnen, wenn ich einem fo lieben Freunde, wie Sie find, mein Unglück Hagen kann. Was bie Umftände diefer Belagerung überhaupt betrifft, fo werbe ich mich babey wenig aufhalten, und mic auf ein Diarium beziehen, weldes unter der Authorität unſers Gouvers neurs heute herausgefommen, und fehr zuverläßig ift; nur von meinen eigenen Zufällen will ich etwas melden. Am I4ten Juni mit Anbruche bed Tages, fieng ſich die Ganonade und das Ein: werfen dee Haubiggranaden auf die ſchreguchſte Art an. Früh um acht Uhr kam eine folche Granade in mein Zimmer, (fie mochte mehr als dreyßig Pfund wiegen,) zerſchmetterte bie Stube meines Bebienten, und zündet. Wir löfgten den Brand, und machten alle mögliche Anftalten, Weil es aber Granaden und zwölfpfündige Kugeln auf mein Haus und bie benachbarte Ger gend regnete, welches die Abficht Haben mochte, das zwanzig Schritte von meiner Wohnung befindliche PYulvermagazin in bie Luft zu fprengen, fo padte ich meine Sachen, fo viel es ohne Gefahr, erfchoffen zu werben, angieng, zufammen, fchaffte fie theils in ben Keller, theils in ein Gewölbe, und flüchtete Abends um acht Uhr nach Neuftadt zu Dfresden]. Aber auch hier fieng am Isten die Angft an, und in kurzer Zeit fuhren einige zwölf pfünbige Kugeln ins Haus, nahe bey mir vorbey. In biefer Lebensgefahr brachten wir bis Sonnabende zu, wo bie Daus nifhe Armee „die Seite von ber Neuftabt befreyte, welches die größte Gnade war, die uns Bott in der Beängftigung erzeigen Zonnte. Denn eben biefen Tag, beſonders um zwölf Uhr Mits tags, gieng das unglüdliche Bombardement ber Refidenz an. Mehr als hundert Bomben fielen in einer Beit von brey Stun— den auf bie Greuggaffe und Kirche; um zwey Uhr brannte mein Haus, und um vier Uhr wußte ih mein Schickſal. Die Boms

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ben hatten dab Gewoͤtbe, wohin wir alle unfre Sachen gefäafft hatten, gerfähmettert, und Alles verbrannt; der Keller aber war von ben- Soldaten, weiche loͤſchen follten, rein ausgepländert worben. Mein Bebienter, ber treuefte Menſch von ber Welt, hatte fich fo Tange im- Haufe aufgehalten, bis es anfleng einzu— flürgen, und Hatte ein Dugend ſolcher Schurken hinausgeprügelt, endlich aber warb er übermannt, und flüchtete zu mir nach Neuftadt. Bor Bergnügen, dem ehrlichen Kerl, ben ich ſchon für erfchoffen ober verbrannt hielt, wieber zu fehn, fühlte ich den Schmerz nur halb, ben mic bie Nachriche von meinem Bere Tufte natürlicher Weife verurfachen mußte. Sollte es nicht weh tbun, liebſter Gellert, zu erfahren, daß alle meine Betten, Reiz der, Waͤſche, Bücher, Papiere, Schränke und Gtühle zu Aſche verbrannt waren? und Sie wiffen, wie reichlich mich ber Him⸗ mel mit aller biefen gefegnet hatte. Gott zum Preiſe muß ich geftehn, daß ich mich über biefen großen Werluft nicht einen Augenbli@ betrübte. Es war weber Reflerion, noch Philofophie, die mich fo wunderbar beruhigte; Gottes Gnade allein war cd- Nichts von allem habe ich gerettet, als einen abgetragenen Zeugs vod-und ein paar alte Oberhemben, bie ich auf bie Geite gelegt: Hatte, uin fie meinem Bebienten zu geben. Sonntags früh fieng man an, auch für die Neuftabt beforgt zu feyn, unb viel tau⸗ feti- Menfchen giengen zum Thore hinaus, auf das offene Feld und Sie Weinberge. Ich folgte mit, und mein’ Bebienter mußte mein Bundelchen inter ben Arm nehmen, mein ganzes Reichs thum. Vor dem Schlage fand ich einen zerbrochenen Weinpfahl, auf ‘den ftügte ich mich, und mabete bey einer brennenden Hite durch ben Sand einer Meilewegs weit zu meinem Freunde, auf feinen Weinberg, wo ich mothbürftiges Eſſen und gutes Waſſer fand. Seit dem ISten Abends war ich in kein Bette gekommen, unb-audy hier lag ich bis Mittewochs auf der Erde. Ich ritte endlich ſelbigen Zags nach Hohenſtein, vier Meilen von Dress

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ben, und weil mein. Bebienter ganz kraftlos war, fo Kief ih ig zwo Meilen reiten, und ben Übrigen Weg gieng er zu Fuße. In Hohenflein fand ich gute Freunde, die auch abgebrannt was ten, und wir lebten ruhig, bequem und fehr vergnügt. Sonn⸗ abends nad dem Bußtage giengen wir zurüd, unb id befinde mic) feitbem geſund, doch, wie Sie wohl glauben koͤnnen, gar nicht in meiner Ordnung.

Ih bin noch vor vielen taufend Menfchen glücklich; denn Teiner von meinen Freunden oder Belannten, ift verbrannt, ober erſchoſſen worden, ich bin gefund blieben, und habe noch baar Geld gerettet. Etwas von altem Tiſch- und Bettzeuge ift bey einem Bekannten unvermuthet geborgen worden, und fo wenig ich es vordem achtete, fo Lieb ift es mir nunmehr. Der Mans gel an Kleidern und Wäfche iſt mir ber empfindlichfte, weil man bier nichts bekommen kann, unb nit weis, wie lange uns Gott Ruhe ſchenkt.

Meine Bücher, die dauern mich; alle Auffäge und Manus feripte, bie nad) meinem Tode follten gedruckt werden, find -mit verbrannt. Ein großes Glück für die Narren Zünftiger Zeit! Alle Briefe von Ihnen und meinen übrigen Freunden, nebft einer zum künftigen Drude fertig liegenden Sammlung won wigigen Briefen verſchiedener Art find leider auch fort.

Empfehlen Sie mid allen meinen $reunden aufs befle. Kann ich Heute noch an unfern Weiße fehreiben, fo will ich es thum. Außerbem bitte ih Sie, ihm diefen Brief leſen zu laſſen, fo wie dem ehrlichen Dyd, welcher, fo bald Gott Ruhe und Fries den giebt, es gewiß empfinden foll, daß alle meine Bücher vers brannt find, denn ich will ihn hernach in Gontribution fegen, mir ben Zuß zu einer neuen Bibliothek zu fchenken. Zwar wirb er nicht daran wollen, wenn er hört, baß meine wigigen Mas nuferipte, und alfo feines Sohnes Zünftiger Verlag, mit vers brannt find; aber ich will ihn ſchon Eriegen, unb wenn er mid

wüb macht, fo ſcheeibe ich wider feine eigene Meine Perfon einen Band Satiren in Duodez, zwey Hände flark, welches ziemlich das Format von feinem Körper feyn wird,

An das Haus St”* bitte meinen unterthänigften Refpekt zu vermelben. Wie wohl haben die gnäbige Frau Cammerherrinn gethan, daß Sie Sich nicht mit ber göttlichen Bügung übereilt haben. Nunmehr hungerte ich mit meiner Frau, ba ic bas Gluͤck habe, allein zu ungern. Aber fagen Cie, ich ließe uns terthänigft bitten, dahin zu feben, daß meine Tünftige Frau drey taufend Thaler mehr Hätte, als außer biefem Unglüde wuͤrde nöthig geweſen feyn; fo hoch fehäge ich meinen Werluft. Nur ein eigned Haus foll fie nicht Haben. Denn ich Tann mir nichts Schrecklicheres vorflellen, als bie Umftände eines Mannes, der nur des Haufed wegen eine Zrau nimmt, bad Haus aber durchs euer verliert, ohne daß feine werthe Hälfte zugleich mit verbrennt,

geben Sie wohl, mein befter Freund. Ich bin in Feuer und Waſſertnoth

Ihr redlichſter Rabener.

N. S.

In ber Reſidenz find 226 Häufer abgebrannt, 37 ſehr bes ſchaͤdigt. In Neuftadt 25 Häufer befhäbigt. Vor dem Pirs niſchen Thore 102 abgebrannt und 50 beſchaͤdigt. Vor dem Wilsburfer Thore 88 abgebrannt und 3 beſchaͤdigt. 50 Perfonen von ber Bürgerfhaft find geblieben, viele aber gefährlich verz wundet, und bey dem Sturmmwinde, fo geſtern Nachmittags war, über 10 Perfonen von dem Gemaͤuer erfchlagen worden, Auf die Wälle ift wenig geſchoſſen worden, und wer fagt, daß das Beuer eine ſolche Werwüftung in ber Reſidenz angerichtet,

mb daß auf bie Krruzkirche um desisillen Bomben geworfen werben, weil von bafigem Thurme auf bie Belagerer wäre ges ſchoſſen worden, der fpottet noch unſers Elends auf eine graufame Art. \

198. (102.) [An den ECommiffionsratb Wasner.]

Gtörmthal am 4, Sept. 1760.

Beil fi) meine Zuräckunft verzieht, fo ſeyn Ste -fo gütig und übergeben Sie unterbeffen an Gloͤdicke] die halbjaͤhrige Pens fion, die ich ausgezahlet bekommen To. Ich ſchäme mich, daß ich fo viel Glüd vor tauſend Andern habe, bie es mer verbies nen und vielleicht weit nöthiger brauchen. Bedenken. Sie nur, mein lieber **, ich habe in diefem traurigen halben Zahre kein Colleglium endigen und alfo nichts verbienen koͤnnen; gleichwohl habe ich mehr eingenommen, als wenn ich ſechs Gollegia gelefen und noch fo viel gearbeitet hätte. Eben biefe Anmerkung muß id) auch von dem Jahre machen, da ich in Bonau krank lag. Eine Dame aus Liefland ſchicte mir zweyhundert Thaler mit einer Art, als ob ich ſie ihr abverbienet Hätte, Kurz, je unders moͤgender meine Seele zur Arbeit und: gum Bücherfchreiben ges werden, befto veichlicher find auch meine Einkünfte geworben. Habe ich nicht noch im vorigen Jahre eine Penſion erhalten, ohne zu wiffen, wer fie. mir giebt? Diefe Sputen ber göttlichen Zürforge, bie mein Herz erfreuen und ftärken follten, erwecken fo wenig Zufriedenheit und Dankbarkeit in mir, daß ich verbiente, alles dieſes Gtüc zu verlieren. Gott vergebe mic meine Unem⸗ pfinbtichkeit! Ich weis nicht, wie fie nebft taufend andern

Webiln in mich grkemmin iſt. MWerhufhlic; Habe ich mich nicht gebannt, und. folk mid auf bikfe bittre Weiſe beffer Beinen lernen; und wenn bieß gefchieht, welche Wohlthat wird bad Eilend für mi in don kanftigen Tagen werden!

+ Warum ich nicht nach: Beipgig komme? Das weis id ſelbſt nicht. Das Bergnügen bes Sandlebens ift gewiß nicht die Mrs face, und auch nicht bie-@ixbe zur Bequemlichkeit, Blelleicht Me ich in Leipzig noch ſchwerere Tage, als ich hier trage;

vieleicht iſt es unentſchloſſenheit und Krankheit. 34 bin geitiebene der Iprige ®

199. (193.) “u benfelbenm

Störmthal, im Geptember, 1760.

Der Brief, durch ben Sie fich um: meine Rube verbient ges’ maqht Haben, iſt nicht bio ein Berweis Ihrer Freundſchaft gegen mich, die groß if, fondern Ihres Herzens voll chriſtlicher Liebe amd voll Eifer für die Ehre Gottes. Der Mann, dachte ich im zefen, klaget iiber feinen Gemüthözuftand, und bu fiehft in ſei⸗ wem yamgen Briefe nichts, als Demuth gegen Sott, nichts dis: Verlangen nach feiner Gnabe, nichts als Verlangen nach wahres Selöfterkenntniß, nichts als Unterwerfung und Ergebung in alle göttliche Schidungen, nichts als Begierde, dich zu beruhigen und in Gott gelaffen zu machen; o wie fehr hat er das, was er nicht zu haben meynt; benn wo biefe Neigungen find, ba ift gewiß der Geiſt Gottes, wenn wir aud bie Breubigkeit bes Staubens nicht empfinden. Danken Sie Bott, wenn &ie dieſes

Gellert V. 22

in, für das, was Sie durch fehte Mmade haben, und ſeya is verſichert; daß cr Ahnen noch mehr geben wich; er, bee überidumenglich thut über alles, was mir bitten ober weufichen. Ich will Ihre Erinnerungen 'nügen, fo fepe id Hann. Sch ande ; daß fie wahr find, weil es mic einige Mäpe koſtet, fie ganz für wahr gu halten, unb weil fie aus bem Herzen des auf⸗ wtigfen und eifrigfien Freundes Eommen, her nichts fucht, eis mein wahres Slüd. Gott belohne Sie für biefen Dienſt. Er tgue, was ihm mohlgefällt. Er if ber Herr, und ich bin fein Sefhöpf. Was id leide, if unendlich wenig gegen dad; was ber @ünder ohne feine Gnade in Ewigkeit verbienet hat. Er ſtaͤrke meinen Glauben an ben Exlöfer ber Welt, und laſſe mich nicht bloß bie Befreyung don meinem Uebel wünfgpen und bitten, fondern Geduld und Demüthigung unter feine Hand; daß ih mit gangem Herzen, wie David, fagen könne: Ich harre bes Herrn, meine Seele harret und ich Hoffe auf fein Wort. Er begehret mein, fo will id iym aushelfen, er ruft mich an, fo will ich ihn erhören. Aus Gnaben macht er es und felig, nach ſeiner Barmherzigkeit, nicht um unſrer Werke willen; Gottes Gabe ift es, auf daß ſich aicht jemand rühme Liehfter Derund, ich wiederhole meine Daukſagungtn, und hoffe, Sie werben amd heute ober doch bald befuchen. Beten Sie fermen fün wich, daß ich erh werke aus der Schwachheit und wir am Vettea Gabe gnügen laſſe. Er if tveu und laͤßt und nie ver⸗ ſucht· werben über unfer Wermgen, Ben u m. 6.

200. GSellert au feine Schweſter.

Stormtbal, d. 30. Sept. 1700,

Ich Habe geglaubt, Gödide würde Euch Rachricht vom meinen Umftänden gegeben haben, außerdem hätte ich nicht fo lange geihwiegen. In ber That find fie für mich fehr traurig, und der Gebrauch bed Brunnens ſcheint fie gar nicht verbeffert zu Gaben. Doc woher weis ich diefes? Könnte mein Zuſtand, ohne den Brunnen und Aufenthalt auf bem Sande nicht noch viel ſchlimmer ſeyn, und habe ich denn ein Recht, von Gott bie dollige Befreyung von meinem Wedel zu fordern? Sf ee nicht Wohtthat genug, wenn uns bie Erbuldung bes Uebels nicht uns erträglich wird, wenn wir uns in @elaffenheit faffen, und uns dem Willen Gottes ohne Ausnahme unterwerfen lernen? Ja, bie Wege Gottes, fo ſchwer fie und zu feyn feinen, find alles zeit gut, und feine Hülfe iſt uns nahe; dieſes follen wir glaus ben ‚; Bas ünfeige nach unferh Kräften thun, und froͤhlich ſeyti in Hoffnung, gebufdig in Trübſal, unb anhalten am Gebrf. Wahr iſt es, daß ich in meinem gamzen Leben nicht fo viel ges Hitten habe, als feit bem Monat Yunius dieſes Tahre. Allein genug, Gott hat es nicht gar’ mit mit ausfegn laſſen, und ew wirb mir ferner gnädig beyſtehen, wenn ich mein Vertrauen auf felne, Hütfe nicht wegwerfe. Sept frehe ich im Begriffe wieder naq Leipzig zu gehen, fo wenig ich mich auch dahin fehne. Diefer Brief wird mir ‚perglich fawer. Ich will ihn ſchließen und aufs Weib gehen, ob ich mrüh dar erholen Bann. Des Bruders Wagen fleht in Wittenberg bey Prof. Behrmann. Ich habe an ihn gefärieben und ifn gebeten, er follte ihn nach Welkau, auf.ded Grafen Bigthum Guth bringen laffen. Ich weis nicht,

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ob es fegt wirb gefchehen Tönnen. Gott flärke ben Herrn Bru⸗ der und laſſe es Eud allen wohl gehen! ©

201. Earotine Lucius an Gellert,

x Dresben, d. 21. Oct. 1760.

Hochzuehrender Herr Profeffor!

Ich bitte Sie nicht, daß Sie mirs erlauben, an Sie zu ſchreiben; benn ich bin fo entfchloffen, es nicht zu unterlaffen, Sie möhten mir es nun erlauben, ober nicht. Die Freyheit zwar, deren ich mich bebiene, ift ſehr neu; allein, eben weil fie neu ift und mir gefällt, bin ich nicht davon abzubringen. Sie follen ſehr gütig feyn, das hat man mir gefagt; und da, bepke ich, will ich ſchon dafür forgen, daß Cie mid) nicht für unbes f&eiden Halten, Denn fürs erfte bin ich nicht, das getraue ich mir zu beweifen, wenn ich dazu aufgefordert werben follte; und dann hoffe ih, Sie auch fhon dadurch, daß ich Ihnen alles fage, was ich von Ihnen denke und id) denke. unbefchreiblich

®) (Sheiftiane Caroline Lucius, Tochter des Geh. Gabinettregifie zator Carl Friede. Suus warb geboren zu Dreiden b. 7. Dec. 1739; verheicathete fi) Im 3. 2778 mit Gottlieb S les gel, Yale in Burgwerben be) Weitenfitd , Uchrte nal deffen im 3. 1813 erfolgten Tode IRA4 nah Dredden zurät und ftacb bafelbft d.21.ug. 1833. Wergl. b. Einleitung zu: Briefe wechfel Gellert8 mit Dem. Lucius, Heraudg. d. J. 4. Gbert, 2pyg. : 1823. Aus biefer Sammlung find die hler aufgenom= - men Biel abgebrudt.) :

at

gut won Ihnen auf meine Geite zu bringen, daß Sie mir weine Unbefeibengeit, ‚wenn Sie ja wollen, und meine ans been Fehler, bie.fich etwa verraten Lönnten, gätigft überfehen werben. „Cs gilt Ihnen gleih, was ih von Ihnen denke?“ D verzeihen Sie mic! Ich bebeute zwar nicht ſenderlich viel in der Welt; aber daß ich Sie fo fehr liebe, iſt doch wohl ein großer Weweis, daß mein Urtheil nicht zu vers achten it, und daß ich Verſtand habe. Weberbirß bin ich auch fonft ein gutes Mädchen, von allen meinen Werwandten und Breunden geliebt. Ich Eönnte mich dießfalls auf das Zeugniß meines Brubers berufen, ber nicht wider fein Gewiſſen reden würde, und ber auch Feine Parteilichkeit für mich hegt. Auein ich darf es nicht. Gr möchte fich wohl beleidigt finden, daß ich es ihm nicht aufgetragen, meinen Brief an Sie zu beftellen; . zumal ba er mid) nur vor wenig Tagen verlaflen hat, und nun wieber das Glück genieft, mit Ihnen unter einem Dade zu wohnen. Gr Lönnte Ihnen auch fagen, wie fehr ich Sie liebe, wie ich eifrig nach Ihnen frage, und mir jeden Umfland, um es mir recht einzuprägen, wohl zehnmal wieberholen laffe. DO wenn ich doch mein Bruder wäre! Ich wollte Ihnen gewiß mehr Gutes von mir fagen, als er vieleicht in feinem ganzen Leben nicht von mir denken wird. In ber That, mein lieber. Herr Profeffor, Sie können ſichs unmöglich vorftellen, wie gut ic Sie Eenne, und wie viel ich von Ihnen weis. Ihren Charakter und Ihre Grundfäge weis ih aus Ihren Schriften faft ause wendig. Hernach martere id und meine Schwefter (im Worbeys geben ‚fie ift auch ein gutes junges Kind, zwölf Jahre alt, bie viel, von Ihnen und vom Fragen hält) eine jede Perfon von unferer Bekauntſchaft, bie das von uns beneidete Glück ges nießt, Sie perſonlich zu Tennen, faft tobt mit unfern Bragen, und ich weis nunmehr alles, wie Sie auöfehen, wie Sie reden, wie Bis ‚gehen, wie Sie ſich kleiden, wis Ihre Perüden,

rigen, Trodelmeften, Schlafptize u. f. w. ausfehen; und des ſteue ich mir alles fo lebhaft vor, daß ich Sie malen und treffen wollte, ohne Sie gefehen zu haben. Roch mehr, ich Tann Ihr Baudgeräthe befihreiben, fo gut Tenne ichs. Herz Gbdicke ja! fo Heiße Ihe Famulus. Der gläctihe Mann!" Er Farm immer bei meinem lieben @ellert feyn. Aber er muß auch (zum wenigften hat man mirs gefagt), wenn Sie krank feyn und nicht fhlafen Eönnen, des Racıts bey Ihnen auffigen, und wehn er einfäitäft, werben Sie ungehalten. Der arme Mann! Ic Könnte das nicht erträgen. Aber warum fchläft er auch, wenn er wachen foll! Sie fpeifen bey Ihrem Bruder, dem dechtmeiſter. Warum iſt · doch Ihr Bruder ein Fechtmeiſter ges worben? Ich bin ihm nur Ihrentwegen und um bed Ramens gut. Er joll ein poltrichter Mann ſeyn. Ich foll ein ger fehrmägiges Mädchen feyn, werden Sie fagen. Ia das bin ich auch, aber nur im Schreiben; fonft rede ich nicht leicht zur viel. Und darinnen gleiche ich Ihnen, wie ich glaube. Darf ich mir nicht etwas auf die Aehnlichteit einbilden? Aber wieder zur Sache zu Tommen, benn id muß mic, fatt fdreiben, id werbe wohl nie wieber aufgemuntert werden, an Sie zu fähreis ben, fo muß ich Ihnen nur noch die Abſicht entdecken, die ich bey biefem ganzen Geſchmadere Habe. Gehen Sie alfo nur. 3%) kenne Sie ſo fehe gut und genau, wie ich fhom gefagt dabe, und da kann ich mirs nun nicht vermehren," den einzigen Weg zu ergreifen, ben ich vor mir fehe, um Ihnen gu zeigen, da aud Ich in ber Melt bin, und daß dies Id, das Sie zwar nicht kennen, Sie umenbtich hochſchäzt und vereht. uns wenn ic mun das erlangt habe; fo denke ich, Tann id) immer noch nicht recht ruhig ſeyn, als bis id mich rühren Tann, eine Gewogenheit Bon Ihnen erhalten zu haben. Sie wärden inich sur’ Gußerften Dankbarkeit verbinden, wenn Gie folhe”därinnen woßten beſtehen kaffen, daß Cie mic ein Gefhen® von rinen

Yere Blrhke machten, vonu weichem Sie Kaubken, ba eb füh am toten ıfire mich fcyichh Sie würden mic; dadurch micht wtlein von der George befreyen, bie mi manchmal beunus Yigen wird, daß meine Freyheit Sie vieleicht Bönnte belel⸗ diget ‚gaben; ſondern Sie könnten mich wohl gar fo eitel wachen, pw. denken, daß ı8 Ihnen nicht ganz gleichgültig fey, ‚daß. ich Verlangen getragen, Ihnen bie ausnehmenbe Sedgacteng und Liebe zu bezeugen, mit welcher ich bie Chre habe zu ſeyn Dochzuehrender Bere Profeſſor! Ihre gehorſamſte Dienerin Ehriſtlane Caroline Lucius,

Werden Ste nicht einmal nach Dresden kommen? Wenns gefchieht, und ich etwas davon höre, wo Sie fich aufhalten, fo find Sie in der That vor mir nicht ſicher. Fürchten Sie aber mire nicht gar zu viel. Ith weiß es ſchon, was e& zu dedenten Sat, wenn Sie die Müͤtze abnehmen.

Meine Schweſter küßt Ihnen bie Hände.

‚202. Un 'Earoline Sueins

8. 8, 22, Det. 1700,

Mademoifelle, ."

Sie haben mich Ihrer Achtung und Freuudſchaſt in einer » aufgeretten, naiven unb’übergengmden @prache verfüchert, daß ia pi. unetapfiadiich feyn müßte, wenn mir Ihr Beief nicht Yitte gefallen ſollen, und ſehr undankbar, wenn Ich Thnen wicht

li ben erſten Tag für dies unerwartete Geſchenk banden woite. Im der That kann ich mich wicht erinnem, daß ich jemals einen fo lachenden und boch natürlichen Brief von einem Srauengimmer erhalten hätte; von einer Manneperſon will ich gar nicht fagen; denn unfer Wit iſt nicht fein genug zu biefer Schreibart. Ihr Brief, Liebe Mademoifelle, iR alſo ber erſte fhöne Brief in dieſer Act, den ich erhalten. Sind Gie mit dies fer Danffagung zufrieden? Bor zehen Jahren hätte ich fir muns tever gefagt; aber it, Icherahafte Babet, Toftet mic ein tvodhe ner Brief fhon Mühe, und Gedanken, bie freywillig kommen folen, muß ich aus einem eingefpannten und ſchmerzhaften Kopfe exft losarbeiten. Doch ich ſtehe in der Gefahr zu Magen, wenn id) länger von mir vebe; ich mill alfo von dem MWBuche reden, das ich Ihnen ſchicken fol. Sie wollen eind von meinen Ber— Ten haben; aber wogu? Sie haben fie ja. alle gelefen, und es iſt eitel, wenn ber Autor ſich felbft zum Lefen verfhenkt. Nein, gute Mabemoifele, ich will Ihre Bibliothek durch ein Buch ver- mehren, dad Sie vielleicht noch nicht gelefen haben, und das ich herzlich gern moͤchte gefchrieben haben, wenn ich fo viel Fähigkeit befäße, als die Krau von Beaumont. Das Magas zin dieſer vortrefflichen Frau iſt es, das ich Ihnen ſchicke, und das Ihnen, ich weis es fiher, angenehm ſeyn muß. Ich habe es zweymal burchgelefen, und wie, vielmal wirb es meine auts herzige Gorrefpondentin nicht erſt lefen, und ihrer Beinen lieben Schwefter (Fräulein Aufrichtig) -vorkeen? &o wenig ich fonft wünfche, daß ein Brauenzimmer ein Autor werben mag, fo ſeht wünfdhe ich Ihnen, da Gie zur Ehre und zum Beſten Ipres Geſchlechts eine beutihe Beaumont werben, und eben fo glück— lich und geiftreich unterrichten, und vergnügen mögen, als biefe Yrau gethan Hat. Sie befhämt und Männer; und ich Liebe fie ſo ſehr, daß mit meine Liebe vielleicht ainen fehr ernfipaften Wunſch akmbtpigen wide, wenn fie nicht ſchon ſechtig Jahre wäre. Ihre

Ieptn Geage, edennefeke, ob ich nttt bald nach Drröben komme, lann ich nicht beantworten. Beute, bie oft Trank find, reifen nicht gen. Aber foviel kann ich Ipmen fagen, daß ich nicht nad) Dres- den kommen wi, ohne @ie perfönlich der befondern Hochadtung zu verſichern, mit welcher ich geitiebens verharre Ihr verbundenſter Diener €. 8. Gellert.

Ihrer Jungfer Schweſter mache ich mein ergebenſtes Gompliment.

203. Earoline Lucius an Gellert.

Dresden, d. 28, Det. 1760.

Hochgeehrteſter Here Profeſſor!

Man if doc immer in ber Welt recht unglücklich, auch fos gar dann, wenn man feine Wuͤnſche erreicht. Vorher war ich voller Zweifel und Borgen, und nun bin ich fo unrapig, daß ich die ganze Nacht wicht geſchlafen habe. Sie haben mir, unb zwar bin ich ſelbſt Schuld daran, das ift eben das Schlimmfle, durch Ihre ungemeins Gefäligleit gegen mich, eine ſolche kaſt von Berbindlichkeit aufgelegt, daß ich gar nicht weis, was Ich damit anfangen ſoll. Wie fol ich Ihnen bie Lebpafteften Km pfindungen det Dankbarkeit ausbrüden? Was Tann ich Ihnen fagen ! Ihe Geſchenk, hochtuehrender Heer, ift das (hönfe, und mus has ſchoͤnſte ſeyn, weil es von Ihnen koͤmmt, und weil Sie es für mic gewaͤhlet haben. Uad Ihe Brief der übers ttifft alle meine Wunſche, und weit mehr, alle meine Crwartun⸗ gem. Kam ca Ihnen denn gar nicht gefaͤhrlich vor, meine ber

Fr - ſqetdene Bkeinung don mie felbft auf eine ſotche Pedbe zu ein! Sewiß, mir ik wo, dein Lobſprach beygetegt worden, ber mh fo ſtark gevätyrt Yätte; umd-nie hat eine Mdtuig, bie man mir bezeigt, eine fo fewrige Entfdyiefung bey mic mach Ach gezogen beffer zu werben ımb mich derſelben wärbiger zu machen. Run will ich mich ‚bey jeder Gelegenheit fragen: Wird auch bie Hand: lung, bie Rebe, ber Gedanke, der Vorſat das Wohlwollen recht⸗ fertigen, deffen mich zu würbigen, einer von ben beften Männern in ber Welt ſich Herabläht? Mein Brlef kann nur baum gut geweſen ſeyn, weil ie fo fehr gütig find: und biefe Liebenswir: ige und mir fo nothwenbige Eigenfhaft an Ihnen Kann auch dem gegenwärtigen einige Art von Büte beylegen; fonft wäte ich vielleicht Urfache haben, ſehr übel mit demfelben zufrieden zu feyn. 3a, hochzuverehrender Herr Profeffor, ich habe wirklich, das Buch, das Sie mir gefchictt Haben, noch nicht geleſen; ih bin aber auf bie glücichfte Art dafür eingenommen, indem ic überzeugt bin, daß nichts ift, das den Werth deffelben, wenigftend in meinen Xugen, erhöhen Fönnte, als nur der einzige Umfland, wenn Sie es felbſt geſchrieden hätten: "Mad braucht es auch mehr, als Zhre Empfehlung? Dieſe wird allen Lehren darimen einen ſtaͤrketn Eindruck auf wein Herz. machen Helfen; und bie Ginpflangung jener Denkart und Greanbfäge in mein Gemäth ohmfehlbar erieichtern. Bweifeln Sie nicht baran! ich unb meine Sqhwiſter werben es · fleißig leſen. Die dergnügt Haben Sie um wicht gemacht! Geſtern, Ben ganzen Mechmittag, haben wir fonft wichts. gethan, als von Ihnen geſchwatzt, Ihren Weiet und An Ihrem Wache gelefen, und ums. über: beddes gefreuet. Stellen Ste ſich nur vor, wie wir an: elmenn Tiſche einahber-.gegenäber Kam; ‘wie meine Schweſter, während. daß’ Ich arbeite, mir von Welt, und faft ei Jedem Blatte, das fie umfplägt, mit einer jur Friedenen Weieme auf⸗ und mich auſicht, dew- gleichen Veyfat in meinen Augen zu leſen, ändern fe ſpricht: +; Run, was ich bie⸗

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her in dem Buche geleſen habe, das gefällt mir recht hübſch. Nicht wahr?“ Aber wie haben Sie body füs fir auf den Namen Fräulein Aufrichtig kommen Lönnen? Er ſchickt ſich recht für fie. Der Wunſch, hochzuehrender Herr, den Sie für mich thun, CC danke Ihnen dafẽer; er if ein Zeichen Ihrer unfchägharen Gewogenpeit gegen mich) iſt zu groß für meine Fähigkeiten mb für meinen Ehrgeiz; benn ber wird befriedigt feyn, und ‚mein Herz wird mic eimen feßr beruhigenden Wegfall geben, wenn ich mid) verfihern kaun, daß ich nicht unglädlid in den eiftigen Betrebungen bin, Sie ich anwenden will, eine folgfame Schüler rin der vortrefffichen Frau Beaumont und atfo ein gutes Ftauen⸗ dimmer gu werden. Es geht mir fehr nahe und id) Teibe ſeibſt babey, daß Sie öfters kramt find. Der Himmel ſchenke Ihnen noch viele glüdtiche und heitere Tage! Wielleicht wird dann aud) einer bavon unter die angenehmften meines Lebens gerechnet were den tönnen, wenn er bie veigenbe Hoffnung erfüllen ſollte, die Sie mir geben. Wie vergnügt würde ich nicht ſeyn, mich mit einem der mwürbfgften Männer in Einem Zimmer zu befinden, mit ihm gu ſprechen und mic baben als bie Glückliche zu bee tradyten, bie er einer folchen Adhtfamkeit würdigt. Man darf nicht denken, daß ich gar Feine Eitelkeit befige. rtHeilen Fe alſo, hochgerhrter Heer Profeffor, wie groß die Gefahr gewefen, deren mich Ihre ſchmeichelhafte Guͤtigkelt ausgefegt. Seyn Sie ber auch verfichere daß ih diemaie bie gäctlichfte Ehrerdietang und bie dankbarſten Empfindungen’ vergeffen werde, mit welchen ich nrüdy verbunden erkenne, unaufhörtih zu fepn

Idhte gehorfamfte und verbundenfte Dienerin

C. ©. Lucius.

ehie Schweſtr veiiheet Sie chrer Heften Epifuräit; Sie MR iarter Feribe und Gntjäcumg.

202. (es). "Un SBerrun Bofe „eb 6. Rov. 1760.

Jeder Brief.von Ihnen überführt mich immer färker, daß Sie unter meinen jungen Freunden einer ber glücklichſten und dankbarften find; und fo lange Sie das eble Mißtrauen gegen ſich ſelbſt, und das große Vertrauen zu ber göttlichen Hülfe füh— len, das Ihren legten Brief erfüllt: fo find Sie auf allen We— gen, wenn fie auch noch fo gefährlich wären (und ber Hof hat feeplich die gefährlichften), dennoch ſicher. Seyn Sie getroſt! der Freund, ben Gie igt entbehren, ift Ihnen entweder zu Ihrer Zugend nicht notpwendig, ober fein, Dienft wird Ipnen buch eine unficptbare Hand erjeget. Machen Cie ſich indeſſen Ihre abmefenden rechtſchaffnen Freunde oft in Gebanten gegenwärtig. Reden Sie mit ihnen, fragen Gie fie in zweifelhaften Fällen um Rath, und geben Sie nur auf das, Acht, was Ihr eignes Herz im Namen bes Freundes fagen wird; und Sie werden Rath und Troſt finden. Unfer befter Freund, liebfter Bofe, zu allen Beiten, und in allen Umftänden, ift doch die Religion. Diefe lehrt unfern, Verftand nicht nur bie Regeln ber wahren Weit heit; ‚fie giebt auch unferm Herzen Kraft und Luft, diefe Regeln auszuüben; und das legte Tann uns kein Freund, feine Philoſo⸗ phie, kein menſchlicher Legrer, auch der befte nicht, gewähren. Seyn Sie alfo getroft und ſtark durch die Kraft ber Religion: Kommen Hinderniffe, Gefahren, füge Reigungen,.fo laffen. Sie ſich nicht erſchrecken. Sie find nie allein, benn jeder Tugend⸗ hafte hat feine unfihtbasen Befchüger. Der Engel des Herru lagert fi um bie Her, fo ihn fürchten, und Hilft ihnen aus; nicht bloß aus leiblichen Gefahren; denn die geiſt- lichen find ja die wichtigften! Und wie viel. vermag nicht das Gebet des Gerechten, wenn es ernftlich iſt! Mer fich auf fein

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Herz und feinen Werflanb verläßt, ja ber iſt ällezeit ſchwach, werm er ein Held feyn foll; aber wer ſich durch das Wertrauen auf bie Hütfe bes Herrn ftärkt, umb wacht, und betet, und kaͤm⸗ pfet, der kann nie über Vermoͤgen verſucht werben, und ruft in feinem &tege dankbar mit einem David aus: Gelobet fey ber Herr, ber mein Gebet nicht vermwirft, und feine Güte nit von mir wendet! Ich freue mic, liebſter Bofe, daß ich biefe Sprache mit Ihnen reden Bann; eine Sprache, deren wir uns, wie im Umgange, fo auch in vertrauten Briefen nur gar zu oft fhämen, und in ber wie body denken müffen, mern wie anders von unferm wahren @fäde richtig denken wol⸗ Ien. Die Rachrichten von mir habe ich bis zum äußerften Ende meines Wriefs verfparet, damit ich fie Ihnen gar nicht geben kann. Denn was vwoürben fie anders feyn als Klagen? Doc nein, ber Chriſt, aud wenn er Magen Fönnte, fol lieber banken, ale Hagen, und Materie zum Danke hat auch das ängftfichfte Leben noch. Ich empfehle Sie Gott, umarme Sie, und bin

geittebens ber Ihrige. ®

205.°) . . 2. d. 17, Rov. 1760, Hochzuehrender Here Hauptmann!

Sie konnen alfo aus einen vieffadgen Erfahrung fagen: Ob tauſend fallen zu meiner Seiten, unb zehen taufend zu meiner Nehten: fo wirdes voch midy micht "treffen. "Sa, wiederum in einem blutigen Treffen bey dem Leben erhalten, und nur leicht veriunbet. Zu weicher Freudigkeit gegen Gott, und u wel chem

”Y E Seieſe. ©, d. Anm. zu Ro. 188.)

9 . . muthigen Vertrauen in künftigen Gefahren muß Sie nicht biefe Srrettung ermuntern; unb welche Woluft muß es fepn, mad einem vielftündigen Zode fih auf dem Gchlachtfelbe gefund erhlic den, und feine Augen. von, ber. bluteadan Erbe bad erſtemal zum ‚Simmel erheben. „OD! wie mus ein Trunt Wafler in biefen Aus genbliden , ‚eine unbegreifliche Grquidung, und ein Stück Brod, mit Danf.zu Gott, megr als alle Freuden ber Erbe feyn. SE Tann diefe Worfellung nicht verlaſſen, ohne zugleich mit Ihnen deu zu preifen, deſſen ollmädtiger Schu Sie bewahret, und ie Ihnen mic einen fo teuren und rechtſchaffenen Freund erhalten hat. Aus Werlangen Gie bald zu fehen, würde id Sie ermun⸗ teen, nach Sripsig zu Eommen, fo balt' @ie von Ihren -Munten wisder hergeftellet wären. Allein ich fürdpte, daß ich dieſes Ver⸗ gnügen nicht geniefen fol. Zen Sazgzetpe, liebſter Ders Hapts mann! eines zur Rechten, und eines zur Linken, bat iſt ein zu ſchrecklicher Anblick, und eine gu augſtoolle Nachbarſchaft, als das ich fie fo Lange folte auspalten koͤnnen. Einen Elenden vor feinem $enfter fehen müffen, ift ſchon viel. Aber hundert: Aieabe ſehen müflen, ihre Klagen hören, uub den giftigen Geruch berer eingeterkerten Kranken in ſich ziehen müffen: Leiden fehen, ohne helfen zu können; das thut fehretich weh, unb würde mich in Burgen ſelbſt zum Cienden Mahn. 22 2 2 2 7

" has Sie mie in Iprem’Iepten Beiefe fagen, if in berichat ehe fhön, „oßer, ip ber Beziehung ayf mich Dagk-wick.gu rühms

D

lich. Es ift wahr, ich habe vieles weht, was ich_wünfde, und was vielleicht Andre befigen, bie es übel anwenden; aber ich habe doc unendich mir, ale verdiene. Wer hat bie Strophe gejagt? ö

WÜft du zu denken dich amnen,

Daß Gottes Güte did) vergißt?

. Er giebt ung mehr, als wir verbienen, Und niemals, was uns ſchaͤdlich iſt.

Wenigftens Tann doch das Blend zur Webung unſrer Tugend dienen, und in Abſficht auf die Wirkung betrachtet, bie das Elend nad) ſich ziehn foll, iſt es auch Gtüd. Aule Züchtigung, fo lange fie ba ift, ſcheint ums ferplich nicht rende zu ſeyn, aber nach⸗ mals wind fie eine friedſame Frucht der Gerechtigkeit denen ge⸗ ben, bie badwech geäbet find. Diefe teöflliche Wahrheit lehret und bie Religion, wen fie auch ber Vernunft nicht heile genug feinen ſollte. Es iR wahr, liebſter Freund, mein Leben wäre vielleigt mehr Rufe, wenn mich eine. liebe Gefährtinn buch deffeibe begleitete, aber nur vieleicht, virlkeicht Hätte ich unglädt: ' Ud) gewählt: Bielleicht Hätte meine Frau nicht ganz nach Wan⸗ fie gewählt. Nunmehr .ift mein. beßres Leben worbey, und bier ſer Geranbe verſchwindet; aber genug, wenn mir Gott has Süd giebt; mein mod) uͤbriges Beben zu einem ruhigen Tede zu dere weben; fa habe · ich je umrmbti viel, fo habe-ich alles . Die Gelwffenpeit, lieber Herr von R°*, mit: der Sie Ihren erbittnum Merkufb. tragen, iſt mehr werth, ais ein gantes Kitten: gut, fo wie bas ale Eprüchwort: Krieg und Brand, fegart Gott mit milder Hand! reicher an Trofte und Wahrheit if, als Yunbert wigige Sentenzen. Ich bezeige Ihrem würbigen Oerrn Vater, Ihrer Frau Gemahlinn, und der Frau von K** Weine. Ehrerbietuag und Freundſchaft· 22 6.

207. (78)®) FE 8. d. 3. Dec. 1760,

Nun bin ich vollkommen gebedet. Ich Habe Zußvol und Reuterep, bie Grenabiere und die Garde, id habe alles; denn ich habe vier Lazarete, fo nahe als man fie haben kann, und mein ganzer Hof ift mit Soldaten angefüllt, von denen viele kraͤnker und viele auch gefünder find, als ich bin. Man kocht und bratet und waͤſcht um mic herum. Man ladıt, man weint, man fingt, man flucht, man betet, alles durch einander, Ban Iöfet Hier einen Arm ab, und feget best einen. Fuß an. Der Gine.vedet. von ber Schlacht bey Torgau, und Hält fie für die blutigſte; der Andre gieht bie vom Gollin mod vor. Der Eine redet · von feinem Wleiße auf bee Univerſitaͤt Halle und Iena, und der Anbre verſichert, daß er weder. ſchreiben noch Iefen Fönne, Der Eine lobt. meine Schriften, und weijet auf mein Kammers fenſter; und der Andre lacht mich aus. Kurz, die Seene wich zu ernfipaft, und bie Nachbarſchaft zu groß und zu gefaͤhrlich. Ich muß flichn, fo ſauer mird auch antömmt, mein fonft einfes mes ſchwarze Sret zu verlaffen. In ber Stadt iſt vielleicht fein Hans ficher, und bas noch ficher it, nimmt mic darum nicht auf. Alfo muß ich aus ber. @itebt, und: wohin? Nach Donau! " Aber Bonau ift fünf Meilen : und was / win ich ohne Beſchäfti- gung in Benan anfangen? Der Mirfiggeng ifl-fo.gut, als ein Bazatet, und vieeidt noch fhlimmer.. ‚Dad; genmg, daß Sie wiffen, daß ich bald von hier gehen werde, wenn ich Ihnen auch heute nicht fagen kaun, wohin: : Bir k iabıfn wollloms men wohl. ur

*) (An biefelbe Breundinm,; -unfrwehfge "Mo. 100, 20L 2 200 doserichtet find.)

208. Gellert an feine Shwerer. ®. d. 16, Dee. 1760.

Es ift wahr, daß mic die beiden Säaͤchſiſchen Prinzen bey ihrer Anmefenheit in Leipzig haben zu fich rufen laffen, und mir nebft dem Herzog don Braganza außerordentlich viel Gnade erzeigt haben. Es ift auch wahr, daß mich der König von Preus fen am vergangenen Donnerötage hat zu fich rufen laffen, und mic bey einem bepnahe zwepftündigen Gefpräce fehr gnäbig bes gegnet ift. Ich mußte ihm zulegt noch eine Babel (dev Maler) auswendig fagen. Nun fing er an: Das ift gut, das iſt fehr gut, das habe ich nicht gedacht, das iſt fhön, gut und kurz; ich muß ihn Toben, nein, ihn muß ich unter den Deutſchen doch Los ben. Komme er wieder zu mir und ba ftede er feine Fabeln zu fih und Iefe mir welche vor, u. f. w. Gott fey Dan, daß biefe ünterrebung, vor ber ich mich Herzlich gefürchtet, fo glüdlich abs gelaufen ift. Lebt wohl, grüffet alle die Unfrigen herzlich.

G.

208 (77.)°) Um Leipzig zu entfliehn, gehe ich nah ⸗“, und um ** zu entfliehn, den andern Tag wieder nach Leipzig, das ift ſonder⸗ bar und zugleid traurig für mich. Hier fie ich nun, trage meine eigne Laft, die nicht Mein ift, und bie Laft ber Beſuche, die mir faft unerträglich wird. O Ruhm, was bift du für ein Uebel! Die dich nicht Haben, grämen fi, und bie dic, haben, befeufzen dich. Gin Brief über den andern wünfdhet mir läd zu ber Gnade des Könige. Ja, liebſte Freundinn, es iſt nicht ) (S. die Anmerkung zu Ro. 207.) Gellert V. 2

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zu glauben, und body wahr, ich komme taufend Leuten erſt chr⸗ würdig vor, feit dem ber König mit mir gefprochen und mid, gelobt hat; und ift denn fein Lob vor dem Richterſtuhle ber Ver— nunft und des Bewiffens wirklich mehr, als ber Beyfall eines andern Menſchen? Co viel den 30. December 1760,

Den 31. December. Der legte Tag im Jahre, und alfo aud der letzte Brief dieſes Jahres, den ich an ie ſchreibe! Und biefe dreyhundert und fünf und fechzig Tage, merkwürdige Zage für Sie, und noch mehr für mid, find alfo vorbey?

Ja, wiederum ein ganzes Jahr vollbracht! O ſchau mein Geiſt in diefes Jahr zurüde, Denk an bein tauſendfaches Glüde,

An jeben frohen Tag, an jede fanfte Nacht; und danke bu, bey jedem Blicke

Auf bein und beiner Freunde Glüde,

Dem Gott, ber deines Glücks gedacht. Dann fhau auf deine böfen Tage,

und zähle fie und freue dich;

Sie find vorbey. O fieh, wie mande Plage, Die dich fo lange brüdte, wid,

und bie noch blieb, verminderte doch ſich! Und jebes Kreuz, war bieß nicht Glüd für bi? So danke Bott auch für die böfen Kage! Für die Geduld, die dich das Leid gelehrt, Für das Vertraun, in dem es dich bewährt, Für das Gebet, für jede Fromme Klage,

Die Schmerz und Elend dic gelehrt,

So denk und tritt auf deines Lebens Pfade Ins neue Jahr mit Dank und Muth, Empfieht dich Bott und feiner Bnabe,

Was er verhängt, ift alles gut,

Aus Liebe hat er bir verborgen,

Bas künftig ift, Glück ober Leid.

Drum forg nicht für den andern Morgen.

