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UNIVERSITY OF TORONTO

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DR. OSCAR SINGER

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DR. WILLIAM SINGER

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Hebräischen Sprache.

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EBRÄISCHEN SpRACHE

Deutschland

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vom Ende des xv. bis zurMjtte des xyi. Jahrhunderts.

Von

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Ludwig Geiger

Breslau 1870.

ScHLETTER^SCHE BUCHHANDLUNG ji. ^KUTSCH.

Inhalt.

Seite.

Vorbemerkung VII

1. Verhältniss des hebräischen Sprachstudiums zu der geistigen und

religiösen Bewegung der Zeit 1

2. Die Vorgänger Reuehlin's 18

3. Johannes Keuehlin 23

4. Johannes Böschenstein und Matthäus Adrianus 41

5. Die Schüler des Elias Levita. Sebastian Münster und Paul Fagius 55

6. Die Universitäten 89

7. Die Schulen 123

8. Schluss '...." 129

Nachträge ' 132

Vorbemerkung.

Urne Geschichte der wissenschaftlichen Ausbildung der hebräischen Sprache, ihrer Grundzüge, ihrer Regeln, will ich nicht geben. Dazu ist der Stoff zu gering, zu wenig Originales, das geschaffen wurde, fast nur häufiges Betreten des einmal ein- geschlagenen Weges, ohne rechte Entwicklung und Veränderung. Das ist auch nicht, was eine Betrachtung der allmählichen Aus- breitung hebräischer Sprachkenntniss in Deutschland so überaus interessant und lehrreich macht ; was das Interesse weckt, das ist vielmehr der enge Zusammenhang, in dem das Studium der hebräischen Sprache mit den geistigen Richtungen der Zeit, mit Humanismus und Reformation, steht.

Dass ich mich nicht mit einer Aufzählung der Manu er be- gnügt habe, die sicli in dieser Beziehung ausgezeichnet haben, sondern über ihr Leben Manches, bald mehr, bald weniger, mit- getheilt habe, wird, wie ich hoffe, keiner Entschuldigung bedürfen. Zarncke sagt einmal (Einleitung zu Sebastian Brants Narren- schiff p. IX. A. 1) in Betreff einzelner Humanisten, dass „ihre Lebensschicksale gleichsam eine Verkörperung ihrer geistigen Thätigkeit sind1'; dasselbe gilt auch von einem Theile der Männer, deren Studium auf eine Erforschung und Verbreitung der hebräischen Sprache gerichtet war. Aber von dem Fehler, jedes Mannes, von dessen Leistungen zu reden ist, Leben und Schicksale zu erzählen, so wenig sie auch mit dessen wissenschaft- licher Thätigkeit in Zusammenhang stehen, hoffe ich mich frei- gehalten zu haben.

Vin Vorbemerkung.

Die Betrachtung erstreckt sich nur bis zu Ende des soge- nannten Reformationszeitalters, ohne enge Festsetzung von Grenz- jahren; die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts ist von der ersten völlig abhängig. Von Bedeutung wird die Zeit erst dann, wenn am Ende des 16. und Anfang des 17. der ältere Buxtorf eine neue Aera hervorruft.

Zum grossen Theil ist die Arbeit in Paris entstanden. Wa die Schätze, auch die handschriftlichen, der dortigen kaiserlichen Bibliothek boten, halte ich eingesehen. Von deutschen Bibliotheken habe ich die hiesige, die Darmstädter, Heidell »erger, Bonner und Göttinger, Einiges aus der Münchener und BöcMngs Sammlung in Bonn benutzt. Das daraus Gewonnene schien mir hinreichend. um ein Bild zu gelten. Schriften, die ich nicht selbst gesehen, habe ich meist nur dann anführen zu müssen geglaubt, wenn ich Kenntniss von ihnen aus Büchern schöpfen konnte, in denen auch der Inhalt besprochen wurde, oder sie in zeitgenössischen Schritten, wie Neanders Erotemata u. A., angeführt fand. Denn bibliographische Verzeichnisse wollte ich nicht liefern.

üebrigens kann ich auch für diesen Theil der Arbeit auf die Angaben von Steinschneider im Catalogus librorum hebraeorum in bibliotheca Bodlejana, Berolini 1852 1860, verweisen. Von Werth wäre es für mich gewesen, wenn mir dessen Schrift: Biblio- graphisches Handbuch über theoretische und praktische Literatur für hebräische Sprachkunde, Leipzig 1859, die Recension über die- selbe von Gildemeister in der Zeitschrift der deutsch -morgen- ländischen Gesellschaft, Bd. XIV, Leipzig 1860, S. 297— 308, und Steinschneiders "T>3]pn. Hebräische Bibliographie. Blätter für neuere und ältere Literatur des Jüdenthums, 8 Bde., Berlin 1858 bis 1865, früher bekannt geworden wäre, als nachdem meine Arbeit abgeschlossen und zum grössten Theil gedruckt war. So konnte daran nur Einiges in den Nachträgen berichtigt und ergänzt werden.

Frankfurt a. M., 21. Novhr. 1869.

Der Verfasser.

I.

Verhältniss des hebräischen Sprachstudiums zu der geistigen und religiösen Bewegung der Zeit

Man nennt nicht mit Unrecht die Zeit des ausgehenden 15. und des beginnenden 16. Jahrhunderts die Periode der Wiederbelebung der Wissenschaften. Aus langem Schlafe wurde mit den übrigen auch die hebräische Sprache wieder ans Licht gezogen. Die Bücher der Bibel, die in dieser Sprache geschrieben waren und die auch die Kirche als heilige ver- ehrte, waren bisher nur in der lateinischen Uebersetzung und zwar auch nur den Geistlichen bekannt, deun den Laien waren sie zu lesen verboten. Die Kenntniss der Sprache blieb bei den Juden; sie, das ganze Mittelalter hindurch gedrückt und gehetzt, gelangten in Deutschland nur zu geringer wissen- schaftlichen Ausbildung und schriftstellerischen Thätigkeit in derselben.

Die Christen begehrten ihre Unterweisung nicht. Die Unwissenschaftlichkeit des Zeitalters, das in einem barbari- schen Latein genügenden Behelf erblickte, war zu gross, um Sehnsucht nach der „heiligen" Sprache zu erwecken; dazu kam der Hass gegen die Juden : man wollte von Denen, die man im Leben verachtete, auch wissenschaftlich keine Förderung er- fahren. Man brauchte das ganze Mittelalter hindurch in Deutschland freilich am wenigsten, da besass man andere, wirksamere Mittel, mehr in Frankreich, Italien, Spanien das Hebräische meistens zur Bekehrung der Juden. Da wur- den Disputationen veranstaltet, auf der einen Seite die Juden, die ängstlich jedes Wort ihrer Schriften zu vertheidigen ent-

Ge ig er , Studium. [

'2 Verhältnis Ses hebräiscnen Sprachstudiums

schlössen waren, trotz Kerkerqualen und Scheiterhaufen, auf der anderen Uebergetretene, die ihre im Schosse des Juden- tums gewonnene Kenntniss der Sprache zum Angriff gegen ihre früheren Glaubensgenossen verwerteten. Lernte je ein Christ Hebräisch, so geschah es durch Vermittelung, mit Hülfe solcher getauften Juden, ohne dass es wirklich einer zu tieferer und genauerer Kenntniss gebracht hätte.

Jeder, der die Geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts kennt, weiss, dass trotz allen freien Sinnes, der hier erwachte und gepflegt wurde, der Hass gegen das Judenthum noch zu den Dingen gehörte, die man als Erbe des Mittelalters über- kommen hatte. Aber eines war gesehwunden: die Un- wissenschaftlichkcit. Wie befreit aus Fesseln und Banden stürzte man sich auf Alles, was man erhaschen konnte, jedi Wissenschaft wurde gepflegt, jede Kunst geübt, jede Sprache gelernt. Eine gewaltige Reaction trat fast in allen Dingei hervor, so auch hier. Mit Eifer und Ernst wurde die hebräi sehe Sprache betrieben, ihre Denkmale erforscht, hier glaubt« man nun den Quell aller Offenbarung gefunden zu haben.

Die lateinische Sprache war die gelehrte Umgangssprache sie musste Jeder kennen, der auf wissenschaftliche Bitdun. Anspruch machen wollte; am Anfange der Periode, die im hier beschäftigt, war das Griechische hinzu gekommen - man bezeichnete sie kurzweg mit utraque lingua; jetzt wa das Studium des Hebräischen mit in die Reihe aufgenommr worden, trium linguarum peritus zu sein, galt als chrem Bezeichnung, die gern Jeder sich erwarb. Man hatte am Ent des 15. Jahrhunderts angefangen auch in den Schulen Gri< chisch zu lehren, jetzt trat das Hebräische als Unterricht Gegenstand hinzu; collegia trilinguia gehörten nun zu den b liebten Einrichtungen: ich erinnere nur an das Collegiu Buslidianum, um das sich Erasmus viel Mühe gab').

Und nun wurde es auch auf den Universitäten aufg nonnnen. Als Petrus Moscllanus 1518 in Leipzig Griechis zu lehren anfing, da ermahnte er in dem Schreiben, mit de er seine Eröffnungsrede dem Herzog Georg von Sachsen /. schickte: nun möge er auch, nachdem er für andere Lehr

*) Näher darauf wird bei Matthäus Adriänus einzugehen sein.

eu der geistigen arid religiösen Bewegung der Zeit. !$

gesorgt, einen senden, der das Hebräische, die heilige Sprache, lehren könne, damit Niemand etwas vermisse, was zu einer wohl eingerichteten Universität gehöre1); und im Verlaufe der Rede meint er, es gebe keine wissen- schaftliche Beschäftigung., die nicht aus der Kenntniss der Sprachen, namentlich des Griechischen und Hebräischen, För- derung erhalte, ja jede bleibe mangelhaft und dunkel, wenn eine von diesen fehle2). Man kann sagen, die Verehrung steigerte sich mit jedem Tage. Seinen Jüngern flösste der Meister wem ist es nicht bekannt, dass dies Reuchlin war? immer mehr Fleiss zur Erlernung der Sprache und mit der Erlernung immer grössere Hochachtung und Liebe ein.

Es sei erlaubt ein Beispiel zu bringen. Georg Wicel als eifriger Gegner Luthers bekannt - hoffte 1532 etwa als Professor der hebräischen Sprache nach Erfurt berufen zu werden. Er hatte eine Rede bereits ausgearbeitet „zum Lobe der hebräischen Sprache" ; da der Ruf nicht an ihn kam , so gab er die Rede im Druck heraus 3). Die hebräische Sprache

!) 1. Aug. 1518 De variarum linguarum cognitione (über die Eede selbst vgl. Schmidt: Petrus Mosellanus Leipzig 1867, S. 30 ff.) Postremo cum ex Cle- mentina sanctione didicisses, in publicis scholis trium linguarum doctores foven- dos, ne hie tuae Academiae quiequam deesset, iam in tertium annum ntrinsque Linguae professores et sumptu tuo foves, et autoritate tueris. Nee dubita- mus, quin brevi, ubi per aliquam occasionem licuerit, et sanetae, hoc est Hebraicae linguae magistrum tua celsitudo nobis sit procuratura . ut posthac nemo quiequam, quod ad instruetissimum gymnasium attinet, sit hie desideraturus.

2) D 2 (Baseler Ausgabe 1519 p. 27) nullam esse literariam professio- nem, quae non cum ex aliarum linguarum, tum vero maxime Graecae et Hebraicae cognitione lucem aeeipiat, tum nullam disciplinam non fore man- cam et tenebrosam, si altera harum desit. Ich will nicht verschweigen, dass Andere in diese Werthsehätzung namentlich in das Betonen der Noth- wcndiglceit dieser Kenntniss nicht einstimmten. Rudolf Agrikola sagt in dem Schriftchen De formando studio über die sacrae literae: quarum cognitio magis ad ornamentum animi nostri, honestamque voluptatem, quam ad necessaiüum utique usum pertineat. Wicel in der gleich anzuführenden Rede meint auch: partim ut quae non ita multum utilitatis afferat , partim quae habeat plurimum dif ficultatis , nihil voluptatis aut gratiae. Das seien die Gründe, quae abhorreant ab ca addiscenda. Aber er hält das freilich •für unrecht.

3) Oratio in laudem Eebraicae linguae. Autore Georgio Vicelio, MDXXXIIII. 11 BU. SO. (Aus der Münchener Bibl.) Widmungsbrief an

1*

4 Verhältnis) des bebräücnen Sprachstudiums

so ist etwa der Grundgedanke sei vor allen würdig mit Eifer betrieben zu werden, von Moses leite sie ihren Ur- sprung ab, Gott selber habe sie geredet, Christus und die Apostel hätten sich ihrer bedient. Er wolle den classischeu Studien nicht zu nahe treten, aber der heiligen Sprache müss- ten sie uachstehen. Ihre Kenntnis« besitze Yortheile, kleine und grosse, zum Kampf gegen die Ungläubigen, zur Stützung des eigenen Glaubens, ja selbst zum Gebete1)-

Kann es uns da wundern, wenn bei diesem nicht etwa auf den einen Mann beschränkten, sondern fast unter dem ganzen Kreis der Humanisten und Reformatoren verbreiteten Enthusiasmus von den bedeutenderen Gelehrten in der ersten Hälfte des 16. Jahrb. ist mir nur von Erasinus bekannt, dass er fast oder gar kein Hebräisch verstand2) auch eine Reaction sich zeigte, wenn sich ein Streben kundgab, die classischeu Studien mehr in den Vordergrund zu stellen, ihnen

Bernardus Gualtherus 20; März 1534: oratidnem... quam Erphurdiae, si per quorundum invidiam Rudimenta hebraica tradere licuisset, in Academia anl e sesquiannium am plins pub lice habiturus fueram.. tibi dono.

i) Um nicht die ganze Hede abzuschreiben, citire ich nur zwei Steiler : Quo nam dialecto egressae sunt dei Hebraeorum dulcissimae promissiones, blandissima solatia, iustissimae minae, denique potentissima quaeque verba ad patres Hebraeos, nisiHebraea?... und: Mirum dictu est, quanto vehemen- tius soletur atque veneretur precans hebraice, quam si quis graece aut latine precetur. Vim vividam addunt tibi voces sacratissimae, adeoque sonus ille. Als Beweis, dass diese Meinung nicht vereinzelt blieb, vielmehr last ein Jahrhundert noch fortwirkte, citire ich eine Stelle des Bartholomaeus Sche- raeus in Itincrarium in Psalterium Davidis Hebraeum. Witeb. 1612.: Anti- qua et prima omniüm est lingua hebraea, est saneta et illabata, et statim in paradiso, et postea extra cum in rudi et nondum habitato mundo sonare coepit, et vult aecurate exeoli ac conservari in vitam aeternam usque.

2) De Hebraicis literis nihil arrogo mihi, quas primoribus dumtaxat gustavi labris. Erasmus an Reuchlin in: Epistolae illustrium virorum ad Beuchlinum. Bagenoae 1519 s 3b. Den Grund, warum er es nicht gelernt habe, <,ribt er an: Coeperam ei Hebraica attingere, verum peregrinitate ser- niDiiis deterritus, simul quod nee aetas, aec Lngenium hominis pluribus rebus pariter sufficit, destiti. Angeführt bei Hess: Erasmus von Rotterdam I. s. 107 Anm. * Vgl. auch Raumer: Geschichte der Pädagogik I. S. 95. Was andere bedeutende Humanisten anbetrifft, so überschreibt /.. l'>. Thomas Vena- torius ein Gedicht an Pirckheimer : Bilibaldo Pirckheimer, Hebraeae, Graecae ac Latinae linguae vir«» eruditissimo(Bilib.Pirckh. * >pp, ed.< roldast Francof. 1610 p. 46); Mutian Lässt sich von Heinrich Drban Reuchhris hebräische Grammatik kauten (Manuscript der Mutian'schen Briefe in der Krankt. Stadtbild. Pol. 20a).

zu dei tfci^t ijjrcn and religiösen Bewegung dei Zeit. 0

den Platz wieder zu erringen, den sie wenige Jahrzehnte vor- her eingenommen hatten? Da ist eine bezeichnende Acussc- rung, die in klagendem Ton Heinrich Loriti Glareanus an Pirckheimer schreibt: wie die Kenntnis* der griechischen Sprache wieder hergestellt werden könnte, das sehe er nicht; schreien ja die Leute, Griechisch und Lateinisch zu studiren, sei nicht nothwendig, es sei genug, wenn man Hebräisch verstehe und Deutsch ') ; da beschwert sich Erasmus bei Melanchton, dass man öffentlich zu Strassburg und an anderen Orten lehre, man brauche jetzt keine Wissenschaften und keine Sprachen mehr zu lernen mit alleiniger Ausnahme des Hebräischen2).

Das ist wenn den Ausdruck zu gebrauchen gestattet ist die Klage des untergehenden Humanismus; die Refor- mation war über ihn hinweggeschritten, in ihrem Gefolge hatte das Studium des Hebräischen neue Pflege gefunden. Denn neben der erwachenden Wissenschaftlichkeit war ein Haupt- grund zum Studium der Sprache die theologische Rich- tung der Zeit. Man ging auf die Bibel zurück, aus ihr nur wollte man Belehrung schöpfen, nur aus ihr konnte eine Widerlegung der gegnerischen Ansichten gegeben werden. Was Wunder, dass man nach der Ursprache verlangte, sie bei Uebersetzungen in die Muttersprache zu Grunde legte.

Es hat schon vor Luther deutsche Bibelübersetzungen ge- geben, keine hatte die rechte Zeit und das rechte Wort so zu treffen gewusst wie die seine. Allzubedeutend war Luthers Kenutniss des Hebräischen freilich nicht, bei der Bibelüber- setzung bediente er sich der Hülfe des hebräischkundigen Johann Forster, bei seinen Kommentaren musste ihm der jeweilige Professor der hebräischen Sprache in Wittenberg zur Hand ^chen;i). Aber an unzähligen Stellen seiner Schriften betont er die Notwendigkeit hebräischer Sprachkeimtuiss.

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i) Pirckheimeri Opera ed. Goldast, Francofurti 1610, p. B14. Egout... graecae linguae notitia restituatur , plane non video. Et tarnen lii magno boatu elamitant non esse graece (sie) latinove studendum, sat esse, si hebraice ac germanice sciamus.

2) Angeführt bei Döllinger: Die Reformation (Regensburg 1846) I. S. 437, Anm. 54.

3) Ein hebr. Buch, das ihm Anisdorf geschickt hatte, übergibt erAuro- gallus: excedit enim vires meas, s. de Wette: Luthers Briefe II, S. 612, und schreibt seinen Inhalt nach dessen Angabe a. a, 0. 8. 625. Er sagt einmal selbst

6 Verhältnis des hebräischen Sprachstadiums

Doch macht sich ein Umstand schon hier bemerklich. Dem Theologen war die Sprachkcnntniss nicht mehr die Hauptsache. Er brauchte sie nur als Mittel, um mit ihr aus- gerüstet die Bibel verstehen, zu seinen Zwecken benutzen zu können. Da war ihm denn bedenklich, dass , um die Bibel recht begreifen zu können, man sich nicht auf den Urtext be- schränken konnte, sondern die jüdischen Commentatoren, die Rabbinen, zum Studium mit herbeiziehen musste. Den Kab- binen ist nicht zu trauen, das ist ein Satz, der sich durch alle seine Erklärungen hindurchzieht. Er meint, sie haben die Schrift verdreht und gefälscht, um ihre Träumereien und Einbildungen zu erweisen. Er warnt daher vor ihrem Ge- brauch, ja er geht so weit, den Juden nur grammatische Kenntniss zuzuschreiben und auch diese nur in beschränktem Maasse1), Sacherklärnng, Verständniss des wahren Inhalts sei bei ihnen nicht zu finden, „so müssen wir's thun, die Christen sind, als die den Verstand Christi haben, ohne wel- chen auch d i e K u n s t d e r S p r a c h c n i c h t s i s t 8)". Schon

von sich: Denn ob ich mich! wol für einen vollkommenen Hebräer nicht halte, :so düncket mich doch gäntzlich etc. Walch.: Luthers Werke I, 901. In einem handschriftlichen Briete Luthers an Capito (die Notiz verdanke ich der gütigen Mittheilung des Herrn Notar Karseh in Hornbach) prid. Cal. Maias 1520 schreibt Luther, dass er mit Melanchthon um hundert Göldgulden hebräisch lerne.

!) Man kann leichtlich sagen, dass die ebräische Sprache noch nie wieder aufgekommen ist, und die Juden nicht wissen können virtutem om- niuni voeabuloruin acut res ostendit, viel weniger wissen sie vim Phrasis, figurarum et idiotiamomm. Luthers Werke ed. Walch 111, 2865 fg., nament- lich vgl. auch II, 2246.

2) Walch XIV, II). Dafür, dass sich die Grammatik der Frkenntniss der Sachen unterordnen muss, eine bezeichnende Stelle Walch 1. 1511 and de Wette, Luthers Briefe V, S. 89—93. Warnnng vor den Rabbinen ent- halten, ohne dass ich die Beispiele häufen will, Walch III, 2899, 1. 546 IV. Wen erinnert nicht der Satz »So sehen wir, dass die.Grammatici. . . theo- logische Sachen nicht verstehen«: an das Wort der Kölner Dunkelmänner: Non miruni si Jurista (Reuchlin) non attigerit theologicas subtilitates. Stellen gegen die Rabbinen, wie II, L458: »Es sind die verruchtesten Leute und werden vom Teufel gefangen gehalten und besessen« sind nichts seltenes. vgl. I, 2042 das. 1514 u. A. m. Beiläufig bemerke ich, dass der liier und im Folgenden zum Ausdruck kommende llass gegen die Rabbinen ein be- wusster oder unbewusster Gegensatz gegen die Reuchlin'schen Ansichten ist. Reuchlin sagt (Augenspiegel Fol. XI 111', wo freilich zunächst die Frage zu erörtern war, ob die Coinmentare verbrennenswerthe Bücher seien oder nicht,

',u der geistigen und religiösen Bewegung dei Zeit, 7

die früheren UcbcrsctziiDgcn hielt er für verderbt, die 70 Dol- metscher sind die „allerboshaftestcn Leute gewesen, die den König Ptolemänm Philadclphum nur zum Narren haben woll- ten"; dass sie auf Eingebung des heiligen Geistes übersetzt hätten, will er nicht glauben'). Er ist freilich in seiner Kritik nicht cousequent genug. Bald giebt er den Rabbinen zu, die Grammatik spreche zwar für sie, aber „weil sie nicht wissen, quid rei, hilfet und fördert sie es ^ichts, dass sie wissen, quid noniinis" und erklärt es der Sache nach -'), bald weist er sie nach der Grammatik zurecht.

Der Grundzug dieser Methode findet sich aber nicht blos bei Luther, er ist ein durchgängiger bei der ganzen Theologie der Zeit, zunächst natürlich bei den Anhängern Luthers, bei den Reformatoren. Ich will in Beziehung auf ihre Stellung gegenüber den Rabbinen nur auf zwei Punkte aufmerksam machen : Johann Forster oder Förster, mit dem wir uns später noch werden zu beschäftigen haben, gab 1557 ein hebräisches Lexikon heraus, er hielt es für nothwendig hinzuzufügen, nicht aus den Erdichtungen der Rabbinen, aus den Schätzen der heiligen Schrift selbst sei es genommen3), und als einige Jahre darauf Victormus Strigclius ein in Gutachtenform ge- haltenes Urtheil über die Uebersetzungen der Bibel abgab, da hielt er die chaldäische für geeignet, die Nichtigkeiten der Juden zurückzuweisen; die der Gegenwart angehörenden Ueber- setzungen aber, ausser der lutherischen, wie die Münsters u. A., die, meinte er, dürften nur von Hebräischkundigen benützt werden, weil sie oft mehr mit den Commentarien der Rabbinen

das Gutachten sich aber von dieser besonderen bald zur Beantwortung der allgemeinen Frage erhebt) : Ich sag auch vnd hab des meinen anseger , dass sich unsere doctores und lerer der balligen schritt zu verstentnus des texts inn der bibel saer und last sollicher commenten, glosen, und usslegungen müsseut gebrauchen, wöllent sie vor anfechtung fremds glaubens wul

beston sollich commentarien kan und mag die christenlich kirch nit

von handen lassen, dau sie behaltten die hebräische sprach in der aigen- schaft übung, dero die hailig schritt nit kan mangeln, besonder in alten testament.

i) Walch VI, 1146 ff.

2) Walch I, 493.

3) Non ex Eabinorum commentis . . sed ex ipsis thesauris SS. bibliorum depromtum.

8 Verhältnis 'le? hebräischen Sprachstudiums

als der Erklärer der wahren Kirche übereinstimmten1). Aber dieser allgemeine Hass gegen die Rabbinen ist nieht das Grnndprincip, er ist nur ein Ausfluss des Gedankens, von dem man beim Studium der hebräischen Sprache geleitet wurde, des Gedankens, seine Theologie, die man es wurde lächer- lich erscheinen, wenn man nicht so gedacht hätte allein für die berechtigte hielt, in der Bibel bestätigt zu finden. Da mussten die rabbinischen Gommentare, die ihrerseits die Grund- lehren des Judcnthums vertheidigen wollten, ein Hinderniss bilden, mau stiess sie weg.

Und wie die Reformatoren, so brauchten auch ihre Gegner die hebräische Sprache zur Stütze ihrer Theologie. Eine Rede Georg Wieeis ist schon erwähnt: sie mag auch in dieser Hin- sicht berührt werden. Auch er glaubte aus der heiligen Schrift Beweise für die Wahrheit seiner Theologie zu ziehen, aber er warnte vor den täglich neu erstehenden Erklärern der Schrift, nur wenn man mit genügender Kenntnis» der Sprache verschen sei, könne man die Schrift ohne Gefahr benutzen2). Aber nicht bloss ein rechtes Verständniss der Bibel erschliesse diese neugewonnene hebräische Sprachkennt- niss, sie bringe erst die rechte Sicherheit über die Wahrheit des christlichen Glaubens hervor. Wie im Allgemeinen, so im Besonderen, wie dem Christen überhaupt Beweise für sei- nen rechten Glauben, so gebe sie dem Prediger in seinen

*) De versionibus Bibliorum Judicium.

Chaldaica versio est luculenta paraphrasis textus Ebraici et prodest ad

refutandaa cavillationes recentium Judaeorura Reliquae versionea ut

D. Münsteri, Castalionis et similes, etsi non sunt contemnendae , tarnen quia interdum magis congruunt i'uni Rabbinorum Commentariis quam cum narra- fcione interpretum verae ecclesiae, magno iudicio et non nisi a peritis Linguae sanetae legendae sunt.

Vietorinus Strigelius anno 1565, 2(1. Sept. Lipsiae, angeführt boi Olearius, Scrinium antiquarium, Arnstadt 1698, p. 177 sq.

2) Die Stelle, die, nacl einer lobenden Erwähnung des in allen Fächern der Wissenschaft sich zeigenden löblichen Eifers, bezeichnend genug mit den Worten eingeleitet wird »Theologiae sola frigel schola« lautet: Cotidie exo- riuntur novi scripturae interpretes quoram quisque pro suae partis coramodo sacras literas h'ansfert, in quibus lustrandis nisi catus (sie! wahrscheinlicli cautus) t'ueris, ilico in errorem praeeeps eas oportet. Si munitus sis huius linguae scieutia, pergrassari vales absque allo insidiosi serjtentis periculo,

zn der geistigen and religiösen Bewegung der Zeit. ;)

Reden Stütze und Unterlage, mache geschickt zum literari- schen Kampfe, namentlich gegen die Juden. Und wer die Sprache nicht kenne, Alles müsse er glauben, was ihm auf- gedrungen werde.1)

Doch kann man nicht sagen, dass in der katholischen Partei diesclhe Ucbereinstinimung der Ansichten herrschte wie in der evangelischen. Wicel gehörte zu denen, die einer Re- form der Kirche innerhalb des katholischen Glaubens nicht abgeneigt waren, die strengeren, z. B. Joh. Eck, unterschie- den sich von ihnen auch in der Ansicht über das Hebräische. Ein Gegner Ecks, Andr. Oslander, hatte bei einer Gelegenheit, die wir nicht weiter verfolgen können, behauptet, „Gott habe nicht gewollt, das der Juden buecher verbrent wurden der Christenheit zu gut, damit durch hebräische sprach die Chri- sten wider zum rechten verstand jhrs glaubens möchten kummen". Das läugnete Eck, denn da der rechte Verstand des Glaubens seiner religiösen Auffassung nach gar nicht ver- loren war, so bedurfte es keiner Wiedergewinnung desselben. Auch sei die Sprache für die christliche Kirche keine heilige, die Evangelien seien nicht in ihr geschrieben, mit Ausnahme des Briefes an die Hebräer und des Evangeliums Matthäi ; die Kirchenväter hätten sich der Sprache nicht bedient, und wäh- rend es wohl eine lateinische, griechische, indianische, arabi- sche, wendische Messe gebe, habe von einer hebräischeu Messe noch Niemand gehört. Interessant ist aber namentlich, wie er das Argument gegen die Reformatoren wendet und ihnen, die von dem Wcrthe der hebräischen Sprache so viel redeten, vorwirft, dass sie dieselbe durchaus nicht in der Weise pflegten, wie sie es thun müssteu, im Gegentheil „allain zu- weilen zu einem hoffertigen bracht und unnützen Spiegel- fechten" gebrauchten2). Der Vorwurf ist freilich ungerecht-

!) Das im Text Gesagte steht zerstreut an vielen Stellen der Rede, eine führe ich an: Non umquam vidisti Hebraeum aenei muri instar invic- tum stare in conflictu, quoties ad huius linguae praesidium oecurrerit? Qui posset honio Christianus de Judaeo victoriam reportare, nisi praesidiis sanetae linguae?

2) Die ganze Auseinandersetzung findet sich ziemlich ausführlich in Ecks Schrift: Ains Juden buechlins Verlegung. Ingolstat MDXXXXI. P 4h bis Q 2b.

10 Verhältnis« des hebräischen Sprachstudiums

fertigt. Das ist zwar richtig, dass die Reformation die Kennt- niss der hebräischen Sprache nicht wieder ins Leben rief. Das war früher geschehen: zu dieser schöpferischen Thätig- keit hätten die Reformatoren, deren ganzes Streben mehr ein den Wissenschaften ab- als zugeneigtes ist, weder Sinn noch Zeit gehabt. Aber da das Studium ihren Zwecken diente, er- griffen sie es, und in der theologischen Rührigkeit, die sich in Folge der Reformation in Deutschland entfaltete, wurde das Studium ein allgemein verbreitetes.

Wenn Eck und die strenge katholische Partei, deren Haupt er war, in dieser Weise keineswegs die hebräische Sprache als heilige ansah, ihr nicht dieselbe Verehrung an- gedeihen liess, mit der die Reformatoren sie gepflegt hatten, - so zeigt sich diese verschiedene Betrachtungsweise auch in etwas Praktischem. Wir haben gesehen, Luther hatte der Rabbinen Commentare verachtet, aber er übersetzte die Bibel nach dem Urtext; Eck ahmte ihm im Ersten nach, aber er verdolmetschte die Bibel „wie die gesungen, gelesen, ge- braucht und angenommen ist je und je von der haiigen latei- nischen kirchen", es kümmerte ihn nicht „wie es in Jüdisch, Kriechisch oder Chaldaisch laut", denn auch die Juden stimmten nicht überein. Auch selbst im Aeusserlichen wollte er sich nur der Annahme der Kirche fügen, uud die biblischen Namen nicht in ihrer hebräischen Fassung: Chava, Hanah, Cham, Gralgal, sondern in der lateinischen Form bringen1)-

Freilich schon vor dem theologischen Kampfe, der seit Luthers Auftreten mindestens anderthalb Jahrhunderte fast vollständig den Geist des deutschen Volkes beherrschte, war diese Ansicht aufgetreten , die hebräische Sprache zum Be- weise der Wahrheit des Christenthums zu benutzen. Das ist freilich keine in Deutschland erstandene Richtung, sie wurde aus Italien hierher verpflanzt. Man grub in den Schätzen des Judenthums, man wollte, da mau nun der fast verloren ge- gangenen Kcnntniss der Sprache wieder theilhaftig geworden war, auch Alles in sich aufnehmen, was in ihr vorhanden war, --so stiess man auf die Kabbalah.

]) Einleitung in die Bibelübersetzung 1536 abgedruckt bei Wiedemann: Dr. Johann Eck, Regensburg 1865, S. 618.

zu 'Vr tr>i^t iiron um! religiösen Bewegung der Zeit. 1 1

Die Kabbalah1) das Empfangene ist die jüdische Gekeimlehrc, die als theoretische in den Worten und Vor- schriften der Bibel und des Talmuds einen tieferen als den gewöhnlichen Wortsinn zu finden glaubt, als praktische durch gewisse Formeln und Künste den Menschen Einfluss auf das Geisterreich und Gott selbst zuzuschreiben sucht,

Sie hatte unter den Juden des Mittelalters zwar dem Cha- rakter der Zeit gemäss grosse Verehrung erlangt, aber unter den wirklich wissenschaftlich Strebenden wenig Gönner ge- funden.

Dagegen wurde sie unter den Christen von Gelehrten er- fasst, die ein wirklich tiefer Forschergeist und Wissensdurst trieb. Zuerst in Italien von Johann Picus, Grafen von Miran- dula 2), der in Florenz am Hofe des Lorenz von Medici lebte. Picus lernte sie durch einen von Constantinopel nach Italien eingewanderten Juden Jochanan Aleman kennen3). Picus hatte sich kaum ein wenig mit ihr bekannt gemacht, als er in ihr eine Begründung der christlichen Lehre zu erkennen glaubte. Er meinte die Dreieinigkeit, die Fleischwerdung des Wortes, die Ankunft des Messias, die Erbsünde u. s. w. in ihr wieder- zufinden, was Paulus und Dionysius gesagt, was man bei Hieronymus und Augustinus lesen könne, werde in allen diesen Schriften bestätigt. „Man denkt Plato und Pythagoras zu hören, deren Lehren den christlichen so nahe verwandt sind, kurz die Juden können nicht mehr wagen ihre Glaubens- sätze als abweichend von den uusrigen darzustellen *)". Darin

*) Ueber den Ursprung der Kabbalah, der hier nicht untersucht werden kann, hat Grätz, Geschichte der Juden Bd. VII, S. 442 458, eine ausführ- liche Auseinandersetzung gegeben, auf die ich verweise.

*) geb. 146-2, gest. 1494 MCCCCLXXXXini anno redemptionis nostrae, Dum ipse seeundum et trigesinmm aetatis annuin impleret , Florentiaeque moraretur , insidiosissima correptus est febre. Vita Joh. Pici de Mirandula per Jo. Franciscuni Galeotti Pici tiliuni vor des Ersteren Werken s. 1. 1504 a iiij b.

3) s. die hebräische Quelle bei Grätz a. a. 0. Bd. VIII, S. 254, Anni. 1; in der vita Jo. Pici finde ich dies nicht erwähnt.

4) Vidi in illis (nämlich in den kabbalistischen Büchern) Religionem non tarn mosaicam quam christianam , Ibi trinitatis mysterium, ibi verbi incarnatio, ibi messiae divinitates, ibi de peccato originali, de illius per Christum expiatione , de celesti Hierusalem , de casu daemonum , de ordinibus

12 Verhältnis des hebräischen Sprachstudiums

sind ihm auch die Späteren nachgefolgt und namentlich haben unter den christlichen Gelehrten Deutschlands solche kabba- listische Grübeleien Eingang gefunden.

Durch Picus' Bemühungen war es wohl gelungen, dass Papst Sixtus IV. einige kabbalistische Bücher ins Lateinische übersetzen lassen wollte, und Picus erzählt, dass drei Bücher wirklich übersetzt wurden l). Und Picus Einfrass ist es ferner zuzuschreiben, dass die Kabbalah Eingang in Deutschland fand durch Johann Keuch lin. Im Jahre 1494 erschien sein Werk: Capnion vel de verbo mirifico. Den Zweck dieser später so berühmt gewordenen Schrift gibt er in der Wid- mung an Johann von Dalburg, Bischof von Worms, dessen Freundschaft er seit lange genoss, und dessen Bibliothek ihm, wie früher, so auch bei diesem Werke gute Dienste geleistet hatte, mit den Worten an2): er habe gewagt, auf den Rath und die Ermahnung trefflicher Männer gestützt, in die tiefen Dunkel der verborgenen Worte einzudringen, die Geheimnisse der ältesten Philosophie aufzudecken, und die Namen zu er- klären, mit denen Pythagoräer, Juden und Christen ihre hei- ligen Gegenstände bezeichneten-1).

angelorum, de purgatoriis, de inferorum poenis. Eadem legi quae apud Paulum et Dionysium, apud Hieronymum et Augustinum quotidie legimus. In liis vero quae speetant ad philosopliiam Pythagoram prorsus audias et Platonem quorum decreta ita sunt fidei Chri&tianae affinita, ut Augustinus Qostei immensas deo gratias. agat, quod ad eins manus pervenerint libri platonicorum. In plenum nulla est renne de re nobis cum Hebraeis con- troversia, de qua ex libris Cababstarum ita redargui convincique non pos- sint, ut ne angulus quidem reliquus sit in quem se condaut. Job. Picus in Oratio de hominis dignitate in den Opera J. P. Pol. 90a.

') Hi libri Syxtus quartus Pontifex maximus qui hunc sul> quo vivimus foeüciter [nnocentium VIII. proxime antecessit, maxima cum studioque euravit ut in publicam fidei uostrae utibtatem latinis üteris mandarentur. Jamque cum ille decessit tres ex illi.s pervenerant ad latinos a. a. 0.

2) Er rühmt seine inennarabilem variarum literarum peritiam, cuius testis est bibliotheca illa tua, latinis, graecis et bebraicis voluminibus referta. TJnus Germanie nostre thesaurus, quo sum uti sobtus semper pro animi mei sententia. De verbo mirifico a "Ja.

3) Tantas tenebras et tarn obfuscatä sacratorum immo seci'etorum ver- borum latibula Lngredi, et quasi de adytis oraculorum et vetustissimae philo- sopbiae penetrabbus, exponere nostro saeculo, quantum memoria suppetit, uui versa ferme nomina, quibus superiori aetatc sapientes homines et mira- culosis operationibus praediti utebantur in sacris, sive pythagorica fuerunt et

zu der geistigen und religiösen Bewegung der Zeit, 13

Die äussere Einkleidung der Schrift ist die, dass der Gegenstand an drei Tagen durchgesprochen wird, an deren jedem einer der Betheiligten das Hauptwort fuhrt: Sidonius, ein Philosoph, zuerst für einen Epikuräer gehalten, von dem man später findet, dass er keiner Schule angehört *), Baruchias, ein Jude, und Capnion (die gräcisirte Form des Namens Reuchlin).

Das vcrbum mirificum ist, wie Capnio am dritten Tage auseinandersetzt, JHSVH, nichts anders als das alttestameut- liche JHVII (d. h. die Cousonanten des sog. Tetragrammatons, des Gottesnamens Jehovah) mit Hineinsetzung- eines S2).

Ein tieferes Eindringen in die kabbalistischen Ideen und eine grössere Durchbildung derselben verrathen die drei Bücher über kabbalistische Kunst, Leo X. gewidmet, die erst 1517 erschienen sind3).

Die äussere Einkleidung ist die , dass Philolaus der Jün- gere, ein Pythagoräer, Marranus, ein Mahometaner, nach Frankfurt kommen, um sich mit dem Juden Simon, einem kabbalahkundigen Manne, zu unterreden. Dass Reuchlin sich nicht selbst unter den Unterrednern anführt, hat seinen Grund sicherlich darin, dass in der Schrift mehrmals, so namentlich am Anfang des 2. Buches, auf den Reuchlin'schen Streit Rück- sicht genommen wird, der damals noch immer an dem päpst- lichen Hofe Gegenstand der Verhandlung war, und R. nament- lich Philolaus und Marranus sich sehr heftig über die Kölner

vetustiorum philosophorum sacramenta, sive Hebraeorum Chaldaeorumque barbara memoracula, seu Christianorum devota supplicia, quae de illorum libris atque Unguis in hoc opere prompta cernere licet, a. a. 0. !) Deinde inventus in nullius vevba jurasse. a 2 b.

