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Darstellung

der

wichtigsten Wahrheiten

der

kritischen Philosophie

für

Uneingeweihte.

Zweiter T h e i l

fvelch'er flie Critik der: Urtheihkrajt zum Gegenstande hat

mit einem ■ausfujirlichen Register über "\ beide Theile

J. G, C. K i e s e w e 1 1 e r

Doktor und Professor der Philosophie.

Berlin, i8o3.

B«j Wilhelm .Qellinigke dem Jüngent.

Ai;isgesdiiedeil

SIBOOTHES

F 0 r r d €,

Der Verfasser dieses Werks hegt den Wunsch , dafs das Publikum diesen zwei- ten Theil eben so günstig als den ersten aufnehmen möge. Der Inhalt desselben führt ein hohes Interesse bei sich , es wird also das Recht Beifall zu erwarten blos da- von abhängen, daCs der Verfasser densel- ben deudich und fafslich vorgetragen hat. Darüber kann er selbst nicht entscheiden, doch ist er sich bewufst, alles gethan zu haben, was in seinen Kräften stand, aber er leugnet auch nicht, dafs er in dieser Rücksicht mit manchen Schwierigkeiten, die in der Sache selbst liegen und die dem Kenner nicht entgehen werden, zu käm- pfen hatte» Da wo es nur anging, ohne dunkel oder zu weitläuftig zu werden, hat der Verfasser Kants eigene Worte beibe- halten, weil auf diese Weise der Leser sich an den Vortrag des grofsen Denkers

IV

gewöhnt und also auf das Studium der Schriften desselben um so besser vorbe- reitet wird» Auch hat der Verfasser schon mehr Form der Schule in seinen Vortrag angewandt, weil er voraussetzen konnte, dafs seine Leser durch das Stu- dium des ersten Theils gehörig dazu vor- bereitet waren. Ferner hoft er, dafs es seinen Lesern nicht unangenehm sein wird, dafs er der Darstellung derCritik der ästhe- tischen Urtheilskraft Beispiele aus den Werken der Dichtkunst eingewebt hat, in- dem diese nicht blos das Gesagte erläutern, sondern auch dem Vortrag mehr Anzie- hendes geben sollen» Polemisches ist auch diesem Theile wenig oder nichts eingemischt, weil es dem Verfasser blos darum zu thun war seine Leser mit dem Hauptinhalt des kantischen Systems be- kannt zu machen, und er fürchten mufste durch Widerlegung der Gegner desselben, sie zu verwirren»

Berlin den 25sten September 1803,

Einleitung^.

f^riindung dts zweiten Theils diett's fVerkt mi» dem ersten.

JL/er erste Theil dieses Werks beschäftigte «ich mit der Beantwortung dreier Fragen; nämlich: Was kann ich wissen? was soll ich thun? und was darf ich hoffen? Die erst© Frage betraf die Grenzen unserer Erkenntnifs und die Gesetze, weichen dieselbe unterwor- fen ist. Wir wurden belehrt, dafs die Sin- nenwelt der alleinige Gegenstand unsers Wis- sens sein kann, daCs wir von den Eigenschaf- ten der Dinge in derselben nur vermittelst der durch Empfindung gegebenen Anschauung Erkenntnifs erhalten kommen, dafs aber auch diese Erkenntnifs sinnhcher Gegenstände ge- wissen allgemeinen Regeln und Gesetzen un- terworfen ist, welche in der ei^tjnthümlichen //. X

und unveränderlichen Beschaffenlieit unserer Erkenntnifsvermögen sich gründen. Diese Gesetze sind die Grundgesetze einer Natur überhaupt und erhalten ihre unleugbare Gül- tigkeit dadurch, dafs ohne sie für uns keine Erkenntnifs von Gegenständen möglich ist.

Als Verwahrungsmittel gegen Irrthum wurde noch gezeigt, dafs wir nie die Dinge an sich erkennen können, sondern nur, wie sie uns nach der eigenthümlichen Beschaffen- heit unserer Vorstellungsvermögen erscheinen.

Die zweite Frage betraf die Bestimmung unserer Willkühr und die Beantwortung der- selben gab uns die Gesetze im Reiche der Freiheit, auf welche die Sittlichkeit sich grün- det. Diese Gesetze zeigten uns freilich das Dasein einef übersinnlichen, von der Sinnen- welt verschiedenen und ihren noth wendigen Naturgesetzen nicht unterworfenen Welt, ver- schaften uns aber keine Erkenntnifs derselben.

Beide Resultate zusammen verbunden ga- ben Hiilfsmittel zur Beantwortung der dritten Frage c.n die Hand. Wir gründeten auf der Ver])indung der theoretischen und praktischen Vernunft, um die Möglichkeit der Gesetzge- bung im Reiche der Freiheit und ihre Erfül- lung in der Sinnenwelt av erkennen, den

Glauben an die lJnst«rbliclikeit der Seele und an die Gottheit.

Die erüte Frage hatte unser Erkenntnifs- vermögen, die zweite unser Begehrungsvermö- gen zum Gegenstand, so wie die dritte, auf beide vereinigt Rücksicht nahm. Versteht man nun unter Critik eines SeelenvermÖgens, die Bestimmung des Umfangs und der ßescliaf- fenheit seines Gebiets und die Darstellung der Gesetze die in aiesem Gebiet herrschen und ihrer Quelle, so ergiebt sich aus dem Vorhergehenden, dafs wir im ersten Theil die- ses W^rks eine Critik imsers Erkenn tnifs- und unsers Begehrungsvermögens geUefert haben.

Das Erkenntnifsvermögen und dessen Ge- setzgebung begründete ein Reich der Natur, das Begehrungsvermögen und seine Gesetzge- bung ein Retch der Freiheit^ Der Glaube an die Gottheit vereinigte zum praktischen Gebrauch beide Reiche, indem er das Reich der Natur als ein Produkt des freien Willens der Gottlieit darstellte.

"Wir haben aber aufser dem Erkenntnifs-. und Begehrungsvermögen noch ein drittes See- lenvermögen, nämlich das des Gefühls (der Lust Wid Unlust). Beim Erkennen w*»*-^^^-^

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Vorstellungen auf Objekte bezogen (objektiv betrachtet), beim Begehren bestimmt sich das Subjekt nach ihnen Objekte hervorzubringen; beim Gefühl der laist und Unlust werden sie aufs Subjekt allein bezogen, drücken das V-er- hältnifs zum Subjekt aus.

Es giebt daher auch dreierlei Arten der Urtheile, in Beziehung der drei Grund vermö- gen des Gemüths, theoretische fürs Erkennen, praktische fürs Begehren, ästhetische fürs Gefühl,

Zu einer vollständigen Critik unserer See- lenvermögen fehlt .also noch die des Gefühl- vermögens, und sie wird den Inhalt dieses zweiten Theils ausmachen.

Die Untersuchungen, welche wir im er- sten Theil dieses Werks angestellt haben, zeigten uns unter andern, dafs keine Erkenn t- nifs von Gegenständen möglich wäre, sondern alles ein blofses Spiel von Vorstellungen sein würde, wenn es nicht Gesetze a priori^ d; h. solche Gesetze gebe, die im Erkenntnifsver- mögen selber gegründet sind, und durch wel- che alles Mannigfaltige unserer objektiven Vorstellungen zur Einheit verbunden würde. Dies waren die allgemeinen Gesej;ze einer Na lur überhaupt für unser« Formen der An-

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•schfluurigCH Raum und Zeit. Ferner thaten ^^'ir im ersten Theile dar, dafs kein oberes Begehrungsvermögen, oder welches einerlei ist, keine Freiiieit der Willkühr, die wir uns doch deswegen , weil wir uns bewufst sind, wir sollen beilegen müssen, statt finden könne, wenn es nicht praktische Gesetze a priori gebe.

Gesetze sind allgemeine Regeln, wodurch Mannigfaltiges zur Einheit verbunden wird; die Q'iellei der Gesetze kann also nur das Vermögen der Synthesis (das Vermögen der Verknüpfung des Mannigfaltigen zur Einheit des Bewufstseins) d. h. der Verstand in weite- rer Bedeutung sein. Der Verstand in weiterer Bedeutung aber zerfällt in drei Theile; in den Verstand in engerer Bedeutung, in die ür- theilskraft und in die Vernunft; alle drei kom- men darin überein, dafs sie^ in eine Einheit des Bewufstseins verknüpfen; und in Rücksicht der Vorstellungen unterscheiden sie sich ins- gesammt darin von dem Vermögen der An- schauungen (der Sinnlichkeit), dafs sie allge- meine Vorstellungen, Begriffe, liefern. Der Verstand in. engerer Bedeutung fafst das Man- nigfaltige der sinnlichen Anschriuung zusam- men, damit daraus Erkenntnifs werde; er

ordnet es nach gewissen in ihm liegenden Ge- setzen; er steigt vom Besondern zum Allge- meinen auf. Die Urtheilskraft ordnet das Besondere dem Allgemeinen unter, sie be- stimmt, ob einem Subjekt ein Prädikat zu- kom'iie, eine einzelne Vorstellung unter einem Begriffe, niedere Vorstellungen unter höhern stehen, ein einzelner Fall unter eine allgemeine Regel gehöre» Sie ist entweder hesUm- mend (subsumirendj oder reßekcirend. Im ersten Fall ist das Besondere und Aligemeine gegeben; sie vergleicht beide im Bewufstsein mit einander, und wenn sie findet, dafs das Allgemeine eme ThedvorsteUung des Beson- dern (mit dem Besondern zum Theil identisch) ist, so ordnet sie demselben das Besondere unter, legt dem Besondern das Allgemeine als Merkmal bei. Im zweiten Fall ist das Beson- dere gegeben und sie sucht ein AHgemeines, Welchem sie das Besondere unterordnet und «s dadurch zur Einheit verbindet. Die subswnirende Urtheilskraft vergleicht (hält im Bewufbtsein an einander) das Besondere mit dem Allgemeinen, um Identität oder Verschie- denheit zu erkennen; die reflektirende Ur- theilskraft vergleicht die besondern Vorstel- lun-^ien untereinander, um das ihnen Gemein-

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same zu" erkennen, und so ein Allgemei- nes zu finden, das Einheit in diese Vor* etellungen bringt. Die reflektirende lUr- theilskraft führt auch den Namen des Bciir- theiliiTigsvermögcns ( facultas dij udicandi Die Vernunft endlich ist das Vermögen das Besondere als durch das Allgemeine be- stimmt zu erkennen, (zu begreifen); das AU». gemeine ist der Grund, aus welchem sie durch Subsumtion der Urtheilskraft das Besondere als Folge ableitet. Sie ist das Vermögen der Principien und die in ihr gegründeten Be^ griffe (Ideen) tragen das Merkmal des Unbe- dingten an sich.

Da ein Gesetz eine allgemeine Regel ist, &o wird zu demselben ein Begrif (allgemeine Vorstellung) erfordert, soll das Gesetz a priori sein, so mufs dieser Begrif« priori, d. h. im Verstände in weiterer Bedeutung gegründet sein».

Die Gesietzgebung a priori für das Er- kenntnirsvermögen ist im Verstände in enge- rer Bedeutung gegründet ; er verbindet die Er- scheinungen der Sinnenwelt nach den in ihm liegenden Categorien zur Natur und da wir blos Erkenntnifs Ton sinnlichen Gegenständen haben können, so kann man sagen, die im Verstände gegrilndeten Begriffe sind conuitii-

s

tiv im FeMe der Erkenntnifs. Die bestim- mende Ürtheilskraft bedarf im Felde der Er- kenntnifs kein eigenes Princip a priori^ denn ihr Geschäft besteht blos darin, das Gegebeno der Erscheinungen entweder einem Verstan- desb>^grif a priori^ z. B. der Ursach, der Sub- stanziaiität u. s. "W«, oder einem aus sinnlichen. Wahrnehmungen abgesonderten (Erfahrungs- begrif) z. B. des Harten, Weichen, Feüten, Flüfsigen u. s. w. unterzuordnen; sie richtet sich liier nach den im Verstände gegründeten Gesetzen der Verknüpfung. Ob die reflek- tirende ürtheilskraft ein Princip ^ priori ent- halte, welches constitutiv etwas über die G&- genstände der Erkenntnifs bestimmt, davon werden wir weiter unten reden. - Was nun die Vernurft betrift, so haben wir im ersten Theile bewiesen, dafs die in ihr gegründeten Begriffe a priori (Ideen) im Felde der Er- kenntnifs von keinem constitutiven Gebrauch sind, den Gegenständen der Erscheinung nicht als Merkmale beigelegt werden können, son- dern blos dem Verstände zum Sporn dienen und ihm eine Regel vorzeichnen, durch de- ren Befolgung er die gröfstmöghchste Erweite- rung seines Gebrauchs erhält.

Das Begehrungsverraögen erhält 'sÄne

Gesetzgebung von der Vernunft; diese Gesetze beweisen ihren Ursprung durch das Unbe- diiij;tä> welches das eigenthümliche Merkmal der V ernunftvorstellungen ist ; durch sie wird keine Erweiterung unserer Erkenntnisse be- wirkt, sondern sie sollen blos zur Bestimmung der V\iUl.ühr dienen. Alle andere Gesetzge- bung im Reiche der Freiheit, als die der Ver- nunft a priori:, ist widersprechend und würde die Freiheit zerstören; der Verstand mufs die im Gebiet der prakti^^chen Philosophie gelten- den Begriffe aus der Gesetzgebung der Ver- nunft ableiten urul die Urtiieilskraft bedarf, wenn sie hier subsumirend ist, kein neues Princip, sondern richtet sich nach den Ge- setzen der praktischen Vernunft; reflektirend aber kann sie zum Behuf der sittlichen Ge- setzgebung nicht sein, weil die Gesetze der Freiheit nicht aus den besondern Maximen abstraJiirt werden, so dafs man rom Beson- dern zum Allgemeinen aufstiege, sondern selbst als allgemein und unbedingt von der Vernunft Aufgestellt werden, so dafs die besondern Ma- ximen nur durch die Subsumtion unter diese allgemeinen Gesetze ihre sittliche Gültigkeit erlangen.

Dies führt uns auf die Frage: Hat das

lO

Gefühlvermögen auch eine eigeae Gesetzge- bung a priori? mit andern Worten: giebt auch ästhetische Urtheile a priori:, da es der- gleichen theoretische und praktische giebt? SoHte eine solche Gesetzgebung wirklich statt finden, so steht zu erwarten, dafs sie in der Urtheilskraft und zwar in der refiel.tirenden gegründet sein wird; denn, der Verstand iot gesetzgebend für das Erkenn tnifs vermögen, die Vernunft für das Begehrungsvermögen und die bestimmende Urtheilskraft hat kein eigenes Priiicip, sondern ist im Felde der Erkenntnifs den Verstandesgesetzen und im Felde des Be- gehrens denen der Vernunft juterworfen. "Wir wollen daher zuvörderst untersuchen, ob in der reflektirenden Urtheilskraft wirklich Begriffe a priori sich fmden, auf welche eine eigene Gesetzgebung gegründet ist.

Der reflektirenden Urtheilskraft mufs Be- sonderes gegeben werden^, zu welchem sie das Allgemeine sucht. Besonderes aber wird uns nur in der Sinnenwelt gegeben, folglich wird die refiektirende Urtheilskraft nur an den Ge- genständen der Erfahrung ihre Functionen verrichten können. Wir wiesen aus unsern vorhergegangenen Untersuchungen, dafs das Ganze der Sinnenwelt (der Welt der Erschei-

mmgen) allgemeinen Gesetzen, die im Ver- stände gegründet sind, unterworfen ist, und dadurch zur Einheit einer Natur, verbunden wird. Allein das Besondere der Sinnenwelt, die Anschauungen,' welche uns durch die Sinne gegeben werden , enthalten so viel Man- nigfaltiges der Formen, welches jenen allge- meinen Gesetzen zwar unterworfen, aber durch sie doch an sich völlig unbestimmt gelassen wird; mit andern Worten: wir können uns ganz andere Formen von Gegenständen den- ken, als diejenigen sind, welche uns in der sinnlichen Anschauung gegeben werden, und die dem ungeachtet jenen allgemeinen Gesetzen einer Natur überhaupt gemäfs, sich zur Ein- heit verbinden lassen. Es ist aber das mensch- liche Erkennen discursiv, nicht blos intuitiv, d. h. der Verstand stiebt das Besondere durch das Allgemeine darzustellen, und so zur Ein- heit zu verbinden; darum strebt er, aus den einzelnen Anschauungen allgemeine Begriffe abzuziehen, und von niedern Begriifen zu hö- hern aufzusteigen; darum sucht er die spe- ciellen Gesetze der Causahtät in der ihm ge- gebenen Sinnenwelt, und steigt von diesen zu generellen immer höher und höher auf. Dies ist aber das Geschäft der refiektirenden Ur-

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thellskraft ; sie sucht die Zwischenglieder zwi- schen dem durchaus bestimmten Einzelnen der Sinnenwelt (welches uns seiner Form nach als zufällig erscheint) und den allgemeinen Gesetzen einer Natur überhaupt, wodurch zwar nothwendige Verknüpfung in dia Sinnen- welt gebracht, das zu Verknüpfende aber noch in unendlicher Rücksicht unbestimmt gelassen werden mufö. Ein Beispiel macht das Ge- sagte vielleicht deutlicher. In der Sinnenwelt finden sich mehrere einzelne Körper, welche aufs er in andern Eigenschafteil auch darin übereinkommen, dafs sie Eisen an sich ziehen, »ich, wenn sie sich frei bewegen können, nach den Polen wenden u. s. w., wir bringen diese Körper unter den allgemeinen Begrif des Magneten und suchen die Gesetze, nach welchen die Causalitat des Magneten sich au- fsert, und die mannigfaltigen Wirkungen, wo möglich, aus einer Ursach abzuleiten. Diese Gesetze für die Wirkung des Magneten stehen zwischen dem Naturgesetz der Causalitat über- haupt, un-d den einzelnen Erscheinunn;en in der Mitte. Die Urtheilskraft kann nun diese Reflection blos anstellen , in so fem sie als Prinzip voraussetzt, dafs das, was für die menschliche Einsicht in den besondern (em-

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pirischen) Naturgesetzen als zufällig erscheint, dennoch eine denkbare, gesetzliche Einheit in der Verbindung des Mannigfaltigen zu ei- ner aii sich möglichen Erfahrung enthalte. Dies geschieht, um ein nothweiidiges Bodürf- nifs des Verstandes in dar Verbindung des Mannigfaltigen zu befriedigen, wobei doch die Eigenschaft des Mannigfaltigen, dafs es sich fio verbinden läfst, als zufälh'g erkannt wird. Was aber nicht nothwendig sein muls, son- dern auch ande"^3 sein kann, (das Zufällige) und doch mit einer Absicht (einem Bedürf- aaifs) übereinstimmt, heifst ^iveckmäfsig ; es liegt also den Functionen der reflektirenden Urtheilskraft, in so fern sie die Gegenstände der Sinnenwelt unter mögliche, zu suchende empirische Gesetze, zu bringen strebt, der Begrif der Zweckmäfsigkeit der Naturwesen für unser Erkenhtnifsvermögen zum Grunde.

Jetzt entsteht die Frage, ist das Prinzip der Zweckmäfsigkeit, nach welchem die Ur- theilskraft bei ihrer Reflection über die Sin- nenwelt verfährt, ihr eigenthümhcli, oder ^vird es ihr anderweitig gegeben? und fo dann ist es in ihr gegründet Ca priorij oder hat sie AUS der Erfahrung abgesondert?

Hieraufist die Antwort: Das Prinzip der

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Zweckmäfsigkeit ist a priori in der reflecti» renden Urtheil&kraft selbst gegründet. Die Gründe für diese Behauptung sind folgende: Schon daraus, dafs die Urtheilskraft nicht re- flectirend (das Allgemeine aus dei^ Bssondern suchend) sondern subsumirend (das Besonder© einem gegebenen Allgemeinen unterordnend) sein würde, wenn das Prinzip der Zweckmä- fsigkeit ihr fremd und nicht einheimisch sein sollte, ergiebt sich, dafs es in ihr selbst ge- gründet sein mufs; allein man wird dies noch deutlicher einsehen, wenn man die übrigen Erkenntnilsvermugen in dieser Hinsicht ge- nauer betrachtet. Gesetze können, wie wir dies schon öfter dargethan haben, nur durch den Verstand in weiterer Bedeutung gegeben werden; sollte also nicht durch dte Urtheils- kraft das Prinzip der Zweckmäfsigkeit gegeben werden, so könnte nur der Verstand oder di« Vernunft die Quelle desselben sein. W^as den Verstand betrift, so gelten seine Gesetze für die Natur und beruhen auf Naturbegriffen; sie eind nämlich entweder a priori und beru- hen auf d,en in ihm gegründeten Categorien, oder auf den aus diesen abgeleiteten Prädica- bilien, oder sie sind a posteriori» aus den «iniilichen Wahrnehmungen abgeleitet. Die

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erstem Gesetze sind allgemeine nothweridiga Ges''.7;e einer Natur überhaupt, ohne deren Gebrauch für uns gar keine Erfahrung statt fände; sie legen den Gegenständen der* Sin- nenwelc Merkmale als nothwendig bei, und also kann das Prinzip der Zweckmäfsigkeit, welches, wie wir oben gezeigt haben, die Ge- genstände als zufällig betrachtet, unter ihnen nicht angetroifen werden. Dafs wir bei der Zweckmäfsigkeit auf Zufälligkeit sehen, erhel- let auch daraus, dafs es uns Vergnügen reiacht, wenn wir durch Reflection empirische Gesetze entdecken, wodurch mannigfaltige Erschei- nungen aus einer und derselben Ursach er- klärt werden, weil wir dadurch eines Bedürf- nisses (Einheit in unsore Vorstellungen zu bringen) entledigt werden; ein Vergnügen, was bei Merkmalen, die den Gegenständen nothwendig zukommen müssen, nicht statt Cnden kann. Das Prinzip der Zweokmä- Isigkeit kann ferner nicht aus sinnlichen Wahr- nehmungen abgeleitet werden, weil alle empi- rischen Gesetze Reflection und damit; dies Prinzip voraussetzen. Was aber die Vernunft betrift, so ist sie nur gesetzgebend im Reiche der Freiheit; ihre Gesetzgebung erstreckt sich blos auf das was da sein soll, nicht auf das

was da ist; und folglich kann in ihr das Prin- zip der Zvveckmälsigkeit zur Pieilection über Gege^nstände der Natur als solcher, nicht ge- grünvilet sein.

Das Prinzip der Zvveckmäfsigkeit gehört also der Urtheilskraft , und zwar, wie sich dies hus dem Vorhergehenden zur Genüge €r- giebt, der reflectirenden Urlheilskraft an. Es ist aber a priori in ihr gegründet, denn es geht aller Reflection über das Mannigfaltige in der Sinnenwelt vorher, und macht diese erst möglich; daher wird dies Prinzip sowohl selbst, als die aus denselben abgeleiteten Säize Allgemeinheit fordern, Zu solchen ab- geleiteten Sätzen gehören: In der Sinnenwelt giebt es eine für uns fafsliche Unterordnung von Gattungen und Arten, und die Gattungen nähern sich wieder einem gemeinschaftlichen Prinzip, damit ein Übergang von einer zu der andern und dadurch zu einer höhern. Gattung möglich sei; die specifisch verschiedenen Wir- kungen in der Sinnenvvelt lassen sich unter gemeinschaftliche Piegeln bringen, von denen man immer weiter hinauf zu höhern Prinzipien steigen kann, deren Zahl also immer geringer wird u. s. w.

Dieses Prinzip der Zweckn^äfsigkelt aber

ist

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ist nicht objektiv, d. h. es wird den Gegen- ständen der Sinnenvvelt selbst kein Prädicat dadurch beigelegt, wie dies bei den im Ver- stände a prioii gegründeten Naturgesetzen der Fall ist, sondern es ist blos subjektiv; d. h. eine Maxime, welche die Urtheilskraft sich selbst zur Reflection über die Sinhenwelt als nothwendig erforderlich vorschreibt.

y^rgleichung der drei Gesetzgebungen des Ver- »tandes , der Urtheilskraft und f^ernunft.

Die reilectirende Urtheilskraft steht, ihren logischen Verrichtungen nach, zwischen dem Verstände und der Vernunft mitten inne, und dient beiden; dem ersten, um ihm das Man- nigfaltige als gleichartig und dadurch als zur Verbindung in eine Einheit tauglich darzu- stellen, der letztern, um ihr zu den Schlüs- sen den vermittelnden Begrif (termlrius me- diusj anzugeben. Auch die der Urtheilskraft eigen ihümUchen Schlüsse der Induction und der Analogie nach, geschehen einerseits, wie die Schlüsse der Vernunft, nach dem Princip des zureichenden Grundes, und stützen sich anderseits, wie die Functionen des Verstandes beim Bilden der Begriife, auf das Prinzip der Einstimmung und des Widerspruchs. Es laut

«ich dah^r auch schon zum voraus v«rniutheii> dafs die Gesetzgebung a priori der reflecti- renden Urtheil&krafc zwischen denen ^\.q^ Ver- standes und der Vernunft mitten inne stehen, und von beiden etwas an sich tragen werde. Dies wollen wir jetzt aufsuchen. Die Gesetz- gebung a priori der reflectirenden Urtheils- kraft kommt mit der des Verstandes darin iiberein, dafs ihr Gegenstand die Sinnenwelt ist, da hingegen die der Vernunft auf das Übersinnliche, die freie Geisterwelt, sich be- zieht; die der Urtheilskraft aber unterscheidet sich darin von der d-es Verstandes, dafs sie nichts über die Gegenstände der Sinnenwek selbst aussagt, sondern sich nur eine Maxime zur Beurtheilung derselben vorschreibt; und darin stimmt sie wiederum mit der Gesetzge- bung der Vernunft überein, welche «uch dem begehrenden Subjekt Regeln zur Befolgung er- theilt, nur mit dem Unterschiede, dafs bei der Gesetzgebung der praktischen Vernunft der Mensch als freies Wesen sich Gesetze vor- schreibt, da hingegen bei dem Prinzip der Zweckmäfsigkeit die Urtheilskraft als ein Na- turvermögen sich selbst eine Regel giebt. Die Gesetze des Verstandes schreiben der Erfah- rung die Regel vor, bestimmen Wie sie sein

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muls und haben also das Nötliweiidige zum Gegenstand j ihr Ausdruck ist: es mufs; die praktischen Gesetze der Vernunft Iiaben mit einer Willkühr zu thun, die nicht immer Fol- ge leistet) wo also das Zusammenstimmen der Wiilkühr mit den Gesetzen der Vernunft au- fser ihr liegt und also in Rücksicht auf sie als zufälHg betrachtet werden mufs, ob sie gleich diese Einstimmung ncthwendig fordert^ daher ihr: Du sollst. Bei der Urtheilskraft wird die Mannigfaltigkeit der Formen gleich* falls als zufällig > aber doch als zu einel: Na- tur (d. h. zu einer nothwendigen Einheit) ge- hörig, betrachtet. Die Gesetzgebung des Verstandes, nach welcher alles als noth wendig erscheint, weils nichts von Zweck, die der praktischen Vernunft stellt nicht blos feinen Zweck, sondern den letzten und höchsteil Zweck, (einen Endzweck} auf; die reflectiren- de Urtheilskraft setzt zwar Zweck und Zwecke HiäGiigkeit, aber blofs in subjektiver Hinsicht, ohne die Zwecke selbst a priori zu bestim- men und als Endzwecke aufzustellen. Der Verstand betrachtet die Sinnenwelt, sein Ob- jekt, als etwas Gegebenes, Vorhandenes; die Vernunft hat die Sittlichkeit, welche erst her- vorgebracht werden soll, zum Gegenstand; die

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Urtheilskraft betrachtet zwar die Siiinenwelt als etwas Gegebenes, aber als sei dies von einem Verstände, der nicht der unsrige ist, hervorgebracht, so dafs das Mannigfahige zu- sammen stimmt; sie betrachtet die Natur technisch, daher ist die Zweckmäfsigkeit, welche die Vernunft von den freien Handlun- gen fordert, real, die der Urtheilskraft blos idealisch, die" letztere sagt nicht, dafs die Sinnenwelt durch eine verständige Ursach her- vorgebracht sei, sondern betrachtet sie blos 2um Behuf ihrer Reflection aus diesem Ge- sichtspunkte.

J'on der Verbin dun^ des G efi'ihlver mu gens mit dem ßegrif der Zw eckmäfsigkeit.

Wir haben zu Anfang dieser Einleitung gesagt, es liefse sich vermuthen, dafs die Ge- setze a priori für das Gefühlvermögen (der Lust und Unlust) eben so in der Urtheilskraft, wie die des Erkenntnifsvermögens im Ver- stände und die des Begehrungsvermögens in der Vernunfi gegründet sind. Jetzt sind wir im Stande, diese Vermuthung zur Erkennt- nifs zu erheben.

Das Gefühl ist ein dem Subjekte zukom- mender Zustand, der nur allein subjektiv be-

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trachtet, nur allein aufs Subjekt als solches bezogen und wodi^rch also kein Gegenstand erkannt wird, auch das Subjekt selbst sich nicht erkennt. Nennen wir alles Bewufstsein des Subjektiven (das Bewufstsein des Zustan- des des Subjekts) EmpßnduTig in weiterer Bedeutung^ so ist diese von doppelter Art, entweder wird sie der Grund .einer unmittel- baren Vorstellung eines Objekts ([Anschauung), dann heifst sie Ernpfindung in engerer Be- deutung» oder sie gestattet gar keine Bezie- hung auf einen Gegenstand ?ur Erkenntnifs desselben, sondern ist blos subjektiv, dnnn heifst sie GefühL Ich höre einen Ton, den ich für den einer Trompete erkläre, so ist das in mir, was da macht, dafs ich den Ton für Trompetenton und nicht für den einer Flöte, einer Nachtigall u. s. w. erkenne, Em- pfindung im engern Sinn, denn es dient zur Vorstellung eines Gegenstandes; sage ich hin- gegen, der Ton ist mir zuwider, mir unange- nehm, so ist dies Gefühl, denn es wird da- durch nichts vom Gegenstande erkannt, son- dern nur der Zustand, den er in mir hervor- gebracht hat, bezeichnet.

Ein G«fühl heifst Lustj, wenn es das Sub- jekt bestimmt, in diesem Zustande zu blei-

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ben, Unlust, wenn es dasselbe bestimmt, die- sen Zustand zu verlassen; daher nennt man auch das Gefühlvermögen, Gefühl der Lust und Unlust; bei welcher letztern Benennung man wohl unterscheiden mufs, ob von der in dem Subjekte befmdlichen Empfänglichkeit (Fähigkeit', R eceptirität) oder von der hervor- gebrachten Wirkung, welche diese Empfäng- lichkeit voraussetzt, die Rede ist. Kant braucht in seinen Schriften den Ausdruck in beiden Bedeutungen, ich wurde vorziehen, für das in der Seele befindliche Vermögen den Ausdruck Gefiihlvermögen, und für die durch dasselbe gegebene Wirkungen das Wort Ge- fühl (der Lust oder Unlust) zu brauchen. So wie wir oben Empfindung in engerer Bedeu- tung von Gefühl unterschieden, so müssen wir auch die Fähigkeit zu beiden (welche bei beiden Empfängachkeit [Receptivität, wobei sich das Gemüth leidend verhält}, nicht Spon- taneität [Selbstthätigkeit] ift) unterscheiden; Receptivität für Empfindung heifst Sinn^ er dient zur Erkenntnifs und ist, wie wir im er- sten Theil dargethan haben, entweder innerer oder auf serer Sinn; Receptivität für Gefühl heifst Gefühlvermögen» Einige wollen ihn den innerlichen Sinn nennen, allein man

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soJIte den Ausdruck Sinn nur für die Seelen- Vermögen brauchen, welche zur ErkenntnijGs von Gegenständen dienen.

Ein Gegenstand gefällt uns, wenn er in uns ein Gefühl von Lust, er rnijsfällt uns, w'^nn er in uns ein Gefühl von Unlust her* vorbringt.

Wenn -wir vorhin die Gefühle in. die der Lust und Unlust ' unters cliieden, so wollten wir dadurch nicht andeuten, dafs alle Gefühle entweder blos Lust oder blos Unlust sein müfsten. Es kann nämlich ein Gefühl entwe- der allein für sich vorhanden oder mit andern innig verbunden sein; im letztern Fall sind entweder gleichartige (Lust mit Lust, Unlust mit Unlust} oder ungleichartige (Lust mit Un« tuet) verbunden. Die letztern heifsen gc mischte y die andern entweder für sich beste«», henden, oder mit gleichartigen verbundenen, heifsen rein. Ich habe mich lange vergeblich mit der Auflösung eines Problems beschäftigt, endlich bin ich so glücklich meinen Zweck zu erreichen, dies bringt in mir ein Wohlge- fallen hervor; reine Lust; ich leide an hef- tigen Zahnschmerzen, reine Unlust; ich erhalt« die Nachricht, dafe mein Freund, der lange an einer schmerzhaften Krankh^t litt, gestor- ^

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ben ist, so wird dadurch ein gemischtes Ge- fühl in mir hervorgebracht; Lust, dafs dieser unghlcldiche Mann endUch von seinen Leiden beireit ist; Unlust, weil ich in ihm ein Wesen verliehre, in dessen Herzen ich die geheim- sten Gedanken meiner Seele niederlegen: konnte.

Haben wir uns. davon überzeugt, dafs das Gefühl etwas blos subjektives ist, wie wir dies im Vorhergehenden dargethan, haben, so sollte man nicht glauben, dafs dieses Vermögen Principien a priori hätte ; denn was auf Prin- cipien a priori beruht, inufs Allgemeingültig- keit bei sich führen, die Gefühle von Lust und Unlust aber scheinen blos subjektive Gül- tigkeit zu haben, da sie durchaus nichts wei- . ter als die Beziehung eines Gegenstandes aufs Subjekt ausdrücken. Nimmt man die Erfah- rung zu Hülfe, so scheint diese Behauptung noch mehr Bestätigung zu erhalten; dem einen schmeckt die Auster angenehm, dem andern ist ihr Geschmcck zuwider, einer findet ein apfelgrünes Kleid Hpbhch, der andre fade. Daher sagt man auch: Mir schmeckt die Au- ster angenehm, ich finde die Farbe des Klei- des fade, wodurch man die subjektive (Privat-) Gültigkeit des Gefühls bezeichnet.

Bei genauerer Untersuchung hingegen fin- det man wiederum, dafs man gewissen Ge- fühlen Allgemeinheit beilegt; man erwartet z. B , dafs jedermann den Apoll von Belvedere schön finden , dafs sein Anblick in jedermann Lust erwecken werde; daher sagt man auch nicht: ich finde den Apoll schön, sondern der Apoll ist schön; eben so wie man sagt, er ist weifs. Man drückt sich so aus, als wenn die erregte Lust allein dem Objekt zuzuschrei- ben sei.

Ein jederi Gegenstand, welcher in mir ein Gefühl von Lust hervorbringt, steht zu mir in einem zweckmässigen Verhältnifs, er ist me^ ner Beschaffenheit angemessen; so wie hinge- gen ein Gegenstand, der. in mir ein Gefühl von Unlust hervorbringt, zu mir in einem meiner Beschaffenheit nicht angemessenen, d. h. zweckwidrigen Verhältnifs steht. Ist die Beschaffenheit von mir, mit welcher der Ge- genstand in Verbindung (Rapport) gesetzt ^rd, blos subjektiv, nicht bei jedermann vor- auszusetzen, so hat das daiaus sich ergeben- de Gefülil von Lust oder Unlust auch nur Privatgültigkeit und kann auf Allgemeingültig- keit keinen Anspruch machen; ist aber diese meine Beschaffenheit als allgemein (bei jedem

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Menschen) vorauszusetzen, so wird das daraus entspringende Gefühl von Lust und Unlust auch allgemeingültig ausgesprochen werden; eben so kann man umgekehrt sagen, ein Ür- theil, welches ein GeFuhl von Lust oder Un^ lust nur als privatgültig bestimmen kann, zeigt darauf hin, dafs der Gegenstand auf etwas in uns in Beziehung gesetzt ist, was wir nicht überall voraussetzen können, und das Urtheil, welches ein bewirktes Gefühl von Lust oder Unlust allgemeingültig ausspricht, deutet dar- auf, dafs wir in allen Subjekten dieselbe Be- schaffenheit voraussetzen, mit welcher der Gegenstand in Beziehung gebracht worden.

Um das Gesagte deuthcher zu machen, wollen wir darnach die dem Ursprünge nach verschiedenen Arten der Gefühle untersuchen.

Die Gefühle zerfallen, ihrem Ursprünge nach, in zwei grofse Hauptarten, in Körper» liehe und geistige. Jene werden durch den Körper, vermittelst der Nerven hervorgebrächt, diese durch Vorstellungen, also durch etwas, was dem Gemüth angehört» Man nennt die erstem auch wohl aulsere und die andern in- nere Gefühle, ein Ausdruck, der nicht recht passend ist, weil alle Gefühle als solche im Gemüth sich finden, und also innere sind.

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Die äursern oder körperlichen Gefühle werden auch thicrischc genannt, weil wir sie mit den Thieren gemein haben. Sie sind verbunden mit der Veränderung, welche in unsern Ner- ven hervorgebracht wird; ohne uns hier dar* auf einzulassen , welche Veränderung mit den Nerven vorgeht , wenn wir empfinden , oder gar einer der in den Psychologien und Phy- siologien aufgestellten Hypothesen beizupflich- ten, merken wir blos an, dafs in uns ein kör- perliches Gefühl von Lust entsteht, wenn di« Nerven auf eine ihrer Natur angemessene Art verändert werden, Unlust, wenn das Gegen- theil geschieht. Man nennt das körperlich« Gefühl der Lust angenehm, der Unlust unan^ genehm.

Diese körperhche Lust oder Unlust wird von uns nicht für allgemeingültig ausgegeben, ein Beweis, dafs wir den Grund davon in ei- ner Beschaffenheit unsers Subjekts setzen, wel- che nicht bei jedermann mit Recht erwartet w^erden kann. Stimmen andepe mit uns in unserm Ausspruch über körperliche Lust oder Unlust überein, so halten wir diese Einstim- mung für zufällig, und geben unserm Urtheil dadurch kein gröfseres Gewicht; eben so we- nig als wir durch die entgegengesetzte Mei-

SS

nupg der ganzen Welt dahin gebracht wer- den können, unser Urtheil über unser kör- perliches Gefühl für minder gewifs -za hal- ten. — Obgleich also hier auch das Gefühl der Lust Zweckmäfsigkeit voraussetzt, so «be- ruht doch diese auf keinem Grunde a priori^

Was nun die sogenannten Innern Gefühle betrift, welche durch Vorstellungen erzeugt werden, so findet auch bei ihnen statt, dafs bei den Gefühlen der Lust, die Vorstellung mit unsern Seelenvermögen zweckraäfsig über- einstimmt. Es hat nämlich ein jedes Seelen- vermögen einen Trieb, eine Tendenz sich zu äufsern , und eine gewisse Beschaffenheit, nach welcher es sich äufsert. Befriedigt die Vor- stellung diesen Trieb, seiner BeschalFenheit gemäfs, so entspringt Lust; befriedigt $ie die- sen. Trieb, wenn er ins Spiel gesetzt wird, nicht, oder nicht seiner Beschaffenheit gemäfs, so wird Unlust hervorgebracht.

Alle unsere Vorstellungen gehören ent- weder der Sinnhchkeit oder dem Verstände an; im ersten Fall heifsen sie Anschauungen, und daher wird das durch Anschauungen her- vorgebrachte Gefiild der Lust oder Unlust sinnlich; so wie das durch Verstandesvorstel- lungen bewirkte, intellectuell genannt; ein«

Benennung, gegen die sich freilich noch man- ches erinnern lieCse. —* Bei den Anschauun- gen ist wiederum die Materie und die Form zu unterscheiden; jene wird durch den Sinn vermittelst der Empfindung gegeben, diese durch die Einbildungskraft (^ durch Coinpre- hension) hervorgebracht.

Alle Lust, welche durch die Materie der Anschauungen hervorgebracht wird, macht auf keine AUgemeingültigkeit Anspruch; dem ei- nen gefällt die rothe Farbe des Scharlachs, dem andern mifsfällt sie; dies gilt auch für den innern Sinn, dem einen ist es die gröfste "Wollust in weiherlichen Affekt versetzt zu werden und der Zustand der Anstrengung sei- ner Kraft ist ihm verhafst; dem andern hinge- gen ist dieser Zustand der Auflösung aller Kräfte zuwider und ihn erfreut der Zustand des Wackerseins. Das sinnliche Gefühl, welches auf der Materie der Anschauung be- ruht, gehört also, wie die körperlichen Gefühle, blos zum Angenehmen oder Unangenehmen, ^. und stützt sich auf keinem Prinzip a priori,.

Die JForm der äufsern Anischauungen ist die Begrenzung derselben im Raum, zu ihrer Darstellung gehört Einbildungskraft, welche das Mannigfaltige der Anschauung durch das

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Zusammenfassen (Compreliension) zur Totalität einer Vorstellung verbindet. Ist der Gegen*- «tand von der Art, dafs die Gomprehension leicht von der Einbildungskraft geschieht, ist er der Beschaffenheit dieses Vorstellungsver* mögeas angemessen, so entspringt ein Ge- fühl von Lust, im Gegentheil ein Gefühl von Unlust. Da diese Lust und Unlust nicht auf Sinnen eindruck, sondern auf der eigen^. thümlichen Beschaffenheit eines zur Erkennt- nifs nothwendigen Vermögens beruht, so liefse sich wohl erwarten, dafs diese Lust und Un- lust für allgemeinmittheilbar gehalten werden könne, und dafs sie ein Prinzip a priori hätte, w^elches freilich keine objektive, sondern nur subjektive Gültigkeit haben könnte.

Auch bei den Vorstellungen des Innern Sinnes fmdet eine Gomprehension des Man- nigfaltigen statt, und alles, was so eben von den Vorstellungen des äufsern Sinnes gesagt worden, auf diese anwendbar; eine Anwen- dung, welche meine Leser leicht machen wer- den. Nur wird es nöthig sein, ein Beispiel einer Gomprehension des Mannigfaltigen des innern Sinnes aufzustellen, dies Beispiel giebt die Musik; sie stellt Empfindungen (Gegen- stände des innern Sinnes) dar, welche durch

die Einbildungskraft zu^ammengefalst wer- den. -—

Die Zeit ist die Form unserer Anschauungen überhaupt, und sie kann bei denGef ühlen der Lust oder Unlust, die durch Anschauungen gegeben werden, gleichfalls in Betracht gezogen werden. In der Zeit unterscheiden wir Dauer und Wechsel, zu grofse Dauer einer und derfelben "Vorstellung erregt das unangenehme Gefühl der Langenweile, welches ein Gefühl der ein- geschränkten Thätigkeit ist, in so fern es den Kräften . unsers Gemüths an Stof mangelt, woran sie sich äufsern könnten. •— Zu schnel- ler Wechsel erzeugt das unangenehme Gefühl des Schwindels. Ein unserm Sinn angemes- sener Wechsel der Vorstellungen erweckt ein Gefühl von Lust; dahin gehört das Spiel der Farben und Töne für den äufsern Sinn, so ge- fällt uns z. B. das Spiel der Farben am Him- mel bei der untergehenden Sonne; für den innern Sinn das Spiel der Affekten und Em- pßndungen, dies wird hervorgebracht duroh Musik, durch Erzählungen, im Schauspiel, bei den Glücksspielen u. s. w. ; eben so das Spiel von Gedanken, die sich wechselseitig hervor- rufen und beleben; dies ist z.B. beim Lächer- lichen und Naiven der Fali,

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Eben so kann auch Lust dadurch ent- springen , wenn ein Gegenstand so beschallen ist, dafs er der Einbildungskraft Veranlafsung giebt, auf eine leichte Weise eine Menge von Vorstellungen aneinander zu reiheil, und sie also Gelegenheit erhält, ihren Trieb leicht zu befriedigen. So gefällt uns der Ausdruck, den Schiller von der Flamme braucht^ sie sei die freie Tochter der Natur, denn er giebt der Einbildungskraft Veranlafsung, mit einer Men- ge von Bildern zu spielen j wir sehen die man- nigfaltigen immer wechselnden Gestalten d^r Flamme, das um sich greifende der Gewalt des Feuers, wir stellen uns die Unmöglichkeit vor, das Feuer zu binden u. s. w. Auf gleiche Weise entzückt uns der Ausspruch dieses Dichters : Die Elemente hassen das Ge- bild der Menschenhand. Wir stellen uns die Zerstörungen blühender Städte durch den Ausbruch feuerspeiender Berge, die Ruinen von Herculanum und Pomj^^eji, die Ueber- schwemmungen der Flüsse und ihrer Verhee- rungen , der Verwitterungen mächtiger Felsen u. s. w. vor; und diese erweckte und sich selbst unterhaltende Thätigkeit der Einbil- dungskraft macht Vergnügen. -- Ob nun gleich das Geseti der Association der Vorstel-

lun-

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lüngen in seiner Allgemeinlieit für jedermann gültig ist, d. h. die Verknüpfung bei jtjder- niann nach diesem Gesetze gesdiiehtj so er- giebt sich doch aus diesem Gesetze selbst, dafs ein und derselbe Gegenstand nicht bei allen Menschen eine gleiche Verknüpfung von Vorstellungen hervorbringen kann. Das Ge- setz der Association ist nämlich: Vorstellun- gen, die einmal mittelbar oder unmittelbar im Bewufs4:sein verbunden gewesen, rufen sich einander ins ßewufstsein zurück, gesellen sich zueiwander. Da nun in verschiedenpn Men* sehen verschiedene Vorstellungen einmal im Bewufstsein sich zusammen finden , so werden auch ganz verschiedene Vergesellschaftungen durch einen und denselben Gegenstand her- vorgebracht werden können. Daraus ergiebt öich, dafs die Lust, welche aus dem erweck- ten Spiel der Embildungskraft entspringt, bei verschiedenen Menschen verschieden sein mufs. Wenn die reproduktive Einbildungskraft durch den Gegenstand in den Stand gesetzt wird, ihr Geschäft leicht zu verrichten, so ge^ währt uns dies Lust; wird ihr aber die Repro- duction erschwert, so entsteht Unlust. Dies ist unter andern einer von den Gründen, wes- halb uns das ähnUche Bild, was der Maler //. S

uns von unserm Freunde darstellt, gefälli:, darum finden wir Wohlgefallen an der Sym- metrie in einem Gebäude, darum gefällt uns das Geordnete.

Was nun die Lust betrift, welche auf Begriffen beruht, und die man. die intel- lectuelle nennif so sind die Begriffe entweder theoretisch oder praktisch. Jene haben eine Beziehung aufs Erkenntnifs, diese aufs Be- gehrungsvermögen. — Hier erweckt ein Ge- genstand ein Gefühl der Lust, wenn er den Zwecken dieser Vermögen gemäfs ist. Die Zwecke des Erkenntnifsvermögens sind Voll- ständigkeit, Deutlichkeit, Wahrheit und Ge- wifsheit der Erkenntnifs. Die Prinzipien die- ser Lust sind also im Erkenntnifsvermögen ge- gründet. — Bei ihnen kömmt Verstand, sub- sumirende Urtheilskraft und Vernunft ins Spiel; und es werden also für die hervorgebrachte laist keine neue Prinzipi.en aufgestellt.

Allein die reflectirende Urtheilskraft, wel- che dahin strebt, aus dem gegebenen Einzel- nen der Sinnenwelt allgemeine Vorstellungen abzusondern, hat ein eigenes subjektives Prin- zip, das der Zweckmäfsigkeit. Man nennt sie in dieser Beziehung teleologisch (von TfXej ^weck). Hierdurch karm ein Gefühl erweckt

werden, was zu den intellectuellen gehört. "Wir wissen nämlich, dafs die reflectirende Urtheilskraft diesem ihren Prinzip zu Folge, das Zusammen>timmen des Mannigfaltigen in der Sinnenwelt zur Einheit und die Möglich- keit des Aufsteigens vom ßesondern zum All- gemeinen zum Behuf der Erkenntnifs voraus- setzt; dafs aber diese Einstimmung wirklich statt findet, ist zufällig; trift sie die reflecti- rende Urtheikkraft nun in der Sinnenwelt wirklich an, so wird dadurch das Gefühl ei- nes befriedigten Bedürfnisses d. h. das Gefühl einer Lust hervorgebracht. Wenn wir ein Gesetz entdecken, was zwei oder mehrere heterogene Naturgesetze als Prinzip verbindet, so bringt dies eine merkliche Lust in uns hervor; es erweckt in uns ein Wohlgefallen, V wenn wir lernen, dafs das Athemholen der Thiere und die dadurch veränderte Farbe des Bluts, das Verkalken der Metalle und die da- durch hervorgebrachte Zunahme an Gewicht, das Verbrennen der Körper u. s. w. nach ei- nem und demselben Gesetze geschieht; oder wenn wir alle Formen der mannigfaltigen Bil- dungen bei den Pflanzen aus der einzigen Blattform erklären; oder wenn wir bei den Knochengebäuden der Thiere trgtz aller ihrer

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Verschiedenheit eine Grundform erkennen. Zwar spüren wir an der FafsHchkeit der Na- tur und ihrer Einheit der Abtheilungen und Arten, wodurch allein empirische Begriffe mög- lich sind, durch welche wir sie nach ihren besondern Gesetzen erkennen, keine merkli- che Lust mehr, aber sie ist gewifs zu ihrer Zeit gewesen und nur weil die gemeinste Er- fahrung ohne sie unmöglich sein würde, ist sie allmählig mit der blofsen Erkenntnifs ver- mischt und nicht mehr besonders bemerkt worden.

Was nun die Lust betrift, w eiche mit dem Begehren in Verbindung steht, so ist sie wie das Begehren selbst entweder sittlich oder sinnlich. Bei Erfüllung des sittlichen Begehrens entspringt das Gefühl der Achtung für uns selbst, die Zufriedenheit mit unserer Person, bei Erfül- lung des sinnlichen Begehrens entspringt das Vergnügen des Genusses und der Zufrieden- heit mit unserm Zustande.

Hierbei ist noch anzumerken, dafs wenn ein Gegenstand in einer Rücksicht zweckmä- fsig, in andrer zweckwidrig für mich ist, das durch ihn gewirkte Gefühl Lust und Unlust yermischt enthalten wird.

Sondern wir nun von den aufgezählten

37 GefüUen erstlich diejenigen ab, welche offenbar 11 Lir Privatgüitigkeit haben, wie die des Sinneng^ nusses, für welche es also kein Prinzip a pri- ori geben kann, und zweitens diejein'gen intel- lectuellen, deren Beurtheilung auf einem ob- jektiven Prinzip des Erkennen« oder Begeh- rens beruht (welche Prinzipien der erste Theil dieses Werks enthielt), so bleiben zu betrach- ten noch folgende Gefühle übrig:

'%. Das Gefühl des Wohlgefallens am Schönen.

Ä. Das Gefühl des Wohlgefallens am Gyo- f&en und Erhabenen.

3. Das Gefühl der belebten Einbildangs- kraft durch Erzeugung von Vorstellungen,

4. Pas Gefühl der Lust an leichter Repro-- duction.

5. Das Gefühl der Lust beim Spiel der Em- pfindungen die durch aufsere Gegenstän- de hervorgebracht werden, beim Spiel der Gefühle und der Gedanken,

6. Das Gefühl der Lust, das durch die te- leologische Urtheilskraft hervorgebracht wird.

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T^ahere Bestimmung des Inhalts des tK>eiten Tlieils dieses Werks.

Der erste Tlieil dieses Werks entwickelte die in dem Verstände gegründeten Prinzipien a priori zum Behuf der Erkenntnifs, und die in der Vernunft gegründeten Prinzipien zum Behuf der Bestimmung der Willkühr; jetzt bleibt also noch die reflectirende Urtheilskraft übrig, (denn die subsumirende hat, wie wir gezeigt haben, kein eigenthümliches Prinzip) und dieses soll in dem gegenwärtigen Theil entwickelt und der Gebrauch desselben ge- zeigt werden. Die reflectirende Urtheils- kraft zerfällt in zwei Theile, in die ästheti- sche und in die teleologische ; jene betrach- tet die Formen der Gegenstände unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Zweckmäfsig- keit, wodurch ein Gefühl der Lust, des Wohl- gefallens ap Gegenständen bewirkt wird (for- male Zweckmäfsigkeit); diese betrachtet die reale (objektive) Zweckmäfsigkeit der Natur zum Behuf der Erkenntnifs. Die ästheti- sche Urtheilskraft steht für sich allein da, und hat weder mit dem Erkennen noch Begehren etwas zu thun; sie bezieht sich blos auf das Gefühl der Lust und Unhist; kann aber, wie- sich dies in der Folge 'ergeben wird, keine

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eigentliche Wissenschaft (Geschmackslehre) begründen; die teleologische Urtheilskraft schliefst sich ihres Zwecks halber an die Na- turerkenntnifs an, und ob sie gleich ihrer ei- genthümhchen Prinzipien wegen einer eigenen Critik bedarf, so gehört doch die Anwendung dieser Prinzipien zum Behuf der Erkenntnifs zur theoretischen Philosophie.

Die Philosophie zerfällt nämlich, in Rück- sicht der Gegenstände, welche sie betrachtet, in zwei TheUe , in die theoretische und prak- tische. . Jene hat die Erkenntnifs dessen was da ist, zum Gegenstande, ihr Gebiet ist die Natur, daher sie auch den Namen ISaturphi^ losophie führt; diese hat die Erkenntnifs des- sen was sein soll zum Objekt, ihr Gebiet ist ein Reich der Freiheit und sie begründet Sittlichkeit, daher sie auch den Namen Mo- ralphilosophie führt. Jeder derselben mufs eine Critik vorausgeschickt werden, um die , Gesetze kennen zu lernen, die in ihrem Ge- biete gelten und die Bedingungen unter wel- chen sie gelten. Die Naturphilosophie erhält ihre Gesetze durch den Verstand, die Moral- philosophie durch die Vernunft. Es blieb al- so blos die Critik der Urtheilskraft (als eine» gesetzgebenden Vermögens) noch übrig, und

da nur die reflectirende Urtheilskraft für sich selbst gesetzgebend sein kann, die Critik der reflectirenden Urtheilskraft Diese zerfällt iu die Critik der ästhetisclien und teleologischen Urtheilskraft. ßeide begründen durch ihre Prinzipien kein neues Gebiet der Philosophie (wie es denn auch aufser der theoretischen und praktischen keine dritte Art geben kann), weil die aufgestellten Prinzipien sich blos auf das Subjekt beziehen, entweder blos auf das Subjekt zum Gefühl fästhetischj^ wo aber aus der Critik sich keine Disciplin ergiebt,^ oder als Maxime des Subjekts zur Nachforschung in der Natur, wo die daraus sich ergebenden Vorschriften der theoretischen Philosophie an- gehängt werden müssen.

Kant gab zuerst seine Critik der Urtheils- kraft im Jahr 1790 heraus, welches Werk aber nachher mehrere Auflagen erlebt hat. Mehrere seiner Ideen aus der ästhetischen Urtheilskraft sind nachher von an dem scharfsinnigen Männern mehr bearbeitet worden, vorzüglich mufs Herr von Schiller, in dem Deutschland unstreitig ei* nen seiner ersten Köpfe verehrt, auch hier mit grofsem Ruhm genannt werden; besonders sind im zweiten und dritten Theil seiner pro- saischen Sclirif^en mehrere für die Critik der

4l

ästhetischen Urtheilskraft wichtige Aufsätze, enthalten.

Mein Zweck geht dahin, in diesem Werk den Hauptinhalt der Gritik der Urtheilskraft, sowohl dor ästhetischen als teleologischen, so falshch als es nur immer möghch, vorzu- tragen. Dafs ich die neuesten Werke über Critik des Geschmacks so viel es der Zweck des Werks verstattete, hicht unbenutzt gelas- sen, davon wird der unterrichtete Leser sich leicht überzeugen; die Quellen aus denen ich geschöpft immer genau zu citiren, hielt ich bei meiner Absicht, für unnüt?.

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Critik dar ästhetischen Urtheilskraft

oder

"Untersuchungen über die Prinzipien des Geschmacks,

Über die verschiedenen B edeuticng en des Worts G eichma ck.

Man braucht den Ausdruck Geschmack in verschiedener Bedeutung. i. Versteht man darunter denjenigen unserer äufsern Sinne, dessen Organ die Zunge und der Gaumen ist, und diese Bedeutung ist die eigentliche; 2. das Unterscheidungsvermögen in Rücksicht dieses Sinns, z. B. wenn jemand sagt, er habe kei- nen Geschmack, weil er durch den Schnupfen gehindert, gewisse Unterschiede unter Speisen und Getränke nicht wahrnimmt; das Ver- mögen durch eine Lust zu urtheilen, oder

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wie man es auch wohl nennt, das sinnliche Beurtheilun^svermögen ; so ^sprechen wir in diesem Sinn jemanden den Geschmack ab, wenn er gewisse Farben nicht angenehm fin- det, von gewissen Vorstellungen nicht gerührt wird u. s. w. ; 4. das Beurtheilungsvermögen des Schönen und Erhabenen, welches gleich- falls mit einem Gefühl son Lust verknüpft ist. Man gelangt zu dieser Bedeutung des Aus- drucks Geschmack durch eine Unterabtheilung der vorhergehenden; das Vermögen nämlich durch eine Lust zu urtheilen, ist von doppel- ter Art, entweder empirisch^ Si?inengeschmack Cgustus reßexusj wodurch wir das Angeneh- me und Unangenehme bestimmen, oder ideah Reßectionsgeschmack Cgi^'Stus reßectensj der das Schöne und Erhabene bestimmt. Nur der letztere macht bei seinen Urtheilen auf Allge- meingültigkeit Anspruch und bedarf daher ei- ner Critik, d. h. einer Untersuchung der Rechtmäfaigkeit dieser Ansprüche. Vom Ge- schmack in dieser Bedeutung wird in der Folge beständig die Rede sein. Endlich 5. braucht man auch den Ausdruck Geschmack in der engsten Bedeutung und versteht darun- ter den Reflexionsgeschmack, welcher seine Urtheile mit Sicherheit, Richtigkeit, FertigKeit

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und Feinheit ausspricht. Dies ist z. B. der Fall, wenn man jemanden einen Manu von Geschmack nennt»

Unterschied der G eschtna cksur theil t und der. E r k e jin t n ij's ur the il e.

Ein Urtheil wird ein Erkenntnifsurtheil genannt, wenn es von dem Gegenstande selbst etwas aussagt. Der erste Theil dieses Werks zeigte, dals keine Erkenntnifs ohne eine Sjnthesis des Verstandes möglich ist, denn durch sie wird erst das Mannigfaltige in eine nothwendige (objektive) Einheit verbunden. Weil nun der Verstand bei den Erkenntnils-» urtheilen vorzüglich in Betracht kömmt, durch ihn die Objektivität, welche dazu erforderlich ist, erst hervorgebracht wird, so nennt man die Erkenntnifsurtheile auch logische Urtheile (von A»y«5 Verstand). Ihre Eigenthümlichkeit beruht in der Beziehung aufs Objekt und es ist ganz gleichgültig, ob die im Urtheil ver- bundenen Vorstellungen a posteriori durch Empfindung gegeben werden (die Rose, wel- che ich in der Hand halte ist roth), oder ob sie a -priori, im Gemüth selbst, gegründet sind. (Alles was geschieht hat seine Ursach; zwei tvidersprechende Begriffe können nicht

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vereinigt gedacht werden). Den Erkennt nifsurtheilen stehen die ästhetischen gegen- über, wo keine Beziehung aufs Objekt, son- dern aufs Subjekt ausgedrückt wird, die Be- nennung ästhetisch kömmt von dem griechi- schen «<o9-»«-(5 Empfindung "*) ; das ästhetische Urtheil beruht auf Gefühl. , Auch bei den ästhetischen Urtheilen kömmt es gar nicht darauf an, auf welch^i Wege uns die Vor- stellungen, deren Verhältnifs zu uns als Sub- jekt durch das Urtheil ausgedrückt wird, ge- geben werden; es können diese Vorstellungen eben sowohl a priori als a posteriori sein; ja selbst die in der Vernunft a priori gegrün-r deten Begriffe können zu ästhetischen Urthei- len dienen; so bringt z, B. die Vorstellung der Pflicht, die in der praktischen Vernunft aicli Endet, ein Gefühl in uns hervor, und be- gründet ein ästhetisches Urtheil.

Die Geschmacksurtheile gehören äu den ästhetischen, denn sie geben keine Erkennt- nifs des Objekts, sondern drücken blos das Verhältnifs desselben zum Subjekt, das Wohl- gefallen oder Misfailen am Gegenstande aus,

•} Die Alten theihen die ErkennrnisEC in »e^jTie, die durcb den Verstand (vif j}^ und iu «ic^-jjt*, die diuch Empüadung gegeben nerden.

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Dafs die Geschmacksuitlieile nicht logisch sind, nichts zur ErkenntniCs der Gegenstände beitragen, sieht man unter andern daraus, dafs wir Gegenstände schön finden können, ohne zu wissen was sie sind. Der gemeine Mann w^eifs nicht, dafs die Blumen die Be- wahrer der Zeugungstheile der Pflanzen sind, und dennoch findet er sie schön. Schnörkel, Arabesken sollen nichts sein, und dennoch urtheilen wir, dafs sie schön oder häfslich sind; man beurtheilt die Schönheit einer Mu- schel, ohne dafs man daran denkt, dafs sie der Aufenthaltsort eines Thieres ist. Aber ein jedes Geschmacksurtheil drückt Lust oder Unlust aus (es ist ästhetisch), denn es sagt, der Gegenstand gefällt oder mifsfällt.

Allein obgleich alle Geschmacksurtheile ästhetisch sind, so sind doch nicht alle ästhe- tischen Urtheile Geschmacksurtheile, in der Bedeutung die wir in dem vorhergehenden Abschnitt mit 4 bezeichnet haben, denn die Urtheile über das Angenehme, so wie auch diejenigen, welche ein Gefühl von Lust oder Unlust bezeichnen, das durch Begriffe des Verstandes oder der Vernunft hervorgebracht wird, sind gleichfalls zu den ästhetischen Ur- theilen 2u rechnen.

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' ^eathetik.

Die "Logik lehrt die Gesetze des Verstan- des zum Behuf der Erkenntnisse, sie ist Ver- standeslehre; da man nun den objektiven Vorstellungen die subjektive Empfindung ge- genüber stellte, so war es natürlich auf den Gedanken zu kommen, der Logik eine Wis- senschaft gegenüber zu stellen, welche die Gesetze für die Empfindungen lehrte, und al- so das für das Gefühlvermögen wäre, was die Logik für das Erkenntnifsvermögen ist. Ale^ xander Gottlieb Baumgarten schrieb zuerst eine solche Wissenschalt und beiegte sie mit dem Namen Aesthetik; sie ward nach i]im von mehreren deutschen Gelehrten, von Meyer, J. A. Schlegel, König, Eberhard, En- gel, Mendelssohn, Moritz u. s. w. bearbeitet. In dieser Aesthetik wird gewöhnlich eine Theo- rie der Empfindungen (Gefühle) vorausge- schickt, sodann vorzüglich auf die Geschmacks- vorstellungen Rücksicht genommen und end- lich eine Theorie der schönen Künste ge- geben.

Ob es nun eine Wissenschaft der Gefühle überhaupt oder auch nur in Beziehung auf die Geschmacksurtheile geben könne oder nicht? ist eine Frage, die einer solchen Astlie-

tik durchaus voiahgehen müfs. Ljefse slck z. B. dcirthün, dafs es keine objektiven Prih- aipien zur Beurtheilung des Schönen und Er- habenen gebe, so würde es auch keine Wis- senschaft des Schönen (Aesthedk im oben an- geführten Sinn) geben können *). Diese Un- tersuchungen sind der Inhalt der Kantischen Critik der ästhetisclien Urtheiiskraft. Kont will weder eine Theorie des Geschmacks, noch der schönen Künste aufstellen, noch will er Regeln geben ^ wie man es anzufangen habe seinen Geschmack zu cultiviren; son- dern er will untersuchen, was der Geschmack als Peurtheilungsvermögen für ein Vermögen des Gemüths sei? ob es Prinzipien a priori enthalte? welches diese Prinzipien sind? und was für ein Gebrauch von denselben zu machen?

Wir machen mit der Untersuchung des Gefühls der Lust am Schönen den Anfang.

Aii-

•) Kant braucht den Auadruck Aestlietik In seiner Critik der Vernunft in einer andern Bedeutung aU Baumgarien, und versteht darunter die Wissenschaft der Vorstellungen, wel- che auf fimpfindung beruhen, Anschauiaigslchre, ex Stellt sie der Logik als Begrif'slefara gegenüber.

Anmerkung. Man mufs zweierlei Arten der Auseiaanderietiung der GeschniÄrksuribeile wohl vohfinandör unterschf-idcn, die empirische oder psychologische und die tronsscendentale. Jene untersucht, wa» fiif Vermögen des Gemüih» beim Ge- •chmacksuttheiie sieb äufsem, was uns antreibt Gescbmacks- urtheile /u fallen usd auch woh!> wie Biiike in seinen pbi« losojihischen Untersuchungen über den Ursprung unserer Begriffe vom Schönen und Erhabenen , wa^ iür körper- liche Veränderungen bei den Gelüblen , die mit den Ge- «chmacksurtheilen verbunden sind,, sich finden. Auch kann man aus der Geschichie die Ursachen der beförderten oder gehemmten Cultur, sowohl in Beurtbeilung als Hervorbrin- gung der Gegenstände des Geschmacks, sowohl im Allge- meinen als für bestimmie Nationen, ja se!L>6t für einzelne Mensihen, darstellen. Diese Untersuchungen haben al- lerdings ihren Werth und tragen zur Menschenkunde viel bei; wer aber meint, dafs sie für die Geschmacksuriheile vollkommen hinreichend sind, und wie difes noch panz neuerlich geschehen, mit Wegwerlun^^ von dei transscenden- talen Untersuchung dieser Art Urtheüe spricht, versteht noch nicht einmal, worauf es eigentlich auLömmt. F.s haben nämlich die Geschmacksurtheile die Eig-nschaft, dals der Urlheilende g^nselben nicht blos e^oisüsclie. sond^ri-. plu- ralistische Gültigkeit beilegt, und awar diese letztere nicht der ßvispiole wegen, wo andere mit uns überr-instimmen, sonde/n der innern Natur df^s Unheils- se'bst wegen. •— Wir halten unser Geschmacksurtheil nicht für rieht g oder Iür allgemeingültig, weil andere mit uns zusammen stim- men, sondern indem wir ein Geschmac ksuriheil fäilen, er- warten wir, dafs uns jedermann beipfiirhu'n soll. Mit welchem Reclite geschieht dies? Diss ist die Frage, welche die traüsscendentale Erörterung iüi Güschmack.'iurihetle zu beantworten sucht. Sie geht aller Censur der Geschmacks- urtheile voraus und begründet ihre Möglichkeit. Ist diese Allgemeingüiiigkeit der Gescbmacksuriheila kein Blend

//. 4

5o

werk, od«r vrelches einerlei ist, giebt ei wirkliih Ge- ficbmacksurtheile, so muis ihnen irgend ein objektives oder «ubjekiiye» Prinzip a priori zum Grunde liegen, auf dessen Auifindung zwar die empirischen Gesetze der Gemüthsver- änderungen beim Geschmacksurtheile vorbereiten, aber durchaus dasselbe selbst nicht geben können j denn sie kön- nen zwar zeigen, wie geurtheilt wird, nicht aber wie geur- theilt werden soll.

5fr

Untersuchung der G eschmacTisur-'

theilcj welche das Schöne be^

treffen.

yon den beiden Hanptnrten der Schönheit, der fr ei en und der anhängenden.

JC-he "wir uns an die Aufsuchung der Eigen- thümlichkeiten der Urtheile über das Schöne und deren Begründung selbst wagen können, müssen wir uns zuvörderst einen Hauptunter- schied der Schönheit bekannt machen, der auf die Beschaffenheit der Geschmacksurtheile selbst einen wesentlichen Einfiufs hat; dieser Unterschied betrift die freie (für sich beste- hende) und anhängende (bedingte) Schönheit Cpulchritudo vaga und adhaerensj, Sie heifst frei, wenn dabei kein Begrif von dem, was der Gegenstand sein soll, vorausgesetzt wird. anhängend, wenn ein solcher Begrii" und die

52 ,

Vollkommenheit (Übereinstimmung^ des Ge- genstandes nach (mit) demselben vorausgesetzt wird. Zu. den freien Schönheiten gehören: Blumen, Schaalthiere, Arabesken, Einfassungen a la grec, Musik ohne Text, der Kopfputz der Frauen u. s. w. ; zu den anhängenden: Bildsäulen, Gefäfse, Gemälde, Gebäude, R.e- den, Gedichte, Musik mit untergelegtem Text u, s. w. Bei der anhängenden Schönheit wird die Frage nach der Vollkommenheit (Richtig- keit) vorausgesetzt, und wenn gleich die Un- richtigkeit der Schönheit Abbruch thut, so sind doch Schönheit und Vollkommenheit wohl voneinander zu unterscheiden, und die letztere führt nicht immer die erstere bei sich» Es kann eine Statue alles an sich tragen, was wir dem Begriffe nach von einem Herku- les fordern, sie kann mit den Gesetzen des starken 'männlichen Körperbaus genau zustim- men, und demungeachtet kann sie nicht schön sein. Es sind also bei dem (Jrtheil über anhängende Schönheit zwei Urtheile innig zu- sammen verbunden, von welchen das über Vollkommenheit oder Richtigkeit vorangeht, und das über Schönheit folgt.

Die Naturschönheit kann sowohl frei als anhängend sein; obgleich auch bei der letz-

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tern immer für die Form ein grofser, weiter Spielraum übrig bleibt; eben so kann die Künste eil önheit auch frei und anhängend sein, wie wir denn auch oben unter den Beispielen der freien Schönheit mehrere Kunstprodukte genannt haben. Nur ist hier wohl zu unter- scheiden, es liegt der Existenz des Gegenstan- des ein Begrif zum Grunde, und es wird bei Beurtheilung der Form desselben durch den Geschmack, auf einen Begrif Rücksicht ge- nommen. Das erstere mufs freihch bei jedem Kunstprodukte der Fall sein, denn der Ver- fertiger desselben mufs einen Zweck haben, den er sich durch einen Begrif vorstellt; das letztere hingegen ist nicht immer der Fall, wie z. bei den Schnörkeln der Schreibmeister, den Arabesken, oder der Einfassung von Klei- dern bei Frauen u. s. w.; nur eine Art der schönen Kunst, die redende, macht es ihrem Wesen nach unmÖgHch, freie Schönheiten aufzustellen, denn Worte sind nichts als Zei- chen unserer Vorstellungen, und Rede ist ohne Begriffe nicht mögUch; der Verstand macht also bei einem jeden Produkt der Rede die Anforderung der Richtigkeit d. h, der Zu- sammenstimmuBg mit dem, was es sein soll.

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Unterschied der G es ch macksurih eile über 'das Schöne, in cksl ch t. der Gelilhle, die mit denselben verbunden sind. »

Ein Gefühl ist nicht immer für sich al- lein vorhanden, sondern auch oft mit andern verbunden. So i^t das Gefühl der Lust am Schönen im Geschmacksurtheil auch entweder rein (für sich bestehend} oder gemischt ^ (mit andern Gefühlen verbanden) Zu den mit dem Wohlgefallen am Schönen verbundenen Gefühlen gehören, Sinnenreitz, (das Anmu- thige, Liebliche u. s. w.) Piührung, das Lä- cherliche, das Erhabene, das Gefühl der Über- zeugung , religiöses , moralisches , sympatheti- sches Gefühl, das Vergnügen am Naiven, am Witz, ein Gefühl, was das Spiel der Affekten erzeugt, was die Überraschung hervorbringt u. s, w. Diesem zu Folge theilt man die Ge- schmacksurtheile in reine und gemischte. Als Gegenstände reiner Geschmacksurtheile kön- nen genannt werden : die Arabesken, Blumen, der Kopfputz der Frauen. Alle adhärirende Schönheit giebt ein gemischtes Geschmacks- urtheil, weil die Erkenntnifs der Richtigkeit und Angemessenheit der Darstellung Lust ge- währt, die freilich in sehr vielen Fällen ganz unmerklich sein kann. Die Kunstschönheiten

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können reine Gesclimacksurtlieile geben, wie z. B. die Arabesken, das Phantasiren auf ei- nem musikalischen Instrument, sie müssen als- dann freie Schönheiten aufstellen, Da die Werke der redenden schönen Künste keine freien Schönheiten sein können, so ist in dem Urtheil über dieselbe das Urtheil über Üich- tigkeit stets eingemischt.

Aber es können auch wieder umgekehrt Naturschönheiten gemisclite Geschmacksurtheile erzeugen. Eine schöne Gegend kann aufser der Lust, die sie uns als schön gewährt, noch dadurch Vergnügen erwecken, dafs sie uns an eine Reihe wichtiger Thaten erinnert, von de- nen sie der Schauplatz war und ein Spiol von Affekten in uns erregen, indem wir an den Schicksalen der Mehschen Theil nehmen, die als handelnd und leidend in diesen Begeben- heiten auftraten; der Gesang der Nachtigall kann uns das Andenken an eine frühe Liebe in die Seele rufen, oder uns an die kindhch- frohen Tage unserer Jugend erinnern.

Es kann der Maler der Schönheit seiner Zeichnung den Reitz des Colorits hinzufügen; der Schönheit eines Allegros kann der Reitz des Tons des Instruments worauf es vorgetra- gen wird, sich beigesellen; der Dichter und

56,

Redner kann seine Gedanken in wohlklingenden der Sache angemessenen Worten ausdrücken, und ihnen dadurch Reitz verschaffen. Z. B.

Von dem Dome

Schwer und bang

Tönt die Glocke.

Grabgesan^.

Schiller^

In folgendem Gedicht von Matthison ist Lieblichkeit, mit S.chönheit verbunden. Sylfen. Die Sylfen entwallen Des Morgenroihs Hallen, Wie lieblich, wie mild Ihr Purp.urgebild Aus Aether gehaucht In Aether sich taucht! Ein R.osenbIatt würde Den Schwingen zur Bürde. Ihr Sinn ist so hell Ihr Schweben so. schnell Wie Stralen der Sonne. Sie locken zur Wonne Mit Nachtigalltönen Und bieten galant Bezauberten Schönen Die lösende Hand.

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Zum Beispiel eines Geschmacksurtheils, in dem mit der Schönheit Rührung verbun- den, mag eine Scene aus Euripides Iphigenia nach der Uebersetzung von Schiller dienen.

Iphigenia,

Mein Vater, hätt' ich Orpheus Mund, könnt' ich Durch meiner Stimme Zauber Felsen mir Zu folgen zwingen und durch meine Rede Der Menschen Herzen, "wie ich wollte,

schmelzen, Jetzt würd' ich diese Kunst zu Hülfe rufen. Doch meine ganze Redekunst sind Thränen, Die hab' ich und die will ich geben! Sieh', Statt eines Zweigs der Flehenden leg' ich Mich selbst zu Deinen Füfsen Tödte mich Nicht in der Blüthe! Diese Sonne ist So lieblich ! Zwinge mich nicht vor der Zeit Zu sehen, was hier unten ist! Ich war's Die Dich zum erstenmale Vater nannte. Die erste, die Du Kind genannt, die erste, Ple auf dem väterlichen Schoofse spielte, Und Küsse gab und Küsse Dir entlockte. Da sagtest Du zu mir: „O meine Tochter .Werd ich Dich wohl, wie's Deiner Herkunft

ziemt.

58

Im Hause eines glücklichen Gemahls

Einst glücklich und gesegnet sehn?"

Und ich, An diese Wangen angedrückt, die flehend Jetzt meine Hände nur berühren, sprach: Werd' ich den alten Vater alsdann auch In meinem Haus mit süfsem Gastrecht ehren, und meiner sorgenlosen Jugend Pflege Dem Greis mit schöner Dankbarkeit be- lohnen?" So sprachen wir. Ich hab's recht gut be- halten. Du hast's vergessen, Du, und willst micK

tödten. O neini bei Pelops, Deinem Ahnherrn! Nein! Bei Deinera Vater Atreus und bei dieser *) Die mich mit Schmerzen Dir gebahr, und nun Aufs neue diese Schmerzen um mich leidet I Was geht mich Paris Hochzeit an? Kam er Nach Griechenland mich Arme zu erwürgen? O gönne mir Dein Auge! Gönne mir Nur einen Kufs, wenn auch nicht mehr Er- hörung, Dafs ich Ein Denkmal Deiner Liebe doch Mit zu den Todten nehme! Komm, mein

Bruder !

•) Clyttmn««:r«.

59

Kannst Da auch wenig thiin für Deine Lieben, Hinknien und weinen kannst Du doch. Er soll Die Schwester nicht ums Leben bringen,

sag* ihm. Gewifs! Auch Kinder fühlen Jammer nach. Sieh' Vater! Eine stumme Bitte richtet er an

Dich Lafs Dich erweichen! Lafs mich leben! Bei Deinen Wangen flehen wir Dich an, Zwei Deiner Lieben, der unmündig noch, Ich eben kaum erwachsen! Soll ich Dir's In Ein herzrührend Wort zusammenfassen? Micht süfsers giebt es als der Sonne Licht Zu schaun ! Niemand verlanget nach da unten. Der raset, der den Tod herbeiwünscht!

Beispiel eines gemischten Geschraacksur- iheils, wo mit dem Schönen das Lächerliche verbunden.

Loh der Faulheit, Don .Lessing^ Faulheit, endlich mufs ich Dir Auch ein kleines Loblied bringen O wie sau er, wird es mir Dich ►— nach Würden zu besin-

Doch ich will mein Bestes thun. Nach ^er Arbeit ist gut ruhn.

6o

Höchstes Gut, wer Dich nur hat

Dessen ungestörtes Leben

Ach! ich gniin, ich werde matt

Nun -—so magst Du, mirs ver- geben, Dafs ich Dich nicht singen kann, Du verhinderst niich ja dran.

Aus Ramlers lyrischer Blumenlese.

Obgleich das Erhabene eine ganz eigene Art Geschmacksurtheile, die specifisch von denen, die das Schöne zum Gegenstand ha- ben, begründet, so mufs doch die Darstel- lung desselben , wenn sie Produkt der Kunst ist, schön sein. Beispiel des schönen Erha- benen :

Prometheus,

Bedecke Deinen Himihel, Zeus,

Mit Wolkendunst,

Und übe, dem Knaben gleich,

Der Disteln köpft,

An Eichen Dich und Bergeshöh'n,

Mufst mir meine Erde

Doch lassen stehn

Und meine Hütte, die Du nicht gebaut,

Und meinen Heerd .

Um dessen Glut

Du. inich beneidest.

6i

Ich kenne nichts ärmers

Unter der Sonn' als euch Gölter!

Ihr nähret kümmeriich

Von. Opfersteuern

Und Gebetshauch

Eure Majestät

Und darbtet, wären

Nicht Kinder und Bettler

Hofnungsvolle Thoren.

Da ich ein Kind war

Nicht wufste, wo aus noch ein,

Kehrt' ich mein verirrtes Auge

Zur Sonne, als wenn drüber war

Ein Ohr zu hören ineine Klage,

Ein Herz wie meins

Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir

Wider der Titanen Übermuth?

Wer rettete vom Tode mich,

Von Sklaverei?

Hast du nicht alles selbst voUondet,

Heilig glühend Herz?

Und glühtest jung und gut

Betrogen, Rettungsdank

Dem Schlafenden da droben?

62

Ich Dich ehren? Wofür?

Hast Du die Schmerzen geh'ndert

Je des Beladenen?

Hast Du die Thränen gestillet

Je des Geängsteten?

Hat nicht mich zum Manne geschmiedet

Die allmächtige Zeit

Und das ewige Schicksal,

Meine Herr'n und Deine.

Wähntest Du etwa,

Ich sollte das Leben hassen,

In Wüsten fliehen,

Weil nicht alle

Blüthenträume reiften?

Hier sitz ich, forme Menschen

Nach meinem Bilde,

Ein Geschlecht, das mir gleich sei

Zu leiden , zu weinen,

Zu geniefsen und zu freuen sich,

Und Dein nicht zu achten,

Wie ich!

Göthe,

65

Ein Gefühl der Überzeugung mit dem Wohlgefallen an Schönheit wird durch folgen- de Darstellung erweckt:

Die Freundschaft, Wie der frühe Morgenschatten, Ist die Freundschaft mit den Bösen, Stund' vor Stunde nimmt sie ab. Aber wie der Abendschatten Ist die Freundschaft mit den Guten, Bis des Lebens Sonne sinkt.

Ein religiöses Gefühl gesellt sich zum Wohlgefallen am Schönen bei Lesung des fol- genden Gedichts aus Gleims Halladat.

An Idalup^ den Bildhauer, Von Deinem Gott ein ßildnifs wolltest Du Dir machen, Armer! Hast in Deiner Hand Die Hacke noch? Und wenn in Deiner

Hand Ein Meissel wäre, welcher Marmor leicht Auf Deines grof^en Geistes raschen Wink In eine wunderherrliche Gestalt Verwandeln könnte, dennoch rath ich Dir, Den Meissel wegzuwerfen! Denn von Gotl Ein Biidnifs machen wollen, ist Bew^eis Von Geistesschwäche. Daurende Gestalt Gib seinen höhern Geistern, gib auch dem

64

Der unter Menschen edle Thaten thsetl Dem Gott gedankten Fürsten, der die Lust Des menschlichen Geschlechts und seines

Volks ^ Dem Patrioten, der der Steuermann Des Vaterlands und seines Fürsten war; Dem Weisen ,^ der bei später Lampe, Licht In ßnstre Seelen seiner Brüder trug; Dem stillen Frommen, dessen Frömmigkeit Erst dann gesehn von scharfen Augen ward Als er hinaufgetragen, lange schon In seines Gottes befsrer Geisterwelt Den Lohn für seine Tugenden empfing; Dem guten Weibe, dessen Güte spät Den Enkeltöchtern noch Exempel ist Nur Deinem Gott gib keine! - Deinen Gott Kannst Du nicht schnitzen Und nicht kon^

terfein, Er ist der Unsichtbare, Dir zu grofs! Und gäbst Du ihm erhabene Gestalt Aus welcher Allmacht und Gerechtigkeit Erbarmung, Gnade, Liebe, Langmuth und Die höchste Weisheit unser aller Herz Zur Anbetung aufforderten, an der Die grofsen Künstler alle Deine Kunst Und Deines Geistes grofses Ideal Bewundern müssen^ dennoch hättest Du

Den

65

Den Unsichtbaren schleclit gebildet und Nichts mehr als nur ein kleines Götzenbild In Deinem Tempel hingestellt, zum Spott Zum Spott? O nein! zum Mitleid, Ärgernifi Und zur Verengung der beklemmten Brust Des Weisen, der in seiner Seele lief X>er, grofsen Gott der Göi. r und des Wurms Der Sonnen und der Erden, nur sich denkt Und hingeworfen auf den Staub, aus dem Sein grofser Schöpfer, wenn er will, den Geist Des Menschen winket, oder Himmel wölbt, Anbetet, und in seiner Anbetung Den nahen Geist empfindet, oder ihn In seinem West, in seinem Meereesturm In seinem Donner und auf Fittigen Des Blitzes gegenwärtig hört und sieht.

Wird das morahsche Gefühl durch den schönen Gegenstand auch aihcirt, so bekömmt das Gefühl der Lust dadurch einen hohen Grad der Lebhaftigkeit und das Interesses. Als Beispiel der Art nenne ich Dom Karlos Ton Schiller, Mahomed von Vokäre; als klei- nes Beispiel will ich folgendes Gedicht aus dem Grieclüschen hersetzen, dessen Über- setzung wir Herrn Herder verdanken.

II.

66

Gerecht ist nicht, der niemand Unrecht thut Der ists, der Unrecht thun kann und nicht will Nicht der, der kleinen Raubes sich enthält Der ists, der grofsen Raub mit Muth Ver- schmäht Wenn er ihn haben und behalten kann* Nicht der ists, der dies alles nur befolgt Der ists, der ungeschminkten reinen Sinns Sein ein Gerechter und nichi scheinen "will.

Diese Verknüpfung von Gefühlen giebt auch nachfolgender Fabel ton Lessing ein «o hohes Interesse:

Zevs und das Schaaf.

Das Schaaf mufste von allen Thieren vie- les leiden. Da trat es vor den Thron des Zevs und bat sein Elend zu mildern»

Zevs schien willig und sprach zu dem Schaaf: Ich sehe wohl, mein frommes Ge- schöpf, ich habe Dich allzu wehrlos erschaf- fen. Nmi wähle, wie ich diesem Fehler am besten abhelfen soll. Soll ich Deinen Mund mit schrecklichen Zähneu und Deine Füfse mit Krallen rüsten?

O nein, sagte das Schaaf, ich will pichts mit den reissendew Tiü§r#ji gemein haben.

67

Oder fuhr Zevs fort, soll ich Gift in Dei* nen Speichel legen?

Aeh! versetzte das ScLaaf, die giftigen Schlangen werden ja so sehr gehafst.

Nun was soll ich denn? Ich will Hörnet auf Deine Stirne pflanzen und Stärke Deinem Nacken geben.

Auch nicht > gütiger Vater, ich könnte leicht so stöfsig werden als der Bock,

Und gleichwohl, sprach Zevs, mufst Du selbst schaden können, wenn sich andre Dir Äu schaden, fürchten sollen.

Müfste ich das ? seufzte das Schaaf. O so lafs mich gütiger Vater, wie ich bin. Denn das Vermögen schaden zu können, erweckt fürchte ich, die Lust schaden zu wollen und es ist besser Unrecht leiden als Unrecht thun*

Zevs segnete das fromme Sehaaf und es Vergafs von Stunde an zu klagen.

Beispiel, um die Verbindung des Naiven mit dem Scliönen zu erläutern.

Die Spinnerinn, i)on P^ofs* Ich safs und spann vor meiner Thür Da kam ein junger Mann gegangen; Sein braunes Auge lachte mir Und r<jther glüliten seine Wangen.

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Ich sah vom Rocken auf und sann

Und safs verschämt und spann und spann.