Sey fromm und froh! Dieß find die ganzen Sorgen Des Lebens und der Seligkeit.

Diefe Verſe, liebſte Freundinn, die erften und letzten im Jahre 1760, mögen bie Stelle eines Briefs vertreten; wenig⸗ ſtens find fie die natürlichflen Gedanken bey dem Gchluffe eines Jahres. Sie werben ſich freuen, ich weis es, daß meine Ber banken die Ihrigen find, und es ift kein beffer Mittel, das neue Jahr froh anzufangen, ald wenn man das alte ernftpaft befchließt. Ju der That iſt mein Herz fo unartig, daß es heute licher Has gen als banken möchte; aber fo gut, ober vielmehr fo fhlimm, fol es ihm nicht werden. Es ift wahr, dieſes Jahr ift eines ber traurigften meines Lebens gewefen; ja ich Tann noch mehr fagen, feine Laſt ift mir größer gewefen, als bie ganze Laft aller ber vierzig Jahre, die ich unter mancherley Unfällen durchlebt Habe. Aber genug, dieſes Jahr ifk-überflanden, und wer hat es mir überftegen helfen? Könnte ich alles überfehen, fo würde ich vieleicht wahrnehmen, daß eben biefes bittre Jahr die größte Bohlthat fey, für die ich Gott am meiſten zu banken Hätte, Bir kennen und fo wenig, und was uns wahrhaftig gut iſt, auch fo wenig, daß wir oft unfer Glüd für Unglüd anfehn, weil wir nur an ben gegenwärtigen Schmerz und nicht zugleih an. das Vergnügen denken, das aus dieſem Schmerze für uns gebohs: ven wird. Dank und Preis fey alfo Gott auch für biefes traus tige und ſchmerzhafte Jahr, und für ale Demüthigungen feiner Hand, und für allen Troft in den böfen Stunden! Um froh zu flerben, will ich leben; gefegt, daß ich auch nicht ganz froh leben kann, genug, wenn ich ohne Ungebuld und mit Hoffnung eben Kann, Ic will Ihnen die Wünfhe, die ich für Sie und

23»

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Ihr ganzes Haus thue, nicht namentlich herſeten. Ich wit diefe Pflicht im Stillen ausüben, und mich im voraus freuen, daß e8 Ihnen nicht nur auf biefe® Jahr, fondern auf viele Tange Jahre und immerdar mohlgehen wird. Diefes gebe Gott; und fo leben Sie denn wohl, voll Muth und Hoffnung, denn Sie find allemal gluͤcklich! Pi

210. (73.) 1760. Snaͤdige Gräfinn,

Here &** hat mir erzäßfet, mit wie vieler Welaffenheit und Ergebung Sie Ihre fo ſchwere und langwierige Krankheit ttar gen. &o fehr ich Sie bekiage, daß Sie fo viel leiden, fo erfrene id) mid) auch zugleich, daß Sie fo viele Menfhen am Weisheit und Religion, und alfo auch an wahrer Glülfeligkeit, übertrefe fen. Vielleicht ſchenkt Ihnen Gott bald bie Gefundheit wieder; ich wänfdye es nicht nur, fonbern ich Hoffe es zuverſichtlich. Aber gefegt, er verfagte fle Ihnen länger: fo fühlen Sie doch bey aller Ihrer Krankheit dem Troſt, daß denen, bie ihn lieben, alle Dinge zum Beften bienen; und -biefer Troſt ift nichts anders, als bie Verfiherung, baß wir hier für ein ewiges Glück Ieben, zu bem wir bey allem unfern äuferlihen Ungläde nur deſto ge: fhidter werden. Ich weis wohl, daß dieſer Troſt micht immer ‚gleich ftark im ung ift; aber in einem fo edlen und unſchuldigen Herzen, als das Shrige ift, Tann er auch unter anhaltenden Schmerzen nie ganz ſchwach werben. Vielleicht fehen ie in Ihren Fünftigen Jahren die befondern Urfahen, warum Gie in der Blüthe Ihres Lebens bie Laft der Krankheit haben tragen müffen. Gewiſſe große und der Melt fehr nuͤtliche Tugenden Tonnen ohne Widerwaͤrtigkeiten nicht gebitbet werben; umb bie

au

bas Slůuck vieler Andern werben follen, müffen oft erft einige Beit mit bem Elende dieſes Lebens kaͤmpfen. Ich bin mit ber vollfommenften Ehrerbietung s

su.) ı Gellert an feine Schwerer. & d. 7. Ian. 1761.

Ich bebaure meine arme Vaterſtadt ſehr; aber ich fürchte, ich werbe ihr nicht Helfen Tonnen. Wer Gelberlaß ſucht, iſt ſchon abgemiefen. Iſt es inbeffen Gottes Wille, daß ich ihr Helfen fol, fo wird ſich ſchon eine günftige Gelegenheit finden. Ich habe zu den beiden Prinzen von Preußen kommen und auf Drdre des Königs mit dem Marquis d'Argens am vergangenen Sonnabend fpeifen mäffen. Der Engliſche Gefanbte Mitchell, ein waderer Dann, {ft mein großer Gönner und Breund, und die wahre Urfahe, daß der König begierig geworden iſt, mich zu fprehen. Er hat mir gefagt, daß ich mit ihm effen koͤnnte, fo oft id wollte, und er läßt den Bruder in Freyberg fehr grüffen und fragen, ob er ein Schaͤchtelchen erhalten hätte. Biel⸗ leicht Tann der Gefandte ein Wort reden, wo ich nicht reden barf. Ich Habe fehr viele Wefuche, und meine Unpäplihtiit und Sawachheit beunruhiget mich auch in dem neuen Jahre. Aber Gott hilft uns täglich, und dem wollen wir Geſundheit, Leben und alles überlaffen: er wirds wohl machen. Lebt wohl, grüf ale Herzlich, .

er 6.

®) (In GSellertd Bamilienbriefen iſt dieſer Brief irrig d. 7. Ian. 1760 batirt und demgemäß ald No. 35 eingeordnet.‘ Der Inhalt zeigt, daß er aus dem J. 1761 if.)

312.) 2. d. 7. Ian. 1761.

Hochzuehrender Herr Hauptmann!

Ich kann vor den Beſuchen und Gegenbefuchen kaum darzu kommen, Ihnen zu ſagen, wie hoch ih Sie fhäge, und mie ſehr ih Sie liebe. D! was ift dev Name für eine Laft!

„Ja felig, wen fein gut Geſchicke „Bewahrt vor großem Ruhm und Glüde; Der, was bie Welt erhebt, verlacht; Der frey von Kummer bie Gefchäfte Des Leibes und ber Geelenkräfte

„Bum Werkzeug wahrer Tugend macht.

&o denke ich oft mit Hallen, wenn mid das Geräufch ber großen und kleinen Welt betäubt, und wenn ich des Abends fühle, daß mein Herz eitler und leerer ift, als es am Morgen war. Wollte Bott! ich Zönnte auf das Land fliehen, und da im Stillen etwas nügliches tun! Aber ich fol, ich fol nicht. Ic fol Demuth und Gebuld ausüben lernen. Diefes ift jedt mein Beruf; und Ihr Beruf, uebſter Herr Hauptmann, in jegt, dab Eie durch Ihre Güte die Laſt des Krieges mindern helfen; und o! wie rüpmlich thun Sie dieſes; und wie fehr werben wie Ihnen Zeit Lebens dafür banken müflen. Das S— K— Haus iſt voll von Eobfprüchen auf feinen guten, Lieben, frommen Ofs fiier, den beften Gaft, den es vielleicht jemals gehabt hat; und wie glüdtich find Sie, daß Sie überall geliebt werden, wo ie hinkommen, unb überall Gutes ftiften, aud wo Sie wiber Willen Strafen vollziehen müffen. Gott Laffe es Ihnen wohl gehen, immerbar wohl gehen, unb befonders bad neue Jahr,

) (Berundfepaftlie Briefe. ©. d. Anm. zu No. 188.)

das wir angetreten, eines ber Miektichften Ihres ruhmvollen Lebens ſeyn. Er befhüge Sie, er halte feine Hard über Sie in Gefahren, und laſſe Sie das Glüd des Friedent, und ber ſaͤmmt lichen Freuden noch in einem langen Alter genießen.

Unfere umftände in Leipzig darf ich Ihnen, wohl nicht erſt berichten. Worgeftern hat der Rath aus meinem kleinen Ges burtsort ein Schreiben an mich ergehen laffen, baß ich zu feinem Beſten bey dem König reden fol. Ich armer Menfh! Wie Zönnte und dürfte ich das wagen! wenigftens haben fie verlangt, daß ich bey dem Herrn geheimden Kriegtrath von $*** der die Sache im Erzgebirge dirigiret, eine Worbitte einlegen, und ih⸗ nen einigen Erlaß von der Summe von 15000 Thalern auswürs ten möchte, weil es unmöglich wäre, fie zu ſchaffen. Wirklich find meine Landsleute nichts anders, als arme Klanelmacher; und das ganze Staͤdtgen ift vielleicht nicht zwanzig taufend werth. Aber die Sachen find regulicet, und ich weis, daß nies manb helfen Tann. Freylich verfchonete Alerander ber Große bie Stadt Theben, weil fie ber Geburtsort des Poeten Pindarus war. Und wenn ich gleich Fein Pindarus bin: fo habe ich doch geiftliche Oden und Lieber gefchrieben, die gewiß unendlich nügs licher find, als feine Heldenoden. Nichts mehr. Den Herrn Hauptmann von D*** habe ich feit acht Tagen nicht ges fehen.

Leben Sie wohl, theuerfier Herr Hauptmann, grüßen Sie Ihre liebe Wirthinn, und meine Jungfer Pathe, und laffen Sie ſich ferner mit Ihrer Büte herunter, Ich werbe Zeit Les bens mit ber aufrichtigften Hochadtung und Freundſchaft vers harren ıc,

12. An Borhwarb,

&. d. 10. Ian. 1761. Gonnabents Abends in Eile gleih nad dem . Empfange Ihres Briefes.

So herzlich gern ich Ihnen das bewußte Geſpraͤch mündlich erzählen würde; fo unmöglich ſcheint mirs zu ſeyn, wenn ich es ſchriftlich thun wollte, und zwar auf offener Pofl. In der That iſt es den Einſichten der Hauptperfon -fehr vühmlih, und mir gar nicht nachtheilig; ja bie ganze Welt Eönnte es hören, wenn es nicht der Klugheit und ber Eprerbietung gemäß wäre, Lieber zu fehweigen, als fih der Gefahr ausgufegen, im Neben einen Fehler zu begehen. Genug ich habe Beyfall erhalten, mehr als ich jemals gehofft, mehr als ich ohne Gitelkeit felbft fagen darf. Der König] Hat bey der Tafel den andern Tag nach dem Geſpraͤche viel zu meinem Ruhme geredt; wie mir ber Englifche Geſandte erzählet hat; und warum geftehe ich nicht, daß mic der K[önig], nachdem id; ihm eine meiner Fabeln herfagen müffen, felbft ges mug Lobfprühe gemadt. Das Gefpräce betraf meiftens bie fhönen Wiffenfhaften, und deutſche Litteratur, und Gur meis mer Hypochondrie. Wollte Gott, daß ber Beyfall, ben ich ges funden, und vieleicht nicht ganz verdiene, fonft einige glüdtiche Folgen hätte, Folgen, die Sie, liebſter Freund, und ich beyde gleich, eifrig wünfchen mäffen! Den Brief mit Hundert und dreyßig Thalern habe ich in Empfang genommen; und biefer Brief fol die Stelle eines ausgeſtellten Schein vertreten. Möchte uns doch Gott bald Frieden, Frieden ſchenken! Run getroſt, theuerfter Borchward, wer unter dem Schirm des Höcften fügt, fo wollen wir.im Herzen fagen, und uns tröften. Daß Ihnen meine Lieber die Dienfte thun, die ic Ihnen gern ſelbſt thun moͤchte, o wie fehr erfreut mic das! Mic rühren fie leider

nr

felten; und das vorige Jahr if eines ber elendeſten meines gan⸗ zen Lebens geweſen, doch nicht geklagt, fondern gehofft, und Gott vertraut. Das iſt unfer Troſt und unfere Pflicht; auch für bie böfen Tage follen wir ihm banken; fie find, wenn wir wollen auch Vohlthat. Leben Sie wohl, grüßen Cie Ihre befte Brau, Ihren Bergius, Grüninger, Sulzer u. f. f. auf das freundfchaftlichfte und Lieben Sie mich mit jenen beftändig. ®.

2314.°) Anden Freiheren von Widmann.

2. d. 25. Jan. 1761.

Hochgebohrner Freyherr, Gnädigfter Here Abgeſandter,

__ Euer Ereelleng haben ſich in einem Briefe an Dero Herrn Bruder meiner fo gnädig erinnert, daß ich fehr unerkenntlich ſeyn müßte, wenn id unterlaffen Könnte, Ihnen meine gehors famfte Danffagung abzuftatten. Allein wie follte ich Euer Ex⸗ eellenz nicht ſogleich für eine viel ältere Wohlthat, ich meyne, für die befondere Gnade banken, deren Sie mich bey Dero Ans weſenheit in Leipzig gewärbiget? Nie werde ichs vergeffen koͤn⸗ nen, daß der Kapferliche Abgefandte, ein Kenner und Befoͤrderer der Wiffenfhaften, im Jahre 1759 meine moralifhen Vorleſun—⸗ gen, umfcloffen von der Akademiſchen Jugend, oft befucht und meinen Vortrag mit einem lauten Beyfalle beehrt hat. Ich

) (Gelerts Briefwechſel mit dem Kaiferlihen Gefandten Freiherrn von MWibmann. Nhrmberg, 1788.)

babe biefes Ih in meinem Diario angemerket; und ich glaube, bie Rachricht davon wird ber Nachwelt merkwürdig und lehr⸗

+ weich ſeyn. Wie viel Staatömänner würden fi in gleichen Um

fländen wohl überwinden können die Sittenlehre anzuhören; und welcher Eebensbefchreiber eines Sokrates ober Plato würde bie Anecdote vergefien haben, daß ein auswärtiger Geſandter oft in Athen feinen Worlefungen beygewohnet hätte!

Die Beforgung eines Leferd und Sekretairs die mir Quer Excellenz auftragen laſſen, wirb gewiß glücklich ausfallen, wenn es auf meinen Willen anlömmt; denn wen koͤnnte ich lieber und eifeiger dienen wollen? Allein zur Zeit weis ich nur einen eins zigen unter meinen Belannten, ber die erforberten Eigenſchaften zwar größten Theils befigt, aber feit zwölf Jahren in Leipzig fih fo an die Einfamkeit gewöhnet hat, daß er ſich vor ber gros Ben Welt fürchtet. Was meine Sähriften anlanget, fo habe ich das Verzeichniß derfelben dem Heren Obriften zugeftellt. Quer Greelleng werben aus bemfelben erfehen, daß ich feit 1757 nichts weiters gefchrieben habe; und es feheint auch, baß ich niemals mehr werde fchreiben koͤnnen. Doc) es ift ja ein Glück für einen Autor, wenn er eher aufhören muß, ald er zu viel gefchries ben hat.

Ich verharre mit, ber vollfommenften Ehrerbietung

Euer Hochfreyherrlichen Excellenz

unterthaͤnigſter Diener Shriftian Furchtegott Gellert.

2ı15.°)

Rabener an Gellert.

Dessden, d. 25. Ian. 1781.

Liebfter Gellert,

2äfe ich es nicht in ben auswärtigen Zeitungen, daß Sie noch lebten, fo würde mich Ihr unausftehliches Stillſchweigen vorlängft auf die traurige Vermuthung gebracht haben, daß Sie geftorben ober doch durch Ihre finftre Hypochondrie fo menſchen⸗ feindlich geworden wären, daß Sie Ihren guten Freund Raber mer gang vergeffen können und ſich in das dunkelſte Gebüfche zu Störmthal geflüchtet hätten, um einfieblerifch über das unglüdlihe Vaterland und Ihren verberbten Magen zu feufzen. „Aber,“ werben Sie mit Ihrer hohlen und Erächzenden Stimme fo einſylbig ald moͤglich fpredhen, „lieber Gott weiß denn ber Rabener gar niht nun das Zönnte er lange willen alle Kinder wiflen es freylich, der König hat mit mic geſprochen.“ D, mein hocgelahrter Herr Profeffor, freylich viel Ehre für Sie und für den Wig! Aber das giebt Ihrem Stolze kein Recht, Ihren alten wahren Freund Rabener ganz au vergeffen. Der König hat mir mein Haus weggebrannt, und doch bin ich nicht einen Augenblick ſtolz darauf geweſen, fo wenig flolz, daß ich ſogleich an meinen liebften Geilert ſchrieb, und es ihm mit vieler Demuth meldete. Hätten Sie es nicht auch alfo machen folen? Hüten Sie ſich, ich rathe es Ihnen, Geltert, hüten Sie fih! Ih bin Ihr Freund; aber, aber, ich bin aud) ein Autor, und wenn ein beleidigter Autor vers

) (Abgedruct aus Rabeners Briefen Herausg. v. Weiße ©.282 fl.; feht aud, ald No. 5, in den fehB SWriefen v. Badener und Gellert (f. Anm, zu No. 123), fo wie in dem SBelefio Sellerts mit Dem. Lucius, Anhang, ©. 626 ff.)

fliehen Sie mi, Gellert? Merz, ich erwarte mit ber naͤch⸗ fen Poft einen Brief von Ihnen. Man erzählt. hier fo unge reimte Sachen von Ihrer Unterrebung mit dem Könige, daß ih große Luft habe, die Leute zu verfichern, es fey alles wahr, was man davon erzählt, wenn Sie mir nicht bald, bald antworten und alles aufs umftändlichfte melden, was der König zu Ihnen gefagt hat. Rod einmal warne ih Sie, fäumen Sie nicht, oder ich mwerbe dem Yublico ins Ohr fagen, daß biefer Sel— tert, ber von nichts als Vaterland und Menſchenliebe ſpricht, ja wie gefagt, baß eben biefer flille und friebliebende Gellert dem König bey feiner Unterrebung mit ihm einen weitläuftigen und finangmäßig ausgearbeiteten Plan mit aller Demuth eines Poeten überreicht habe, worinnen er gezeiget, wie ber Krieg wenigftens noch zwey Jahre fortgeführet werben koͤnne, ohne die Brandenburgiſchen Unterthanen im Mindeften zu’ beläftigen. Ja, ja, mein Herr, das ift mein ganzer Ernft, und Haben wir einmal Friede, fo follen Sie Bittern follen Sie, mehr fage ich nicht! J

Wie ich mich befinde? O ich bin viel zu ergrimmt, als daß ich Ihnen darauf antworten koͤnnte. Unmöglih Tann Ih— nen vicl baran Liegen, ob ich Frank ober gefund bin. Sie würs den mich fonft lange barum gefragt haben. Aber ich merke es f&bon; fehmollen Tann id mit Ihnen unmöglich. Mitten in meiner patriotifchen Wut liebe ich Sie von ganzem Herzen, und wenn es mir einfällt, daß id binnen acht Tagen einen Brief von Ihnen bekommen werde, fo möchte id Sie für Freude taufendmal umarmen. Ich bin vollkommen gefund, heiter und gufeieben. Ich genieße bie ruhigen Augenblice, bie wir igt noch als eine Beute haben, und erwarte bie unruhigen Tage ohne ängftlihe Sorge. Lefen Sie die Inlage an unfern Gramer *)

) (©. Rabemes Melefe herandg. v. Weite. S 286 #.)

in Kopenhagen, fo werden Sie noch mehr wiffen. Mein ganzes Her iſt barinnen; denn feit meinem erlittenen harten Anglüd iſt mic alles ziemlich gleichgäftig, und ich Tann in einer Biertelftunde mit eben ber Munterkeit von meinem Tode reden, mit ber id} gegen meine Freunde feherze, wie ich jegt mit Ih— nm, mein beſter Gellert, gefcherzt habe. Heben Sie biefe beyden Briefe auf. Wielleicht machen fie, wenn ich heuer fterbe, in meiner Zünftigen Lebensbefchreibung eine merkwürdige Anekdote, bie defto mehr in die Augen fallen muß, da ich in meinem ganz zen Leben, wenn ich ein paar Schmähfchriften auenehme, nichts Wichtiges gethan habe, als dieſes, daß ich meinen Freund

GSellert von ganzem Herzen geliebt habe. Zaufend Empfehs

Iungen an unfern lieben Gommiffionsrath und feine rebliche Frau. Melden Sie ihnen, daß unfer hochachtungewürdiger Freund Lindemann auf künftige Mittwoche Hochzeit hat. Ich bin, wie man in Leipzig fpricht, ganz zufrieden und ganz vom Freude über bie Verbindung zweyer Perfonen, bie Gott, wie es fcheinet, nur dazu erfchaffen hat, um ſich durch ihre bey⸗ berfeitige Tugend und Rechtſchaffenheit glüdtih zu machen. Wüprt fih Ihr Bruder beffer auf als fonften, fo koͤnnen Sie ihn von mit auch grüßen; aber daß ed ja Niemand merkt. Rabener.

216.) Gellert an Rabener.

2. d. 2. Ian. 1761. Liebfter Rabener!

Sie mögen mit mir machen, was Sie wollen, fo werde ich Ihnen doch dießmal Feine ausführliche Antwort ſchreiben, denn *) (Diefer Brief und bee umter derfelben Nummer folgende Aus⸗

866 B ich bin fon feit vierzehn Tagen von einem Hufen und von Schmerzen in der linken Hüfte Trank. Es ift wahr, daß ich in der Mitte des legten Monats vorigen Jahres durch einen Mas jor zu dem Könige gerufen worben bin, daß er fi von vier uhr bis dreyviertel auf ſechs uhr mit mir von den fchönen iſſenſchaften - und der beutfchen Literatur und ber Methode, womit er feine Hypochondrie curiret und mit ber ich die meinige euriren follte, unterrebet; daß er mir fehr gnäbig begegnet hat; daß ich wider allen meinen Charakter ohne die geringfte Furcht, ohne Begierde zu gefallen blos das, was Wahrheit und GEhrers bietung befahlen, geredet unb eben deswegen gefallen habe. Am Ende bes Geſpraͤchs fragte er mih, ch ich Zeine von meinen Babeln auswendig Eönnte? „Rein, Sire.“ „,Befinne Gr fih doch, Herr Profeffor, ich will etlihemal in der Stube aufe unb nie dergehen.“ Endlich fiel ic, ohne zu wiffen warum, auf den Maler, bie legte Zabel im erſten Theile. „„Nun, fagte er, das ift gut, das ift fehr gut, natürlih, kurz und leicht. Das habe ich nicht gedacht. Wo hat Gr fo fchreiben lernen?’ „In ber Schule der Ratur.“ „„Hat Gr ben Lafontaine nachgeahmt?““ „Rein, Ihro Majeftät, ih bin ein Driginal; aber barum weis ich noch nicht, ob ich ein gutes bin.‘ „„Rein, id) muß Ihn loben.” Und da fagte er zum Major, ber babey fand, noch viel zu meinem Lobe, das ich in ber That nicht hören wollte. „„Komme Gr wies ber zu mir, und ſtecke Er Seine Babeln zu fi und leſe Er mir welde vor.‘ Allein, guter Rabener, ich bin nicht wies dergekommen. Der König hat mic nicht wieder rufen Laffen, und id habe an Sirachs Wort gedacht: Dränge dich nicht zu aug ie. find hier aus dem Brief. Gellerts mit Dem. Lucius Anhang, ©. 629 ff. abgebrudt; ein Paar Bufäge, bie fi in den Sechs Briefen von Gellert und Rabener finden, wo beite Stute unter No. 6 fleben, find in Klammern gefegt.)

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ben Königen. Er hat mich den Tag darauf bey ber Tafel ges gen ben Obriflieutenant Marmwig, auch ben englifhen Ges fanbten, den Marquis d’Argens, ben £ector le Cat und An- bere, bie mirs wieder gefagt haben, mit einem Lobſpruche gelobt, den ich nicht herfegen will, weil es doch eitel ſeyn würde. Der englifhe Gefandte, ber ein vortreffliher Mann it, mag wohl die wahre Urfache gemwefen feyn, warum mich der König fehen wollen; denn der Gefandte hat mit Strauben in Breslau meine Fabeln größtentheild gelefen und ift ſehr für fie eingenoms men. Dev König ſprach bald deutſch, bald franzoͤſiſch; ich meis Mens deutſch, nur im Nothfalle franzöfifh. Den ausfüprlicen Inhalt einem Briefe anvertrauen, würbe wenigſtens wider bie Klugheit feyn. Warten Sie, bis ich Sie ſpreche. Gott gebe, daß biefes bald geſchehe, und daß ich Sie gefund und zufrieden umarmen fann, wo es auch fey. Das Ende Ihres Bricfes, liebſter Rabener, ift fehr ernfthaft. Allein Ihr Ernſt ift mir fo fhägbar, als kaum Ihr Scherz. Sie reden von Ihrem Tode. Ia, davon follten wir alle reden, oft reden, und ges troft, wie Sie, reden. Gott laſſe uns leben, um wohl zu flers ben, zu ber Zeit, da er es befchloffen Hat. Menſchlich zu urs teilen, müffen Sie mich lange und weit überleben. Ihren Brief an Gramern, ber auch trefflich iſt, Hebe ich allerbings auf. An den Herrn Gammerrath Lindemann würde ich ges ſchrieben und ihm zu der fo glüdlicen Wahl meinen Wunſch recht von ganzer Seele abgeftattet haben, wenn ich nicht zeither zu allen Verrichtungen und Pflichten der Geſellſchaft unges ſchictt geweſen wäre, Ih umarme Sie, liebe Sie und bin ewig ber Ihrige Gellert.

Den 5. Februar.

Ich Habe alle Tage noch mehr zu biefem Briefe ſchreiben wollen, unb nicht gekonnt. Morgen foll er alfo fortgehen. Eins Zönnen Sie noch anhören. Der König fragte mich nach den guten deutſchen Schriftftellern, und bie erften, bie mic einfielen, waren Sie und Cramer. Er fehmälte auf bie Unförmtichkeit und Härte der deutfchen Sprache. „„Aber warum nöthigen uns bie Deutfchen nicht durch foldhe gute Bücher wie bie Franz zoſen, daß wir fie Iefen müſſen?““ Vielleicht, Sire, fehlt uns noch bie Zeit, vieleicht auch noch Auguſte und Louis XIV. „„Sachſen hat ja zween Augufte gehabt." Ja, Gire, und wir haben auch ſchon einen guten Anfang in ber fchönen Literatur gemacht. Als die Griechen aufhörten zu fchreiben, da fingen bie Römer an. Wir hoffen ruhigere Zeiten. „„So gefallen Ihm biefe Zeiten nicht? Ginds böfe Zeiten" Ich wünfde ruhigere Zeiten, und wenn id der König von Preußen wäre, fo hätten die Deutfchen Friede „So? ſteht dies bey mic? Drey wider Einen!’ Ic wiederhole es noch einmal, Sire, wollte Gott, Sie gäben und den Frieden! una, je!"

‚Geltert.

Auszug eines Briefes aus Leipzig vom 27. Januar 1761,

Der 18. December vorigen Jahres war ber merkwürbige Tag, an welchem Derr Profeffor Gellert Rachmittags um drey Uhr in feinem Schlafrode, mit einer weißen Müge, unbarbiert, und gar nicht wohl auf, an feinem Pulte faß, und jemand an feine Ihüre pochte, Herein!

Ich bin der Mojor Quintus Ieilius, mb freue mid, &ie kennen zu lernen, Se. Maojeftät der König verlangen Sie au ſprechen und haben mid hergefhidt, Sie zu Ihm zu brins gen.” Gellert: Here Major, Sie müflen mir's anfehen, daß ich Trank bin; es wird dem Könige mit einem kranken Wanne, der nicht reden kann, nicht viel gebienet feyn. Major: Es ik wahr, Sie fehen nicht wohl aus, ich werde Cie auch nicht nds thigen, heute mitzugehen; aber das muß ich Ihnen fagen, wenn &ie ſich mit dieſer Ausflucht ganz von dem Gange loszumachen gedenken, fo irren Sie ſich; ich muß morgen wieberfommen, und wenn &ie da nicht beffer find, übermorgen, unb das fo fort, bis &ie mitgehen koͤnnen. Entſchließen Sie ſich alſo. IA laſſe Ihe nen eine Stunde Zeit. Um 4 Uhr will ich wieber anfragen, ob ich &ie heute ober ein anbermal mitnehmen foll. G.: Ja, das thun Sie, Herr Major; ich will fehen, wie ich mid alddann befinde,

Run ift alfo der Major fort, und ber Herr Profeffor, ber zum Unglöde feinen Kern Gödice nicht zu Haufe hat, fhafft fi) mit vielem Verdruß und großen Umftänben einen Barbier und eine Peräde, und iſt um vier Uhr fertig. Ouintus Icis Lius kommt, und fie gehen nach dem Apel’fchen Haufe. In dem Vorzimmer finden fich etliche Perfonen, welche voller Freude find, den Heren Profeffor Tennen zu lernen. Itzt aber geht bie Thuͤre zu Sr. Majeftät Zimmer auf, Sie treten ein, und bleiben mit dem Könige die ganze Zeit über alleine. König: If Er der Profeſſor Gellert? @ellert: Ia, IhroMajeftät. K.: Der engliſche Gefandte hat mir viel Gutes von Ihm gefagt. Wo iſt Gr per? ©.: Won Haynichen bey Freyberg. R.: Hat Gr nicht noch einen Bruder in Freyberg! @.: Ja, Ihro Majeftät, 8.: Sage Er mir, warum wir keinen guten deutſchen Schrifts Felerhaben? Der Major: IproMajeftät fepen hiereinen vor fich, ben bie Franzoſen felbft überfegt haben und ben deutſchen la

Gellert V. \ 4

Zontainemennen. R.: Das if viel. Hat Er dm la Jon— taine gelefen? G.: Ja, Ihro Majeftät, aber nicht nachge- ahmt; ich bin ein Driginal. K.: Das if alfo Einer; aber warum haben wir nicht mehr gute Autoren? G.: Ihro Mas jeftät find einmal gegen bie Deutfhen eingenommen. K.: Nein, das Bann ic) nit ſagen. G.: Wenigftens gegen die beutfchen Schriftſteller. K.: Das ift wahr. Warum haben wir keine guten Gefdichtfegreiber? G.: Es fehlt und bavan auch nicht. Wir haben einen Mafcon, einen Gramer, der ben Boffuet fortgefept hat. R.: Wie ift das möglich, daß ein Deutſcher ben Boffuet fortgefegt Hat? G.: Ia, ja, und glüdtih. Giner von Ihro Majeftät gelehrteften Profeſſoren bat gefagt, daß er ihn mit eben der Beredſamkeit und mit mehrerer hiſtoriſcher Rictigkeit.fortgefent habe. K.: Hat’s der Mann auch verflans ben? G.: Die Welt glaubt’. K.: Aber warum made fih Feiner an den Tacitus? Den follte man Üüberfegen. &.: Kas eitus iſt ſchwer zu überfegen, und wir haben auch ſchlechte feangöfifche Ueberfegungen von ihm. K.: Da hat Er Bedt. G.: Und überhaupt laffen ſich verſchiedene Urfachen angeben, warum die Deutſchen noch nicht in aller Art guter Schriften fid hervorgethan haben. Da bie Künfte und Wiffenfchaften bey den Griechen blüheten, führten die Römer noch Kriege. Viel⸗ leicht iſt jetzt das kriegeriſche Geculum ber Deutſchen: vielleicht bat es ihnen auch noch an Auguſten und an Louis XV. ges fehlt. [R.: Er hat ja zwey Auguſte in Sachſen gehabt, G.: Wir haben aud in Sachſen einen guten Anfang gemadt. —] Kr Wiel will Er denn einen Xuguft in gang Deutfchland Haben? @.: Nicht eben dad; ich wänfäe nur, baf ein jeder ‚Here in feinem Sande die guten @enie'd ermunterte. 8.: IR er gar nicht aus Sachſen weggelommen? Ich bin einmal in Berlin geweſen. R.: Gr follte reifen. : Ip Majekät, dazu fehlen mic @efundpeit und Vermoͤgen. K.: Was

hat Er dem für eine Krankpeit? Etwa bie gelehrte? G.: Weil fie Ihro Majeftät fo nennen, fo mag fie fo heißen; in meinem Munde würbe es zw, ſtolz geklungen haben. K.: Ich Habe fie auch gehabt. Ich will Ihn euriren. Er muß [fih Bewegung machen ‚] alle Tage ausreiten, alle Wochen Rhabarber nehmen. G.: Ihro Majeftät, diefe Cur möchte wohl eine neue Krankheit für mich feyn. Wenn das Pferd gefünder wäre, als ih, fo würde ich es nicht reiten Eönnen, unb wäre es eben fo frank, fo möchte ich auch nicht forttommen können. K.: So muß Gr fahren. ©.: Dazu feblt mir dad Vermoͤgen. K.: Ja das iſt wahr, baren fehits immer ben Gelehrten in Deutſchland. Es find igt wohl böfe Zeiten? G.: Ja wohl, und wenn Ihro Mas jeftät Deutſchland den Frieden geben wollten K.: Kann ich dem? Hat Er's denn nicht gehört? Es find ja drey wider mid. G.: Ich befümmere mid mehr um bie alte ala neue Gedichte. K.: Was mepnt Er? Welcher if fchöner in der Epopoe, Homer oder Birgil? G.; Homer ſcheint wohl den Vorzug zu verdienen, weil er das Original iſt. K.: Aber Wire git iſt viel polirter. &.: Wir find zu weit vom Homer ents fernt, als dag wir von feiner Sprache und Bitten richtig genug ſollten urtheilen Tönnen. Ic traue darin dem Quintilian, welcher Homer ben Vorzug giebt. K.: Man muß aber nicht ein Sklave von den Urtheilen der Alten feyn. Gr: Das bin ich nicht; ich folge ihnen nur aldbenn, wenn ich wegen ber Ente fernung felbft nicht urtheilen Tann. Major: Er hat aud) deutſche Briefe herausgegeben. K.: So? Hat Er benn aud wider den Stylum curiae gefhrieben? G.: Ach ja, Ihro Majeflät. K.: Aber warum wird bas nicht anders? Es ift was Verteufeltes. Sie bringen mir ganze Bogen, und ich verftehe nichts davon. G.: Wenn es’ Ihro Majeftät nicht ändern können, fo Eann ichs noch weniger. Ich Tann nur rathen, wo Sie befehlen, &.: Kann er keine von feinen Fabein auswendig? G.: Ich 24°

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gieifle. Mein Gebächtniß ift mir ſehr unteren. K.: Beſinne Er ſich, ich will unterdefien herumgehen Run, bat Gr eine? G.: Ia, Ihro Majeftät, den Maler.*) „Ein kluger Maler in Athen + fo ftrich er feinen Kriegägott aus” K.: Und die Moral? G.: [Gleich Ihro Majeflät.] „Wenn deine Schrift auszuftreihen.” R.: Das iſt recht fhön. Er hat fo etwas Goulantes in Seinen Berfen, das verfiche ich Alles. Da hat mir aber Gottſched eine Ue— berfegung ber Iphigenia vorgelefen; ich habe das Franzoͤſiſche dabey gehabt, und Fein Wort verflanden. Sie haben mir noch einen Poeten, den Pietfch, gebracht; den habe ich weggewor⸗ fen. G.: Ihro Majeftät, den werfe ih auch meg. K.: Run, wenn ich hier bleibe, fo muß Er öfter wieberfommen, unb Seine Fabeln mitbringen und mir wasReues vorlefen. &.: Ih weiß nicht, ob ich gut leſe; ich habe fo einen fingenden gebirs gifhen Ton. K.: Ja, wie die Schlefier. Rein, er muß Geine Babeln felbft leſen, fie verlieren fonft viel. Run, komm Er bald wieder,

Ungeachtet beffen, mas ber König am Ende fagte, if doch der Profeffor nicht wieder gerufen worden. Da er weggegangen, hat der König gefagt: „Das iſt ein ganz anderer Mann, ale Gottfcheb.” Und ben andern Tag bey der Tafel: C’est le plus raisonnable de tous les savans allemans.

*) (9. 1, ©. 135.)

217. Sreiperr von Wibmann an Gellert,

Nürnberg d. 9. Febt. 1761. WohlGbelgebohrner, . Hoc und Vielgeehrter Herr Profeffor.

Nichts ſchmeichelhafteres in der Welt hätte mir begegnen kon—⸗ nen, alß (ald)*) von Euer Wohl@bdelgebohrnen (gebohrn) mit einem Schreiben beehret zu werben; Stellen Gie ſich alfo das Vergnügen, ia ich barff wohl noch hinzufegen, ienen Hochmuth (den Stolz) vor, fo (den) Dero beebe (beide) werthe Schreiben vom 25 und 30ften**) elapsi (vorigen Monaths) in mir erwedet haben; bie Verantwortung bes leztern mögen Euer WohlEdel⸗ geboprnen (bohen) über fih nehmen, dann (denn) id) bin in diefer (diefe) meiner (meine) Bünde fo verftodt (verliebt), daß ich noch fernershin damit prangen, und Dero beebe Briefe Zeit Lebens unter meine wichtigften und merkwuͤrdigſten Gchriften aufbehalten will. Euer ıc. find allzugütig, daß Sie den Befuch, fo (den) ich Derofelben im Jahr (Iahre) 1759 in Dero moras liſchen Worftellungen abgeftattet habe, und meinen babıy gegebes nen (ertheilten) öffentlichen Beyfall fo hoch (fehr) erheben wols Ien, (5) beedes (Beydes) Hat mir Ehre und Rugen gebracht, ia es kommet (Lömmt) villmehr (vielmehr) mir zu, Ihnen zu danken, daß Sie mir ienes haben erlauben wollen, (5) ih (Ih) meines Drt6 werde diefen vor (für) mic fo vergnüglihen (ans genehmen) Zeit⸗VYunkt nie vergeffen Zönnen, und habe ſeither (seither) vielmapl die Academiſche Jugend zu Leipzig um bas

) (Die Bufäge in Parenthefe find Gellerts Verbefſerungen.)

®*) (In diefem Briefe, der Hier nit aufgenommen worden if, Hatte @, dem Zeeih. von Widmann Racriät über das Beflns ben feines Bruders, bed nachher erwähnten Dberften, gegeben.)

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Gluͤck beneidet, die Worlefungen eines Lehrers anhören zu Eöns nen, beffen (fo) angenehmer alß (als) Iehrreicher Vortrag ieben, fo (ber) zu denken und den Werth der Tugend zu fhäzen weiß, verleiten (bewegen) muß fih (in) die Schuliahre, welche man fonften nicht gefhwind genug überfteigen Tann, wiederumben (wiederum) zurüd zu wünfhen. Alle Staatsmänner folten (folls ten) ſich glüdlih achten, warn (menn) Sie ienes (das) thun Zönnten, was ich im Jahr 1759 gethan habe; und bie Staats- Kunſt müfte noch um fo viel edler werben, wann (menn) fie immer auf den Grund der Sittenlehre gebauet wurde (mürbe), ia fodann wurbe (würde) das pöbelhafte Vorurtheil, daß iene nur in der Argliftigkeit und nicht vielmehr in der Rechtſchaffen- heit beftehe, erft recht befieget (widerlegt) werden.

Euer ꝛc. werben mich duch Verſchaffung eines Lefers und Secretairs unendlich verbünden; bie Wahl fo (bie) Sie herunter (dabey) treffen werden ift mir ſchon genug, um ſicher zu feyn, daß ich alles befommen (erhalten) werde, was id nur mwünz fchen Tan; dann (denn) was kann ich nicht von einem fo groffen Kenner deren (der) wahren Verdienſten (Verbienfte) und der ächten Gelehrſamkeit, und zugleid von einem Freund (Freunde) erwarten? Ich habe vor einigen Wochen meinem Hrn. Brus bern (Bruder) dem Obriften über biefen Gegenftand ein und anbere (einige) von meiner eigenen Hand in Franzoͤſiſcher Sprache gefchriebene Anmerkungen zugefhidet, und Ihme (Ihm) mit lezter Poft gemeldet, ſolche Quer zc. ganz wie fie find, einfehen (lefen) zu laffen, (5) Sie belieben alfo biefe Anmerkungen von Ihme (Ihm) meinen Hrn. Brubern (Bruder) warın er fie noch nicht hergegeben (mitgetheilet), nur abzufordern; dann (benn) es iſt alles barinnen enthalten, was ich von einem ſolchen Leſer ober Sekretait nur immer fordern Tan und fol; (.) Was mir Euer ıc. von deme (dem) fo würdiic vorhanden wäre, (unge nannten Gandibaten) melden, baß er fih an bie Einſamkeit ges

wößnet habe, und fid vor ber großen Welt fürchte, biefes würde mich eben nicht adſchroͤten (fehreden), wann fothane (biefe) Cinfamkeits:Licbe und Forcht (Furcht) nur nicht bis auf bie Raferey eines Diogenes in einem Vaß (Faſſe) wohnen zu wol len, hinnaus gehet; (hinaus Lauft;) dann ich verlange einen ſolchen Mann eigentlich nur zu meiner Befelfhaft, und je wer niger deriey (foldye) Leute gefellig find, beftoweniger find fie aud dagegen ber Gefahr ausgefezet, in Auöfchweifungen zu ver- fallen; doch habe ich dieſes noch mit beyzufegen (doch muß ih aud noch hinzu fezen), daß er auch Studia Practica, das if eine: Kenntnig in bem öffentlichen StaatösRecht (Rechte) denen (den) Friedens:Schlüffen; und denen (den) neuern Geſchichten haben auch fähig feyn müfte, in Geſchaͤften teutſche und franz zoſiſche Auffäge zu machen; (.) Ich mißkenne nicht (geftehe gene), daß alles, was ich in einem ſolchem Mann vereinigter toereinigt) zu finden verlange, ſehr vill (viel) feye, (5) allein ich will was (etwas) rechtes, oder gar nichts haben, und gerne warten, um eine vollftändig gute Wahl zu treffen, zumahlen, (zumahl) da meine bermahlige (gegenwärtige) Umflände, welche fi aber im künftigen Fruͤhjahr näher (mehr) aufklären werden, dieſen Verzug gar wohl geflatten; mit einem Worte (Wort), ich lege das ganze Werk in Eurer ıe. Hände, und bin über ben Außfehlag (Ausfchlag) um fo mehr berupiget, alf (als) ich zum Borauß (Woraus) weiß daß ich von Derofelben (Denenfelben) Beinen andern alß (als) einen volltommenen und gefitteten Mann au gewarten habe,

Aus Dero eigenen Werzeichniß (niffe) erfehe ich mit Zufrie— benheit, daß ich, auffer Deren (Dero) geiftlichen Oben und Lies ber (Liedern) alle Dero gedrudte Schriften würdlich (wirklich) beſize; allein folten (ſollten) Guer ıc. alß (ale) ein fo guter Welt:Bürger, und (ein) fo wahrer Menſchen-Freund, ſich wohl entfeließen Tönnen, (an) Dero Freunden und der ganzen Rach⸗

Belt den Raub zu thuen (begehen), und nichts weiters mehr zu fchreiben, fa nicht einmahl Dero moraliſche Schriften buch, ben Druck zu verewigen? Ich ſtehe vor (für) Dero Freunde und vor (für) die NRahs Welt (gut) daß beebe (fie) diefes harte Verfahren um Euer ıc. durch die billige Verehrung Dero Ras

" mens und Dero ohnauslöfhlihen Gebächtniß (e6) gewiß nicht verbienen; wie glüdlich würbe ich nicht vor (für) meinen Theil feyn, wann ich Dero Vorträge (Worlefungen) fo id von benen Pflichten der Freund⸗ und Anverwanbtfhaft, von der natürs lichen Religion, und von dem Eheſtand, felbft mit Wergnügen, und mit Auferbauung (Erbauung) angehört habe, noch einmal durchleſen koͤnnte.

Ueber den Antheil fo Euer ıc. an den Zuſtande meines Hrn. Brudern (Bruders) nehmen, bin ich lebhaft gerühret, und empfehle Ihn Dero fernerer (fernerern) Freundſchaft; () Ih will nit, daß Sie ſich feinetwegen beläftigen, (5) allein ich wünfche eben fo vill (viel) vor (für) Sie als vor (für) Ihn, baß er Ihres angenehmen Umgangs zu Zeiten theilhaftig werben (genießen) Zönne; Machen (maden) Sie Ihn wenigſtens Dero Troſt Gründe wiber ein fieches Leben Iefen (befanntı; (.) Geis nen Arzt und Dero Freund Hrn. Breyer bitte ic in meinem Nahmen zu erfuhen, weder Mühe noch Sorge (Gorgfalt) zu ſpahren; Euer ıc. aber wuͤnſche ich fo viele Gefundheit, Wohle fahrt, und Zufridenheit (Zufriedenheit) alß (als) ie zu haben verbienen, mehr wüßte ih Ihnen in ber That nicht zu wänfden.

Erſt iezo werde ih gewahr, daß mein gegenwärtiges Schrei⸗ ben lang geworben; Allein man wird immer (gerne) weitläufs tig, wenn man (ein) Vergnügen findet, fich mit iemanden zu unterhalten; (.) Diefes ift bey mir fo wahr, daß ich mich noch nicht entfchlieffen Lönnte, abzubredhen, wenn es nicht wäre, um ienes mit. dieſem zu vertauſchen, Cuer 2c. iener volltommenften

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Hohadtung, Freundſchaft und Ergebenheit zu verſichern, mit welcher ich bin und ſtets ſeyn werde ıc. P. Stum.

Auch bitte ich Euer ıc. durch alles was ich bitten Tan, biefes mein Schreiben nach ben Inhalt (Inhalte) und denen (den) Sägen (Regeln) Dero im Iahr 1756 bey Johann Wendler in Leipzig gedruckten praktifhen Abhandlung von dem guten Geſchmack in Briefen, zu zergliedern, und auf bad ſtrengſte zu beurtheilen, mir aber, beſonders über die hin und wieder mit eingefchlichenen austriacismos , Dero Urtheil aufrichtig und ohne allen Kuͤckhalt

. zulommen zu laflen; (.) Wann (Menn) @uer ıc. mir biefe

meine infländige Bitte gewähren, fo werbe ich ſolches als eine ganz ausnehmende Probe (einen ganz ausnehmenden Beweis) Dero ſchaͤzbaren Freundſchaft Zeit Lebens mit Dank erkennen, unb beflomehr angefrifdet werden, öfters ſowohl zu meinem Bergnuͤgen, alß (als) zu meinem Unterricht (richte) an Sie zu ſchreiben. Sollten Sie mir aber es (es aber) verfagen, ober mich im geringften fehonen wollen, fo würbe es mir hoͤchſt ſchmerzlich feyn, und von mir alß (als) ein ftiller (files) Werbott Sie nicht mehr mit meinen Briefen zu beläftigen, angefehen wers den; (.) ie (Ze) fehärfer (hingegen) Euer etc. Beurtheilung aus⸗ fallen wird, deſto ie (befto) gröffer fol meine Verbindlichkeit ſeyn, und nichts fol ihr gleich kommen Können, als iene ſchon obbemelte (meldete) fo lebhaſt als aufrichtige Geſinnungen, mit welchen ich Zeit Lebens ſeyn werde Euer Wohl@belgebopen Dienſtſchuldigſt ergebenfter Diener v. BWibmann.