2) Diese Idee wurde dann bildlich von Reuchlins Drucker Thomas Anshelm Badensis ausgeführt, der von nun an über seinem Druckerzeichen in einigen Reucblinschen Schriften die Buchstaben JHVH mit dem hinein verschlungenen S führte.

3) Joannis Reuchlin Phorcensis LL. Doc. De arte cabbalistica libri tres Leoni X dicati. Am Schluss: Hagenau apud Thomam Anshelmum. Mense Martio MDXVII. Ich möchte nur beiläufig hier auf einen Umstand aufmerk- sam machen : Das Werk de verbo mirifico hat 3 Theile, 3 sich unterredende Personen, 3 Tage, an denen der Gegenstand durchgesprochen wird ; ganz die- selbe Gliederung hat de arte cabbalistica, die Rudimenta hebraica zerfallen ebenfalls in 3 Bücher. Sollte hierin nicht auch eine Art Zahlenspielerei, der R. eine tiefere Bedeutung unterschob, gesucht werden?

J4 Verh&Hnias des hebräischen Sprachstudiums

und ihre Schlechtigkeit aussprechen lässt. Freilich ist, seiner ganzen Gesinnung nach, in dem Philolaus Reuchliu unschwer zu erkennen.

Bleiben wir einen Augenblick stehen: Man sollte nieinen, die beiden Richtungen, die wir unterschieden haben, wären so entgegengesetzt gewesen, dass sie nur in verschiedenen Personen zum Ausdruck hätten gelangen können. Auf der einen Seite die tiefe Ehrfurcht vor der hebräischen Sprache, ihrem Alterthnm, ja selbst dem Volke, das die alten Schätze ge- wahrt hatte; auf der anderen bittere Erregung gegen das letztere, als Veruntreuer ihres Gutes, Benutzen der gewonne- nen Kenntniss recht eigentlich gegen die Juden, um die Wahrheit des eigenen Glaubens zu beweisen.

Und doch waren sie vereint. Es ist eben bemerkt wor- den, wie Reuchlin in seiner Kabbalistik einen Juden Simon als Redenden einführt. Da ist denn lehrreich zu sehen, in welcher Weise von ihm gesprochen wird. Seine Gelehrsam- keit wird gerühmt, die tief und gründlich, nicht blendend und glitzernd, zwar der farbenreichen Blüthen entbehrt, aber durch Früchte ergötzt. Die ganze Nacht hätte ich bei ihm sein können, sagt einer der Fremden, so gross war mein Wunsch ihn zu hören, sein Antlitz zu sehen, und da muss der un- glückliche Sabbath dazwischen kommen. Das allein erschien ihnen störend, sonst gefiel ihnen Alles an diesem Manne. Und ein solcher Mann, gute Götter, ist ein Jude, von Juden ge- boren, ernährt, erzogen und unterrichtet, von einem Volke, das von allen Andern für barbarisch, abergläubisch, niedrig, verworfen und fern von dem Glänze aller Wissenschaften ge- halten wird ')•

Kann es uns da wundern, wenn bei diesem Stande der Dinge die Gegner der wissenschaftlichen Richtung, die sich mit Eifer dem hebräischen Studium zuwendete, oder die per- sönlichen Feinde irgend eines Mannes, der sich mit dieser

i) I>i.' letzte Stelle zu Anfang des 2. Buches lautet: DU böni, homc-Ju- daeus, es Judaeis ortus, alitus, educatus et edoctus, quae natio ubique gen- tiuin barbara, superstitiosa, vilis, abieeta e1 a splendore omnium bonarum artium aliena est habita. Näher auf das 7erhältrriss der damaligen Gelehrten zu den Juden einzugehen ist hier nicht der Ort.

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Sprache beschäftigte, ihn, am ihm empfindlichen Schaden oder Kränkung zuzufügen, des Judaisirens beschuldigten, wie der

beliebte Ausdruck lautete? Man hat gesagt, und Reuchlin hat es selbst gelegentlich einmal ausgesprochen J) , dass der ganze so berühmt gewordene Streit mit den Kölnern von letzteren nur angefangen wurde, weil man in dem durch Reuchlin angeregten und hauptsächlich vertretenen hebräischen Studium eine Gefahr für sich erblickte. Mag auch die Ansicht sich nicht beweisen lassen: manchmal schien es wirklich, als wenn die Geister in einer ähnlichen Strömung sich bewegen wollten. Es war nichts Seltenes, dass den Vertretern des Studiums der Vorwurf entgegengeworfen wurde, sie seien Juden der Gesinnung nach2); ja man verstieg sich bei vielen, die ihre christliche Abstammung gut beweisen mochten, so weit, sie getaufte Juden zu schelten! Und doch, das Studium ging nicht unter, es wurde mit grösserem Eifer immer be- trieben. Denn eben, um in das Verfahren des Mittelalters hinein zu gerathen, die Sprache zu vernachlässigen, weil man das Volk nicht achtete, davor schützte einmal das Bedürfniss der Philosophen und Theologen und was ich nicht gering anschlage die Wissenschaftlichkeit des Zeitalters, das Wehen einer neuen Zeit, die sich überall ankündigte, auch hier.

Ehe wir die einzelnen Personen betrachten, denen das Verdienst einer Neubelebung und allmählichen Ausbreitung des hebräischen Studiums gebührt, und ihre Leistungen, soll noch eine Bemerkung gemacht werden. Sie hängt mit einer obigen zusammen. Aus Hass gegen die Juden hatte man

x) Doch sagt er freilich: Forte inter alia qnod nie viderent hac aetate in Germaniam semina hebraicarum litcrarum . . . iecisse. Brief an Jacob Faber 31. Aug. 1513.

2) Die stärkste Aeusserung dieser Art erzählt Conrad v. Heresbach von einem Mönche: es will noch eine andere Sprache (neben der griechischen) aufkommen, die hebräische ; wer diese lernt, wird sicher ein Jude. Angeführt bei Schnurrer: Biogr. u. lit. Nachr. von den Lehrern d. hehr. Lit. in Tübin- gen, S. 1. Als eine Gefahr für den Katholicismus betrachtet es später der Jesuit Gretser, der meinte: Ingolstadt sei dreimal in Gefahr gewesen den alten Glauben zu verlieren, 1) als man den Erasmus berief, 2) als Reuch- lin dort die alten Sprachen lehrte, 3) als man Melanehthon hinziehen wollte. Vgl. Meuser: Johann Eck in Dieringer: Katholische Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst. 1846, I, S. 97. Anm. 1.

J£J Verh&ltniBS iea hebräischen Sprachstudiums

früher eine Beschäftigung mit ihrer Sprache verachtet: jetzt war man anderer Ansicht geworden-, schon des Unterrichts der Juden sich zu bedienen schien verderblich: auch in dieser Beziehung war jetzt ein Fortschritt erkennbar1). Freilich, es gab nicht allzuviel Juden in Deutschland. Die Verfolgungen, die bis in das sechszchnte Jahrhundert hinein dauerten, hatten gründlich unter ihnen aufgeräumt: nur in einzelnen Städten gab es noch grosse Gemeinden. Die, die sonst sich fanden, waren, wie Keuchlin klagt, theils unwissend, theils meinten sie es sei ein thalmudisches Verbot Christen zu unterrichten *). Und dann, wenn auch unter den Christen die Abneigung von früher nicht mehr vorhanden war von den Juden zu lernen, allzu- bercitwillig that man es auch nicht, und als Keuchlin seine Grammatik schrieb, da konnte er in der Vorrede, in der ei- sernen Bruder zum Studium der Sprache ermunterte, mit Recht sagen: er solle es schon deshalb lernen, weil die jungen christlichen Theologen es uicht so gern von Juden, als von ihnen beiden, empfangen wollten8).

Erschwerte so die Seltenheit der Lehrer das Studium, so waren auch anfangs die Lehrmittel von grosser Seltenheit. Die erste Bibel wurde bekanntlich erst 1488 gedruckt, und

i) Die einzelnen Beispiele, wo Christen von Juden im Hebräischen unterrichtet wurden, werden an passendem Orte erwähnt werden.

2) Reuchlin, Vorrede des 3. Buches der Rudimenta hebraica an seinen Bruder Dionysius: er habe ihn griechisch lernen lassen, nun nolui etiam huic decori tuo deesse, quin Hebraica nunc sacerdos addisceres, praeserthn cum Qostrates Judaei vel invidia, vel imperitia dueti Christianuni neminem in eonun lingua erudire velint idqne recusant cuiusdam Rabi Ami auetori- tate, qui in Tbalmud ita dixit: Non explanantur verba legis cniquam gen- tili eo quod scriptum est: qui adnuntiat verba sua Jacob, praeeepta sua et iudicia sua Israel, non fecit similiter omni genti.

8) Reuchlin sagt: Etecte vero speraverim quoslibet religionis Christianae studiosos non tarn übenter a Judaeis quam abs te sacerdote et a memet ipso ista suseipere Rudimenta hebraica. Sehr begreiflich ist. dass, da man der Juden als Lehrer sich nicht gern bediente, und geborene Christen, die man als Lehrer hätte gebrauchen können, kaum vorhanden waren, man sich an die getauften Juden wandte. Als der Abt Leonhard im Kloster Ottcn- beuren einen hebr. Lehrer für seine Klostergenossen von Reuchlin verlangte, bat er gradezu um einen getauften Juden (8. Oct. 1508): si quenquam noveria Sebraeorum fönte baptismatia renatum qui hanc provinciam subiret me per litteras certiorem reddas (Schelhorn, Amoenitates bistoriae eccleaiasticae et literariae, Frankfurt 17:'.s, p. 594).

zu dor geistigen und religiöser Bewegung der Zeit. 17

und es (lauerte noch einige Jahre, bis sie nach Deutschland kam. Reuchlin hatte seinen Bruder Dionysius nach Italien gesendet, um Griechisch zu lernen (1491). Johannes Streler, der ihn begleitete, gab sich Mühe, eine Bibel für Reuchlin zu er- langen. Nachdem er Anfangs sein Suchen gar nicht belohnt sah, fand er eine unvollständige Bibel, die er nicht kaufen mochte; nach Neapel wandte er sich, um Erkundigungen einzuziehen, denn andere gedruckte Exemplare gebe es nicht x). Als Conrad Pellikan im Jahre 1500 eine in Italien gedruckte hebräische Bibel zu Gesicht bekam, betrachtete er es für ein grosses Glück-), und noch fast 10 Jahre später, als Nikolaus Eilen- bog, ein Freund Reuchlins, auf dessen Antrieb Hebräisch lernte , wurde eine hebräische Bibel, die er zum Behufe seines Studiums von Conrad Peutinger lieh, wie eine grosse Kost- barkeit angesehen und demgemäss behandelt3).

Aber schon am Anfang des Jahrhunderts fing es an anders zu werden. Thomas Anshelm zu Pforzheim, dann zu Tübingen, dann zu Hagenau, der Drucker der Reuchlin'schen Werke, hatte recht gute hebräische Typen. Blieb er auch einige Jahre vereinzelt, allmählich fanden sich Nachfolger, und wenn merk- würdigerweise noch in der 1518 erschienenen hebräischen Grammatik Böschensteins für die hebräischen Stellen ein leerer Raum gelassen und dieselben später mit der Hand ausgefüllt

*) Streler an Reuchlin (1491) Epp. ill. vir. a 4b: Bibliam hebraicam haetenus habere non possum. (Anfang 1492) a. a. 0. E a.: Nullam adhuc possum habere bibliam hebraicam, nisi uuam quae est Bononiae, quae tarnen earet aliquot quaternionibus, quam coemere nolo. Si tarnen posthac ad nos adveherentur aliqua, satisfacerem voluntati tuae. (29. Juni 1492) a 4b sq.: De Biblia hebraica ero certior, cum Holtzhuser venerit ex regno Neapolitano, alia non sunt impressa.

-) Sehnnrrer a. a. 0. S. 3.

3) Die Briefe, in denen darüber verhandelt wird, stehen als Anhang zu Peutingers Sermones convivales, hgg. von Zapf. Augsburg 1789. Der- selbe Nikolaus Ellenbog suchte noch im J. 1512 vergeblich eine griechische Bibel zu kaufen und wandte sich an Reuchlin: Velim itaque ut siquam .enalem noveris. literis me certiorem reddas. Epp. ill. vir. h 4. Da mag freilich mit in Anschlag gebracht werden, dass Ellenbog in Ottenbeuren, fern vom Büchermarkte, lebte. Schon vorher hatte sich sein Abt Leonhard in derselben Angelegenheit an Reuchlin gewandt. S. d. o. S. 16, A. 3, an- geführte Stelle.

Geiger, Studium. 2

IS l'i'' Vorgänger EtenchliM.

.sind, 80 hat schon Förstemann *) bemerkt, dass in einer Rede Melanchthons , die vor der Grammatik in derselben Offizin ge- druckt wurde, .sieh hebräische Typen finden; Bald war es allgemein, und Vicel meint, jetzt seit der Erfindung- der Buch- druekerkunst sei es ein leichtes auch hebräische Bücher überallhin zu verbreiten2).

So war denn Alles vorhanden : die Sprache war wir dürfen den Ausdruck gebrauchen wieder entdeckt, das Bedürfnis* war da, die wiedergewonnene Kenntniss zu erhalten und weiter zu entwickeln, Lehrer fanden sich und Lehrmittel wurden in genügender Anzahl geboten und Schüler strömten in grosser Anzahl hinzu, um das Gebotene sich anzueignen.

IL

Die Vorgänger Reuchlins.

Die ersten Anfänge sind freilich ziemlich unbedeutend: ich kann nur einige Namen nennen, ohne glänzende Leistungen

!) Corpus Reformatorum cd. Bretschneider, I. col. 54, Anm. ** Der Drucker war Johann Grünberg in Wittenberg , der übrigens auch nicht lange vereinzelt blieb. Schon im folgenden Jahre meldete sich Melchior Lotter als Drucker nach Wittenberg, und sein Gesucli wurde von Andreas Carlstadt hei Spalatin, dem vielvermögenden Rathe des Churfürsten von Sachsen, unter- stützt, denn gloriam Wittenbergi futuram maiorem, si tarn Graeca quam Kebraica imprimerentür. Der Brief findet sicli bei J. G. Olearius : Scrinium antiquarium, Jena u. Arnstadt 1698, p. 49. Oh gleich damals dem Gesuch willfahrt ist, weiss ich nicht, jedenfalls finden wir nicht lange später den Lotter in Wittenberg. Dass die hebräischen Drucke in Italien früher sind als die deutschen, ist aus oben S. 17, Anm. I zu entnehmen. Vgl. übrigens die genaue Nachweisung für die hebräischen Druck,' hei de Rossi Annales hebraeo- typographici saec. XV. Der berühmte Drucker Aldus Manutius scheint. keinerlei hebräische Drucke aus seiner Officin hervorgebracht zu haben; wenig- stens schreibt er nach Aufzählung einer Anzahl lateinischer und griechischer Schriftsteller, die bei ihm erschienen waren, an Beuchlin: De hebraicis nun est impressum qoicquam (Venetiis 18. Aug. 1502), Epp. dar. vir. g 8 b und unter der Aufzählung seiner berühmten Verlagswerke finde ich Kein hebräi- sches. Vgl. .Metz. Geschichte des Buchhandels, Darmstadt 1835, 1, S. 281 ff.

-i Die Früheren quin et librorum Sebraicorura copia carnerunt, iion- dum videlicet reperta chalcographiae arte, qua levi aegotio plunmi libri cir- cumquaque diffunduntur.

Die Vorgänger Beuchlins. 19

anzuführen, Namen von Männern, die man daher weniger ihrer Werke wegen, als um der Priorität willen als Vorgänger R euch lins wird bezeichnen können.

In Tübingen wird zuerst von Hebräischkundigen berichtet, die beiden Theologen Conrad Summen hart und Paul Script oris als solche bezeichnet, beide in ihrer Art treffliche Männer, von grosser Gelehrsamkeit, beide Theologen, aber Feinde der Scholastik, die sie, namentlich der letztere, mit unermüd- lichem Eifer bekämpften. Der erstere erzählt, dass er selbst mit mehreren anderen in Tübingen von einem Wilhelm Ray- mundi, Professor der Theologie, einem in der lateinischen, griechischen, hebräischen, ja sogar chaldäischen und arabischen Sprache sehr bewanderten Mann, Unterricht in der hebräischen Sprache erhalten habe *). Aber beide haben die gewonnene Kenntniss nicht allzusehr zu verwerthen gewusst, wenigstens ist kein schriftliches Denkmal, worin sie dieselbe gezeigt hätten, auf uns gekommen, und sei es durch die Ungunst der Zeiten, sei es durch ihre Unlust oder Unfähigkeit zu erklären, sie haben keine Schüler ausgestellt, die ihren Namen für die Zukunft bekannt machen könnten.

Das muss nur ein wenig beschränkt werden, denn von einem wird allerdings berichtet, er habe, wenn auch nicht gradezu ihren Unterricht, so doch von ihnen Anleitung und Ermunterung empfangen, Hebräisch zu studiren: von Conrad Pellikan2). Es ist interessant, wie dieser dem geistlichen Stande angehörige Mann, der später in wissenschaftlicher und religiöser Beziehung eine nicht unbedeutende Rolle spielte

!) Schnurrer, Nachrichten von den Lehrern der hebräischen Lite- ratur in Tübingen. S. 2. Als erster Besitzer einer hebräischen Biblio- thek wird Johannes Behaim (Vater des Lorenz Behaim, Freund Reuch- lins und Pirckheimers ) erwähnt, a. 1490 Joannes Beham Ulmensis, primus omnium in Germania Hehr. Lexicon et libros aliquot Grammaticos a Judaeis comparavit , quibus Capnioni , Pellicano et aliis profuit. M. Crusius Annales Suevici (1595) pars III, lib. IX, cap. III, p. 489. Doch bemerke ich, dass bereits 1494 Beuchlin Dalburgs grossartige Bibliothek auch für's Hebräische rühmt, s. o. S. 12, Anm. 2.

2) Das sagt er selbst in der Vorrede zu seiner Bibel, wo er von Sum- menhart sagt: quo nihil praestantius habuit ordo Minorum, den Scriptoris als Theologorum decus et Tubingensis scholae tunc columen bezeichnet, vgl. Crusius a. a. 0. p. 513.

2*

■2() Die Vorgänger Beuchlins.

er war ein Freund Zwingiis und auch Anhänger seiner reli- giösen Richtung , danach strebte, sich eine Kenntniss der hebräischen Sprache zu verschallen. Aller Hülfsmittel beraubt, ist das erste, was ihm in die Hand lallt 1 14!>9), ein Commentar des Nikolaus de Lyra zu einigen Schriften des alten Testa- ments. Die hebräischen Wörter, die vorkommen, sucht er ver- mittelst der gegebenen lateinischen Uebersetzung zu verstehen, die einzelnen Buchstaben sich einzuprägen, so andere Worte, in denen sie wieder vorkommen, sich zusammen zu setzen. So geht er schrittweise weiter, mit unsäglicher Mühe verschatVt er sich eine gewisse Geläufigkeit im Lesen, erkennt, zum Theil durch Errathen, die Bedeutung der Worte, und hält sich für vorbereitet genug im folgenden Jahre, nachdem er auch eine hebräische Bibel erlangt hatte, sich eine kleine Grammatik und ein Wörterbuch zusammenzustellen, freilich einstweilen nur zum Privatgebrauch, die indess bei seinen Freunden in zahlreichen Abschriften circuliren. Wie es aber mit seinen grammatikalischen Kenntnissen ausgesehen haben mag, geht daraus hervor, dass er sich gar nicht erklären konnte, wieso im Hebräischen die Verba so selten in der ersten Form des Präsens erschienen, die er für die Grundform hielt. Reuchlin, den er 1500 Gelegenheit zu befragen hatte, klärte ihn erst auf, dass dies gar nicht die Grundform sei.

So ist er nicht ganz unter die Vorgänger Beuchlins zu rechnen, da er auch sonst, wie es scheint, Belehrung von diesem suchte, wenigstens empfiehlt ihn Jodocus Gallus an Reuchlin, er bittet diesen, ihn im Hebräischen zu unterrichten - liegt in dem Wunsch, den er beifügt, es wäre ihm lieber, wenn er im Griechischen seine Unterweisung begehrte, eine Spur von der Missachtung gegen die Sprache der Juden1)? Doch mag er unter diesen ersten Kennern seinen Platz finden, weil er von Anfang an seinen eignen Weg ging, und er der Erste unter den Deutschen war, der ein kleines Schriftchen

i) Jodocus Gallus Rubeaquensis (Ruffach, aus demselben Orte, aus dem auch Pellikan stammte und in dem er lange Zeit die Stelle eines Guardians verwaltete) au Reuchlin, 28. Febr. 1501 : Conradam meum Pellicanum tri

tacis fovi.-as uro sive licbvaeas seu quod malo graecas literas ex te discere cupiat. (Epp. Ol. vir. e üb sq.)

Dio Vorgänger Benohline 21

über das Vers tändniss der hebräischen Sprache veröffentlichte '). Für Reuchlin , dem er doch nur Ratli und Unterstützung, nicht vollen Unterricht und Einführung in das neue Studiengebiet verdankte, bewahrte er eine rührende Zuneigung. Er besuchte ihn während seiner letzten Krankheit im Bade Liebenzell, und als Reuchlin gestorben war, da geschah es auf Pellikäns Veranlassung, dass Erasraus seine bekannte Apotheose schrieb1').

Weiter zurück als Pellikan, der uns schon an die Grenz- scheide des 15. und 16. Jahrhunderts versetzt hat, führt uns Sebastian Murr ho aus Colmar, ein Schüler Dringenbergs in Schlettstadt, ein Freund Wimphelings und Keuchlins, dessen Kenntniss des Hebräischen uns gerühmt wird, ohne dass wir viel mehr als das Zeugniss der Zeitgenossen darüber besässen3), fahren uns zwei andere Männer, deren Namen bekannter sind: Johann W es sei und Rudolf Agrikola.

Agrikola ist einer der ausgezeichnetsten Humanisten ; seine Hauptbedeutung liegt in der Verbreitung der Kenntniss der griechischen Sprache, die er sich angelegen sein Hess, in der Begeisterung , mit der er das classische Alterthum und dessen Schätze betrachtete, in der vielfachen Anregung, die er als Lehrer für alle Wissenszweige seinen Schülern zu geben ver- stand. Seine Kenntniss des Hebräischen war wohl nicht sehr gross, er hatte es ziemlich jung von Wessel gelernt; in seinen letzten Lebensjahren war er darauf gekommen, die fast ver- gessenen Studien wieder vorzunehmen. Verstehe ich seine Worte richtig, mit denen er diesen Entschluss an Reuchlin

J) 1503 erschien von ihm De modo legendi et intelligendi Hebraea. Das Vorhergehende im Text stützt sich zum Theil auf Schnurrer a. a. Ü. S. 3 ff. Seine späteren Leistungen werden weiter unten gewürdigt werden. Trotz der Priorität seiner Leistung ist man doch gewohnt, Reuchlin und seinem Werke seiner Bedeutung wegen den ersten Rang einzuräumen. Sein in Sebastian Münster, der, wie er selbst erzählt, ein Schüler Pellikäns war, stellt es so dar in seiner Vorrede zum Opus grammaticum consummatum.

2) Diese Nachricht giebt Pellikan selbst in seinem Chron. Msc. zum Jahre 1523, das ich sonst nicht kenne, diese Stelle nur aus S. Hess: Eras- mus von Rotterdam , Zürich 1790, I, S. 215, weiss : Inveni in Thermis Cel- lensibus prope Hirsaugiam sese lavantem infirmum D. Joannen» Reuchlin . . eum ultimo vidi, nam statim diem obiit supremum . . Rediens autem Basileam et Erasmo narrans de obitu et colloquio, occasionem praestiti colloqttio Uli: De apotheosi Reuehlini.

3) Vgl. unten S. 25 und Anm. 1.

22 Die Vorgänger ßeuchlins.

mittheilt und motivirt, bo suchte er in dieser Kenntniss etwas

Positives, das ihm bisher abging und dessen Mangel er er- kannte1)- So wollte er denn die Tage seines Alters, wie er sieh ausdrückt, obgleich er damals in den besten Jahren stand freilich ereilte ihn kaum zwei Jahre darauf der Tod der heiligen Sprache widmen und mit ihreui »Studium das eifrige \.v*cn der göttlichen Gebote verbinden-)-

Wir haben schon früher die Vermischung der Theologie und des hebräischen Sprachstudiums bemerkt, und war es bei Agrikola freier Mannesentschluss, dass er, die Gebiete seines Studiums fast ganz umändernd, sich dieser Richtung zuwandte, mi war es bei Johann W es sei durch die von Jugend an feste Gestaltung seines Strebens bestimmt. Er ist einer der Bedeutendsten von den vielen geisteskräftigen Männern in Deutschland, die man sich gewöhnt hat als Vorläufer der Refor- mation zu bezeichnen. Die Befreiung aus den Fesseln der Scholastik im Leben und Glauben ist zum grossen Theile sein Verdienst, und wenn er auch vielfach noch in mystisches Sinnen sich vertieft, so ist seine ganze Auffassung der Reli- gion eine freie und befreiende 8). Seine wissenschaftlichen Kenntnisse waren viel umfassend, wenn sie auch vielfach ab-

i) Der Brief (Nov. 1483) findet sich Epp. ill. vir. i 3b sq. Per Anfang der zur Mittheilung etwas zu langen Stelle lautet: At ego qui mihi sterilem haue arenam excolendam sumpsi nisi aliquid amplius quam vulgus solet coner quid erit quo a segniciae nomine haec mea studia defendam

2) Ueher Agrikola will ich eine Bemerkung des Paulus Jovius mit- theilen, nicht etwa, weil ich glaube,' dass das in ihr Berichtete als wahr anzu- nehmen sei, sondern um an diesem Beispiele die Art der unter den Huma- nisten gebräuchlichen Lobpreisungen zu zeigen: Hausisti enim Hebraicas Graecasque literas usque adeo stupenda celeritate, ut nequaquam Groningiae in ultima Frisia, sed Hierosolymis Athenisque natus ac educatus a doctissimis crederere. (Erasmi Opera ed. Lugd. Bat. 1703 vol. I, col. 808.) Als Schüler des Agrikola im Hebräischen wird Celtis genannt in der zeitgenössischen von der societas literaria Rhenana herausgegebenen vita C. Celtis: Motus l'ama R. A. Heidelbergam adiit, ibique orätoriam et pocticam cum linguae graecae et hebraicae praegustamentis liausit. Von der besonderen Kenntniss Celtis' im Hebräischen ist nichts bekannt; in seiner Schrift De situ. . Norimbergae kommen einige hebräische Wert.' vor, ich erinnere mich nicht mehr, in «reichem Zusammenhange.

3) Eine ausführliche Biographie hat Ullmann gegeben: Reformatoren vor der Reformation (Hamburg 1842) II, S. 285 685.

tohannes Reuchlin. 23

hängig waren von seiner theologischen Richtung: ihr verdankt er auch die Kenntnis* des Hebräischen. Ol) er es während seiner Studienzeit in Heidelberg von Mönchen gelernt, die eine Zeit lang im Morgenlande sieh aufgehalten hatten, wie sein ältester fast zeitgenössischer Biograph berichtet '), oder ob er es von getauften Juden gelernt, wie Spätere wollen, bleibt ungewiss. Schriftliche Denkmale seiner Beschäftigung mit dieser Sprache hat er nicht hinterlassen; den Rudolf Agrikola hat er darin unterrichtet, vielleicht auch Andere2).

III.

Johannes Reuchlin.

Schon in dem vorigen Abschnitt ist uns der Name Keuch-, lins an vielen Stellen begegnet. Die Erweckung des hebräi- schen Sprachstudiums und die ersten Schritte zu der Ausbildung desselben sind zu eng mit ihm verknüpft, als dass nicht bei jedem Schritt, den man thut, eine Spur von ihm sich zeigte. Bei dieser Lage der Dinge muss es gestattet sein über alle Fragen, die über Keuchlins Studien in dieser Sprache Licht verbreiten, sich klar zu werden und Untersuchungen zuführen, die an sich höchst geringfügig erscheinen, eine gewisse Be- deutung nur durch das Ziel erlangen, zu dessen Erreichung auch sie hinstreben.

Die Frage nach Reuchlins Lehrern soll zuerst ihre Erle- digung finden. Die früher oft vorgetragene Behauptung, Johann Wessel sei sein Lehrer gewesen, hoffe ich an anderen Orten genügend zurückgewiesen zu haben; Agrikola sagt gradezu, Wessel habe ihn von diesem Studium abgeschreckt3). Aus diesen Worten muss man allerdings noch ein zweites entneh-

*) Hardenberg : a monachis qui vixerant in transmarinis regionibus, an- geführt bei üllmann S. 314, Anm. 4.

2) Ueber Wessel und Reuchlin vgl. das Folgende.

3) vgl. meine Abhandlung: Ueber Melanchthons Oratio... Frankfurt 1868. S. 47... 52, unsere Stelle S. 50, Anm. 2.

24 Johannes Benchlin.

inen, dass Reuchlin schon in den ersten Jahren seines Studiums1) Lust zu der Sprache gehabt hat, deren Erforschung er sich in seinem späteren Lehen fast ausschliesslich hingab. Und, wenn ich auch früher nicht geneigt war dieses anzunehmen, ein Selbststudium Keuchlins in dieser Sprache muss behauptet, selbst eine gewisse Stufe, zu der Reuchlin durch eisernen Fleiss sicli emporarbeitete, muss angenommen werden. Denn so sehr man auch die Worte beschränken will, mit denen Agrikola bereits im Jahre 1483 Keuchlins Kenntnisse im Hebräi- schen preist und dass die Beschränkung gestattet ist, wird Jeder, dem die Art und "Weise der Humanisten, bei ihren Lobsprüchen aus einer Mücke einen Elephanten zu machen, bekannt ist, zugeben so viel wird immer übrig bleiben, dass Keuchlins Beschäftigung mit der hebräischen Sprache bereits für den Anfang der achtziger Jahre feststeht2). Denn weiter dürfen wir nicht zurückgehen, man darf als sicher an- nehmen, dass es auf den Universitäten von ihm nicht in den Bereich seiner Studien gezogen wurde. Grade für diese Zeit hat er so genaue und zuverlässige Berichte über die Gegen- stände seiner wissenschaftlichen Beschäftigung hinterlassen, dass er, falls das Hebräische damals dazu gehört hätte, gewiss nicht davon geschwiegen haben würde. Für die achtziger

*) Denn er war zu Paris (und nur hier allein kann das persönliche, später, so weit man sieht, nicht fortgesetzte Zusammentreffen mit Wessel stattgehabt nahen, vgl. meine Abhandrang S. -17, Amn. 3), wo er sich 1 173/7 I und 1-177/78 aufhielt, 18 resp. 22 Jahre alt.

2) Die Stelle Agrikolas lautet: Quin tu quoque, qui contraria sentis, nescio an aeerrimis nie faeibus extimules, turpe namque fuerit mihi vol nolle id vel non posse pereipere in hoc studiorum ocio, quod tu tantis tanque diversis districtus studiis discere potuisti. Sie folgt gleich nach den oben S. 22, A. 1, angezogenen Worten. Was die Worte: tu quoqne, qtü con- traria sentis, bedeuten, ist nicht ganz klar. Sie können 'lern Wortsinn nach bezeichnen, dass Et. der Meinung Agrikolas, es sei für ihn gut und noth- wendig die hebräische Sprache und biblische Studien zu betreiben, nicht beistimme; aber das würde zu Eteuchlins Denkart, wie sie uns wenigstens bald darauf bestimmt genug entgegentritt, Dicht passen. Mir scheinen die Worte mehr darauf hinzuweisen , dass ß. von der Einwirkung Wessels auf Agr.'s erwachende Neigungen nicht überzeugt war; er halte selbst feine Anregung, im Gegentheil Zurückweisung von ihm erfahren: was Wunder, dass er glauben mochte, W. habe sich \. gegenüber in derselben ablehnen- den Weise verhalten.

Johannes Reuchlin. 25

Jahre aber liegt noch ein anderes Anzeichen vor, aus dem eine Stutze meiner obigen Behauptung gezogen werden kann, das* Reuchlins Streben nach der Erlernung der hebräischen Sprache ein grosses, der Grad seiner Kenntniss aber in dieser Zeit nur ein geringer gewesen sein kann. An Sebastian Murrho hatte sich Reuchlin im Jahre 1487 gewandt, er möge ihm einen Pentateuch zu verschaffen suchen, aber in Uebersetzung. Viel- leicht wollte Reuchlin das sei allerdings nur als Vermuthung hingestellt sich das Verständniss des hebräischen Textes (den er handschriftlich besass?) dadurch aneignen. Aber Murrho konnte seinem Wunsche nicht entsprechen, er besass nur das 2. Buch Mose und gab ihm Nachricht davon, um seine Sehnsucht nach Moses zu steigern ').

Aber alles dies sind Anfänge und mussten solche bleiben, denn es fehlte Reuchlin das, was er später so vielen nament- lich im Hebräischen geworden ist: ein Lehrer2). Und diesen

!) Das im Text Gesagte kann ich nicht als sicher hinstellen. Der Brief Reuchlins fehlt uns, der Brief Murrhos ist an sich nicht ganz verständlich. Die Stelle (Epp. ill. vir. h 4) lautet: Moysen . . ad te missum, uti desyderas et quidein flagranter fecissem, si totus apud nie interpretatus foret, sed quum solum Exodum haheam... Curabo optime Doctor, ut brevi Moyses neque tibi neque mihi desit. Partem libri tabellario huic ostendi non quod me fingere putes, sed ut desyderium tuuni in Moysen crescere faciam. Diese handschriftlichen Stücke des Pentateuchs, die Sebastian Murrho besass, sind, wie es scheint, nicht erhalten gebliehen. Ich finde eine Notiz, dass Conrad Leontorius dem Bruno Amorbach einmal einige Blätter des Pentateuch mit beigeschriebener wörtlicher deutscher Uebersetzung schenkte, die er . . von Sebastian Murrho hatte erhalten können. Fechter, Bonifacius Amorbach in Beiträge zur Vaterland. Gesch. Basel 1843. 2. Band, S. 179, Anm. 15. Der hier und schon oben (S. 21) erwähnte Sebastian Murrho nennt sieh auf seinem Commentar zu Baptista Mantuanus: Hebraicae, Graecae, Latinaeque linguarum Interpres doctissimus. (Strassburg 1501 in 4 °. ) Vgl. Panzer : Annales typographici vol. VI, p. 27.

2) Den Anstoss zu Reuchlins hebräischen Studien hat man gern in der Kabbalah gesucht und darin einen vorwiegenden Einfluss des Grafen Picus von Mirandula zn finden geglaubt. Inwieweit letzteres Wahrheit enthält, habe ich in meiner ob. a. Abb. S. G5, Anm. 5 zu zeigen versucht (vgl. auch oben S. 12); dass ersteres falsch ist, geht daraus hervor, dass R.'s Beschäfti- gung mit der hebräischen Sprache in die 80er Jahre hinaufreicht, die kabba- listischen Neigungen frühestens 1490 zu setzen sind. Dass am Ende der 80er Jahre Reuchlins hebr. Kenntniss nicht so hervorragend war, dafür mag auch ferner bemerkt werden, dass derselbe Leontorius, der im Jahre 1494

26 Johannes Eenchlin.

zu finden war allerdings schwer genug. Denn in Wttrtemberg, wo er von 1481 an, nachdem er von seinem Aufenthalte an verschiedenen Universitäten (Freiburg, Basel, Paris, Orleans, Poitiers) zurückgekehrt war, sich aufhielt, gab es kaum eine nennenswerthe Zahl von Juden l) und von diesen war keiner im Stande, Keuchlins Sehnsucht zu befriedigen. Sein Wunsch ging erst in Erfüllung, als er im Jahre 1492 von Eberhard im Bart, dem er bereits seit 1481 als Rath diente, an den Hof Kaisers Friedrich III. geschickt wurde. Dort fand er den Jakob Jehiel Loans, den Leibarzt des Kaisers, der bei diesem seiner hohen Kunst wegen in Ansehen stand, aber mit der Kenntniss seines Berufes auch ein gediegenes Wissen in der hebräischen Sprache verband.

Er wurde Reuchlins Lehrer. Es lässt sich nicht läugnen : dieses erste Begegniss Reuchlins mit dem jüdischen Arzte ist ein welthistorischer Moment. Reuchlin war ein Kind seiner Zeit, er hat sich in vielen Dingen von den Fesseln, die der Zeitgeist einem Jeden auferlegt, nicht freizumachen gewusst, vielleicht nicht einmal zu befreien gesucht. Er hatte bisher wohl Juden gesehn; zogen sie doch überall in Deutschland umher, wo eine Handelsgelegenheit sie anzog, wo ein Bedürfniss sie hintrieb. Aber in welcher Gestalt sind sie ihm erschienen! In sonderbarem Aufzuge, der sie schon äusserlich von der sie umgebenden Welt schied, mit einer eigentümlich gemischten Sprache, die nur ihnen recht verständlich war, mit einem (leiste, der nur am Irdischen, an Gewinn und Handel zu kielten und für das Höhere keinen Sinn zu haben schien. Hier trat ihm ein An- deres entgegen, ein Spross desselben Volkes, das ihm so ver- ächtlich erschienen war und seinen bisherigen Erfahrungen nach nicht wohl anders hatte erscheinen können, und dabei ein Mann, am Hofe geehrt, in Wissenschaften unterrichtet und in die Gemeinschaft der Gebildeten willig aufgenommen. Dass von diesem Augenblick an Reuchlins Ansichten über Juden

(Widmungsbrief an Jak. Wimpheling vor Reuchlins De verbo mirifico) dessen Kenntnisse nicht genug zu rühmen weiss, in einem Briefe vorn Jahre MÖi* nur von dem Griechischen und Lateinischen berichtet.

!) Einige Bestimmungen über sie in dieser Zeit sind zusammengestellt bei Wächter: Würtembergisches Privatrecht, Band [, S. 100 ff.

Johannes Reuchün. 2 i

sich von den Vorurtlicilcn der Zeit losgerissen hatten, kann man nicht sagen; aber sie sind milder als die der meisten seiner Zeitgenossen, und die Einzelnen aus dem Volke konnte ei ihrer Eigenschaften wegen achten, wenn er auch stets sich erinnerte, dass sie Juden waren. Es war schon viel, dass er jede Gelegenheit ergriff', von Juden zu lernen, überall sie aufzusuchen, freilich vergisst er nicht hinzuzufügen so weit es einem Christen erlaubt ist 1).

Seinem ersten Lehrer, von dem wir übrigens sonst nichts wissen2), bewahrte er treue Zuneigung; mir ist wahrscheinlich, dass er ihn in dem Juden Simon5) hat zeichnen wollen. In einem Briefe, den er ihm neun Jahre nach empfangenem Un- terrichte zusandte, versicherte er ihn seiner fortdauernden Anhänglichkeit4).

Ueber den Unterricht selbst besitzen wir wenige Notizen, die uns über die Art uud Weise desselben und über die Gegen- stände, die er uinfasste, gar nichts mittheilen und auch über die Dauer desselben nicht rechtes Licht verbreiten. Dass er am 25. Sept. 1492 begann, wissen wir aus einer uns von Mai aufbewahrten Notiz Reucklins5), am 18. Oct. erfolgte die Be- stätigung des Esslinger Vertrages durch den Kaiser, deren- wegen Reuchlin nach Linz geschickt worden war 6). Es lässt sich annehmen, dass Reuchlin, um seinem Fürsten von dem Erfolg seiner Gesandtschaft zu berichten, nach erlangter Be- stätigung bald nach Stuttgart reiste7), von da ist er aber wie- der nach Linz, wahrscheinlich im ersten Viertel des folgenden Jahres, zurückgekehrt. Auch Loans war eine kurze Zeit ab-

l\ Einleitung zu seinem Buche : De accentibus et orthographia Fol. III b. ... Doctissimum quenque hebraicorum auetorare praeeeptorem solitus, cum Lpsis quoque Apellis congressus, quatenus homini Christiano phas esset.

2) Denn was Grätz, Geschichte der Juden, IX. S. 55, sagt, ist nur Vermuthung.

3) s. o. S. 14.

-1) Der Brief, hebräisch geschrieben 1. Nov. 1501, Epp. 111. vir. ma. 5) Maius vita Keuchlini (Durlach 1687) p. 541. «) Chmel, Kegesten Friedrichs IV, S. 793, Nr. 8855. 7) Am 24. Oct. war er noch in Linz und erhielt daselbst vom Kaiser die Pfalzgrafenwürde. (Das Diplom abgedruckt in Epp. 111. vir. m 4h sq.)