Gar freundlich bot er guten Tag

Und trat mit holder Scheu mir näher.

Mir ward so angst; der Faden brach,

Das Herz im Busen schlug mir höher;

Betroffen knüpft ich wieder an

Und sals verschämt und spann und spann.

Liebkosend drückt er mir die Hand Und schwur, dafs keine Hand ihr gleiche, Die schönste nicht im ganzen Land An Schwanenweifs' und Piund und Weiche. Wie sehr dies Lob mein Herz gewann, Ich safs verschämt und spann und spann.

Er lehnt auf meinen Stuhl den Arm Und rühmte sehr das feine Fädchen. Sein naher Mund, so roth und warm Wie zärtlich haucht er: süfses Mädchen! Wie blickte mich sein Auge an! Ich safs verschämt und spann und spann,

Indefs an meiner Wange her

Sein fichönes Angesicht sich bückte,

69

Begegnet ihm von ungefähr

Mein Haupt, das sanft im Spinnen nickte;

Da külste mich der schöne Mann.

Ich safs verschämt und spann und spann.

Mit grofsem Ernst verwies ichs ihm; Doch ward er kühner stets und freier^ Umarmte mich voll Ungestüm Und küfste mich so roth wie Feuer. O sagt mir Schwestern, sagt mir an; Wars möglich, dafs ich weiter spann?

Witz mit Schönheit verbunden zeigt fol- gendes Epigram von Göthe:

Böcke zur Linken mit euch! so ordnet künf- tig der Richter,

Und ihr, Schäfchen, ihr sollt ruhig zur Rech- ten mir stehn!

Wohl! 'Doch eines ist noch von ihm zu hof- fen; denn sagt er:

Seid, Vernünftige, mir grad gegenüber ge- stellt.

So wie auch folgendes des Herrn von Kleist, nach dem Hieronimus Amaltheus.

y4n zwei sehr schöne ^ aber einäugige- Geschwister,

Du mufst, o kleiner Lykon, Dein Aug Aga- then leihn,

Blind wirst Du dann Kupido, die Schwester

Venus sein^ *)

Gefühl der Lust am Spiel der Affekten, Verbunden mit dem Gefühl der Schönheit, gewähren vorzüglich die Meisterwerke der tragischen Muse; Euripidis und Göthens Iphigenia, die beiden Piccolomini und Wallen^ stein, Maria Stuart, Dom Karlo^, die Jung- frau von Orleans von Schiller, Akire, Zairej^ Mahomed, Tancred von Voltaire u. s. w., denn wer könnte nicht zw den aufgezählten Stücken noch viele hinzufügen, die ihm den schönsten Genufs gewährten^ Ein Gedicht von kleinerem Umfang zu finden , was als Bei- spiel dienen könnte, ist schwieriger; xnir scheint folgende Ode von Denis nicht unpas«^ send gewählt.

'*■) Lumine Acen dextto, capta «st Lecuilla slniatro Et potis est forma vincere uterque deoi. T>Iande puer, turnen, quod babes, coDcade puctta«« Sic cu eaecus Amor, ilc eiit i!U Vena».

Das Donnerwetter* Herrlich und furchtbar bist Du, gewahiger Wolkenversammler , Himmel verfinsterer ! Kein Erdegebiether und kreis'te sein Machtwort So wie die Sonne kreist Reichet an Dich,

Herrlich und furchtbar bist Du. So sagte mir Tief in die Seele Dein Donner. So, lange Dein Donner sprach, lag es rer-

stummet Aber nun sagt es mein Harfenspiel nach: Herrlich und furchtbar I

Heifs war der Tag. Dein Finger gebot

Nach Süden. Da zogen nach Süden

Von tausend Thälern und tausend kochenden

Sümpfen Die blaulichen Hauche, verdickten sich dort Zu schwarzen Wolkengebirgen. Von da Sollte Dein Blitzgespann, Sollte Dein erden erschütternder Wagen Über das Antlitz der Welt ergehn.

Die Sonne barg sich. Immer stUl^^ Stiller ward der Waldgesang. Der Schwalbe Flügel streiften an der Erde Die Mücken summeten ahnend umher.

'7^

Schnaubend warf der Stier den Nacken auf

Und suchte den strömenden Wind

Aber von Dir war ihm noch nicht zu strömen

gebothen. Unbewegt, unerfrlscht stand die Luft, Und die Brust des Barden war beklemmt Und sein Odem schwer.

Endhch gebotst Du dem Winde zu strömen. Da trug er in seiner weitkreisenden Tief niederhangenden Wolkennacht Deinen erschrecklichen Wagen herauf. Rifs auf Rifs zerbarst die Nacht Deinen geschlängelten glühenden Keilen Vor dem Wagen her. Aber der Wagen krachte noch nicht. Er

rollte nur, Und die Brust des Barden ward beklemmter Und sein Odem schwerer.

Nun war der Wagen über unserm Haupte Dem Drucke seiner schweren Räder Erbebten die Thürme der Kaiserstadt *) Erbebte bi? in ihrem tiefen Schoos die Vest«, Jeglicher blendende Blitz Ereilt vom betäubenden Knalle

•) Wien.

75

War des nahen Todes Zeuge.

Bleich und stumm war mein Geschlecht

Und ich safs mit gebognem Nacken

Und in meiner Seele war kein Laut als dieser :

Herrlich und furchtbar!

Aber die zackigen Keile

Fuhren ergrimmet umher.

Einer durchwühlte den Busen der Flur,

Ein anderer begrub sich in der erschrockenen

Donauflut. Dieser erlosch im unendlichen Baume der

Himmel. Jener traf der schönsten Eiche Wipfel, Morgen kömmt der Barde will sich kränzet, Ach sie steht versengt!

Also fuhren die Keile; doch hatte

Der auf dem Wagen den Keilen gebothen

Meines Geschlechts zu schonen.

Und itzo gab er seinen Wassern

Befehl herunter ^u stürzen.

Da wurden die Wolkengebirge zur Ebne,

Und der Wagen krachte nimmer, rollte nur.

Und ich hub mein Haupt allgemach empor

Und die Brust des Barden ward erweitert

Und sein Qdem leichter.

7+

Nun war er hinüber der Wagen nach Norden,

Doch irrte von Berge zu Berge

Der langsam sterbende Nachhall von seinem

Gerolle. Da schwang sich mein freierer BHck zum

Himmel Der farbige Bogen (die Brücke der Götter Als Odin noch herrschte, noch Asgard stand Und itzo der Schatten, Allvater, Von Deinen besänftigten Augenbraunen) Der wölbte sich hell in Osten empor. Wie klares Gestein, so glänzte zur Luft Der Segen der Wolken auf Laub und Gras. Da tauchten die Vögel, da tauchten die

Heerden Den muntern Fufs ins erfrischende Nafs Und neues Gefühl des Lebens erhub Das zagende Menschengeschlecht«

Auch mich, auch mich erhub dies neue Ge- fühl. Ich rührte die Saiten und sang: HerrUch und gnädig bist Du, gewaltiger Wolkenverwälzer, Himmelerheiterer ! Siehe dort dampfet der Hain getroffen von

Dir Aber Du schontest der Menschen

.1^

Deine Sonne barg sich

Nun er-jcheint sie wieder

In der Abendpracht.

Ihrer Blicke letzter

Gülciet mein erwachtes

Frohes, dankbemühtes HarfenspieL

Die lebhafte Darstellung der Schwüle der Luft, des Anfangs und Fortgangs des Gewit- ters versetzt uns in eine Beklommenheit, die immer mehr und mehr wächst; so wie das Ende des Gewitters und das Gemälde der er- frischten Natur in unserer Brust ein freieres Athmen bewirkt und das Gefühl des Frohseins erzeugt. Der Dichter erreicht seinen Zweck ein Spiel der Gefühle in uns zu erregen da- durch um so eher, dafs er nicht blos die Na- turerscheinungen vor imserer Seele vorüber« gehen läfst, sondern uns auch die verschie-^ denen Wirkungen darstellt, welche sie auf an- dere lebende Wesen macht und die Gefühle .lennt, die in ihm sich erzeugten.

Zum BeL«;piel eines GescÜmacksurtheils verbunden mit dem Gefühl der Überraschung, welches Lust gewährt, wähle ich folgendes scherzhafte Gedicht des Herrn von Logaji«

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Technikus, Technikus kann alle Sachen Andre lehren, selber machen; Reiten kann er, fechten, tanzen; Bauen kann er Stadt' und Schanzen; Stadt und Land kann er regieren; Recht und Sachen kann er führen; Alle Krankheit kann er brechen; Schön und zierlich kann er sprechen; Alle Sterne kann er nennen; Brauen kann er, backen, brennen; Pflanzen kann er, säen, pflügen; Und zuletzt erschrecklich lügen.

über den Unterschied der reinen Gejchnacksurtheiie über das Schone und der andern ästhetischen Urtheile.

Wir haben oben den Unterschied zwi- scken logischen und ästhetischen Urtheilen an- gegeben und gezeigt, dafs die letztern das Wohlgefallen und Mifsfallen an einem Gegen- stande ausdrücken- Alles Wohlgefallen aber an einem Gegenstande ist von dreifacher Art, entweder vermittelst der Empfind ung (Materie der Anschauung), oder der Anschauung als solcher (Form der Anschauung) oder eines Begrifs. Im ersten Fall heifst der Gegenstand angenehm; im zweiten schön oder erhaben.

77 im dritten gut, Dafs diese Eintheilung der Gegenstände des Wohlgefallens logisch vollständig ist, fällt in die Augen. Es fragt sich blos, ob diese Gegenstände der speci- fisch verschiedenen Arten dei Wohlgefallens wirklich statt hnden und ob die gewählten Bezeichnungen des Angenehmen, Schönen und Guten richtig sind.

Dafs in der Sprache angenehm, schön (erhaben) und gut voneinander unterschieden werden, mufs uns schon vermuthen lassen, dafs das Wohlgefallen welches dadurch be- zeichnet wird, auch unterschieden sein werde ; und dies wollen wir zuvörderst auseinander setzen. Wir wollen aber um Schwierigkeiten zu vermeiden, noch hinzufügen, dafs es zwei ganz verschiedene Arten des Guten giebt, das Gute in Rücksicht des Erkennens und in Rücksicht des Begehrens. Das Gute des Er- kennens, das logische Gute (honum, logi- cumj besteht in der Beschaffenheit imd Voll- ständigkeit eines Gegenstandes zu, dem, was er durch den Begrif gedacht, sein soll. Das Gute in Rücksicht des Begehrens zerfällt in zwei Arten, in das Absolut -Gute und in das Relativ- Gute (das Gute zu einem bestimmten Zweck), Jenes heifst-das Sitl/ich-^Gute fito-

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num morälejy und ist Zweck an sicli , dieses das Nützliche und ist Mittel zu einem Zweck» Es kann meinen Lesern diese Eintheilung des Guten keine Schwierigkeit machen, da in dem üweiten-Hauptabschnitt dieses Werkt», welcher die Frage: was soll ich thun? beantwonete, weitläuftig über den Unterschied des 6itrlich- Guten und Nützlichen gesprochen worden. Die von Kant gegebene Erklärung der Tu- gend: sie ist moralische Tapferkeit ist logisch gut. Das Logisch -Gute oder das Zusammen- stinmien eines Gegenstandes mit demBegrif von demselben ist wie man leicht einsieht, von dem Angenehmen specifisch unterschieden. Bei dem. erstem findet gar keine subjektive Be- ziehung auf Gefühl, sondern blos die objek- tive der Anschauung auf einen Begrif statt. Die Gerechtigkeit ist an sich gut, Einsicht, Körperkraft, Pieichthum ist nützlich.

Dafs aber auch das Praktisch- Gute vom Angenehmen specifisch unterschieden ist, er- hellet daraus, dafs ein und derselbe Gegen- stand gut und doch unangenehm, und eia anderer wieder angenehm und doch nicht gut sein kann. Der Kranke findet die Arznei, die er einnehmen soll unangenehm, und doch gut (nützlich) in so lern sie seine Schmerzen

7S Undfet't; es kostet uns oft viel (ist uns unan- genehm) unsere Pflu^ht zu erfüllen und doch erkennen wir die Pflichterfüllung für (an sich) gut» Den Podagraisten schmeckt der Wein angenehm, aber er isl nicht gut (schädlich) weil "er sein Übel vermehrt; der Lasterhafte unterliegt dem sinnlichen Antrieb und begeht eine Handlung, die ihm angenehme Empfin- dung verschaft, aber die Handlung ist sittlich böse (an sich nicht gut).

Im gemeinen Leben wird freilich oft der Ausdruck gut statt des Ausdrucks angenehm gebraucht; man sagt: Champagner und Au- stern schmecken gut, statt zu sagen, sie schmecken angenehm; die flose riecht gut, statt zu sagen sie riecht angenehm; allein die« ist Mifsbrauch, der aus MangeUiaftigkeit der Erkenntnifs herrührt,

Dafs das Angenehme vom Schönen unter« schieden ist, sehen wir daraus, dafs wir von der Gesichtsbildung eines Mädchens sagen, sie sei angenehm, wenn wir gleich zugestehen, dafs sie nichts weniger als schön sei; und eben so sprechen wir von einer schönen Frau, die aber doch keine Reitze für uns hat (nicht angenehm ist). Freilich wird auch im gemeinen Leben oft gegen diesen

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Ausdruck gesündigt, und namentlich ist ea meinen Landsleuten, den Berlinern, eigen, von Gegenständen des Zuiigengeschmacks den Ausdruck schön zu brauchen und z. B. von einer Suppe zu sagen, sie schmecke schön.

Endlich wird man auch leicht inne, dafs das Gute vom Schönen zu unterscheiden ist. Es kann ein Gegenstand ganz seinem Begrif entsprechen, alles enthalten was und so wie er es enthalten soll, und demungeachtet nicht schön sein. Es kann ein Wagen alle Erfor- dernisse haben, die man von ihm als Wagen wünscht, und doch häfslich sein. Es giebt eine Menge von nützlichen Gegenständen, auf welche das Merkmal des Schönen gar nicht anwendbar ist. Das Quecksilber ist nützlich in venerischen Krankheiten, bei Vergoldungen, im Barometer und Thermometer u. s. w. ; aber niemanden wird es einfallen, es deshalb schön zu nennen. Eben so hat die Schön- heit oft mit dem Nutzen gar nichts zu thun; wer wird, wenn er sein Urtheil über ein schö- nes Gedicht, oder über einen enghschen Gar- ten, oder über eine schöne Aussicht u. s. w. geben soll , vorher fragen : wozu nützt der Ge- genstand? — Es ist ferner das Sittlichgute Yora Schönen selir unterschieden, denn wenn

gleich

8^

gleich teimge laugenden > Getechtigkeit , Uiv •wandelbarkeit der Maximen > Aufopferung sei- nes Lebens für erkannte Wahrheit den Cha- rakter des Erhabenen und andere, Mitleid, Freundhchkei't , VVöhlthätigkeitj den Charak- ter des Schönen an sich trafen > so sieht maa doch bald, dafs die Beurtheiiuijg det Handlung nach ganÄ iandem jc^rinzipien geschieht, um sie Tugend j nach ganz alidern um sie ßchon oder erhaben zii n'enhen.

Brauchen wir nun den Ausdruck Angae nehm für ailes das^ was dem Sinn durch Emr phadung gefällt; Und sind zur Beurtheilung des GutfeUj Sowohl des logischen als pfakti- sehen^ Begriffe unuingänglich nOthwendig er- forderlich ^ nach welchen der Verstand sein Urtheii fällt* ist ferner das Schöne vom Ange- nehmen und Guten wesentlich verschieden, so mufs das Wohlgefallen iäm Schöiien, we- der auf der Materie der Anschauung (Eihpfin- dungj) hoch auf Begriffen beruhen, es kann ulso allein in der Form der Anschauung sei- nen Grund haben; und es steht zu vermö- then, dafs so wie das IJrtheil über das Ange- nehme auf den Sinn, das über dais Gute auf den Verstand sich stützt) das Urtheii über das Schöne sich auf das Vermögen stützen JL 6

'8*

vretdei Welches zwisclieii dein Sinn als dem Vermögeil Mannigfaltiges darzustellen, und dem Verstände als dem Vermögen das Man- liigfaltige zur Einheit (des Begrifs) zu verknü- pfen, mitten inne steht, und dies ist das Ver- mögen der Refl^Gtiou ( reflectirende Urtheils- kraft). Sollte dies richtig sein, so würden -vrir folgende Erklärung det drei Gegenstände der verscliiedenen Arten des Wohlgefallens er- halten:

An^enthm ist das was den Sinnen in def Empfindung gefällt.

Schön ist das was der Uttheilskraft in (der Reflection gefällt.

Gilt ^'sfe das was dem Verstand nach Be-» griffen gefällt,

^SlgenthümtitkkeiCett der Oeschma cks ar tk eile, io fern sie das Schöne betreffen.

Um die EigenihüniUchkeiten der Gc- ßchmacksurtheile, so fern sie das Schöne zum Gegenstand haben,, näher kennen zu lernen^ Vollen wir sie nach den Titeln der Urtheiie, der Quantität, Qualität, Relation und Moda- lität mit den übrigen ästhetischen Urtheilen vergleichen; eine Vergleichung, von welcher um so mehr wichtige Aufschlüsse sich erwar-

83 tien lassen^ wenn die ohen. aufgestellte Ver* jnuthung, dafs die Urtheile über das Schöne in der reflectirenden Urtheilskraft ihr Prinzip fanden, gegründet sein sollte, weil die Pie- flectionsbegritfe sich ebenfalls unter die ge- nannten Titel bringen lassen. S. Darsteliun» erster Theil S. 103.

Kant hat In seiner Critik der ästhetischen Urtheilskraft in der Analyse der Geschmacks- urtheile über das Schöne, denselben Weg eingeschlagen, um herauszubringen > was dazii erforderlich ist^ um einen Gegenstand schön zu nennen, und zwar fängt er mit der Qnali» tär an, weil das ästhetische IJrtheil über das Schöne auf diese zuerst Rücksicht nimmt; eine Ordnui.g, weiche wir ebenfalls befolgen vrollen»

[I. Vergletchung der ästhetischen tJnheiU untereinander der 'Qua/icät nach.

Die Qualität eines Urtheils betrift die Ver- bindung des Subjekts mit dem Prädikat ; ästhe- tisch, di h. auf den Urtheilenden bezogen, ist die Frage) worauf beruht diese Verbindung? liegt der ßestimmungsgrund im Subjekt oder Objekt? Im ersten Fall heifst das Urtheil ästhetisch, im andern logisch; drückt im

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«rsten Fall den Zustand%des Subjekts (Wohl* gefallen oder- Mifsfallen am Gegenstande) aus, im zweiten Fall eine Eigenschaft des Gegen» Standes. Das Urtheil über das Angenehme ist ästhetisch, und wird auch alc ein solches gewöhnlich durch Hinzufügung des Worts mir dargestellt ; es macht wenigstens auf keine Ob- jektivität Anspruch. Ganariensekt schmeckt mir unangenehm ; Champagner schmeckt mit' angenehm. Das Urtheil über das Schön« drückt auch blos meinen Zustand bei Betrach- tung des Gegenstandes aus, nimmt aber die Form eines logischen Urtheils an ; man drückt sich aus , als wäre die Schönheit eine Eigen- schaft des Objekts. Das Urtheil über das Gute ist wirklich ein logisches Urtheil, in «o fern es von dem Gegenstande selbst etwai aussagt, aber es kann mit ihm ein Wohlge- fallen verknüpft sein, was sich nach dem Ur- theil, in Beziehung auf das Subjekt als Folge ergiebt. Der Verstand findet Vergnügen an der genauen Übereinstimmung eines Gegen- standes mit dem Begrif von demselben, an Er- kenntnifs der Wahrheit, an Gründlichkeit det Einsicht u. s. w. Nachdem ich erk^nt haböj der Gebrauch des Carlsbader Wassers hat mich von der Gicht befreit, hab« ick Wohl-

8*

gefallen daran; ich mu& erst urtheileii) ob et« was Pflicht sei oder nicht, um Wohlgefallen daran zu finden. Das Unheil ist logisch, das damit rerknüpfte Gefühl der Lust und Unlust ästhetisch j und es ist also das Urtheil über das Gute nur in weiterer Bedeutung, wegen de» bewirkten Gefühls, ästhetisch zu nennen.

Lehrsatz. Das reine Wohlgefallen am Schönen ist ohne alles Interesse, das am An- genehmen und Guten ist mit Interesse ver- bunden^

Der Beweis dieses Satzes setzt die Erläu- terung einiger Begriffe voraus, die wir also demselben voranschicken wollen.

Interesse ist das Wohlgefallen, was mit der Vorstellung der Existenz eines Gegenstan- des verbunden ist. Es beruht also auf der Materie der Vorstellung nicht auf der blofsen Form derselben. Ich habe ein Interesse bei der neuen Erleuchtung Berlins, heifst : Die Vor- stellung, dafs Berlin in Zukunft besser erleuch- tet werden wird, bringt ein Gefühl der Lust in mir hervor; ich bin bei der Untersu- chung seiner Vermögensumstände ohne alles Interesse, heifst: wie auch das Resultat dieser Untersuchung immer ausfallen mag, >vie auch «eine Vermögensumstände wirklich beschaffen

86

»ein mögen, 60 ist es für mich weder mit J^ust noch Unlust verbunclen. Diese Bedeu^ tung des Ausdrucks Interesse, in der Kant ihn nimmt und wir ihn in der Folge auch immer nehmen wollen, ist die weitere; in engerer Bedeutung versteht man darunter Hinsicht auf Vortheil uiid das Bestreben desselben theilhaf* tig zu werden. Was auf einem Interesse be- ruht heifst interessirt, was ein Interesse her- yorbringt heifst interessant. Er spielt inter«§- eirt, will sagen: die Art und Weise seines , Spiels geht darauf hinaus recht viel zu gewin- f nen ; dab Spiel w^r interessant heifst es brach- te Gixi Interesse hervor, es gab eine Menge ^echwieriger Aufgaben zu losen, grolse Spiele ivurden verlohren gemacht, kleine gewonnen^ eSk war viel ?u gewinnen ader zu verliemea

14. S, W.

Man kann also bei dem Urtheil über d?i$ ,; "Wohlgefallen eines Gegenstandes, was mit In- teresse verbunden ist, auch zweierlei unter? scheiden» entweder geht das. Iriteresse vor den» Urtheil vorher, dann heifst es interessirt, oder es folgt auf dasselbe eni Interesse, dann heifst^ €S interessant; iv^ ersten Fall ist das ür|:heil ftuf einem Interesse gegründet, im «weiten Fall hegrundet es ein Interesse,

Ans dem Gesagten ergiebt sich, dafs da« Interesse mit dem Begehrungsvermögen in Verbindung steht; alles ,■- dessen Existenz irt der Vorstellung ein Gefühl von Lust in uns hervorbringt, erregt in uns den Wunsch, dafs es existiren möchte und hat also Beziehung aufs Begehrungsvermögen. Es scheint mir beinahe überflüssig, noch die Bemerkung hinzuzufiigen , dafs ich auch dann interessiit bin, wenn ich den Wunsch hege, der Gegen- stand möchte nicht sein , wenn ich die Exi- stenz desselben verabscheue; denn einen Ge- genstand verabscheuen oder sein Gegentheif bekehren, ist ein und dasselbe.

Das Ff^ohlgefallen am Angenehmen ist ititercssirt. Das Angenehme wird uns unmit- telbar . durch Empfindung gegeben. Die Em- pfmdiing wird durch den Gegenstand hervor- gebracht, welcher uns afficirt, sie ist der Grund der Vorstellung des. Gegenstandes als existirend, sie bezieht sich auf die Materie desselben. Da nun das Angenehme als ein Gefühl der Lust, in uns den Wunsch erzeugt, in diesem Zustand zu beharren, so ist damit der Wunsch der Existenz der Empfindung und damit der der Existenz des Gegenstandes innig verbunden.

m

Jeder angenehme Gegenstand reitzt um Ö. h. er bringt eine Neigung nach sich her- vor. Es ist aisa das Urtheil, wodurch wir ei- nen Gegenstand iür angenehm erklären, auf einem Wohlgefallen gegründet,, welches nicht das blofse Urtheil über ihn, sondern die Be- ziehting der Existenz auf meinen Zustand, so fern er durch ein^ solches, Objekt afficirt wird, Voraussetzt..

£)as Vf^ohl gefallene am Quten ist mit Interesse 'verbunden..

Das Gute unterscheidet sich vom Ange- nehmen darin, dafs, das letztere unmittelbar durch die Empfindung, das erstere mittelbar tlurch den. Begrif gelallt. Um etwas angenehm zu finden brauche ich gar nicht zu wissen, was der Gegenstand, sein soU; ich bringe ihn mit meinem Empfindungsvermögen (Sinn) in Verbindung und durch die Art und Weise, wie er mich afficirt, bestimme ich ob er Wohl- gefallen oder Mifsfallen (Lust oder Unlust) er- regt; so dafs man im höchsten Grade des Ge« Busses (des innigsten Wohlgefallens am Ange- nehmen) sich alles Urtheilens über den Gegen- stand überhebt. Ganz anders ist es beim Wohl- gefallen am Guten.

Wir haben oben gezeigt^ 4a(» das Gute

S9 entweder tlieoretlsch (logisch) oder praktisch ist; das erstere bezieht sich aufs Erls.ennen, das andere aufs Begehren. Beim logischen Guten sind zwei Fälle möglich, entweder der Gegienstand wird mit unserm Begriffe von demselben verglichen (Vollkommenheit des Gegenstandes) oder unsere Begriffe mit dem Gegenstande (Vollkommenheit der Erkennt- riiCs). Pas Urtheil über Vollkommenheit des Gegenstandes ist logisch und wenn sich mit demselben ein Gefühl von Lust verknüpft, so kömmt dies daher, weil wir eine Forderung des Verstandes erfüllt sehen; folglich ist In- teresse mit demselben verbunden. Eben so ist das Wohlgefallen an der Vollkommenheit unserer Erkenntiiifs interessirt , denn es grün- det sich auf das Bestreben der Vernunft, un- sern Erkenntnissen den höchsten Grad der lo- gischen Vollkommenheit zu geben. Das Praktisch- Gute ist entweder das Absolut- oder Relativ- Gute. Soll ich etwas für Schlechthin- gut (Sittlichgut) oder Nützlich erklären, mufs ich durchaus wissen, was der Gegenstand sein soll; ich mufs ihn (die freie Handlung) im ersten Fall mit den sitdichen (Tu- gend oder RechtsO Gesetzen vergleichen; im zweiten fall als Mittel ziun Zwecke

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nach dem Prinzip der Causalitat in der Sla*'

neiiwelt.

Bei beiden, sowohl beim Sictlichguten als beim Nützlichen findet sich der ßegrif eines Zwecks; das Wohlgefallen am Sittlichguten i t che Lust an dem-selben als Endzweck (letz- ter Zweck} der Vernunft in Bestimmung der Willkühr; das Wohlgefallen am Nützlichen ist die Lust an demselben als Mittel zu einem Zweck, der also durch das Begehrungsvermö- gen gegeben wird. Da das Wohlgefallen am Guten immer subjektiv ist, eine Beziehung des Gegenstandes auf mich ausdrückt, so wird auch in beiden Fällen sowohl beim Absolut- guten als beim Nützlichen der Zweck als der meinige d; h. in Beziehung auf mein Begehren betrachtet werden müssen; nur mit dem Un- terschiede, dafs beim Sittlichguten der Zweck Endzweck ist, von der Freiheit ausgeht, durch die Vernunft selbst gegeben wird, also auch Allgemeingültigkeit hat; da beim Nützlichen hingegen der Zweck anderweitig gegeben wiid und in dem Menschen als Naturprodukt, picht als freies Wesen seinen Grund hat, Folglich kömmt bei dem Wohlgefallen am Guten das Begehren ins Spiel, und es ist also mit Interesse verbunden; was ich für sitt-

licligiit erkenne, dessen Dasein mufs ich wün- schen, eben so wie ich das Dasein 4es Nutz- lichen wollen mul-j, wenn ich den Zweck will. Es ist mir als sittUchvernünftiges Wesen durchaus nicht gleichgühig, ob sittliche Handlungen wirklich waren oder nicht; es ist mir nicht gleichgültig, ob die Erzählung, dafs Desaix trotz des Hasses gegen Buonaparte, die Schlacht bei Marengo gewinnen half) weil ihm das Wohl seines Vaterlandes am Herzen lag, wahr ist oder nicht; ob es Tugend giebt oder alle Handlungen hur aus mehr und min- der versteckten Eigennutz entstehen. Darum mifsfallen uns Schriften, welche das letztere behaupten. Es ist uns ferner als sinnliches Wesen nicht gleichgültig, ob nützliche Dinge, d. h. Dinge vorhanden sind, welche als Mit- tel zu den uns durch unsere Natur als Natur- "wesen gegebenen Zwecken dienen, oder nicht. Das Wohlgefallen am Guten ist also mit Interesse verbunden. Dais das Gute, vv'elches mit dem Begehren in geriauer Verbindung steht, durchaus mit Interesse verknüpft ist, sieht man auch daraus, dafs hier nicht vom blofsen Vorstellen, sondern om Wirklichma- chen des Gegenstandes desselben, nicht blos von der Form der Vorstellung, sondern van

ihrem Inhalt (der Materie) die Rede ist. Nur mufs man merken, dafs beim sittlichen Beeh- ren die Form des Begehrens dem Gegenstände vorhergebt.

Es findet sich aber beim Guten eine ver- schiedene Art des Interesses. Das Absolut- Gute (die Tugend und das Recht), welchem die Vernunft als den höchsten, aber auch nothwendigen Zweck der Menschheit aufstellt, beruht nicht auf sinnlichen Anreitzen CStimulisJy fiondern wird durch die Vernunft selbst be^ stimmt, und führt ein reines praktisches Wohlgefallen bei sich, welches die Vernunft selbst erzeugt. Das Wollen des Absolut -Gu» ten beruht auf keinem Interesse, erzeugt aber ein solches; es ist uninteiessirt, aber interessi- rend (interessant). Die Gebote der Pflicht sind uiiinteressirt, aber sie bringen ein hohöj Interesse hervor. Das Wohlgefallen am Abso- lut-Guteri heifst Achtung und es wird ge- schätzt, d. h. es wird ihm ein allgemeingülti* ger (objektivfer) Wertli beigelegt und der Beir fall, den man demselben zollt, ist nicht frei, sondern wird uns von der Vernunft abgenö- thigt. "— Ich finde Wohlgefallen an folgender Jiandlung des grofsen Cato von Utica, Cäsar tUh?lQ öiit^ eiuejÄ Fiirsten der DeuUchen Krieg,

und schlofs mit ihm einen Vertrag, der die Feindseligkeiten endigte. Bald nachher brech er diesen Vertrag, überfiel die Deutschen, trug einen entschiedenen Sieg davon und machte grofse ßeüte. Er ertheilte dem römi- schen Senat Nachricht von diesem Siege, und in siner Versammlung desselben sprachen alle Mitglieder von Ehrenhezeugungen, die ftian dem Cäsar deshalb zuerkennen sollte. Nur Cato allein stand dagegen auf und trüg dar- auf an: der Senat solle den Cäsar wegen sei- ner Bundbrüchigkeit den Feinden iiberlieferrty damit die römische Republik nicht Theilneh- mer der Verbrechen ihres Feldherrn werde. -^ Sein Vorschlag ward freilich verworfen; allein wir können nicht umliin, den Mann zu schä- tzen, dem Heiligkeit der Verträge über ailes geht. Hier kömmt das Wohlgefallen an der Handlung erst aus dem Bewufstsein des Vei- nunftgesetzes : Halte Deine Verträge heilig und wenn Du als Stellvertreter einer Nation (wie Cato als Senator war) üu sprechen hast) halte auf das, was das' Recht fordert. Dies Gefühl der Achtung wird uns durch die Ver- nunft abgedrungen j welches wir in den Fällen am deutUchsten inne werden, wenn ein Mann, den wir anderer Ursachen halber nicht lieben,

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Handlungen thut, die unsere Aclitüng vercfiö* nen. Kant sagt sehr wahr: Ich kann nieman-» den zwingen mich zu lieben (Wohlgefallen der Neigung) aber ich kann ihn zwingen mich zu schätzen (^Wahlgetallen der Achtung),

Das Relativ- Gute oder Nützliche ist von doppelter Art, es bezieht sich als Mittel ent- Hveder auf einen Zweck, der durch die Ver- nunit gegeben worden, oder auf einen sol- chen > den die Sinnlichkeit giebt. Was das letztere betrift, so ist der Zweck desselben das Angenehme und das Wohlgefallen davon beruht auf Sinnenreitz. Aliein es ist doch das Wohlgefallen am Angenehmen von dem Wohlgefallen am Nützlichen als Mittel zum Aneenehmen wohl zu unterscheiden. Beim Angenehmen wird der Gegenstand blos im "Verhältnifs auf den Sinn, in weicuem er Em- pfmdung bewirkt betrachtet; um aber das An- genehme zugleich als Gegenstand des Willens gut zu nennen, mufs ich es in Beziehung auf den Begrif des Zwecks unter Prirzipiea der Vernunft, betrachten. Dies erJiellt auch dar- aus, dafs ich um etwas angenehm odet unan- genehm zu finden, es unmittelbar an den Sinn halte, und weiter keine Frage von Nö- ihen ist, um das ästnetische Lrtheil auszur

. 95 sprechen, da ich hingegen, um etwas -für nütz- lich zu erkUiren, erst fragen mufs, wozu es nützen soll. Endlich sieht man auch dar- aus, dafs man in vielen Fällen das Angeneh- me für schädlich, und das Unangenehme für nützlich erklären kann^ und also Wohlgefal- len und Miföfallen folglich ein doppeltes (sich entgegengesetztes) Unheil dahei statt fmden kann, dafs das Wohlgefallen am Angenehmen an sich,, und in so fern dasselbe nützlich ist, Unterschieden werden mufs.

Bei dem Nützlichen in Beziehung auf die Zwecke welche die Vernunft selbst aufstellt, ist wieder zweierlei zu unterscheiden ; die Ver- nunft kann entweder als ErkenntniföVermögen oder als Willensbestimmend betrachtet wer- den; im ersten l*äll ist Wahrheit, im zweiten Sittlichkeit der Zweck unseres Strebens. Vom Wohlgefallen am Sitthchguten ist oben gere- det, und das Relativgute, was in Beziehung auf das Sitthchgute als Mittel zur Erreichung desselben betrachtet wird, führt eben des Wohlgefallen als der Zweck desselben bei sich; weil Zweck und Mittel in der innigsten iVerbindung stehen. Endlich ist noch das Ge- fühl des Wohlgefallens an Wahrheit (das Ge- fühl der Überzeugung) zu betrachten übrig.

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Dies beruht auf das Streben der Vernunft nach richtiger Erkenntnifs. Halten wir

Erkenntnisse für wahr, sind wir überzeugt) so entsteht das Gefühl eines befriedig- ten Bedürfnisses und dies ist ein Gefühl der Lust; so wie wir, wenn wir erkennen, däf» wir im Irrthum uns befinden > öder wenn es unmöglich wird, richtige Erkenntnifs ims zu verschaffen, ein Gefühl der Unlust entspringt* Das Bedürfnis aber Was in diesen Fällen be^ friedigt oder nicht befriedigt wird> ist freilich uns als Nätürwesen eigen (entspringt nicht aus Freiheit), jedoch ein Bedürfnifs des Gei- stes unc unterscheidet sich dadurch "von dem blofsen Sinnenreitz. Es ist zwar mif dem Ge- fühl der Achtung nahe verwandt, weil beider Quelle Vernunft ist, unterscheidet sich aber von demselben dadurch > dafs der Zweck der Erkenntnifs dei" Wahrheit uns als Natur woseA durch unsere eigenthümliehe Beschaifenheit auferlegt j da hingegen bei der Achtung, der Zweck durch die freie Gesetzgebung der Ver» nunft gegeben wird; daher beruht das Gefühl der Überzeugung auf Interesse) weil es ein in- tellectuelles Bedürfnifs voraussetzt, da hinga- ge;tt die Achtung ein Interessö erzeugt.

Das

n

Das TVohl gefallen drrt Schönen im rei* nen Geschmacksurtheil ist ohne alles In* teresse; es beruht weder darauf:, noch bringt es ein solches hervor.

Ich habe mU Vorbedacht bei dem obeii aufgestellten Satz die Bedingung Jiinzugefiigt^ dafs das Geschmacksurtheil über das Schöne ein reines, nicht mit andern ästhetischen Ur- theilen verbundenes Urtheil sein soll, denn ßonst kann allerdings, wie wir dies weiter un- ten näher sehen wollen, mit dem Urtheil über das Schöne Interesse verknüpft sein* Fernem kann auch mit dem Wohlgefallen am Schö- nen zufälligerweise ein Interesse sich verknü* pfen, wovon auch weiter unten gesprochen werden soll; hier behaupten wir blos mit dejn reinen Wohlgefallen am Schönen sei wesent- lich kein Interesse verbunden. Die Wahrheit dieser Behauptung ergiebt sich aus folgenden Gründen: i. wir finden Gegenstände schön, deren Existenz uns gleichgültig ist, ja es kann «elbst die Existenz derselben von uns verab- scheut werden. Man zeiigt mir den Kopfputz einer Dame, ich iinde ihn schön ^ und doch ist mir sein Dasein völlig gleichgültig; Man zeigt mir das Ameublement eines PaUastes, ich finde «8 schön J mein Führer erzählt mir^ //. 7

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der Mann der sich dieses Hausgerät^ ari- schafie, erwarb sich das Geld dazu dadurch, dafs er im Kriege arme feindliche Einwohner auf die grausamste Weise drückte, oder in Lazarethen, die armen, verwundeten Kiieger um das bestahl, was zu ihrer Wiederherstel- lung und Verpflegung vom Staat heri^egebert wurde, und ich verfluche das Dasein dieses Ameüblements j fmde es aber nach wie vor, schön. 2. Wir halten das Geschmacksurtheil des andern für verdächtig, sobald wir wissen, dafs er die Existenz des Gegenstandes be- gehrt. — Es entsteht ein Streit unter zwei Personen, ob eine Schauspielerinn eine Piolle schön gespielt habe oder nicht, der| eine be- jaht, der andere verneint. Man sagt uns, der b''^"ahende sei der Liebhaber der Schauspiele- rinn und sogleich erklären wir, er könne über die Schönheit des Spiels derselben nicht als kompetenter Pächter zugelassen werden. Wir fmden es natürlich, dafs ein Dichter die Kin- der seines Geistes schön fmdet, allcTri wir halten sein Urtheil über dieselben nicht für gültig, weil er dafür interessirt ist. 3. Wir halten Fictionen für eben so schön als wirkli- che Dinge. Es ist uns in Beziehung auf un- ser Geschmacksurtheil über Homers liias und

99 Odyssee völlig gleicligültig , ob vor Troja sich wirklich zugetragen, was der Dichter uns er- zählt und ob der erfindungsreiche Ulysses ehe er Ithaka wieder sähe, wirklich so viel Länder und Meere durchirrte, oder nicht. Der Dichter, der Maler, der Bildhauer, kurz der Künstler überhaupt ist nur Künstler, in so fern er sich über die Wirklichkeit erhebt und den Stempel seines freien Geistes seinem Kunstwerk auldrückt und es kann etwas sehr wahr, sehr natürlich dargestellt und demun- geachtet nicht schön sein. Man glaubt es dem Prediger Schmidt in Werneuciien sehr gern, dafs alles in seinem Dorfe und in sei- nem Hause sich zuträgt, wie er es uns bis auf die geringsten Kleinigkeiten beschreibt, allein dies bewegt uns immer noch nicht, sei- ne Schilderungen schön zu finden, und wir leugnen nicht, dafs er den Spott verdient, Sen Göthe in seinem Gedicht: Die Museiä und Grazien in der Mark, über ihn ausgegos» seh hat, Allerdings kann die Vorstellung dafs der Gegenstand, den das scliöne Kunst- werk aufstellt, aus dem Reiche der Wirklich- keit genommen worden, zu dem Wohlgefallen am Schönen ein neues Gefühl der Lust gesel- len; allein dies ist hinzugekommein uiid hai

auf das dgeiithümliche, reine Urtheil über die Schönheit keinen Einflufs. Mag es immerhin wahr sein, daGs die alt© Dame, deren Bild- nirs dort aufgehängt ist, das Haar eo hoch aufgethürmt trug, so steif geschnürt war, als sie der Mahler uns darstellt, die« wird mich nie bestimmen, das Gemälde schön zu ünden und wenn ihre UrenkeHnn Gefallen daran fin- det, ihre würdige Grolsmutter gemahlt zu sei- hen, ^e sie leibt' und lebte, so ist freilich darüber nichts zu sagen, nur ist dies Wohl- eefallen durch kein reines Geschmacksurtheil erzeugt, Dafs der Fürst von Dessau sich so kleidete, wie ihn der Künstler in der Statue, die im Lustgarten von Berlin aufgestellt ist, darstellte, beweist nichts für die Schönheit des Costumea.

Wir haben schon erinnert, dafs es nur von dem reinen Geschmacksurtheil gilt, dafs es ohne alles Interesse s^i. Bei den gemisch- ten Geschmacksurtheilen kann durch das,, bei- gesellte Urtheil ein Interesse damit verknüpft werden. Bei den Urtheilen über anhängende Kunstschönheit kömmt schon das WohlgefaL len an der Richtigkeit der Darstellung hinzu, welches auf einem Bedürfnifs des Verstandes beruht und also int^ressirt ist; und dieses Ia*

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tere«e ist bei der anhängenden ScliÖnlieit mif dem Geschmacksurtheil nothwendig rerbun* den, aber auch eben deshalb das letztere nicht rein. Ist mit dem Geschmacks* urtheil Sinnenreitz durch Farbe, oder Ton, oder durch Bilder der Einbildungskraft, oder Spiel der Affekten, oder Wohlgefallen durq^s moralische Gefühl u. s. w. verbunden, so dafs durch den Gegenstand, den wir Ächön nen- nen, zugleich ein sinnliches oder intellectuel- les B^dürfnifs befriedigt wird, so kann aller- dings der Gegenstand zugleich ein grofses Interesse für uns erhalten und das Dasein des- eelben uns nicht gleichgültig sein; aber das Geschmacksurtheii , wenn es rein sein soll, muCj hierauf keine Rücksicht nehmen, wenn gleich das Wohlgefallen dadurch erhöht wird. E& kann ein wohlgestimmtes Gemüth au- fser dem Wohlgefallen an der Form schöner Gegenstände der Natur noch ein eigenes In* teresse am Dasein derselben nehmen, ohne alle Hinsicht auf den Nutzen derselben, weil durch die Schönheit der Gegenstände in der Natur in ihm die Vorstellung der Zweckmä- Dsigkeit hervorgerufen wird, die sich unver- merkt an die moralisch- religiösen Ide^oi eines vraisen Welturhebers anscliliefst. Ein sehö-

ner heitrer Morgen, an welcliem die lebende Natur zu neuer Thätigkeit erwacht, und uns selbst zu neuem Wirken auffordert; ein schö- ner stiller Abend, wo mit der. scheidenden Stralen der Sonne des Tages Müh' und Sorge scheidet und mit der Ruhe rund um uns her, auch Ruhe in unsere Seele kehrt, entzücken uns nicht blos durch ihre Schönheit, sondern sie erzeugen auch in unserer Brust mannigfal- tige heilige Gefühle, die dem Wesen nach. Gebet sind, wenn gleich kein Wort den Lip- pen, entströmt.

Eben so kann mit der Betrachtung der Kunstwerke des menschlichen Geistes ein ho- lies Interesse verknüpft sein. Sie beweisen uns die hohe Kraft des Künstlers, sie sind re- dende Zeugen einer höhern Natur, die sich über das Sinnliche erhebt, der Beglaubigungs- brief, dafs der menschliche Geist frei von den Banden der Sinnenwelt Schöpfer einer andern Welt werden kann. Der Geist, der dies Kunstwerk schuf, das wir bewundernd be- trachten, das die süfsesten Gefühle in uns er- weckt, das unser Innerstes mächtig (ergreift, das uns unser besseres Selbst offenbart, ge- hört mit uns zu einer Gattung, er gehört dem Menschengeschlecht zu dem auch -wir uns

io3

zählen an, und der Glanz den er 5ich er- wirbt strahlt auf die Gattung über und zeigt uns uns selbst in einem erfreulichen Lichte.— So kann uns das Dasein eines Kunstwerks nicht uninteressant sein; wir würden mit hei- fäen Thränen den Verlust des Apoll von Bel- vedere beweinen und wir würden die Gruppe des Laokoon zu zerstören für ein Verbrechen an die Menschheit halten.

So wenig das reine Wohlgefallen am Schönen als solches auf einem Interesse be- ruht, eben so wenig bringt es für sich be- trachtet ein Interesse hervor. ^ as kümmert es den , der in den Werken der alten und neuen Dichter süfsen Genufs fmdet, was sich sonst Gutes daraus ergeben mag; ihm ist der Genufs schon alles, hingegeben empfängt sein reines Gemüth gleich einem ungetrübten Spie- gel das Bild, das der schöpferische Geist des Künstlers erzeugt und stellt es sich dar, wie er es empfangen. Es spricht der Geist zum Geist und dies Verstehen, dies Empfangen» dies lebendige Darstellen, ist alles was der Freund des Schönen will. Es schwindet jegli- cher Eigennutz aus seiner Brust, der Musen reichliches Geschenk genügt ihm schon, er vergiCst im Genufs, des Schönen die ganze

Welt. -^ Allein es kann allerdings ein gebil- deter Geschmack auch interesaant werden, aber nur durch den Zufall des bei einander Seins anderer mit uns gleichgestimmter We-» 6en, In jedem Menschen, der von der Thier- heit sich zur Menschheit erhoben, stellt sich der Drang seinen Genufs mit andern zu thei- len ein, so kann auch beim Genufs des Schö- nen die Brust «o voll werden , dafs wir durch Mittheilung uns Luft verschaffen müssen, und ist unser Geschmack nun geläutert, so wird Tinser Genufs am Schönen durch den Mitge- »ufs anderer Wesen, den wir ihnen verschaf- fen, unendlich erhöht. Auch kann aus dem Hange Geschmack zu zeigen , Interesse der Eitelkeit sich entwickeln.

Das Resultat dieser Untersuchungen war: Das Angenehme gefällt durch Empfindung, es ist mit Interesse verbunden, weil es sich auf die Materie der Vorstellung bezieht; es macht uns Vergnügen, ist in unserer eigentliümlir chen Beschaffenheit als Naturwesen gegründet und bezieht sich auf Neigung,

Das logische Gute hat ein Interesse bei sich, in so fern der Gegenstand einer Forda- jrutfg de» Verstandes oder unsere Erkenntnifs

loS

fler Forderung der theoretisclicn Vernunft ge- mäfs ist.

Das Sittlich - Gute gefällt durch den Be- grif der freien Gesetzgebung der praktischen Vernunft; es beruht zwar auf keinem Inter- esse, bringt aber ein solches hervor, und be- zieht sich auf Achtung,

Das Nütaliche hat entweder das Angeneh- me oder das Sittlich gute zum Zweck, und das Wohlgefallen an dernselben kömmt mit dem am Zwecke iiberein.

Das Schöne gefällt durch seine blofee Form, nicht durch Empfindung wie das Ange- nehme, nicht durch einen bestimmten Begrlf wie das Gute, sondern blos in der Contem- plation (Reilection zu einem mogHchen Begrif). Es ist das reine Urtheil darüber für sich ohne alle* Interesse. Eben deshalb nennen wir das Wohlgefallen am Schönen frei, und es ist als Gunst zu betrachten.

Es ist wohl unnöthig hinzuzufügen, dafs die Urtheile, die mit einem Wohlgefallen oder !Mifsfallen verbunden sind, der logischen Form nach sowohl bejahend als verneinend sein können; und dafs hier sowolü contradictori- sche als contraire Entgegensetzimg (Wider- spruch und Widerstreit) statt finden kann.

lOO

Angenehm nicht angenehm unangenehm; schön nicht schön häf&lich ; gut nicht gut schlecht; sitdich gut nicht gut (in- different)— böse; nützlich unnütz schädlich.

j4 nmerkung.

Wir haben, meiner Meinung nach< im Vorhergehendea »ur Geniige gezeigt, dals das r^lne Geschmacksu.'theil über das Schöne unintsressirt sein muls, oder mit andern Wor- ten, dafs man in der eigentlichen Beurtheilnng des Schö- nen als Schönen auf die Existen* des Gegenstandes in Ue- ziebung auf uns nicht Hiicksicht nehmen müsse. Auch ha- ben wir dargethan, dafs allerdings mit dem Wohlgefallen am Schönen vermittelst de» Gegenstandes an dem die Schönheit sich findet, mannigfaltiges Interesse verknüpft werden kann, dafs dies aber bei der Prüfung der Güliij^keit des Geschmacksurtheils durchaus von demselben getrennt werden mufs. Wenn man daher bei der Darstellung der Entwickelung des menschlichen Geistes auch zeigen könnte, Interesse z. ß. der Wunsch zu gefallen hab» den Mtaschen zuerst zum iSchönen geführt, äo beweist dies nichts gegen unsere Behauptung, denn man mufs wohl unterscheiden, es wird eil? Unheil durch etwas veranlafst und es wird durch etwas gegeben. Sinnliche Wahrnehmungen veranlassen un- gern Verstand sie zu Erfahrungsunheilen zu verknüpfen, aber daraus folgt keinesweges, die Gesetze nach welchen er Tsrknüpft und die sich an dem Produkt der Verknüpfung (dem Erfahrungsurlheil) wieder offenbaren, lägen nicht in uns, wären nicht a priori (wie dies meinen Lesern aus dem ersten Theil dieser Darstellung deutlich sein inufs). Eine gleiche Bewandniis hat es mit den Geschmacksurthei- len, ein Interesse kann die Vermögen das Schöne zu beur- theilen zur Entwickelung bringen , «Hein daraus folgt kei- nesweges, dals dez Geschmack am Schönen mit Inieiesse

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notfawendig verknüpfi «ei. Ferner folgt aus d«n Umstände, dafs wir einen Gegenstand interessant und schön finden (das Geschmacksnrtheü über ihn gjmitcbt ist), keineswege», dafs das Schöne selbst aus Interesse gefalle, eben so wenig wie aus dnm Umstände, dafs in dem Urtheile: Arsenik ist die Ursach des Tode« des Vergifteten, empirische Vorstel- lungen verknüpft sind, folgt, dafs da« Urtheil gar nichts a priori enthalte, Ich werde zu dieser Bemerkung durch eine Schrift veranlafst, die in diesem Jahr bei Nauk in Ber- lin unter folgendem Titel erschienen ist; Die Dichtkunst aus dem Gesichtspunkt des Historikers betrachtet vom Karl Friedrich Becker. So manches Wahre der Ver- fasser (der wegen seiner Freimüihigkeit Achtung yer- dient') über die Entwickelung des Genies und de« Ge- schmacks in diesem Werke «agt, «o verläfst er doch ganz «einen Standpunkt, den er selbst auf dem Titel seinfs Buchs angegeben hat, wenn er meint, die Eigenthümlich- keit und Rechtraäl'sigkeit der Geschmacksurtheiie aus dem Triebe der Selbsterhaltung und tdem Geschlechtstriebe er- klären zu können. Der Verfasser des Gravitationsgesetzes in der moralischen Welt, dessen Ideen Herr Becker zum Grunde legt, ist in einem ähnlichen Fehler verfallen, wenn er meint, daf« die Aufzählung der gelegentliehen Ursachen der Entwickelung d«« menschlichen Gfiistes, des Einflusses derselben auf diese Entwickelung und die Geschichte der Ausbildung schon vollkommen hinreichend sei, die Quelle der menschlichen Vorstellungen anzugeben. Der Transscen- dentalphilosoph kann alles das was der Historiker aufstellt, unbekümmert stehen lassen, es wird diesem nie möglich «ein. Fragen, die der erstere zu beantworten hat. aus Grün- den zu lösen, die im Gebiet seiner Wissenschaft sich fin- den und ist V^erwechselung des Gegenstandes, wenn der Historiker dies unternimmt. Der Transscondentalphilosoph fragt: wie sind Erkenntnisse, wie Geschmacksurtheiie u. s.w. möglich? der Historiker läfst sich, wenn er das Eigenthüm- Uehe 8ein«x Wissenschaft kennt, darauf gar nicht ein, soo«

dem »"^igt, wie anFscre und inHerd Urjachen auf Entwickf» lung der ErkenntnilskräFte, de» Geschmacks u. 8. w. Ein- fluls gehabt haben, und was für Veränderang Erkenntaif«! nad Geschmaeksurtheile durch zufällige Uaistände gelitten; *

s'. Vergleichung der ästhetischen Unheila der Quanft- tät nach,

Die Quantität eines Unheils ist entweder subjektiv oder ohjektii). Ini ersten Fall ist von der Beziehung des Urtheils auf das urthei- lende Subjekt die Rede, und da mufs be- stimmt werden ob ein Urtheil Prifatgültigkeit oder AJlgemeingültigkeit habe; man nennt dies die ästhetische Quantität. Im zweiten Fall wird von den Gegenständen auf welche das Urtheil sich bezieht, geredet, und da sind die Urtheile entweder einzelne oder besondere, oder allgemeine. Dies ist die logische Quan- tität. — Wir wollen jetzt die Urtheile über das Angenehme, Schöne und Gute sowohl der ästhetischen als logischen Quantität nach un- tereinander Tergleichen«

€0 Ästhetische und logische Quantität der Urtheile über das Angenehme,

Das Angenehm» beruht auf Sinnenreitz, lind daher wird das Urtheil darüber durchaus nur auf Privatgültigkeit Anspruch machen

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iLÖnneit Jedermann der ein solches Urthsil fällt, ist sich bewufst, dafs das Unheil nur für ihn Gültigkeit hat, und so wie er denje- nigen verlacht, der ihm Gründe vorbringen fvill, warum er das, was ihm angenehm ist, unangenehm linden soll; so wird er auf der Ändern Seite auch den anders Fühlenden nicht durch Gründe zur Einstimmung in sein Ur» theil bewegen wollen. Wenn daher über da« Angenehme Streit entsteht, so wird jedermann au seinem gefällten Urtheil sogleich das Wört- chen mir hinzufügen, um dadurch anzuzei- gen, düf» sein Urtheil nichts objektives aus- drücken soll. Allerdings kann es sich zutra- gen, dafs mehrere einen und denselben Ge- genstand angenehm finden, oder dals durck Übereinstimmung in der Erziehung und Ge- wohnheit, oder auch durch Mode «ine solche Zusammenstimmung der Urtheile über das An* genehme hervorgebracht wird, allein dies« Zusammenstimmung ist blos zufälhg, und die Allgemeingüitigkeit ist nur comparativ, nur generell, nicht universell. Man sollte diesd Übereinstimmung daher lieber Einhelligkeit nemien, sie giebt keine allgemeine Regel, die für alle FäUe, sondern nur eine solche, die in den meisten Fällen gilt, Die f^ichtigkeit

HO

dieser Behauptung fällt in die Augen, wenri man bedenkt, dafs bei dem Unheil über das Angenehme nichts vom Gegenstande, sondern blos von seinem Verhältnifs zu uns, von dem durch denselben in uns hervorgebrachten Zu- stand die Rede ist. Da es also beim Urtheil über das Angenehme nicht blos auf die Be- schaffenheit des Objekts, sondern auch auf die eigenthümliche Beschaffenheit des Sub- jekts ankömmt, so kann aus der Objektivität keine Allgemeingültigkeit entspringen, und was die Subjektivität betrift, so zeigt die Er- fahrung, dafs die Menschen in dem was ange- nehm und unangenehm ist, oft einander ganz entgegengesetzte Meinungen haben, so daß dem einen gefällt, was dem andern mifsfällt. ich halte es für überflüssig, das Gesagte durch Beispiele darzuthun, da sich jedem Leser ge- wifs eine Menge derselben zur Bestätigung darbieten.

Der logischen Quantität nach ist das Ur- theil über das Angenehme ein einzelnes. Ich mufs den Gegenstand unmittelbar an mein Gefühl vermögien halten, um zu bestimmen, ob er inir Vergnügen macht oder nicht. Da dies nuii nicht durch Begriffe geschieht, so kann mein Urtheil nur eiii einzelnes sein: Diese

IIX

Rose rieclit angenehm, diese Auster schmeckt angenehm, Aus diesen einzelnen Urtheilen kann man vermöge der logischen Abstraction ein allgemeines Urtheil bilden, indem man aus Vergleichung der einzelnen Objekte einen Begrif abzieht, und nun sagt: die Rosen rie- chen angenehm, die Austern schmecken an- genehm» Allein hierbei ist zu bemerken, dafs in diesen allgemeinen Urtheilen, welche von den einzelnen, die ihnen zum Grunde liegen, abstrahirt worden ist, keine Gültigkeit für je- dermann sich finden kann, weil die einzelnen Urtheile, von welchen sie abstrahirt worden, nur Privatgültigkeit habea; und ferner^ dafs selbst die logische Quantität: Alle Rosen rie- chen angenehm, niir comparativ, nicht abso- lut allgemein ist; dafs wir sehr wohl wissen, es könne eine oder mehrere Rosen geben, die für uns keinen angenehmen Geruch hät- ten; auch ist die induction, worauf das all- gemeine Urtheil beruht, nie als V0II0 tändig zu betrachten.

b) Ästhetische und logische Quantität der Urtheile über das Gute.

Das Gute, sowohl das Theoretisch- als Sittlich - Gute und Nützliche ist nur durcli

IIA

einen Begrif zu beurthellen. Hieraus ergiebt iich, dala der Grund der Urtheiie über das Gute Begriffe sind, die zum Erkennen gehö- ren, und dafs also ein Urdieil, welches ein Woblgefallen am Guten ausdrückt der ästhe- tischen Quantität nach aligemein sein müsse. Dies erhellet auch daraus , dafe wenn jemand über das NützJiclie oder Sitdichgute öder über VoUkommenlieit der Erkeimtnifs oder eines Gegenstandes nicht unserer Meinung "ist, wir ihm Gründe vorlegen, und sich unter den Streitenden eben so gut \n% bei Gegenständen der ErkenntniCs Übereinstimmung erwarten läfst.

Es scheint mir nöthig hier noch einige Bemerkungen hinzuzufügen, um gehörig ver- standen zu werden. Allerdings kommen die Urtheiie, welche ein WoHlgefiUen am Schönen und Guten ausdrücken mit denen welche ein Wohlgefallen am Angenehmen aussagen, darin überein, dafs sie ästhetisch uud nicht logisch sind, d. h. dafs sie nichts von den Gegenstän- den zur Erkenntnifs derselben aussagen, son* dern allein die Beziehung derselben auf unser Gefühl bezeichnen; ihre ästhetische Quantität ab«r (ob sie Privatgültigkeit oder Allgemein- gültigkeit haben) hängt von dem Grunde ab,

auf

ttuF welchöm (lie Vf»t-bindutig des Gefühls mit dem Gegenstande beruht; dieser ist b^im An- genehmen das blos Subjektive der Empfin- dung, bei dem Guten aber der objektive Be« grif; dabei* hat das Urtheü über das erste, und also auch das ausgesagte Wohlgefallen blos Privatgültigkeit, das Urtheil über das an* dete aber und über das dadurch erklärte Wohlgefallen, objektive Gültigkeit, Allgeraein- gültigkeit. loh kann dem andern bewei* ^eriä was logisch gutj was sittlich gut^ was nützlich ist, und wenn dies geschehen, so er« giebt sich das Wohlgefallen davon unroittel* bar und nothwendig, weil die Erkenntnifii und das Wohlgefallen hier als Grund und Fol^e verbunden sind. *

Freilich kann dies Wohlgefallen am Guten ©ft durch ein anderes Gefühl von Unlust über- wogen werden, so dafs es scheint, man ge- stehe die Güte zu und es entspringe doch kein Wohlgefallen, dies ist z. B. der Fall, wenn der Kranke, der sich weigert, sich einen brandigen Fufs abnehmen zu lassen, endlich überzeugt wird, dafs diese Operation ihm nütz» lieh sei, so wird das Wohlgefallen von dem zu erwartenden Nutzen doch durch Gefühl des Schmerzes während der Amputation überwogen.

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Auch ist noch zu erinnern j döfs wenÄ'^ wir dem Urtheile über das Gute und darauf sich gründende Wohlgefallen Allgemeingül- tigkeit beilegen, wir doch allgemeingültig und allgemeingeltend unterscheiden; welches sich sehen daraus ergiebt, dafs Sittlichkeit und Wahrheit, worauf beide sich stützen, auch nur allgemeingültig aber nicht allgemeingeltend sind.

Da das Sitdich - Gute auf Zwecken der Vernunft beruht (Zweck an sich ist), so be- darf es , um das Sittlich •• Gute als sittiichgut zu erkennen und also Wohlgefallen daran zu finden, weiter gar keiner Voraussetzung; ein gleiches gilt von dem Nützlichen, was als Mit- tel zur Erreichung des Sittlich- Guten dient; was aber das Nützliche betrift, wobei man 4ie Erreichung eines angenehmen Gefühls (Befriedigung eines Bedürfnisses der Sinn- lichkeit) zum Zweck hat, so kann der andere nur unter Voraussetzung desselben Zwecks (den wir als zufällig betrachten) in unser Wohlgefallen mit einstimmen. Es kann jemand zugestehen, dafs das Gras, was auf der Wiese wächst, nützlich zur Stallfütterung- i§t, ab^r doch kein Wohlgefallen daran fin- den, weil er keine Stalliütterung hat. Ist aber der Zweck durch die Vernunft als noth-.

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>?en(^ig gegeben, so mufs freilich mit der Vot- «tellung des iViiuels was zum Zwecke führt, "Wohlgefalien verknüpft sein.

Gegen den absoluten Zweck der Vf^rnunft* der Sittlichkeit sollen dem Willen der Veri üunft gftmäfs alle andere Zwecke weichen tmd ihm untergeordnet sein, obgleich ireilich dies nicht immer bei uns endlichen VVeseil der Fall ist. Was den Meni-chen als Na- turproduct betrift, so hat er gewisse Zwecke die die Natur ihm auferlegt (z. ß. seiiiC Exi- stenz zu erhalten, sich Erkenntnisse zu erwer- ben u. s. w.), und da man diese bei allen Menschen als Naturwesen voraussetzen kann 60 värd das, was als Mittel zu diesen Zwecteri dient, für jedermann Wohlgefahen bei sich führen. Es versteht sich übrigens von selbst, dafs in dem Falle, wenn um des Naturbedürf^ xiisses inne zu werden, eii;e gewisse AusbiJ-^ dulig vorangehen mufs, auch Eir^helligkeit ded Wohlgefallens an dem dazu führenden Mttel iiur bei denen statt fmden kann, die diesd Ausbildung erlangt haben.

Was die logische Quantität des Urtheili iiber das Gute betrift, welches- mit Wohlgö» fallen Verknüpft ist, so kann es Wie jedes Ef* kenntnifsurtheil, ein einzelnes, besondres und

allgemeines sein. Allein seine Gültigkeit hängt| wenn es auch ein einzelnes oder besonderes ist, immer von einer allgemeinen Regel ab^ unter welche es subsumirt wird; beim Theo- . retischguten ist sie ein formales Gesetz der Erkenntnifs ; beim Sittlicliguten ein practisches <jesetz a priori, beim Nützlichen ein bestimm- tes Gesetz der Causalität in der Sinnenwelt, tvelches durch Erfahrung erkannt wird.

c) Ästhetische und logische Quantität der Urtheile über das Schöne.

; Das Urtkeil über das Schöne kömmt dar* in mit dem über das Gute überein, dafs durch ^dasselbe der Gegenstand als Objekt eines ali- gemeinen Wohlgefallens vorgestellt wird. Dec Urtheilende drückt sich so aus, als wenn die Schönheit eine Eigenschaft des Gegenstandes yiäiey und als wenn dieselbe Verbindung zwi- schen Subjekt und Prädikat statt fände, die in den Erkenntnitsurth eilen, sich findet. Er jsagt das Gedicht von Schiller: Die Glocke ist «chön, eben so wie er sagt, es ist gedruckt. Es würde jedermann lacherhch iinden, seinem Urtheil über das Schöne den Ausdruck mir liinzuzuf ügen , wie er dies in seinem Urtheil libeir das Angenehme zu thun sogleich g^wil-

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ligt ist, sobald dasselbe in Anspruch genom- men wird; niemand wird z. B. sagen: das Ge* dicht von Schiller: Die Glocke ist mir schön> und dadurch zugestehen, der andere könne mit eben dem Rechte sagen: mir ist es häß- lich. Man mufs sich nur nicht dadurch irro machen lassen, dafs es sich oft zuträgt, dal* wenn jemand einen Gegenstand für schon er- klärt, und der andere entgegengesetzter Mei- nung ist, der erstere um sich in keinen Streit einzulassen, zur Antwort ertheilt: genug der Gegenstand gefällt mirj wobei der andere sich nothwendig beruhigen mufs. Derjenige der sein Urtheil : der Gegenstand ist schön, in das, der Gegenstand gefällt mir, verwandelt, läfst nunmehr unbestimmt, welche Art des Wohl- gefallens in ihm sich findet, ob er es für sub- jektivgültig oder allgemeingültig hält und also ist sodann der Streit sogleich aufgehoben; al- lein der Gegner kann immer doch noch hin- zufügen: denn hättest Du auch nicht sagen müssen: der Gegenstand ist schön; sondern fclos er gefalle Dir.

Das Urtheil über das Schöne aber untei«

scheidet sich von dem uber^ das Gute darin,

dafs es nicht wie das letztere auf Begriffen.

«beruht; dies erhellet aus den Gesehmacksur*

tbeilen, welche freie Schönheiten zum Gegen* Stande haben, und selbst bei den anhängen- den Schönheiten unterscheiden wir die Über- eiiistimmung des,Gegenstan«^es mit dem Begrif von dem, waA er sein soll, von der Schönheit iJasselheni ^r- DaPs etwas, gu.t und nützlich ^ei, kann ich dem andern durch Begriffe be- vveisen; wenn mir jemand eir»en Beweis füh- ren will, es sei ein GeL>enstand schön, so weigre ich mich ihn anzuhören, u|id verlange grade, wie dies bei den Urtheilen über das Angenehme der Fall ist, den Gegenstand an mein Gefühl zu halten uni darnach zu urthei- Jen. Das Schöne wird also im Geschrnaoks- urtheil als ein Objekt des allgemeinen Wohl- gefallens ohne allen Begrif vorgestellt, Das Urtheilende Subjekt wird sich bewufst, dafs es <>hne alles Iriteresse (ohne alle Neigung) ur- tlieilt, es findet keinen Privatgrund seines Ur- theils und eben deshalb giebt es dem Urtheil «ästhetische Allgemeinheit (Ailgemeit gükigkeit). Diese Gültigkeit für jedermann aber beruht nicht nuf BegriiFen, daher kann man niemand zur Einstimmung zwingen, oder sie von ilim fordern; aber man muthet ihm zu^ man sifp» 'net ihm auj, er spfle mit un5 im IJrtheil über» einkommenf

III

j Daraus ergiebt sich nun, dafs der Grtind -des Wohlgefallens am Schönen nicht in delr ■SinneneinpfindLing liegen, aber auch rieht durch den Verstand vermittelst Begriffe gegC- -ben werden kann; das erstere kann nicht sein, weil das Urtheil über das Schöne nicht •auf Privat- sondern auf Allgemeingüliigkeit Anspruch macht; das andere nicht, weil die Allgemeingültigkeit nicht objektiv, sondern .subjektiv ist. Es ist mehr wie das Urtheil über das Angenehme, weniger wie das Urtheil über das Gute, dem^ ein Begrif zum Grunde liegt; es gehört also mehr dazu als Sinneheindruck, weniger als Begrif; und so wie das Urtheil über das Schöne zwischen dem Urtheil über das Angenehme und dem über das Gute in Rücksicht der Gültigkeit mitten inne steht, so liegt auch der Grund des Wohlgefallens zwi- schen der Empfindung und dem Begrif. Dies ist, nun die Piefiection , diese ist der Weg zum Begrif, sie geht von der durch Empfindung gegebenen Anschauung aus und führt zum Begrif. Daher entspringt das Wohlgefallen am Schönen aus der Reflection über den Ge- genstand zu einem möglichen Begrif, Ich füge möglich hinzu , um diese Reflection zum 'Behuf eines Geschmacksmrtheils von Reflection

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Über einen Gegenstand nacli einem gegebenen Begrif zum Urtheil über theoretische Vollkom- »leuheit, sittliche Güte oder Nützlichkeit des*, selben, zu unterscheiden.

Nennt man das Vermögen das Angenelvf ine zn beurtheilen auch Geschmack j, so zer- fällt der Geschmack in den Sinnen- und in den Heßectioftsgesckmach ; der letztere bo zieht sich auf das Schöne.

Dafs das Geschmacksurtheil über das Schöne eine solche allgemeine Stimme vor- aussetzt, ist aufser Zweifel; ohne diese Vor- aussetzung würde gar kein Unheil üoer das Schöne möglich sein, Diese allgemeine Stimme ist also blos eine Idee, ob und worauf sie gegründet ist, wird in der Folge von uns ■untersucht werden müssen; so viel aber ist gewifs, diifs jeder der einen Gegenstand für schön erklärt, es in Beziehung, in Hinsicht auf diese Idee thut. Daraus folgt doch kei- nesweges, dafs ein solches Urtheil über das Schöne immer mit Recht auf allgemeine Ein- .Stimmung Anspruch macht, denn es kann je* >nand ein ästhetisches Urtheil, für ein Urtheil des Reflectionsgeschmacks halten, was doch jiicht ein solches ist, sondern entweder zu (Jen Ui'th^Üeii üt^er dm Angenehme oder übe?

das Gute gehört. Eine Mutter nennt ihre Tochter schön, und giebt dadurch zu erken- nen, sie erwarte jedermaun werde ihr im Wohlgefallen über die Gestalt ihres Kindes beistimmen, all ein sie irrt, indem ein Interesse der -Neigung ihr Wohlgefallen bestimmt, wo also keine allgemeine Einstimmung zu erwar- ten. — Dies hebt aber noch nicht auf, dafs es kein Geschmacksurtheil über das Schöne d. h. kein ästhetisches ürtheil, welches auf Allgemeingiiltigkeit Anspruch machen könne, gebe 5 denn wer der Mutter, um das obige Beispiel beizubehalten, widerspricht, und il>re Tochter nicht schön findet, macht gleichfalls bei seinem Urtheil auf Allgemeingültigkeit An- spruch, und behauptet nur, die Mutter habe fälschlich ein interessirtes Wohlgefallen am Angenehmen für ein uninteressirtes am Schö- nen gehalten. Jemand der ein Urtheil über das Schöne fällt, kann nur durch das blofse BewuCstsein, dnfs er alles abgesondert habe, was zum Angenehmen und Guten gehört, ge« wifs werden, dafs das Wohlgefallen was ihm noch übrig bleibt, auf jedermanns Einstim- mung Anspruch machen könne; ein Anspruch, dessen Erfüllung deshalb nicht mit Sicherheit 25U erwarten steht, weil doch dunkle Vorstel«

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lungen die sieh auf das Angenehme oder Gut« beziehen, selbst ohne unser Winsen und g^ gen unsern Willen Einliufs auf unser Uitheü gehabt haben können.

Eben so iat die wirkliche Einstimmung in Ansehung der Schönheit eines Gegenstandes kein sicheres Kennzeichen für die Achtheit des Urtheils als Reflectionsurtheils des Ge- schmacks; obgleich wenn Menschen von ver- schiedenen Nationen und zu verschiedenen Zeiten in ihrem Urtheil übereinkommen , die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit eines sol- chen Urtheils zu einem sehr hohen Grade an- wächst. Dies ist z. B. der Fall bei den Kunst- werken, die aus dem Alterthum uns übrig ge- blieben und welche eine fast allgemeihe Stirn* Tfa^ für schön erklärt.

Doch verdient bei Betrachtung der Ül?er- einstimmung und Nichtübereinstimmung, ob ein bestimmter Gegenstand schön sei oder nicht, noch angemerkt zu werden, dafs in Ansehung des Angenehmen die Urtheile nicht gelten grade zu entgegengesetzt sind, so dafo dem einen gefällt, was dem andern miDsfallt (dem einen sind Austern eine vorzügliche De- licitQSse, der andere findet sie abscheulich); dq hiisg^geft bei dem Sehöneii dies nicht so

oft sratt findet, sondern der eine blos negativ in das Urtheii des andern nicht einstimmt; was der eine schön findet, findet der andre nicht grade zu hai'siich, sondern nur nicht schön; und umgekehrt, was der eine häfshch findet, fmdet nicht leicht ein andrer schön, sondern nur nicht häfshch. Ob wir gleich nicht behaupten wollen, dafs nicht auch zumal bei sehr grofser Verschiedenheit der Ausbil- dung, Urtheile über das Schöne sich ganz grade zu entgegengesetzt sein können.

Der logischen Quantität nach ist ein je- des Geschmacks urthed über das Schöne ein einzelnes^ fvir wollen einen jeden Gegenstand einzeln betrachten um zu wissen, ob er ein Wohlgefallen, was wir für allgemein mittheil- bar halten, hervorbringe oder nicht, Es kann aber auch hier, wie wir bei den Urthei- len über das Angenehme angemerkt haben, aus mehreren einzelnen Urtheilen, durch die logische Abstraction ein allgemeines Urtheii abgezogen werden (z ß. die Piosen sind schön), allein dieses Urtheil hat immer nur compara-s tive logische Allgeraeinheit, weil die Inductioi^ nie als vollständig betrachtet werden k^lin,

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$ p^ergieichung der ästhetischen UrtheiU dtr Relation uack.

Unter logischer Relation eines Urtheils versteht man das Verhältnifs der zum Urtheil verbundenen Vorstellungen; sie bestimmt, in HS'iefeni die Vorstellungen verbunden sind» Ich setze dies als aus der Logik bekannt voraus, auch ist im ersten Theil dieser Dar- stellung das Nöthige davon vorgetragen wor- den, worauf ich meine Leser verweise. Die ästhetische Relation betrachtet das inwiefern die Vorstellungen im Urtheil verbunden sind in Beziehung auf das urtheilende Subjekt. Der logischen Relation nach sind das Urtheil über d^s Angenehme, Schöne und Gute von einer- lei Art, sie sind nämlich kategorisch, indem sie von dem Gegenstande ein Merkmal aussa- gen: der Geruch der Rose ist angenehm, die mediceische Venus ist schön, der Rhabarber ist^niitzlich , sein Wort halten ist gut u, s.

Jedes ästhetische Urtheil, welches über Wohlgefallen oder Mifsfallen eines Gegenstan- des spricht, drückt einen Zustand de« Urthei- lenden aus; und man kann also der äsi;heti- ßchen Relation nach fragen: Ist dieser Zu- stand von der Beschaffenheit des Gegenstan- des (dem Merkmal was ihm im Urlheil beige- legt wird) abhiingl^ oder ist es die ßesdhaf-

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ienheit des Gegenstandes von dem Zustand des Urtheilenden? mit andern Worten: Ist das Mej-kmal was dem Gegenstande im Ur- theil beigelegt wird die Bedingung des Wohl- gefallens oder Mifsfallens, oder ist das Wohl- gefallen oder Mifsfallen die Bedingung dea dem Gegenstande beigelegten Merkmals? Ist das erstere der Fall, so geht das Unheil vor dem Gefühl der Lust vorher; findet aber das andere statt, so folgt da* Urtheil auf das Ge- fühl der Lust.

Dem Urtheil über das Angenehme geht das Gefühl der Lust vorher, denn sie ist nichts anders als das Wohlgefallen an der Sinnesempfmdung; darum macht es auf AJlge- meingültigkeit keinen Anspruch. Das Wohl- gefallen am Guten folgt auf das Urtheil und setzt dasselbe voraus; und da das Urtheil ein Erkenntnifsurtheil ist, fordert es als solches Allgemeingültigkeit, und das Wohlgefallen wird unter Voraussetzung der Anerkennung des Zwecks für nothwendig erklärt. Ginge beim Urtheil über das Schöne die Lust an dem gegebenen Gegenstande vor dem Uitheil her, so müfste die Lust durchaus durch die Sinnenempfindung gegeben werden und da diese nur Privatgültigkeit haben kann, »©

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würde daä GescTimacksurtlieil über das ScTiö* ne, welches alJgemeine Einstimmung ansinnt, nicht möghch sein. Dadurch unterscheidet sich also das Urtheil über das Schöne von dem über das Angenehme. Allein es fällt auch wieder in die Augen, dafs dem Wohlge- fallen am Schönen, nicht wie beim Guten, das Urtheil als Erkenntnifs vorausgehen kann^ denn sonst müfste ich die Einstimmung in mein Urtheil, dafs etwas schön oder häfshch , sei, andern nicht blos ansinneUj sondern sie durch Erkenntnifs grade dazu zwingen; wel- ches gleichfalls nicht der Fall ist. Es mufs also dem Urtheil über das Schöne zwar etwas sub- jektives (keine objektive Erkenntnifs), das abet. doch allgemein mittheilbar ist , zum Grunde liegen, Was auf der einen Seite die Lust, auf der andern Seite das Urtheil begründet. Es; ist also die allgemeine Mitlheilun^sfähigkeit- des Gemüthszustandes in der gegebenen Vor- stellung, welche als die in dem Urtheilenden liegende Bedingung des Geschniacksurtheils, die Lust an dem Gegenstande zur Folge ha- ben niufs. £s kann aber nichts allgemein mit- getheilt werden als Erkenntnifs und Vorstel* lang, insofern sie zur Erkenntnifs gehört. Da nun der Bestimmungsgrund zu einem Ge»

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ichmacksurtheil über da3 Schöne blös subjek- tiv j»ein soll, so kann er nicht Erkenntnifs des Gegenstandes sein, weil er sonst objektit \?äre. Folglich muis dieser ßestimmungsgrund «twas in dem Urtheilenden sein^ das zv\ar nicht eine zur Erkenntnifs gehörige Vorstel- lung, aber doch ein dazu gehörender Zustand ist; d. h. es mufs der Gemütiiszustand sein, Welcher im Verhältnifs der Vorstellungskräfte zueinander angetroifeil wird, sofern sie eine gegebene Vorstellung auf Erkenntnifs über- haupt beziehen; es ist mit andern Worten^ der Gemüthszustand, wo Einbildungskraft und Verstand (denn beide sind zur Erkenntnifs er^ forderlich) in dem Verhältnifs gegen einander gesetzt werden, dafs sie sich anschicken eine Erkenntnifs hervorzubringen. Die Vorstellung des Gegenstandes wirkt so auf Einbildungs- kraft und Verstand ein, dafs diese gestimmt (angetrieben) werden, ihre Functionen i.\i ver- irjchten. Die Vorstellung des Gegenstandes ist der Beschaffenheit beider Vorstellkräfte ange- messen, für beide zweckmäfsig. Dieser Zu- «tand ist der Grund eines Gefühls der Lust, Welches wir für allgemeinmittheilbar halten, Weil es sich auf Kräfte des Gemüths gründet, die wir allgemein voraussetzen müsstn^ wenn

Erkönntnifs übefliflupt möglicli sfeinsoll B\e$ bedarf vielleicht für einige meine^ Leset- noch einer Erläuterung, welche ich also liinzuf'ii* gen will.

Im ersten. Theil dieses Werks ist gezeigt, dafs zur Erkeniitnifs eines Gegenstandes zwei Vorstellungen erforderlich sind, eine An- schauung und ein Begrif , durch den letzten wird die Anschauung auf ein Objekt bezogen, und 'erhält dadurch objektive oder allgemeine Gültigkeit. Eine jede Erkenntnifs eines Ge- genstandes als eine solche fordert allgemeine Mittheilbarkeit und sie hört auf Erkenntnifs zu sein und wird ein blofses subjektives Spiel der Vorstellungen ohne alle Realität, wenn man diese Aligemeingültigkeit von ihr ver- neint. Diese Ahgemeingültigkeit der Erkennt- nifs für alle Menschen setzt aber voraus > dafs die zur Erkenntnifs erforderlichen Vorstel- lungsvermögen bei allen gleiche BeschaiFenheit (der Art, wenn gleich nicht dem Grade nach) haben. Hat dies Richtigkeit, so springt in die Augen, dafs ein Gegenstand, der für die Er» kenntnifsverraögen des einen Menschen zweck* mäfsig (zum Behuf ihrer Thätigkeit) ist, auch für alle als zweckmäfsig betrachtet werden müssQ. Folglich wenn ein Gegenstand bei

mit

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mir mmne lErfeenntn^Tskräfte so zu üir^-^n Fun- ctionen bestimmt, daCs diese leiciit von sraften gehen, folglich kein Zwang, sondern nur eine freie Thärigkeit, dabei gefehlt wird, dafs die Function keine Arbeit, sondern blos Spiel >vird, so kann ich vor aas setzen, es werde der Gegenstand dies bei allen Mt^nschen thun. Diese Zweckmäfsigkeit des Gegenstandes l'ür meine Erkenntnifskräfte erkemie ich aber nicht durch Begriffe (denn das Schöne beruht nicht auf Begriifen), sondern durch den Ge- müthszustand in welchen ich vernetzt werde; ich werde des Spiels, der Leichtigkeit der Thätigkeit meiner Erkenntnifskräfte inne, und dieses Gefühl ist ein Gefühl der Lust. "Welches sind aber die Vontelkingsvermögen, welche zum Erkennen eines Gegenstandes er- forderlich sind? Erstlich das Anschauungsver- mögen (Sinnlichkeit) und das ßegrif vermögen (Verstand), Die Sinnlichkeit kömmt sowohl als Sinn, welche die Materie der Anschauung liefert, als auch als Einbildungskraft, welche die Maferie zusammen verbindet und dadurch die Form der Anschauung bestimmt, in Wirk- samkeit, Das was der Sinn als Materie lie- fert kommt beim Schönen nicht in Betracht, weil es stets nur als subjektiv angesehen wei-

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den kann und es für uns ewig unmöglich bleiben wird, auszumachen, ob zwei enschen dieselbe Vorstellung der Materie einer An- schauung haben, wenn sie auch beide in der Benennung übereinstimmen *). Es bleibt also blos noch die Einbildungskraft und der Ver- stand; erweckt ein uns gegebener Gegenstand die Thätigkeit derselben so, dafs sJe in dem Verhältnil's gegen einander kommen, als zu einer Erkenntnifs erforderlich ist, und werden wir dieses Zustandes, der Lust erzeugt inne, so sprechen wir das Urtheil: Der Gegenstand ist schön, und sinnen aus den oben angege- benen Gründen jedermann an, er solle uns beipflichten. >

Folgendes wird nun deutlich werden. So wie durch die Übereinstimmung einer An- schauung mit einem Begrif Erkenntnifs sicJi er- giebt, welche mit Recht Allgemeingültigkeit fordert; so findet sich beim Schönen Über-, einstimmung der zur Erkenntnifs erforderli- chen Vermögen, Einbildungskraft und Ver- stand, welche also auch Allgemeingültigkeit er-

•") So läCst «ich z. B. auf keine Weise je ausmitteln» ob ^um! B von dsr Farbe des Scharlachs der vor ihnen liegt, gleich« Vorstellung dem Inbalta nach haben < ob ilin gleich b«r(l« r9th nenneo.

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wartet, aber aus keinem objektiven, sondern blos subjektiven Grunde.

Diese Erörterung des Geschmacksurtheils über das Schöne führt uns auf den Bef^rif der Zweckmäfsigkeit, welcher ganz offenbar an die Schönheit sich anscliliefst. VVfir wollen jetzt näher zu bestimmen suchen, auf we*Jche Weise der Begrif der Zweckmäfsigkeit mit dem Ge- schmacksurtheil in Verbindung steht.

Hier entsteht zuerst die Frage: Was ist Zweck? Was zweckmäfsig?

Es baut jemand ein seltsames Gf^bäude mit vielen Fenstern, wir fragen den Bauherrn: Was haben Sie bei diesem Gebäude für einen Zweck? Das Keifst offenbar nichts an.fers welches ist der Begrif den Sie sich vorher machten, und der nun durch das Gebäude hervorgebracht werden soll. Er antwo'tet uns: es soll zum Aufbewahren desi Getreides dienen (ein Kornspeicher sein). Das Aufbe- wahren des Getreides, welches er seinen Zweck nennt, ist also ein Gegenstand, der durcn ei- nen Begrif vorgestellt wird (der Gegenstand eines Begrifs wie Kant sich ausdrückt), und dieser Begrif ist die Ursach von deai Gebäu- de. Der Gegenstand der hervorgebracht wird, der die Wirkung des gedachten C^orgestell-

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ten) Zfrecks ist, heifst das Mittel, und inso- fern er mit dem Zwecke übereinstimmt, wird er zweckmäfsig genannt. So finden wir es, um das obige Beispiel beizubehalten, zweck- miiCsig an dem aufgeführten Gebäude, daCs es viele Fenster hat, um durch das Durchstrei- chen der Luft das aufgeschüttete Getreide vor iVerderbnifs zu schützen. Was zu dem Zweck nicht wirkt, heifst unzweckmäfsig , was ihm entgegen wirkt, z\veckwidrig. Bei der Gausa- lität nach Zwecken fmdet sich folgende Ei- genthümlichkeit : Der Begrif des Zwecks geht in der Vorstellung des Mittels vorher, und wird die Ursache desselben, ia iier Wirklichkeit hingegen, wird das Mittel Ursach und der Zweck die Wirkung. Unser Bauherr dachte sich zuvörderst den. Zweck Getreide aufzuschütten, daraus entsprang die Yorstellung eines dazu aufzuführenden Gebäu- des (Mittel), die Vorstellung des Zwecks ward die Ursaeh des aufgeführten Gebäudes, und nun wird das Gebäude die Ursache, der reale Grund der Möglichkeit, dafs das Getreide auf- )>ewahrt werden kann.