878 218. An ben Freiheren von Wibmann. 2. d. 16, Febr. 1781.

Hochgebohrner Freyherr, Gnaͤdigſter Herr Abgeſandter.

Wie glüctich wurde ich ſeyn, wenn ich alles das verdiente, was Ew. Excellenz in Dero ſo gnaͤdigen Antwort zu meinem Vortheile geſagt Haben! Ich wunſche es zu verdienen, dieſes iſts was ich mit Wahrheit ſagen kann; und ich werde mich be— mühen, Dero hohen Beyfalls eben fo gewiß würbig zu werben, als er mir vorzüglich fehägbar und Zeitlebens eine Belohnung feyn muß. Aber welche Herablaffung, daß mir Ew. Ercellenz befehlen, Dero Briefe nad ben Regeln ber guten deutſchen Schreibart firenge zu beurtheilen, die Auſtriacismos zu bemerken und Ihnen meine Gritifen zuzuſenden! Vielleicht hat felten ein großer Here und wohl niemals ein Defterreichifcher Minifter fo ſchoͤn und richtig Deutfch gefchrieben, als ich fehe, daß es Ew. Ereelleng ſchreiben. Diefes fage id breift und mit Gewiſſen, wenn ich mir aud dadurch Dero Ungnade zuziehen follte. Ich erhielt Dero Schreiben bey Tiſche, und kaum hatte ichs gelefen, fo fagte ich zu den beyden fungen Grafen Brühl und Moltke (aus Kopenhagen des Minifters Cohn) „legt will ich ihnen, meine Herren, einen Brief eines Minifters vorlefen, ber ihnen zum Vergnügen und zum Beyſpiele bienen fol.” Der Hofmeis ſter las ihn laut. Der Brief fagte ich, ift vortreflich, und wenn es hoch kommt, fo Bann ich etliche Kleinigkeiten daran ausſetzen; die Seele der Schreibart bleibet immer fhön. Ew. GErcellenz werden mir vergeben, baß ich biefes hier wörtlich anführe. Es wird die Stelle der beflen und aufrichtigften Entfhuldigungen, warum ich Deco Befehl nicht erfüllen Tann, vertreten. Indeffen

babe ih, um zu gehorchen, etliche Kleinigkeiten, welche den Gebrauh oder bie Grammatik betreffen, in ber Beylage ans gemerket. Wegen bes Sekretairs und Lectors wi ih mid fo wenig übereilen, daß ich Ew. Erxtellenz lieber keinen als nicht ben beften, den Sie verlangen, vorfdhlagen werde. Die Ums Hände Dero Heren Bruders, des Herrn Oberſten, ſind erträgs licher als letzthin, und die Operation iſt gluͤcklich etlichemal wies berholt worden. Gr Ichnet meinen unb meines Bruders Beſuch noch immer ab; allein ich bin der Krantenftuben fehr gewohnt, weil ich diefen Winter Leider drey Lazarete hart an meinem Schlafzimmer dulden mäffen. Der ſchreckliche Krieg! Ich vers harre mit der erfinnlichften Chrerbietung Ew. Hochgebohrn Ereellenz unterthaͤnigſter Diener ©. 8. Geltert,

Beylage

ALS) wir fhreiben es mit einem Beinen 8. jenen Hochmuth) Ueber den Stolz. fo) beffer bad Pronomen ben, fo ift mehr eine Partikel. beede) ift dialogiſch beyde ift grammatikaliſch rich⸗ tig. elapsi) vorigen Monats ober fo etwas. Cuer Wolgeb.) lies ber Eure oder Euere, das Foemininum. im Jahr) im Jahre, ben Ablativas. &o hoch erheben wollen) lieber fo febr erheben. ‚Hier würde ich einen Punkt fegen. Beydes hatıc. um ben Per riod abzulürzen, welches auch ber Gebante zu befehlen ſcheint. villmehr) wir fehreiben vielmehr Tommet) wir fagen koͤmmt. Ich Tomme, bu Zömmft, er köͤmmt; ift verbum anomalon, ober aud) erſt den Punet bey erlauben wollen. vor mid) für das lateiniſche pro, loco, ober das frangöfifhe pour geben wir durch für; das prae, ante, coram durch vor, welches meiftens ben Ablativum, fo wie ienes ſtets ben Accusativum, fordert:

ante portas, vor dem Xhore, coram senatu, vor bem Rathe

praeire vorgehen vergnüglicher Zeitpunkt) angenehs mer iſt gebräuchlicher in ber modernen Schreibart. feither) wir fagen geither. villmal) vielmal. verleiten) Hier lieber bewes ‚gen, wieberumben) wiederum. folten) follten, weil ber Infinitivus als die Wurzel zwey U. hat. warn) wenn. ienes) Lieber das. gebaut wurde) gebauet würbe. wurbe) wieder würbe. Dann) äft tanc, alors; nam, enim, iſt denn. Deren wahren Werbiens ſten) der wahren, ift der Artikel: follte es das Pronomen ſeyn, fo müßte heißen derer Verdienſte, welche ıc. die Werbienfe, der Werbienfte; aber im Dativo und Ablativo Zömmt ein n bins au. meinem Freund) Freunde. Brudern) Bruder ohnen. ein und andere Anmerkungen) lieber einige Anmerkungen. gefchribnen) geihriebenen. dife) diefe. Ihme) ohne e ihm. einfehen zu laſſen) Weber leſen zu laſſen. Sie belieben alfo) vor Sie fezte ich einen Punkt: Belieben Sie alfo ihm biefe Anmerkungen abzuforbern, wann er fie Ihnen noch nicht mitgetheilet; zc. fan) wie fol mit zween Gonfonanten. Waß) was, und vorher wieder einen Yunkt. Quer Wohlebelgebohrnen) gebohrn. von dem, fo wirt lid) vorhanden wäre) Lieber, der wirklich vorhanden iſt 2c. wurbe) würde. fothane) ift iuriſtiſch, lieber diefe. Forcht) wir fchreiben Sucht. Vaß) Faſſe. Hinaus geht) Hinaus läuft. Derley) ik provinzial, wis ſchreiben dergleichen. Doch habe ich noch dieſes mit beyzuſezen) doch muß ich auch noch Hinzufegen daß zc. denen Priedensfchläffen) ic weis daß denen in den Kanzelleyen ge— braͤuchlich ift; fonft Heißt der Artikel im dativo und ablativo plur: den. ich mißkenne nicht) ich weiß ſehr wohl, ober ich ges ſtehe gern. vereinigter) vereinigt. feye), ſey. was rechtes) Lieber etwas. Dermahlige) Da meine gegenwärtigen Umſtaͤnde. näher aufs Bären) mehe aufklären. ich Lege das ganze Werk) im niedrigen Stile Lieber: ich überlaffe das ganze Werk. von Derofelben) Dero iſt der Genitivas, von Denenfelben, ober von Ihnen, den

Raub zu thuen) ift mic fremd, thun ohne e, vieleicht bie Ges walt anzuthun; das Unrecht anzuthun, ober ben Raub an Ihren Freunden zu begehen. ich flehe vor Dero Freunde gut) entweder ich fiche für Dero Freunde, ohne gut, ober ich fage für gut. Dero Gebächtnuß), im Genitivo Gebächtniffes, oder Andenkens. vor meinen Theil) für meinen Theil. Dero Vor⸗ träge) lieber Vorlefungen. Auferbauung) Provinzials Wort, wir fagen Erbauung. meines Heren Brubern) wir fagen im Geni- tivo Bruders. ich will nit) vor ich lieber den Punkt und alfo einen neuen Period. fo wohl vor Sie ald vor Ihn) überall für ben accusativum. ihres Umgangs theilhaftig werben Zönne) ift richtig deutih, man fagt ed aber nicht im gemeinen Leben; man fagt lieber, ihres Umgangs genieffen ıc. Machen Sie ipm leſen) eine frangöfiihe Tour, geben Sie ihm wenigftens gu les fen, ober forgen Sie daß er lief. Wenn man Vergnügen findet) Lieber, ein Wergnügen barinnen findet, fi zc. Wenn es nicht wäre um) Si ce n’etoit, ponr etc. if eine feangöfifche Tour ber ganze Schluß ift eine frangöffche Wendung. Diefes, Gnaͤdiger Herr und Gönner, find bie kleinen grams matilalifchen pedantifchen Anmerkungen. Allein aufridtig zu reden, fo habe ich, ungeachtet meiner Critiken, etliche austria- eismos gefunden, die wirklich ihres Rachdrucks und der Kürze wegen beffer find als unfere Mundart 3. E. ich mißkenne nicht, iſt bey und nicht üblich und iſt doch wirklich Träftig und ſchoͤn. Wenn id, wie Euer Excellenz, in Gefchäften fchreiben follte: fo würde ich mit aller meiner deutſchen Sprache ein Kind feyn; unb wenn Sie in meinem Zone reden wollten, würden Sie nicht im Zone des Minifterd veden koͤnnen. Ich bitte mirs als eine Gnade aus, daß mir Euer Excellenz Dero Brief, den ich hier habe beylegen müffen, wieder zurüc zu fchiden geruhen wollen.

LU 72 Gellert an feine Schwerer.

2. d. 11, Zebr. 1761.

Ihe verfanget wieder Nachricht von mie? Ja Ihr ſollt fie haben, fo ungerme ich auch jetzt ſchreibe. Es ift wahr, meine Umftände find nicht beffer; aber ich habe doch tauſendfache Urs fahe, Gott zu preifen, baß fie nicht noch fchwerer find, und daß er mir fie von einem Tage zum andern überſtehen hilft, Das ift ja Wohkthat genug, wenn wirs nur erfennen. Ja, liebſte Schweſter, mein Leben ift fchon feit 52, befonders aber feit dem vergangenen Jahre ganz anders, ald meine vorigen Tage was ven; und ach! wie würbe ich erſchrocken ſeyn, wenn ich alles das voraus gewußt hätte, was mir zeither von Gott if zugefchidt worden! Doch ber Herr ift gerecht in allen feinen Wegen. Was mollen wir Magen, ba wir unendlich mehr verſchulden, als er und auflegt. Laſſet uns in Demuth uns feiner Hand ergeben, und nicht zagen, fondern harren und ihn anbeten. Er wik ung ja nicht über Bermögen laffen verfudht werden. Wenn ich glaubte, in Haynichen ruhig zu ſeyn, fo wollte ich gleich auf Dftern zu Euch kommen und etliche Wochen bey Euch bleiben, Aber ach! ich fürdte, Haynichen iſt noch weniger meine Ruher ſtatt, als ein andrer Ort. Freylich möchte ih gerne mit Cuch reden. Aber ber Fruͤhling, der mir ſchon zweymal ſchreckliche Frühling! Doc welch Mißtrauen! Gott kann ja den künft tigen beſſer für mich werben laſſen, und weis ich denn, ob ich ihn erlebe Der Schmerz iu der Hüfte iſt either flille, ober doch nicht heftig gewefen. Aber mein Kopf, Ich höre je leider, baß dem Bruder in Freyberg eine fo unglüdliche Weges benheit begegnet ift. Mad macht der gute Bürgermeifter? Gott ſtehe ihm bey. Ich grüſſe alle Herzlich, Fi

“un Sarsline Lueins. 2. d. 11. März 1761. Mabemoffelle!

Färchten Ste nichts: Ihr Brief*) iſt mir nicht zu lang; er iſt mir felbft durch feine Länge nur angenehmer und ein großer Beweis gewelen, daß Sie gern an mid; ſchreiben. Ich danke Ihnen für alles das Gute, das Sie mir darin fagen, aufrich— tigft, und erfuche Sie, Ihren Briefwechfel ohne Kummer ferner mit mir fortzufegen, wenn es Ihre Umflände erlauben. Es ift freylich wahr, liebſte Mabemoifelle, daß ich nicht der fleißigfte Gorrefpondent bin; allein ich verdiene eine Heine Nachficht mehr, als andre, weil ichs felten durch meine Schuld bin. Schon lange vorher, ehe ich Ihren legten: Brief erhalten, wollte ih an Sie ſchreiben, und gern ſchreiben; aber ich ward krank, und vergaß über meine Befchwerungen alles, was mir fonft eine an⸗ genchme Beſchaͤfftigung if. Daß ich Ihren erſten Brief in einem Gollegio vorgelefen habe, Tann ich nicht läugnen. Indeſ- fen Zönnen Sie ſehr ruhig dabey feyn. Ich habe Ihren Namen verfchwiegen, und das Lob, das ich dem Briefe wegen feiner naiven Schreibart gab, war nicht zu weit getrieben. Es ift ftets mein Grundſatz gewelen, daß die Brauenzimmer, bie gut ſchreiben, uns in dem Ratüclichen übertreffen, und dieſes wollte ich duch Ihren Brief erweifen. Indeſſen ift mirs nicht lieb, wenn Ihr Name duch zufällige Umſtände verrathen worden; denn Ihre Beſcheidenheit möchte ich auch durch ein verbientes 2ob nicht gern einen Augenblid kraͤnken. Ich will mich auch künftig fehr hüten, daß Gie Ihre Klage nicht wiederholen dürfen. Fahren Sie in Ihrer guten Lectüre fort, Liebfte Mademoifelle!

) (Bom 1. Bebr. 1761; Brief. Sb. mit Dem. Lucius Nr. 4.)

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Sie muntere ich dazu auf, ob es gleidh für viele Brauenzimmer gut wäre, wenn fie weniger läfen; aber Sie gehören nicht in dieſe Glaffe. Sie leben nicht, um zu lefen, fondern Sie Iefen, um befto gefhäfftiger, nügliher und ruhiger zu Ieben, und id, habe eine fo gute Mepnung von Ihrem Herzen und Ihren weibs lichen Geſchicklichkeiten, daß ich Sie dem beften Manne wünſche. Leben Sie wohl und grüßen Sie Ihre Jungfer Schwefter viels

mal von mir. Ich verharre mit befonderer Hochachtung Ihr verbundenfter Diener

Gellert,

- 221.

Freiherr v. Widmann an Gellert.

Nürnberg, d. 16. März 1761,

Bohl Edel Gebohner Hoch und Bit (Biel) *) geehrter Herr Profeſſor,

Was bin ich Euer Wohlebel@ebohrnen nicht vor bie gütige Aufnahme meines Schreibens vom Oten vorigen Monaths, und noch weiters (weiter) dafür fchuldig, daß Sie mir zugleich meine Bitte, wegen Beurtheilung deßen (befelben), nach denen (den) Regeln der guten teutfchen Schreib⸗Art, gewähren wol⸗ len. Ich bin zwar weit entfernt, barüber völlig beruhiget zu ſeyn, ob Dero Urtheil nicht allzu gelinde ausgefallen feye (ſey) 3 Allein ich will e8 babey bewenden Laffen, und meiner Eigenliebe etwas zu gut (gute) thuen (thun). Es (Sie) iſt ia allen Mens {chen gemein, und wenn fie zu guten Handlungen der Zunder

. Üt, fo höret fie auf, unerlaubt zu feyn. Doch bitte ich noch⸗

*) (&. d. Kam. zu Ro. 217.)

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malen (nochmahl) auf das feyerlichſte diefe Dero Beurtheilung fo wohl auf gegenwärtiges (märtigen Brief) ald auf alle meine Zänftige (Lünftigen) Schreiben zu erflreden; bann (denn) diefe werben nur fo lange folgen alß (als) ienes von @uer deſchehen (gefhehen) wird. Alles, was Euer mir fonften über meine Schreib⸗Art fagen, und mit meinen Brief gethan zu haben mels den, beſchaͤmt mich allzu feht, als daß ich mich darüber einzus taflen getrauen follte; (.) Wann ber gute Wille in ber ächten Schreib - Art unferer Mutter» Sprache ſtark zu mwerben, ober wenigftens die dießfalls bey mir unterlofene (untergelaufenen eins gefhlihenen) Fehler ber Erziehung zu verbeffeen ein Werbienft feyn Tann, fo darf ich mir folden zueignen. Ich fühle diefen Arieb ſchon von vielen Jahren her, (5) allein von ber Zeit an, als ich mit Euer angenehmen und lehrreichen Schriften —, auch darauf mit Dero werthen Perfon bekannt geworben bin, unb endlich gar Dero Vorleſungen anzuhören, das Gluüͤck erlanget babe: fo hat diefer Trieb nicht nur merklich zugenohmmen (ger nommen), fondern ſich aud mit bem Wunſche vergefeilfchafftet, Guer herunter (hierinnen) zum Lehrer und Anführer zu has ben, (.) Diefes (nun) Tann zu meiner unerloͤſchlichen Verbind⸗ lichkeit eben dadurch am beften beſchehen (gefehehen), wann Sie mir erlauben mit Derofelben (Denenfelben) einen ordentlichen Brief Wechſel, doc immer unter obiger (der obigen) Bedingnis (Bedingung) zu errichten.

Wegen des Sekretairs und Lectors verlaze ich mich lediglich auf Cuer, und lege (gebe) deſſen Auswahl (Wahl) gaͤnzlich in Dero Hände, bitte mir aber auf ben ſich ergebenden (ereignens den) Fall bie vorläufige Nachricht davon aus.

Mein Herr Bruder, der Oberſte, wirb nunmehro bald im Stande feyn, Dero, und Dero Heren Bruders Beſuch anzunehs men; ia ich hoffe, daß ein fo angenehmer Umgang, (um) wels dien ich Ihme (Son), fo viel ih Ihme un fonftens gutes

Gellert V.

gönne, gewiß beneide, feine Genefung befördern wird. Cuer beBlage id), (Uebrigens beFlage ich Euer 2c.) daß aud Sie die Ungemahe (dad Ungemach) des Krieges fo nahe empfinden (mäfen) ; Nichts Tan freylich ſolchen erfhredlicher machen, als wenn man fehen muß, daß durch bie davon ohnabſonderliche (von ihm ungerteennlichen) Plagen, fo gar Leute deren Ruhe fo Heilig und der gelehrten Welt fo nüglich ift, geflöhret werben. Der Himmel wird ia allen diefen Drangfalen ein Ende geben, Dringende und überhäuffte Geſchaͤffte Haben mich, wieder meinen Willen bisher abgehalten Euer zc. eher zu antworten. Ich vers harre mit ber erfinnlichften Hochachtung und Ergebenpeit Ewr. Wohl Edelgebohrnen Dienſtſchuldigſt Ergebenſter Diener v. Widmann.

P. S. Euer ıc. wärben mic ungemein verbinden, warn (wenn) Sie mir ein Bud, welches von der Recht&chreibKunft ¶echtſchreibung) gründlich aber kuͤrzlich (kurz) hanbelt und zus gleidy ein WörterBuch verrathen (vorſchlagen) wollten, in wels hen ich nachſuchen Lönnte, fo oft ich einen Anftand habe, wie diefes oder ienes Wort im Teutſchen vecht zu fehreiben feye (ſey).

222. Caroline Lucius an Gellert. Dresden, d. 25. März 1761. Hochgeehrtefter Herr Profeffor!

Ich fol nur ohne Kummer meinen Briefwechfel mit Ihnen fortfegen? Und Sie wollen wirklich fo gütig ſeyn, und es mir

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erlauben, ob ich gleich nicht bie Ehre habe, Ihnen perſonlich bekannt zu feyn? „Das habe ich nicht gedacht,” muß ich, wie ber König von Preußen, fprechen. Allein wenn ichs ſchon nicht gedacht habe, fo weiß ich mich doch gleich barein zu ſchik⸗ ten, unb made mir biefe Grlaubnig mit aller Zuverficht gu Nuge. Sie haben fie mir einmal gegeben; daran will ich mich halten, bis Sie fie wieder zurücknehmen, und bas werben Sie doch wohl nicht thun? Rein, das thun Sie nicht; Sie find viel zu gutherzig, viel zu menfchenfreundlich dazu. Mein langer Brief, und daß ich gern an Sie fchreibe, ift Ihnen angenehm, wie ie fagen? Auch bieß hätte ich kaum geglaubt, und doc) muß es fo ſeyn; denn rechtſchaffene Leute überhaupt haben ja niemals Urfarhe, anders zu reden, als fie denken, wie viel wer niger Sie! Da ic) ſchrieb, ſchmeichelte ich mir gar nicht mit ber Hoffnung, eine Antwort zu erhalten; noch weniger unterftand- ich mid, nur einen Augenblick bie Abficht zu hegen, Sie das durch in einen Briefwechſel mit mir zu ziehen. Ich gebachte, To zu fagen, blos von Ihnen Abfchied zu nehmen. Aber hernach ſah ichs wohl ein, daß ich felbft nicht recht gewußt, was ich wollte; benn ih war immer fo unruhig, weil ich nichts davon _ erfuhr, wie mein Brief von Ihnen war aufgenommen worden, und ich warf eine ſolche Feindſchaft darauf, daß ichs gar nicht mehr leiden wollte, wenn meine Schweſter davon redte, und im Herzen, glaube id, war ich gar böfe, daß meine Xeltern mir erlaubt hatten, ihn fortzufhiden. War das nicht wunderlich von mir? Gehen Sie, mein Lieber Herr Profeflor, ich er— zähle Ihnen das Alles, damit Sie von der Freude urtheilen kdnnen, die mir Ihr fchöner Brief gemacht, und bie Sie mir durch alle diejenigen verurfahen werben, die Ihnen dann und wann an mich gu fchreiben belieben wird. Drey Beilen vom Ihnen Eönnen mich auf eine lange Zeit vergnügt machen, und ich habe nunmehr fo viel Vertrauen zu Ihnen, daß ich, wenn

Sie auch nit an mid, ſchrelben, dennoch nicht einen Augenblid an Ihrer Gütigkeit zweifeln wil. Da will ich mic unterbeflen mit ben Gedanken von Ihnen beichäftigen und basjenige Iefen, was Sie fonft ſchreiben. So hab’ ichs auch bisher gemacht. Ich habe des Herrn Rabeners Brief an Sie und Ihre Ant: wort darauf®) gelefen und abgeſchrieben. Ihre Antwort hat mir viel Vergnügen, aber auch viel Sorge und Furcht gemacht. Wie krank mäffen Sie geweſen feyn, daß Sie nicht einmal dem Herrn Gammerratd Lindemann zu feiner vortrefflihen Babet @lüd wünfcen koͤnnen! Ich Tann nicht ohne Betrübniß an bie Stelle gebenten, wo &ie von Ihrem Tode veben. Ich weis wohl, daß man barum nicht flirbt, wenn man an ben Tod denkt, ober davon fpricht; aber es macht mir boch taufend traurige Eins drüde. Mit Ihnen würbe ein großer Theil meines Vergnügens ferben. Ihre Schriften bleiben zwar wohl in der Welt; und es werben fi auch immer Leute finden, bie Sie kennen und, wie id}, lieben und verehren, mit benen ich viel Gutes vor Ihnen würde fprechen können. Aber ich Eönnte body dann nicht mehr an Ste fhreiben, und das Angenehme Ihres Andenkens würde allemal mit viel Traurigkeit vermiſcht feyn. Gott vers längere Ihr Erben, und ſchenke Ihnen Gefundheit und Kräfte, Ihnen daffelbe angenehm zu machen! Ich bete täglich darum. Ich yabe Sie recht lieb, daf Sie mich des Lefens wegen nicht tadeln. Es würde mir fehr ſchwer fallen, ben Büchern zu ent fagen. Sie find faft meine einzige Beluftigung. Nur wünſche ich, daß ich auch Nutzen baraus ziehen möge. Wenigſtens wil ich forgen, daß weder die Sachen, bie ich leſe, noch bie Art, mit der ich fie leſe, ſchaͤdlich feyn follen. Es if mir unſchaͤtbar, daß &ie gut von mir benten, und fid fogar die Mühe nehmen, es mir zu fagen. Laſſen Sie fihs nicht gereuen, mein licher

°). (Die Beiefe 215 und 216 fin gemeint.)

‚Herr Profeflor, daß Sie mirs gefagt haben; id will gewiß einen guten Gebrauh davon machen. &o oft es mir einfällt, und das gefchieht oft, daß Sie gut von mir denken: eben fo oft will id meine Bemühung, es zu verdienen, derboppeln, und mid in dem Entſchluſſe befeftigen, vecht fehr gut zu ſeyn. Sie hochgeehrtefter Here Profeffor, ſchaͤmen ſich nicht, fromm zu feon, und alfo darf ichs Ihnen wohl fagen, ohne zu befürchten, dag Sie mid, deswegen für ungefittet, ober gar für enthufiaftifch halten werben, baß ich zwar noch weit höhere Aufmunterungen kenne, dasjenige auszuüben, was gut ift; allein ich weiß auch, daß es erlaubt ift, über ben Beifall tugendhafter und würbiger Perſonen fih zu freuen, und daß man darnach fireben, und ihn als eine Aufforderung zu mehr Tugend anmwenben fol. Meine Schweſter und mein Bruder, welcher mir Ihren Brief felbft überbracht hat, Tüffen Ihnen mit aller Ehrerbietung die Hände; und meine Xeltern (mein Water liebt Sie vornehmlich wegen Ihrer Kabeln, und meine Mutter, wegen Ihrer Bicher; eigentlich aber, Lieben wir Sie um alles, was wir von Ihnen wiffen,) meine eltern, fage ich, nehmen fich bie Freyheit, Sie hier durch mich von ihrer vollkommenſten Hochadhtung zu‘ verficern, und Ihnen für die Gütigkeiten zu banken, womit Sie ihre Toch⸗ ter beehren. Ich habe die Ehre zu ſeyn Hochgeehrtefter Here Profeffor! Ihre gehorfamfte Dienerin ©. C. Lucius,

223. An den Freiherr von Widmann. &. d. 28. März 1761, Hochgebohrner Frevhert Gnäbigfter Here Ambaffabeur.

&o wenig ich auch im Stande bin, den Bebingungen ein Genuͤge zu leiften, unter welden Euer Excellenz mich ferner Dero Briefwechſels würdigen wollen: fo werde ich doch Lieber alles wagen, als biefes Glüd ganz aufgeben. In der That if €& weit leichter, Heine Fehler in der Gchreibart zu entbeden, als bie Schönheiten berfeiben zu fehen; und in biefem Verſtande werbe ich, fo wenig ich auch zuverläffiger Richter bin, dennoch Meine Critiken über den Ausdrud Dero Briefe machen Können, wenn Sie anders von biefem ftrengen Befehle nichts nachlaſſen wollen. Und wie felten würden bie Kunſtrichter feyn, wenn es nicht mit Recht vergönnt wäre, zu tabeln, ob man gleich nicht die Geſchicklichkeit befizt, es beffer zu mahen! Was nun Ewr. Greellenz aus Beſcheidenheit von Dero deutſchen Schreibart ur theiten: fo Tann ich doch mit Gewiffen fagen, daß ichs bewun- dere, wie Sie ſich biefelbe, da Sie in mehr als einer Sprache ſchreiben, fo ſehr haben zu eigen machen und wie Sie bey Dero Gefchäften noch igt fo viel Sorgfalt darauf verwenden Zönnen. Diefes feltene und große Beyſpiel macht ber deutſchen Nation viel Ehre; follte es nicht auch die Racheiferung anderer Miniſter erweden Können?

Zur neuern Orthographie weis ich Ewr. Excellenz ein be quemeres und Pürgeres Werk vorzufclagen, als Wolfens Unters richt zur Rechtſchreibung der deutfchen Sprache. Hof und Bay reuth 1749; oder vielleicht if auch eine noch neuere Ausgabe vorhanden. Ein gutes Lericon fehlt uns auch leider noch, und das Beſte, das wir haben, ift Friſchens Deutfch Lateinifh Wör⸗

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terbuch, in Ato Berlin. Soll id aufer ber Gottſchediſchen deut: fen Grammatik Cwr. Greellenz noch eine andere Beine und vielleicht auch brauchbare nennen, fo nenne ih folgende: Reue Lehrart und Uebung in der Regelmäßigkeit ber deutſchen Sprache von Johann Leonhard Wafebow, Profeffor zu Soroe. Koppens hagen 1759 in 8. Wir haben eine Sammlung vermifchter Briefe von Stockhauſen, 2 Theile, 1759 Helmftäbt. in ber auch viel ‚gute Briefe vorkommen, wenn gleich bie Schreibart nicht überall bie befte if. Bey Gelegenheit der Briefe muß ich Ewr. Greels lenz melben, baß ein Preuffiiher Grenadier in Brüg, ber Serceville heißt, bie meinigen ins Branzöfiiche überfezet hat, und wie ich fehe, nicht ohne Glück.

Dero Here Bruber, der Here Obrifte, fängt wieber an aufs zuleben. Ich habe heute meine Schulbigkeit beobachtet und ihn befucht, und beffer gefunden, als id gebacht. Breyer macht Hoffnung das Uebel aus dem Grunde zu heben; Mein Bruder, der DOberpoft:Gommiffar, vertritt meine Stelle, und ſucht dem Herrn DOberften feine Ginfamkeit oft zu erleichtern. Gr nimmt immer bie beiben fungen Grafen, Moltke, einen Cohn bed Dänifchen Minifters, und ben Grafen Brühl, die hier flubiren, mit zu ihm. Beides find gute Kinder, bie der Herr Obrifte ſehr lieb hat. Diefer Mann, id muß es bekennen, hat viel Genie, ift ein ſehr angenehmer Gefellfchafter, und fein Krankens lager wirb ihm vielleicht nod zur Studierſtube' und zur beften Schule werden. Gr befigt eine Gabe naif zu erzählen, die ich bewundere.

uebrigens danke ich Ew. Erxcellenz unterthänigft für Dero gnädige und mir fo ruͤhmliche Antwort und verharre mit ber vollkommenſten Ehrerbietung

Euer Hohfregherslich. Ereellenz ganggehorfamfter Diener ©. 8. Sellert.

Sch. habe vor vier Jahren einen gewifien Ganbidaten ber echte, wit Namen Brauenborf, als Hofmeiſter nad Riga für den Sohn des Heren Geheimdenraths Baron von Gampen- haufen empfohlen. Diefer Frauendorf ift ein geſchicter Mann, wünſchet fih aus feiner Gonbition, wänfchet ſich bie Stelle eines Sekretairs bey einem Minifter, moͤchte er doch bie Stelle bey Euer Extellenz verdienen! Er iſt ein Schäler von Mascov und geübt in ber Geſchichte und dem iure public, nad) Mascovs Zeugniſſe. Gr ſchreibt unb ſpricht fertig Frangds ſiſch, verſteht auch Italiaͤniſch, fo viel ich mich erinnere; feine Hand ift gut und er iſt aud von Perfon wohl gebildet, umb fein Geſicht zeugt von einem ehrlichen Herzen. Für feine Treue, Arbeitfamleit, Bolgfamkeit und Sittfamkeit wollte ich beynahe gut fagen. Er ift eines gemeinen Soldaten Sohn hier aus *eipgig, und feine iebe und Sorgfalt für feine alte noch lebende Matter, ift mir ein großer Beweis eines guten und dankbaren Herzens. Das ift alles gut, werben Ew. Greellenz; in Gedanken fügen, -aber id) will wiffen, ob er alle bie Eigenſchaften befizet, die ich von meinem kuͤnftigen Sekretair verlange, und bie ich ſchriftlich erfläret habe? Alle? Nein, Gnäbigfter Herr, das glaube ich nicht, fo gut auch der Mann ift, und fo alt er auch fhon ift; denn ich glaube, daß er breiffig bis zwey und breiffig Jahre hat. Allein ich zweifle auch, daß ich iemals fo einen Menfchen finden werde, als er nach Dero Vorſchrift feyn ſoll; und wenn ich einen fände, fo hat er vielleicht andere Abflchten, als daß er bie Bedienung eines Sekretairs fucht. Mein Vor⸗ ſchlag iſt auch nichts als ein Einfall, ben mir das Werlangen Quer Excellenz zu dienen, eingiebt, und auf ben Diefelben weis tee nicht achten dürfen. Dieſer Frauendorf hat, ba ex mod in Leipzig war, ein Meines Dercchen, Reflexions sur Ia ‚Bitustion des aflaires presentes etc. gefchtieben, welches ich Ew. Groellenz hier beylege. Ich bin nicht im Stande bavon

gu urtheilen, und wer wird es beffer thun Eönnen, ale ber Mi niſter, bem ich biefes Buch ſchicke, umd dem ich mich zu beharr⸗ lichen Gnaden gehorfamft empfehle.

G. Den beygelegten Brief bitte ich mir in unterthaͤnigkeit wies der aus. D dachte ich, ba ich mit meinen Werbefferungen fertig war, bift du nicht ein alberner Menſch; ber Mann fchreibt viel nachdrücklicher, als bu!

2». An Caroline Lucius. e. d. 4. Apr. 1761.

Mademoffelle!

Jeder Vrief von Ihnen überzeugt mid immer mehr, wat für ein gutes Frauenzimmer Sie find; wie viel Freude Cie Ihren Xeltern igt, und wie viel Gluck Sie Künftig einem Manne fegn werden; und ich fange an, den Briefwechfel mit Ihnen als eine Pflicht zu betrachten, ba ich fehe, daß Sie foviel Wertrauen in mid fegen, und durch meinen Beyfall auf Ihrem trefflichen Wege ermuntert werben. Vor gelehrten Brauenzimmern erfehrede ich, weil ich fürdte, daß fie etwas anders find, ald fie feyn follen; aber Brauenzimmer von Ihrem Charakter, bie über bie weiblien Pflichten, bie fie erlernen, ſich durch das Lefen guter Bäder ben Verſtand aufheitern, und bas Herz ebier bilben, biefe achte ich ſehr Hoch und wenn ich folche Brauenzimmer denke, fo--bin ich oft geneigt, mit bem großen unb frommen Engländer Dobdridge zu glauben, daß das andre Geſchlecht vielleicht Lie befte und tugendhaftefte Hälfte bes menſchlichen Geſchlechte

fey. Fahren Sie fort, biefen Gag durch Ihr Beyſpiel zu ber flärken, und andre durch Ihr rühmliches Beyſpiel zu eben fo guten Gigenfchaften zu ermunterny mir aber geben Sie Gelegen⸗ heit, Ihnen näglicher zu werben. Daß ein Brief von Herr Rabenern, nebft einer Antwort von mir, in Dresden in Abs fürift Herumgeht, hat mid, ſehr befremdet, und ic kann nicht einfehn, wie Rabener, ber fonft fo vorſichtig if, biefe Briefe hat Eönnen bekannt werden laſſen. Seyn Sie fo gütig, Mader moiſelle, und ſchreiben Sie ben meinigen ab, und ſchicken Sie mir ihn; denn ich weis feinen Inhalt nicht fo genau mehr, Ihren wertheften Aeltern empfehle ich mich gehorfamfi, grüße Ihre Jungfer Schweſter und ben Herrn Bruder, und verharte mit wahrer Hochachtung

Ihr ergebenfter Diener

Sellert,

2235. Caroline Lucius au Sellert.

Dreöben, d. 7. Apr. 1761. Oochzuehrender Herr Profeflor!

&ie machen mid; recht unruhig durch bas viele Gute, das &ie von mir benfen, und zu meinem Lobe fagen. Ich fürchte immer, Sie werben mehr von mir halten, als ich verdiene, und daß vielleicht Ihre eignen Worte hernach an mir eintreffen möoch⸗ ten, wenn ich Ihnen fcheinen Tann, was ich mir felbft nicht bin. Was mich aber wieder beruhigt, iſt bieß, baß ich mirs bewußt bin, daß ich alles bas wirklich dente, was ich Ihnen ſchreibe und geſchrieben Habe; und daß nichts Verſtelltes barunter ift, ober das erkünftelt wäre, um Sie zu meinem Bortpeile einzunehmen.

Denn freylich ift Ihre Gewogenheit und Ihr Beifall etwas fo fehr Schmeichelhaftes, daß man dadurch einigermaßen entſchul⸗ digt fegn würde, wenn nur Lügen und Verſtellung nicht zwey haͤßliche Lafter wären, bie am meiften Verachtung verbienen, und des Benfalles tugendhafter und vechtfdhaffener Leute am uns würbigften machen. Bon dieſer Wahrheit bin ich fo ftark übers zeugt, daß ich fortfahren will, Ihnen alles, wie ichs denke, ohne Burüdhaltung, mit aller nur moͤglichen Aufrichtigkeit, zu fchreis ben. Dadurch werben Sie mid mit ber Zeit völlig Tennen lers nen, und wenn &ie da Fehler in meiner Gemüthsart oder in meinem Verſtande entbedien, fo weis ich doch, daß Sie mir des⸗ wegen Ihre @ütigkeit nicht entziehen werden; fondern daß Sie mir vielmehr gewogen genug find, um mir meine Fehler zu ente deden, und mir bie Mittel anzuzeigen, woburd ih mich davon beffeen Tann. Ob ich einem Manne ein Glück feyn würde, weis ib nicht. Es möchte fehr eitel ſeyn, wenn ichs daͤchte. Ich werbe auch ſchwerlich in diefem Stüde etwas Gewiſſes von mir erfahren. Ich bin nicht reich genug, um verheicathet zu werden. Ihr Dodbridge, mein lieber Herr Profeffor, erweißt uns Frauen⸗ zimmern fehr viel Ehre; aber, glauben Gie mirs, ich bin mit feinem urtheile nicht wohl zufrieden. Aus Liebe zur Unparteis lichkeit wollte ich, baß man von beyben Hälften bes menſchlichen Geſchlechts gleich gute Weynungen hegte, und gewiß, es giebt unter beyben Hälften Leute, die man nicht beffer wünſchen Bann. Sie und bie Frau von Beaumont, find ein guter Beweis bavon, und Beyde, vornehmlich aber Sie, find mir dadurch, daß Sie mid, unterrichten, vergnügen, und zum Guten aufmuntern, fo nũtzlich, daß ich Ihr gütiged Verlangen, mir noch nuͤtlicher zu werben, faft für ganz unmöglich halten muß.

Seit acht Tagen habe ich erfahren, daß bes Herrn Rabes ner’s Brief an Sie nebft Ihrer Antwort (von weldyer ich Ihrem Befehle zufolge, die Abfchrift beyſchließe), ingleichen ein Wrief,

ben Rabener kurz nad ber Belagerung an ben Gecretär Fer— ber in Warfchau gefchrieben, und der ebenfalls Lange zuvor, wie die Ihrigen, in aller Leute Händen war, in Berlin gebruct und nun in hiefigen Buchläben zu verkaufen find. Ich kenne den Seren Rabener nicht: ich glaube aber, daß nicht ſowohl er felbft, als vielmehr feine Freunde, Schuld find, daß dieſe Briefe fo fehr gemein und nun gar publieirt geworben. "Außer biefen Briefen ift hier noch ein Auszug eines andern Briefes aus Leip⸗ zig bekannt, ber einen Theil ber Unterrebung zwiſchen Ihnen und bem Könige enthält. Diefer war nicht fehr gemein unb id habe ihn mit vieler Mühe bekommen und fehr geheim gehalten, weil ich fürdhtete, er möchte auch etwa gebrudt werben. Heute aber habe ich gehört, daß er ebenfalls in Berlin gebrudt iſt. Jet leſe und fehreibe ich gar nichts, ausgenommen an Sie. Ich bin it eine Krankenwärterin, und zwar, was bas Betrüb—⸗ tefte ift, bey meiner Mutter. Sie liegt an Schmerzen in ber Hüfte und im Rüden fo krank, daß fie fih nicht einmal allein im Bette aufeihten kann. Neulich fagte fie: Es geht mir, wie dem armen Gellert; ih muß Geduld haben, wie er. Sie empfiehlt fi Ihnen, nebft meinem Vater, geborfamft. Mein Bruder und meine Schweſter verfihern Sie von ihrer Liebe und Ghrerbietung. Wir reden igt, da wir beyfammen find, recht oft "von Ihnen, und wünfchen Ihnen taufenberlei Gutes, und id, mein lieber Here Profeffor, wuͤnſche aud mir, daß ih Ihre Güs tigkeiten ‘verdienen und niemals ben Worzug verlieren möge, mich nennen zu bürfen dochuehtender Herr Profeffor! Ihre gehorfamfte Dienerin ©. ©. Lucius.

me. “Un Bordwarb.

8, d. 11, Apr. 1761.

& iR an kein Lieb zu denken, guter Here Hofrath. Wenn Sie wüßten wie viel ich feit einem Jahre dulde, wie viel ich mit dem angenehmen Brühlinge, welcher mir ſchon zwey Jahre nad) einander fchredlich geweſen iſt, wieder leide, fo würden Sie fehen, daß ich von biefer Arbeit nad) Gewiffen mich frey fr chen Üönte oo oo rennen Die Anfrage Ihres Briefes wegen gewiffer Briefe kann und mag ich nicht beantworten, Es iſt fchredtich genug, daß kein Brief von mir mehr vor dem Drude ſicher if, Magna fama magnum malum: Das erfahre ich alle Tage mehr... 2»: 200.

®

22. Gellert an feine Schweker.

2. d. 12. Apr. 1761.

Der Better ift Frank! das beunruhigt mid, fehr. Bott wolle doch feine Krankheit nit zum Tode feyn laffen, wenn ich nach feinem Willen bitte. Wie Ihr mir fhreibt, fo hat der Patient Hite. Ic erzählte e8 D. Heinen, und fagte ihm, baß kein Medicus in Haynichen wäre. Nun fleng er an, wenn es eine higige Krankheit ift oder wird, fo braucht man ben Arzt am wenigften. Wenn man auf dem Lande am higigen Fieber Liegt, und hat Gerfte und Waffer, Honig und Eſſig, und eine gute

Wärterinn, endlich je feine warme Gtube und keine heißen Bets ten, fo hat man bie beften menfchlichen Arzneymittel. Ich befinne mich, daß dieſes felbft bie Arzneyen gewefen find, bie id) im Jahre 1757 in Bonau gebraucht habe. Die warmen Gtus ben und Betten find deswegen ſchaͤdlich, weil fie meiftens das Frieſel im Fieber hervorbringen. Ihr kennet ja wohl vom Jahre 1747 her die Methode bey didigen Krankheiten. Ich grüſſe den Wetter herzlich, bete für ihn, ermuntere ihn, ſich Bott au überlaffen und nur fein Herz durch Buſſe und Glauben zu berupigen und zu flärken, fo Tann er das andere alles ohne Zucht erwarten. Die Furcht vor dem Tode macht vielleicht bie meiften Krankheiten gefährlich und ſchrecklich; und unfere Furcht vor bem Tode koͤmmt nicht ſowohl von dem Tode, ald von bem, was auf den Tod folgt, her. Gin Kranker, der ſich der Gnade Gottes verfihern Tann, und zu verfihern ſucht, ber ift in ber gefäprlicften Krankheit ſchon felbft "ein Arzt. Auch grüffe ih den guten alten Water herzlich. Meine Umftände, o liebe Schwe— fer, die kennet Niemand, als Bott und id; aber Gott fey ge priefen, er hilft ja einen Tag nad) dem andern überftehen. Der Zrüpling, der Frühling! Gin Gedanke, deſſen Schrecliches ich duch nichts, ald durch Gott unterbräden Tann. Ich fürchte, daß ich einer Auszehrung nahe bin. Ad Herr! Ichre du mich nur flerben; das andre befümmert mich nicht. Verreiſen werbe ich wohl nicht; ich traue mie nicht. Ich trinke fchon feit ber Bonauſchen Krankheit Feine Cyer mehr im Kaffee, der Dige wer gen, und feit dem Auguft bes vorigen Jahres feinen Wein mehr. Was if das: „Eure Schriften find bald verkauft?‘ " Wenn bie Leute fie nicht behalten, fo quälet Cuch nicht, fhicet fie wieder, i&) Tann fie wohl Iod werben, Lebt wohl, gräffet alle von mir herzlich. ®

»28. Un biefelbe & d. 15. Apr. 1761.

Ich habe dieſe Meſſe ein Geſchenke von funfzig Thalern auf der Poft, ohne Ramen bes Wohithäters, erhalten. Ihe koͤnnet leicht denken, wie mich nichts ſehr erfreuet, daß mich dies ſes Geld auch nicht ſehr erfreuet hat. Aber die Dankbarkeit bleibet doch eine Pflicht, und alfo auch bie Freude über das Gute, das und Andere erweifen. Meine Umftände find bepnahe die vorigen; doch nein, von ber Geite des Körpers find fie, Gott ſey Dank, feit einigen Wochen erträglicher; und vielleicht gefäut es ihm, mid) aud auf ber andern Geite zu flärken. Lebt wohl.

G.

229. An Caroline Lucius.

e. d. 15. Apr, 1761.

Liebe Mademoiſelle!

Wenn meine Briefe Ihnen Beweiſe find, wie hoch ih Ihr Vertrauen und Ihre Freundſchaft achte: fo find fie das, was fie nach meiner Abſicht Teyn follen; und wenn Ihnen mein Beyfall über Ihre Art zu denken, zu fchreiben und zu leben, eine Aufs munterung ift: fo werbe ich ſtets etwas Nügliches hun, fo oft id an Sie fchreibe; fo wie ich fets etwas Gutes lefe, fo oft ich Ihre Briefe lefe. Im Wahrheit, Liebe Mabemoifelle, Sie find eine meiner beften Gorrefpondentinnen, Diefes Geftändnig muß ich Ihnen aus Aufrichtigkeit wiederholen, und ich Tann ed wegen

Ihrer großen Beſcheidenheit ohne alle Bucht thun. Es wich Sie nicht ſtolz, es wird Sie nur beherzter machen, ein gutes Frauenzimmer zu ſeyn, und bie gluͤcklichen Umftände mit frohem Danke zu erkennen, in denen Sie geboren und erzogen find. Sie müffen eine fehr gute Erziehung genoffen haben; und wels ches Süd ift dieſes nicht, an der Hand forgfältiger und weiſer Eltern fo geleitet werben, bag wir früh das Beſte Eennen, Lieben und ausüben lernen! Diefe Erziehung wird Sie allerdings in Stand fegen, daß Sie die Ruhe und Hülfe eines rechtſchaffenen Mannes werden; benn eine fromme, verftändige und liebreiche Frau ift ohne Ausnahme das Gluͤck eines Mannes. Ich gebe es gern zu, daß viele Männer bey ihrer Wahl auf das Vermd— gen fehen, auch wohl darauf zu fehen Urfache haben; aber bens mod) ift e8 bie geringfte Ausfteuer eines Brauenzimmers, und Sie find deſto ficherer, wenn Ihnen Pünftig ein Mann bie Hand anbietet, baß er Sie felbft, und nicht Ihre Erbſchaft ſucht. Ich Tann den vortrefflichen Charakter, den Salomo von einer guten rau entwirft, nie ohne Bewunderung lefen.