28 Johannes Reuchlin.

wesend gewesen, und ehe Reuchlin nach Linz ging, hatte er sich hei seinem Freunde Petrus Bonomus erkundigt, oh sein Lehrer zurückgekehrt sei, dann ist er wohl bald nach Linz gegangen; heim Tode des Kaisers Friedrich III. am 19. Aug. 1 1:93 war er dort. Staatsgeschäfte hatten ihn, so viel wir wissen, nicht hingezogen, sein Wissensdurst hatte ihn hinge- trieben ]).

Man kann nicht sagen, dass Reuchlins erstes kabbalisti- sches Werk eine Frucht dieser hebräischen Studien ist, denn die dazu nöthige Kenntniss mochte er sich ganz gut aus den ihm in anderer Weise zugänglichen Büchern erworben hüben2) und speciell hebräische Studien zeigt das Buch gar nicht.

In seinem Erlernen der Sprache hatte Reuchlin aber mit diesem ersten bedeutenden Schritte nicht abgeschlossen. Wie weit er in den nächsten Jahren sich fortgebildet, liisst sich nicht sagen; die bürgerlichen Unruhen, die bald darauf Wür- temberg ergriffen und ihn zwangen das Land zu verlassen, mögen ihn nicht sehr zu ruhiger Thätigkeit haben gelangen lassen. Von Heidelberg aus, wo er sich niedergelassen hatte, ging er 1498 im Auftrage des Churfürsten von der Pfalz nach Rom, und bei dieser zweiten Gesandtschaft war es, wo er auch zum zweiten Male einen Lehrer für's Hebräische erlangte. Es war wieder ein Jude: Obadja Sforno aus Cesena, ein clas- siscli gebildeter Mann, Arzt und Philosoph, der neben dem Unterricht in der hebräischen Sprache auch Reuchlins Eifer für die Kabbalah noch mächtiger angeregt haben mag3). Auch über ihn spricht sich Reuchlin mit voller Befriedigung aus und gedachte seines treuen Unterrichts, wenn er auch ihm nicht die Anerkennung zollte wie Loans, und Sforno, vielleicht

i) 1 ) i . Chronologie' dieser Jahre kann nur nach der Reuchlin'schen Brief- sammlung hergestellt werden \i\u\ ist, da liier die Paten oichl immer zu- verlässig sind, schwierig. Ohne mich in das weitere Detail einzulassen, führe ich den Brief des Petrus Bonomus an, der vom '2. März 1492 datirt, aher gewiss vom 2. März 1493 ist; die Stelle über Loans schon hei Grätz a. a. 0. IX, S. 92, .\. 1, dem die chronol. Schwierigkeit entgeht. Dass Reuchlin heim Tode des Kaisers zugegen war, sagt er in der Einleitung zur Defensio contra ' !alumniatores Colonienses ( L513).

2) s. o. S. 1 I. Anm. 1.

3) vgl. Grätz a, a. 0. IX, S. 50 und 94.

Johannes Beuchlin. *2.»

anders als jener, sieh seine Mühe hoch genug vergelten Hess 1). Ausser diesen beiden wissen wir keinen anzugeben, der Reuehlin im Hebräischen unterrichtet hätte; er mag noch hie und da von Manchen etwas aufgegriffen haben2), aber im Ganzen war er jetzt fertig-, er konnte auf eigenen Füssen stehen, um in dem ganzen grossen Gebiete sich immer heimischer zu machen und das, was er mit Midie sich angeeignet hatte, auch andern mitzutheilen.

Schon im Jahre 1498 3) hatte er in Heidelberg begonueu zu unterrichten, es hatte nicht öffentlich geschehen dürfen, das hinderte die Wuth der Mönche. Es ist kein Zweifel: hätte Reuehlin nach einer Universitätsstellung verlangt, er hätte sie bald erhalten, aber er wollte sie nicht, er fühlte sich in seiner amtlichen Stellung behaglicher, die Mussestunden ungestört der Wissenschaft zu widmen schien ihm genug. Selbst als er seine öffentliche Stellung aufgegeben hatte und

') Melanchthon erzählt in der Oratio continens historiam Capnionis, Eeuchlin habe pro singulis horis singulos aureos bezahlen müssen. Mutian schreibt, er habe Doctori verpo pro unius dictionis, quae obscura erat, enar- ratione X aureos gegeben (Strauss, Ulrich von Hütten, I, S. 190, A. 3). Reuehlin spricht nur von einem grave impendimn. Während dieses Aufent- haltes in Rom hatte Reuehlin auch vielfache Gelegenheit hebräische Bücher zu erwerben , handschriftliche Notizen in einigen seiner Bücher weisen darauf hin; vielleicht bezieht sich darauf auch eine Stelle aus einem Briefe des Lorenz Behaim an Reuehlin vom 20. Juli 1515 (Epp. 111. vir. Cb): Tantus enim meus est in te amor, quem suavi amicitia tibi Romae cum pariter iremus Hebraicos inter Judaeos libros percontando comparasti. In der Karls- ruher Hofbibliothek, befindet sich Kimchis Wörterbuch (Neapel 1490 j, das er damals kaufte, worin von Reuchlins Hand Folgendes eingeschrieben : Hunc librum David Kimhei (!) cum commentariis super quatuor emi ego Joannes Reuehlin Phorcensis Doctor aureis tribus reu. Rome. Prid. Id. Junias Anno 1498, ebenso das Targum Jonathan^ u. a.

2) So wollte er noch 151G bei Johannes Potken in Köln sich im Chal- däischen vervollkommnen. Dieser schreibt an Reuehlin 13. Sept. 1516 (Epp. 111. vir. vi). Quod autem scribis, lata pro te sententia (nämlich im Streite Reuchlins mit den Kölnern) te Coloniam peregre iturum, ad meam in lingua quam edere coepi chaldia eruditionem , plurimum gaudeo quod sententiam vel iam latam, vel propediem ferendam spero. Ob aus der Reise und dem Unter- richt etwas geworden ist, kann ich nicht finden. Petrus Galatin nennt Potken seinen Lehrer im Chaldäischen : an Reuehlin (Juni 1515) Epp. 111. vir. C 4.

3) Für Reuchlins öffentliche Lehrthätigkeit auch im Hebräischen ver- weise ich auf meinen Aufsatz in Langbeins Pädagogischem Archiv 1868. S. 481-493.

30 Johann» BeucMin.

ihn der Herzog von Sachsen dringend bat an der Universität "Wittenberg den hebräischen Lehrstuhl einzunehmen, schlug er ihn aus, und erst als ihm durch äussere Umstände sein Stutt- garter Aufenthalt verleidet war und er sich nach Ingolstadt begeben hatte, um dort in dem Umgange der Gelehrten die Kühe zu finden, nach der er sich sehnte, erst da nahm er die Stelle eines Universitätslehrers au und versammelte eine grosse Menge Zuhörer um sich, vor der er die Grammatik des Kimchi erklärte l). Und noch einmal in seinem letzten Lebensjahre hatte er in Tübingen die hebräische Sprache gelehrt; hier, wo wir die ersten Spuren hebräischer Kenntniss in Deutsehland be- merkt haben, bestieg Reuchlin als erster öffentlicher Lehrer den Lehrstuhl -).

i) Von Reuchlins Schülern in Ingolstadt ist hauptsächlich Johannes Forster zu erwähnen, der uns später beschäftigen wird, ausserdem Johannes Eck, der bekannte unermüdliche Kämpfer für den Katholicismns. Derselbe hatte in ähnlicher Weise wie Reuchlin eine jede Gelegenheit benutzt, sich die Kenntniss der hebräischen Sprache zu verschaffen, er hatte während seiner Studienzeit in Freiburg bei dem Carthäuser Gregor Reisch, später bei Joh. Böschenstein, dann hei Reuchlin gelernt, er hatte den getauften Juden Pater Staffelsteiner zu Rathe gezogen. selbst den Unterricht des jüdischen Gelehr- ten Elias Levita nicht gescheut. 26 Jahre hat er nach seinem eigenen Ge- ständniss der Beschäftigung mit dieser Sprache gewidmet, und er rühmt sich wohl mit Recht seiner Kenntniss derselben, lieber dieselbe geschrieben hat er nicht, wenn man nicht ein von ihm angelegtes, handschriftlich in der k. k. Hofbibliothek in Wien vorhandenes Regestum super lexico hebraico Capnionis (1521) und eine ebenda befindliche Epitome super grammatica hebraica Farinarü vulgo Kimhi Ingolstadii tradita (nämlich von Reuchlin) et ah EcMo auditore aeeepta was von den Grammaticalia hebraica et graeca, die sich gleichfalls da belinden sollen, zu halten ist, kann ich, da jede weitere Nachweisung fehlt, nichtsagen, als selbständige Werke be- trachten will, nur in seinen Predigten und Bibelerklärungen sie vielfach be- nutzt. Vgl. die gründlichen Nachweisungen bei Dr. Wiedemann: Johann Eck, Regensburg 1865, S. 23— 25, namentlich die Anmerkungen, und S. G15.

2) Zu den Schülern in Tübingen gehörte Jakob Gruerius. Er schreibt an \ik. Ellenbog 29. Juli 1526: Sunt et mihi collectanca quaedam in ge- oesim, librum ruth et aliquot psalmos quae a Joanne Capnione, viro in re hebraea et primo et facile doctissimo, cum Tubingae hebraea et graeca publice profiteretur, ad calamura dictitans, magno cum Labore exeripsi, ex- cripta adhuc mecum habeo, ceu pignora et monumenta fidi mei praeeeptoris Capnionis. Hamm si petieris olim copiam faciam quoque tibi. Dass Ellen- bog dieses Anerbieten nicht ausschlug, ist natürlich. Collecfanea tarnen quae Capnione illo doctissimo praeeeptore studiosus auditor collegisti ad me des precor. in die Sixti 1 •">:'.(;. Die I'.riefe in Nie Kllenbogü Epistolarum libri IX.

Fohannes Renchlin. 31

Aber während er in Stuttgart lebte, ohne ein Lehramt zu bekleiden, hat er Einzelne in die Sprache eingeführt. Wir haben schon oben gesehen, wie er dem Conrad Pellikan mit seinem Rathe behiilflich war; dass er Johann von Dalburgs Lehrer im Hebräischen war, wird freilich ohne Beweis be- richtet. Aber gewiss ist es, dass Melanchthon, Keuchlins Gross- neffe, wie er überhaupt dem Alten für seine Bildung und Er- ziehung so viel verdankte, auch das, was er im Hebräischen kannte, von diesem gelernt hatte'), und die Jünglinge, die, wie Melanchthon erzählt, in seiner Gemeinschaft gern und oft zu dem „greisen Vater" von Tübingen nach Stuttgart wall- fahrteten 2), mögen auch dazu Anregung von ihm erhalten haben. Und auch andere strömten ihm zu, Christoph Schilling aus Luzern3), ein Jüngling, dessen auch Cornelius Agrippa von Nettesheim rühmend gedenkt4); Johannes Oekolainpad, der, nachdem er seine Studien in Heidelberg beendet hatte, nach Stuttgart eilte, um die Kenntniss des Hebräischen aus der Quelle zu schöpfen, aus der sie ihm am reinsten floss5); Johannes Cellarius , der die Verehrung für seinen Lehrer auch dadurch zeigte, dass er ihm ein Werk, das später noch zu besprechen ist, dedicirte und in einer Vorrede sein Lob in be- redtesten Worten aussprach G); Bartholomäus Caesar, dessen wir in anderm Zusammenhang nochmals werden gedenken müssen, der mit einer Empfehlung des Lorenz Behaiin zu

üb. IV, ep. 47, 48, fol. 132 sq. (Cod. 8643 der Bibl. Imper. in Paris, vol. I). Schüler R/s in Ingolstadt ist ferner Jacob Ceporinus, später Prof. des Hebr. in Zürich (s. u.). Vgl. Ersehn. Gruber: Realencyclopädie, Sect. I, Th. 15, S.57.

*) Camerarins in der vita Melanchthonis sagt es freilich nicht aus- drücklich, sondern nur (ed. Strobel, p. 70) Hebraicae linguae . . . quam a d o - lescens discere non negligenter ineeperat.

2) Davon spricht Manlius Locorum connnunium collectanea (Basil. 1563) nach Melanchthons eigenen Erzählungen an vielen Stellen.

s) Reuehlin erwähnt ihn in dein Schlussworte des Werkes De accentibus et orthographia , bei dem er ihm einen kleinen Dienst leistete.

4) Agr. ab Nettesheim Opera (1739) II, p. 733: Legi ego nuper in fine operis integerrimi viri Johannis Capnionis intitulati de accentibus mentionem eiusdem Christophori, gaudeoque permultum tarn digno diseipulo tarn ex- cellentissimum Cuiitigisse praeeeptorem.

5) Herzog, Leben Oekolampads, I, S. 107.

6) Isagogieon in hebraeas literas. Hagenoae 1518.

32 Johannes ßeuchlin.

Reuclilin reiste, in der das bezeichnende Wort vorkommt] er ginge zu ihm, dürstend nach der Quelle der Erkennt-

uiss1); und viele andere, deren Kamen nicht überliefert sind2).

Und konnte Reuchlin mit dem mündlichen Worte nich* Belehrung geben, dann suchte er auf andere Weise den die lvenntniss der Sprache liegehrenden nützlich zu sein. Von vielen Seiten wandte man sieh an ihn, er möge einen Lehrer für das Hebräische schicken. Es ist schon berichtet worden ', wie der Abt Leonhard von Ottenbeuren darum bat (1508), hauptsächlich, wie es scheint, für den Nikolaus Ellenbog, einen in den Wissenschaften bewanderten Mönch seines Klosters. Reuchlin konnte dem Wunsch nicht alsbald entsprechen, 1510 war er im Stande einen hebräischkundigen getauften Juden zu schicken; nachdem dieser einen Monat hindurch unterrichtet hatte, musste er das Kloster verlassen. Ellenbug wandte sich an Conrad Peutiuger, um diesen Lehrer mit Hülfe und Rata zu unterstützen1)- Aber nicht blos in die Klöster drang die von Reuchlin gegebene Anregung, auch in die militärischen Kreise. Hieronymus von Eudorff, doctor et miles, Rath des Kaisers, Beamter seiner Hofhaltung, wie er sich selbst nennt, hatte sich vom Hofe des Kaisers auf sein Landgtitchen be- geben. Er hatte Sehnsucht nach den heiligen Wissenschaften und hätte am liebsten Reuchlin selber bei sich gesehn. Da

!) In dem oben S. 29, Anm. 1 angeführten Briefe: At nunc quia fcuus discipulus amicusque mens Bartholomaeus Caesar ad fcuam exceUentiam, uti sitibundus, ad scientiarum fontem proficiscitur. . .

2) Eine Stelle ßeuchlins über seine Schüler (Vorrede zu seinen Septem psalmi poenitentiales. Tübingen 1512) verdient angeführt zu werden: Cuius exercitü diseipulos uonnullos nulla tarnen mercede sed gratuito feci partieipes, partiin gratos qui praeeeptori suo delntuin honorem perquam reve- renter exhibent partim vero, ut acerbe audio, supreme ingratos quibus deum iudicem propono et nisi resipuerint vindicem opto. Ob unter die Zahl der ersteren .Simon Sun leid zu rechnen ist? Jakob Ziegler schreibt an Erasmus: Codicem Cypriani ego vidi concreditum Simoni Sunfeldo, doctori Medicinae, homini Hebraea, Graeca et Latina Lingua docto, et cui est ad

Capni in Qostrum antiqua familiaritas. Rom. 16. Febr. 1522, OperaEräsmi

CLugd. Bat. 1706) vol. III, col. 1699. Epist. (Appendix) uro. CCCXX.

3) S. oben S. 16, Anm. 3.

4) Per Brief in C. Peutingeri Sermones convivalea ed. Zapf. Aug burc L789 uro. Vil, p. Ms 8q.

fohannea Renchlin. )53

das nicht anging, bat er um einen Lehrer, den Renchlin zu dieser Thätigkeit vorbereitet hätte *). Und selbst die höchsten Kreise verschmähten es nicht seinen Beistand zu verlangen. Es ist erzählt worden, dass der Churfürst von Sachsen ihm den hebräischen Lehrstuhl in Wittenberg anbot; als er ihn für sich ablehnte, bat er ihn wenigstens, einen andern, der ihm geeignet schien, für diese Stelle vorzuschlagen2).

Und auch in anderer Weise verlangte man seinen Rath. Wie er im Lateinischen und Griechischen, wie er in der Theo- logie als Autorität galt, an den man sich in zweifelhaften Fällen wandte, dessen Gutachten man bei schwierigen Fragen einholte, so wandte sich Peutinger an ihn, um zu erfahren, ob der 5. Mos. cap. 14 erwähnte pygargus nicht vielmehr py- gardus heisse, ob er eine Adlerart sei oder ein vierfüssiges Thier3), will Johannes Stoifler, der bekannte Astrologe, wissen, ob bobel und bovel hebräische Worte sind 4), fragt ein Wolfgang praepositus in Ror über schwierige Stellen in Reuchlins Werk de verbo merifico an5), fordert ihn Johannes Amorbach auf, ihm bei seiner Ausgabe des Hieronymus für die Dinge, die Kenntniss des Hebräischen nöthig machen, behülflich zu sein e), und Andere verlangen Anderes7). Alle diese kleinen Züge mögen nicht für mehr gelten, als sie wirklich sind: sie sollen nur dazu dienen, die Wirksamkeit Reuchlins, die in ihren

x) An Reuchlin 31. Jan. 1509 (Epp. 111. vir. i a.b.) Ich führe nur eine kleine Stelle an: Sed ctulcissime, mi pater, cum caream docentis vivae vocis oraculo obsecro ut unum mihi mittas quem forte instituisti pro cura huiusce rei. Der Lehrer soll auch reiten können, um ihn und sein Söhnchen auf Reisen zu begleiten; dafür soll er Unterhalt und Kleider bekommen und Gehalt, so viel Reuchlin für ihn verlange.

2) Reuchlins Brief an den Churfürsten vom 7. Mai 1518, auf den in andenn Zusammenhang zurückzukommen ist.

3) 12. Dec. 151*2 Epp. 111. vir. e 4 sq. Reuchlins Antwort folgt gleich ilarauf.

4) 8. Apr. 1502. Epp. 111. vir. i b sq.

5) 1501. Epp. ill. vir. h 4.

6) 27. Juni 1509 Epp. ill. vir. g 1 1) sq.

7) Auch seine im Hebräischen ebenso gut als in anderen wissenschaft- lichen Fächern ausgestattete Bibliothek veranlasste zu Bitten, vgl. oben S. 17, Anm. 3. Georg Simler bittet dringend um einen hebräischen Psalter 20. Juni 1509. Epp. ill. vir. i 2a.

Geiger, Studium. 3

34 Johannes Eteuchlin.

grossen Zügen so bekannt ist, auch für das Kleine und Ein- zelne zu beleuchten J).

Die grösseren Werke und Arbeiten, die er auf unserem Gebiete hinterlassen, sollen im Folgenden erwähnt werden. Zuerst erschienen seine Rudiments Linguae hebraicac, 1506, hebräische Grammatik und Wörterbuch. Reuchlin war sich bewusst, damit einen neuen Weg- zu betreten, und wie er am Schluss des Werkes die stolzen Worte von sich aussprach : Exegi monumentum aerc pereimius, so kehrt das Selbst- bewusstseiu, als Erster auf diesem schwierigen Pfade voran- zugehn, noch an vielen Stellen wieder-). Gleichsam zur Ver- teidigung, dass er das Werk überhaupt unternommen, führt er eine Constitution Papst Clemens' V. an, die die Beschäfti- gung mit der hebräischen Sprache gestatte; und wie wenig vorbereitet er die Leser seines Werkes glaubt, zeigt er da- durch an, dass er sie wiederholt crmahnt, das Werk nicht wie andere von der linken zur rechten, sondern von der rechten zur linken Seite zu lesen3). Er theiltc das Werk in drei Theile: der erste umfasstc Erläuterungen über Buchstaben, Silben, Redewendungen, enthielt alle Worte von Anfang des Alphabets bis zum Buchstaben k ; der zweite setzte das Wort- verzeichniss vom 1 bis zum Ende des Alphabets fort, indesfl nur die biblischen Ausdrücke, ohne die Sprache des Talmuds und der Rabbinen zu berücksichtigen und ohne auch für die ersteren Anspruch auf Vollständigkeit zu machen. Der letzte Theil handelte von der Grammatik; er sollte den, der übei

!) Wie sehr man nach seinem Tode seinen Beistand vermisste, dafür mag Folgendes als Zeugniss dienen. Nikolaus Gerbclius ein Pforzheimer, wie Ecuehlin schreibt an Johann Schwehel: Quod adeo avide studi Hebraica seetaris recte atqne optime facis. öbi enim melius divinum spiri- tum pereipies quam in ea Lingua qua primo hominem animarc voluit? Ego sane nulla re egeo ad iil studium, quam Capnionis opera. Nee est quod plurium librorum copiam desideres, mea sententia: nam tota res in veteri Testamento conferendo consistit. 1523 in: Centuria Epistolarum theolo- gicarum ad Johannem Schwebelium. Zweibrücken 151)7. uro IS. p. 49 sq.

2) z. B. in der Vorrede zum 1. Buch: Quod qunm ante me inter Latinos nemo fecisse appareat, spero inde gratiam band medioerem et apud posteros laudem absqne invidia non intermorituram consequi.

3) Tn der Einleitung zum 1. Buch und am Schluss des Werkes inen paar Versen, die anfangen : I !anon. Non esi liber legendus hie ceii ceteri u.s.v.

Johannes Reuchlin. 35

die Bedeutung der "Worte unterrichtet sei, nun in den Stand setzen, in ihren Theilen kunstvoll gestaltete Sätze und Rede- wendungen zu bilden. Als Vorbild folgte er dem Sepher Michlol des Kimchi, einem Buche, das ihm beim Erlernen der Sprache gute Dienste geleistet hatte. Er hatte nach besten Kräften gearbeitet. Schätze des "Wissens zusammengerafft und geordnet und war von einem Geiste geleitet worden, der nicht starr an dem Ueberlieferten klebte , sondern sich von dem Falschen, was frühere Zeiten gelehrt hatten, zu befreien suchte. Grade das, meinte er, werde ihm wohl Feindschaft eintragen, dass er es oft gewagt die Uebersetzungen der Früheren zu tadeln, eines Hieronymus, dessen Schriften vom Papst Gelasius als beilig aufgenommen, eines Nikolaus de Lyra, der als treuer Erklärer allen Gläubigen bekannt sei. Aber dasselbe Recht, das Hieronymus gegen die Uebersetzung der 70, das Lyra gegen die des Hieronymus, das Paul von Burgos gegen Lyra angewendet habe, das stehe auch ihm gegen jene zu, er ver- ehre sie auf's Höchste, aber die Wahrheit gehe ihm über Alles ')• Seine Anstrengungen in dem Buche 2) wurden anerkannt.

!) Die letztere, oft angeführte schöne Stelle lautet: Quanquam eniin Hieronymum sanetum veneror ut angelum, et Lyram colo ivt magistrum, tarnen adoro veritatem ut deum in der Vorrede zum 3. Buch.

2) Eine neue Ausgabe veranstaltete Sebastian Münster, Basel 15: ">7, über die später zu sprechen ist; einen Auszug des Lexikons gab Theodoricus Martinus Alostensis in seinem Dictionarium Hebraicum (o. 0. u. J. in 4°. Bibl. imp. Par. X, 99.) Er sagt selbst auf dem Titel: Redeginius in Enchiridion, lectores optimi, primitiva vocabula sive radices hebraiearum dictionum . quae a Capnione diligenter et diffuse traetantur, cuius ideo ubique

ferme verba apposuimiis, quod ingeniöse in alienis libris videri noluimus

Das Blich enthält nichts als die Stämme mit den abgeleiteten Worten, alles unpunktirt, daneben Angabe ihrer Bedeutung in möglichster Kürze, kein Wort nimmt mehr als eine Zeile ein. Dann folgen unter dem Titel: Utilis quaedam et succineta in Hebraeas literas introduetio ganz kurze Bemerkungen über die Buchstaben und eine Tabelle des Verbums. Der Schluss des Ganzen mag hier folgen: Kon esse ignorandum statuo, vocabula in dictionario meo posita nihil existimari deberi nisi formas, typos, exemplaria et ideas nondum singnlarizatas, ideo nee opns esse punetis in dictionario nee vocabula necesse fore seeundum notata illic pnneta pronunciari. Deinde memineris velim, in- tegra verba res vel actiones significantia (non dico consignificativa ) trito more ternis literis constare praeter admodum pauca, quapropter, si abundantiam videris, subtrahe, sin defeetnm, adde. Sunt itaque literae in prineipio vel ob- mutesci-nte^ aleph et iod vel deficientes nun, lamed, jod. In medio vero

3*

36 Johannes Benchlin.

von allen Beurtheilern der Zeit und Reuchlins Leistungen wird dies Werk als ein grundlegendes betrachtet. Bei diesem einen Werke blieb Rcuchlin nicht stehen, in verschiedenen anderen hat er die Früchte seiner Beschäftigung mit der hebräischen »Sprache niedergelegt. An die Rudimenta schloss sich ein zweites an, das einzelne Theile der Grammatik näher erläu- tern sollte: über Accente und Orthographie. In drei Büchern sollte es die Regeln für die Aussprache lehren , in dem ersten die des grammatischen, im zweiten des rhetorischen, im dritten die des musikalischen Accents auseinandersetzen. Der soge- nannte grammatische Accent, die Betonung in der gewöhn- lichen Rede, wurde nach seinen verschiedenen Arten im Nomen, Adjectivuni und Verbum gelehrt, für die Regeln der Musik folgten einige Notenbcilagen, die das Gesagte deutlich machen sollten l).

Auch andere kleinereWerke sollen nicht übergangen werden. Schon im Jahre 1512 hatte er, im Auschluss an seine Rudi- mente, wie um die hier nur theoretisch gegebenen gram- matischen Lehren praktisch auseinanderzusetzen, die 7 Bus-; Psalmen herausgegeben, dem hebräischen Text eine wortgetreue Uebersetzung folgen lassen und daran Erklärungen ange- schlossen, die weniger dazu bestimmt waren, die Schwierig- keiten, die der Sinn bot, zu lösen, als die grammatischen Fragen bis in's Einzelnste zu erörtern2). Mit diesen Studien hing auch ein anderes Werkchen zusammen, das kurz erwähnt sein mag, eine Uebersetzung der Erklärungen des Athanasius

alepb, iod, wau, in fine autem aleph et he et si qua sit litera geminata. Ili sunt modi, quibus tales tlcfectus reparare valebis. Finis. (Dieses Stiu-k wird als von Eeuchlin geschrieben angegeben.)

i) Das Werk De accentilms et ortbograpbia Linguae Hebraicae.. libri tres erschien, dem Cardinal Hadrian gewidmet, Eagenau bei Thomas Anshelm 1518. l)ass die Angabe Köhlers (Beiträge zurLit.- u. Kunstgesch., 2. Tb., Leipzig 1794, S..3), Benchlin habe ein hebr. Wörterbuch onter dem Titel Breviloquus herausgegeben, auf einer Verwechselung mit R.'s lateinischem Lexikon beruht, bedarf keines weiteren Beweises.

2) Joannis Beuchlir .... in septem psalmos poenitentiales hebraicos interpretatio. Tübingen, Anshelm L512. Das Fehlen bibliographischen Details in diesem Abschnitt bitte ich damit zu entschuldigen, dass eine in Vor- bereitung begriffene Biographie Reuchlins auch hierüber das Nöthige an- geben wird.

Johannes Reuchlin, o7

zu den Psalmen, ohne Zuthat Reuchlin's (1515). Eine andere Arbeit war die Uebersetzung eines hebräischen Gedichtes, die silberne Schüssel des Joseph Ezobi in Perpignan, eines Hoch- zeitsgedichts, das dieser für seinen Sohn Samuel verfasst hatte (1512 *).

In hebräischer Sprache selbst hat Reuchlin nur sehr Weniges geschrieben ; die Anführung eines von ihm verfassten hebräischen Werkes beruht auf einer Verwechselung 2). Einige Briefe von ihm in dieser Sprache sind vorhanden, an seinen früheren Lehrer Jakob Loans, an den Leibarzt Leo's X., Bonet de Lates, in dem er um dessen Mitwirkung in seinem Pro- cesse gegen die Kölner, namentlich um die Geltendmachung seines Einflusses beim Papste bat, ein Promemoria in diesem Streite, das im Wesentlichen nur eine Umschreibung dieses Briefes ist:;). Ein anderer hebräischer Brief ist verloren, nur das Antwortschreiben des Jakob Margoles, Vorstehers der jüdischen Gemeinde in Piegensburg, ist erhalten, aus dem hervorgeht, dass Reuchlin sich an ihn einiger kabbalistischen Werke wegen gewandt hatte4).

Nach Betrachtung der Leistungen 5) sei es gestattet, einen kurzen Blick zu werfen auf die Art, in der die Zeitgenossen Reuchlin's Studien betrachteten. Und da kann man wohl sagen: sie strömten über von Lob. Es war ein ganz neues Gebiet, das Reuchlin ihnen erschloss, und wie sie sich gern seiner sicheren Leitung in demselben anvertrauten, so Hessen sie es an sich nicht fehlen, seine Verdienste ihm selbst und der Welt gegenüber in das richtige Licht zu stellen. So

Jl Vgl. F. Delitzsch: Zur Geschichte der jüdischen Poesie. S. 66.

2) Serapeum etc. von E. Naumann, 1868, Nr. 13, S. 193 fg. Eben- sowenig, wie diese Schrift, dürfen Reuchlin die Tabulae XX. institutionum in linguam S. Basileae 1554. Compendium Grammaticae Hebr. Wittenberg 1581, zugeschrieben werden, wie Herzog Athenae Rauricae p. 458 dies thut.

3) Ueber den Brief an Loans, s. o. S. 27, Anm. 4. Die beiden letzten Schriftstücke hat Grätz a. a. 0. IX, Noten, S. XVII XX. abdrucken lassen.

4) Ueber diesen Brief (Epp. ill. vir. m b sq.) undatirt und die Ver- wirrung, die Grätz in Betreff des Briefschreibers angerichtet hat, vergl. Dr. M. Wiener in Frankel : Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums, 1868, S. 345 sqq.

5) Reuchlin's kabbalistische Werke sind oben (S. 12—14) bereits als eine Folge der hebräischen Studien im Allgemeinen zur Genüge gewürdigt.

38 Johann« Reuchlin.

nennt ihn Heinrich Bebel einen Manu, dem man gegenwärtig in der Kenntniss des Hebräischen selbst vor jedem Juden, geschweige denn vor einem Christen den Vorrang geben müsse l), ja seit Hieronymus sei kein solcher Mann anfge standen, weder in Deutschland, noch in Frankreich, noch in Italien. Nicht blos die griechische Sprache habe er wieder erweckt, sagt der Hirsauer Mönch Nikolaus Basellius, auch die hebräische ziehe er nun aus dem Staube hervor. Die ganze Gelehrtengemeinde müsse ihm unendlichen Dank sagen, da er eine solche Last auf seine Schultern nehme, die Juden müssten sich beschämt zurückziehen, in der Kenntniss ihrer eigenen Sprache besiegt, die Theologen müssten ihm den Kranz reichen, da er die heiligen Schriften in ihrem alten Glänze habe auferstehen lassen2). Durch seine Verthcidigung der jüdischen Bücher gegen Pfefferkorn's Angriffe galt er als der Erretter der Lehre jener Bücher, ohne deren Kenntniss uns ewige Nacht umhüllt, ewige Verdammniss uns umgibt 3).

Es gab nur Wenige, die nicht diese Bewunderung theilten, die nicht in die allgemeine Lobpreisung einstimmten, das waren fast nur die Kölner Gegner Reuchlin's, vor allem Johann Pfefferkorn, Letzteren hatte Reuchlin freilich empfindlich genug gekränkt; er hatte ihm gesagt, er sei ein durchaus unwissender Mensch und verstünde kein Hebräisch. Das ver- suchte ihm Pfefferkorn mit gleicher Münze zurückzugeben. Reuchlin hatte4) ehrlich genug gestanden, er hätte den Thalmud nicht erwerben und erlernen können; dieses Gcständ- niss griff Pfefferkorn begierig auf5), er sprach ihm Kenntniss der jüdischen Gesetze und Schriften kurzweg ab6) und er- klärte den Ruhm, den die Juden Reuchlin als einem in ihrer Sprache und ihrem Schriftthum Erfahrenen zuerkannten, nicht als auf Reuchlin's wirkliche Verdienste gegründet, sondern

i) Epp. 111. vir. fl).

2) 14. Sept. 1501 Epp. ill. vir. h iia sq.

3) Acgidius Viterbiensis an Reuchlin 1516. Epp. ill. vir. H üi 1' q. ■i) Augenspiegel, fol. XLb.

■r>) Brantspiegell (Köln 1512) l> I .-> : Aber in dem hat er -wai gereth das er keyn verstant des Thalmndts hat». (51 liaihlt Spiegel (15J1) fl '-'•

Johannes Reuehlin. .'{!)

als eine Folge der jüdischen Gewohnheit „wer sie berümpt, den berümen sie wider, und wer jn dient, dem dienen sie wider l).u Die natürliche Consequenz von Pfefferkorn's Vor- wurf, Reuehlin verstände kein Hebräisch2), war, dass er er- klärte, die unter seinem Namen ausgegangenen hebräischen Werke seien gar nicht von ihm; er habe sie sieh von einem gelehrten Juden machen lassen, und nur seinen Namen dazugesetzt, „gleich als ob du werst ein grosser gelerter Doctor unnd lerer der Hebreyscher tzungen8)." Gegen diese Vorwürfe hat sich Reuehlin vertheidigt, aber wir erkennen den Ungrund der Beschuldigung an, auch ohne die Vertei- digung gehurt zu haben.

Er hatte sich gegen diese Anschuldigungen vertheidigt, weil die Beschäftigung mit der hebräischen Sprache ihm eine Herzenssache war. Er war stolz darauf, sie wiedererweckt zu haben, nicht weil er reichen Lohn dafür erwartete, sondern weil er im Stande gewesen, den Studien seiner Zeitgenossen eine neue Richtung zu geben. Zu dieser Leistung fühlte er sich gleichsam berufen; die Juden, die einzigen Lehrmeister der Sprache, seien bald ganz aus Deutschland verbannt, man müsse fürchten, dass mit ihnen die Kenntniss der hebräischen Sprache verschwinde und jede Gelegenheit aufhöre, sich die- selbe zu verschaffen '-). Es war ihm die heilige Sprache; mit ihrer Erschliessung meinte er der Theologie einen wesent- lichen Dienst geleistet zu haben und beklagte sich bitter, dass das von den Kölner Theologen nicht anerkannt wurde5); erst durch sie, lehrte er, könne man in den Stand gesetzt werden, die tiefe, verschlossene Wissenschaft der Philosophie zu ergründen 6).

i) a. a. 0. C 2b.

2) Er sagt einmal, Reuehlin verstünde nicht soviel, „das du (Reuehlin) eyn Epistel auss dem Latein in die Hebreysche sprach oder auss dem He- breyschen in das Latein möchst übersetzen." Pf. Eyn mitleydliche claeg vber alle claeg etc. (1521) Gl.

3J Eyn mitleydliche claeg F 4 b.

4) De Eudimentis hebraicis, Einleitung zum 1. Buch.

5) An Arnold v. Tungern, 28. Octbr. 1511. Epp. ill. vir. p ii fg., ähn- lich in der Vorrede zu Septem psalmi pocnitcntinles 1. August 1512.

6) Eud. hehr., Schluss des 3. Buches.

40 Johannes Beuchlin.

Und dennoch, obwohl es sein Liebstes war, sieh dem Studium dieser Sprache ganz zu weiheu, erkannte er gar wol, welches Vorurtheil noch gegen die Beschäftigung mit dersel- ben herrschte, und als Pfefferkorn ihm einmal vorwarf, er habe sich gern vor Fürsten und Herren seiner Kenntniss ge- rühmt, da hatte er nicht Unrecht, wenn er der Zurückweisung dieses Vorwurfs die Bemerkung hinzufügte, ein solches Prahlen „hett mir vil mer zu verclaincrung gediennt, dann zu ainem lob1)." Und fast am Ende seines Lebens, 1518, als er sein zweites grösseres Werk dem Cardinal Hadrian zueignete, musste er es aussprechen: Nicht Durst nach Gold habe ihn dazu getrieben, die hebräischen Geheimnisse zu lernen, nicht eitle Ruhmsucht, im Gegentheil, er habe diese Studien ver- bergen müssen, weil man sie eines hochgestellten Mannes für unwürdig hielte -).

Dass dieses Vorurtheil für die Folgezeit ganz geschwun- den ist, das wird, wenn auch die Leistungen Keuchlin's jetzt nicht mehr mit derselben hohen Bewunderung angesehen wer- den, wie früher, stets das Verdienst Beuchlin's bleiben3).

!) Reuchlims Augenspiegel (1511) fol. XXXVb.

2) Xulla me fames auri adegit ad hebraica mysteria diseenda, nulla inanis gloria sitis, ea enim studia tum celanda vulgo erant, ut quae in tänta dignitate constituto viderentur indecentia.

s) Wie sehr die Tübinger Universität Beuchlin's Verdienste um's He- bräische zu schätzen wusste, zeigt Folgendes: Am 18. April 1728 bei Ge- legenheit eines Examens von 24 Studirenden veröffentlicht Uecanus et col- legiutn Facultatis Philosophicae einen Anschlag (ein Folioblatt in der k. Stuttgarter Bibl. eingelegt in die Handschrift Hist. 560), in dem über die hebräischen Lehrer in Tübingen gesprochen wird. Tübingen sei in der Re- formationszeit den übrigen Universitäten überhaupt vorangegangen, in einer Zeit, wo hebraea legere propemodum haeresis erat. Das erste hebräische Buch, Psalmi poenitentiales VII, sei dort gedruckt (1512, der Ansehlag gibt fälschlich an 1522), sed etiam de constituendo et vocando Professore harum linguarum scrium est actum. Quis vero voearetur alius quam hujus litera- turae felicissimus Restaurator atque adversus ignarum et rudissimum istius äetatis Monachorum pecus fortissimus Vindex, incomparabilis Reuchlinua, vel, ut appellari amabat, Capnio, qui licet Juris Consultus, Cornea Palatiniis, Consiliariu3 Caesareus et maxime Würtemhergicus atque ad Mimmas Baepe Aulas Legatus, tanto tarnen linguae sanetae flagravit amore, ut eam maxiiiia diligentia multoque pretio Vindobonae et Eomae a Judacis didicerit, in scriptis suis doctissimis, lexico maxime, propagaverit, et cum in Bojorum Angelopoli, tum hie Tubingae A. MDXXI. primus publice fuerit profeaaus,

Johann Böschenstein und Matthäus Adrianus. 41

IV.

Johann Böschenstein und Matthäus Adrianus.

Das Vorurtheil, als sei ein Jeder, der sich mit dem Stu- dium der hebräischen Sprache abgebe, ein Jude, als weiche er von christlichem Wege, von christlichen Anschauungen ab, hat sich namentlich gegen die beiden Männer gerichtet, deren Lebensschicksale und Leistungen uns im Folgenden beschäf- tigen sollen.

Matthäus Adrianus war ein geborener Jude aus Spanien. Ob er selbst bei der Vertreibung der Juden aus Spanien (1492) dies Land verlassen hat, oder von einer spa- nischen Familie stammt, lässt sich nicht entscheiden ; Reuchlin nennt ihn einmal Hispanus1), das ist der Beweis für seine spa- nische Herkunft, dass er ein getaufter Jude gewesen, dafür liegen sichere Zeugnisse genug vor -). Er hatte in seiner Jugend, wie jeder andere Genosse seines Glaubens, sich ohne Zweifel die nothwendigen Kenntnisse in der „heiligen Sprache" er- worben; aber sein eigentliches Studium sollte es nicht werden, er war Arzt und ist es ohne Zweifel auch sein Leben hin- durch geblieben; noch 1517 beglückwünscht Erasmus den kranken Peter Aegidius, dass er einen Arzt (Adrianus) zum Freunde habey).