Wo also nicht blos die Erkenntnifs von einem Gegenstände, sondern der Gegenstand sdbst (entweder seiner Existenz überhaupt

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oder seiner Form nach) als Wirkung, nur da- durch als möglich geflacht wird, dafs diese Wirkung als Begrif den Gegenstand hervorge- bracht hat, da denkt man sich einen Zweck. Ich kann mir die Existenz der Hieroglyphen nicht anders als dadurch vorstellen, dafs sie jemand nach Begriffen hervorgebracht hat; ich. denke also dafo die Hieroglyphen einen Zweck haben. Man findet an den Ufern der Ostsee Steine, welche die Form eines Keils haben, und wo in der Nähe ihrer Grundfläche ein rundes Loch sich befindet; wir können uns diese Form nicht anders erklären, als dafe sie nach Begriffen hervorgebracht sind, daher rieth man auf den Zweck, den eie gehabt ha- ben, glaubt z, B. sie hätten zu Beilen ge- dient.

Das Vermögen, welches durch seine Vor« sfelUmgen Ursach von dem Gegenstand der- selben wird, heifst BegehruJtgsvermögen* und ipt es nur durch Vorstellung von Zwecken, Begriffen, bestimmbar, so heifst es Wille^ Die Existenz eines Gegenstandes oder seine Form von einem Zweck ableiten, heifst also sie als Wirkung eines Willens betrachten.

Wir müssen, wenn wir von Gegenständen etwas aussagen j unterscheiden, ob sie wirk-

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lieh so sind, oder ob es uns nur unter die- sen Bedingungen möglich wird, sie zu erklä- r'^'n und zu be^T-eifen. So nennen wir ein Objekt, (auch eine Handhmg, einen Gemütlis- zu-tand) zwechyiä/sig, nicht blos dann, wenn €S wirklich nach Zwecken hervorgebracht ist, und mit diesen zusammen stimmt; sondern auch dann, wenn es uns unmöglich wird die BeschaiFenheit desselben zu erklären und zu begreifen, sob^-^ld wir nicht annehmen, es sei durch eine Causalität nach Zwecken, d. h, durch einen Willen, der sie nach der Vor- stellunr» einer gewissen Regel so angeordnet hat, hervorgebracht. Wir können albo et- was für zweckmafsig erklären, ob wir gleich zugestehen, da [s seine E>ii.stenz oder die i>d- stenz seiner Form freilich absolut- not hwen," ■>

dig keinen Zweck vorauss^^tzt, sobald v.ir \

uns nur bewufrjt sind , wir können diese Exi- | itenz nicht anders erklären. Mag es immer- ^

hin sein, dafs ein höherer Geist mit gröfsern | Erkenntnifskräften als die meinigen sind, aus- gerüstet, den Bau eines Baums aus blofsen mechanischen Gesetzen der Causalität erklä- ren kann, und dafs der Baum wirklich so her- vorgebracht wird, für ihn also kein Zweck «tatt hndet, so kann ich doch den Bedingun-

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gen meiner Erkenntnlfskrafte geniäfs, die Exi- stenz, desselben der Mögliclikcit nach, nicht anders erlJiiren, als dafs ich ihron Grund in einen Willen setze. Die Zweckmäfsigkeit kann also ohne Zweck sein, sofern wir die . Ursach dieser Form nicht in einem Willen setzen, aber doch die Erklärung ihrer Mög- lichkeit, nur indem wir sie von einem Willen ableiten uns begreiflich machen können. Nur haben wir nicht immer nöthig, das was wir beobachten, durch Vernunft (seiner Möglich- keit nach "i einzusehen; also können wir an Gegenstanden eine ZweckmäCsigkeit der Form noch durch unsere Reflection wahrnehmen, ohne dafs wir ihr einen Zweck (als Materie der Zwecceverknüpfung) zum Grunde legen. ,

Aller Zweck ist entweder subjektiv oder objektiv. Er heifst subJLktiv ^ wenn er auf Triebfedern, subjektiven Beweggründen, o^- jehtivj, wenn er auf objektiven (allgemeingül- tigen) Beweggründen beruht. Das Unheil über das Angenehme beruht auf einem Ge- fühl, ist interessirt, und setzt daher einen sub- jektiven Zweck voraus. Das Urtheil über das Gute beruht auf Begriffen und setzt einen ob- jektiven Zweck voraus. Beim Angenehmen findet subjektiver Zweck und subjektive Zweck-

mäfsicflteit, bmm< Guten objektiver Zweck und obiektive Ziweckmärsigkeit statt. Beim Schönen findet, wie wir gleich zeigen wollen, weder öubjektiver noch objektiver Zweck, son- d'-r? bios subjektive Zweckmäfbigkeit statt. kann bei einem Urtheil, wodurch ein Ge- g 'nstand für schön erklärt wird, kein subjek- tiver Zweck statt iiuden, weil das Urtheil sonst Uiciit uninteressirt sein würde, kein objekti- ver, weil d:is Urtheil sonst ein Erkenntnifsur» theü (nicht blos ästhetisch, sondern logisch) sein müfste; das Geschmacksurtheil, eben weil e& ästhetisch ist, setzt keinen ßegrit des Ge- genstandes voraus, der doch erlordprlich, wenn in ihm von einem objektiven Zweck d h von der innern oder äufsern Mö^hch- keit des Gegenstandes durch diese oder jene ürsach die Rede wäre. Zweckmäfsigkeit aber kömmt offenbar einem Gegensiande zu, den wir schön finden sollen, denn er ist zweckmäf-'ig für unsere Vorstelhnigvskräfte (E'nbildungskraf't und Verstand), weiche in ei- jie unter sich angemessene Thätigkeit gesetzt werden müssen, wenn Erkenntnifs zu Stande kommen soll Diese Zweckmäfsigkeit kann aber nicht objektiv sein, weil sie sonst Er- Steamnifs d«$ Qegeuötaades voraussetzen müfate;

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«Je ist also Mos suhjektir, d. 1i. der Gecjen- stand wird als angeitiRssen einer Eigenschaft des Sub;ekt8 betrachtet. Demun geachtet drücken wir unser Unheil,' wodurch wir einen Gegenstand für schön erklären, als allge/nein- gültig aus, gleichsam als wäre die Zweckmä- ßiigkeft: des Gegenstandes objektiv, dies aber aus dem Grunde, weil wir dasjenige in uns, dem der Gegenstand als angemessen vorg^e- Ätellt wird, allen zuschreiben müssen, weil dai*- in die Möglichkeit einer Allgemeingültigkeit imd allgemeinen Mittheilbarkeit der Erkennt- nifs überhaupt gegründet ist. Waren nicht Einbildungskraft und Verstand und das Ver- hältnifs derselben gegeneinander zum Behuf einer Erkenntnifs bei allen Menschen wesent- lich übereinstimmend, so wären unsere Vor- stellungen gar nicht mittheilbar, alles wäre blos subjektiv und keine Erkenntnifs möglich, weil zu derselben Objektivität erforderlich ist. Daher mufs ich das Geschmacksurtheil auch für allgemein mittheilbar halten, eben so wie ein Erkegntnifsurtheil , nur mit dem Unter- echied, dafs die allgemeine Mittheilbarkeit des «rstern nicht auf ßegriifen beruht, wie bei ilt;m letatern.

Jüas Geschmackeurthül eteht diso hierj

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wie bei den vorigen Titeln der Urtlielle, zwi- schen dem Angtiiehmen und Guten mitten inne; es sagt zwar wie das Angenehme, nur subjektive ,ZweLki|iiifäigkeit aus, aber eine S0I7 che, die ich für jedermann erwarten kann; es macht wie das Gute auf das aligemeine Aner- kennen der Zweckmäfsjgkeit Anspruch, aber nicht durch Begriffe, sondern durch Gefühl, also iiicht auf objektivem, sondern auf sub- jektivem Wege.

Da das Geschmacksurtheil gar nicht auf den Zweck sieht, so ist die Zweckniäföigkeit, die dem Gegenstande, wenn er schön genannt werden so\l, beigelegt werden niufs, nicht materiaL sondern blos formal.

Mit dieser Untersuchung über Zweck un4 ZweckmäCsigkeit, die an einem Gegenstande betrachtet werden müssen, ist eine andere Untersuchung nahe verwandt, welche zur Be- urtheilung der Darstellung des Schönen dient, die durch Baumgarten zuerst gegeben, und nachher von mehreren deutschen Philosophen ihren Geschmackslehren über das Schöne (Ästhetiken^ zum Grunde gelegt worden. Sie b.etrift die Vollkommenheit des Gegenstandes, den wir für schön erklären.

Die objekcive Zweckmäfsigkeit besteht

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in dem Zusammensümmen des Mannigfaltigen des Gegenstandes zu einem ßegrif. Sie ist entweder äufscre oder innere, bei der erstem ist der Begrif etwas von dem Gegenstande verschiedenes, worauf der Gegenstand sich als Mittel bezieht, bei der zweiten ist es der Be- grif des Gegenstandes selbst. Die äufsere ob- jektive Zweckmiifsigkelt lieifst Nützlichkeit, die innere Vollhotnmenheit, Wenn die man- nigfaltigen Theile des Gebäudes, um mich auf das oben gegebene Beispiel vom Kornspeicher zu berufen, seiue Höhe, sein Dach, seine Fen- ster, seine Lage u. s. w. zu dem ßegrif, dafs es zum Aufbewahren des Getreides dienen soll, zusammenstimmt, so ist es äufserlich ob- jektiv zweckmäfsig, und seine Zweckmafsigkeit ist seine Nützlichkeit. Bei der innern Zweckmäfsigkeit (Vollkommenheit) frage ich blos was der Gegenstand sein," nicht wozu er dienen soll; z. B. wenn ich die Vollkommen- heit der vor mir stehenden Statue beurtheilen soll, so mufs ich zuerst wissen, was sie sein soll; daraus dafs sie eine männliche Figur ist, über deren Schulter eine Löwenhaut herab- hängt und die eine Keule trägt, schliefse ich, die Statue soll ein Herkules sein, und nun bin ich im Stande über ihre Vollkommenheit

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zu urthellen« Hier ist ganz und gar nicht davon die Rede, wozu die Statue des Herku- les dienen soll, ob in einem Prunkzimmer, oder auf einem Pallast, oder in einem Garten oder auf einer Wasserleitung aufgestellt zu werden. Die Vollkommenheit eines Ge- genstandes aber ist wieder von doppelter Art, entweder qualitativ oder quaittitativ. Bei der qualitativen wird darauf gesehen, ob das Mannigfaltige des Gegenstandes mit dem Be- griffe von dem, was er sein soll, zusammen- stimmt (es ist hier von der Beschaffenheit, Qualität, des Mannigfaltigen in dem Objekt die Rede); bei der quantitativen Vollkommen- heit, die man auch Vollständigkeit nennt, is^ die Frage, ob der Gegenstand auch alles das entnält, was zu seinem Begrif erforderlich ist; es liegt ihr offenbar der Gröfsenbegrif der Allheit zum Grunde und es wird dabei vor- ausgesetzt, dafs der Begrif, was das Ding sein soll, schon zum vorausbestimmt gedacht wor- den. Tadle ich an der aufgestellten Statue des Herkules, dafs sie zu schwache Schultern habe, oder lobe ich das kurze krause Haar, was in kleinen Locken die Schlafe bekränzt; . fo spreche ich \x\ beiden Fällen von der qua- litativen Vollkommenheit derselben. Feh^e

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(dem Herkules fein Finger, so Ware et unvoll- ständig. — Man nennt die qualitative Voll- kommenheit auch die formale und die quan- titative die materiale; weü die letztere darauf iieht wits da ist, und die erstere, %vie es da ist.

Es war sehr natürlich, dafs diejenigen, welche diie Beurtheilung des Schönen zu tr*- ner "Wissenschaft erheben und die Piegeln des Geschmacks in eine systematische Verbindung bringen woUten, sich nach einem Begrif der Schönheit umsahen, der zur Grundlage ihres Gebäudes tauglich wäre; sie mufsten um eher einen solchen Begrif für möglich halten, da sie wohl einsahen, dafs das Urtheil, wo- durch etwas für schön erklärt wird, nicht in der blofsen Sinnenempfmdung gegründet sein könne, weil es gleich einem logischen Urtheil auf Allgemeingültigkeit Anspruch macht. Hatte man einmal angenommen, die Schönheit be- ruhe auf einem Begrif, so war dies der Zweck und zwar objektiver Zweck (gleichfalls wo- gen der Allgemein gültigkeiC). Da es zweierlei Arten des Zwecks äufsere und innere giebt, so war hier zu wählen; Batteux iiahm den er- stem an, er setzte die Schönheit des Gegen - »tandes in Nützüclikeit, m Beziehung auf

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unsre eigene Vollkommenheit oder auf unsern eigenea Nutzen. Baunigaitea al)er und meh- rere deutsche Philosophen setzten sie in Voll- kommenheit, die aber, um das Geschmacks- urtheü vom Erkenntnifsurtheil zu unterschei- den, in dem erstem nicht deutlich, sondern nur verworren gedacht werde. Da bei der anhängenden Schönheit, wie wir oben gese- hen haben, allerdings von Vollkommenheit die Rede sein mufs (wenn sie gleich nicht das ganze Geschmacksurtheil begründet), so war es um so leichter, Schönheit und Vollkom- menheit für gleichbedeutend zu halten.

Dafs die Behauptung de« Batteux, die Schönheit sei in der Nützlichkeit zu setzen, unrichtig ist, ergiebt sich aus dem was wir über die Geschmacksurtheile gesagt haben, hinreichend; der Torf hat mannigfachen Nu- tzen für mich, ich finde ihn aber doch nicht schön, da hingegen das Dasein einer Blume, die am Wege steht, mir ganz gleichgültig ist und ich sie dennoch für schön erkläre.

Was aber die Behauptung der deutschen Philosophen,, Schönheit sei Vollkommenheit, betrift, so ist die freie Schönheit eine Instanz dagegen weiche gewifs nicht gehoben werden kann, da es bei ihr gar nicht darauf an-

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kommt, was der Gegenstand sein soll. Die Ästhetiker fühlten wohl, dafs zwischen den Ge- schmacks- und Erkenntnifsurtheilen ein Un- terschied ist, sie glaubten aber dieser sei nicht specifisch (wie wir ihn angegeben haben, dafs das Geschmacksurtheil ästhetisch, das Erkennt- nifsurtheil logisch ist), sondern blos dem Grade nach; sie behaupteten die ßegriife des Schönen und Guten seien ihrem Ursprung und »Inhalt nach einerlei und blos der logi- schen Form nach unterschieden, der erstere blos ein verworrner, der andere ein deutli- cher Begrif der Vollkommenheit. Dieser von ihnen angeg< jene Unterschied grü-:idete sich auf einer ßenauptung der Leibnitzischen Schu- le, deren wir im ersten Theil dieser Darstel- lung auch Erwähnung .gethan, dafs An- schauungen und Begriffe (Vorstellungen durch die Sinne und durch den Verstand) der Art nach einerlei und nur durch die verschiede- nen Grade des Bewufstseins von einander un- terschieden wären; ein dunkler und verworr- ner Begrif sei eine Anschauung, so wie eine deutliche Anschauung ein Begrif. So unrich- tig diese Behauptung in Rücksicht der Vor- stellungen ist, indem Anschauungen und Begriffe

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specifisch verscliieclen sind; et)f?n so irrig ist auch die Meinung, die Schönheit für eine verworrene Vorstellung der Vollkommenheit zu halten. AJa Beweis der Richtigkeit der Be- hauptung stellte Meier, Bauingart^ns Commen- tator in seinen Anfangsgründen der schönen Wisserischatten folgendes Beispiel auf: „L»ie "Wanpen einer schönen Person , auf welchen die Rosen mit einer jugendlichen Pracht blü- hen, :^ind schön, so lange man sie mit bloisen Augen betrachtet. Man beschaue sie aber durch ein Vergröfserungsglas ; wo wird die Schönheit gebheben sein? Man wird es kaum glauben, daCs eine ekelhaite Fi^Jche, die mit einem groben Gewebe überzogen ist, die vol- ler Berge und Thäler ist, deren Schweifslö- cher mit Unreinigkeit angefüllt^ sind, und wel- che über und über mit Haaren bewachsen ist, der Sitz desjenigen Liebnntzes sei, der die Herzen verwundet. Und woher entsteht diese unangenehme Verwandlung? Ist es nicht au- genscheinlich, dafs die ganze Veränderung in unserer Vorstellung sich zugetragen, indem die undeutliche Vorstellung, durch Hülfe der VergröCserungsgläser, dieser Zerstörer der Schönheit, in eine deudiche verwandelt wor- den»" Der Verfasser hat durch diese Steile

fichon

stfion gezeigt, «iais sein öeschmack nicht selir gebildet war, wie hätte »er sonst das aufge- stellte Bild bis zum Ekelhaften ausmahlen kön- nen! Aber dies Beispiel beweist auch nicht, was es beweisen soll. Zugestanden, dafs durcli Vergröfserungsgläser (die der Verfasser doch ungerecht mit dem Namen Zerstörer der Schön- heit brandmarkt, indem sie auch Joft Schön- heiten entdecken, die dem unbewafneten Au- ge entgehen) die Anschauung der schönen Wangen des Mädchens deutlicher gemacht werden, und dadurch ihre Schönheit verlieh- en^ sö folgt daraus doch nichts weiter, als die Anschauung der Wangen des Mädchens, die mir durch das Vergröfderungsglas gegeben wird ist nicht schön, da lungegen die durch das blofse Auge es ist. Dies rührt blos von der Menge des Mannigfaltigen [her, die wir durch Hülfe des Glases wahrnehmen, wa» 6ick nicht leicht zur Einheit eines Begrifs ver- binden lassen will. Anschauung bleibt An- schauung (Vorstellung durch den Sinn), ob vdr sie durchs blofse oder durchs bewafnete Auge erhalten; um aber Vollkommenheit in einem Gegenstande, sei es dunkel oder deut- > lieh, zu erkennen, müssen wir durchaus die Anschauung nut eixiem Begrif (voä dem wa« //. to

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'der Gegenstand sein soll) vergleichea, und dieser Begrif ist von der Anschauung speci- £sch verschieden, auf welchem Wege diese ftuch immer gegeben und durch welche Hülfsa mittel das Bewußtsein der in ihr enthaltenen yheUvorstellüngen auch immer erhöht werden >nag. Dies erhellt daraus , dafs wenn Jemand auch durch ein Vergröfserungsglas alles das an den Wangen seiner Geliebten entdeckt, yras uns Meyer so ausführlich schildert, so wird er freilich eben kein Wohlgefallen em- pfinden, allein er wird doch wahrlich auch nicht an den Zweck diefer Schweifslöchör, dieser Haare u. s, w., denken, und die Zu- sanmienstimmung alles dieses Mannigfaltigen SU diesem Zwecke sioh vorstellen. Der genieine Mann hat eine sehr verworrene Vor- itellung von den Zweck der logarithmischen .Tabellen, und ihrer Vollkommenheit, findet er iie etwa deshalb schön?

Wenn wir behaupten, dafs das Wohlge- fallen an Schönheit nicht auf Erkenntnifs (dunkle oder deutliche) der Vollkommenheit des Gegenstandes beruhe, so wollen wir damit nicht leugnen, dafs mit der Erkenntnifs der Zuaammenstimmung des Mannigfaltigen eine« Gegenstandes ziv Einheit seines innern Zweck«

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Wohlgefallen verbunden sein könne, nur ist dies Wohlgefallen von der Lust, die in dem Ge* fichmacksurtheil über das Schöne ausgedrückt Vvird, wohl zu unterscheiden.

4. Ferglcickung der Urtheile. die ein Wohlgefallen an ei' nein Gegenstände ausdrücken, der Modalität nach.

Wir werden hier die Kategorien der Möglichkeit und Nothwendigkert in Beziehung auf das Wohlgefallen, was durch ein LFrtheil Ausgedrückt wird, betrachten müssen.

Man kann von einer jeden Vorstellung sagen, es sei mögliche dafs sie (als Erkennt- nife) mit einer Lust verbunden sei. Von dem, was ich angenehm nenne, sage ich, dafs es in mir "wirklich Lust bewirke; vom Schönen denkt man sich , dafs es eine nothwendige Be- Äiehung aufs Wohlgefallen habe, und die» letztere gilt auch vom Guten» Die Nothwem- digkeit aber eines Geschraacksurtlieils ist von der eines Urtheils, wodurch ein Gegenstand /ür gut erklärt wird, wohl zu unterscheiden. Beim Guten beruht diese Nothwendigkeit auf Begriffe, und ist entweder theoretisch- oder praktisch- objektiv, die erstere stützt sich auf Naturgesetzen, die andere auf Freilieitsge- getzen. Die Nothwendigkeit im Urtheil über

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das Schöne beruht nicht auf Gesetzen, aui^ welchen die Richtigkeit des Urtheils durch Subsumtion abgeleitet wird; sondern die Noth- wendigkelt wird in dem Urth«il, welches doch ein einzelnes ist, von selbst erkannt. Kant nennt diese Nothwendigkeit exemplarisch» d. h, die Nothwendigkeit der Beistimmung al- ler zu einem Urtheil, was wie Beispiel einer allgemeinen Regel, die man nicht angeben kann, angesehen wird.

Dafs die Nothwendigkeit des Geschmacks- urtheils yon der logischen verschieden ift, sieht man daraus, dafs die Geschmacks urth eile der logischen Form nach nur einzelne Urtheile sind, da hingegen die nothwendigen Erkennt* niCsurtbeile allezeit allgemein sein müssen. Die Nothwendigkeit des Geschmacksurtheils ist daher auch nicht apodictisch, es kann aber auch diese Nothwendigkeit nicht aus der Erfahrung vermittelst der Induction abgeleitet werden, weil dadurch nie Nothwendigkeit ei- nes Urtheils begründet werdpn kann und über^ dies die Gescbmacksurtheile, wenn sie gleich Allgemeingültigkeit fordern, doch wie die Er- fahrung lehrt, nichts weniger als allgemeingel^ tend sind.

Alle Nothwendigkeit ist entweder unbe-

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dingt öder bedingt; so führen die sitdich- praktisciien Gesetze unbedingte Nothwendig- keit bei sich, sie fordern ohne alle Bedin- gung, ohne alle Vorraissetzung, dafs etwas ge- «jchehen soll; z. ß. Du sollst nicht stehlen; die Maximen der Klugheit haben nur bedingte Nothwendigkeit , sie bestimmen nur den Wil- len, iHvSofera der Mensen den Zweck, will, Z. B. Wer reich werden will, mufs sparsam se-n, wo die Sparsamkeit nicht überhaupt, sondern nur unter Voraussetzung des Reich- werdens, geboten wird.

Das Geschmacks urtheil sinnt jedermann Beistimmung an, es fordert djiher, wie die sittiich- und technisch -praktischen Regeln et- was vom Subjekt, daher trägt es die Form des Sol/ensj denn derjenige, der etwas für schön erklärt, will, dafs jedermann dem vor- Legenden Gegenstande Beifall geben und ihn gleichfalls für schön erklären soi/e.

Die Tugend und Rechtspflichten, welche eine unbedingte Nothwendigkeit bei sich füh- ren., l>iSruhen auf Freilieit und gründen sich auf der mit Freiheit allein bestehenden Allge- meingültigkeifc der Vorschrift. Ihre Form ist ein Sollen, Die technisch- praktischen führen nur eine bedingte Nothwendigkeit bei sich,

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setzen bei dem Subjekt, was sie anerkennen soll, das Wollen eines Zwecks voraus, und geben das Rlittel dazu an, dessen Gültigkeit auf Naturgesetzen beruht, und von diesen fieine Nothweiidigkeit erhält. Ihre Form ist: Wenn Du willst, so mufst Du. Beide gründen sich auf einem Begrif , diese auf Na* turnolh wendigkeit, jene auf Freiheit, Die Nothwendigkeit des Geschmacksurtheils , wel- che ein Seilen zur Form hat, stimmt also in dieser Rücksicht mit den sittlichen Geboten überein, nur unterscheidet sie sich darin von derselben, dafs sie keinen Begrif zum Grunde legt; daher sie zwar die Freiheit in Anspruch nimmt, aber nicht solche, die durch einen bestimmten Begrif sich selbst zur Handlung bestimmt und diese Bestimmung der "Willkühr von jedermann fordert, sondern diejenige, ivelche ohne Begrif jedermann Einstimmung im Wohlgefallen zum Urtheil über das Schö- ne (nicht zur Handlung), ansinnt; und so trägt die Nothwendigkeit des Geschmacksur- theils einerseits die Form einer sitdich- prak- tischen Vorschrift (das Sollen, aber nicht als Gebot, sondern als erwartete Gunst); anderer Seirs die Form eines theoretischen Urtheils, in sofern nicht gehandelt, sondern vom Gegen-

.«tan3 ein Merkmal (dafs er schön oder hafe- lich sei) ausgesagt werden soll. Die Noth- vendigkeit, die wir dem Geschmack beilegen, ist nicht objektiv, sondern subjektiv und also bedingt. Das Geschmacksurtheil kann da- her zwar kein objektives Prinzip, weil es sonst apodictische Gewifsheit bei sich führen mülste, aber es mufs ein subjektives Princip haben, welches nur durch Gefühl und nicht durch BegriiFe, jedoch allgemeingültig bestimme, was gefalle oder mifsfalle. Dies Prinzip ist, dafs in, jedem urtheilenden Subjekt sich etwas finden müsse, wodurch wenn ihm der Gegenstand gegeben wird, den wir schön finden, in ihm durch denselben ein gleiches Gefühl des Wohl- gefallens erzeugt wird, welches ihn bestimmt, unserm Urtheil beizupflichten. Da dies nun nicht durch Regriffe geschehen kann> weil sonst das Urtheil ein wirkliches Erkenntnifsur- theil wäre, in dem Geschmacksurtheile aber doch die Schönheit dem Gegenstande, als wäre sie ein Erkenntnifsmerkmal desselben, beigelegt wird, so wählte man für das dem Geschmacksurtheile zum Grunde liegende sub- jektive Prinzip den Namen eines Sinnes ^ und da man es, wenn anders die Geschmacksur- theile mit Recht aat subjektive Allgemeingut-

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tigköit sollen Anspruch machen können^ jed-er- mann zuschreiben mufs, den Namen de$ Ge- rneinsinnes {sensus communis).

Da dieser Ausdruck Gemeinsinn unrich- tig verstanden zu wesentlichen Irrthümern verleiten könnte, so wollen wir noch einige Bemerkungen über denselben hinzufügen.

Sinn in der eigentlichen Bedeutung ist das Vermögen unmittelbarer objektiver Vor- stellungen (Anschauungen), die uns durch Em- pfindung gegebert werden. Durch ihn erhal- ten wir die Materie der Anschauung, welche durch Hülfe der ^Einbildungskraft wirkHch Anschauung wird.

Man braucht aber den' Ausdruck Sinn auch in anderer Bedeutung, man spricht von einem Sinn für Wahrheit, Schicklichkeit, Ge- rechtigkeit u. 6. w., ob man gleich weifs, dafs die diesen Urtheilen zum Grunde liegenden Vorstellungen nicht in der Sinnlichkeit iliren Grund haben, sondern Begriffe sind. Be« trachtet man diesen Sprachgebrauch näher, so findet man, dafs man auch der Urtheils- kraft, wenn nicht sowohl ihre Reflectioh, als vielmehr blos das Kesultat derselben bemerk- Hch ist, den Namen, eines Sinnes giebt. So ?Leimt man smsia communis, (g^emeinschafi;-

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licher Sinn , gewöhnlich Gemeinsinn), das Be- urtlieilungsveriiiögen, welches in seiner Re- jQection auf dlQ Vorstellungsari jedes .andern in Gpdankea Bücksicht nimmt, um gleichsam a;Ei ' die gesammte Menschenvernunft sein Ur- thg;l zu halten und dadurch der Illusion zu entgehen, die aus subjektiven Privatbedingun? gen, welche leicht für objektiv gehalten wen- den könnten, auf das Urtheil nachtheiligen Einflufs haben würden. Dieses geschieht nun dadurch, dafs man sein Urtheil an anderer ihre, nicht sowohl wirkliche, eis vielmehr blos, mögliche Urtheile hält und sich in die Stelle, jedes andern versetzt, indem man blos ypn den Beschränkungen, die unserer eigenen Beurtheilung zufälliger Weise anhängen, ab- ßtraliirt, welches wiederum dadurch bewirkt •wird, dafs man das, was in unserm Vorstel- lungszustande Materie, d. i. Empfindung ist, so viel wie möglich, wegläfst und lediglicli auf die formale EigenthümUchkeiten seiner Vor- stellung oder seines Vorstellungszustandes Acht hat. Diese Roflectien ist ein Werk, der Urtheilskraft. Die Urtheilskraft ist inieU lectuelj^ wenn sie nach Begriffen, ästhetisch, wehn sie nach Gefühlen urtheilt. Diesem zu Folge würde der s^nsur cpmnmnis, von c^op-

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pelter Art sein: sensur commwtis logicus und aestheticus» Jener stützt sich auf Begriffe, die freilich oft nur dunkel gedacht werden, und abstrahirt von allen Beschränkungen un- serer eigenen Erkenntnifs, wodurch das Ur- theil auf Allgemeingüitigkeit Anspruch zu ma- chen, berechtigt ist; der letztere auf Gefühl lind strebt von dem Urtheil über das Schöne, Heilz und Rührung (als blos subjektiv und privatgültig) abzuscheiden. Da der Geschmack als Beurtheilungsvermögen des Schönen nicht auf Begriffen sich stützt, so wird er mit we\J mehreren! Rechte den Namen eines Gemein^ sinns verdienen, als die intellectueile Urtheils- kraft, die zu Erkenntnifsurtheilen führt, und welche man, wenn mehr das Resultat ihrer Reflection als die Pieflection selbst sichtbar wird, den gemeinen, gesunden Menschen- 'v eist and nennt *). Beiläufig wollen wir

") Der gemeine (gevröhnliche) Mens eben veritand ist nicht im- mer der gesunde, wie die Erfahrung zur Genüge beweist. Hier werden beide Benennungen verbunnen neben «inander gesteJlt ; aber fn einer andern Bedeutung. Nur der Verstand ist gesund, welcher bei seinen Urtheilen das Subjektive vom Objektiven unterscheidet und verfährt, wie wir eben gexeigt haben. Die« ist aber das wenigste, waS man von jedem Menschen als erkennenden Wesen mit Recht erwarten kann; und gemein heifst hier, was jeder Meatch habeo- aiuis, was cu besitzen kein VeidicBsc iit.

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hierbei noch bemerken, daCs die Benennung moralischer Sinn statt moralisches Gefühl ganx unrichtig ist, weil wir durch dies Gefühl kei- ne Erkenntnifs eines moralischen Gesetzes, son- dern nur unseres Zustandes erhalten, der da- durch hervorgebracht wird, dafs wir eine Re- gel deutlich oder undeutlich gedacht, für sitt- liche Vorschrift halten.

So viel ist also ausgemacht, dafs Vv'ir ohne einen ästhetischen Gemeinsinn (den man aber für keinen äufsern Sinn halten mufs) voraus- zusetzen, kein Geschmacksurtheü für möglich erklären können. Ob und wie ein solcher Gemsinsinn als möglich gedacht werden könne, wollen wir weiter unten untersuchen; hier ge- nügt es uns zu zeigen, dafs die Gültigkeit des Geschniacksurtheils mit der Gültigkeit der Voraussetzung dieses Gemeinsinns steht und fäUt.

Kurze Übersicht der E igenc/tnrn/ i ch k ei ten der reihen Geschmttcksurt/teile über das Schöne.

Um unsern Lesern die Übersicht des Ge- sagten zu erleichtern, wollen wir die charak- teristischen Merkmale der reinen Geschmacks- urtheile, die wir aus der Vergleichung dersel- ben mit andera Urtlieilen, welche gleichfalls

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mit einem WoLIgpfallen verbunden sind, aufgefunden haben, kurzgefaßt zusammen steilen.

Die reinen Geschmacksurvheile sind: Der Qualität nach: nicht logisch^ son- dern ästhetisch, drücken kein objektives Ver- hältnils der Vorstellungen, sondern nur ein subjektives, das Gefühl, aus, haben aber die Form der Erkenntnifsurtheile (man fü^t nicht wie beim Angenehmen mir hinzu). Das Wohlgefallen was mit ihnen verbunden ist, ist" ohne alles lateresse, beruht weder auf dem- selben, noch bringt es für sich genommen (ohne zufällige Beziehung) ein solches hervor; eben deshalb ist das Wohlgefallen am Schö- nen frei und ajs Gun^t zu betrachten. Der logischen Qualität *} nach können sie beja- hend und verneinend sein.

Der Quantität nach sind sie plurali- stisch nicht egoistisch, sie sinnen jedermann Einstimmung an, doch können sie diese Ein- stimmnng nicht wie die Erkenntnifsurtheile <Jurch Begriffe erzwingen, -?-■ Ihrer logi- i

^■■) Ich hoffe, daf« nachdem w«» im Vorhergehenden gesagt \Vordea, meine Leser in dem Satz keinen Widerspruch fin- den werden; ein Urtheil ist »ath/etisch ~- und es Ut der lo- g^ischen Qualitiit nach bejabfiBfi und vointinend.

157 sehen Quantität nach, sind sie einzelne Ur- theile.

3. Der Relation nae*n, findet beim Ge- genstande den wii* für schön erklären, eine subjektive Zweckmäfsigkeit ohne Zweck statt, die aber deshalb für aUgemeingiiltig gehalten wird, weil sie Zweckmäfsigkeit für die Vor- «tellkräfte zu einer mögHchen Erkenntnifs überhaupt ist. Die Vorstellung dieser subjek- tiven Zweckmäfsigkeit geht vor der Lust am Schönen her» Der logischen Relation nach iind diö Geschmacksurtheile kategorisch.

4. Der Modahtät nach kömrat ihnen sub- jektive Nothwendigkeit zu, die aber bedingt, ist, und auf Voraussetzung eines Gemein- sinns , den wir Geschmack nennen, sich stützt, Ihre logische Form ist assertoriscK

.Ällgemtin^ JnmerAutigi

Alle» vra« wir im Vorhergehenden al« Eigentbütnlich- keiten de« Geschmackiurtheilt aufgezählc haben > betreifea nur dassfilbe in «o fern es rein ict^ d. h. da« Schöne nur •Heia und nicht« weiter betrift. Die GeschmacksurtbeUe ah<si sind Mlten «0 r«in, sondern gemeiniglich mit andern Gefühlen de« WohlgBfallen« verbunden, wovon wir in ei- nem eigenen Abschnitt sehen geredet und uiuere Behau^* tung mit Beispielen belegt haben. Man mul's al«o bei ei« nem Geschraacksunheil, wenn os das eigentliche Schöne be^ frcffna und mit K«cht auf allgemeine fiinnittimung A«»

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«pruoh machen lolh allei andere WohlgIFallen wai durcb Empßndung oder durch Bejgriife gegeben wird («ianlichee •der inteliectuellei Wohlgefallen) absondern.

Oas sinnliche WohlgeFallen beruht auf £nipfindung und ist von doppelter An; enrvreier ist es rein« Last, wel- che in beförderter Thätigkeit der Lebenskraft bssreht, dann keifst es Reitz, oder es ist ein von Lust und Unlust xu« sammengesetztes Gefühl, in dem aber die Lust die Ober* band hat, dann heifst es Rilhrung. Rührung ist ein Go- fübl> iu dem Annehmlichkeit nur varmittelst augenblicklicher Hemmung und dcraut erfolgender stärkerer Ergi^fsung der Lebenskraft gewirkt wird. Beides mufs vom Wohlgefallea am Schönen getrennt werden, weil es die Materie des Ur- theils üum Eastimraungsgrunde hat^ und also ni« auf Allge- tneingültigkeit Anspruch machen kann. Des UrthpU über das Schöne stützt sich blos auf die Form das Gegenstandesi Diesem scheint 2U widerstreiten, da^ wir einfache Farben und Töne schön finden und von jedermann Einstimmung «warten. £s sehsint bei diesen blos von Empfindung und von gar keiner Form die Rede zu sein. Platte diese Be- hauptung ihre Richtigkeit, so würdd dadurch alles das. wae wir über das Schöne gesagt haben, umgestofsen. >- Allein schon der Umstand, dafs man die Töne und Farbfe luv rein und nicht gemischt erklärt, ceigt an, dafs man Mannigfaltiges darin als zu unterscheiden voraussetzt; denn das Einfache kann eben so wenig rein als gamircht genannt werden. Das Reine besieht hier in der Gleichförmigkeit der Empfindung (^die eine Zeitlang hindurch dauert), die durch nichts Fremdartiges gestört unJ unterbrochen wird und diee gehört blos »ur Form.

Reitz und Rührung können zwar, wonn sie dem Ge» •chmacksurtheil beigemischt sind, das Wohlgefallen am Schönen erhöhen, aber sie stören auch die Reinheit des Ge« ecbmacksurtheils und machen dasselbe weniger sicher.

Das intellectuelle Wohlgefallen welches auf Begriifen beruht, ist entweder das an YollkommeBfaeii;, oder «a ^ct*.

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iicfa guten , odtr am Nuulicben. Di« bsid«a letztern sind den Urthetl über da» Schöne ganz fremd; rrai aber den Be« gti{ der Vollkoramecheit betrift, to ist er rrie wir achoa gezeigt haben, bei der anhängenden Schönheit durchaus ia Betracht xu ziehen; allein ob er gleich sodann das Wohl- gefallen fixirt, und dasselbe vermehrt, auch als nothwendiga £edingung der Schönheit vorausgehen mufs, so gewinnt doch eigentlich weder die Voili.ommenheit durch die i>cbön<> k'?it. noch die Schönheit durch die Vollkommenheit; son* dem weil es nicht vermieden werden kann , dafs wenn wii; die Vorstellung, durch welche uns ein Gegenstand gegeben wird, mit dem Objekte ^in Ansehung dessen was es sein, •oll) durch einen Begrif vergleichen, wir sie auch zugleich mit dem Gefühl im Subjekte zusammen halten, so gewinnt das gcsammte Vermögen der Vorstellungskraft, wenn beida Gemüthszustände zusammen stimmen.

Ein Geschmacksurtheil würde in Ansehung eines Gn* genstandes von bestimmtem innern Zweck nur alsdann rein •ein, wenn der Urtheilende entweder von diesem Zweck* keinen Begrif hätte fwie z, £■ der gemeine Mann von dem Zwecke der BlumenJ oder in seiaem Urtheile davon abstra- hirte. Aber alsdann würde dieser, ob er gleich ein richiigaa Geschmacksurtheil fällete, indem er den Gegenstand als Ireie Schönheit beurtheilte, dennoch von dem andern, der die Schönheit an ihm nur als anhängende Beschaffenheit betrachtet ^der aul den Zweck des Gegenstandes sieht) ge< tadelt und eines falschen Geschmacks beschuldigt werden, ^obgleich beide in ihrer Art richtig urtheilen: der eine xack dem, was er vor den Sinnen, der andere nach deui, was er in Gedanken hat. Durch diese Unterscheidung kann raaa manchen Zwist der Geschmacksrichter über Schönheit bei- legen, indem man ihnen zeigt, dafs der eine sich an dia freie, der andere an die anhängende Schönheit wende, der erstere ein reiuei» dw 2 weit* eia augewandtea Geichmacks* urtheii iäUe.

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J) arsLellung der Rec)ttmafsigkeit eines reineu . C-eschmacksurthells.

Alle unserö Erkenntnifs bezieht sich auf idie Sinnenwelt und setzt Prinzipien a priori voraus, welche in dem Verstände ihren Grund haben; wir haben im ersten Theil die Recht- mäfsigkeit des Gebrauchs dieser Prinzipien im Felde der Erfahrung dadurch gezeigt, dafs wir bewiesen, ohne sie sei die Identität des Selbst- t^ewufstseins und alle Erkenntnils überhaupt unmöglich. Eben so stellten wir Prinzipien für die Sittlichkeit auf, welche in der prakti- schen Vernunft selbst ihren Grund haben und deren Gültigkeit dadurch dargethan wurde, dafs ohne sie keine Freiheit der Wilikühr, welche sich in uns, durch das Bewufstsein: Du sollst ankündigt, möglich wäre. Eine solche Darstellung der Rechtmäfsigkeit der Prinzipien mufs, wenn wir uns ihrer ruhig be- dienen wollen, nothwendig gegeben werden, Kant nennt sie eine Deduction, ein Ausdruck, der von den Rechtslehrern hergenommen ist. Die Deduction für die Prinzipien der Erfah- rung kann nicht empirisch sein, denn wir wollen nicht zeigen, wie und auf welchem Wege wir zum Bewufstsein dieser Prinzipien gelangen, sondern ihre objektive Gültigkeit

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soll a priori erklärt und dargethan werden; dies kann nun nicht durch Ableitung von noch höheren objektiven Prinzipien a priori geschehen^ denn diese würden wiederum eine neue Dedüctiort fordern. Die Gültigkeit die.^er Prinzipien mufs sich also auf Etwas stützen, was Unmittelbar a priori gegeben ist, und diese ist für die Naturgesetze die Identität des Selbstbewufstseins, für die Sittengesetze das Bewufstsein: Du sollst.

Eben so werden wir eine Deduction der Geschmacksurtheile versuchen müssen, und diese kann gleichfalls nicht empirisch sein. Weil wir die Allgemeingültigkeit desselben nicht auf Stimraensammlung und Herumfragen bei andern, wegen ihrer Art zu empfinden, gründen, sondern jeder sein Urtheil nach sei- ner Contemplatioil des Gegenstandes fällt und gleichsam sein Urtheil als Autonomie aner- kennt, sich nicht als Heteronomie aufdringen läfst, aber doch die Einstimmung von andern erwartet.

Man kann diese Aufgabe auch so Vor- stellen: Wie ist ein Urtheil möglich ^ das blos aus dem, dem urtheilenden Subjekt eige- nen Gefühl der Lust an einem Gegenstande, unabhängig Von desseil Begri^e> diese Lust^ //♦ ii

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als der ^Vorstellung desselben Objekts in je- dem andern Subjekte anhängig, a priori d. i. ohne fremde Beistimmung abwarten zu dürfen, beurtheilte.

Wir haben im Vorhergehenden gesehen, dafs die Geschmacksurtheile ihre subjektive Nothwendigkeit und damit in Verbindung ste- hende ästhetische Allgemeinheit auf die Vor- aussetzung eines Gemeinsinns unter dem Na- men des Geschmacks (sensuscoinmunisaesthe- ticus) gründen, und die Gewährleistung der Rechtmäfsigkeit der reinen Geschmacksurtheile wird also die Befugnifs zur Voraussetzung ei- nes solchen Gemeinsinns darthun müssen.

Das Prinzip der reinen Geschmacksur- theile über das Schöne kann kein objektives sein , denn sonst würde die Richtigkeit eines jeden einzelnen dieser Geschmacksurtheile daraus erhellen, dafs man den Gegenstand über den das Urtheil gefällt werden soll, un- ter das Prinzip subsumirt, und also einen Vernunftschlufs macht; dann aber liefse sich das Geschmacksurtheil beweisen und hätte objektive Gültigkeit, welches nicht der Fall ist. Es mufs also das Prinzip subjektiv sein.|— Daher der Ausdruck Sinn für den Geschmack, wenn man ihn einen Gemeinsimi nennt»

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Ferner mufs dieses Prinzip in jedermann vorausgesetzt werden, weil sonst das Ur- theil keine ästhetische Allgemeinheit haben würde, daher nennt man den Geschmack Ge- jneinsinnt Unter dieser Voraussetzung er- klärt sich, warum ein reines Geschmacksur- theil über das Schöne ein einzelnes Urtheil ist, jedermann Einstimmung ansinnt, subjekti- ve Zweckmäfsigkeit von dem Gegenstand vor- aussetzt und subjektive Nothwendigkeit aus- sagt.

Worin besteht denn nun aber dieser Ge- meinsinn? Ist es ein äufserer Sinn? oder wird er nur uneigenthch ein Sinn genannt, und ge- hört das Urtheil eigentlich dem Verstände an? oder wenn dies beides nicht sein sollte, worin besteht er denn?

Ein äufserer Sinn kann er nicht sein, ob wir gleich von äufsern Gegenständen im Ge- fichmacksurtheil etwas] aussagen; denn durch den Sinn wird uns die Materie einer An* Behauung gegeben, und die mit der Materie einer Anschauung verknüpfte Lust, ist Annehm- lichkeit, welche sich durch ihre blofse Prirat- gültigkeit von der Lust beim Schönen sehr unterscheidet.

Man pflegt auch wohl im gemeinen Le-

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ben, die obern Erkeantnifsvermögen, wenn sie richtig ihre Functionen verrichten, und man sich -wohl der Resuhate, aber Dicht der be- folgten Regeln bewufet wird, einen Sinn zu nennen, wie wir dies oben S. 162 angemerkt haben, allein dann würde doch immer das da- durch gCj^ebene Urtheil auf Begriifen beruhen, und also ein Erkenntnirs und kein äsdietiiches Urtheil sein.

Die Schönheit ist also in der Anschauung aber nicht in der Materie, sondern in der Form derselben zu suchen. Die Form der Anschauung ist das Product der Einbildungs- kraft und zwar insofern Zusammensetzung da- bei statt fmdet, der productlven Einbildungs- kraft. Zur Schönheit eines Gegenstandes wird also erfordert, dafs er seiner Form nach zweckmäfsig für die productive Einbiidungs- kfaft sei. Es darf der Einbildungskraft bei ihrer Function kein Zwang auferlegt werden d, h, kein anderes Vermögen ihr ein Gesetz vorschreiben i und desiiaio darf auch der Schönheit als solcher kein bestimmter Bpgrif untergelegt werden, weil dieser sonst als ein fremdes, nicht eignes Gesetz sie. zwingen wür- de. — Demungeachtet aber mufj Gesetzhci- keit (obgleich ohne Geäetz) da sein, denn

«onst würde das Geschmacksurtheil auf keine Aligemeiiigiiltigkeit Anspruch machen. Es ■wird also das Wohlgefallen am Schönen durch das Bewufstsein der freien Gesetzmäfsigkeit der Einbildungskraft hervorgebracht. Diese Gesetzmäfsigkeit ist a priori, weil das Ge* schmacksurtheiK als ein solches (der Form, nicht dem Inhalte nach) a priori ist. Der Verstand aber i^t das Vermögen der Gesetze und also auch der Gesetzmäfsigkeit, denn diese gründet sich auf Begriffe. Da nun beim Schönen freie Gesetzmäfsigkeit statt fin- den soll, also kein bestimmter Begrif die Thä- t'gkeit der Einbildungskraft beschränken öU;rf, aber Gesetzmäfsigkeit doch einen Begrif er- fordert, so kann dies* kein bestimmter, son- dern nur ein möglicher Begrif überhaupt seir.; das kann aber nichts anders heifsen, als die Thätigkeit der Einbildungskraft stimmt bei Auffassung der Form eines schönen Gegen- standes mit dem Verstände als dem Vermögen der Begriffe zusammen. Hier i;>t kein Zu- sammenstimmen der Anschauung zum Begrif, wie bei der objektiven ErkenntniCs, sondern ein Zusammenstimmen der Erkenntnifskräfte der Einbildungskraft und d«s Verstandes in

im

ihren Functionen; daher die Subjectlvltät des Geschmacksurtheils.

Dieses Zusammenstimmen aber der Ein- bildungskraft und des Verstandes ist auch zur Erkenntnifs erforderlich, nur mit dem Unter- schiede, dafs bei derselben bestimmte Vorstel- lungen sich finden; daher mufs dieses Zusam- menstimmen der Erkenntnifskräfte in jedem Subjekt vorausgesetzt werden, wenn objektive {allgemeingültige) Erkenntnifs statt haben soll; und insofern hat diese Voraussetzung beim Schönen mit Recht subjektive Allgemeingültig- keit, Dieses Zusammenstimmen der Thätig- kei ten beider Erkenntnifskräfte kann nur durch Reflection wahrgenommen werden; und also wird das Geschmacksurtheil , welches auf die- ser Einstimmung sich gründet, der reflectiren- den Urtheilskraft angehörai. Diese hat aber nicht bei ihrer Reflection die Subsumtion ei- ner Anschauung unter einem bestimmten Be- grif zum Zweck, welches der Fall ist, wenn sie objektiv ist; sondern sie subsumirt die Thätigkeit der Einbildungskraft unter die des Verstandes; sie bemerkt die Übereinstimmung der Freiheit der Einbildungskraft, welche statt findet, wenn diese ohne bestimmten Begrif schematisirt, mit der Gesetzmäfsigkeit des Ver^

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Standes, insofern dieser einen Begrif über- haupt zu Stande bringen soll. Spiel nennen wir eine Tliätigkelt, die für sich selbst gefällt, also wird beim Schönen, wo Zweckmäfsigkeit des Gegenstandes für Einbildungskraft und Verstand in der Vorstellung statt findet, ein Spiel der beiden Erkenntnif::kräfte erweckt, und dieses Spiel ist frei, ohne Interesse, weil ihm kein bestimmter Begrif als Zweck zum Grunde liegt. Die Erkenntnifskräfte beleben sich wechselsweise und dies Gefühl der beför- derten Thätigkeit ist Lust. Diese Lust ist also mit der Vorstellung der formalen Zweck- mäfsigkeit eines Gegenstandes für Einbildungs- kraft und Verstand innig verbunden, da die zweckmäfsige Thädgkeit beide Erkennt- nifskräfte der Piealgrund f ratio essendi) der Lust ist. Weil wir nun allen Men- schen, wenn sie mit uns in Erkenntnissen übereinstimmen sollen , Eijibildungskraft und Verstand ihrem innern Wesen (den Gesetzen ihrör ' möglichen Wirkung) nach, beilegen müssen, so werden v.ir wenn wir bei uns ein Spiel der Erkenntnifskräfte wahr- nehmen, ein solches Spiel auch allen Men- schen zuschreiben, folglieh jedem ein glei- ches Wohlgefallen ansinnen , und dadurch er-

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halten wir ein Urtheil, welches von der Vor» Stellung eines Gegenstandes subjektiv allgemein ein Merkmal aussagt. Hieraus ergieht sich auch, dafs ein solches Urtheil nur ein einzel- nes, sein könne, weil es auf einen einzelnen Zustand des Gernüths, in welchen ein Gegen- stand unS( versetzt, sich gründet.

Die. reflectirende Urtheüskraft erkennt, so fern sie subjektiv ist, dieses Zusammenstimmen der Erkenntnifskräfte und gründet darauf das Geschmacksurtheil. Es ist also das Prinzip der subjektiven reflectirenden Urtheüskraft (die auch den Namen der ästhetischen führt) zugleich das Prinzip des Geschmacks über- haupt. Sie will nicht zu einem bestimmten Urtheil eine Anschauung einem Begrif unter- ordnen, sondern sie merkt blos auf die Thä- tigkeit der zu einem Urtheil erforderlichen Er- kenntnifskräfte; es ist hier also von den sub- jektiven formalen Bedingungen eines Unheils 4ie. Rede.

Um berechtigt zu sein auf allgemeine Bei- stimmung zu einem blos auf subjektiven Grün- den beruhenden Urtheile der ästhetischen Ur- theilskraft Anspruch zu machen ist genug, dafs, man einräume i) bei allen Menschen i^ien dio subjektiven Bedingungen dieses, Ver-

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inögens, was das Verliältnifs der darin in Thä- tigkeit gesetzten Erkenntnifskriifte zu einer Erkenntnils überhaupt betrift, einerlei ; wel- ches walir sein mufs, weil sich sonst Men- schen ihre Vorstellungen und ihre Erkennt- nisse nicht mittheilen könnten; 2) das Urtheil habe blofs auf dieses Verhältnifs, mithin auf die formale Bedingung der Urtheilskritft Piiicksicht genommen und sei rein d. i. weder mit Begriffen vom Objekt noch mit Empfin- dungen, als Bestimmungsgründen , vermengtt Wenn in Ansehung dieses letztern auch ge- fehlt worden, so betrift das nur die unrichtige Anwendung der Befugnifs, die ein Gesetz uns giebt, auf einen besondem Fall, wodurch die Befugnifs überhaupt nicht aufgehoben wird.

Nähere Bestimmung der Lust am Schürten.

Die Lust am Angenehmen, welches uns durch Empfindung gegeben wird, pder sich am Ende auf Empfindung stützt, ist Lust des Genussesj wir verhalten uns dabei passiv; die Lust an der Sittlichkeit ^iner Handlung beruht auf der Selbstthätigkeit der Vernunft, deren allgemeine Mittheilbarkeit auf bestimmten Be- griffen sich gründet ; die Lust am Schönen be- ruht auf Reflection der harmonischen (subjek-

tiv - zvveckmärslgen) Beschäftigung der beiden ErkenntnifsvermÖgen in ilirer Freiheit. Diese Lust mufs nothwendig bei jedermann auf den nämlichen Bedingungen beruhen, weil sie sub- jektive Bedingungen der Möglichkeit einer Er- kenntnifs überhaupt sind und die' Proportion dieser ErkenntnifsvermÖgen, welche zum Ge- schmack erfordert wird, auch zum gemeinen nnd gesunden Verstände erforderlich ist, den man böi jedermann voraussetzen darf.

T,sgieht keine Ästhetik. ti>cnn m et n darunter cino Wissens cha/t des Geschmacks versieht.

Der Philosoph entdeckt bei der Verglei- chung der Geschmacksurtheile mit andern Urtheilen sehr auffallende Eigenthümlichkeiten der erstem und er wird daher in einer Critik unserer Seelenvermögen dieselben nicht über- gehen, ihr Prinzip aufstellen und legitimiren müssen. Dies ist nun im Vorhergehenden ge- schehen und es fand sich, dafs das Schöne seinen Grund nicht sowohl im Gegenstande, als in dem Geist dessen hat, der ihn betrach- tet. Die Stimmung in der wir uns durch den Gegenstand versetzt fühlen und die auf der Natur unserer Erkenntnifskräfte beruht, ist der Grund unsers Cesclimacksurtheils. Es

giebt al.=;o kein objektives Prinzip des Schö- nen, aus welchem man durch die blofse Sub- sumtion Iierausbringen konnte, ob ein Gegen- stand schön oder häfsKch sei; foIgUch kann es aucli keine Wissenschaft der Beurtheilung des Schönen geben*). Bei der anhän- genden Schönheit werden sich allerdings Re- geln geben lassen, die aus dem Begriffe des Gegenstandes lÜefsen und seine innere Zweek- mäfsigkeit betreffen, z. B. die Fenster eines Hauses nicht gröfser zu machen als die Thür, aber diese Regeln sind keine Regeln des Ge- ßchmacks, sondern blos der Vereinbarung des Geschmacks mit der Vernunft, des Schönen mit dem Guten.

Dem Schönen ist widersprechend entge- gengesetzt das Nichtschöne, widerstreitend das Häfsliche. Beim' Schönen findet sich ein Gefühl der Lust, beim Häfslichen ein Gefühl der Unlust, beim Nichtschönen, wenn es blos eine Negation ausdrücken soll, keins von bei-

*) Kant erinnert mii: grofsem Hecht, dars man den Ausdruck schone Wissenschaften auch nicht brauchen sollte, denn eine Wissenschaft des Schönen giebt es nicht, und der Ausdruck schön pafst nicht als Beiwort zur Wissenschaft, denn diese verlangt nicht Schönheit sondern Gründlichkeit das Vortrags. Was man schöne Wissenschaften an nj^i-. nen pflegt. soUta man schön» Kilnste nennen.

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denj wir bleiben bei der Reflection über das- selbe ganz indifferent. Beim Schönen wird die Thätigkeit der Einbildungskraft und des Verstandes in Harmonie befördert, beim Häfs- lichen gehemmt, beim Nichtschönen findet weder Beförderung noch Hemmung dieser harmonischen Thätigkeit statt.

Der Geichmack ist ästhetisch reflectiren- de Urtheilskraft , er kann also ' wie diese über- haupt nicht durch Begriffe belehrt, sondern allein durch Übung ausgebildet werden; aber er wird durch Betrachtung der schönen Na- tur und Kunst geübt. Jede Ausbildung ei- nes Seelenvermögens hat in der natürlichen Beschaffenheit desselben seine Bedingung; sie kann trotz aller Übung keinen höhern Grad erreiche», als diese erlaubt. Ob nun gleich bei allen Menschen Einbildungskraft und Ver- stand als ?iach gleichen Gesetzen wirken und in einem gleichen Verhältnifs zur Hervorbrin- ßung einer Erkenntnifs gedacht werden müs- sen, wenn Mittheilbarkeit der Erkenntnifs überhaupt statt finden soU, so lehrt doch die Erfahrung, dafs nicht in allen Individuen diese Erkenntnifsvenwögen als Kräfte gleichen Grad d<s^ natürlichen Vollkommenheit haben. Des ^inen E.inbUdun|[skraft ist träge, des andern

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schnell, des einen Imagination giebt lebhaftere Bilder als die des andern; der Verstand des einen ist regsamer als der eines andern, folg- lich wird auch nicht bei allen Menschen eine gleiche Ausbildung des Geschmacks möglich sein. Die Gegenstände der schönen Natur und Kunst, an welchen durch Reflection der Geschmack geübt und gebildet werden soll, setzen die genannten Erkenntnifskräfte in Thätigkeit und die Urtheilskraft wird nach und nach dahin gebracht, von der Lust am Schönen alle fremdartige Lust welche durch Empfindung und Begriffe gegeben wird, zu unterscheiden, und ihr Urtheil über Schönheit nur auf die erstere zu gründen. Der Ge- schmack in seiner Rohheit wird des Reitzos oder der Rührung bedürfen, um ins Spiel ge- setzt zu werden; ja bei dem rohen Menschen wird sogar Stärke des Sinneneindrucks erfor- dert, damit der Gegenstand seine Aufmerk- samkeit fefsle, der Gegenstand mnfs sich il?m aufdringen, wenn er ihn wahrnehmen und bei ihm verweilen soll. Der Wilde hebt grelle Farben und schallende, schmetternde Töne, In der ersten Periode der Geschmacksbildung werden wir daher keine reinen sondern mit Reitz und Rührung gemischten GeschmÄCJks-

urtlieile antreffen. Ein anderes Mittel, dafa der Gegenstand die Aufmerksamkeit des Men- schen auf sich ziehe, ist die Nützlichkeit des- selben. Jeder Mensch hat einen eigenen Hang sich dem andern bemerkbar zu machen, ein Hang der sich auf mancherlei Weise äu- fsert, unter andern auch durch das Streben, anderen zu gefallen; so entspringt Eitelkeit und diese ist die Mutter deÄ Geschmacks. Der Wilde schmückt sich mit bunten Federn, mahlt sein Gesicht, tettowirt sich, putzt sich auf mancherlei Art, und buhlt dadurch um anderer Beifall. Er sieht also nicht blos auf das, was ihm, sondern was andern gefällt; der erste Schritt zum Geschmack, dem Ver- mögen durch eine allgemein mittheill-are Lust über einen Gegenstand zu urth eilen, und hier- aus ergiebt sich, dafs obgleich der Geschmack als Vermögen dem Menschen angebohren ist, insofern man ihm reflectirende Urtheilskraft zugestehen niufs, er doch als Kraft vorzüglich in Gesellschaft geübt und gebildet wird.

Derjenige, welcher Cukur des Verstandes zu wissenschaftlichem Behuf zu seinem vor- züglichen Zweck gemacht hat, wird sehr leicht geneigt sein, seinem Urtheil über das Schöne die Lust über objektive Zweckmäfsigkeit bei-

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zufügen und es so vermisclit, docli für rein zu haken. Er wird also zur Bildung seines Geschmacks vorzügUch freie Schönheiten zum Gegenstande seines ästhetischen Urtheils ma- chen müssen, damit er sich gewöhne in der Refiection die Schönheit von der Vollkom- menheit z(i unterscheiden.

Die erste Epoche der Aufserung des Ge- schmacks bei einer Nation tritt dann erst ein, wenn sie nicht mehr genöthigt ist, ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Befriedigung ihrer jiothwendjgsten sinnlichen Bedürfnisse, die ih- re Eihaltung zum Zweck liaben, zu richten; denn zur Beurtheilung des Schönen ist ruhige Contemplation erforderlich, und also mufs der Geist frei von Sorgen für seine Erhal- tung sein.

Wollen wir jemandes Geschmack bilden, so müssen wir denselben an Gegenständen üben, welche wirklich als Muster von Schön- heiten gelten können. Ob nun gleich bei den Kunstschönheiten sich eben so wenig, wie bei denen der Natur aus objektiven Gründen Ihre Schönheit darthun läfst, so haben doch diejenigen Werke, welche Jalirhunderte hin- durch, trotz des Wechsels aller zufälligen Um- Jitände für ;schön [gehalten worden, ein sehr

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günstiges Vorurtheil für sich; diese grofse Übereinstimmung so verschiedener Menschen und Zeitalter läCst mit Recht vermuthen, dals diese Gegenstände einen gegründeten Anspruch auf Allgemeingültigkeit des Wohlgefallens ma- chen können. Auch wir halten die Gruppen des Laokoon und der Niobe, den sterbenden Fechter, den Apoll ron Belvedere, die medi- ceische Venus, den Dornzieher, den Genius des Ruhms von Annibal Caracchi, die Nacht des Correggio, die Madonna della Sediat das Pantheon in Rom u. s. w. für Meisterwer- ke, wie die Zeitgenossen der Künstlfer^ die sie erschufen. Uns entzücken die Oden eines Pindar und eines Horaz wie ihre Zeitgenos- sen; und wenn die Griechen ihren Sophokles und Euripides wegen ihrer Werke vergötter- ten, so stimmen auch wir noch in ihrem Bei- fall ein; die Reden des muthlgen, freien De- mosthenes, der die Athenienser ermuntert, dem Unterjochungsgeist des macedonischen Philipp aus allen Kräften sich zu widersetzen und „durch Blut ihre Freiheit zu befestigen; des fürs Vaterland besorgten Cicero, der ei- nen Catiüna aus dem Senat donnert, reifsen uns hin, wie sie ihre Zuhörer hinrissen. Bei Werken dieser Art $md wii' >yeit mehr

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gesichert, dafs nicht die frivole Mode unser Unheil besticht und so werden die schönen Werke der Alten mit Recht für die Schule des Geschmacks gehalten und lob gepriesen.

Kant macht hierbei die Bemerkung, dafs Küster des Geschmacks in Ansehung der re- denden Künste in einer todten und gelehrten Sprache abgefafsl sein müssen ; das erste, öm nicht die Veränderungen erdidden zu müssen, welche die lebenden unvermeidlicher Weise trift, dafs edle Ausdrücke platt, gewöhnliche veraltet und neugieschaifene in einen nur kurz dauernden Umlauf gebracht werden (ich brau- che Um dies den Deutschen zu beweisen, nicht einmal bis zu Luthers Bibelübersetzung zurückzugehen, ich darf iiur R^abeners Satyr en nennen}, das andere, damit sie eine Gramma- tik habe, welche keinem muthwilligen Wech- sel der Mode unterworfen sei, sondern unver- änderliche Regeln vorschreibe.

Vom Ideale der Schönkcttt

Der Geschmack hat keine objektive Re- gel, keinen Begrif, der ihn bei Beurtheilung der Schönheit eines Gegenstandes zur Rich.!;^ schnür dienen könnte; davon sind wir durch ^ie vorhergehindea Untersuchungen überzeugt;

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Es entsteht jetzt blos die Frage: gl<^bt es rieht etwa Anschauungen, die uns bei ßeiirtheiluitg des Schönen leiten können; welche unserm Geiste vorschweben, mit welchen er cen ge» gebeyen, zu beurtheilenden Gegenstand im Bewüfstsein vergleicht, und wo alsdann die er- kannte Übereinstimmung öder Nichtüberein- stimmung sein Ge&chmacksurtheil bestimmt. Sollte es solche Anschauungen wirVlirh geien, so würden sie als das Höchste der Schönheit eines Gegenstandes zu betrachten sein; jeder gegebene Gegenstand würde dem Utiheil des Geschmacks nach, sich zwar derselben nähern, aber sie nie übertreffen können.

Wir wissen aus dem ersten Theil dieser Darstellungen, dafs die Vernunftbegriffe, wel- che als solche das eigenthümliche Merkmal des Absoluten oder Höchsten an sich tragen, Ideen genannt werden; so sind die Begriffe des alle vollkommensien Wesens, der gröfsten Tugend, des höchsten Glücks u. s. w. Ideen, ' Da sie das Merkmal des Hörhsten, des Unbe- dingten enthalten , so fällt in die Aug«^n , dafs kein ihnen vollkommen entsprechender Ge- genstand in der Erfahrung vorhanden sein kann. Stellen wir uns ein einzeln e?« We- sen vor, das einer solchen Idee vollkommen

179 atigemessen ^vä^e, so wird dies ein Ideal ge- nannt. So ist, wenn die Christen ihren Re- ligionsstilter als vollkommenes Muster der Tagend in ihrer ganzen Reinheit aufstellen dies ein Ideal; eben so wie der Weise der Stoiker. Da die Idee in der Erfahrung kei- nen mit ihr völlig übereinstimmenden Gegen- stand antritt, so gilt dies auch vom Ideal. i Die Ideen sowohl als die Ideale, geben der nenschiiijhen Seele Thätigkeit; sie sind das Belebende in ihm; sie dienen ihm theils als regulative Prinzipien zur unermüdlichen Nach- forschung, theüs zur Beurtlieilung der Voll- kommenheit eines gegebenen Dinges, theils zur Bestimmung der Gesetze des Handeins, theils zum Sporn in seiner eigenen Vollkom- menheit als sittliches und Naturwesen vorwärts zu streben.

Sollte nun eine solche Anschauung eines schönen Gegenstandes in uns sich finden, wel- che zur Beurtheilung eines gegebenen Gegen- ctandes in Rücksicht seiner Form zum Behuf des Geschmacks diente, so würde diese wegen des Ivr^rkmals des Höchsten, das sie, wie wir oben angszeifft haben, an sich tragen müfste, ein Ideal pein* Daher können wir den Ge^

i8.o

genstan4 unserer Untersuchungen auch so aufstellen: Giebt es ein Ideal der Schönheit?

Das Ideal soll eine Anschauung sein, und zwar eine solche, die nicht durch Empfindung (dqrch den Sinn) gegeben wird, weil kein ihr adäquater Gegenstand in der Erfahrung sich findet; sie ist also das Product der Einbil- dungskraft und zwar auch aus dem eben an- geführten Grunde j der productiven Einbil- dungskraft. — Das Ideal mufs aber eine be- stimmte Anschauung sein, denn sie soll zur Richtschnur in Beurtheilung des Schönen die- nen, folglich mufs die productive Einbildungs- kraft wenigstens einen bestimmten Begrif er- halten, den sie anschaulich und in der höch- sten Schönheit darstellt; auch würde die Ein- bildungskraft ohne einen solchen Begrif nur spielen und schwärmen. Der Begrif mufs ihr eine Grenze feststellen, innerhalb welcher sie ihre Thätigkeit äufsern kann. Daraus ergiebt sich zuvörderst, dafs es kein Ideal der Schönheit überhaupt geben kann; weil bei diesem Begrif die Einbildungskraft durchaus nicht weifs, was sie darstellen soll.

Die Schönheit zerfällt in Rücksicht des Gegenstandes in zwei Arten, in die freie und anhängende; da bei jener kein Begrif von dem

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statt findet, was diei- Gegenstand sein soll, so ist von ihr kein Ideal möglich, weder über- haupt, noch für einzelne Arten freier Schön- heiten. — Es giieht kein Ideal schöner Blu- men, Arabesken, Aussichttrt, Syinphonien u. s. w. Ein Ideal einer anhängenden Schön- heit überhaupt ist eben so wenig möglich, weil durch diesen Begrif nicht bestimmt wird, zu welcher Art der Gegenstand gehört, den die Imagination in «^'Qliier höchsten Schcnlieit darstellen «oll. Es wird also höchstens nur Ideale der anhangenden Schönheit von be- stimmten Gegenständen, Menschen, Pferden, Eichen u, s. w. geben könnqn. Allein bei ge- nauerer Untersuchung findet auch hier noch Einschränkung statt. Der zu einem Ideale gehörige Begrif ist der Zweck der Darstel- lung; (hieraus eirgiebt sich im Vorbeigehen gesagt, dafs die Beurtheilüng des Schönen nach einem Ideal kein reines Geschmacksur- theil liefert, sondern dafs demselben ein intel- lectüelles Wohlgefallen beigemischt s'eiti' mufs) dieser Zweefc kann aber, wenn er das höch- ste (das Maximum) geben soll, welches doch zu einer Idee und einem Ideal erforderlich ist, kein durch Erfahrung gegebener Zweck sein, denn dieser ist immer bedingt, und kann

i8a

nie der höchste sein. Es mufs also ein Zweck a priori, der höchste Zweck sein. Der höch- ste Zweck aber ist die SittUchkeit, und also wird das Ideal der Schönheit die sinnliche (anschauliche) Darstellung eines sittlichen Wesens sein; wir kennen aber nur die Men- schengestalt als diejenige, mit der der höchste Zweck verbunden ist; der Mensch allein trägt den Zweck seines Daseins in sich. Daher ist der Mensch allein eines Ideals der Schönheit, so wie die Mexischheit in seiner Person als Intelligenz des Ideals der Vollkommenheit un- ter allen Gegenständen in der Welt fähig. Der^ schönste Mensch ist zugleich der schön Sie Gegenstand überhaupt, d. h. wenn wir ihn niit andern Gegenständen in Rücksicht auf Schönheit vergleichen, so erhält er vor allen den Vorzug, insofern seine Gestalt zugleich anschauliche Darstellung des höchsten Zwecks der Vernunft (der Sittlichkeit) enthält; da nun die Ideen Vernunftbegriffe sind, so wird, wenn in deni Menschen die höchste Vernunft- idee schön dargestellt wird, diese Darstellung mit Piecht den Namen d^s Ideah der Schon- heit verdienen. *)

*) Sieh« die zu <Iie»em Abschnitt hinzugefügte Anmerkung.

Das Ideal der Schönheit in der Menschen- gestalt muli also zwei Stücke enthalten, erst- lich die anschauliche Darstellung des Men- sciien als zu einer be^ondern Thierart gehö- lir^ zweitens die Darstellung der Menschheit i'irer Zwecke nach in dieser Anschauung. Das erste dient zum Hichtmaafs der Beurtheilung S'üner Gestalt als lebendes Naturprodukt, da- her nennt es Kant die Normalidee; es ist d'*es eine Anschauung der Einbildungskraft, die wir der Technik der Natur bei ihrer Bil- dung des Menschen als ScJiema zum Grunde legen; es ist in keinem einzelnen Menschen ganz, aber doch in der Gattung anzutreß:en« Das zweite Erto dermis im Ideale des Man- schen ix die: Darstellung der Sittiichkeil, wel- che sich als Ursach durch Wirkung iri der Menschengestalt offenbaret; bei ihr wird der Mensch als sein eigenes Produkt, als Produkt der Freiheit betrachtet; K^ant unterscheidet dietje Idee von der vorhin genannten Normal- idee durch den Namen Vernunftidee; weil ihre Quelle die praktische Vernunft ist..

Die Normalidee findet nicht blos bei der Menschengestalt, sondern auch bei den an- dern Thiergestalten statt« Die Einbildungs- kraft nisnmt die Elemente zur Darstellung die-

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ser. Normalidee aus der Erfahrung, setzt aber diese niclit unmittelbar zusammen, sondern bildet sich ßrst durcji die Vergleichung meh- rerer Individuen derselben Thierspecies mitt- lere Proportionen der Anschauung, aus wel- chen sie nun die Normalidee zusammensetzt. Es scheint diese Normalidee auf dem Gesetze der Fertigkeit: eine oft wiederholte Thätig- keit erzeugt Leichtigkeit, zu beruhen. Wir wollen dies durch ein Beispiel erläutern. Bei der Menge Gestalten ausgewachsener Men- ichen, die wir durch den Sinn auffassen, sind nur wenige 6 Fvifs grofs, so wie auch nur wenige eine Gröfss haben, die unter 4| Fufs ist; die meisten haben eine Gröfse, die zwi- schen diesen Extremen mitten inne liegt und also etv.as über 5 Fufs beträgt. Da nun die Einbildung-^kraft, Menschengestalten von die- ser mittlem Gröfse am häufigsten auf r und zusammenfafst, so erlangt sie eine Fertigkeit diese Gröfse darzustellen. Auf ;ähnliche Art erhält man für den mittlem Mann den mitt- lem Kopf, für diesen die mittlere Nase u,s. w. Daraus entspringt die Norraalidee des Men- schen. Sie ist anders für den Mann, anders für das Weib, anders für den Erwachsnen, anders für das Kind; eben so richtet &ie sich

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nach der Menge der gegebenen Anschauun- gen von Menschen; anders ist die Normalidee eines Menschen In der Imagination eines Eu- ropäers, anders in der eines Negers, eines Is- länders, eines Patagoniers, eines Feuerländers u. s. w. Das Gesagte ist Wie man sieht, auch auf andere Arten von Naturprodukten anwend- bar, insofern von diesen Normalideen statt fmden. Die Normalidee ist nicht aus Propor- tionen die von der Erfahrung hergenommen sind und etwa als allgemeine Regeln betrach- tet werden müfsten, abgeleitet, sondern npch ihr werden allererst Regeln der Beurtheilung möglich, Sie ist das zwischen allen einzelnen auf mancherlei Weise verschiedenen An- schauungen der Individuen schwebende Bild für die ganze Gattung, welches die Natur zum Urbilde ihren Erzeugungen in derselben Spd- eies unterlegte, aber in keinem Einzelnen völ- lig erreicht zu haben scheint. Sie ist keüies- weges das Urbild der SchönJieit in dieser Gattung, sondern nur die Form, welche die unnachlaGsliche Bedingung aller Schönheit aus- macht,- mithin blos die Richtigkeit in Dar- stellung der Gattung. Sie ist wie man Polj- kl€ts berühmtei^ Dorjphorus nannte, oder auch Myrons Koh nennen kömite, che Hegel*

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Kanon. Freilich bringt auch ihre Darstellung ein Wohlgefallen hervor, dies ist aber ^nicht das Wohlgefallen am Schönen, sondern an der Wahrheit oder Richtigkeit der Dar- stellung,

Die Richtigkeit einer menschlichen Ge- stalt wird nach dieser JNormalidee beurtheiit, die astiietischö Urtheilskraft verrichtet auch hier das Geschäft der Rellection, denn die Verglelchung geschieht nach einer Anschauung der Einbildungskraft und nicht nach einem. Begrif des Verstandes. Die Schönheit eines Menschen aber mufs nicht nach der Normal-, idee, sondern nach dem Ideal, d. h. nach dem Ausdruck der siitHchen Güte in der äufsern Bildung beurtheiit werden. Der Mensch er- scheint bei ihr als Person, als freies Wiesen.

Der Mensch ist einerseits ein Produkt der Natur, andererseits seiner Selbst. Seine Gestalt, seine Gröfse, die Farbe seiner Haut, seiner Augen, die Form seiner Nase, die Grö- Ike seines Murtdes kommen ihm als Naturpro- dukt zu. Das Lächelnde oder Ernste seines Blicks, die liebhchkeit oder Rauhheit seiner Gesichtszüge, die Beschaffenheit seines Gan- ges, der Accent seiner Sprache, sind nj^hr oder minder sein Werk, oder könnten es we-

^1

nigstens sein. Man könnte die Schönheit in der erstem Hinsicht mit Schiller (in seiner 'j

treilichen Abhandlung über Anmuth und Wür- il

de) Schönheit des Baus oder architectonU i

sehe Schönheit nennen. Zu ihr gehört ein I

glückJiches VerhältniLs der Glieder, liebliche Umrisse, freier Wuchs, zarte Haut, Offenheit der Stirn, Wölbung der Augenbraunen u. s.w. Diese architectonische Schönheit ist immer noch von der Zweckmäfsigkeit des Menschen als Naturprodukt zu unterscheiden; denn sie wird allein durch den Sinn gegeben und ge- fällt unmittelbar ohne den Begrif eines Zwecks. Allerdings ist der Mensch und also auch die architectonische Schönheit ein Produkt der Technik der Natur, und wir müssen, wenn wir ihren Ursprung durch den Verstand be- trachten, wie bei allen organischen Körpern, teleologisch verfahren und die Natur betrach- ten, als wirke sie hier nach Zwecken; allein im Geschmacksurtheii, welches das Schöne zmn Gegenstand hat, ist die Rede gar nicht von der Möglichkeit der Existenz eines Ge- genstandes, sondern allein von der Anschauung desselben, ob diese ihrer Form nach unmit- telbar gefällt oder nicht.

Die arclütectonische Schönheit des Men-

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sehen Übertrift zwar, dem Ausspruch unsert Geschmacks zu Folge, alle übrige Schönheit der Natur dem Grade nach, aber sie ist der Art nach von denselben iiicht unterschieden. £s ist zwar der JMensch auch als Naturpro- dukt schöner ah der Löwe, als der Elephant, als der Palmbaum und die Rose, allein um über seine arcliitectonische Schönheit zu ur- theileH) darf, auch bei ihm nicht auf seine Zwecke Rücksicht genommen werden.

Von dieser architectonischen Schönheit des Menschen ist die Schönheit der Bewe- gungen, die man mit dem allgemeinen Na- men der Grazie oder der Anmuth belegt, zu unterscheiden. Sie erstreckt sich nicht auf alle Bewegungen überhaupt, sondern nur auf diejenigen, welche der Willkühr unterworfen sind. Anmuth ist die Schönheit des Menschen als Person und sie ist sein eigenes Werk. Doch oifenbart sio sich nicht allein in den Bewegungen selbst, sondern auch in den fe- sten Zügen, welche aus habituellen Bewegun- gen entstanden sind. Daher können Bildhauer und Mahier den menschlichen Gestalten, die si6 darstellen, Grazie beilegen. Beide, ar- chitectonische Schönheit und Grazie, können «lie eine ohne die andere vorhanden sein;

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doch das Ideal der Schönheit yerlangt das beide vereinigt sind.

Die Grazie, welche auf Persönlichkeit be- ruht, und Leben ausdrückt, hat den Vorrang Tor der Schönheit des Baus, und gewahrt uns gröfsere Lust; sie kann uns Mangelhaftigkeit der architectonischen Bildung vergessen ma- chen, da hingegen schöner Bau ohne Grazie uns immer Mangel fühlen Jafst. Ein schöne» nichts sagendes Gesicht lufst uns kalt, es ent- zückt uns, wenn aus dem schönen Auge Geist spricht und der Mund seelenvoll lächelt.

Die von uns oben aufgestellte Erklärung der Grazie ist vom Herrn von Schiller in der schon genannten Abhandlung Über Anmuth und Würde, welche im zweiten TheiJ seiner l^leinen prosaischen Schriften sich findet, und die wir iinsern Lesern nacJizülesen nicht ca- nug empfehlen können, gegeben, Herr Pro- fessor Eberhard weicht in seinem treflichQn Handbuch der Ästhetik für gebildete Leser aus allen Ständen, von dieser Meinung ab, und will Grazie nicht blos auf mer.achüche Wesen einschränken, sondern sie allen sinnlichen Gegenständen, welche sich bewegen, zugeste- hen. Er. sagt: „Auf der untersten Stufe der Graaie steht <\i,e, w^lclie i.ch, um sie durch

liJO

Ein ?Wort zu bezeiclmen, die Lehensgrn&ie zu nennen wage. Ilir Charakter ist blos der Ausdruck von Leben und Bewegung mit Leichtigkeit, in den Handlungen, den Stellun- gen, den Formen. Sie kann sich in allen Lebendigen linden, in den Thieren sowohl als in den Menschen; in dem spielenden Lamme, in dem schön gebauten Pferde, wie in grazienvolien Bacchantinnen der Herkulani- schen Gemälde. Sie ist selbst nicht von dem Pflanzenreiche ausgeschlossen.*»' Ist dieFragf^: ob wir Bewegungen nicht freier Wesen auch schön finden köimen? so ist meines Erachtens diese Frage zu bejahen, ja es ist nicht einmal nöthig, claFs die bewegten Körper zu den or- ganischen gehören; wir finden den Bach, der sich in lieblichen Krümmungen durch Wiesen schlängelt, schön, eben so wie das sanfte Wallen eines blühenden Kornfeldes; auch sind die vom Herrn Eberhard aufgestellten Beispiele des spielenden Lammes und der Bewegung eig- nes schön gebauten Pferdes allerdings Beispiele schöner Bewegung. Allein nicht jede schöne Bewegung ist graziös , man würde z, B. die- sen Ausdruck gewifs nicht von dem wallen- den Kornfelde brauchen. Zur Grazie ist mei- nes Erachtens jederzeit erforderlich^ dafs die

'9«

Bewegung aus einem Innern Grunde entstan- den, und zwar durcKi Freiheit gewirkt worden ist; und sollten Fülle vorkommen, wo, wir Bewegungen oder Formen, die aus Bewe- gungen entstanden sind, graziös nennen, bei denen doch in der Tliat keine Freiheit zum Grunde liegen, so iät dies nur dadurch möglich, dafs wir sie betrachten, als wären sie durch Freiheit entstanden; eine Er- scheinung, die aus dem Drange des Menschen alles sich zu verähiilichen, alles mit Leben und Empfindung zu be^^aben, weil es dann näher mit ihm verwandt iöt und er es dann wärmer und fester an den Butten der Liebe drücken kann, sich erklären iäitt. Wenn der Epheu in leichten Wmduii^en den hohen Baum umschlingt; der vVeiustock in frei gea zogenen Kreisen sich mit tiein Uhiibaum gat*t tet, und wir diesen Ä.ischauungtn Gia^ie bei- legen, so rührt dies von der TdUvsrhiing her, dafs wir dem Epheu und dem WeinstGck Liebe und Neigung zu dem Baume beilegen, den sie traulich umschiiiigen.

Munterkeit und Fülle der Lebenskraft, die die sich in leichten freien Bewegungen zeigt, wenn das Lamm um die säugende Mutter hüpft oder das wiehernde Rofs muthig auf der

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Weide springt, bringt in uns ein Wohlgefal- len hervor, und der Wechsel schöner For- liien, der durch die mannigfahigen Stellungen des Thiers hervorgebracht wird, können aller- dings für schön erklärt werden; allein Grazie würde ich ihnen doch nicht beilegen» Doch diese Verschiadenheit der Meinung betiift nichts wesentliches, und selbst Herr Eberhard gesteht zu, dafs die von ihm genannte Le- bensgrazie unter den verschiedenen Arten der Anmuth die niedrigste Stelle einnirnmt,

Auf Unsere Untersuchungen über das Ideal der Schönheit in der menschlichen Gestalt hat diese Verschiedenheit der Meinung kei- nen Einflufs; bei ihm mufs von der sittlichen Grazie die Rede sem, denn diese nur wird^ Weil ihr die Sittlichkeit als der höchste. Zweck der Menschheit zum Gründe liegt, selbst den Charakter des höchsten, welches zum Ideal der Schönheit nothwendig erforderlich ist, aa sich tragen. Diejenigen Züge oder Bewegun- gen der menschlichen Gestalt, welche die Grazie derselben ausmachen, müssen also Zei- chen der sitdichen Vollkommenheit des Men- schen ^ d. mimisch oder sprechend sein. Das Sprechende, dasjenige was den Gemüths- Eustand oder die Gesinnung diner Person aus- drückt^

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drückt, ist die unumgängliche Bedingung ^ar Anmuth, aber noch nicht die Anmuth selbst; nicht dafs die Züge die Gesinnung ausdrücken, macht sie scliön, sondern sie müfseh sitdiche Gesinnung ausdrücken und dieser Ausdruck mufs eine schöne Form haben, Diese Gra- zie muCs dem Menschen als eigenthümlich, sls Uim ganz angehörig, also als bleibend darge- stellt werden; sie mufs nicht als Produkt der WilÜLÜhr, des augenblicklichen Entschlusses, der Kunst erscheinen, sie mufs Natur sein oder scheinen. Dies fällt dadurch in die Au- gen, dafs alle Schönheit der freien Bewegung, wenn wir in ihr die Kunst entdecken, in Uns eine widrige Empfindung erzeugt ; und dies gö- scliieht, wenn wir Zwang währnehmen. So lieblich der Anblick ist, wenn das bescheidne, schöne Mädchen bei ihrem Lobe die Augen niederschlägt, so widerlich ist es, wenn ff'it wahrnehmen, dafs dies Grimasse ist; wenn dem edlen Manne bei der Erzählung einer hoch- herzigen That das Auge sich erweitert, sein Blick vorwärts dringt, sein Muild wohlgefällig zum leichten Lächeln sich verzieht, so gewinnt sein Gesicht eine unnennbare Atnnuth; aber wir Wenden unser Auge von dem Menschen, bei dem wir entdecken^ dafs allein di.es iiur iL 15

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Henohelei ist. I^ichtigkeit' ist also d^r Hauptcliarakter dfer Grazie; liarmonisch slim- meii die ErscheJiiiingen aa seinem Körper mit den Gc. inntingoa seiner Seele zusammen; sei- ne Züge sprechen tdiön den hohen sitthchen Werth seines Herzens aus. Grazie ist der Ausdruck einer scliynen Seele, in welcher das Sittengesetz herrscht, aber nicht mit dem ei- sernen Scepter des Z\vänges, sondern wo Er- füllung des Gesetzes ihm Lust ist. Dadurch entspringt die Schönheit des vSpiels die ihr Leben und ihre Kraft d'Cr Pteinheit der Gesin- nung verdankt.

Das männliclie sowohl als das weibliche Geschlecht wird Grazie zeigen können, doch das letztere mehr als das erstere, iheils wegen Beines Körperbaues, wo die gröfsere Biegfaiu- keit der Muskeln mehr TVeiheit und Leichtig- keit des Spiels gestattet und die martere Haut Sichtbarkeit des Anadrucks möglich macht, theils wegen der höhern Zartheit der Empfin- dungen, di« bei einer edlen weiblichen Seele weniger Kampf und weniger Widerstand ver- ursachen. Was abef die architektonische Schönheit betrifi> so hat der Mann den Vor* zug vor dem Weibe; es hatte die bildende Natur. bei der Bildung des Weibes auf mehre-

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re Zwecke (Entwickeluitg, Geburt und Ernäh- rung des Kindeb) sehen, und ward dahef in der JForm mehr beschränkt; weshalb dia höhern Hühen, der gesenkte Leib, die geh Q-» genen Schertkel u. s. w.

Da Aninuth und Grazie zur Scliönheit gehör<^n, so versteht sich von selbst, dafs sie nicht Sinnenreitz gewähren, und dafs sie nicht Begierden enty-iinden. Wenn Schiller da- her die Grazie in die belebende und beruhi- gende eintheiit, wovon er die erstere reitzend, ' die andere Anmuth genannt wissen will, so ist nicht von Erweckung sinnÜcher Begierde, son- dern von Aufregung der edlern Thatkraft des Menschen die Rede.