„Wem ein tugendfam Weib befcheert ift, fagt er, die iſt viel edler, denn bie föftlichften Perlen. Ihres Mannes Herz barf fih auf fie verlaffen und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie thut ihm Liebes und Fein Leides fein Lebelang. Sie gehet mit Wolle und Flachs um, und arbeitet gern mit ihren Händen, Sie breitet ihre Hände aus zu dem Armen, und reichet ihre Hand dem Dürftigen. Ihr Schmuck ift, daß fie reinlih und . fleißig ift, und wirb hernach laden. Sie thut ihren Mund auf mit Weisheit, und auf ihrer Zunge ift holdfelige Lehre. Sie ſchauet, wie es in ihrem Haufe zugehet, und iſſet ihr Brod nicht mit Faulpeit. Ihre Söhne kommen auf, und preifen fie felig; ihe Mann Lobet fie. Viel Töchter bringen Reichthum; ein ſoich Weib aber übertrifft fie alle. Lieblich und fchön ſeyn iſt nichts. Gin Weib, das den Herrn fürchtet, fol man loben.“

[1 Unverheirathete Frauenzimmer kdonnen Fein vortrefflicheres Bild

von dem, was fie werben follen, und verheirathete von dem, was fie feyn follen, vor Augen haben, als biefes Gemälde der Zugenden und Pflichten einer Frau. Ich fange fhon an, Sie, gute Mademoifelle (fo parteiiſch werde ich), blos einem meiner reunde zu gönnen, ohne einen ſelbſt beftimmen zu können. Ihre BVerbefferung, die Sie mit des Dobdrige Ausfprude vorgenoms men haben, und bie ich gern billige, ſcheint body, weil fie fo gütig iſt, das Urteil dieſes Mannes immer noch zu rechtfertis gen. Daß Sie aber fo gut von mir denken, bazu, glaube ich, berechtigen Sie meine Schriften. Ich würde felbft fo denken, wenn ich an Ihrer Stelle wäre; gleichwohl würden Sie, wenn Sie an ber meinigen wären, ſehr bemüthig an ber ganzen Rice tigkeit zweifeln.

Ihre Rachricht von’ den gebructen Briefen hat mich fehr ers fhredt; mehr, als ich Ihnen fagen mag. Was ift ber Ruhm für ein gefäprliches Gluck! Bald möchte ich mit Hallern fagen:

D felig, wen fein gut Gefchide Bewahrt vor großem Ruhm und Glüde!

Alſo tft kein Brief mehr fiher, fobalb er aus meiner Hand tft? Doch ich will nicht eifern; ich will Ihnen für bie Abſchrift und auch für die böfe Nachricht banken.

geben Sie wohl, und wünfhen Sie Ihrer Lieben kranken Mama Muth und Gefundheit in meinem Namen.

Gellert.

Gellert V. 260

©. Freiperr von Widmann an Gellert.

Nürnberg, b. 17. Apr. 1761, Wohl Ebelgebohrner, Hoch und vielgeehrter Herr Profeffor.

Ew. Wohl Edel Gebohrnen werthefte Zufchrift vom 28. des vorigen Monaths ift mir zu feiner Zeit zugelammen, ich habe aber mehrmalen die Antwort viel, länger, als ich germe gewollt Hätte, auffhieben müffen, und nun ſtehe ich wirklich im Begrifi, ap kayſ. Wahl Commiſſar zuc Wahl eines Lünftigen Hoch- und Deutfchmeifters nad Mergentpeim abzugeben; Wie wohl wärben die großen Fürften bebienet feyn, wann Gie in foldhen Faͤllen ihren Abgefigidten eben fo leicht die erforderlichen Begabnupen als den Glanz und das Anfehen, erteilen Zönnten. Hier folget mein legtes Schreiben hinwiederum zurück, und ich bank veht fer für bie gemachte Werbefferungen, melde ich mir ein für allemahl über alle meine künftigen Schreiben außbitte; Run fehe ich, daß es Euer Hoch Edel Gebohrn Ernft ſeye, den mir fo angenehmen alß Iehrreichen Briefwechſel fortzuführen, ich ges winne babey auf ale Art fo viel, daß ich Deuenfelben meine Verbindlichkeit davor nicht, hinreichend auszubrüden vermag. Was könnte meine ohnehinige Neigung zur guten Deutſchea Gäreibtit mehr beleben, alß da ich mir ein Feld dargeſtellet fee, auf eine zugleich naplishe. umd ‚vergnügliche Art unterrichtet zu werben. Die mir vorgeſchlagene Bücher habe ich mir bereits alle angefchaffet, und ich werde fie gewiß fleiffig zur Hand nehs men; Nach meiner Art zu denken hat der Preuſiſche Grenabier Sercerille durch Ueberfezung Ew. WohlEdelGebohrnen Briefen der Menſchlichkeit mehr Ehre gemacht, alß er durch feine vers derblichen Helden = Thaten immer erwerben Tann.

“s

Mein Bender iſt bey feinem bermahligen Schickſal wohl glüds U, daß er ben Troſt Ew. Wohl&@bel@ebohrnen angenehmer Beſuchs und Umgangs zu Zeiten genüßet. Dero Troflgründe wider ein fieches Leben, mäßen in dem Mund ihres liebenswürs digen Berfaffers noch viel ergtebiger ſeyn; Dero Herr Brudern unb denen beeden Herrn Grafen v. Moltke und Brühl bitte ich in meinen Rahmen für Dero Güte und Menſchenliebe zu dans den; Diefe zwei iunge Herren Grafen dörffen nur ihren Herten Vätern nahahmen, um Kenner und Befdrberer deren Wilfens f&hafften zu werben. Ich babe lezthin in den Hamburgiſchen Staats und Gelehrten Zeitungen mit Wergnügen gelefen, was unfer würbiger Herr Professor Platner auf den Geburtstag bes Herrn Grafen von Moltke für einen treflihen Glückwunſch vers fertigt hat. Um nun wieberum auf meinen Brubern zurüce gu tommen, fo darf er ſich feinen Aufenthalt zu Leipzig, und fein Kranden= Lager minder gereuen laffen, wenn er bie Wirkung, welche Cicero benen Wiſſenſchaften durch bie bekannte Stelle Studia secundas res ornant etc. mit Grund zueignet, in ſich ſelbſt fühlen und wahrmachen kan.

Uebrigens bande ich meines Orts hinwiederum für alles ſchö— nes fo Ew. Hoch EdelGebohrnen mir zu meiner Beihämung fas gen, unb verharre mit der volllommenften Hochachtung und Ergebenpeit

Euer Hoch Edelgebohrnen Dienſtſchuldigſt ergebenſter Diener ‘von Widmann. .

Der Frauendorff ift, nah Em. WohlEdelgebohrnen Abs: ſchilderung, der Mann, ben ich fuche; ich bitte, ihn nur auszu= forfchen, mas er verlange. Bey mir hat fonften ein Sekretait den Tiſch mit mir, ober allein, zu Mittag (dann des Nadıts eße ich fehr wenig), fein gutes Zimmer, Holz und Licht, an Gelb

28°

40%

aber 300 bis 400 Gulden jaͤhrlich, doch Tömmt es mir auf wenn er alle Eigenſchaften und @itten hat, die ich hauptfächlih forbere, auf einen Zufaz nicht an. Frauen dorff mußte fih, wenn wir mit einander über die Bedingungen richtig fegn wers ben, gefallen laſſen etwa bis auf Zünftigen Herbſt, oder fo lange zu warten, biß ich ihme Zeit und Ort beflimmen werbe, um zu mir zu tommen, dann meine Umftände, und mein künftiger Aufenthalt dörfiten ſich erft in einigen Monathen aufklären; bad von ihm gefchriebene Werkchen hat mir wohl gefallen, es ift Fleiß und Grund barinden, nur wirb er Fünftig die Säge bes Hofe annehmen unb vertheidigen müßen, bey welchen der Minifter bienet, bey dem er ſich befindet; biefes kan auch einem vernänfs tigen und befcheidnen Mann nicht ſchwer fallen.

231. Caroline Lucius an Gellert.

[Dresden, d. 19. Apr. 1761.] Hodhzuehrender Here Profeffor!

Am 15ten April waren Gie fo gütig, einen Brief an mid

zu fhreiben; am 1Tten früh erhielt ich ihn zu meinem größten ergnügen; heute haben wir den IBten, und hier fige ich ſchon wieder, mit der Feder in der Hand, um Ihnen meine Dankfas gung dafür zu machen. „Das ift zu bald,” fpricht ein ger wiſſer Menſch, der manchmal fehr weile tut. „Einem Manne, ber mehr zu thun hat, als beine Wriefe zu lefen, mußt du nicht zu oft beſchwerlich fallen, Cine Undöftichkeit ift es, es iſt wahr, au forglos und nadhläffig im Umgange und in der Gorrefpondenz mit folchen Perfonen zu ſeyn, bie und damit Ehre etweifen; doch

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muß man fie mit nichtöbebeutenben Briefen nicht fo bombarbis ven.’ Der gute Menfh! Gr hat noch kein Bombarbement esfahren; fonft würde er ſich zu fo gelinden Dingen keines fo gewaltfamen Ausbruds bedienen. Mit allem dem aber mag er wohl Recht haben, und ich Bann auch Recht haben, und doch deswegen nicht feinem, fondern meinem, Willen folgen. Gehen Sie nur, mein Lieber Here Profeffor, wie ichs machen will. Ich will immer heute fehreiben, weil ich fo große Luft darzu habe: Hernach Tann ich ja meinen Brief acht oder vierzehn Tage, ober fo lange es das Geremoniel (mit welhem ich allerdings nicht recht befannt bin) erfordern wird, liegen laffen. Diefes Mittel gefältt mir außerordentlich wohl, weil es meine eigne glückliche Grfindung ift, und ich entdede auch fo eine gewiſſe Art von Delicateffe darinnen, die ich zwar felber nicht recht erflären Tann, die aber doch wirklich darinnen feyn muß: benn durch diefes Bes tragen beweife ih es feheint mir zum wenigften fo meinen Eifer und meine Sorgfalt in Beobachtung meiner Schulbigkeit, und das Vergnügen, fo id) darin finde; und dann zeige ich auch zugleich meinen Gehorſam gegen das, was Höflichkeit und Ber feidenheit vorfchreiben. Iſt bas nicht recht Hübfeh? und gefällt && Ihnen nicht auch? Wenn id Ihnen doch immer fo ſchriebe, daß es Ihnen gefiele, und daß Sie denken Tönnten, Sie läfen etwas Gutes, fo würden Sie immer, und mitggtecht glau⸗ ben, ctwas Nügliches zu thun, fo oft Sie mic, Itres unfhäts baren Beyfalls verfihern. Stolz wird es mich nicht machen; fo weit Haben Sie mic) ſchon gebracht, daß ich darüber hinweg bin; aber aufmuntern wird es mich allerbings, echt gut zu fegn, immer beffer zu werden, daß ich foniel Befsrderung und Anleis tung barzu gefunden habe, ohne bie Hinderniffe anzutreffen, bie vielleicht Andere auf ihren guten Wegen aufhalten, oder gar bas von abführen koͤnnen. Glauben Sie nicht, hochgeehrter Herr Profeffor, daß ich bisher auf eine undankbare Art fühllos, diefes

große Gloͤck überfepen, und mich für weniger glädtich gehalten habe, weil meine äuferlihen Gtüdsumftände geringe find. Man Yann nicht flärker überzeugt ſeyn, als ichs bin, daß Bott unend: lich weife umd gütig ift, und bey Beſtimmung unfrer Schidfale, allemal dasjenige wählet, was im vollkommenſten Verſtande für > uns das Beſte ift; und biefe Ucberzeugung iſt Urſache, daß bie Zufriedenheit und Dankbarkeit, mit welder Id das Wergangene ũberdenke, eben fo groß ift, als das Vertrauen und bie Zuver— fiht, womit ic) auf das Zukünftige hinausſehe. Und gefegt, ih fände Urfachen, die Ausfichten vor mir nicht für glücklich zu hal ten; fo Tann mich body dieß nicht unruhiger machen. Das Leben iſt kurz, und wir leben nicht in ber Welt, um glücklich zu fepn.

Um wohl zu fterben, will ih leben.

Der Herr, der alles Fieiſch erhält,

Wird mir, fo viel id brauche, geben.

Ihm werth zu ſeyn, ber Tugend nadhzuftreben, Die fey mein Sorgen auf ber Welt.

Der Gharakter, ben Salomo von einer guten Frau zeichnet, if ehr vollklommen, und den Begriffen dieſes meiſen Mannes ans Bändig. Vielleicht würde er weniger felten ſeyn, als er ift, wenn alle Männer fo richtige Begriffe von demjenigen hätten, wos den wahren Werth eines Frauenzimmers ausmacht, und folglich im. Stande gpären, ihre Wahl darnach auszurichten. Doch daran IR nichts gelegen, und man muß fich dadurch nicht irre machen laſſen. Genug, daß bie Männer fo denken und bie Frauenzims mer fo leben ſollten.

Ihre Parteilichkeit, mein lieber Here Profeffor, verdiene ih gear im geringften nicht. Dennoch will ichs Ihnen geftehen, daß fie mir fo wohl gefällt, daß ich Ihnen nothwendig dafür verbunden feyn muß. Ich würde mich felbft keinem Andern, als Ihren Freunden, gönnen, wenn mir alfo zu reden erlaubt if,

und ed Tann mir, denke ich, triccabt feyn; denn biefer Gebante läßt eine ſeht allgemeine Anwendung zu. Jeder vechtfchaffene Mann, deſſen Herz tugendhaft und empfindungsvoll iſt, muß Sit eben und' Ihr Freund feyn. Ein Andrer aber, ber das nicht ift, hat auch kein Recht, mir zu gefallen.

Ob ich on Ihrer Stelle fo gar bemüthig feyn wärbe, das Tann ich nun eben nicht für gewiß nachſagen. Ich fürchte im- mer, ic) würde auf wunderliche Einfälle gerathen feyn, und des⸗ wegen halte ichs für weit figerer. für mi, daß ich an meiner Stelle bin.

Es ift mir leid, daß ich Ihnen unvorfichtigerweife eine böfe, erſchrectiiche Nachricht gefhrieben habe. Um fie einigermaßen wieder gut zu machen, Tann ich Ihnen melden, daß diefe gedruck— ten Briefe, bie, wie die Buchhaͤndler fagen, fehr fehlerhaft ger wefen ſeyn fon, unterbräct unb gar nicht mehr verkauft wer⸗ den ſollen; es wäre benn, baf beide Herren Verfaſſer ihre ade drüdlihe Einwilligung dazu gäben. Deine Mutter, beren Ges ſundheit ziemlich wieder hergeftellet ift, ftattet Ihnen für Ihren fo gütigen Wunſch, den verbundenften Dank ab. Ich habe bie Ehre zu feyn,

Oochzuehrender Here Profeſſor!

Ihre gehorſamſte Dienerin ©. ©. Lucius.

2. Un Borhwarb. e. d. 21. Apr. 1761.

Bas Basen eie für böfe geute in Berlin, weiße vertraute Briefe“) durch den Druck der Welt Öffentlich befannt und einen ehrlihen Mann ſchamroth machen? Es ift Graufamkeit, fo zu verfahren; und ich werde kuͤnftig zittern müffen, fo oft ich einen Brief fehreiben will. Wie viele Dinge find unter Freunden er— laubt und unſchuldig, bie in dem Angefichte der Welt fogleich anftößig werden!

D feelig, wen fein gut Geſchicke Bewahrt vor großem Ruhm und Glüde! Berhindern Cie, wo ie Finnen, ſolche Gemwaltthätigkeiten, und leben Sie ferner Ihren ergebenften ®.

233. An Earoline Lueins. 2. d. 2, Mai 1761.

. Liebfte Mademoiſelle,

Zur Vergeltung für Ihren lieben fchönen Brief, den mic Ihr Here Bruber heute, den 2ten May, überbracht hat, will ich Ihnen au Heute noch banken und Ihnen fagen, was idy felten meinen Gorrefponbenten fage, daß Sie mir nie zu früh und zw

*) (Die Briefe 215 u. 216.)

viel antworten Zönnen, wenn es Ihre @efchäfte anders zulaffen. Anftatt daß ich, mit Ihrem Herrn Bruber, als einen Fehler anfehen follte, daß Sie mir fo fleißig und eitigft fehreiben: fo ehe ichs wirktich für eine Tugend an, in der es Ihnen hundert Zrauenzimmer entweder gar nicht, ober nur aus Zwang, wür⸗ den nachthun Zönnen; denn wenn fie auch Ihre Geſchicklichkeit im Schreiben befäßen, fo find doch @ebuld und Ernſthaftigkeit felten die Tugenden eines jungen Zrauenzimmers. Der Inhalt unfrer Briefe ift wirklich ſehr ernſthaft, und Ihre Geduld erkenne ich nicht blos aus der Sänge Ihrer Antworten, fondern aus ber Smauigkeit und Richtigkeit, alles zu beantworten. Ia id muß offenherzig geftehen, daß Ste bey unſrer Gorrefpondenz bie ſchwere @eite tragen, und ich bie leichte. &ie antworten mir genau, und ich antworte Ihnen bequem. Gefegt, unfere Briefe kaͤmen einmal auf die Nachwelt, fo wird die Nachwelt fagen, was ich hier gefagt habe, und je mehr ich verliere, befto mehr werden Sie gewinnen, Aber, meine liebe Freundin, laſſen Sie biefen Gebanten von der Nachwelt oder Welt nicht den geringften Ein- fluß in Ihre künftigen Briefe Haben, fonft wird das freyioillige Gute und Schöne Ihrer Art zu denken und zu fehreiben den Augenbli@ verloren gehen. Schreiben Sie ſtets in der Werfafs fung und der Abſicht, wie Sie zeither an mich geſchrieben Haben, fo freien Sie mit Gtüd, mit Rugen und mir zur Ehre und Freude. Ich bin mit wahrer Hochachtung J

Ihr ergebenſter Diener Gellert.

n34. (40.) Anden Grafen Morig von Brühl.

8. d. 16. Mai 1761.

Theuerſter Graf,

Ihr letter Brief ift mir ein ſehr lieber Brief geweien, unb hat mich gelehret, daß mein Herz noch nicht zu allem Wergnüs gen erftorben fey, und daß mich wenigfens Ihre Liebe und Ihe Beylall noch rühre. Wie viel Dank bin id Ihnen alfo nicht für diefen Brief ſchuldig, und für die Berebfamkeit, ber ich nicht babe widerftehen fönnen, fo unempfindlich ich aud) unter meinen anhaltenden Beſchwerungen geworben bin!

Ueber die Bürforge, deren mich ber Engliſche Gefandte Mit chel, wir unbewußt, gewürbiget, bin ich herzlich erfehroden. Gott, warum nehmen ſich doch fo viele Menſchen meiner an? Wer: diene icht denn mehr, ald Andre? Nichts weniger. Die glän: senden Werdienfke des Autors erwerben mir das Herz der Hohen und Riebrigen; und dieſe Verdienſte, bie in das Auge fallen, find doch oft nichts gegen bie flillen Werdienfie-eines Mannes, den Riemand bemerker, unb der mir weit vorzuziehen iſt. Ich Tann es Ihnen, liebſter Graf, verfichern, daß ic; ben Gefandten um feinen Fürſpruch gebeten, ja nie daran gedacht habe. Gs koͤmmt nicht in mein Herz. Ich ſuche Erin Amt, ich wänfde feine Penfion, id bin Trank, und kann fein langes Leben hoffen, ich leide keinen Mangel, und Gott giebt mir mehr, als vielen Andern; wie koͤnnte ich mehr begehren? Ich habe dem Geſand⸗ ten, ba ich Ihren Brief erhalten, alles biefes felbft gefagt; allein umfonft. &ie haben, fieng er an, es nicht wiffen follen, wie weit meine Liebe für Sie geht, und die Sache, da Sie es wiſſen, hat nunmehr ihr Schönes verloren. Aber ich werbe body thun, was ich für recht und gut halte. Dieß war es alles, liebſter

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Graf, was id von diefem Manme, der durchaus mein MWohls thäter feyn wi, habe erhalten Zönnen, Ich fürchte, er wird wieber an ben Lord &t** gefchrieben haben; aber bitten Gie Ihren Onkel, daß er fich nicht durch diefe auslänbifchen Fürbit- ten bewegen laͤßt, zu einer Zeit an eine Penfion für mich zu denken, da unfer Baterlanb fo unendlich leidet. Ich. habe im vorigen Jahre von einer ungenannten Dame aus dem Branden- burgiſchen ein Geſchenke non zweyhundert Thalern erhalten, Alſo bekomme ich ja immer mehr, als ich zu hoffen und zu wün—⸗ Shen habe. D, guter lieber Graf, wenn mir Gott leibliche Ger fundpeit und ein freubiges Herz giebt: fo verachte ich alle Schäte und Ehren der Erde. Dieß, dieß ift mein Wunfh und mein Gebet. Möchte es doch Gott erhören! Doc es ift ja ein köſt⸗ lich Ding, geduldig feyn und auf die Hülfe bes Herrn harten.

Der alte D. Müller, Professor Organi Aristotelici, if geſtorben. E[rnefti] und Andre haben mir ernftlich angelegen, diefe Stelle zu ſuchen; aber um alles in der Welt willen würde id) fle nicht fuchen, noch annehmen. Gott weiß es, daß ich fein neues Amt übernehmen kann; und wenn ich lebe, fo kann ich ja der Univerfifät eben fo viel nügen, wenn ich Professor Ex- traordinarius bin, ald wenn id Ordinarius wäre. Wozu ih mich nicht geſchickt fühle, das Laffe ich mir von allen Königen der Erde nicht aufbürben.

Der Englifche Gefanbte ift noch hier, und forget bey den ger genwärtigen Drangfalen fehr ‚für und; das ihm Gott vergelten wolle, R*, ein gefchidter und patriotifcher Mann, ber fehr gut bey dem Gefandten wegen feines Verſtandes und Herzens fteht, bat durch ihn Ihrer Frau Mutter und beynahe unfter ganzen Stadt viele Dienfte gethan. Er verdienet Ihre Aufmerkfamteit und die Gnade des Hofs. Er Hilft mit Vermögen, Fürſpruch, Math, That und Muth. So viell Das ift feit etlichen Monas ten der erſte Wrief, ben ich habe fihrriben Können und mögen.

Ich umarme Cie, und wuͤnſche Ihnen von Gott alles, was Menfhen glädtih macht. Pr

235. An den Breiherrn von Widmann.

2. d. 17. Mei 1761.

Hoshgebohrner Freyhert, Gnädigfter Here Gefandter,

So wenig Gefhmad ich bey meinen iezigen Eränklichen Ums fländen und bey dem Gebrauche des Pirmonter Waffers an den Werken ber Berebfamkeit finde: fo kann ich doh Ew. Excellen aufrichtigft verfichern, daß ich Dero Anrebe an das Großkapitul mit einem wahren Vergnügen gelefen habe. Ich habe es gefühlt, daß fie ſchön iſt, und mich doppelt gefreuet, daß fie das Werk des Minifters ift, den ich fo ſehr verehre, und beffen große Ber: dienfte einen fo glüdlichen Einfluß in das allgemeine Beſte has ben. Diefe Anrede [hide ich Em. Excellenz mit dem erſinnlich ften Danke und ohne alle Aenderungen zurüd, Mit Gewiflen habe ich feine wagen Tönnen®). Es ift wahr, daß bie Rebe hin und wieber bie feyerlihe Sprache der Hofcanzley fpricht, bie micht die Sprache ber Welt iſt; allein ich glaube, daß biefe für Ienne Sprache hier nicht nur nothwendig, fondern daß fie von Emo. Ercellenz fo glüdlid angebracht ift, daß die Rebe felbft dar duch Würde und Nachdruck erhalten. Sie veben ia im Namen

"*) (Die Rebe, fo wie ber noch folgende Brief des Bieiheren v. Mit: mann, mit dem bie in ber Anm, zu No. 214 angeführte Sammlung fließt, find hier nit aufgenommen, worden.)

Ihrer Kapferl. Majeftät, und alfo mußten Sie in einem feyere lien Zone reden. Wir haben eine Sammlung Heiner Hofs und Staatsreden, die aus ben Öffentlichen Zeitungen zuſammen getragen worden, und ich wünfchte, daß bie gegenwärtige die Anzahl der guten Beyſpiele in biefex Gattung der Berebfamkeit vermehren möchte. Diefes, Gnäbdiger Herr Gefandter, fagt ein Menſch, der fonft fehr furchtfam bey dem Drude eines Manus ſeripts if.

Der Here Bruder, ber Herr Obriſte, trägt fein Leiden mit vieler Standhaftigkeit und Geduld. So langwierig fein Uebel iſt, fo iſt es doch nicht ohne Hoffnung, und der gute Breyer thut alles, dem Herrn Dbriften eine bauerhaffte Hülfe zu leiſten. Gott wolle boc die Cur fergnen. Nunmehr hat auch der Herr Bruder bie gnäbigfte Verſicherung von Ihro Tönigliche Hoheit, dem Prinzen Ferdinand, daß er feine Cur ungeflört Hier in Leipzig wird fortfegen Tönnen; und ich glaube, daß unter den vielen Perfonen, die fi für ihn mit befonderm Eifer intereffis ven, felbft der Englifche Gefandte, Mitchel, fich befindet; ein Mann von einem vortrefflihen Gharakter, und ber ſelbſt für mid) viel Gnade hat. Ich erflaune, daß mich Gott fo viel Bunft und Liebe ohne mein Suchen bey Hohen und Riedrigen finden laßt; ein Glüd, das taufend Andre mehr verbienen, als id.

Ich verharre mit ber volllommenften Ehrerbietung und Dands fagung für bad legte gnäbige Gchreiben, darinnen ich nichts zu ändern finde,

Ew. Hochfreyherrlich. Excellenz

- unterthänigfter Diener Gellert.

230. ' An Earoline Lucius, & d. 27. Suni 1761. Siebe Mademolfelle!

Wen ih wieht fo gern ſqhriebe, fo hätte ich eine fehr gute Gelegenheit, meine Antwort auf Ihren letzten Brief") noch etliche Wochen zu verfhieben; denn ich trinke den Brunnen, und de glaubt man immer zu gewiflen Freyheiten und Fehlern berech⸗ tigt gu ſeyn, ofwe fich derſelben ſchämen zu dürfen. Allein wer auch andre Patienten gegen ihre Correſpondenten thum, ober ih ſelbſt bey meiner Cur gegen die meinigen thue: fo muß ich dech bey Ihnen eine Ausnahme machen, wenn ich anders meinem Bers genügen und der Dankbarkeit, die ih Ihnen für Ihren fleißigen und geiftreichen Briefwechſel ſchuldig bin, nicht zurofder handela ober mebiciniven will. In ber That habe ich in bem Garten, mo ich dieſes ſchreibe, Ihren Brief micht; allein ich weis doch daß er fang, ſchoͤn und voll von guter Meynung von mir wat. Für alles dreyes danke ih Ihnen, und bitte Sie, mit einer fo kurzen Antwort zufeleben zu ſeyn, bis ich gefund genug bin, lange zu figen, und viel zu fchreiben. Wirklich thue ich zu wenig, um die befondere Achtung zu verdienen, die Sie für mich tragen; allein, wenn ich Hagen wollte, und Klagen nicht meiftens Uns dankbarktit wäre, fo würden Sie fehen, daß ich in meinen ig gen Umftänden felten ſchreiben Bann, felten darf, und Aber beides mich betrübe. Aber Geduld, und Hoffnung, und Ergebung!

Süßen Sie Ihre wertheften Eltern auf das verbinblichfte von mir, aud Ihre Ifr. Schwefter, und leben Sie recht fehr wohl.

Ich bin mit wahrer Hochachtung Ihr verbundenfter Diener und Freund Geltert. *) (Bom 26. Moir Briefw. Ge. mit Dem, Lucius Ro. 14.)

a5

»ar.‘) ®. d. 29, Juli 1761.

Befter Here. Hauptmann!

Sie haben mir geſund aus einem Lager gefehrieben, und ich antworte Ihnen gieratich krank aus einem Garten, wo ich feit etlichen Tagen den Pprmonter Brunnen mit Mild; trinke, diefe meine Cur berechtigt mid, nicht viel zu ſchreiben; und mein Medicus freuet fich, wenn ich Mage, daß ich fo viel Briefe müͤſſe umbeastwortet liegen laffen. Dennoch kann ide nicht von mir erhalten, den Ihrigen Länger barunter zu fehen, und unempfinb« lich gegen fo-viele Freundſchaft zu ſcheinen, als Sie mir dar innen begeugen. Ich danke Spnen alfo bafür durch herzliche Wünfche für Ihre Gefundpeit, und langes Leben, und beftänbige Aufeiedenheit. Gott ber Allmähtige wolle Sie auch aus biefem Yeldguge glücklich wieber zurüd bringen. Das Gefpräh mit dem König, das Cie mic üͤberſchictt Haben, und das ich fehr flüche | tig, und nicht ohne Furcht geleſen habe, hat freylich verichies dene Rüge, bie Hiforifh wahr find; allein die Art und Weiſe eines Gefpräches, der Zufammenhang, bie Ausbrüce, wie fehr gehört das zur Wahrheit einer Unterrebung, und noch darzu einer Unterredung von anderthalb Stunden. Man verändere, ober laſſe gewiffe Umftände weg, ober fege unvermerkt etwas hinzu: fo wird bie wahrhaftigfle Gefchichte unzuverläßig. Ich önnte mirs gefallen laffen, wenn bie ganze Welt das Geſpräch wüßte; ber König würde nichts von dem Ruhme feiner Einſich⸗ ten dadurch verlieren, und ich würbe wenigftend dadurch gewin⸗ nen, daß er ſich gegen mich fehr gnäbig Yerabgelaffen, und mich gelobt hat. Allein es ift der Ehrfurcht zumider, die man Königen ſchuldig if, daß man ihre Gefpräche in Zimmern zu Beitungsnachrichten werden läffet: und ich würde ben Verdacht

*) (Reeundfgaftlige Briefe. ©. d. Anm. zu Re. 188.)

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der Gitelleit auf Beine Weiſe vermeiben Fönnen, wenn ich dieſes Seſpraͤch felbft auffegen wollte. Und würde ich wohl als fo genau, und mit eben benfelben Worten fagen Tönnen?

Ich bin etlichemal bey dem Markgrafen Carl Hier in Leipzig auf feinen Befehl gewefen. Wir haben lange, von wichtigen Din: gen, auch ſehr mit Offenherzigkeit geſprochen. Er und ich haben kein Geheimmig daraus gemacht; und ſiehe, kein Menfch redet und ſchreibt von dieſem Geſpraͤch. Woher muß das kommen?

Das Gedicht des Heren von B*** als eine Empfindung ber Freundſchaft gegen Cie, hat feinen Verth, wenn es auch in der Eil verfertiget iſt.

In Brüg hat ein Grenabier, ein Franzoſe, meine Brieſe überfegt, und vorige Meſſe drucken laſſen. Ich glaube nicht, daß er ſtets getreu Überfept hat. Aber Sie werben noch beſſet davon urtheilen koͤnnen als ich; und daher bitte ich Sie, bie ueberſetung aus Brüg kommen zu laſſen. Mir hat er fie aebſt einem Brief zugeſchictt. Wenigftens würbe ich den Mann zu mehr als einem gemeinen Soldaten machen, wenn id Obriſter wäre,

Ich umarme Sie, und bin mit wahrer Hochachtung ıc,

238. An Earoline Lucius. 2. d. 8, Aug. 1761. Liebſte Mademoiſelle!

Erſtlich danke ich Ihnen tauſendmal für den Brief vom Gras fen Morig, alsbann für den Ihrigen*), und endlich bitte ich

*) (Bor 3..%g.: Brief, 86. mit Dem, Lucius Ro. 17.)

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Sie um eine newe Gehälligkeit, bie Sie mir gewiß von Ihrem ‚Heren Vater auswirken werben, weil Sie viel auf mich halten, und er viel auf Sie Hält, Der eingefhloßne Brief wirb ſchon an meiner Statt reden.

Ih habe den Brunnen zum zweptenmale wieder anfangen müffen. Trauriges Gchiefal! doch es if unfere Pflicht und unfer Gluck, daß wir geduldig feyn, und bas Beſte von Gott hoffen ſollen.

Gellert.

239. Saroline Lueins Dresden, d. 15. Aug. 1761.

Hochzuehrender Herr Profefior!

Der Graf Morig ift doch recht fehr Hübfch, daß er fo oft an Sie ſchreibt, und mir dadurch einen guten Vorwand giebt, meiner Begierde an Sie zu fchreiben, ben Willen gu laſſen, und ich wäre ihm ſchon barum gut, wenn id auch nicht wüßte, bag er Sie liebt und von Ihnen geliebt wird. Bor ein paar Stunden kam ber hier eingefdloßne Brief von ihm an, den ih morgen früh mit der erſten Poft an Sie abſchicken werde. Wie, und wo wird er &ie antreffen? Immer noch krank? immer noch auf dem Garten? Gie haben ben Brunnen wieder ans fangen müflen, und ein traurige Schickſal nennen Sie das? D mein lieber Here Profeffor, ich werde mändhmal recht fehe betrübt, wenn ich an Sie denke; aber oftmals führt mid, auch biefe Betrübnig auf einen fo frohen, fo großen Gedanken, ber mich gapz entgüdt und durch feine allmächtige Fur ſo fm,

Geilert V.

w Gellert.

418

ich fie mit Recht nennen alles Belämmernde und Traurige in Hoffnung und Zufriebenheit verwandelt.

Mein Vater, der fih Ihnen gehorfamft empfiehlt, hat den Brief an ben Grafen Morig am 10. fortgeſchickt und er und ich banken Ihnen bafür, daß Sie fo gütig gewefen find, es uns aufzutragen.

Nun hätte ich eigentlich weiter nichts zu thun, als biefen Brief zu fchließen, wenn ich nur nicht fo fehr große Luft hätte, eine Bitte an Sie zu wagen, bie Ihrer ganzen Gütigkeit und ‚Ihren ganzen Verzeihung nöthig hat, und von ber ich gar nicht weis, wie ich fie vorbringen fol, Weil Sie aber fromm find, und fo gern verzeihen, fo will ich fie immer ohne weitern Ums ſchweif fagen, ehe ich den Muth wieder verliere, ben ich mir dazu gefaßt habe; denn ich bin wirklich mehr als halb furchtfam. Hören Sie alfo nur, mein lieber Here Profeffor, in dem beys Hegenden Papiere ift etwas von meiner Arbeit, das ich, wenn meine Mutter mir nichts zu thun gab, gemacht habe. Meine Eltern, denen es gefiel, vielleicht weil es von mir war, wolls ten, ich follte einen von unfern Verwandten zu feinem Namens tage bamit beſchenken. Allein der Namenstag ift noch Lange nicht, und ic Tann unter der Zeit wohl noch fo viel nähen, daß man einen ganzen Menſchen barein paden Könnte. Nun warb ich gefteen ſchon fertig, und heute, wie die Gelegenpeit kam an Sie zu ſchreiben, ließ ic) mirs plöglich einfallen, ie ganz ges borfamft zu bitten, dieſe Manſchetten manchmal, etwan im Regenwetter ober im Winter, wenn Sie die Hände verfteden, zu tragen. Ich würde Sie für Freuden ünd aus Dankbarkeit für diefe Guͤtigkeit vecht ſehr lieb haben. Freilich ift es kein Geſchenk für einel Gelehrten; aber ich bin ein Frauenzimmer und es ift meine Arbeit. Ich weis auch fehr wohl, baß kein Werth barinnen ift; allein wo ich mich recht befinne, fo ſchreibt

a der alte Graf Zeffin einmal an ben Erbprinzen von Schwe⸗

us

den, daß Meine Geſchenke bie Freundſchaft befeftigen. Darf ich biefen Sag auf Sie und mich ziehen? Das weis ih, daß Sie Sich meinen Freund und mich Ihre Freundin genannt haben, und Gie vermuthen wohl nicht, daß ich das vergeffen werbe. ueberhaupt habe ich immer geglaubt, es fey nichts von allen unſchuldigen Dingen in ber Welt, bas man nicht thun Lönnte, wenn es nur mit einer guten Art gefchähe; aber freilich bie gute Art, das iſt eben die Kunft. Run habe ich einmal in einem Buche, ic weis nicht mehr in weldem, folgenden Gedanken gefunden, den ich für wahr halte, weil er mir gefiel und ich glei davon gerührt ward: La simplicite, heißt es, est le charme s6cret de tout ce qui nous tonche: un coenr simple, des moeurs simples, un genre de vie simple, un stile simple; un gofit simple; la simplicit6 est le vrai je ne sais quoi, und biefer Gedanke hat mich in den meiften Faͤllen, wo ich uns gewiß gewefen bin, beruhiget. Denn, hochgeehrtefter Here Pro- feffor, ich will es Ihnen nur aufrichtig geftehen, ich weis faft niemals wie ich eine Sache thue; nur aus dem Erfolg urtheile: ih, ob ichs gut ober fchlimm gemacht habe. Ich bin zeit— lebens fo mir felöft gelaffen gewefen, und habe die Sachen ger than, wie ich fie gedacht habe, unb wie fie mir eingefallen find, ohne mid) dabey viel zu befümmern, und ba ift es mein Glüd, wenn ich gute Leute antreffe, die es mir fagen wenn ich fehle und es mir verzeihen. Sie fehen alfo wohl, mein lieber Here Profeffor, daß ichs igt noch gar nicht vecht weis, ob ich einen Fehler gegen bie Regeln des Wohlftandes und ber guten Aufs führung begehe ober nicht. Morgen will ich diefen Brief über leſen und es noch einmal vecht überlegen. Werbe ich unterbeffen überzeugt, daß ich etwas Unanftänbiges thue, fo ſchreide ich anz ders: bleibe ich aber fo ungewiß wie heute, fo wage ichs, [hide ihn fort, und verlaffe mich ganz allein auf Ihre Gütigkeit, nach welcher Sie überzeugt find, daß, wenn id aud einen Behler 27°

begehe, ſolches gewiß niemals aus Mangel ‘an Ehrerbietung geſchehen wird, mit welcher es mir Ehre und Pflicht bleiben fol, lebenslang zu ſeyn

Hochzuehrender Kerr Profeffor!

Ihre gehorſamſte Dienerin G. 6. Eucius.

240. An Earoline Lucius.

&. d. 15. Aug. 1761. Liebfte Mabemoifelle!

Ich wage ed, Ihnen einen Antrag zu thun, ber Ihnen ziems uch fremb vorkommen wird; aber thun Sie, als ob ich Ihr Dnkel*) wäre und hören Sie mich gelaffen an. .

Der hiefige Gantor an der Shomasihule, Doles, einer meiner Bekannten unb Freunde, ein Wittwer, fucht eine gute Beau, und hat mid im Vertrauen gefragt, ob ic) keine für ihn wüßte. Ich habe ihm im Vertrauen geantwortet, daß ich allers dings eine wüßte, ein fehr gutes liebes Frauenzimmer, die ih ‚gear nie gefehen hätte, und von ber ich body fiher glaubte,

°) (Besieht fih auf folgende Stelle aus einem frühen Briefe ber Dem. Lucius (1. Bebr.: Briefw. No. +): „ih bin in biefen Stüden wie Grandifon: ich lege dem Leuten, bie id Liebe, gern Familien⸗ ober beffer gefagt Verwandtſchaftsnamen bey. Ich wuͤnſchte beötwegen, . ., Sie zu meinem Großpapa anzus nehmen, wenn Sie nur aud) ſechzig Jahr alt wären, Mein Water lebt noch (Gott erhalte mir ihn lange!), alfo Können Sie nur etwa mein Onkel ſeyn und das wäre ein guter Gin- fa“ u. f. m.)

das ein wackerer Mann fehr glücktich mit ihe leben würbe. Es kaͤme alfo überhaupt nur barauf an, ob Er Ihr und Sie Ihm bis zu biefer genaueften Freundſchaft gefallen würde, ob bie Eis, teen und fo weiter. Wer biefer Doles ift? Ih wit Ihnen den Dann tennen lehren, wie man einen Unbefannten im Umgange fennen fernet; zuerft von Perfon. Gtellen Sie fi alfo einen Mann von vierzig Jahren mit einer aufrichtigen, verftändigen und feitern Miene vor, beffen Perfon gut gewachfen und durch ſich angenehm ift, der ſich gut trägt, und durch fein Außerliches Betragen Vertrauen erwedt. Bein Charakter? Er ift ein rehtfchaffner Mann, chriſtlich, verftändig und wirth⸗ ſchaftlich. Er ift nicht gelehrt und hat doc Wiffenfchaft genug für fein Amt, und Eifer und Geſchicklichkeit, es gut zu führen. Er ift fehr muſikaliſch, und hat body Geſchmack und Liebe für die andern ſchoͤnen Wiſſenſchaften. Er ift ein vertragfamer Col⸗ lege, ein zufriebner Mann im Haufe, unb ein munterer bes fhelner Wann in Gefelfhaft. Mit feiner verftorbenen Frau hat er vortrefflich gelebt, und hat einen Sohn von ihr, dreyzehn bis vierzehn Jahr alt, den er wohl erzieht. Sein Amt? Ich weis nicht, wie viel ed beträgt; aber das weiß ich, es ernährt den Mann und die Familie bequem. Wielleiht hat er auch einiges Wermögen mit feiner Frau bekommen; doch das weis ich nicht.

Kun bin ich fertig mit meinem Antrage; und was denken Sie dabey, liebfte Mademoifele? Wenigſtens foviel, daß ichs gut meine, daß die Sache überhaupt eine wichtige Sache, Feine Sache für Sie allein, eine Sache Ihrer lieben Eltern vornehm⸗ lich und endlich die Sache ift, bey der uns bie befondere Borforge Gottes leiten und beglüden muß. ie find darum nicht ſicher, wenn &ie biefen Antrag von fih entfernen; benn ich werde Ihnen von Zeit zu Zeit, aus wahrer Hochachtung und Zreunds ſchaft, neue thun; es wäre benn, daß Sie mirs ausbrüdlich vers

böten. Itt fhreiben Sie mir wenigftens fo viel: ich werde ned nicht heirathen; der Mann ift gut und doch nicht für mid; meine Gitern verlangen mich noch bei fi, und Herr Dole braucht nicht fi uns zu präfentiren. Das ift genug. Leben Sie wohl. Ic bin Frank und jchreibe doch eine gang Stunde, um eine Pflicht auch heute gethan zu haben. Gellert.

241. Un dieſelbe.

2. d. N. Aug. 1781.

„Shen wieder eine Gommiffion? werben Gie denken; das if ja ſchreclich! Was wird mein Papa dazu ſagen?“ Ge duld, liebe Mademoifelle; ich wills gleich machen, daß er nicht viel fagen fell; ich will Ihnen ben Inhalt biefer Commiſſion erzählen.

Der Herr Hofrath Ferber hat mih, mir unbewußt, buch feine Dienfte von einem Amte befreyen helfen, das man mir in arſchau aus großer Gnade zugetheilet hatte, und das ich wegen meiner kraͤnklichen Umftände mit gutem Gewiflen nicht annch men Eonnte °). Noch nicht genug! Eben biefer Mann hat mit, wie ich durch den Grafen Morig erfahren, durch feine freiwil⸗ ligen Bemühungen mit zu einer Penfion von vierhundert Tha⸗ lern, ftatt des Amtes geholfen, bie ich nie gehofft, und an bie ih kaum gedacht habe. Diefem Manne danke ich durch den bepgelegten Brief. Wird es Ihrem Papa nun noch ſchwer wer: den, biefen Brief zu beforgen? Und damit ich Sie vollkommen

*) (Die durch den Tod des Dr. Miller f. No. 234 ale ledigte Profeffur.)

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überführe, ſo ſchicke ich Ihnen benfelben in Abfchrift, mit ber Witte, mir biefe wieder zu überfenden, und fie in Eeine fremden Hände kommen zu Laflen; denn Sie Eennen das traurige Schick— fal meiner Briefe. Ob ich über "meine Penfion eine große Freude Habe? Gott vergebe mirs, es erfreut mich jegt wenig; aber ein gutes Herz, wenn es ſich auch nicht freuen kann, fol doch wenigftens die Pflicht der Dankbarkeit empfinden, wenn ihm ein Glück begegnet, und fol es befonderd von der Seite ber Vorſehung betrachten. Daran arbeite ich, das ift es alles, was ich mit Gewiſſen fagen Tann. Uebrigens danke ich Ihnen ergebenft für Ihre getrenen Erfüllungen meiner Bitten, und für alle bie Briefe, die ich zeither von Ihnen erhalten, und leider immer nur flüchtig beantwortet habe, und verharre mit größter Oochachtung und Dankbarkeit - Ihr verbundenfter Diener Gellert,

242. Un diefelbe.

e. d. 18. Aug. 1761.

Indem ich meinen legten Brief von geſtern fortſchicken will, erhalte ich den Ihrigen und freue mich, daß ich ihn noch in ber erften Stunde beantworten Bann. Sie find ein gutes Kind und haben mir mit Ihrem Geſchenke Feine Beine Freude gemacht. Es ift wahr, daß ich Zeine genäheten Manſchetten ordentlicher Beiſe zu tragen pflege; aber bie Iprigen will ich Ihnen zum Danke und zur Freundfhaft, fo ungern ich auch fonft Staat made, dennoch tragen und es klugen Leuten, wenn fie mich fragen, auch geftchen, daß ich fie von einem jungen Zrauenzims

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mer nebft einem Briefe erhalten, ber noch mehr werth gemefen, als ganze Commoden voll Räthereien, auch von Ihren eigenen ‚Händen. So bald id den Ekel vor meinen Büchern verliere, will ich fehen,’ob ich eins finden Bann, das ſich für meine Cor⸗ zefpondentin, Freundin und Wohlthaͤterin ſchickt.

Können Sie wohl glauben, daß id am verwichenen Sonn⸗ abende einen langen Brief an Sie gefchrieben und ihn einige Stunden darauf, als einen vergeblichen Brief, in mein Pult gefchloffen Habe*)? Ja, liebe Mademoifelle, fo gewiß ats id lebe. Ich trug Ihnen, um es kurz zu fagen, einen meiner Freunde zum Manne an, Allein ich fand, ba ich den Brief wieder überla6, daß ich aus großem Berlangen, etwas Sutes zu thun, bie Umftände meines Freundes vielleicht zu günftig bes teachtet. Ich erfchrad, ftellte mir die Wichtigkeit meines Antrags vor, und legte den Brief traurig in mein’ Pult. Kurz es war ein gutherziger Einfall, der Ihnen nicht ſchadet und mich nun= mehr auch nicht weiter beunruhiget.

Den Brief an den Herrn Hofrath Berber hide ich Ihnen offen, damit ich die verſprochene Abfchrift erfpare. Siegeln Gie ihn mit einem Petſchafte zu, mit welchem Sie glauben, daß id fiegeln könnte. Berner ſchicke id Ihnen aus Dankbarkeit ben Brief de Grafen Morig zu lefen, den ich heute durch Ihre gütige Bemühung erhalten babe, und empfehle mic Ihrem Heren Water gehorfamft,

Sellert,

*) (Der Brief vom 15. Zug. Ro. 240.)

248. Un biefelbe 2. b. 24. Aug. 1761.

Liebfte Mademoiſelle!

Benn ich auch noch fo tank bin, unb weber Wriefe leſen, noch weniger beantworten mag: fo darf body nur einer von Ihnen kommen, fo fange ih an zu Iefen, lefe ihn gern, wuͤnſche am Enbe, ihn beantworten zu fönnen, und lange oft bei diefem Bunſche fhon nach der Weder. Diefes wiederfährt mir auch bei dem, den ich hente, den 24. Xuguft, von Ihnen erhalte, Dan kann nicht aufrichtiger ſchreiben, als Sie ſchreiben, und ſchwer⸗ lich die Aufrichtigkeit mit fo viel Behutſamkeit und Beſcheiden— heit verbinden, ald Sie zu thun willen. Dank fey es Ihrem guten Derzen, das Ihren Verſtand ſtets infpirirt, und was er richtig und wahr denkt, immer nod wahrer und empfinds licher macht.