Wann und wo Adrianus geboren, in welcher Weise ei- sern Leben zugebracht bis zu dem Augenblick, wo er uns zuerst begegnet, können wir nicht sagen ; auch von da an, wo wir die erste sichere Spur von ihm besitzen, können wir keine Annalen seines Lebens liefern, wir sind auf fragmentarische

!) Er sagt von einer Schrift Pfefferkorns (einer Uebersetzung des Ave Maria u. s. w. in's Hebräische), sie sei von Adriano Hispano iuste reprehensa. Reuchlin an die Pariser Fakultät 19. Juni 1514. Epp. ill. vir. v 3 b.

^J Erasmus schreibt an Aegidius Buslidius: Adrianus genere Hebraeus, sed religioue iam olim < 'hristianus. Erasrai Opera ed. Lugd. Bat. vol. III. col. 353. u. a. m.

3) Er. Opp. a. a. 0. Epist. CCXL. col. 236. 17. April 1517.

42 Johann Böschenstein und Matthäus Adrianns.

Notizen angewiesen, die aller Orten haben aufgelesen werden müssen. Nach Conrad Pellikans Weggang (1501» V 1510V), der dem gelehrten Buchdrucker Johann Amorbach in Basel für den Unterricht seiner Söhne im Hebräischen und für die Her- ausgabe des Hieron vmus nützlich gewesen war, nahm Amor- bach den Adrianns in sein Haus auf. Er war von Renchlin und Pellikan warm empfohlen. Wie er deren Bekanntschaft gemacht, darüber fehlen uns die Nachrichten; Pellikan hat er im Hebräischen unterrichtet, und der Schüler rühmt den Lehrer ungemein: „Er habe von ihm mehr gelernt, als von irgend einem Andern, und viele Nächte schlaflos mit ihm zugebracht" *). Sein Antheil an der Herausgabc des Hieronynms lässt sieh nicht bestimmen, dass er aber im hebräischen Unterricht für die drei Sühne Amorbach's, Bruno, Basilius und Bonifacins, Treffliches geleistet, beweisen spätere Zeugnisse 2), auch wissen wir, dass er mit ihnen weiter in freundschaftlicher Verbindung geblieben ist5). Einige Jahre wird er wol in Amorbach's Hause oder jedenfalls in Basel geblieben sein; gegen das Jahr 1513 wurde von ihm Wolfgang Fabritius Capito in der hebräischen Sprache unterrichtet. Dass der Unterricht von Erfolg begleitet gewesen, meldet Sebastian Münster, freilich

Für Adrians Stellung bei Amorbacb vgl. Fechter: Bonifacins Amor- bach in: Beitrage zur vaterländ. Gesch. Basel 1843. 2.Bd, S. 17;» fg.

2) Erasmus rühmt die tres doctissimos jnvenes fratres Amorbacchios, Hebraicarum quoque literarnm pulchre doctos, an den Cardinal Grimanus 31. März 1515. Kr. Opp. III. col. 143; vgl. auch Praefatio in Augustinum (1529) col. 1249; ähnlich an Leo X. col. 154. In diesem Briefe, der Wid- mung der Ausgabe des Hieronymus an den l'apst, bezieht sich aber die Stelle: Quod idem (nämlich die Verbesserung der vielen Fehler) factum es\ .1 in Bebraicis: verum obx öfveu Qrjciua, ut Graecum habet proverbium, quod eas literas ipse primoribus modo labris degnstarim (col. 153), wol auf Reuchlin, von dem es dann bei Aufzählung der Mitarbeiter lieisst: Inter quos est eximius ille vir Joannes Reuchlinus Phorcensis, trium linguarum Graecae, Latinae et Hebraicae pene ex aequo peritus, ad baec in nullo doc- trinae genere non versatus, ita ut cum primia certare possit. Unde merito virum hunc ceu phoenicem et unicum suum decus tota suspicil ac veneratur Germania (col. 154).

•"•) Bruno schreibt an Bonifacins (1519): Babes Matthaeum Badrianum, idara in litteris hebraicis praeeeptorem nostrum, virum optimum qui te non secus ac filium amat, Fechter a. a. 0.

Johann Böschenstein and Matthäus Adriana Kl

nennt er den Adrianus einen difficilis praeeeptor l) ; ob «las auf seine Lehrmanier oder auf seine Umgangsformen, die, wie wir noch sehen werden, allerdings nicht Jedem annehmbar schienen, sich bezieht, ist ungewiss.

1513 wandte sich Adrianus die Veranlassung dazu ist unbekannt nach Heidelberg. Er lehrte hier Hebräisch bis L516, wie es scheint, ohne öffentliche Lehrthätigkeit, nur privatim2). Gewiss sind Viele von ihm während dieser Zeit zu diesem Studium angeregt oder in demselben gefordert worden, von dem später so bekannten Theologen Johann Brenz ist es sicher, dass er hier 1514 seinen Unterricht an- gefangen hat3), ebenso von Johannes Oekolampad 4) .

So wenig wir wissen, welche Veranlassung ihn nach Heidelberg getrieben hat, so unbekannt ist es uns auch, was ihn zum Verlassen dieser Universität bewog. Wenn es richtig

!) Sebastian Münster, Vorrede zu Opus grammaticum consummatum :

Circa animm Christi 1513 Wolfg. Capito .... nactus copiam cuiusdam Judaei baptizati , Matthaei seil. Adriani , coepit et ipse sub difficili tarnen prae- ceptore, feliciter hebraicari. Wo der Unterricht stattgefunden hat, lässt sich freilich nicht bestimmen. Adrianus mag man sich bis gegen Ende 15f3 in Basel denken ; aber nach der Darstellung Baum's (Capito und Butzer, Elber- feld 1860, S. 12 17) ist Capito 1512 1515 in Bruchsal gewesen und erst im Mai 1515 nach Basel gekommen. Dagegen Folgendes geltend zu machen scheint bedenklich. In der Leydener Ausgabe der Briefe des Erasmus (vom Jahre 1706, Opera Tom. III), die wegen der Unzuverlässigkeit ihrer Brief- daten berüchtigt ist, findet sich ein Brief des Erasmus an Henricus Bovillus vom 31. August 1513 (col. 129, uro. CXLVIIL), worin er schreibt: Fabricius Capito in insiguem Theologiae cognitionem in Basiliensis Ecclesiae Collegium cooptatus, nbi publicum concionatorem agit. Danach müsste also die Be- rufung schon vorher, vielleicht gegen Anfang 1513, erfolgt sein. Erasmus fahrt fort: vir, praeter alias egregias diseiplinas trium linguarum non vul- gariter peritus, graecae, latinae et hebraicae; domique vita tarn integra, moribus tarn piis, ut nihil unquam viderim incorruptius. Die Stelle würde ihrerseits zu dem Schlüsse führen, dass Capito schon vor dem Unterrichte Adrians ein tüchtiger Hebräer gewesen sei.

2) Vgl. Hautz, Geschichte der Universität Heidelberg. 1. Band. S. 370.

3) Beyschlag, Leben des Brenz, p. 330. Einen Beweis seiner Kennt- niss legt er in einem Briefe an Pirckheüner ab, dem er schreibt: Veneran- dnm certe ac propemodum divinum apud nie Bilibaldi nomen nam i"?2*tf 'SS BPH bbrv, (Proverb. XII, 8) abgedruckt bei Freytag: Epistolae virorum doc-

tonnn (Leipzig 1831) p. 3.

4) Herzog, Leben Oekolampad's (Basel 1813) I. S. 107, wo der Lehrer unrichtig Matthäus Adriani genannt wird.

44 Johann Böschenstein und ifatthäus Adrianns,

ist, dass er schon 1516 Heidelberg verlassen hat, bo sind wir wieder für ein Jahr ohne Nachricht: 1517 treffen wir ihn in Liittich. Hier hatte er den Berselius, einen Freund des Eras- mus, zu grosser Zufriedenheit des Schülers einen Monat lang im Hebräischen unterrichtet: .jetzt trieb ihn die Lust, den Erasmns kennen zu lernen, nach Löwen; Berselius gab ihm einen Empfehlungsbrief mit (17. September 1517), wünscht aber sehr, der Ueberbringer möge zu ihm zurückkehren1). Aber dieser Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen. Ein reicher Freund des Erasmus, Hieronymus Buslidius, war ge- storben und hatte in seinem Testamente zur Errichtung eines collegium trilingue eine Summe von mehr als 20,000 Franken vermacht 2); dem Erasmus war die Einrichtung desselben, die Wahl der Professoren übertragen worden. Schon am 26. Octbr. meldet Erasmus einem Freunde, ein vorzüglich gelehrter He- bräer, Matthäus, sei da3). Er schickte ihn alsbald dem Aegidius Buslidius, dem Bruder des Verstorbenen, zu, dein er wol gefiel. Um ihn dem Buslidius zu empfehlen, konnte Erasmus kaum genug Worte finden : kein Anderer sei in der Kenntniss des Hebräischen mit ihm zu vergleichen, das meine nicht er allein, alle Gelehrten Deutschlands und Italiens be- zeugten dies. Er sei so gelehrt und in jeder Beziehung aus- gezeichnet, dass man seine Ankunft als eine günstige Schickung Gottes betrachten müsse; man dürfe ihn nicht loslassen, er würde ihn halten, und sollte er ihn auf eigene Gefahr annehmen *). Zur Zeit, als er dies schrieb (Novbr. 1517), hatte Matthäus noch nicht seinen festen Wohnsitz in Löwen genommen5). Aber schon

!) BerseliusDesiderioErasinu in Opp. Er. III. col. 1633 (Epist. CLXXXVTLI appendix) 17. Sept. 1517.

2) Er. Budaeo: Destinata enim sunt huic negotio plus viginti fran- corum millia. 22. Febr. 1518. Opp. III. col. 305 epist. CCCV.

3) Thomae Lupseto Opp. 111. col. 1638. Epist. CXCV1 (Append.).

•i) Opp. IH, col. 353, Epist. CCCXXXVIII. Das Datum. IS. Od. 1518, ist gewiss falsch, es muss heissen 1517.

5) Pro Hebraeo benigne comiterque aeeepto agereni tibi irratias. orna- ■!■■ Buslidi, ni magis liberet gratulari tibi cui ultro obtigerit ille votis omnibus exoptandus ad hoc uegotii, quod band dubii fcoid genti Buslidianae faraam ac decus pariei nunquam intermoriturum, quodque studia omnia variis modis collapsa restituet. Neque deeruirl in caetris Gymnasiis, qni pulcher- rimum hoc institutum aemulentur . . . Matthaeus nonduni huc commigravit.

Johann Böschenstein und Matthäus Adrianos. 45

am 30. November war er da ; Erasmus meldet dem Grafen von Neuenaar, dass Matthäus, der Freund Reuchlin's, den auch er kenne, bei ihnen eingezogen sei '), und theilt die freudige Botschaft von der Aufnahme seines Lehrers dem Fabritius Capito mit -). Und an den vielen Stellen seines so ausgedehnten Briefwechsels vergisst er nie, so oft er unseres Adrianus Erwähnung thut, ihn mit einem ehrenden Beinamen zu versehen, seine Kenntnisse als nach seinem und anderer gelehrten Leute Urtheil ausgezeichnete zu preisen3).

Und wirklich schien anfänglich Alles vortrefflich zu gehn; wir kannten bisher nur zwei Sprachen, jetzt lernen wir drei, konnte Erasmus bereits am 6. März 1518 melden. Matthäus unterrichtet lediglich in seiner Sprache, eine hebräische Partei schaart sich um ihn, deren Führer Martin Dorpe ist, bald wirst Du ein neues Zeitalter anbrechen sehn 4). Aber schon am 13. März, wo Erasmus dem Oekolampad mittheilte, dass Adrian auf Lebenszeit angestellt sei, und dass Alles zur Zufriedenheit von Statten gehe5), schreibt er auch dem Capito über ein Begegniss, das er seinetwegen mit ihm gehabt habe und das, wie es scheint, in Geldangelegenheiten zwi- schen Capito und Adrian seinen Grund gehabt hat. Mit der ebenso leicht vergänglichen, wie schnell auflodernden Freund- schaft des Erasmus war es nun vorbei, schon jetzt, meint er, Adrian werde wegziehn, wie das seine Gewohnheit sei, auch aus Middelburg sei er bereits früher wegen Schulden fortge- zogen6); seine Geldgier tadelt auch Dorpius in einem etwas

Ornatissimo viro Domino Aegidio Buslidio . . Erasmus. Opp. Ei'. III. col. 1653. Epist. App. CCCXXXII.

>) Er. Opp. III. col. 1644 Epist. CCX. (Append).

2) 6. Deck-. 1517. a. a. 0. col. 1646. Ep. CCXV.

3) z. B. col. 270 epist. CCLXXY., col. 319 epist. CCCXIY., col. 382, epist. CCCLXVIIL, col. 1654 epist. (append.) CCXXXIV.

*) Petro Barbirio Opp. III, col. 307. Epist. CCCVII.

5) a. a. 0. III, col. 1675, epist. CCLXXII (append.)

G) De Mattheo dicam quod rideas. Inviserat ille nos . . ego ne mihi tarn occnpato molestus esset, mitto tuas literas ad illum scriptas: redit ab atrio minister, nuntians illum tribus dmvtaxat velle convenirej annuo, ad- scendit, exhibet epistolam, rogat uti sibi praelegam, nam deesse conspicillam, lego semipeviodum, et mox ad illum versus, non admodum blandum, inquam, exordium, praestat ut ipse perlegas; imo, inquit, cupio te ista seire; pergo

4() Johann Böschenstein and Uattnäu Idrianns.

späteren Briefe, wo er zugleich als Grund der Unzufriedenheit des Adrianus die schlechte Ausbezahlung des Gehaltes an- gibt ]). Unterdess hatte sich Adrianus über den Brief des Capito keineswegs beruhigt, er zürnte gewaltig und sagte, er

sei von Capito aufs Aergste beleidigt worden -). Lange hielt er es nicht mehr aus, freilieh weder die Geldverhältnisse noch der kleinliche Streit mit Capito mochten ihn zum Weggehen von Löwen veranlasst haben, letzterer um so weniger, da Capito nicht an demselben Ort. lebte der wahre Grund ist wol in dem Gegensatz zu suchen, der auch den Erasmus von Löwen vertrieb, in dem die freiere humanistische Partei sich gegen die Anhänger der scholastischen befand. Sie hatten, wie berichtet wird, dem Adrianus von Anfang an Widerstand entgegengesetzt, mit der Zeit wurde das eher ärger als besser, und als Adrianus gar in einer öffentlichen Rede den h. Hieronymus als einen gewöhnlichen Menschen darstellte, er- reichte die Wuth seiner Gegner ihren Höhepunkt: einer der Professoren, der später als Gegner Luthers so bekannt ge- wordene Latomus, gab eine Schmähschrift gegen ihn heraus und Adrian musste Löwen verlassen3)-

Er wandte sich nach Wittenberg. Schon am 7. November 1519 hatte sich Luther an Spalatin gewandt, ihm das Gesuch Adrians geschickt, in Wittenberg das Hebräische zu lehren, und zur Berücksichtigung empfohlen, und am 7. December

iussus: cum duriora semper succederent, moneo ut solus ipse legat; ille orare tri legere pergam; perlego, ridens Interim: ille longam incoeptat apologiam, clamitans omnia esse falsissima, imo te sibi debere. Ego, quoniam eram oecupatissiraus, rogo u1 eam fabulam in aliud fcempus differat. Ait se tibi pondisse: minatur sese, quae in tua Grammatica doeuisti, reprehensurum

oia. Opinor hominem hinc discessurura \\i solet: nam ex Middell

cum summo fcumultu discessit ob aes alienum.

Opp. 111. col. 1675. Epist. CCLXXII (App.).

i) DorpiusErasmoinEr.Opp.III. col. 332. Epist. CCCXXm. I4.julil518.

2) Erasmus Capitoni. Opp. III. col. 1682 nro. CCLXXXIX (Append.) L9. Octbr. 1518.

3) Das Letzte nach Köhler: Beyträge zur Ergänzung der deutseben Kunst- und Literaturgeschichte, Leipzig 1794. Th. 2, S. 14— 17. Die Stelle über Bieronymus lautet: Homo erat II., multa neseivit, alieubi dormitavit, ,,, iedam ca a praeteriil - multa depravata sunt.

Johann Böschenstein und Matthän Llrianns. 47

wiederholt er die Bitte1). Bald waren die Unterhandlangen im Gange; für 00 oder 100 Gulden jährliche Besoldung war Adrian bereit, die Stelle anzunehmen. So leicht scheint der ( 'hurfürst aber sich nicht dazu haben verstehen zu wollen, und erst auf die dringende Mahnung Luthers, ihn wenigstens, um die Schande zu vermeiden, auf ein Jahr zu nehmen, sonst würde er nach Leipzig oder nach Frankfurt a. 0. gehen, er- folgte die Anstellung (16. April 1520 2). Ein sehr freundliches Verhaltniss scheint trotz der grossen Mühe, die Luther sich gab, ihn nach Wittenberg zu ziehen, trotz der grossen Aner- kennung, die er seinen Fähigkeiten zollte, zwischen ihm und dem neuen Ankömmling nicht geherrscht zu haben; wenn Luther auch in verschiedenen Dingen ihm behülflich war, ihm zu seiner plötzlich geschlossenen Heirath (13. Januar 1520) alles Glück wünscht, so beklagt er sich doch ziemlich bitter darüber, dass Hadrian ihm ziemlich viel zu scharfen mache3). Noch nicht vier Monate später war das Verhaltniss vollständig- gelöst: Adrian wüthet, schreibt Luther (3. Oktober), und sucht eine Gelegenheit, fortzugehn. Ich habe ihm nichts gethan, dennoch verfolgt er mich, will mich das Evangelium lehren, er der nicht einmal seinen Moses versteht 4). Und kaum einen Monat darauf war die Feindschaft offen ausgebrochen, Adrian hatte sich der Lehre Luthers, dass nur der Glaube etwas ver- möge und die guten Werke ohne Kraft seien, widersetzt. Einen ganz ungelehrten Menschen in der Theologie nennt er ihn, vollständig unnütz und gleich zu entlassen5), und wäh- rend er sich früher sehr bemüht hatte, den Adrian nach

*) de Wette: Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedenken, I, S. 365. 366. 373. Wenn bereits am 6. Decbr. 1519 Petrus Mosellanus von Meissen aus an Julius Pflug schreibt: »Churfürst Friedrich verschreibt jetzt Mat- thäum Hadrianum, den stattlichsten hebräischen Medicum unserer Zeit, aus Löwen nach Wittenberg,« Luthers Werke ed. Walch, Band XV. p. 1425, so ist entweder das Datum falsch, oder Mosellan berichtet etwas als sicher, worüber die Unterhandlungen kaum begonnen waren.

2) de Wette, Luthers Briefe, I, S. 420. 440 fg. Die erfolgte Anstel- lung meldet auch Melanchthon an Johann Hess und Lange in Corpus Re- formaturum ed. Bretschneider vol. I, p. 161. 168.

3) de Wette, I, S. 442. 445. 449. 454.

4) de Wette, I, S. 492.

5) 4. Novbr. 1520, de Wette, I, S. 522.

48 Johann Böschenstfiin und Matthäus Adrianus.

Wittenberg zu ziehu, verschafft er ihm jetzt (17. Februar 1521) gern die erbetene Entlassung, und freut sich, von diesem Menschen befreit zu sein 1).

So ist er aus Wittenberg fortgezogen, möglich dass er sich nach Leipzig gewandt hat, wie Luther verniuthete 2). Ein talentvoller Mensch, von vielem Wissen und freier An- schauung in Leben und Glauben, der es wol weniger seiner Unverträglichkeit zuzuschreiben hatte, dass er nirgends eine feste Stätte linden konnte, sondern den kleinlichen Nachstel- lungen, die ihm seine Gegner bereiteten, die es nicht zu ver- gessen schienen, dass er ein Jude war3).

Von seinen Schülern ist noch Sebastianus Nucenus zu erwähnen, der in Löwen bei ihm hörte und der uns noch später beschäftigen wird; von hebräischen Schriften findet sich nur eine Uebersetzung der Oratio dominica erwähnt4).

Ungleich bedeutender als Adrian ist Johann scheu- ste in, der durchaus nichts gethan zu haben scheint, um deu Hass zu verdienen, mit dem man ihn verfolgt hat. Man hat ihn häufig den zweiten Wiedererwecker der hebräischen Sprache genannt und ohne Zweifel verdient er nach Reuchlin einen hervorragenden Platz. Böschenstein5) war 1472 in Esslingen geboren. Er lernte ob in seiner Vaterstadt oder anderswo, ist nicht bekannt von Juden das Hebräische und das hat wol hauptsächlich die Veranlassung gegeben, ihm vorzuwerfen, er sei ein geborener Jude. Wir lassen ihn

i) de Wette, I, S. 560.

2) Vgl. auch Wii'dciiianii : Dr. Johann Eck, Regensburg 1865, S. 177, Anm. G2, der aber fälschlich einen Brief auf Sylvias Egranus hezieht. der auf unsern Adrianus zu deuten ist. Egranus war noch 1527 mit Luther hefreundet, nach Di'illinger: Die Reformation, I, S. 132 fg.

3) So schreibtMelanchthon an Spaktin (22. Febr. 1521): De Wittemberga hoc tempore nihil oovi scribere possum. Nam de Adriano ^ev8oj{p(ox«p, sive mavis Hebraeo, ex aliis Lntelliges. Corp. Ref. I, p. 359.

4) Vgl. Genaueres in meiner Bemerkung im Serapeum 1868, Nro. 13. S. 197, Anm. 2. Seine [ntoduetio ad Lingnam Hebraicam, Basileae 1518 in and Haganoae 1519, in 4°, erwähn! WolfF: Bibliotheca Hebraea IV. S. 273.

•r») Eine Biographie hat, Köhler: Beyträge zur deutschen Kunst- und Literaturgeschichte. Leipzig 17!» 1. 2. Theü, S. 1—23, gegeben.

Johann BSschenstoin nnd Matthäus Adrian os. 49

selbst erzählen1). „Hat sieh aber begeben, das ein gaistlich person mich dargeben, ich seye ain getaufften Jud, und mein vatter sey ain hochgelerter Raby undern Juden gewesen, da- rumb sey ich wider die Bilder und Gemäl, das man sy nit machen oder brauchen soll etc. Des muss ich mich (Gott verzeyhe mirs) verantwurten, nit von meinen wegen, sonder meiner freuudtschafft und meinen nachkumenden gepluet zu gut. Und ich sag also, mein lieber vater sälig ains gar alten geschlechts der stat Stain am Reyu underhalb Costenz ge- boren und herkommen, ist gut Heinrich Böschenstein und noch heut, auff Datum diser schrifft, meines vatters bruders suu gut Klöwe Böschenstain und Batt Böschenstain, noch disen tag zu Stain vischer seind, heuslich und Burgerlich da wouend. Das red ich nit darumm, ob ichjoch (wie der Bru- der von mir sagt) ains Juden sun were, mich dester verwürflicher vor got schätzen, dann ich wayss das got kein person besonder ansieht, aber ainyeder, der got furcht und würkt die gerechtikeit, er sey welches geschlechts oder volks er wolle, der ist angenem got dem herren, aber ich muss dannocht meinen nachkommen zu gut disen argk- won umbstossen" 2). Und an einer andern Stelle desselben Schriftchens: „Also (nämlich den reinen christlichen Glauben) haben mich meine frummen altern, vatter und mein liebe mutter gelert, die frumm geborn Christen seind gewesen, das ich mit ainem Ersamen Rat der stat Esslingen, und der stat Stayn in Schweytz, genugsam beweysen mag. Auch hab ich

i) Das Folgende ist entnommen aus: Ain diemietige Versprechung: Durch Johann Böschenstain, geborn von Christenlichen altern, ausz der stat Esslingen, wider etlich die von jm sagen, Er seye von Jüdischem stammen, und nit von gebornen Christen herkommen, Zugesannt dem Christenlichen seynen lieben Bruder Andree Oslander, Prediger zu Nürnberg, der samlung sant Lorentzen Pfarr genandt s. 1. e. a 5 Bll. in 4°, auch abgedruckt bei Hummel: Neue Bibliothek von alten und seltenen Büchern, Nürnberg 1775, I, S. 415 fg., der es wol mit Becht ins Jahr 1523 setzt, in 'welchem Osian- der Pfarrer zu St. Lorenz in Nürnberg wurde. Ueber Oslander vgl. unten. ;r die sgaistlich person" ist, von der Buchenstem tadelnd spricht, ist nicht annt. 2) Dass er auch von Juden gehasst sei, weil er ihre Sprache gelernt . 'gibt er in dem unten anzuführenden Briefe an Keuchlin an; als einzige '"^ Lhme nennt er seinen Lehrer Moses Möllin aus Weissenburg.

Oeiger, Studium. 4

;>() Johann Böschenstein und Matthäus Adrianns.

darnach getreuwe fhimme Christglaubige schulmayster gehapt an vil orten, auch auff Hohenschulen bey frnmmen gelerten raännern die schrifft gelernt." Er kannte den Grund des gegen ihn gerichteten Vorwurfs ganz gut und spricht sich am Schluss darüber so aus: „Allerliebster Andrea, dises hab ich dir zuge- schribeu, das ich wayss, dich auch mit sollich gleicher that augetascht und verletzet von aynem Phariseyschen menschen mit unwarheit, wir müssen entgelten der Hebray sehen hayligen sprach, so wir von Christenlichen altern geborn, und diser (bey vns ungewonlichen) hayligen zungen ain wenig bericht seynd, von unverstandnen menschen verhasst werden."

Trotz dieses energischen Dementis, das Böschenstein dem über ihn verbreiteten böswilligen Gerüchte entgegensetzte, er- hielt es sich doch und selbst Sebastian Münster gab sich, vielleicht durch kleinliehen Neid dazu bewogen, zur Verbrei- tung desselben her. Zu der Angabe, dass Böschenstein ein getaufter Jude gewesen, fügt er den neuen Vorwurf hinzu, dass er zu den getauften Juden gehört habe, „die am An- fange des erwachenden Studiums privatim aber ohne Erfolg die heilige Sprache lehrten, da sie kein lateinisch verstanden ; Böschenstein namentlich habe seinen Schülern viel Geld abge- nommen, aber nichts gelehrt. Zeugen sind die, die ihn gehört haben" *). Den letzten Vorwurf ebenso absolut zu verneinen, wie den ersten, ist aus Maugel an Zeugnissen nicht möglich; die drei Männer, von denen es hauptsächlich bekannt ist, dass sie Böschensteins Unterricht im Hebräischen genossen haben, Caspar Amman, Johann Eck und Sebastian Sperantius, haben sich allerdings nicht über ihn beklagt-).

!) Fuerunt et in exordio huius nascentis stüdii quidam baptizati Judaei, qui privatim sed sine fructu docuerunt sacram linguam, carentes latinae cognitione, inter quos Joannem Auchsenstein numerandum censeo, qui levato mnlto aere a discipulis nihil docuit. Testes sunt qui illum audie- runt. Sebastian Münster, Vorrede zum Opus grammaticum consummatum Die Corrumpirung des Namens Böschensteifi in »Auchsenstein« darf ni< Wunder nehmen; in gleicher Weise komim-n ßossensthenius u. A. vor.

2) Ueber Johann Eci s. o. S. 30, A. 1, über Caspai Amman n> Sebastian Sperantius war Bischof von Brixen und stand mit Reuchl»» '

Briefwechsel. Diese und viele andere nennt Böscheustein als seine Seh» "

-'•

Johann Böschenstein nnd Sfatthäu adriantis. .> I

Auch sonst ist es nicht sehr wahrscheinlich, denn er war als Lehrer sehr gesucht, und wenn ihm das Glück nirgends hin folgte, so war das dicht die Schuld seines Mangels an Fähigkeit. Nachdem er in Esslingen (?), seiner Vaterstadt, das Hebräische gelehrt, aber hier Verfolgungen von den Feinden der Aufklarung zu erleiden gehabt hatte und sogar ins Ge- fängnis* geworfen worden war'), ging er 1514 nach Augsburg und setzte hier seine gewaltsam unterbrochene Thätigkeit fort, ohne sich auch hier den Vorwürfen wegen seiner Ab- stammung und sonstigen gehässigen Anklagen entziehen zu können. Dann gehörte er Ingolstadt eine kurze Zeit an wol nicht als Universitätslehrer, 1518 kam er nach Witten- berg. Melanchthon hatte bald nach seiner Ankunft in Witten- berg auch hebräisch zu lehren augefangen, doch freut er sich über die Berufung Böschensteins: er wolle ihm gerne den bisher innegehabten Platz einräumen, ihn in seiner Aufgabe soviel als möglich unterstützen, um ihm zum Schreiben uud Herausgeben Zeit zu lassen 2). „Von Böschenstein gefällt Alles

in einem Briefe an Reuchlin, 2. Juni 1514, mit welchem er ihm eine kleine Schrift widmet. Dieselbe führt den Titel : niVTK lölK OBD CONTENTA IN HOC LIBELLO NVPER a Joanne hoeschenstein esslingensi edita Elementale introcluctorim in hebreas literas teutonice et hebraice legen- das u. s. w. Am Ende: Auguste ex officina Erhardi oeglin mense Maio Anno MDXIIII, 3 Bogen ä 4 Bll. in 4=0.

Dieses sehr seltene Schriftchen (ich habe es aus der Heidelberger Bibliothek benutzt) wird als das erste in Augsburg gedruckte hebräische Buch angeführt. Es enthält ausser der kurzen Anweisung j üdisch - deutsch zu schreiben, dem ersten von christlicher Seite gemachten Versuche dieser Art, das eigentlich hebräische Alphabet; Begeln über das Sehewa und die Punkte; die Zehngebote, das Vaterunser, Ave Maria, Credo, Magnificat und einige Stücke aus den Evangelien hebräisch, lateinisch und deutsch. In dem Briefe sagt er, dass er das Schriftchen auf Verlangen seiner Schüler, namentlich aber auf dringendes Bitten Reuchlins veröffentlicht habe.

!) Brief an Reuchlin: Nam quod scis rae similis fortuna multos annos agitavit, quando scilicet a rabidis indigne laceratus et in carceremconiectusfui.

^) Melanchthon an Spalatin, Anfang September 1518. Corpus Refor- matorum I, col. 44 fg. Das Album Academiae Wittebergensis ed. Förste- inann p. 77 erwähnt zwischen dem 2. und 5. November 1518 unter den Eingeschriebenen Johannes boschenstein de Esslingen Privilegiatus Cesaree Maiestatis Pbr. Hebraice ligue (!) interpres Dioc. Constancien.; aber das Datum muss. wenn man nicht annehmen will, B. habe sich einige Monate nach seiner Anstellung einschreiben lassen, irrig sein.

4*

52 Jobann Böachenstein und Matthäus adrianus.

sehr wohl", schreibt er an seinen Freund Spalatin ' |, begleitet die Grammatik Böschensteins mit einem kurzen Nachwort und beeilt sich, dieselbe an Spalatin und an den Churfürsten von Sachsen zu schickeu 8). Im Anfang des nächsten Jahres empfiehlt er ihn an Christoph Scheurl in Nürnberg (wohin Böschenstein vielleicht im Auftrage der Universität ging) mit dem Zusätze, dass es ein trefflicher Mann sei3). Aber im April verliess Böschensteiu die Universität, weshalb? ist da- mals nicht klar gewesen und ist es heute noch weniger. Man bedauerte seiner Kenntnisse wegen ihn verloren zu haben, aber Luther vergisst ihm nicht einen kleinen Fusstritt mit- zugeben, indem er ihn unsern Böschenstein nennt, „dem Namen nach ein Christ, in der That aber ein Erzjude/'1) und Me- lanchthon erzählte boshaft genug 1550 Folgendes über ihn:"') „Wir hatten vor 30 Jahren einen Professor des Hebräischen hier, der sagte: was soll ich thunV ich kann anderswo leben, wo ich mich besser stehe. Ich fragte, welchen Ort er meine. Er antwortete : ich könnte in Regensburg unter den Juden frei leben. Einmal ging ich des morgens der Gesundheit wregen in ihrem Tempel spazieren. Da kam eine alte Frau, gab mir einen Batzen und bat mich für sie eine Messe zu lesen (!), ebenso eine zweite und eine dritte, so kann ich die Woche sechs Batzen verdienen."

Von Wittenberg begab sich Böschenstein nach Augsburg, aber er blieb hier nur kurze Zeit; er kam nach Heidelberg, wo sein Aufenthalt gleichfalls nur ein ziemlich vorübergehen- der war von seiner traurigen Existenz daselbst ist an

i) 14. September, Corp. Kef. I, col. 45.

2) 16. Dcccmbcr 1518, 1. c. 1, col. 56.

3) 26. Januar 1519: Joannem Boeschenstain egregie doctum in hebraicia meo privatim, dein et publico Universitatis nomine, tibi com- mendo. Bonus vir est. 1. c. I, col. 61.

-») An Job. Lang, 4 post Judica 1519: de Wette, Luthers Briefe I. L'54 deutsch bei Walcb, Lutbers Werke, Band 15. Anhang S. 99 ff.

5) Narationcs iueundae et utiles ex praelectionibus . . . Philippi Me- lancbtbonis, trüber handschriftlich im Besitz von J. G. Schelhorn, angeführt in dessen Ergötzlichkeiten aus der Kirchenhistorie und Literatur, 1763, 11. Band, S. 737. Der Name Böschensteins ist nicht genannt, aber schon Schelhorn hat ihn ergänzt.

Johann Böschensteii and Matthäus Adrianus. ,)3

anderm Orte zu sprechen. Ueber sein späteres Schicksal fehlen die Nachrichten, er starb 60 Jahr alt.

Seine schriftstellerischen Leistungen können nur theil- weise in den Bereich der Betrachtung gezogen werden. In Wittenberg veröffentlichte er 1518 eine hebräische Grammatik l), bei der bekanntlich die typographische Merkwürdigkeit zu erwähnen ist, dass für die zahlreich vorkommenden hebräischen Wörter, ganze Tabellen u. s. w. ein leerer Raum gelassen und dieselben nur hineingeschrieben sind. Böschenstein wid- mete sein Werk dem Churfürsten von Sachsen. Der höchste Ruhm sei der der Wissenschaften, er, der Fürst, habe ihn sich dadurch erworben, dass er auf seiner Universität die drei Sprachen lehren lasse, was bis dahin unerhört sei. Er müsse daher, setzt er mit einer gewissen stolzen Wohlgefällig- keit hinzu, als der erste öffentliche Lehrer ihm, der zuerst einen Hebräer an eine Universität berufen, sein Werk widmen. Zwanzig Jahre lang habe er bereits privatim diese Sprache gelehrt, welches Glück für ihn, sie nun öffentlich vortragen zu können! Dieses glückliche Bewusstsein erhebe ihn über all den Neid, dem er bisher ausgesetzt gewesen sei, die Verfol- gungen, die er bisher zu dulden gehabt habe. „Die Juden hassten mich, weil ich eine Wissenschaft lehrte, die bisher den Christen unbekannt war; von ungelehrten und ungebildeten Priestern wurde ich beschuldigt mit Juden umzugehn, wäh- rend ich mich ihrer nur soweit bediente, um ihre wilden Weinstöcke in den Weinberg des Herrn zu tragen" 2).

!) Hebraicae Grammaticae institutiones studiosis sanete lingue a D. Johann Boschenstain C. M. C. collecte. (Das Büchlein geht von links nach rechts) 4 Bogen ä 4 Bll. in 40. Auf der letzten Seite kurzes Nachwort Melanchthons ; darunter : Wittenbergii in officina Joannis Grunenbergii Anno doniini MDXVIII. Förstemann (in der Anmerkung zu Corp. Bef. I, col. 54) meint, die Buchstaben C. M. C. hätten Bezug auf Böschensteins Titel: Kaiserl. Maiestat gefreieter hebräisch. Zungenmeister.

2) Vgl. o. S. 49, A. 1. Die letzte Stelle, die wie die vorhergehenden ziem- lich stark ruhmredig ist, lautet: Odio Judaeis eram quod literas publicarem hactenus vulgo Christiano ignotas, a plerisque indoctis et male imbutis sacrificis criminabar iudaice consuetudinis quibuscum eatenus conversatus sura qnatenus feraces eis vites auferrem in vineam doniini conserendas. Den Schluss bildet ein schönes Lob Beuchlins : Omnium autem quae vel hactenus scripsi, aut scrip- turus aliquando sum, clarissimum virum D. Joannen! Reuchlin Juris divini

o4 Johann Bosch« kthäne Adrianus

Die Grammatik ist eine eigenthümliche Verbindung prak- tischer und theoretischer Lehrmethude. Nach der Aufzählung der Buchstaben wird die Eintheilung derselben, die Conso- nanten, Vokale, dann das Schewa behandelt; darauf folgt unter dem Titel: Incipit Genealogia Marie virginis ex qua homo natus est, Hex regum Hiesus IT&'E yti'irp deus optimns maxi- mus, die hebräischen Namen der Glieder dieser Geschlechter- reihe von Adam an, und die folgenden 5 Blätter sind mit der Erklärung dieser Worte, die zwei geschriebene Seiten aus- machen, angefüllt, in der jeder einzelne Buchstabe, jedes Zeichen, die Zusammensetzung der Silben u. s. w. ausein- andergesetzt wird. Dem eigentlich grammatischen Theil Ars grammatica ist der bei weitem kleinere Theil des Büchleins eingeräumt, er bespricht die Redetheile, die Deklination, die Artikel, die Zahlwörter, die Bezeichnung derselben mit Buch- staben, die Pronomina, endlich das Verbuni, wo pakad als Paradigma zu den ziemlich kurz gehaltenen Tabellen gegeben wird. (Die Ausdrücke Kai, Niphal u. s. w. finden sich nicht, statt dessen wird Prima conjugatio, passivum primae u. s. w. gesagt.) Zum Schluss wird nochmals eine kurze Uebersicht der Buchstaben und der Vokalzeichen gegeben.

In Augsburg veranstaltete Böschensteiu eine Ausgabe der Grammatik des Moses Kimchi, er hatte von dem Verleger Sigismund Grimm den Auftrag erhalten, die Fehler, von denen die vorhandenen Exemplare des Buches wimmelten, zu be- seitigen J). Jedenfalls verstand er sich auf diese Arbeit besser als auf die Uebersetzung biblischer Bücher ins Deutsche, seine Uebersetzung der Klage Jeremias und des 9. Cap. Daniels 8)

ac humani consultum, qui primus ex latinis de Bebraicis literis scribere

adorsus est, et patronum et iudicem, nt Bemper veneratus mihi, ita nunc quoque dico et veneror. Auch bei einigen Krklürungen in der Grammatik findet sich der Zusatz: Secundum praeceptorem nostrum 1>. Reuchlin.

*) Rudimenta Hebraica Mosche Kimchi a J. Boeschensteinio cevisa. Augsburg 1520. Vgl.jWolf: Bibliotheca hebraea vol. III, p. 810.

2) Die klage Jeremie über Jerusalem, mit sampt dem gepet Daüieüs am 9. Kap. auss dem warhafFfcigem Text , nran wort zu wort verteutschl durch Johann Böschensteiu, K, Ma. gefreyter lehrer der Hebrayschen Zungen, 1529 in 8",

Schulet des Elia« Levita Paul Fagiu: and Sebastian Münster, 55

ist in einem so jämmerlichen Deutsch abgefassl , dass mau Schelhorn1) nicht Unrecht geben kann, wenn er nach Mitthei- lung einiger Proben ausruft: Wer sieht nicht hieraus, dass zwischen unseres theuren Lutheri und Böschensteins Ueber- setzung ein so grosser Unterschied als zwischen Tag und Nacht sei.

Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagius und Sebastian Münster.

Wir haben bereits mehrfache Beispiele davon gehabt und werden noch einigen begegnen, dass Christen von Juden im Hebräischen unterrichtet wurden; oft sind uns die Namen der jüdischen Lehrer überliefert, manchmal auch nicht, selten waren es Männer von irgendwelcher Bedeutung, Keiner hatte sich als Schriftsteller ausgezeichnet. Ein Anderes ist es bei Elias Levita: er ward der jüdische Lehrer der Christen- heit. Eigentlich gehört er nicht in den Rahmen unserer Dar- stellung; nur seiner Lehrthätigkeit hätte kurz gedacht werden müssen. Aber die wissenschaftlichen Arbeiten seiner beiden hauptsächlichen Schüler Fagius und Münster von denen übrigens nicht feststeht, wann sie seinen Unterricht genossen knüpfen sich zu eng an ihn an, kehren immer wieder auf ihn zurück, bald durch Herausgabe, bald durch Uebersetzun- gen seiner Werke, so dass es unmöglich ist, ihn aus unserer Darstellung zu entfernen.