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Anmerkung;

Man mufs, wenn von einem tdeale der Schönheit die Rede ist, wohl unterscheiden, ob man sich Ideal in der einfachen oder meh- reren ^ahl (im Singular oder Plural) denkt; mir andern Worten, ob nian von dem schönsten Gegenstande überhaupt, oder von dem schön- sten Gegenstande einer bestimmten Gattung von Dingen spricht. Spricht man von dem schönsten Gegenstande einer bestimmten Gat- tung von Dingen, so giebt pielir^^ Ideale,

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dann vergleicht man nicht schöne Formen überhaupt unier 'einander, tim die schönste zu bestimmen; sondern man vergleicht die Formen von Dingen einer Art. So schwebt dem Künstler, der einen Löwen mahlen \viil, die Gestalt eines Löwen vor, der alle vom Künstler je gesehene an Schönheit übertnit, dies Bild seiner Imagination darzustellen, ist ihm unmöglich, und wenn gleich sein Kunst- produkt schöner ,ist, als jeder Löwe, den die Natur erzeugt, so steht es doch hinter dem Bilde seiner Ijpiaginaticn zurück. Dies Bild sei- ner Einbildungskraft ist nicht empirische An- schauung; es ist auch nicht Normalidee (Sche- ma) des Löwen, ob ihm gleich die Normal- idee zum Grunde lie.";t, sondern es ist vor- schönerte Darstellung derselben, und da sie für ihn die schönste Darstellung ist, so ist es Ideal. Sich solche Ideale zu schaffen und nach ihnen zu bilden, ist Eigenthümlichkcit des Genies nnd zum Künstler unum;5ßni;lich

DO

erforderlich; der mechanische Künsder stellt dar, was sich ihm von aussen dargeboten, der freie Künstler bringt Werke hervor, wozu ihm die Sinnenwelt zwar den Stof liefert, den er aber durch sich selbst veredelt und verschö- nert. Hieraus erklärt sich, was man idealisi-

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rei\ nennt, es ißt die Darstellung eines Gegen- standes, auf welche das Ideal desselben einge- wirkt hat.

Solcher Ideilegiebr es also mehrere; es ist bei allen insgesammt erforderlich, dafs ein hestimmrer Begrif die Einbildungskraft bei der anschaulichen Darstellung leite, alle kommen darin/ üb er ein, daft» ihnen in der Erfahrung kein vollkommen entsprechender Gegenstand geliefert werden kann, die Normalidee der Gattung liegt jeder aura Grunde, macht den Gegenstand kenntlich und die Darstellung wahjf und richtig, aber die Schönheit des Ideals selbst is;; von ihr verschieden, diese. Ideale gewähren den höchsten Genufs in so fern sie die freie TliJitigkeit der Einbildungskraft befördern und sJÄj allein können den Künstler dem Gipfel der Voilkonmieuheit nt\her bringen und (den Ge» schnjack des Betrachtenden veredeln, i'^^r- edlung findet nämlich jederzeit da ßtatt^ (wo deK Mensch geübt wird, den Banden der sinn- lichen Natur sich zu entziehen und seuiet in* teliigiblen Kräfte init Freiheit üben.

Die Menschengattung hat wie viele andetö GaUungeri körperliclier Gegenstäiide ihr Ideai von welchem alles vorhin Gesagte gilt; allein da von allen Idealen, das der menschlichen

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Gestalt deshalb den Vöfzug verdient, weil in ihm das, was die Vernunft für das Höchste erklärt, Freiheit und Sittlichkeit, sich offenbart, 60 wird dies Ideal vorzugsweise das Ideal der Schönheit genannt.

7^0» den vnehiidinfti Arfn der Schönheit.

Man kann bei Bestimmung der verschie- denen Arten der Schönheit zuvörderst auf drei Stücke Rücksicht nehmen, auf das urtheilende Subjekt, auf das Objekt und auf die Schönheit selbst.

Die Schönheit dem urtheilenden Subjekt nach eintheilen, kann nichts anders heifsen, als sie nach den Vorstellungstermögen, wo- durch uns der schöne Gegenstand gegeben wird, eintheilen. Da die Vorstellung des Ge- g^standes durchaus ansehauKch sein mufs, so finden zwei Fälle statt; der Gegenstand wird tms entweder durch den Sinn oder durch die Hinbiidungskraft gegeben. Der Sinn zerfällt in den äulsern und in den innern. Was den äufsern Sinn betrift, so müssen wir bei den verschiedenen Arten, wie er sich äufsert, wel- che auf dem körperhchen Organ, das ihm als Mitt^ dient, beruhen, diejenigen Aeufserun- §W| welche mehr objekiiv als subjektiv sind,

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ron denen trennen, wf^^clie mehr subjektiv als objektiv sin^; die letztem, Riechen und Schmecken, geben nnr Annehmlichkeit, aber nicht Schönheit; die ersteni Sehen, Hören ■und Tasten geben Schönlieit. Es ist also die Schönheit, welche durch den äufsern Sinn ge- geben wird, entweder sichtbare^ oder hörha» Te* oder, tastbare. Da wir durchs Tasten dis'^ drei Dimensionen des Raums erkennen, Vöf*' stelluDgwi von körperlichen Gestalten erhalten^ 6o kann man die letztere auch Sc/iüti/icit der' körperlichen Gestalt nennen. Ob gleich der Raum in drei Abmessungen uns nur durch den Sinn des Tastens- unmittelbar gegeben werden kann, so giebt es doch in den Vor- etellungen,, die uns das Gesicht liefert, und wodurch nur Flachen umnittelbar vorgestellt werden können, Merkmale (z. B. Stärke des Lichts) die uns durch Schlüsse auf die dritte Dimension, führeti; und da wir diese Schlüsse wegen der öftern Wiederholung mit unendli- cher Schnelligli.eit »lachen, sp haken vv«ir die Gesicbtsvorstellungen sclion für iiiinvittelbaro ' Vorstellungen körperlicher Gogenstande, und » sie^ vertreten bei unsern Anschauiing^)^ i/t Pkiixiksicht auf Körperßormen dire'SteHö def Anschauungen durch§ Tasten. Iclj. i'ftgfe- diese

Anmerkung hinzn^ damit man nicht glaube, ich wolle behaupten, die Schönheit körperli- cher Gegenstände könne nur durchs Tasten erkannt werden. Da die Schönheit allein in der Form, zu suchen, die Form des innern Sinnes aber die Zeit ist, sa ergiebt sich dar- a,us, dafs. die Schönheit des innern Sinns in der zweckmäfsigen Zeitbestimmung, im Ryth- mus besteht. Da aber dem innern Sinn nichts unmittelbar gegeben werden kann, so wird die Schönheit des Bythmue immer an andern Vorstellungen gegeben werden müssen. Sie findet sich vorzüglich bei Anschauungen des Gehörs (Tönen), aber sie kann auch bei An- schauung des Gesichts sich finden, in so fern nämlich Veränderungen im, Räume (Bewegun- gen) vorgestellt werden, z. B. beim Tanze; denn Bewegung setzt nothwendig Zeit voraus, in welcher sie g€^schieht.

Endlich können wir noch Vorstellungen schön finden, welche uns ^icht unmittelbar durch den Sinn gegeben werden; da nun zur Schönheit Anschaulichkeit .gehört, ' so wird in diesem Fall die Einbildungskraft die Anschau- ungen liefern.} das aber, wodurch die Einbil- dungskraft bestimmt wird, Anschauungen her- Yorzubringen, mufs ein Gegenstand des ätilsern

Sinnes «ein, well tins nur darcK diesen etwas von aufsen mitgetheilt werden kann. iDas Sinnliche, wodurch etwas anders vorge-stellt wird, heifst ein Zeichen; es wird also in dem genannten Fall der Gegenstand nicht unmittel- bar, sondern durcli Zeichen vorgestellt; und da das Zeichen als Anschauung »n sich nicht in Betracht kommen soll, so mufs es ein will- kührliches Zeichen sein. So setzt der Redner lind Dichter durch Worte unsere Einbildungs- kraft ins Spiel und bestimmt sie Anschauun- gen zu bilden, über welche nun unser Ge- schmack ein Urtheil flillv'^t.

Dem Objekte nach iindet bei <5er Schön^ heit folgende Eiutheilung statt,

Der schone Gegenstand ist entweder W^j/^- ständig oder beigeseilt. So ist ein schöner Pallast eine selbstständige Schönheit, die Ver- zierungen an demselben sind ihm beigesellt. Gehört das Beigesellte nicht in die ganze Vor- stellung des Gegenstandes als Bestandtheil in- nerlich, sondern nur äufserlich als Zuthat (par- ergon), wodurch aber das Wohlgefallen des Geschmacks vergröfsert wird,^ so wird es Zier^ rö^A genannt. So gehören die Säulengänge Tini einen Pallast, die Bildsaalen auf demsel- ben, die Köpfe über den Fenstern u. s. w. zvi

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den Zierratlien desselben« Docli ist hierbei zu merken, dafs das Beigesellte durch seine Form gefallen, für schön gehalten werden mufs, wenn es Zierrath genannt werden soll; ist es nicht schön, sondern blos reitzend, und soll es so dem Hauptwerk Beifall erschmeicheln, so wird €s Schmuck genannt. Daliin gehört der gol- dene Rahmen eines Gemäldes; die künstliche Erleuchtung eines Pailastes u. s.. w,

Ist das Beigeselite etwas für sich bestec- hendes, da« zwPT nicht zur Darstelhmg des Begrifs selbst gehört, aber doch vermittelst der Einbildungskraft ein gröfseres Licht auf die Darstellung des Begrifs selbst verbreitet, so wird es ein ästhetisches Attribut genannt. So ist der Adler mit dem Blitze in den Klauen ein Attribut des mächtigen Himmelskönigs ; er ist für sich bestehend, aber dadurch mit der Darstellung des Jupiters verbunden, dafs die Einbildungskraft an die Vorstellung des Blitze tragenden Adlers eine Menge anderer Vorstel- lungen knüpft, welche die Eigenschaften des Jupiters in gröfseres Licht setzen und anschau- licher machen, Man sieht wohl ein, ^ dafs das Geschmacksurtheil über ein Attribut nicht ^^k den reinen, soaderj^ zu deij gemischten ge-

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hört, weil es den Begrif des Hauptgegenstan- des voraussetzt.

Findet sich endlich das beigesellte Schöne zwar an dem Gegenstande selbst, wird aber als veränderlich an ihm erkannt, doch so, dafs es aus einem innern Grunde desselben entspringt und dadurch ihm angehört; so heifst es Grazie. Dies führt auch auf die Eintheilung der Schönheit in fixe und beweg' liehe. Jene ist mit dem Objekte selbst noth- wendig gegeben, diese kann an demselben zu- fällig entstehen und also aufhören. Ein Pal- last hat fixe Schönheit, die Vigano wenn sie tanzt, bewegliche. Die bewegliche Schönheit entspringt entweder aus einem äufsern oder aus einem innern Grunde.

Betrachtet man die Schönheit an und für sich selbst, so kann man sie nach den vier Titeln der Kategorien eintheilen.

Der Quantität nach ist die Schönh^t entweder einfach oder ^in^amniengesetzt. Es ist hier nicht von der Verbindung oder Ni^ht- verbindupg des Wohlgefallens am Schönen mit andern fremdartigen Gefühlen von Lust, sondern von der Verbindung mehrerer Schön- heiten (gleichartiges Wohlgefallen, welches zur Quantität erforderlich ist} die Pjede. Eine

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sehöne Blume, eine scliöne Zeichnung gehört- zu den einfachen Schönheiten; das Schauspiel ist ein Kunstwerk, dafs mehrere Arten von Schönheit (Malerei, Architektur, IV^usik, Dich- tung etc.) Verbinder,

Der Qualität nach ist die Schönheit ent- weder rein oder gemischt; im letztern Fall eind dem Wohlgefallen an derselben fremdar- tige Gefühle von Reitz, Rührung, oder durch Begriffe gegebene von Vollkommenheit, Sitt- lichkeit u. s. w. beigemischt; welches im ersten Fall nicht statt findet.

Der Relation nach, theilt man die Schön- heit in Natur- und Kunst Schönheit, Dies« ist ein Produkt der Freiheit d. h. einer Will- kühr, die ihren Handlungen Vernunft zum Grunde legt; )ene ein Produkt, dessen Existenz nicht freie Willkühr zur Causalität hat.

Da zur Schönheit Zweckmäfsigkeit erfor- dert wird, so wird ein GegenstaHd der Natur wenn er schön ist, scheinen ein Werk der Kunst zu sein ; d, h. er wird aussehen, als wäre er absichtlich, in Beziehung auf unsere Vor5teIll!;räfte , zur harmonischen Beschäfti- gung derselben hiprvorgebracht. Wir müssen ^ber bei den Urtheilen über Naturschönheit. (Jifti^ireinen ästhetischen oder blofsen Ge-

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schmacltsurtheile, von den gemischten, tlle zugleich auf Vollkommenheit Rücksicht neh- men^ unterscheiden. Bei den en^tern wird kein bestimmter Begrif von dem was d«r. Ge- genstand sein soll, vorausgesetzt, der Gegen- stand wird als subjektiv zweckmäfsig erkannt, und diese seine subjektive (fonHale), nicht objektive (materiale) Zweckniärsigkeit bestimlat unser Urtheil des Wohlgefallens über iliq; hier wird die Natur heurtheilt^ wie sie ais Kunst erscheint. In den gemischten Ge- schmacksurth eilen über Gegenstände, wo die objektive Zweckmäfsigkeit mit in Bei rächt ge- zogen wird und welche gemeiniglich belebte Gegenstände zu Objekten haben, wird die Nä* tur nicht mehr beurtheilt, wie sie als Kunst erscheint, eoiKlern in so fern sie wirklich (ob zwar übermenschliche) Kunst ist, und das tö* leologische Urtheil dient sodann dem ästheu- sehen zur Grundlage und Bedingung, worauf dieses Rücksicht nehmen mufs; das Gc'^ schmacksurtheil ist in diesem Fall ein lögiöck* bedingtes ästhetisches Urtheil. Wenn ich sng^^: dieses Pferd ist schön, so will ich eigentlicli damit ausdrücken, die Natur stellt die Zwecke des Pferdes in dieser Gestalt schön dar, iirul man sieht wohl ein^ dafs hiet noch über di«

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bloCse Form auf einön Begrif Rücksicht genom- men wird. -

i ' . Da man bei dem reinen Geschmacksur- theil über Naturschönheit auf keinen Zweck des Gegenstandes sieht, so kann man sagen: die Naturschönheit ist ein schöner Gegen- stand; und da der Künstler als vernünftige Ursach sich einen Zweck gedacht haben, der Begrif also dem Gegenstande voraus gegangen sein mufs, der letztere selbst als Darstellung dieses Begiifs gedacht wird, so kann man sä- gend Kwist Schönheit ist eine schöne Darstel- lung n)Qn einem Gegenstände *J.

So wie aber bei einigen Produkten der Natur adhärirende Schönheit sich findet, wo- bei der Begrif des Gegenstandes mit in Be- trachtung gezogen wird, so giebt es Produkte der Kunst, wo der Begrif des Gegenstandes so unbestimmt ist, dafs wir die Schönheit als frei betrachten können, dahin gehören die Instru^ mentalmusik, die Arabesken als Verzierungen von Kleidern, Tapeten, Gebäuden, die Schnör* kel der Schreibmeister, der Kopfputz der Frau- en u. s, w. Als Produkte der freien Willkühr

*J Kant oeant KunsMchönheit eine lehöne rprsceliunff voa einem Gegenstand« 4 QlU fcl^figS 49' Aufdruck Oarttel^ (uns p»iieud(|ft

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der Menschen müssen sie allerdings einen Zweck haben, nur ist in den genannten Fällen der J^egrif, wodurch derselbe gedacht wird, so unbestimmt und so schwankend, dafs man bei Beurtheilung des Gegenstandes der Schönheit nach, auf denselben nicht Rücksicht nimmt. Nur dann erst, wenn diese Gegenstände nicht mehr als selbstständig (für sich bestehend), sondern als zu einem andern Dinge gehörig, betrachtet werden müssen, kömmt ihr Zweck bei Beurtheilung derselben mit in Anschlag. Eine Arabeske kann an einer Tapete ange- bracht, schön sein, wird aber als Verzierung eines Hauses, oder durchs Tettowiren auf die Haut eines Menschen gebracht, häfslich, weil sie zweckwidrig ist.

Der sit*bjektiven Zweckmäfsigkeit halber erscheint die Naturschönheit als Produkt det Kunst, der Zweckmäfsigkeit ohne Zweckhalber erscheint die Kunstschönheit als Natur; mit andern Worten, wenn die Natur schön sein soll, mufs sie aussehen, als wäre sie Kunst; und die Kunst, wenn sie schön sein soll, mufs aussehen, al* wäre sie Natur. Der erstere Satz ist au» dem Vorhergehenden hinreichend deutlich, nur der zweite bedarf noch einiger Erläuterung«

Zuvorderst müssen wir bemerlcen, daf* bei «lern oben für tlie scliöne lyunst aufgestellten Sat3 blos von der Sehönheit und nicht von der Ricjicigkeit der Daratt^Uung die Rede ist. Ein Gegenstand ist schön, wenn er unser Er- kenntx-iifsvermögen, Einbildungskraft und Ver- stand zweckmäfsig beschäftigt, also so, dafs siö- ein freies Spiel treiben und ihnen kein Zwang auferlegt "wirdj das Kunstprodukt darf daher, wenn es schön sein soll, der Form nach, keinen Zwang verrathen, die Form des- selben inufs uns als zufällig, nicht durch den Begrif des Gegenstandes bestimnit und erzwun- gen erscheinen; und dies ist, was der Satz sa- gen will: die Kunst ist schön, wenn sie aus* sieht, als wäre sie Natur.

Der Modalität nach tlieilt man die Schön- heit in die wirkliche und in die idealische. Jene findet sich an Gegenständen der Natut öder an Kunstprodukten, welche getreue Dar- stellungen dieser Gegenstände sind; diese an Werken der Kunst, die nach Idealen, den Pro- dukten ilör schöpferischen Einbildungskraft ge- bildet sind. Wenn der Mahler seine schöne Form zu dem Bilde seiner Madonna sitzen läfst, so sind das Gemälde, wie das schöne W^ib, welches di« Gestalt dazu lieh, ivirkliche

Schön-

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Schönheiten; wenn Raphael d'Uibino in heili- ger Begeisterung ein Weib sich bildet, das Un- schuld, und stille Ergebung in den Willen der Gottheit, und Unbekanntschaft mit ihrem ho- hen, innern Werth, und Liebe zu ihrem Kin- de, im Blick zeigt, und diesem Ideal gemäfs die Madonna mit dem Kinde in Farben auf der Leinwand darstellt, so iät die Scliönheit seines Bildes idealisch^

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3IO

Untersuchungen der Geschmacksurtheile* welche das Erhabene betreffen»

ytt^gleichung de* Schonen und d et Ef'habenen.

Ohne uns jetzt schon auf eine genaue Bestim- mung dessen was man erhaben nennt und worauf das Wohlgefallen an demselben beruht, einzulassen, können wir vorläufig eine Ver- gleichung zwischen ihm und dem Schönen an- stellen, welche uns den Weg zu unsern fol- genden Untersuchungen bahnen wird.

Die Urtheile über das Schöne und Erha- bene konunen in folgenden Stücken überein:

Qualität.

Beide sind ästhetische, nicht logische Ur- theile, d. beide drücken ein Gefühl ron

Lust oder Unlust, das durch einen Gegenstand in uns hervorgebracht worden, aus, aber kei- ne Eigenschaft des Gegenstandes, wodurch derselbe erkannt worden. Wenn wir den An- blick des gestitnten Himmels in einer heitern Winternacht, oder dMi Ätna, wenn er unge- heure Felsenmassen in die Luft schleudert und aus seinem Krater Lavaströme sich er- giefsen, deren glühende Wellen Meilenweit forttreiben, erhaben nennen, so ist hier keine Erkenntnifs des Gegenstandes, eS wird blos der Gemüthszustand dargestellt > lii welchea ^ie Anschauung uns versetzt.

Quantität.

Beide sind einzelne Urtheile, kündigeil sich aber als allgemeingültig in Ansehung jedes urtheilenden Subjekts an. Wir sinnen jeder- mann eben sowohl an, er soll den gestirnten Himmel, den feuerspeienden Ätna erhaben finden, als wir ihm ansinnen, er solle in un- ser Urtheil über die Schönheit einer Rosen- knospe ödet des Apoll von Belvedere einstim- men. Dadurch unterscheidet sich also auch das Urtheil über das Erhabene von dem über das Angenehme, welches letztere, wie wir ge- sehen haben, blos Privatgültigkeit hatj und

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eben deshalb ist die Form des Ausdrucks in diesem Unheil eben so wie die im Unheil über das Schöne als wäre es ein Erke .j.tnifs- urtfeeil; wir sagen: der gestirnte Him.ntl ist erhaben, wie wir sagen diese Rosenknogpe i&t schön, gleichsam als wären es Eigenschaften der genannten Gegenstände; wir finden uns nicht willig, wie beim Angenehmen das Wört- chen mir hinzuzufügen. So wi« aber das U.theil über das Schöne seine Allgemeingül- tigkeit nicht auf Begriffe stützt, so ist dies auch beim Erhabenen nicht der Fall» Wer den gestirnten Himmel nicht erhaben findet, an ihm nur flimmernde Pünktchen bemerkt^ wem der Anblick des tobenden Ätnas nur Furcht einjagt, den kann man durch keine Beweise zwingen, einen andern Gemüthszu- stand zu erhalten und zu unserer Meinung überzutreten.

^el ailon.

Der logischen Relation nach kommen die Geschmacksurtheile über das Schöne und Er- habene darin überein , dafs beide kategorisch sind; der ästhetischen Relation nach, dafs sie den Gegenstand weder nach einem Innern noch äuCsern Zweck beurtheilen. Wer den

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Anblick des gestirnten Himmels erhaben fin- det, fragt weder was der Himmel an sich sein soll, noch denkt er daran, dafs die Sterne den Schiffenden zur Orrsbesfimmung dienen; so wenig wie der welcher Wohlgefallen an den schlängelnden Blitzen und dem krachenden Donner iihdet, dar^n denkt, dals sie die Luft reinigen.

Mo daii tat.

Beide, das Urtheil über das Erhabene und das über das Schöne kommen darin überein, dafs ihnen subjektive Nothwendigkeit za.' kömmt, und dafs ihre logische Form asserto- risch ist.

Die Geschmack^urtheile über das Schöne und Erhabene unterscheiden sich voneinander in folgenden Stücken:

O ua iit ät.

I.. Das Wohlgefallen am Schönen ist mit der Vorstellung der Qualität, am Erhabenen mit döi' Vorstellung der Quantität verbunden. Die unzählige Anzahl der Steine macht den Anblick des gestirnten Himmels erhaben, so "ivie die ungeheure Kraft, mit welcher der Aetna Felsenmassen in ungeheuie Höllen

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schleudert, ihn erhaben macht«. Hallers Dar- Stellung der Schöpfung de& Elephanten, die offenbar auf Gröfse beruht, ist erhaben:

Du hast den Elephant aus Erde aufgethürmt, Und seinen Knochenberg beseelt.

Beini Anblick einer schönen Rosenknospe ist nicht ihre Gröfse, die in uns Wohlgefallen erweckt, soi^derni ihre Gestalt, die Beschaf- fenheit ihrer JBlätter, ihre Farbe u, s. w.

2. Das Schöne gefällt wegen seiner Form, das Erhabene kann auch Formlos sein. Der unermefsliche Qcean, die Vorstellung der im- merwechselnden Geschlechter der Menschen, bei denen wir aufsteigend uns in die Dunkel- heit der Zeit verli ehren, die Unendlichkeit der Zeit und des Raums sind erhabene Gegen- stände. Hallei beschreibt die Ewigkeit:

Die schnellen Schwingen der Gedanken Wogegen Zeit und Schall und Wind Und selbst des Lichtes Flügel langsam, sind. Ermüden über Dir und helfen keine Schranken.

Ich häufe ungeheure Zahlen Gebirge von Millionen auf

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Ich wälze Zeit auf Zeit und Welt auf Welt

zu Häuf Und wenn ich von der grausen Höh' Mit Schwindeln wieder nach Dir seh, Ist alle Macht der Zahl vermehrt mit tausend- malen Noch nicht ein Theil von Dir, Ich tilge und Du hegst ganz vor mir.

5. Beim reinen Schönen findet blolse Lust statt, wir finden uns angezogen, das Gemüth befindet sich in ruhiger Betrachtung des Ge- genstandes und in stillem Genüsse; beim Er- habenen findet ein gemischtes Gefühl von Lust luid Unlust statt, nur dafs das erstere die Oberhand hat, das Gemüth ist in Bewe- gung, wir fühlen uns wechseis weise angezogen und zurückgestofsen.

4. Beim Schönen findet jein" Spiel von Vorstellungen statt, Einbildungskraft und Ver- stand beleben einander wechselsweise, daher das Gefühl der Lust; beim Erhabenen findet sich Ernst, und deutet dadurch auf höhere Zwecke der Menschheit hin; deshalb muls in einer erhabenen Darstellung alles vermieden werden , was diesen Ernst unterbrechen könn- te, und das ganze Gefühl des Erhabenen

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kann z, B. verlohren geben, wenn sJcb lächer- liche Vorstellungen dazu gesellen. Ein Fürst schadet seiner Majestät durch nichts mehr, ^Is wenn er sich dem Gelächter Preis giebt.

5. Das Schöne läfst sich mit Heitz und Rührung verbinden, das Erhabene verschmäht den. Reltz, und führt von selbst Rührung bei «ich. Daher mufs der Maler, wenn er erha- bene Gegenstände dem Auge darstellen will, die bunten, blendenden Farben vermeiden, den tobenden Ocean, dar seine schäumenden Wellen au Felsen bricht, mit Rosen be- streuen; den Felsen der sein Haupt über die Wolken erhebt mit Blumenterrassen verzieren, heilst die Erhabenheit desselben zerstören. Da das Erhabene aber uns wechselsweise ab- stufst und anzieht, unsere Thätigkeit hemmt und befördert, so ist eben dadurch schon Rührung mit der Vorstellung desselben ver- bunden.

Quantität.

Es ist zwar das Urtheil über 'das Erha- bene, so wie das über das Schöne plurahstisch und nic>ht egoistisch wie das Urtheil des Sin- nengeschmacks, aber doch lehrt die Erfahrung, dafs mehr Sinn für das Schöne als für das Er-

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habene in dem Menschen sich findet. " Dies kommt nun freilich zum Theil daher", dafs mit dem Schönen Sinnenreitz verbunden sein kann, der dem Menschen schmeichelt und ihn zur Betrachtung des Schönen anlockt, da hingegen das Erhabene diesen Reitz verschmäht, ferner dafs das Schöne einladet, das Erhabene aber im ersten Augenblick zuriickstöfst ; allein wir werden in der Folge bei der weitern Aus- einandersetzung der Geschmacksurtheile, wel- che das Erhabene zum Gegenstand haben, zeigen, dafs das Erhabene auf einer zwar all- gemeinvorauszusetzenden Eigenschaft des Men- schen beruht, die aber doch, wenn sie als mit- wirkend zum Wohlgefallen am Erhabenen beitragen soll, einer Cukur bedarf. Wenn das Geschmacksurtheil über das Schöne auf Allgemeingültigkeit Anspruch machen soll, so muGs in demselben von allem andern Wohlge- fallen, aufser dem an der Form, abstrahirt werden und das ist freilich 'mit Schwierigkei- ten verknüpft, woraus sich eben 'die Abwei- chung der Urtheile über die Schönheit eines Gegenstandes erklären läfst. Eine gleiche Ab- straktion wird beim Urtheil über das Erhabene gefordert, wenn es fü;- allgemeingültig erklärt werden soll, allein es gehört noch überdies,

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wie sich dies in der Folge ergeben wird, eine Veredlung des Geistes dazu, um am Erhabe- nen Wohlgefallen finden zu können, und es von aller Beimischung abzusondern, daher dies noch weit seltner wie beim Geschmacks urtheil über das Schöne geschieht; gewöhnlich hält man Gegenstände, die ein Spiel heftiger Af- fekte erzeugen und den Geist in stürmende Bewegung setzen, für erhaben, ob sie es gleich durchaus nicht sind.

Relation.

Beim Schönen findet Zweckmäfsigkeit der Anschauung, beim Erhabenen Zweckwidrig- keit statt, welches letztere sich schon daraus ergiebt, dafs beim Erhabenen der Gegenstand uns anfänglich zurückstöfst. Freihch ist die in dem Wohlgefallen am Erhabenen befindU- che Lust ein Beweis subjektiver ZweckmäCsig- keit, allein diese ist doch nicht allein beste- hend, wie beim Schönen, son,dern nothwen- dig mit Zweckwidrigkeit verbunden.

In Rücksicht der Modalität findet zwi- schen beiden irrten der Geschmacksurtheile kein Unterschied statt.

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* »

Aus dem vorhin Gesagten erglebt sich; Da das Urtheil über das Erhabene ein einzel- nes ist, AUgemeingühigkeit ansinnt und doch auf keinem Begrif beruht, so mufs es wie das Schöne den Reflectionsgeschmack angehören, und also die refleetirende Urtheilskraft dabei ins Spiel kommen. Ferner erhellet; dafs da in dem Wohlgefallen am Erhabenen Lust und Unlust gemischt ist, der Gegenstand dem wir Erhabenheit beilegen, a;if der einen Seite in uns das Gefühl unserer Eingeschränktheit in Rücksicht der Thätigkeit eines Seelenvermö- gens und auf der andern Seite das Gefühl der freien Thätigkeit eines andern Seelenver- mögens hervorbringen mufs. Da aber das Gefühl der Lust im Erhabenen die Oberhand hat, so mufs die beförderte Thätigkeit gröfser sein, als die gehemmte; und da endhch beide Gefühle Lust und Unlust nicht blos einander beigesellt, sondern innig vereinigt sind, das Gefühl der Unlust aber immer vorangeht, und mit diesem sich sogleich das Gefühl, der Lust innig verknüpft, so wird daraus klar, dafs eben dadurch, d^fs wir durch den Gegenstand den wir erhaben nennen, der Beschränkung unserer Thätigkeit in einer R.iicksicht inne

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werden, die Beförderung einer anJern Thä- tigkeit hervorieuchtet und sichtbar gemacht "wird.

Näher« Bestimmiirtg des Erhabenen.

Dafs das Erliabene das Merkmal der Gröfse bei sich führt, ist aufser allem Zvveiiel, Der Berr, dessen Fufs schwarze Gewitterwol- ken verhüllen und dessen Gipfel die Sonne bescheint, ist wegen seiner Gröfse ein erhabe- ner Gegenstand; wenn wir uns in die Endlo- sigkeit des Raumes verliehren, oder unsere Einbildungskraft beim Aufsteigen in der Zeit kein Ende sieht, so ist es die Gröfse, die auf unser Gemüth wirkt; die Tugend heifst nur dann erhaben, wenn in ihr gröfse Seelenkraft sich offenbart« Das Kleine kann als schön auf unser Wohlgefallen Anspruch machen, er- haben kann es nie sein. Der Wallhsch, der Jllephant, die Giraife sind erhaben, die Milbe, der Essigaal sind es glicht,

ledein sinnlichen Gegenstand kömmt das Merkmal der Gröfse zu; denn zur Grölse ge- hört Gleichartiges, Mannigfaltiges zur (objekti- ven) Einheit verbunden. Gleichartiges Man- nigfaltiges kömmt jeder Anschauung zu, inso- fern sie die form des Raums oder der Zeit

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an sich tragen muGs; durch den Begrif des Gegenstandes wird dieses Marjiiigfaltige znt objektiven Einheit verbunden. MannigfahJges im Raum oder in der Zeit als Dauer sind ex- tensive Gröfsen, d; h. wie wir dies im erstell Theil diejies Werks dargethan haben, Gröfsen bei denen man von den Theilen (dem Man- nigfahigen) zum Ganzen (der Einheit) fort- sclireitet; es giebt aber auch intensive Grö- fsen, die man nur dadurch als solche erkennt, dafs man ein Wachsen und Abnehmen der- selben sich vorstellen kann. Die verflossenen Jahrtausende, der weite Ocean haben eine ex- tensive Gröfse; das licht und die Wärme der Sonne, die Kraft der Seele Ungemach zu er- tragen, haben intensive Gröfse, emen Grad.

Man schätzt eine Gröfse, wenn man sie nach einer andern besdmnit. Die Gröfse nach der man sie bestimmt ist der Maafsstah, Die- ser Maasstab kann doppelt sein, entweder ob- jektiv oder subjektiv^ d. h. er ist entweder ein Gegenstand der Erkenntnifs der also all- gemeinmittheilbar ist, oder er beruht auf ei- ner Beschaffenheit des urtheilenden Subjekts. Beruht die Gröfsenschätzung auf einem ob- jektiven Maafsstabe, so heifst sie logisch, ist d^r gebrauchte Maafsätab blos subjektiv, \>o

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heust sie üstheti&ch. Die logische Gröfsen- schätzung lieifst mathematisch bestimmt^ wenn sie angiebt, wie oft das Maals in der zu messenden Gröfse enthalten ist; unbestimmt, wenn man blos angiebt, ob der Gegenstand gröfser oder kleiner ist als das Maafs. Alle logische Gröfsenschätzung stützt sich am Ende auf Anschauung, d.h. man kann zwar das Maafs wieder nach einem Maafs bestimmen, allein am Ende mufs man doch, wenn anders Er- kenntnifs statt finden soll, auf ein MaaCs kom- men, welches in der Anschauung gegeben wirdj und das also der bestimmten Gröf^e nach blos subjektiv betrachtet werden kann« Giebt man z. B. die Entfernung zweier Örter nach Meilen an, so kann man das Maafs, die Meile, wieder nach Piuthen, die Ruthen nach FuCj bestimmen; am Ende aber mufs man je- mand ein Maafs (es sei Fuls) zeigen, und sa- gen, siehe so groCs ist es. Ob sich nun gleich das Verhältnifs des MaaGses zum Zumessenden, die relative Gröfseobjekiiv, für jedermann gültig bestimmen lälst, so ist doch nie auszumachen, ob -einer dieselbe Anschauung der Gröfse hat, wie der andere, ob beide in der absolu- ten Glrölse übereinstimmen; ich kann nie er- fahren oder aui eine andere Weise erkennen,

ob mein Freund und ich von dem Fufs, der uns beiden zum MaaCsstab dient, gleich grofäe Vorstellungen haben.

Wenn wir etwas schlechtweg (simpliciter) grofs oder klein (ohne zu bestimmen, wie groTs oder klein) nennen, so lindet ästheti- sche Gröfsenschätzung statt; es liegt sodann der Reflection über die Gröfse des Gegenstan- des ein subjektiver MaaFsstab zum Grunde; und dieser kann entweder blos empirisch oder a priori s'ein; empirisch ist er z. ß. wenn wir einen Menschen in Rücksicht auf seine kör- perliche Gröfse grofs nennen, wo die mitdere Grölse, der Menschen welche wir gesehen ha- ben, der subjektive Maafsstab ist, und wo wir ausdrücken wollen, der Mensch übersteige die- sen Maafsstab; bei der subjektiven Grö&en- schätzung a priori ist das Absolute a priori gegeben, und die Erfahrung zeigt, inwiefern wir bei unserer Beschränktheit denselben in gewöhnhchen Fällen uns nähern; was darüber hinaus geht heilst grofs, was darunter zurück- bleibt klein; darnach beurtheilen wir z, B. in theoretischer Hinsicht, die Genauigkeit einer Berechnung, die Richtigkeit einer Observation u. s. w., in praktischer Hinsicht, die GrÖfs« der Beicheideiiheit, 6tandhaftigkeit| Uneigen-

niitzigkeif, öiTentlicheh Ffeihelt, Gerechtigkeit u. s, \v. Dafs die Gröfsenschätzung, wenn wir einen Gegenstand schlechthin grofs oder klein nennen, ästhetisch ist, sieht man sehr bald ein; dem kleinen Lappländer ist ein Mensch von 5 Fufs grofs, den wir klein nen- nen; wenn wir uns noch der Vorstellungen von Dingen erinnern die wir in unserer Kind- heit hatten, so finden wir dafs wir damals manches für grofs hielten, was uns jetzt klein seheint. Dies gilt auch von der Gröfsen- schätzung nach Begriffen a priori; der Lein- weber glaubt seine Berechnung habe eine grofse Genauigkeit) die nach dem Maafsstabe des Mathematikers sehr wenig genau ist, und die astronomischen Beobachtungen des Schif- fers können für ihn einen hohen Grad von Richtigkeit haben, die ein Herschel und Zach für sehr mangelhaft erklären würde. Die Gröfse der bürgerlichen Freiheit beurtheilt der freie Grieche anders als der Staubleckendö Sklave eines asiatischen Despoten; einen an- dern Maafsstab hat der preufsische Unterthan für die im Staate gehandhabte Gerechtigkeit als der Einwohner des türkischen Reichs, vrie grofs ist nicht der Unterschied der Meinung in iiasem Tagen, ob ußd inwiefern jener an

der

22^

det Spitze eines mäclitigen Reichs stehendd Staatsverwalttr grofa oder klein zu nennen sei!

Etwas scJdechtwe^ (siinpliciter, ohne Bet- ßätz) gruis nennen und etwas schlechthin (absoluley niciit relalivej groTs nennen, ist wohl voneinander zu unterscLei !en B^i den! ersten brauclit man einen von dem Oegen- stande verschiedenen MaaTsstab und spricht »ach der Vergleichung mit demselben das Ur- theil iaus; man nennt diesen Maafsstab zwar nicht , setzt ihn aber doch als für jedermanii bekannt voraus, gleichsam als vverde er durch den ßegrif des Gegenstandes schon gegeben^ bei dem absolut (in aller Absicht) Grofsen aber, vergleicht man den Gegenstand nicht mit etwas von ihm verschiedenen als Maafs- stab; wir können nur ^Qi\ Maal^stab in ihn! selbet suchen, die Gröfse des Gegenstandes ist nur sich selber gleich. So ist der unend- liche Raum, die unendliche Zeit> die Macht der Gottheit absolut grofs.

Erhaben ist das was absobit grofs ist) mit andern Worten, das mit welchem in Ver- gleichung alies andere klein ist,

Nun liifst sich zeigen , dafs keiii Gegen- stand uns gegeben weiden kann, dem abso^ lute Gröfse zukäiue. Sei der uns gegebenö

026

Gegenstand noch so grofs, so sind \vit inl Stande uns einen gröfsern zu denken; die ho- he Schneekoppe des Fliesengebirges iibertrift der Montblanc an Gröfse, und dieser weicht den Cimborasso, so grofs aber auch dieser sein niag, so hindert uns doch nichts uns ei- nen. Berg vorzustellen, gegen den er ein Hü- gel ist.

Legen wir also einem Gegenstande abso- lute Gröfse bei, d. h. nennen wir ihn erha- ben, so erhält er diesen Namen nicht an sich betrachtet, sondern nur insofern er in uns Yorstellungen rege macht, welche absolut grofs sind. Von allen Vorstellungen sind nur die Ideen, Vernunftbegriffe, diejenigen, welche das Merkihal des Absoluten (Unbedingten) bei sich füllten (s. Erster Theil dieser Darstellung S. 98«)» ^i*^ Gegenstand wird also erhaheit genannt werden, wenn er in uns die Vernunft, als das Vermögen der Ideen zur Thätigkeit antreibt, also zweckmäfsig für die Ver- nunft ist.

Da aber beim Erhabenen das Gefühl der Unlust dem Gefühl der Lust vorangelit, so mufs auch die Zweckwidrigkeit des Gegen- standes für ein anderes VorstellungsvermÖgen als die Vernunft ist, vorausgehen, ja da we-

gön der innigön Verbindung Von Ühlast und Lust beim Erhabenen, die Zweckwidrigkeit der Grund df:s Bewufstseins der Zwecknmfsig- keit für die Vernunft sein müfs, so mufs da- durch, dafs der Gegenstand die Eingeschränkt- heit eines Vorstellungsvermögens uns fühleni läfst, derselbe die freie (be;Örderte^ Thätig-* keit der Vernunft fühlen macheni

Welches ist nun das andere Vorstellungs* Vermögen, welches aufser der Vernunft beim Erhabnen ins Spiel kömmt? Ein Anschauujigs- Vermögen mufs es sein, weil das Gebchrnacks- urtheil über das Erhabene ein einzelnes ist; der Sinn welcher uns die Materie der An- fichauung durch Empfindung giebtj kann eS aber nicht sein, denn es macht auf Allgemein- gültigkeit Anspruch j -»s mufs also, wie beim Schönen j die Einbildungskraft sein. —^

Dies setzt uns in den Stand, das was bei der Refiection übef das Erhabene in uns vor- geht, etwas näher zu bestimmen; der Gegen- stand ist für die Einbildungskraft Wegen sei* ner Gröfse zweckwidrig; er ist für die Thätig-., keit der Einbildungskraft t\x grofs, entwickelt aber grade dadurch die Thätigkeit der Ver- nunft, Wir werden in der Folge zeigen, in- wieiern der Gegenstand den wir erhaben nen-

nen, ztigleich für die Einbildungskraft zweck- widrig und für die Vernunft zweckmäfsig sein kann; jetzt wollen wir aus dem Vorgetragenen blos noch einige leichte Folgerungen ab- leiten.

Beim Erhabenen Übertrift das Gefühl der Lust die Unlust, es mufs also das Vermögen, dessen Thätigkeit befördert wird (für welches der Gegenstand zweckmäfsig ist) vor dem Ver- mögen, dessen Thätigkeit als eingeschränkt erscheint (für welches der Gegenstand zweck- widrig ist) den Vorzug haben; dies ist aber bei der Vernunft und Einbildungskraft offen- bar der Fall; die Einbildungskraft als sinnli- ches Vermögen ist der Vernunft untergeord- net; ihre Thätigkeit ist bedingt, da hingegen die Thätigkeit der Vernunft unbedingt ist; die Einbildungskraft ist an die Sinnenwelt gebun- den, die Vernunft geht über dieselbe hinaus; die Vernunft schreibt Gesetze vor und die Einbildungskraft ist gehorchend.

Ferner wird auch aus dem Vorhergehen- den klar, dafs wir sehr uneigentlich einen Ge- genstand selbst erhaben nennen, er hat keine absolute Gröfse, sondern er macht nur ein Vermögen (der Ideen) in uns bemerkbar, was sich von allen Bedingungen lossagt, und al«

als absolut grofs darstellt. Mnn kann also sa- gen: Erhaben ist das, was auch nur denken zu können ein Vermögen des Gemüths be- weist, das jeden Maafsstab der Sinne iibertrift.

Einlhsilung der G es ckm acks urth e i l e über das Kr kab en e in reine und gemischte.

. Wir haben oben die TJrtheile über das Schöne in reine und gemischte eingetheilt, und eben so lassen sich die Urtheile über das Erhabene in reine und gemischte eintheilen; das Urtheil lieifst reitij wenn mit demselben keine fremdartigen Vorstellungen und Gefühle Terbunden; gemischt, wenn dies statt findet. Das rein Erhabene Hndet man also nicht an Kunstprodukten, wo ein menschlicher Zweck sowohl die Form als die Gröfse bestimmt, also auch nicht an Naturprodukten , deren Begrif schon einen bestimmten Zweck bei sich führt (organischen Körpern), sondern nur an der rohen Natur, sofern sie weder reitzt, noch als Gefahr drohend rührt, blos sofern sie GröfaG enthält. Dahin gehört die unendlicne, un- übersehbare Fläche des Oceans, ^iq unendli- chen Räume der Himmel, ungestalte Gebirgs- massen in wilder Unordnung aufeinander ge- thürmt, mit ihren Eispyramiden u. s. w.

a3o

„Plötzlich war ihm, als liätt' er die Ge- ßtirne des Himmels zu seinen Fürsen und gin-r ge auf Wolken einher in einem endlosen Raum und sah' in tiefer Ferne ein majestäti- sches Dunkel, durchbrochen von einzelnen Lichtfluthen göiilicher Glorie und rings von Jleerschaaren umsciwebt die aus den W'elren herauffuhren und hinab in die Wdten." En- gels Philosoph, für die Welt, Dritter Tlieil.

Bei dem gemischt Erhabenen mufs man vom Erhabenen alles Beigemischte absondern, wenn man auf allgemeine Einstimmung An- spruch machen wül.

ISintkeilung desErhabenen in das M ath ematiiok' und Dytiamiich-Erha.l>ene,

Aus dem Vorhergehenden ist meinen Le- gern, wie ich hoffe, deuthch geworden, dafs die Erhabenheit eigentlich darauf beruht, dafs die Vernunft als übersinnliches Vermögen sich ^u zeigen, veranlafst wird. Die Vernunft aber ist entweder theoretisch oder praktisch , jene Bezieht sich aufs Erkennen, diese aufs f^an- deln (Wirken); in beiden Fällen gehen die ihr cigenthümlichen Vorstellungen ( Ideen ) |iber die Erfahrung hinaus. Diesem zu Folge B>f^\fX es ein doppeltes Erhabene ^ ein theoreti-

2^C

sdies und praktisches; Kant nennt das erste ruaihcina tisch- , das andere clynamisch erha- heil. Benennungen, welche erst in der Folge deutlich gemacht werden können. Als Beispiel des Mathematisch - Erhabenen dient der Ocean im Zustand der Ruhe, so wie er dynamisch -erhaben ist, wenn ein Sturm ihn mächtig bewegt; im letzten Fall messen wir gleiclisam unsere Kraft im Widerstände gegeri die Naturkräfte und fühlen uns als Sinnenwe- sen dagegen kraftlos, werden uns aber eben dadurch bewufst, dafs wir einen Willen ha- ben, der frei, selbst gegen alle Naturhinder- nisse, sich bestimmen kann. Es ist bis jet?t nicht möglich, meinen Lesern eine völlig be- friedigende Einsicht in das mathematisch und dynamisch Erhabene zu geben, und es mufs mir daher fürs erste genügen, gezeigt zu ha- ben, dafs zwischen den beiden genannten Ar- ten des Erhabenen wirklich ein Unterschied statt findet, und dafs bei den dynamisch Er- habenen die Kraft des Menschen als wirken- des Wesen in Betracht gezogen wird.

Man kann auch noch auf einem andern Wege zu der Eintheilung des Erhabenen in das Mathematisch- und Dynamisch -Erhabene gel.TMgen. Der empirische Gegenstand, über

232

den wir ein Urtlieil in Bü'^ksicht auf Erliaben- heit fäüen, mufs in Relation zu uns gedacht werden; nun haben wir drei Grundvermögen des Gemüths, Erkenntnifs - , Gefühl- und Be- gehrungsvermögen; wird der Gege istand auf das Erkenntnifs vermögen be?üOgen, so entsteht das Theoretisch- öder Mathematisch-Erhabene; die Beziehung auf das Gefühl und Begeiirungs- vermögen fällt zusammen, denn da der Gei^en- stand empirisch ist, so ist das Bpgehren und Verabscheuen desselben sinnlich, in welchem erstem Fall das Begehren durch ein Gefühl der Lust, im andern durch ein Gefühl von Unlust bestimmt wird; und die Beziehung aufs Gefühl und Begehrubgsvermögen giebt das JJyuamiscli- Erhabene.

P^OTTt J\f al hemn tisch T E r h alz en en der Natur.

Das Mathematisch- Erhabene bezieht sich auf die Vorstellung eines Gegenstandes in Rücksicht auf Erkenntnift» betrachtet. Zu ei- ner jeden Erkenntnifs gehört zweierlei, An- schauung und Begrif In der Anschauung un- terscheiden wir Materie und Form, und wissen ßchon, d^fs beim Qeschrnacksuitheil, welches das Erhabene zum Gegenstand hat, da das IJrtheil AUgemeingültigkeit ansinnt, nicht die

233

Materie, sondern die Form der Anschauung in Erwägung gezogen werden mufs. Diese soll ihrer Gröfse wegen zweckwidrig für die Ein- bildungskraft sein. Jede Anschauung als sol- che führt (wegen der Formen der Sinnlichkeit Raum und Zeit) Mannigfaltiges bei sich. Zu einer Anschauung sind daher zwei Actus er- forderlich : das AuffaJJen (Apprehension) des Mannigfaltigen (der Theile) und das Zusam- menfassen derselben (Comprehension). Das Aufiassen geschieht successiv in der Zeit und hat keine Grenzen. Das Zusammenfassen er- fordert, dafs beim Fortschreiten im Auffassen •die reproduktive Einbildungskraft die vorhin aufgefafsten Theile ins ßewuft (sein zurückrufe, und hier hat, wie die Erfahrung lehrt, die Einbildungskraft ihre Grenzen. Ist des Man- nigfaltigen zu viel, so wird es ihr beim Fort- schreiten unmöglich, die gehabten Theilvor- steilungen wieder lebhaft genug darzustellen und dadurch das Zusammenfassen zu bewir- ken. Diese Grenze der Kraft kann nicht ob- jektiv in Begriffen bestimmt, sondern nur von jedem Subjekt in sich selbst bei einzelnen Gegenständen wahrgenommen werden, daher ist die Vorstellung derselben so wie auch die damit verbundene Gröfsenschätzung nicht Ig-

i^34

glsclij sondern ästlietiscli, welches zu einem Geschmacksurtheil erforderlich ist,

Ela Gegenstand also, dessen Anschauung so grofs ist, dafs der Einbildungskraft die Zu- sannmenfassung ihrer Theile unmöglich wird, ist erhaben» und es läfst sich leicht einsehen, dafs wenn wir die Schranken unserer Einbil- dungskraft uns bewufst werden, daraus ein Gefühl der Unlust entspringt. Jetzt wäre also nur noch darzuthun, wie grade durch das Ge- fühl der Schranken unserer Einbildungskraft als E^keiintnifbkraft, die Vernunft als frei und unabhängig sich zeigt, wir dieselbe in ihrer ganzen Gröfse erkennen.

Die Einbildungskraft vermag beim Erha^ beneu das Mannigfaltige der Anschauung nicht zusammen zu fassen und dadurch Totalität vorzustellen, dies hindert aber die Vernunft nicht zu erklären, dafs es sich trot?, seiner Vielheit zur Einheit des Selbstbeyvufstseins müsse verknüpfen lassen, weil der Verstand sich dasselbe als Eins denkt. Daher wird die Einbildungskraft imiuer wieder von neuem von der Vernunft angetrieben, ihr Geschäft des Zusammenfassen^ vorzunehmen, so wenig es |hr auch gelingen will. Indem wir nun wahr- jiehmen, dafs die Vernunft sich auf sich allein

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stützend, ohne alle Erfalirung, ja selbst gegen dieselbe, erklärt, diese Synthesis müsse (wenn gleich uns, wegen unserer Eingeschränktheir, nicht) möglich sein, so >vird uns die Unab« hängigkeit unsers obern ErkenntniC-,verniögens von der Einschränkung der Sinnlichkeit be- merkbar, und aus dem Gefühl der Unlust, "welches das Bewufstsein der Eingeschränktheit der Einbildungskraft begleitet, entspringt das Gefühl der Lust, weil wir uns eben dadurch der Selbstgesetzgebung der Vernunft im Felde der Erkenntnifs bewuf^t werden. Die Einbil- dungskraft erreicht gar bald die Grenzen ih- rer Möglichkeit, die Totalität die sie fassen und darstellen kann, ist brgrenzt; die Ver- nunft geht mit ihren Ideen über diese hinaus, und findet ihre Vollendung, ihre Totalität nur in der Unendlichkeit; daher ist alles das, was uns in der Anschauung gegeben werden mag, wenn es auch für die Einbildungskraft in der ästhetischen Gröfsenschätzung zu grofs ist, doch für die Vernunft als dem Vermögen der Ideen, zu klein. Die Vernunft wird sich aber grade dadurch, dafs die Einbildungskraft die Comprehension verweigert, weil sie ihre Kräf- te übersteigt, ihrer Unabhängigkeit von den Schranken der SimiKchkeit bewufst und dar-

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auf geleitet , dafs sie v ersinnlich , d. h. ein Vermögen der Ideen ist, weiche das Merkmal des Unbedingten, oder welches ei- nerlei ist des Unendlichen an sich tragen. In der Vorstellung des Mathematisch- Erhabenen unterscheiden wir also folgende drei Stücke:

1. einen Gegenstand als extensive Gröfse

2. die Beziehung dieser Gröfse auf unser Comprehensionsvermögen der Einbil- dungskraft

3. eine Beziehung derselben auf unser Denkvermögen.

An das Mathematisch - Erhabene grenzt das Ästhetisch- Gröfse bei dem letztern findet die Einbildungskraft die Comprehension zwar nicht unmögli-ch, aber dogh sehr schwierig. Je gröfser diese Schwierigkeit ist, desto mehr nähert sich das Ästhetisch- Gröfse dem Erha- benen. Das Ästhetisch -Gröfse kann Quelle der Vorstellung des Erhabenen werden, in so fern es die Einbildung reitzt fortzuschreiten und so in das Unendliche überzugehen. Der Jlorizont begrenzt den Anblick des Oceans, ^Uein die ungeheure Meeresfläche die vor mir li^gt, und über die meine Einbildungskraft

a37

hinschwebt, reitzt sie, wenn, sie bis zur schein- baren Begrenzung durch das Gewölbe des Himmels gelangt ist, weiter bis ins Unendhche fortzuschreiten, und dabei wird das Geniiith sich der Ohnmacht (Einschränkung) seines sinnlichen Comprehensionsvermögens bewufst, aber auch zugleich eines Vermögens des Un- endlichen, das also übersinnlich sein mufs. Jetzt sind wir auch im Stande die ßenennune des Mathematisch -Erhabenen zu rechtfertigen» In der Mathematik wird von einer Gröfse ge- fordert, dafs das Mannigfaltige derselben gleich- artig ist; bei dem Erhabenen was auf Unmög- lichkeit des Zusammenfassens des Manniefal- tigen in der Anschauung sich gründet, berie- fen wir uns auf die Formen der Anschauun- gen Raum und Zeit, .welche als solche gleich- artiges Mannigfaltiges enthalten.

Hieraus ergiebt sich ein doppeltes Mathe- matisch-Erhabenes, das extensive und proten- sive, bei jenem findet sich Mannigfaltiges im Raum, bei diesem in der Zeit *).

Was die intensive Gröfse bei einer An-

•) Meine Leaet werden leicht einsehen, dafs hier der Aus- druck extensiv in engerer Bedeutung gebraucht ist; da» extensive in weiterer Bedeutung, enthält das extensive in engerer ßed«utuug und da» protensive als Arten unter •ick

238 '

schauung betrlft, so kann sie niclijt zürn Erha-» benen der Erkenntnifs dienen, denn sie wird mit eirt^iiimale »als Einheit) gegebr^n, und ihre Gröfae i t nur durch Annäherung und Entfer- nuni^ von Null vorstellbarj also findet bei ihr kein Zusammtiilascen durch die Einbildungs- kraft statt. Ferner kömmt nur dem Realen in der Anschauung, der Materie der>!elben in- tensive Gröfse zu und diese wird durch Em- pfindung gegöben; übersteigt aber die Organ- empfiitdung einen gewissen Grad, so wird sie Vitalempfindung, giebt uns keine Vorstellung vom Gegenstande, sondern blos von unserm körperlichen Zustande, und also qualilicirt sie sich aucli deshalb nicht zum theoretische i Er- habenen. Die intensive Gröfse liegt hingegen dem Dynamisch- Erhabenen zum G!undej wo von Gröfse einer Kraft die Rede ist, wie wir dies weiter unten zeigen woUen;

Das Mathematisch -Erhabene fordert durch- aus ästhetische Gröfsenschätzung^ denn die lo- eisclie durch Zahl kann bis ins Unendliche fortgesetzt werden, in so fern man immer eröfsere und gröfsere Einheiten zum Maafssta- be annimmt. Dieses Fortschreiten mufs ge- wissen Gesetzen unterworfen sein, so entste- hen bei unsern Zählen nach lo, die decadi-

239 sehen Ordnungen, die Einer, Zehner, Hunder- te, Tausende, Zehntausende, Hunderttausende,

Millionen * . i . . Billionen Trillionen

. , , » . Quadrillionen u. s. w., so dafs eigent- lich immer nur ein Zusammenfassen bis lo erfordert wird. Man sieht bald, dafs dies lo- gische Zusammenfassen völlig einerlei bieibtj wie hoch auch die Ordnung sein niflg/ zu ■welcher die Einheiten gehören; es ist eben so leicht Millionen als Centiliionen zusammen zu iählen. Soll aber die Grofsenschätzuns ästhetisch sein, so wird das Maafs gar bald so grofs werden, dafs die Einbildungskraft das Mannigfaltige desselben nicht mehr compre-- hendiren kann.

XJeliersieht des Mathemalis ch ' E r h ah srien nach den Titeln d er Kategor i en.

'Qualünt, Es beruht auf extensiver Grö- fse des Gegenstandes, welche die ästhetische Comprehension der Einbikhmgskiaft zu einer Anschauung unmöglich macht, dadurch als zu grofs für diese Vorstellkraft erscheint; aber auch zugleich als zu klein für die Ideen der Vernunft, welche das Unendliche zum Geoen- Stande haben. Dies Verhältnifs des Gegen- standes zu uhsern Erkenn tnifskräften wird

24o

nicht logisch durch Begriffe, sondern durch die retlektirende Urrheilskraft vermittelst eines gemischten Gefühls von Lust und Unlust er- kaniit, in welchem aber das erstere die Ober- hand hat. Das Gefühl, welches entsteht, wenn wir etwas als Gesetz anerkennen, aber uns auch zugleich bewuTst sind, dafs wir demsel- ben aus Beschränktheit keine Folge leisten, dasselbe nicht erreichen können, heifst ylch- liuii?:^ Da nun beim Mathematisch- Erhabe- nen die Vernunft der Einbilrlung.skraft das Geset^ vorschreibt, das Mannigfaltige der An- schauung durch zusammenfassen zu einem Ganzen zu vereinigen, diese auch sich an- schickt, dem Gesetze Folge zu leisten und es eben dadurch anerkennt, aber bei Verrichtung ihrer Funktion inne wird, dafs es ihr unmög- hch ist, die Forderung der Vernunft zu erfül- len, so ist das Gefühl, welches beim Mathe- matisch-Erhabenen entspringt, ein Gefühl der Achtung nicht vor dem Gegenstand (was konn- te eine rauhe, wilde Gegend, welche wir er- haben nennen, auch achtungswerthes an sicji haben?), sondern vor dem übersinnlichen Ver- rnögen in uns, dessen wir uns dadurch be- wufst werden. Daher ist Erhabenheit mit Ernst, Schönheit als Spiel zu betrachöeji.

Quau-

Quantität Wir geliert linsertn Urtheile über das Mathematisch- Erhaberie ADgemeini gültigkeit, weil wir bei allen gleiche Krkennt- nif^ktäfte voraussetzen, und also auch mit Recht erwarten, es werde bei jedem andenl der Gegenstand in einem gleichen Verhäitnifs zu. demselben stehen, wie; zu den unsrigen; und ihn also in denselben Zustand (von Lust und Unlust) versetzen, in welchen er uns ver- setzte

Relation. Die Schönheit ist in der Bö- fcchaffenheit des Gegenstandes, das Mathema- tisch-Erhabene in der BeschaiFenheit 6.e.s Sub- jekts (der Unendlichkeit, Uebersinnlichkeit sei- ner Verntirift, als dem Vermögen der Ideen), welche durch den Gegenstand aufgedeckt wird 2u suchen. -^ Der Gegenstand ist als zweck- i(Nridrig und Äweckmäfsig zugleich zu betrach- ten, zweckwidrig für die Einbildungskraft, zweckmäfsig für die Vernunft; doch diese Zweckmäfsigkeit ist ohne objektiven Zweck *> Die Kunst kann also kein Mathematisch -Er*

•) Ein Gegeflstandi der für Seineri Zweck zu grof« i»t, M dalii er seinen Zweck vernichteti heifst ungeheuer; z. E.- eine Fliege von der Grölie eiiles Eleiihanten, colossalisclii ^cnn die Darstellung eines Begilfs für alle Darstellung beinahe eu gioü ist« «n das relativ Ungeheure gitatt*

n.

habenes aivfstellen, sonderiv dies findet sich blos in der rohen Natur, wo sie nicht als tech- nisch erscheint. Der Gegenstand stimmt zwar mit der Vernunft überhaupt als dem Vermö- gen der Ideen zusammen, nicht aber mit einer bestimmten Idee selbst, so wie beim Schönen der Gegenstand zwar mit dem Verstände als dem Vermögen der Begriffe, aber nicht mit einem bestimmten Begriffe zusammenstimmt. Modali{:ät\ Das Urtheil über das Mathe- matisch-Erhabene führt nicht objektive, weil sie auf keinen Begrif sich stützt; aber subjek- tive Nothwendigkeit bei sich, und wir spre- chen dem, der in unser Urtheil nicht einstimmt, das Ge/ühl ab.

Vom Djnamisch-Erhahenen.

Das Dynamisch -Erhabene wird auch das? Praktisch- Erhabene genannt; es bezieht sich auf das ur. heilende Subjekt nicht als erken- nendes, soncjrn als wirkendes (begehrendes) Wesen. Auch bei ihm findet ein gemischtes Gefühl von Lust und Unlust statt, die beide nicht blos einander beigesellt, sondern innig verbunden sind; dies deutet an, dafs der Ge- genstand, den wir dynamisch- erhaben nennen, einerseits uns unsere Ohnmacht darstellt, dafs

24S

aber eben dadurch unsere Kraft offenbar wird. Da das Gefühl der Lust das Gefühl der Unlust überwiegt, so mufs auch die Kraft, die ins Licht gestellt wird, gröfser als diejenige sein, deren Beschränktheit aufgedeckt wird. Es wird jetzt nur darauf ankommen, diese begeh- renden Kriifte näher kennen zu lernen.

Der Mensch ist als wollendes Wesen in einer doppelten Rücksicht zu betrachten; ein- mal als Sinneiiwesen und sodann als freie Intelligenz, Als Sinnenwesen ist er von der Natur abhängig, seine Existenz und sein gan- zes physisches Wohlbefinden beruht auf Na-

, turbedingungen, die aufser ihm sind und nicht in seiner Gewalt stehen eine Eigenschaft, die er mit den übrigen lebenden Wesen ge-' mein hat; als freie Intelligenz sieht er sich als unabhängig von allen äufsern Bedingungen der-

^ Natur an; er erklärt seinen Willen für frei.' Es springt in die Augen, dafs da die Kraft des Menschen als Naturwesen beschränkt, di© als freies Wesen unbeschränkt ist, die erstere der letztern nachstehen müsse; und also wird beim Dynamisch -Erhabenen der Mensch sich seiner Eingeschränktheit als Sinnenwesen und seiner Uneingeschränktheit als freie Intelligenz bewufst werden müssen; woraus erhellt, wie

'a44

5m Erhabenen das Gefühl der I^ust über däs ihm beigemischte Gefühl der Unlust die Ober- hand haben könne.

Heifst Erhaben, wie wir oben gezeigt ha- ben, was absolut grofs ist, das mit welchem in Vergleichung alles andere klein ist; so ist Dynamisch - Erhaben, was uns eine Kraft zeigt, mit welchem in Vergleichung alle ande- re Kraft verschwindet. Nun kann uns aber kein Gegenstand gegeben werden, dessen Kraft fils unendhch betrachtet werden könnte, denn alles was uns endhchen Wesen gegeben wird, mufs selbst endlich sein und es kann also durch sich und an sich keine unendliche Kraft oifenbaren. Soll also ein Gegenstand dyna- misch- erhaben genannt werden, so kann dies nur dadurch sein, dafs er in uns eine unend- liche Kraft bemerklich macht; diese unendli- che Kraft aber kömmt uns nicht als Naturwe- sen, sondern als freien Intelligenzen zu, und also wird das Erhabene unser Bewufstsein als freie Intelligenzen erwecken müssen und so Lust erzeugen ; da aber dies nur durcli Unlust, Gefühl der Ohnmacht entstehen soll, so mufs der Gegenstand uns die Eingeschränktheit un- serer Kraft als Sinnenwesen, fühlbar machen. - Hieraus erhellet zugleich, wie das Unheil

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über das Dyjiamisch- Erhabene subjektiv und nicht objektiv, ästhetisch und nicht logisch sein könne. Wir wollen ehe wir zur weitern Auseinandersetzung des Praktisch - Erhabenen fortgehen, das Gesagte nur durch ein Beispiel anschaulicher machen. Schwarze Wolkenge- birge von einem mächtigen Sturmwind herauf- gefiilirt, bedecken den Himmel, eine finstere Nacht verhiilt das Licht der Sonne, blutrothe Blitze zerreifsen die dichte Finsternifs auf Au- genblicke, das blendende Licht wird von ei-» nem furchtbaren Donner begleitet, der die Erde erschüttert, und schwer und langsam nachrollt j den sterbenden Nachhall ereilt ein neuer schmetternder Donnerschlag dies ist ein dynamifch - erhabener Gegenstand. Die ganze Natur scheint im Innersten bewegt, wir fühlen unsere Ohnmacht, der physischen Kraft nnsre physische Kraft entgegen zu setzen. Ge- seilt sich zu diesem Gefühl der Ohnmacht kein anderes Gefühl, so ist die Erscheinung nicht erhaben, sondern fürchterlich und schauder- voll; werden wir uns aber bewufst, dafs die Natur mit aller ihrer zerstörenden Kraft uns zwar tödten, aber nicht unsern Willen bestim- men kann; dafs von der Unruhe in der Natur, die alles in chaotische Verwirrung zu bringen

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droht, die Ruhe in unserer Brust, die von dem Bewufstsein unserer Straflosigkeit, der Reinheit unserer Gesinnungen herrührt, vöUig unabhängig ist *), so wird der Gegenstand erhaben genannt. Wenn wir Newtons grofsen Scharfsinn aus seinen Werken anschaulich er- kennen und dies ein Urtheil über die Erha- benheit des menschlichen Geistes erzeugt, so fühlen wir auf der einen Seite wohl, daTs wir ihm hierin nachstehen müssen, und dafs es Talente und Kräfte des Geistes giebt oder geben kann, gegen welche die unsrigen ver- schwinden, aber wir werden uns auch auf der andern S^eite bewufst, dafs wir in uns etwas haben, wogegen aller Werth der Näturgaben verschwindet, unsere freie Willkühr, durch deren Gebrauch, welcher allein bei uns steht, unser wahrer Werth erst bestimmt wird. Dafs wir freie Intelligenzen sind, erhebt uns über alles das, was die Natur auch noch so ver- schwenderisch irgend einem ^Wesen mitgetheilt hat.

Wir erkennen jede Kraft nur in so fern sie widersteht; beim Erhabenen wird also der

*) Si Fractns iliabaiur orbis Inpavidum ferient ruinae,

Horat.

247

Gegenstnnd uns als entgegenwirkend vorge- stellt werden müssen, sowolil um einerseits unsere Ohnmacht als Sinnenwesen, anderer- seits unsere Uebermacht als freie Wesen uns bemerkbar zu machen. Alle Kraft, welche unserer Kraft widerstrebt, mufs Naturkraft sein, weil sie auf uns nur als Naturvasen sich wirksam beweisen kaim; sie mufs uns als grofs erscheinen, damit wir uns ihrer Ueberlegen- heit über uns als Sinnenwesen bewufst wer- den; ein Vermögen, welches grofsen Hinder- nissen überlegen ist, heifst Macht» Soll die Natur uns also als dynamisch -erhaben erschei- nen, so müssen wir sie als Macht erkennen. Die Macht heifst Gewalt^ wenn sie auch dem Widerstände dessen, was selbst Macht besitzt, überlegen ist. Beim Praktisch- Erhabenen thut uns die Natur als Sinnenwesen Gewalt an, aber als freie Wesen werden wir inne, dafs sie trot^ aller ihrer Macht über unsern Wilien keine Gewalt hat.

Die Ueberlegenheit der Natur beim Dyna- misch-Erhabenen über unsere physische Kraft müssen wir nicht durcli Begriffe erkennen, weil sonst das Urtheil logisch wäre, sondern durch Gefühl, welches zu einem ästhetischen Urtheil erforderlich ist; so wie auch unsere

s48

Ueberlegenlieit fils freie Wese^i aus eben den Gründen, nicht durch Begriffe, sondern durch Gefühl erkannt werden mufs. Ein Gegenstand, , der uns Gefahr droht, v/e!che -svir weder ab- wenden, noch ihr widerstehen kqnnen, hcilöt furchtbar; also erscheint uns beim Praktisch- Erhabenen der Gegenstand in Rücksicht unse- rer physischen Kraft als furchtbar. Hier ist aber ein wesendicher Unterschied zu machen; gauü etwas anderes ist es, wenn nian sagt, ein Gf;genstapd ist furchtbar, als wenn man sagt, nian J\irchte sich vor ihni. Wir nennen ihn flirchthar^ wenn wir ihn so bear1;heilen, dafs wir uns blos den Fall denl^en, da wir ihm et- wa Widerstand thun wollen, wo wir sodann erkennen, dafs aller Widerstand bei weitem vergeblich sein wurde; wir fürchten uns vor ihni.) wenn wir uns wirkhch in dem Fall be- finden, ihn> zu widerstehen upd nun sein-r Macht unterliegen. V/enn wjr am Ufer in Si- cherheit den wüthenden, stürmenden Ocean betrachten, oder wenn Virgi| uns einen See- Sturm anschaulich darstellt, SO ist der Gegen- stand furchtbar, al^er wir furchten uns mclit vor ihm, weil \vir wissen, wir sind nicht in seine Gewalt gegeben, und SQ kann uns d^T pturm erhahpn ercheineu; der Reibende, der

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im Schiffe sich befindet, das die Wellen bald bis zu den Wolken erheben, bald in einen bodenlosen Abgrund schleudern, das bald mit Ungestüm gegen den Strand getrieben, bald mit Aligewalt auf das weite Meer zurückge- worfen wird, fürchtet den Sturm.

Wer einen Gegenstand fürchtet, kann denselben nicht erhaben linden. Seine Exi- stenz als Naturwesen oder sein physisches Wohl zieht seine ganze Aufmerksamkeit auf sich und leitet ihn dadurch von dem Bewufst- sein seiner Freiheit als Intelligenz ab; die Furcht betäubt ihn, so dafs er die Stimme der Vernunft nicht hört. Er fliehet den An- blick eines Gegenstandes, der ihm Furcht ein- j igt. Sollen wir also die Natur dynamisch- erhaben finden^ so mufs sie ups nicht in der unmittelbaren Empfindung Schmerz verursa- chen, sie mufs nicht wirklich unsere Existenz bedrohen, son^erni sie mufs nur in der Vor- stellung Schrecken erregen, furchtbar, nicht Furcht erregend sein. Wir müssen uns daher, wenn wir eine Wirkung der mächtigen Natur erhaben finden sollen, in Sicherheit wis- sen. *) Diese Sicherheit mufs sich nicht

') Dieser Umstand bat mehrere zu der Meinung vera^ilafst, et entspringe die Lust aa dyjjamisck-eihabeuen Gegenitaadeq

25o

blos auf unsere persönliche Existenz, sondern auch auF das erstrecken, was wir zu unserm Wohl rechnen. Der Kaufmann, der im Ha- fen stehend, das Schiff welches sein Vermö- gen enthält, oder auf dem sein geliebter Sohn aus einem fernen Welttheil wiederkehrt, mit den Wellen kämpfen sieht, wird schwerlich diesen Anblick erhaben fmden.

Es bedarf wohl kaum einer Erinnerung, dafs die Sicherheit in der wir uns wiesen, nicht von dem Bewufstsein unserer piiysi^chen Überlegenheit, durch wir'-.liche Körperkraft, oder Geschicklichkeit, oder Verstand, oder List herrühren darf.

Die Sicherheit, in der wir uns befinden müssen, wenn wir einen Gegenstand, der seine

der Natur aus der Vergleichung unsers jetzigen Zustandes mit dem in welcher wir andere durch die Naturerscheinung versetzt sehen, oder mit dem, in welchem wir uns befinden würden, wenn die Naturerscheinung ihre Gewalt gegen uns auTserte. Es ist aber das Gefühl der Lust im Erhabenen kein Frohsein über physisches Wohl Cei^entlich über Entge- hen des physischen UebeisJ, sondern es trägt den Charakter der Achtung an sich, welcher auf etwas weit edlers, als den Hang aum physischen Wohlbefinden, in dem Menschen iiindeutet. Dadurch wird keinesweges geleugnet, da(s es nicht Menschen giebt, die aus Mangel der Cultur ihrer Ver- nunft bei erhabenen Gegenständen nur dies Gefühl der Rührung, welches aus der Vergleichung ihres Zustande» der Sicherheit mit dem der Gefahr entspringt, habea.

uns als Sinnenwesen überlegne Kraft äufsert, erhaben finden soll, kann von doppelter Art sein, auf serliche oder innerliche. Wenn es in unserer physischen Gewalt steht, dem dro- henden Übel zu entgehen oder wenn in der äufsern Lage, worin wir uns befinden, die Macht uns nichts anhaben kann, so ist unsere Sicherheit eine aufsere; z. B, wenn jemand aus dem Hafen den stürmenden Ocean be- trachtet; oder der Wanderer in gehöriger, si- chernder Entfernung kühne, überhängende Felsen erblickt. Die innere Sicherheit beruht auf Vorstellungen, die nicht aus der Natur genommen sind, z. B. der religiösen Vorstel- lungen des besondern göttlichen Schutzes, oder seines Glücks, wie dies letztere bei ei- nem Cäsar, Bonaparte u, s. w. sich fand. Wenn ein Schwärmer auf dem brausenden, wogenden Meere sich sicher wähnt, weil er fest überzeugt ist, sein Schutzengel werde nicht zugeben, dafs ihm ein Haar gekrümmt werde, so kann er, wo vielleicht alles w^as ihn umgiebt, mit bleicher Furcht vor dem nahen Tode zittert, den stürmenden Wind und das wüthende Meer erhaben finden und sich daran ergötzen.

Diese Macht der Natur, gegen welche

2'. 2

unsere Kraft zu widerstelien als eine unbedeu- tende Kleinigkeit erscheint und die uns also unsere Ohnjnacht als Sinnenwesen fühlbar macht, mufs, wenn wir sie erhaben finden sollen, zugleich unsere Übermacht, in Rück- sicht einer andern Kraft sichtbar machen» Diese K.raft kann uns nicht als Naturwesen zukommen, denn so grofs eine Naturkraft auch sein mag, so ist doch allezeit eine Kraft denkbar, die sie iibertrift und besiegt. Aufser der Naturkraft aber hat der Mensch nur noch die Willenskraft, er ist sich seiner selbst als frei bevvuCst, und ein Gebot, was sich in sei- nem Innern ankündigt, heifst ihm, seinen "Willen als überlegen jeder äufsern Kraft, als unbezwingbar anerkennen. Indem nun der furchtbare Gegenstand uns unsere Ohnmacht als Sinnenwesen fühlen läfst, werden wir inne, dafs wir in uns eine intelligible Kraft haben, gegen welche diese Naturkraft, deren Wir- kungen wir anschauen, nichts vermag, durch die Ohnmacht des Naturwesens wird die Stär- ke der Intelligenz offenbar; dies treibt die Einbildungskraft an, die Macht der Natur ini- jner mehr und mehr zu vergröfsern, und also uns in unserer Ohnmacht immer mehr und fi^ehr darzu^iellen , aber ebien dadurch wird

«ler Sieg der Intelligenz immer gröfser. Dar- aus ist das wechselnde Abstofsen und Anzie- hen des Gemüths beim Erhabenen erklärlich und die Vernunft, die sicli in dem Bewurbt- sein ihrer Freiheit und Unabhängigkeit gefällt, treibt die EinUildungskraft an, dies Geschäft immer Von neuem zu beginnen. Hieraus folgt ferner, dafs diejenigen Vorstellungen die erhabensten sein müssen, bei welchem der äufsere Widerstand als der höchste vorgestellt wirdj und dies ist der Fall, wenn wir uns der Gottheit als wirkender Macht gegenüber stellen* Es übertrift die Vorstellung, dafs ein rechtlicher Mann, mit dem Gefühl der Un- schuld im Buseai vor dem Throne der rich- tenden Allmacht erscheint und ruhig sein Ur- theil erwartet, alle andern an Erhabenlielt. Seine Kraft mit der Kraft der Gonheit wider- stehend messen su wollen ist ungeheure Ver- messenheit, der Mensch verschwindet vor sich - selbst bei diesem Gedanken zu Nichts ; aber er ist sich keiner Schuld bewufst und die richtende Gottheit kann ihm ihres Beifalls nicht versagen,

Der Gegenstand, den wir dynamisch -er- haben nennen, ist also selbst nicht mit einer alles übertreffenden Kraft ausgerüstet, (wie sollt«

2,54

uns auch ein solcher gegeben werden kön- nen) sondern er macht in uns ein über alles erhabenes Vermögen, die praktische Vernunft, sichtbar, welches schon dadurch erkannt wird, dafs im Erhabenen das Merkmal des Maxi- mums sich fmdet, -welches keinem gegebenen Gegenstande, sondern blos Vernunftideen zu- kommen kann. Doch wird durchs Dyna- misch - Erhabene keine bestimmte praktische Vernunftidee hervorgerufen, sondern die prak- tische Vernunft wird sich ihrer unabhängigen freien Gesetzgebung nur überhaupt bewufst. Das Dynamisch - Erhabene giebt uns das Be- wufstsein unserer Würde, des Werths unserer Persönlichkeit, welche über alles erhaben ist, und gegen welche nichts, selbst unsere phye sische Existenz in Vergleich zu stellen ist, Diese Vorstellung entzieht uns der Gewalt der Natur und stellt unser moralisches Sein, un- sere moralische Persönlichkeit gegen dieselbe in Sicherheit; diese Sicherheit ist nicht mate- rial, einzelne Fälle und einen bestimmten Wi- derstand betreffend, sondern idealisch, für alle mögliche Fälle und gegen jede noch so grofse Macht der Natur. Sie gründet sich nicht auf Überwindung oder Aufhebung dro- hender Gefahr, sondern auf Wegräumung der

255

letz tiBn Bedingung, unter der es allein Gefahr für uns geben kann, indem wir den sinnli- chen Theil unsers Wesens, der allein der Ge- fahr unterworfen ist, als ein auswärtiges Na- turding erkennen, das unsere wahre Person, unser moralisches Selbst nicht angeht.

In der Vorstellung des Dynamisch- Erha- benen unterscheiden wir also folgende drei Stücke:

j) einen Gegenstand als Macht;

2) die Beziehung dieser Macht auf unser physisches Widerstehungsv ermögen ;

3) eine Beziehung derselben auf unsere mo- ralische Person;

und es entspringt also die Vorstellung des Erhabenen aus der Wirkung dreier aufeinan- der folgenden Vorstellungen:

I. eines Gegenstandes, dessen Macht phy- sisch auf uns einwirkt;

s. unserer subjektiven physischen Ohn-» macht ;

3. unserer subjektiven moralischen Über- macht»

üb crsf cht des D,jrnamisch ' Erhabenen nach dett Titeln der Kac ego ri en.

(Qualität» Es beruht auf intensive!* Gröfse des Gegenstandes (Kraft), welche als zu grofs für unsere Widers tehungskralt als Naturwe^en, aber zu klein für uns als freie Wesen er- scheint, wodurch wir unsern Willen als unab- hängig vom Zwange der Natur erkennen. Die Kralt ist zu grofs für den empirischen Begrif iinserer Naturkräfte, zu klein für die Idee unserer freien Willkühr. -^ Das Gefühl der Achtung 5 welches beim Dynamisch - Erhabe- nen entspringt, bezieht sich nicht auf den Ge- genstand, sondern auf das in uns entdeckte Vermögen der Freiheit.

Quantüäti Wir geben dem Ürtheil über das Dynamisch - Erhabene Allgemeingültigkeitj weil vvir triit Recht voraussetzen, die Einge- schränktheit der physischen Kraft und diö Unendlichkeit der Freiheit, welche der Ge- genstand offenbart, finde sich in jedem Menschen.

Relation, Die Erhabenheit liegt in uns, sie wird mir durch den Gegenstand aufge- deckt. — Der Gegenstand ist zweckwidrig für Unser Naturvermögen. zweckmäfsig für die Vernunft, insofern diese unabhängig von der

Na*-

257

Natur Gesetze giebt. Die Beziehung ge-* schieht auf praktische Ideen der Verninft, als freies Vermögen überhaupt, nicht auf be- stimmte moralische Gesetze.

Modalität. Wir erklären das Urtheil über das Dynamisch - Erhabene als subjektiv nothwendig, weil die bei demselben in Wirk- samkeit gesetzten Vermögen dem Menschen als Menschen nothwendig zukommen müssen.

yergleichung des Dynamisch - Er hah enen mit dem Mathematisch - Erhabenen.

Bei beiden werden die Schranken unse- rer Sinnlichkeit aufgedeckt, aber eben da- durch die Uneingeschränktheit der Vernunft offenbar; beide sind also dem Interesse der Sinnlichkeit entgegen; beide weisen auf das Übersinnliche im Menschen hin; beide for- dern Ideen, aber nur als möglich überhaupt, nicht bestimmte zur Erkenntnifs taughche; bei beiden sind Gefühl der Lust und Unlust innig vereinigt, das erstere hat die Oberhand, aber das letztere geht voraus ; bei beiden fin- den wechselsweise Abstofsung und Anziehung statt; beide erwecken Achtung, weil wir ein Gesetz in uns entdecken, dem vollkommen Folge zu leisten, nicht in unserer Macht steht j //. 17

258

beide macKeii auf subjektive Allgemeingültig- keit Anspruch, ob sie gleich einzelne Urtheile sind, weil die Vermögen des Gemüths, welche dabei ins Spiel kommen, bei allen Menschen mit Recht vorausgesetzt werden.

Beide abet unterscheiden sich in folgert- deli Stücken voneinander: Das Mathematisch- Erhabene bezieht sich auf unsere Erkenntnifs- kräfte, auf unsere Fassungskraft, das Dyna- misch-Erhabene auf unsern Willen; beim er- stem ist der Gegenstand dem Vorstellungstrieb entgegen, vergröfsert aber das ßewulstsein der Penkfreiheit ; beiöi andern ist er dem Natur- triebe der Selbsterhaltung Cde?n LebenstrieheJ entgegen, erweitert aber das Bewufstsein der moralischen Persönlichkeit; das Mathematisch- Erhabene zieht durch die Gröfse unsere Auf- merksamkeit auf sich und dadurch werden V^it zum apprehendireri vermocht, mit der Apprehension aber tritt zugleich der Trieb zur Comprehension ein; das Dynamisch -Er- habene zieht vermittelst des sinnlichen Trie- bes, da unsere physische Existenz bedroht scheint, die Aufmerksamkeit auf sich. Das Theoretisch - Erhabene ist nicht von so star- ker "Wirkung als das Praktisch - Erbabefie, theils weil der Trieb der Selbsterhaltung grö-

is^t ist als der Trielj nach Erkenn^niis, theils tveil unser Wertli als moralisches Wesen übeü' alles, selbst über uns als erkennendes Weseii erhaben ist.

In den Fällön^ W6 das Mathematisch - Er- habene zugleich dynamisch- erhaben ist, wird die Stärke der Wirkung vergröfsert. Als Bei* spiele mögen dienern

Gott dadhte sich selbst ^ diö Geisterwelt, diö ililti getreu blieb

Ühd den Sünder, das Mensch^stigeschleclit. JDä ergrimmt er und Stand itzt

Hoch au^ Tahöt Und hielt deh tieferziitein- den Erdkreis

Dafs er nicht vor ihm Verging.

Klopsböck,

(Der grofse Eindruck dieser vrirklich sehr erhabenen Stelle wird nur durch die der Gott- heit Unwürdige Darstellung als eines zornigf^n "Wesens, vermindert);

Preufsens Genius äh Friedrich Pt^illheirn It i)on Schub arb,

2iittre nicht an Deines Oheims ßitde Mit den er^nen Füfsen, mit dem Wodans

Schilde

a6o

Und dem wetterleuchtenden Gesicht, Friedrich Willhelm zittre nicht!

Wenn Dein Oheim an die Sterne streifte, Wetm er Thaten wie Gebirge häufte, ^enn er grofs im Wetter der Gefahr Grots in Friedenssäusein war.

Wenn er Städte nahm, wie Vogeleier, Wenn er wärmte sich am Schlachtenfeuer, Und mit Adlerkrallen krumm und scharf Legionen niederwarf.

Wenn der angestaunte Geistkolosse Welten wog in seinem Königsschlofse Und die Zwietracht und des Neidesbrut Fesselte mit Heldenmuih.

Wenn der grofse königliche Weise Herrschend stand in andrer Weltenkreise, Wenn von seinem Genius entzückt Schöpfergeister sich gebückt.

So betrachte ruhig den Giganten

Schau dem Grofsen, schau dem Allbekannten

Unverwandt ins Sonnenangesicht

Aber Willhelm zittre nicht!!

*6i

So wie mit dem Mathematisch - Erhabe- nen das Ästhetisch- Grofse verwandt ist (bei je- nem die Comprehension der Einbildungskraft unmöglich, bei diesem blos schwierig ist, An- strengungkostet); so ist auch mit dem Dyna- misch-Erhabenen das Dynamisch- Grofse ver- wandt. Dynamisch grofs ist derjenige, wel- cher das Furchtbare überwindet, erhaben, wer es auch selbst unterliegend, nicht fürch- tet. Hannibal ist grofs, wenn er über die Py- renäen, durch Gallien und über die Alpen dringt, um die Feinde seines Vaterlandes in Italien zu vernichten; Sokrate'^» erhaben, wenn er den Giftbecher wählt, weil er dem Tode nicht durch Verletzung seiner Pflicht entge- hen will.

So wie aber, wie wir oben angemerkt ha- ben , das Mathematisch - Grofse Veranlassung zur Vorstellung des Mathematisch- Erhabenen geben kann, so kann auch die Vorstellung des Dynamisch - Grofsen die Vorstellung des Dynamisch -Erhabenen herbei führen.

Fo rcgesec zte f^e r g l ei c /lun^ des Erhabentn mit dem Schönen.