So viel für heute. Es ſchlaͤgt fünf Uhr, ba nehme ich Stu⸗ dentenbefuhe an, um mich meinem Amte nicht gang zu ents sieben; und es {ft beffer, ich fage einem jungen @tubenten etwag Ruͤdliches, als meiner Gorrefpondentin etwas Gewoͤhnliches.

Den 25. Auguſi.

Ich will fehen, ob ih Ihnen heute mehr fagen Tann, als geftern, ob ich gleich in der That Eränker bin, als geftern. Daf Ihnen mein Brief an ben Heren Hofrath Zerber fo wohl gefallen hat, dieſes beftärkt mich in der Meynung, daß er gut gewefen feyn müffe. Allein die Dankbarkeit ift auch natürlicher Weife die beredtefte Empfindung, und einem verbienftoollen Manne nachdrücklich banken, einem Wanne, deſſen Borforge und Ehre iſt, der uns aus eignem Antriebe ber Güte gebienet, ohne

unfer Wiffen und noch dazu glädtich gebienet hat, dieſes ift ſehr leicht. Denn man barf ihm nur alles dieſes, kurz zuſammen geogen, fagen, fo hat man ihm auf eine wahre und Eräftige Art gefagt, daß man den Werth feiner Wohlthat Eennet, und alfo auch dankbar ift, ober es doch gern feyn will, Im der That würde ich unzufrieden gewefen feyn, wenn Sie ben ger dachten Brief ungelefen fortgeihidt hätten, und biefes um befto mehr, ba Sie fagen, daß Herr Ferber ein Freund Ihres Haus fes if. Im diefer Ausficht hat Ihnen der Brief fogar wichtig ſeyn können.

Wegen meiner gutherzigen Gilfertigkeit, einen meiner Freunde mit Ihnen zu verforgen, haben Sie mich auf eine Art befhämt, die id) fühle und die mir doch nicht weh tHut.*) Vermuthlich

°) (Die Stele in dem Briefe der Dem. Luchub, v. 22. Aug. No. 23. bed von Gbert heraudg. Beiefiwechfeld, Lautet fo: „‚Eenn ich hoffen bürfte, daß Sie mir nad Ihrer großen Guͤtigkeit einen voriwigigen Einfall verzeihen Eönnten: fo wollte id} mir die Frepheit nehmen, Sie zu fragen, wie es angeht, daß Gie glauben Tonnen, daß man wohl irgend einen Breund von Ih- nen gut mit mie verforgen würde, da id) doch nicht fo glüd- lid) bin, Ihnen weiter ald nad) meinen Briefen betannt zu feyn. Und biefe beiveifen noch eben nicht viel; denn Bann ich mid nicht verftellen und beffer ſcheinen, als id bin? Ja, Tiebfter Here Profeffor, dies ift eine Sache, die in meinem eignen Kopfe noch nicht entſchieden iſt, und ich frage mich unzaͤhligemal felbft, ob ich auch allemal fo handle, wie ic denke und rede; und wenn id) aufrichtig fepn will, fo muß ichs Ihnen geftehen, da id) nit felten bei meiner Unterfuhung befhämt werde. Al- lein gefegt, daß von Seiten meiner Gemhthöart alle feine Ri- tigteit hätte: fo tennen Sie dod) meine Gitten nit, ob id mürrifd) oder gefällig, ungefhidt oder manierlih, zu ges gwungen ober zu frey in meinem Umgange bin. Unb was id im Uebrigen für eine Bigur vorftelle, das Können Sie ganz und gar nicht auß meinen Briefen errathen. Dan ann, wie Gie woiffen, gut denken, gut freiben, und dabep budficht, Tapım, auf einem Auge blinb, ober fonft abſcheulich Häplie, fepn.”

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find einige Ihrer Einwendungen bie Urſache gewefen, warum ich die Tractaten, die ich zu Ihrer Verbindung aufgefeget, zu⸗ rüdbehalten habe. Indeſſen wollte ich doch jedem meiner Freunde für IHren Charakter gut fagen, ohne Sie erft durch einen pers fönlihen Umgang mehr Eennen zu lernen. Eben das edle Miß—⸗ trauen gegen fich felbft, dad Sie mir bey biefer Gelegenheit und in andern Briefen zu erkennen geben, ift mir Buͤrge, daß Sie mir und fi das find, was Sie fcheinen, und daß Gie mit Wiffen nicht befler ſcheinen wollen, als Sie find. So gut, meine liebe Freundin, als wir feyn follen, find wir niemals, und alfo werben wir ung zeitlebens Wortürfe machen Zönnen; aber ſich aufrichtig beftreben, feine Fehler zu kennen und zu verbeffern und im Guten zu wachſen, das muß und wieber mit ung felbft ausföhnen, und eben biefes ift unfre wahre Weisheit, unfre tägliche Pfliht, und alfo auch unfer tägliches Verdienſt. Wenn Sie einen guten Mann befommen, fo iſts nach meinen Gedan—⸗ Ten unmöglich, daß Sie nicht auch eine fehr gute Frau feyn follten; gefegt daß Sie auch verſchiedene Fehler des Raturells mit zu ihm bräcten, die er nicht Zennte; unb wer bringt von beiden Seiten nicht ſolche Behler mit? Eine Perfon, bie Vers ſtand und Religion hat, und bie liebt; o die kann alles über ſich durch Hülfe der Uebung und der Zeit ausrichten. Indeffen will ich mirs nie wieder einfallen Laffen, einen meiner Freunde eher mit Ihnen zu verforgen, als bis Sie ihn menigftens zehnmal gefehen haben unb er Sie auch fo vielmal. Sie Eönnen alfo lange für neuen Anfällen von meiner Gutherzigkeit fiher feyn. Cs geht nicht mit dem Schreiben. Laffen Sie mich ſchließen, und Ihnen für Ihren langen und mir fo angenehmen Brief aufrichz tigft danken, Gellert.

P. 8. Es folgt ſchon wieder ein Brief an den Grafen

Moritz; wenn ich nur nicht bie Güte Ihres Papa’s miß—

brauche. Unfer Briefwechfel, Liebe Mabemoifelle, wird, wie ich fehe, weitläuftig. Ich hebe Ihre Briefe auf, und wenn Sie die meinigen auch aufheben, fo werbe ih mir über lang ober kurz eine Abfchrift von denfelben ausbitten: theils, baß ich fehe, was ich Ihnen gefchrieben habe, theils, daß ich bie Ihrigen placiren Tann; benn ift Liegen fie noch unter den andern Bries fen meiner Freunde ohne alle Ordnung. Den 28. Auguft. Leis der fchretbe ich an einem Briefe von drey Beiten igt immer auch fo viel Tage, weil id auf einmal nicht viel fchreiben Tann und aud nicht foll. ®

224. An biefelbe

8. 6.16. u. 17. Gept; 1761.

Liebfte Freundin !

Das waren harte Tage, fehr fehwere, harte Tage! Aber dieſe kurze Klage fey auch meine ganze Klage; denn was ift das für ein Chriſt, der nicht im Leiden Geduld beweifen und lernen will; er, der auch im Elende Gott noch preifen fol? O wie befhämt warb ich, liebſte Freundin, als ich vorigen Sonntag traurig und niebergefchlagen in die Kirche trat, und bey dem Eintritte das Lied von ben Schülern mir entgegen fingen hörte: D Herr mein Gott, burd den ich bin und lebe, gieb, daß ih mid ſtets deinem Rath ergebe zc.*) Bift du der Menfch, dachte ich, ber dieſes Lied gemacht hat, und feine Kraft nicht im Herzen hat? So dachte ich, und fieng an, bits terlich zu weinen, und um Muth und Freubigkeit zu beten und

*) (8. 1, @. 491.)

zu lämpfen. Heute, Mittwochs, will ich biefen Muth in dieſem meinen Briefe an Sie zu bemeifen fuchen, nicht Magen, fons dern Gott banken, der alles, alles wohl macht, und Riemanden über Wermögen verſucht werden läßt. Wie, wenn ich fo krank wäre, daß ich auch biefen Srief nicht mehr fehreiben könnte; und das bin ich ja no nicht!

Getroſt alfo! Wir wiflen nit, was zu unferm Weften dies met; aber Gott weis es, unb Gott ifk die Liebe; aud wenn er uns züchtiget. Diefer Glaube muß unfer Zroft feyn. Es ift ja noch eine ganze Ewigkeit voll Seligkeit für uns übrig, bie wir glauben , und auf fein Wort hoffen, Diefe Betrachtungen fcheis nen freglich mehr ein Brief ober eine Rede an mich, als an Sie, zu ſeyn; aber ich weis doch, daß Sie ſolche Gedanken, Gedanken der Religion, fehägen und lieben, wo Sie fie auch immer finden, in dem Briefe des Freundes, ober im guten Buche. Der Ernſt der Religion hat die Eigenſchaft, daß er das Herz feeubig und getroft macht; und biefes wollen wir ja gern alle Tage unfers Lebens feyn.

Ihren letzten Brief*), meine gute Gorrefponbentin, habe ich wieder ſehr begierig gelefen. D ein großer Lobfpruc für Ihre Briefe, denn was iſt, das ich igt gern Läfe? (ein frommes Buch ausgenommen.)

Meine Briefe, wenn Sie mir die Wohlthat fie abzufchreiben, erweifen wollen, müflen Sie einzeln copiren, bamit id Ihre Antworten dazwiſchen legen Tann. Genug! genug! Gott gebe Shnen und Ihrem Haufe Gefundheit und alle Zufriedenheit. Ic bin mit wahrer Hochachtung

Ihr Freund und Diener Gellert,

*) (Mom 6. Sept: Briefw. Gs. mit Dem. Lucius, No. 25.)

Den 22. September.

Sie haben nichts verloren, daß mein Brief fo fpät abgeht. Einige ſchwere Zufälle ließen mid, feitbem ich ihn ‚gefchrieben, an nichts denken, als an die Pflichten gegen mich felbft. Heute, und bas ſey Bott im Himmel gedanket! genieße ich einige Er⸗ holung. Dies melde ih Ihnen und überfdhide Ihnen meinen Brief. Leben Sie wohl.

215. Earoline Lucind am Gellert. Dresden, d. 2. Oct. 1761.

Hochzuehrender Herr Profeffor!

Daß bie Befferung, die Sie an dem Tage zu empfinden ans gefangen, an welhem Sie mir Ihren legten ſchoͤnen Brief, einen Brief, ber mich gleich ſtark gerührt und erbaut hat, übers ſchickten, von Beſtaͤndigkeit geweſen ſeyn möge, das wünſche ich nicht allein von ganzem Herzen, ſondern ich hoffe es auch zugleich ſo ſehr, (denn wie leicht hofft man nicht, was man fehnlich wuͤnſcht? und wie gegruͤndet hofft man es nicht, wenn man Gott, ber und alles gewähren kann, was er für gut fins det, ernflih und in der Orbnung, in der man bitten fo, darum gebeten hat?) daß ichs igt wage, an Sie zu ſchreiben, um fo vielmehr, da der eingefchloflene Brief, den bie Poſt heute mitgebracht, unb den mir mein Water, ber fi) Ihnen gehorfamft empfiehlt, zur Beflellung gegeben hat, mir zur Ents ſchuldigung dienen Tann, wie er denn auch wirklich meine Ver— anlaffung ift.

Ihre Gedanken, Liebfter Herr Profeffor, fhäge und Liebe

J

ih allemal; aber bie Gedanken in Ihrem letten Briefe würbe ich ſchaͤten und lieben, auch wenn ich nicht wüßte, wer ihn ges ſchrieben hätte, und bie Abfchilberung, die Sie mir von bem Zuftande Ihres Gemüths beym Cintritte in die Kirche und von ben Empfindungen-machen, bie Ihr Lieb in Ihnen erregt, has ben mid; unausſprechlich gerührt. Mein Gott! dachte id, warum genießen fo viele das Glüd der Geſundheit, bie es nicht ſchatzen, dich nicht dafür loben und es nicht zu beiner Ehre und nad deinem Willen gebrauchen? Und einem Manne, ben bu liebſt, der ben Werth dieſer Wohlthat zu fchägen wüßte, ber dich dafür loben und fie zu dem Endzwecke, zu weldem bu fie erseigft, anwenden würde, bem verfagfi du fie? Aber war das nicht verwegen, befter Her Profeffor? Sie find froͤmmer, als ih; &ie denken gewiß nicht fo. Ich fah es nicht ſogleich ein; fonft hätte ichs gewiß auch niemald gedacht. Wie leicht Tann man fehlen! und wie viel Worfichtigkeit ift nöthig, auch bey den beften, unfchulbigften Regungen! War ed nicht, als ob ich mich für weifer und billiger, als unfern Gott, hielte, ber body allein weis, was zu unferm Beſten bienet, und ber bie Liebe iſt; ‚ober ald ob ich glaubte, er handele nach bloßem Gigenfinne mit und Menſchen? Wieviel Dank weiß ichs nicht Ihren nach⸗ folgenden Gedanken, bie mid wieder zurecht braten, unb es mir empfindlich machten, wie heilfam und tröfllich es ſey, ſich Gott in feiner Siebe, Weisheit und Allmacht zu denken, diefen drey Gigenfchaften, nach welchen er unfer Gluͤck will, was dazu dienet, Tennt, und ein uneingefchränktes Wermögen befigt, es uns zu verfchaffen! Eine ganze Ewigkeit und Seligkeit wartet unfer! Dort alfo, nicht hier, wird das Gute belohnt. Hier iſt lauter Prüfung. Glüd und Unglüd, Luft und Gchmerz find einerley, find beibes Prüfungen; nur unfer Werhalten babei ents ſcheidet unfern Zuftand, und macht denfelben glücklich ober uns glũctlich; und wer weis, obs nicht gefährlicher ift, durch Gluͤck

unb ®reube gepräft zu werben. Menigftens wird mehr Gtärke bes @eiftes bazu erfordert, fich wohl dabei aufzuführen. Es mag wohi feiten geſchehen, daß wir @läd und Freuden für das hats ten, was fie find, nehmlich für Prüfungen. Sie fchmeicheln unfern Empfindungen zu fehr, bemächtigen ſich unſers Herzens, laffen uns nicht bie gehörige Freyheit nachzudenken, und befigen uns, anftatt daß wir fie befigen follten. Wir betrachten fie als biuige Belohnungen, genießen derfelben in Gicherheit, unb vers geſſen darüber, auf unfrer Huth zu ſeyn. Bey Widerwärtigkeis ten im Gegenteile hört die Zerſtreuung auf. Sie laſſen und mehr in unfrer eignen Gewalt, unterrichten uns von ber Unbes fändigteit und Unzulänglichteit irdiſcher Glädfeligkeiten, und die Entbehrung des Wergnägens und ber Zufriedenheit treibt uns an, nad) etwas zu ftreben, das und fchablos halten könne, und wefentlicher und befländiger, als jene, fey; und wo fänben wir das fonft, als in Bott und in ber Ausübung des Guten? Denn diefe allein giebt Freubigkeit zu ihm, und wir wiffen wohl, baf wie ohne diefelbs und eine Rechnung auf feinen Beiftand und feine Hülfe machen Tonnen. - Ich weis ‚nicht, hochzuehrender ‚Herr Profeffor, ob ich richtig unterſcheide; aber ich bin ſchon feit langer Beit hiervon überzeugt, und pielleicht iſt dieſe Webers geugung nöthig, um folde, bie hier wenig Gläd haben, gegen die Verfündigung des Murrens und ber Unzufriedenheit zu bes wahren. Denn wenn id annehme, baß alles Prüfungen find, und baß es ficherer für uns ift, durch Unglüd, als buch GLäd, geprüft au werden: fo muß fogar, wenn ich mein Beſtes Liebe, meine Vernunft mid hindern, Meinmüthig ober unzufrieden zu feyn, zumal ba bas Leben fo kurz, und am Ende deſſelben, bad man ſich ja zu feinem Troſte, auch zw feiner Ermunterung, immer als febr nahe vorftellen kann, nicht bas geringfte daran gelegen ift, ob es glädtich oder unglüdlic gewefen, fondern ob es in beiben Zällen wohl ober übel geführet worden Ic) halte

mich wohl, mein lieber Here Prafeflor, zu lange bey Sachen auf, von, weldhen Sie weit beffer zu reden wiſſen; aber bie Das terie, auf die Sie mich gebracht haben, gefällt mir, id) lerne gern von Ihnen, vebe mit Ihnen gern bavon, und es ift na= tüxlih, dag ich mich freue, wenn id) bedenke, daß wir duch Bottes Gnade fo felig find, daß nichts, nichts uns begegnen Tann, ‚das im eigentlichen Verſtande ein Unglüd für uns wäre, ober bad wir nicht, durch unfer Wohlverhalten dabei, in einen wahren Gegen verwandeln konnten, deſſen wir noch in alle Ewigkeit genießen follen; denn wir haben ja bie Verheißung, daß Gebulb, Grgebung und Unterwerfung im Leiden und im Himmel wohl belohnt foll werben. Freylich find diefe Tugenden unfere Pflicht, aber Gott ift fo gütig, daß er fie uns zum Bere bienft anrechnen und uns dafür belohnen will, Je mehr er und alfo Leiden zufict, deſto mehr Gelegenheit giebt er uns, biefe Zugenden auszuüben, und je größere Belohnungen haben wir gu erwarten, unb dieß ift ein großer Troft,

Die Abfchriften von Ihren Briefen, Liebfter Herr Profeffor, find größtentheils fertig, und ich werbe bald Gelegenheit nehmen, fie Innen zu überfchicen. Leben Sie unterbeffen recht wohl, Ich habe die Ehre zu ſeyn

Oochzuehrender Herr Profeffor! Ihre gehorfamfte Dienerin ©. 6, Lucius,

216. An Earoline Lucius

e. d. 7, Oct. 1761, Allerdings, liebfte Freundin, find Glüͤck und Unglüd, frohe und traurige Begegniffe, Prüfungen, bey denen wir unfern Ges Gellert V. 28

[

horſam gegen Gott üben follen, und in Anfehung ber gläckidhen Zage, die wir indgemein fo zu nennen pflegen, mag es wohl fehr wahr ſeyn, daß fie fehiverer zu tragen find, als die trauris gen. Die Tugenden, zu melden und die Tage de Glücks vers binden, ich meyne bie Mäßigung in dem Genuffe der Freuden des Lebens, Dankbarkeit und Demuth gegen die unverbienten göttlichen Wohlthaten, Bertrauen auf bie fernere gnädige Bor, forge Botted, und Eifer, andere Menfchen auch, gleich uns, gtäcfid zu wiffen und gern glädlic zu machen, feinen leids tere und frohere Tugenden zu ſeyn, als bie Tugenden im Eienbe, als Gelaffenheit, Geduld und nöthige Ergebung in anhaltenden Wiberwärtigkeiten, bie Bott ſchictt ober zuläßt. Allein bie Ras ne eines ungeflörten @tüds, das bie Ginnlichkeit , bie Eigen- Hebe, ben Stolz unb Eeichtfinn unſers Herzens unvermerkt naͤhrt und ihm fehmeichelt, macht durch diefe heimlichen Feinde die Ausäbung der Pflichten des Gehorfamd in guten Tagen gemels niglich ſcwweter, als wir im Anfange denken. Wir erinnern uns zwar an biefe Tugenden, wir ſprechen von ihnen, loben fie, bewundern fie, beten um biefelben, und megnen, daß wir fie haben und ausäben, weil wir ihre Nothwendigkeit und Wortreffr lichkeit einfehen, und entfernen uns boch täglich mehr von ihnen, i6 wir enblid, durch ſichtbare Bergehungen aus dem Schlummer der guten Meynung von uns felbft erwachen. Jedoch, liebe Mademoffelle, wenn das Elend, das uns trifft, unverfchuldetes Elend ift, fo find bie böfen Tage für ein chriftliches Herz leich⸗ ter zu tragen, als es bie guten meiftens nicht find; und wenn fie auch nicht leichter zu tragen wären, fo find body bie Büdhtis gungen in Anfehung ihres heilſamen Einfluſſes auf das Slöck unfrer Seelen, wenn fie gebuldig überftanden find, unausfpreds lich große Wohlthaten, für die wir Gott, ber mit uns, ale kranken Seelen, verfahren muß, noch ewig banten werben, „Alle Bühtigung, fo lange fie da iſt, dünket fie und

nit Sreube zu feun; aber nahmals wird fie geben eine friedfame Frucht ber Gerechtigkeit, denen, die dadurd geübt find.” *) &o denkt ein Chriſt, und tröflet ſich Aber ach! haben wir nicht oft die meiften Leiden verbient, und wo wicht ſtets bie, bie und tueffen, boch andere unb oft härtere, die und nice treffen? Und wir Sinnen verlangen, daß es und tammerdar wohl gehen fol? Wie unbillig und begehrtich iſt ber Venſch! Und wie unglüdlich würbe er feyn, wenn ihm nichts wieberführe, ald was er wuͤnſcht! ·

Ich merke, daß ich Trank bin, Liebe Mabemoffelle, weil ich einen Gedanken, ben ich Ihnen in wenig Beilen hätte beantwors ten und getroft zugeben koͤnnen, fo weitläuftig umfchrieben habe. Aber das Vergnügen, mit Ihnen fo ernfthaft reden zu Bönnen, entſchuldigt einen Theil der Länge biefes Briefs, und heimlich mag id) ihn wohl wieder mehr an mich, als an Sie, gefchries ben Haben. Doch nun auch kein Wort weiter auf heute. Mors ‚gen beantworte ich vielleicht eine Stelle aus Ihrem Briefe, die mich angeht. Wenn ich ein Water wäre, unb meine Tochter Yätte diefen Brief gefchrieben, fo würde ich vor Freuden gewei— met haben; das weis ic gewiß. eben Sie wohl, befle Gorres fpondentin.

Den 8. October.

„Sie find frömmer, als ich“ fo fagen Gie, und id) glaube fiher, daß Sie es für wahr halten. Allein habe ich nicht eben bie Pflicht, fo günftig von Ihnen zu denken, als Sie von mir denken? unſtreitig! Ich erſchrecke, fo oft ich meine XZugend gelobt ‚finde, vermuthlich weil ich allemal an meine Zehler denke, ‚die andre Menſchen, denen ich fo gut vorkomme, nicht wiſſen ober fehen können. In ber That wid und darf ich Ihnen Ihre gute Meynung von mir nicht benehmen; aber bitten darf ich Sie wohl, daß Sie Ihre gute Meynung nicht immer

*) (@p. a. d. @br. 12, 11.)

FD

meinen Lobſpruch feyn latggen. Gin ſolches Geſtaͤndnißs ber Bes ſcheidenheit und Demuth (fo bachte ich, als ich bie angeführte Stelle Ihres Briefes Las), ein ſolches Geftänbnip kann biefes Frauenzimmer thun, und fie thut ed gewiß von Herzen. Iſt fie nun nicht eben deswegen beſſer, als bu? Würde es dich michte often, wenn du ihr eben dad fagen follteft? und gleichwohl fäht es dir gar nicht fehwer, ed zu denken und in Gedanken für wahr zu halten. Iſt fie alfo nicht befcheibener als du? Das Uebrige Ihres Briefe will ich nicht beantworten. Ich lefe Sie gern, wenn Sie munter fehreiben, ich Iefe Sie gern, wenn Sie ernſthaft fchreiben, und ich danke Ihnen freundfchaftlichft, daß Sie fo oft, und fo gern, und fo viel an mich fhreiben. Leben Sie flets wohl.

Den 8. October Nachmittags.

Schon wieber einen Brief von Ihnen, für ben ich Ihnen geſchwind danken muß, D wie fehr werde ich Ihe Schuldner! Sie Haben mir eigenhändige Abfchriften von allen meinen Brie— fen an Sie geihidt; das iſt fehe viel Freundſchaft! Nein, fo gütig wäre ich nicht, ich fage es Ihnen aufeichtig, und wenn Sie mid auch noch fo inftändig bäten. Aber deſto mehr wil ich mich Hemühen, unfern Briefwechfel, der nunmehr ſchon ein Jahr gebauert hat, fleißig zu unterhalten. Möchte ich ihn doch auch zu Ihrem wahren Vortheile unterhalten Tonnen! Wenig: ſtens müffen Sie mir bafür verbunden feyn, daß id Ihnen Ger legenheit zu fo viel guten Briefen gegeben, daß ich Sie durch meinen Beyfall ermuntert, und daß ich oft, wenn ich aus Krank⸗ heit anbern nicht geantwortet, doch Ihnen geantwortet habe. Den auf ben 21. October verfprocpenen °) Jahresbrief unfeer

°) (I einem Brief v. 5. Det: Briefw. Gs. mit Dem. Sur dus, No. 28.)

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Eorreſpondenz erwarte ich zuverfichttich, und bin mit alter Hochs achtung und Freundſchaft . Ihr ergebenfter Diener

Geiltert.

247. (68) Un Seren v Bofe

2%. d. 8. Det. 1761,

Ihr feommer Brief vom vierten October verbienet eine lange und geſchwinde Antwort, und je weniger ich bas erfte leiſten Tann, befto mehr will ich das andre beobachten, und Ihnen an eben bem Zage für Ihren Brief banken, an dem ich ihn erhatz ten. Leider habe ich über mein Glüd, über das Gie fich fo brüs derlich erfreun, wenig Freude; aber genug, wenn ich als eine unverbiente Wohlthat von Gott erkenne, und bie erhaltne Pens flon zu meinem und Andrer Beften forgfältig anzuwenden mid bemühe. Ich bin nod Frank, liebſter Bofe, das iſt gewiß. Indeffen will ich nicht Elagen, fondern Gott preifen, der auch die ſchwerſte Laft nie über unfer Vermögen fteigen läßt, und mit unfrer Schwachheit täglich Gebuld trägt, wenn nur unfer Herz aufrichtig if. Er gebe Ihnen und mir das Glück, das wir Beide nach unfern verfhiebnen Umftänden wünfdhen, und laffe Sie die Früchte einer frühen Gottfeligkeit in einem langen, zu— friednen und der Melt nüglichen Leben fehmeden. Erfahrung auf der Bahn der Tugend bringt Hoffnung, Hoffnung aber läßt nicht zu Schanden werben. Diefer Troſt muß Sie in den Tünfz tigen Gefahren defto muthiger machen, je glücklicher Sie durch Gott die Gefahren ber erften Jahre überflanden haben. Helfen Sie aus Dankbarkeit nun denen fort, bie biefen Weg ber Zus gend erft zurüc legen müflen, und werden Sie ihnen, fo wie

Sie koͤngen, Rat; und Hälfe und Benkpiel. Zu ihrer erhaltnen Dompernftele wünfche id Ihnen von Herzen läd. D ja, liebe fee Bofe, Ihr eben Hat fehr viel fihtbare Spuren ber gött⸗ chen Fürforge; und wie glüdlid find Ste, daß Gie diefelben fo dankbar bemerfen, und infonderheit diejenigen Wohithaten am meiften fhägen, die Andre oft am wenigften wahrnehmen, id) meyne bie geifttichen. Gott laſſe es Ihnen allezeit wohlgehn!

=. Gellert an feine Schwefter.

&. d. 9. Det. 1761. Gott Lob! Meine Umftände, fo kraͤnklich fie find, find doch immer noch erträglich. Wir follen fröhlich ſeyn in Hoffnung, gedutdig in Zrübfat und anhalten im Gebete. Diefes ift bie einzige Arzney bei allen Uebeln, bie der Chrift gebrauchen foll. Here Heinede hat mir gefagt, daß der alte Vater Meefe bei ihm wohnet; das iſt gut; und daß ihr mebft Eurem Sohm bey dem Stadtſchreiber wohnet, das höre ich aud gern, aus mehr als einer Urfache gern. Ich grüffe den Stabtichreiber herz: lich und ermuntre ihn zu allen feinen Pflichten. Ich habe 25 Thlr. und wieder 16 Thir. 8 Gr. Gontribution geben müſſen; baher werde ich mir diefen Winter auch Fein Kleid machen Laffen. Hier habt Ihr 1Thir. für Euch und 8 Gr. für Arme. Lebt woht, grüffet alle herzlihft und freunblichft, infondergelt den al: ten Bater Meefen. Gott flärke ihn und alle. Lebt wohl und

betet ferner für Euren Bruder G.

28. Caroline Lneins an Gellert.

Dresden d. 21. Det. 1761.

Hochzuehrender Herr Profeffor!

Heute ift, wie Sie wiflen, der Neujahrötag unfeer Corre⸗ foonbenz, und ich fege mich mieber, Ihnen einen Brief zu ſchrei ben, wie ich Ihnen verſprochen und Sie mic erlaubt haben, und dieſes thue ich mit einer deſto größern Empfindung von dankba⸗ rem Vergnügen, da Ihr vortrefflicher Brief vor mir, mir ein neuer, größter Beweis von ber Bütigkeit ift, mit welder Sie von mir denken, und eben deswegen auch eine flarke, nachdrück⸗ liche Aufmunterung, nichts zu unterlaffen, was mic Ihres großmüthigen Werfprechens, den Briefwechſel mit mir noch fers ner zu unterhalten, würbiger machen Tönnte, unb alles zu vers meiden, was bie Erfüllung Ihres noch großmäthigern Wun— fürs, ihn zu meinem wahren Vortheile unterhalten zu koͤnnen, verhindern würde; denn biefee Wunſch wird gewiß (erfüllet wers den, fo lange ich nicht von bem, was Sie mir fchreiben, aus einer undantbaren, leichtfinnigen Unachtſamkeit vergeffe, ober wir etwas ingeheim verzeige ober nachſehe, was ich mir unter Ihrer Auffibt und vor Ipren Augen nicht erlauben würde.

Sehr wohl bin ih mit mir zufrieden, ih muß es Ihnen nur geftehen, und ich barf es doch auch wohl fegn? daß ich Ihe men nunmehr ein Jahr lang fo zu fchreiben gewußt, daß Sie bie Zeit, bie Sie angewendet, mir zu antworten, nicht für vers loren achten, Mochte ich Ihnen doc Eünftig und ich will hoffen, daß ichs Eönnen werbe wenigftens Urſache zu fo viel Bufriebengeit über mich geben, daß fie Ihnen die Mühe belohnt, bie Sie auf Ihre Briefe an mid) wenden; denn bie Gütigkeit, aus welder Gie mir fie ſchreiben, nur auf irgend bie geringfie

Weiſe zu erfegen, biefes fühle ich zu ſehr, daß ichs nicht kann. Sie mein Schulbner? Nein, liebfter Herr Profeffor, ich weis zu gut, wofür ich Ihnen verbunden ſeyn muß. Ich will gern VZIhre Schulbnerin feyn. Es if mir Freude und Ruhm. Ih würde weniger froh, weniger glücklich feyn, wenn ich weniger Ihre Schulbnerin wäre, und dennoch find Sie unter allen Men- ſchen der Einzige, gegen ben ich die Verbindlichkeit zu haben wünfdte, bie ich gegen Sie habe. Mein Bater hat über meinen und über Ihren Brief geweint, und es fehlt wenig, daß ich nicht über Ihre Gütigkeit weine. Wie rährend ift ber Lobfpruch, ben &ie meinem Brief ertheilen! „Wenn Sie ein Bater wä— ven‘ Wie viel Freuden würden da Ihre feyn! Wie gut, wie liebenswůrdig müßte Ihre Tochter ſeyn! Sie wäre (bad weis ich gewis, Sie hättens erlaubt) meine Gorrefponbentin und Freundin geworben. Wie würden wir und unter Ihrer Aufficht, Eine die Andre, geliebt, vergnägt und ermuntert haben! 3% Tann mir nicht Helfen, befter Herr Profeffor, ich muß es Ihnen noch einmal wieberholen: &ie find doch frömmer, als id, unb dieſes will ich Ihnen gleich beweifen. Es kam mir ſehr leicht, ſehr natürlich vor, Ihnen offenderzig, ohne Kränkung meiner Gigenliebe, nach meiner Ueberzeugung zu fagen, daß Sie feömmer find, als ich. Hätte ich aber eine Wiberfegung bey mir empfunden, biefes, ungeachtet meiner innerlichen Weberzeus gung, zu thun: fo weis ich nicht, ob ich mich würde Haben überwinden koͤnnen, Ihnen biefe Widerfegung zu geftehen. . Und gleichwohl fagen Sie mir etwas von der Art, fo gütig, fo uns geswungen, fo ebel Ich will Ihnen nicht einmal fagen, wie viel Zugend ich in diefem Xheile Ihres Wriefs finde, und wie groß Sie mir vorkommen Gewiß, Sie können nichts tun ober fagen , bad mich nicht in meiner guten Meynung bes flärken follte. Noch weniger koͤnnen Sie mir diefelbe benehmen. Diefes ift weder in Ihrer noch in eines Menfchen Gewalt. Und

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gefeht, es wüßte es jemand möglich gu machen, fo wäre biefes der ärgfte Werbruß, den man mic anthun Zönnte; denn ich fühle die allerangenehmfte Zufriedenheit; Sie als den Mann zu bens ten, ben bie Welt in Ehren Hält, den bie Rechtſchaffenen lieben, ben auch bie Hohfhägen, bie es nicht find. Und wenn Sie fi) hierbey an den Namen meines Freundes ers innern, den Sie fih nie werde ichs Ihnen verbanten Eönnen felbft gegeben: fo wird es Ihnen nicht ſchwer fallen, biefe Empfindung zu erflären. Thun Cie mir, ich bitte Sie, liebe fer Here Profeflor, thun Sie mir Beinen Zwang an in demjer nigen, was ic von Ihnen fage. Soll ich denn nicht reden, wie id) denke? Dazu werde ichs nimmermehr bringen. Reine Ger banken überrafchen mich; ich ſchreibe fie Ihnen hin, wie ich fie Ihnen fagen würde, unb mein größtes Wergnügen beym Gchreis den befleht mit darinnen, baß ich mir einbilde, daß meine Aufz richtigkeit Ihnen gefällt. Ja, wie ich fagte: Sie find feömmer, als ich (und Hier verbiene ich wohl getadelt zu werden), fo fiel es mir nicht einmal ein, daß es eine Pflicht giebt, die mir ber fiehlt, fo zu denken. Ich dachte e& blos, weil e# fo it, und fagte es Ihnen, weil ichs dachte, ohne bie geringfte andre Abs fiht. Soviel, hochzuehrender Herr Profeffor, will ich Ihnen ins deſſen doch verſprechen, daß ich niemals in ber Abficht, Ihnen einen Lobſpruch zu halten, ſo von Ihnen ſprechen will, wie ich denke, zugleich aber kann ich Ihnen auch verſichern, daß ich meine Meynung von Ihnen niemals zu Ihrem Lobſpruche habe machen wollen. Ich halte meine Meinung zwar wird fie hier von bem urthelie der Melt unteeftägt aber doch halte ich fie für fo wichtig nicht, daß ich glauben follte, ich könnte &ie damit Toben. Sie aber können mich loben, das fühle ich, und ich Tann nicht glauben, daß es Gitelkeit ift, wenn ich ganz und gar nicht gleichgültig dabey bin. „Ein Lob, aus dem Wunde bes veblihen Mannes = = von ben Lippen bed Ghriften

nverkänbigt s = wie berubigenb if biefer Weyfal! Dieſer Eofıs nbare Bepfall, ber eigentlich von Bott mir zuerlannt, und von nfeinem Berehrer mir nur außgetpeilt wird” ber follte mei⸗ mem Herzen nicht Aufmunterung und Belohnung ſeyn? Def ein Merkel fo denkt und empfindet, und ich und Andre, bie ihn lefen, es ihm nachdenken und nadempfinden koͤnnen, haben wir diefes wicht auch, wenigftens zum Theil, einem Gellert zu danken? Welh Glück für mich, Ihre Freundſchaft erlangt zu Haben? Sie fhon ein Jahr zu befigen, und verfichert zu ſeyn, daß ich fie nie (ed müßte denn durch meine Schuld geſche— den, und dafür will ich mich durch Gottes Hülfe hüten) verlies sen werbe! Beſtes, großmütbigftes Geſchenk! Ich Tenne feinen ganzen Werth, fühle die ganze Gtärke der Verbindlichkeiten, die es mit auflegt, gut und tugenbhaft zu ſeyn. Gehen Sie, liebe fer Here Profeſſor, dieß, (ich meine die Glüͤcſeligkeit, einen Freund zu befigen, wie Sie mir find,) bieß ift eine unſchädliche Art von irdiſcher Glüdfeligkeit, die man mit völliger Sicher: heit, ohme Gefahr geniefen kann, unb bey der man eben um deswillen mehr glüdlicy als bey andern iſt. Doc die Ewigkeit gewinnt allemal ihre Sache ganz. Wäre das Glück ber Freund- feaft eine blos irdiſche und alfo endlidhe Glüdfeligkeit, fo würde fie viel verlieren, und kaum ben Namen verdienen. Es würde für unfere Ruhe gefährlich ſeyn, fich derfeiben zu fehr umd zu fiber zu überlaffen, und die Jurcht vor der Vernichtung unfrer Gluͤcſeligkeit, zu welcher ein jeder Augenblid bevollmaͤchtigt ſeya Tann, würde und alle Säpigteit des Genuffes rauben. Allein wie find beffer unterrichtet. Wir willen, baß die Freundſchaft, eine Gluͤckſeligkeit für den Geiſt, gleich. ihm unfterblih, nur hier ihren Anfang nimmt, um ewig mit ihm im unendlich grös derer Wolllommenpeit fortzubauern. Ich frewe mic auf alles, was ich auch hierinnen in ber Gwigkeit gewinmen fol. Sie fer ben, mit Ihnen fprechen, ober ingend eine fromme Pflicht ges

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meinſchaftlich mit Ihnen ausüben, wie ich dort thun werde, ohne Furcht, Sie wieder zu verlieren, biefes ift ein @läd, das ich vielleicht hier immer werde entbehren müffen, bas mir aber aufbeheiten if. D wenn man am alles biefes gebäckte, fo würbe man bie Freundſchaft allemal anwenden, wozu fie gegeben ift, amd nicht fo traurig ſeyn, wenn unfre Freunde uns verlaffen, ‚ober wir fie verlaflen müflen. Ich habe auch Breunde, die mir ſehr Heb waren, durch den Tod aus dem Geſichte (nicht aus dem Hergen) verloren; aber ih bin nicht mehr betrübt barüber. 34 weis, baß fie mich noch lieben, daß ich fie wieber finden and eine ganze Ewigkeit mit ihnen zubringen foll.

If denn Niemand da, ber mic befiehit aufzuhören? Ich bin dom fehr unbebachtfam. Ich werde es noch fo weit treiben, bag Sie meiner überbrüßig werden! Wenigſtens müflen Sie mic für außerorbentlih gefhwägig halten. Aber Sie wiflen wohl, daß Sie ſich bey mir bedankt haben; und wofür? Das für, daß ich fo oft, und fo gern, und fo viel an Sie ſchreibe. Aber ſchon die fiebente Seite

Nein, das war wohl Ihre Meinung nicht. Leben Sie wohl, ſtets wohl, Liebfter ‚Here Profeflor, und verzeihen Sie nur heute

es iſt Reujahrstag Iprer B geborfamften Dienerin ©. 6. Lucius.

250. An Garoline Eneins. e. d, 30. Dct. 1761.

Liebfle Gorrefponbentin! As mir der Abt Jeruſalem, ben ich vor einigen Jahren befuchte, feine ſeht guten Kinder geigte, fragte ich ihn, weiches

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ihm das liebſte wäre. Das weis ic ſelbſt nicht, gab er mir gar Antwort; das Raͤchſte ift mic ſtets bas Liebfte. Eben fo muß ich mie antworten, wenn ich mich frage, welcher mir uns ter Ihren Briefen ber liebfte iſt; allemal ber Raͤchſte; Heute der Beste und in acht Tagen wieder der Letzte. Hätte ich eine Tode ter, fo follte fie allerdings wöchentlich Briefe mit Ihnen wech- feln, und fie wärbe es, wenn fie Gefjmad und ein gutes Her befäße, fo gern, als ihr Water, thun, fi oft mit mir über Ihre Freundſchaft erfreuen und Ihnen heimlich alles das Gute ſchreiben, was ich von Ihnen denke, und was id Ihnen wünfee. Aber, liebe Mademoifelle, Fönnte ich nicht auch einen Sohn has ben, einen erwachfenen Sohn, ber einige von ben guten Eigen ſchaften eines Grandifon’s befäpe, ber eines Bartlett’s würdig, und feines Waters Freude wäre? Wenn ich num fo er nen Sohn hätte, follte biefer nicht auch Briefe mit Ihnen wech⸗ feln dürfen, fo wie @randifon mit ber Byron? Und wenn er num bas einige Zeit gethan hätte, ohne Sie, wie ich, von Perſon zu Eennen, und er bäte mid, mit ihm nad Dresben zu veifen, bücfte ih ihn da wohl mitnehmen? Wenn er nun end: lich auf der Rückreiſe ganz tieffinnig neben mic in der Kutſche fäße, und zu mir fagte: „Liebſter Papa, das ift ein fehr liebens- „würdiges Brauenzimmer. Diefe wünfcte ih mir wohl, unb „daß ich ihren lieben Eltern gefiel. Sie hat Verſtand, ein frommes gute® Gerz, und wie Sie mir felbft gefagt haben, fo „viel gute weibliche Eigenfhaften und Tugenden —“ Wenn er nun biefes fagte, und ich mit diefem meinem Sohne mitten auf ber Straße wieder umkehrte, und gu Ihnen kaͤme, würben Gie über unfre Zurückunft erfchreden, ober fie heimlich billigen ? Ein füßer Traum für mih! und o wie rührend würde er mie erſt ſeyn, wenn id ihn, als Water, bächte und zur Wahrheit und zum Glüde für einen guten Bohn und eine gute Tochter machen Zönnte! Aber auch ohne dieſe Feffeln der Verwandtſchaft

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will / ich Ihe eben fo gewiſſer und aufeichtiger Freund feyn, und, wie ich mit Ihnen fiher Hoffe, nicht bloß auf diefes kurze Bes ben. Indeſſen Hoffe ich, Sie auch in biefer Welt noch gewiß zu foreden, wenn mir Gott das Leben friftet, und uns Frieden ſchentt. Leben Sie wohl mit Ihrem ganzen lieben Haufe; und ich weis e6 ficher, es wird Ihnen wohlgehen.

Gellert.

251. Au biefelbe

2. d. 10, Rov. 1761. Liebfte Mabemoifelle! ie heben fogar meine Gouverte auf? Das ift nun freilich eine Liebe für meine Briefe, über die ich ein wenig gelacht habe; aber ich ſchaͤmte mich doch zugleich, daß ich nicht alle meine Gonverte eigenhändig Überfhrieben, und ich verſpreche Ihnen von diefer Stunde an, daß Herr Goͤdicke, wenn ich auch noch fo viel zu thun hätte und wenn auch zehn Beſuche um mich her⸗ um fäßen, dennoch niemals mehr mein Secretair feyn, fonbern daß jedes Gouvert, ich müßte denn fehr trank ſeyn, von mir feLbR ſou überfeprieben werden. In der Heinen Streitfrage, bey der Ele mic zum Richter aufwerfen*), wird der gute la Bruyere wohl ziemlich Recht -

’) (Die Stelle in dem Wriefe ber Dem. Buciud d. 7. Ron, Beiefv. Gellertd mit Dem, Eudus No. 32 lautet fo: „Und hier erlauben Sie mir, ie um Ihre Gedanken von ber Serundfäjaft zwifihen jungen Perfonen beiberiey Geföleits, bie an Teine nähere Wereinigung benten, zu Bitten. (8 giebt Beute, die DiefeXet von Verbindung fir fGledterbings unmöglich Hals

Saben. Ic felik befücähte, daß ſich bey ber Freundſchaſt unter Perfonen beyderley Seſchlechts nur gar zu Öfters etwas, ber Liebe ähnliches, mit einmifcher,- ohme daß wir es wiſſen und benken, und ohne baf wir es wollen umb wünfchen. Bielleicht häten wir und aud), wenn wir e& merken, e6 zu wiffen, daß wir6 ges merkt haben; aus Furcht, zu verlieren. Werben Sie indeffen nicht unruhig, liebe Mademoifelle, daß ich nicht ganz Ihrer Meynung bin. Sie haben dennoch Recht, und ich habe auch Recht und la Bruyere auch. Man redet in ſolchen allgemeis nen Ausfprüden nur von bem, was oft und in vielen Faͤllen nicht von dem, was ſtets und in jedem einzelnen Falle geſchieht. Es kann Freundſchaften umter beyderley Geſchlechten geben, bie nichts von ded natürlichen Neigung bed einen Geſchlechts gegen das anbre an ſich nehmen; auch bey unverehelihten und jungen Yerfonen, ſowohl auf einer Geite, als auf beiden Geiten. Das gebe ich gern zu, und ich wärbe mich Tränen, wenn es nict wahr wäre. Ach ja, im Anfange der Freundſchaft Bann es bloße Freundſchaft ſeyn; es kann heute, es kann morgen, «6 Bann ein Jahr, gwey Jahre, umb noch länger wahr ſeyn, baß ich bies Seeumd bin, und in kurzer Zeit Bann durch ben Dienft des ums gangs und buch bie erlaubten Gefälligkeiten der- Freundſchaſt

ten. 3% fehe nicht' ein, warum? Andere Haben ſeltſame Mepr

nungen davon, und man bat mir einmal etwaß gefagt, dad der

Here be la Brupdre davon foll geideieben haben, bas ih

aber für falfe; Halte, Der Gedanke iR diefer: „L’amitiö peut

„subsister entre des gens de differens sexes, eXempte mäme

»de gronslöret6. Une femme nöansmolns rogarde teujours um

„homme comme un homme, et reciproquemept un homme re-

»„Surde une fenıme comme wme femme. Cette lsison n'est al

al amltid pure, alle fait une clesse A part.“ 34 halte es der Neugierigkeit werth, zu wiſſen, ob fichs alfo vers —A— urn ed u. er wo ar dexiegt werden Khane.“) ® u

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aus biefer Wahrheit eine Unmwahrheit, aus dem Freunde halb Freund, Halb Liebhaber werden, ober auch aus der Freundin, ober auch aus beiden zugleich. Aber was biöputire ich wider Sie? Ich weis Jahre aus meinem eignen Leben, wo ich mid fiber erinnere, daß Sie Recht haben; aber ich weis auch Perior den, wenigſtens kurze, wo Sie nicht ganz Recht hatten. Genug, je unſchuldiger und frömmer beide Perfonen find, deſto eher wird ihre Freundſchaft bloße Freundſchaft bleiben, und defto leich⸗ ter werben fie die geheime Stimme ber Liebe verhören. Indeſſen bin ich voͤllig überzeugt, wenn es auf Gründe und Beredſamkeit antäme, fo würden &ie, Mabemoifelle, in bem Gtreite mit dem la Bruydre gewiß gewinnen, und biefes um defto eher, je⸗ mehr Sie Ihr eignes freunbfchaftlicyes Herz in biefem Zalle un- terftägen würde. Nach ber gemeinften Erfahrung hingegen gu wetheilen, bärften Sie wohl verlieren, und zwey Autoren einmal gegen ein Frauenzimmer Recht behalten.