!) J. G. Schelhorn 1. c. (s. oben S. 52, A. 5) II, S. 615 lg. Eine Zu- sammenstoppeluug von Stellen des alten und neuen Testaments ist Böschen- steins Schrift, die, wie es scheint, sehr selten ist (Böckings Bibl. in Bonn). Ain getreuwe ermanung zu allem volck geistlichs und weltlichs Stands der Crystenlichen kirchen, aufrur unnd zwytraeht zu verhüten. 0. 0. u. J. 6 Bll. in 4°. Er nenne seinen Namen in dieser Schrift nur ,,So mir aber meiner person noch vil unnbillichs auffgelegt, auch änderst und in annder gestalt aussgelegt wird, dann mein verstand ist."

56 Di 3chfilei Elia Levita, Paul Fagius und Sebastian Monster.

Eliah bcn Ascher ha-Levi, auch Aschkenasi (Deutscher), nach seinen Werken : Bachur, Tisckbi, von den Christen Elias Levita genannt, war in Neustadt an derAisch bei Nürnberg geboren 1472 J), hatte seine Erziehung wol in Deutschland genossen und war vermuthlich seiner Ausbildung wegen nach Italien gegangen. Wir treffen ihn 1504 1509 in Padua, wo er das Hebräische lehrte, dann in Venedig bis 1512, wo freilich die Blüthe der jüdischen Typographie noch nicht vorhanden war, die erst durch Bomberg gezeitigt werden sollte, später in Korn. Hier lernte er den Cardinal Egidio (Petrus Aegidius von Viterbo(?) Freund und Gönner Reuchlins) kennen, wurde in seinem Hause aufgenommen und unterrichtete ihn im Hebräischen und empfing von ihm mannigfache Belehrung im Griechischen und in den profanen Wissenschaften '-'). Nach 14jährigem Aufenthalt vertrieb ihn aus Rom, wie fast zwanzig Jahre vorher aus Padua, die Eroberung der Stadt (1527); er selbst zog aus, aller seiner Habe, auch seiner Bücher, be- raubt. Nun nahm er seinen bleibenden Wohnsitz in Venedig, unterbrach seinen ruhigen, ganz der eifrigen schriftstellerischen Thätigkeit gewidmeten Aufenthalt nur für ein paar Jahre, als er im Jahre 1541 dem Pviife des Fagius nach Isny folgte, und starb in Venedig, das er wie seine Vaterstadt liebt, in der er sterben wolle3), 1549, 77 Jahre alt.

Levita war der Lehrer der Christenheit: das wurde ihm zum Vorwurf angerechnet; dass er bei dem Cardinal Egidio gewohnt, als Verbrechen ausgegeben. Er bekannte es stolz

i) Man hat an dieser Angabe vielfach gezweifelt und gesagt, Elias sei in Italien geboren. Mir seheint in dieser Hinsicht das bisher unbeachtete Zeugniss Münsters entscheidend (Vorrede zum Opus granrmaticum consummatum) : Intet hos omnes excitavit Dominus et in Italia Judaeum quendam qui tarnen aatus fuerat in Germania, in Nova scilicet civitate super amne Eyschj haud pro- cul a Nurmberga, Eliam nomine. Die folgenden Lebensnachrichten gibt Elias selbst in einer der Vorreden zu seinem Buche miDÖfi mra "ibd und zerstreut an anderen Stellen. Kritische Feststellung einiger Einzel- heiten gibt de Kossi: Historisches Wörterbuch der jüdischen Schriftsteller, übersetzt von Hamberger, Leipzig 1839, S. 178—183.

2) Das betont er besonders in seiner hebräischen prosaischen Vorrede zu seinem Werke Tischbi.

3) de Rossi a. a. 0. S. 178.

Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagine nnd Seba fcian Monster. 57

und rühmte sich dessen1). Noch könne er sagen: Preis dem Herrn, ich bin ein Hebräer, ich ebrfiirchte Gott, der Himmel und Erde geschaffen. Die Lehrer hätten nur verboten, den Christen die Geheimnisse des Schöpfungswerkes, des gött- lichen Wagens zu lehren, die 7 noachitischen Gebote aber hätten sie ausdrücklich erlaubt; wie sei es aber möglich darin zu unterrichten, wenn man nicht vorher den Schülern die hebräische Sprache, in der diese Gebote geschrieben wären, beibrächte? Nicht blos einen habe er die hebräische Sprache gelehrt, sondern eine grosse Zahl Schüler gehabt, und alle diejenigen, welche wieder von diesen gelernt, wolle er als seine Schüler anerkennen. Diese Mittheilung ergänzt Fagius2), wenn er berichtet, dass Levita zahlreiche Schüler gehabt, aber nicht blos unbedeutende Leute, sondern die her- vorragendsten Männer unter denselben gezählt, Cardinäle, Bischöfe, Gelehrte an allen Orten. Alle würden wünschen, dass seine Jahre stets sich erneuerten; das wäre ein grosser Vortheil für Alle, Juden und Christen, die sich mit der hei- ligen Sprache beschäftigten. Mit welchem Beifall sein Unter- richt aufgenommen wurde, das zeigen die verschiedenen Be- rufungen, die er von mehreren Seiten, unter Anderm auch vom König von Frankreich nach Paris, erhielt; er schlug sie aber aus3).

In welcher Weise ihn die deutschen Gelehrten betrach- teten — und dieser Gesichtspunkt ist jetzt für uns von haupt- sächlicher Wichtigkeit zeigt am besten die ausführliche Schilderung, die Paul Fagius von ihm entworfen hat4): „Levita ist ein ausgezeichneter Grammatiker, eine seltene Eigenschaft bei den Juden überhaupt, besonders bei den

!) Das Folgende aus seiner oben, S. 56 Anm. 1, angeführten Vorrede.

2) In seiner gleich näher zu besprechenden lateinischen Vorrede zu Levita's Tischbi.

3) Hebräische prosaische Vorrede Levita's zum Tischbi, vgl. Frensdorff» Aus dem Sefer Hasichronot von Elias Levita in Frankeis Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums, 1863, XII, S. 18 und Anm. 3.

4) Lateinische Vorrede zum Tischbi Isnae in Algavia MDXXXXI. Das Werk selbst wird später betrachtet werden. Die im Text gegebene Ueber- setzung macht keinen Anspruch auf Wörtlichkeit, sondern nur auf treue Wieder- gabe des Sinnes.

Do Die Schüler dee Eliac U rita, Paul Fagiue and Sebastian ttünster.

deutschen, sein ganzes Leben hat er damit zugebracht, um sich diese Kenntnisse anzueignen. Die Werke bewährter Schriftsteller hat er alle gelesen, von seinem Verständniss derselben in seinen eigenen Schriften ruhmvolles Zeugniss abgelegt. Aus diesen Schriften haben Alle geschöpft, die sich mit hebräischer Sprache beschäftigt; die in derselben gegen- wärtig verbreiteten Kenntnisse sind sein Verdienst, das die Schüler laut und ohne Erröthen anerkennen. Wie die he- bräische, so kennt er auch die chaldäische Sprache, die chal- däischen Bibelübersetzer hat er mit Fleiss und Sorgfalt ge- lesen, eine Frucht dieser Studien ist sein chaldäisches Wörterbuch *). In der Bibel, mit der sieh die übrigen Juden, die ihre Zeit meist auf thalmudische Spielereien und andere Nichtigkeiten verwenden, kaum beschäftigen, ist er so gelehrt, dass er nicht nur den Anfang aller biblischen Bücher, sondern auch einzelne Verse, Redensarten, Zeichen, Accente u. A. m. im Gedächtniss hat, was bei einem so bejahrten Manne durchaus wunderbar erscheint. Gerade dieses Alter gibt dem verdienten Manne ein nicht geringes Ansehen, es empfiehlt seine Gelehr- samkeit als eine in vielen Jahren erprobte, zeigt das, was er aus seiner Rüstkammer hervorholt, nicht als neu entstanden, son- dern als wohl und vielfach überlegt und durchgesprochen, als fest und solid begründet. Von einem solchen Mann muss man lernen, von ihm, der, obgleich er Jude, dem christlichen Glauben nicht feindlich gegenübersteht, nicht spöttisch wie die übrigen seiner Glaubensgenossen über Christus sich aus drückt, der ausser seinen positiven Kenntnissen einen reichen Schatz von Erfahrung besitzt und alles dies bereitwillig und mit wunderbarer Geschicklichkeit mitzutheilen versteht. Nur ist zu fürchten, dass das hohe Greiscnaltcr diesen Mann eines Tages unversehens aus unserer Mitte herausreisst, bis dahin aber muss man Gott danken, der ihn so lange erhalten und der todbringenden Parze noch nicht gestattet hat seinen Lebensfaden abzuschneiden. Vor Allen bin ich für diese

i) (ut) ex illis Lexicon Chaldaicum doctissimum et utiliasimum , cui nomen JÖJTinö fecit, collegcrit, quod propediem in communem utilitatem omnium studiosonun Linguae sanetae n""K (ern nJTT CS', (so Gott will) exeudi cuarbinras. Es erschien noch in demselben Jahre 1541,

Die Schälet des Elias Levita, faul Fagiut und Sebastian Münster, 59

Wohlthat verpflichtet, denn mir war vergönnt, nicht nur die Schriften dieses Mannes zu lesen, sondern ihn selbst in der Nähe zu haben, als Gast aufzunehmen, mit ihm zu plaudern» Mund an Mund, wie der Hebräer sagt, mit ihm zu verhandeln ; mit seinem Rath und seiner Hülfe, die Elias, dieser, obgleich ein Jude, denuoch seiner ausgezeichneten Gelehrsamkeit und seiner wunderbaren Milde und Freundlichkeit alles Lobes würdige Mann, so gern ertheilt, meine hebräische Druckerei r) zu beginnen. Mir liegt es daher besonders ob, die des hebräischen Studiums Beflissenen zu ermahnen, diesen Manu zu loben und zu preisen, dass er nach Deutschland ge- kommen, um den Dank gegen sein Vaterland2) durch seine Schriften abzutragen, die er in ihm veröffentlicht, der, obgleich von vielen Jahren gedrückt, nicht die verdiente Ruhe aufsucht, sondern Tag und Nacht unaufhörlich den hebräischen Studien obliegt .... Noch eins, lieber Leser, wenn Du in diesem Buche einige jüdische Spöttereien antriffst, so wisse, dass sie nicht von Elias angeführt sind, um sie zu billigen oder ihnen Glauben beizumessen, wie er selbst an einer Stelle deutlich bezeugt3), sondern dass diese Stellen nur der Erklärung wegen beigefügt sind. Ich habe daher in meiner Ueber- setzung diese Stellen ausgelassen. Du sollst aus ihr nur die hebräische Sprache kennen lernen, nicht den jüdischen Glau- ben billigen."

Die letzte Stelle namentlich ist überaus interessant, das Ganze aber zeigt, wie sehr ein Jude durch seine Kenntnisse nicht nur, sondern auch vermöge seiner Persönlichkeit im Stande war, Achtung und Verehrung seitens der Christen sich zu verschaffen. Auch Sebastian Münster hegte die grösste Verehrung vor seinem Meister, beide wetteiferten, die he- bräisch geschriebenen Schriften des gelehrten Juden durch Uebersetzung einem weiteren Kreise zugänglich zu machen. Levita freute sich seiner Jünger, und wenn er Münster auf-

!) Ueber die hebräische Druckerei, die Fagius in Isny errichtete, siehe unten.

2) Vgl. oben S. 56, Anm. 1.

3) Ut alicubi etiani manifesto testatur. Mir ist die Stelle, auf die hier angespielt wird, nicht bekannt.

60 Die Schüler des Elias Levita, Fanl Fagius rfnd Sebastian Münster.

forderte eine seiner Schriften zu übersetzen1), so ehrte er den Fagius mit seinem Besuche, arbeitete wacker in seiner Gemeinschaft und gab ihm grosse Lobsprüche, er verdiene, dass auf ihn angewendet werde was man über Maimonides gesagt habe: Von Paulus bis Paulus stand keiner auf, wie Paulus 2).

Elias Levita war im Leben und in der Wissenschaft von der grössten Bescheidenheit. Ein stiller, emsiger Arbeiter, will er aus seinem einmal gewählten Arbeitsfelde, der Gram- matik und der Massorah, nicht herausgehen 5 bei seinem ersten etymologischen Interpretationsversuche entschuldigt er sich wegen seines Wagnisses. Es habe einmal ein Schuhmacher einen Maler auf einen Fehler im Zeichnen von Schuhen auf- merksam gemacht, da habe dieser den Fehler dankend ver- bessert; dadurch kühner geworden, habe der Schuhmacher auch an den Knieen etwas aussetzen wollen, da habe ihn der Maler mit Schande und Spott weggejagt. Er fürchte, es werde ihm auch so gehen, es werde Jemand zu ihm sprechen: Was willst Du hier Elias? gehe und sprich über Grammatik und Massorah, aber hüte Dich in Fremdes Dich einzulassen, unbekannte rabbinische Wurzeln zu erklären3). Wenn er in seinen Werken auf etwas Philosophisches, Kabbalistisches zu sprechen kommt, so weist er es als nicht in sein Fach schlagend ab, keineswegs aus Verachtung, wie er z. B. von der Kabbalah sagt: Ich bin nicht würdig ihren Inhalt zu er- örtern, denn ob meiner Sünden habe ich diese Wissenschaft nicht gelernt, und die Kenntniss dieser Heiligen weiss und begreife ich nicht. Namentlich in seinem Werke Tischbi tritt dieser Standpunkt hervor. Tischbi (oder Thisbite, Beinamen des Propheten Eliah, an Zahlenwerth = 712) enthält die Er- klärung von 712 rabbinischen Wörtern. Es wurde von Fagius herausgegeben und mit einer lateinischen Vorrede und Ueber- setzung versehen1). Levita erzählt, wie er nach Beendigung

*) Das berichtet Münster in der Einleitung zu Levita's Syv* Basel 1527. 2) Prosaische hebräische Vorrede zum Tischbi. :!) Poetische hebräische Vorrede zum Tischbi.

4) Opusculum recens hebraicum a doctissimo Hebraeo Elia Levita Germano Grammatico elaboratura, cui titulum fecit "SttTi i. e. Tischbi, in

Die Schüler dos Elias Levita, Paul Fagius und Sebastian Münster. 61

des Buches eiueu Druckort gesucht habe und es nach Bologna zu Bomberg habe schicken wollen, da sei ihm aus Deutsch- land die freudige Kunde gekommen, ein Christ habe eine hebräische Druckerei gegründet, erbitte sich seinen Beistand dazu und wolle seine Werke drucken. In dem Werke wollte i?r keineswegs, wie das talmudische Lexikon, der 'Aruch, alle talmudischen und midraschischen Ausdrücke zusammenstellen, sondern nur solche, bei denen er etwas Neues zu sagen wüsste. Zu jeder Wurzel habe er Erläuterungen aus den chaldäischen Bibelübersetzungen, Beweise aus anderen Spra- chen, dem Griechischen, Lateinischen und Italienischen, bei- gebracht. Wie er in kabbalistischen Dingen zu Werke geht, haben wir schon gesehen; hören wir, wie er philosophische und allgemeine Religionsbegriffe erklärt. Bei dem Wort Jon üb)V : „zwischen den Neueren ist ein Streit über die Zeit der künftigen Welt. Einige sagen, sie bedeute das Leben der Seele, das gleich nach dem Tode beginne, Andere, sie sei die Zeit des Messias, die Dritten, sie sei die Zeit der Wiedererweckung der Todten. Jeder bringt Beweise zur Unterstützung- seiner Meinung herbei, ich bin nicht würdig-, mich unter die Schaar dieser Weisen zu mischen; wer die Frage genau ergründen will, der sehe die Erklärung Isaak Abarbanells nach". Auf dasselbe kommt er auch bei dem Worte Ni:6 "Pnj? zurück, wo er den Unterschied dieses und des ersteren ebensowenig wie die wahre Bedeutung dieser Ausdrücke entscheiden will. Bei DT1D' „die Meinung der Alten, das Paradies habe vier Eingänge gehabt, als An- deutung des himmlischen Viergespanns, will ich nicht er- örtern". Auch von Thalmudischem spricht er mit gleicher

quo 712 vocum quae sunt partim Hebraicae, Clialdaicae, Arabicae, Graecae et Latiuae, queque in Dictionariis non facile inveniuntur, et a Rabbinis tarnen Hebraeorum in scriptis suis passim usurpantur: origo, etymon, et verus usus docte ostenditnr et explicatur per Paulum Fagiurn in gratiam studiosorum linguae Sanctae latinitate donatum. Rationem Tituli invenies in Praefatione autboris. Impressum Isnae in Algavia, Anno MDXXXXJ. (Vorreden und Schlussseiten unpaginirt) 278 SS. in 4». Eine Ausgabe mit hebräischem Titel ohne lateinische Vorrede und Uebersetzung erschien Basel 1601, 200 Bll. in 40.

o2 Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagitii n Münster.

zurückhaltender Ehrerbietung, obwohl er geistreiche Wortspiele Hebt, Seine jüdische Hoffnung verbirgt er nicht, wenn er bei "HT! die Erwartung ausspricht, dass vor 1560 der Messias erschei- nen werde. In schlichter Weise bespricht er Christliches. Bei w: „Die Christen sagen, ihr Messias sei auf Befehl des Engels Gabriel Jesus genannt worden, weil er alle Welt er- lösen sollte (W'T1 er wird helfen, erlösen). Andere meinen, er habe zufällig' so geheissen, wie Viele in jener Zeit." Fagius, der sonst sich fast von jedem Zusatz enthielt, fügte hier hinzu: „Ich, Paulus Fagius, Uebersetzer dieses Buches, will zur Ehre Christi, unseres Erlösers, die Stelle anführen, die sich in dem Werke des Josephus, Sohnes Gorions, findet: Zu jenen Zeiten lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn überhaupt Mensch nennen darf, der viele Wunder that und allen Men- schen die Wahrheit verkündete. Er war der Messias, der viele Juden und Christen um sich schaarte, den Pilatus in Folge der Anklage einiger Angesehenen unseres Volkes ans Kreuz schlagen Hess. Die ihm angehangen hatten, Hessen aber nicht von ihm, er erschien ihnen drei Tage darauf wie- der lebend und that all das Wunderbare, das die Propheten von ihm vorhergesagt hatten. Sein Name besteht bis auf den heutigen Tag und seine Anhänger werden „Messianische" ge- nannt. Ebenso einfach spricht er über NE© Petrus '), über H2U Nazarener, Christ2) U.A. Bald nach dem Tischbi wurde der Methurgemau, ein targumisehes Wörterbuch, herausgegeben, das Fagius gleichfalls mit einer lateinischen Vorrede versah3).

!) Hier macht er die sprachliche Bemerkung, dass, wie Petra im bischen, so Pereda im Italienischen und im Targum Stein bedeute,

ein neues Beispiel der Aehnlichkeü dieser drei Sprachen, von der er schon

in der Einleitung gesprochen.

2) In diesem Artikel sind die Worte DO-ÖKÖf! D*UTl WO« D"K"up "pkl D'HSrfl lma wol nur aus Versehen unühersetzl gehliehen.

3) Der Methurgemau erschien unter dem Titel: Lexicon Chaldaicum authore Eliia Levita quo nullam hactenus a quoquam absolutius aeditum est; omnibus Heliraeae linguae studiosis inprimis et utile et aecessarium, Ex- cnsnm Isnae Anno MOXXXX1. Mense Augusto. Ausser der Vorrede findet •leh im Buche seihst keine Bemerkung des Fagius. Anführen will ich auch ein Büchlein: Nomenclatoj Eliae Levitae ed. J. Drnsius, Prankerae 1652

Die Schill. 'i- des Elias Levita, Paul Fagine and Sebastian Ifün 6H

Die eigentlich grammatischen Werke Levita's sind ziemlich /nhlreich. Schon während .seines Aufenthalts in Padua be- schäftigte er sich mit der Herausgabe der kurzen Grammatik des Moses (älteren Bruders und Lehrers des David) ben Joseph Kimchi '), die ihm damals von einem Betrüger entwendet und unter falschem Namen veröffentlicht wurde und die er selbst erst fast 40 Jahre später herausgab2); um diese Zeit trifft auch die Ausgabe von David Kimchi's Grammatik und Wörter- buch 3).

Sein erstes eigenes grammatisches Werk war eine unter dem Titel "VirD veröffentlichte Grammatik, zu deren Abfassung er „durch einen gotterweckten Mann", wie er sagt, veranlasst worden sei, den Cardinal Egidius nämlich, dem er auch die Schrift gewidmet hat (Rom 1517), die damals und noch lange später als eins der vortrefflichsten Lehrbücher über diesen Gegenstand gerühmt wurde und durch die üebersetzung Mün- sters eine weite Verbreitung erhielt4). Eine speciellere gram- matische Schrift, das nZDTin "1SD über gemischte, unregel- mässige Formen, erschien bereits 1518 5) und wurde mit Er-

in 8°, wo in 47 SS. (S. 48 240 sind Anmerkungen des Joh. Drusius) eine Anzahl Wörter getheilt in Substantiva , Verba und eine dritte Klasse, die alles übrige enthält, nach dem Alphabet der lateinischen Worte lateinisch und hebräisch mitgetheilt werden (der Heransgeber hat noch griechisch hin- zugefügt), dann einige Grussformeln. Die Worte mischen sich in der bun- testen Reihe, ohne jedes System; es ist durchaus nicht ersichtlich, wozu das Ganze hat dienen sollen.

i) nsnn 'tyatw ^bnn »

2) Venedig bei Bomberg 1546. Noch 1652 wurde in Mantua eine neue Ausgabe davon veranstaltet. Die Zusätze des Elias scheinen nicht sehr be- deutend zu sein.

3) '^PP und D^itHtf beide bei Bomberg in Venedig, letzteres Marche- schwan 1547. Die Anmerkungen des Elias stehen mit kleinerem Druck in den Text eingerückt, am Anfange einer jeden .TKK<"onttH Vrbto "lOK* Die am Rande stehende lateinische üebersetzung der einzelnen Worte ist wol von Fagius. 548 Spalten in Folio.

4J Nur ein Auszug befindet sich handschriftlich in dem Cod. 1251 (fonds hebreu) der Pariser Bibliothek, fol. 1— -8.

5J In Rom; der Titel lautet: ."6ö pHpl wa bbo nasim TfiO :-navc ff-iBD on»in mKS "WK naaniöl mt Es gibt zahlreiche spätere Aus- gaben, z. B. 1548; handschriftlich findet es sich im Cod. 1251 (Paris) fol. 12 bis 49.

64 Uie Schüler dos Elias Levita, Paul Fagins um! Sol>a*tian Münster.

laubniss Leo's X. gedruckt ]). Nach beliebter Weise des Levita machen Gedichte den Anfang und Schluss des Buches, die unregelinässigen, .schwer zu erklärenden Worte, die in dem- selben einer Besprechung unterzogen werden, sind alphabetisch geordnet. Das Werkchen erschien von Münster in lateinischer Uebersetzung 2), die, wie er selbst sagt, sich meist wörtlich au den hebräischen Text anschliesst, von dem er nur die Ein- leitung mittheilt; weitere Zusätze enthält diese Uebersetznng nicht. Auch in diesen seinen eigenen Werken folgt Elias seinem Meister David Kinichi, macht ihn zum Alleinherrscher, bringt nicht neue Ideen, sondern stellt in einfacher, für Beleh- rung bestimmter Form den vorhandenen Stoff zusammen.

Bedeutender als diese grammatischen Leistungen ist das, was er über die Accentlehre und die Massorah geschrieben hat. Die dahin gehörigen Schriften DJ?:: 2V£ und moan miDQ wurden bald nach ihrem Erscheinen von Münster ins Latei- nische übersetzt, der ihre Bedeutung wol erkannte; aber wenn er auch ausdrücklich die vorzüglichen Dienste hervorhebt, die Elias damit der Wissenschaft, speciell Denen, die sich mit Hebräisch beschäftigen, geleistet habe, so meint er doch, Elias habe in dem zweiten der angeführten Werke Vieles ge- schrieben, wras mehr dem Aberglauben seines Volkes als uns diene3). Wir müssen freilich sagen, dass gerade dieses zweite Werk epochemachend gewesen ist, dass dieses erst die Massorah, diese wichtige, unentbehrliche Handhabe für

ij Im Nachwort: ,Y"T +WVT1 püT? 'WBK lMttK rYfflhS HH naCH DBT1

mhsb vsv rwa yefflSM vnra

2) naS'Tin "iBD Composita verborum et nominura Hebraicorum, Opus rere insigne atque utile Hcbraicac Gramniaticae studiosis in primis neces sariurn, Romae Eliae Levitae autore editurn et uuper per Sebastianum Rlun

terura latinitate donatum. Basileae An. MDXXV mense Nbvemb. Aa . . . Kk ä 8 l'.ll., LI. ä 3 BEL in 8<>.

3) Aus diesem Grunde übersetzte er aueb das Werk Masoretb nicht ganz, sondern gab nur den Inhalt der einzelnen Capitel an. Die hebräischen, von Elias veranstalteten Ausgaben erschienen Venedig 1538, Masoreth 87 SS. Tuw Tiiain 35 SS. in 4°, die Münster'sche hat zum Titel: Accentuum he- braicorum über onus ab Elia Judaeo aeditus ei tarn diu desideratus. Etem über Traditionum ... Inline redditus per Sebast. Muns! im. Basileae apud Benricum Petrum 1539. 109SS. lateinisch; Jt . K ä 8 Bll., und noch ein unpaginirter Bogen ä G Bll., hebräisch, kl. 8°.

Die Schfiler des Elias Levita, Paul Fagius und Sebastian Munster. (!.">

Kritik, und Feststellung des biblischen Textes, zugänglich liuu'hte, durch verständiges Studium derselben neue Blicke eröffnete, neue Ansichten ans Licht brachte, die noch bis heute uieht zur vollkommenen Erkenntniss gelaugt sind. Zur Ergänzung und Ausführung verfasste er eine mächtige maso- rethische Concordanz in der einen Vorrede zum Schriftchen Masoreth sagt er, er habe zwanzig Jahre daran gearbeitet die pur handschriftlich, freilich ganz druckfertig, vorhanden, aber ungedruekt uud ziemlich unbekannt geblieben ist ' ). Die Con- cordauz verzeichnet in peinlichster Sorgfalt die Beispiele aller einzelnen Formen, z. B. bei den Verben in den einzelnen Zeiten jede Person mit den ihnen anzuhängenden Suffixen, lässt aber, wie ein bewährter Kenner der Massorah bemerkt,-) den ebenso wichtigen Theil, welcher Accente, Wortverbindungen, Vers formen behandelt, ausser Acht. In dein Werkeheu Masoreth gab Levita in der dritten Vorrede Bemerkungen über die Neu heit der Punktation: sie sollte, meinte er, nicht zugleich mit dem biblischen Texte dem Moses überliefert worden sein; Vocal- und Accentzeichen überhaupt nicht vor der Zeit des babylonischen Talmud existirt haben, sondern erst durch die Lehrer in Tiberias aufgekommen sein ; Bemerkungen, die, weit entfernt gleich zur Annahme zu gelangen, zu heftigen Kämpfen Anlass gaben, in Uebermaass missbraucht wurden, bis man erst allmälich zur richtigen Anwendung kam. Münster sagt, er habe in dieser Vorrede vieles Seltene und Vorzügliche gefun- den, wunderbare Auseinandersetzungen über die Punktation, die Buchstaben des Alphabets und die Accentzeichen, er habe daher diese Vorrede vollständig übersetzt, da sie einen Inbe- griff der hebräischen Sprachlehre enthalte5).

Paul Fagius haben wir als Freund und Schüler dv± Levita kennen gelernt. Er würde, wenn er nicht auch selbst

i) Die Handschrift, 2 voll, in fol., der erste p-K) 514, der zweite (ft-b) 60G Bll. enthaltend, befindet sich in der kaiserl. Bibl. in Paris (Cod. 134. 135 fonds hebreu.) Der Titel lautet -irre nfcö bzn r^Ztr, tfjMÖ .rt&htt n-rc

trrtHöto n-ran? -nüies nbacfl .rftfteb pnjrn .niwa» tjö .rfati p hat Die Ein- leitung zu dem Werke, ohne Beschreibung der Handschrift, ist mitgetheilt von Frensdorff a. a.jflöd

2) Frensdorf a. a. 0.

3) Münster in der lateinischen Einleitung zu seiner Ausgabe.

feiger, Studium. 5

Mi Die Schaler des Elias LeviU, Panl Fagius and Sebastian Honster.

.schriftstellerisch aufgetreten wäre, dadurch Bedeutung- verdie- nen, dass er eine hebräische Druckerei gründete, aus der eine Anzahl Werke des Levita hervorgingen. Das geschah in Isnv, wo Fagius (geb. 1504) lange als Schulmeister lebte und wohin er nach einer Unterbrechung, während der er Professor der hebräischen Sprache in Strassburg war, 15:J7 zurückkehrte. Die Errichtung der Druckerei verdankte er dem Peter Büffler, Bürger in Isny, den er in der Vorrede zu dem ersten Werke, das seine Presse verlies» (1541) J) rühmte als einen sehr frei- gebigen Maecenas, als einen sehr redlichen und frommen Mann, der wegen des besonderen Eifers, mit dem er allen Gelehrten nachgehe und auf dieses fromme Werk seine ganze Thätigkeit verwende, unsterbliches Lob bei aller Nachwelt verdiene-). Fagius ist ein Schüler des Kapito, dessen Nachfolger er in Strassburg wird. Von seinen eignen Schülern ist Johann Drakonites zu nennen, den wir in Wittenberg treffen werden, Martin Crusius, der erzählt 3), ihn in Strass- burg gehört zu haben, Jakob Hart mann und Jakob Velo- cianus, dem Ersteren widmet er seine Ausgabe des Tischbi, der Letztere hat Elias' poetische Vorrede dazu übersetzt, beide nennt er sehr gelehrt im Hebräischen. Fagius ging 1549 nach England und starb daselbst in Cambridge am 12. Nov. 1549 in demselben Jahre, wie Elias Levita.

Fagius' Werke sind zum Theil Uebersetzungeu und Aus- gaben von Schriften Anderer, zum Theil eigene Schriften. Von der ersten Klasse haben wir die der Lcvita'sehen schon betrachtet, einige andere müssen erwähnt werden. Es ist natürlich, dnss Fagius sowie Münster von ihrem jüdischen .Meister Eines namentlich lernten: Achtung und Wcrthschälzung der jüdischen Rabbinen, ihrer Leistungen in Grammatik und Erklärung biblischer Bücher. Fagius gab den Commentar des David Kimchi zu den ersten 10 Davidischen Psalmen, hebräi-

i) Der Tischbi des Elias Levita.

2) Liberalissinras Maecenas qtii per instituenda ofücina kypogpraphica eaque Heitren sumptus liberalisaime exponit, nempe I». Petrus Bufflerus civis fsnensia et honestissimus et piissimus qui ob singulare Studium, » j u< > prose- quitur omnes doctos et in ipsam pietatera promovendam totus Lncumbit, aeter- uam landem apud onraem meretux posteritatem.

3) Amiales Suevici (1595) Pats III. lib. IX. cap. XIII. p. 525.

Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagiua und Sebastian Münster. ö7

sehen Text mit lateinischer Uebersetzung, heraus J), der sich dem Texte wörtlich ansehliesst, aber ohne der lateinischen Sprache Zwang* anzutlum. Er habe die Uebersetzung veran- staltet, damit daraus hervorgehe, welche Bedeutung die Schriften der Rabbiuen für die Erklärung der h. Schrift hätten. In dieser Beziehung sei seinem Urtheile zufolge David Kimchi einer der hervorragendsten, der die wörtliche Bedeutung und Eigentüm- lichkeit glücklicher als Andere erfasst zu haben scheine. „Denn wenn auch die jüdischen Commentatoren auf Christus, der das einzige Ziel der heiligen Schrift ist, wenig oder gar keine Rücksicht nehmen, ja sogar oft ihn absichtlich bekämpfen, so glaube ich doch nicht, dass ihre Werke deswegen ausser Acht zu lassen oder gar völlig zu vernichten sind, wie Einige thöricht und unsinnig verlangen. Denn sie enthalten Vieles, was nicht mit Christus in Zusammenhang steht und doch denen, die die heiligen Orakel des alten Testamentes lesen, sehr nützen kann, besonders die Erläuterung des Textes nach seinem buchstäblichen, grammatischen und historischen Sinn. Unter den Schriftstellern dieser Art ist David Kimchi vielleicht der bedeutendste."

Doch wies er die Gelegenheit nicht ab, den christlichen Standpunkt in diesen Studien hervortreten zu lassen : er über- setzte ein „Buch des Glaubens und der Wahrheit", das, wie er angiebt, vor langen Jahren ein Jude herausgegeben habe, um zu zeigen, dass der christliche Glaube vollkommen sei und auf der Grundlage der alten heiligen Schrift stehe, und zum Beweise, dass das Buch von einem geborenen Juden geschrie- ben sei, macht er auf den reinen hebräischen Stil aufmerksam, den Niemand leicht so schreibeu könne, wenn er nicht in dieser

ij BrrYfi Commentariuin hebraicum Rabbi David Kimchi in decem primos psalmos davidicos, cum versione latina e regione pro exercitamento omnibus hebraicae linguae studiosis quibus ad legenda Hebraeorum commentaria ani- mus est. Per Paulum Fagium. Constantiae MDXEIIII a— e a 6 Ell. f ä 4 Bll. in Fol. Die Schrift beginnt ohne jede Einleitung und geht von links nach rechts. Zuerst werden die einzelnen Psalmen ganz mitgetheilt, dann folgt der Cpmmentar ; die erklärten Worte sind gross gedruckt, das Hebräische durchgängig punktirt. Eigene Bemerkungen des Fagius finden sich nicht, die im Texte angeführten Stellen sind aus einem Schlussworte ad lectorem zu entnehmen.

5*

68 l>io Schüler den Elias Levita, I'.ml Fagius und Sebastian Hünuter.

Sprache erzogen sei '). Er gab ferner hebräische G-ebete heraus

hui den Kitas zu zeigen -), dem auch Jesus sieb angeschlossen habe, und einen kleineu Traktat eines bekehrten Juden, der lehre, warum sieb die Juden scheuen, dem christlichen Glauben beizutreten, selbst wenn sie dessen Wahrheit erkennen3).

Sonst hat Fagius keine blossen Uebersetzungen angefer tigt, sondern Werke mit einzelnen Bemerkungen oder ganzen Commentaren begleitet herausgegeben. Am kürzesten iasste er sieb in seinen Bemerkungen zu den Sprüchen der Väter,4) in denen er sieb ganz sachlich und objektiv verbielt und zwischen kurzen Sinneserklärungen \\\u\ Lösung grammatischer Schwierigkeiten abweebselt. Uie Sprüche, die er hier dem lateiniseb gebildeten Publikum vorlegte, sebätzte er sehr hoch; in eiuem hebräischen Gedichtchen, das seiner lateinischen Ein- leitung folgt, nennt er sie tausendjährige Worte, Sprüche der Weisen, gegraben in die Herzen, aus denen man schöpfen solle, um aus ihnen guten Wandel zu lernen. Schon auf dem Titel der Schrift drückt er sieb rühmend genug über den folgenden Inhalt aus. In ähnlicher Weise ist auch die Ausgabe der Sprüche des Sirach und des Tobias veranstaltet. Die lateinische

!) Die drei folgenden Schriften habe ich nicht gesehen, sie sind mir nur aus der Anführung in Michael Neanders Erotemäta p. 248 bekannt. Liber fidei se\i veritatis, preciosus bonus et iucundns, quem doctus quidam [srahe- lites ante multos annos edidit ad comprobandum, fidem Christianorum per- fectarn esse et niti super fundamentum sacrae veteris scripturae: Lrapressuin [snae 1542 in 4; Hebraice chartis IG item Latine Paulo Fagio interprete.

2) Precationes Bebraicae vielleicht zusammen erschienen mit

'■•> Parvus tractatulus ex libro fidei Judaei cuiusdam ad Christianismum conversi ante anmis 200 in quo obiter ostendit causas aliquot propter quas tnulti Judaei etiamsi veritatem agnoscant ad fidem nostram accedere verentur. Chartae sunt 4 ibidem impressae anno L542 in 4°. cum translatione Fagii.

•') Sententiac vore elegantes, piae, mireque cum ad linguam discendam, tum animum pietate excolendum utiles, veterum sapientum Eebraeorum quas r:2K plB id est Capitula, aut si mavis Apophtegmata Patrum nominanl in Latinum versae scholiisque illustratae per Paulum Fagium in gratiam stu- diosorum Linguae sanctae. Excusum [snae, in Algavia oppido imperial] Anno MDXXXXI. Die aus Fagius1 Druckerei hervorgegangenen Schriften haben alle (als Druckerzeichen) einen in Rahmen eingeschlossenen Baum, an dessen vier Seiten Inschriften stehen, an der einen Seite gewöhnlich die bebräische: MS "HB KttTö SUö f?» Bier findet sieh noch folgende: Trpn »OTlBft c-n pb Tnö KW rbv:r\ mwaa Die Seiirin hat 151 Seiten in 4«. Die

Vorrede ist datirt : Isnae 12 Cal. Apr. 1541.

Schüler d< s Elias Levita, Paul Fagius and Sebastian Münster. (>!'

Uebersetzung ist mit Sorgfall angefertigt, die Bemerkungen zu .Ion Sprüchen ohne besonderen Werth. In der Einleitung zu der Ausgabe des Tobias, bei der kein Commentar sich findet, bemerkt er, dass er den hebräischen Text, den er vorlege, aus einem alten constantinopolitanischen Drucke genommen habe. Auch in diesem Buche finden sich ein paar hebräische Versehen, in denen Fagius Geschicklichkeit in Handhabung der Sprache und in Befolgung der poetischen Regeln zeigt l).

Dem Beispiel des Elias Levita folgend, der als erster auch die chaldäische Sprache mit in sein Studiengebiet zog, wenn auch hier sein Ruhm das Gebiet als erster betreten zu haben grösser ist, als der wirkliche Werth seiner Leistungen, be- schäftigte sich auch Fagius mit dem Chaldäischen. Als Frucht dieser Beschäftigung liegt der erste Band des Targum des Onkelos vor-). Ausgaben der Bibel gebe es zwar genug, meint er, aber um sie recht zu verstehen, müsse man auf ihre ersten Uebersetzungen zurückgehn, unter diesen sei die chaldäische nach der Septuaginta die älteste und daher für die richtige Auflassung der Bibel von grösster Bedeutung. Die chaldäischen Uebersetzungen empfehle daher: 1. ihr Alter, Onkelos sei der Sohn der Schwester des Kaisers Titas gewesen, Jonathan ben Usiel, von dem das Targum zu den Propheten herrühre, habe 200 Jahre vor der Zerstörung des Tempels geschrieben. Ueber

i.) X"TC |3« Sententiae morales Ben Syrae vetustissimi authoris Hebraei qui a Judaeis nepos Hieremiae prophetae fuisse creditur, cum succineto commen- tario. Tobias Hebraice, ut is adhuc hodie apud Judaeos invenitur omnia es hebraeo in Latinum translata in gratiam studiosorum linguae sanetae per Paulum Fagium Isnae MDXLII. Am Ende der Sprüche Siracbs folgt nocli tin besonderer hebraeischer und lateinischer Titel für Tobias. A . . H ä 4 Bl. und A . . F ä 4 Bl. in 40.

2) Thargum, hoc est Paraphrasis Onkeli Cbaldaica in Sacra Biblia. Ex Cbaldaeo in Latinum fidelissime versa, additis in singula fere capita succin- tis Annotationibus. Autore Paulo Fagio . . . Tomas I. Argentorati Anno 154G. (Diese, wie schon die oben S. 67, Anm. 1 mitgetheilte Angabe des Druckorts zeigt wol, dass die Druckerei zu Isny nur sehr kurz bestanden hat.) a . . z, A . . S ä 6 Bl. in Fol., das letzte Blatt leer. Am Ende: Argentorati per Georgium Machaeropolum mense Martio, Anno MDXLVI. Das Werk ist dem Pfalzgrafen Friedrich gewidmet: in der Widmung erzählt er, dass er in Heidelberg studirt habe, und nennt als seine Lehrer Martin Frecht und Johann Brenz ; wir erinnern uns, dass letzterer seinerseits Schüler des Matthäus Adrianus im Hebräischen war (s. o. S. 43 und Anm. 3).