Wir haben schon S. 210 das Erhabene mit dem Schönen verglichen, und mehrere

ß63

Merkmale angegeben, worin beide überein- stimmen und worin sie sich voneinander un- terscheiden; jetzt können wir, nachdem die Ürtheiie über das Erhabene mehr auseinander gesetzt worden, diese Vergleichung noch voll- ständiger machen.

1. Das Schöne gefällt unmittelbar in der Beurtheilung ohne alles Interesse, das Erha- jberie gegen das Interesse der Sinne«

2. Das Wohlgefallen am Erhabenen in 4er Natur ist nur negativ, aip Schönen po- sitiv.

3. Das Wohlgefallen am Schönen erzeugt J^iehe, am Erhabenen Achtung.

4. Das Schöne bereitet uns vor, ötwas ohne Interesse zu lieben, das Erhabene, es wider unser sinnliches Interesse hpch zu schätzen,

"Ferner e B e t r achtung über das Erhöhen« ujf d detf' •verschiedenen j4rten desselben.

Man könnte dem Ästhetisch -Schönen das Ästhetisch - Grofse gegenüberstellen; wo im ürtheil über das erstere das Wohlgefallen das durch die Form, im Urtheil über das zweite das Wohlgefallen was durch die Grofse des Gegen- gfgildfs hcrvprgebraghl; wird, ausgedrückt wird.

2*65

Diesem zu Folge zerfällt das Ästhetisch- Grofse in das Ästhetisch-Grofse in engerer Bedeutung und in das Erhabene, eine Eintheilung, "wel- che nach dem Vorhergehenden meinem Leser keine Schwierigkeit machen wird; das erstero bezieht sich auf eine Gröfse, die die Einge- schriinktheit unsers sinnlichen Vermögens uns dadurch fühlen läfst, daCs sie dasselbe an- strengt; das andere auf eine solche, die das Gefühl dieser Einschränkung dadurch bewirkt, dafs es der Sinnlichkeit unmöglich wird der- selben Meister zu werden. Von der Ein- theilung des Ästhetisch Grofsen und also auch des Erhabenen als Unterabtheilung in das Mathematische und Dynamische ist zur Genü- gte gesprochen.

Das Wohlgefallen am Erhabenen ist ent- weder rein oder gemischt; im letztern Fall gesellen sich demselben noch andere Gefühle bei; so mufs z. B. wenn der Künstler uns ei- nen erhabenen Gegenstand darstellt, die Dac^ Stellung sqhön sein, und so wird in diesem Fall das Wohlgefallen am Erhabenen mit dem am Schönen verbunden; so können sich mit dem Erhabenen moralische und religiöse Ge- fühle verbinden.

Das Äfthetisch-Grofse (in weiterer Bedeu-

264

tung, also auch das Erhabene) zerfällt in das der Natur und Kunst. Das Erhabene der Na- tur kann nun wiederum mathematisch- und dynamisch sein und von beiden war im Vor- hergehenden die Rede. Nur beim Erhabenen der Natur findet ein reines Geschmacksur- theil 8tatt, denn beim Erhabenen der Kunst kömmt die Beurtheilung des Gegenstan- des nach dem Begrif desselben, was er sein soll, durch den Verstand hinzu, es wird al<o dem ästhetischen Urtheil ein logisches voraus- gehen müssen, welches zwar, wie beim Schö- nen der Kunst die nothwendige Bedingung des Geschmacksurtheils, aber doch von ihm wesentlich verschieden ist.

Ein Produkt der Kunst kann zwar ma- thematisch-grofs, aber nie mathematisch -erha- ben sein, weil es sonst den Begrif des Geg'^n- standes vernichten, ungeheuer werden würde. Aber dies schliefst nicht aus, dafs ein mathe- matisch - grofser Gegenstand der Kunst nicht die Einbildungskraft anreitzen kann, über alle Grenzen hinaus zu gehen, und so also mittel- bar die Vorstellung des Erhabenen zu er- zeugen.

Man thellt das Erhabene nach dem Ga- genstande, wodurch uns dasselbe gegeben

a65

wird, in das Physisch- und in das Intellectuel- Erhabene Bei jenem ist der Gegenstand ein Gegenstand des äufsern Sinnes und wird blos als Körper, bei diesem wird der Gegenstand als Gegenstand des innern Sinnes, und zwar als Intelligenz betrachtet. Die unübersehbare Fläche des Oceans ist physisch -mathematisch- erhaben; Felsen, die den Einsturz drohen, Erdbeben, heftige Gewitter u. s. w. sind phy- sisch - dynamisch - erhaben. Intellectuel - er- haben ist Hannibal, der sich mit seinem Hee- re und Geinen Elephanten den Weg über un- wegsame, himmelhohe Gebirge bahnt ; Marquis Posa, der sein Leben opfert, um seinem Va- terlande die Freiheit zu verschaffen. Das In- tellectuel-Erhabene ist wiederum von doppel- ter Art, das des Geistes und das der Sittlich- keit; das letzlere kann man das Moralisch- Erhabene nennen. Das vorhin angeführte Bei- spiel des Hannibal dient auch als Beispiel der Geistesgröfse, wenn Regulus dem sichern Tode entgegengehl um sein Wort zu halten, so ist seine Handlung moralisch -erhaben. Dafs das Intellectuel- Erhabene jederzeit dynamisch, nie mathematisch - erhaben sein kann, ist in die Augen fallend.

Was vnr aber vom Erhabenen dargethan

aGG

haben, betraf das Extensiv - und Intensiv- Erhabene der Körperwelt; wir haben also jetzt nur noch das nachzuholen, was das Inteliectuel - Erhabene betriff. Das Intel- lectuel ' Erhabene (und was von diesem gilt, gilt auch mit den nöthigen, von selbst sich ergebenden Abänderungen vom Iritellectuel- Grofsen) mufs uns, wenn es Gegenstand eines ästhetischen Urtheils sein soll, in der An- schauung gegeben werden; un4 die Gröfsen- schätzung der Kraft muls ästhetisch, nicht lo- gisch sein. Der Gegenstand des Erhabenen und Gröfse des Geistes sind die &eelenk.räfte, insofern diese als Naturgaben und als wirken- de Ursachen in der Sinnenwelt ohne Bezie- hung auf moralischen Werth betrachtet werden; dahin gehört Stärke des Verstandes, das Tiefeindringende der Vernunft, Gegenwart des Geistes, Umfang der Erkermtnifs, Klug- heit u. s. w. Menschen die solche Eigenschaf- ten besitzen, nennen wir grofs, die Eigen- schaften selbst aber müssen uns in ihren Wir- kungen in der Sinnenwelt dargestellt werden; der Maafsstab mit dem wir sie vergleichen, ßlnd unsere eigenen Seelenkräfte. So er- scheint uns Hannibal grofs wegen des Muths, ^li dem er alle Iliudernisse besiegt, um Gar-

267

tliagos fürchterliclisten Feind in seinem eige- nen Gebiet zu besiegen, Fabius der Zauderer wegen seiner unerschütterlichen ICahblütigkeit, mit der er allen Bemühungen des Feindes ihn 2U einer Schlacht zu bewegen, -widersteht und der durch seine Beharrlichkeit Rom rettet; wir fmden Wohlgefallen an der Standhaftig- keit, die Karl XII und Friedrich der Grofse im Unglück beweisen ; grofs erscheint uns Co- pernicus, wenn er den kühnen Gedanken fafst, die Erde bewege sich um die Sonne um da- durch mannigfaltige Erscheinungen am Him- mel zu erklären; Newtons Geist, der aus zwei Kräften die Bewegung der Planeten erklärt; Kants Scharlblick, der in die tiefsten Geheim- nisse der Erkenntnisse und des menschlichen Herzens dringt Zu dem Intellectuel Grofsen gehören die Werke der Menschen, bei wel- chen grofse physische Kräfte der Natur zu be- siegen waren, oder welche diesen Kräften Trotz bieten; die ägyptischen Pyramiden, die "Wasserleitungen der Römer, die Peterskirche in Rom, die Blitzableiter u. s. w. Auch hier gilt, was wir oben gesagt haben, dafs das Erhabene selbst nicht unmittelbar gegeben werden kann , dafs aber die ästhetische Grö fse des Gegenstandes i^ uns eip Gefühl de^

268

Übersinnlichen dei' Vernunft, dadurch, dals diese zu Ideen veranlaCst wird, erzeugt. Wir fühlen allerdings, dafs wir an intellectueller Grölse dem gegebenen Gegenstand nachste- hen ; nicht so muthig alsHannibal, so beharrhch als Fabius, so standliaft als Karl XII und Frie- drich II t so hellsehend als Copernicus, so tiefeindringend als Newton, so scharfsinnig als Kant sind, aber wir werden auch zugleich inne, dafs von allen diesen Kräften, so grofs sie auch sich sind, keine die Idee erreicht, welche die Vernunft davon aufstellt, dafs die Menschheit in der Idee unendlich gröfser ist, als was der einzelne darstellt; und so führt uns oft das Intellectuel-Grofse zum Erhabenen.

Wenn aber gleich unser Urtheil über das Intellectuel - GroCse und Erhabene auf Allge- meingültigkeit Anspruch macht, welches die Form desselben beweist, so läfst sich doch zum voraus vermuthen, dafs nur wenige im Stande sein werden, ein solches Urtheil zu fällen, man mufs dem Geiste ähnlich sein, den man bewundern soll:

Du gleichst dem Geist, den Du begreifst.

Göthe,

Das Moralisch - Erhabene beruht auf der Kraft der moralischen Gesinnung und nimmt

209

unter allen Arten des Erhabenen die erste Stelle ein, weil die Sittlichkeit vor allem an- dcn den unbestrittenen Vorzug verdient, ja ihr nichts an die Seite gesetzt und mit ihr verglichen werden kann; sie allein hat abso- luten Werth oder Würde. Wenn wir also sehen, dafs die sittliche Gesinnung einer mäch- tigen Kraft der Sinnlichkeit Widerstand leistet, oder sie wohl gar besiegt; so kann es sich wohl fügen, dafs wir uns selbst sagen müssen, wir hätten diesen Sieg nicht davon getragen, aber es spricht auch eine heilige Stimme in unserer Brust, wir hätten ihn davon tragen sollen.

Alles das wird moralisch -erhaben genannt, was moralische Ideen in uns erweckt; der Mensch wird sich dadurch seines Werths als freies Wesen und seiner Unabhängigkeit von der Sinnenwelt bewufst, ob er gleich dabei auch seiner Gebrechlichkeit inne wird. Als Beispiele des Moralisch -Grofsen nenne ich: Cäsars Aus- spruch: Ginna lafs uns Freunde sein; Marquis Posas Unterredung mit dem stolzen despoti- schen Philipp über Menschenglück und Men- schenwerth j Hufs auf dem Scheiterhaufen u. s, w. Zu dem Moralisch -Erhabenen eignen sich yorzüglich die Gegenstände der Religion, der

. 270

Glaube an eine lieiligej gütige, gerechte Got%r heit, an eine weise Weltregierung, an die Un* Sterblichkeit der Seele; sie sind Erzeugungen der freien gesetzgebenden Vernunftj ihr Tri- umph im Gebiete der Vorstellungen^ ihr Be- glaubigungsbrief eines höhern Ursprungs und eines über die Sinnlichkeit erhabenen Adelsi In ihrer Reinheit dargestellt ist die Religion als eine Tochter der Vernunft Seelenerhebend, sie erfüllt die Brust des Menschen mit detn Gefühl seines wahren Wetths und treibt ihn an, an sich und aufser sich das Gute zu meh- ren und erhebt ihn über das Schicksal aber der Bastard, aus sinnlichem Triebe und Heu- chelei erzeugt, der auch ihren heiligen Namen sich aneignet, ist der Zerstörer alles Edlen und ein Fluch für die Menschheit.

Man kann endlich das Erhabene nach Verschiedenheit des Verhältnisses, in welches unsere Sinnlichkeit bei Betrachtung desselben versetzt wird^ in das Kontemplatii) - und in das Pathetisch - Erhabene eintheilen. Bei dem Kontemplativ - Erhabenen erkennen wir die Zweckwidrigkeit und Zweckmäfsigkeit des Gegenstandes seiner Gröfse halber durch blo« fse Re/Iexion über denselben; wir beziehen ilm auf unsere Sinnlichkeit, wodurch wir un* ;sere Ohnmacht und auf urisere Vernunft, wo-

durch wir unserer Ueb^rmaclit iniie Werden. Bei dem Pathetisch - Erhabenen erkennen wir die Zweckwidrigkeit des Gegenstandes, und unsere Ohntnächt nicht durch Beziehung und Reflexion über den Gegenstand^ sondern das Gefühl unserer Ohnmacht wird uns unmittel- bar gegeben, unsere Übermacht lüngegen wird nur durch Beziehung erkannt.

Alles Mathematisch -Erhabene ist als sol- ches kontemplativ, es betriff blos die Vorstel- lung des Gegenstandes, nicht den Gegenstand selbst; er wird nicht als ein auf uns wirken- des Objekt betrachtet, sondern wir reflektiren tiur über seine Vorstellung tum Behuf einer tnöglichen Erkeiintnifs. Das Dynamisch Erha- bene aber kann sowohl kontemplativ als pa- thetisch sein. Bei dem Kontemplativ- Dyna- misch-Erhabenen wird der Gegenstand zwar ials physische Gewalt, aber nur als mögliche Ursach einer widrigen Einwirkung auf uns als Naturwesen, als mögliche Ursach eines Lei- dens vorgestellt, und dadurch die Vorstellung unserer Übermacht als intelligible Wesen er- weckt. Wir erkennen die Furchtbarkeit de^ Gegenstandes nur dadurch, dafs wir ihn ver^ tnittelst der Einbildungskraft auf unsern phy-' sischen Zustand int so fern wir Widerstand

273

leisten wollen, beziehen. Dahin gehören das Toben des Sturmwindes, das Brausen des Mee- res überhängende Felsen, die Schnelligkeit mit der die Erde sich um die Sonne wälzt u. s.w. Auch hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: entweder ist der Gegenstand wirklich an sich furchtbar, wir brauchen in der Vorstellung desselben nichts hineinzulegen, sondern uns blos vorzustellen, dafs wir demselben Wider- stand leisten wollen, dies ist der Fall, bei allen so eben angeführten Beispielen; oder der Ge- genstand ist an sich gleichgültig und die Phan- tasie erschaft subjektiv das Furchtbare; dies findet vorzüglich bei dem Aufs erordentlichen und Unbestimmten statt Zu Beispielen die- nen: eine tiefe Stille, eine grofse Leere, eine starke Finstemifs, eine plötzliche Erleuchtung, das Geheimnifs volle in den Mysterien u. s. w. Ein Gegenstand, der uns bekannt ist, des- sen Macht können wir schätzen, und also be- stimmen, ob und wie wir ihm widerstehen können, bei einem unbekannten ungewöhnli- chen Gegenstand ist dies nicht der Fall, un- sere Phantasie wird aufgeregt, es wird ihr ein weiter Spielraum erofnet, und der Erhaltungs- treib äufsert sich und erregt Besorgnifs. Jupi- ter, ruft der tapfre Ajax im Dunkel der Schlacht

aus.

a73

aus, befreie die Griechen von dieser Finster- nifs; lafs es Tag werden, lafs diese Augen se* hen und dann, wenn du willst, lafs mich im Lichte fallen. Dies letztere Erhabene fin- det sich vorzüglich in der rohen Kindheit der Natur, wo der Erhaltungstrieb am stärksten und geschäftigsten wirkt, wo der Mensch, die ihn umgebende Welt am wenigsten kennt und wo die Phantasie am Thätigsten sich zeigt.

Ein unermefsner Bau im schwarzen Flor der

Nacht

Nächst um ihn her mit mattem Strahl be- schienen,

Ein streitendes Gestaltenheer

Die seinen Sinn in Sklavenbanden hielten

Und ungesellig, rauh wie er

Mit tausend Kräften auf ihn zielten

So stand die Schöpfung vor dem Wilden, Schiller in den Künstlern, Bei dem Pathetisch - Erhabenen äufsert der Gegenstand wirklich feindlich seine Macht ; es steht unserer Einbildungskraft nicht mehr frei, den Gegenstand auf den Erhaltungstrieb' zu beziehen, sondern sie mufs dies thun ; sie wird durch den Gegenstand (objektiv) dazu genö- thigt. Nun haben wir oben gezeigt, dafs der Gegenstand, den wir für dynamisch-erhaben

//. 18

274

erklären sollen, uns nicht wirklich selbst in Gefahr bringen, uns in Leiden versetzen mufs> denn sonst würden wir aufser Stand gesetzt, ein Geschmacksurtheil zu fällen, weil wir nicht fähig wären, über unsern Zustand zu reflecti- ren, welches doch zur Hervorbringung eines solchen Urtheils nothwendig erforderlich ist. Das Leiden kann uns also nicht unmittelbar, sondern es mufs uns mittelbar gegeben wer- den; dies geschieht dadurch, dafs der Gegen- stand an einem Wesen unserer Art Leiden hervorbringt, dessen Anschauung in uns den Zustand des Mitgefühls erweckt, wir müsscÄ nicht selbst, sondern nur sympathetisch leiden. Dieses Mitleiden •) steht nicht in unserer Ge- walt, es ist nicht wie beim Kontemplativ-Erha- benen die Wirkung unserer freien Willkühr, sondern unsere Natur zwingt uns dazu. Zum Pathetisch- Erhabenen gehören die Gruppen des Laokoon und der Niobe, Maria Stuart im Schillerschen Trauerspiel, König Lear, Mac- beth von Shakespear, der ecce homo von

*) Der Auadruck Mitleidan wird hier in weiteior Bedeutung £eaommen, als maa ihn im gemeinen Leben braucht, wir verstehen darunter jedes Miteinpfinden eines traurigen Ge- fühls in dem ein anderer sich befindet, Furcbt, Scbfadten, Angst, Verzweiflung, Eutiüstung u. s. rr.

275 Guido Reni in der Dresdner Bildergallerie, u. s. w.

Die Möglichkeit des Mitleidens beruht auf der Wahrnehmung oder Voraussetzung «iner Aehnliclikeit zwischen uns und dem lei^ denden Gegenstand; daher wird dies Gefühl um so gröfser, je gröfser die Aehnlichkeit zwi- schen uns und dem leidenden Gegenstand ist; uns rührt bei übrigens gleichen Umständen das Leiden eines Menschen mehr als das Leiden eines Thiers *). Das Mitleiden aber darf, wenn es der Grund eines Geschmacksurtheils über das Erhabene werden soll, nie bis zum Affekt steigen, nie in Selbstlei' «t^ übergehen, so dafs wir uns mit dem eigentlich Leidenden verwechseln; ein Satz der sich aus dem Vor- l^ergehenden zur Genüge ergiebt.

Leiden kann immer nur an Wesen, in so ferpi sie den Kräften der Natur unterworfen sind, an Naturwesen, ausgedrückt werden. Soll nun ein Gegenstand pathetisch-erhaben

*) Ich habe mit Vorbedacht hinzugefügt „bei übrigens glei- chen Umständen," durch diesen Zusatz wird der Einwurf beantwortet, dals der Mann mehr Antheil an dem Leiden eines Weibes als an dem eines Mannes nimmt, obgleich der Mann ihm mehr ähnlich ist, es finden sich nämlich hier nicht gleiche Umstände, denn das zarte Weib mul« d»i Unglück tiefer fühlen alt d«r bärtcie Mann

sein, so mufs er erstlich als Nafurwesen im Zustand des Leidens dargestellt werden, um Mitleiden in uns zu erregen, dadurch wird er pathetisch; zweitens mufs er das Gefühl un- serer innern Freiheit, unserer Unabhängigkeit von der Naturnothwendigkeit in uns hervorru- fen; dadurch wird er erhaben.

Das Leiden des Gegenstandes mufs also so dargestellt werden, dafs es uns zum Mitleiden bewegt; es darf daher weder zu stark, noch zu schwach sich äufsern. Erregt der Gegen- stand ein zu starkes Gefühl in uns, so werden, wir in einen Zustand versetzt, der uns zu ei- nem Gesch. Acksurtheil unfähig macht, wir müssen uns beim Mitleiden noch immer unse- rer innern Freiheit bewufst bleiben; dies ge- schieht nur daim, wenn entweder das Leiden blofse Illusion und Erdichtung ist, oder wenn es auch in der Wirklichkeit statt gefunden hat, es nicht unmittelbar dur-ch den Sinn, son- dern durch die Einbildungskraft dargestellt wird; auch hier hat die Stärke der Darstel- lung ihre Grenze; wenn lifland (für den ich sonst als Künstler hohe Achtung hege) in ei- nem seiner Schauspiele einen Menschen mehrere Akte hindurch am Gewissen sterben läfst, so wenden wir am Ende das Auge von der Bühne»

277 Überhaupt ist es wohl nicht zu verkennen, dafs mehrere unserer neuen Dicliter um uns zu rühren, unser Herz zerfleischen; dafs auch diese ihr Pubhkum finden, kömmt von der Schlaffheit unserer Zeitgenossen her, für die ein wollüstiger Ergufs in Thränen das höchste ist, was sie von einem ICunstwerk fordern. Ist hingegen das in uns hervorgebrachte Ge- fühl des Mitleidens zu gering, so bleiben wir kalt.

Sollen wir zum Mitleiden bewogen wer- den, so müssen wir den Gegenstand als wirk- lichleidend erkennen; und es darf, sich daher an demselben nichts finden, was diese Überzeu- gung störtCj dahin gehört: frostige Declamati- on, ^ streng von dem Leidenden beobachtete Decenz, so dafs wir in ihm nicht einen Ge- genstand der Natur, sondern ein Produkt der Kunst erblicken; auch mufs er nicht unauf- hörlich weinen und wehklagen, weil wir wis- sen, dafs die Natur sich auf diesem Wege selbst Erleichterung schaff.

Aber nicht die blofse Darstellung des Lei- dens an einem Gegenstande, das uns zum Mit- leiden fortreifst, ist schon zum Pathetisch-Er- habenen hinreichend, durch sie würden wir nur die Schwäche in uns dargestellt fühlen,

sondern es mufe auch der Gegenstand das Ge- fühl unserer innern Freiheit in uns hervor- rufen; dies geschieht nun dadurch, dafs wir wahrnehmen, der Leidende behält seine Selbst- ständigkeit im Schmerz, bei seinem Leiden als Natur wesen (Thier) äufsert sich die Freiheit seiner Person (als Intelligenz). Das Leiden besiegt ihn nicht, er besiegt das Leiden; es kann zwar seine physische Existenz zerstören, aber seine Persönlichkeit nicht vernichten; e& kann die Naturkraft ihn als Naturwesen ver- nichten, denn in so fern ist er ihr unterthan, aber sie kann seinen Willen nicht beugen, denn dadurch ist er trotz aller ihrer Macht, über sie unendhch erhaben. Elisabeth tödtet Maria Stuarts Körper, ihren Geist schlägt sie nicht in Fesseln.

Aus dem Gesagten ergiebt sich, dafs das Pathetisch -Erhabene nur an Menschen oder Menschenähnlichen Wesen dargestellt werden kann; (hieraus folgt, dafs nicht alle schönen Künste pathetisch - erhabene Gegenstände dar- stellen können; dies ist z.B. der Baukunst nicht möglich) der pathetisch- erhabene Gegenstand mufs einerseits ein endliches, abhängiges und mit Gefühl begabtes Wesen sein, er mufs Empfänglichkeit für Leiden haben, auf der

«79 andern Seite aber mufs er auch Freilieit des Willens besitzen, selbstständig, eine moralische Person sein. Die Gottheit, die Engel (die Un- sterblichen, die Reinen, die nicht fühlen, die nicht weinen) sind, wenn man ihnen die Em- pfänglichkeit für Leiden abspricht, keine pa- thetisch- sondern blos kontemplativ- erhabene Gegenstände; will der Dichter die Götter^ Engel, Teufel, oder andere höhere Geister pathetisch- erhaben darstellen, so mufs er sie vermenschlichen, ihnen menschliche Gefühle beilegen. Umgekehrt sind fühlende Wesen, die keine Persönlichkeit besitzen, in so fern vir sie im Leiden erblicken, zwar Gegenstän- de der Rührung aber nicht pathetisch - er- haben.

Hierbei aber müssen wir doch bemerken, dafs wenn wir fordern, dafs der pathetisch er- habene Gegenstand sich als freie InteUigenz äufsern soll, wir dadurch nicht sagen wollen, als müfse der Gegenstand sich moralisch -han- delnd zeigen; bei der moralischen Beurthei- lung der Handlung vergleichen wir sie mit einem bestimmten Sittengesetze, die Beurthei- !ung ist also alsdann nicht blos ästhetisch, sondern logisch; zum ästhetischen Urtheil über das Pathetisch- Erhabene ist blos erfor-

a8o

derlicb, dafs wir erkennen, der Gegenstand äufsere freien Willen ; es niufs uns in ihm ein Vermögen offenbar werden, welches der Ge- walt der Natur widerstehen und sie besiegen kann; welche Richtung diese intelligible Kraft hat, kömmt hier nicht in Betracht, wenn [sie gleich zur moralischen Beurtheilung wesentlich gehört. Macbeth, Bichard, Wallenstein m s. w. sind pathetisch-erhabene Gegenstände, ob wir gleich ihre Handlungen in R.ücksicht auf sittlichen Werth nicht billigen können. Bei der ästhetischen Beurtheilung werden wir auf eine Kraft (Freiheit der Willkühr) hinge- wiesen, die wir in uns gleichfalls antreffen und deren Unendlichkeit wir uns bewufst sind. Es mufs daher in der Anschauung des Pa- thetisch-Erhabenen etwas sich finden, was wir als Produkt des freien Willens zu betrachten haben, und wodurch der Gegenstand seine Unabhängigkeit von der Natur beweist; er mufs der Natur Aviderstehen, das Leiden be- kämpfen, so wird grade durch das Leiden seine Freiheit offenbar, die Selbstständigkeit seines Geistes zeigt sich durch den. Zustand des Leidens; beide sind innig zusammenver- bunden und darum iiud die im Erhabenen

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sich findenden Gefühle von Unlust und Lust gleichfalls innig verknüpft.

Wir können aber die Selbstständigkeit des Gegenstandes nicht unmittelbar erkennen, denn sie gehört zu seinem Innern, was dem äufserm Sinn nie gegeben werden kann, son- dern wir müssen vermittelst Anschauungen des äufsern Sinnes darauf schliefsen; es müssen also an dem leidenden Gegenstande Erschei- nungen sichtbar werden, welche nicht durch die Natur (Instinct) gewirkt sind. Wenn Epaminondas sich weigert den Wnrfspiefs aus der Wunde ziehen zu lassen, so gewallig er auch leidet, um die Nachricht \ .n dem Aus- gang der Schlacht vor seinem Tode noch zu erhalten, so weist uns diese Erscheinung auf seine intelligible Kraft hin; wenn Leonidas mit seinen Getreuen dem sichern Tod bei Vertheidigung der engen Pässe von Thermo- pylä enrgegen geht, um Griechenlands Feind aufzuhalten, so erkennen wir darin die JMacht seines Willens; Laokoon selbst ein Opfer der scheuslichen Schlangen vergilst sein eigenes Leiden und ist nur mit dem beschäftigt, was seine Kinder betrift. In der Braut von Messi- na erscheinet Don Cäsar als ein Gegenstand des Pathetisch -Erhabenen, indem er die Stra-

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fe des Brudermords an sich selbst vollzieht. Auf Erden ist niemand der ihn richten kann^ sagt er selbst^ er mufs also allein an sich Ge- rechtigkeit üben. Die Bitten seiner Freunde, das Flehen seiner Mutter, die innige Anhäng- lichkeit an seine Schwester, die neu erwachte Liebe zum Leben, nichts kann ihn zurück- haken, sich selbst der Gerechtigkeit zum Opfer darzubringen und seine Blutschuld durch sein Blut zu versöhnen.

Diese Erscheinungen, welche die Selbst- ständigkeit des Geistes offenbaren, sind von doppelter Art: entweder negativ, wenn di© Natur die Freiheit des Menschen nicht be- siegt, oder positiv, wenn die Freiheit die Na- tur besiegt; das erstere nennt Schiller das Er- habene der Fassung, das andere das Erhabene der Handlung. Beim Erhabenen der Fassung wird das Leiden gegeben, es entspringt nicht aus dem Willen, aber es kann auch den Wil- len nicht beugen. Beispiele des Erhabenen der Fassung sind ; Satan , der in Miltons ver* iohrnem Paradies im ersten Buch die Hölle so anredet : „Schrecken ich grüfse Euch , und dich unterirrdische Welt und dich tiefste Hölle. Nimm auf deinen neuen Gast. Er kommt zu dir mit einem Gemüthe, das weder

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Zeit noch Ort umstalten soll. In seinem Gemüthe wohnt er. Das wird ihm in der Hölle selbst einen Himmel erschaffen. Hier endlich sind wir frei.** Baillj befand sich auf dem Blutgerüst und wollte seinen Kopf der Guillotine darbieten, als man seine Hin- richtung deshalb verzögern mufste, weil das Seil an der Todesmaschiene gerissen war. Der grofse, unglückliche Mann war dem Spott seiner Gegner desto länger ausgesetzt, auch der häufig fallende kalte Regen gesellte sich zu seinem Ungemach. Es trat jemand zu ihm und fragte ihn hämisch? Du zitterst, Bailly? Vor Kälte, antwortete er gelassen. In Racines Athalia in der ersten Scene des ersten Akts antwortet der Hohepriester Joad dem Abner, der ihn auf seine gefahrvolle La- ge aufmerksam macht. Je crains Dieu, eher Abner, et n'ai point d'autre crainte. Beim Er- habenen der Handlung entspringt das Leiden aus der freien Willkühr; und hier sind zwei Fälle zu unterscheiden, entweder übernimmt man andere Zwecke wegen des Leidens frei- willig, oder das Leiden entspringt aus dem moralischen Wesen des Menschen. Epami- nondas, Leonidas in den vorhin angeführten Beispielen, Regulus, der freiwillig nach Gar-

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tliago zurückkehrt, wo ein gewisser Tod sei- ner wartet, Godrus, der sich fürs Vaterland opfert, Iphigenia in Aulis u. s, w,, dienen zur Erläuterung des ersten Falls. Da ich S. 57. aus der Iphigenia in Aulis des Euripides, die Stelle angeführt habe, wo in der Iphigenia der Lebenstrieb so gewaltig spricht, und sie alles aufbietet, um den Vater zu bewegen, sie nicht zu opfern, so will ich hier die Stelle noch an- führen, wo sie aus freier Walil dem Tode sich weiht; dort sprach die Natur aus ihr, hier die Griechin . Achill will Iphigenien vom To- de retten, er widersetzt sich ihrer Opferung, aber alle Griechen fordern sie laut, doch ist er gesonnen sein an Clytemnestra und Iphige- nia gegebenes Wort, selbst wenn er umkom- men müfste, zu halten; darauf spricht Iphi- genia :

Höre IMich an, geliebte Mutter. Hört mich beide. Was tobst Du gegen den Gemahl? Kein Mensch Mufs das Unmögliche erzwingen wollen. Das gröfste Lob gebührt dem wohlgemeinten, Dem schönen Eifer dieses fremden Freundes, Du aber, Mutter, lade nicht vergeblich Der Griechen Zorn auf Dich und stürze mir Den grofsmuthsvoUen Mann nicht ins Verderben,

28

r

Verniifim jeLxt, was ein ruliig Ueberlegen Mir in die Seele gab. Ich bin entschlossen Zu sterben, aber ohne Widerwillen Aus eigner Wahl und ehrenvoll zu sterben! Hör meine Gründe an und richte selbst. Das ganze grofse Griechenland hat jetzt Die Augen auf mich Einzige gerichtet. Ich mache seine Flotte frei durch mich Wird Phrygien erobert. Wenn fortan Kein griechisch Weib mehr zittern darf, ge- waltsam Aus Hellas seel'gem Boden weggeschleppt Zu werden von Barbaren, die nunmehr Für Paris Frevelthat so fürchterlich Bezahlen müssen aller Ptuhm davon Wird mein sein, Mutter. Sterbend schütz ich

sie. Ich werde Griechenland errettet haben, Und ewig seelig wird mein Name strahlen. Wozu diis Leben auch so ängstlich lieben? Nicht dir allein Du hast mich allen Griechen GemeinschaftHch gebohren. Sieh' dort. Sieh' Die Tausende, die ihre Schilde schwenken, Dort andre Tausende des Ruders kundig. Entbrannt von edlem Eifer kommen sie, Die Schmach des Vaterlandes zu rächen, gegen Den Feind durch tapfre Kriegesthat zu glänzen

285

Zu sterben für das Vaterland. Dies alles Macht' ich zu nichte, ich ein einzigs Leben? Wo, Mutter, wäre das gerecht? was kannst Du hierauf sagen? Und alsdann

(^sich gegen Achilles wendend")

Soll dieser es Mit allen Griechen eines Weibes wegen Aufnehmen und zu Grunde gehn ! Nein doch! Das darf nicht sein! Der einz'ge Mensch

verdient Das Leben mehr als hunderttausend Weiber. Und will Diana diesen Leib , werd ich Die Sterbliche, der Göttin widerstreben? Umsonst! Ich gebe Griechenland mein Blut; Man opfre mich, man schleife Trojas Veste. Das soll mein Denkmal sein auf ew'ge Tage Das sei mir Hochzeit, Kind, Unsterbhchkeit ! So will's die Ordnung und so sei's. Es

herrsche Der Grieche und es diene der Barbar! Denn der ist Knecht und jener frei gebohren.

Chor,

Dein grofses Herz zeigst Du doch grau- sam ist

Dein Schicivsal und ein hartes Urtheil sprach

Diana.

387

Achilles, Wie glücklich machte mich der Gott, der Dich Mir geben wollte, Tochter Agamemnons! Glücksel'ges Griechenland, so schön errettet! Glückselig Du, durch ein so grofses Opfer Geehrt! Wie edel hast Du gesprochen, Wie Deines Vaterlandes werth! Der starken Nothwendigkeit willst Du nicht widerstreben. Was einmal sein mufs, mufs vortrellich sein. Je mehr dies schöne Herz sich mir entfaltet, Ach desto feuriger lebt's in mir auf Dich als Gemalin in mein Haus zu führen. O sinn' ihm nach. So gern thät' ich Dir

Liebes Und /ührte .Dich als Braut in meine Woh- nung. Kann ich im Kampfe mit den Griechen Dich Nicht retten o, beim Leben meiner

Mutter ! Es wird mir schrecklich sein. Erwägs genau. £s ist nichts kleines um das Sterben,

Jphigenia,

Meinen Entschlufs bringt kein Beweggrund mehr zum

Wanken, Mag Tyndars Tochter, herrlich vor uns allen,

283^

Durch ihre Schönheit Männer gegen Männer Im blut'gen Kampf bewafnen meinetwegen Sollst Du nicht sterben, Fremdling. Meinet- wegen Soll niemand durch Dich sterben! Ich ver-

mags Mein Vaterland zu retten, Lafs rnich's immer.

Das Leiden kann endlich nicht aus der physischen Natur, sondern aus dem morali- schen Wesen entspringen; aber es wird nicht freiwillig übernommen, sondern es wird durch das gesetzgebende Vermögen ; der Vernunft auferlegt; hier erscheint das Pfhchtgebot als Macht und das Leiden ist Wirkung. Die Er- habenheit des Gegenstandes beruht sodann nicht auf seinen moralischen Werth, sondern auf die anschauliche Darstellung der Kraft des Sittengesetzes. Dies fmdet statt, wenn wir sehen, dafs jemand durch das Bewufstsein seiner Schuld elend gemacht wird: auch hier mufs das Leiden nicht so dargestellt werden, dafs der Affekt in den wir versetzt werden, Uns hindert, auf die Erhabenheit unserer prak- tischen Vernunft zu achten. Beispiele der Art sind: Doi\ Cesar in der Braut von Mes-

fiua

Ö89

sina, und wir fühlen die Waliihelt des Aus- spruchs, womit das Stück schliefst,

jjDas Leben ist der Güter höchstes nicht. Der Übel gröfstes aber ist die Schuld,^^ Ferner das Gewissen von lill.ind ; Orest, Oedip, u. s. w,, im griechisdien Trauerspiel; Mac- beth ; Entzückune des las Casas in Eno-els Philosophen für die Welt*

„Aber noch stand der Greis ^ ^en Blick zur Wolke gesenkt und trüben, denkenden Ernst auf der Stirne : denn ihm prefste das Herz jener unselige Rathschlag, womit er eiast, in unbedachter Verzweiflung, um das eine Volk zu erleichtern, das andere erdrück- te; alle Gedanken seiner Seele schweiften um- her am Gambia und am Senegal, bis tief ins Innerste jenes Welttheils, wo verräthericher ewiger Krieg den Barbaren Europens Myria- den auf Myriaden in ihre Ketten liefert. Und sie kam endlich, nach unzähligen bessern, diese gefürchtete That, schwarz und scheufs- lich in ihren Folgen wie eine Unthat der Hölle, und reicher an Blut und an Thränen, als sie je der reumüthige Greis in der finster- sten seiner Nächte träumte. Aller Gräuel der Bosheit und alle Wehklage der Unschuld war im Andenken yot Gott, aller unsägliche, im-

denkbare, unendliche Jammer im Mutterlande, auf dem Meer, auf den Inseln; alles Hinsin- ken der ersterbenden Kraft und alle Geifsel- hiebe statt Erquickung und Schlummers; alles Wimmern der sich sträubenden l'odesangst, und alle Stille der dahingegebenen Verzweife- lung. Las Casas stand als sollte ihn das Ent- setzen vernichten. Er dachte jetzt nicht den Heiligen, den Gerechten, vor dem keine Fin- sternifs deckt und kein Flügel des Lichts si- chert; voll des innigsten, tiefsten Erbarmens dacht' er nur das endlose Elend aller dieser Tausende, seiner Brüder. Da der Engel ihn sah, wie die Reue mit allen ihren Nattern ihm an die Seele fiel, und wie er das Kleinod seiner Natur, die Unsterblichkeit, hätte geben mögen, um seine Schuld zu vertilgen, da ent- flofs auch ihm eine Thräne."

Zur leichtern Übersicht will ich das, was über die Arten des Pathetisch -Erhabenen ge- sagt ist, kurz zusammen stellen.

Das Leiden, was an dem pathetisch- er- habenen Gegenstande dargestellt wird, wird entweder allein durch die sinnliche Natur (in- nere oder äufsere) gegeben, und der Mensch übernimmt sie sodann nicht freiwillig; oder es wird durch die moralische Natur gegeben,

und es ist in diesem Fall, entweder freiwillig übernommen oder aufgedrungen,

Ich verweise meine Leser*, wenn sie über die Lehre vom Erhabenen mehr nachzulesen wünschen, auf den Abschnitt Kants Critik der Urtheilskraft , der diesen Gegenstand betrach- tet, und aufser diesem auf Schillers trefiiche Abhandlungen über das Erhabene und über das Pathetische im dritten Theil seiner prosai- schen Schriften.

Tabellarische Darstellung der v ers chiedentn Arten des Erhabenen überhaupt.

Man kann das Erhabene nach folgenden drei verschiedenen Eintheilungsgründen ein- theilen :

1. Nach den verschiedenen Arten der Qtq* fse, welche beim Erhabenen sich findet, da zerfällt es

in das der extensiven - und in das der inten'

si'ven Gröfse das Mathernatisch * das Dynamisch - Er- habene,

2. Nach den verschiedenen Arten der Ge- genstände, woran die Gröfse sich findet

J92

in das Erhabene der Natur in das Erhabene der

Freiheit physisch erhaben Tnoralischerhaben^

Das Physisch- Erhabene gehört entweder zur äufsern Sinnenwelt oder zur innern, im ersten Fall ist ein Körper, im zweiten die Seele der Gegenstand. Bei dem letztern kann man wieder das Sinnliche vom Intellectuellen un- terscheiden. — Das Moralisch-Erhabene ist stets intellectuelh

5. Nach der Beziehung aufs urtheilende Sub- jekt, da zerfällt das Erhabene in das kontemplati've und in das pathetische^

Meine Leser werden die Begriffe, woraus sich die drei aufgestellten Eintheilungsarten des Erhabenen ableiten lassen, gewifs ohne Bonderliche Mühe auffmden; es sind die bei einer jeden Vorstellung zu unterscheidenden drei Stücke: Vorstellung, Objekt und Subjekt. Die Eintheilung des Erhabenen selbst, der Quamität nach, in das einfache und zusam- mengesetzte, der Qualität nach in das reine und gemischte, der Relation nach in das der Natur und Kunst, und der Modalität nach in das Wirkliche (Grofse) und Ideale (eigentlich Er-

293

liabene), ist leicht verständlich und mit der oben beim Schönen -gegebenen vollkommen übereinstimmend,

f^o n tieft mit dem Erhabenen verwandten Ge- fu hie /(.

Das Gefüjil des Erhabenen' beruht auf der Vorstellung der Ideen, welche durch Vor- stellungen der Sinnlichkeit in uns erweckt werden, und wodurch unser Geist sich über das Gebiet der Sinnenwelt erhebt. Die Ver- nunft beweist bei ihm ihre Herrschaft über die Sinnlichkeit. Nennen wir nun das Gefühl der Übermacht der Vernunft über die Sinn- hchkeit Achtung, so sieht man wohl, dal's das Geiüld des Erhabenen ein Gefühl der Ach- tung ist. Dies Gefühl der Achtung, wenn es durch einen sinnlichen Gegenstand erweckt wird, und die Überlegenheit der Vernunft über die Einbildungskraft anschaulich macht, ist das Gefülil des Erhabenen, und wir nen- nen den Gegenstand der uns dies Gefühl ein- flöfst selbst erhaben. Das Urtheil welches da- durch begründet wird ist ästhetisch, —r- Das Gefühl, welches die praktische Vernunft als freie Gesetzgeberin wirkt, indem sie der Sinn- lichkeit gebietet, tmd alle Einschmeichelung

a54

der Neigungen absclilägt, die Selbstliebe ein- schränkt und ihr Abbruch thut, ist auch Ach- tung, moralische, praktische, wie Kant sie auch nennt: Achtung fürs Sittengesetz, sie begrün- det ein praktisches und kein ästhetisches Ur- theil. Dieses Gefühl ist die einzig reine sitt- liche Triebfeder, und es mufs vorhanden sein, wenn eine Handlung aus Pflicht gesche- hen soll,

Achtung also betrift nur die Vernunft, und ein Gegenstand bewirkt in mir nur dies Gefühl, insofern ich der Oberherrschaft der Vernunft als Vermögen inne werde. Diese Achtung selbst hat keinen Grad, sondern ist wie di^ Vernunft selbst nur eine, Inso- fern ich also in mir und andern die Unabhän- gigkeit und Übermacht der Vernunft inne werde, fühle ich Achtung; ich achte die Ver- nunft in anderen oder in meiner Person, In- sofern aber von der Vernunft nicht mehr aU einem gesetzgebenden Vermögen ^ sondern von einer die Willkühr bestimmenden Kraft die Rede ist, so giebt es verschiedene Grade dieser Kraft, welche nur durch die Besiegung des Widerstandes erkannt werden können. Erkennen wir einen hohen Grad der Vernunft als Willensbestimmender Kraft, 60 fühlen wir

29S

HochachtuJig für den, bei welchem sie sich äufsert. Ihr gegenüber steht Verachtung, ^venn auch nicht der geringste Grad der sitt- liclien Willenskraft sich zeigt. Da beim Er- habenen als solchem die Vernunft nur als . libersinnliches Vermögen, nicht als Kraft sich äufsert, so findet keine Hochachtung, sondern Achtung dabei statt, Hochachtung ist also nur in moralischer Beziehung möglich , und zwar wird sie nur für freie Wesen gefühlt werden können; ein gleiches gilt von der Ver- achtung. Die freien Wesen sind nun entwe- der wir selbst oder andere. In Piücksicht auf uns selbst findet zwar Achtung für das freie gesetzgebende Vermögen und deren Gesetze statt; Hochachtung aber nicht, weil wir uns stets der Gebrechlichkeit unserer Tugend be- wufst werden, sobald wir das, was wir gethan haben mit der Forderung der Vernunft zusam- men halten, Erfüllung unserer Pflicht im Kampf gegen die Neigung sichert uns blos vor Ver- achtung, die wir auch gegen uns fühlen, ■wenn wir durth kleine Hindernisse uns bewe- gen lassen, von der Tugend zu weichen. Die Menschheit müssen wir in der Person je- des vernünftigen Wesens achten; die Thaten, welche groCse moralische Kraft zeigen, flöfsen

uns Hochaclitung ein, so wie ganzlicKer Mani gel an Widerstand gegen die sinnlichen Be^ gierden Verachtung, -r- Hochachtung und Verachtung hat Grade; die Achtung aber nicht, weil sie einzig ist, indem sie auf ein und das- selbe übersinnliche gesetzgebende Vermögen sich bezieht, -r- Achtung geht auf das Ver- hältnifs der sinnlichen Natur zu den Forden rungen der Vernunft ohne Rücksicht auf eine wirkhche Erfüllung; Hochachtung geht auf wirkliche Erfüllung eines praktischen Vernunftr gesetzes und wird nicht für das Gesetz, son- dern für die Person, welche demselben gemäfs handelt, empfunden. Bei der Gottheit als dem heiügen Gesetzgeber wird Hochachtung zur Achtung. Verbindet sich mit der Ach- tung oder Hochachtung vor einem Wesen die Vorstellung seiner uns überlegenen Macht, so «ntspringt Ehrfurchb ; diese ist von der Furcht wesentlich verschieden, weil die Gefahr seiner Macht zu unterliegen nicht als wirklich vor- handen vorgestellt, sondern nur als blofse Möglichkeit gedacht wird. So hegt der Tu- gendhafte Ehrfurcht vor Gott ; mit dem Gefühl der {Achtung, dafs die Vorstellung desselben als heiligen Gesetzgebers in ihm erweckt, ver- bindet sich die Vorstellung seiner unendlichen

^97 Macht, welcher Widerstand leisten zu wollen, öüch nur als Möglichkeit gedacht den Men- schen als Nichts erscheinen läfst, allein der Tugendhafte mit dem Bewufstsein seiner Pieclit- schaiTenheit weifs, dafs er die Gottheit nicht zu fürchten hat, insofern der Fall nicht ein- treten kann, dafs sie als Macht gegen ihn auf- tritt. — Macht allein genommen erzeugt blos Furcht, mit Achtung oder Hochachtung ver- bunden Ehrfurcht« —^ Wir legen dem Gegen- stände, welchem der höchste Grad der Ehr- furcht zukömmt, Yon dem der Gedanke der Widersetzung ganz wegfüllt, Majestät bei; 80 sprechen wir von der Majestät Gottes, des Gesetzes, des Volks, des Beherrschers u. s, w. Mit der Majestät ist also das [ivlerkmal des JHerrschens verbunden»

Der sinnliche Ausdruck der Kraft der Vernunft giebt TVürde ; sie fmdet nur in Rück- sicht auf Moraiität statt, und kann also nur bei freien vernünftigen Wesen angetroffen werden. Sittliche Schönheit ist Grazie^ sittliche Gröfse anschaulich dargestellt (sittliche Erhabenheit) ist Wurde, Die letzte zeigt sich im Kampf mit der Neigung, und kann nur durch die Gröfse des Widerstandes erkannt werden. Ein sanfter Tod, der gleich dem Schlaf uns iini-

^98

fängt (da kam der Tod mit leisem Tritt und brachte seinen Bruder mit) ist ein schöner Tod; im Tode, der gewaltsam ergreift, kann der Sterbende Würde zeigen. Jene Kinder, die den Wagen der Mutter zum Tempel zo- gen, und die die Götter im Schlaf zu sich nahmen, starben einen schönen Tod; Sokra- tes, Hufs, Charlotte Corday, Bailly, Madame Pioland bewiesen Wüde im Tode. Die Grazie der menschlichen Gestalt liegt in der Freiheit der willkühriichen Bewegungen, die Wurde in der Beljerrschune der unvvillkührii- chen. So gehört fester Gang, Haltung, freier ofner BKck, kraftvoller Ton u. s. w. insofern sie Kraft des Geistes (Charakter) bezeichnen, zur Würde; leichte Beweglichkeit, Musik der Stimme zur Grazie,

Ein Gefühl heifst ernst ^ wenn es tief ein* dringt und uns zum Nachdenken auffordert. > So wird der Anblick eines Schlachtfeldes ern- ste Gefühle in uns erregen; mr werden zum Nachdenken aufgefordert, über die Wuth, mit welcher die Menschen sich untereinander mor- den, über den Ehrgeitz der Herrscher, über das Unglück und die Muthlosigkeit oder den Leichtsinn der zur Schlachtbank Geführten^

über die Entwickelung jler Krärte durch den Krieg u. s. w.

feierlich nennen wir dasjenige, was das Gemüth zu etwas Grofsem und Wichticem vorbereitet. Es ist mit dem Erhabenen ver- wandt, insofern es Hemmung der Thätigkeit hervorbringt und dadurch die Ungeduld an- spornt, schneller fortzuschreiten. Zum Feior- hchen gehören: dumpfe Töne (gedämpfte Musik, dumpfwirbelnde Trommeln, fernhin rollender Donner) starke Töne, die gleichför- mig wiederkehren, (Läuten der Glocken, Ka- nonenschüsse in gemessenen Abschnitten), Choralmusik, Orgelton, Leichenzüge bei de- nen Pracht mit Furchtbarkeit verbunden u.s. w.

Erhabenheit setzt Gröfse voraus, das Gro- fse überschreitet den gewöhnlichen Maafsstab, also gehört es in dieser Hinsicht zu dem Au- fserorden thchen; daher ist das Gefühl beim Erhabenen mit den Gefühlen der Verwunde- rung und Bewunderung verwandt. J^'erwunde- rung ist ein Gefühl, welches ein Gegenstand erregt, insofern er unsere Erwartung über- steigt. Wir verwundern uns über die Schaam- losigkeit, mit welcher uns jemand eine Sache abstreitet, die wir gewifs wissen; wir verwun- dern uns über die Fortschritte, die ein Mensch

kn seinen' Kenntnissen gemacht hat. Steigt dies Gefühl bis zum Affekt, so ;\vird es Er* staunen genannt. Bexvunderung ist mit der Verwunderung sehr nahe verwandt, sie unter- scheiden sich nur darin voneinander, dafs die Bewunderung bleibt, wenn auch die Neuheit verschwunden ist. Bei der Verwunderung so- wohl als bei der Bewunderung findet eine au- genblickliche Hemmung unserer Geistesthätig- keit statt, weil wir auf etwas stofsen, was wir mit unserer gewöhnlichen Reihe von Vorstel- lungen nicht in Harmonie bringen können. Das worüber wir uns verwundern^ kann uns durch öftere Wiederholung gewöhnlich wer- den und dann verliehrt sich dies Gefühl nach und nach; Bewunderung aber beru]it auf ei- ner Hemmung, die nicht gehoben werden Itann, sondern immer wiederkehrt, so oXt wir den Gegenstand betrachten, -r-

T^underhar in weiterer Bedeutung ist das, was Verwunderung erregt; in engerer Bedeutung dasjenige, was aufserhalb den Gren- zen der Natur liegt, und in dieser letztern Bedeutung wird es vorzügUch bei Werken de? schönen Kunst gebraucht» Die übersinnlichen Wesen, als Götter, Engel, Teufel u, s. w. gfi|-

^01

hören zum Wunderbaren in der letztern Be- doutung.

Die Verwandtschaft aller dieser genanm^ ten Gefühle mit dem Gefühl des Wohlgefal- lens am Erhabenen ist in die Augen fallend, aus dieser Verwandtschaft ergiebt sich, dafs die Igenannte Gelühle gar sehr geeignet sind, mit dem Urtheile über das Erhabene verbun- den zu werden, obgleich diese Verbindung nicht bei allen nothwendig ist»

Was das Gefühl der Achtung im weitern Sinne betriff ^ wo es durch die Überlegenheit der Vernunft in ihrer Freiheit über die Sinn- lichkeit bewirkt wird, so ist es mit allen Ur- th eilen über das Erhabene wesentlich verbun- den , weil bei allen diese Überlegenheit durch die Reflection erkannt werden mufs. Ist aber Von sitttlicher Achtung die Rede (von der Achtung welche durch die im Reiche der Sitt- lichkeit gesetzgebenden Vernunft erzeugt wird), so findet sie sich nicht nothwendig bei allen Geschmacksurth eilen, welche das Erhabene zum Gegenstande haben und sie finden 2. B, sehr oft beim Theoretisch -Erhabenen nichfc statt. Der dem Auge unbegrenzte Ocean ist erhaben, ohne dafs mit ihm das Gefühl dei* sittlichen Achtung verknüpft ist, umgekehrt

hingegen ist jeder Gegenstand, welcher seiner I^ atur nach dies Gefühl in uns erregt, ein er- habener Gegenstand, dahin gehört z. B. die ^ orstellung der PHicht, des Sittengesetzes u. S'. w. Was wir so eben von der Achtung ge- jsagt haben, gilt aucli von der Hochachtung. Sie ist nicht nothwendig mit dem Unheil über das Erhabene verknüpft, kann aber mit dem- selben verknüpft werden; jedoch ist nicht jeder Gegenstand der Hochachtung eben dadurch frchon erhaben. Die Ehrfurcht ist an sich selbst ein erhabenes Gefühl und die Majestät ein erhabener Gegenstand.

Das Feierliche kann sehr schicklich mit dem Erhabenen verbunden werden, und das Gemüth auf dies Gefühl vorbereiten, oder das letztere verstarken. Dies ist der Fall bei dem durch die Orgel begleiteten Chorgesang,

So hebt in Gottes Tempel sich Voll ernster Andacht feierlich Des Chors harmonischer Gesang Mit Orgel und Posaunenklang Dafs rings der hochgesäulten Hallen Durchdämmerte Gewölb' erschallen Von Gott der Erd und Himmel schuf; Der Fromme horcht den Donnerruf

Des dreimal Heilig, staunt, erschrickt Und wird zur Engelwonn entzückt.

Vofs.

bei dem Kanonendonner und den Salven aus kleinem Gewehr, welche das Te Deiim beglei- ten ; bei den Ceremonien eines Leichenbe- gängnisses,

Mit schwarzem Flor behancen war das

Schilf Der Kirche, zwanzig Genien umstanden Mit Fackeln in den Händen den Altar, Vor dem der Todtensarg erhaben ruhte, Mit weifsbekreuztem Grabestuch bedeckt. Und auf dem Grabtuch sähe man den Stab Der Herrschaft liegen und die Fürstenkrone, Den ritterlichen Schmuck der goldnen Sporen, Das Schwerdt mit diamantenem Gehänjr.

Und alles lag in stiller Andacht knieend, Als ungesehen jetzt vom hohen Chor Herab die Orgel anfing sich zu regen, Und hundertstimmig der Gesang begann Und als der Chor noch fortklung, stieg der

Sarg Mit sammt dem Boden, der ihn trug, allmählig Versinkend in die Unterwelt hinab, Das Grabtuch aber überschleierta

5oi

Weit ausgebreitet {die verborgne Mündung, Und auf der Erde blieb der irrd'sche Schmuck Zurück, dem Niederfabrenden nicht folgend. Doch auf den Seraphsflügeln des Gesangs Schwang die befreite Seele sich nach oben Den Himmel suchend und den Schoofs der

Gnade.

^us Schillers Braut -Von Messina^

Obgleich die Verwunderung sich mit der Vorstellung des Erhabenen verbinden kann, wie dies bei dem der Fall ist, der zum ersten- mal ein Linienschiff sieht, so ist doch nicht jeder Gegenstand der uns in Verwunderung «etzt, erhaben, denn zum Erhabenen gehört Gröfse, wir können uns aber auch über kleine Gegenstände verwundern» Ein gleiclies gilt von der Bewunderung; allerdings giebt es meh- rere erhabene Gegenstände, die zugleich be- wundernswürdig sind, dalün gehören die Ord- nung in der unermefslichen Sinnenwelt, die Ruinen von Pahnira, die Pyramiden in Ägy- pten u. s. Vsr,; aber wir können auch Gegen- stände bewundern, ohne dafs wir sie für er- haben erklären, z. B. sehr feine anatomische Einspritzungen; auch giebt es erhabene Ge- genstände, welche nichts bewundemswerthes An sich tragen; eine weite Einöde, die dunkle

Nacht

3o5

Nacht deckt und welche durch das Geheul reifsender Thiere noch gräfslicher wird, ist ein dynamisch -erhabener Gegenstand, erregt aber keine Bewunderung.

Das Wunderbare läfst sich sehr leicht mit dem Erhabenen verbinden, und vermehrt den Eindruck desselben, obgleich nicht jedes Wunderbare an sich schon erhaben ist; wie dies die Spiefsischen Romane zur Genüge be- weisen.

Scene aus Göthens Faust als Beispiel des Erhabenen was mit Wunderbarem (Unbegreif- lichem) verbunden ist.

Margarethe^ Glaubst Du an Gott?

Faust. Mein Liebchen wer darf sagen Ich glaub an Gott! Magst Priester oder Weise fragen Und ihre Antwort scheint nur Spott Über den Frager zu sein.

Margarethe,

So glaubst Du nicht? Faitst. Mifshör' mich nicht, Du holdes Angesicht. Wer darf ihn nennen?

*■*' 20

So5

Und wer bekennen^

Ich glaub ihn?

Wer empfinden

Und sich unterwinden

Zu sagen, ich glaub ihn nicht J

Der Allumfasser,

Der Allerhalter,

Fafst und erhält er nicht,

Dich, mich, sich selbst?

"Wölbt sich der Himmel nicht da droben?

Liegt die Erde nicht hier unten fest?

Und steigen freundlich blickend

Einige Sterne nicht hier auf?

Schau ich nicht Aug in Auge Dir

Und drängt nicht alles

Nach Haupt und Herzen Dir

Und webt in ewigem Geheimnifs

Unsichtbar, sichtbar neben Dir?

Erfüll davon Dein Herz, so grofs es ist,

Und wenn Du ganz in dem Gefühle sehg bist,

Nenn es dann, wie Du willst,

Nenn*s Glück! Herz! Liebe! Gott!

Ich habe keinen Namen

Dafür! Gefühl ist alles.

Name ist Schall und Rauch

Umnebelnd Himmelsgluth.

'P'on der Rükrun^i

Rühren in der weitesten Bedeutung heifst ein solches Gefühl hervorbringen, wodurch ir- gend einer in der Seele vorhandenen Triebe rege gemacht wird "*'); in engerer Bedeutung fichlielsen wir diejenigen Gefühle aus, welche blos auf den Erkenntnifstrieb wirken (Auf- merksamkeit, Wifsbegierde, Neugierde erregen), so wie auch diejenigen, welche sich mit kei- ner ernsten Gemüthsstimmung vertragen (alles Lächerliche, Scherzhafte u. s. w.); in noch engerer Bedeutung fügen wir das Merkmal hinzu, dafs das hervorgebrachte Gefühl einen nicht gewöhnlichen Grad der Stärke habe, und also sehr merklich aufs Begehrungsver- mögen wirke (ein AflPekt sei); in der engsten Bedeutung endlich verstehen wir darunter ein Gefühl des Mitleidens hervorbringen.

In der ersten Bedeutung wird der Aus* druck Rühren gebraucht, wenn man sagt, den stumpfen Feuerländer rührt der Anblick eines Schilfs nicht, ob er gleich nie ein solches un- geheures Gebäude sähe, er sitzt unbeweglich still und wendet nicht einmal den Kopf um

•; Die Grunilbedeutuög voii rivhreli ist Vfohl bewögert ; die» »ieht man aus.- Er rückt und lührt sicU laicht, umrühreti. A.ifrü}ireii u. •. TT,

•dasselbe mit den Augen zu verfolgen; in der zweiten Bedeutung, wenn man sagt, von dein Knaben erwarte ich wenig Gutes, es rührt ihn weder Lob noch Tadel; in der dritten Be- deutung nennt man Erregung der Bewunde- rung, Achtung, des Zorns, der Freude u. s. w. Rülirungen (Gemiithsbewegungen), und end- lich in der engsten Bedeutung wird der Aus- druck gewöhnlich im gemeinen Leben ge- braucht; wenn man z. B. sagt, der Anblick des Unglücks seines Freundes hat ihn bis zu Thränen gerührt.

Mit dem Erhabenen ist jederzeit Rührung verbunden, beim Mathematisch - Erhabenen wird der Erkenn tnifs trieb in Bewegung gesetzt, beim Dynamisch -Erhabenen wird aufs Begeh- rungsvermögen gewirkt; und dieser genauen Verbindung mit dem Erhabenen wegen, lassen wir auf die Abhandlung desselben, die Unter- suchung über die Rührung folgen.

Unterscheidung der Rührungen der (Quan- tität nach.

Die Rührungen haben als Gefühle nur eine intensive Gröfse, einen Grad; und hier zerfallen sie in zwei Arten, in sanfte und starke. Die sanfte Fiührung nannten die Grie- chen J3.^«5, die starke n»^oi. Bei der sanften

3o9

Rührung wird das Gemüth nur mafsig und leise bewegt, bei der starken hingegen bemei- stert sich das Gefühl des Gemüths; sanfte Rührung erweckt in uns die letzte Scene in Schillers Jungfrau von Orleans:

Johanna. Wo bin ich?

Burglind. Bei Deinem Volk, Johanna, bei den Deinen.

Könige In Deiner Freunde, Deines Kö- nigs Armen,

Johanna, (nachdeni sl« ihn lang »tarr angesehen.)

Nein ich bin keine Zauberin, gewits, ich bina nicht.

König, Du bist heilig wie die Engel Doch unser Auge war mit Nacht bedeckt.

. Johanna, »iaht heiter lächelnd umher.

Und ich bin wirklich unter meinem Volk Und bin nicht mehr verachtet und verstofsen? Man flucht mir nicht, man sieht mich gnä- dig an? Ja jetzt erkenn ich alles deutlich wieder, Das ist mein König! Das sind Frankreichs

Falinen ! Doch meine Fahne seh ich nicht. Wo

ist sie? Nicht ohne meine Fahne darf ich kommen, Von meinem Meister ward sie mir vertraut.

3io

Vor seinem Thro'n mufs icli sie niederlegen Ich darf sie zeigen, denn ich trug sie treu,

Ji.Önig mit abgewandcem Gesicht. Gebt i'^r diö Fahne, CMan reicht sie ihr. Sie steht ganz aufgerichtet di« Fahne in der Hand > Der mmmel ist njit ^aem rosigen Schein beleuchtet;)')

Johanna^ Seht ihr den Regenbogen in

der Luft? Der Himmel öfnet seine goldnen Thore Im Chor der Engel steht sie glänzend da Sie hält den ewgen Sohn an ihrer Brust, Die Arme streckt sie lächelnd mir entgegen Wie wird mir Leichte Wolken heben

mich ' Der schwere Panzer wird zum Flügelkleide Hinaul: hinauf ^ die Erde flieht zurück -— Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude.

Starke Rührung erweckt Richard im Sha* kespear, wenn ^^j sein bleiches Gesicht im Spiegel erblickt, und den Spiegel mit den Worten zerschlägt: Du lügst. , oder König Philipp im Dom Karlos ; wenn sein Sohn ihm das Schreckliche vorstel^ , allein und ohne Freund zu sein, und ihm das schmerzhafte, furchtbare Gefühl die Worte abdringt; Ich bin allein.

Ein jedes Gefühl kann an innerer Gröfse

K

/ .

Sil

zu und abnelimen, und also dem SanFt - oder Starkriihrenden sich nahem, und da es hier also auf ein mehr oder minder ankömmt, so sind die Grenzen nicht genau zu bestimmen. Doch giebt es Gefühle, die ihrer Natur nach mehr zu den Sanftrührenden gehören und nur durch Steigerung starkrührend werden, 'dahin gehören: Mitleid, Hofnung, Sehnsucht, Zärt- lichkeit, Dankbarkeit, Freundschaft, Ergebung in den Willen der Gottheit; umgekehrt giebt es andere, die gewöhnlich starkrührend sind und nur durch Abnahme sanftrührend werden: Zorn, Kummer, Schreck, im letztern Fall er- halten sie auch wohl andere Namen, geringer Zorn heifst Unwille, geringer Schreck Besorg- nifs u. s. w. Der Hang zum Sanftrührenden heifst Empfindsamkeit. Sowohl der Gegen- stand der starken Rührung (das Pathetische) als der der sanften können erhaben sein, zu dem erstem gehört Herkules, der sich seinen Scheiterhaufen bereitet, zu dem andern die Madonna eines Raphael.

Der sanft Gerührte ergiefst sich gern in Worten, mahlt mit sanften Farben und stellt in einem sanften Lichte dar, weilt gern bei dem Gegenstande der Rührung und geht nur langsam von einer Vorstellung zur andern

3i2

über. Der stark Gerührte stellt viel mitjwenig Wortön dar (im höchsten Grade macht sogar der Affekt stumm), liebt grelle Farben und blendendes Licht, irrt umher aber kehrt im- mer wieder plötzlich zum Gegenstande der Rührung zurück, das Spielende und Witzige ist ihm zuwider und wenn der im starken Af- fekt sich befindende witzig ist, so ist er es ohne es eein zu wollen.

Der (Qualität nach ist das Gefühl der Rührung entweder Lust oder Unlust oder bei- des zusammen verbunden; zu dem erstem ge- hört die Freude, zu dem andern die Verzweif- lung, zu de^m letztern die Sehnsucht und Hofnung.

Der Piclation nach ist die Rührung ent- weder asthenisch oder sthenisch , oder wie Kant sie nennt von der schmelzenden oder ivackern (riistigenj Art; bei den erstem ge- fällt sich das Gemüth im leidenden Zustand, bei den andern wird die Thätigkeit des Ge- müths geweckt. Zu den schmelzenden Rüh- rungen gehören: Sehnsucht, Wehmuth, Bangig- keit, empfmdsame Liebe, u. s. w., zu den rü- stigen: Zorn, Rachsucht, Enthusiasmus für Va- terland, Freiheit, Wahrheit u. s. w. Steigt die schmelzende Rührung bis zum Affekt, wo

3»3

die Bestrebung zu widerstehen selbst ein Ge- genstand der Unlust wird , so verlielirt sie al- les Edle, d. h. es wird die Freiheit des Wil- lens, welche den Menschen über das Thier erhebt, nicht mehr sichtbar, sondern der Mensch und sein Zustand ist sich selbst ein Gegenstand des Genusses.

Der Hang durch das Schmelzende sich in Affekt versetzen zu lassen heifst Rmpfm^ delei.

Der Affekt der asthenischen Rührung ist zwar mit dem Schönen, aber nicht mit dem Erhabenen vereinbar, weil das letztere eine Aufregung der Kräfte fordert; der Affekt der wackern Art ist allerdings mit dem Erhabenen vereinbar, aber deshalb nicht immer selbst erhaben.

Der Modalität nach gilt von der Rüh- rung, was von den Gefühlen überhaupt gilt; sie sind entweder blos privatgültig und gehö- ren zum Angenehmen oder Unangenehmen; oder sie machen auf AUgemeingükigkeit An- spruch, in welchem letztern Fall man wieder unterscheiden niufs, ob diese Allgemeingültic- keit auf Begriffen beruht oder nicht. Die Rührung welche zum Erhabenen gehört ist all-

3i4^

gemeingültig ohne Begriffe, denn das Urthell worauf sie beruhen, ist ästhetisch.

Die Ptührung kann auf eine doppehe Weise hervorgebracht werden, entweder dafs man sie an einer Person darstellt und also das Mitgefiilil erweckt, oder dafs man den Gegen- stand, der sie bewirken soll in der Wirklich- keit oder in der künstlichen Darstellung ver- gegenwärtigt. — Zum Beispiel der erstern Art, wähle ich folgende Scene aus Göthens Faust,

Margarethe im Zwinger vor einem An* dachtsbild der matet dolorosa; sie steckt Blu- men in die davor stehenden Krüge»

Ach neige

Du Schmerzenreiche

Dein Antlitz gnädig meiner NothJ

Das Schwerd im. Herzen

Mit tausend Schmerzen

Blickst auf zu deines Sohnes Tod,

Zum Vater blickst du

Und Seufzer schickst da

Hinauf um sein' und deine Noth»

Wer fühlet

Wie wühlet

Der Schmerz mir im Gebein?

31

c*

Was mein armes Herz liier banget, W as es zittert, was verlanget, Weifst nur du, nur du allein!

Wohin ich immer gehe,

Wie weh', wie weh, wie wehe.

Wird mir im Busen hier!

Ich bin, ach, kaum alleine.

Ich wein', ich wein', ich weinq,

Das Herz zerbricht in mir.

Die Scherben vor meinem Fenster

Bethaut' ich mit Thränen, acht

Als ich am frühen Morgen,

Dir diese Blumen brach.

Schien hell' in meine Kämmet

Die Sonne früh herauf

Safs ich in allem Jammer

In meinem Bett' schon auf.

Hilf rette mich von Schmach und TodJ

Ach neige

Du Schmerzenreiche

Dein Antlitz gnädig meiner Noth!

Zum Beispiel der Rührung, welche durck Darstellung des Gegenstandes bewirkt wird,

5»6

mag die Scene Faust und sieben Geister aui einem Fragment von Lessing dienen.

Faust, Ihr? Ihr seid die schnellsten Geister der Hölle.

Die Geister alle* Wir.

Faust. Seid ihr alle sieben gleich schnell?

Die Geister alle. Nein.

Faust. Und welcher von Euch ist der schnellste?

Die Geister alle. Der bin ich»

Faust. Ein Wunder, dafs unter sieben Teu- fel nur sechs Lügner sind. Ich mufs euch näher kennen lernen.

Der erste Geist. Das wirst du. Einst!

Faust. Einst! Wie meinst du das? Predi- gen die Teufel auch Bufse?

Der erste Geist. Ja wohl, den verstockten» Aber halte uns nicht auf.

Faust. Wie heifeest du? Und wie schnell bist du?

Der erste Geist* Du konntest eher eine Probe als eine Antwort haben.

Faust. Nun wohl. Sieh' her, was mache ich?

Der erste Geist. Du fährst mit deinem Finger schnell durch die Flamme des Lichts.

Faust. Und verbrenne mich nicht. So geh'

31? auch du und fahre siebenmal eben so schnell durch die Flamme der Hölle und verbrenne dich nicht. Du verstummst? du bleibst? So prahlen auch die Teufel? Ja, ja keine Sün- de ist so klein, dafs ihr sie euch nehmen lie- fset. Zweiter, wie heifsest du?

Der zweite Geist. Chil, das ist in eurer langweihgen Sprache, Pfeil der Pest.

Faust, Und wie schnell bist du?

Der zweite Geist. Denkst du, daPs ich meinen Namen vergebens führe? Wie die Pfeile der Pest.

V Faust, Nun so geh und diene einem Arzte! Für mich tbist du viel zu langsam. Du dritter, wie heifsest du?

Der dritte Geist. Ich heifse Dilla, denn mich tragen die Flügel der Winde»

Faust. Und du vierter?

Der vierte Geist, Mein Nähme ist Jutta, denn ich fahre auf den Strömen des Lichts.

Faust. O ihr, deren Schnelligkeit in end- lichen Zahlen auszudrücken, ihr Elenden.

Der fimfte Geist, Würdige sie deines Un- willens nicht. Sie sind nur Satans Bothen in der Körper weit. Wir sind es in der Welt der Geister; uns wirst du schneller finden,

Faust, Und wie schnell bist du?

5»S

Der fünfte Geiste So schnell als die Ge- danken der Menschen,

Faust, Das ist etwas. Aber nicht immer- sind die Gedanken des Menschen schneit Nicht da, wenn Wahrheit und Tugend sie auffordern. Wie träge sind sie alsdann! du kannst schnell sein, wenn du schnell sein willst, aber wer steht mir dafür, dafs du es allezeit willst? Nein, dir werde ich so wenig trauen, als ich mir selbst hätte trauen sollen. Ach ! (zum sechsten Geist) Sage wie schnell bist du?

Der sechste Geist» So schnell als die Rache des Rächers?

Faust* Des Rächers? welches Rächers?

Der sechste Geist. Des Gewaltigen, des Schrecklichen, der sich allein die Rache vor*. behielt, weil ihn die Rache vergnügte.

Faust. Teufel du lästerst, denn ich sehe du zitterst. Schnell sagst du, wie die Rache

des Bald hatte ich ihn genannt. Schnell

wäre seine Rache? Schnell? Und ich lebe noch? Und ich sündige noch?

Der sechste Geist, Dafs er dich noch sün- digen läfst, ist schon Rache.

Faust. Und dafs ein Teufel mich dieses lehren mufs! Aber doch erst heute! Nein

5i7 deine Rache ist nicht sclinell, und wenn du nicht schneller bist als seine Rache, so gehe nur (zum siebenten Geist) wie schnell bist du?

Der siebente Geist. Unzuvergnügender Sterblicher, wo auch ich dir nicht schnell ge- nug bin 1

Faust, So sage, wie schnell?

Der- siebente Geist. Nicht mehr und nicht weniger, als der Uebergang vom Guten zum Bösen.

Faust. Ha! du bist mein Teufel! So schnell als der Uebergang vom Guten zum Bösen! Ja der ist schnell, schneller ist nichts als der! i,Weg von hier ihr Schnecken des Orcus! Weg! Als der Uebergang vom Guten zum Böfen ! - ' Ich habe es erfahren, wie schnell er ist! Ich habe es erfahren.

Oft können beide Mittel verbunden zur Erweckung der Rührung aligewandt werden, ^Is Beispiel verweise ich auf das S, 71 ange- führte Gedicht von Denis : das Donnerwetter,

520

J^on dem Gefühle der Lustj was aus Bele- bung der' productiven Einbildungskraft entspringt^

Die Einbildungskraft wird, wie schon an ei- nem andern Orte angem<i.vkt worden, in die productive und reproductive eingetlieilt ; beide nehmen zwar ihren Stof aus der uns umge- benden Natur, allein die erstere bildet densel- ben nach Willkühr aus, dahingegen die andere nur schon gehabte Vorstellungen der Form und dem Inhalte nach wieder ins Bewufstsein hervorruft.

Die productive Einbildungskraft ist in so fern sie ihren Stof aus der Sinnenwelt entleh- nen mufs, von derselben abhängig, allein das Bilden dieses Stofs, das Zusammensetzen des- selben ist ihr eigenes Werk und dabei kann \ sie Freiheit beweisen; da hingegen die repro- ductive Einbildungskraft auch in dieser Rück- sicht

5a?

aicKt gebunden ist, Die productlve Einbil- dungskraft bringt entweder blos eine oder meh- rere im Zusammenliang stehende Vorstellungen hervor. Ist die hervorgebrachte Anschauung nur eine, und ist mit ihr ein Wohlgefallen verknüpft, so betrift dies Wohlgefallen entwe- der den Inhalt der Anschauung, dann gehört es zum Angenehmen; oder die Form, dann gehört es zum Schönen oder Erhabenen; oder es betrift die Beziehung der Anschauung auf einen bestimmten Begrif, dann gehört es zum Guten» Erzeugt aber die productive Einbil- dungskraft mehrere Vorstellungen, und ist mit diesen ein Wohlgefallen verknüpft, so kann man wiederum zweierlei Unterscheiden; es ist entweder dies Wohlgefallen durch den Inhalt diefer Vorstellungen hervorgebracht, oder es ist blos das Gefühl der belebten Einbildungs- kraft, das Gefühl einer leichten Thätigkeit dieses Vermögens, das Gefühl einer zweck- mäfsigen Beschäftigung desselben. Wenn der junge Mann im Gefühl seiner Kraft, mit dem edlen Streben das Gute in der Welt zu meh- ren und das Böse zu mindern, sich Plane macht und sich eine Welt schaft, in der er selbst eine thätige Rolle spielt; oder der Vater eines jungen, hofnungsvollen Sohnes eine frohe Zu*

U. 21

522

kunft sich mahlt, wozu der Wunsch die Far- ben leiht und die Hofnung den Pinsel führt; so ist das Wohlgefallen, was diese Träume hervorbringen mit dem Inhalte derselben ver- bunden. — Aber es giebt auch ein Wohlge- fallen an der blofsen Belebung der Einbildungs- kraft; und ein Gegenstand, der diese zweck- märsige Thätigkeit erweckt, macht uns Ver- gnügen; denn jedes Gefühl der beförderten Thätigkeit oder welches einerlei ist, jedes Ge- fühl des beförderten Lebens ist Lust. Dies ist B. bei folgendem Gedicht von Pfeffel der Fall:

Auf^ eine TViege,

Die erste Thräne, die im Kriege I^t Sein und Nichtsein uns entquillt, Stillst du; die letzte Thräne stillt Der Sarg, des Menschen zweite Wiege.

Nennen wir nun das belebende Prinzip Geist* so werden wir eine Vorstellung, welche unsere productive Einbildungskraft zu einer ungebundenen Thätigkeit belebt, geistreich^ seist!) oll nennen können. So sprechen wir von einem geistreichen Gedicht, einer geist- vollen Darstellung u. s. w.

323

"Diese Thätigkeit der Einbildungskraft aber im Erzeugen von Vorstellungen kann nicht ganz gesetzlos sein, denn sonst würde sie bald in sich selbst aufhören; gleich den Spielen der Kinder, wo niemand sich einer Regel unter- werfen will. Regelmäfsigkeit ohne Begriffe ist nicht möglich, und also wird bei der zweck- tnäfsig belebten Einbildungskraft auch der Ver- stand ins Spiel kommen, und Denken Gele- genheit zum Produciren durch die Einbildungi- kraft, so wie umgekehrt, die durch die Ima- gination erzeugte Anschauung Veranlassung zum Denken geben,

Dieses wechselseitige Belebtwerden der Ein- bildungskraft und des Verstandes durch einan- der ist ohne bestimmte Grenze, es ist regel- mäfsig, aber ohne eine bestimmte Regel, denn sonst wäre es nicht frei, sondern gezwungen' Es wird der Thätigkeit ein unendliches Feld eröfnet, und alle schon hervorgebrachten Vor- stellungen dienen zur Erzeugung neuer, wel- che insgesammt als zu Einem Zweck zusam- menstimmend anzusehen sind; es sind daher alle hervorgebrachten Vorstellungen zu klein in Rücksicht auf die Vorstellung, welche un- sere Einbildungskraft in Bewegung gesetzt hat. Eine solche Vorstellung also kömmt darin mit

3a4

flen Vemunftideen überein, dafs sie ein Älaxi- mum bezeichnet, für welches jede Anschauung zu klein ist, und daher nennen wir sie gleich- falls eine Idee, nur wird sie keine Vernunft- idee sein, weil sia weder wie die theoretischen Vernunftideen sich aufs Erkennen, noch wie die praktischen aufs Handeln, sondern allein auf c.e Thätigkeit des vorstellenden Subjekts sich bezieht, weshalb sie auch den Namen der ästhetischen Idee führt.

Ein Werk also was geistreich sein soll, mufs ästhetische Ideen enthalten, einen Stof, durch welches die Einbildungskraft in Schwung gesetzt, und unsere Vorstellkräfte zu einem Spiele d, h. zu einer Beschäftigung aufgefor- dert werden, welche sich von selbst erhält und wodurch die Kräfte dazu, durch die Be- schäftigung selbst gestärkt werden.

Aus dem Umstände, dals die Belebung der Einbildungskraft zu einem Spiel, regelmä- fsig sein mufs, weil es sonst in sich selbst auf- hören würde, ergiebt sich, dafs der Verstand sieh dabei thätig beweisen mufs ; er mufs zur ästhetischen Idee den Begrif hergeben; da aber das Spiel der Vorstellkräfte, namentlich der productiven Einbildungskraft frei sein soll, so niiiTs dieser Begrif so dargestellt werden,

32 5

dafs die Einbildungskraft Veranlassung enthält, um zur Übereinstimmung mit dem Begriffe iingesucht (ohne Anstrengung) neuen, reich- haltigen unentwickelten Stof für den Verstand iu liefern. Diese Darstellung geschieht durch die Einbildungskraft. -^ Sie nrmmt ihren Stof iwar aus der Natur, verarbeitet ihn aber zu etwas ganz anderm und zwar zu etwas, was die Natur Übertrift.

Vernunftideen und ästhetische Ideen kom- men darin überein, dafs sie für alle wirkliche Erkenntnifs zu grofs sind; die Vernunftidee ist ein Begrif für welche keine adäquate Anschau- ung gefunden werden kann; die ästhetische Idee ist eine Vorstellung der Einbildungskraft, welche so viel Stof zum Denken hergiebt (so viel zu Denken veranlafst), dafs es für sie kei- nen adäquaten Begrif giebt» Die Vernunftidee ist für jede Anschauung zu grofs, so wie um- gekehrt die ästhetische Idee für jeden. Verstan- desbegrif. Aus dem letztern erhellet, warum die ästhetischen Ideen den Vernunftideen ähn- lich sind, denn sie streben nach etwas, was über die Erfahrungsgrenze hinausliegt und also jeden Verstandesgrif übersteigt, und kommen darin mit den Vernunftideen überein, welche auch keinen adäcjuaten empirischen Verstandes-

326

begrif finden. Der Dichter wagt es, Vernunft- ideen von unsichtbaren Wesen, das Reich der Seeligen, das Höllenreich, die Ewigkeit, die Schöpfung u. d. gl. zu versinnlichen, oder auch das, was zwar Beispiele der Erfahrung findet, 2. B. den Tod, den Neid und alle Laster, im- gleichen die Liebe, den Ruhm u. s. w. über die Schranken der Erfahrung hinaus, vermit- telst einer Einbildungskraft, die dem Vernunft- Vorspiele in Erreichung eines Gröfsten nach- eifert in einer Vollständigkeit sinnlich zu ma- chen, für die sich in der Natur kein Beispiel findet, und es ist eigentlich die Dichtkunst, in welcher sich das Vermögen ästhetischer Ideen in seinem ganzen Maafse zeigen kann. Wenn nun einem Begriffe eine Vorstellung der Einbildungskraft untergelegt wird, die zu seiner Darstellung gehört, aber für sich allein so viel zu denken veranlafst, als sich luemals in einem bestimmten Begrif zusammenfassen läfst, mithin den Begrif selbst auf unbegrenzte Art ästhetisch erweitert, so ist die Einbildungs-» kraft hierbei schöpferisch und bringt das Ver- flögen intellectueller Ideen (die Vernunft) in Bewegung, mehr bei Veranlassung einer Vor- stellung zu denken, (was zwar zu dem Begriffe

3^7 des Gegenstandes gehört) als in ihr aufgefafst und deutlich gedacht werden kann.

Aus dem Gesagten ergiebt sich, dafs die ästhetischen Ideen nicht in der Natur ange- troffen werden, sondern dafs sie Produkte der Kunst sind.

Vergleicht man das, was hier über ästhe- tische Ideen gesagt worden mit der oben auf- gestellten Erörterung des Erhabenen, «o wird man bald inne, dafs die ästhetischen Ideen das Gemüth in eine erhabene Stimmung versetzen, in so fern sie die Vorstellkraft antreiben, das Gebiet der Erfahrung zu verlassen und auf die Vernunft als ein übersinnliches Vermögen hin- deuten. Daher ist auch dem Wohlgefallen an al- len Kunstwerken, welche ästhetische Ideen enthalten, ein gewisser Ernst beigemischt, der mit dem Erhabenen jederzeit verbunden ist.

Die Thätigkeit der Einbildungskraft bei Hervorbringung ästhetischer Ideen ist mit der Schwärmerei nahe verwandt und unterscheidet sich von derselben nur dadurch, daü bei der letztern der Verstand die Einbildungskraft nicht mehr zügelt, welches bei der erstem durch den Begrif geschieht, welchen die Imagination an- schaulich darstellt. Daher kömmt die Aehn- lichkeit des Schwärmers mit dem Dichter und

328

daher erscheint demjenigen, welcher eine trä- ge Einbildungskraft hat die feurige Darstellung des Dichters und sein Spiel mit Vorstellungen, als Schwärmerei.

Auf der andern Seite sind die Träume» reien mit dem Spiel durch ästhetische Ideen nahe verwandt; bei beiden findet nie die Dar- stellung der wirklichen, sondern einer einge- bildeten Welt statt, nur mit dem Unterschier de, dafs der Träumer beide mit einander ver- wechselt und seine eingebildete Welt für die wahre hält. Er hat es nicht mit Belebung der Vorstellkräfte nach Anleitung eines Begrifs^ wie der Künstler, sondern mit wirklicher Er- kenntnifs, die freilich bei ihm blos eingebildet ist, zu thun«

Eine ästhetische Idee ist also nicht die anschauliche Darstellung des Begrifs unmittel-, bar selbst, sondern eine Vorstellung, welche zu defr blofsen Darstellung des Begrifs hinzu- gefügt wird, und zwar mit ihr in Verbindung steht, aber keinen wesentlichen Bestandtheil derselben ausmacht. So ist z. B, Ganymed, mit dem der Adler des Jupiters zum Himmel sich schwingt auf dem Sarkophag eines Jüng- lings eine ästhetische Idee; er ist zwar mit dem Grabmal in genauer Verbindung, denn et be-

329

findet sich an demselben und soll die Idee ausdrücken: Die Götter liebten ihn, darum nahmen sie ihn zu sich; allein er macht kei- nen wesentlichen Bestandtheil des Sarko- phags aus.

Ferner erhellet aus dem so eben gegebe- nen Beispiel, dafs wenn gleich die Dichtungs- gabe die Quelle ästhetischer Ideen ist, man sich doch sehr irren würde, wenn man sie al- lein in den Werken der Dichtkunst oder selbst blos in den redenden Künsten suchen wollte; auch die andern schönen Künste kön- nen dergleichen darstellen» Das vorige Bei- spiel zeigt, dafs die Bildhauerkunst dies ver- anag; es ist eine ästhetische Idee in der Nacht des Correggio das Licht vom Kinde ausgehen zu lassen, eben so gehört der Genius des Ruhms von Annibal Caracchi hieher. Schlü- ter zierte die Vorderseite des Zeughauses in Berlin mit Siegs trophäen, das Innere des Ge- bäudes mit den Larven sterbender Krieger, und die Hinterseite mit Schlangenhaarigen Fu- rienköpfen; wer wird hier die ästhetische Idee verkennen? Zun Mausoleo im Garten zu Machern bei Leipzig führt ein Weg, der mancherlei Wendungen macht und nichts von dem entdecken läfst, wohin er führt, das Ge-

'6öO

bäude selbst liegt auf einem anmuthig grünen Platz, von hohen Bäumen rings umschattet, die Aussicht eröffnet sich am Eingang immer mehr und verliehrt sich in die unermeßliche Ferne; den Eingang selbst bewachen zwei Sphinxe.