Dem 11. November.

Bis hieher ſchrieb ih gefteen, um mid von meinen Schul⸗ arbeiten zu erholen, und it, ba meine Zuhörer alle fort find, will ich zur Erholung noch einige Augenblicke mit meiner Zuhörer rin reden, bie, nach ihren Briefen zu urtheilen, die meiften meis ner Zuhörer an Geſchmack übertrifft. Ich weis nicht, welchem alten Phitofophen einmal alle Zuhörer davon liefen, bis auf Eis nen. Zu bdiefem fagte er: Tu mihi solus amplum theatram! und las immer fort. Erſchrecken Sie nicht über biefe lateiniſchen Worte, Ihr Papa wird te auf fein Gewiſſen verfihern, bag fie Ihnen nicht nachtheilig find; und warum fol ich die frangds ſiſche Stelle in Ihrem letzten Briefe nicht mit siner Tateinifchen im Borbepgehen vergelten? Sie erwarten vermuthlich eine Heine Differtation übee die Poefle des Herrn Uz, ber in ber That ein ſehr harmoniſcher Poet und einer unfrer beften Dichter ift (feine

freyen Gtellen ausgenommen), und über bie Gchreibart des Herrn Wieland, bie fi der engliſchen Poefie ſehr nähert, und fi ihr vieleicht oft weniger nähern Zönnte, um für bie deut⸗ ſchen Zefer noch fchöner zu feyn; Sie erwarten, fage ich, durch den Echluß Ihres Brief") dazu berechtiget, vermuthlich biefe Heine Differtation, da ich Sie noch dazu meine Zuhörerin ges nannt und gethan habe, als ob ich fortbociten wollte; allein &ie irren ſich ſehr, meine Liebe Gorrefponbentin. Anfangs, ba ich das Collegium gefchloffen hatte und mich gefchwind an mein Pult fegte, mag es wohl mein Einfall gewefen ſeyn, itzt aber, da ich ſchon eine Seite gefchrieben habe, ift er es nicht mehr, Gnöti, bin ih, offenherzig zu reben, nicht ber beſte Kichter, und die Poefie und ihr Verbienft wird mir alle Tage fremder, und warum fage ich nicht, gleichgültiger? Young fpricht ein mal in einem Briefe (ex vebet die Autoren an): Um gut zu ſchreiben, verbrennet die Hälfte eurer Bibliothek, und ih, um gut zu lefen, dürfte mit meinen wenigen Büchern beynahe auch fo etwas wagen, benn Jahre und Krankheit mas chen mich fehr eigenfinnig in ber Lectäre, und in ber Kritik vieleicht nicht felten hart und wohl gar ungerecht. Ueberhaupt zu veben Lobe ich weit lieber, als daß ich table, und Uzen und Wielanden zu loben, ift Pflicht; aber darum kann uns der eine wohl befler gefallen als der andre, und dieſes ohne Nach- theil des guten Gefhmads. Das heißt recht, [reiben um fid zu erholen. Run weis id doch, daß Gie mic die Be quemlichfeit meines Briefs vergeben, ben ich fortfegen würde, wenn nicht mein Bruber biefen Abend feinen funfzigften Ge— burtötag beginge und mich zu fich gebeten hätte. Gr hat Ihnen immer gebroht, daf er ſich noch wegen bes Worwurfs, den ie ) („D wie große Luſt hätte ih noch, Sie etwas von Ug und Wieland zu fragen. Aber, leider! es if Fein Plag mehr

da.” S. den in der vorigen Anm, bezeichneten Brief.)

ihm im Ihrem erſten Briefe an mic gemacht, an Ihnen rächen, und Ihnen ich weis nit was für Bitterkeiten fagen wollte. Aber Cie haben nicht viel zu fürchten. Gr kann wirklich gut fehreiben ; er iſt auch boshaft genug, um fatyrifd zu ſchreiben. Rod) leptens fagte er bey Tiſche zu mir: Lobe er die Briefe fei: ner Gorrefpondentin wie er will. Wenn id an fie ſchreiben wollte, fo würde fie fehen, baß man mehr Gefhmad und Genie haben muß, an mich, ald an ihn zu fehreiben. Das muß ich meinem Bruder nachfagen, baß er feinen eigenen Verdienſten gern Gerechtigkeit wiberfahren läßt, aud wohl mehr ald Ger rechtigkeit.

Noch ein Wort, Mademoiſelle! Ich bin zu meiner großen Verwunderung fünf Tage auf dem Lande verreißt geweſen, fo wenig gern ich auch reife. Ginmal rief mich eine meiner beſten Gorrefpondentinnen und Breundinnen, die Brau von Zetwitz, zu ſich auf ihr. Landgut, und zwar in der Angelegenheit ihrer beyden Söhne, bie fie gern aus dem Haufe und nach Leipzig thun wollte. Bey biefer vortrefflichen Dame habe ich im Jahre 57 zur Beit der Roßbacher Schlacht an einer töbtlihen Pleus reſie darnieder gelegen, und fie hat mir Dreyvierteljahre lang taufend reundfchaften und Wohlthaten erwiefen. Won biefer Seite war alfo bie Reife Dankbarkeit. Berner wollte ſich ber Herr Egntor Doles in Leipzig mit einem Zrauenzimmer, bie ſich oft bey dieſer Dame aufhält, und die ich ihm ehedem zur Frau vorgefchlagen, verſprechen, und alfo reißte ich auch von dieſer Seite aus Pflicht und Freundſchaft. Diefe Berfprehung warb alfo in Bonau, fo heißt das But der Frau von Zetwige vollzogen, und ich hoffe eine fehr glückliche Ehe. Auch bin ich auf diefer Reife, fo fehr ich es von mir und dem Meter fürch⸗ ten mußte, doch nicht krank geworben. Kür biefe Wohlthat danke ich Bott noch igt, fo wahl als für bie, daß ich feit ber Meſſe täglich drei bis vier Stunden meine Arbeit abe verrichten

Gellert V.

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Zönnen. Leben Sie wohl! D wel ein Tanger Brief! Wenn ich mehr Beit gehabt hätte, fagte Balzac einmal von einem langen Briefe, fo wäre er gewiß Zürzer geworden. Leben Sie wohl und grüßen Sie Ihre Jungfer Schwefter,

5 Gellert.

P. S. Schreiben Sie mir immer Ihre aufrichtige Meynung von beiben Dichtern; ich werbe es gern leſen. Und wenn Sie fonft von guten Büchern mit mir reden wollen, fo thun Sie es ohne Bedenken.

252. Aus einem Brief von Caroline Lucius an Gellert.

Dresden, d. 17. Row. 1761.

Aufrichtig ſoll ih Ihnen meine Meynung von den derren uz und Wieland ſagen? O fehr gern, Herr Profeffor. u3 hat, fo viel ich weis, eine lebhafte Einbildungskraft, iſt fhlmmernd, veihh an Gemälden, abwerhfeind, und brüdt ſich ungezwungen und edel aus. Wür bie Schriften der Engländer habe ich eine etwas partheyiſche Neigung, und bieß ift vielleicht Urfach, daß ih Wielanden gern leſe. Gr hat bie Eigenfchaft, daß er mein Herz in Bewegung feht, es erweitert, unb meine Wünfde und Hoffnungen auf die erhabenften und beften Gegen- fände lenkt. Ich denke, ich würde eben nichts wiber ihn einzu= wenden haben, wenn er ſich nicht öfters fo fremder und unnas türliher Wilder bediente; denn ob man gleich verflcht, was er damit anzeigen will, fo find es body Höchft erzwungene und theils lächerlihe Ibeen, wenn er (nur ein Bepfpiel anzuführen) bie Seelen gehen, Enten, ober wohl gar grafen läßt, Indeſſen,

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hochzuehrender Here Profeffor, kann ich nicht fagen, welcher von

beiden mir am beften gefällt. Ich Liebe die Vergleichungen nicht ſonderlich, und ich habe auch immer in ben Gedanken geflanden,

fie wären ſich nicht ähnlich genug, um bequem verglichen zu wer⸗ den. Was ich aber, liebſter Herr Profeffor, Sie zu fragen, mir

die Sreiheit genommen hätte, wäre mein legter Brief nicht ſchon

fo lang geweſen, betraf nicht fowohl bie Poefie des Einen und die Gchreibart des Andern, fondern vielmehr den moraliſchen

Gharakter bes Herrn Ug und feiner Gedichte, und den Grund

oder ungrund bes firengen Urtheils, welches Herr Wieland

von ihm fällt. Es find alfo freye Stellen in ben Liedern

des Heren Uz? Ich habe feine Iyrifchen Gedichte vor Langer Zeit einmal bey meinem Bruder gelefen. So viel weis ich noch, daß ich damals die Eigenfhaften baran fand, bie ich eben ges nannt habe, und daß ich eine Menge fehr ſchoͤner Stellen aus ihm behalten, wider welche, wie ich gewiß bin, nicht bie geringfte Ginwendung Tann gemacht werben. Cine gute Zeit nachher las id) in Wielands Gpmpathieen, und nod) kürglich in einigen andern Schriften, auf bie ich mich nicht befinne, ſolche Urtheile von biefem Uz, daß ich mich von Herzen fchämte, ihn gelefen und, nod mehr, es geftanden zu haben, baß er mir gefiel. Ich halte Wielanben für einen wirklich feommen Mann, ber es mit feinem Eifer vedlich meint und ich konnte mir nicht einbils den, baß ein folder Mann einem Anbern vor der ganzen Welt fo viel Böfes nachſagen und alle Leute fo ängftlich vor ipm wars nen würde, wenn er ſich nicht in feinem Gewiffen bazu verbuns: den glaubte. Da betrachtete ih nun Uzen im ganzen Ernſt als einen böfen, liederlichen Menſchen und, mas noch ärger iſt, als einen Heuchler, ber fi zuweilen unter ber eblen Geſtalt eines eifrigen Anpängers ber Tugend hatte zeigen Können; und damals bekam mein Verftand den Vorwurf, daß er das Schlimme nicht unterſchieden hätte, welches nicht gefchehen feyn mußte,

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weil mid) Wieland mit feiner Strenge ganz beſtuͤrzt machte; zugleich aber machte ich meinem Gebächtniffe ein Gompliment, daß es nur fein Gutes behalten hatte. Bald darauf num fiel mies ein, daß Bahariä in feinen Zageözeiten, im MRittage, den Ramen Uz mit vielen verehrungswürbigen Namen (ber Ihrige, Here Profeffor, ift auch dabey, wie Sie wiffen) und mit Bielanden felbft in eine Claſſe gefegt. Run halte ih Za— chariä auch für fromm und tugendgaft (er iſt unfer Liebling, und meine Schwefter wimfcht, ich weis nicht warum, vermuth- lich weil fie ihm alles Gutes gönnt, daß Sie fein Freund feyn möchten), und ich Tann ebenfalls nicht von ihm glauben, daß er ſich nicht ſcheuen follte, einen Menſchen, der aͤrgerliche und vers werfliche Dinge fchreibt und denkt, mit fo viel beſſern Leuten zu vergleichen. Da wollte ih Sie nun, mein liebfter Here Pros feffor, gehorfamft bitten, mir zu fagen, was man bavon zu hals ten hat. Iſt Wieland ungereht? If Uz gottlos und ärger ih? Sf Bahariä leichtfinnig und ihm Zugend und La— fer gleichgültig? Oder will man Wielands fpotten, wenn man U unb ihn zufammenfegt und beide lobt? Seltſam if es doch wirklich, daß man in Schriften, wo Dichter gelobt were den, dieſe zwey Namen faft öfter ald andre neben einander fin= bet, ba doch bie Perfonen, die ihn führen, wenigſtens Sieta ad, über die Vergleichung erroͤthen..

253. (80.) [in Seren von Rosom.] - 8. d. 2. Dec. 1761.

Ich bin fo wenig ber Berfaffer der moralifhen Ergähs lungen, baß ich fie nicht einmal genau kenne. Alfo hätte ich

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die erfte Hälfte Ihres Briefs fehr entſcheldend beantwortet. Möchte ich doch auch die andre Hälfte: Was leſe ih, und wie ſoll ich leſen, daß ich weifer und beffer werde? fo leicht und zuverſichtlich beantworten können! Aber bas iſt eine ſchwere Frage; eine Frage, bie ich aus Freundſchaft Ihnen vor taufend Andern gern beantworten möchte, und bie ich vielleicht nicht halb beantworten Tann. Democh, was quäle ih mich? Sie Tennen geroiß bie beften Bücher aus ber theologiſchen, moraliſchen, hiſto⸗ riſchen und phyſiſchen Glaffe; und das find eigentlich die Bücher, die unfern Berfand und unfer.Gerz vorzüglich bilden und beffern koͤnnen. Wie man leſen foll, das wiffen Sie ja auch ohne mich. Ber bie beften Bücher oft und mit viel Achtfamkeit Lieft, wieder Heft, in der Abficht Lieft, fie auf feinen Verſtand und fein Gerz und fein Leben anzumenden, ſich das Worzüglichfte anmerkt, oft ſelbſt aufſchreibt, und fich fleißig daran erinnert; der hat gut gelefen.

Endlich, Liebfter Freund, braucht man, um weife zu leben, nicht fo wohl viel zu leſen, als bie Regeln der Weisheit forgfäls tig, fortgefegt und täglich auszuüben. Der Unterricht in ber Zugend und alle Beweisgründe von der Vortrefflichkeit derſelben geben uns bie Kraft und das ernfthafte Beftteben nicht, bie Tu⸗ gend felbft zu erlangen. Sie können uns wohl dahin bringen, einige Verſuche im Guten zu wagen, ſchwache Verfuche, bie bald mißlingen, und uns ſehr fauer werben; aber dad wahre Vermd⸗ gen und ber anhaltende Eifer zum Guten ift nirgends als im der Religion enthalten. Wie diefe von Gott ift, fo tft auch bie Kraft, die unfer Herz ändert, beffert und tugenbhaft macht, ein göttliches Geſchenke, das uns durch bie forgfältige und tägliche Betrachtung und Beobachtung der Wahrheiten der Religion und durch Gebet von Gott mitgetheilet, und ſtufenweiſe vermehret wird, fo daß wir, je mehr wir dieſe Gabe eifrig üben und ans wenben, auch alſo immer durch unfer ganzes Leben an Weisheit,

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Erkenntniß und Tugend zunehmen. Wir bleiben indeſſen unvoll- tommne Gefchöpfe, die täglich fehlen. Aber unfre Tugend fol uns auch nicht gerecht vor Gott machen, unfre Zugend ift nur eine Frucht des Glaubens, der unfer Herz teiniget, und unfer Gewiſſen durch den Befig eines unendlichen Verdienſtes und der freyen Gnade Gottes berubiget. Wer alfo bie Schrift oft mit achtſamer und williger Seele lieſt, und mit ihr etliche wenige gute Bücher, in denen die Wahrheiten der Religion im Bufams menhange vorgetragen, ober ihre Lehren und Gebote erfläret, und bem Verſtande und Herzen überzeugend und eindringend vorgehalten, oder aud) andre hiftorifhe und Eritifhe Kenntniffe beygebracht werben, die zur Einfiht in bie Echrift und ihren Innhalt vornehmlich dienen; von bem kann man fagen, baß er genug lieft, um immer weifer und beſſer zu werben, Diefes iſt fo wahr, daß das mannichfaltige Lefen oft nur eine Zerftreuung unfter erlangten Einſicht wird, fo wie das beftändige Leſen und bie fonft rühmliche Begierde immer noch Ein gutes, noch ein ſchoͤnes Buch mehr zu leſen, oft nichts als Wolluft und Flucht dor einem thätigen Leben ift. Indeſſen bleibt immer gewiß, daß bie, weiche mehr Muße und Frepheit von beflimmten Ges ſchafften Haben, auch eine Pflicht mehr tragen, ein gutes Buch zu lefen und zu nügen. Diefer guten Bücher, Liebfter Freund, haben Sie, fo viel ich weis, viel, Gefegt, Sie hätten ihrer nur hunbert, und Sie läfen fie drey, vier, fünf und mehrmal: fo würde es fo viel feyn, als ob Sie ihrer fo viel hundert hätten, ja Gie würden mehr Vortheile von Ihrer Lectüre haben, als ber gierige Leſer, der fie zu ganzen Zaufenden lieft, und in der Abe fiht, fich zu befiern, fein Leben verlieft. Da Sie aber einmal fo viel Bertraun in meinen Rath fegen: fo wünfehte ich, daß Sie mir ein Verzeichniß Ihrer Meinen oder großen Bibliothek fdids tem. Auf biefe Weife würde ich entweder Ihr Verzeichniß nach meinem Geſchmacke ergänzen, ober Ipnen diejenigen Werke vors

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nehmlich« empfehlen Können, bie ich für die beſen und brauch⸗ barſten halte. Leben Sie wohl. G.

254. An Caroline Lneins, 2. d. 16, Dec. 1761,

Liebfte Mabemoifelle! Außerdem, daß Uz meiſtens von Wein und Liebe gefungen, und. fi, wenigftens in einigen Gedichten, vielleicht in der neuer ften Ausgabe, die Sie noch nicht gefehn, freyer Stellen bebienet hat, weis ich feine Urfadhe, warum Wieland deſſen Charakter fo herunterfegt. Weberhaupt follten Gegner einander nicht durch perfönliche Vorwürfe anfallen, auch wenn fie bie Wahrheit auf ihrer Seite hätten. Der felige Baron Cronegk, ber aus Ans ſpach gebürtig und u zens Freund war, hat mir von biefes Dichters Aufführung nie etwas Nachtheiliges gefagt. Herr Pros feſſor Bahariä ift allerdings mein Freund feit vielen Jahren, und Ihre Igfe. Schweſter hat dadurch, daß fie ihn gern ließt, einen Beweis ihres guten Gefhmads für ſich. Unter feinen komiſchen Heldengedichten hat mir ber Phaeton immer vorzüglich gefallen. Sie, liebfte Mademoifelle, werben aus meiner flüchti— gen Art, Ihren legten Brief zu beantworten, ohne Zweifel fchlies sen, daß ich entweber nicht wohl, ober mit Arbeiten des Berufs Überhäuft bin. Beides ift wahr, unb dennoch ift es ein gerine gerer Fehler, flüchtig als gar nicht auf einen fo lieben Brief zu antworten. Haben Sie wenigftens Dank für den großen Fleiß, den ie auf unfte Gorrefpondenz wenden, und fegen Sie ihn, wenn wir leben, zu meinem Vergnügen in dem Tünftigen Jahre

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fort, zu dem ich Ihnen im Voraus taufendfaches Gluͤck wünfhe, Ionen und Ihrem ganzen Haufe. Alfo Icben Cie wohl, liebe Zreundin, und beſchließen Sie bas alte Jahr, fo wie Sie es durchlebt Haben, zufrieden und freubig dankbar. Ich bin zeit⸗ lebens mit wahrer Hochachtung Ihr ergebenfter Yreund und Diener Gellert.

255. (90)

An einen jungen Officier bey ber Ubreife am feinem erſten Feldinge*) 1761. Es iſt mir, als ob ih nur halb von Ihnen Abfchieb genoms men hätte, und mich zu beruhigen, muß ichs noch fchriftlich thun, und Ihnen bie guten Wünfche und Bitten, mit weichen ich Sie auf Ihrer Abreife zur Armee begleite, wiederholen. Wie glücklich wird es Ihnen, liebſter Herr von Sch[önfeld], ſowohl im Felde als in Ihrem ganzen Leben gehen, wenn es Ihnen nad meinen Wuͤnſchen und nad meiner Hoffnung geht! Vermoͤge biefer Bünfche werben Ihnen Gefundpeit, Muth, Klugheit, Tapferkeit und Ehre auf der Bahn folgen, bie Sie von heute an betreten, und auf der Sie durch ein langes Leben, wie ich zu Bott hoffe, Ihrem Vaterlande immer wichtigere Dienfte leiften werben, Wenn Sie mic) fragen: Wie wirb ein Züngling, wie id bin, feinen Weg, den gefährlichen Weg des Goldatenftandes, unfträflich wan⸗ bein? fo kann ich Ihnen getroft antworten: Wenn er ſich hält nad) Gsttes Wort. Es ift wahr, daß bie Gottesfurcht allein einen Soldaten macht, fo wie fie keinen Gelehrten und Künſtler *) (Der junge Officler war, wie aus einer handſchrifti. Bemer- tung Deper6 erhelt, ein Herr v. Schönfeld.)

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macht. Allein wie fle die Seele des ganzen Lebens und bie Anz führerinn zu allen Pflichten ift, fo iſt fie es auch befonders zu ben Pflichten des Golbatenftandes. Der Soldat, ber Bott wahrs haftig fürdtet, wird bie Wiffenichaft, bie fein Stand fordert, forgfältiger erlernen, fortfegen und ausüben. Er wird muthiger und gefegter in Gefahren, gebufdiger in Beſchwerlichkeiten, folge famer unb gemiflenhafter in Ausrichtung ber empfangenen Ber fehle, in Vollziehung der härtern billiger und fhonender, und alfo immer gefchicter zu feiner Pflicht, und glädticer in der Erfuͤllung bderfelben ſeyn. Er wird felbft babucch mehr Ehre und Liebe bey den Rechtſchaffnen, und bey denen, bie es nicht find, erlangen. Eben weil er Religion hat, und Gott überall fürchtet und gegenwärtig fieht, wird er ben Müffiggang, bie Quelle fo vieler böfen Neigungen und fo vieler after, meiden. Er wird vorfichtiger in bem gefellfchaftlichen Leben fegn, und weil er ben Umgang mit fehlechten Menfchen nie ganz fliehen Tann: fo wird er deſto mehr über feine Tugend und fein Herz wachen, und ſich durch fchlimme Beyfpiele nicht verführen laſſen. Eben weil er Gott fürchtet, und ein gutes Gewiſſen höher fchäßt, als alles verbotne Vergnügen, wird er auch nicht in die fo ges mwöhntichen Ausfchweifungen der Wolluft und des Trunks vere fallen, die feine Kräfte vergehren und ihn weichlich, muthlos, und zum täglichen Feinde feiner felbft machen. Er wird natärs licher Weiſe mehr Gefundheit und Stärke bed Körpers und bes Seiſtes genießen, und bie taufendfache Laft des Kriegs eher tras gen koͤnnen. Sa, liebfter Sſchoͤnfel d), der Soldat, der Gott fürchtet, darf fi) vor nichts fürchten, auch vor dem Tode nicht; denn der Fromme iſt aud im Zobe getroft, und fein Tod iſt ber Schritt in eine ganze glädfelige Ewigkeit. Ich kenne Ihr gutes Herz, Ihre Liebe für die Religion, ben guten Unterricht, dem Sie genofien haben, und bie lehrreichen Beyſpiele Ihres Hauſes; alles biefes laͤßt mich hoffen, daß Sie fiher ein frommer und

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vortrefflicher Solbat feyn unb bleiben werden. Der Gegen Ihrer würdigen Mutter folgt Ihnen, unb der Engel des Heren lagert ſich um die her, fo ihn fürchten und Hilft ihnen aus, Das Ges bet zu Gott müffe Ihr Schild und Ihre Stärke feyn, nicht allein in ben Gefahren des Kriegs, fondern in allen Hinderniſſen ber Tugend und in allen Verſuchungen bes Laſters.

So gehen Sie denn getroft und freudig ind Feld, zur Epre Gottes, zum Dienfte bes Waterlandes und zu Ihrem eignen Gluͤcke. Der Here fegne Sie und behüte Sie, und laſſe Sie uns verlegt am Leibe und Geifte aus bem Zeldzuge zurüd kommen!

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256. (sı.) IUn Herrn von Rodom.]

2. d. 1. Jan. 1762

So wenig ich auch das Gelb liebe: fo hat mich doch Ihr Geſchenke, eben weil es von Ihnen Fam, unerwartet, am legten Zage des Jahrs und in einer Stunde Bam, da ich bie genoßnen göttlichen Wohlthaten des werfloßnen Jahres überdachte und nies derſchrieb, es hat mich, fage ich, ungemein und bis zu Thraͤnen gerührt. Goͤd ick war ber Meberbringer, Ich las Ihren Brief, gab ihn Godicken erfhroden und fagte: Laffen Sie mid einen Augenbli allein, ich will fehn, ob ich die Freude ber Dankbarkeit nicht auf friſcher That empfinden, und meinem Freunde und Wohlthaͤter mit gerührtem Herzen Gutes von Bott wünſchen kann, Ja, liebfter Freund, wenn ich auch biefes alles thue, fo tue ich nur immer Pflicht, und die natürlichfte Pflicht. Sie aber haben mehr gethan. Ihe Brief ift mic eben fo viel, ja weit mehr werth, als Ihr anfehnliches Geſchenke; und ohne

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denſelben hätten Sie mih nur va erfreut, und halb fich vers bindlich gemacht,

In der That haben Sie igigen oharokier und ſein tehlerhaftes genau getroffen. Er iſt zum Theil eine Wirkung eines fischen Körpers und ſchweren Blutes, und ich fuche ihn zu beftreiten, das Tann ich mit Wahrheit fagen. Allein ob ich ihn genug, aus allen Kräften und zu allen Zeiten beftreite, das will ich nicht fagen. Der Menſch, auch ber, der feine Fehler erkennt und gern gut feyn möchte,

Der Menſch bleibt ſtets ein Kind, das meiftens elenb mwählet,

Den Zehler bald bereut, und gleich drauf wieder fehlet.

Allein da wir einen hoͤhern Beyſtand haben, fo bleibt es ftets unfte Pflicht, wider uns felbft zu freiten, und zu hoffen, daf wir fiegen werden, wenn auch unfre Siege nicht merklich ober langfam find. So viel Sie indeffen Urfahe haben, mich einer finftern Ernfthaftigkeit, die leicht zu dem Echmermüthigen führt, zu beſchuldigen, fo wenig trifft mich der Vorwurf einer zu gros sen GuttHätigkeit. Diefe dichten Sie mir aus einer zu günſti— gen Mepnung von meinem Herzen und aus großer Liebe, ohne es felbft zu wiffen, an. Eine zu leichtfinnige Gilfertigkeit giebt es bey dem Wohlthun, diefer Eönnte ich mich eher anflagen; aber wie fie oft aus Traͤgheit und Meichlichkeit entfteht, fo kann fie am wenigften auf die Rechnung einer zu großen Begierde, Ans dern wohl zu thun, gefchrieben werben. Bis auf biefen Punkt iſt Ihr ganzer Brief Wahrheit, Beredſamkeit und Liebe für mich, Ich danke Ihnen alfo für denfelben eben fo Herzlich, als für das Geſchenke. Gott laffe es Ihnen, theuerfter Freund, und Ihrer würdigen Gemahlinn in diefem Jahre und in einem langen &es ben vorzüglich wohl gehen und fegne Sie für dad Gute, das Sie mir aus Liebe erzeigen. Lebe id, fo will ich ernftlich fors gen, Sie in biefem Jahre, fo Gott will, auf Ihrem Landgute

au fehen, und bey Ihnen gefünder und heitrer zu werben. Möchte mir doch dieſes Glüd aufbehalten und lebenslang eine Materie der Dankbarkeit und Freude ſeyn! Ich würde Ihnen ein Heines Werk des verftorbenen Kirhmanns, eines Lehrers des Prinzen von Braunſchweig, das den Zitel führt: Kleine Schriften zur Beförderung ber Religion und Zus gend, befonders bey der Erziehung junger Stan- desperfonen ıc. und vom Herrn Profeffor Gärtner vorige Dftermeffe herausgegeben worben, mit biefem Briefe als ein Ger gengeſchenke, ob es gleich nur acht Groſchen foftet, zuſchigen, wenn es igt in ben Buchläden zu haben wäre. Es verdient, daß Sie es lefen und jungen Freunden empfehlen. Auch das Leben bes Braunfchweigifhen Prinzen, Albrecht Heinrichs, von Serufalem befäprieben, ift vortvefflich, voller Beredſamkeit und Unterricht. Leben Sie wohl mit Ihrer theuerften" Gattinn. G.

Un Caroline Lucius. 2. d. 13, Febr. 1762, Liebſte Freundinn!

In der That habe ich ein großes Wergnügen eingebüßt, daß ich die Reife nad) Dresden mit meinem Bruder nicht habe thun, und alfo auch nicht die Perſon habe Eennen Lernen, die mir durch ihre Briefe fo viel Zreude und ihrem Berflande und Herzen in meinen Augen durch biefelben fo viel Ehre macht, die mir fo viel wahre Hochachtung bezeugt, und bie mich gewiß eben fo gern würde gefehen haben, als ich fie hätte fehen und fprechen mögen. Mein Bruber, liebſte Mabemoffelle, Hat mir freylich biefen Wers

luſt durch feine Erzählungen von Ihnen und Ihrem guten Chas vater zu erfegen gefuchet; aber alle Gefchichte, wenn fie auch noch fo gut gefagt wirb, läßt unfrer Wißbegierbe immer noch viele Fragen übrig, bie nicht jeber Zeuge beantworten Tann. Genug, er ift Ihr und Ihrer Igfe. Schwefter Lobrebner, und fpriht von Ihrem ganzen Haufe fo, wie man fprict, wenn men mit Vergnügen und Hochachtung von Abweſenden vebet. Herr Krebel ift fein Nachfolger und oft fein Vorgänger.

Alles biefed würde ich Ihnen ſchon vor einigen Wochen gefagt Haben; aber ich war zu krank, ed Ihnen gern zu fagen, unb hoffte immer auf eine heitere und willige Stunde. Ich kann nicht fagen, daß ich fie eben jept Hätte; aber ich habe doch fo viel Gewalt über mich, den Fehler zu empfinden, den ich beges hen würde, wenn ich meiner beften Gorrefpondentin noch Länger auf zween Briefe nicht wenigftens etliche Zeilen antwortete. Der gange erfie Monat des Jahres iſt ohne Brief an Sie verftichen, und ſchon auch die Hälfte des zweyten; das geht wohl zu weit, Vielleicht verbeffere ich diefen Fehler in der Folge, wenn ich wer niger Verſuchung habe, fie zu begehen. Ob ich jeht gefünder bin, als legthin? Das Eann ich wohl nicht ganz mit Wahrheit far gen, gute Mabdemoifelle; aber ich danke Gott, daß meine Bes ſchwerungen erträglich find, und mic ermuntern Helfen, immer beſſer zu leben unb zu fterben. Daß Sie mir taufend Gutes wünfdhen und herzlich für mein Gtüd beten, das weis ich gewiß, und banle Ihnen dafür zeitlebens mit ber Liebe eines Freundes und Bruders. .

Sellert.

258. Garvline Lucius an Gellert. Dresden, d. 22. Febr. 1762.

Hochzuehrender Herr Profeffor!

Run habe ich den Herrn Bruder erft recht Lieb, ober, wenn es beſſer gefagt ift, nun Liebe ich ihm noch einmal fo ſtark als zuvor, weil er Ihnen fo viel Gutes von mir fagt, und übers haupt fo gütig von uns urtheilt. Ich bin doch recht glüdktich ihm gefallen zu haben, und ich freue mic darüber: nicht aus Eitelkeit ; gewiß nicht! aber ich denke, ich müffe mid über die günftige Meynung aller Leute freuen, die Ihnen wieder fagen Zönnen, was fie Gutes von mir denken. Herr Krebel id bin vergnägt über ipn kann wohl nur wenig von mir wiſſen; er hat mid nur ein paar Stunden gefehen; aber deſto gütiger iſt es von ihm, daß er vortheilhaft von mir fpriht. Er hat meine Dankbarkeit und meine guten Wünfche dafür.

Aber, Liebfter Herr Profeffor, wenn ber Herr Bruder mid einmal tadelt (und follte er das noch nicht gethan haben?) ober Sie felbft etwas von mir entbedten, bad Ihren Beyfall nicht hat, das Ihrer Gütigkeit gegen mich nicht Ehre macht, und dem Charakter einer Perfon, die Sie Ihre Freundin nennen, nicht gemäß feyn Tann: dann, verfprechen Sie mirs, daß Sie mid erinnern wollen. Ich habe bisweilen, es ift wahr, wunderliche Einfäle, bie eben nicht alle Leute haben können. Hier ift viel⸗ leicht einer davon. Es kümmt mir manchmal vor, ald ob mid verlangte zu wiflen, auf welche Art Sie mir einen Verweis ges ben würben, und was ich babey empfinden würde, Ich denke, ich würbe ftolz darauf feyn. Es müßte mich zwar bemüthigen wegen meines ‘Fehlers, aber auch erheben wegen bes Antheils, den Sie an mir zu nehmen bezeugten, dadurch, daß Sie bie

Sorgfalt, mic gut zu behalten, und die Mühe, mich beffer und volllommner zu machen, für Sich nicht zu gering hielten. Sie find lauter Güte und Sanftmuth. Ihre Werweife müffen die Verweiſe ber Liebe, und väterliche Erinnerungen, Ihre Erins nerungen ſeyn. Brüberliche Erinnerungen habe ich vielleicht fagen follen. &ie, befter. Here Profeflor, haben fih fo aufers ordentlich gütig! den brüderlichen Character bepgelegt ich verehre und Liebe diefe Guͤte aber ich kann Sie nicht (und Sie erwarten es wohl auch nicht?) mit der Liebe lieben, mit der man einen Bruder liebet. Meine Liebe ift eine ehrfurchtsvollere, gehorfamere, dankbarere Liebe; eine Liebe, bie, fo freywillig, fo ſelbſtgewaͤhlt (ich fürchte, ich drücke mic ſchlecht und unver— ſtaͤndlich aus, und Sie werben mic nicht verftehen Tönnen) fie auch ift: dennoch mehr Empfindung von ber Schuldigkeit, von der Verbindlichkeit zu lieben, bey fich Hat, ald bie Liebe gegen Brüder, ob fie wohl deswegen keine Entfernung zuläßt, und ein uneingefchränttes Vertrauen nicht ausfchließt.

Wie oft nenne ichs nicht in Gedanken ein Unglüd, ober doch einen unangenehmen Umftand meines Lebens, daß ich nicht an dem Orte feyn Tann, wo Sie leben? Wie fehr gern wollte ich gehalten ſeyn, Ihnen von allen meinen Gedanken Rechenſchaft au geben, Sie zum Richter über alle meine Handlungen zu mas Gen! Wie wollte ich Sie um vielerley fragen, und mit begieris ger Aufmerkfamfeit den weifen Unterricht von Ihren Lippen hös ven! Ihre Liebreihen Lehren und die ſtillſchweigende Vorſchrift Ihres Beyfalls würden mich noch mehr unterweifen, wie ich Ihres Beyfals würbiger werben Fönnte; es würde mir noch leichter werben, und ich Tönnte etwa Gelegenheiten finden, Ihre Gewogenheit beffer zu verbienen, und vielleicht würden Sie dann nod mehr mein Freund feyn, als Sie ist find. Sie würben (ia, lieber Here Profeffor, ich weis es, ich weis es, bap ich lau—

ter vergebliche Dinge rede; aber laffen Gie mid) fie nur audres benz ee läßt ſich fo hübfd) denken, was ba alles gefchehn würde, und ich fhreibe Ihnen fo gern, was ich gern denke) Sie würben, fage ich, fehn, daß, ob ich wohl Ihre Gütigkeiten unter allen, benen &ie weldye erweifen, am wenigften verbienen mag, ic) doch gewiß zu benen gehöre, bie am meiften geſchickt find, fie zu verftehn und zu empfinden. Keines von Ihren Worten geht bey mir verloren; ich zergliedre fo gu reden Ihre Gedanken. Ich fühle das Große, das Ghriftliche, das Rührende, die Herab⸗ laßung, bie Süte zum Beyfpiel: ich empfinde es ganz wie gütig es von Ihnen ift, daß Sie nachrechnen, wie viel Zeit ohne Brief an mich verftrihen; ja, noch mehr o mein liebfter Herr Profeſſor, wie ſehr befhämen Sie mich! wie wenig verbiene ie! daß Sie fogar Sich einigermaßen zwingen, unb bie heis tere und willige Stunde nicht erwarten, auf die Sie hofften. O daß doch alle Ihre Stunden heiter wären! Nur Ihrentwes gen wünſche ichs; denn ber Brief, der liebe, ſchoͤne, in einer unmilligen umwölkten Stunde gefchriebene Brief, hat fo wenig unwilliges und Düfteres an fi, daß ic mein ganzes Leben duch, Lauter folhe Briefe leſen, und demjenigen, ber fie mic gefhrieben, aufs freubigfte und eifrigfte dafür danken wollte,

Endlich, hochzuehrender Herr Profeffor, wenn Sie etwa dem ‚Heren Bruder die Mühe machen follten, mein Gefchwäg zu Iefen, fo erlauben Sie gütigft, daß ich hier, ehe ich fhließe, bie Gele: genheit ergreife, Demfelben meine Ehrerbietung und größte Dank— barkeit für bie befondre Gewogenheit zu bezeugen, aus welcher er mich mit feiner guten Meynung beehret, und meinen beften ‚Heren Profeffor in der Seinigen beftätigt hat. Erhalten Sie mir diefelbe, gütiger Herr Ober-Poſt-Commiſſarius: ich werde mich beftreben, fie zu verdienen.

2eben Sie wohl, thewerfter Herr Profeſſor. Meine Eltern

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empfehlen fi Ihnen und bem Herrn Beuber gehorfamft. Meine Schweſter kuͤßt Ihnen bie Hände. 36) habe bie Ehre zu ſeyn Hochguehrenber Here Profeffor! Ihre gehorfamfte Dienerin ©. ©. Eucius,

2. Yu Caroline Lucius. ©. d. 25. Bebr. 1769. Liebfte Mademoifelle!

Es ift vieleicht eben fo gut, daß Sie nicht mit mir an Einem Drte zugleich wohnen. Ich würde gewiß verlieren, nicht weil ich das gar nicht bin, wofür Sie mich aus gutem Herzen halten, fondern weil Sie mid in ber Berne für viel beſſer halten, als ich bin, und fi das von mir denken, was man fich gern an Perfonen denkt, die man hochhält, Und Sie, meine Gorrefpons bentin, würben wenigſtens von dem lebhaften Ginbrude etwas verlieren, ben meine Briefe und Schriften igt auf Ihren Cha—⸗ rakter machen. Gehn Sie nur den Weg, auf dem Sie fo glüds lich fortgerüct find, immer freudig fort. Es ift der Weg des ſtillen Berdienftes, ber zur Zufrlebenheit führt, und Cie zu einem der beften, nüglichften und Liebenswürbigften Frauenzimmer mas chen wird, das unfer Waterland ‚noch gefehn hat, Haben Gie ja die Beyſpiele nicht immer in der Nähe, die ſich Ihe edler Eifer wuͤnſcht; nun wohl gut:

Wenn ungewiß bey meiner Pflicht ich wanke, So ftärkt mich oft der mächtige Gedanke: Gellert V. s”

Was thät dein Freund bey biefer Pflicht? Berfahre fo, als wär er ſelbſt zugegen!

So giebt ein Blick auf ihn mir ein Vermögen, Und der erſt wankte, wankt ist nicht.

Sie fürchten fih immer vor Ihren Fehlern; ich auch, mein gutes Kind. Aber mir faͤllt bey folchen Gelegenheiten auch ims mer der Gedanke eines fehr frommen Mannes ein: „Nor meinen Behlern, fagte er, fürchte ich mich nicht fehr, dieſe machen mich behutfam und bemüthig; aber vor meinen Tugenden fürchte ich mid) weit mehr, biefe machen mich Leicht flolz.”

Ic weis, daß Sie auch an meinen Heinen Angelegenheiten Theil nehmen, darum will ich Ihnen hier ein Paar Briefe beys legen, bie Sie nicht ungern leſen werben. Der eine, von meinem Bruder, bem Bergrathe in Freyberg, wirb Ihnen fagen, daß ich eine neue Urfache hätte, nach Dresden zu reifen. Ob ich reis fen werde! Ich zweifle ſehr daran, und eben wegen biefes neuen Beweggrundes mehr als jemals. Der Hof und die Studierftube find gar zu verfchiedene Derter. Der Brief bes öfterreichifchen Hauptmanns wird Ihnen wegen feiner treuberzigen Gchreibart und ber Achtung für meine Schriften und meine Vaterſtadt ges fallen. Leben Sie wohl, liebfte Mabemoifelle, und grüßen Sie Ihre Jungfer Schweſter von mir auf das Beſte. Int erinnere ih mid auch, daß ich Ihr Präfent noch nicht trage. Das iſt freylich nicht fehr galant; aber ich will mirs zu ben Feyertagen gewiß laſſen zurechte machen, und Ihnen alsdenn noch einmal dafür banken.

Gellert.

Warum frankiren Sie Ihre Briefe an mich? Das if nicht seht, B

Garoline Lucius an Gellert.

Dresden, d. 5. März 1762.

Hochzuehrender Herr Profeffor!

Ss ift freylich fehr gut, daß wir uns bie Abwefenheit unfrer Freunde einigermaßen dadurch erfegen koͤnnen, daß wir fie zu unferm zweyten Gewiffen maden, wie Granbifon feinen Bartlett nennt. Ich denke, ich will es auch thun; aber, liebſter ‚Herr Profeffor, Sie müffen mid, deſſenungeachtet manchmal darüber murren laſſen, daß Sie fo weit von mir find. Ich habe zuweilen meine Breube daran, fo wie ich mich zu einer ans been Zeit vergnüge, daß Jemand ift, den ich nicht von Perfon kenne, dem ich nicht befannt bin, und ber dennoch mein Freund iſt, und wohl mehr mein Freund ift, als alle’ die andern, bie ich mehr Tenne, Sie haben wohl auf gewiffe Art recht; allein wenn es aud zehnmal eben fo gut wäre, daß ich hier in Dres⸗ den fige, und Sie bort in Leipzig, dreyzehn Meilen von mir entfernt find, fo Zönnen Sie es doch von mir nicht verlangen, daß ichs Ihnen nachfagen fol. Ich habe es alles überlegt: ich, und nur ich allein, Tönnte etwas babey verlieren; aber was Heißt das? ich allein würbe auch viel dabey gewinnen; batan dene ich immer, und niemals an bas, was ich verlieren könnte.

Aber ift es nicht erbärmlih, daß wir und aud vor unfern Zugenden fürdjten follen? Ich hätte wohl Luft, Ihnen meine Gedanken davon zu fagen, wenn ichs wagen dürfte Und warum follte ichs nicht? Wenn ich fie einmal denke, und wenn ich fie Ihnen gefagt hätte, wie ich gewiß ohne Bedenken würde gethan haben: warum follte ich mich fürchten, fie Ihnen zu ſchreibden? Ich will nur allemal thun, ald wenn ich mit Ihnen vebete, Werben Sie nur nicht unwillig auf mi, gätiger Here

Fri

Profeſſor, ich muß eine Frage aufwerfen: Iſt nicht ſchon Stolz dabey, wenn ich mich fürdte, meine Tugenden möchten mid fig machen? Muß ich mirs nicht ba fhon fehr bemußt feyn, dag ich ſehr fromm und beffer, als andere, bin? Denn gemeis niglich, fagt man, entfteht unfer Stolz aus der Vergleichung, bie wir zwifchen uns und andern anftellen, weil wir nur vers gleichungsweiſe gut-find. Ich geftehe es Ihnen aufrichtig, mir gefaͤllt die Furcht vor ben Fehlern beffer. Sie ſcheint mir nas türlicher und auch bemüthiger zu feyn, und vieleicht ift Demuth und Behutfamkeit eben fowohl eine Zolge von ber Furcht vor unfern Fehlern, ald von den Zehlern felbft.

Viel, vielmal danke ich Ihnen, hochzuehrender Here Pro: feffor, für das Vergnügen, fo Sie mir durch die gütige Mits theilung ber beyliegenden zwei Briefe verfchafft Haben. Indeffen bin id) mit des Herrn Bruders feinem nicht halb zufrieden. D wenn der Herr Bergrath mein Herr Bruder wäre, er hätte ‚mir das Alles viel umfländliher und weitläuftiger befchreiben ‚müffen, wenn er mir hätte genug thun wollen. Zubem hat er Sie aud gar nicht gebeten, er hat Ihnen gar nicht ein Bißchen zugerebet, daß Sie doch ber Ghurpringeffin den Gefallen. erweis fen möchten, Wollen Sie es benn wirklich nicht thun? D ges

- wiß Sie thun ed! „Hof und Stubirftube” Was wil das fagen? das ift einerley. Sie Eennen dod die Ehurprinzeffin ſchon fonft? Sie fol eine fo gute Dame feyn. Alle Welt ift Hier vol von ihrem Lobe. Sie fpricht mit allen Leuten fo gutherzig vecht vertraulich. Ich bilde mir ein, fie werde ‚eben fo erfreut über Sie feyn, als es Ihre Frau Schweſter über den Hauptmann gewefen ſeyn wird, Ihe Hof, fpriht man, iſt gar nicht wie andre Höfe. Freylich iſt er deswegen keine Studirſtube; das will ich damit nicht ſagen. Aber es ſind ſonſt ‚in Dresben Stübchen, in denen man ſchon fo viel ſtudiren kann, als fi) ſtudiren läßt, wenn man nicht zu Haufe vor feinen

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Buůcherſchraͤnken und Schreibepulten ſigt. In Gaſthoͤfen aber, das glauben Sie mir, liebſter Herr Profeſſor, giebts keine ſolche flillen Stübchen; allein ich will mir bie Freyheit nehmen, Ihnen eine Abbreffe zu geben. Auf ber breiten Gaſſe (es iſt die ftinfte, einfamfte Gafle in der ganzen Stadt) im Wiedemanniſchen Haufe (ed wohnen lauter ſtille, eingezogne Leute in dem Haufe, und ber Wirth ift fiebenzig Jahr, ein Mann, ben wir fehr lieb haben) drey Treppen hoc, da würben Sie recht ruhig und ftille feyn Eönnen. Es fieht Sie niemand, und Sie fehen auch nies manden, wenn &ie nicht wollen. Es wohnt niemand gegen über, als ein Mann, ber flört Sie nit, ber fieht nur, wenn er je and Fenſter Lömmt, durch ein Sehrohr nad dem ‚Himmel*) ; und ed wäre überhaupt aus vielerley Urfachen, bie ich jegt nicht anführen will, ſehr hübſch, wenn Sie da Ihre Wohnung zu nehmen belieben wollten,

Der Brief des Hauptmanns gefällt mir fehr wohl, und ges wiß beffer, als er allen andern Leuten gefallen Tann. Warum? Das werben Sie fehr leicht errathen. Es ift bey allem bem ein großes Gluͤck für Sie, befter Herr Profeflor, daß nicht die ganze halbe Welt, von ber Sie, wie ber Hauptmann mit Recht fagt, verehrt werden‘, aus lauter ſolchen Leuten beſteht, wie ber Hauptmann und noch jemand, denn ich nicht gern nennen will, und daß es vielleicht noch viel Keine Organiſten darinnen giebt. Ich ärgere mich über mid felbft (ich will es nur geftehen, daß id) von mir felbft rede), daß ber Hauptmann mehr Blb⸗ digkeit hatte, als ich, und daß ich mich keines Augenblids ers innern Tann, in welchem die Gefchichte vom Beinen Organiſten auf mich paßt.

D ich bitte Sie um alles, liebſter Herr Profefior, danken Sie

*) Anfpielung auf den in biefen Briefen oft vorfommenben Herrn Beiß, dee fi in Nebenftunden, doch blos als Dilettant, mit Aftronomie befgäftigte. Ebert.