70 Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagins and Sebastian Mfli

die Frage, ob beide, wie Viele nach der Autorität des Petrus Galatinus behaupten, eine chaldäische Uebersetzung der gan- zen Bibel geschrieben haben, oder ob, wie Andere wollen, Onkelos mit Aquila, Jonathan mit Theodotion zu identificiren sei, möchte er nicht entscheiden; 2. die Leichtigkeit, mit ihnen die Dunkelheiten des hebräischen Textes aufzuhellen; 3. die Autorität, die die Juden dem Targum beimessen, indem sie ihm nicht geringeren Glauben schenken, als dem hebräischen Texte selbst, so dass sie nicht besser von ihren Irrthümern überzeugt werden können, als durch die chaldäische Ueber- setzung x). In der Uebersetzung habe er keine Eleganz er- strebt, wer die verlange, möge Cicero, nicht Moses zur Hand nehmen. In den Noten habe er die manchmal dunkle und schwierige Sprache des Textes erklärt, die Abweichungen der chaldäischen Uebersetzung vom biblischen Texte gezeigt, Parallelstellen namentlich aus dem jerusalemischen Targum herangezogen, die jüdischen Gebräuche erläutert, aber immer nur das angemerkt, was ihm einigen Nutzen zu haben schiene. Daher habe er auch aus jüdischen Schriften nicht kindische Fabeln und abergläubische Spottreden beigebracht, sondern werthvolle Auseinandersetzungen; gottlose Irrthümer habe er mit Eifer bekämpft.

In der That leisten die Anmerkungen das, was dieses vorläufige Programm verspricht. Ausfälle gegen die Juden oder Zurückweisung ihrer gottlosen Irrthümer, um mit Fagius zu reden, kommen ziemlich selten vor und sind, wenn sie vorkommen, in ziemlich objektivem Tone gehalten: so zu Deut. 4, IG, wo er den gegen die Christen erhobenen Vor-

M Er fährt fort: Dieses Chaldäische sei dasselbe, wie das Syrische, das zu Zeiten Christi vernacula lingua foit. [mo adhuc hodie quatuor Evange- listarum in hac lingua scripta extant, cuius rei fidelissimum fcestem profero praedarissimum doctissimumque virum DD. Albertum Widmanstadiurn a con- silüs Illustrissimo Principi Duci Bavariae qui hunc thesaurum secum recon- ilituia habet, mihique per amantissimas quas ad me dedit literas spem fecil t'ore aliquando ut hie thesaurus in lucem prodeat. Diese Hoffnung sollte in Erfüllung gehen. Widmanstadt, der später in den Dienst des Kaisers über- trat und uns noch als Lehrer des Hebräischen in Wien begegnen wird, gab Novum testamentum Syriace, Wien 1555, heraus. Auch er betont in der Ein- leitung zu diesem Werke, wie nothwendig das Syrisch:' zum Verständnis des hebräischen Texte

Die Schüler ili--- Elias Levita, Paul Fagius and Sebastian Hün 71

wurf, als beteten sie Bilder an, für ungerechtfertigt erklärt; Deut. 30, 3, wo er die Beziehung dieser Stelle auf eine künf- tige Befreiung der Juden durch einen Messias nicht gelten lassen will und die Nichtigkeit dieser Hoffnung überhaupt nachzuweisen sich bemüht. Oft giebt er ausfuhrliche nicht unwichtige und ziemliche Gelehrsamkeit verrathende Ausein- andersetzungen, über die Gelübde zu Numeri 30, 2; über die Todtengebräuche zu Deut. 14, 1 ; ein ander Mal, wo er die dreizehn Grundsätze (D'HpJ?) mittheilt, übersetzt und erläutert, zu Deut. 5, 4, wo er eine Stelle aus dem Sacrificium Isaak des Rabi Isaac Aramaei anführt. Seine Kenntniss der Rabbinen ist nicht gering, namentlich die Bibelerklärungen des David Kimchi führt er an und nimmt auch auf dessen liber Radicum Rücksicht, häufig citirt er R. Salomo (Kaschi) und hie und da andere weniger bekannte. Kirchenväter citirt er verhältniss- mässig sehr selten, dagegen erwähnt er Neuere, wie Augusti- nus Steucho, Petrus Galatinus in seinem Werke De arcanis catholicae veritatis, die Complutenser Bibelausgabe und die Sebastian Münsters *).

Ein rein exegetisches Werk ist seine Erklärung der vier ersten Capitel der Genesis 2). Er habe dieses Schriftchen ver- öffentlicht, sagt er in der Widmung an Johannes Marbach, um dadurch zu zeigen, wie viel Werth das Yerständniss der hebräischen Sprache für die Theologie besitze, namentlich der hebräischen Worte, in denen der heilige Geist seine göttlichen Orakel der Welt offenbarte. Es wäre eine Schande für einen Theologen, wenn er diese Sprache, die Quelle einer reinen Theologie, aus der alle Uebersetzungen der Bibel geflossen

J) Ob ein zweiter Bauet dieses Werkes erschienen, ist mir nicht bekannt. Kr beabsichtigte ihn jedenfalls, am Schlüsse der Einleitung bemerkt er, er weide einen zweiten Band, der die Propheten enthalten solle, veröffentlichen, wenn dieser erste gut aufgenommeu werde; aus dem werde man erkennen, wieviel Licht die chaldäischen Uebersetzung auf die Christus betreffenden Prophezeiungen werfe. Am Sehluss des gleich zu besprechenden Werkes Exegesis spricht er von seinem Plane, die ganze chaldäische Bibel mit latei- nischer Uebersetzung herauszugeben.

2) z-Mz BrfnKe *t bv nnftra "iee c"£r *-b atfan tj-h bv nfeön törve

Id est Exegesis sive Expositio dictionum hebraicarum lateralis et simplex in quatuor capita Geneseos pro studiosis linguae Hebraicae per Paulum Fagium . Isnae mense Augusto MDXLII. A . . V ä 4 Bl. oder 154 S. in 4°.

('2 Die Schüler des Elias Levita, Paul I Sebastian Münster.

seien, nicht verstehe. Nicht Alles freilich müsse man blind aufnehmen. „Ja die scheinen mir nicht nur thöricht, sundern gottlos zu sein, die meinen, in den Schritten der Juden sei Nichts zu verwerfen, sondern Alles anzunehmen; denn das ist einer der hauptsächlichsten Gründe der bejammernswerthen Blindheit dieser zweimal elenden Juden, dass sie alle Träume und Erdichtungen der Rabbinen gleich wie göttliche Orakel aufnehmen und verehren, und nicht unterscheiden zwischen den Einflüsterungen des Lügengeistes und denen des Geistes der Wahrheit. Aber ebenso thöricht handeln die, welche die rabbiniseben Commentare gänzlich vernichten wollen, ja ich wage zu behaupten, dass Keiner, ohne sie gelesen zu haben und von ihnen unterstützt zu werden, jemals zu einer gründ- lichen Kenutniss der hebräischen Sprache gelangen kann." ]) Er begreife, dass Vieles von ihrer Lektüre abschrecke, „die lächerlichen, thörichten, gottlosen Fabeln", die in ihnen ent- halten seien, und er denke daran, wie man diesem Uebel abhelfen möchte. Das könne geschehen, wenn man aus den vielen und zwar hauptsächlichsten Commentaren einen machte, mit Beseitigung der jüdischen Thorheiten und Spöttereien und Beibehaltung des Werthvollen, dann würden weit mehr zu deren Studium angelockt werden und die Furcht völlig schwin- den, dass das Studium der heiligen Sprache untergehe *).

Die Einrichtung des AVerkes ist die, dass voran ein klei- nes Stück, gewöhnlich nur der Theil eines Verses, mit grossen hebräischen Buchstaben steht, darunter die wörtliche latei-

M Die letztere Stelle lautet: [ta quoque temere et Lmprudenter mihi üli facere videntur qui bebraeorum cominentaria in Universum exibilanda et explodenda Ludicant, cum hoc ausim affirmare, neminem sine illorum lectione et adminiculo ad solidam bebraicae Linguae cognitionem onquam perventurum.

2) Am Ende dieser Widmung ein kurzes hebräisches Gebet; am Ende des Werkes ein hebräisches Gedichtchen nach der beliebten Weise des Pagius. Am Sclilnss des Buches der Baum mit den beiden, S. 68, A. I erwähnten Um- schriften. Vor diesen Endformeln stehen auf den Letzten Blättern, wir Fagius selbst in einer kurzen Vorbemerkung angiebt, um den Raum zu füllen, einige Verse der im Werke erklärten 4 Capitel: der hebräische Text, die latei- nische l Übersetzung, die chakläische Paraplirase und deren Iateinisclio Wieder- gabe. Den chaldäischen Texl bat er, wie er sagt, aus der Venediger, nichl :■ Complutensischen Ausgabe genommen.

l»i.- Schüler des Elias Levita, Paul Fagius iiad Sebastian Uüi , !>

nische Uebersetzung, dann folgt die Erklärung. Diese ist natürlich sehr weitläufig, geht auf alles Einzelne mit grosser Ausführlichkeit ein. Zur Erläuterung dienen zahlreiche Bibel- stellen, Citate aus den chaldäischen Uebersetzungen , dem Onkeloa und dem jerusalemischen Targum; von Kabbinen ist hier sein hauptsächlicher Führer David Kimchi, andere wer- den seltener angeführt, wie Raschi, Abenesra, Nachmanides, author Hizkuni (p. 44), häufig findet sich das unbestimmte veteres Hebraei dieunt u. A. Hindeutungen auf seinen christ- lichen Standpunkt kommen wenige vor; zu elohim (1, 1) merkt er an „die Unsern schliessen daraus das Mysterium der Drei- einigkeit'^, aber ohne dass er selbst hier ein bestimmtes l'r- theil fällt, dagegen 17 (p. 26), um die Worte „wir wollen den Menschen schaffen" zu erklären, meint er, die Juden brächten hier allerlei Erklärungen bei, um nur nicht die heilige Drei- einigkeit anerkennen zu müssen ; 2, 4 (p. 36) sagt er, ni"6in werde sonst immer ohne Waw in der zweiten Silbe (defective) geschrieben, ausser hier und Ruth (Cap. 4, 18); als Grund giebt er an: „wie die Unsrigen erklären", dass alle „Ge- schlechter" unvollkommen seien, ausser dem ersten Menschen- geschlechte und dem Geschlechte des Messias, das dem Flei- sche nach von der Familie Perez stamme.

Endlich ist noch seine hebräische Grammatik1) zu erwähnen. Er gab sie, wie er sagt, auf Bitten einiger Schüler heraus, denen er nicht widerstehen konnte; obwohl es schon viele hebräische Lehrbücher gebe, so glaube er mit den seinigen doch auf Be- achtung Anspruch machen zu können, weil er sich vielfach mit der Herausgabe und Uebersetzung alter hebräischer Gram- matiken beschäftigt habe. Nach Durchnahme der verschiede- nen Schriftweisen des Hebräischen, wobei auch auf das Jüdisch- deutsche Rücksicht genommen wird, werden die Buchstaben sehr ausführlich durchgenommen, zugleich mit Angabe ihrer Bedeutung als Präpositionen u. s. w. Dem Verbuni wird ein grosser Platz eingeräumt. Vor dem Paradigma werden all

!) Compendiaria isagoge in linguain hebraeam authore Paulo Fagio Con- stantiae Anno MDXLI1I. Am Ende: Constantiae exeudebat Jacobus Ranivora, anno a Christo natu MDXLIII mense Septembri. A .- . T ä 4 ßl. in 4<\

/4 l>ie Schalet des ; - - ster.

gemeine Regeln über Person, Geschlecht, Zahl gegeben: dem Paradigma folgt die Umschreibung solcher lateinischer For- men, die im Hebräischen durch eine einlache Form nicht aus- gedrückt werden können: Präsens, Optativ, die Conjunktive aller Zeiten. Dann folgt das Nomen (die Deklination freilich ganz getrennt davon am Ende der Schrift) mit Tabellen für die Comparation, Zahlwörter und Pronomina. Den dritten Ab- schnitt bilden die Adverbien, die nach einzelnen Kategorien in Tabellen aufgezählt werden, nebst Präpositionen und Inter- jektionen. Einzelne Regeln werden mit den Ausdrücken der alten Grammatiker in hebräischer »Sprache gegeben. Im Nach- wort nimmt er auf seine Scholien zur Genesis Rücksicht; dieser oder ähnlicher müsse man sich bedienen und durch fleissiges Bibellesen sich in den gelernten grammatischen Re- geln befestigen.

Die Thätigkeit des Fagius war, wie wir sehen, eine nicht geringe. Er war ein emsiger, stiller Arbeiter, ohne grosse Ori- ginalität, aber von treuer Hingabe an sein Werk, das er in vielen Beziehungen förderte und ausbaute.

Einen bedeutenderen Platz in der Anerkennung sowohl der Mit- als der Nachwelt nimmt Sebastian Münster ein. Er verdient es auch, denn er war ein Mann von staunens- werther Vielseitigkeit, und wenn wir bedenken, dass derselbe Mann, der für die Verbreitung und Ausbildung des hebräi- schen Sprachstudiums im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts ebenso thätig gewesen ist, wie Reuchlin im ersten, auch Schöpfer einer ganz neuen Wissenschaft, der Kosmographie, geworden ixt, dass er ausserdem, fern davon, sein Leben in ruhiger Stille zuzubringen, viel Kraft in kleineren und grösse- ren Streitigkeiten zubrachte, so erreicht unsere Bewunderung einen hohen Grad. Er war 1489 in Ingelheim geboren, war, als er das Mannesalter erreicht hatte, Professor des Hebräi- schen in Heidelberg geworden, dann nach Basel gekommen, wo er am 23. Mai 1552 sein Leben beschloss. Seine Lehr- thätigkeit muss keine geringe gewesen sein, aber wenn wir nicht Einzelne, denen er seine Schriften widmet, als seine Schüler bezeichnen wollen, so sind uns solche völlig unbe- kannt. Er lehrte gern, wenn es auch nur eine Redensart sein mag, die er dem Andreas Masius schreibt: „Ich beneide

Luvita, Paul ] Mi 7.>

Euch nicht, die Ihr behauptet mich in der Kenntniss des Hebräischen zu übertreffen; ruhmvoll erscheine ich mir, dass ich Dir und vielen Andern die Handhabe geboten, jene hei- lige und wahrhaft göttliche Sprache zu erlernen" l). Denn in Wirklichkeit mochte er nicht gern Jemanden dulden, der ihm den Rang streitig machen könnte, er liebte es alle die, die vor ihm und gleichzeitig mit ihm das Studium betrieben hat- ten, oft mit scharfem Worte zu kritisiren, stellte gern sich als den Dritten dar, neben Reitchlin und Pellikan, der das He- bräische Studium wahrhaft gefördert und auf seinen Höhepunkt gebracht hätte2), und verachtete seine Gegner, die begierig

i) Widmung der Uebersetzung von Levita's: Acceutuum hebraicorum über unus. In derselben wird Masius aulicus genannt, der keinen bestimmten Sitz habe, bald in Löwen, bald in Luzern, dann in Spanien, später in Oester- reich, nun beim Eeichstag in Frankfurt sich aufhalte. Es ist interressant, dass von einem solchen gesagt wird : Laudo et modestiam tuam, qui cum eo perveneris, ut ex tempore hebraice scribere valeas quicquid velis, non erubescis te nuncupare "TOD (mein Schüler). Die im Text angeführte Stelle lautet: Nee invideo vobis illam fortunam, qui mihi in heb. studio preire contenditis. Gloriosus videor mihi esse , quod tibi et multis aliis ansam prebui ad istud sacrosanetum et vere divinum Studium. Basileae mense Augusto 1539. Viel- leicht kann man die Folgenden, von denen er sagt, sie hätten ihm hebräisch geschrieben, als seine Schüler bezeichnen : der obengenannte Andreas Masius, Jacob Jonas (?), Oswald Schreckenfuchs, Petrus a Wormaria, Johannes Harius, Theodorikus a Gorinchen, Nikolaus Winmann (Vorrede zu seinem Lexicon trilingue).

2) Die bemerkenswerthe Stelle lautet (Vorrede zum Opus consummatum) : Primus omniuin qui nostro aevo colere et plantare coepit hebraicam linguaru, fuit doctissimus vir Johan. Eeuchlin sive Capnion, de unguis et bonis literis apud nostros bene meritus, quippe qui multa post se eruditionis suae reli- quit monumenta. Huic fere coaevus fuit in hoc sacro studio, licet aetate multo iunior, incomparabilis illc vir, dominus Conradus Pellicamis, najn simul eodem tempore et in eodem gyinnasio Thubingensi hi duo magni viri hebraismo operäm Lmpenderunt, usi etiam ad hoc mutuis offieiis. His ego Töbfl tertius accessi, anno scilicet Christi 1509. Translatus enim ad D. Pelli- caimm indefesso studio sub fidelissimo praeeeptore prima imbibi rudiinenta ac mox aninium appuli ad Biblieas historias. Aus dem oben AngeführtL".i ist nur der Irrthum von dem gleichzeitigeu Wirken Pellikan's und Reuchlin's in Tübingen zu entfernen. Als P. 1481 in Tübingen war. war P. noch ein Kind, und 1521/22, wo R. hier als Professor der hebräischen Sprache lehrte, war P. lange von hier fort, vergl. über P. oben S. 19 fg. und unten (Tübingen). Auch von mutua officia zwischen beiden Männern ist nichts bekannt, als dass Eeuchlin dem Pellikan für sein Studium des Hebräischen behülflich war. Als vierten in der Reihe der ums Hebräische verdienten Männer nennt

I {\ Die Schalet des I Panl Fagius und Sebastian Münster.

danach suchten, einen Fehler, den er gemacht hatte, zu ent- decken1). Aber die .Missgunst, der er nicht ganz entging, war keineswegs das Grefiihl, mit dem man im Allgemeinen seine Leistungen aufnahm: er hatte viel Bewunderer, die von ihm wie Johannes Eck sagten, dass kaum jemals Einer in

Minister den Capito. Dann fahrt ei fort: Quo tempore et rnulti alii docti viri per Germanian) et [taliam amore huius linguae excitati brevi adeo pro- fecerunt, ut editis libris laudem non vulgarem apud posteros meruerint, tnter quos praeeipui sunt Johannes Oecolampadius, Casparus Ammon ins, cuius tarnen labor in publicum nun prodiit, Udalrichus Zwinglius, Matthaens Aurogallus . . . quibus multd alii successerunt et eo osque in huius linguae studio per- venerunt ut publice in academiis hebraismum profiteantur obscurarintque sua eruditione suorum praeeeptorum nomina quibus ego, sicut debeo, hanc foeli- citatfin minime invideo. Ueber Aurogallus s. u. Wittenberg, über Oekolampad und Zwingli s. u. Basel und Zürich : die Kenntniss der beiden letzteren im Hebräischen war nicht allzu bedeutend, jedenfalls geringer, als die einer grossen Anzahl der nmlti alii, die auch eine namentliche Aufzählung verdient hätten. Caspar Ammon, Provinzial in Laugingen, scheint ein tüchtiger Hebräisch- kundiger gewesen zu sein, vergl. einen Brief des Aegidius von Viterbo an ihn vom 15. Dec. 1513 in Henke und Bruns Annales Literarii. Helmstädt 17cS-j, vol. I. p. 193 sq., und einen Brief des Wolfgang Etychardus ürbano Regio sincero evangelii doctori amico suo cärissimo, worin die Stelle vorkommt: Dr. Caspar, Augustinianus monachus, cui in hebraeis literis primatum etiam a te audivi tribuere, nuper hie (Ulm) l'uit, petiitque hospitium: quod et denegatum (sie, wol nun den.?) est ei. Qui egregium quoddam opus ad hebraeas literas ediscendas . . Basileam chalcographis raisisse dicitur, cuius simile mundus non videt antea. Briefcodex des Wblfg. Etychardus in der Hamburger Stadtbibl. No. 503. Ich verdanke die Notiz einer gütigen Mittheilung meines Freundes l>r. Alfred Stern in Carlsruhe. Ammon lebt aoeb 1523; in diesem Jahre widmet ihm Böschenstein sein Buch: das gebet Salomonis vom driten buch der künig geteutscht von wort zu wort nach dem hebräischen buch.

!) Vorrede zur lateinischen und hebräischen Ausgabe von Elias Levita's CFilff Basileae apud Joannem Probenium. Anno MDXXVH. a . . 1 ä S Hl.. in. ä 10 Bl. in kl. 8°. Levita selbst habe ihn aufgefordert, sagt er in der Widmung an Johannes Erasmus Probenius, den Sohn seines Verlegers, dann habe auch Johannes Eck ihn dazu ermuntert. Ad quod promptum quidem nie exhibui parviducens etiam quorundam ingratitudinem qui cum nihil in publicum aedant, gloriosum tarnen sibi ducant, si alios de literarum studiis bene meritos lacerent et traducant : cuiusmodi ego quendam novi qui mavult Munsteri esse calumniator quam pius interpres et candidus excusator, publicus conviciator, quam secretus monitor, si quando lapsus est in Hebraismo, nempe lingua illa extranea et quae Latinis auribus hactenus omnino incognita fuit, ut non mirum sit, si propagatores eius quandoque hallucinari contingat et a scopo aberrare, quousque altiores Lnter Christianos haec ipsa lingua radices figat.

I>ic Schüler dea Elias Levita, Paul Fagius and Sebastian Münster. 77

Deutschland so vertrau! mit der hebräischen Sprache gewesen

sei, wie er ').

Fagius hatte wol seine Werke manchmal mit hebräischen Versehen begleitet, am Schlüsse seiner Einleitungen einen lange ausgeführten Gedanken in ein paar kurze hebräische Worte zusammengefasst, (»der einen bekannten hebräischen Vers hie und da angeführt; ganz anders Münster. Nicht nur, dass er dem Johann Oekolampad eine kurze hebräische Grab- schrift und einen längeren poetischen hebräischen Nachruf widmete-), ist fast keines seiner Werke, namentlich die Wid- mungen und Einleitungen, ohne hebräische Stellen, hat er seine Bibel mit einer langen hebräisch geschriebenen Vorrede ver- sehen und eine eigene hebräische Schrift verfasst. Nur aus diesem Grunde verdient dieselbe hier eine Erwähnung-, denn ihr Inhalt ist nicht da7,u angethan, ihr in unserer Darstellung einen Platz einzuräumen. „Der Messias der Christen und Juden" 3) soll aus den prophetischen Stelleu erweisen, dass

*) Die Stelle Eek's ist auch sonst interessant, und mag darum hier eine Stelle linden : Super Aggaeo Propheta Jo. Eekii Commentarius. Solingen 1538. 4°. (L 6b.) Nam cum Munsterus frequenti studio et diligentia nmi poenitenda tantum in Hebraeis literis pröfecerit, quantum rix alius in Germania et cum Judaeis sermone patrio ausus sit congredi, verebar ne Judaei supra modum eaptiosi nobis Christianis insultarent: Ecce hie vester Rabi Munsterus, qui pluiimum doctus in lingua saneta apud nos i'amatur, religiosus ex divi Francis« online, unde reputatior apud tos Nazarenos habetur.

ä) Beides steht im Oecolampadii et Zwinglii epistolae. Basileae 1536 in 40, 8 3.

3) ITtt'Ö Messias Christianorum et Judaeorum Hebraice et Latine. Sebast. Munsterus. Describitur in hoc libro ex prophetis Christus totius mundi verus salvator: et item larvatus ille Judaeorum Meschias qui a gente illa in hunc usque diem frustra expeetatur. Videbis lector quam portentosae et absurdae de Christo opiniones siut apud hanc exeoeeatam gentem et quam violenter sacram interpretentur scripturam. Basileae a]>ud Henricuin Petrum. 153 pag, S. lat. Am Ende : Basileae per Henricuin Petrum Mense Augusto Anno MDXXX1X. Dann hebräischer Text, rechts beginnend, paginirt n X a 8 Bl., mit der- selben Unterschrift am Ende wie oben und mit dem Titel: iTD'CT» Christiani hominis cum Judaeo pertinaciter prodigiosis suis opinionibus et scripturae violentis interpretationibus addicto colloquium per Sebastianum Munsternm. Ist das die zweite Auflage, oder die Schrift 9 Jahre ungedruckt geblieben V Ziemlich am Anfang des hebräischen Textes findet sich : "ISCD nKT ITTlX ^Kl

.nr* nn ;- at"i = ♦•»•wn vnrb m p°sb tfmr\ n*r-Qia rwa bn tm na aroa

29U = 1530 n.Ch. Aus der Widmung (Basel, 1. Juli 1539) Joanni a Panizonibus, Caesareo adHelvetios legato, eine Stelle, die an Pfefferkorn erinnert : Dici nequit

7cv Die Schüler des Klin^ Levita, l'aul Fagios und Sebastian Munster.

Christus der wahre Erlöser der ganzen Welt ist und der ver- hüllte Messias der Juden, den sie bis auf den heutigen Tag- vergeblich erwarten; soll die schrecklichen und thörichten bei diesem verblendeten Volke über Christus verbreiteten Mei- nungen und seine gewaltsame Erklärung der heiligen Schritt zeigen. Seit den dreissig Jahren, in denen er sich mit He- bräisch beschäftige (die Schrift ist 153!) veröffentlicht, also seit 1509, s. o. S. 75 Anm. 2) und die jüdischen Schriften lese, seien ihm überall Vcrläumdungen und Beleidigungen gegen die Christen entgegengetreten, die frommen Ohren unerträglich seien, Beleidigungen, mit denen die Juden die Schrift zerfleischen und fälschen, namentlich die Propheten, die sie mit ihren ver- kehrten Deutungen peinigen, wie ihre Vorfahren den Erlöser Christus selbst. Oft, aber immer vergeblich, habe er und sein Lehrer Pellikan mit ihnen zu disputiren angefangen; so wolle er denn in diesem Büchlein Alles zusammenstellen, was sie ihrem Messias andichten und Schlimmes über die Christen reden. Der Inhalt der Schrift, die in Form einer Unterredung zwischen einem Christen und Juden abgefasst ist, entzieht sich, wie gesagt, hier unserer Erörterung; das Hebräische, in dem die Schrift abgefasst , und dem die lateinische Oebersetzung beigegeben ist, „weil doch nicht Alle mit der hebräischen Sprache vertraut sind", ist leicht und fliessend und verräth grosse Gewandtheit.

Als Uebersetzer Levita'scher Werke haben wir Münster be- reits kennen gelernt, auch sonst entfaltete er in dieser mehr unselbstständigen Art eine nicht unbedeutende Thätigkeit. Die Reuchliii'sehen Rudimente1) gab er neu heraus in fast ganz ver- änderter Gestalt. Die Grammatik, die er sehr abkürzte, tässte das erste, das Lexikon, das bei Reuchlin zwei Bücher eingenommen hatte, das zweite Buch. Viele eigene Bemerkungen gab er hinzu (sie sind mit kleineren Charakteren gedruckt, voran steht immer der Name Münster), die nieist sehr kurz sind und

quam horrenda convitia autor libri Nizachon coniieiat in servatorem nostrum qui ex professo contra omnia saneta aostra virulento anüno scripsit.

») VTpn fltiba WJfttJltf rtoW bSTjpFljOTB IBta« Dann aocb sehr langer lateinischer Titel. Basileae per Eenricum Petrnm Mense Martio Amin MDXXXVII. 418 S. fol.

Dil Schulet des Elias Levita, Paul Fagins and Sebastian Münster. 7!^

manche Bogen hindurch ganz fehlen. Für die Grammatik be- diente er sich, wie er sagte, der Noten aus Levitas Lehr- büchern; im Wörterbuch bemühte er sich zu den blossen Wurzeln auch die abgeleiteten Worte hinzuzufügen und das von Reuchliu zufällig Ausgelassene zu ergänzen. Ein anderes hebräisches Lexikon l), hauptsächlich eine Abkürzung des grossen Wörterbuchs von David Kimchi, stellte er zusammen, was aber erst nach seinem Tode herausgegeben worden zu sein scheint. Es ist eine Aneinanderreihung der Stämme, meist mit Beifügung der Derivata, die zahlreichen angeführten Bibel- steilen sind weder hebräisch noch lateinisch citirt, sondern nur kurz der Ort angegeben, wo sie zu linden sind. Das am Schlüsse stehende Verzeichniss der in dem Werke benutzten Autoren verräth grosse Gelehrsamkeit, es enthält ausser Bibel, Talmud und den Targumim und natürlich Kimchi: Raschi (Jarchi), Aben- esra, Levi ben Gerson, Saadias, von Neueren Levita und viele Andere. Ausgabe und Uebersetzung eines anderen Werk- chens, der Sphaera Mundi, veröffentlichte Münster, die lateini- sche Uebersetzung ist von Oswald Schreckenfuchs, die An- merkungen schrieb Münster 2). Ebenso rührt die Ausgabe des hebräischen Matthäusevangeliums von ihm her und dessen la- teinische Uebersetzung; er besass nur ein unvollständiges Exemplar des in schlechtem, von Barbarismen strotzenden hebräisch geschriebenen Schriftchens und glaubte sich berech- tigt die Lücken auszufüllen'"*). Ein Schriftchen anderer Art gab er unter dem Titel „Logik Rabbi Simeons" heraus4), das

!) ö*nTJ3 El? S'ttHipn "lös Dictionarium hebraicum, ultimo ab autore Sebastiane» Munstero recognitmp et ex Babinis praesertim ex Badicibus David Kimchi auetum et locupletatmn MDLXIIII. Am Ende: Basileae perFrobenium et Episeopiuni. Anno MDLXIIII. Mense Febr. a . . z, A . . Z.aa . . qq. ä8Bl.in8°.

2) Sphaera mnndi et arithmetica hebräisch und lateinisch. Basel 1546 in 4°. Ich kenne diese Angabe nur aus Michaud, Biographie universelle. T. XXIX. p. 574.

aj Fides Christianorum saneta, reeta et perfecta atque indubitata et tides Judaeorum: accedit lex Dei nova quae ut doctrina et vita Christi, sive Evangelium Domini nostri Jesu Christi seeundum Mattbaeum, hebräisch und lateinisch. Basel 1537 fol. Diese und das vorhergehende Schriftchen werden von Michaud a. a. 0. als sehr selten bezeichnet.

4) pyatr "2n ESrn bv pnrw Logica Sapientis Rabi Simeonis per Seba- stianum Munsterum Latine juxta Hebraismum versa: quac Hebraeorum commentaria legere volentibus non tarn utilis est quam necessaria. Basileae

80 Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagins and Sebastian Monster.

aber von Maimonides herrühren soll 1). Die Uebersetzung des Buches sei ihm sehr schwer geworden, bemerkt er, haupt- sächlich der philosophischen Ausdrücke wegen; eine Ueber- setzung ähnlicher Werke, aus denen er sich Raths erholen könne, existire nicht, und die ungebildeten Juden, die in Deutschland lebten, hätten ihm keine befriedigende Auskunft geben können; einer, der für sehr gebildet und gelehrt gelte, and den er gefragt, habe noch weniger gewusst als er selbst. Daher seien Errthümer unvermeidlich. Wir müssen dieses offene Bekenntniss annehmen, das gewiss zur Entschuldigung vieler Fehler dienen kann, die philosophischen Ausdrücke sind o verwickelt und erklären sieh oft sowenig aus sich selbst, dass bei einem ersten Versuche sie sich zu erläutern, die Arbeit Münsters hohe Anerkennung statt bitteren Tadels ver- dient 2).

Aueh einige biblische Bücher übersetzte er und fügte ihnen Anmerkungen bei, so Jesajas; in Betreff der Anmer- kungen tadeln Einige seine Kühnheit, rabbinische Conjecturen als sieher hinzustellen !); ebenso Koheleth , als er noch in Heidelberg war, hauptsächlich auf Anrathen des Martin Precht 4); dann das hohe Lied ■'), das ihm zuerst zu schwer schien, das er aber dann auf Bitten einiger Freunde herausgab. Die An- merkungen enthalten meist grammatikalische Erklärungen, nur einige wenige Anderes, z. B. eine, wo sein christlicher Stand-

apud Jo. Frob. Anno MDXXVII. Ort und Jahresangabe nochmals am Ende a . . ir ä 8 151., h ä 6 ßl. in 8°. Die Widmung Joanni Campensi, sacrae Hebraeae Linguae eximio apud Lovanium professori datirt Bas. Cal. Nov. Anno 1526.

1 1 Michaud a. a. 0. nach Richard Simon Lettres choisies tom. IV. p. 40 sq.

'-') Diesen hat Richard Simon a.a.O. in reichem Maasse gegen Münster laut worden lassen. Kr sagt: Munster ne faisait presque aucun pas sans tomber, il etait an pauvre liomme lorsqu'il se melaii de traduire d'autres livres que ri',|X '''' 'M Bible, ou quelques rabbins grammairiens, dans l'inter- pretation desquels il a öle aide par Elias Levita.

:i) Nach Michaud a. a. <>.

>j Das sagt ei' in der Vorrede zu der folgenden Schrift.

:<) D'TB?? TB> Canticum Canticorum Salomonis Latine iuxta Eebraicum per Sebastianum Munsterum translatum atque annotationibus aliquol neu contextum nihil illustratum (?) a . . d ä S Dl. in xo. Am Ende: Basileae apud Joan. Fn.h. Anne MDXXV.

Die Sohftler äaa Elina Lerita, Paul Fagina and Sebastian Münster. öl

punkt hervortritt. Zu Cap. 6: R. Salomo erklärt, sechszig Königinnen, das sind: Abraham und seine 59 Nachkommeu, achtzig Kebsweiber: Noah und seine Nachkommen bis auf Abraham. . . . Von allen diesen Nationen war eine schöner, vollkommener und dem Bräutigam angenehmer als die übrigen, nämlich die israelitische Synagoge zur Zeit des zweiten Tem- pels. Wenn dieser Jude, sagt Münster, dies von der christ- lichen Kirche schriebe, die zur Zeit des zweiten Tempels au- fiug, so würde ich ihm gerne glauben. Uebrigens war Mün- sters Hauptzweck grammatische Noten zu schreiben, die nur zur Erklärung des Textes dienen sollten; im Titel seiner Ausgabe der Sprüche sagt er dies ausdrücklich J). In den Anmerkungen folge er dem Beispiele Reuchlin's in seiner Er- klärung der sieben Busspsalmen, „aus der wol ein sieben- jähriger Knabe hebräisch lernen könne;" er beschränke frei- lich die Arbeit ein wenig und gehe nur in den ersten Capiteln auch auf das Kleinste und Geringfügigste ein, begnüge sich aber bei den späteren mit der Berücksichtigung der wirklichen Schwierigkeiten. In der That sind die Anmerkungen voll- ständig elementar, die einzelnen Formen werden erklärt und dabei die allgemeinen Sprach- und grammatikalischen Regeln eingeprägt, ohne jeden gelehrten Apparat, höchstens mit Ver- weisung auf Reuchlin's und Münster's eigene Grammatik. Von Uebersetzungen biblischer Bücher ist noch die der Psalmen bekannt, die aber ohne Anmerkungen erschienen-).

Bei der Ausgabe und Uebersetzung einzelner biblischer Bücher blieb er aber nicht stehen, er wagte sich an das

*) Die erste 1525 erschienene Auflage habe ich nicht gesehen, die zweite hat zum Titel : Tn |2 ntiTtf 'b'i'p Proverbia Salomonis iam denuo iuxta He- braicani veritatem translata et Annotation ibus grammaticis illu- strata authore Sebastiano Munstero. Anno MDXLVIII. a. . . t ä 8 Bll. in 8°. Am Ende : Basileae per Hieronymum Frobenium et Nicolaum Episcopium anno millesimo quingentesimo fpuadragesimo octavo. Am Anfang das Vorwort Münster's zur ersten Auflage (15 kal Jun. 1524), und das inhaltlose Pelli- kan's zur zweiten.

2) Ich kenne nur die Ausgabe : Liber Psalmorum Davidis Prophetae et Regis Ad hebraicam veritatem a Sebastiano Munstero quam diligentissime versus in dem Werke: Liber precum publicarum seu Ministerii Ecclesiastici administrationis Sacramentorum. Fol. 188.. 299. Am Ende: Londini Excudebat Thomas Vautrollerius 1574.

Geiger, Studium. b

82 Die Schüler des Elias Lcvita, Paul Fagius und Sebastian Kttnster.

grosse, bisher noch nicht versuchte Werk einer Ausgabe der ganzen Bibel mit rebersetzung >). Hätte Münster weiter nichts gethan, als eine Ausgabe des hebräischen Textes ver- anstaltet, so verdiente er schon unter den Gelehrten, die wir hier behandeln, einen achtungswerthen Platz; so aber, da er mit Sorgfalt das mächtige Werk genau übersetzte, keinen Finger breit, sagte er, solle die Uebersetzung vom Texte ab- weichen, „alle Bücher und jedes einzelne Wort abwog, hin und her wendete, die Commentare der Kabbinen durchforschte und die besten auswählte", mag man ihm glauben, dass seine Arbeit eine ungeheure war. Wenn auch schon Reuchlin mit kühnem Muthe Irrthümer der lateinischen Uebersetzung des Hieronymus aufgedeckt hatte, wenn auch Andere für eine An- zahl biblischer Bücher eine andere Uebersetzung an Stelle der angenommenen zu geben versucht hatten, so war es immerhin ein nicht geringes Wagniss, nun an Stelle der gan- zen von der Kirche gleichsam heilig gesprochenen Fassung eine neue zu setzen. Münster sagte sich selbst, dass mau sich mit diesem Beginnen leicht glühendem Hasse aussetzte ->,

!) Der Titel dieses grossen Werkes lautet typographisch genau: ">H(5ö (in einer Einfassung:) D**ain fwbl KtylW ÜB WHgl 3TOÖ5 üMpp "iec' l'Z^X"

"T t bv b'ü2. -rm riß™ csn; | {TDnp$ ü"fm epics bv "TXg »n* bei : MäSTl KWBS EN TIBI LECTOR i H E BKAI C A B I B L I A LATIN E PLA- NEQVENÜVA SEBAST.MVNSTERI tralatione post omneis omnium hactenus uhiuis gentium aeditiones evulgata et quoad fieri potuit, hebraicae ueritati conformata: adiectis insuper e Rabinorum commentariis annotationibns haud poeni- tendis pulchre & vocea ambiguas & obscu- riora quaeq. elueidantibus. vol. I Pent. Jos. Jud. Sani. Reg. vol. II Prophet. Psalt. Prov. Ili. Dan. Chron. Cant. Ruth. Thren. Eccl. (vol. II unter dem eig. Titel): Ili sacri & canonici libri, amice Lector, sie adHebraicam veritatem genuina versione in latinum sunt tradueti, ut ne quidem ad latum unguem ab ea dissideant. | Quilms practerca in locis & sententiis obscurioribus opera SEBASTIAN] MVNSTERI non parum accessit lucis per Annotationes | quas vel exHebraeorum conimentariis, vcl ex pro- | batioribus latinis scriptoribua adiecit.

in fol. vol. I 12 unpagg. foll. 365 foll. vol. II pag. fol. 366 7(.>.">.

Am Ende von vol. I: BASILEAE EX OFFIOINA BEBELIANA, IM PEN-iDIIS MICHAELIS [SENGBJNI1 KT BENBICI PETE] | 1534.

von vol. II: BASILEAE KX OFFICINA BEBELIANA, IM PENDIIS Michaelis Isengrinii et Eenrici Petri 1535.

2) In der letzten Einleitung, drr <'ig< .- i 1 1 liehen Sfbast iani Miinsteri in vetua Testamentum praefatio ist eine lange Abhandlung überschrieben: An Bie- ronymus vulgatae aeditionis fuerit autor?