Obgleich aber jeder Künstler in seinem !^unstwerk ästhetische Ideen darstellen kann, so ist doch die Art wie sie auf uns wirken, verschieden; sie stimmen nämüch entweder das Gemüth zu einer gewissen Empfindungs- art und zur Aufnahme von Ideen und über- lassen es unserer Einbildungskraft, einen In- halt dazu zu finden; oder sie geben der Ein- bildungskraft zugleich einen Inhalt und be- stimmen dadurch ihre Richtung. Das erstere ist z. B. beim Tonkünstler, Landschaftsmaler, Lustgärtner u. s. w. der Fall; das andere beim Dichter, Redner, Maler, Bildhauer u. s. w.

Die ästhetischen Ideen in der Musik brin- gen mehr ein Spiel d-er Empfindungen als der Vorstellungen hervor; auch gehen die erstem den letztern voraus, und diese ketten sich an jenen an; die ästhetischen Ideen in zeichnen- den und bildenden Künsten erwecken mehr ein Spiel der Vorstellungen als der Empfin- dungen, bei ihnen gehen die Vorstellungen

531

Yoraas und mit ihneu vergesellschaften sich die Gefühle. Die redenden Künstler (Dichter und Redner) können durch Darstellung ihrer ästhetischen Ideen entweder mehr unmittelbar auf Empfindungen wirken, wie der Tonsetzer, öder mehr auf Vorstellungen wie der Mahler und Bildner; die erstem Dichter nennt Schil- ler *) musikalische, die andern plastische» Klopstock und Schiller sind gewöhnlich mehr musikalisch als plastisch, Homer und Göthe mehr plastisch als musikalisch.

Um das Gesagte zu erläutern, will ich ein Beispiel ästhetischer Ideen eines Dichters, welches zur Gattung der musikalischen, und eins welches zur Gattung der plastischen ge- hört, hersetzen.

Die Lehi stunde ß von Klopstock,

Der Lenz ist, Aedi, gekommen;

Die Luft ist hell, der Himmel blau, die Blume

duftet, Mit lieblichem Wehen athmen die Weste Die Zeit des Gesangs ist, Aedi, gekommen.

•} S. Schiller« Abhandlung über naive und sentimentalischs Dichtung im zweiten Theil «einer prosaischen Schriften.

33a»

,,lcli mag nicht singen, die Zeisige haben Das Ohr mir taub gezwitschert! Viel lieber mag ich am Aste mich schwenken Und unten in dem kristallenen Bache mich

sehn.''

Nicht singen? Denkst Du, dafs Deine Mutter

Nicht auch zürnen könne?

Lernen mufst Du, der Lenz ist da!

Viel sind der Zaubereien der Kunst

Und wenig der Tage des Lenzes.

Weg von dem schwankenden Aste

Und höre, was einst vom Zauber der Kunst

mir Äang Die Königinn der Nachtigallen, Orphea, Hör' ich beb es zu singen, Aber hör und sing es mir nach. Also sang Orphea:

Flöten mufst Du, bald mit immer stärkerem

Laute

Bald mit leiserem, bis sich verlieren die Töne;

Schmettern dann, dafs es die Wipfel des Wal- des durchrauscht,

Flöten, flöten, bis sich bei den Ptosenknospen

Verlieren die Töne.

533

„Aph ich sing es nicht nach, wie kann ich! Zürne nicht Mutter, ich sing es nicht nach. Aber sang sie nichts mehr, die Königinn der

Nachtigallen? Nichts von dem, was die Wange bleich macht, Glühen die Wang' und rinnen und strömen

die Thräne macht?**

Noch mehr! noch mehr!

Ach dafs Du dieses mich fragtest,

"Wie freut mich das Aedi?

Sie sang, sie sang auch Herzensgesang!

Nun will ich das jüngste Bäumchen Dir suchen^ Den Sprofs Dir biegen helfen, Dafs Du Dich näher sehen könnest im Sil- berbach j Auch dieses Uefs erschallen Die Liederköniginn Orphea,

Der Jüngling stand und flocht den Kranz

Und liefs ihn weinend sinken!

Das Mädchen stand, vermocht es über sich

Mit trocknem Blick den Jüngling anzusehn.

Da sang die Nachtigall ihr höheres,

Ihr Seeleerschütterndes Lied.

flog das Mädchen zu dem Jüngling hin!

33if

Der Jüngling zu dem Mädchen hin! Da weinten sie der Liebe Wonne.

Amors nächtlicher Besuch^ von Anakrgon,

Nachts als schon der Bär am Himmel An Bootes Hand sich drehte Und entlastet von der Arbeit Alle Welt des Schlafes pflegte, Kam und pochte neulich Amor An die Thüre meines Hauses. Wer lärmt an der Thüre, rief ich, Und verjagt mir meine Träume? „Thu mir auf!" war Amors Antwort; „Fürchte nichts! ich bin ein Knabe, „Welcher ganz von Regen triefet, „Und im Finstern irre gehet." Dies bewegte mich zum Mitleid Schnell ergriff ich meine Lampe, That ihm auf, fand einen Knaben Welcher Pfeil und Bogen führte, Und am Rücken Tauben flügel. Hurtig setz' ich ihn zum Feuer Wärme seine kalten Finger Zwischen meinen beiden Händen, Und aus seinen gelben Locken Drück ich ihm das Regenwasser.

335 Als ihn nun der Frost verlassen Spricht er „Lafs uns doch versuchen „Ob die Sehne meines ßogens „Nicht vom Regen schadhaft worden" Schon war sie gespannt die Sehne Und gleich einem Wespenstacliel Safs der Pfeil mir in dem Herzen, Hüpfend rief er aus und lachte: „Lieber Wirth, sei mit mir frölich! „Sieh, mein Bogen ist nicht schadhaft; y^ber Du wirst Herzweh fühlen."

Musikalischästhetische Ideen werden durch den Künstler dadurch hervorgebracht, dafs er die Folge seiner Gefühle ausdrückt und da- durch in uns gleiche Gefühle erzeugt, wo- durch wir in einen Zustand versetzt werden, der unsere Einbildungskraft reitzt mit Gefüh- len und Vorstellungen zu spielen. In der freien Tonkunst wird dies bewirkt durch ra- sche Übergänge, Wiederkehr des Ausdrucks gewisser Empfindungen, freiere Aufeinander- folge der Melodie, kühneres Fortschreiten der Harmonie, eine gewisse Regellosigkeit u. s. w.; in der Musik, welche entweder einen unterge- legten Text hat, oder in Verbindung mit an- dern Künsten erscheint, wird das Gemüth da-

336

durch belebt, dafs aufser der VoTstellung des Gegenstandes die Tonkunst den Gefühlszu- stand ausdrückt und erweckt» So sagt Gretry in seinem essay sur la M.usiqiie: „Die Ge- danken müssen in den Worten liegen, aber ihren geheimen Sinn mufs die Begleitung aus- drücken. Ein liebendes Mädchen versichert ihre Mutter, dafs sie die Liebe nicht kennt; während ihre Worte Gleichgültigkeit ausdrü- cken, schildert das Orchester die Qualen ihres verhebten Herzens, Ein Einfailspinsel rühmt seine Leidenschaft oder seinen Muth. Seine Worte scheinen feurig, aber das Orchester zeigt uns durch die Monotonie der Musik das Thier unter der Löwenhaut,'* Man er- zählt von dem grofsen Tonkünstler Gluck, er er habe in einer Probe seiner Iphigenia in Tauris bei der Stelle, wo Orest sich schlafen legt, dem Orchester mehreremal zugerufeuj forte» forte, presto» Einer der Musiker warj ihm ein: Orest sagt er werde ruhig, Er lügt, erwiederte Gluck. Gewifs wollte der grofse Künstler sagen, Orest ist nicht ruhig, was er dafür hält ist nur Betäubung von dem schnellen Wechsel der Vorstellungen ui\d Ge^ fülile, die in seiner Brust stürmen.

Alle

k

337

AUe die schönen Künste, die nicht un- mittelbare Empfindungen, äufsere Sinnenein- driicke, erregen, wie die redenden und bil- denden Künste, bei denen uns also Gegen- stände dargestellt werden, findet sich die ästhe- tische Idee in Nebenvorstellungen der Einbil- dungskraft, Dahin gehören ; die ästhetischen Attribute.

Ein Attribut heifst logisch, insofern es ausdrückt, was in unsern Begriffen liegt, ästhe- tisch, insofern es etwas anschaulich darstellt, was nicht in dem Begriffe des Gegenstandes unmittelbar selbst enthalten ist, aber der Ein- bildungskraft Anlafs giebt, sich über ein un- absehliches Feld verwandter Vorstellungen zu verbreiten. Zu diesen ästhetischen Attributen gehören, das versteinernde Medusenhaupt im Schilde der Göttin der Weisheit, die sich schnäbelnden Tauben der Venus, die Leier in den Händen des Musageten Apoll u. s. w. Die schöne Kunst aber hat nicht allein in der Malerei und Bildhauerkunst Attribute, wo der Ausdruck auch gewöhnlich gebraucht wird, sondern die Dichtkunst und Beredsamkeit nehmen den Geist, der ihre Werke beseelt, auch von solchen Attributen der Gegenstände her, welche den logischen zur Seite gehen

538

und der Einbildungskraft eineu ScKwung ge- ben, so dafs wir obgleich auf eine unentwi- ckelte Art mehr dabei denken, als sich in ei- nem Begriffe mithin in einem Sprachausdru- cke zusammenfassen läfst.

Zu den ästhetischen Attributen gehören für die redende Künste, Bilder, Gleichnisse) Allegorien»

Schiller stellt den Übergang des rohwi Barbaren aus dem Zustand der Thierheit iA den der Menschheit durch Hülfe der KuQSt^ im Bilde folgendergestalt dar:

Jetzt wand sich von dem Sinnenschlafe Die freie, schöne Seele los, Durch Euch entfesselt, sprang der Sldave Der Sorge, in der Freude Sehoos. Jetzt fiel der Thierheit dumpfe Schranke, Und Menschheit trat auf die entwölkte Stirn Und der erhabne Fremdhng, dör Gedanke, Sprang aus dem staunenden Gehirn, Jetzt stand der Mensch und wies den Sterilen, Das königliche Angeeicht Schon dankte in erhabnen Fernen Sein sprechend Aug dem Sonnenlicht;

53ö

Das Lächeln blühte auf der Wange,

Der Stimme seelevolles Spiel

Entfaltete sich zum Gesänge,

Im feuchten Auge schwamm Gefühl

Und Seherz mit Huld in anmuthsvollem Bunde

Entquollen dem beseelten Munde.

Dem Geier gleich

Der auf schweren Morgenwolken,

Mit sanftem Fittich ruhend

Nach Beute schaut

Schwebe mein Lied.

Göthe»

Gleichnifs^ ^

TVürden*

Wie die Säule des Lichts auf des Baches

Welle sich spiegelt,-^

Hell wie von eigener Glut flammt der vergol- dete Saum,

Aber die Welle flieht mit dem Strom, durch die

glänzende Strafse

Drängt eine andre sich schon, schnell wie di«

«rste 2U iliehn.

540

So beleuchtet der Würden Glanz den sterbli- chen Menschen

Nicht der Mensch, nur der Platz, den er durch- wandelte, glänzt.

Schiller,

Allegorie aus Miltons Derlohrnem Paradies.

Die Höllenpförtnerin erwiedert drauf: „Hast Du mich denn vergessen, bin ich Dir So scheufslich nun? ich, die im Himmel einst So reitzend schien, als Dich im vollen Rath Der, wider Gott, mit Dir im kühnen Bund Verschworner Seraphim, auf einmal Weh Und Schmerz befiel. Dein Auge trüb' und matt Sich dunkelte, indefs ein Flammenstfom Aus Deiner Scheitel barst, bis sich zuletzt Der linke Theil weit auseinander that, Und ähnlich Dir an Hoheit und Gestalt Mit Himmelslicht umstrahlt, im Waffenschmuck Ein Göttermädchen Deinem Haupt entsprang. Ich war's, das Heer der Himmlischen durchfuhr Eiskalter Schreck, sie traten scheu zurück Und schauderten und nannten Sünde mich.

341

Aus Schillers Braut von Messina:

Schön ist der Friede! Ein lieblicher Knabe Liegt er gelagert am ruhigen Bacli Und die hüpfenden Lämmer grasen Lustig um ihn auf dem sormigten Rasen Süfses Tönen entlockt er der Flöte Und das Echo des Berges wird wach Oder im Schimmer der Abendröthe Wiegt ihn in Schlummer der murmelnde Bach.

54a

P^on ^em öefukle der Lusts XK^ai aus der

leichten Beschäftigung der reproductiven

Einbildungskraft en t springt^

i/ie reproductive Einbildungskraft ruft gehabte Anschauungen ins Bewufstsein zurück; wird ihr dies Geschäft vorgeschrieben und der Gegen- stand ist von der Art» dafs sie es mit Leich- tigkeit verrichten kann, so wird ein Gefühl von Lust bewirkt, da hingegen, wenn es ihr erschwert wird, Unlust entsteht,

Wir sollen einen Gegenstand, der von beträchtlicher Gröfse ist, als ein Ganzes an- schauen; das ist nur dadurch möglich, dafs wir das Ganze nach und nach vor dem Sinne votübergehen lassen, und da also wenn das Mannigfaltige zusammen verbunden werden soll, die vorhergegangenen Anschauungen der 1'heile ins Bewufstsein ^rückgerufen , werden

343

müssen, so wird dies Geschäft von der repro- ductiven Einbildungskraft unternommen. Ist der Gegenstand zu grofs, des in ihm enthalte- nen Mannigfialtigen so viel , dafs es der Ein- bildungskraft schwer oder gar unmöglich wird, alles mit der gehörigen Lebhaftigkeit zu re^ . produciren, so entspringt Unhist aus dem Ge- fühl unserer Schranken. Herrscht hingegen in dem Gegenstande selbst oder auch in dem was zur Verzierung desselben angebracht ist, Simplicität (Einfalt), so wird der Einbildungs- kraft die Reproduction leicht; dies ist, wenn gleich nicht der alleinige, doch einer von, den Gründen, warum uns die einfachen Dar- stellungen der Alten so sehr gefallen, da hin- gegen das Überladene des gotliischen und äl-,. tern französischen Geschmacks uns mifsfälltv Ißt ferner das Mannigfaltige ohne Ordnung vorhanden, so dafs die Übereinstimmung der Theile die Reproduction nicht erleichtert, so entsteht gleichfalls Unlust; wenn aber diese Übereinstimmung vorhanden oder das Mannig- faltige nach Regeln zusammengeatellt ist, so dafs die Reproduction und dadurch die Über- sicht des Ganzen erleichtert wird; so empfin- den wir, Lust. Dies ist z. B. der Fall bei der symmetrischen Anordnung der Theile eines.

344

grofsen Gebäudes, bei den Blättern der Blu- me u, s. \v.

So können uns treue Darstellungen ab- wesender Gegenstände Vergnügen gewähren, insofern sie die reproductive Einbildungskraft reitzen, das Bild des Gegenstandes selbst her- vorzurufen und ihn mit der Darstellung ver- gleichen; wir wollen hierdurch aber keines- weges behaupten, es rühre das Vergnügen an Ahhlichkeit einzig und allein von der leichten Beschäftigung der reproductiven Einbildungs- kraft her.

Soll eine Folge von Vorstellungen dem Gedächtnifs anvertraut werden, so ist es uns angenehm, wenn irgend etwas an ihnen sich findet, wodurch die iieproduction derselben erleichtert wird; dahin gehören Ordnung, Ver- bindung mit uns schon bekannten und geläu- figen Vorstellungen, Metrum, Reim (als Bei- spiele die versus memoriales) u. w.

So wahr das im Vorhergehenden Gesagte- ist, welches sich schon aus dem allgemeinen Gesetz : ein Gegenstand der subjektiv zweck- mäfsig ist, bringt Lust hervor, ergiebt, so folgt doch daraus keinesweges, dafs ein Gegenstand bei dem die vorhin aufgestellten Eigenschaf- ten sich finden uns reine Lust gewähren

S45

müsse. Insofern seine Zvveckmafcigkeit (ftir die reproductive Einbildungskraft empfunden wird, ist allerdings Lust mit der Vorstellung derselben verknüpft, aber diese Lust kann so iiufserst gering sein, dafs wir uns ihrer nicht besonders bewufst werden, vorzüglich dann, wenn sie mit einer gröfsern Unlust ver- bunden ist. Das Vergnügen, was aus Symme- trie durch die reproductive Einbildungskraft entspringt, kann durch Steifheit, wodurch der productiven Einbildungskraft Zwang auferlegt wird, ganz varschwinden ; dies ist z. B. bei den französischen und hollandischen Gärten, wo man überall ängstliche Spuren der Schee- re des Gärtners äntrift, der Fall. Bei Wachs- figuren macht die Ähnlichkeit zwar Vergnü- gen, aber dies verschwindet fast ganz über die Unlust, die uns das Todte, Seelenlose der Fi- guren einflöfst, die uns in jedem Augenblick wegen der getreuen Nachbildung Bewegung erwarten lassen und unsere Erwartungen un- aufhörlich täuschen. Völlig überwogen und vernichtet wird es bei angemahlten Statuen.

Die Einfalt und Einförmigkeit, so zweck- mäfsig auch beide für die reproductive Einbil- dungskraft sind, können doch auf der andern

346

Seite, wenn sie der Mannigfaltigkeit Abbruch thun und also den Vorsrellkräften kein Spiel gewähren, tödtende Langeweile verursachen und also das geringe Vergnügen, was die Leichtigkeit der Reproduction erzeugen möch- te, vernichten.

Ferner ist zu erinnern, dafs wenn die Vor- stellung, welche die reproductive Einbildungs- kraft wieder hervorzurufen, veranlafst wird, Unlust erzeugt, insofern andere Vorstellungen sich ihr beigesellen, diese Unlust die mit der Handlung der Reproduction verbundene Lust, leichtlich verdunkeln könne.

Das Wohlgefallen oder Mifsfallen, welches aus der erleichterten oder erschwerten Actionder reproductiven Einbildungskraft entspringt, wird wenn es für sich allein, nicht in Beziehung auf etwas anderes, betrachtet wird, unmittel«- bar in der Empfindung gegeben und 'gehört daher zum Vergnügen; es ist weder intelle- ctuell, wie das Wohlgefallen am Guten, denn es Stützt sich auf keinen Begrif, noch refle- ctirt (ästhetisch in engerer Bedeutung) weil auch kein Zusammenhalten von Zuständen des Gemüths dabei statt findet, wie das Schö- ne und Erhabene; es kann also auch auf keine Allgemeingültigkeit Anspruch machen.

34?

Ich habe oben xnit Vorbedacht hinzugefügt, dafs das Wohlgefallen oder Mifsfallen, wel- ches die erleichterte oder erschwerte Repro- duction der Einbildungskraft hervorbringt, für sich allein betrachtet werden soll; ist es hin- gegen in einer innigen, (nicht blos zufälligen, durch den Inhalt hervorgebrachten) Verbin- dung mit andern Zuständen des Gemiiths vor- handen, so gehört es zu den Bestandtheilen eines Geschmaeksurtheils; zu denen über das Schöne, wenn Leichtigkeit der Reproduction mit Leichtigkeit der Synthesis des Verstandes verbunden ist, zu denen über das Erhabene, wenn die Schwierigkeit oder Unraöglichkeit der Reproduction die freie Selbstthätigkeit der Vernunft offenbar macht.

545

Von der Lust, Welche aus dem Spiel der

Emp ßiidungen, Affekten und Gedanken

entspringt^

Es ist nur noch eine Art des Vergnügens zu betrachten übrig, welches zwar, da es we- der zu dem intellectuellen Wohlgefallen durch Begriife, noch zu dem reflectirten in der blo- fsen Beurtheilung gehört, auf keine Allgemein- gültigkeit Anspruch macht, dennoch weil ein blofses freies Spiel der Empfindungen ohne Absicht dabei statt findet, zur Geschmackslust zu gehören scheint.

Dieses Vergnügen ist von dreifacher Art, entweder beruht es auf Empfindungen, die unmittelbar durch den äufsern Sinneneindruck gegeben werden, dahin gehört das Ton- und Farbenspiel; oder es beruht auf dem Wech- sel der Gemüthszustände, den wir durch den innern Sinn wahrnehmen, dahin gehört das Glücksspiel, oder es beruht auf dem Spiel mit

3i9

Gedanken, wodurcli ein Spiel von Gefühlen erregt wird; dies ist der Fall beim Lächerlir chen und Naiven.

Vom Spül der Empfindungen, 19 eiche durch den

äussern Sinn gegeben werden, o der vom Spiel

der Farben und der Töne.

Von den äufsern Sinnen sind allein das Gesicht und Gehör tauglich uns Empfindun- gen zu geben, deren Folge und Wechsel ein sich selbst unterhaltendes Spiel von Gefühlen erzeugt; alle andern äufsern Sinne, Geruch, Geschmack und Tasten können keine solche Reihe von wechselnden Empfindungen er- zeugen.

Das durch den Sinn des Gesichts Gege- bene, dessen abwechselnde Folge uns Vergnü- gen erweckt, sind die Farben. Die Faibeii können entweder für sich allein oder an Ge- genständen haftend und denselben zugeliö- rend, betrachtet werden. Das erste ist z. B. der Fall bei dem Farbenspiel am Himmel bei der auf- und untergehenden Sonne; das an- dere bei Gemälden. Wenn wir von dem Ver- gnügen reden, was das Farbenspiel erweckr, so müssen wir die Farben für sich betrachten,, nicht in so fern sie an einem Gegenstandsich

3^o

finden, in welchem letztern Fall von der Dich- tigkeit oder SchickUchkeit der Wahl (also von objektiver Zweckmäfsigkeit) nur die Rede sein kann; z. B. wenn wir das Fleisch des Rubens zu roth, das eines Titian natürlich finden, oder einen Mahler tadeln, dafs er einen alten ehr^ würdigen Mann in eine helle schreiende Farbe gekleidet. Ferner ist hier auch nicht von der Reinheit oder Unreinheit einer Farbe die Rede, die allerdings auch ein Gefühl von Lust und Unlust in uns hervorbringt und von welcher wir oben, bei Betrachtung der Geschmachsur- theile in Rücksicht auf das Schöne, gespro- chen haben. Es sollen die Farben auf einan- der folgen, wie dies bei der untergehenden Sonne am Himmel sich findet. Dafs uns die» ses Farbenspiel Lust gewährt, ist keinem Zwei- fel unterworfen; die sanftem Uebergänge von einer Farbe zur andern, das in sehr sanften Abstufungen zu oder abnehmende Licht, thut dem Auge unendlich wohl; so dafs uns dieser Wechsel sowohl in der Natur, als durch Kunst dargestellt viel Vergnügen macht. Etwas ähn- liches findet in der Mahlerei statt; denn ob- gleich das Bild selbst in seinen Theilen zu- gleich ist, £o geschieht doch die Wahrneh- mung desselben in der Zeit und es entsteht

55 1

also eine "Reihe von Empfindungen; weshalb auch hier in gewisser Rücksicht ein Farben- spiel statt findet. Unser Auge wird gereitzt auf den Punkt des Gemäldes zuerst zu ver- weilen, in welchem das höchste Licht sich findet und so durchläuft es allmälig alle an- dern Theil.e des Bildes, wo das Licht durch völlig zusammenhängende Grade bis zum stärk- sten Schatten abnimmt; und so vielerlei Far-< bell auch der Mahler auf dem Gemälde ange- bracht haben mag, so müssen si'^ doch har- monisch zusammenstimmen und einen ange- nehmen Totaleindruck machen; es müssen zwischen sich widerstreitenden Farben die ge^ hörige Uebergänge statt finden u. s.

Freilich wird immer ein grofser Unter- schied zwischen dem freien F<irbenspiel ohne Gestalten in der Natur, und dem bei Gemäl- den statt finden, daher stellte ich auch beide nur als ähnlich neben einander; diese Aehn- lichkeit ist aber auch wiederum nicht zu ver- kennen, und könnte noch weiter fortgeführt werden, wenn es hier der Ort wäre. Nur eins will ich noch hinzufügen; so wie bei dem freien Farbenspiel am Himmel, bei der auf- und untergehenden Sonne eine Grundfarbe sieh findet, die überall eingemischt ist und

352

durchschimmert, so mufs auch dies bei einem Gemälde statt finden, es mufs einen bestimm- ten Ton haben, wodurch Einheit in das Far- benspiel gebracht wird.

Diese Lust an der wechselnden Folge der Farben und des daraus entspringenden Spiels der Empfindungen gehört mehr zum Angeneh- men als zum Schönen, weil der Gegenstand uns durch den Sinneneindruck gefällt; wir sa- gen daher auch es thut dem Auge wohl, um ein gewisses körperliches Wohlbehagen da- durch zu bezeichnen; allein es kann auch al- lerdings eine Geschmackslust beigemischt sein, insofern in dem Wechsel der Farben eine Harmonie, ein Zusammenstimmen zu einer Einheit sich findet, und in dieser Rücksicht würde sodann die Lust am Spiel der Farben zur Geschmackslust zu zählen und für allge- mein mittheilbar zu halten sein; wenn sie gleich als Wohlgefallen an der Farbe selbst (dem Inhalt des Spiels) keinen Anspruch dar- auf machen kann.

Noch will ich erinnern, dafs hieher auch der Wechsel des Lichts, ohne Aenderung der Farbe, zu rechnen; auch dieser gefällt für sich, so bald die Stufenfolge im Ab- oder Zu- nehmen statt findet. Als Beispiel nenne ich

die

353

die optische Darstellung einer Landschaft mit auf- oder untergehender Sonne.

Durch den Sinn des Gehörs werden uns Töne gegeben, und auch bei ihnen kann ein Spiel statt finden, mit welchem ein Spiel der Empfindungen verbunden ist, das ein Gefühl der Lust erweckt. Es ist hier nicht von dem Wohlgefallen an einzelnen Tönen wegen ihrer Reinheit; noch von dem an ihrem Einklang, in so fern sie gleichzeitig sind, die Rede, son- dern von dem Gefühl der Lust, was aus der Folge derselben sich ergiebt. Man mufs bei der Verbindung mehrerer Töne zu einer Reihe zweierlei unterscheiden, die Composition und die Modulation. Die erstere verbindet das Mannigfaltige zur Einheit, sie betriff durchaus die Form; und ist also der Gegenstand der Geschraacksurtheile ; so wie das dadurch her- vorgebrachte Wohlgefallen auf Allgemeingiil- tigkeit Anspruch macht. Die Modulation be- trift die Abwechselung der Töne imd giebt denselben den Reitz. Der Gesang der Vögel gefällt wegen der Modulation. Hier kann nun durch das Aufeinanderfolgen de^ Töne Lust an der Sinnenempfindung hervo ebraeht werden; in so fern er der eine Sinnenein- druck, den folgenden vorbereitet und so die

554

EindriJcke für das Organ zweckmäfsig werden; eben so wie Unlust dadurch hervorgebracht werden kann, dafs der vorhergegangene Ton eine Veränderung des Gehörorgans bewirkt, welcher der Veränderung, welche der folgende Ton bewirkt gradezu entgegengesetzt ist; wo- durch Zweckwidrigkeit zwar nicht für das Ge- hörorgan überhaupt, aber doch für das in Ee- wegung gesetzte Gehörorgan entspringt. Man sieht leicht ein, dafs das hier Gesagte, auch auf das Farbenspiel seine Anwendung leidet. Von diesem Gefühl, was aus der Folge der Töne blos in Beziehung aufs Organ betrach- tet, sich ergiebt, ist noch das Gefühl zu unter- scheiden, was aus dem Spiel der durch Töne bewirkten Empfindungen entspringt. Es kann nämlich jeder Ton auch als ein natürliches Zeichen von einer Empfindung betrachtet wer- den, und er bringt auch wiederum diese Em- pfindung in dem Hörenden hervor; wir unter- scheiden klagende, freudige, .«^^nfte, kräftige u. 6. w* Töne. So wie nun die Töne aufeinan- der folgen, so werden sie auch in dem Hören- den eine Folge von Gemüthszuständen und also eine Folge von Gefühlen erwecken, de- ren Spiel uns Lust gewähren kann. Ja es kann sich 7.U diesem, Spiel der Gemütbszustände

355

noch ein neues gesellen, nämlich ein Spiel von Vorstellungen, in so fern mit den Gefüh- len dunkle Vorstellungen sich vergesellschaften können, die sich wechselweise untereinander beleben. Das Wohlgefallen am Spiel der Töne gehört zum Angenehmen des Sinnen- reitzes, die Lust am Spiel der Gefühle und der Vorstellungen ist gleichfalls Vergnügen es besteht in der Belebung der Gemüthskräfte überhaupt, ohne eine bestimmte Absicht und kann als solches zwar auf mehrerer Einstim- mung rechnen , aber doch diese nicht, wie die Geschmacksurtheile fordern.

f^on di-r Lust an dem Wechsel der G emiiths' zustände.

Wir haben so eben gezeigt, dafs der Wechsel der Gemüthszustände, welcher durch Töne (in der Musik) hervorgebracht wird, mit einer Lust verbunden sein kann, die zum An- genehmen gehört und in einer Belebung der Gemüthskräfte überhaupt besteht» Dieser Wechsel und die damit verbundene Belebung, welclie das Gefühl der Lust bewirkt, kann noch auf ai^lere Weise hervorgebracht wer- den, und dazu gehören unter andern, die Glucksspiele,

355

Allerdings kann das Glücksspiel den Spie- lern oft blos "wegen des Gewinnes gefallen j allein man trift auch wiederum mehrere Per- sonen an, denen das Spiel an sich Vergnügen macht, und die kein Bedenken tragen würden^ gern den ganzen Gewinn und mehr noch weg- zugeben, ohne dafs dadurch ihr Vergnügen vermindert würde. Dies führt uns auf die Untersuchung der Quellen des Wohlgefallens am Glücksspiel.

Es scheint mir, dafs das Gefühl der Lust, welches das Glücksspiel gewährt, aus mehreren Quellen fliefsen könne. Eine dieser Quel»« len kann der Eigennutz sein, wo nun der zu hoffende Gewinn zum Spiel reitzt, und die Lust oder Unlust von der erfüllten oder nicht erfüllten Hofnung herrührt. Sie gehört zu den mit dem sinnlichen Begehren verbundenen Gefühlen. Eine andere Quelle der Lust ist die Beschäftigung des Verstandes in Auf- lösung der Aufgaben, die uns der Zufall auf- giebt; dies ist namentlich der Fall bei den Spielen, wo das Glück nicht allein entscheidet, wohin vorzüglich einige Kartenspiele gehören. "Wir entwerfen nach den erhaltenen Karten, die uns der Zufall giebt, einen Plan, und su- chen diesen trotz allen Schwierigkeiten, welch«

357 uns unsere Gegner machen,, durch zuführen; oder wir strengen alle unsere Kräfte an, um den Plan eines oder mehrerer unserer Gegner zu vereiteln; dafs diese Verstandesbeschäftigung Vergnügen gewährt, erhellet auch daraus, dafs wir vorzüglich Lust an kleinen Spielen, welche wir gewinnen, oder an grofsen, welche wir andern verlieren machen, empfinden; obgleich auch Eitelkeit hierbei sich einmischen kann. Endlich ist die letzte Quelle des Wohlgefallens am Spiel, welche uns eigentlich hier nur an- geht, der W^echsel unserer Gemüthszustände, den das Spiel bewirkt; die gespannte Erwar- tung, welclie mit Hofnung und Furcht bestän- dig wechselt, belebt unser Gemüth überhaupt und ist deshalb mit einem Gefühl von Lust verbunden; ja es kann dieses Spiel der Affek- ten sogar eine körperliche Bewegung bewir- ken, welche der Gesundheit sehr zuträgUchr ist. Wenn daher auch das Glücksspiel ein In- teresse der Eitelkeit oder des Eigennutzes for- fert, so ist dies doch in der Regel bei weitem nicht so grofs, als das an der Art wie wir es zu befriedigen suchen; das Mittel gefällt; uns mehr als der Zweck,

358

yo n der Lust an dem Spiel der Gedanken.

Kant betrachtet unter diesem Titel in sei- ner Kritik der ästhetischen Urtheilskraft, die Lust, die uns das Lächerliche und Naive ge- währ «n.

s Dafs bei dem Lachen durch Vorstellun- gen das Gemüth auf den Körper einwirkt, die Vorstellungen eine Erschütterung des Zwerg- fells hervorbringen, welches durch Reitz plötz- lich angespannt und abgespannt wird, wodurch >das in Unterbrechungen wiederholte schnellere Ausathmen entsteht, ist aufser Zweifel. Wie das Gemüth auf dem Körper (und auch um- gekehrt, dieser auf jenes) wirken kann, wird uns ev/ig ein Piäthsel bleiben; höchstens kön- nen wir als unerklärliches Faktum feststellen, dafs mit allen unsern Gedanken irgend eine Bewegung in den Organen des Körpers har- monisch verbunden ist. Dies vorausgesetzt, so läfst uns dies mit Piecht vermuthen, dafs bei dem Lachen das Gemüth aufeinanderfolgend plötzlich bald angespannt bald abgespannt wird. Kant erklärt daher das Lachen durch den uijfehb aus der plötzlichen Verwandlung ei- ner gespannten Erwartung in Nichts, Es versteht sich von selbst, dafs hier nicht yon dem Lachen was aus körperhchen Ursachen

(z. B. vom Kitzeln) herrührt, die Rede ist. Beim Lachen hebt das Spiel der Vorstellungen von Gedanken an, der Verstand spannt unsere Erwartung, und dadurch die körperlichen Or- gane (vorzüglich die zum Leben gehörigen des Athemholens), so bald er aber seine Erwartung betrogen findet, lüFst er plötzlich nach und dies hat auf die harmonisch wirkenden Organe des Körpers eine ähnliche Wirkung des Los- lassens. Was Lachen erregt nennen wir komisch oder lächerlich ; doch ist nicht noth- wendig, dafs ein lautes Lachen hervorgebracht wird, es ist hinreichend, wenn das innere Ge- fühl des Lachens entspringt.

Soll etwas komisch oder lächerlich sein, so mufs es unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen; es mufs unsere Erwartung spannen, und endlich was Widersinniges, Ungereimtea enthalten, also anders ausfallen, als wir es er- warteten, doch aber so, dafs die Erwartung plötzlich in Nichts verwandelt wird. Aber nicht jedes Unerwartete, oder was unserer Er- wartung zuwider läuft, ist deshalb schon ko- misch; es mufs die Erwartung von keinem grofsen Interesse für uns sein, so dafs wenn wir ^uns getäuscht finden, dies für uns von keiner Bedeutung ist> widrigenfalls wird die

36«

Erwartung nicht in Nichts verwandelt Ein Gegenstand also, der für uns von grofser Wich- tigkeit ist, der unsern Verstand, oder unsere Wünsche interessirt, erregt, wenn unsere Er- wartung in Bücksicht seiner getäuscht wird, kein Wohlgefallen sondern ein Mifsfallen; das was wir erwarten, mufs seiner Existenz nach, für uns indifferent sein, wenn die nicht erfüll- te Erwartung uns zum Lachen bewegen soll. Wer wird es lächerlich finden, wenn er sei- nen entfernt wohnenden Freund zu besuchen reist und unterwegens erfährt, dafs dieser ge- storben ist, Ferner mufs sich die gespann- te Erwartung nicht in das GegentheU, (denn das ist immer Etwas und kann Öfters betrüben), sondern in Nichts verwandeln.

Die Jungemagdj, uon PfeffeU Eil seht wie dick die Amme thut Das Mensch trägt Puder auf dem Kopfe; Die gnäd'ge Frau hat's kaum so gut. Es ifst mit ihr aus einem Topfe, Trinkt Firnewein und schlürft Kaffee, Ich mufs mich mit Kovent begnügen. Wenn ich vor Tag am Waschtrog steh', So bleibt die DroUe ruhig liegen. Mich sprengt man immer hin und her, Sie darf nur tanzen, singen, lachen;

3öi

Nein Jungemagd bleib' ich nicht mehr, Jch lasse mich zur Amme machen.

Wir können an vorstehendem kleineft Gedicht alle Erfordernisse des Komischen an- schaulich machen. Die sich über die Amme beklagende Jungemagd ist für uns kein Gegen- stand von hohem Interesse; das was sie von den guten Tagen der Amme und von ihrer eignen üblen Lage spricht, ist allerdings richtig, wir geben ihr Beifall und erwarten was sie vorhat, um ihre Lage zu verbessern; wir wollen prü- fen, ob sie den rechten Weg gewählt. Diese Erwartung aber wird plötzlich in Nichts ver- wandelt, denn es ist ganz gegen alle Regel, dafs ein Mädchen das Mittel, durch welches die Jungemagd diete Verbesserung bewirken yrillj öffentlich nennt.

Bei allen Gegenständen, die ein Lachen erregen, mufs etwas vorhanden sein, was auf einen Augenblick uns täuschen kann, daher wenn der Schein verschwindet, das Gemüth zurücksieht, um es mit ihm noch einmal zu versuchen und so durch schnell hinter einan» der folgende An- und Abspannung hin und zurückgeschnellt und in Schwankung gesetzt wird, die, weil der Absprung von dem, was gleichsam die Sai^ anzog, plötzhch (nicht

5G2

durch ein allmähliges Nachlassen) geschah, eine Gemüthsbewegung und mit ihr harmoni- rende, inwendige, körperhche Bewegung verur- sachen mufs, die unwillkührhch fortdauert und Ermüdung, dabei aber auch Aufheiterung, die Wirkungen einer zur Gesundheit gereichenden Nation, hervorbringt.

Aus dem Gesagten ergiebt sich, dafs da der Verstand beim Komischen in seiner Erwar- tung, wozu ihn eine allgemein bekannte und befolgte P.egel berechtigt, eich getäuscht fin- det, das Wohlgefallen am Gegenstande nicht von ihm herrühren kann, (denn wie kann eine getäuschte Erwartung vergnügen); die Lust entspringt vielmehr aus dem Einllufs der Vor- stellung auf den Körper und dessen Wechsel- wirkung aufs Gemüth, und zwar nicht dadurch dafs die Vorstellung objektiv ein Gegenstand des Vergnügens ist, sondern blos dadurch, dafs sie ein Spiel der VorsteUungen veranlafst, wodurch ein Spiel der Lebenskräfte im Kör- per hervorgebracht wird. Es gehört daher das Lächerliche nicht zum Schönen, sondern zum Angenehmen, ob es gleich, insofern es an sich kein Interesse bei sich führt, auf mehrerer Einstimmung zählen, wenn gleich dieselbe

nicht ansinnen kann«

/

563

Dafs das Komische nicht wie das Schöne auf Allgemeingültigkeit Anspruch machen kann, rührt von einem wesentlichen Unterschied zwi- schen beiden her; das Schöne stützt sich auf das harmonische Zusammenstimmen der bei- den Erkenn tnifskräfte, deren subjektive Be- schaffenheit, wir bei allen Menschen als gleich anzunehmen, berechtigt sind; das Lächerliche hingegen stützt seine Wirkimg auf etwas, was bei verschiedenen Menschen allerdings sehr verschieden sein kann; es fordert nämlich erstlich einen Zustand der Indifferenz für den Gegenstand, so dafs derselbe weder an sich noch durch Vergesellschaftung ein bedeuten- des Interesse für uns erhalte; ferner setzt er Kenntnifs der Piegel oder der Analogie voraus, gegen welche gegen unsere Erwartung etwas geschieht, und endlich den nöthigen Grad der Urtheilskrafr, um diese Uebertretung plötzlich wahrzunehmen.

Das Komische ist von doppelter Art, ent- weder hat derjenige, bei dem es sich fmdet, nicht die Absicht Lachen zu erregen, dann lachen wir über ihriy oder er hat diese Ab- sicht, dann belachen wir ihity und wir nennen das was er vorbringi^ Scherz. Verlachen ist ein Lachen, womit Spott verbunden ist,

364

Wir lachen übel* das alte Weib , welches alle Morgen betet: Ach Gott, ich bin ein junger Knab, verleih' mir Deines Geistes Gab, Wir belachen den Einfall des Thomas Paine, wenn er sajgt: mir ist kein Wunder grofs genug, um darzuthun, was es darthun soll. Dafs der Wailfisch den Jonas verschluckt hat ist mir nicht hinreichend; Jonas müfste den WaUhsch verschlungen haben. Wir verlachen den jungen Eingebildeten, welcher weil die Recen- senten seine erste Schrift nicht lobenswerth fan- den, schwur, er wolle fortan sich um die Auf- klärung des Menschengeschlechts weiter nicht bemühen.

Alles das was im Vorhergehenden über das Lacheji gesagt worden, betrift das Lachen im eigentlichen Sinn, das reine Lachen, wenn ich mich so ausdrücken darf; allein sehr oft entstehen körperliche Bewegungen, welche de- nen, die beim reinen Lachen sich zeigen ähn- lich sind, aber doch ein ganz anderes Spiel von Gedanken voraussetzen, dahin gehört das verschämte, boshafte, hämische, bittre Lachen. Auch bei den letztgenannten nimmt der La- chende oder Lächelnde plötzUch etwas Wi- dersinniges wahr; ein Etwas, was er wahrzu- nehmen nicht erwartete, allein seine Erwar-

365

tung wird nicht in Nichts verwandelt, sondern es zeigt sich dem Gemüth plötzlich etwas an- ders, wodurch zwar die Anspannung der Er- wartung nachläfst, aber ein neuer Affekt ein- tritt. Ein Vater fragt seine Tochter ganz un- erwartet, ob sie einen Mann, den er ihr nennt, liebt? Sie ist auf dem Punkt Ja zu antworten, aber in dem Augenblick verschliefst ihr das Gefühl der Schaam,. oder der Gedan- ke, es schicke sich für ein Mädchen nicht, Liebe zu gestehen, den Mund; sie ist zur be- jahenden Antwort gespannt, sie tendirt Ja zu sagen, aber die Schaamhaftigkeit vernichtet diese Tendenz ; daher entspringt ihr verschäm- tes Lächeln j welches hier Ausdruck gemäfsig- ter Freude ist. Es «ieht jemand einen Mann, dem er nicht wohl will, eine Handlung begehen, wodurch dieser eine Blöfse giebt, die ihm gefährlich werden kann; und jener lacht darüber, dies ist ein boshaftes Lachen; ist eS mit Heimtücke verbunden, so wird es hä' misch genannt. Auch hier findet sich etwas Unerwartetes, der Lachende war sich nicht vermuthen, dafs der von ihm Gehafste sich eine solche Blöfse geben würde; die Schaden* freude will sich äufsern, aber der Gedanke, dies sei nicht recht, nicht schicklich oder auch

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er mache sich verdächtig, halt diese Aufserung zuiiick und so entspringt wechselsweise An- und Abspannung. Mit dem hämischen La- chen ist VersDOttung verbunden, welche zu- gleich Verachtung bei sich führt; man fühlt sich geneigt, den andern öif entlich zu Schan- den zu machen, dem Gelächter auszusetzen, aber die Vorstellung der Unwichtigkeit des Menschen hält uns zurüdv, und so entspringt je naciidem wir die Handlung des Menschen oder seinen Werth betrachten, ein wechseln- des Anspannen und Nachlassen. Beim bittern Lachen sind wir über einen Gegenstand, der uns Übel zufügt, entrüstes, aber wir sind uns auch bewiifst dafs unsere Widersetzlichkeit unnütz iist, In ein solches bittres liachen bricht der gefesselte Prometheus aus; mit ei- xxem solchen Lachen klagt Donna Isabella im letzten Akt der feindlichen Brüder die Götter imd die Orakel an. „Alles dies erleid ich ßchuldlosj doch bei Ehren bleiben die Orakel und gerettet sind die Götter."

Eine weitere Auseinandersetzung des La- chen und des Lächerlichen, so wie auch eine genauere Classification desselben gehört in an- dere Wissenschaften und kann in. eine Critik der ästhetischen Urtheikkraft nicht aufgenom-

3G7

men werden. Wirj wollen hier blos noch kürzlich einiger Arten des Komischen er- wähnen :

Es heifst etwas niedrig komisch y wenn entweder die VorsteUungen, oder die Verbin- dung derselben, oder die Ausdrücke aus der Sphäre des gemeinen Haufens hergenommen sind ; edel komisch, wenn keins von den diei Stücken statt findet, Ironie hndet statt, wenn man einem Gegenstande Vollkommen- heiten oder Unvollkommenheiten beilegt, die er nicht besitzt, iim die an ihm sich finden- den entgegengesetzten Unvollkommenheiten oder Vollkommenheiten in ein desto gröfseres Licht zu stellen. PersißagCj wenn man un- ter dem Scheine des Lobes oder der Entschul- digung jemanden dem Gelächter Preis giebt.

Die arme Galathel Man sagt sie schwärz ihr

Haar, Da es doch schwarz, als sie es kaufte, war.

Die zum Lachen erforderliche plötzliche An - und Abspannung wird man in der Iro- ,nie und Persiflage ohne Mühe erkennen, -

Der Witz ist eine reichhaltige Quelle des Komischen. Er zeigt uns Ähnlichkeilen bei Gegenständen, die uns beim ersten Anblick

365

ganz verschieden erscheinen. Doch ist der Witz nicht immer Lachen erregend, er kann auch sehr ernst sein« Wenn jener UnglückU- che, ein Opfer der Tyrannei, dem Nachrichteri der ihn enthaupten soll, aber fehl schlägt, ^agt: Kerl, Du richtest, wie Deine Obrigkeit, so ist der Ausspruch allerdings witzig, aber nichts weniger als lächerlich; dies ist auch der Fall, wenn Thomas Morus seinen weifsen Bart über den Block auf dem er enthauptet wer- den soll, mit den Worten legt: dieser hat nicht gesündigt.

Eine andere reichhaltige Quelle des Lä- cherlichen ist die Laune. *) Laune in objek- tiver Bedeutung ist die Gemüthsstimmung , in der alle Dinge ganz anders als gewöhnlich (sogar umgekehrt) und doch gewissen Ver- nunftprincipien in einer solchen Gemüthsstim- mung gemäfs, beurtheilt werden. So ist Yoriks empfindsame Beise ein Produkt der Laune, der Verfasser sieht die Gegenstände aus ei- nem

*) Laune körümt wahrscheiälich ^'on lund, Vreil da« Mond- licht die Gegenstände uns oft »eltsam erscheinen macht. Der Ausdruck hiimor von Laurte gebraucht (franz. hümeiir) kömmt wohl von der Meinung her, dals die verschiedefleri Temperamente der Menschen auf der Verschißdenheit der itt Ke>rpet beßudtichen Feuchtigkeiten beruhen«

569

tiem ganz eigenthümlichen nicht gewöhnlic chen Standpunkt an, wodurch sie ihm auch in ungewöhnlichen Gestalten erscheinen; so- bald man sich aber mit ihm in diesen Stand" punkt stellt, sich in seine Gemüthsstimmung versetzt, so kann man das Folgerichtige semer Darstellung nicht leugnen. Ich erinnere mei- ne Leser nur an die hörnerne Dose des Bet- telmöiiKDhs, an den Eseltreiber, an den Vogel im Käfig» Man theilt die Laune in die frohe und ernste; Produkte einer frohen Laune sind die Werke eines Hogart, Fielding, Swift, Vol- täte, Musäus, Lichtenberg u. s. w. ; der ern- sten Laune Youngs Nachtgedanken, Juvenals Satyren u* s. w* Die Laune ist nun von dop- pelter Art, entweder wir können uns freiwillig in diese Stimmung versetzen, und ihr gemäfs darstellen, ein solcher Mann heifst launigt^ oder wir werden gegen unsern Willen darin versetzt, dann heifst man launisch^ und wenn die Gemüthsstimmung in der Ptegel trübe ist, Ulunisch^ Die Naturgabe, sich willkühilich in eine eigenthümliche Gemüthsstimmung ssu Versetzen, heifst Laune in subjektiver Be- deutung.

Die Produkte der Laune können uns Eum Lachen bewegen j ob es gleich nicht im-

57<>

mer der Fall ist, dafs sie uns in diese Ge- niüthsstimmung versetzen; wir lachen mit fro- hem Muthe über des alten Shandy Bemühun- gen ein Wunderkind zu erzeugen und zu er- ziehet!, die insgesammt fehlschlagen; wir füh- len innig mit der unglücklichen Maria in Ster- nes Reisen; wir erfreuen uns der Heiterkeit des Anakreon; wir werden gerührt durch Youngs Nachtgedanken.

Witz mit Laune verbunden (launigter AVitz) wird noch reitzender (pikanter)^ dahin gehört der Witz eines Lichtenberg, Thomas Paine > Voltäre, Lessing, Kästner, P. Rich- ter u. 5. w.

Der Künstler, welcher launigte Werke hervorbringt, heifst ein Humorist ; er folgt entweder seiner eigenen Laune, in welche er sich willkührlich versetzt (Swift in seinem Mährchen von der Tonne, Sterne in seinen Reisen), oder er Versetzt sich in die Laune eines andern und stellt dieser gemäfs die Ge- genstände dar (Sterne in Tristram Shandy).

Das Wohlgefallen an den Werken der Laune gehört nicht sowohl zum Schönen , als zum Angenehmen der Kunst; denn die schöne Kunst erfordert Würde der Darstellung, die Ernst verlangt, welches nicht immer bei den

37 1

launigten Produkten statt findet; es will das Werk der Laune mehr vergnügen und ergö- tzen, so wie das Schöne blos durq^ seine Form gefallen.

Vo m Naiven.

Zu denjenigen Objekten, die durch ein Spiel der Gedanken ein Spiel von Empfindun- gen erwecken, welches uns Lust gewährt, rech- net Kaiit mit Recht das Naive. Das Naive bringt ein gemischtes Gefühl von Freude und Schmerz hervor, der Gegenstand zieht ups an und stöfst uns ab; doch hat das Gefühl der Lust die Oberhand.

Kant erklärt Naivität durch den Aus- bruch der der Menschheit ursprünglich na- türlichen Aufrichtigkeit, wider die zur andern Natur gewordenen Verstellungskunst. Darauf deutet selbst der Name schon hin, denn wir haben dies Wort aus dem Französischen, und die Franzosen haben es nach dem lateini- schen nativus gebildet. Beim Naiven trägt die Natur über die Kunst den. Sieg davon, aber es mufs die Natur Becht, die Kunst Un- recht haben. Wenn in der Gellertschen Fa- bel, der Vater seine Tochter den um sie wer- benden Manne aus dem Grunde abschlägt,

57*

weil ßie erst vierzehn JahTe alt sei und das Mädchen schnell einfällt: Papa Sie h^ben sich versprochen, ich sollt erst vierzehn Jahre sein '— nein, vierzehn Jahr u^^d sieben Wo- chen; so ist dies Naivität» Die Kunst hätte geboten, den Wunsch verheirathet zu werden zu verbergen, aber in dem Mädchen siegt die Natur über die Kunst; und die Natur hat Recht.

Das Naive ist von doppelter Art, das der Überraschung und das der Gesinnung. Siegt die Natur über die Kunst wider Wissen und der Person, so findet das Naive der erstem Art, siegt die Natur mit völligem Bewufstsein der Person, so fmdet das Naive der zweiten Art statt.

Im eigentlichen Sinn kann man nur ver- tiänftigen Wesen Naivität beilegen, allein man braucht auch wohl den Au*sdruck in uneigent- licher Bedeutung von vernunftlosen Dingen, wo man alsdann seine Vorstellungen in die Gegenstände überträgt Wir sprechen in der Folge vom Naiven nur in der eigentlichen Be- deutung.

Das Gefühl welches das Naive erregt ist zusammengesetzt; es fmdet sich in ihm fröli- rher Spott, Ehrfurcht imd Wehrauth. Wir

375

bemerken die Regeln der Kunst sind übertre- ten, der Naive giebt dem Verstände eine Blö- fse und wir fühlen eine Überlegenheit. Wir erwarteten die alltägliche Sitte des gekünstel- ten Scheins. Diese Erwartung wird in Nichts verwandelt, daher das fröliche Lächeln. Aber auf der andern Seite werden wir inne, dafs die Lauterkeit der Gesinnung, Welche dadurch ' offenbar wird, unendlich mehr werth ist, als alle angenommene Sitte, dies erweckt Ehr- fttrcht. Dur eil die Nichtbefriedigung des Ver- standes wird die Befriedigung der Vernunft oifeabar ; Klugheit und Sittlichkeit waren im Streit und die letztere siegte. ->— Das Gefühl der Wehmuth entspringt aus der Vorstellung des Verlustes der Wahrheit und Simplicität der Menschheit.

Das Gefühl der Wehmuth 'vegen," was dem Gefühl, welches das Naive ecweckt, bei- gemischt ist, gehört das Naive selbst zu dem Sanftrührenden und es kömmt darin mit dem Gefühl überein, w^as die Betrachtung der Na- tur als solche z. B. an einem stillen Abend, in einem ruhigen Dorfe, an einem See, der von Gebüsch umkränzt ist und auf dessen Fläche der Mond sich spiegelt n. s. w. in uns erweckt.

Bei dem Naiven der Überraschmig äufsert

374

sich die Natur wider den Willen der Person z. B. im Affekt. Das Gefühl der Achtung, das ihm beigemischt ist, findet also nir ht in Rück- sicht der Person, sondern in Rücksicht seiner moralischen Anlage statt. Es betrift die Mo- ralität überhaupt, ist also ein moralisches Ge- fühl von Lust, aber es betrift keinen bestimm- ten moralischen Charakter. Insofern der Mensch wider seinen Willen aufrichtig ist, so wird auch die Freude dadurch vermehrt, dafs w^ir den Schalk in ihm blos gestellt und ihn bestraft sehen. Eine solche Naivität war die eines französischen Kunstrichters, der eine anonyme Ode gelobt hatte; als man ihm nach- her sagte, Lainothey dessen Feind er war, sei der Verfasser derselben, rief er aus: Wenn ich das früher gewufst hätte!

Dem Naiven der Gesinnung liegt das Kindliche zum Grunde. Wir achten die Per- son, die dasselbe äufsert. Es kömmt nur Kin- dern und kindlichgesinnten Menschen zu; sie vergessen aus eigner schöner Menschlichkeit, dafs sie es mit einer verderbten Welt zu thun haben. In dem Schauspiel Faust von Göthe, hält Margarethe, nachdem sie die Bekannt- schaft des Faust gemacht und er ihr viel Schö-

375

nes von seiner Liebe vorgesagt hatte, folgen- den naiven Monolog:

Ach Gott, was so ein kluger Mann, Nicht alles alles denken kann, Beschämt steh* ich so vor ihm da, Und sag zu allen Sachen Ja. Bin doch ein arm unwissend Kind Begreif nicht was er an mir find't.

Ferner gehört hieher die Spinnerin, vonVoG?, welche wir S. 67 angeführt haben. Aus der naiven Denkart fliefst nothwendigerweise auch ein naiver Ausdruck sowohl in Worten als in Bewegungen ; er ist der wichtigste Bestandtheil der Grazie. »^ Dem weiblichen Charakter ist also Naivität am meisten angemessen.

Das Gefühl, welches das Naive erzeugt, gehört zu den sanften Gefühlen und es kann daher leicht aufgehoben werden, wenn ein an- deres stärkeres Gefühl sich damit verbindet; dahin gehört z. wenn durch die Offenher- zigkeit eine Schandthat ans Licht kömmt, oder der Offenherzige sich grofsen Gefahren aus- setzt.

Von dem Naiven ist noch die offenher- zige Einfalt zu unterscheiden, welche die Na- tur nur darum nicht verkünstelt, weil sie sich

37^

darauf nicht versteht, v^s Kunst des Umgang» sei. Als Beispiel setze ich folgende Scene fius Molieres berühmter ecqle d^s fernmeSi h^r, hex* II. ?c. 6,

Le monde, ch^re Agn6s, est une etrange choseJ iVoyez la m^disance et comme chacun cause! Quelques voisins in*ont dit, qu'un jeuno

homme inconnu Etoit en mon absence ä la maison venu Que VOU3 aviez souffert sa vue et ses ha^

rapgues : Mais je n'ai point pris foi sur ces mechantes

langues Et j'ai voJu gager que c' etoit faussement t \ %

Mon I>ieu! ne gagez pas, vous pe^drie^i

vr^iment.

Jtrnoljthe* Quöi! c^est la verite qu'un homme . . ,

Chose sure II ^'a pr€S(jue bouge de chez nous, je vous

jure.

»

577 Arnolphe bas ä part Cet aveu qu'elle fait avec sincerlte Me marcjue pour le moins sön ingenuite.

Anmerkung.

Es wäre jetzt nach S. 57 das Gefühl der Lust noch zni betrachten, welches aus der te- leologischen Urtheilskraft entspringt; allein es ist diesem Piefiections vermögen ein ganz eige- ner Abschnitt gewidmet, um die Prinzipien des- selben aufzustellen und die Rechtmäßigkeit ihres Gebrauchs zu zeigen, und was die Lust betriff, -welche durch dasselbe gegeben wird, so ist davon in der Einleitung gesprochen. Wir wollen jetzt nur noch einige Bemerkungen nach Anleitung der Kantischen Critik der ästheti- schen Urtheilskraft über Geschmack, Genie und schöne Kunst hinzufügen,

TS'dhere Bestimniu.np; des dem Geschmack Sum, Grün' de liege Tiden Prinzips.

Der Geschmack ist das Beurtheilungsvör- mögen des Schönen. Jedes Urtheil mufs sei-? nen Grund haben, und dies mufs also auch bei den Geschmacksurtheilen statt finden. Nun sind nur zwei Fälle möglich; man nimmt ^ntwe^er an, der Geschmack urtheile jederzeit

578

nach empirischen Bestimmungsgründen, welche durch die Sinne a posteriori gegeben wer- den, oder man gesteht zu, dafs er aus Grün- den a priori urtheile. Die erstere Behaup- tung nennt Kant den Empirismus der Critik des Geschmacks, die andere den Rationalis- mus derselben. Die im Vorhergehenden von uns angestellten Untersuchungen haben die Nichtigkeit der erstem Behauptung dargethan; denn unter ihrer Voraussetzung würde das Schöne zum Angenehmen gehören, und das Urtheil darüber eben so wenig wie das Lirtlieii über das Angenehme allgemeine Einstimmung ansinnen können, sondern sich auf Privatgüi- tigkeit einschränken müssen. Es kann also nur der Rationalismus statt fmden.

Der Rationalismus aber kann wiederum von doppelter Art sein, entweder kann er be- haupten, das Schöne lasse sich auf Begriffe bringen, und nach bestimmten Regeln «/;/7 0/7 beurth eilen, oder er kann behaupten, dafs das ürtheil über das Schöne nicht durch bestimm- te Gründe motivirt werden könne. Die erste dieser Behauptungen ist gleichfalls im Vorher- gehenden geprüft und widerlegt worden; denn ihr zu Folge würde das Schöne mit dem Gu- ten, den letztern Ausdruck in weiterer Bedeu-

379 tung genommen, einerlei sein. Es bleibt also für die Critik des Geschmacks nur der Ratio- nalismus ohne objektive bestimmte Gründe als alleinig richtig übrig.

Der Begrif a priori^ welcher der ästheti- schen Urtheilskraft bei ihrer Reflection über die Gegenstände zum Behuf eines Geschmacks- urtheils zur Leitung dient, ist der der Zweck- mäfsigkeit. Diese Zweckmäfsigkeit aber ist, wie S. 136 gezeigt worden, nicht objektiv, sondern blos subjektiv; denn das Geschmacks- urtheil über Schönheit ist kein Erkenntnifsur- theil, welches eine Eigenschaft des Gegenstan- des aussagte; es drückt blos das Wohlgefal- len des Subjekts am Gegenstande aus. Wenn man aber auch die Zweckmäfsigkeit des Ge- genstandes in Beziehung auf das Geschmacks- urtheil blos als subjektiv betrachtet, so finden doch noch zwei Fälle statt, entweder man meint, diese subjektive Zweckmäfsigkeit des Gegenstandes sei der wirkliche, absichtliche Zweck der Natur oder der Kunst (Realismus) oder man behauptet, diese Zweckmäfsigkeit sei eine, ohne Zweck sich von selbst hervor- thuende Übereinstimmung zu dem Bedürfnisse der Urtheilskraft (Idealismus)»

Die Betrachtung der Produkte der orga-

$8ö

nisi'ten Natur' scheint die Behauptung des Piealismus sehr zu unterstützen; denn wenn n an auch gleich die Gestalt der Pflanzen und Thiere aus einem innern Zweck derselben ab- zuleiten geneigt wäre, so scheint es doch, dafs die unsern Augen so wohlgefäUige Mannigfal- tigkeit und harmonische Zusammenstimmung der Farben bei den Schaalthieren , mehreren Vogelarten, Schmetterlingen, Blumen u. s. w,, welche nur die Oberfläche dieser Gegenstknde zieren, und mit dem innern Zweck derselbeH in keiner Verbindung stehen, uns einen Be- weis geben, dafs die Natur wirklich den Zweck gehabt habe, sie unserer ästhetischen ürtheils- kraft gemäfs einzurichten.

So richtig dies auch beim ersten Anblick scheint, so treibt uns doch die Vernunft durch ihre Maxime; die unnöthige Vervielfältigung der Prinzipien nach aller Möglichkeit zii ver- hüten, an, Erscheinungen in der Natur aufzu- suchen, welche blos in dem Mechanismus der- selben ihren Grund haben und dennoch für unsere Beurtheilung zweckmäfsig sind, von uns für schön erklärt werden können j diese aber finden sich in den freien Bildungen der Na- tur. Kant versteht nämhch nnter einer freien Büdung der Natur diejenige, wodurch aus ei-

581

nem Flüssigen in Tiulie, durch Verflüchtigung oder Absonderung eines Theils desselben (bis- weilen blos des Wärmestofs) das Übrige im Festwerden eine bestimmte Gestalt oder Gewe- be (Figur oder Textur) annimmt, die nach der speeifischen Verschiedenheit der Materien ver> schieden, in eben derselben aber genau die- selbe ist. Hierzu wird aber, was man unter einer wahren Flüssigkeit jederzeit versteht, nämlich dafs die Materie in ihr vöHig aufge- löset, d, u nicht als ein blofses Gemenge fe- ster und darin blos schwebender Theile anzu- sehen sei, vorausgesetzt. Die Bildung ge-» §chieht alsdann durch Anschief sen^ d. i. durch ein plötzliches Festwerden, nicht durch einen allmähligen Übergang aus dem fiiissigen in den festen Zustand, sondern gleichsam durch ei- nen Sprung, welcher Übergang auch das C/y- stallisiren genannt wird. So bilden sich die crystallinischen Figuren der Salze, Steine, meh* rarer Erze, der Schneeflocken u, s. w. Wenn man daher gleich bei Beurtheilung der orga- nischen Körper, wie in der Critik der teleolo- gischen Ürtheilskraft gezeigt werden wird, der Natur gewisse innere Zwecke beilegen müssen, so kann es doch auch sein, dafs nebenher bei ihnen freie Bildung statt ßndet, so dafs aus

382

den in den organischen Körpern befindlichen Flüssigkeiten dem allgemeinen Gesetze der Vervvandschaft der Materien gemäfs, Crystalli- sationen entstehen. So wie nun die in einer Atmosphäre, welche ein Gemisch verschiede- ner Luftarten ist, aufgelöste wafsrige Flüssig- keiten, wenn sich die letztere, durch Abgang der Wärme von jener scheidet, Schneefiguren erzeugen, die nach Verschiedenheit der dama- ligen Luftmischung von oft sehr künstlich scheinender und überaus schöner Figur sind, so läfät sich, ohne dem teleologischen Prinzip der Beurtheilung der Organisation etwas zu entziehen^ wohl denken: dafs, was die Schön- heit der Blumen, der Vogelfedern, der Mu- scheln, ihrer Gestalt sowohl als Farben nach, betrift, diese der Natur und ihrem Vermögen, sich in ihrer Freiheit, ohne besondere darauf gerichtete Zwecke, nach chemischen Gesetzen, durch Absetzung der zur Organisation erfor- derlichen Materie, auch ästhetisch zweckmäfsig zu bilden, zugeschrieben werden könne.

Diese Darstellung macht die angeführten Gründe aus der organisirten Natur für den Realismus der subjektiven Zweckmäfsigkeit ih- rer Produkte wenigstens schwankend; allein folgende Gründe stofsen diese Behauptung völ-

583

lig um. In der Beurthellung der Scliöhlieit su- chen wir das Richtmaas derselben a priori in uns und die ästhetische Urtheilskraft ist in Ansehung des Urtheils, ob etwas schön sei oder nicht, selbst gesetzgebend; dies kann aber bei Naturschönheiten nicht statt finden, wenn wir den Piealismus der subjektiven Zweck- mäfsigkeit der Natur annehmen, weil wir da von der Natur lernen müfsten, was wir schön zu finden hätten und das Geschmacksurtheil empirischen Prinzipien unterworfen sein wür- de; denn in einer solchen Beurtheilung kömmt es nicht darauf an, was die Natur ist, oder auch was sie für uns als Zweck ist, sondern wie wir sie aufnehmen. Es würde immer eine objektive Zvveckmäfsigkeit der Natur sein, wenn sie für unser Wohlgefallen ihre Formen gebil- det hätte und nicht eine subjektive Zweckmä- fiigkeit, welche auf dem Spiel der Einbildungs- kraft in ihrer Freiheit beruhete. Die Eigen- schaft der Natur, dafs sie für uns Gelegenheit enthält, die innere Zweckmäfsigkeit in dem Verhältnisse unserer Gemüthskräfte in Beur- theilung gewisser Produkte derselben, wahrzu- nehmen, und zwar als eine solche, die aus ei- nem übersinnlichen Grunde für nothwendig und allgemeingültig erklärt werden soll, kann

3S4.

nicht Natui;zwejck sein o.der vielmehr von uns als ein solcher beurtheilt werden, weil sonst das Unheil, welches dadurch bestimmt wurde, abhängig und nicht) wie es einem Goschmacks» urtheile geziemt, frei sein, d. h. seinen Grund bios in sich selbst haben würde^

in der echönen Kunst ist das Frinzip des Idealismus der Zweckmäfcigkeit nocK deuth- cher zu erkennen; denn dafs hier nicht ein ästhetischer Realismus derselben durch Em- pfindungen (wobei sie statt schöner, blos ange- nehme Kunst sein würde), angenommen, wer- den könne, das hat sie mit der schönen Na- tur gemein; allein der schönen Kunst als sol- cher kann deshalb keine Realität der Zwecke zum Grunde liegen, weil sie nicht als ein Pro- dukt des Verstandes und der Wissenschaft, sondern des Talents (Genies) betrachtet wer- deii tnufs; so dafs ein Künstler zwar durch seine Produkte den Geist des andern erwecken, aber durchaus dem andern seine Kunst durch Belehrung nicht mittheilen kann; wie dies bei Erkenntnissen oder auch bei mechanischen Künsten der Fall ist»

p^on

385

Von d»m Unterschiede zivisckcn GcschmAck ufid Genie.

Das Vermögen schöne Gegenstände als solche zu beurtheilen heifst Geschmack^ das Vermögen, solche Gegenstände hervorzubrin« gen heifst Genie, Der Geschmack ist blos ein Beurtheilungs- nicht ein Productions-Ver- mögen.

Die Gegenstände der Geschmacksurtheile sind entweder Natur- oder Kunstschönheiten. Den Unterschied zwischen beiden haben wir S, 2o4, angegeben; diese sind Produkte der freien Willkühr der Menschen, jene der Natur.

Man mufs aber eine Kunstschönheit von der schönen Kunst wohl unterscheiden. Ein Produkt der mechanischen Kunst, z. B. ein Tisch, ein Bett, oder auch ein Produkt wis- senschaftlicher Erkenntnifs, z, B, eine morali- sche Abhandlung kann eine gefäUige Form haben und also zu den Kunstschönheiten ge- zählt werden, ob es gleich kein Produkt der schönen Kunst, wie ein Gemälde, ein Gedicht, eine Symphonie s. w. genannt werden kann. Kunstschönheit soll nichts weiter heifsen, als die Schönheit eines Gegenstandes, der kein Produkt der Natur ist. Es kann aber auch wiederum geschehen, daCs an einem sein sol-

386

lenden Werke der schönen Kunst Genie ohne Geschmack, an einem andern Geschmack ohne Genie sich findet. So tragen viele Stellen in den Werken des Shakespear, Dante, Jean Paul u. s, w. den Stempel des Genies, das uns Be- tvunderung einflöfst, wenn wir gleich nicht leugnen können, dafs der Geschmack durch sie nicht blos nicht befriedigt, sondern selbst beleidigt wird; und so finden wir in den Werken vieler französischen und deutschen Dichter Stellen, gegen welche der Geschmack nichts einzuwenden hat, die aber keine Spur des Genies zeigen.

^o n der Kunst üb erhaup t.

Man bedient sich des Ausdrucks Kunst in dreifacher Bedeutung. Erstlich stellt man der Kunst die Natur gegenüber und versteht darunter die Hervorbringungen durch Freiheit d, i. durch eine Willkühr, die ihren Handlun- gen Vernunft zum Grunde legt. Die Produkte der Natur heifsen VFirkungen (effectusj, die der Kunst ?Verke (operaj. In diesem Sinn sind metaphysische Systeme, ein behauener Baumstamm, ein in die Erde gegrabenes Loch, eben so gut Werke der Kunst als Gemälde, itatuen, Gedichte u. s. w. Da die Menschen

S87

ürttei' allen uns bei^arinteii Wesen di« einzigen sind, welchen Freiheit der WUlkühr zukömmtj 6o bind alle Kunstprodukte VVerke der Men* echenj und was nicht eia Werk der Menschen ist, ist eine Naturwirkung. Es veri,teht sich übrigens nach dem was oben gesagt worden ^on selbst, dafs nicht alles was durch die Caa- salität des Menschen hervorgebracht wird, ein Werk der Kunst ist, denn der Mensch ist Äuch in vielen Hinsichten als Näturwesen zu betrachten; es mufs der Mensch Ursach durch Vernunft sein, wenn sein Produkt ein Werk der Kunst genannt werden soll. Da die Vernunft in praktischer Hinsicht das Ver- mögen der Zwecke genannt werden kann, so ergiebt sich daraus, dafs toin Kunst auch durch Causahtät nach Zwecken erklären kann* Dafs dies seine Richtigkeit habe, erhellt dar- aus, dafs menn man einen Gegenstand findet, der eine von der gewöhnlichen abweichende Form hat (z. B. einen vStein def Vorn zuge- spitzt ist, und an dessen dickern Ende ein rundes Loch sich findet) man diesen Gegen* stand sofort für ein Produkt der Kunst er- klärt, sobald man den Zweck entdeckt zu ha- ben meiut, der die hervorbringende Uräacü

388

b'estimmte, dem Objekt diese seine Form zu ertheilen.

Freilich nennt man auch wohl Naturpro- dukte, die eine regelrnäfsige Form haben und von Wesen hervorgebracht wird, deren Cau- salität durch Vorstellungen (wenn gleich nicht durch Begriffe) bes'Jmmt wird, wie z. B. den Bau der Bienen, des Bibers u. s. w., Kunstwer- ke, allein dies geschieht nur der Analogie nach, denn sobald man sich besinnt, dafs sie ihre Arbeit auf keine eigene Vernunftüberlegung gründen, sagt man, es ist ein Produkt ihrer Natur, ihres Instinkts.

Zweitens stellt man der Kunst die T^is- senschaft gegenüber (das Können dem IVis- senj und da unterscheidet sich die erstere von der letztern, wie das praktische vom theoreti- schen Vermögen, die Technik von der Theo- rie. Nur ist zu merken, dafs man auch das, was man kann, so bald man nur weifs, was gethan werden soll und also nur die begehrte Wirkung genugsam kennt, nicht eben Kunst nennt; nur das, was, wenn man es auch auf das vollständigste kennt, dennoch darum zu machen, sofort noch nicht die Geschicklich- keit hat, gehört in so weit zur Kunst. So ge- hören viele vorgebhehen Künste des Taschen-

3S9

Spielers die auf Einverständnifs mit seinem Ge- hülfen, oder auf magnetische Kraft u. s. w. beruhen, nicht zur Kunst; er sagt gewöhnlich selbst: Es ist keine Kunst, es ist nur eine Wis- senschaft; andere hingegen, wozu Schnelligkeit oder Fertigkeit gehört, z. B. eine Sache aus der einen Hand so schnell in die andere zu werfen, dafs die Dauer der Bewegung kleiner ist als die Zeit welche zur Wahrnehmung er- fordert wird, offenbar zur Kunst. Die aus- übende Chemie, Chirurgie, Arzneikunde u. s, sind Kunst ; dadurch dafs man dieselben theo- retisch kennt, ist man noch immer nicht im Stande, sie praktisch zu üben.

Drittens endlich stellt man die Kunsd dem Handwerk gegenüber; sie unterscheiden sich wie Spiel und Arbeit» Die erste heifst freicy die andere kann auch Lohnkunst hei- fsen. Man sieht die erste so an, als ob sie nur als Spiel d. i. als Beschäftigung, die für sich selbst angenelim ist^ zweckmäfsig ausfal- len (gelingen) könne; die zweite so, dafs sie als Arbeit, d. i. Beschäftigung, die für sich selbst unangenelim (beschwerlich) und nur durch ihre Wirkung (z. B. den Lohn) anlok- kend ist, mitliin zwangsmäfsig auferlegt wer*

59»

den feann *). Es kann an den Produkten des Handwerks freie Kunst sich finden; so wie auch in allen freien Künsten etwas zwangs* mäfsiges (Mechanismus) erforderlich ist. Der Dichter z. B. muCs die Regeln der Grammatik, der Prosodie u, s. w. inne haben; der Bild- hauer erlernen, wie man den Meifsel zu führen habe,

Einthei lang der Kttnst,

Die Kunst ist entweder mechanisch oder ästhetisch, Sie erhält den ersten Namen, wenn sie der Erkenntnifis eines möglichen Gegenstandes angemessen, blos ihn wirklich zu machen, die dazu erforderlichen Handlun- gen verrichtet; sie wird ästhetisch genannt, wenn sie die Erweckung eines Gefühls von Lust zur unmittelbaren Absicht hat. Der 32Ümmermann, welcher aus Balken und Bret-

*} Daf« man auf diese W"!«? Spiel und Arbeit unterschsider, «iebt man au« folgendem Bs>ispjel: Wenn bei einer Whist- parthie derjenige welcher mit un» ^egen die beiden anlern «pielt, eine ängstliche Aufmerksamkeit fordert, über jeda von una ausgespielte Karte krittelt, jeden Srhi?rz verbietet u. s. w-, «o sagen wir, das iat eine wahre Arbeit und k^sia Spiel. Ferner sagen wir von einem Mahler, der Gemälde verfertigt, um damit einen Handel zu treiben und nur dar- auf sieht, was ibii^ am meisten besohlt wird: er treibe .jeine Kunst HandwerVsrnälsig,

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lern eine Hütte zusammensetzt, ist ein mecha.-. nischer Künstler, ihm ist die Hervorbringung der Hütte nach Maasgabe seiner Erkenntnisse, Hauptzweck. Der Baumeister, welcher bei Er- bauung eines Hauses nicht blos auf den Ge- brauch desselben sieht, sondern auch will, dafs die Betrachtung desselben in der Reflection gefalle, ist in dieser Rücksicht ein schöner Künstler. Die ästhetische Kunst ist wiederum von doppelter Art: angenehme oder schöne Kunst. Jene bestrebt sich Lust in der Sinnen- empfindung, Lust des Genusses zu bewirken, eie hat einen besondern Zweck und macht auf Allgemeinheit des Wohlgefallens keinen An- spruch. Dahin gehören : die Kunst unterhal- tend zu erzählen, zu scherzen, eine Tafel gut anzuordnen, schmackhafte Speisen zu bereiten u. s. w. Diese ist eine Vorsteliungsart, die für sich selbst zweckmäfsig ist und obgleich ohne Zweck dennoch die Cultur der Gemüthskräfte zur geselligen Mittheilung befördert. Ihre Lust ist allgemein mittheilbar und sie hat die re- flectirende Urtheilskraft, nicht die Sinnenem- pfindung zum Richtmaafs.

Es ist schon an einem andern Orte erin- nert worden, dafs der Unterschied zwischen schönen Künsten und schönen Wissenschaften

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Unstatthaft ist. Man belegte gewöhnlich die schönen redenden Künste, Beredsamkeit und Dichtkunst, mit dem letztern Namen, wahr- scheinlich weil vorzügUch zu ilirer ganzen iVollkommenheit eine sehr grofse Menge \/is- senschaftlicher Erkenntnisse erforderlich ist.

Nähere B estimmun g der schonen Kunst.

Soll ein Gegenstand als ein Werk der schönen Kunst von uns erkannt werden, so müssen wir ihn erstlich für ein Werk der Kunst ansehen und zweitens mufs die Absicht des Künstlers gewesen sein, dafs der Gegen- stand uns in der blofsen Beurtheilung gefal- le. — Wir unterscheiden ein Produkt der Kunst von dem der Natur durch die Form, welche zu erkennen giebt, dafs sie nach einem Begrif d. h. zu einem Zweck hervorgebracht worden. Ein Kunstprodukt mufs also jeder- zeit nach einer bestimmten Absicht hervorge- bracht w'erden; ist diese Absicht eine Lust, welche durch Sinnenempfindung gegeben wird, so gehört das Produkt nicht zur schönen, sondern zur angenehmen Kunst; ist es die Hervorbringung eines bestimmten Objekts, so würde, wenn sie durch die Kunst erreicht wird, der Gegenstand nur durch Begriffe ge-

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fallen, also der mechanischen Kunst angehö- ren. — Soll also das Kunstprodukt der schö- nen Kunst angehören, so mufs die Absicht desselben weder Vergnügen, das durch Em- pfindung gegeben, nach Vollkommenheit, die durch Begriffe erkannt wird, sondern das Wohlgefallen in der blofsen Beurtheilung, oh- ne einen bestimmten Begrif sein» Also mufs die Zweckmäfsigkeit im Produkte der schönen Kunst, ob sie zwar absichtlich ist, doch nicht absichtlich scheinen d. i. schöne Kunst mufs als I^atur anzusehen sein, ob man sich ihrer zwar als Kunst bewufst ist. Als Natur aber erscheint ein Produkt der Kunst dadurch, dafs zwar alle Pünktlichkeit in der Uebereinkunft mit Regeln, nach denen allein das Produkt das werden kann, was es sein soll, angetroffen wird, aber ohne Peinlichkeit d, i. ohne eine Spur zu zeigen, dafs die Piegel dem Künstler vor Augen geschwebt und seinen Gemüths- kräften Fesseln angelegt habe. Sylbenmaafs und Reim sind Regeln, welche der Dichter befolgt, sie machen gleich beim ersten Anblick sein Produkt als Werk der Kunst kenntlich; allein so genau er auch die Gesetze des Syl- benmaafses befolgt, k^ine Sylbe falsch, lang oder kurz, gebraucht, keines unrichtigen Reims

394

sich bedient, so mufs man doch nirgend mer- ken, dafs Sylbenmaafs und Reim ihn zu et- was gezwungen haben, dafs ein Gedanke oder auch ein Ausdruck durch einen von beiden hervorgebracht oder um eines von beiden willen da ist. Der Künstler mufs die Fes- seln des Mechanismus mit Leichtigkeit und Grazie tragen, so dafs sie den Gang sei- nes Geistes nicht hindern, sondern ver- schönern.

Vielleicht ist es nicht unnöthig, bei der schönen Kunst zu erinnern, dafs wenn sie mit mechanischer oder auch angenehmer Kunst verbunden ist, dasjenige in ihren Produkten, was zu den beiden letztern gezählt wird, nach ganz andern Prinzipien beurtheilt werden mufs, als das was zur Schönheit gehört. Die Schönheit setzt ein freies (zwangloses) Spiel der Gemüthskräfte des beurtheilenden Subjekts voraus, dies aber kann nicht statt fmden, wenn man dem Produkte es ansieht, dafs die Gemüthskräfte des Urhebers dessel- ben einem Zwange unterworfen waren. Die Freiheit des Schöpfers des Kunstwerks kann nur das Bewufstsein der Freiheit des Beurthei- Igrs erwecken.

395

Bei der Schönheit mufs die Thätigkeit der Einbildungskraft mit der des Verstandes har- monisch (doch ohne bestimmten Begrif) zu- sammenstimmen; es muls Begelmäfsigkeit oh- ne vorhergegangene Regel da sein, denn es findet kein Zusammenstimmen des Mannigfal- tigen der Anschauung zur Einheit eines be- stimmten Begrifs (wie bei der Erkenntnifs), sondern zur Einheit eines möghchen Begrifs überhaupt statt; das Zusammenstimmen, wo- durch die RegeJmäfsigkeit erkannt wird, ist nicht objektiv in den Vorstellungen , sondern subjektiv in den Vorstellkräften gegründet. Der Künstler kann also um Schönheit hervor- zubringen sich nicht erst die Regel denken, nach welcher er verfährt, dann würde er ein mechanisches Kunstwerk erzeugen; er würde uns die Regel, welche er befolgt, angeben können, wir würden aber dann auch keinen Ausspruch über die Schönheit, sondern über die Vollkommenheit seines Produkts thun. Es ist daher schöne Kunst nur dadurch mög- lich, dafs in dem Künstler eine solche Stim- mung der Gemüthskräfte sich findet, welche ihn in den Stand setzt, ein Werk hervorau- bringen, das in denen, die es beurtheilen, ein

396 /

harmonisches Zusammenstimmen der Vorstell- kräfte bewirkt. Das Vermögen sich in eine solche Stimmung zu versetzen oder darin ver- setzt werden zu können, nennt man Genie, es ist ein Geschenk der Natur, das zwar ge- bildet und vervollkommnet, aber nie durch Unterweisung hervorgebracht werden kann. Die schöne Kunst ist nur als Produkt des Genies möglich; denn nur dadurch, dafs die Natur im producirenden Subjekte durch har- monisches Zusammenstimmen der Vorstell- kräfte den Künstler leitet, bringt er ohne vor- hergegangene Regel ein regelmäfsiges Produkt hervor. Sie unterscheidet sich dadurch von der mechanischen Kunst, welche blofse Kunst des Fleifses und der Erlernung ist.

Hierdurch wird meinen Lesern, die von Kant gegebene Erklärung des Genies deutlich werden. Genie, s^gt er, ist die angebohrne Gemüthsanlage Ci^igeniumJ durch welche die Natur der Kunst die Regel giebt. Ge- schmack ist auch eine angebohrne Gemüths- anlage, aber nicht zur Production, sondern aur Reflection.

597

Nu here Beirachtung des Genies.

Man braucht den Ausdruck Genie nicht immer in der vorhingegebenen Bedeutung; zu- weilen versteht man darunter den ganzen Um- fang der Geistesfähigkeiten eines Menschen z. B. wenn man von jemand sagt: er habe ein vielumfassendes, ein grofses Genie oder er habe nur wenig Genie; zuweilen ausge- zeichnete Anlagen jzu irgend einer Geistesbe- schäftigung, dies ist z. B. der Fall, wenn maii von einem philosophischen, historischen, ma- thematischen Genie spriclit.

Allein die meisten kommen doch darin überein, dafs sie das Genie dem Nachah^ mungsgeist entgegen stellen, da nun Lernen nichts als Nachahmen ist, so kann die gröfste Gelehrigkeit (Capacität) nicht für IGenie gel- ten. Diesem zu Folge würde es ein charak- teristisches Merkmal des Genies sein, dafs es erfmdet. Vielfältig wird auch das Wort Ge- nie in dieser Bedeutung gebraucht und man nennt Newton eben so gut ein Genie als Shakespear. Doch kann man auch hier noch unterscheiden; derjenige der etwas erfindet, was auch gelernt werden kann z. B. in den Wissenschaften, in den mechanischen Künr» sten , wird ein Kopf genannt ; ihm gegenüber

398

steht der PinseL der niemals durcli sich selbst etwas erfinden, sondern blos lernen und nach- ahmen kann; derjenige hing'^gen, welcher er- findet, was weder gelehrt noch gelernt werden kann, wird Genie genannt, und dies ist die engste und eigentlichste Bedeutung dieses Worts. Man sieht leicht ein, daFs es alsdann jiur von Originalität in Rücksicht der schönen Kunst gebraucht werden kann. Newton war ein gtofser Kopf, Shakespear ein grolses Ge- nie. Der erstere konnte zeigen, wie man von den Anfangsgründen der Geometrie an nach und nach zur Einsicht der Wahrheiten ge- langt, welche er in seinem unsterbUchen Werk über die Naturphilosophie fP/iilos.opkiae na- turalis principia matheinacicaj vorgetragen hat. Shakespear kann nicht anzeigen , wie sich seine phantasiereichen und gedankenvol- len Ideen in seinem Kopfe hervor und zusam- menfanden, darum weil er es selbst nicht weifs und es also auch keinen andern lehren kann. Vergleicht man Kopf und Genie wei- ter miteinander, so stöfst man noch auf fol- gende Unterschiede: Dem Kopf ist im Fort- schreiten zur immer grötsern Vollkommenheit keine Grenze gesetzt; jeder kann die Kennt- nisse seiner Vorgänger benutzen, weiter ge-

399 hen und seine Erfindungen andern mittheilen; dem Genie ist eine Grenze der Kunst gesetzt, die vermuthlich schon erreicht ist und nicht überschritten werden kann ; auch kann das Genie seine Geschicklichkeit nicht mittheilen, die Gabe musterhafte Werke der schönen Kunst hervorzubringen, wird jedem unmittel- bar von der Hand der Natur mitgetheilt und stirbt mit ihm, bis die Natur wieder einen an- dern eben so begabt, der nur eines Beispiels bedarf, damit das in ihm sich ßndende Ta- lent in Wirksamkeit gesetzt werde.