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mir nicht noch einmal für mein Präfent, wie Sie es nennen. Ich würde es Ihnen nicht abfchreiben koͤnnen.

Bon meinen Gitera und meiner Schweſter viel und große und gehorfamfte Empfehlungen. Und von mir nehmen Sie mit Ihrer gewöhnlichen Bütigkeit die Verficherung, daß ich mit uns veränderlicher Ebrerbietung lebenslang bin

Hochzuehrender Here Profeffor! Ihre gehorfamfte Dienerin ©. €. Lucius.

261. 02) d. 22, März 1762, Hochzuehrender Herr Profeffor!

Der allgemeine Ruhm, ben ie erlanget haben, in der That das menfchenfreundliche Herz zu befigen, bad man aus allen Ihren Schriften fo deutlich hervorleuchten ſieht, macht mich fo zühn, ob id Ihnen wohl gänzlich unbekannt bin, dennoch an Sie zu ſchreiben; ja ich bin fo fehr von dem Ihnen eignen ebels müthigen Weftreben, Ihre Nebenmenſchen zu belehren und zu beffeen, überzeugt, daß ich biefes gätige und großmüthige Herz, welches ih an Ihnen verehre, zu beleidigen. glauben würde, wenn id mich wegen meiyes Unterfangens fehr entfhulbigte, zus mal wenn Sie gefehen haben werben, daß es nichts Geringers betrifft, als bie Beruhigung meines Herzens. Ich geftehe aber offenherzig, baß ich fehr verlegen bin, Ihnen mein Anliegen auf eine deutliche Weife, und in der gehörigen Ordnung ber Gebans Ten, vorzutragen; body mein Vertrauen auf Ihre gütige Nach— ſicht laͤßt mich Hoffen, daß Sie mir alle Fehler diefer Art vers

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seien werben, Um Ihnen bie Zweifel zu entbecen, bie mid über mein Herz und meinen Charakter beunruhigen, follte ich Ihnen zuvoörderſt Beides genau abfehilbern; ich will es verfuchen,

Mein Herz if von Natur weich, zu ber feurigften, zaͤrtlich⸗ ſten und beftändigften Freundſchaft aufgelegt, ſtets bereit, alle Gindrüce des Mitleidens und der Empfindlichkeit anzunehmen, babey aber fo fehr zur Schwermuth geneigt, daß ich öfters meine Zuflucht zu Thränen nehmen muß, um daſſelbe zu ere leichtern. Meine Gemüthsart ift biegfam, nachgebend, ich vers ehre und fchäge Verdienſte, wo ich fie auch finde, Das Lefen guter und nüglicher Bücher ift mein Liebfler und angenehmfter Zeitvertreib, und ohne die Schriften eines Gellerts, Gros negks, Wielands und Klopftuds würde mir das Leben eine Laft feyn. Eine rührende Stelle, große unb edle Empfins dungen, ein wohlgewählter und glüdlich ausgeführter Charakter bat mehr Neigungen für mich, als alle Güter und Freuden diefer Welt; aber eben dieſe rührende Stellen, eben dieſe Ems pfindungen erweichen mich fo ſehr, daß ich mich oft in ganzen Tagen nicht genug wieder faflen ann, und belehren mich bas duch von der außerorbentlihen Schwäche und Weichlichkeit meis ned Herzend und Temperaments. Ich ftelle mir die Gefahren unb bie Schwachheiten, benen ein folder Charakter unterworfen ſeyn muß, ohne fie zu kennen, fo lebhaft vor, daß ich bavor erzittere, Die Urfache dieſer beunruhigenden Worftellungen if wohl hauptfächlich diefe: Ich bin von Kindheit auf in der größe ten Ginfamleit erzogen worden, Meine Aeltern habe ich frühs zeitig verloren, und bie Verwandten, bey denen ich mich feitdem befinde, lieben mich zwar herzlich, und befigen felbft viel liebens⸗ wuͤrdige Eigenſchaften, halten aber doch, ich weis nicht, ob aus Vorurtheilen ober Stärke des Geiſtes, eine zärtliche Freundſchaft und eble Empfindungen für tomanpaft, eine vergoßne Thräne über bie leidende Tugend einer Glariffa, ober über die rührende

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Geſchichte ber feommen Glementine, für frafbar, und über Haupt ein empfinblices Herz für gefährlich. Ich weis biefes zum Theil nur aus allgemeinen Gefprächen; benn ich häte mich fo viel als möglich, bey ber Kenntniß, bie ich von ihrer Dens Tungsart habe, ihnen meinen wahren Charakter fehen zu laffen. Bie unangenehm mir aber unter einem foldhen ſteten Zwange bad Leben fällt, werden Sie, theuerfter Here Profeffor, ſelbſt am beften fehließen tönen. Unb biefes if dennoch bie Lebensart, die ich nun ſchon fo Lange führe, als ich angefangen habe, vers nünftig zu denken, ohne ein freundfchaftliches Herz um mid; zu haben, mit bem ich meine Empfindungen theilen Tönnte, Meine Hiebfte Freundinn hat der Tod fehon vor einigen Jahren in eine beſſere Welt verfeget, und eine andere ift feit ihrer Werheira- thung taltfinniger geworden, ald es mit meinen Begriffen einer volltommenen Freundſchaft beftchen Tann. Da ih nun aber meine ganze irdifhe Glüdfeligkeit in die Freundſchaft geſetzet habe: fo werde ich täglich mehr überzeugt, daß keine ſolche für mich möglich fey, auch nicht bey Veränderung meines Standes; ja ich ſehe alle die Unruhen, die Beängftigungen voraus, benen mein allzuempfinbliches Herz in bem verheiratheten Stande aud- . gefeget ſeyn würbe. Dieſes alles zufammen (ich muß ed zu meis ner äußerften Beihämung geftehen) macht mir das Leben fo vers haft, daß mich nichts fo fehr zu quälen vermag, als ber @&es danke, daß mir mein Schöpfer wohl bey einer fo bauerhaften Natur, als ich befige, ein langes Leben beſtimmt Haben möchte, Ich weis, wie fehr ich mich dadurch an bem gütigen Gott durch Unbankbarkeit verfündige; allein ich Bann mir doch auch nicht vorftellen, daß eben biefer liebreiche Bott, ber ben Trieb, unfern Zuſtand immer volltommner zu machen, in unfer Herz gelegt bat, ſich dadurch beleidigt finden folte, wenn man fi wün- ſchet, je eher je Lieber diefes Standes der Unvollkommenheit ents iedigt und ewig gläctich zu werden, Run, hochzuehrender Herr

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Profeffor, habe ich Ihnen fo gut als es mic hat gelingen wols len, mein ganzes Herz mit allen feinen Behlern und Schwache heiten entbedt. Aber aus eben biefer Urfache kann ich mich nicht überwinden, bem Namen nach von Ihnen gekannt zu feyn. Entſchuldigen Sie baher meine Breyheit, daß ich Ihnen benfel- ben verſchweige. Demungeachtet verfpreche ich mir don Ihrer Gütigkeit, daß Sie mir aus Mitleiven und Menſchenliebe ant— worten, und mic belehren werben, welches die Gefahren find, vor denen ich mid; am meiften zu hüten habe, und ob ich mich in meinen Begriffen von der Freundfchaft und wahren Glüdfelig- keit geirret. Ich weis wohl, daß ich mir alles biefes aus Ihren und anderer vortrefflichen Männer Schriften felbft beantworten tönnte; allein, ein unmittelbarer Unterricht macht doch jeberzeit einen ſtaͤrkern Eindrud, und in öffentlichen Schriften findet man doch immer viele Abweichungen ber allgemeinen Charaktere gegen ben feinigen ins befondere, unb zu dem, wofern ich fie nicht gänzlich unrecht verfiehe, fo beftärken mich alle dieſe theuern Männer nur nod mehr in meiner Meynung. Um aber Ihre Gütigkeit nicht allgufehe zu mißbraudhen, will ih Sie nur noch um Verzeihung aller meiner Fehler und Freyheiten erfuchen. Haben Sie nur bie Güte und beftimmen bem Boten, in wie - vielen Tagen oder Wochen, nach Ihrer eigenen Bequemlichkeit, er wieber bey Ihnen nach ber Antwort fragen foll. &ie mögen nun aber meine Bitte flatt finden laſſen, ober nicht, fo bin ih doch nicht weniger mit aller erſinnlichen Hochachtung Ihre gan ergeben Dienerinn, und beftändige Werehrerinn —*

288. (s.) Antwort auf deu vorhergehenden Brief.

2. d. 28, März 1702.

Gnäbiges Fräulein! .

So viet ich urtpeilen Tann, entfpringt Ihre Traurigkeit, über die ie Hagen, theils aus Ihrem guten und empfindlichen ‚Herzen, theild aus der Einſamkeit, in der Sie von Jugend auf

, leben, und teils aus den Büchern, bie Sie lieben, und fo gern und oft lefen. Eine Traurigkeit von biefer Art erfchredt mich nicht, und darf Sie auch nicht erfchreden; allein fo gut fie in Anfehung ihres Urfprungs ift, fo kann fie doch durch die Länge ber Zeit fehr beſchwerliche Folgen für Sie haben. Arbeis ten Sie ihr alfo entgegen, theuerftes Fräulein, und halten ie es für Ihre größte Pfiiht, und für den herruchſten Sieg, dieſe Feindinn IHrer Ruhe zu überwinden, es Eofte auch was es wolle. Erinnern Sie fi) daher täglich, und befonders mit bem An— fange bes Tages, an bie fo wohlthätige Pflicht der Zufrie- denheit und ber Grgebung.in den göttlichen Willen. Sagen Sie zu ſich felbft: „Warum biſt du traurig oder uncupig? „Deine Religion, bie dir Gott gegeben hat, befiehlt dir bie uBreube, und iſt die zur Ruhe der Seele gegeben. Alles alfo, „was dich bey deiner Tugend zur Traurigkeit und Schwermuth führen will, muß dir nothwenbig verbädtig ſeyn. Gey nicht ntsaurig bu fündigeft an bir felbft bu verfündigeft dich an ber Zugend und Frömmigkeit, weil Andere ads beinem Bey— Spiele ſchließen werben, baß fie das Herz traurig und nieders Deſchlagen mache bu verfündigeft dich an dem Heren deines febens; denn Unzufeiebenheit in cine Art des Undants, den „wir begehen, ohne daß wird wiſſen und wollen. Denke body man das Gute, das du vor fo vielen Andern geniefeft, an

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„das blühende Eeben deiner Jugend, an deine Geſundheit, an den Schlaf, ber dich erquidet, an bie Bequemlichteit deiner „umſtaͤnde, an bie wohlzubereitete Mahlzeit, die täglich auf „dich wartet, an das Gluͤck, ben Verluſt liebenswürdiger Ael⸗ „teen durch liebenswürdige Verwandten erſetzt zu haben. Denke an bie Güter deiner Seele, an deinen fähigen Verſtand, „an dein fühlbares Herz, an bie Glüdfeligkeit eines ruhigen „Gewiffens, die mehr if, als das Leben felbft; und enblid) „denke immerbar an ben liebreichen Geber aller diefer Güter und „Borzüge, und daran, daß nody eine ganze Ewigkeit zu deiner „immerwährenden. Freude auf di, mac feiner unendlichen Gnade, wartet. Iſt es moͤglich, daß bir das Leben eine Laft „ſeyn Tann, wenn bu alles biefes überlegft?

Berfiteue alfo deine ſinſtern Gedanken, und unterbrüde deine „ſchwermüthigen Empfindungen. Du findeft die Freundinn „oder den Freund nicht, wie du ihn wünſcheſt. Aber fucheft du „nicht vielleicht eine vollkommne Freundſchaft, die nur „in Gebanten möglich ift; bie in bem Buche zwar duch Nach „ahmung, aber barum nicht zur völligen Erreichung fo ſchön „abgebildet wird? Duidet Gott die ſchwachen Menſchen, fo „dulde aud den unvolllommnern Zreund, und wenn du beſſer „biſt, als Andre, fo trage und verbefiere bie Zehler der andern, ‚die du zu beinem Glüde nicht Hafl. Die Glüdfeligkeit in dieſem Leben beſteht nicht barinne, daß alle deine erlaubten unb guten Wünfche erfüllt werben müffen, fondern barinne, daß bu did) bemüht, fo gut, fo weife, fo nuͤtlich, fo ruhig zu werben, als bu nad) ber Wernunft unb der Offenbarung wers „ben. folfl. Sey geduldig; biefe Tugend ſollſt du eben zu „seinem Glücke hier auf Erden lernen und üben, Sey getroſt; Gott wacht über bie Schickſale derer, die auf ihn vertrauen, „beſonders. Sey froh in bie, denn Gott giebt und mehr „Gutes, ald wir in Ewigkeit ihm verdanken köͤnnen.“

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Aber biefe Betrachtungen, gnäbiges Bräulein, bringen nicht allezeit gleich ſtark in uns ein; fie weichen auch halb wieder aus unſrer Geele, wenn wir fon einen Hang zur Traurigkeit has ben. Gntfernen Sie alfo alles das, was die Zraurigkeit nährt und unterpält,

Mein erfter Rath iſt: Lefen Sie weniger. Ihre Elas riffa und Ihr Grandiſon find vortrefflihe Bücher, aber Ihrem Herzen ſcheinen fie nachtheilig zu feyn. Nehmen Sie alfo Tünftig Lieber bloß hiſtoriſche, bloß moralifche, phyſikaliſche Bü— her zur Hand.

Zweytens: Meiden Sie bie Einfamleit, fo viel Sie tönnen, wenn es Ihnen gleih fauer wird. Mas den Sie ſich Heine nützliche Gefchäfte, die fi für Ihren Stand und Ihr Geſchlecht ſchicken. Haben Sie keine beftimmte Arbeit, fo arbeiten Sie zum Beſten ber Armen, was Ihrem Charakter am anftändigften feyn mag. Die Kenntnig und Beforgung des Hausweſens iſt eine rühmliche Pflicht des ſchoͤnen Geſchlechts; und das Haus weislich regieren helfen, iſt beffer, als die ſchön⸗ fien Bücher Iefen, und keine haͤuslichen Pflichten beforgen. Die Bewegung und Weränderung, zumal im Freyen, ift nicht blog Arzney für ben Körper, fie Heitert auch unfer Gemäthe auf.

Drittens rathe ich Ihnen: Laffen Sie fih ja nie bie Sucht, unglüdlid zu wählen, einen Ekel vor der Ehe überhaupt erweden. Die Gefahr dieſes Standes iſt groß, gnaͤdiges Fraͤulein; aber es giebt body noch gute und liebenswürbige Männer, wenn es gleich keinen Granbifon giebt; und endlich wer hat dieſen Stand eingefeget? Eefen Sie ja, wenn ich bitten darf, was die Frau von Beaumont in bem Magazine für erwachſene Frauenzimmer von biefem Artikel ſagt. Sie verdient in bem gegenwärtigen Balle mehr Glauben, als das, was Männer darüber fagen Zönnen. Sollte für eine liebenswärbige und ebelgefinnte Perfon Ihres Geſchlechts

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nicht auch ein licbenswürbiger unb ebeigefinnter Mann vorhans den fegn? Und wenn ers noch nicht genug wäre, kann ers nicht durch die Hülfe einer tugendhaften Liebe noch mehr werben? Zaſſen Sie alfo Muth, gnädiges Bräulein! Die Religion und Ihre eigne vortreffliche Einſicht, von ber mir Ihr Brief ein Beweis ift, werben Ihnen genug Mittel wider bie Traurigkeit darbieten. Gebrauchen Sie biefelben täglich, und Sie werben täglich ruhiger und zufriebner werben. Gott gebe Ihnen dieſes GSlück! Und von wem follen wir das größte Gut bed Lebens, Zufriedenheit und Ruhe ber Seelen, mehr hoffen und bitten, als von dem Gott alles Troſtes und dem Water der Barmherzigkeit, der die Menſchen fo umenblic liebt? Ich bin mit der volllommenften Ehrerbietung G.

N. S. Noch ein Wort, gnädiges und theuerſtes Fraͤu⸗ lein! Auf der legten Seite Ihres mir fo fhägbaren Briefs ſteht eine Stelle, die mich beunruhiget. „Ich Tann mic doch auch „nicht vorftelen, fagen Sie, baß der Liebreiche Bott ſich dadurch „beleibigt finden follte, wenn man fich wünfchet, je eher, je lies ber, dieſes Standes der Unvolltommenheit entlebigt und cwig „glũuctlich zu werben.” Wenn Sie dazu bie Ginfchränkung fegen: wofern es ihm und feinen heiligen Abfichten gefals Ien foltte fo ift dieſer Wunfch des Todes ein hriftlich edler, hoher und feliger Gedanke. Außerdem erfordert es unfer Gehor⸗ fam und die Liebe gegen Goft, daß wir es und auf biefer Erde, auch unter ben Widerwärtigkeiten, Leiden und Schwachheiten dieſes Lebens, fo lange gefallen laffen, ald er, ber Herr unferer Tage, der Herr Über Leben und Tod, uns nicht ſelbſt abruft. Diefe Stimme: Kommt wieder Menfhenkinder! follen wir mit einer heiligen Gelafienheit und täglichen Bereitſchaft erwarten, „— Eins (fagt Moulin in feinem Buche von

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dem Frieden ber Geele) „eins fol und Anlaß geben, bie „Welt mit guten Augen anzuſehen, weil nämlich, bie Erbe ber „Ort unfers Aufenthalts tft, ehe wir in ben Himmel eingehen, „und weil alles, was uns auf biefem Wege begegnet, uns dahin „u treiben bienet. Aue Geſchoͤpfe, die durch bie Sünde nicht „yerberbt find, leiten uns gu Bott; unb e& iſt Keines unter ihnen fo böfe, das uns nicht Anlaß gebe, unſre Gedanken zu ihm zu erheben. Allen denen, die ihn Lieben, lachet bie Natur feeundtich zu; Gottes Wohlthaten und Güter umgeben uns, „fein Gefeg unterweifet uns, und feine Werheißungen tröften und. Er leitet uns mit feinem @eifte, und bedecket uns durch feine Vorſehung. Er zeiget uns ben aufgeftedten Preis am Ende des Schrankens. Durch diefe Mittel faͤlt uns bie Melt „fo verdrießlich nicht. und wenn wir mit einem wohl⸗ „bedachten Urtheil dasjenige, was gut und böfe in ihr iſt, ers „twägen: fo nehmen wir wahr, baß wir es beffer barinne haben, mals Andre, und daß das eben nicht allzubdfe ſey, weil es ber Weg ift, der ums zu Gott führet.“

Wollen Sie ferner an mich ſchreiben, gnäbiges Fraͤulein, fo wird ed meine große Pflicht feyn, Ihnen zu. rathen und zu bies nen, fo viel ih Tann und weis. Sie können Ihren Ramen au kunftig verſchweigen, damit Sie unbeforgter fchreiben.

263. an Garoline Lucius.

2%, 29, März 1762, Liebfte Mademoifelle! Der fromme Bann mit feiner Tugendfurcht hat alfo, wie Sie mepnen, nicht fogar Mecht; und ich fürchte, er hat ſehr

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Recht. „Iſt nicht fhon Stolz dabey,“ ſpricht Ihr Brief, „wenn ich mich fürchte: meine Tugenden möchten mic ſtolz „machen? Muß ic mits nicht da ſchon fehr bewußt feyn, daß th) fehr fromm und foriel beffer, als andere, bin?“ Barum ſollte das fchon Stolz ſeyn, gute Gorrefpondentin, wenn ih mic fürchte, meine Tugenden möchten mich ſtolz machen? Es iſt in einem guten Herzen, was es ift; eine Be— forgniß, bie fih auf gar zu gute Erfahrungen gründet: auf die Gewißpeit, daß wir uns bey unfern Tugenden gern zu fehr gefallen, und unfern Kräften zu viel zutrauen. Wir follen uns alfo freplich nicht forohl vor unfern Tugenden, als vor der Eigenliebe und dem Gtolze fürchten, bie unfre Tugen— den überall begleiten, und von ihnen Gelegenheit nehmen, uns ſicher oder ſchlafrig gu machen. Berwuft feyn darf ich mirs wohl, baß id fromm bin, auch fehr fromm, und beffer, als andre; das iſt der Stolz nit, Wenn es wahr ift, daß ich fo befchaffen bin, und ich fehe meine Vorzüge, Gaben und Tugen⸗ den für das an, mas fie find, für unverbiente Gefhente und Gnaben ber Vorfehung, fo bin ih dbemüthig, wenn gleich mein Herz den Ausſpruch thut, daß ich beffer bin, als taufend Andre. Aber weil wir fo leicht in biefer Wergleihung mit andern irren Eönnen, fo ift e& fichrer und eine Pflicht, ſich lieber geringer, als andre, und andre höher, als ſich, zu ſchaͤten. Wenn wir hingegen noch fo befcheiden von unfern Tugenden urtheilen und fie als unfer eignes Werk anfehen, fo find wir ſtolz, und laffen uns von unferm Herzen belägen. Wir Fön nen daher andre, es fey nun mit Wahrheit ober aus Irrthum, weit über uns in Gedanken fegen, uns gegen fie für Fein achten, und doch auf bas wenige Gute, das wir an und ans treffen, eben fo herzlich ſtolz ſeyn, als andre auf ihre großen Berdienſte. Müffen wir und endlich prüfen, und uns felbft er— Eennen, fo bürfen und müſſen wir auch unfee Tugenden ers

Zennen, und damit fie und nicht ſtolz machen, fo müffen wir fowohl auf ihre Mängel fehen, bie unfer Werk find und bie wie nicht gern fehen, als aud auf unfer Unvermögen bey aller unfter Tugend, damit wir die Quelle bes Guten nicht aus den Augen verlieren und eben dadurch unfer Gutes felbft. Liebfte Gorrefponbentin, die Sache, bie ich Ihnen auf biefen zwo Geis ten gefagt habe, mag wohl wahr feyn, aber um ſchoͤn gefagt zu ſeyn, follte fie nur eine halbe Seite einnehmen, Vergeben Sie es meinen Krankheiten und Berufsarbeiten.

Zugleich fende ich Ihnen wieder einen Brief von fremder Hand, nebft meiner Antwort zum Durchlefen, theils um Ihnen mein Vertrauen und meine Freundſchaft zu beweifen, und theils, um &ie mit bem Charakter bes ungsnannten Frauenzimmers befannt zu machen. Diefes Fräulein, die ich beklage, iſt ſowohl des Mitleidens einer guten Lucius, als auch ihres Briefwechels wert, und vielleicht Könnten Sie viel zu ihrer Beruhigung bey: tragen. Aber laffen Sie diefe Briefe, ich bitte Sie herzlich, ja nicht in frembe Hände kommen. Sie wiffen die Urſachen nur zu gut, bie mich zu biefer Aengſtlichkeit bringen.

Leben Sie wohl, meine liebe Freundinn, und grüßen Sie Ihre werthen Gitern und Ihre gute Schwefter gehorfamft und freunblichft von mir,

Sellert.

N. ©. Bald hätte ich das bequeme Logis vergeſſen, das Sie mir angewiefen haben. Es fcheint recht für mich gemacht zu feyn, und dennoch zweifle ich fehr, ob ichs bald bezichen werde. Indeſſen heben Sie es fo lange für mich auf, als es

moͤglich ift, und bezahlen Gie die Miethe immer auf ein Jahr voraus,

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2»... Gellert an feine Schwerer.

8. d. 1, Mat 1782, Ich betete, da ich Deinen legten Brief gelefen hatte, mit: dem Worten ber Kicchenfürbitte: Gieb ihr, o Gott! chriſtliche Gebuld, ftärke ihren Glauben u. f. w. Ja, liebe Schweſter, Euer Leiden ift groß, ich fühle es vor ben melnigen nicht ges nug; aber ich glaube, daß Ihr mit mehr Kraft und Stärke des Geiftes traget, ald ich, Wir wollen für einander beten, eins ander tröften, und uns bemühen, durch Stilleſeyn und Hofffh ſtark mit Gott zu werden. Die Elenden ſuchen Waffer, und iſt nichts da. Ihre Zunge ift verborret vor Durſt. Ich ber Herr win fie erhören. Ich ber Gott Ifeael will fie nicht verlaſſen. Diefe Stelle, die mir unlängft bey dem Lefen der Wibel aus dem Zefala, Gap. 41, 17. in dieXugen fiel, ift mir in diefer Woche, in ber ich viel harte Stunden gehabt habe, oft ein Schild und Troſt geworden, Auch Arndt in feinem andern Buche, unges fähr vom 43. Gapitel an, hat uns viel Troſt gefammelt,

Gott ftärke Euch, und fegne alle bie Unfrigen, &

An Caroline Lucius. 2. d. 15. Juni 1762,

Liebfte Mademoifelle! In der That Haben es alle meine Gorrefpondenten Jeichter, ald Sie, und biefes nicht blos aus den fehr wahren Urfachen, Gellert V.

die Sie angeführt haben*). Wein, ich will billig ſeyn, und Ihnen noch etliche nennen, die Sie entweder nicht haben wiſſen Zönnen, ober bie Sie aus Beſcheidenheit nicht bemerket haben. Niemand, ja Niemand, weder Mannöperfon noch Frauenzimmer, ſchreibt fo oft an mich, als Cie. Niemand fchreibt auch fo viel an mid, ober fo lange Briefe, und Niemand ſchreibt mir end⸗ lich auch fo fhöne Briefe. Alle aber haben meiftens mehr Ins Halt und Materie zur Correſpondenz, als meine Dresbner Sreuns bin. Es if wahr, bie Bräulein Schönfeld ſchreibt treffliche Briefe, aber fie fehreibt nicht oft und hat den Ausbrud im Mutſchen wicht fo fehr in der Gewalt. Endlich fchreibt fie ſtets ernſthaft am mich. Die Bräulein Erbmuthe**) ja, liche Mabemoifelle, die Lönnte auch eine große Nebenbuplerin Ihres Berdienſtes werben, aber es fcheint nicht, baf fie es Ihnen fo bald ftreitig machen wirb, denn fie hat mir noch nicht auf meis nen erfien Brief geantwortet. Ich habe es Ihnen, wo ich mi weht befinne, ſchon im Anfange unfeer Gorrefpondenz geftanden, hop Sie bey derſelben die Hauptrolle haben, und ich hingegen bie leichte. Ic beantworte felten Ihre Briefe genau, und raube Ihnetz alfo den Vorrath zu künftigen; oder, welches noch ſchlim⸗ mer iſt, ich antworte gar nicht, bis ie zum zwepten Male ges fhrieben haben. Und ich denke, in biefer traurigen Stellung fehen Sie igt mit mir. Aber laſſen Sie mich auch fagen, daß ich vor der Meffe oft krank, nachher vier Wochen auf dem Lande mit einer Gur befchäftiget, und die übrige Zeit in Bahren und Meiten vertheilet gewelen, und endlich nunmehr wieber Docent und aller Menfchen Gorrefpondent und über biefes immer noch Tran? bin. Damit ich Ihnen indeffen Materie zu einem Briefe, unb mir mein eignes Vergnügen zugleich verſchaffe, fo ſchicke ich

) Gr Fi Briefe d. 30. Maͤrz: Briefw. 98, mit Dem, Lucius, ) —S die Verſafferin des Briefed Re. 201.

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Ihnen ein Kleines Bebiht an ben Herrn Grafen Moltke und feine Antwort darauf. Schreiben Sie mir, wie Ihnen beydes gefaͤult: fo habe ich einen Brief mehr von Ihnen, und Gie has ben wenigftend einen ganz unbankbaren Inhalt. Daß ich auf die Porfie feit vielen Jahren Beinen Anfpruch mehr made, und alfo auch nicht auf das Lob etliher Zeilen, biefes habe ich Ihs nen, mas ben erften Punkt betrifft, ſchon bey andrer @elegen« hett gefagt, und ben anbern werben Sie mir fhon zutrauen,

Alſo Habe ich doc nach vielen Monaten wieder einmal an meine fo liebe und befte Gorrefpondentin, an meine vorzügliche Freundin in Dresden, an bie gute Luelus gefchrieben! Leben Sie wohl, und grüßen Ste Ihre Jungfer Schweſter, auch Ih⸗ ren Herrn Bruder.

Gellert.

Wie ich mich bey dem Gebrauche der Cur befunden habe? Recht erträglich, Dank ſey Gott! recht erträglich, bis auf den letzten Tag. Der war hart, fehr hart, gleich einigen, bie ich vor zwey Jahren in eben diefent Monate und in eben ben Tas ‚gen deſſelben dulden müffen.

286. Aus einem Briefe von Caroline Lucius an Gellert.

Dresden d. 29. Juni 1762. Es ift wahr, blos das Gelchent ber Befundpeit feine n mangeln, um Ihren Zuftand zu demjenigen Grade von Glück— feligkeit zu erheben, deffen das menſchliche Leben hier fägig if, und Ihr würbiger junger Breund, Ihr Graf Moltke, und alle iejenigen, bie mit ihm Gott um Gefundheit für Sie bitten, has 31°

1.

ben ſehr Recht, wenn fle es auch In ber Abſicht thun, baß bie Welt es erfahren möge, daß Bott auch ſchon in diefem Leben diejenigen fegne, die ihn fürdten. Keiner zwar von benen, die Sie fo gut kennen, ald der Graf Moltke, wird daran zweifeln, daß Cie, glücticher Herr Profeflor, mit den auserlefenften Glädfeligkeiten gefegnet find. Allein freylich, diefe Glücfeligkeiten, oder doch die

beften derfelben, find von ber Art, daß fie fogar über den Reid erhaben find, und alfo ben Augen der BWenigften kennbar wers den. Denn ift es nicht gewiß, daß ſchon ein gewiſſer Grad ber Tugend bazu gehört, einen Begriff von dem Gegen zu haben, der aus ber Tugend fließt, einen Gefchmad daran zu befommen, und einen Wunſch darnach zu empfinden? Wäre die Welt ger ſchickt, diefe Ruhe und biefe Glücfeligfeit zu verſtehen, fo würde fie bald die Gewohnheit verlieren, bie Glädfeligkeit und Unglüd: feligkeit eines Menfchen nach der Beſchaffenheit feines äußerlichen Buftandes zu entfcheiden, und fie würbe einfehen Iernen, daß bey dem größten Theile der fogenannten Glücklichen i riduce

Nel pardre a noi felici Ogni 1a felicitä. j

und Hätte fie feine Empfindung genug, den unterſchied zwiſchen Berfall und Beyfall, und Liebe und Liebe zu machen, fo würde fie denjenigen höchft glüdlich nennen, der, außer bem allgemeis nen Beyfalle, außer dem eignen Bewußtſeyn feiner Tugend und der Gewißheit, daß er am Ende bes Lebens Gott banken und ſich freuen wird, gelebt zu haben, noch bie Tugend anderer ger nießt, die fie ihm verdanken, und das Lob, das fie fich dadurch verdienen, ja noch mehr, bie entfernteften, glängendften Hoffnuns gen, bie fie ihnen verfpricht, mit ihnen theilet. D Graf Moltke, vie würdig denken Sie des beſten Mannes! Bor dem Angefihte Gottes will er ſich einft feines Lehrers, feines

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‚Breundes, rähmen, und wie virle noch werben dieß mit ihm thun! in ftrahlend Zeugenz. Heer, um Gott für ihn zu banken, Bon Gott ihn nun belohnt zu fehn!

‚Kann nicht der Dann, ber außer ber allgemeinen Liebe die be— ften Zuneigungen folcher Herzen befigt, bie einen eigenthämlichen, vorzüglichen Werth haben, und dadurch, daß fie ihn lieben, und durch die Art, womit fie ihn lieben, ihren Werth noch erhöhen, das Schägbarfte unter allen fhägbaren Dingen, bie nur in der Welt erlangt und beſeſſen werden koͤnnen, fein Eigenthum nen= nen? D wie muß eine Geele, wie die Ihrige, theuerfter ‚Herr Profeffor, dad Städt empfinden, in ben Stand gefegt zu ſeyn, fih den Herzen anderer auf eine ſolche Art theuer zu mas en, daß die Grängen bes Lebens zu enge find, ihre Dankbar⸗ eit und Liebe zu faflen. Wir alle, bie wir glauben, haben Hoffnungen auf hohe Geligkeiten, aber Cie haben hier eine Hoffnung, dort eine Seligkeit mehr, In Ihren letzten feyerlich- flen Augenbliden, wenn die Seele ſchon anfängt, ſich die Freu— den der Herrlichkeit als gegenwärtig zu denken; bann wird bie Borſtellung von ber glorreihen Scene, bie Ihrer wartet, nicht der geringfte oder gleichgültigfte unter Ihren Gedanken feyn. Glädlicher Graf! auch Sie werden alddann, vielleicht fern von ihm und Ihnen unmiffend, etwhs beptragen, bie legten Stun⸗ den Ihres Freundes heiterer zu mahen. Wundern Sie fi) nicht, befter Here Profeffor, daß ich fo lange und mit fo vielem Vergnugen, bem Gedanken Ihres Todes nachhaͤnge. Cie verdienen, fo wie Menſchen es verbienen Können, (dad muß ich dazu fegen; Sie find viel zu groß, um es nicht gern zu fehen, wenn ich auch in Ihrem Namen bemüthig bin,) das Glück, das Ihrer erwartet, und dieß Glück iſt zu fchön, als daß ich das Mittel nicht Lieben follte, das &ie dazu erhebt, auch felbft dann,

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wenn es mid) kraͤnken wird. @ie felbft müflen ſich barauf freuen, und biefe Freude auf das zukünftige Leben ift eine eigne Ans nehmlichkeit des gegenwärtigen. Es if alfo nichts Wiberfpres hendes, wenn ich fage, daß irh mit einem lebhaften Vergnügen an Ihren Tod und an bie Folgen deffelben denke und dennoch mit dem größten Gifer um die Verlängerung Ihres Lebens beten Tann. Denn durch ein längeres Leben können Ihnen die zukünf- tigen Freuden bes Genuffes nicht verkürzt werben. Es bleibt allemal eine Ewigkeit übrig. Aber durch ein kurzes Leben müß- ten Sie nothwendig von ben gegenwärtigen Freuden der Hoffe nung und Erwartung verlieren.

Der Inhalt, den Sie, gütiger Profeffor, mir verfchafft has ben, ift fo wenig undankbar, daß er mi von Betrachtung zu Betrachtung führen würde, wenn ich mich demfelben länger übers Hehe, Erlauben Sie mir indeflen nur noch, hier einer Art bes ausgefuhteften Bergnügens zu gedenken, das ich dem glüdlichen Gindrude, den Ihr Werth auf mein Herz gemadt und ber durch die großmüthigfte Freundſchaft, deren Sie mid würdigen, und buch die bankbarften Empfindungen, bie ih Ihnen dafür f&hulbig bin, noch rührender gemacht worden, zu banken habe, indem er mich berechtiget, einen befondern Antheil an Thuen und demjenigen, was Ihnen angeht, zu nehmen. Haben Gie jemals einen Menfchen gefunden, deſſen Herz zum Gefühle einer allgemeinen Menicyenliebe empfindlich gebildet gewefen, und ber bep dem Gedanken, daß alle übrige Menfchen mit ihm Urfprung, Weſen und Intereffe gemein haben und mit ihm zu einerley als gemeinen Hauptpflicten berufen und zu einerley Beftimmung eefchaffen find, fühltos geblieben? Es ift gewiß, daß diefe Bes trachtungen ein jedes Herz, das menfchlich empfinden Tann, auf bie angenehmfle Weife rühren müffen. Und nun denken Gie fid die Empfindung eines folden, oder wenn Sie lieber wollen, bie Empfindung meines Herzens, das fi) im Gtande befindet, ſich

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Naus ber Verbindung aller übrigen Menſchen eine Heine Anzahl auözufondern, mit denen es ein befonderes Intereffe, einige ber fondere Pflichten und Hoffnungen, gemeinfchaftlich theilt und ihnen deswegen näher anzugehen fpeint; und dann @ie als das Band dieſer engern Verbindung betrachtet. Man hätte mich mit den Charakteren des Grafen Moltke, bes Grafen Morig, des Fräulein Schönfeld und aller Ihrer Freunde bekannt mas hen können, ich würde mich ihres Werthes gefreuet und ihnen dazu Glüd gewünfht haben. Allein zu willen, daß ich ein bes ſonderes Intereffe mit ihnen theife, daß wir in Abſicht auf dafs felbe einerley Wünfche, einerley Pflichten, einerley Hoffnungen haben, zu wiffen, daß wenigftens einmal des Tages unfere Ges bete, im genaueften Verſtande, einerley Inhalt Haben, und bann bie glücliche Phantafie höher zu treiben und zu glauben, daß wir vielleicht manchmal zu einerley Stunde Gott für Sie danken ober für Cie anflehen, dieß, theuerfter dere Profeffor, ift eine Vorſtellung, bie die allgemeine Menfchenliebe in Anfes hung ihrer erhöht, zärtlicher macht und meinen beffern Zuneis gungen in ihnen neue Gegenftände zeigt.

Ich habe mic fehr ſchwach ausgebrüdt. Je empfindungs reicher ein Inhalt bey mir ift, deſto mehr zeigt er, daß Worte blos Worte find. Sie fehen indeffen, liebſter Herr Profeffor, ob ic den Inhalt zu brauchen gewußt habe, ben Sie mir zu geben gütig genug gewefen find. Welch eine Menge habe ich gefchrieben! Und doch habe ich noch nicht gefagt, wie Ihr Ges dicht und die Antwort mir gefällt. Ich will deydes ſchoͤn nens nen und bann nichts mehr davon ſagen. Ich fühle es nur all zuwohl, daß ichs nicht bin, die Sie und diejenigen, fo Ihrer werth find, loben Tann, und es iſt mic auch genug, daß meine Empfindung fo richtig ift, daß ich das wahre Schöne felten erkenne,

Meine Eltern empfehlen ſich gehorſamſt. Mein Bruder und

meine Schweſter find aufs dankbarſte durch das ſehr gütige Ans denken gerührt, womit Sie dieſelben beehren. Sie Lüffen Ihnen die Hände. Ich habe die Ehre zu feyn Sochzuehrender Herr Profeffor! Ihre gehorfamfte Dienerin C. C. Lucius.

262. (es.) An einen Geiftlihen ber römifhen Kirde in Böhmen.*)

e. d, 21. Juli 1762.

Je unerwärteter mir ber Beyfall geweſen ift, mit dem Sie meine Schriften beehret haben, deſto angenehmer hat er mir

*) Diefer Brief ift eine Antwort auf einen zwar ſehr gut gemehn- ten, aber ohne Gelaubniß ſeines Werfaffers nicht brudtbaren Drief eined Söhmifchen Geiftlichen, der Gelferten fehr ernfl- UA que ebmifden Kicdje zu bekehren fudhte. Der Pater ** nimmt in bemfelben, nad) vielen vorausgefhidten Lobeseche- bungen ber Gellertfäjen Sqhriften, und befonderd ‚feiner Lieder, die Gelegenheit dazu von dem Liede über den thätigen Slauben; fragt Gellerten: „Sind Gie denn ein „Qutheraner? Bepnahe glaubte ihes niit, wenn „Sie nit in Dero Borrede bed Deren D. Luthers „erwähnt hätten.” führet darauf aus- den Schriften Luthers und andrer Lehrer unfeer Kice eine Menge abge zifner Stellen an, die, feiner Mepnung nad), gerade dad Ger gentheit bed Gellertifhen Liedes vom thäfigen Blaus ben fagen follen, im Grunde abernur dem, in dee Kirche derrfchenden Wegriffe von den guten Werken und ihrer Verdienflligkeit, nadpbrudlicdh wiberfpregen; bittet fobann Gott, daß er Gellerten vollendö erleuhten wolle, und befchwört enttich dieſen felbft bei feiner Geligtsit, zur römifen Kirche Überzutzeten, und diefen Mint ber göttlichen Gnade, dee bey

ſeyn mäffen; und id) danke Ihnen für benfelben und für alle die Gewogenheit und Freundſchaft, bie Sie. mir in Ihrem Briefe fo aufrichtig bezeugen, auf das verbindlichſte.

Was bie Anmerkungen anlanget, bie Sie mir in Anfehung des geiftlichen Liebes, ber tpätige Glaube betitelt, gemadt haben: fo kann ich Ihnen breift und zuverſichtlich antworten, daß ber Inhalt diefes Liedes die einmüthige Lehre unfs zer Kirche iſt; daß Eein Menfch bey und leugnet, daß der wahre Glaube nicht die Liebe Gottes, und durch bie Liebe auch gute Werke hervor bringen müffe; daß der rechte Glaube aus zwo Gigenfchaften erkannt werde, aus dem Vertrauen auf das unendliche Verdienſt Iefu Chriſti, durch den wir allein gerecht und felig werben, und aus bem Gehorfame Wir lehren ohne Ausnahme, nach ben Wahrheiten ber Heiligen Schrift, daß die guten Werke, ob fie und gleich nicht vor Gott gerecht und felig machen, bennod als nothwendige Früchte aus dem wahren lebendigen Glauben folgen müflen, und daß der Glaube, bee nach bem Ausfpruche ber Schrift, das Herz reiniget, und alfo bie innerliche Heiligung der Seeie wirket, auch bie äußer- liche Heiligkeit des Lebens und bie Beobachtung ber göttlichen Gebote wirket. Was Lutherus in benen, außer ihrem Bus fammenhange angeführten Stellen, bie Ihr Brief beybringt, gemepnet habe, das hat er an hundert anderen Orten, und zwar fo erfläret, wie es in meinem Liebe fleht. Halten Sie mid) für einen rechtſchaffnen Mann und Ghriften; fo werben Sie mic zur trauen, daß id, hier nichts gefagt habe, als was ich für wahr nad) meinem Gewiffen halte. Indeflen will id zum Ueberfluffe einige Stellen aus Luthers Schriften herſetzen, bis feinen Sinn wegen bes thätigen und lebendigen Glaubens erklären.

feinem Hoden Alter (ev hielt ihn fr einen Mann von ſech⸗ dig Jahren) leicht der Legte ſeyn tönne, ja nicht zu verachten. Unmert, ber Herandgeber. 1774.

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In ber Borrebe über bie Epiſtel an bie Römer: „Es „iſt ein lebendig, gefchäfftig, thätig, mächtig Ding um dem „Glauben, baß es unmöglich ift, daß er nicht follte ohne Un⸗ nterlag Gutes wirken. Gr fragt auch nicht, ob gute Werke zu „thun find; ehe man fragt, hat er fie ſchon gethan, und iſt immer im hun.

„Wie lehren alfo, daß, Gott verfähnen, fromm machen, „Sünde tilgen, fey ein fo hoch, groß und herrlich Werk, bas allein Chriſtus, Gottes Sohn, thun müfle, und fey eigentlich „ein lauter bloß fonderlich Werk bes einigen rechten Gottes und feiner Gnade, dazu unfre Werke nichts find, nod vermögen. „Aber daß barum gute Werke follten nihts feyn, wer „hat das je gelchret ober gehöret? Ich wollte meiner Predig⸗ „ten Eine, meiner Lectionen Gine, meiner Schriften Gine, „meiner Baterunfer Eins, ja wie Mein Werk-ih immer ge than, ober noch thue, nicht für ber ganzen Melt Güter ger „ben, ja ich achte es theurer, denn meines Leibes Leben, das „doch einem jeben lieber ſeyn fol, denn bie ganze Welt. Denn „iſts ein gut Wert, fo hats Gott durch mid und in „mir gethan. Hate Gott gethan, und iſts Gottes Werk, „was iſt die ganze Welt gegen Gott und fein Wert? Ob id nun wohl durch fold Werk nicht fromm werde, (fo durch „Ehriſtus Blut und Gnade ohne Werk gefchehen muß) dennod „iſts Gott zu Lobe und Ehren geſchehen, dem Näcften zu Nut „und Heil, welches Feines man mit der Welt Gut bezahlen ober vergleichen Tann.” Luth. Op. Tom. V. Ien. p. 282.

Mein Alter erfivedt ſich zwar nicht fo Hoch, als Ihnen ger fagt worden; denn ich bin erft feit wenig -Kagen in mein at und vierzigftes Jahr getreten; bennoc haben Sie fehr Recht, wenn Gie glauben, daß ich dem Tode fehr nahe bin, deſſen Vorboten ich feit vielen Jahren an mir habe fehen müfs fen. Gott gebe, daß ich täglich durch Glauben und Gehorfam

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mich gu einem feligen Tode vorbereite; und den hoffe ich in der Religion, in ber ich leben und flerben werde, in der Religion der heiligen Schrift. Ich bin

" G.

268. Un Earoline Lueins. 2. d, 23. Xug. 1762. Liebe Mademoiſelle!

Here Reich, der Gompagnon ber Weidmanniſchen Buchhand⸗ lung, mein Berleger und guter Freund, veifet nach Dresden und fragt mid, ob ich nichts am meine Gorrefpondentin zu bes ſtellen Habe; bein er kennt Sie aus Ihrem erſten Briefe, den ich ihn um die Zeit, da ich ihn erhielt, bey einem Beſuche habe leſen laſſen, weil er ein Mann ift, der Werfland und Geſchmack liebt unb befigt. Diefer Dann mag alfo immer die Freude has ben, Ihnen einen Brief von mir zu überbringen, und zugleich eine kieine Meuble auf Ihre Toilette, bie ſchon drey Jahre un: gebraucht in meiner Commode gelegen hat, und zu ber ich auf eine befondere Act gelommen bin. Ic gab um bie gedachte Zeit einen Beſuch bey etlichen Damen, die von dem Lande zur Mefle herein gelommen waren, und, unbetümmert um ihre Hände, gab ich nur auf ihre Reben Acht, ſprach das Rothwendigſte, unb ging wieder meinen Weg. Den Tag barauf fand ich das beyselegte Etui in meinem Bode. Diefes iſt die Geſchichte des @tul. In der That weiß ich nicht gewiß, von wem fichd her⸗ ſchreibt; aber es iſt doch höcft wahrſcheinlich, daß es durch bie Hände einer der erwähnten Damen in mein Kleid if} practieirt worden. Es mag alfo immer wieder in bie Hände eines Brauens

zimmers Tommen, in denen es am beften aufgehoben if. Schriebe ich noch Bücher, liebe Mademoifelle, fo würbe ich Ihe nen freylich Lieber ein Buch von mir als die Meuble eines Gas lanteriehaͤndlers fchiden ; allein ba ich Feine Bücher mehr fehreibe und Ihnen alfo kein proportioniclid Gegengeſchenk für Ihre Manſchetten machen Tann, fo Tönnen Sie ja leicht ein mir heim lid) gemachtes Präfent unter ber Bedingung von mir annehmen, daß Sie mir den größten Gefallen dadurch erweifen. Run follte ich noch Ihren langen und ſchönen Brief vom 29. Junius bes antworten, aber wie viel würde id} von mir felbft reben muͤſſen, wenn ich ihn aufrichtig und genau beantworten wollte, und wie oft würde ich fagen müffen: Das ift zu viel Gutes von mir ge: fagt und Das auch —! Ich will Ihnen alfo lieber danken, als antworten. Leben Sie wohl mit Ihrem ganzen Haufe, und fhreiben Sie mir bald, daß Sie wohl leben. Ich bin ftets

. Ihe verbundenfter Freund und Diener

Gellert.