Die Sohftlei des Elias Levita, I'.iul Fagius und Sebastian Uftnstei 83

aber mich tröstet, sagt er, mein Bewusstsein, dass ich diese Arbeit nicht aus Ruhmsucht oder aus Lust an Tadel gegen die Alten, denen wir sogar sehr viel Dank schuldig sind, da sie, besonders bei dem fast vollständigen Maugel an Büchern, Alles geleistet haben, was sie leisten konnten, unternommen und nichts anderes beabsichtigt habe, als den hebräischen Text, wie er nach den rabbinischen Commentaren festgestellt werde, zu geben. . . . Freilich, und hiermit kommt er auf seine und Fagius' Lieblingsthese, halte er nicht alles, was er in diesen Commentaren finde, nach Art gewisser Leute für Orakel, sondern prüfe das Gelesene, hauptsächlich hüte er sich die kabbalistischen Schwärmereien anzunehmen, die diese Schriften so oft verunstalten; oft aber seien sie, selbst wenn sie sich in Dunkel und Irrthum befänden, Führer zum Rich- tigen. In einer eigenen, mit Aufwand von grosser Gelehr- samkeit geschriebenen, Abhandlung in einer der Einleitungen behandelt er die These, dass die jüdischen Commentare nicht zu verachten seien. Hieronjmms habe nur eine unpunktirte hebräische Bibel besessen; um sie zu verstehen, habe er sich der Hülfe von Juden bedient, denn Kenntniss ihrer Sprache und deren Eigenthümlichkeiten sei den Juden nie fremd ge- worden, „wenn sie auch das hauptsächliche Ziel der heiligen Schrift verkennen, das uns Christus und die Apostel gezeigt haben". Der Haupttheil der Abhandlung richtet sich gegen Augustin Steucho, dem er das Verkehrte seiner Auffassung nachweist, R. Salomo habe fast alle seine Erklärungen aus Hieronymus genommen '). Unter den Autoren und Werken, die er zu Rathe gezogen habe, nennt er Raschi, David Kimchi, Abenesra, R. Menachem, Abraham Hispanus, Verfasser des Fasciculum Myrrhe, „Seder Olam" 2) , Moses Gerundensis, „Arba Tura". Als richtige Art des Verständnisses der Bibel,

J) Ueber R. Salomo (Raschi) sagt er einmal: R. Salomon qui inter recentiores antiquior est, nam fuit ante quadringentos annos, id quod ex Judaeis Wonnaeiensibus haben, ubi aliquamdiu commoratus est, cum alioqui natione Gallus fuerit.

2) Aus diesem Buche führt er am Ende seiner Bibelausgabe hebr. mit lat. Ueliers. an: Catalogus et successio regura Jehuda et Jerusalem ostendens quando et sub quibus regibus vixerint singuli prophetae et quid memorabile contigerit sub Ulis. Sunt autem haec huc relata ex Sedar olam minori.

6*

$4 D'1* .Schüler des Elias Levita, Paul Fa^ius und Sebastian Münster.

als Zweck ihrer Lektüre stellt er hin, Christus keimen und verstehen zu lernen. In der ziemlich ausführlichen hebräi- schen Vorrede vor dem ersten Band hebt er diesen Stand- punkt ganz ausschliesslich hervor, preist Christus, tadelt die Irrthümer der Judeu und ermalmt sie, dem rechten Worte und der rechten Lehre des Propheten zu folgen und ihren falschen Weg zu verlassen. „Denn die Propheten", wie er dies in der Vorrede zum zweiten Hand hervorhebt, die übrigens eine sehr schöne Würdigung der prophetischen Literatur enthält, „geben fast nur Weissagungen über Christus und die Zukunft seiner Lehre". Der hebräische Druck ist sehr deutlich, etwas schiefer liegend als der gegenwärtig gebräuchliche, die Anmerkungen sehr kurz und ziemlich ohne Bedeutung.

Nächst diesen Arbeiten nehmen die grammatischen und lexikographischen eine hervorragende Stelle in der wissen- schaftlichen Thätigkeit Münster's ein. Ein hebräisches aus den Rabbinen gezogenes Lexikon ist bereits erwähnt, wir haben ausserdem ein chaldäisches und ein dreisprachiges zu behandeln. Letzteres l) ist eigentümlich genug: die lateinischen Worter sind alphabetisch geordnet, daneben stehen die griechi- schen, zuletzt die hebräischen, oft vier, fünf und mehr für einen lateinischen Ausdruck, so dass ein Wort sich zwei und mehrere Male findet, da auf die Nuancen der Bedeutung durch- aus keine Rücksicht genommen wird. Den Schluss macht ein kleines viersprachiges Lexikon, in dem auch das Chaldäi- sche (Rabbinensprache) mit in den Bereich der Betrachtung gezogen ist. Die eigentliche Praefatio enthält einige specielle Regeln für das Hebräische: dass es keine zusammengesetzten Verba habe, dass im Gegensatz zum Lateinischen die loca reruni meistens umschrieben werden müssten 2), dass die Deri-

i) Tfßfish Z'h'V Dictionarium trilingue in quo scilicet latinifl vocabulis in ordinem alphabeticum digcstis respondent Graeca et Hebraica. Hebraicis adiecta sunt magistralia et Chaldaica: Sebastiani Mausten opera et labore congestum,

Una cum cius Appendiec de Hebraicis rocabulis tropis et, modis loquendi, tarn apud grarmuaticos et logicos quam apud phüosophos et mathematicos quibus, etsi in Bibliis aut Cbaldaieis nusquani invenies. tarnen ipsi ßabbini passim in suis utuntur libris. Basilea per Henricum Petri.

*) z. B. fTPian »VS für balneum.

Die Schüler des Elias Levita, Paul Fagins and Sebastian Münster 85

vata durch einfache Nomina mit vorangesetzter Präposition ausgedrückt würden n. 8. w. Werthvoll ist namentlich der An- hang, der unter verschiedenen Aufschriften eine grosse Anzahl rabbinischer Ausdrücke für Grammatik, Logik und Philosophie,

Mathematik, Astronomie und eine ziemliche lieihe von Redens arten der wissenschaftlichen Sprache enthält. Das chaldäische Lexikon ist nur eine Zusammenstellung chaldäischer Wörter aus dem alten thalmudischen Wörterbuch: Aruch, den chaldäischen Bibelübersetzungen und den rabbinischen Commentaren '). Von grammatischen Büchern ist seine Conjugationstafel 2) zu rein praktischem Gebrauche bestimmt: es sind Tabellen für alle Formen der regelmässigen und unregelmässigen Verba, aber nicht sehr übersichtlich geordnet, danach Tabellen für De- klination der Nomina, Verzeichnisse der Incleklinabeln und der unregelmässigen Wörter.

Seine hebräische Grammatik ist kein selbständiges Werk, son- dern, wie schon der Titel angiebt, aus verschiedenen Schriften des Elias Levita zusammengestellt. Sie ist ziemlich ausführ- lich und durchaus elementar, verhält sich bei schwierigen Fragen, bei neuen von Levita zuerst aufgestellten wissen- schaftlichen Thesen durchaus objeetiv. So wird die von die- sem ausgesprochene Behauptung, die Vokalzeichen rührten nicht von Moses her, sondern seien viel späteren Ursprungs, mitgetheilt, aber auch die entgegenstehenden Ansichten wer- den angeführt, ohne dass Münster eine Entscheidung zu geben versucht. Nichtsdestoweniger ist das Buch sehr brauchbar, zwei Auflagen sind bei Lebzeiten des Verfassers erschienen, jetzt ist es sehr selten geworden3). Einige Anhänge über

i) ynv Dictionariurn Chaldaicum , non tarn ad Chaldaicos interpretes quam Rabinorum intelligenda commentaria necessarium : per Sebast. Mun- ster um ex Baal Aruch et Chald. bibliis atque Hebraeorum peruscniin congestum.

Basileae apud Jo. Fro. Anno MDXXVII.

2) D"r?3n nb Tabula omnium hebraicarum coniugationum iuxta octo verborum classes pulchre in ordinem digesta. 2T. Basileae. A...C. äSBll. in 8".

3) Ich habe es nach langem vergeblichen Suchen in der Darmstädter Hofbibliothek gefunden. Die erste Auflage ist ohne Titelblatt und ohne jede Vorrede, sie beginnt : Grammatica hebraica absoluta. Am Ende : Basileae per Henricum Petri Mense Martio Anno MDXLII. in 8°. Die zweite Auflage hat den Titel; tb&il pnp-ir, rzvbn Opus grammaticum consummatum ex variis

86 Die Schüler des Elias Levita, Patü Fagins and Sebastian dünstet.

Abkürzungen, Accente, Metren n. s. w. erhöhen den Werth des Buches.

Neben dieser hebräischen Grammatik ist er als erster Verfasser eines grammatischen chaldäischen Lehrbuches zu

erwähnen l). Mit Stolz weist er darauf hin, dass er der Erste sei, der ein solches Werk unternehme. Reuchlin klage über die Mühen seiner Arbeit bei der Herausgabc seines ersten hebräischen Buches, während er doch Lehrer gehabt, die Unterstützung gelehrter Juden genossen, aus den Büchern des Mosis und David Kimchi habe schöpfen können; mit wie viel mehr Recht könne er über seine Schwierigkeiten und Mühseligkeiten sich beschweren, da er keines dieser Ilülfs- mittel gehabt habe. Die dazu nöthigen Kenntnisse habe er, wie er sagt, von seinem Lehrer Elias Levita erhalten, er habe

Elianis libris co nein na tum, complectons scilicet Elementarinm abso- lut um. Numerandi rationem, Pronominum declinationes , Verborum iutegraa conjugationes, Artificium subiieiendorum affixorum, Nominum varias formulaa et nmtationes, Consignificativorum Explicationes, Magistrates abbreviationes, Aecentmun traetationem, Metrorum compositionem. AuthoreSebastianoMunstero. Am Ende: Basileae per Henricam Petri Mense Augusto An. MDLVI. in 8°. Dieser Auflage gebt eine ziemlich ausführliche Einleitung voran: Clarissimo atque praestantissimo viro domino Joanni M.(arbach?) amico candido Sebast. Munst. S.D., von der einzelne Stücke z.Tli. nach Citaten Anderer schon vielfach im Obigen angeführt worden sind. Am Anfange betont er, er habe schon manche Schriften des Levita übersetzt, trotzdem habe es ihm und seinen Freunden geschienen, als wenn in dieser Wissenschaft noch eine grosse Lücke bestehe. I tiese habe er nun durch eine die mannigfachen Levita'schen Schriften zusammen- fassende Grammatik ausfüllen wollen. Der zweiten Auflage ist der hebräische Text und die Uebersetzung des Tobias beigegeben, den er von Oswald Schreckenfuchs aus Memmingen erhalten hatte; wie bekannt, hatte auch Fagius schon dieses Schriftchen veröffentlicht. Schreckenfuchs hegleitete die Ausgabe mit einem nichtssagenden hebräischen Briefe.

i) nxntprn ik "an^ P?V*? P*"'i?*! Chaldaica grammatica, antehac a nemine attentata, sed iam primum per Sebastianum Munsterum conscripta et aedita, non tarn ad Chaldaicos interpretes quam Hebraeorum commentarios intelli- gendos, Hebraicae Linguae studiosis utilissima.

Item in C"C'"T2, hoc est commentaria Bebraeorum

Eegulae aliquot generales

Modi loquendi Hebraici plurimi

Abbreviaturae Hebraicae generales, nee non plurimae speciales ei latine et Hebraice explicatae

Per rundem Sebastianum Munsterum.

Basilea apud Jb. Fro. Anno MDXXVII.

Die Scholar des Elias Levita, Paul Fagius and Sebastian Uünster. 87

die Beschäftigung mit dieser Sprache für nothwendig gehalten, denn die Vertrautheit mit ihr trage viel dazu bei, das Hebräi- sche, selbst das Biblische, reebt zu verstehen. „Die Juden in ihrem Dahindämmern und ihrer krassen Unwissenheit belasten diese heilige »Sprache mit Barbarei und beflecken sie mit Schmutz, während sie doch die heiligen Propheten, die biblischen Schriftsteller so rein überliefert haben." Die Grammatik ist sehr ausführlich, hier bedarf es mir ihrer kurzen Erwähnung; einige Uebungsstücke aus dem Deuteronomium, Josua, Jeremia, Ezeehiel, den Psalmen sind mit ihrer lateinischen Uebersetzung angehängt. Andere Beigaben sind zerstreut uns bereits in anderen Schriften begeguet, den Schluss machen zwei he- bräische aber inhaltlose Anreden an den Leser.

Ausser den bereits besprochenen Schriften Münster's, Uebersetzungen, Erklärungen biblischer Schriften, Wörter- büchern und grammatischen Werken bleibt nur noch Weniges zu erwähnen übrig: ein hebräisches Kalendarium, das er namentlich als nützlich für Historiker und Astronomen er- klärte l) , ein Schriftchen theologischen und geschichtlichen Inhalts, in dem er neben den 13 Glaubensartikeln des Mai- monides die 10 Gefangenschaften Israels (4 unter Sanherib, 4 unter Nebukadnezar, 1 unter Vespasian, 1 unter Hadrian), die Geschicke Israels in denselben und in der Zwischenzeit erzählte, und eine Ausgabe nebst lateinischer Uebersetzung des jüdischen Geschichtschreibers Josippon gab-), und end- lich eine Schrift, in der er die 613 Ge- und Verbote3) der

!) Aus M. Neandri Erotemata p. 256. Sebastiani Munsteri Kalendarium Hebraieum, ex Hebraeornm penetralibus iam recens editum quod non tarn Hebraicae studiosis quam historiographis et astronomiae peritis subservire poterit. Frobenius 1527 in 4". vgl. die Nachträge.

2j | harw r—,: -ri? I "X'n rrzn i— 1 1 an&a !TTtWJ vhe Tredecim arti- culi fidei Judaeorum item compendium elegans historiarom Josephi, complectens, Acta LXX Interpretum, Gesta Machabaeoruin , facta Herodum, Excidium Hierosolymitanum, item decem captivitates Judaeorum. Haec per Sebastiauuni Mnnsterum et Hebraeis et Latinis legenda exarantur, anno Christi MDXXIX.

Am Ende: Wormatiae apud Petriun Schütter.

Die Angabe ist aus Weller: Altes aus allen Theilen der Geschichte, Chemnitz 1766 II, S. 1(»4 118.

3) JTWlfl ntOtfi Catalogus omnium praeceptonim legis mosaicae quae ab Hebraeis sexcenta et tredecim numerantur cum succinctaKabiuoruiu expositione

öö Die Universitäten.

Juden zusammenstellte und ihnen einen lateinischen Auszug beigab. Ganz habe er es nicht übersetzen wollen, um das Werk nicht allzusehr anzuschwellen, schon aus diesem Auszug werden die des Hebräischen unkundigen Leser ersehen, bis zu welchem Grade von Wahnsinn und Verblendung die Juden sich verstiegen hätten.

VI.

Die Universitäten.

Damit, dass einzelne Männer sich dem Studium der he- bräischen Sprache hingaben, war aber nicht genug geschehen; um wirklich in die Reihe der Wissenschaften zu treten, musste es an den Stätten eine Pflege finden, wo sich alles zusammen- drängte, was in der wissenschaftlichen Beschäftigung des Zeitalters eine Rolle einnahm : auf den Universitäten. Und wirklich ist auf fast allen wichtigeren deutschen Universitäten von dem Beginn des 16. Jahrhunderts an das Hebräische als Lehrgegenstand aufgenommen worden. Es wird am besten sein, wenn wir, mit annähernder Bestimmung der Zeitfolge, die einzelnen Universitäten durchnehmen.

Der Churfürst Ruprecht II. von der Pfalz hatte, dem Bei- spiele vieler anderer Fürsten seiner Zeit folgend, in seiner Hauptstadt Heidelberg eine Judenverfolgung veranstaltet (1391). Die Universität, der er die von den Juden zurückgelassenen Bücher überliess, betrachtete dieselbe nicht grade als ein werthvolles Geschenk; sie verkaufte dieselben und hielt nur ein Exemplar des Talmud zurück '). Kaum ein Jahrhundert später aber war Heidelberg der erste Ort, an dem von Reuchlin Hebräisch gelehrt wurde, wenn es auch heinilich

et additione traditionum quibus irrita fecerunt mandata dei. Haec Sebast. Munsterus utriusque linguae Latinae et Hebraicae studiosis legenda Lmpartit. Basileae excudebat Henricus Petrus, a. ..i ä ß IUI., k ä 5 1311. Am Ende: Excudebat Henricus Petrus Mense Martio Anno MDXXXTTI. Dann folgi der hebräische Text mit besonderem hebr. and lat. Titel tt\..K ä 8 Ell. in 8°. 'j llautz. Gescbichte der Universität Heidelberg. 1. S. 225,

Die OniversitÄten. 8!)

geschehen musste. Als regelmässigen Professor der hebräischen Sprache können wir auch Matthäus Adrianus nicht betrachten, von dem wir gesehen haben, dass er in Heidelberg gelehrt hat. Aber das Bedürfniss, einen ordentlichen Professor für dieses Fach anzustellen, machte sich bald geltend. Es war überhaupt ein neues Streben in die Universität eingezogen, man wollte den übrigen nicht nachstehen, suchte neue Kräfte zu ge- winnen, z. B. den Erasmus, und blickte fast neidisch auf Tübingen, das Keuehlin besitze (1521 x). In einer besonderen Eingabe wTandte man sich in demselben Jahre an den Chur- fürsten, er möge Böschenstein, der mit gewichtigen Empfeh- lungen Keuchlin's, Caspar Ammon's, Oekolampad's in Betreff seiner Kenntnisse nach Heidelberg gekommen war, als Lehrer der hebräischen Sprache anstellen und ihm ein Gehalt be- stimmen; für letzteres begnügte man sich sogar mit dem be- scheideneren Vorschlag, die 4 Fakultäten sollten kleine Bei- träge zum Unterhalt des neuen Professors bewilligen r). Gegen letzteren billigen Vorschlag konnte der Churfürst nicht wol etwas einwenden, er selbst wollte freilich nichts beisteuern, und da die Beiträge der Fakultäten, der artistischen und. der Universität je 10, der juristischen 5 6, der medicinischen

1) Der Dekan und die Artistenfakultät machten eine Eingabe beim Chnrfürsten , in der sie um Berufung des Erasmus baten. Sie sagten darin aber Keuehlin : Etsi non desint et huic nostrae universitati fama et doctrina non ignobiles, attainen non tales. ut possint in publicum tarn repente prod- ire admiratione tanta, ut solent qui editis iam multis voluminibus Illustres evaserunt: qualis est e milibus unus Doctor Joannes Eeuchlinus, ex publico stipendio Tybingensium conduetus grecae et hebraicae linguae professor, quod haec scheda his literis iuclusa indicat. Nach den Akten abgedruckt bei Haut/. I, S. 369, Anm. 25.

2) Quandoquidein Jo. Boeschenstein Eslingensis hebraeae linguae iusi- gniter auditus, aliquorum (quibus respublica nostrae universitatis nonparum curae esset) preeibus victus, ad nos divertisset, suae vero non vulgaris audi- tionis nobilium aliquot Gennaniae aeädemiarum , atque Joannis Eeuchlini, iurium, Joannis Oecolampadii et Casparis Ammard Theol. Doctorum aliorum- que doctissimorum hominum non poenitenda attulisset testimonia . . . petit facultas artium, ut sua dementia apud Gynmasii nostri proceres illi ipsi Stipendium pro linguae hebraeae professione constitni demandaret aut, si ipsum modo fieri non posset, saltem ad tempus hie ex publicis quatuor faciü- tatum aerariis aleretur, donec reformatio studiorum inchoaretur. (1521) Hautz, I, S. 371, Anm. 29.

90 Die Universitäten.

1 2 Goldgulden, zum Fristen des Lebens nicht hinreichten, so verliess Böschensteio bereits im August 1522 die Uni- versität l). Der Lehrstuhl blieb 2 Jahre unbesetzt-, 15-24 wurde Sebastian Münster zum Professor angenommen, sein Gehalt betrug jährlich 25 Gulden; die 5 Gulden jährliche Erhöhung. die man ihm 1526 bestimmte, mögen ihm auch nicht sonderlich gefallen haben, schon 1527 verliess er Heidelberg-). Die Nachfolger, die man ihm gab, waren höchst unbedeutend, die Universitätsakten wissen nichts mehr von ihnen als ihre Namen, es lohnt sich kaum sie aufzuzählen : Georg Sibold von Ketters- hausen 1529, Valentin Kleymann 1531, Valentin Mikrander und Johann Koller 1538 3). Für eine Reihe von Jahren nach dem Abgange des Letzteren lassen sich aber nicht einmal Namen nennen, erst 1551 wurde der Lehrstuhl durch den getauften Juden Paul S taffei st a in e r 4) besetzt. Glänzend war die Stelle grade nicht : für das erste Jahr erhielt er 50 Gulden Gehalt, 1555 wurde ihm eine Zulage von 30 Gulden gewährt. Das Programm, in welchem der Rektor der Universität zu seiner ersten Vorlesung einlud, ist noch erhalten, danach sollte der neue Professor Bibelerklärung und grammatikalische Ausein- andersetzungen vereinigen. Das Ziel der Vorlesungen sollte sein, die Hörer zum Verstäudniss der schwierigen Sprache, die Viele von philologischer Lektüre zurückhalte, zu führen und in ihnen eine Liebe zu jener sehr alten Theologie zu erwecken5). Wie lange Staffelstainer in Heidelberg gelehrt, ist ebenso unbekannt, als der Erfolg, der seinen Unterricht begleitete. Hatte Reuchlin in Heidelberg das hebräische Studium eingeweiht, so war er es auch, an den sich der Churfürst von

i) Hautz I, S. 371 fg.

2) a. a. 0. S. 374. Es wäre interessant über die Lehrthätigkeit dieser beiden bedeutenden Männer Genaueres zu wissen.

3) Hautz I, S. 378 fg.

4) Derselbe, der uns als Lehrer Johann Eck's (s. S. 30, Anin. I) be- gegnet ist?

•r') Idein hie ausjiicabitur cras ab ennarratione celebris dilti quod de mundi duratione in domo Heliae sonuisse fcraditur. Grammatica deineeps traetabit corapendia ac praeeepta e scriptura petitis exemplis illustrabit idque curabit sedulo, ut ad phrasin, qniae multos a philologicis lectionibus arcet, adsuefleri auditor possü vetnstissimamqtie iUam paulatim amare theologiam, Haut/, I. s. 428 fg.

Die Universitäten 91

Sachsen wandte, als er an seiner Universität Wittenberg dem hebräischen und dem griechischen Studium Eingang ver- schallen wollte. Reuchlin fühlte sich nicht kräftig genug im hohen Alter diese Last zu übernehmen; für das Griechische empfahl er, wie bekannt, seinen Grossneffen Melanchthon, und auch für die Besetzung der hebräischen Professur machte er seine Vorschläge. Von Oekolampadius, den er empfahl, mnsste er zugleich berichten, die Baseler hätten ihn bereits genommen; Paul Ritius1), der Leibarzt des Cardinais von Gurk, der sich namentlich durch seine kabalistiscken Werke einen Namen gemacht hat, schien ihm „zu fest und wohl zu stehen", um ihm eine Aenderung seiner Stellung anzubieten; als dritten zu der Stelle Geeigneten nannte er Conrad Pelli- kan: er glaubte, wenn seine Oberen, die Barfüsser, zustimm- ten, würde es leicht sein ihn für den Lehrstuhl in Witten- berg zu gewinnen. „Man fände vielleicht sonst," schliesst er, „getaufte Juden, wer dess gute Erfahrung hätte; aber für- wahr, wenn sie nicht in lateinischer Zunge gelehrt sind, so könnten sie uns künstlicher Weise in Regeln nicht lehren; denn in teutschen Landen empfaken die Juden ihre Sprach allein aus gewöhnlichem Brauch, das aber uns nicht so mög- lich ist, sondern wir müssen das Hebräische erstlich durch Kegeln, und darnach durch viel Lesen der Bücher gleichwie die lateinischen und griechischen Zungen überkommen"-). Es ist nicht sicher, ob der Churfürst diese Vorschläge in der- selben Weise billigte, wie er dem Plane, Melanchthon nach Wittenberg zu ziehen, seine Zustimmung gab; jedenfalls ist seine Antwort nicht erhalten. Aber nachdem Melanchthon seine Stelle angetreten hatte, suchte man ihm einen Collegen für das Hebräische zu geben 3). Denn um Lehrer der Jugend

!) Von ihm sagt Erasmus, der überhaupt von seiner wissenschaftlichen Tüchtigkeit und seinen sonstigen trefflichen Eigenschaften entzückt ist: Is demnin vere mihi videtur Israelitam agere, suoque cognoniini pulchre respondere, cujus omnis voluptas, omnis cura omne otium ac negotium in divinis literis. Erasmus Ricardo Bartolino 10. März 1516. Opp. III col. 190 Epist. CCX.

2) Reuchlin an den Churfürsten Friedrich von Sachsen 7. Mai 1518. in Corpus Eeformatorum ed. Bretschneider vol. I, nro. 14, coli. 27—31.

3) Hütten schreibt in demselben Jahre au einen Freund von dieser ihm bekannt gewordenen Absicht. Vergl. Bücking, Hutteni opera vol. I, p. 187,

.'_ Die Universitäten.

im Hebräischen zu werden, dazu waren weder die Kenntnisse Luther's noch die Melanchthon's hinreichend. Der Letztere namentlich beschäftigte sich zwar viel mit Hebräisch, er Hess gleich in der ersten Zeit seines Wittenberger Aufenthaltes hebräische Bibeln von Leipzig herbeischaffen, damals ein seltener Schatz, wegen dessen Erlangung er sich beglückwünschen konnte 3), er war weniger in seiner schriftstellerischen Thätig- keit als in seinen Vorlesungen bei Erklärung biblischer Bücher bemüht, die Nothwendigkeit des Zurückgehens auf den hebräischen Text hervorzuheben, er war ein grosser Verehrer der hebräischen Sprache und billigte, da er sich nichts heil- sameres, wahreres, feineres und höheres denken konnte als diese Studien, die Ansicht derer keineswegs, die dieselben für thöricht und roh erklärten 2). Die Pflege des Hebräischen in Wittenberg schien ihm ein hoher Ruhm der Universität-, er datirt eine Vorrede 3) aus der Wittenberger Akademie, „wo durch die Gnade des Aveisesten Mäcenas aller Gelehrten, des

i) An Spalatin (Sept.) 1518 und an Christoph Scheurl 24. Sept. 1518. Corp. Ref. vol. I, coli. 43, 48.

2) An Johann Hess 17. April 1520, Corp. Ref. I, vol. 158. Hier ist auch eine Rede anzuführen, die er über Nothwendigkeit und Nutzen des hebräischen Sprachstudiums schrieb, Corp. Ref. vol. XI, col. 867 877, De studio linguae Ebreae (1549), die aber ziemlich unbedeutend ist. Er freue sich, nicht vor Ungebildeten zu reden; aber selbst bei Gebildeten gelte die hebräische Sprache für barbarisch. Diese ziehen lateinisch und griechisch bei weitem vor. Freilich, wenn man Eleganz der Sprache, angenehme Er- zählung verlange, dann sei es besser, sich im Herodot zu vertiefen, quam legere Thalmudicos libellos, in quibus et tempora mundi manifeste errore mutilata sunt et tantum est insulsitatis, ut Alexandrum somnient gessisse bellum cum Dario filio Hystaspis qui successit Cambysi; sei es nützlicher, von der Weisheit des Thcmistokles, von der Gerechtigkeit des Aristides sich unterhalten zu lassen, quam legere fanaticos furores ben Cosban. Das sei allerdings wahr: Literatur und Philosophie hätten in den griechischen and lateinischen Schriftstellern ihre ausgezeichnetsten Vertreter gefunden, sed in ecclesia Dei carere li-ngua Ebrea non possumus. Da genügten auch Uebersetzungen nicht, obwol manche, wie Luther's Bibelübersetzung, unendlichen Werth hätten: man miisste an den Text selbst herangehn, der, oft schwierig und dunkel, eignes Nachdenken und eifrige Wahrheitsliebe ver- lange. Trotz seiner Schwierigkeit nehme aber doch das Studium der hebräi- schen Sprache nicht so in Anspruch, dass nicht auch Zeit für die Beschäfti- gung mit andern Wissenschaften übrig bleibe.

s) Zu der von Luther herausgegebenen Erklärung von Pauli epistola ad Galatas.

Die Universitäten. 9){

cliurfürsten Friedrich, die rechten Studien in den 3 Sprachen Lateinisch, Griechisch und Hebräisch umsonst gelehrt wer- den"1) 5 er entschloss sich sogar einmal, als ein Lehrer für diese Sprache fehlte-), kurze Zeit auch dieses Amt zu ver- walten, aber er fühlte doch selbst am besten, dass ihm zur vollen Uebernahme dieser Thätigkeit die Fähigkeit fehlte.

Man suchte also einen Professor für das Hebräische. Es ist vou vornherein klar, dass die Stellung eines solchen, in- mitten eines vorzugsweise theologischen Lehrkörpers , neben Männern, wie Luther und Melanchthon, die nicht nur durch den Grad ihrer Kenntnisse, sondern durch den eigen- thümlich hervorragenden Platz, den ihnen die Bewunde- rung ihrer Berufsgenossen zuerkannt hatte, eine Art Ober- aufsicht über Alles ausübten, was unter ihren Augen vor- ging; es ist klar, dass die Stellung eines Lehrers der Sprache, deren richtiges Verständniss die Grundlage ihrer ganzen Theologie bildete, eine schwierige war, und dass ein selb- ständiger Geist, der sich in seiner Lehrmethode und in seinen Ansichten nicht beschränken lassen wollte, hier schwer, wenn nicht gar unmöglich, eine Wirksamkeit auszuüben im Stande war. Hierin mag wol der Grund liegen, dass es ziemlich lange dauerte, bis man den rechten Mann gefunden hatte, dass eine Anzahl Versuche fruchtlos blieben, und dass, wenig- stens in den ersten Jahrzehnten, keiner in Wittenberg dauernd die hebräische Sprache gelehrt hat, der unter den Kennern der- selben einen bedeutenden Rang einnimmt. Diese Behauptungen können freilich nur Vermuthungeu bleiben, die zerstreuten Quellen, die wir zu Rathe ziehen können, erlauben uns keine sicheren Schlüsse.

Von Johannes Böschenstein, der als erster die Stelle ein- nahm, ist schon in anderm Zusammenhang gesprochen; nach ihm ist von einem Bartholomäus Caesar die Rede. Luther, der jeden neuen Ankömmling mit grossen Lobsprüchen empfing, um dieselben freilich oft bald genug mit bittereu Schmähungen zu vertauschen, sagt von ihm es ist die

») 1519 C. R. I, col. 125.

2) 21. Mai 1519 a.a.O. col, 81: Interim ego psalterium praelego, dum doctior aliquis conducitur.

94 ">'' Universitäten.

einzige Stelle, in der er von ihm spricht, iu den Briefen Me- lanchthon's findet sieb gar keine Erwähnung des Mannes : er habe eine lateinische Rede von ihm gehört, untermischt mit Hebräischem, die habe ihm sehr gefallen; es scheine ihm, wenn man diesen gewinnen könne, werde sich der Weggang Böschenstein's ertragen lassen. Gott, auf die Pllege unserer Studien bedacht, hat auch ohne uns gesorgt ]). Einige inter- essante Details geben einige Briefe des Andreas Carlstadt. Danach verdankt Caesar die Aufmerksamkeit, die man ihm zuwandte, der Empfehlung des Böschenstein. Dieser habe seine allgemeine Gelehrsamkeit, seine specielle gründliche Kenntniss der hebräischen Sprache hervorgehoben, zu deren Erlernung er viele Jahre hindureb grossen Fleiss angewendet und namentlich Beuchlin's Unterricht sich zu Nutzen gemacht habe. Plötzlich aber habe Böschenstein sein Urtheil über ihn ge- ändert, seinen eignen Eutschluss, von Wittenberg fortzugehen, habe er aufgegeben, ihm sei an Gelehrsamkeit doch Keiner in Deutschland zu vergleichen; was aber Caesar anbetreffe, so stehe er in seiner Kenntniss dem Melanchthon um Vieles nach. Auch andere Schmähungen habe er auf Caesar gehäuft, den er früher mit Lobsprüchen überschüttet habe; vielleicht sei auch das Gerücht, die Leipziger wollten Caesar für sich gewinnen, nur von ihm erfunden, um sich des unbequemen Gegners zu entledigen. Die Wittenberger Studenten seien aber sehr begierig, ihn als Lehrer zu erhalten; Spalatin möge Alles thun, um diese Wünsche zu befriedigen. Sie gingen frei- lich nicht in Erfüllung: Carlstadt schreibt, Caesar wolle nicht kommen, und kann sich die Sinnesänderung nicht er- klären 2).

Nach Caesar war es Johann Cellarius Gnostopoli- tanus, den man nach Wittenberg ziehen wollte. Er war in Heidelberg früher gewesen und wollte jetzt in Leipzig die

!) Luther an Spalatin 11. Januar 1519 bei de Wette: Luther's Briefe, Sendschreiben und Bedenken I, S. ül<>. Ueber Böschenstein lautet die Stelle: ideoque nobis visum est, quando ille veteranus oranino maturat recessum, hoc assnmto in vicem illius, recessus eius feratur.

2) Die Briefe, für die der im Text gegebene Auszug genügen mag, finden sich in J. Gr. Olearius: Scrinium antiquarium. Arnstadt 1682, p. 12 sq., 45, p. 5'J— 5(j; sec. ler. post epiphan, Reminiscere und Die Felicia 1519.

Die I IIIMT-lt.ltrh. !'.>

hebräische Sprache lehren; Luther und Melanchthoo zeigen

sieh gleich eifrig ihn zu gewinnen J). Aber wenige Wochen darauf schreibt Melanchthou: Der Hebräer, den sie hätten, wolle nicht lehren, abgeschreckt durch die Schwierigkeit des Psalters, den er nun schon binnen Jahresfrist erklärt habe 2). Das scheint sich auf Cellarius zu beziehen. Möglicherweise war das nicht der wirkliche Grund, bekanntlieh stand Cel- larius bei der Leipziger Disputation auf Eck's Seite 3) und es wird Niemand den Wittenbergern verargen können, dass sie sich hüteten, einem erklärten Feinde Eingang bei sich zu ver- schaffen. Noch unglücklicher war der Versuch, den man mit Matthäus Adrianus machte, der, wie oben genauer erzählt ist, nach sehr kurzer Thätigkeit in vollem Unfrieden aus Witten- berg schied.

Erst 1521 wurde ihm ein Nachfolger gegeben. Matthäus Aurogallus, ein Böhme, hatte einige Jahre in Wittenberg studirt, er war Melanchthon und Luther bekannt geworden, beiden erschien er zur Besetzung der vakanten Professur ge- eignet, vielleicht ebensosehr, weil man ihn als einen getreuen Anhänger kannte, als seiner Befähigung wegen4). Melanch- thon berichtet, dass er ihn aus dem Stegreif Vieles aus dem Hebräischen habe übersetzen und erklären sehen5). Luther bediente sich seiner Unterstützung bei der Bibelübersetzung ,!). Von seinen Schülern und von seiner Lehrthätigkeit in dieser

!) Melanchthon an Spalatin "21. Mai 1519, Corpus Reformatorum I, col. 81; Luther an Spalatin 22. Mai 1519 bei de Wette: Luther's Briefe etc. I, S. 278. Ueber Cellarius vgl. unten: Leipzig.

2) G. Spalatino 29. Juli 1519 Corp. Ref. I, col. 104 fg.

3) Darum bezweifelt Förstemann, der Verfasser der Anmerkungen in den ersten Bänden des Corp. Ref., dass diese Stelle sich auf Cellarius beziehe.

4) Luther an Spalatin 19. März 1521, de Wette I, S. 574; Melanchthon an denselben 21. März 1521 Corp. Ref. I, col. 3G2 sq.

5) Mel. a. a. 0. : Ipse vidi ex tempore multa enarrantem ac reddentera de Hebraeis. Eine andere kurze Bemerkung desselben an denselben 14. Juni 1521: Inprimis Aurogallum praeficiendum hebraeis scholis. Corp. Ref. I, col. 397.

6) Melanchthon sagt in der Vita Crucigeri (Declamationes, alte Auf- gabe, Tom. III, p. 305) : Etsi Lutherus Ebream linguam probe callebat, tarnen quia collationem iudiciorum sciebat non aspernandam esse, adhibuit viros in ea lingua praeclare eruditos Aurogallum, Crucigerum et Forsterum. Hos et iudices in obscuris locis et suae fidei et diligentiae testes haberi voluit.

96 Die Universitäten.

Sprache, die er bis zu seinem Tode 10. November 1543 x) fortsetzte, ist sonst nichts bekannt. Die hebräische Gramma- tik2), die er geschrieben hat, erfüllt den Zweck eines Leit- fadens vollkommen. Nach den Regeln für das Lesen der Buchstaben , Silben und Wörter folgen Beispiele für die Ac- cente, Tabellen für die Zahlen, Pronomina, Substantiva, danach die Conjugation und die Regeln für die übrigen Redetheile: Advcrbia, Conjugationen, Interjektionen. Der hebräischen Grammatik folgt ein ungemein dürftiger Abriss der Eigeuthiim- lichkeiten des Chaldäischen, dann eine ziemliche Anzahl von einer nicht nach alphabetischer Reihenfolge und überhaupt ohne jedes System zusammengestellten Anzahl von Abbre- viaturen, den Schluss macht das „Lied Moses" in hebräischer Sprache. Wie gesagt, die Grammatik ist ein guter Leitfaden und sie ist schon früh wegen ihrer Bequemlichkeit und Nütz- lichkeit für die Studirenden gerühmt worden3).

Nach Aurogallus' Tode wurde die Professur dem Lukas Edenberge r übertragen; ein Stück des Briefes, in dem Luther denselben dem Churfürsten Johann Friedrich empliehlt, ist interessant genug, um erkennen zu lassen, was Luther bei seinen Candidaten hauptsächlich suchte: ,,E. K. F. G. wolle die hebräische Lektion dem M. Lukas Edenberger leihen und befehlen, nicht allein desshalb, dass er sich zu dieser Zeit schwerlich behilft, . . sondern dass er E. K. F. G. und uns Allen wol bekannt, dass er treu und fleissig, auch ernstlich ist über der reinen Lehre, welclis alls vonnothen ist dem, der hebräisch lesen soll. Denn viel Ebraisten sind, die mehr rabinisch,

!) Vgl. Scriptor. publ. propos. ;i Professorib. in Academia Witeberg (1559). T. I, p. 72 und Bisniark an der Anmerk. '.\ anzuführender! Stelle.

*) Ich kenne nur eine spätere Auflage: Grammatica hebraeae chaldae- aeque linguae a Mattlieo Aurogallo in lueem aedita, pluribusque in Iuris ab autore emendata et aueta. Basileae apud Henricum Petrum. Anno AIDXXXIX. A...L. ä 8B11. in 16° (169S.). Von S. 142—159: De chaldaeae et hebraeae linguae. Die Abkürzungen unter dem Titel: Abbreviationes quibus Judaei in commentariis super veteris instrumenti Bibliis passim iisi sunt.

3) Nach der kurzen Lebensbeschreibung des Aurogallus in Bisniark : Vita et Res Gestae praeeipuorum Theologorum Liber primus Continens vitam et res gestas Theol. Viteb. Halae Saxonum Kill Bl. 1 I and -: <irain- maticam hebraicam quoque edidit, quam alieubi D. Selneccerus ob facilitatem et utilitatem studiosis sanetae Linguae commendat.

Die Universitäten. 97

denn christlich sind, und doch die Wahrheit ist, wer nicht Christum sucht und sieht in der Bibel und ehrüischer Sprache, der siebet nichts und redet wie der Blinde von der Farbe" ').

Von Edenberg's wissenschaftlichen Leistungen und seiner Lehrthätigkeit ist Nichts bekannt-). Auch war sein Aufenthalt in Wittenberg nur kurz, ebenso wie der seines Nachfolgers, des durch seine spätere theologische Thätigkeit so bekannt gewordenen Matthias Flacius Illyrikus. Er war nach Wittenberg gekommen hauptsächlich zum Studium des Griechi- schen und Hebräischen. Melanchthon erkannte die grossen Fähigkeiten des jungen, kaum 24jährigen Mannes, man machte ihn zum Professor der hebräischen Sprache; nur viermal wöchentlich sollte er lesen, man setzte ihm dafür einen Gehalt von 100 Goldgulden aus. Er erklärte die Schriften des alten Testaments mit vieler Anerkennung; aber nicht lange hielt es ihn, 1547 nach der Capitulation Wittenbergs wanderte er mit den übrigen Professoren aus, aber diese kehrten ohne ihn zurück3).