Wie giebt denn nun aber das Genie in der schönen Kunst die Regel? Nicht in Worten, so dafs sie als eine Formel (Vor- schrift) aufgestellt würde, denn sonst würde die Kunst nicht schöne sondern mechanische Kunst sein; sondern durch das Kunstprodukt selbst. Aber auch nicht auf die Art, dafs man durch die Vergleichung der Kunstpro- dukte untereinander oder auch selbst durch die Reflection über ein aufgestelltes Kunst- werk eine objektive Regel abstrahirte, welches alles nur zur mechanischen Kunst führen würde; sondern nur dadurch, dafs die Be- trachtung des Kunstprodukts denjenigen, wel- chen die Natur mit einem ährUieuen Verhält-

4oo

nifs 'der Gemütliskräfte wie den Urheber des Werks begabt hat, in eine Stimmung versetzt, welche ihn fähig macht, ähnhche Produkte hervorzubringen. Die Muster der schönen Kunst sind daher das einzige Leitungsmittel die Kunst selbst auf die Nachkommenschaft zu bringen, welches durch blofse Beschreibun- gen nicht geschehen könnte.

Da ein jedes Kunstprodukt und also auch das der schönen Kunst durch Causalitat nach Zwecken hervorgebracht wird, man aber noth- wendig um einen Zweck ins Werk zu rich- ten bestimmte Ptegeln haben mufs, so werden auch bei den Erzeugungen der schönen Kunst sich bestimmte Regeln finden müssen, von welchen das Genie sich nicht frei sprechen kann, die aber nicht die Schönheit, sondern die Richtigkeit seiner Darstellung angehen. Das Schulgerechte macht eine wesentliche wenn gleich nicht die einzige Bedingung eines schönen Kunstprodukts aus. So mufs z. B. der Bildhauer Kenntnifs des menschli- chen Körperbaus haben, und wenn gleich diese Kenntnifs verbunden mit der Geschick- lichkeit den Meissel zu führen, immer noch nicht in den Stand setzt einen Apoll von Bel- vedere hervorzubringen , so kann doch auf

der

4or

läfiT andern Seite niclit geleugnet worden, dafg ohne diese Kenntnifs es völlig unmöglich ist> den schönen Gott des Lichts darzustelleui

Aus der vorherg^^gangenen Erörterung er- giebt sich: Das Genie ist i) ein Talent (Na-* turgabe), dasjenige hervorzubringen, wozu sich keine bestimmte Regel geben läfst> folglich mufs Ojiginalität seine erste Eigenschaft sein; a) es bringt Wferke hervor, die als Mu- ster verdienen aufgestellt zu werden und die also zum Richtmafs der Beurtheilung dienen, es ist exemplarisch; 3) es giebt als Natur (nicht als Wissenschaft) die Regel, es kann der Urheber des Kunstprodukts nicht ange- ben, vne sich die Ideen dazu in ihm finden (daher denn auch vermuthlich das Wort Ge» nie von genius^ dem ieigenthümlichen einem Menschen bei der Geburt mitgegebenen schü- tzenden und leitenden Geist, von dessen Ein- gebung jene originalen Ideen herrühren, ab- geleitet ist), Er wird von seinem Gegenstand begeistert: Ovids

Est deus in nobis, agitante calescimus illo

ist nicht blos auf die Dichter, sondern auf alle Künstler anwendbar; 4) es schreibt als Natur nicht der Wissenschaft, auch nicht der

4oa

mechanisclien, sondern der schönen Kunst, die Regel vor.

Zergliederung der Vermuten des Gemüths, wei- che zusammejiverbunden sein müssen, um das Genie auszumachen.

Jemand der ein Produkt der schönen Kunst hervorbringen will, mufs zuvörderst sich einen bestimmten Begrif von dem, was er hervorbringen will, machen, dazu ist Verstand erforderlich. Allein da zur schönen Darstel- lung Anschaulichkeit gehört, so mufs auch in dem Künstler eine, wenn gleich unbestimmte Vorstellung von dem Stoff (der Anschauung) vorhanden sein, an und durch welchen er sei- nen Begrif darstellen willj dies setzt Einbil- dungskraft voraus, welche in einem bestimm- ten Verhältnifs zum Verstände steht. Beide aber, Verstand und Einbildungskraft, insofern die letztere blos anschaulich darstellt, was der erste durch Begriffe denkt, sind zwar noth- wendig zur schönen Kunst, allein noch nicht hinreichend; denn das Kunstwerk soll in dem Beurtheilenden ein freies Spiel der Vorstell« kräfte erwecken, so dafs die Thätigkeit der- selben sich wechselseitig untereinander belebt. Wir nennen aber, wie wir S, 324 gezeigt ha-

4o3

ben, Vorstellungen, weiche ein sich selbst un- terhaltendes Spiel der Einbildungskraft, das zwar zweckmäCsig für einen gegebenen ßegrif, aber nicht durch denselben eingeengt und be- schränkt ist, ästhetische Ideen. Das Kunst- werk mufs also ästhetische Ideen erwecken, und dies ist nur möglich, insofern es ein Aus- druck ästhetischer Ideen ist. Hieraus folgt, dafs der Künstler das Talent haben mufs, ästhetische Ideen aufzufassen und darzustellen (einen sinnlichen Ausdruck dafür zu finden). Man nennt das Belebende Geist, der Künstler mufs also Geist in seinen Produkten zeigen, damit er durch sie ein belebtes Spiel der Er- kenntnifskräfte bewirke. Dieser Geist macht das dritte Erfordernifs zum Genie, es besteht in einer ungesuchten unabsichtlichen subjek- tiven Zweckmäfsigkeit der freien Einbildungs- kraft zum Verstände; dies Verhältnifs beider Vorstellkräfte zu einander, als auch die Stim- mung zur Aufserung ihrer zweckmäfsigen Tliä- ligkeit (Begeisterung) ist nicht zu erlernen (durch Kunst hervorzubringen) sondern kann allein durch die Natur des producirenden Subjekts hervorgebracht werden. Durch den. Geist wird der Künstler schöpferisch, und ein "Werk wird im hohen Sinn des Worts nur

4o4

dann ein Kunstwerk genannt zu werden ver- dienen, wenn es unverkennbare Zeichen die- ses schöpferischen Geistes (•xvtti'^'i) an sich trägt ; au einem jeden Kunstwerk gehört also Poesie (Dichtkunst), wenn sie gleich nicht immer ihre Schöpfung in hörbaren willkührHchen Zei- chen (Worten) darstellt.

Nach diesen Voraussetzungen erklärt Kant Genie durch musterhafte Originalität der Na- turgabe eines Subjekts im freien Gebrauche seiner Erkenntnifsvermögen. Das Genie wirkt nun auf eine doppelte Weise; einmal als Beispiel der Nachfolge für ein anderes Genie, indem durch das Kunstprodukt des er- sten in dem andern das Gefühl der eigenen Originalität aufgeweckt \^ird, Zwangsfreiheit von Regeln so in der Kunst auszuüben, dafs diese selbst dadurch eine neue Reo-el be- kommt, wodurch das Talent sich als muster- haft zeigt; zweitens als Muster der Nachah' miings insofern das Genie durch sein Beispiel eine Schule bildet, d. h. eine methodische Un- terweisung nach Regeln, so weit man sie aus jenen Geistesprodukten und ihrer Eigenthüra- lichkeit hat ziehen können.

Zu den Produkten der schönen Kunst ist aber aulser dem Qenie, ay eich es ihnen Origi-

405

nalitiit und Geist giebt, noch Geschmack er- forderlich. Dieser übernimmt die Disciplin des Genies, giebt ihm die Leitung und ertheilt dem Stof, den das Genie Hefert die gefällige Form, ^velche auf allgemeinen Beifall Anspruch zu machen, berechtigt. Das Genie ^iebt dem Kunstwerk Leben und Kraft, der Geschmack Schönheit; Genie ohne Geschmack ist wilder tobender Geist, dessen Kraft man bewundert, aber nicht liebt; Geschmack ohne Genie bringt todte Schönheit hervor. Ein Produkt ohne Genie kann schön sein, allein es gehört sodann doch nicht der schönen Kunst an. Beide hnden sich selten zusammen vereinigt:

Warum will Geschmack und Genie sich so

selten vereinen?

Jener fürchtet die Kraft, diese fürchtet den

Zaum.

Göthe,

Das Genie mufs durch äufsere Ursachen geweckt werden, dahin gehört unter andern die Betrachtung geistreicher Kunstprodukte; es mufs gebildet (vervollkommnet) werden, , dies geschieht durch das Studium der schö- nen Natur und musterhafter Werke der schö- nen Kunst, Allein wenn gleich} ^das .Genie

4o6

Muster aufstellt, wodurch ein gleichgestimmter Geist erweckt und gebildet werden kann, so inufs man doch seine Werke nicht für Ur* hilder der Schönheit halten, welche unüber- treflich sind. Das Urbild C^rchetyponJ mufs in jedem Künstler seine productive Einbil- dungskraft erzeugen, was er nach diesem Ur- bild bildet ist nur Nachbild (ectypon) dessel- ben, was, so vollkommen es auch immer sein mag, doch nie das Urbild erreicht.

Wer nach Mustern sich bildet, mufs nie sclavisch nachahmen, oder wohl gar kindisch nachäffen, so dafs die Fehler, die das Genie beging, und die man ihm seiner übrigen gro- fsen Verdienste wegen, verzeiht, nachgemacht werden, weil man in ihnen die Originalität des Geistes zu finden meint; es mufs der Nach- ahmende noch immer Freiheit der Gemüths- kräfte genug übrig behalten, um etwas eige- nes und charakteristisches zu liefern.

Ein dem sclavischen Nachahmen entge- gengesetzter Fehler ist das Manieriren , wo jemand um sich von dem Trofs der Nachah- mer {imitatorurn pecusj zu entfernen , ab- sichtlich Eigenthümlichkeiten, (die man besser S^onderbarkeiten nennen sollte) erkünstelt, de- nen man den Zwang ansieht und die den

J

4o7

darzustellenden Ideen gar nicht angemes- sen sind.

V

JEi ti t h eil un g der schönen Künste.

Kant fiteilt in seiner Critik der ästheti- schen Urtlieilskraft eine Eintheilung der schö- nen Künste «ufj die er selbst aber nur für einen Versuch ausgiebt.

Er geht davon aus, schöne Kunst drückt ästhetische Idee aus ; sie ist also mit der Spra- che des Menschen, durch welche dieser auch seine Vorstellungen und Empfindungen aus- drückt, analog. Diese Analogie dient zum Eintheilungsgrund der schönen Künste, Zum Ausdruck in der Sprache gehören drei Stü- cke: JVorte, Gebehrdung und Ton (Articu- lation, Gesliculation und Modulation), nur die Verbindung dieser drei Arten des Ausdrucks macht die vollständige Mittheilung des Spre- chenden aus, denn Gedanke, Anschauung und Empfindung werden dadurch zugleich und vereinigt auf den andern übertragen.

Dieser Analogie nach glebt es dreierlei Arten schöner Künste: die redende^ die bil- dende Kunst und die des Spiels der Em- pßndungen als äufserer Sinneneindrücke. *)

•) Kant fügt als Anmerkung hinzu, dals die Eintheilung

:4o8

I. Die redende Kunst zerfällt in zwei Arten; in Beredsamkeit und Dichtkunst» Jene ist die Kunst ein Geschäft des Verstan- des als ein freies Spiel der Einbildungskraft zu betreiben, diese ein freies Spiel der Ein- bildungskraft als ein Geschäft des Verstandes aus/^ufuhren.

Der Redner kündigt ein Geschäft an und führt es so aus, als ob es ein Spiel mit Ideen sei um die Zuhörer zu unterhalten, der Dich-? ter kündigt blos ein unterhaltendes Spiel mit Ideen an und es kommt doch so viel für den Verstand heraus, als ob er blos dessen Ge- schäfte zu treiben die Absicht gehabt hätte (der Hedner belehrt unterhaltend, der Dichter unterhält belehrend). Die Verbindung und Harmonie beider Erkenntnifsvermögen , der Sinnlichkeit und des Verstandes, die einander zwar nicht entbehren, aber doch auch ohne Zwang und wechselseitigen Abbruch nicht wohl vereinigen lassen, mufs unabsichtlich zu sein und sich von selbst so zu fügen scheinen, sonst ist es nicht schöne Kunst, Daher alles

auch zweigliedrig gepiacht \'rerdea könne ; darpacl) zerfiele

I die «chöne Kunst in die des Ausdrucks der Gedank-n -nd

der Anschauungen, und die letztere in die d-r Form (ei-

4o9

Gesuchte und Peiriliche darin vermieden wer- den niufs; denn schöne Kunst mufs in doppel- ter Bedeutung freie Kunst sein, sowohl, dafs sie nicht als Lchngeschäfte eine Arbeit sei, deren Gröfse sich nach einem bestimmten Maafsstabe beurtheilen, erzwingen und bezah- len läfst; sondern auch, dafs das Gemüth sich zwar damit beschäftigt aber dabei doch ohne auf einen andern Zweck hinauszusehen (unabhän- gig vom Lohne) befriedigt und erweckt fühlt,

2. Die bildenden Künste sind entweder die der Sinnefiwahrheic (Plastik) oder des Sinnensekeins (INlahlerei). Jene maclit Ge- stalten für zwei Sinne (Gesicht und Tasten) kennbar, ob zw^ar in Rücksicht auf Schönheit nur für den ersten; diese nur für einen, den des Gesichts.

Die Plastik ist entweder Bildhauerkunst oder Baukunst. Die erstere stellt Begriffe von Dingen, so wie sie in der Natur existi- ren konnten^ körperlich dar, doch als schöne Kunst mit Rücksicht auf ästhetische Zweck- mäfsigkeit; die zweite ist die Kunst, Begriße von Dingen, welche nur durch Kunst mög^ lieh sind und deren Form nicht die Natur, sondern einen willkührlichen Zweck zum Bo^ stimm IUI gs gründe hat, zu dieser Absicht j doch

4io

auch zugleich ästhetisch - zweckmäfsig, darzu- stellen. Bei der letztern ist ein gewisser Ge- brauch des künstlichen Gegenstandes die Hauptsache, worauf als Bedingung die ästheti- schen Ideen eingeschränkt werden. Bei der erstem ist der blofse Ausdruck ästhetischer Ideen die Hauptsache. Zur Baukunst gehört also auch alles Hausgeräth, und die Angemes- senheit des Produkts zu einem gewissen Ge- brauch macht das V/esentliche eines Baw Werks, hingegen dafs die körperliche Gestalt blos zum Anschauen gemacht ist und für sich selbst gefallen soll, das Wesentliche des Bild- werks macht. Das Bildwerk ist als körperli- che Darstellung blofse Nachahmung der Na- tur, doch mit Rücksicht auf ästhetische Ideen, "wobei denn die Sinnenwahrheit nicht so weit gehen darf, dafs es aufhöre als Kunst und Produkt der Willkühr zu erscheinen.

Die Mahlerei stellt den Sinnenschein mit ästhetischen Ideen verbunden dar; «ie zerfällt in die eigentliche und uneigentliche Mahle- rei. Die erste giebt nur den Schein der kör- perlichen Ausdehnung, die zweite giebt diese zwar nach der Wahrheit, aber nur für das Auge, so dafs der Sinn des Gefühls keine an- schauliche Vorstellung Yon einer solchen

4ii

Form verschaffen kann. Zu der uneigentli- chen Mah erei gehört: die Lustgärtnerei, die Putzmacherkunst, die Kunst der Kleidung nach Geschmack, die Verzierung der Zimmer durch Dinge, welche blos zur Ansicht dienen, Mimik, Tanzkunst u. s. w.

Kant rechtfertigt, dafs er die bildende Kunst analogisch mit der Gebehrdung (Gesti- culation) in einer Sprache zusammenstellt, da- durch, dafs der Geist des Künstlers durch die- se Gestalten von dem, was und wie er ge- dacht hat, einen körperlichen Ausdruck giebt und die Sache selbst gleichsam mimisch spre- chen macht : ein sehr gewöhnliches Spiel unserer Phantasie, welche leblosen Dingen ihrer Form ge- mäfs einen Geist unterlegt, der aus ihnen spricht.

Die Kunst des schönen Spiels der Em- pfindungen (die von aufsen erzeugt werden) und das sich gleichwohl doch allgemein mit- theilen läfst, ist nichts anders als die Propor- tion der verschiedenen Grade der Stimmung (Spannung) des Sinns, dem die Empfmdung angehört, d. i. den Ton desselben betreffen und in dieser weitläuftigen Bedeutung des Worts kann sie in das künstliche Spiel mit dem Tone der Empfindung des Gehörs und des Gesichts mithin in Musik und Farbenkunst eingetheilt werden,

412

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Eine andere Elntheil'ing der schönen Kün- ste giebt Herr Prof. Christian Wilhelm Sil eil in seinem Lehrbuch der Kritik des Geschmacks, die wir unsern Lesern gleichfals mittheilen wol- len. Sein Eintheilungsgrund sind die Zeichen, deren sie sich als Mittel der sinnlichen Dar- stellung bedienen. Diese sind theils natürli- che, theils -willkührliche Zeichen. Ein Zei- chen heifst natürlich C'LachbildeiiclJ, wenn sich zwischen ihm und der bezeichneten Sa- che ein durch die Natur selbst bestimmter, so- gleich in die Augen fallender Zusammenliang findet, iviUkührlich^ wenn dieser natürliche Zu- sammenhang nicht statt findet Diejenigen schö- nen Künste, welche sich willkührlicher Zeichen zur sinnlichen Darstellung bedienen, sind die redenden Künste (Dichtkunst und Beredsam- keit). Die natürlichen Zeichen sind theils hör- bar, theils sichtbar. Die ersten geben die Musik, Die sichtbaren natürlichen Zeichen bestehen entweder in Ver ändern?! gen im Räume fBewe^ jungen) oder in bleibenden Gestalten, Die Raumveränderungen werden an der Person des Künstlers wahrgenommen, welcher entwe- der Gedanken und Gefühle durch Gebehrden. ausdrückt, in der Mimik, oder durch wil'- kührliche Bewegungen zu gefallen sucht, in

4i4

der gemeine?! Tanzkunst , aus deren Verbin- dung mit der Mimik die höhere Tanzkunst entsteht. Die bleibenden Kunstgestalten er- scheinen aufser der Person des Künstlers und zwar entweder in Linien, Umrissen und Farben auf Flächen j in der Zeichnungskunst und Mahlerei oder in den Körpern und zwar theils zur blos nachahmenden Darstellung natürlicher Körper in der Plastik (Bildhauer' kunstjy theils zur Verschönerung mechanischer Kunstwerke, in der Baukunst^ oder der Na- tur selbst, in der Gartenkunst,

An merkung.

Es braucht wohl kaum erinnert zu wer- den, dafs mehrere schöne Künste in einem und demselben Produkt vereinigt werden kön- nen; dies ist z. B. in einem Ballet der Fall, wo Dichtung, Mimik, Musik, Mahlerei und Tanzkunst verbunden sind; auch können ob- gleich in der schönen Kunst das Wesentliche in der Form besteht, doch auch andere Gefüh- le des Wohlgefallens als des Reitzes, der Rüh- rung, am Erhabenen, an der sittlichen Würde damit verknüpft w^erden»

4i5

yergleichuug der schonen Künste unter «in a nd er in Rucks i cht ihres ästhetischen IV e r t h s.

Wenn man die schönen Künste unterein- ander in Rücksicht ihres ästhetischen Werths vergleicht, so scheint die Dichtkunst aus fol- genden Gründen die erste Stelle zu verdienen. Ihr Wirkungskreis ist der ausgebreiteste, denn ihr stehen die meisten Mittel zu Gebot, alles was die Natur und die übrigen schönen Kün- ste erzeugen, braucht sie als Mittel zu ihrem Zweck, indem sie es durch Worte der Einbil- dungskraft-darstellt; sie kann die gröfste Man- nigfaltigkeit geben ; sie ist am tauglichsten zur Darstellung ästhetischer Ideen; sie spielt am leichtesten mit dem Schein, den sie nach Be- lieben bewirkt, ohne doch dadurch zu betrü- gen, weil sie ihre Beschäftigung selbst für blo- fses Spiel erklärt, welches gleichwohl vom Ver- stände und zu dessen Geschäfte zweckmäfsig gebraucht werden kann; sie stärkt das Gemüth am meisten und wegen der Beschaffenheit Zei- chen, deren sie sich zur Darstellung bedient, führt sie den Geist am leichtesten vom blos Sinnhchen ab, bereitet ihm den Weg zum Ü- bersinnhchen und hat so auf die Cultur des- selben den grölsten Einflufs. Die Beredsam-

4i6

kelt scheint iUr zwar '^ierin glelcli zu seui; aUein entweder ist ihr Geschäft einem hohem (^Ueberzeugung zu bewirken) untergeordnet, so daCs sie nur für verschönernde Kunst gelten kann (Eloquenz und Styl)*); oder wenn sie den Zweck hat andere zu überreden (ars ora- toria), d. i. durch den schönen Schein zu hin- tergehen, so ist dies.ör Zweck nicht zu billi- gen. — Am innigsten wirkt unter allen schö- nen Künsten die Musik, sie gewahrt also am meisten Genufs; auch i^t sie den Zeichen nacii, deren sie sich bedient, am nächsten mit der Dichtkunst Verwandt und also am -leichtesten mit ihr zu verbinden. Sie wirkt aber mehr zum Genufs als zur Cultur des GeisteSj daher verlangt sie wie jeder Genufs öftern Wechsel und hält die mehrmalige Wie- derholung nicht aus, ohne Überdrufs zu er- zeugen. Die bildenden Künste stehen ihr zwar in Rücksicht des Genusses nach, allein sie haben in Piücksicht der Cultur der Seelen- kräfte einen Vorzug vor der IMusik. Unter den bildenden Künsten erhält die Mahlerei

den

*) Gato dtKnirce eiaen Pedaer: vir bomis dicendi peritui.

4i7

den Vorzug, weil sie ein weiteres Feld hat; weil sie als Zeichnungskunst allen übrigen bil- denden Künsten zum Grunde liegt, und weil sie weit mehr in die Region der Ideen ein- dringen und auch das Feld der Anschauung, diesen gemäfs mehr erweitern kann, als es den übrigen bildenden Künsten erlaubt ist»

//. 27

4i8

Critik der teleologischen Urtheilskraft

odtr

Untersuchungen über das Prinzip der Be^

urtheilung der Natur in Päicksicht auf

objektive Zweckmäfsigkeit,

Ich habe S. i3i u. E, wie ich glaube hinläng- I lieh auseinander gesetzt, was unter Zweck und Zweckmäfsigkeit zu verstehen sei, auch ist dort der Unterschied zwischen subjektivem und objektivem Zweck und zwischen subjek- tiver und objektiver, formaler und materialer, äufserer und innerer Zweckmäfsigkeit angege- ben worden; ich setze dies als bekannt vor- aus und knüpfe den Faden wieder an.

Die Zweckmäfsigkeit heifst intelleetuell, wenn sie durch den Verstand, ästhetisch^ wenn sie durch Gefühl erkannt wird; so ist z. B, die Zweckmäfsigkeit eines Gegenstandes,

4i9

den wir im Geschmacksurtheii Schönheit bai- legen, ästhetisch; die Zweckmäfsigkeit des Kreises um eine Menge geometrischer Aufga- ben zu lösen intellectuell.

Die intellectuelle Zweckmäfsigkeit kann entweder formal oder material (real) sein. Im letztern Fall macht die Zweckmäfsigkeit den Begrif von dem Gegenstande selbst erst mög- lich, mit andern Worten, der Gegenstand oder seine Form wird blos in Rücksicht auf diesen Gebrauch als möglich angesehen, welches im ersten Fall nicht statt Endet, So findet bei ei- nem Gebäude, was zum Kornspeicher bestimmt ist, intellectuelle reale Zweckmäfsigkeit statt, der Begrif des Gebäudes selbst und seiner Form ist nur erst durch den Gebrauch, den man davon machen will, möglich, In der Geometria kommt vielen Gegenständen z. B. dem Kreise, den Kegelschnitten u. s. w. intellectuelle Zweck- mäfsigkeit zu, diese ist aber nicht real, d, h. der Gebrauch zur Auflösung vieler wichtiger Aufgaben nicht blos in der Geometrie, son- dern auch in der Physik, Astronomie u, s. w. bringt die Begriffe des Kreises und der Kegel- schnitte nicht hervor, sondern blos formal, in der Beschaffenheit des menschlichen Geistes gegründet; es ist Zweckmäfsigkeit ohne Zweck

420

Der Kreis, die Kegelschnitte u, s, w, sind An- schauungen, vrelche durch den Verstand nach einem Prinzip bestimmt worden; dies Prinzip ist der willkührUche Begrif, welcher auf den Raum (einer Form der Anschauung) angewandt worden. Hierdurch wird Einheit in die Man- nigfaltigkeit der Constructionen gebracht, und so entspringt Zweckmäfsigkeit ohne dafs dem Gegenstande ein Zweck zum Grunde läge. Alle Vorstellungen, worauf es hier ankömmt, haben ihren Grund im Subjekt, der Begrif ist ein willkührliches Produkt des Verstandes, und die Anschauung blos eine Vorstellung, die a priori in dem Menschen angetroffen wird» Dafs uns aber demungeachtet diese Zweck- mäfsigkeit überrascht und Bewunderung in uns erregt, rührt daher, dafs die mannigfaltigen Regeln, deren Einheit aus einem Prinzip sich ergiebt, nicht analytisch aus dem Begriffe ab- geleitet werden, sondern aufser demselben noch einer Anschauung bedürfen, wodurch er dargestellt wird. Dadurch aber bekommt diese Einheit das Ansehen, als ob sie empirisch ei- nen von unserer Vorstellungskraft unterschie- denen äufsern Grund der Regeln habe, und also die Übereinstimmung des Objekts zu dem Bedürfnifs der Regeln, das dem Verstände eigen

4^1

ist, an sich zufallig, mliliin nur durch einen ausdrücklich darauf gerichteten Zweck möglich sei. Nach der vorhin gegebenen Darstellung aber, die freilich eine kritische Untersuchung unserer Erkenntnifsvermögen voraussetzt, wird deutlich, dafs da der Raum, durch dessen Be- stimmung (vermittelst der Einbildungskraft ei- nem BegriiTe gemäfs) das Objekt allein mög- lich war, nicht eine ßeschaifenheit der Dinge aufser uns, sondern eine blofse Vorstellungsart in uns ist, wir also die Figur, welche wir ei- nem Begriffe angemessen zeichnen, die, in un- sre eigene Vorstellungsart von dem, was uns äufserlich, es sei an sich was es wolle, gege- ben wird, wir die Ziveckmäfsigkeit in ihm hineinbringen^ nicht von ihm über dieselbe belehrt werden, folglich zu jener keinen be- sondern Zweck aufser uns am Objekt bedür- fen. — Wenn wir also mannigfaltige Aufga- ben die Bewegung der Planeten oder die Wurf- bewegungen betreffend vermittelst Ellipsen und Parabeln auflösen und diese Linien in dieser Rücksicht zweckmäfsig finden, so ist die Zweck- mäfsigkeit nicht in den aufser uns vorhandenen Objekten, sondern in unserer Form der Vorstel- lungen zu suchen, denen die Gegenstände der Sinnenwelt als Erscheinungen unterworfen sind*

422

Von der Zweekmäfsigkeit der Natur»

Es lälst sich mit Recht erwarten, da(s un- ter den vielen Produkten der Natur sich meh- rere finden werden, welche so beschaffen sind, dafs sie unsere Erkenntnifskräfte (Einbildungs- kraft und Verstand) in eine harmonische Thä- tigkeit versetzen, denen man daher den Namen schöner Formen beilegt, und die also das Anse- hen haben, als wären sie ganz eigentlich für un- sere ästhetische Urtheilskraft angelegt, als käme ihnen subjektive formale Zweckmäfsigkeit zu. Eben so kann unter den vielen Produkten der Natur als möglich erwartet werden, daCs meh- rere derselben Piegeln unterworfen sind, die sich aus willkührlichen Begriffen, welche ver- mittelst unserer Einbildungskraft in der Form der äufsern Sinnenwelt als Welt der Erschei- nungen (mundus phenomenon), dem Raum, a priori dargestellt werden, ableiten lassen ; so dafs es das Ansehen gewinnt, als käme ihnen objektive formale Zweckmäfsigkeit zu. End- lich mufs die Urtheilskraft, da wir nur im Stande sind das Besondere durch das Allge- meine zu erkennen, mit andern Worten, da wir gezwungen sind, unsere Anschauungen auf Begriffe zu bringen, um; deuthche Erkenntnis- se zu erhalten, die Natur betrachten, als sei

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. unter dem Mannigfaltigen der Gegenstände derselben tlbereinstimmung zur Vorstellung der irrten, unter dieser Übereinstimmung zur Vorstellung der Gattungen u, s. w. Diese in- tellektuelle subjektive Zweckmäfsigkeit, die wir den Erscheinungen der Natur beilegen, und die wir ihm zum Behuf unseres möglichen Ver- standesgebrauchs beilegen müssen, wird durch die Erfahrung-, dafs sich die Gegenstände der Natur classiiiciren lassen hinreichend bestätigt. Die Erfahrung scheint uns aber auch auf eine objektive reale Zweckmäfsigkeit der Pro- dukte der Natur hinzuweisen. Objektive mar teriale Zweckmäfsigkeit setzt einen Zweck vor- aus ; d. h. die Idee der Wirkung mufs von der Ursach vorhergehen und die Causalität der letztern werden. Die Einrichtung eines Ge- bäudes hat objektive materiale Zweckmäfsig- keit; der Erbauer desselben dachte zuvörderst wozu er das Gebäude brauchen wollte (den Zweck) und dieser bestimmte ihn, das Haus so und nicht anders zu erbauen. Dies ist nun auf eine doppelte Weise möglich, entweder der Gegenstand ist an sich Zweck, oder er ist als Mittel zum zweckmäfsigen Gebrauch ande- rer Ursachen jzu betrachten; im ersten Fall findet innere, im andern äufsere Zweckmä^

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fsigkeit statt. Die erstere, welche auch P'oll- hommenheit genannt ^vird, kommt z. B. meh- reren Produkten der schönen Kunst; die an- dere, welche Brauchbarkeit, NuLzbarJieit ge- nannt wird, kömmt z. B. der Feuermaschiene, dem Barometer u. s. w. zu.

Was die äufsere objektive materiale Zweck- mäfsigkeit betrift, so scheint sie allerdings bei Naturprodukten angetroffen zu werden. Das Gras dient den Schaafen und dem Bindvieh zum Futter und diese den Menschen zur Nah- rung. Der Mensch bedient sich des Pferdes zum Reiten, des Kameeis zum Tragen der La- sten, des Stiers zum Pflügen; der Zweige von Weiden um Kerbe zu Flechten, des Queck- silbers zur Heilung venerischer Krankheiten u. s. w.

Diese Zuträglichkeit und Brauchbarkeit kann nicht geleugnet werden, sie wird durch Erfahrung erkannt; ob aber diese äufsere Zweckmäfsigkeit der Naturprodukte durchaus äufsere Zwecke der Natur fordert, ist eine an- dere Frage.

Bei der relativen Zweckmäfsigkeit der Na- turprodukte erhalten wir eine Reihe von Din- gen, von denen jedes vorhergehende Glied als l^weckmäfsig für das nachfolgende betrachtet

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K

wird, soll hier nun nicht blos auTsere Zweck- mäßigkeit zum Behuf unserer BeurtheiUmg, sondern äufsere Zwecke zum Behuf der Exi- stenz der GUeder selbst, angenommen werden; so ist jedes Ghed auch nicht als Zweck an sich, sondern als relativer Zweck anzusehen; mit andern Worten, die Existenz eines jeden Gliedes der Reihe wird durch die Existenz des folgenden Gliedes bedingt; es existirt, damit ein anderes existiren könne. Der fruchtbare Boden existirt, damit Gras wachsen kann; das Gras wächst, damit das Schaaf sich ernähre; das Schaaf existirt, damit der Mensch davon sich erhalte. Hieraus ergiebt sich, dafs eine solche Reihe äufserer Zwecke in der Natur nur existiren kann, in so fern es Wesen giebt, welche diese R.eilie schliefsen, d. h. ihrer selbst, nicht anderer äufserer Dinge halber, von der Natur hervorgebracht sind. Es kann also nur äufsere Naturzwecke geben, in so fern es Na- turprodukte giebt, denen innere objektive, ma- teriale Zweckmäfsigkeit zukömmt, oder wel- ches einerlei ist, die als innere Naturzwecke existiren, daher werden diese auch Naturzwecke schlechthin genannt und wir werden in der Folge den Ausdruck in dieser Bedeutung neh- men. — FreiUch ist auch alsdann nicht von

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den Naturdingen die Rede, welche der Mens ck durch Freiheit seiner Causalität als Mittel zur Erreichung seiner thörichten oder vernünfti- gen Absicht braucht; es sind diese nicht als relative Naturzwecke auf diesen Gebrauch zu betrachten. Setzt man voraus, die Menschen haben auf Erden leben sollen, so müssen nur die Mittel, ohne die sie als Thiere und selbst äIs vernünftige Thiere (in wie niedrigem Gra- de es auch sei) nicht bestellen konnten, al« nothwendig existirend angenommen und al» Naturzwecke angesehen werden»

Ehe wir nun bestimmen können, ob es Naturprodukte giebt, die als Zwecke an sich existiren, absolute Naturzwecke sind, müssen wir uns um die wesentlichen Kennzeichen ei- nes absoluten Naturzwecks bekümmern.

Es gehört zu demselben zweierlei: ein- mal der Gegenstand mufs als Zweck an sich und sodann er mufs als Naturprodukt exi- stiren. Durch das erste Merkmal unterschei- det er sich von den Produkten der mechani« sehen Natur, durch das andere von den Kunst- produkten des Menschen.

Der Begrif des Zwecks setzt den jBegrif der Causalität voraus, aber nicht einer Causa- Htät die mechaniscli, sondern durch BegriÄ«

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bestimmt wirkt. Um also einzusehen, daCs ein Ding nur als Zweck, möglich sei, dazu wird erfordert, dafs seine Fomi nicht nach blofsen Naturgesetzen d. i. solchen Gesetzen, welche von uns durch den Verstand allein auf Gegenstände der Sinne angewandt, er- kannt werden können, möglich sei, sondern dafs selbst die empirische Erkenntnis dessel* ben, in Rücksicht ihrer Ursach und Wirkung, Begriffe der Vernunft voraussetze. Die Form des Gegenstandes mufs uns nach empirischen Naturgesetzen als zufällig erscheinen ; da aber doch der Gegenstand zur Natur gehört, so mufs es eine andere Causalität geben, aus welcher die Vernunft die Form als Wirkung nothwendig erkennt, und dies kann keine an- dere sein als die nach Begriffen, von welcher die Vernunft, in so fern sie praktisch (Wille) ist, selbst Beispiele liefert.

Dafs aber ein Eegrif den Grund eines Gegenstandes seiner Form nach enthalte, dazu wird erfordert, dafs das Mannigfaltige des Ob- jekts zu einer Einheit des Begrifs so zusam- menstimme, dafs alles was in dem Objekt ent- halten sein soll, sich dadurch a priori be- stimmen läfst. Die Theile des Gegenstandes müssen untereinander in Gemeinschaft unter

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iVermittelung des Begrifs des Ganzen stehen, 80 dafs aus der Beschaffenheit des einen Theils die Beschaffenheit aller andern, und umgekehrt aus der Beschaffenheit jedes andern, sich seine Beschaffenheit erkennen läfst. Ein Beispiel wird dies deutlicher machen , an dem Apoll von ßeivedere bestimmt (bei hinlängli- cher Einsicht dessen was^der Gegenstand sein soll) die Gröfse der Hand, die Gröfse des Kopfs und umgekehrt die letztere die erste.

Durch diese Zufälligkeit des Produkts in Rücksicht seiner Form nach empirischen Na- turgesetzen, die aber durch CausaÜtät nach BegrifiFen nothwendig bestimmt wird, unter- scheidet sich der Gegenstand als Zweck von den mechanischen Erzeugungen der Natur, stimmt aber mit den Kunstwerken üb er ein d. h. mit solchen Produkten, welche durch eine von der Materie verschiedene vernünftige Ursache nach Begriffen hervorgebracht wer- den. — Soll also ein Gegenstand Naturzweck sein, so mufs noch etwas hinzukommen, wo- durch er sich Ton den Kunsiprodukten un- terscheidet, d. h. er mufs nicht durch eine von sich verschiedene vernünftige Ursach her- vorgebracht werden. Er mufs sich also selbst zweckmäfsig hervorbringen. Bei der Hervor-

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bringiing nach Zwecken wird erfordert, dafs der Begrif der Wirkung Ursach vort der Ur- sach der Wirkung wird. Soll also ein Kör-: per ein Naturzweck sein, so mufs er von sich selbst Ursach und Wirkung sein. Nun verstellt es sich freilich, dafs insofern etwas Ursach von einem andern ist, es niclit Wir- kung von demselben sein kann. Allein es läfst sich doch auch eine Verknüpfung von der Art unter den Dingen denken, nach wel- cher die Wirkung auf die Ursach so zurück' wirkt, dafs diese dadurch als Ursach erhal- ten wird.

W^enn wir uns nun in den Erzeugnissen der äufsern Sinnenwelt umsehen, ob unter ih- nen Dinge siich Enden, welchen die von uns im Vorhergehenden aufgestellten Erfordernisse eines Naturzwecks zukommen, so finden wir, dafs die organisirten Naturwesen allerdings die geforderten Merkmale enthalten; es verhalten sich nämlich diese Gegenstände gegen sich selbst als Ursach und Wirkung in einer drei- fachen Rücksicht: erstlich insofern sie sich selbst als Gattung erzeugen; zweitens insofern jedes Einzelne sich selbst als Individuum er- zeugt; drittens indem ein Th eil desselben sich selbst so erzeugt, daf« die Erhaltung des einen

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Theils Ton der Erhaltung des andern wechsel- seitig abhängt.

Ein Beispiel wird das Gesagte deutlicher machen. Ein Baum zeugt erstlich einen an- dern Baum nach einem bekannten Naturge- setze. Der Baum aber, den er erzeugt ist von derselben Gattung und so erzeugt er sich selbst der Gattung nach, er ist nur durch die Gattung und die Gattung durch ihn. Zwei- tens erzeugt der Baum sich als Individuum. Diese Art nennen wir Wachsthum, allein sein "Wachs thum ist nicht eine Gröfsenzunahme nach mechanischen Gesetzen, sondern von derselben gänzlich unterschieden. Die Mate- rie, welche er zu sich hinzusetzt, verarbeitet er erst zu specifisch-eigenthümlicher Qualität, welche der Naturmechanismus aufser ihm nicht liefern kann. Drittens erzeugt jeder Theil des Baums sich selbst sOy dafs die Er- haltung des einen von der Erhaltung der an- dern wechselsweise abhängt. Das Auge an einem Baumblatt, dem Zweige eines andern eingeimpft, bringt an einem fremdartigen Stocke ein Gewächs von seiner eigenen Art hervor und eben so der Pfropfreis auf einem andern Stamme. Daher kann man auch dem- selben Baume jeden Zweig oder Blatt als blos

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auf diesem gepfropft oder oculirt, mithin als einen für sich selbst bestehenden Baum anse- hen, der sich nur an einen andern anhängt und parasitisch nährt. Zugleich sind die Blät- ter zwar Produkte des Baums, erhalten aber diesen doch auch gegenseitig, denn die wie- derholte Entblätterung würde ihn tödten und sein Wachsthum hängt daher von dieser ih- rer Wirkung auf dem Stamme ab, Hieher gehört auch die Selbsthülfe der Natur in die- sen Geschöpfen bei ihrer Verletzung, wo der Mangel eines Theils der zur Erhaltung der an- dern gehörte, von diesen ergänzt wird; der Mifsgeburten oder Mifsgestalten im Wachs- thum, da gewisse Theile wegen vorkommen- der Mängel oder Hindernisse, sich auf ganz neue Art formen, um das was da ist, zu er- halten und ein animalisches Geschöpf hervor- zubringen.

Zu einem Körper also, der an sich und seiner innern Möglichkeit nach als Naturzweck beurtheilt werden soll, wird erfordert, dafs die Theile desselben einander insgesammt ihrer Form sowohl als Verbindung nach, wechsel- seitig und so ein Ganzes aus eigener Causa- lität hervorbringen, dessen Begrif wiederum umgekehrt (in einem Wesen, welches die ei-

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nem solchen Produkt angemessene Causalität nach Begriffen besälse) Ursache von demsel- ben nach einem Prinzip, folglich die Verknü- pfung der wirkenden Ursachen zugleich als TJ^irkujig durch Endursachen beurtheilt wer- den könnte. In einem solchen Produkte der Natur wird ein jeder Theil, so wie er nur durch alle übrige da ist, auch als um der an- dern und des Ganzen willen existirend, d. i. als Werkzeug (Organ) gedacht, welches aber nicht genug ist (denn er könnte auch Werk- zeug der Kunst sein und so nur als Zweck überhaupt möglich vorgestellt werden) son- dern als ein die andern Theile (folglich jeder den andern v\^echselseitig) hervorbringendes Organ, dergleichen kein Werkzeug der Kunst, sondern nur der allen Stof zu Werkzeugen (selbst denen der Kunst) Kefernden Natur sein kann und nur dann und darum wird ein sol- ches Produkt als organisirtes und sich selbst organisirendes Wesen als Naturzweck genannt werden können.

yergleichung eines Kunstprodukts mit einem Na- turzweck (organisirten Körper).

Dafs die organisirten Körper eine gröfsere Ähnlichkeit mit den Kunstprodukten der Men- schen

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sehen haben als die ifnorganisirten Produkte des Naturmechanismus, fälh in die Augen, aber eben so bald lernt man einsehen, dafs doch auch zwischen beiden wesentliche Ver- schiedenheiten statt finden. Ich glaube, dafs eine nähere Betrachtung dieser Übereinstim- mung und Verschiedenheit ein helleres Licht auf die vorher vorgetragenen Sätze werfen wird.

Organisirte Körper und Kunstprodukte kommen, darin überein, dafs bei beiden die Form unl Verbindung der Theile in Bezie- hung auf empirische Gesetze des Naturmecha- nismus als >villkührlich und zufällig erschei- nen; dafs diese Form und Verbindung nur durch die Idee des Ganzen bestimmt wird, und dafs so aus diesem Begriffe sich die Be- schaffenheit der Theile und die Art ihrer Verbindung, [so wie bei hinlänglicher Einsicht aus ider Beschaffenheit eines oder mehrerer Theile, der Begrif des Ganzen und die Be- schaffenheit der übrigen Theile erkennen läfst.

Organisirte Körper und Kunstprodukte weichen darin von einander ab, i. dafs die letztern einen von ihnen verschiedenen verständigen Urheber voraussetzen, welcher dem Stoffe der ihm anderweitig gegeben wird, nach in ihm sich findenden Begrif*

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fen Form und Verbindung erthellt, daliinge- gen bei den organisirten Körpern der Stof sich selbst Form giebt. 2. Dafs kein Kunst- produkt Ursach von seines gleichen wird (ei- ne Uhr keine Uhren hervorbringt) welches bei den, organisirten Körpern der Fall i^t, 3. Dafs jeder organisirte Körper von aufsen her Stoff in sich aufnimmt, eigenthümhch ver- ändert und der Gattung gemäfs zu der er ge- hört nach einerlei Exemplar im Ganzen, aber doch auch mit schickhchen Abweichungen, welche die Selbsterhaltung nach Umständen erfordert, zu einem Ganzen zusammenstim- mend, bildet, welches bei den Kunstproduk- ten nicht statt findet. Ein Kunstprodukt hat höchstens bewegende Kraft (z. ß. eine Uhr, ein Räderwerk), dahingegen dem or_anisirten Körper auch bildende Kraft zukömmt, welche sie auch den Materien, die sie an sich nicht haben, mittheilt, wenn sie dieselben in sich aufgenommen hat. 4. Daf^ der organisirte Körper, wenn er in Unordnung gerathen, strebt diese zu verbessern, welches auch bei den Kunstprodukten nicht der Fall ist. Man sagt daher von der Natur und ilnem Ver- mögen in organisirten Produkten bei weitem

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zu wenig, wena man dieses ein Analogon der Kunst nennt,

Von dem Prinzip der teleologischen Beurt Heilung o r g anis irt er JVesen,

Die Unmöglichkeit, die im vorhergehen- den Abschnitt angegeben, unterscheidende Merkmale der organisirten Körper aus dem Naturmechanism zu erklären, nöthigt uns, zu dem einzigen uns noch übrigen Prinzip der Causalität nach Endursachen (der innern Zweckmäfsigkeit) unsere Zuflucht bei Beurthei- lung derselben zu nehmen, und da stellen wir folgendes Prinzip auF: Ein orgafiisirtes Pro- dukt der Natur ist das j in welchem alles Zweck und wechselseitig auch Mittel ist. Nichts ist in ihm umsonst, zwecklos oder ei- nem blinden Naturmechanism zuzuschrei- ben. *J

Woher entspringt dies Prinzip? Ist es a priori oder a posteriori P Dafs die Beob- achtung der Gegenstände der Erfahrung zu demselben Veranlassung gegeben, ist aulöer al-

*) Die« Prinzip bezieht sich bei einem organischen Körper nur auf das, was ihiil als einem so'chen zukömmt. Woher erkennt man dies aber? Daran dais es sich in der Fort- pflanzung erbalt.

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lern Zweifel; wir würden, wenn keine organi- sirten Körper d. h. solche deren eigenthümli- clie Beschaffenheit aus blofsem Naturmecha- nismus nicht erklärt werden kann, auf der T^.rde angetroffen werden, durchaus auf keine releoiogische Beurtheilung der Naturprodukte gerathen und also dies Prinzip nicht aufstellen können; auf der andern Seite aber tragt das- seiüe die Merkmale der Allgemeinheit und Nothwendigkeit an sich, wodurch es seinen Ursprung a priori beweist. So wie in der allgemeinen Naturlehre das Gesetz gilt: Es geschieht nichts von ungefähr, sondern alles ist nothwendige Wirkung einer vorhergegan- genen Ursach und mit Aufhebung der Allge- meinheit dieses Gesetzes alle Erfahrung über- haupt zerstört werden würde; so gilt bei Er- forschung der Struktur der organisirten Kör- per, das Prinzip: Nichts ist in denselben um- sonst. Höbe man die Allgemeinheit dieses Gesetzes auf, so würde der Leitfaden aller Nachforschung über diese Art von Naturdin- gen zerrissen, und für unsere Beobachtung derselben gar keine Regel mehr übrig bleiben. Daher wenn wir auch in den organischen Körpern Thelle antreffen sollten, deren Be- stimmung wir nicht angeben können ^ wie

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T. B. Hie Zirbeldrüse im Gehirn, so geben wir deshalb das teleologische Prinzip nicht auf, wir sagen nicht die Zirbeldrüse hat keinen Zweck, sondern nur, es sei uns derselbe un- bekannt, lassen aber denselben als vorhanden und also auch die Möglichkeit ihn aufzufin- den, immer stehen.

Dies Prinzip aber entsteht auf folgende Weise: Der Verstand ist die Quelle mehre- rer Gesetze, welche er der Natur, als Inbegrif der Gegenstände äufserer Sinne, a priori vor- schreibt, und welche deswegen durchaus ihre Gültigkeit haben müssen, weil ohne sie für uns gar keine Erfahrungserkenntnifs möglich wäre. Aufser diesen allgemeinen Gesetzen aber entdecken wir durch Reflection über die Gegenstände der äufsern Sinnenwelt mehrere besondere Gesetze» Diese Reflection geschieht durch die Urtheilskraft , wobei sie aber eine Regel befolgen, einen Leitfaden haben mufs. So reflectirt sie über die besondern Gesetze der Causal Verbindungen in der äufsern Sin- nenwelt, und da stöfst sie auf Gegenstände, deren Beschaffenheit und Hervorbringung sich aus den Gesetzen des Natnrmechanismus, der Reihe von Ursachen, die immer abwärts geht (nexus effeeiivusj durchaus nicht erklären

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läfst. Sie sieht sich daher nach einer andern Causalverbindung um und findet diese in dem praittischen Vermögen des Menschen (seinen Willen). Dies ist die Causalverbindung nach Zwecken, Da es nun nur diese beide Arten von Causalverbindungen (der realen und idc" alen Ursachen) geben kann, und sie bei ihrer Beflection mit der erstem nicht ausreicht, so nimmt sie zur zweiten ihre Zuflucht. Dieser Begrif der Zweckverbindung führt die Natur in eine ganz andere Ordnung der Dinge, in- dem wir der Möglichkeit eines Naturprodukts einen Begrif zum Grunde legen. Dieser Be- grif enthält Einheit und er soll die Möglich- keit von Mannigfaltigem was durch die An- schauung gegeben wird, erklären; wir werden ihn aber alsdann auf alles, was an dem Ge- genstand sich behndet, erstrecken müssen, denn wenn wir einen Theil des Gegenstandes aus mechanischen und einen andern aus teleo- logischen Ursachen ableiten wollten, so würde bei dieser Vermischung ungleichartiger Prin- zipien gar keine sichere Regel der Beurthei- lung mehr übrig bleiben. Gesetzt daher auch, dafs in einem organisirten Körper manche Theile als Concretionen nach blos mechani- schen Gesetzen begrilfen werden könnten, so

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mufs docli die Ursach, welche die dazu schickliche Materie herbeischaft, die^e so mo- dilicirt und an ihren gehörigen Stellen absetzt, immer teleologisch beurtheilt werden, so dafs alles" in ihm als organisirt betrachtet werden mufs und alles auch in gewisser Beziehung auf das Ding selbst Organ ist^

Vom Prinzip der teleologischen Beurtheiluii« i'i her Natur überhaupt als Sj' s t e m der Zwecke.

Das Vorhingesagte betraf die innere Zwe'Junäfsigkeit der Naturprodukte, welche bei organisirten Körpern statt findet. Aufser dieser innern Zweckmafsigkeit giebt es noch eine ÜLifsere, von der wir S. 139 dargethan haben, dafs sie keinem hinreichende Berechti- gung giebt, dafs Dasein der Gegenstände, de- nen wir sie beilegen , als Zwecke der Natur zu betrachten. Durch sie wird nur eine Rei- ) e von Dingen gedacht, wovon sich jedes Glied auf ein anderes aufser ihm bezieht. Da wir aber durch die organisirten Körper be- stimmt werden, über den Naturmechanismus hinaufzugehen und der Natur ein Vermögen beizulegen, Produkte hervorzubringen, welche nur durch den Begrif der Endursachen (der Causalltät durch Zwecke) von uns gedacht

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werden können, so können wir auch weiter gehen und die Einheit des übersinnhchen Prinzips auf das Naturganze als System aus- dehnen; so dafs wir auch diejenigen Gegen- stände der Natur deren Dasein oder zweck- luäfsiges Verhältnifs zu andern Dingen es zwar nicht nothwendig macht, über den Me- chanismus der bUndwirkenden Ursachen hin- auszugehen und ein anderes Prinzip für ihre MögUchkeit aufzusuchen, dennoch als zu ei- nem System der Zwecke gehörig betrachten. Auch Schönheit der Gegenstände der Natur, welchen subjektive Zweckmäfsigkeit in PüLck- sicht auf menschliche Erkenntniljjkräfte zu- kömmt, kann auf die Art als objektive Zweck- mäfsigkeit der Natur in ihrem Ganzen als Sy- stem, worin der Mensch ein Glied ist, be- trachtet werden; wenn einmal die teleologi- sche Beurtheilung derselben durch die Natur- Zwecke, welche uns die organisirte Wesen an die Hand geben, zu der Idee eines grofsen Systems der Zwecke der Natur uns berechtigt hat. Wir können sie als eine Gunst, welche die Natur für uns gehabt hat, betrachten, dafs sie über das Nützhche noch Schönheit und Reitze so reichlich austheilte und sie deshalb liqben, so wie ihrer ünermelslichkeit wegen,

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mit Achtung betracliten und uns selbst in die- ser Betrachtung veredelt fühlen, grade als ob dies der Zweck der Natur sei.

Doch ist hierbei zu bemerken, dafs das Prinzip der teleologischen Beurtheilung für die organisirten Produkte unentbehrlich, da es hingegen in Beziehung auf äufsere Zweck- mäCsigkeit zwar nützlich, aber nicht unentbehr- lich ist, weil uns die Natur nicht im Ganzen als organisirt erscheint.

p'on dem O elf rauch des t el eo l o g i seh cn Prinzips . - der Beurtheilung der Natur.

Die Prinzipien sind in Rücksicht ihres Gebrauchs von doppelter Art: constituiiv und regulativ, Ist das Prinzip constil uliv t so dient es zum Obersatz eines Vernunftschlusses und die Urtheilskraft leitet durch die Sub- sumtion unter die Bedingung desselben, neue Siitze ab , sie steigt vom Allgemeinen zum Be- sondern herab; ist es regulativ ^ so bestimmt es nichts über die Gegenstiinde, sondern dient blos zum Leitfaden bei Erweiterung unserer Erkenntnifs. Wäre das Prinzip der teleolo- gischen Beurtheilung der Natur constitutiv, so wäre es für die bestimmende UrtJieilskraft, al- lein dann gehörte es auch derselben nicht an,

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denn sie ist nicht gesetzgebend (nomothetiscli) sondern blos Gesetze empfangend. Wäre das Piinzip der Teleologie constitutiv, so würde es etwas über die Gegenstände der Sinnen- "Nvelt bestimmen und aussagen: Es sind Pro- dukte in der Natur (die organisirten Körper) nach Zwecken hei^orgebracht und die Natur selbst als Ganzes ist ein Produkt einer nach Zwecken wirkenden Ursach, Ein solches Prin- zip kann von der Vernunft nicht gebilligt werden; es würde den Naturzusammenhang zerreifsen und in die Reihe der Ursachen der Sinnenwelt etwas Übersinnliches einführen, was kein Gegenstand einer möglichen Erfah- rung, also auch einer möglichen Erkenntnifs werden kann. Wir würden um Erscheinun- gen in der Natur zu erklären die Natur selbst ganz verlassen und einen von ihr verschiede- nen übersinnlichen Urheber aufstellen. Wir wissen aber aus der Critik unsers Erkenntnifs- vermögens, deren Hauptiahalt im ersten Th eil dieses Werks vorgetragen wurde, daf^ wir durch- aus nicht berechtigt sind im Gebiet unserer Eikenntnifse übersinnliche Gegenstände einzu- fiechten, und dafs alle Erkenntnifs überhaupt unsicher wird, sobald dies geschieht. Sätze, welche in Rücksicht der Naturerkenntnisse ei-

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neu constitutiven Gebrauch gestatten, sind, wie alle Sätze entweder a priori oder a poste- riori. Die erstem sind entweder die Gesetze für eine Natur überhaupt (sowohl der Gegen- stände des äufsern als der des Innern Sinnes) welche wir in dem ersten Theil dieses Werks unter dem Titel der Gesetze des Verstandes vorgetragen liaben, sie gelten nur für die Er- scheinungen und sind auf sinnliche Anschau- ungen eingeschränkt, oder die Gesetze der äufsern Sinnenwelt, welche sich aus jenen Ge- setzen vermittelst der Vorstellung des Raums als Form der äufser?i Sinnenwelt ableiten las- sen (Kant h.Rt sie in seinen metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft vorge- tragen). Beide gestatten keinen Uebergang zu dem Übersinnlichen. Was aber die Er- kenntnifsregeln betrift, welche wir a posteriori durch Beobachtung erhalten, so fällt in die Augen, daCs sie keine Erkenntnifs des Über- sinnlichen gewähren können. Die Erfahrung würde blos sagen: Es giebt Naturprodukte, deren Möglichkeit wir nicht aus mechanischen Ursachen erklären können, so wie es wieder- um andere giebt, bei denen wir Brauchbarkeit und Zuträglichkeit antr elToa.

Das Prinzip der teleologischen Beurtliei- lu!'g der Natur kann also blos regulativ sein; es sagt nicht: Es giebt Gegenstände in der Natur, die als Naturzwecke exisliren, sondern: Es gitbt Produkte der Natur, die wir nicht anders als nach den Begriffen von Naturzvvek- ken beurtheilen können. Es spricht nicht über die Existenz der Naturgegenstände und deren Möglichkeit, sondern nur über die Be- urtheilung der Möglichkeit derselben; es be- hauptet nicht, dafs Gegenstände der Natur nach Absichten hervorgebracht sind, welches un erweislich und vermessen (die Grenzen un- serer Erkenntnifskräftft überschreitend) wäre, sondern dafs vrir uns des Begrifs der Zweck- in äföigkeit zum Leitfaden unserer Rellection über gewisse Gegenstände der Natur bedienen müssen; es bestimmt dies Prinzip objektiv nichts über die Gegenstände, sondern nur subjektiv über unser Verfahren zur Erkennt- nifs derselben; es ist eine Maxime^ welche sich die reflektirende Urtheilskraft zur Nach- forschung giebt. Es läfst unentschieden, ob das productive Vermögen der Natur auch für dasjenige, was wir, als nach der Idee von Zwecken geformt oder verbunden, beurthei- len, nicht eben so gut, als für das, wozu wir

blos ein Mascliienenwesen der Natur zu be dürfen glauben, zulande, oder ob in der 7'hat für Dinge als eigentliche Naturzwecke (wie ■wir sie nothwendig beurtheilen müssen) eine ganz andere Art von ursprünglicher Causalirät, die gar nicht in der materiellen Natur oder ihrem intelligiblen Substrat enthalten sein kann, nämlich ein architectonisclier Verstand zum Grunde liegt; aber es behauptet, dafs da respekliv auf unser Erkenntnifsvermögen der blofse Mechanismus der Natur für die Erzeu- gung organisirter Wesen keinen ErklärungS' grund abgeben könne, v»ir uns genöthigt se- hen, zu der einzigen noch übrigen Causalität durch Endursachen (die wir durch unser prak- tisches Vermögen erkennen) unsere ZuJlucht zu nehmen. Ob \vir gleich dabei immer nicht vergessen müssen, dafs nicht erklären zu können, das Nicht sein nicht beweisen kann^

Das Prinzip der teleologischen Beurthei- lung der Natur ist also blos ein Prinzip für die reflectirende Urtheilskraft und zwar nicht objektiv, sondern blos subjektiv zur Re- flection über die Naturprodukte, um die Er- kenntnifs derselben zu erweitern; aber eben deshalb ist es auch der rellectirenden Urtheils- kraft zum Behuf der Erkenntnifs (der Natur .

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eigen und wird ihr nicht anderweitig gegeben (es ist Autonomie, nicht Heteronomie), denn sonst wäre das Prinzip dogmatisch und blos für die bestimmende Urtheilskraft, in welcher Rücksicht es hingegen unerweislich und über- schwenglich ist. Vielleicht ist es nicht unnütz hier hinzu zu fügen dafs zwar der Begrif des Zwecks und der Zweckmäfsigkeit, den die Ur- theilskraft bei ihrer Rellection über Naturpro- dukte, wo sie mit dem blofsen Naturmecha- nismus zur Erklärung derselben nicht mehr ausreicht, der Vernunft angehört, dafs sie aber das Prinzip der Zweckmäfsigkeit sich selbst als Regel bei ihrem Verfahren vorschreibt.

Die Bestimmung und Rechtfertigung des Prinzips der teleologischen Beurtheilung der, Natur gehört in die Critik unserer Vorstellungs- vermögen und da es der Urtheilskraft angehört, in die Critik der Urtheilskraft; der Gebrauch desselben gehört in die Physik (als Wissen- schaft die Erscheinungen in der Natur ihrer Möglichkeit nach einzusehen, oder welches ei- nerlei ist, sie aiTszuerkennen)j allein die Physik mufs es unentschieden lassen, ob die Natur- zwecke es absichtlich oder unabsichtlich sind, denn das würde Einmengung in ein fremdes Geschäft (nämlich das der Metaphysik} sein.

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Genug es sind nach Naturgesetzen, welche wir uns nur unter der Idee der Zwecke als Prin- zip denken können, einzig und allein erklär- bare und blos auf diese Weise ihrer innern Form nach, sogar auch nur innerlieh erkenn- bare Gegenstände. Um sich also aucli nicht der mindesten Anmafsung, als wollte man et- was, was gar nicht in die Physik gehört, flam- lich eine übernatürHche Ursach, unter die Er- kenntnifsgründe mischen, verdächtig zu ma- chen, spricht man in der Teleologie zwar von der Natur als ob die Zweckmäfsigkeit in ihr absichtlich sei, aber doch zugleich so, dafs man der Natur d. i. der Materie diese Absicht beilegt; wodurch man (weil hierüber kein MIß. verstand statt ßnden kann, indem von selbst schon keiner einem leblosen Stoife Ab- s'cht in eigentlicher Bedeutung des Worts bei- legen wird) anzeigen will, dafs dieses Wort hier nur ein Prinzip der reflectirenden und nicht der bestimmenden Urtheilskraft bedeute, und also keinen besondern Grund der Causa- lität einführen solle, sondern, auch nur zum Gebrauche der Vernunft eine andere Art der Nachforschung als die nach mechanischen Ge- setzen ist, hinzufüge, um die Unzulänglichkeii der letztern, selbst zur empirischen Aufsuchung

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aller besondern Gesetze der Natur zu ergän- zen. Daher spricht man in der Teleologie, so fern sie zur Physik gezogen wird, ganz recht von der Weisheit, der Sparsamkeit, der Vor- sorge, der Wohithätigkeit der Natur ohne da- durch aus ihr ein verständiges Wesen zu ma- chen, (weil das ungereimt wäre), aber auch ohne sich zu erkühnen ein anderes verstau di- ^ ges Wesen über sie als Werkmeister, setzen zu wollen (weil dieses vermessen sein würde) : sondern es soll dadurch nur eine Art der Cau- saHtät der Natur, nach einer Analogie mit der unsrigen im technischen Gebrauche der Ver- f nunft bezeichnet werden, um die Regel, nach | welcher gewissen Produkten der Natur nach- geforscht werden muls, vor Augen zu haben.

Ich kann nicht unterlassen eine Anmer- kung von Kant mit herzusetzen, welche er bei dem im Vorhergehenden gebrauchten Worte !:> ermessen macht. Das deutsche Wort 'Vermessen ist ein gutes bedeutungsvolles Wort. Ein Urtheil, bei welchem man das Längen- maa[s seiner Kräfte (des Verstandes) za über- schlagen vergifst, kann bisweilen sehr demü- thig kUngen und macht doch grofse Ansprü- che und ist doch sehr vermessen. Von der Art sind die meisten, dadurch man die gött- liche

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liehe Weisheit zu erheben vorgiebt, indem man ihr in den Werken der Schöpfung und Erhaltung Absichten unterlegt, die eigentlich der eigenen Weisheit des Vernünftlers Ehre machen sollen.

Darstellung der ei genthümlich en B cschaffon-

heit- unserer Erk eriTi tnifsi) er g en , welche unS

nöthigt zum BegriJ d e r Aw eckmäfs igkeit b ei B g^

ur thcilun g der Gegenstände der Natur

unsere ZuJ lue ht zu nehmen.

Wir haben ein doppeltes Erkenntnifsver- mögen, das der Anschauung (Sinnlichkeit) und das der Begriffe (Verstand); jenes liefert das Besondere, dieses das Allgemeine. Beide sind zur Erkenntnifs von Gegenständen nothwen- dig, durch jenes werden uns Objekte gege- ben, durch dieses wird das Mannigfaltige des Gegebenen zur objektiven Einheit verbunden und so kömmt durch beider Vereinigung Er- kenntnifs zu Stande. Alle Erkenntnifs durch unsern Verstand geschieht dadurch, dafs er vom Allgemeinen zum Besondern her- absteigt, wir fügen Merkmale zu Merkmalen hinzu (logische Determination) und verengern dadurch den Umfang des Begrifs immer mehr und mehr. Es ist uns aber unmöglich, je so viel Merkmale zusammen zu verbinden, dafs

dadurch die Vorstellung eines Gegenstandes vollkommen bestimmt würde, und also der Begrif die Stelle der Anschauung vertreten könnte, mit andern Worten, es ist uns un- möglieh, in einem Begrif das gesammte Mau- nigfahige eines Objekts zusammen zu fassen.

Dadurch nun, dafs der Verstand BegriiTe aus Merkmalen zusammensetzen kann, und so vom Allgemeinen zum Besondern geht, die Objekte der Sinnenwelt aber durch ein von ihm verschiedenes Vorstellungsvermögen (der Sinnlichkeit) gegeben werden, mufs uns das Zusammentreffen des durch die Sinnlichkeit Gegebenen, mit dem durch den Verstand ge- dachten Allgemeinen als zufällig erscheinen.

Ob wir nun gleich keinen andern Ver- stand kennen als den unsrigen, und keine andere Erkenntnifsweise als die unsrige, so ist es doch für uns möglich, uns eine andere Art der Erkenntnifs und eine andere Art des Verstandes zu denken; dies geschieht nämlich dadurch, dafs wir die Einschränkungen unse- rer Erkenntnifs aufheben. Bei unserer Er- kenntnifs ist Anschauung und Begrif von ein- ander wesentlich verschieden und doch sind beide zur Erkenntnifs durchaus nothwendig; VQX können uns daher eine Erkenntnifs vor-

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atellcii) bei der Anschauung und Begrif zusam- menfällt, dies setzte einen intuitiven (anschau- enden} Verstand voraus, bei diesem würde in der Anschauung selbst schon die zur objekti- ven Vorstellung und also zur Erkenntnils er- forderliche Einheit sich fmden»

Es ist hier nicht die Rede davon, ob es einen solchen Verstand wirklich giebt, oder ob auch derselbe nur real möglich ist, genug, dafs wir durch die Bedingungen unseres Er- kenntnifsvermögens veranlafst werden, uns ei- nen solchen Verstand, freilich durch blofse Negation (er sei nicht discursiv, steige nicht vom Allgemeinen zum Besondern herab) zu denken«

Was würde imn bei einem solchen intui- tiven Verstände statt finden i) er würde Mög- lichkeit und Wirklichkeit nicht unterscheiden, denn dieser Unterschied beruht, wie wir dies im ersten Theil dieses Werks gezeigt haben, blos darauf, dafs wir ein doppeltes Erkenntnifs- vermögen, Sinnlichkeit und Verstand haben. Bei ihm würde: Objekte sind gegeben und Ob- jekte sind gedacht, nicht unterschieden werden. 2) er würde nicht nöthig haben, von dem ge- gebenen Besondern, den Anschauungen, allge- meine Vorstellungen, Begriffe abzusondern} um

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zu Erkenntnissen zu gelangen. Er würde al- so weder durch Classifikation aufwärts, noch durch Specifieation abwärts steigen. Dafs aber mehrere Gegenstände der Natur in Merkmalen zusammenstimmen, so dafs von ihnen ein all- gemeiner Begrif, Art, sich abJeiten läfst, meh- rere Arten in Merkmalen zusammenstimmen, die verbunden einen höhern allgemeinen Be- grif, Gattung, geben, erscheint für uns zufälhg, wenn es gleich für den Gebrauch unsers Ver- standes noth wendig ist. Eine solche Zufällig- keit findet für den intuitiven Verstand nicht statt. 3) er würde nicht nöthig haben, das Mannigfaltige der Anschauung zur Einheit des Begrifs zu verknüpfen; ihm würden die Tlieile durch das Ganze gegeben, wir hingegen müs- sen die Theile zum Ganzen verbinden; daher erscheint uns die Form der Theile in Bezie- hung auf das Ganze als zufällig, welches nicht der Fall beim intuitiven Verstände sein kann.

Die Verbindung des Besondern, was uns durch die Anschauung gegeben wird zu dem Allgemeinen der Begriffe geschieht durch Re- liection der Urtheilskraft über das Besondere. Dafs das Besondere zur objektiven Einheit der Beeriffe sich verbinden läfst, erscheint uns ah zufällig, doch mufs die Urtheilskraft diese

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Möglichkeit der Verbindung voraussetzen, weil 6ic sonst gar nicht liandeln könnte; sie muls die Sinrtenwelt betrachten, als sei sie für un- sern Verstand eingerichtet; d. h. sie mufs sie als zweckmäCüig zur möglichen Erkenntnifs von uns betrachten. Zweckmäfsiges Dasein kann von uns nur dadurch als möglich gedacht werden, dafs wir eine Causalität nach BegriiFen c'uinehmen; wodurch sodann die Zufälligkeit der Form als nothwendig unter der Bedingung des Zwecks erscheint.

Wie ist denn nun aber bei Naturproduk- ten Nothwendigkeit, welche sie als zur Natur gehörig fordern und Zufälligkeit, die sich aus unserer Erkenntnifsart ergiebt, zu verbinden? Nur dadurch, dafs wir diese Zufälligkeit blos auf Piechnung unserer bedingten Erkenntnifs- art schreiben und uns einen andern (intuiti- ven) Verstand denken, von welchem das, was uns zufällig erscheint, als nothwendig erkannt wird. Wäre die Sinnenwelt für uns ein Innbegrif der Dinge an sich, so wäre diese Vereinigung von Nothwendigkeit und Zufällig- keit an derselben unmöglich; allein wir wissen schon aus unsern vorhergegangenen Untersu* chungen, dafs sie nur der Innbegrif von Er- scheinungen ist, deren übersinnliches Substrat

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uns unbekannt ist, (ob gleich von uns, veran- lafst durch die Bedingungen, welche unsem Anschauungsvermögen anhängen, gedacht wer- den mufs), und da ist denn allerdings eine solche Vereinigung möglich, weil nämlich das was uns an den Erscheinungen, wegen der Be- dingungen, unter denen wir allein Erkennt- nisse haben können, als zufällig erscheint, doch von dem Verstand, welcher das über^ sinnliche Substrat der Natur erkennt, als noth^ wendig vorgestellt wird.

Wir wollen das Gesagte an einer Art von Naturgegenständen, den organisirten Körpern, erläutern. In deni Verstände findet sich der Begrif der Causalität, welcher seine constitu- tive Gültigkeit in der Sinnenwelt darauf grün- det, dafs ohne seine Anwendung keine Erfah- rungserkenntnifs möglich ist. Wir verengern diesen Begrif, wenn wir zu ihm das Merkmal: nach Begriffen, oder welches einerlei ist nach Zwecken hinzufügen. Eine solche Causalität findet an unserm praktischen Vermägen einen Gegenstand, so wohl bei der Bestimmung un- serer freien Willkühr, als bei den Kunstpro- dukten, welche wir hervorbringen, An sich kann der Verstand die Piealität der verbunde- nen Begriffe Ton Causalität und Zweck nicht

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cl arthun, (denn daPs Etwas gedacht werden kann, betrift blos seine logische Möglichkeit); nun iindcn. sich aber in der Sinnenwelt meh- rere Produkte (organisirie JLörper), deren Exi- stenz auG der Causalität ohne Zwecke (blin- den Naturmechanismus) nicht erklärt werden kann; die Urtheilskraft sieht sich also nach einem andern Begrif zur Beurtheiiung dieser Gegenstände um, und versucht es mit dem Begrif der Innern Zweckmäfsigkeit, welcher sich auf den der Causalität nach Begriffen stützt, und findet, dafs dieser leistet, was sie verlangt. Dieses Zusammenstimmen gewisser Naturkörper mit einem vom Verstände gebil- deten Begrif mufs also als zufällig von uns erkannt werden, Es scheint aber dieser Begrif eines Naturzwecks (eines Gegenstandes der Natur, dem innere Zweckmäfsigkeit zu- kömmt) durch Gegenstände der Sinnenwelt seine Beglaubigung zu erhalten, und daher im Reiche der Natur als constitutiv zu gelten; nicht blos subjektiv, sondern objektivgültig zu sein. Der Grund dieses Scheins liegt in der Ueberredung, dafs, weil diese Naturprodukte gegebene Objekte sind, und die Uebereinstim« mung mit dem Begrifie einer innern Zweck-

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joiäfsigkeit auch wirklich ist, die nach Begrif- fen wirkende Ursach gleichfalls gegeben sei.

Wie kiann nun aber den organisirten Körper, der Zufälligkeit ihrer Form ungeach- tet das Merkmal der Naturprodukte, welche Nothwendigkeit charakterisirt, zukommen? Da diese Zufälligkeit blos auf den Bedingungen unserer Erkenntnifsvermögen beruht, so kann sie für einen intuitiven Verstand, der also die Dinge erkennt, wie sie an sich sind, nicht statt jGnden; er wird die Formen als nothwendig erkennen; denn da ihm das Ganze mit den Theilen gegeben wird, er es nicht erst aus den Theilen erzeugt, so wird er alles an den Dingen als nothwendig erkennen und der Er- klärung aus absichtlicher Causalität nicht be- dürfen.

Aus diesem allen ergiebt sich klar, dafs das Prinzip der teleologischen Betrachtung der organisirten Körper nur regulativ ist, nur für unser menschliches Erkenntnifsvermögen sub- jektive Gültigkeit hat, welches wir daraus er- kennen, wenn wir unsere Erkenntnifs mit der eines andern (problematisch - gedachten) Ver- standes vergleichen; allein es ist auch eben so gewifs, dafs dieses Prinzip als Maxime für

457 uns subjektiv -nothwendig ist, und wir dessel- ben auf keine Weise entbehren können,

Beilegung des vermeintlichen Widerstreits zwi- schen den Maximen der Unheils kraft im Beur- theilung der Natur, der der mechanischen und der d f r teleologischen B e ur the i l un g derselben.

Es ist im ersten Theil dieses Werks dar- gethan worden, dafs der Verstand a priori der Welt der Erscheinungen Gesetze vorschreibt, dieses aber sind nur allgemeine Gesetze, und betreffen, so fern sie die äufsere Sinnenwelt angehen, die materielle Natur überhaupt. Von diesen allgemeinen Gesetzen sind die beson- dern Gesetze, welche die uns gegebene Natur betreifen und welche wir nur durch Beobach- tung und Erfahrung kennen lernen können, ■wohl zu unterscheiden. Unter diesen Gesetzen aber kann eine grofse Mannigfaltigkeit statt finden, welche nun den Forderungen der Ver- nunft gemiifs zu einer zusammenhängenden Erkenntnifs nach einer durchgängigen Gesetz- mäfsigkeit der Natur, verbunden werden soll. In dieser Hinsicht mufs die ürtheilskraft über sie reflectiren und dazu bedarf sie eines Leit- fadens, einer Maxime. Deren finden sich nun awei; die eine giebt ihr der blofse Verstand

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a priori an die Hand, sie lieifst: Alle Erzeu- gung materieller Dinge und ihrer Formen mufs als nach blos mechanischen Gesetzen möglich heurtheilt werden\ die andere wird durch besondere Erfahrung (durch die organi- sirten Körper) veranlafst und stützt sich auf eine Iciee der Vernunft (des Zwecks), sie heifst; Einige Produkte der materiellen Natur kön- nen nichtj als nach blos mechanischen Ge- setzen möglich heurtheilt werden; ihre Be- urtheilung erfordert ein ganz anderes Ge- setz der Causalitätj nämlich das der End" Ursachen^

Diese Maximen scheinen einander zu wi- derstreiten; wir werden aber bald zeigen, dafs sie als regulative Prinzipien für die refiectiren- de Urtheilsksaft recht gut neben einander be- stehen können. Kalt man sie hingegen für constitutiv, so sind sie unvereinbar, und da sie sodann nicht der reflectirenden Urtheilskraft, sondern der Vernunft angehören und Gesetze für die bestimmende Urtheilskraft sind, so ge- räth die Vernunft mit sich selbst in Wider- spruch; sie würden nämlich dann heifsen: Alle Erzeugung materieller Dinge ist nach blos viechanischen Gesetzen möglich und: Ei?iige Erzeugung derselben isl^ nach blos mecha-

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nischen Gesetzen unmöglich. Meine Leser werden leicht einsehen, dafs sie regulativ ge- nommen, blos von unserer Beurtheilung der körperlichen Gegenstände, constitutiv genom- men hingegen von der Existenz derselben sprechen.

Wenn ich sage : ich mufs alle Erscheinun» f^en in der materiellen Natur, mithin auch alle Formen als Produkte derselben, ihrer Möglich- keit nach, nach blos mechanischen Gesetzen. heurtheilen» so sageich damit nicht: sie sind darnach allein (ausschliefsungsweise von je- der andern Art Causalität) möglich: sondern das will nur anzeigen, ich soll jederzeit nach dem Prinzip des blofsen Mechanismus der JSatur reßecliren und mithin diesem, so weit ich kann nachforschen, weil, ohne ihn zum Grunde der Nachforschung zu legen, es gar keine eigentliche Naturerkenntnifs geben kann. Dies hindert nun nicht, die zweite Maxime bei gelegentlicher Veranlassung zu brauchen, und einigen Naturformen (und auf deren Ver- anlassung sogar der ganzen Natur) nach ei- nen^ Prinzip nachzuspüren nnd über sie zu reflectiren, welches von der Erklärung nach dem Mechanismus der Natur ganz verschieden ist, nämlich dem Prinzip der Endursachen.

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Denn die Reflection nach der ersten Maxime wird dadurch nicht aufgehoben, vielmehr wird es geboten, sie so weit man kann zu verfol- gen, auch wird dadurch nicht gesagt, dafs nach dem Mechanismus der Natur jene Formen nicht möglich wären; nur wird behauptet^ dafs die menschliche Vernunft in Befolgung derselben und auf diese Art niemals von dem, was das Specifische eines Naturzwecks ausmacht, den mindesten Grund, wohl aber andere Erkennt- nisse von Naturgesetzen auffinden können, wobei es als unausgemacht dahin gestellt wird, ob nicht in dem uns unbekannten innern Grunde der Natur selbst die physisch- mecha- nische und die Zvveckverbindung an demsel- ben in einem Prinzip zusammenhängen mö- <^en, nur dafs unsere Vernunft sie zu einem solchen zu vereinigen nicht im Stande ist und die Urtheilskraft also, als (aus einem subjek- tiven Grunde) refiectirende, nicht als (einem objektiven Prinzip der MögHchkeit der Dinge an sich zu Folge) bestimmende Urtheilskraft, genöthigt wird, für gewisse Formen in der Na- tur ein anderes Prinzip als das des Naturme- chanismus uns zum Grunde ihrer Möglichkeit zu denken.

Hieraus erglebt sich, was wir auch schon

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im ersten Theil dieses Werks angemerkt haben, dafs die teleologische Betrachtung der Natur durchaus keinen Beweisgrund für das Dasein Gottes (als eines vernünftigen Welturhebers) abgeben kann, weil das Prinzip derselben nicht von constitutivem, sondern blos von re- gulativem Gebrauch ist. Auch begehen dieje- nigen, welche das Prinzip für constitutiv gel- ten lassen und sodann aus der Beurtheilung der Natur nach demselben einen Beweis für das Dasein Gottes ableiten wollen, einen Zir- kel im Beweise (peiitio principiij, in dem sie das zu Beweisende als Beweisgrund schon voraussetzen.

Vier Technik der Natur.

Wir nennen die Natur techniseh ^ inso- fern wir Produkte derselben ihrer Möglichkeit nach nicht anders als nach innerer Zweckmä- fsigkeit beurtheilen können. Die Technik der Natur kann nun entweder als absichtlich oder unabsichdich (technica intentionalis oder naturalisj gedacht werden ; ijn ersten Fall be- hauptet man, das productive Vermögen der Natur nach Endursachen sei eine besondere Art von GausaUtät C^ealistnus der objektiven Zweckmäfsigkeit), im zweiten Faü, dafs sie mit

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deitt Meclianismus der Natur im Grunde ganz einerlei sei und das zufällige Zusammentreffen mit unsern Kunstbegriffen und ihren flegeln, als blos subjektive Bedingung sie zu beurthei- len, fälschlich für eine besondere Art der Na- turerzeugung ausgedeutet werde. C^dealistnus der objektiven Zueckmäfsigkeit.)

Unsere vorhergegangenen Untersuchungen setzen uns in den Stand, einzusehen, daGs jede dieser Behauptungen unerweislich ist, weil sie die Realität eines Begrifs (eines Naturzwecks an den organisirten Körpern) voraussetzen, der doch durchaus problematisch bleibt, weil er sich blos auf einem regulativen Prinzip der reflectirenden Urtheilskraft gründet. Der Be- grif eines Naturzwecks ist zwar möglich (ent- hält keinen Widerspruch), allein seine objek- tive Realität ist unerweislich, denn diese kann nicht a priori bewiesen werden, weil wir eine a priori nur allgemeine Gesetzlichkeit der Natur überhaupt darthun können, und der Be- grif eines Naturzwecks empirisch bedingt d. h. nur unter gewissen in der Erfahrung gegebe- nen Bedingungen möglich ist; aber eben so wenig kann seine Realität durch Erfahrung dargethan werden, weil er etwas übersinnli- ches, das Merkmal des Zwecks in sich trägt,

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Ist aber der Begrif eines Naturzwecks hlos problematisch, so hindert dies zwar freihch nicht, ihn zu einer Maxime der Beurtheilung zu brauchen, allein er kann kein Erkenntnifs- «rtheil über die Causalitäc des Gegenstandes begründen, so dafs bestimmt werden könnte, ob dieselbe absichtlich oder unabsichtlich ist.

Diejenigen, welche den Begrif eines Na- turzwecks für dogmatisch ( constitutiv ) und nicht blos für critisch (regulativ) halten, zerfal- len wie wir so eben gesagt haben, in zwei Partheien; die eine behauptet den Idealismus, die andere den Realismus der Endursachen; jede von beiden hat wiederum zwei Partheien unter sich, welche wir jetzt kürzlich anführen wollen.

Die Idealisten in Rücksicht der Technik der Natur nehmen an, alles geschehe in der Natur nach bloisen Gesetzen der Bewegung, allein die daraus entspringende Zweckmäfsig- keii erklären sie für zufällig, oder sie leugnen die Intentionalität. Sie theilen sich in die Casualisten und in die Fatalisten» Jene, zu welchen unter den Alten Epikur und De^ mokrit gehören, behaupten die Zweckmäfsig- keit der Formen der natürlichen Körper sei blo« dem blinden Zufall zuzuschreiben , ein

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System, was das zu Erklärende völlig uner- klärt läfst; diese behaupten, die Frage nach Caiisalität der Naturprodukte finde gar nicht statt, alle Dinge seien nur Accidenzen einer Substanz; des Urwesens, welche demselben nothwendig inhäriren. Dies war das System des Spinoza. Wie man auch den Begrif sei- nes Urwesens nehmen mag, so ist so viel klar, dafs die Zweckverbindung in der Welt in demselben als unabsichtlich angenommen werden muts, weil sie von einem Urwesen, aber nicht von seinem Verstände, folglich von keiner Absicht desselben, sondern aus der Noth wendigkeit seiner jMatur und dei' davon abgeleiteten Wekeinheit abgeleitet wird, mit- hin hier ein Fatalismus der zugleich Idealis- mus ist statt findet. Obgleich dies System die Einheit der Narurformen erklärt, so hebt es doch die Zufälligkeit derselben, und weil diese so gut wie die Einheit zur Zweckmäfsig- keit erforderlich ist, die Zweckmäfsigkeit selbst auf. Die Einheit des Seins (ontologische Ein- heit), welche dies System aufstellt, ist von der Zweckeinheit sehr verschieden.

Die Realisten in Rücksicht der Technik der Natur zerfallen wiederum in zwei Theile, sie haben entweder das System des Hylvzois-

mus

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mus (der lebenden oder belebten Materie), oder des Theismus^ eines ursprünglich leben- den, verständigen Wesens, was die Welt nach Absichten hervorgebracht hat. Was den Hy- lozoismus betriff, so zerfällt er in zwei Theile, entweder hält man die Materie selbst für le- bend, oder für belebt. Die MögUchkeit einer lebenden Materie läfst sich nicht einmal den- ken, denn Leblosigkeit Cinertia) ist ein we- sentliches Merkmal derselben; die einer be- lebten Materie und der gesammten Natur, als eines Thiers kann nur so fern (zum Behuf ei- ner Hypothese der Zweckmäfsigkeit im Gro- fsen der Natur) dürftiger Weise gebraucht werden, als sie uns an der Organisation der- selben im Kleinen, in der Erfahrung offen- bart wird, keinesweges aber a priori seiner Möglichkeit nach eingesehen werden. Es muCs also ein Zirkel im Erldären begangen werden, wenn man die Zweckmäfsigkeit der Natur an organisirten Wesen aus der Materie ableiten will, und dieses Leben wiederum nicht anders als an organisirten Wesen kennt, also ohne dergleichen Erfahrung sich keinen Begrif von der Möglichkeit derselben machen kann.

Obgleich der Theismus vor den übrigen Erklärungsarten das voraus hat, dafs er die

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Zweckmäfsigkeit der Natur am besten erklärt, so hat er doch keine gükigen Gründe für sei- ne Behauptung aufzuzeigen. Das Prinzip der teleologischen Beurtheilung der Natur berech- tigt uns nicht zu sagen: Es ist ein Gott; son- dern nur: Wir können uns die Zweckmä- fsigkeit, welche selbst unserer Erkenntnifs der innern Möglichkeit vieler Naturdinge zum Grunde gelegt werden mufs, gar nicht anders denken und begreiflich machen, als indem wir sie und überhaupt die Welt uns als ein Pro- dukt einer verständigen Ursach vorstellen.

Die vorhin angestellten vier dogmati- schen Systeme über Zweckmäfsigkeit der Na- tur, bezeichnet Kant noch vortrefiich mit fol- genden Benennungen; System der leblosen Materie, eines leblosen Gottes, einer lebenden Materie und eines lebendigen Gottes.

ijber das 'y erh'dltnijs heider Maximen der Na- turbe u lt. Ii eil ung gegeneinander.