269. An dbiefelbe

2%, d. 4, Sept. 1762, Liebe Mabemoifelle!

Da Sie meine Bitte wegen des Etui fo willig erfüllt Haben, fo iſt es billig, da ich Ihre Begenbitte*) eben fo willig erfülle, und das will ich fo bald als möglich thun. Herr Defer, mein Maler, ift ein fehr geſchickter Wann, aber auch, wie alle Künft-

°) (Um Sellerts Portenit, f. den Sriet ©. 27. Aug. 1762 in dem Briefw. &8, mit Dem. Lucius Ro. 48.)

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ler, ein langfamer Arbeiter. Wenn wirb er mir alfo, liebſte Freundin, eine Gopie liefern Tönnen, ba ich weiß, daß wohl ſchon ein Dugend bei ihm beftellt find! Er hat mir biefes ſelbſt geftanden, und es koͤmmt mir auch nicht fremd vor,. da ich das Glüd in der Welt genieße, viele Freunde zu haben. Mit einem Worte, Sie follen mein Portrait Haben; denn welche mei— ner Gorrefpondentinnen hätte ein befferes Recht dazu, als Sie? und wer hätte mich fo berebt und zugleich fo beſcheiden und lieb⸗ reich darum bitten Zönnen, als Gie? Wielleiht Tann mein Bruder die Erfüllung Ihres Wunfches beſchleunigen helfen, ba er Herr Defern gleich gegenüber wohnt. Wenn ich nicht durch⸗ dringen Tann, fo weis ich feinen Rath, ber Helfen wird, als daß Sie felbft an Defern fehreiben. Gr liebt das Geld nicht ſehr, fonft wollte ich feine Gilfertigkeit gern durch eine boppelte Erkenntlichkeit zu gewinnen fuchen.

Ihre Freundin, die Sie fo fehr lieben, hat das Recht unfre Gorrefpondenz zu lefen, weil fie Ihre Freundin if, das verſteht ſich; und wenn lauter gute Leute in der Welt wären, fo möchte alle Welt unfre Briefe lefen: ich denke, ich hätte nicht viel dar⸗ wider, Grüßen Sie dieſe Ihre Freundin auf das Verbindlichſte von mir, und banken fie ihr, daß fie fo gut von Ihnen und von mir denkt. Leben Sie wohl mit Ihrem ganzen Haufe. Der Isft. Schwefter Finnen Sie immer die Meine Galanterie abtre— ten, wenn es wahr wird, daß &ie mein Portrait erhalten. Für Ihren Heren Bruder, ben ich nebft der Meinen Friderike vielmal grüße, will ich fhon ein Buch finden,

Ihr ergebenfter Freund Gellert,

2.0. Gellert an feine Schweſter. 2. d. 5. Sept. 1702,

Gott gebe Euch leibliche Gefundheit und Ruhe, fammt unferm ganzen Haufe. Ia ich habe ein Pferb, und reite auch faft täglich Rachmittags von fünf bis fleben Uhr, aber niemals gerne und felten ohne Bucht. Allein Tann ich gar nicht reiten, fondern ich nehme ſtets einen jungen Herrn zur Gefellfchaft mit, und dieß macht mir viel Unbequemlichkeiten. Gott fey Dank, daß ich diefe Bewegung noch vornehmen Tann. Sie wird mir bie Kräfte nicht geben, bie mic mangeln; fie wirb mir aber zur traͤglich feyn, hoffe ich. Lebt wohl und gefund unb in Sott getroft,

®

272. Earoline Lucius an Gellert.

Dresten, b. 14, Det. 1782,

Hochzuehrender Herr Profeffor!

Die Brau von Gevigne nennts graufam gegen fi feyn, wenn man ſich ein Vergnügen entzieht, das man fih auf eine uns ſchuldige und ungezwungene Art verfchaffen Tann. Ach ich habe vielleicht weit weniger, als andre, unter Vergnügen zu wählen; und graufam gegen mich zu feyn: dazu habe ich mir, denke ic, eine Urfache gegeben. Sie wiffen, wie vergnügt ih bin, wenn ich Ihnen ſchreiden darf, und id habe fo Lange nicht gefchrier ben! Außerdem ift hier noch ein gewiſſer Here Seidelin®),

) Gin junger Däne, der damals in Seiysig udirte. Ebert,

es

der morgen nach Leipzig reißt, und ber mir verfpricht, daß er auch vergnügt ſeyn will, wenn ich ihm einen Brief an meinen beften Herrn Profeffor mitgeben kann. Sie erlauben doch güs tigft, daß ich ihm dieſes Wergnügen made? Gine lächerliche Brage! werden Sie denken. Frevlich; aber ich bin mit allem dem zufrieden, daß Sie mir nicht barauf antworten Eönnen, und daß ich nur Ihre Antwort vorausfegen muß, Ginmal Ummt mir doch zu, fo zu fragen. Wenn Sie mic nun ants worten Zönnten, fo würde es oft heißen: "Heute nit, mein gu⸗ tes Kind! Go ungefähr, wie manchmal bey uns, wenn fi jemand melden läßt: „Ia, heute gehts nicht an. Wir has ben zu thun. Wir haben Kopfihmerzen. Wir müffen aus: gehen.” Kommen aber die Leute, ohne vorher zu fragen; Gut! So find fie da. Wer kann fih Helfen? Wieleiht tput men erſt ein wenig fleif unb fremd, hernach fit man fih, fo gut man kann, und endlich wirb man wohl gar verbrießli, wenn fie wieder fortgehen wollen. Denken Sie ja nicht, daß ich das Letzte hier auf meinen Brief anwenden will, O nein, Liebfter Herr Profeſſor, dafür iſt fhon geforgt! Denn was habe ih Ihnen zu fagen, das Sie verbrieplic machen koͤnnte, wenn ich aufgöre?

Eine einzige Frage wollte ich mir indeffen wohl bie Freiheit nehmen an Gie zu thun, und gehorfamft bitten, daß Gie mir diefelbe einmal nach Ihrer Bequemlichkeit beantworten wollen,

Mein Better, der D. Stieglig °), gab mir ben erſten Theil von dem Emil des Rouffeau zu lefen, ohne felbft etwas von biefem Buche gelefen zu haben. Es war mir lieb; denn bie: Berfolgungen, bie dieſes Buch erlitten und feinem Verfaſſer zu⸗

..) Sodn bes ocblmenAriebrathe und Buͤrgermeiſters Stiegtig in eippig, bee durs feinen unfäten und flatterhaften Ginn feinem würdigen und duch Ernefi’8 clafffhe Buelgnung des Giceeo berühmten Water vielen Kummer malte, Ebert,

32°

gezogen, madyen es intereffant, and fo natürlich es if, wenn jemanden ber Kopf abgefhhlagen wird, zu fragen: Was hat er gethan? eben fo natürlich ift es, wiflen zu wollen, warum. bad Bud zum Zeuer verdammt worden. Heute kommt Gtieglig zu mir, Ich ſpreche: Hier haben Sie Ihr Buch wieder, geben Sie mir nun den andern Theil. „„Rein, Gouſine.““ Run? warum? „„Ich leſe ſelbſt nicht weiter. ,Deds ‚wegen Tann iche body wohl leſen.“ „„Im Ernſt, Goufine, Sie „kriegens nicht; ich darfs Ihnen nicht geben.’ „Wer vers „wehrts denn?“ „„Doctor Reinh „Was geht uns D. Reinhold *) an?" „„Fragen Sie nur Ihren Bruder, ber „„dats gehört; ber Doctor fagte, es wäre ein giftiges Buch. „„Er giebt mir den Fluch, wenn ichs Ihnen leſe laſſe.““ „Das fteht aber fo Gefägrliches darinnen?“ „„Auf mein „„Wort, ich weiß es nicht, ich habe es ja nicht gelefen, aber nder Doctor" „D mit Ihrem Reinhold!" ,,,,Aud „„andre Leute. Der Geh. Rath Fritſch fragte mih, ob ih „naͤrriſch wäre, daß ichs Ihnen gegeben hätte? Ich darf ges „„wiß nicht. So fleitten wir, liebſter Herr Profeffor, und endlich verglichen wir uns bahin, daß ich Sie fragen follte, wos fern Sie das Bud) Tennen, ob er mird geben darf, und er lieh mich verfpredhen, es nicht zu leſen, wenn Sie ed nicht wollen, und wenn mirs auc hundert Leute geben wollten. Das that ich gern, und wills ihm auch Halten. Große Luft hätte ich, zw fehen, was für ein Eehrgebäube von Religion Rouffean feinem Mail beybringen und auf welche Art er fie ihn Iehren wird. So habe ich Ihnen benn wieber, mein theuerflee Here Pros feffor, eine halbe Wiertelftunde Zeit verberbt! Nun will ich eis len und es dem Herrn Dberpoftcommiffär eben fo machen, und hernach untröfttich feyn, wenn Sie verbrieplich darüber werden.

®) Hokfrath Reinyott, damaliger Amtmenn zu Dredden. Ebert.

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‚Herr Seidelin hat mir auf die Fragen, bie ich Ihrer Ges fundheit wegen an ihn that, ſolche Antworten gegeben, wie ich fie immer zu erhalten wünfde. Leben Sie ferner recht ſehr wohl. unſer ganzes Haus empfiehlt fih Ihnen gehorfamft. Ich habe bie Ehre zu feyn

Hochgeehrtefter Herr Profeſſor! Ihre gehorfamfte Dienerin ©. €, Lucius,

222. An Caroline Lucius,

2, d. 26, Det. 1782, Liebfte Mabemoifelle!

Alle Ihre Briefe find mir fehr Lieb, Sie mögen mir fie durch bie Hände des Briefträgers ober guter Freunde fchiden, und das müßte aud ein fehr mürrifcher Kopf ſeyn, dem fie nicht gefielen, und ber fich nicht darüber freuen follte, daß Sie fo gern an ihn ſchreiben. So viel ift gewiß, daß es mir Fein geringeres Ver— gnügen ift, Ihre Briefe zu leſen, als Ihnen, an mich zu fehreis den; denn ich Lege Ihr Geftändnip nah dem Buchſtaben aus, weil ich weiß, daß Sie nichts anders reden, als was Sie bens fen. Und warum follten Sie auch nicht gern an einen Mann ſchreiben, ber Sie als feine Tochter licht, und bad aus ben bes fen Gründen?

Aber auf ben Emil des Herrn Rouffeau zu fommen, meine berebte Sreundin, ſo muß ich Ihnen kurz geftehen, daß ich von biefem Buche nichts ald bie Worrede gelefen habe, baf mein Les ben, nady meinen Gedanken, zu kurz ift, als daß ichs jemals gang leſen follte, und daß ich, wenn auch bieß nicht wäre, zu wenig ein Freund der Schreibart des Rouffeau bin, als daß ichs gang Iefen könnte, Ich, liebe das Natürliche und einfältig

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Schöne und Wahre, und Rouffeau liebt bad Sonderbare, bad Paradore, und höcftens das fhimmernde Wahre, das in Ber— wunderung unb Beftürzung fegt, es mag überzeugen ober nicht, beffern oder verderben. Es Tann ſeyn, daß in feinem Emil oft viel Gutes und ber Tour nach Neues ftcht, das man vielleicht in andern Büchern von ber Erziehung, in biefer Art gefagt, nicht findet, Allein wenn feine Weisheit im Ganzen ſich nicht mit der Religion verträgt, wie man ihm Gchuld giebt, und aud nur einer einzigen Wahrheit ber heiligen Schrift wider: ſprache , fo entbehre id} fie mit großer Zufriedenheit, und werde, To lange mid, zuverläffige Richter nicht das Gegentheil Lehren, andre lieber bitten, das Merk nicht zu Iefen. Bey Ihnen aber, liebe Mademoifelle, (und hier fehen Sie die Größe meines Zu: trauens zu Ihnen) bey Ihnen, fage ich, will ich eine Ausnahme machen. Denn fo viel Berebfamkeit und Scharffinn Rouffeau auch hat, das Ungegründete gegründet, und bad Mögliche zum Wahren zu machen, fo bin ich doch überzeugt, daß er Ihren Berftand nicht fo leicht hintergehen, und von Ihrem guten und für die Ehre der Religion empfindlichen Herzen mehr zu fürds ten haben wird, als von aller Philofophie. Wen gefährliche und ungläubige Grundfäge in feiner Uebergeugung nicht wankenb machen, fondern feinen Glauben, wenn er fie lieſt, durch ihre Ungereimtheit und Thorheit und Wiberfpruh nur noch mehr befeftigen, wer das von ſich weis und fühlet, der kann in ber That das Recht und zuweilen eine Pflicht haben, ſolche Schrif⸗ ten zu lefen. Ich aber, meine Freundin, ber id bey meinen fiechen Stunden die Schönen Pfalmen eines Rouffeau (ich meine den Dichter Rouffeau) felbft nicht fhön finde, wie follte ich Geſchmack an dem Emil des übelberufenen Rouffeau finden? 3% bin fo ftolz, daß ich glaube, das Beſte von ber Erziehung gelefen oder gedacht zu haben, und fo viel mir auch Rouffeau von dem noch Mangelhaften und unentdeckten in biefer Materie

in feiner Worrebe vorfagt, fo Habe id doch zu den Grundfägen einer gefunden und durch bie Religion verbefferten und aufges Härten Vernunft fo vieler großen Männer das Vertrauen, daß fie das MWichtigfte, Brauchbarſte und durch bie Erfahrung gans zer Iahrhunderte am meiften Beftätigte in ihrem Unterrichte nicht fo Teicht werden überfehen Haben, wenn fe uns aud) viel Müfiges und nur im Gedanken Wahres mitgelehret hätten. Ich wollte wohl wetten, daf Mosheim zu Ende feines erften Thei— les ber Sittenlehre, auf wenig Blättern, mehr brauchbare Weis⸗ heit zur guten Erziehung vorgetragen hat, ald Rouffeau in feinen vielen Bänden. Ja, ich wette noch mehr, ich vermette meinen Namen, und alle meine Schriften, und alle meine Freunde, daß wenn ie, meine liebe Lucius, die Tochter des Rouffeau wären, Sie unter feinen philofophifhen Händen nicht Halb fo vortrefflich erzogen wären, als Sie an der Seite einer nicht fpeculativen, fondern verftändigen frommen Mutter find erzogen worden. Bafedow in feiner practifchen Philoſo⸗ phie für ale Stände hat in zwey kurzen Gapiteln bie vornehms ſten Regeln von dem Unterrichte unb der Erziehung der Jugend (su Ende des erften Bandes) gefammlet, und, einfältig mit Zahlen bemerkt, dem Lefer hingefegt. Leſen Sie biefe, güte Mademoifelle, wenn Sie den wigigen Emil gelefen Haben, und fagen Sie mirs alsdann auf Ihr Gewiſſen, ob ein verftändiger, forgfättiger, criſtlicher Water, oder auch eine ihm ähnliche Mutz ter, ober fo ein Lehrer, Anführer, oder Freund, bey einer Mugen Anwendung biefer und ander einfältigen Regeln, den Verftand und das Herz ihrer Jugend nicht gewiffer und kürzer und glüd- licher bilden werden, als nach den feyerlichen Betrachtungen eis nes Roufleau, der ſich in denfelben, vieleicht mehr ihrer Kühn heit, als Nugbarkeit wegen, gefällt. Doch wozu biefes Alles? Scheint es doch, ale ob ich bie Erlaubniß, die ich Ihnen ertheis let, nur darum ertheilet hätte, um Sie Ihnen mit ber andern

Hand gu nehmen. Aber mein, Cie follen fie behalten, weil ih Ihnen mehr Stärke zutraue, als den meiften hundert andern Kefern ; es wäre denn, daß Ihr Herr Vetter D. Stieglig ih diefem Privilegio widerfepte, Leben Sie wohl mit Ihrem gans sen Haufe, das ich ergebenft grüße, und deſſen Güte Herr Geis delin fehr rühmet.

Gellert,

a2. An biefelbe 8. 8.36. Dit. 1768,

Liebfte Mabemoifele,

In dem Augenblide, da Goedicke meinen Brief auf die Poſt getragen, kam ein wackrer Mann zu mir, dem ich fagte, was ich Ihnen auf Ihre Frage wegen des Emild geantwortet hätte. „Ich, ſprach er, habe das Buch ſchon in Braunſchweig gelefen. Es ift wegen feiner hinreißenden Beredſamkeit das gefährlichfte, das vielleicht jemals zum Umſturze ber chriftlichen Religion ger ſchrieben worden. Er entwirft, indem er die Wahrheiten und Srundfäge der Dffenbarung gefhidt zu Bernunftwaprheiten macht und fie naturaliſirt, fo ein reigendes Bild der natürlichen Religion, daß alle geoffenbarte überflüßig zu ſeyn ſcheint. Gnds lich erllaͤrt er ſich offenbar wider die Goͤttlichkeit der Schrift, ob er fie gleich wegen ihrer Einfalt und Hoheit zu dem beften Buche, und unfern Erlöfer zum göttlichften Menſchen mit tau— fendfachen Lobfprüchen erhebt.” Wer, fegte mein Freund Hinzu, wer in feinem Gtauben wahrhaftig und göttlich gegründet if, und in feinem Herzen bie Kraft ber Schrift empfindet, ber wird, wenn er das Buch gelefen hat, Gott danken, daß er nicht

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Rouffeau if; Gott bitten, daß er ihn nicht zum Glauben eines Rouffeau berabfallen laffe; an biefem geiftreihen Seri— benten erennen, wie fehr ber Glaube bem Wige und Stolze bes Menſchen zumiber ift, und wie gern er fich in ber Naturtugend allen Zwang anthut, wenn er nur die Zeffeln einer Offenbarung dadurch zerbrechen Fann. Dieſes fagte ber wadre Mann, und kaum hatte ers gefagt, fo eile ich aus Pflicht und Liebe es Ih⸗ nen zu fagen, und ie zu bitten, mit der Lectüre dev übrigen Theile bes Rouffeau noch einige Zeit anzuftehen; und was könn⸗ ten Sie wohl der Bitte Ihres Freundes Gellerts verfagen?

274. Caroline Lucius an Gellert.

Dresden, d. 8. Rov. 1762,

Hochzuehrender Herr Profeffor!

Der neun und zwangigfte October war mir ein fehr glüdlis der Tag, und das aus zweyerley Urfachen. Zwey Briefe auf einmal von meinem beften, meinem verehrteflen Freunde! und gleich vorher Doch bie Urfache, die mich zuerft auf die Gedanken brachte, daß der Tag für mich glücklich fey, will ich Ihnen hernach fagen. Ist will ih nur an Sie und Ihre Güte denken; aber alle meine Liebe, alle meine Ehrerbietung, alle meine Dankbarkeit ift nicht hinreichend für Sie, Ich Eönnte keine Zufriedenheit haben, wenn ich nicht wüßte, daß ie mein ganzes Herz kennen. D gewiß! Sie kennen ed. Niemand Tann feinen Vater beffer lieben; und wenn ich, denke ich, meine liebſten Anverwandten nicht hätte und Niemanden angehörte, der mir werth wäre, fo würde doch ber Gedanke, daß einer von ben beften verehrungsmwürbigften Männern, der Mann, ben alle

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Rechtſchaffne Lieben, ben auch bie hochachten, bie es nicht find, mich wie feine Tochter liebt, und es mir felbft ſagt, ſtark genug feyn, mein feeres Herz zu erfällen und zufrieben zu fielen. Sa, mein theuerfter Herr Profeffor, ih will &ie beftändig kindlich verehrten. Laſſen Sie mid immer Ihre Tochter, Ihre Caroline fepn. Hören Sie, nennen Sie mic mandmal Ihre Garoline, wie mein Bater und meine Mutter thun, und wie Sie thun wuͤrden, wenn ich wirklich Ihre Tochter wäre.

Was Sie fih für Mühe geben, unb wie viel gütige Sorg⸗ falt tragen Sie nicht für mich! Ja, liebfter Herr Profeffor, id) will den Emil nicht leſen. Dr. Stieglig hätte ſich dem Privflegio, es zu leſen, widerfegt, wie er mir gefagt hat. Er bat das Buch nunmehr gelefen, Er fprüht, das Irrige darin— nen fey fehe fubtit, und er hält dafür, daß es Leuten von fei⸗ nem Berftande gefährlicher feyn Tann, als gemeinen Leſern; doch freute ex fich über den Rath, den aud Sie mir gegeben haben,

es nicht zu leſen, und lobte meine Bolgfamkeir! Ich gebe es

willig auf; denn gefegt auch, dieſe Lectüre fhadete mir gar nichts, fo iſt fie mir doch fehr entbehrlich; und eine Schrift, bie unfere Grundfäge und unfern Glauben in Gefahr fegen Fönnte, aus bloßer Neubegierbe zu leſen (umb das war, ich geſtehe es, mein erſter Bewegungsgrund), iſt für uns Menfchen, die wir eine Zeit zu verſchwenden haben, ein Misbraud und ein Bor: wid, der vieleicht beftraft zu werben verbient. Indeffen bin ich eben nicht verdrießlich, ben erften Theil gelefen zu haben. Er enthält fchlehterbings nicht das geringfte Anftößige, und wie es mir vorkam, etliche fehr nügliche und ſehr wahre, aber auch viel gemeine, viel chimärifche und ſchwer auszuübende Dinge, Der Schein der Wahrheit aber, und die überrebenbe einnehmende Art, mit der fie gefagt werden, und bie es nicht zuläßt, daß fie einem fo langweilig, fo falfh und fo unmöglich vorfommen, als bey einem andern Bortrage gefchehen müßte, ift wenigflens eine

us

gute Warnung, ſich mit der Berebfamkeit ber folgenden Theile, die mehr intereffiren und gefährliche Materien enthalten, nicht auf gut Gtüd einzulaffen. Rouffeau mag wohl feinen Wit und feine Beredſamkeit verſchwenden, das Ungegründete gegrüns bet und das Falſche zum Wahren zu machen, es iſt aber Schade, daß er fie dadurch herunterfegt und entkräftet, da er fie, wo er Wahrheiten, bie aller Annehmung würdig find und Die jeber von Borurtheilen freye Verſtand für richtig erfennen muß, em⸗ pfehlen und unterftügen will, auf eine fehr rährende und über: redende Art anzumenben weiß. Ich habe Luft, eine Stelle ans zuführen, die ich für einen Beweis von demjenigen halte, was ich eben gefagt habe. Wenn ich Ihnen, Liebfter Here Profeffor, damit befchwerlich bin, fo werben Sie die Güte Haben, biefe Stelle zu übergehen.

Bon der fehr ftrengen Bucht und der vielen Arbeit, welcher bie meiften Kinder, die man gut zu erziehen gedenkt, von (hren erfien Jahren an unterworfen werben, ſchreibt Rouffeau im andern Buche auf ber 139. Seite alfo:

Des enfans qui naissent, Ia moiti6 tout au plus parrient a Väge d’adolescence, et il est probable, que vötre &i6r& n'atteindra pas l’äge d’homme. Que fant-il done penser de oette &ducation barbare, qui sacrifre le prösent A un avenir incertain, qui charge un enfant des chaines de tonte espdce, et commence par le rendre mis6rable, pour lui pr&parer au loin, je ne sai quel pretendu bonhenr, dont il est & croire qu’il ne jonira jamais? Quand je supposerois cette Edncation raisonnable dans son objet: comment voir sans indignation de pauvres infortunes soumis A un joug insupportable, et condamn6s & des travanx continnels, sans &tre assur&s que tant de soins leur seront jamais utiles? L’äge de Ia gaiete passe au milieu des pleurs, de chätimens, des menaces, de Teschuvage. On tourmente le malheureux pour son Bien, et

Yon ne voit pas la mort qu'on appelle, et qui va le saisir au milieu de ce triste apareil. Qni sait combien d’enfans perissenj, victimes de l'extravagante sagesse d’un pere ou un maitre! Heureux d’6chaper & sa cranut£, Ie senl avantage qu'ils tirent des maux qu'il leur a fait souffrir, est, de mourir, sans regretter la vie dont il n’a connu que les tourmens.

Aber welcher ſtrenge Water ober Eehrer wirb bie gleich barauf folgende Apoſtrophe leſen Zönnen, ohne gerührt zu werben, und ſich Borwürfe zu machen? &o fährt er fort:

Hommes, soyez humains! c'est vötre premier devoir: Soyez—le, pour tous les ats, pour tons les äges, ponr tout ce qui n'est pas Ötranger & I’'homme! Quelle sagesse y a-t-il pour vous hors de Ihumanit6? Aimez l’enfanee, favorisez ses jeux, ses plaisirs, son aimable instinct. Qui de vana n’a pas regrett6 quelquefois cet äge le rire est koujoura sur les lövres, et ol ame est tonjours en paix? Pourguoi voulez-vous öter & ces petits innocens la jonissance d'un tems si conrt qui leur &chappe, et d'un bien si pröcienx dont ils ne sauroient abuser? Pourguoi vonlez-vons remplir d’amertumes et de doulenrs cps premiers ans si rapides, qui ae reviendront pas plus pour eux, qui ne peuvent revenir pour vous? Päres, sarez-vous. le moment la mort attend vos enfans? Ne vous preparez. des regrets en leur ötant le peu d’instans’ que la nature leur donne. Aussitöt, qu'ils peuvent sentir le plaisir d’&tre, faites qu’ils en jonissent; faites qu’& quelque heure que Dieu les appelle, ils ne meurent point sans avoir goutd la vie.

Bas kann menfchlicer feyn? Ich weis noch eine Stelle, welche bie Mütter angeht, bie ihre Beinen Kinder aus ihrer Sorge und fremden Händen überlaffen, die wegen ihrer größern Mugbazkeit ber igt angeführten noch vorzuziehen iſt und die Er—⸗

mahnungen enthält, melde wohl Sehorſam verbienten. Aber wae hilft das alles? CE ift vielmehr ein Ungtäd für bie Lefer, wenn ein Buch in. gewiffen Betvachtungen fo gut und in: ans dern wieder fo ſehr ſchlimm iſt. Doch wir wollen den Emil derlaſſen.

Laffen Sie nun, liebſter Herr Profeſſor, mich Ihnen auch mein andres Glüd erzählen, das mir an bem Tage widerfuhr, an weichem ich Ihre Briefe erhielt. Ich ſaß bey meiner Schwer fter, als man mir ein verfiegelted Packet und ein Gompliment vom Herrn Gonfiftorialregiftrator Zeis brachte, der mir fagen ep, bier ſchice er mir ein fhönes Wuch zu lefen. Ich riß es auf, und fand bie Gefdichte ber Miß Sidner Wibbulph, und in berfelben einen Brief, worinn er mir das Bud mit fehe eifrigen Ausbrüden anpries und auf bie gütigfle Ari weine Brrandfehaft verlangte. Ich muß Ihnen fagen, hochzuehrender Here Profeſſor, daß Herr Zeis ſchon Länger als zwey Jahre mein naher Nachbar ift, ich aber habe fonft nichte von ihm ges waßt, und in nicht weiter gelaunt, als hab ich ihn umb feine Yrau habe auf der Baffe gehen fehen. Herr Beis aber iſt mehe von mie unterrichtet geiwefen; benn. eine meiner Freundinnen, welche auch bie feinige ift, hat ihn, mir unbewußt, mit meinen Gharaeter auf eine Für mich" vortheilhafte Art bebannt gemacht. 3% habe eine aufrichtige Freude über das unerwartete Geſchenk feiner. Brennbfchaft.. Künftig fol es eine meiner liebſten Sorgen feyn, fie zu verdienen und zu unterhalten. Ich habe mich bes müht, ihm meine Dankbegierde in meiner Antwort zu bezeigen, und ich batte das Vergnügen.zu fehen, daß er damit zufrieden war; benn er. fhickte mic gleich ben darauf folgenden Morgen eine Gegenantwort, die Hol von Güte und Freundſchaft iſt. Er hat mir einige Briefe gefhidt, die Sie, befter Here Profeſſor, zu verſchiedenen Zeiten an ihn geſchrieben, umb ich habe daraus ges fegen ,: wie ſeht Sie ſein Fround find, und wie hoc) ich ihn. zu

Ahögen dabe. Milligen Sie aber auch bie Sate Ihres Forum des, liebſter Here Profeſſor? Ach je! Sie gönnen mir feine Freunbſchaft. Ic bin glüdficher, old ichs verdiene; aber Sie werben ſich · freuen, daß ich fo glädlich bin. Morgen will id ihm feine Miß Biddulph wieder ſchicken und bazu ſchreiben; Wenn ar hat mins gefagt, daß fie nicht Icer wieberkommen foll, und da will ich ihm alles fagen, wovon ich glaube, daß es ihm gefallen Tann; denn ich bin meinem neuen Areunde recht fehr gut, ob ich wohl in meinem Leben Fein Wort mit ihm gefpros hen habe.

Her Seidelin if. cin gutherziger Wenfh. Gr hat an weinen Bruder und auch an mic geſchrieben und und viel uns verbienten Dank gefügt. Wir haben ihm nur wenige und ges weine Hoͤflichkeiten erweiſen koͤnnen; aber gute Leute ſchaͤten jebe, auch noch fo kleine Gefaͤlligkeit. Sein Brief war recht artig. Id wunderte mid), daß er fo hübſch war, da er doch unfree Gprache nicht einmal recht mächtig iſt.

Leben Sie wohl, liebſter Herr Profeffor. Unſer Haus ems ichtt ch gehorfamft, und ich kenne und Liebe bie große Pflicht, die ich Habe, lebenslang mit der vollkommenſten Ehrerbietung

zu fm vochzuchrender Here Profsffor! Ihre gehorfamfte Dienerin 6. 6. Lucius,

zus. (v8) &% d. 15. Rov. 1762, Liebſter Here Beee. Ginem Freunde, der in der Varbarey lebt, nicht zu antwers ten, iſt wirklich ein graßer Fehlerz und gleichwohl habe ich mich

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dieſes Fehlers ein ganzes halbes Jahr fhulbig gemacht, und zwar gegen Sie, ben ich fo fehr liebe und hochſchaͤze, und der mic gewiß nicht minder liebt; wie foll ich bieß verantworten? Nein, liebfter B****, vor meinem Herzen kann ich biefen Verzug nicht gang verantworten, fo fehr mich aud meine ſtets kraͤnklichen Umftände, und bie mit ihnen verknüpfte Beſchwerlichkeit meiner täglichen Berufsarbeiten zu entfchulbigen feinen. Wenn ich in Mequinez twäre, mwärbe mir ber Brief eines Freundes nicht die größte Wohltpat feyn, und würde ich nicht mit Recht eben wegen meiner großen Entfernung beflo eher und gemwifler eine Antioort von ihm erwarten? Ja, ich habe. gefehlet, und ich bitte Sie nicht allein um Vergebung, fondern ich eile heute, diefen Fehler wieber gut zu machen. Ich eile, Ihnen für alles bas herzliche Gute, das Sie mir in der erften Hälfte Ihres Briefs fagen, für ale Ihre Liebe, und bie nicht ganz verdiente Erkennt⸗ lichkeit, die Sie mir bezeugen, unb bie ich gern ganz verbienen möchte, aufrichtigft zu banken, Ich umarme Sie in Gedanken, verfihere Sie aller meiner Freundſchaft, und wünfehe Ihnen von Gott, was man nur Gutes wuͤnſchen Tann. Er laffe Sie bie Spuren feiner gnädigen Vorſehung täglid unter einem wilden Volke erblicken, und made Sie ſelbſt zum größten Woblthäter einer Nation, der das Erkenntniß der Religion, und alfo auch der größten Glüdfeligkeit, mangelt. Wer weis, liebfter Freund, warum Sie Bott in dieſes entfernte und finftre Land vor Andern hat gehen laſſen; ein Land, an das Cie vor zehen Jahren viele leicht nicht gedacht! Auch nur eine einzige Seele glädtih zu machen, iſt das nicht bie hoͤchſte That eines Menfhen? And kaun dieſe That nicht Ihrem guten, Liebreichen und chriſtlichen Herzen, außer der gluͤctlichen Beſorgung der Geſchäffte eines daniſchen Gonfuls, vorbehalten feyn?

Die andre muntre Hälfte Ihres Brieſs aus Salee has min, wenn ic aud zu Trank bin, Ihren Scherz ganz zu fühlen, doch

ss

deswegen angenehm fepn müffen, weil fle mic ein Beweis if, daß ein zufeiebner Geift auch in ber Barbaren noch froh denken und wigig ſcherzen Tann. Mein Bruder, und bie Grafen Mf[oltke] und Schleel] und Vfrähf] haben Sie belohnet, und herzlich über Ihre Bergleichung zwifhen mir und dem Sidi-Mahomed gelacht. Alle biefe Ihre Freunde grüßen Sie durch mich beſtens. Sirklich machen Ihre Dänen unfrer Akademie und ihrem Bas terlande viel Ehre, und verfprechen ihrer Nation und der Welt große Dienfle. Wie angenehm muß Ihnen dieſe Berfiherung aus meinem Munde feyn! Leben Sie wohl, Liebfter Freund, unter dem Schute des Allmächtigen, und ber Ruhe Ihres Ges wiſſens, und ber Gnade Ihres Königs.

®

226. Unden Breiperen u. Granfien,

. 8. d. 22. Rov. 1762, Theuerſter Herr: Baron,

Ihe letzter Brief ift ein großes Schreden für mich geweſen. Ich erhielt ihn geftern ; ich will ihn heute beantworten, und ich weiß kaum, was ich Ihnen fagen folk; fo unruhig bin id noch! Atſo mußten Ste, mein Gönner und Fremd, Sie und Ihre theuerſte Gemahlin, ein Opfer der Wuth im Kriege werben, ein Raab dir ſchreclichſten Barbaren? Nie ift biefer fürchterliche Gedanke In meine Seele gelommen, wenn ich in ben fieben Jahs ven des Krieges an Sie dachte; und warum hat es min gleiche wobt nicht einfallen Tönnen, daß Ihnen ein ſolches Schleſal bes gegnen konnte? Sabe ich gedacht, daß einem frommen und unfQulbigen anne Zeine Wißhandlungen und G@raufamfeiten

widerfahren Tönnten? Befreyt uns benn bie Tugend von ber Wuth des Unmenfhen?, Rein, aber Gott, ber fie an Ihnen gugelaffen, wird Sie und Ihre wärbige Battinn aud) durch ben Troſt und Muth unterftäget Haben, den nur rechtſchaffene Sees len genießen und empfinden Tonnen. Er erfreue und fegne Sie beyde in ben mod; Übrigen Tagen Ihres Lebens mit Ruhe des Briedens und Zufriedenheit Ihrer Seelen! Diefes, theuerfter Freund, wuͤnſche ich Ihnen herzlichft und werbe nicht aufhören, es Ihnen von Gott zu wünfchen, fo lange ich Lebe; denn wie viel Urſache Habe ich nicht Gie zu lieben und zu verehrten, und Ihnen Gutes zu wünfden?! Ich Züffe Ihrer Frau Gemahlin ehrerbietigft die Hand. Alfo leben Sie immerbar wohl und lies ben Sie . Ihren verbunbenft ergebenften Gellert.

Un Caroline Bueins. 2% d. 29, Rov. 1782, Liebſte Mabemoifelle!

Es iſt jegt fünf uhr, ba ich mein Iehtes Gollegium gefchlofe fen, und ich bin außerorbentlich ermübet. Möchte ich mich doch an einem Briefe an Ste, meine liebe Breundin, einige Augen, blicke erholen koͤnnen; denn lange kann ich doch nicht mit Ihnen veben, weil ich um ſechs Uhr Beſuche, das ift nach meiner Ems pfindung, neue Arbeiten habe,

Erftli wollen Sie alfo den Emil des Rouffeau nicht fort

leſen. Das ift vortrefflich, und ich danke De für biefen Ent⸗ Gellert V.

ſalus, als für eine große Woßttpat, ob ich gleich, felbft aus ben Gtellen, die Sie mir angeführet Haben, fehr überzeugt bin, daß weber Ihr Berſtand noch Ihe Herz aud ba, wo Rouffeau gut ift, viel verlieren wärben. Mir haben ja fo viel vortreffliche Bücher; warum folten wir die halbguten ober die mehr gefähre uichen, als nüglichen, leſen? Biel vortreffliche Bücher? werden Sie vielleicht denken. Ja, Mademoiſelle, nach meiner Rechnung giebt es viele. Wenn ich zehn auserlefne Bücher habe und jedes sehmmal Iefe, fo ift e8 für mich, als hätte ich derfelben Hundert, Damit tröfte ih mich, wenn andre mit Recht über ben Mangel guter Schriften, gegen bie vielen ſchlechten gehalten, Hagen. Aber was geht und Rouffeau weiter an? Nichts mehr von ihm. Herr Zeis if uns body wohl wichtiger; wenigftens ſteht in feinem langen Briefe, den ich heute von ihm erhalten, und den Sie auch gelefen haben, mehr, bas rührt und unters richtet und erbaut, als gewiß in dem ganzen Lebenslaufe bed Emils, in ben ganzen drey Bänden, ewig nicht vorfommen wird, Er und feine liebe Frau find alfo unerwartet Ihre Freunde ges worden, ein Glüd für ie, meine befte Gortefpondentin, und eben fo wohl ein Glüd für den guten Zeis und feine Friederike. Habe ichs Ihnen nicht vorher verfündigt, daß ſich die Zahl Ihrer Freunde ohne Ihr Wiffen bald vermehren würde? Sie verbienen geliebt zu werben und Ihr Verdienſt wird in bem ms gange mit fo rechtſchaffnen Freunden, wieder ohne Ihr Wiſſen, ſich vermehren und Ihnen immer mehr Achtung und Liebe erwers ben, und fo wird enblich, auch ünvermerkt, der Freund erſchei— nen, ber gang für Ihr Herz, für Ihre Tugend, Ihre Liebe und Ihr Leben beftimmt iſt. Nach meinem Wunſche fol es einer der beften Menſchen feyn. Gott gebe Ihnen biefed Gläd, wenn es feiner Weisheit gefällt. Leben Sie wohl, meine liche Caroline, und grüßen Sie Herr Beifen und feine Frau Liebſte auf das befte von mir. Gellert.

sam

928, (e1.) 1782,

Es ſchmerzet mic, daß ih Sie nach einem langen Jahre nicht wenigftens etliche Stunden fprehen, und das Gute und Boͤſe, das Frohe und Traurige Ihres erften Feldzuges durch Sie ſelbſt erfahren fol. Es iſt ein einziges Mittel, mir biefen Verluft einigermaßen zu erfegen, nämlich, wenn Sie mir Ihre Memoiren zu Iefen fchiden; denn ganz gewiß haben Sie ein Ta= gebuch Ihres erſten militairiſchen Lebens gehalten. Sie wiflen ja, daß ſich Cäſar durch ſeine Commentarios eben ſo ſehr, als durch feine Siege verewiget hat, Im Ernſte, liebſter Schloͤnfeld], ich würde mich ſehr erfreun, wenn Sie ſich die Mühe gegeben hätten, gleich von dem erſten Anfange Ihres Dienſtes, ein ges treues und ungekünſteltes Journal zu halten. Cine ſolche Schrift verfchafft taufend Vortheile. Sie übt uns in ber Gchreibart, macht uns auf das, was wir thun, fehn ober hören, achtfamer, giebt und zu guten Anmerkungen und Regeln über unfre Bes rufsgefchäffte Gelegenheit, und wie oft muß fie einem Soldaten bey fo mannichfaltigen Gefahren ber Gefundheit, bes Lebens und Gewiffens, und bey Errettung aus diefen Gefahren, Anlaß geben, die Spuren der göttlichen Worfehung dankbar zu bemerken! Und endlich, wie koſtbar muß eine folhe Sammlung jugendlicher ſelbſt erlebter Begebenheiten einft im Alter ſeyn! Ich verlaffe mid alfo darauf, daß ich biefe Nachrichten, wenn Sie welche nieberfchreiben, einmal zu fehn befomme, umarme Sie in Ges danken mit taufend guten Wünfchen zu Ihrem zweyten Zelbzuge, bete für Ihre beftändige Wohlfahrt, und verfichere Sie meiner unaufhoͤrlichen Liebe, Breundfchaft und Ergebenheit.

6.

®) (%n denſelben Officier, an welchen der Brief No.255 gerichtet iſt.) 33°

2279. (4) un Seren ®*. 1763,

&ie werben eine erftaunenbe Arbeit haben, wenn Sie Ihren P almliebern alle die Schönheiten durch bie Werbefferung geben wollen, beren fie fähig find. Ich weis es aus ber Erfahrung, wie ſchwer es iſt, geiſtliche Lieber zu dichten, auch wenn man feinen eignen Vorſtellungen folgen darf; wie viel ſchwerer muß es nicht feyn, bie Pfalmen in Lieber, nach gewiſſen Melodien, fo glüdlic Überzutragen, daß man, feinem heiligen Originale treu, auch die ſchweren Regeln der Poefie, und bie Pflichten der kirchlichen Erbauung beobachte! Es find wohl ſechs Jahre, daß ich einen Verſuch mit dem fünf und zwangigften Pfalme zu einem Kirchenliede wagte, unb er ift mir ungeachtet aller Werbefferuns ‚gen fo mißgeglädt, daß ich ihn in biefer Zeit nicht wieber anges Techn, und daß ich Hingegen feit biefer Zeit die Pfalmenlieber Gerhard nur deſto mehr bewundert habe, Wenn ich das kraͤftige und ſtarke Lieb des feligen Luthers, das Lieb bes Huns bert und dreyßigſten Pfalms: Aus tiefer Rothe. gegen mein Lied aus dem fünf und zwanzigſten Pfalme in Gedanken halte: fo fühle ich mich nicht wenig befhämt. Aber durch alles biefes will ich Sie gar nicht von Ihren fo fhägbaren Bemühungen, die fi auf das Beſte der Öffentlichen Andacht beziehn, abhalten; nein, ich will Sie nur im voraus zu beruhigen ſuchen, wenn Ihnen die angeftellten Verſuche der Ausbeſſerung nicht glüden ſollten. Webrigens banke ich Ihnen für das befondre Vertrauen, defien Sie mich würdigen, und bin mit ber volllommenften Hochachtung F

380. (e7.) 1762, Gnaͤdige Frau,

Alſo ift ber ganze Plan Ihres Tünftigen Lebens, ber auf Ruhe und Einſamkeit gieng, zernichtet? und ich Tann mir alle die wibrigen Zufälle, Verdrießlichkeiten und Zerftreuungen uns möglich vorftellen, die Ihnen feit dem Anfange bes nunmehr verflopnen Jahres begegnet find? Gin ſchweres Schidfal für ie, und eine traurige Nachricht für mich, der ih Sie fo gern ruhig und nach Ihrem Wunſche glücklich fähe. Aber ich weis auch, daß ein Herz, wie das Ihrige, ſich felbft in denen Schi— dungen, bie wider unfer wahres Befte. zu ſeyn feinen, der Vor⸗ fehung gern unterwirft. Auch ba, wenn es menſchlich klagt; auch mitten unter ben traurigen Empfindungen, bie felbft in ber gelaffenften Seele nicht ausfterben, bermäiget es fich dennoch mit den Betrachtungen ber Weisheit und Macht, der Güte und Ges rechtigkeit des Herrn, ber alle unfre Schickſale, gute und traurige, Zennt, verhängt, zuläßt und zu unferm und Andrer Glüde im Verborgnen lenket, und flets nach unfern Kräften abmißt. Ge— teoft alfo, meine theuerfte Freundinn, wenn ie Bünftig Ihre Zugend barinne beweifen und üben follen, daß Sie den entworfs nen Plan Ihres Fünftigen Lebens, den Plan ber Ruhe und ber Einfamteit, mit bem Plane eines gefhäfftigen und in bie Augen leuchtenden ſchweren ‚Lebens vertaufchen müflen. Wer mehr Kräfte empfangen hat, empfängt auch größre und in das Befte ber Welt ftärker einfließende Pflichten. Wie viele und wichtige Gelegenheiten Gutes zu thun, und bas Licht Ihrer Weisheit und Tugend vor ber großen Melt, der vieleicht ein ſolches Bey⸗ ſpiel nothwendig war, leuchten zu laffen; wie viele ſolche Geles genheiten werben Sie nicht in dieſem neuen unruhnollen Leben antıeffen, und endlich in ber Unruhe felbft, und in der Art, fie

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zu tragen und anzuwenden, nur mehr Ruhe des Herzens, und mehr Hoffnung und Zroft bes Lünftigen vollkommnern Lebens finden! Doch vieleicht find auch Ihre igigen Umflände nur eine kurze eingefchaltete Begebenheit, die das Ganze Ihres Plans nicht ftören, fondern ſich bald mit benfelben vortheilhaft wieder vereinigen fol. Ja, theuerfte Freundinn, Geduld und Demuth find unftreitig bie fhwerften Pflichten bey anhaltenden Widers waͤrtigkeiten; das hat mich eine traurige Erfahrung von vielen Jahren gelehret; aber wir koͤnnen oft ohne langwierige Unfälle der Tugenden, zu denen wir berufen find, gar nicht fähig wers den, und wir haben ja ſtets einen mächtigen Beyftand und mit demſeiben das wahre Glüd, das Giuck unfeer Seele, bad uns aud im Tode bleibt; dieß muß unfer hoͤchſter Troſt ſeyn.

Bor einigen Jahren war der Wunſch und ber Plan meines Lebens, wie der Ihrige, Ruhe, und nüglihe Einſamkeit. Nichts ſchien mir erlaukter, und nichts ſchicklicher für meine gu⸗ ten Abfichten und meine ganzen Umftände, als biefer Bunfc, Du willſt dich, dachte ich oft bey mir felbft, in die Stilie auf das Land, in eine gute Familie begeben, bafelbft bie Pflichten des Privatiebens mit Bott genau beobachten; für dich und bie Ruhe deiner Seele ſtudiren und angelegentlih forgen; nützliche Schriften, bie etwa nach deinem Tode heraus kommen mögen, auflegen; von Zeit zu Zeit einen fähigen Knaben zu bir nehmen, und ihm fein Herz weife und chriftlich zu bilden fuchen, und fo, ja fo willſt du bein Leben ohne Geräufhe, fanft und ſtille bis an fein Ende führen. Aber ach, gnädige Frau, wie viel ungläds . licher würde ich igt feyn, wenn biefer Wunſch wäre erfüllt wors den! nfäig, wie ich idt bin, die Gtille und Ruhe des Landes zu genießen, die Stunden der Einſamkeit durch felbft erwählte Geichäffte auszufüllen und nugbar zu verwenden; ungefchidt, Bücher zu ſchreiben, und bie Herzen der Kinder zu bilden; zu krank, um an ben erlaubten Freuden eines genauen Umgangs

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Theil zu nehmen, ober mich mit bem Lefen guter Bücher lange zu unterhalten; was würbe ich in biefen Umftänden (verfegt in den ehebem gemachten Plan meines Lebens) für eine hoͤchſt traus rige Rolle fpielen; ba bie vorigen Wünfche gar nicht mehr meine Wünfche find, und bey meinem igigen Schicfale es gar nicht feyn koͤnnen! Möchte doch das neue Jahr, das wir bald antreten, eines ber zufriebenften und beften Ihres ganzen Lebens fegn! Diefes wuͤnſche ich aufrichtig, und bin zeitlebens G.

Seipzis, Drud von Hirſchfeld.

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