Die Vernunft mufs auf Anwendung des Prinzips des Naturmechanismus bei Erklärung der Erzeugungen in der Sinnenwelt dringen, weil ohne dasselbe gar keine Einsicht in der Natur der Dinge erkannt werden kann; die Berufung auf ein verständiges Wesen> was als

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Baumeister oder Schöpfer die Welt hervorge- bracht, hilft uns zur Einsicht in die Entste- hung der Gegenstände durchaus nichts, weil wir weder von diesem Wesen, noch von sei- ner Wirkungsart Erkenntnisse haben können. Auf der andern Seite aber ist es eben sowohl eine nothwendige Maxime der Vernunft, das Prinzip der Zwecke an den Produkten der Katur nicht ungenutzt zu lassen; weil es, wenn es gleich die Entsteh angsart derselben uns eben nicht begreiflicher macht, doch ein hev- ristisches Prinzip ist, den besondern Gesetzen der Natur nachzuforschen, gesetzt auch, da& man keinen Gebrauch davon machen wollte, um die Natur selbst darnach zu erklären, in- dem man sie so lange, ob sie gleich absichtli- che Zweckeinheit augenscheinlich darlegt, noch immer nur Naturzwecke nennt d. i. oh- ne über die Natur hinaus den Grund der Möglichkeit derselben zu suchen. Weil es aber doch am Ende zur Frage wegen der letz- tern kommen mufs; so ist es eben so noth- wendig für sie, eine besondere Art der Cau- salität, die sich nicht in der Natur vorfindet zu denken, als die Mechanik der Naturursa- chen die ihrige hat, denn nach der Mechanik der Naturursachen hat die Materie zwar R«-

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ceptivität für manclierlei Formen, aber dadurch wird von den vorhandenen Formen kein Grund angegeben, dieser v/ird also in einer Spontaneität der Ursach (die folglich nicht Materie sein kann) gesetzt werden müssen. Zwar mufs die Vernunft ehe sie diesen Schritt thut, behutsam verfahren und nicht jede Tech- nik der Natur d. i. ein productives Vermögen derselben, welches Zweckmäfsigkeit der Ge^ stalt für unsere blofse Apprehension an sich trägt (wie bei regulären Körpern, die durch Crjstalhsation entstehen) für teleologisch er^ klären, sondern blos für mechanisch mögUch ansehen ; allein darüber das teleologische Prin- zip gar ausschliefe en, und wo die Zweckmä- fsigkeit für die Vernunftuntersucliung der Möglichkeit der Naturformen, durch ihre Ur* Sachen, sich ganz unläugbar als Beziehung auf eine andere Art der Causalität zeigt, doch im- mer den blofsen Mechanismus befolgen wol- len, muls die Vernunft eben so phantastisch und unter Hirngespinsten von Naturvermögen, die sich gar nicht denken lassen, herumschwei- fend machen, als eine blofse teleologische Er- klärungsart, die gar keine Rücksicht auf den Natnrmechanismus nimmt, sie schwärmerisch macht.

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An einem und demselben Dinge der Na- tur lassen sich nicht beide Prinzipien als Grundsätze der Erklärung eines von dem an- dern verknüpfen, mit andern Worten, sie las- sen sich beide als dogmatische und constitu- tive Prinzipien der Natureinsicht für die bestim« mende Urtheilskraft, nicht vereinigen. Wenn ich z. B. von einer Made annehme, sie sei durch Fäulnifs entstanden, also ein Produkt des blofsen Mechanismus der Materie, so kann ich nun nicht von eben derselben Ma- terie als einer Causalität nach Zwecken zu handeln, das Entstehen der Made ableiten. Umgekehrt, wenn ixih dasselbe Produkt als Nat«rzweck annehme, kann ich nicht auf eine mechanische Erzeugungsart desselben rechnen und solche als constitutives Prinzip zur Beur- theilung desselben seiner Möglichkeit nach annehmen und so beide Prinzipien vereinigen^ Denn eine Erklärungsart schliefst die andere aus, gesetzt auch, dafs objektiv beide Gründe der Möglichkeit eines solchen Produkts auf einem einzigen beruhten, wir aber auf diesen nicht Rücksicht nahmen. Das Prinzip welches die Vereinbarkeit beider in Beurtheilung der Natur nach denselben möglich machen soll, mufs in dem was aufserhalb beider (mithin.

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auch auFser der mögliclien empirisclien Na- turvorstellung) liegt, von dieser aber doch den Grund enthält, d. i. im Übersinnlichen gesetzt, eine jede beider Erklärungsarten darauf bezo- gen werden. Da wir nun von diesem über- sinnHchen Substrat der Sinnenwelt nur den unbestimmten Begrif eines Grundes derselben haben, übrigens aber ihn durch kein Prädicat näher bestimmen können, so folgt, dafs die Vereinigung beider Prinzipien nicht auf einem Grunde der Erklärung (Explication) der Mög- lichkeit eines Produkts nach gegebenen Gese- tzen für die bestimmende y sondern nur auf einem Grunde der Erörterung (Exposition) derselben für die refiectirende Urtheilsfcraft beruhen könne. Denn Erklären heifst von einem Prinzip ableiten, welches man also mufs deutlich erklären und angeben können. Nun müssen zwar das Prinzip des Mechanismus der Natur und das der Causalität derselben nach Zwecken an einem und demselben Na- turprodukte in einem einzigen obern Prinzip zusammenhängen und daraus gemeinschaftlich abfliefsen, weil sie sonst in der Naturbetrach- tung nicht nebeneinander bestehen könnten. Wenn aber dieses objektiv - gemeinschaftliche, und also auch die Gemeinschaft der davon

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abhängenden Maxime der Naturforschung be- rechtigende Prinzip von der Art ist, dafs e* zwar angezeigt, aber nie bestimmt erkannt und für den Gebrauch in vorkommenden Fällen deutlicli angegeben werden kann, so läfst sich aus einem solchen Prinzip keine Er- klärung d. i. deutliche und bestimmte Ablei- tung der Möglichkeit eines nach jenen zwei heterogenen Prinzipien möglichen Naturpro- dukts ziehen. Nun ist aber das gemeinschaft- liche Prinzip der mechanischen einerseits und der teleologischen Ableitung andrerseits das Vbersinnlichey welches wir der Natur als Phä- nomen unterlegen müssen. Von diesem aber können wir uns in theoretischer Absicht nicht den mindesten bejahend bestimmten Begrif machen; wie also nach demselben, als Prin- zip, die Natur nach ihren besondern Gesetzen, für uns ein System ausmache, welches sowohl nach dem Prinzip der Erzeugung von physi- schen als dem der Endursachen, als möglich erkannt werden könne, läfst sich keinesweges erklären, sondern nur, wenn es sich zuträgt, dafs Gegenstände der Natur vorkommen, die nach dem Prinzip des Mechanismus, (welches jederzeit an einem Naturwesen Anspruch hat) ihrer Möglichkeit nach, ohne uns auf teleolo-

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gisclie Grundsätze zu stützen, von uns nicht können gedacht werden, voraussetzen, dafä man nur getrost beiden gemäfs den Naturge- setzen nachforschen dürfe (nachdem die Mög- lichkeit ihres Produkts aus einem oder dem andern Prinzip, unserm Verstände erkennbar ist) ohne sich an den scheinbaren Widerstreit zu stofsen, der sich zwischen den Prinzipien der Beurtheilung desselben hervorthut, w^eil wenigstens die Möglichkeit, dafs beide auch objektiv in einem Prinzip vereinbar sein möch- ten (da sie die Erscheinungen betreffen, die einen übersinnlichen Grund voraussetzen) ge- sichert ist

Oh also gleich, sowohl der Mechanismus als der teleologische ^^absichtliche) Technicis- mus der Natur in Ansehung eines und dessel- ben Produkts und dessen Möglichkeit unter einem gemeinschaftlichen obern Prinzip der Natur nach besondern Gesetzen stehen mö- gen, so können wir doch, da dieses Prinzip über alle mögliche Erkenntnifs für uns hinaus liegt, nach der Eingeschränktheit unsers Ver- standes beide Prinzipien in der Erklärung eben derselben Naturerzeugung nicht vereini- gen, selbst alsdann nicht, wenn, wie dies bei organisirten K-örpern der Fall ist, die innere

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Möglichkeit dieses Produkts nur durch eine Causalität nach Zwecken verstiindhch ist. Es bleibt fllsdann bei dem teleologischen Prin- zip der Nachforschung, ohne dadurch etwas über die Möglichkeit der Dinge selbst zu be- stimmen.

Betrachtet man aber beide Prinzipien (das des Naturmechanismus und das der Zweckmä- fsigkeit) näher, so findet sich, dafs die letztere eine Vereinigung beider nothwendig macht; denn sie selbst hat subjektive Nothwendigkeit, weil sonst alle Erklärung gewisser Naturpro- dukte für uns unmöglich wird, allein da diese doch immer als Naturprodukte betrachtet werden müssen, so wird erfordert, dafs sie den Mechanismus der Materie zur Ursach ha- ben» Aus dem Vorhergehenden ist aber klar, dafs beide Prinzipien einander nicht beigeord- net sein können, also ist ihre Vereinigung nur dadurch denkbar, dafs das eine dem andern -, untergeordnet ist. Dafs die Zweckmäfsigkeit dem blinden Mechanismus untergeordnet sei, ist nicht einmal denkbar, also mufs der letzte- re dem ersten untergeordnet sein; ein Satz, welcher mit dem Prinzip der teleologischen Beurtheilung sehr wohl zusammen stimmt. Zur Erreichung eines Zwecks gehören namUch

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Mittel, und deren Wirkungsart kann der ab- sichtlichen Anwendung unbeschadet, sehr gut blos mechanischen Gesetzen unterworfen sein.

Auf diese Weise können wir das Prinzip der Zweckmäfsigkeit für organisirte Körper, ja selbst (wenn gleich nur als Hypothese) für das Naturganze (die Welt), zur Maxime für die Reflection brauchen, ohne dadurch den Naturmechanismus aufzuheben; im Gegentheil werden wir, da es immer für uns unbestiram» bar bleiben mufs, wie weit der Mechanismus zu jeder Endabsicht zureicht, so weit als mög- lich von der mechanischen Erklärungsart Ge- brauch machen, indem wir doch immer, we- gen der Beschaifenheit unsers Verstandes jene Gründe einem teleologischen Prinzip unter- ordnen müssen.

Die Bejugnifs nach blofser mechanischer Causalität die Erzeugungen der Natur zu er- klären, ist an sich unbeschränkt; allein wir werden bei Betrachtung der Natur bald inne, dafs das Vermögen damit auszulangen, seine Grenzen hat. Es ist daher vernünftig, ja selbst verdienstlich (weil unsere Einsieht dadurch vermehrt wird) dem Prinzip des Naturmecha- nismus so weit als möglich nachzugehen.

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p'ön der P^e rbindung des P rinzi ps d es Naturme-

chanismus und der absichtlichen Te chnik Lei

o r g anisirten Körpern,

Wir haben im Vorhergehenden dargethan, dafa zwar bei Beurtheilung der Natur das Prinzip der Zweckmäfsigkeit als oberes und das des Mechanismus als ihjn untergeordnet betrachtet werden, dafs man aber doch, weil das teleologische Prinzip keine Einsicht in die Erzeugung gewährt, dem Prinzip des Mechanismus so weit als möglich nachgehen müsse. Dies gilt also auch von den organi- sirren Körpern; wir sind freilich durch die Beschaffenheit unsers Verstandes genöthigt, zur Beurtheilung dieser Naturprodukte ihrer innern Möglichkeit nach, Zweckmäfsigkeit anzuneh* ihen, allein da uns auf diese Weise keineswe- ges Aufschlufs über die Erzeugung derselben gegeben wird, so müssen wir versuchen etwas einem System ähnliches und zwar dem Erzeu- gungsprinzip nach, aufzufinden. Nun lehrt tins die vergleichende Anatomie, dafs von der menschlichen Gestalt an bis zur Wassercon- ferve herab ein allmähliger Übergang der Ge-^ stalten sich findet; dafs mehreren Thieren ein gemeinschaftliches Schema ihres Knochenbaus utid der Anordnung ihrer Theile zum Grunde

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liegt, so dafs die groFse Mannigfaltigkeit blos durch Verlängerung und Verkürzung gewisser Tlieile hervorgebracht wird» Dies bringt in uns die Vermuthung hervor, dafs diese Ver- wandtschaft der Formen wohl auf ein Urprin- zip der Erzeugung hinweisen, eine Verwand- schaft der Erzeugung sein könne; so dafs die organische Natur sich an die freien Bildungen der rohen Materie (in Crystallisationen) an- schliefst.

Hier steht es nun den Archäologen der Natur frei aus den tibrig gebliebenen Spuren ihrer ältesten Revolutionen nach allem ihm bekannten oder gemuthmafsten Mechanismus derselben, jene grofse Familie von Geschöpfen (denn so müfste man sie sich vorstellen, wenn die genannte durchgängig zusammenhängende Verwandtschaft einen Grund haben soll) ent- springen zu lassen. Er kann den Mutter- schoos der Erde, die eben aus ihrem chaoti^ sehen Zustande herausging, (gleichsam als ein gi'ofses Thier) anfänglieh Geschöpfe von min- der zweckmäfsiger Form, diese wiederum an- dere, welche angemessener ihrem Zeugungs- platze und ihrem Verhältnifs untereinander 9ich ausbildeten, gebähren lassen, bis diese Geb'^hrmutter selbst erstarrt, sich verknöchert,

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ilire' Geburten auf bestimmte fernerhin nicht ausartende Species eingeschränkt hätte und die Mannigfaltigkeit so bliebe, ^vie sie am En- de der Operation jener fruchtbaren Bildungs- kraft ausgefallen war. Allein er mufs gleich- wohl zu dem Ende dieser allgemeinen Mutter eine auf alle diese Geschöpfe zweckmäfsig ge- stellte Organisation beilegen, widrigenfalls die Zweckform der Produkte des Thier - und Pflanzenreichs ihrer Möglichkeit nach gajc nicht zu denken ist. Diese Hypothese, die freilich immer sehr gewagt bleibt, würde die Erzeugung beider Reiche zwar aus einem ge- meinschaftlichen Grunde ableiten, aber diesen Grund doch selbst immer nach dem Begrif der Zweckmäfsigkeit denken müssen.

Diese Hypothese kann durch die Tendenz der Vernunft alles Mannigfaltige wo möglich auf eine Einheit zu bringen, entstehen; und sie hat zwar a priori nichts gegen sicli , denn sie behauptet nicht, die rohe imorganisirte Materie habe organisirte Produkte erzeugt Cgen-eratio aecjuiDoca)^ welches ungereimt wäre, sondern sie leitet organische Erzeu^^un- gen aus andern organischen, wenn gleich spe- ciilsch verschiedenen ab (generatio univocaj z. B. dafs aus den Wasserthieren Surapfthiere,

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und aus diesen Landthiere entsprungen sind; allein die Erfahrung giebt uns von keiner sol- chen Erzeugung organisiiter Körper, wo das Erzeugte von dem Erzeugenden specifisch ver« schieden wäre, ein Beispiel; wir finden viel- mehr überall, dafs beide gleichartig sind. (Die Erfahrung lehrt, dafs überall generatio homonima und nicht heteronima statt findet) Aus diesen Gründen wird die genannte Hypo- these immer etwas sehr gewagtes sein.

Es finden sich in der Natur Individuen organisirter Körper, bei denen durch Zufall Veränderungen hervorgebracht sind, welche hernach durch Zeugungen erblich wird, wie z. B. der sechste Finger in der Famihe Bilfin- ger, welche davon ihren Namen führt. Hier müssen wir voraussetzen, dafs diese erbliche Verschiedenheit durch gelegentliche Entwicke- lung einer in der Species ursprünglich vor- handenen Anlage zur Selbsterhaltung der Art entsprungen sei; weil das Zeugen seines glei- chen, bei der durchgängigen innern Zweck- mäfsigkeit eines organisirten Wesens mit der Bedingung nichts in die Zeugungskraft aufzu- nehmen, was nicht auch in einem solchen System von Zwecken zu einer der unentwi- ckelten ursprünglichen Anlagen gehört, so

479 nahe verbunden ist. Denn wenn man von diesem Prinzip abgeht, so kann man mit Si- cherheit nicht wissen, ob nicht mehrere Stü- cke, der jetzt an einer Species anzutreffenden Form eben so zufäUigen zwecklosen Ursprungs sein mögen, und das Prinzip der Teleologie: in einem organisirten Wesen nichts von dem, was sich in der Fortpflanzung erhält, als un- Bweckmäfsig zu beurtheilen, müfste dadurch in der Anwendung sehr unzuverläfsig werden und lediglich für den Urstamm, den wir nicht mehr kennen, gültig sein.

Wenn man nun bei Beurtheilung der Mög- lichkeit organisirter Körper der Materie aufser der mechanischen Causalität noch eine andere, die teleologische, beilegt^ und die letztere, als Ursach ihrer innerlich zweckmäfsigen Form näher bestimmen will, so sind nur zwei Fälle möglich, entweder man nimmt an, die Begat- tung sei nicht der unmittelbare Grund der Er- zeugung organisirter Körper, sondern die Gott- heit oder irgend eine andere äufsere vernünf- tige Ursach gebe der bei der Begattung sich mischenden Materie die organische Bildung; oder man nimmt an, in den organisirten Kör» pern selbst hege der vollständige Grund ihres GWichen zu erzeugen; sie enthalten die Anla-

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ge ihres Gleiclien hervorzubringen, welche als- dann durch die Begattung ^elegentUch ent- wickelt wird. Die erste Erklärungsart nennt man das System des Occasionalismii^ (der gelegentlichen Ursachen) die andere, das Sy- stem des Prästabilismus. Die Fehler des er- stem Systems sind in die Augen fallend; da es auf einen übersinidichen Grund sich stützt (hyperphysisch wird), so erklärt es nicht allein selbst nichts, sondern macht auch alle andere Erklärung unmöglich; ferner läfst es immer- während Wunder geschehen, und wenn man gar die Gottheit zur äufsern vernünftigen Ur- sacli der organischen Bildungen macht, so wird diese bei den Begattungen aus Wollust, auf eine unedle Art ins Spiel gebracht. Das Sy- stem des Prästahllismus oder der Präforma- tion wird auf eine doppelte Weise aufgestellt; entweder behauptet man die individuelle oder die generische Präformation. Im ersten Fall nimmt man an, die Keime aller organisirten Körper, die jemals existirt haben und noch existiren werden, seien von einer verständigen Ursach hervorgebracht. Im andern Fall be- hauptet man, die Zeugungen seien in dem productiven Vermögen der Zeugenden nach den innern zweckmafsigen Anlagen, welche

ih-

ihrem Stamme zu Theil wurden, gegründet, so dafs jedes Erzeugte ein Produkt der Er- zeugenden und nicht selbst (materiahter) prä* formirt war, allein die specifische Form, wel- che die Erzeugten an sich tragen, sei in den Anlagen der Erzeugenden gegründet und also (virtualiter) präformirt; daher die Benennung System der generischen Präformation.

Die Anhänger der individuellen Präforma- tion kommen darin mit denen des Occasiona- lismus überein, dafs sie jedes Individuum von der bildenden Kraft der Natur ausnehmen, um es unmittelbar aus der Hand eines verständi- gen Urhebers kommen zu lassen; aber sie nehmen mit den letztern nicht an, dafs die Begattung eine blofse Formalität sei, unter der eine oberste verständige Weltursache beschlos- sen habe, jedesmal eine Frucht unmittelbar zu bilden und der Mutter nur die Auswickelung und Ernährung zu überlassen, weil auf diese Weise beständige Wunder geschehen müfsten. Allein durch die Theorie der individuellen Prälormation wird das Wunderbare nicht auf- gehoben, denn es ist ganz einerlei, ob man im Anfange oder im Fortlaufe der Welt über- natürliche Erzeugungen der organisirten Indi- viduen annimmt; es wird im Gegentheil da«

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Wunderbare bei der letzten Annahme noch mehr gehäuft, indem dafür , gesorgt werden mufs, dafs der im Anfange der Welt gebildete Embryo die lange Zeit hindurch bis zu sei- ner Entwickelung nicht von den zerstörenden Kräften der Natu, leide, und sich unverletzt erhalte. Ferner widerstreitet dieses System dem Prinzip der Zvveckmäfsigkeit, zu welchem Behuf es doch angenommen wurde, dafs ihm zu Folge eine unermefslich gröfsere Zahl sol- cher vorgebildeten Wesen vorhanden sein müssen, als jemals entwickelt werden sollten, so dafs also eine Menge Produkte dadurch unnütz und zwecklos gemacht werden. Alles was die Anhänger dieses Systems thaten, um nicht in eine völlige Hyperphysik zu gerathen die aller Naturerklärung entbehren kann, war, dafs sie den Grund der Ent Wickelung in die Reihe der Naturursachen (z. B, in Reitz) setzte.

Aufser dem, was im Vorhergehenden ge- gen das System der individuellen Präformation mit Recht gesagt worden , ergeben sich noch aus der Erfahrung mehrere Gründe gegen das- selbe. Dahin gehören: Erstlich die Mißge- burten, welche man doch unmöglich für Zwe- cke der Natur halten und also von ihnen nicht

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die individuelle Präformation behaupten ka.nn; zwar helfen sich die Vertheidiger dieses Sy- stems dadurch, dafs sie zu einer äufsern Zweck- mäfsigkeit ihre Zuflucht nehmen, indem sie sagen, der Welturheber habe diese Gegenstän- de darum so gebildet, damit der Anatomiker einmal daran als an einer zwecklosen Zweck- mäfsigkeit Anstofs nehmen, und niederschla- gende Bewunderung fühlen solle; allein eine hyperphysische Hypothese wird dadurch um nichts brauchbarer, dafs man genöthigt ist, sie durch eine andere hyperphysische Hypothese 2u unterstützen. Zweitens die Erzeugung der Bastarde (z. B. eines Mulatten von einem Neger und einer Weifsen) läfst sich durchaus nicht in das System der individuellen Präformation «inpassen, daher sahen sich diejenigen Anhän- ger desselben, welche die Keime in die Mutter setzen, genöthigt, dem Saamen der männhchen Geschöpfe, dem sie übrigens nichts als die mechanische Eigenschaft, zum ersten Nah- rungsmittel des Embryo zu dienen, zugestan- den hatten, doch noch obenein eine zweck- mäfsig bildende Kraft zuzugestehen, welche sie doch in Ansehung des ganzen Produkts einer Erzeugung von zwei __Geschöpfen dersel- ben Gattung keine» von beiden einräumen

wollten. Drittens tritt nach diesem System eben dieselbe Schwierigkeit bei Erklärung der Aehnlichkeit der Kinder mit Vater und Mut- ter, und der Varietäten ein; unter Varietäten verstellt man nämlich Abartungen, deren Un- terscheidungen zwar oft, aber nicht boständig nacharten, dahin gehören Hände mit sechs Fingern, Stottern u. s, w. Viertens sind meh- rere Thatsachen, wo die Natur gezwungen worden, von ihrer ursprünglichen Form abzu- weichen und eine neue, zweckmäfsige zu er- zeugen, welche sich durchaus mit dieser Theo- rie nicht reimen lassen; dahin gehören: die organisirten Häute, welche eine in der Bauch- höle (nicht in der Gebärmutter) der Mutter ausgebildete Frucht bekleiden; ferner die Bil- dung neuer Gelenke am Vorderarm, wo der Bruch nicht durch eine Beinschwiele verbun- den werden konnte.

Die Anhänger des Systems der individu- ellen Präformation theilen sich in zwei Haupt- partheien, in die der Pansp ermisten (von »«» das All, und r^cg«* der Saamen) und die der Evolutionstheorie. Die Panspermisten be- haupten, die Keime der organisirten Körper seien von einer verständigen Ursach hervorge- bracht und auf der ganzen Erde verbreitet,

wo sie so lange herum schwärmen, bis jeder die Zeugungstheile eines seiner schon entwik- kelten Brüder von seiner Art antrefife, in ihnen gleichsam Wurzel schlage, seine bisherige Hülle (die ihn vor Zerstörung schütze) abwerfe und nun selbst zur Entwickelung gelangen könne^ Man nennt Heraklit und Hippokrates als An- hänger dißses Systems, was übrigens ohne al- len objektiven Grund ist und daher jetzt mit Piecht zu den Hirngespinsten gezählt wird.

Die Anhänger der Evolutiojis- oder besser Iiivolutionsthcorie behaupten die präformir- ten Keime seien von einer verständigen Ursach hervorgebracht und in den ersten Individuen einer jeden Gattung eingeschlossen worden, so dafs seither eine jede Generation aus der an- dern heraustrete und sich eine nach der an- dern entwickeln. Daher führt diese Theorie ihren Namen und wird auch Theorie der Em- schachtelung genannt. Nach ihr ist jede Er- zeugung ein Edukt und kein Produkt der zeu- genden Dinge. Es sind aber unter den orga- nisirten Körpern in Rücksicht auf Erzeugung (so weit wir mit unsern Erkenntnissen reichen) zwei Fälle zu unterscheiden, entweder konkur- riren zu derselben zwei Körper von verschie-

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denem Geschlecht *), oder die Erzeugung ge- schieht in einem und durch einen und densel- ben Körper. In dem letzten Fall kann man die Keime nur auf eine Weise einen in den andern eingeschachtelt denken, im ersten Fall aber theilen sich die Anhänger der Evolutions- theorie in zwei Partheien, sie setzen die Keime entweder in den männhchen Individuen und betrachten die weiblichen blos als Behälter in denen die Keime sich ausbilden und entwik- keln; oder sie schachteln die Keime in den weiblichen Individuen ein, und der männliche Zeugungsstof reitzt ihn blos zur Entwickelung, und dient zu seiner Ausbildung; nach einigen auch zu seiner ersten Nahrung.

Der Unterschied dieser beiden letzten Par- theien wird bei Betrachtung der thierischen Erzeugung am deudichsten, daher denn auch ihre Benennungen, Anhänger des Systems der Saamenthierehen üiid Anhänger des Systems der Keime im mütterUchen Eierstocke Zu dem System der Saamenthierehen gab eine Entdeckung, die 1677 ein junger Danziger Namens Ludwig von Hammen machte, der da-

*) Was nach den neueren Entdeckungen von Sprengel auch aehr häufig bei den Pflanzen, welche Zwitterblumen uagen, statt ßndet.

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mals in Leiden Medizin studirte, Veranlassung, er fand nämlich in einem Tropfen männlichen Saamens von einem Ilalin viel lebendige kleine Thierchen. Man schrieb fälschlich den Saa- menthierchen Aehnlichkeit mit den Thieren zu, in deren Saamen sie sich finden; einige behaupteten im Saamenthierchen den Embryo gebückt sitzen gesehen zu haben, noch andere redeten sich ein, man könne durch chemische Kunst aus männlichen Saamen Thiere hervor- bringen. "Wir übergehen hier alle die Einwür- fe, welche dies System treffen, in so fern es zur Theorie der individuellen Präformation gehört, weil wir diese schon oben angegeben haben, und wollen nur kürzlich das anführen, was sich gegen das Eigenthümliche desselben anführen lafst. Dafs sich in dem stagnirenden thierischen Saamen, so wie in andern Säften, Infusionsthierchen fmden, ist ausser allem Zweifel; allein genaue mikroskopische Beob- achtungen haben gezeigt, dafs die im Saamen enthaltenen Thierchen mit denen, welche dar- aus entstanden sein sollen, auch nicht die ge- ringste Aehnhchkeit haben; ferner haben diese Beobachtungen gelehrt, dafs die Saamenthiere der ähnlichsten Thiere unähnhch und der un- ähnlichsten Thiere ähnlich sind, ja selbst in

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dem Saamen eines und desselben Tliieres sich unähnliche Saamenthierchen finden. Es ist eine sehr grofse Verschiedenheit zwischen den Saamenthierchen des Frosches und des Was- sermolchs, da hingegen die des Menschen und des Esels sehr ähnhch sind; im Saamen des Frosches hndet man sehr unähnliche Thier- chen. Auch steht dieser Theorie die Blatt- laus entgegen, welche auf mehrere Generatio- nen geschwängert werden kann.

Noch will ich hinzufügen, dafs Leibnitz einer der eifrigsten Anhänger dieses Systems war.

Zu den vorzüglichsten Anhängern der Theorie der Keime im mütterUchen Eierstock gehören: S\vammerdamm, Haller, Bonnet und Spallanzani, Die Hauptgründe, worauf sie ihr System erbauen sind folgende: Haller bemerkte, dafs die Haut des Dotters in einem bebrüteten Ei mit den Häuten des daran hängenden Küchelchens und die Blutgefäfse des letztern eben so mit den Adern der sogenannten figura venosa des Dot- ters continuirten. Nun schlofs er, da der Dot- ter mit seinen Häuten schon in der unbefruch- teten Henne präexistirt hat, so hat auch zu- gleich mit denselben, obgleich unsichtbar, das damit continuirende Küchelchen existirt.

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Allein hiergegen läfst sich einwenden, dals ' wenn man auch den oben angegebenen Zu- sammenhang zugestehen will, doch daraus im- mer noch nicht gefolgert werden kann, dafs diese Häute und Gefäfse, wenn sie auch nach der Befruchtung und Bebrütung wirklich mit- einander continuirten, deshalb auch von jeher zusammen coexistirt haben. Als Instanzen ce- gen diese Folgerung kann man anführen, dals die Gefalse eines Gallapfels, welcher durch den Stich eines Insekts erzeugt wird, mit den Ge- fäfsen des Blatts, auf dem er sich findet in der genauesten Verbindung steht, seine Gefafse als Fortsetzungen der Gefäfse des Blatts zu be- trachten sind, und doch wird wohl niemand behaupten, der Gallapfel habe schon präexi- stirt, ferner weifs man, dafs die Huntersche Haut, die jedesmal nach einer fruchtbaren Em- pfängnifs den künftigen Aufenthalt der Leibes- frucht und ihrer Hüllen von neuem auskleidet, und deren Blutgefäfse, zumal da wo die Adern der Nabelschnur in ihr Wurzel schlagen sol- len, aufs sichtlichste mit den Blutgefafsen der Mutter selbst Continuiren.

Swammerdamm wollte die Entdeckung gemacht haben, dafs der schwarze Punkt im Froschlaich, das in allen Theilen vollkommen

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ausgebildete FrÖscIiclien sei, und behauptete deshalb, es habe schon im Eierstock, obschon fast unsichtbar präforrairt gelegen; allein selbst bei gröfsern Tliieren bemerkt man auch mit den besten Mikroskopen immer erst einige Zeit nach der Befruchtung die erste Spur des neuen organischen Geschöpfs, bei Menschen in der dritten Woche, bei der Hirschkuh in der siebenten, beim Schaafe nach neunzehn Tagen, beim Kaninchen nach neun Tagen, im bebrüteten Hünerei nach 12 Stunden. Einige Vertheidiger dieses Systems gingen so weit, sich auf Mährchen zu berufen, denen niemand Glauben beimessen kann, von Kin- dern, die schwanger zur Welt gekommen, von unberührten Jungfern in denen sich Haare und Knochen gefunden u. s. w. Aus dem Gesagten ergiebt sich, dafs die von den An- hängern dieses Systems vorgetragenen Gründe durchaus nicht beweisend sind; und übrigens wird das System durch alles das von Grund aus erschüttert, was wir oben gegen die Tlieo- rie der individuellen Präformation vorgetragen haben.

Da von allen möghchen Systemen der Erzeugung nur noch das der generellen Prä- formation oder wie man es auch nennt, der

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Epigencsis übrig ist, so ist die Widerlegung der übrigen zugleich ein indirekter Beweis für die Gültigkeit desselben. Ohne uns einmal auf die Gründe einzulassen, welche die Vertheidi- diger desselben aus der Erfahrung aufstellen können, werden wir schon bei geringem Nach- denken inne, dafs die Vernunft mit vorzügli- cher Gunst für di«se Erklärungsart eingenom- men ist, weil sie die Natur in Ansehung der Dinge, welche man ursprünglich nur nach Cau- salität der Zwecke sicli als möi;ilich vorstellen kann, doch wenigstens, was die Foripflanzung betrift, als selbst hervorbringend, nicht blos als entwickelnd, betrachtet und so doch mit dem kleinst -möglichsten Aufwände des Über- natürlichen alles Folgende vom ersten Anfan- ge an der Natur überläCst. Sie kann freilich nichts weiter über diesen ersten Anfang selbst bestimmen, allein das ist beim Aufsteigen in der Reihe der Naturursachen immer der Fall, auch dann wenn von mechanischer Causalität die Rede ist. Der Urheber und der vorzüg- lichste Vertheidiger dieses Systems ist Blu' menhach^

Folgende Thatsachen, die wir als ausge- macht aufstellen können, geben der Theorie der Epigenesis ein sehr grofses Gewicht. Be-

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trachtet man die Fortpflanzung von Pflanzen und Thieren, welche bei einer ansehnlichen Gröfse schnell wachsen, wohin z. B. die Brun- nenconferve (confcrua fontiiialisj , eine Gat- tung Wasserfaden, und die Armpolypen gehö- ren, so sieht man leicht, dafs das Erzeugte in dem Erzeugenden nicht schon präformirt vor- handen war. Die Brunnenconferve ist ein lan- ger Faden von hellgrüner Farbe, dessen Inne- res nichts weiter als ein feines blasiges Gewe- be ist, das eine sehr feine Haut umschliefst. Dieser Faden treibt eiförmige Kriöpfchen, de- ren Inneres eben so beschaifen ist. Aus dem Knöpfchen entsteht ein kleiner Auswuchs, die- ser wird dadurch verlängert, dafs das blasige Gewebe des Knopfs nach und nach in ihm übertritt, der Knopf wird runder, kleiner und blafsgrüner, und wenn das neue Gewächs seine bestimmte Gröfse erreicht hatte, bleibt nur noch ein kaum merklicher kleiner Wulst am Ende übrig, welcher dem neuen Faden zur Wurzel dient. Die Armpolypen pflanzen sich auf folgende Weise fort; es schwillt eine Stella des Körpers an, aus dieser Geschwulst ent- springt durch das Hineintreten der Gallerte, welche das Innere des Polypen ausmacht, zu- erst der cylindrische Leib des Thiers und aus

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diesem nachher seine Arme. Generation und Reproduction geschieht auf eine und die- selbe Weise. Das verstümmelte Geschöpf giebt von seinen übrigen Theilen ab, um das Verstümmelte zu ergänzen. Merkwürdig ist hier die Verbindung zweier verschiedenen Po> lypen, wo man den einen auf den andern propft, ferner die Wiederherstellung eines der Länge nach aufgeschlitzten Polypen, entweder durch Zusammenwachsen der wunden Seiten- ränder oder durch das Entstehen einer neuen A Bauchhöle, indem sich die beiden Seitenwände in der Mitte von einander trennen. Hier wird sogar nicht einmal ein neuer Stof er- zeugt.

Blumenbachs System selbst ist kürzlich fol- gendes : Es existiren keine präformirten Keime sondern in dem vorher rohen ungebildeten Zeugungsstoife der organischen Körper, nach- dem er zu seiner Reife und an den Ort sei- ner Bestimmung gelangt ist, wird ein beson- derer, dann lebenslänglicher Trieb rege, ihre bestimmte Gestalt anfangs anzunehmen, dann lebenslänglich zu erhalten und wenn sie ja etwa verstümmelt werden, wo möghch wieder herzustellen. Ein Trieb der folgUch zu den Lebenskräften gehört, der aber eben so deut»

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lieh von den Arten der übrigen Lebenskraft der organisirten Körper (der Kontractilität, Sensibilität u. s. w.) als von den allgemeinen physischen Kräften der Körper überhaupt ver- schieden ist, der die erste wichtige Kraft zu aller Erzeugung, Ernährung und Reproduction zu sein scheint und den man um ihn von an- dern Lebenskräften zu unterscheiden, mit dem Namen des Bildungstriebes fnisus formati- mus) bezeichnen kann.

Man hat den Ausdruck Bildungstrieb ge- tadelt, weil zum Triebe Gefühle und Vorstel- lungen gehören, die doch bei diesen Opera- tionen nicht statt finden; allein Blumenbach hat diesen Ausdruck nicht unschicklich ge- wählt, um diese Causalität, die dem organisir- ten Körper innerlich beiwohnt, von der der Natur beiwohnenden, mechanischen Bildungs- kraft C^is plasticaj zu unterscheiden.

Mit mehrerem Rechte tadelt man viel- leicht deshalb der Benennung Bildungstrieb, weil bei der Erzeugung, Ernährung und Re- production, die als Wirkungen des Bildungs- triebes anzusehen sind, nicht blos Materie ge- bildet, sondern auch fremde der eignen zuge- ftihrt wird. Allein auch hiergegen kann man zur Rechtfertigung sagen, dafs die Ertheilung

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der Form bei den organisirten Körpern als das Hauptsächlichste zu betrachten ist, und man gewöhnlich von dem Vorzüglichsten die Benennung hernimmt. Endlich leugnet man, dafs die obengenannten Erscheinungen, Erzeu- gung, Ernährung und Reproduction eine be- sondere Kraft erfordere, und behauptet, dafs die Lebenskraft der Organe zur Erklärung derselben allein hinreichend sei; denn der Stof aus dem neue Organismen entstehen sol- len, müsse nach Blumenbach erst zur Reife gebracht werden; dies geschehe aber offenbar durch die Thätigkeit aller Organe, deren Ver- richtung es ist, fremdartige, von aufsen aufge- nommene Materie zu verarbeiten und den ße- standtheilen des organisirten Körpers immer mehr zu assimiliren, Dafs der reife Stof an den Ort seiner Bestimmung gelangt, sei eben- falls blos die Lebensthätigkeit der Gefäfse. Was nun die eigentliche Bildung betrift, so leitet man sie von den besondern und be- stimmten Wahlanziehungen des so bearbeite- ten und auserlesenen Stofs, analog mit den Crystallisationen im Mineralreiche. Diesem scheint aber entgegen zu stehen, dafs bei den freien Bildungen der Crystallisationen die Flüs- sigkeit in Ruhe sein mufs, da hingegen bei den

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organisirten Körpern die Flüssigkeiten, die doch vorzüglich zur Ernährunir und zum ■Wachsthum dienen, in Be-vegung 6ind.

Diese gemachten Einwendungen treffen übrigens nicht das System der Epigenesis über- haupt, sondern blos Blumenbachs Darstellung desselben; das System selbst macht deshalb auf unsern BeiFall Anspruch, weil es die phy- sische Erklärungsart der organisirten Bildun- gen von organisirter Materie anhebt, denn es ist vernunftwidrig aus der leblosen Materie Le- ben, aus dem blofsen Mechanismus einer Zweckmäfsigkeit abzuleiten; weil es vom Na- turmechanismus so viel als mögiich beibehält, insofern es demselben einen unbestimmbaren Antheil an der Erzeugung unter dem uns un- erforschlichen Prinzip einer ursprünglichen Organisation zugesteht.

/o « der änfscrn Zweckmäfsigkeit mrganisirler

JV e s en.

Die organisirten Körper machen es für uns nothwendig, das Prinzip der Zweckmäfsig- keit zur Beurtheilung desselben zu brauchen. Die Zweckmäfsigkeit, welche vAx ihnen beile- gen ist eine innere, weshalb wir sie auch als Katurzwecke betrachten. Von der innern

Zweck-

A

'497

ZweckmUfsigkeit ist die äufsere zu unterschei- den, wo der Gegenstand einem andern aU Mittel zum Zwecke dient. Wir haben schon S. 425 angemerkt, dafs ob gleich Dinge, die keine innere Zweckmäfsigkeit haben als Mit- tel beurtheilt werden können, doch dies im* mer nur in Beziehung auf Dinge geschehen kann, welche Naturzwecke sind.

Die innere Möglichkeit eines organisirten Körpers ist nur dadurch für uns einzusehen, dafs wir denselben als durch eine Causalität nach Zwecken hervorgebracht, betrachten; wir sehen denselben als Produkt eines schaffenden Verstandes an. Es ist daher ganz natürlich, dafs wir bei einem jeden organisirten Körper noch fragen, zu welcher Absicht ist er selbst da? und da sind nur zwei Fälle möglich, ent- weder der Zweck der Existenz eines solchen Naturwesens ist in ihm selbst d. i. es ist nicht blos Zweck, sondern auch Endzweck (es en- det die Reihe der ;Mittel und Zwecke) oder dieser ist aufser ihm in andern Naturwesen d. i. es existirt zweckmäfsig nicht als End- zweck, sondern nothwendig zugleich als Mittel»

(Es giebt nur eine einzige äulsere Zweck- mäfsigkeit, welche mit der innern der Organi- sation zusammenhängt und ohne dafs die Fra-

498

"ge sein darf, zu welchem Ende dieses so or^ ganisirte Wesen eben habe existiren müssen^ dennoch im äufsern Verhr.ltnifs eines Mittels zum Zwecke dient und diese ist die Organi- sation beiderlei Geschlechts in Beziehung auf einander zur Fortpflanzung ihrer Art; denn hier kann man immer noch, eben so wie bei einem Individuo fragen, warum mufste ein solches Paar existiren? Die Antwort ist: Es macht ein organisirendes Ganze aus, ob zwar nicht ein .organisirtes in einem einzigen Körper.)

Was nun die unorganischen Natur wesön lietrift, deren Existenz aus dem blofsen Natur- mechanismus erklärbar ist, so hndet bei ih- nen an und für sich betrachtet die Frage nach der Absicht ihrer Existenz nicht statt; allein sie dringt sich uns bei den organisirten Kör* pern auf, insofern wir der Beschaffenheit un- sers Erkenntnifsvermögens gemäfs, ihrer Mög- lichkeit eine Causalität nach Zwecken zum Grunde legen müssen. Erklären wir sie nun untereinander für Mittel zu Zwecken, so fm- det sich die Vernunft bei dieser Keihe von Dingen, von denen das vorhergehende Glied immet als Mittel für das nachfolgende zu be- trachten ist, nicht befriedigt, sobald sich nicht

499 die ganze ReiKe mittelbar oder ünmitteJbat iauf einen letzten Zweck. (Endzweck.) bezielit.

Es entsteht also jetzt die Frage; Giebit es unter den Naturwesen irgend eine Gattung, welche als Endzwecke zu betrachten sind? Wenn wir^ ünl diese Frage zii beantworten^ uns unter den brganisirten Naturprodukteit (denn das springt in die Augen, dafs wir ihji unter diesien iallein suchen können) nach ei- iietti solchen umsehen, welches der oberste Und letzte Zweck der Natur sei, so scheint es-, dafs wir ihn in dem Menschen antreffen. Das Pflanzenreich dient für die von Vegetabilierl lebende Thiere, diese den Raubthieren, diä Von animalischer Nahrung leben ^ und das Ganze ischeint als Mittel für den Menschen zu sein, der das einzige uns bekannte Wesen ist, welches das Vennög M hat, sich selbst Zweckö zu setzen und Mittel zu Wählen j Sie zu (er- reichen.

Allein beträchtet man den Mensclien als Naturprodukt (nicht als freies ^ sittliches We- sien) genauer, so müssen wir von der Behau- ptung er sei der Endzweck der Natur, bald Zurückkommen. Man kann nämlich die (leihe der Mittd und Zwecke, Welchö Wir So febeil aufgestellt haben^ auch umkehreii und sagen-

50O

die von Vegelabillen lebende Tliiere sind da, damit die Anzahl der Pflanzen nicht zu sehr zunehme j die zu grofse Anzahl dieser Thiere wird durch die Raubthiere und diese durch die Menschen in Schranken gehalten; so dafs der Mensch in dieser Rücksicht als Mittel für das Pflanzenreich erscheint, Ferner müfste doch, wenn die Natur ein Wesen als End- zweck aufstellte, der Boden worauf er woh- nen und sein Fortkommen haben soll, für das- selbe zweckmäfsig eingerichtet sein, betrachtet man aber die Erde in dieser Hinsicht, so er- kennt man in ihr nicht blos keine Erzeugung, Ordnung und Zwecke begünstigende, sondern unabsichtlich wirkende, ja eher noch verwü- stende Ursachen. Selbst das was uns jetzt auf der Erde als zweckmäfsig erscheint, ist, wie wir aus den Erdschichtr i deutlich sehen, das Produkt theils vulkanischer, theils wässeriger Eruptionen. Mag es immerhin wahr sein, dafs wir unter den Überresten ehemaliger Verwü- stungen auf der Erde keine von Menschen- zerstörung antreffen, so ist doch nicht zu leugnen, dafs die Existenz des Menschen von den übrigen Erdgeschöpfen so abhängig ist, dafs wenn ein über diese aUgemeinwaitender Naturmechanismus eingeräumt wird, er als

5oi

dnr.inter mli begrliFen angeselien werden mufs, ■wenn ihn gleicli sein Verstand, (gröfstentheils wenigstens) unter ihren Verwüstungen hat ret- ten können.

Allein vielleicht gelingt es uns, den Men- schen als Endzweck zu erkennen, wenn wir nicht aufser ihm hinausgehen; und es ist dies um so scheinbarer, weil diese Art der Eeur- rheiliing sehr viel Ähnlichkeit mit der der or- ga;.i5irten Körper hat. Wenn nun dasjenige im Menschen selbst angetroffen werden mufs, was als Zweck durch seine Verknüpfung mit der Natur befördert werden soll , so sind nur zwei Fülle möglich, entweder ist der Zweck von der Art, dafs er selbst durch die Natur befriedigt werden kann, oder er ist die Taug- lichkeit und Geschickhchkeit zu allerlei Zwe- cken dazu die Natur (äufserlich und inner- lich) von ihm gebraucht werden könne. Der erste Zweck der Natur wilrde die GlücJiscJig' keitj der zweite die Cultur des Men- schen sein,

Glückseligkeit des Menschen kami un- möglich der letzte Zweck sein, den die Natur mit dem Menschen erreichen will, dies ergiebt sich aus folgenden Gründen: Die Glückselig- keit nach welche der Mensch strebt, ist nicht

5,02.

etwa ein von seiner thierlscfien Natup abgezo- gener empirischer Begrif, dem also in der Sinnenwelt Genüge geleistst werden kann ; sondern es ist eine zwar durch Erfahrung ver- anlafste, aber von seiner Einbildungskraft und, seinem, Verstände gemeinschaftlich, ausgebil- dete Idee, welche in der Erfahrung nie 1er-. reicht werden kann. Ferner sind die Men-. sehen in dem, was Glückseligkeit sei^ so sehr von einander unterschieden C^juob capi^a», tot senstisj ^ ja jeder einzelne Mensch ändert SQ oft seine Meinung über diesen Gegenstand, dafd es der Natur unmöglich werden mufs,, bei dieserri schwankenden und veränderten ß^egrif ein bestimmtes und allgemeines Gesetz 9,nzunehmen, um mit dem Zweck, der^ sich jeder wilikührlich vorsetzt, übereinzustimmen. Und wenn man auch behaupten, wollte, man müsse die Glückseligkeit, welche Zweck der Natur sei, auf daa wahre Bedürfnifs, worin unsere Gattung mit sich, übereinstimmt, her- absetzen, oder andererseits die Geschicklich- keit des Menschen sich eingebildete Zwecke; zu verschaßen, noch so. hoch steigen wollte^ 50 würde doch was der Me'^sch Glückselig-, keit nennt,^ nie von ihni erreicht werden kön-. 5,en y yveii et seiner I^atiit nach von jeder Be-

505

friedigung eines Wunsches zu einem andern forteilt, und nie befriedigt ist.

Vergleichen wir den Menschen mit den Tliieren, so sehen wir nicht nur, dafs ihn die Natur allen den Übeln unterworfen hat, die jene treuen; Krankheit, Pest, Hunger, Wasser- gefahr, Frost, Anfall von grofsen und kleinen Thieren; sondern es entsteht noch die grofse Frage, ob die Thiere nicht besser von der Natur ausgerüstet sind, Ungemach zu ertra* gen und ihren Feinden zn entgehen oder ih- nen Widerstand zu leisten, als der Mensch, der weder in seiner Haut eine Decke gegen ungestüme Witterung, noch Mittel zur Ver- theidigung oder zum Trutz, sondern an diese Stelle blos Verstand erhielt, um sich derglei- •chen selbst zu verschaffen. Auch scheint das Thier, das blos in der Gegenwart lebt, in Rücksicht auf Gluck einen Vorzug vor den Menschen zu haben, der sein Dasein über die Dauer des Augenblicks hinaus verlängert, und den sehr oft ein schwarzes Heer von Sorgen für die Zukunft umlagert, den das Andenketi an die Vergangenheit mit Reue quält oder mit leeren Wünschen füllt, und den zu £nde sei- ner Laufbahn das offene Grab zu verschlingen droht. Rechnet man noch dazu, dafs dejt

5o4

Mensch nicht von dem sicherführenden In- stinkt, sondern von seiner gebrechlichen Ver- nunft geleitet, sich selbst Plagen schaft, und auch andere seines Geschlechts mit (Jbeln al- ler Art belastet, dafs Menschen sich zu lau- senden morden, um den Willen einzelner ih- res Geschlechts, die Stolz, Herrschsucht oder Habsucht lenkt, zu erfüllen, dafs auf den iWink dieser Machthaber das Glück vieler Un- schuldigen zerstört wird; dafs der Mensch seine Brüder in Fesseln schlägt und gleich dem Lastvieh zu erdrückender Arbeit geifselt, um Geld zu gewinnen; denkt man an die un- aufhörlichen Kriege, welche die Erde mit Menschenblut düngen, an die rauchenden Städte die fanatische Wuth in Brand steckte, an die verheerten Felder, welche der Land- mann im Schweifse seines Angesichts baute, an die Neros, an die Domitiane und die un- zähligen Tyrannen alter und neuer Zeit; an den schändlichen Sklavenhandel; an die In- quisitionsgerichte und Ketzerverbrennungen. -. so ist es unmöglich zu behaupten, die Natur habe in Rücksicht auf Glückseligkeit den Men- schen zu ihren Liebling erkohren und sein Glück zu ihrem letzten Zweck gemacht.

(So wahr und einleuchtend auch das Ge-

sagte isf , so miifs ich doch eine Bemerkung hinzufügen, um einem Mifsverstandnirs vorzu- beusien. Ich habe im ersten Theii dieses Werks, bei Beantwortung der Frage: Was soll ich thun? gezeigt, dafs der Mensch in Rücksicht seines Willens sich zwei Zwecke vorsetzt, Glücksehgkeit als sinnliches Wesen, Würdigkeit der Glückseligkeit als freies ver- nünftiges Wesen, und dafs er nach Glückse- ligkeit zu streben als Naturprodukt gezwun- gen ist. Diese Behauptung scheint beim er- sten Anblick, dem, was wh' im Vorhergehen- den aufgestellt haben, gradezu zu widerspre- chen; allein dieser scheinbare Widerspruch fällt sogleich fort, wenn man den Unterschied sich bemerklich macht, der Mensch setzt sich als Naturwesen Glückseligkeit zu seinem Zweck vor und die Natur hat die Glückseligkeit des Menschen zu ihrem höchsten Zweck gemacht.) Der Mensch ist also nur immer ein Glied in der Kette der Naturzwecke, zwar Prinzip in Ansehung manches Zwecks dazu die Natur ihn in ihrer Anlage bestimmt zu haben scheint, indem er sich selbst dazu macht, aber doch auch Mittel zur Erhaltung der Zweck- mäfsigkeit im Mechanismus der übrigen Glie- der, ^Is das einzige Wesen auf Erdea das

5o6

Verstand, mitlun ein Vermögen hat, sich seihst willkührlich Zwecke zu setzen, ist er zwar be- titelter Herr der Natur und wenn man diese als ein teleologisches System ansieht, seiner Bestimmung nach der letzte Zweck der Natur, aber invmer nur bedingt, nämlich, dafs ers verstehe und den Willen habe dieser und sich eelbst eine solche Zweckheziehung zu geben, die unabhängig von der Natur sich selbst ge- nugsam, mithin Endzweck ßein könxie, der aber in der Natur gar nicht gesucht werden muCs. Padurch , dafs vir einsehen, Glückse- ligkeit des Menschen ist weder der letzte Zweck der Natur überhaupt, noch ihr letzter Zweck mit dem Menschen selbst, ja überhaupt nicht einmal ihr Zweck mit ihm , werden wir immer noch ^icht befriedigt, sondern fragen stets von neuem: welches ist denn der letzte Zweck, den die Natur, wo nicht überhaupt, doch mit dem Menschen hatte? Da dieser Zweek nicht ^ materialitei: genommen werden darf, wo er nur allein auf Gidcksehgkeit führt) so, bleibt nichts weiter übrig, als der Zweck der Natur mit dem Menschen ist, er solle sich' tauglich machen, sich selbst Zwecke oder wel- ches einerlei ist, seiner Existenz einen End- zweck zu setzen.. Die Hervorbringung der

507

Tauglichkeit eines vernünftigen Wesens zu be- liebigen Zwecken ist die Cuhiir ; also kann pur die Cultur der letzte Zweck sein, den man der Natur in Ansehung der Menschengattung beizulegen, Ursach hat. Diese Tauglichl^eit und folglich auch die Cultur ist von doppelter Art, negativ und positiv; negativ, insofern der RJensch nicht von ihm fremden Dingen (von Dingen die nicht er selbst sind) zu Zwe- cken bestimmt wird, so dafs die Zwecke die er sich setzt, nicht mehr aus feiner freien "WÜlkühr entspringen, sondern ihm durch die Natur aufgedrungen werden; positiv^ insofern er in den Stand gesetzt wird eine Menge won Zwecken sich zu setzen und die Mittel zu finden, sie zu erreichen. Die negative Cultur nennt Kant Cultur der Zucht oder Disciplin, §ie besteht in der Befreiung des Willens von dem Despotismus der Begierden, wodurch wir, ^n gewisse Naturdinge geheftet, unfähig ge- piacht werden, selbst zu wählen, indem, wir uns, die Triebe zu Fesseln dienen lassen , die \ins, die Natur nur statt Leitfäden, gegeben hat, -Qxa die Bestimmung der Thierheit nicht zu vernachläfsigen,. oder gar zu verletzen,, in- defs wir doch frei genug sind sie anzuziehen . oder nachzulasßen, zu Yerlängera oder zu, yei:-.

508

kürzen, je nachdem es die Zwecke der Ver- nunft erfordern. Diese Disciplin macht zwar nicht die ganze Cultur des Menschen aus, ist aber ein nothwendiger und wesentli- cher Bestandthell, die conditio sine cjua non derselben. Die positive Cultur heifst Ge- schicklichkcit.

Beide sowohl Disciplin als Geschicklich- keit kann der Mensch nur in Gesellschaft er- werben, und die Natur hat ihm deshalb einen Trieb zur Geselligkeit gegeben. Hier entwi- ckelt sich die Neigung die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu ziehen und ihre Zunei- gung oder Achtung zu gewinnen. Dadurch wird der Mensch nach und nach von dem blofsen thierischen Sinnesgenufs, wobei er nur auf sich allein sieht, abgezogen und in ihm der Geschmack an schöner Kunst und an Wissenschaft entwickelt, wodurch er wenn gleich nicht sittlich - besser doch gesitteter wird, und so gewinnt er der Tyrannei des Sinnenhanges sehr viel ab, und wird dadurch au einer Herrschaft vorbereitet, in der die ^Vernunft allein Gewalt haben soll; auch übt die Natur auf mancherlei Weise die Kraft des Menschen Übel ertragen zu lernen, und bringt ihn nach und nach dahin, seine innere Kraft

J

5o9

(als freies Wesen) zu erkennen, die über alle Sinnlichkeit erhaben ist. Eben so ist es nur in Gesellschaft für den Mensclien möglich seine Geschicklichkeit auszubilden; nur da- durch daCs ein grofser Theil die Nothwendig- keiten des Lebens gleichsam mechanisch, oh- ne dazu besonders Kunst zu bedürfen, besor- get, und wird dem übrigen Theil Zeit und Mufse vergönnt, auf Wissenschaft und Kunst sich zu legen, und die daraus entsprungene Cultur wirkt auf die andern Menschen wieder ?;urück. Dazu hat nun die Natur vorbe- reitet, insofern sie die Menschen an Körper- und Geisteskraft, auch an Neigungen und Wünschen ungleich ausgestattet hat. Dies verbunden mit dem Hange einen Theil seiner Freiheit zu erhalten, zwingt ihn unter gemein- schafthchen Gesetzen einen andern Theil auf- zuopfern und in eine bürgerliche Gesellschaft zu treten; denn sie nur hebt den Krieg der einzelnen auf und giebt dadurch den Men- schen Gelegenheit und Muf^e seine Anlagen mehr zu entwickeln. Würden die Menschea sich auf ihren wahren Vortheil verstellen, so würden die Staaten untereinander in einem welthür gerlichen V^erein treten, wodurch d^n. Kriegen und was wo möglich noch besser ist, den

5 10

ewigen Zurüstungen zum Kriege ein Ende ge- macht v/ürde. Ehe dieser Zustand aber ein- trifft ^ wirkt die Natur selbst durch den Krieg zur Entwickeiung der menschlichen Kräfte, und bereitet durch Trennung und Vereinigung von Staaten ein System derselben vor, in wel- chem die einzelnen Staaten ihre Freiheit er- halten, aber doch gemeinsckafdichen Gesetzen sich unterwerfen.

/'o/i dem Endzivecke des Daseins einer Welt d. i. der S eh ö pj ung selbst.

JEin Produkt der Natur kann als ein isbl- ches nicht als Endzweck angesehen werden^ denn ialles was die Natur hervorbringt ist be- dingt, und ein Endzweck führt das Merkmal des Unbedingten als wesentlich bei sich.

Der Mensch allein ist ein Wesen, desseit Causalität auf Zwecke gerichtet ist, und in dem sich ein übersinnliches Vermögen (das der Freiheit) offenbart, wodurch er sich Zwecke als nothwendig setzt, die aber von Naturbe- dingungen unabhängig sind. Er ist sich da- durch Selbstzweck, und bei ihm kann nicht weiter gefragt werden, wozu er existirt. Sein Dasein hat den höchsten Zweck selbst in sich, ddm, so viel er vermag, ei: die ganze Natiit

6ii

unterwerfen kann^ wenigstens weiclierri zuwi* der er sich keinem Einflüsse der Naiur unter- worfen halten darf.

Der Mensch also als moraliscl-es Subjekt allein schliefst die Reihe der Zwecke als End- z>\'eck^ aber er gehört als solches niciit zui* Sinnenwelt, wo er als Erscheinung den Gese- tzen der Naturtiothwendigkeit unterworfen ist, isondern er ist als Glied einer überäinnlichen Welt zu betrachten; so dafs also auch hier die Vernunft nur ihre Befriedigung im Über* sinnlichen finde^i

Durch diese Auseinandersetzung der t&* leologischen Prinzipien in Beurtheilung der Natur wird dasj was wir im ersten Theil die- ses Werks über die Beweise für das Dasein Gottes j sowohl bei Beantwortung der Frage i was kann ich wissen? als bei Beantwortung der Fraget was kann ich hoffen? gesagt ha- beri) in ein helleres Licht gestellt. Die phy- sische Teleologie giebt uns blos Maximen zu^ Reflection über die Sinnenwelt > und kann zU einer moralischen Theologie vorbereiten, ab et durchaus nicht Selbst dahin führen; sie übef» schreitet schon dann die Grenzen ihrer Befug*

5i2

niCs , wenn sie wegen der Zufälligkeit der For- men der organisirten Körper, der Welt einem vernünftigen Urheber (der Kunstverstand be- sitzt) zum Grunde legt, noch vielmehr aber, wenn sie Diesen zum weisen Schöpfer erhe- ben will. Zur V/eisheit sind Endzwecke er- forderlich, welchen die blofse Betrachtung der Natur nie zu geben vermag, ein Endzweck wird allein dadurch erkannt, dafs die prakti- sche Vernuntt sich durch ihre Gesetzgebung für frei erklärt, und dafs der Mensch als sinnlich- vernünftiges Wesen Sittlichkeit und Glückse- ligkeit im Begrif des höchsten Guts als End- zweck zu denken geuöthigt ist, dessen Mög- lichkeit nur durch den Glauben an die Gott- heit und Unsterblichkeit gedenkbar ist.

Auffallend merkwürdig ist es, dafs alle un- sere Untersuchungen über Erkönntnifs der Na- tur, über das Schöne und Erhabene, über das Sittlich - Gute am Ende auf ein übersinn- liches Substrat hinweisen, welches freilich für uns nicht erkennbar ist, aber dem ganzen Ge- bäude philosophischer Untersuchungen zum Schlufsstein dient.

Ich glaube, da^s es meinen Lesern nicht

un-

5i5

Unängeneiim sein wird, den Hauptinhait der Critik der tele'ologischen Urtheilskraft kurz zu^ sammengedrängt zu überselien.

AutV-ählung der verschiedenen Arten der Zwecke und Zweckmäfsigkeit. Beurtheilung der Produkte der Natur nach denselben t Ästhetische Zweckmäfsigkeit beim Schönen in der Natur; mtellectuelle formale Zweckmäfsig- keit, relative Zweckmäfsigkeit (Brauchbarkeit), innere Zweckmäfsigkeit (Naturzweck), Nur durch die letztern bekommt die Beurtl^eilang der relativen Zweckmäfsigkeit der Naturpro- dukte erst Haltung. Auseinandersetzung de5 Begrifs eines Naturzwecks. Die orgadisir- ten Körper erscheinen uns als Naturzwecke* es ist uns unmöglich sie aus Gesetzen der inechanischen Causalität zu erklären* Daö Prinzip der innern Zweckmäfsigkeit aber ist nicht constitutiv, sagt nicht, dafs die Gegen- stände wirklich nach Zwecken hervorgebracht sind, sondern blosdafs wir uns genöthigt se- hen, sie zu beurtheileuj als wäre sie nach Zwecken hervorgebracht; mit andern Worten es ist dies kein Gesetz für die bestimmendei sondern nur eine Maxime der reflectirenden Urtheilskraft. Dafs wir dieser Maxime zuf Erweiterung unserer Erkenntnisse bedürfen, IL 33

5i4

liegt in der Beschaffenheit' unserer Erkennt- niCsvermögen , indem uns durch die Sinnlich- keit das Besondere und durch den Verstand das Allgemeine (die Qesetze einer Natur über- haupt) gegeben werden, deren Vereinigung und Verbindung nur durch die reflectirende ürtheilskraft geschehen kann.

Die reflectirende Ürtheilskraft hat zwei Maximen, die der mechanischen und die der teleologischen Erklärungsart der Natur; die als regulative Prinzipien sehr gut nebeneinander bestehen können, als constitutiv hingegen un- Yereinbar sind, daher auch die vier darauf eich gründenden dogmatischen Systeme der teleologischen Erklärungsart der CausaHtät, des Fatalismus, des Hylozoismus und de« Theismus entweder nichts erklären oder grund- los sind; dafs sie neben einander bestehen können, rührt daher, dafs sie blos «Is Maxi- men zur Beurtheilung der Erscheinungen der Sinnenwelt dienen, welcher ein übersinnliches Substrat zum Grunde liegt, in welchem sie, wenn gleich nicht für unsern Verstand erkenn- bar, ihre Vereinigung fmden. Beide Prin- zipien aber lassen sich bei Betrachtung eines und desselben Gegenstandes nicht coordinirt anwenden, sondern das der mechanischen Er-

515

klärungsart mufs dem der teleologischen un- tergeordnet werden. Dies angewandt auf die Erzeugung der organisirten Körper bringt uns auf das System der Epigenesis als dem al- lein wahren, da hingegen die des Occasiona- lismus und der individuellen Präformation of- fenbar vernunftwidrig sind. Allein durch die Betrachtung der Natur nach dem Prinzip der Zweckmäfsigkeit werden wir auf die Frage: von der Absicht der Existenz der organisinen Körper und der Welt überhaupt, geführt, und da findet sich, dafs der Mensch als verständi- ges Wesen, das sich selbst Zwecke setzen kann, in Rücksicht seiner Cultur als Zweck der Natur zu betrachten ist; aber nur als freies moralisches Wesen Endzweck der Schö- pfung genannt werden kann.

5r6

Register»

A.

A und non A I 90. 123-

Abhängigkeit I 83*

Accidenz I II/-

Achtung I 294. II 92. 240. 293. 294. 30J,

Aest,hetik II 47.

Aeussere, das I 90.

A*e&-»)r« II 45.

Allgegenwart I 368- 379'

Allgemeingellend I 257.

Allgemeingültigkeit I 257. II II 8-

Allgenugsam I 368. 382,

Allheit I 81. 117- -90-

Allmacht I 368. 378»

Allwissenheit I 368. 379-

Anfangen I 196.

Angenehm II 27, 79. 8^* S2,

Anmuth II i88-

Anschauung I 39. 40. II 21. 28-

Anschauungslehre II 48»

Anschauungsvermögen I 68. H 129

Anschiessen der Cristalle II 381.

Apprehendiren I 139.

Apprehension II 233.

Arbeit II 389.

5^17

Arbitrium brutum I 245. Archetypon li 406. Asceiik moralische I 314. Attribut aesthetisches 11 202.

logisches II 337. Auffassen II 233.

B.

Baukunst II 409. Bedingtes I 96. Bedingung ibid. Begehren I 276, Begehrungsvermögen I 243.

. oberes I. 277.

unteres (sinnliches) I 277» Begierde I 245.

Begreifen I I02. II 7- Begriff a priori II 7.

der Zweckmäfsigkeit II 13.

des Unbedingten I 98.

Begriffe I 40. 47. 68» Begriff leerer I 115, Begriffvermögen II 129. Beharrlichkeit I 135. 154» Bejahung I 8l»

logische I 211. Belachen einen Gegenstand 11 363, Beredsamkeit II 408. Beurtheilen a priori 11 162. Beurtheilungsvermögen II 7-

sinnliches II 43» Beweise indirekte I l86»

518

Beweise für das Dasein Gottes

der kosraologische I 214.

ontologische I 214. 345-

physico- theologische I 214» von der Zufälligkeit der Welt I 220.

Beweise für die Unsterblichkeit der Seele a posteriori I 340» a priori ibid. der analogische I 344.

empirische ibid.

metaphysische ibid»

teleologische I 348,

theologische I 352. Bewunderung II 300. Bildhauerkunst II 409. Bildung freie der Natur II 380. organische II 494. Bildungskraft mechanische II 494. Bildungstrieb II 494. Brauchbarkeit II 424.

c.

Capacilät II 397. Casualist II 463. Categorie I Ii2. 159. 161. Causalität I 83. 117.

. durch Freiheit I 194,

nach Naturgesetzen ibid. ^-- nach Zwecken II 134. Charakter sittlicher I 338. Commercium I 143. .Compositum I 190,

5*9

Comprehension tl 29, 235. Conieniplation II 105, Cristallisiren II 381. Cultur I 312. II 507. der Zucht II 507.

D.

Dauer II 31. Deduction II 160. Denkbarkeit I 146. 147. Denken I 177. 251.

nach der Analogie I 345,. D^pendenz I 83» II7. Determination logische II 449. Dichter musikalische I[ 331.

k plastische ibid« Dichtkunst II 408. Dimension I 53. Dinge an sich I 104, ' nützliche II 91,

stehen in Gemeinschaft I 84*

Disciplin li 507. Dogmaliker I 22, Dnalisten I 341»

E.

Ectypon II 406. Ehrfurcht II 296. Eigenschaften der Gottheit, dynamische I 368.

. moralische I ^6j» Einbildungskraft I 41. 64.

erzeugende, hervorbringende (pro.»

ductive) I 64.

Jlinbildungskraft wiedererzeugende , wiederhervorbrin- gende, zurückrufende (reproduciive) I 64,

Einerleih eit I 90.

Einfach I 192.

Einfalt offenherzige II 376.

Einheit I gr. 117. 290.

ontologische II 464. Einhelligkeit II lOQ. Einschachtelungstheorie II 485» Einschränkung I 8-. Einstimmung I 87- QO. 92. Empfindelei IL 313. Empfindung I 36. 56.

Empfindung in engerer Bedeutung ll 21.

weiterer Bedeutung II 2r. Empirismus der Kritik des Geschmacks II 378. padzweck II 497.

Epigenesis II 491, Erfahrung I 132. Erfahrungsbegriße I 75. Erfahrungsurtheil II 106. Erhaben II 44. 76, 225. 244.

dynamisch II 231. 244. ' extensiv II 237.

mathematisch II 231.

- protensiv II 237. j^rhabene das der Fassung II 282.

Handlung ibid. —- -^ ' Kunst II 264,

--~r r Natur ibid. v^ ^5^ -rr- i^tellec^u^! i{ 265.

5^1

Erhabene das kontemplativ II '270.

atheiisch II 170.

physisch II 265. Erkennen I loi. 162. Erkenntnifs I 32. 108. I15. Erkenntnisse sinnliche I 20.

übersinnliche ibid»

Erkenntnifs haben 1 115.

Erkenntnifsurtheil II 44.

Erkenntnifs vermögen der Anschauungen II 449,

Begriffe ibid, ' oberes I 49.

unteres ibid,

sinnliches I 68. Erklären II 470.

Erscheinung I 60. 139. Ethik I 300. Evolutionstheorie II 434, Ewig I 368. 381.

F.

Facultas dijudicandi II 7.

Fatalisten II 463.

Fähigkeit II 22.

FeierUch II 299.

Folge I 95. 138.

Form I 51. 90. 188. 215. 271.

der Anschauungen II 28.

eines Unheils I 78. Freiheit I 199.

_ _ der Willkühr I 233. 248.

in negativer Bedeutung I 234^

5aa

Freiheit in positiver Bedeutung I 234. Frei sein I 200. 233. Freistaat I 234» Furcht II 297.

G.

Gartenkunst II 414^ Gefallen II 23» Gefühl II 21.

das moralische I 291. 295»

der l»ust und Unlust ll

_ __ I 245. 276. 298.

. Ueberzeugung II 95,

Unlust I 277. 293.

Gefühle äufsere II 26.

ernste II 298.

geistige ibid.

gemischte II 23. 54.

innere II 26.

intellectuelle II 28» körperliche II 26»

sinnliche II 28.

thierische II 26, Gefühlvermögen II 22. Gegenstand I 32.

.^- sinnlicher I 156.

übersinnlicher I 156. .

Geist I 178. II 322. 403.

Geistreich II 322.

Geistvoll II 322.

Gemeinschaft 1 84. II8.

Gemeinsina (sensus communis) II 153« I^S»

5aa

Gememsinn aesthetischer (senaus communis aesihelicus)

" 154-

logischer (sensus communis logicus) ibid» Generatio aequivoca II 477.

heteronima II 478.

homonima ibid.

univoca II ^77.

Genie II 385. 395 398- 401. 404- Gerecht I 356. 367. 376. Geschmack II 42. 120. 385. Geschmacksurtheile ästhetische II 46. 156,

gemischte II 54,

reine ibid.

j^ über das Schufte II 121. Gesetz I 133. 247. 323.

allgemeines I 271, Gesetze I 117,

a posteriori II 14.

a priori II 4.

■^- der Erfahrung I 127, Gesetz praktisches I 259. Gesetze sittliche II 89. Gesetzgebung natürliche I 303.

positive ibid. Gesctzmäfsigkeit I 300« Gesinnung I 299. Gewalt II 247. Gewissen I 296. Glauben I 334. 339- 370.

noihwendig praktischer 1 243,

praktischer I 330. 335. Giückseligkeit I 279. 313,

524

Gott I 213. 223. Grad I 131. 176. Giäxizerilüs I 186. Grazie II l88- 203. 297.

belebende ll 195.

beruhigende ibid. Gröfse I 129.

extensive I 129.

intensive I 131. 176. Gröfsenschätzung ästhetische ll 222.

logische II 221.

mathematisch bestimmt 'II 221.

unbestimmt ibid. Grofs II 203. 220.

absolut 11 226, Grund I 83- Grundgesetze I 154. Gütig I 367. 376. Gut 11 76. 82.

absolutes II 77-

höchstes I 359. II 512.

logisches 11 77« - relatives II 77*

Handeln I 325- Handlung I 299. Handwerk 11 389. HeiHg I 367. 375. Heiligkeit I 331» Himmel I 212» Humorist 11 370. Hyi<??..oisiiius il .46

H.

5*5 I.

Ich I 113. 167.

Ideal I 212. II 179. l86«

der Schönheit. II 182. Idealisten II 463,

liee I 98. II 7. 178.

ästhetische II 324.

des höchsten Guts I 360.

des Unbedingten I 98.

Ganzen I 100.

Grundes 1 loO-

Subjekts I 100.

kosmologische I 209.

musikalisch ästhetische II 335* Immaterialität der Seele I 175. Incorruptibilität der Seele ibid» Individuum I 212» Inhärenz l 83* Innere das I 90, Intelligenz freie 11 243. Interessant II 86. Interesse II 85. Il8. Interessirt II 86. Involutionstheorie II 484. Ironie II 367, Jus 1 301,

K.

Klein II 223. Klugheit moralische I 317. Klugheitslehre^ ibid, Köhlerglaube I 335,

526

Können I 248. Komisch II 359. _ _ edel H 367. ' niedrig ibid,

Kopf II 397- Kraft II 256. Kritik i 25. II 43.

. der ästhetischen ürtheilskraft 11 38.

. der reinen Vernunft I 230.

der teleologischen Ürtheilskraft II 38»

der Gefühlvermögen II 4. Kunst II 386, 388. 389-

ästhetisch II 390.

angenehme 11 391.

bildende II 407.

w— der Sinnenwahrheit II 409.

des Sinnenscheins n 409.

des Spiels der Empfindungen II 407»

freie II 389.

Lohnkunst ibid»

mechanische II 39D. ^ redende II 331. 407. ~ schöne 11 385- 39i-

Kunstschönheit, II 204. 385-

Lachen über einen Gegenstand II 363,

bittres II 366.

hämisches. 11 365» Lächerlich II 359» Launisch II 369. Laun« It 368t

5^7

Laune ernste II 369,

Laune frohe II 369,

Launig H 369.

Launisch II 369.

Leben I 172. 244, ,

Lebensgrarie II 190.

Lebenstrieb II 258«

Legalität [ 300.

Limitation l Iljf

Logik II 47,

Luhnkunst II 389*

Lust II 2t 28.

des Genusses II 169. -*• JÄtellectuell© II 34.

M.

Maafsstab II 221»

objektiver ibid,

-— subjektiver ibid, Macht II 247. Mahlerei 11 409, Majestät II 297. Maniriren II 406*

Materie 1 51. 90. 138. 174. 27I. . einer Anschauung II 28.

Maxime 1 271,

-— eines Unheils I 78, Maximen I 246. 259. 299. Menschenverstand gemeiner, gesunder II 154, Merkmale contradictorische I 210. Metaphysik II 20. 231.

»^ * der Natujr I 20,

Metaphysik Sitten ibid. Mimik II 413. Mimisch II 192. Mifsfallen I 23. Miuel U 132. Mitleiden II 274. Modalität der Urtheile I 79. Möglichkeit I 84. uS-

äufsere I 147.

innere ibid.

logische I 146. 148.

reale I 147. Moral l 317. Moralität 1 3CO. Moral kluge l 315. Moralphilosophie I 299. li 39« Moralprinzip formales 1 271. Mundus phenomenon I'23i.

N.

, Nachahmen ll 406. Nachahmimgsgeist II 397. Nachäffen II 406. Nachbild ibid. Nachmachen ibid. Naivität II 371.

der Gesinnung U 372.

Ueberraschnng ibid.

Natur I 144.

Naturgesetze 1 127. 144. H 427. NatHimechanisraus^ blinder l 455. iSTaturphilosophie II 39-

Na-

529

Naiurschönheit II 204.

Natur technische I 461.

Negation I 117. 211,

reale I 211,

Neigung I 245.

Nexus effeclivias II 437-.

Nicht I 211.

Nichteinerleiheit I 90,

NichteinstiiTimung ibid*

Nichtforni ibid,

Nichlinnere das ibid.

Nichtwiiklichkeit I II8.

Nisus formativus II 494,

HonTit II 45.

Nothwendig I 93.

Nothwendige das absolut I 202»

' " - hypothetisch ibid»

Nothwendigkeit I 85. Ii8-

exemplarische II 148.

-— praktische objektiv II 14T»

theoretische objektiv ibid»

Normalidee II i83»

Noumenon I 104,

Nützlichkeit II 139,

Nutzbarkeit II 424»

0,

Obersatz 1 9>

Objekt der praktischen Vernunft I 35Q.

Objectum phaenomenon I 132.

Occasionaiismus II 480» I

Ontologie I 23^1, I

//. 34 !

53o

Ontologischer Beweis für das Dasein '&ottes l 211. Opposita I 121. Organ I 38.

P.

Panspermisten II 484. Parergon II 201. Peinlichkeit II 393. Persiflage ll 367* Person I 176.

der logischen Bedeutung nach ibid.

' moralischen I 177.

realen oder metaphysischen ibid.

Petitio principii II 461,

Pflicht I 252.

unvollkommene I 287-

vollkommene I 286. Phaenomena I 104. Philosophie 1 l.

dogmatische I 25.

kritische ibid.

praktische I 299. II 39.

skeptische I 25. '

theoretische I 300. II 39- Pinsel II 398.

Plastik ll 409. Poesie 11 404. Praeformation 11 480.

generische ibid.

individuelle ibid. Praestabilismus ibid.

I

«3i

Prinzip 1 lOi.

constituiives 11 441.

das der Glückseligkeit 1 279,

. Zweckmäfsigkeit, 1 348.

regulatives 11 441,

Prinzipien formale \ 271.

materiale 1 27r. 276« Prinzip oberstes der Sittlichkeit 1 253«

Principium exclusi tertii inier duo contradicloria

1 123. Psychologie 1 166,

empirische ibid,

rationale ibid»

Q-

Qualität der Urtheile 1 78. Quantität ästhetische 1 108.

der Urtheile 1 78. 79»

logische 1 IC8« Quantum 1 129,

n.

Rationalismus der Kritik des Geschmacks 11 37S. Raum 1 47. 57.

absoluter 1 47.

bis ins Unendliche theilbar 1 lio.

empirischer 1 47. Realgrund 11 167. Realität 1 I17. 211. Realitäten logische 1 125. Receptivität 11 22« Recht 1 306. 307.

632

Rechtslehre 1 301. Reflecüon 11 119.

logische 11 12%' ReHectionsbegriiFe 1 86. Refiectionsgeschmack 11 43. I2c( Refiectiren 1 85-

Regeln praktische 1 246. 25^» Regieren 1 369- Reich 1 289.

der Freiheit 11 3.

' Natur ibid. Reitz H 158. Reitzen 1 88.

Relation der Urtheile 1 78. Rühren 11 307» Rührung 11 158.

asthenische (von der schmelzenden Art)

11 312. -— edle 11 313.

sanfte 11 308*

starke ibid.

sthenische (von der wackeru rüstigen Art}

n 312» Ryihmus 11 200.

a

Sache 1 177. Schein 1 6a. Schema 11 196, Schemata 1 iig» Scherz 11 363. Schliers da 1 94.

535

Schliefsen nach der Analogie 1 3^5.

Schlufssaiz 1 95, Schön 11 77. 82. Schönheit anhängende 11 51.

architectonische 11 187.

beigesellte 11 201»

bewegliche 11 203.

der körperlichen Gestalt 11 195.

einfache 11 203,

r- fixe ibid.

"'— freie Schönheit 11 51,

gemischte 11 20^,

hörbare 11 199.

idealische 11 268'

reine 11 204.

-— selbstständige 11 2or»

sichtbare 11 199, »— . tastbare ibid.

todte 11 405.

wirkliche 11 2o8»

zusammengQsetzte U 203, Schöpfung 1 368.

Schule bilden 11 404.

Seele i 347.

Seelenlehre empirische 1 i66,

rationale 1 167. Sein 1 85.

Selbstsländig 1 368, 382. Selig 1 368» Sicherheit äufserliche 11 251.

- innerliche ibid, Simpliciter 11 Ä23. 225.

534

Sinn 1 38. 41. 295. »

äufserer 1 39. Sinneageschmack 11 43. 120. Sinnenwelt 1 igj. 366^ Sinnenwesen 11 243, Silin innerer 1 39. Sinnlich 11 182. Sinnlichkeit 1 41. 68» Sinn moralischer 1 291. Sittlich böse 1 252. ~

^ut ibid. Sitllichkeit 1 252. 500. 351» Skeptiker 1 22. 364, Sollen I 272. Speculation 1 354,

Spiel 11 167. 389. Spiritualität 1. 178. Spontaneität, 11 22, Sprechende das 11 192. Stoiker 1 364. Subjekt der Vorstellung jl 168,

unbedingtes 1 165, Subsistenz 1 83* Substanz 1 74. 117.

bieharrliche 1 143, Synth es is 1 l85*

System der Keime im mütterlichen Eierstock II 4^^,

Saamenthierchen Jibid»

T,

Tanzkunst 11 41^, ' höher^ ibid.

535

Talent 11 40T.

Technica intentionalls II 461,

naturalis ibid. Teufel 1 212.

Textur 11 381. ^

That 1 299.

Theismus 11 465.

Theorie der Einsehachtelung 11 485.

Totum 1 190»

Tugend 1 252. 364. 375.

haben 1 375. Tugendlehre 1 300,

Ü.

Uebersinnlich 11 236.

Unangenehm 11 27»

Unbedingt 1 197,

Unendlich 1 186.

Unitanier 1 341.

Unlust 11 25. 28.

Unmöglichkeit 1 84, iig,

Unrecht 1 306.

Unsteiblichkeit 1 175,

Untersalz l 95.

Unterweisung moralische 1 314, ^

Unveränderlich I 368. 382.

Unvergänglichkeit 4 175.

Unzweckmäfsigkeit 11 32,

Urbild 11 406,

Ursache 1 73,

erste 1 196. Urlheil gemischtes II 229,

636

Urtheil objectives 11 io8-

reines 11 169. 229.

subjectives 11 lOg. Urtheile 11 76.

ästhetische 11 4. 83. 112^

allgemeine 1 78. 81«

- apodiktische 1 79. 85«

,^ assertorische 1 79. 84« 89«

bejahende 1 78. 8l*

besondere ibid.

cathegorische 1 79. 82.

disjunctive 1 79. 83»

einschränkende 1 78. 82»

einzelne 1 78. 81.

hypothetische 1 79. 83»

limitirende 1 78. §2.

logische 11 44. 83. 112.

praktische 11

problematische 1 79, 84- 89.

. theoretische 11 4.

verneinende 1 78. 81.

Urtheilskraft 1 loi.

^ ästhetische 11 38. 45. 153. l6g.

^- bestimmende 11 6.

. intellectuelle? 11 153. u reflektirende II 6,

subjektiv 11 16S.

subsumirende 11 6,

' teleologische 11 34. 38. Urwesen 1 212. 369,

^7 V.

Varieläten 11 4S4. Verachtung 11 295. Verbindung logische 1 364.

reale ibid, Vergleichen 11 6. Verhältnifs i I2T.

äufseres 1 92.

inneres 1 g". 9;.

zweckmäfsiges 11 25.' ~~ zweckwidriges ibid. Verknüpfen 11 jo.

Verlachen 11 363. Vermessen 11 443» Vermessenheit 1 219. 343. Vermögen der Prinzipien 11 7.

der Synthesis 11. 5* - der Zwecke 1 308.

des Gefühls 11 3.

durch eine Lust zu. urlheilen 11 Verneinung 1 82.

logische 1 211.

reale ibid. Vernunft 1 68- 95. 102. 11 5. 7. Vernunftidee 11 183. Vernunftmäfsigkeii der Maxime 1 273« Vernunft praktische 1 246,

reine 1 230.

praktische 1 246.

Vernunftschlusse 1 95.

cathcgoriscbe 1 98.

disjunctive 1 99»

hypothetisch© 1 gi, Verschiedenheit 1 90.

[Verstand 1 41. 68.

53S

Versland discursiver 1 380, 11 451. Verstandesbegriffe ,'l 75. Verstandesschlüsse 1 95.'

Verstand in engerer Bedeutung 1 lOI. 11. 5. intuistiver 1 380. 11. 451,

in weiterer Bedeutung 11 5, Verwunderung U 299. Vielheit 1 81. I17. 290« Vis plastica 11 494. Vollkommenheit 11 139. 424,

der Erkenntnisse 11 89.

des Gegenstandes ibid.

' qualitative ibid

quantitative 11 140» Vollständigkeit ibid» Vordersätze 1 95*

Vorstellung eines Gegenstandes 1 32. Vorstellungen a posteriori 1 46. 49.

priori 1 46. 49. 70. 132.'

des Gegenstandes 1 108« Vorstellungskräfte 1 137.

Vorstellung soll Erkenntnifs werden 1, 168.

unmittelbare 1 36.

w.

Wahrnehmungen in der Zeit 1 138.

sinnliche 1 107. Wahrnehmung objective 1 108. Wechsel 11 31. Wechselwirkung 1 143. ^ Weisheit moralische 1 377» Welt 1 198.

Werke- 1 386.

Wesen allerrealstes 1 148. 212.

allervollkommenstes 1 213«

aller Wesen ibid.

aJIg^nugsames ibid.

I

539

Wesen aufserweltliches 1 213.

einCaches ibid.

einziges ibid.

ewiges ibid.

höchstes 1 212, 369.

iinermefsliclies 1 213.

unverrinderliches ibid. Widerstreit 1 8?. 90. 11. I05. Wille 1 246. 251.

roiner 1. 246. Willkühr freie ibid.

in engerer Bedeutung 1 244.

in weiterer Bedeutung ibid.

negativ freie 1 234

tbierische 1 245. Wirklichkeit 1 118.

' logische 1 217.

Wirkung 1 I20. Wirkungen 11 386. Wissenschaft empirisehe 1 166.

historische ibid.

rationale ibid. Witz 11 370.

launigler 11 370. Wohlgefallen gemischtes 11 263.

intellectuelles li 15^,

reines 11 263

sinnliches 11 15S, Worte 11 404

Wunderbare das 11 301. 305. Wunsch 1 244.

Würde 11 254. 197,

Zeichen 11 201.

natürliche II 413.

—^ willkührliche ibid.

54o

Zeit 1 47,

absolute ibid.

einig 1 53.

.-— hat eine extensive Grüfse 1 129.

Zeiünbegriff 1 I20.

Zeilinhalt ibid.

Zeit leere 1 186.

Zeitordnung 1 120.

Zeitreihe ibid.

Zeit vorhergehende 1 142»

Zierrath 11 20I.

Zufälligkeit 1 85- II8.

Zugleichsein 1 134. 138.

ZusaHimenfassen 11 233.

Zustände äufsere 1 39»

innere ibid» Zustand erster 1 198. Zweck 1 308.

formaler I 273.

höchster der Vernunft 11 igS. Zweckmäfsig 11 13. 132.

ffir die Erkenntnifsvermögen 11 12$» Zweckmäfsigkeit ästhetische 11 418»

formale 11 419.

inteliectiielle 11 418. - - materiale H aßg,

. objektive 11 419.

. - äufsere II 419»

. innere 11 419*

reale 11 429. Zweck materlaler 1 273. 275,

objektiver 11 135. -— subjektiver ibid.

Zweckwidrig 11 132» Zwingen 1 307,

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BD masewetter, Johann Gottfried 33 Carl Christian K54 Darstellung der wichtigsten

th.2 Wahrheiten der kritischen

Philosophie für Uneingeweihte

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