Ihm folgte Johann Forster, nach Böschenstein wol der beste Schüler Reuchlin's. Er hatte seinen Lehrer eine kurze Zeit, wie es scheint, in Ingolstadt vertreten (1521), dann hatte er hauptsächlich auf dem theologischen Kampf- platz sich geübt und, nach einem Zeugniss Melanchthons 4), seiner Neigung nicht ausschliesslich der Beschäftigung mit der hebräischen Sprache zugewendet. Desselben Empfehlung 5) hatte er es zu danken, dass er 1537 eine Anstellung als Pro-

*) Luther an den Churfürsten Johann Friedrich, bei de Wette V, S. 606, 3. December 1543.

2) Nur findet sich schon aus dem Jahre 1548 von Edenberger eine übrigens unbedeutende (Praelectio) in Ebraeam Grammaticam in: Scripta publ. propos. in Acad. Witteb. (1560) Tom I, D 3 sq.

3) Ueber Flacius s. die Nachträge.

4) Er schreibt an Camerarius: Forstemium (Forsteruni) iudico esse modesto ingenio praeditum, et in sacris literis mediocriter versatum, neque, ut multi dTtstpoxaXot, qui se Hebraicis literis dedidere, nimium delectari suo studio. Angeführt bei Strobel: Vermischte Beiträge zur Geschichte und Lite- ratur. Nürnberg 1775, in den ausführlichen Mittheilungen über Forster, S. 129—160.

5) Ebenso wie der Luther's, vergl. Schnurrer: Nachrichten von den Lehrern der hebr. Literatur in Tübingen, der auch erzählt, dass Forsters Gehalt 200 fl. betrug. Verschiedenes über Forster s. in den Nachträgen.

Geiger, Studium. 7

98 Die Universitäten.

fessor der hebräischen Sprache und Theologie in Tübingen erhi-elt; von hier seiner lutheranischen Gesinnungen wegen den Reforinirten verdächtig geworden und entlassen, war er 9 Jahre in durchaus praktisch- theologischen Aemtern thätig. Erst 1549 kam er nach Wittenberg, zuerst ohne Amt; man wusste noch nicht, ob Flacius Illyrikus zurückkehren werde, der Wittenberg verlassen hatte, um, wie er sagte, nicht einer Veränderung des Gottesdienstes beizuwohnen. Als Gehalt wurden Forster 300 Goldgulden versprochen, eine für jene Zeit recht respektable Summe J). Von seinen Schülern ist hauptsächlich Lälius Soccinus zu nennen2), der sich freilich weniger durch seine Kenntniss des Hebräischen, als durch seine theologische Wirksamkeit bekannt gemacht hat. Forster starb nach einer 7jährigen glücklichen Lehrthätigkeit im Jahre 15563). Das Werk, das seineu Namen hauptsächlich bekannt gemacht hat, ist sein hebräisches Lexikon4). Es ist nöthig, dass wir bei demselben verweilen, und dass, ehe wir seinen Inhalt zergliedern, wir Forster's Ansichten, die er bei Ab- fassung des Werkes zu Grunde legte, ein wenig nachgehn. In einem Worte kann man es ausdrücken: in ihm prägte sich mit am schärfsten und schroffsten die Gesinnung aus, die Luther über die hebräische Sprache und ihre Behandlung ge- hegt und seinen Schülern eingeflösst hatte. „Die Kenntniss der hebräischen Sprache", beginnt er, „ist der Kirche nöthig

*) Die letzten Angaben aus einem Briefe Melanchthon's an den Fürsten Georg von Anhalt 29. März 1549, Corpus Reformatoruni vol. VII, p. 356.

2) a. a. 0., i>. 632.

3) Camerarius vita Melanchtlionis, ed. Strobel, p. 320, der bei dieser Ge- legenheit über ihn sagt: Joannes Forsterns, hebraicafum literarum inprirois peri- tus, qui varia et duriore aliquando fortuna conflictatus tandem Wittenbergae consederat, doctrina sua Academicam illaro communitatem augens atque ornans.

*) Der typographisch genaue Titel dieses wichtigen Werkes lautet: DICTIONARIVM j HEBRAICVM NOVVM , NON EX RA | BINORVM COMMENTIS NEC EX NOSTRATIVM DOCTORVM I stulta imitatione descriptum, sed ex ipsis thesauris sacrorum Bibliorum | et eorundem accurata locorum collatione depromptum, cum phrasibus j scripturae Veteris et Novi Testamenti diligenter annotatis. ||

Autore Joanne Forstero Augustano, sacrae Theologiae Doctore, ac, Hebraicae linguae professore in Academia Vuitebergensi. Froben's Buchdruckerzeichen BASILEAE MDLV11.

Die Universitäten. 99

und sorgfältig- aus den Quellen geschöpfte Wörterbücher sind die Schatzkammern, in denen die Sprache aufgewahrt wird." Aber was sind die Quellen? Sind es die Rabbinen? Hören wir Forster's Antwort: „Viele Jahre nach dem Wieder- erwachen des Evangeliums habe ich gesehen, dass ebenso wie in den Synagogen und Schulen der Juden, so bei den Christen beim Uebersetzen und Erklären der h. Schrift die rabbinischen Commentare gleichsam wie heilige Mysterien Gottes von allen mit grösster Dehmuth und Verehrung ange- betet werden. Daher konnten wir den wahren Sinn der hei- ligen Schrift nicht erlangen." Dieser traurige Zustand der Dinge habe ihn zur Abfassung seines Lexikons veranlasst. Es seien bisher schon von Christen Werke geschrieben wor- den, aber sie haben keinen Werth ; bei ihnen sei Christi Wort eingetroffen: „Wenn ein Blinder einen Blinden führt, so straucheln sie beide." „Und blind sind die Führer wirklich; sie haben kein Licht, keine Kenntniss von Gott, keinen Geist, keine wirkliche und gründliche Bekanntschaft mit irgend einer Wissenschaft oder Kunst, kein Verständniss der Sprachen, nicht einmal der hebräischen" l). Aber eine solche Finsterniss dürfe nicht fortdauern, die christliche Religion habe nöthig, dass sie zerstreut werde. „Sie muss der Sprache eine be- sondere Pflege angedeihen lassen, die die erste und älteste ist, in welcher die Gottheit, Vater, Sohn und heiliger Geist, diesen wunderbaren Schauplatz der Welt und alle Ge- schöpfe in ihr geschaffen hat, in der die ganze Dreieinigkeit gleichsam im Bilde sich dargestellt hat. . . Durch diese Sprache war der Sohn Gottes allein wirksam, mit ihr schenkte er den Elendgestorbenen neues Leben. In ihr nannte Adam alle Thiere, alle Vögel und Fische mit Namen, als sicherstes Zeichen, dass sie die passendste und geeignetste ist, um die Natur der Dinge auszudrücken. Bis zum babylonischen Thurmbau gab es keine andere Sprache, als diese ; nach die-

*) Darauf folgen mehr positive Anklagen : Dicat mihi universa ipsorum Synagoga, comportatis omnihus suis libris, quid proprie hoc nomen rnp'' significet et quae sit ipsius etymologia, similiter ]TW*. ipN, *pö. pK. Dann giebt er 68 Regeln zum leichteren Verständniss der hebräischen Sprache, über die Buchstaben und ihre Bedeutung, über die Deklination und den Ge- brauch der Substantiva, über Conjugation und Verba.

7*

100 ßi* Universitäten,

sein Ereigniss folgte, hervorgerufen durch den schrecklichen Zorn Gottes, zum unglaublichen Schaden der Kirche, Ver- schiedenheit und Verwirrung der Sprachen, in der dennoch Gott diese Sprache rein und unverderbt in dein heiligen Heber und seiner Familie erhalten hat bis Lot, von Lot bis Abraham und seiner Nachkommenschaft, um ihm in dieser Sprache jene Verheissung zu verkünden über seinen gesegneten Sa- men, welcher ist unser Herr Jesus Christus".

Man sieht, es ist nicht leicht möglich in überschwäng- licheren Ausdrücken sich zu ergehen. Neben der Heiligkeit der Sprache wird aber auch ihr Nutzen hervorgehoben, einmal gegen die Juden, „um die von den Rabbinen hervorgebrachten Verschlechterungen zu erkennen, die den Worten innewohnende Bedeutung, ihren wahren Sinn zu zeigen und gegen die Spötte- reien Jener zu vertheidigen", dann auch gegen die alten Ueber- setzungen, um beurtheilen zu können, wie gotteslästerlich und abergläubisch es ist, was sie über Christi Verdienst enthalten. Auf die Rabbinen kommt er immer wieder zurück. Wenn er in schönen Worten zeigt, dass nur die hebräische Sprache allein den wahren Gott lehre und die wahre Gottesverehrung, dass sie allein Furcht und Treue, Gehorsam und Geduld, Be- scheidenheit und Ergebung vorschreibe, dann fehlt der Nach- satz nicht: aber hüte Dich vor den Lehrsätzen der Rabbineu, die voll von Schmutz und Schändlichkeit sind; wenn er in einem Gebete Gott bittet, die Liebe zur hebräischen Sprache immer stärker werden zu lassen, dann vergisst er nicht zu bemerken: um sie von den Irrthümern der Juden zu reinigen.

Aber er bemüht sich sehr die Meinung nicht aufkommen zu lassen, als kenne er, der das Studium der jüdischen Er- klärer sehr abrathe, dieselben selbst nicht. „Wenn es einen gibt, der seine Fähigkeiten an den Rabbinen verschwendet, der sie in seinem Hause auf eigene Kosten als Lehrer unter- halten , der sich oft und lange in ihren Synagogen herum- getrieben und ihre Commentare fleissig gelesen hat, dann ist es Forster, und dennoch habe ich nichts Ausgezeichnetes, nicht was besonderen Lobes werth wäre, davongetragen."

Sein Lexikon, recht eigentlich eine Frucht dieser Rab- binenverachtung, ist daher entsetzlich einseitig. All das Gute, was er aus jüdischen Comnieutatoreu, Grammatiken ziehen

Die Universitäten, ]() 1

konnte, bat er bei Seite geworfen, man kann sagen, er kennt nur die Bibel und Beine eigene hermeneutische Fertigkeit, die alten Schriftsteller, soweit sie in Sacherklärung in Betracht zu ziehen waren, und die Kirchenväter, obwol er sich auch ent- schieden dagegen verwahrt (schon im Titel des Lexikons), in kindischer Nachahmung ibneu zu folgen. Von seinem Lehrer Reuchlin bat er viel gelernt, namentlich in der äusseren Eintheilung, obwol ja der Weg, den er folgte, ganz versebic- den ist von dem, den der Lehrer eingeschlagen hatte. Er gedenkt desselben mit vieler Liebe. Nachdem er ihn als sei- nen Lehrer gerühmt und erzählt hat, dass er seinerseits von Wessel den ersten Unterricht empfangen hatte, fährt er fort: Ich erwähne gern diese Männer, damit die Nachwelt diese Wohlthat Gottes im Auge behalte, dass jene, schon so früh wie von göttlicher Eingebung getrieben, sich der Verbreitung dieser Sprache hingegeben haben.

Man hat das Lexikon wegen seiner durchgängigen Rück- sichtnahme auf die Bibel eine gute Bibeleinleitung genannt; vielleicht dürfte der Ausdruck Bibelconcordanz noch passen- der den Werth oder in jedem Falle die Eigentümlichkeit des Werkes bezeichnen. Unter eine jede Stammwurzel werden sämmtliche Formen eingereiht, in der "diese Wurzel sich findet, die Conjugation des Verbums und die Hauptzeiten jeder einzelnen Conjugation und die von dem Verbum abgeleiteten Nomina. Die Stämme, die numerirt sind: 1 1758, sind natür- lich nach ihren Anfangsbuchstaben eingetheilt; am Anfange einer jeden dieser 22 Abtheilungen steht ein Bibelvers, der mit dem zu besprechenden Buchstaben beginnt; am Ende derselben sind die zu jedem Buchstaben gehörigen Quadrilitera, soweit sie nicht unter den dreibuchstabigen Wurzeln ihren Platz ge- funden haben, und Peregrina zusammengestellt. Bei den ein- zelnen Wörtern wird oft nur ganz kurz die Bedeutung ange- geben, oft, wenn grammatische Schwierigkeiten oder sonstige Unregelmässigkeiten sich finden, dieselben ausführlich er- läutert und eine Masse Beispiele aus dem alten Testament zu ihrer Erklärung angefügt, deren Nutzen freilich dadurch, dass sie nur lateinisch und nicht hebräisch gegeben werden, fast illusorisch gemacht wird. Zur Erklärung der Worte wird die chaldäische Uebersetzung, werden griechische, lateinische,

102 Die Universitäten.

auch deutsche Worte angefahrt; zur Analogie viele Stellen aus dem neuen Testament; zur Sacherklärung, wie bereits bemerkt, einige Classiker, einige Kirchenväter, von Neueren Nikolaus von Lyra. Die jüdischen Commentatoren sind, wie es sich von selbst versteht, ausgeschlossen, nur R. Salomo findet sich einigemal erwähnt. So wenig Freund der Juden und ihrer Commentatoren auch Forster war, die Gerechtigkeit rauss man ihm widerfahren lassen, dass er sein Lexikon nicht mit Polemik, mit Schimpfreden gegen diese füllte. Man sieht doch fast an jedem Schritte, den er thut, dass es ihm in tiefem Ernst um die Erforschung der Wahrheit zu thun ist, so beschränkt auch der Standpunkt ist, von dem aus er die Wissenschaft betrachtet.

Eine kurze Zeit (1557 fg.) verwaltete Paul Eber die Professur, der schon früher einmal zur Aushülfe einge- treten war1).

Am 18. März 1560 hielt Heinrich Moller seine Antritts- rede als Professor der hebräischen Sprache in Wittenberg 2). Da sonst keine Leistungen dieses Mannes erwähnt werden, er auch (s. das Fgde.) nur kurze Zeit sein Amt verwaltet zu haben scheint 3), so mag es erlaubt sein die Rede etwas näher zu betrachten. „Durch eine besondere Wohlthat", beginnt der Verfasser, „hat Gott der Kirche immer Männer zu Theil wer- den lassen, bald mehr, bald weniger, die der hebräischen Sprache kundig waren." Die Kenntniss derselben sei zwar durch die Schuld der faulen und unwissendeu Mönche des Mittelalters fast verschwunden, aber nie völlig. Auf einer Synode4) sei bestimmt worden, das Hebräische solle auf den Universitäten gelehrt werden, dann haben Nikolaus von Lyra,

!) Vergl. Nachträge zu 8. 97, Anni. ."..

2) Adhortatio ad cognoscendam linguam hebraeam n Mag.' Henrico Mollero Hamburg., hebraico Professore; habita d. 18. Martii 1560. zuletzt gedruckt in Corpus Reformatorum (Melanchthonis Opera), vol. XII, col. 385 bis 392.

3) Ich finde ihn noch erwähnt in dem Witten iberger Lektionskatalog von 1561 : M. Henricus Moller enarrabit textuni hebraicum minoruin pro- phetarum bei Strobel: Neue Beiträge zur Literatur des 16. Jahrhunderts 1790 I, S. 126.

4) Dem Wiener Concil 1312.

Die Universitäten ]()!>

Paul von Burgos, Petrus Galatinus ') die Kenntniss fortgepflaDzt. Dieselbe sei für die Kirche so nothwendig, „dass die' Studiren den der Theologie durch strenge Befehle der Regierung an- gehalten werden mtissten sie sich anzueignen"2). Seien ihnen dagegen die Quellen fremd, so folgen daraus verschiedene Nachtheile: die heiligen Schriften würden nicht gelesen wer- den; durch ihre Unkenntniss würden Zweifel über den Willen Gottes hervorgerufen, der in diesen Schriften seinen Ausdruck gefunden; man müsste sich an Uebersetzungen halten, die, wenn sie schlecht und mit mangelndem Verständniss der Phrasen und Bilder abgefasst seien, schiefe und unrichtige Deutungen enthalten3); Polemik könne nur dann richtig geführt werden, wenn man in das einzugehen wisse, was in den Quellen stehe. Daher müsse man sich bemühen ein Ver- ständniss der Quellen herbeizuführen. „Um diese Gewissheit über die Meinungen der prophetischen und apostolischen Schriften in den Gemüthern hervorzurufen und durch diese Gewissheit ein eifriges Lesen der Schriften zu erzielen, inuss man diese Sprache lernen, weil die Kirche unmöglich be- stehen kann, wenn die prophetischen und apostolischen Bücher verachtet werden" 4).

Am Anfang der sechsziger Jahre war Johannes Dra- konites in Wittenberg. Als Schüler des Paul Fagius hatte er dessen trefflichen Kenntnisse in sich aufzunehmen ge- wusst. Er trug sich mit grossen Planen : er wTollte eine Biblia Pentapla herausgeben, die er als Aufgabe seines Lebens be-

i) Petrus Galatinus oiu gelehrter Italiener, ein Freund Reuchlin's. Wie wenig historisch die Auffassung Moller's ist, liegt auf der Hand; Galatinus hätte sich seihst am wenigsten einen directen Nachfolger der mittelalterlichen Interpreten des A. T. genannt, sondern willig als Schüler Reuchlin's bekannt.

2) Guhernatorum severitate opus esset, ut cogerent eos, cpui aluntur ut Ecclesiae doctrinam discant, adiungere ad id Studium linguam Graecam et Ebream, col. 386.

3) Darauf folgt eine längere Auseinandersetzung über die Irrthümer der Juden und über die Missverständnisse der Griechen und Römer in ihren Uebersetzungen, mit zahlreichen Beispielen.

4) Ut igitur et certae sint mentes de sententia propheticorum et apostolicorum scriptorum, et horuni lectio propter certitudinem magis appe- tatur, lingua haec discenda est, quia ubi spernuntur libri prophetici et apostolici, ibi Ecclesiam esse impossibile est. col. 391.

104 Di« üniversil

trachtete, an verschiedenen Orten Schritte that, um thätige Beihülfe, namentlich Geldunterstützung zu finden, von Zeit zu Zeit Bruchstücke jener Ausgabe veröffentlichte, um das Inter- esse der gelehrten Welt zu erregen und wachzuhalten. Aber nachdem er durch das bereitwillige Entgegenkommen des Churfürsteu August von Sachsen zu seinem Ziele gelangt schien, starb er 1565 und das kaum begonnene Werk hatte sein Ende erreicht1). Man hatte in Wittenberg überhaupt keine Zeit mehr zu wissenschaftlicher Beschäftigung. Schor nach Luther's Tode hatten fast nur theologische Streitigkeiten die Gemüther beschäftigt, die Federn in Bewegung gesetzt; nachdem mit Melanchthon's Tode (1560) der letzte Dänin einer zuletzt freilich sehr wankenden Autorität gebrochen war, gingen die Wissenschaften in dem allgemeinen Trubel theologischen Zankes völlig unter.

Das Andenken Reuchlin's wird bei jedem Schritte wach- gerufen, den wir thun. Auch in Ingolstadt ist er es, der zuerst als öffentlicher Lehrer im Hebräischen unterrichtete. Wie weit sein Schüler Forst er ihn ersetzte, ist nicht bekannt. Nach ihm scheint überhaupt ein besonderer Lehrer für das Hebräische nicht angestellt gewesen zu sein. Unter den Auf- trägen, die dem berühmten Joh. Eck bei seiner dritten Reise nach Rom mitgegeben wurden, fignrirt auch der, er solle für die Universität Ingolstadt neben der Erlaubniss einige griechi- sche Präceptores zu halten auch die erlangen, einen Professor des Hebräischen zu haben2). Man sieht aber nicht, ob und inwieweit diesem Auftrage entsprochen worden ist. Eck selbst war ein tüchtiger Kenner des Hebräischen, aber es ist nicht bekannt, ob er auch specielle Vorlesungen über die hebräi- sche Sprache gehalten hat, die er bei seinen theologischen

!) Der Churfürst hatte den Superintendenten Paul Eber mit der Fort- setzung beauftragt, der aber freilieh nicht der geeignete Mann dazu war. lieber Drakonites vergl. Strieder: Hessische Gelehrtengeschichte III, S. 194 bis 212.

2) Wiedemann : Dr. Johann Eck, Eegensburg 1SC5. S. 186.

Die Universitäten. 105

wol berücksichtigen mochte. Als zerstreute Notiz findet sich nur, dass Wilhelm Uelin 1536 1543 in Ingolstadt das He- bräische gelehrt hat ').

Wir begleiten Rcuchlin auch auf dem letzten Schritte seiner Laufbahn2). Er war 1521 von Ingolstadt nach Tü- bingen gegangen. Wir haben schon gesehen, dass bereits an der Wende des Jahrhunderts sich hier Männer gefunden hatten, die, des Hebräischen kundig, gern bereit waren ihre Kenntniss Andern mitzutheilen 3); aber den Namen eines öffentlichen Lehrers verdient erst Reuchlin. Sein Nachfolger war Robert Wakfeld. Er blieb zwar eine Reihe von Jah- ren in Tübingen, bis 1530, aber er gehört seiner Geburt und seiner Erziehung nach England an und, was er schriftstelle- risch leistete, kam auch mehr seinem Heimatslande er lehrte bis zu seinem Tode 1534 in Oxford zu Gute4). Die Art und Weise, in der man seinen Nachfolger Jakob Jonas behandelte, zeigt einen sehr traurigen Verfall der Achtung, die man einem Lehrer einer so oft als heilig gepriesenen Sprache hätte entgegenbringen sollen. Seine erste Anstellung vom 1. Mai 1528 (?) war auf ein halbes Jahr mit einem Ge- halte von 15 Gulden; dafür sollte er täglich eine Stunde lesen. Dann trieb man die Munificenz so weit, ihm für ein Jahr 50 Gulden zu bewilligen, freilich mit der Bedingung, sich für jede Stunde, die er versäumte, 1/4 Gulden abziehen zu lassen. Er resignirte bald darauf auf die Stelle (1533), bat aber doch, man möchte sie ein Jahr lang, so lange wollte er fort bleiben, unbesetzt lassen. Indess hielt er selbst es für ge- rathener den unwürdigen Verhältnissen zu entsagen, und von

*) Sclmurrer: Nachrichten von den Lehrern der hebräischen Literatur in Tübingen.

2) Ich folge für Tübingen als Hauptquelle dein in der vor. Anni. und auch früher vielfach erwähnten Buche von Schnurrer. Es beschreibt in ziemlicher Ausführlichkeit das Leben aller Nachfolger Reuchlin's, und während es so viel Unniithiges für uns bietet, enthält es auch Alles, was für unsern Zweck von Werth ist.

3) s. oben S. 19.

4) Schnurrer, S. 67—70.

jOfo Die Universitäten

dem König Ferdinand sich mit einer hohen amtlichen Stellung betrauen zu lassen. Dabei traf er in Wien wieder mit seinem früheren Schüler Widm an Stadt zusammen, der ihm in der Yusgabe der syrischen Uebersetzung des neuen Testaments ein schönes Denkmal gesetzt hat1). Von Wilhelm Uelin, der ihm folgte und der später in Ingolstadt seine Thatig- keit fortsetzte, ist gar nichts bekannt; von seinem Nach- folger Johann Forster, den man in anderer Weise be- handelt als den armen Jonas, ist bereits an anderm Orte gesprochen. Nur für kurze Zeit kann Tübingen einen Mann für sich in Anspruch nehmen, der weniger durch seine Lei- stungen, als durch die Meister Sebastian Münster und Elias Levita, denen er seine Kenntnisse verdankt, bekannt ist: Erasmus Oswald Schreckenfuchs. Er war 1549-) zum Professor der hebräischen Sprache vorgeschlagen und ging, trotzdem der Senat ihn zu ernennen verweigerte, doch hin und ertheilte einige Jahre hindurch privatim Unterricht. In Freiburg lehrte er dann als Professor die Mathematik, neben- bei auch Hebräisch; es scheint, dass er, auch sonst seinem Lehrer Münster folgend, diese beiden Studiengebiete ver- einigte, wenigstens deuten Uebersetzungen zweier hebräischer Werke, die Astronomie und Mathematik behandeln, die Sphaera Mundi des R. Abraham Hispanus und die Arithmetik des R. Elija, darauf hin. 1556 hatten in Tübingen die fürst-

*) Auch diese Worte sie finden sich in der Widmung des angege- benen Buches an König Ferdinand, Wien 5. Id. .Tun. 1555 bei Schnurrer (S. 75): quod . . .Jonas, quo tempore cum in Suevorum gymnasio utramque linguam (hier ist mit diesem Ausdruck hebräisch und griechisch gemeint) celebritate magna docentem erudit ionines venerabantur, mihi iam tum adoles- centi stimulos admoverit.

2) Als 2. Lehrer der Schule in Memmingen stand er mit dem Otten- beurer Mönche Nikolaus Ellenbog in Verbindung, der ihn u. A. einmal an- fragte, ob in allen Exemplaren der Bibel der Vers, der mit dem Buchstaben N u n anfangen sollte, fehlte. Dieser verglich das Targum, consului etiarn Maso- reth, de quo an audieris nescio, quod, ut paucis scias, omniumtumversuum tum dictionum tum literarum insuper etiam omnium apiculorum, vel additiones \< 1 defectum IppÖTlW summo studio et observatione tarn memiuit quam rationem ha- bet. Auch liier fand er nichts ; um Ellenbog's Zweifel ganz zu zerstreuen, ob die Auslassung des Verses einer Nachlässigkeit der Abschreiber zuzuschreiben sei, saherauchRabiiiorumopinioues praecipue R Salomonis nach. Der Brief schJiesst: D-bttD rb» m fNic.EUenb.Epist.vol.ni, üb. IX, fol. 162, Cod. lat. Paris. 8643.)

Die Unirei i 107

liehen Visitatoren den Antrag gemacht, „es sollte dahin ge- sehen werden, dass ein geschickter und gelehrter Bebräeus zu Wege gebracht werde, sonderlieh aber möchten Kektor und Regenten bedacht sein, ob und wie Schreckenfuchs vonFrei- burg hierher zu dieser Lektur gebracht werden könnte." Doch erfolgte kein Schritt darauf, obwol Schreckenfuchs erst 1575 starb. Ausser den schon erwähnten Schriften hat er noch eine Ausgabe der chaldäischen Uebersetzung des hohen Liedes und des Predigers :) veranstaltet, der er ein hebräi- sches Druckfehlerverzeichniss voranschickt und als Anhang eine hebräische Leichenrede auf seinen Lehrer Sebastian Munster mitgab. Nur zu bedauern ist, dass die Rede, der ein gewisses Geschick in der Diktion nicht abzuspre- chen ist, ihrem Inhalt nach so völlig werthlos ist, für das Leben dessen, dein sie gilt, kaum den kleinsten Beitrag liefert, während grade Schreckenfuchs, wie kein anderer, be- rufen gewesen wäre, das Leben seines Lehrers zu schreiben, für das uns nun leider die Quellen abgehen.

Der Zeit nach hätte Leipzig einen Platz vor Ingolstadt und Tübingen verdient. Schon im Jahre 1518 hatte Mosel- lanus in einer Eede erklärt, wie der Fürst daran denke eine Professur des Hebräischen zu schaffen, damit Nichts an einer vollkommenen Universität fehle2); in demselben Jahre hören wir von dem Plane, BartholomäusCäsar, der in Wittenberg nicht ankommen konnte, für Leipzig zu gewinnen; 1519 will Johann Cellarius dort lehren3). Von seinen wissenschaft-

i) Basel 1553. 285 S. in 8». Ein hebräischer Brief ist oben, S. 85, A. 3, angeführt.

2) S. o. S. 3, Anm. 1.

3) Corpus Reformatoruni I, col. 81 sq. Melanchthon schreibt an Spa- latin 21. Mai 1519: Heri nobisenm fuit Hebraicus quidam (später: Joanni Cellario nomen est) medioeriter eruditus et aliquamdiu in negotio grammatico versatns Heydelbergae antea professus elenienta sßpaixd et iam Lipsiae prae- lecturus . . . Hat er in Leipzig schon damals gelehrt, so geschah das wol auf eigne Hand, denn in dem „Lehr- und Stundenplan für alle Fakultäten von 1519" (vgl. Zarncke, Statutenbücher S. 34 fg.) findet sich keine bebräisene Lektion aufgeführt.

108 Die Universitäten.

liehen Leistungen ist sein Isagogicon zu erwähnen '). Es ist ein Leitfaden für die Studirenden , aber nicht etwa um sie mit der ganzen hebräischen Sprache, sondern nur um sie genau mit den Buchstaben bekannt zu machen. Besonders lang ver- weilt er bei den Vokalzeichen, bei den Schwierigkeiten der einzelnen Buchstaben, die sich inmitten eines Wortes, nament- lich in der Conjugation leicht verändern, oder Neigung zur Verstärkung durch Dagesch u. a. zeigen , spricht über die hauptsächlichsten Satzzeichen wie Athnach, über die Zahl- zeichen, für die eine Tabelle folgt. Ein paar Seiten Abkür- zungen machen den Schluss, aber man fragt vergebens, wel- ches eigenthümliche Princip ihre Zahl und ihre Ordnung be- stimmt hat2). Auch dass Bernhard Ziegler in Leipzig hebräisch gelehrt hat, wissen wir, aber es ist weder bekannt, wann, noch mit welchem Erfolge er seinen Unterricht ertheilt hat. Nach Melanchthon's Urtheil, der, so lange Ziegler in Wittenberg war, sich mit ihm oft über die Schwierigkeit dieser Sprache unterhielt3), war er ein überaus fähiger Mann; keiner, meinte Melanchthon, in Wittenberg und in Leipzig sei ihm vorzuziehen, namentlich da er seine Fähigkeiten zum Nutzen der Kirche verwende, und mit grosser Geschicklichkeit die prophetischen Schriften erläutere4). Sonst begegnen wir nur

J) Isagogicon Joannis Cellarii Gnostopolitanae in hebraeas literas omnibus hebraicarum literarum candidatis non minus utile quam necessarium. Die beigegebenen Gedichte Eeuchlin's, Melanchthon's, Hakus1, der Widmungs- brief an Eeuchlin tragen das Datum 1519, a...e ä 4 Bll. in 4°. Am Ende: Ex Neocademia Anshelmiana Hagenoae. Thomas Anshelm war bekanntlich auch der Drucker Reuchlin'scher Werke.

2) Abbrevationes perpulchre scitu quibus frequentissime Hebrei utuntur.

3) Multumque et saepe collocutus est de eius linguae difficili et obscura traetatione. . . Camerarius Vita Melanchthonis ed. Strobel p. 70.

4) Das. in einem Anm. m angeführten Buche: Tanta est vis ingenii in Zieglero ut neminem in his duobus Academiis ei proponendum ducam et haue vim naturae confert ad Ecclesiae utilitatem, magna dexteritate illu- strat prophetica scripta. Nach einer Mittheilung des Herrn Prof. Zarncke übertrug am I.Juni 1542 Herzog Moritz die Lektion der hebräischen Sprache an B. Ziegler. (Vgl. Zarncke: Urkundliche Quellen, S. 543, Nro. '28, abgedruckt bei Brandes, Beiträge zur Charakteristik des Herzogs Moritz, S. 32.) Die Stellung des hebräischen Professors war eine eigenthümliche, sie schwebte in der Mitte zwischen der theologischen und philosophischen Fakultät (Gretschel, Die Universität Leipzig, S. 101).

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noch einer Notiz aus dem Jahre L524, dass der Herzog Georg von Sachsen die Bezahlung des Gehaltes für den Professor der griechischen und hebräischen Sprache eingestellt habe *). Die Männer, die uns in Leipzig begegnet sind, waren selbst unter ihren Zeitgenossen kaum allzusehr bekannt; in Basel begegnen wir dagegen Männern, die eine grosse Be- deutung während ihres Lebens besasseu und deren Verdienste auch heute noch unsere Anerkennung verdienen: Johannes Oekolampad und Wolfgang Fabritius Capito. Sie hatten sich beide nach tüchtigen Lehrern formen köuneu. Ersterer war ein Schüler Reuehlin's, letzterer des Matthäus Adriauus. Schon 1515 rühmte man des Oekolampad's he- bräische Kenntnisse. Johann Sapidus empfiehlt den jungen Oekolampad an Erasmus als einen, der mit dem Verständ- niss des Griechischen und der Theologie eine nicht gewöhn- liche Kenntniss des Hebräischen verbinde2), und vielleicht hatte diese Empfehlung zur Folge, dass Erasmus sich seiner Hülfe bei der Ausarbeitung der Anmerkungen zum neuen Testamente bediente, „um darauf aufmerksam zu machen, wie weit die im neuen Testamente vorkommenden alttestament- lichen Anführungen, sie seien nun aus der Septuaginta oder aus dem hebräischen Grundtext geschöpft, von diesem ab- weichen oder mit demselben übereinstimmen" 3). Vielleicht durch die gemeinschaftliche Arbeit mit Erasmus augeregt, beschäftigte er sich mit Hieronymus und gab mit seinem Freunde Johann Brenz 4) einen Index zu H's Werken heraus mit Erklärung der darin vorkommenden griechischen und he- bräischen Wörter5) (1520). Er war Professor der Theologie in Basel geworden, als solcher lehrte er auch seit 1523 he- bräisch; die erste Vorlesung war eine Erklärung des Jesajas. In einem Briefe an Caspar Hedio lobt er diesen sehr, dass er

J) vgl. meine Eecension über J. G. Schmidt: Petrus Moseila ms, Gott. gel. Änz. 1868, S. 1539.

2) Erasrni Opera (ed. Lugd. Bat. 1706), toin III, col. 1543, Epist. App. XXXII, Sehlettstadt 15. Sept. 1515.

3) Herzog: Lehen Johann Oekolampad's. Basel 1843, 1. Band, S. 120.

4) Einen Schüler Adrians, s. o. S. 43, A. 3.

5) Herzog, a. a. 0. I, S. 123.

l\Q Die Universitäten.

sich mit Hebräisch beschäftige, bedauert, dass er selbst zu wenig Müsse habe, um seine Kenntnisse darin zu erweitern. „Unangenehm erscheint diese Sprache gegenüber dem hochtrabenden Wesen der lateinischen und der Verweichlichung der griechichen Sprache. Es ist aber eine heilige Sprache und für die heiligen Studien höchst nützlich. Ihre Vernachlässigung hat viel Ketzereien und Irr- thümer veranlasst. So wie Du ein wenig fortgeschritten bist, wirst Du mit Bewunderung wahrnehmen, in welch' klarem Licht dasjenige strahlt, was Dir jetzt noch dunkel vorkommt. Aber ich ermahne Dich und die Ermahnung ist wahrlich nöthig: Sei nicht nach jüdischer Weise neugierig. Die Schrift hat ihre wichtigen Stelleu, diese suche auf und sammle sie" 1).

Oekolampad hielt nicht lange den hebräischen Unterricht in seinen Händen. Der ruhige Fortgang der Universität war durch die politischen und religiösen Unruhen eine Zeit lang unterbrochen svorden; in der neuen von dem Baseler Refor- mator entworfenen Universitätsordnung (1529), die der Wieder- eröffnung voranging, wurde bestimmt, dass in den theologi- schen Vorlesungen auch über das alte Testament gelesen werden solle, dass aber ausserdem ein Professor der hebräi- schen Sprache Grammatik lesen und einige Bibelverse er- klären solle mit Beachtung der Wurzeln, der Deklination und Conjugation -). In Folge dessen wurden noch 1529 Versuche gemacht, den Bartholomäus Wolfhard nach Basel zu ziehen und neben der theologischen Stellung, die man ihm zudachte, ihn auch zu veranlassen den hebräischen Unter- richt zu übernehmen; aber der Versuch missglückte, weil, wie es scheint, Wolfhard eine jede andere Beschäftigung als Be- einträchtigung seines theologischen Berufes ansah3). Seine

i) Die Briefstelle ist wörtlich entnommen ans Herzog a. a. 0. I, S. 223 fg. , der weder die lateinischen Worte, noch den Ort, wo er die Stelle gefanden hat, angibt.

2) Herzog a. a. 0. II, S. 176.

3) 2 Briefe Oekolampad's an "Wolfhard bei Herzog (Anhang-) II, S. 297 fg. In dem /.weiten, 10. Mai 1529, schickt er ihm seine Berufung zu, obwol Wolfhard noch nicht zugesagt hatte, und sehreibt dabei: Quamvis auteni Hebraicae linguae professio iniungatur, occasionem serviendi Christo minime dei'uturain. Von Wolfhard's religiösem Eifer habe ich interessante Belege

Die Universitäten.

Weigerung ist Dicht zu beklagen, denn an seine »Stelle kam Sebastian Münster nach Basel, dem er seine grosse segens- reiche Wirksamkeit bis zu seinem Tode 1552 zu Gute kom- men Hess.

Wolfgang Fabritius Capito war eigentlich nie Pro- fessor in Basel, aber seine wissenschaftliche Thatigkeit iD der hebräischen Sprache fällt in die Zeit, da er als Stifts- prediger in Basel wirkte (1515 1519), und ist daher am besten hier zu behandeln. Sein Lehrer war Matthäus Adrianus, bei dem er sich auch später in wissenschaftlichen Fragen Baths erholte1); da er kein öffentliches Lehramt bekleidete, so hat er auch natürlich wenig Schüler gehabt, HartmaDn von Hallwill, deiner seine Grammatik widmete, hat er privatim im Hebräischen unterrichtet; aber auchP.Fagius rühmte ihn als Lehrer. Capito's Grammatik ist eine der ausführlichsten aus jener Zeit, aber, wie mir scheint, für den Unterricht nicht so brauchbar, wie andere; in der Mitte finden sich oft den Zusammenhang unterbrechende Abschweifungen über die chaldäische Sprache, über die Ver- dienste Reisch's, Potken's, Ritius' u. A.m. Das erste Buch enthält die Regeln über die Buchstaben, ihre Theilung, über die Vo- kale und die Eigenthümlichkeiten der einzelnen, über die Be- deutung und Werth der Vokalzeichen, über die Accente, zu- letzt eine ziemliche Reihe alphabetisch geordneter Abkürzun- gen und Zahlzeichen; das zweite Buch handelt über Conju- gation und Deklination und giebt für Beides sehr ausführliche Tabellen. Das Buch erschien in mehrfachen Auflagen (1518,

in einigen Briefen gefunden, in denen er die neue Lehre gegen seinen väter- lichen Freund Nikolaus Eilenbog, der der alten Kirche treu geblieben war, vertheidigt. Sie sind in Paris handschriftlich in der Briefsainnilung des Letz- teren aufbewahrt. Cod. lat. 8643. Bibl. Imp.

J) Eine solche Belehrung, ebenso wie eine von Caspar Amnion, ist in dem gleich anzuführenden Buche (H 2 b) mitgetheilt. Ueber Capito und Adrianus vgl. oben S. 43, Anm. 1, und S. 45.

2) Ueber die ersten nur unvollständigen Ausgaben vgl. Baum: Capito und Butzer, Elberfeld 1860, S. 577 fg. Die erste vollständige war: V. Fa- britii Capitonis Hagenoii Theologiae Doctoris et Concionatoris Basiliensis, Hebraicarum institutionum libri duo. In inelyta Germaniae Basilea. A..Z, Aa..Ii ä 4 Bll. in 4°. Am Ende: Basileae apud Jo. Frobenium mense Ja- nuario Anno MDXVIII.

112 Die Universitäten.

1525, 1531) und hatte sich grossen Beifalls zu erfreuen1). Von sonstiger wissenschaftlicher Thätigkeit Capito's für die hebräische Sprache ist aber nichts zu berichten, ausser einer Ausgabe des hebräischen Psalters 2). Er trug sich mit dem Plane, ein hebräisches Lexikon herauszugeben; schon seit 1516, noch 1519 erinnert man ihn daran3), aber es wurde nichts daraus. Er meinte, wenn er nur Geld hätte und schön lateinisch schreiben könnte, dann wolle er wol im Hebräischen so Ausgezeichnetes leisten, dass ihn auch der gelehrteste Jude nicht leicht übertreffen könnte4). Aber jedenfalls war seine Armuth weniger Schuld daran, dass er seine schriftstellerische Thätigkeit für das Hebräische unterbrach, als die theologischen Kämpfe, die seine Zeit in Anspruch nahmen. Gauz gab er die Beschäftigung damit doch nicht auf; noch 1528 berichtet er Zwingli von seinen hebräischen Studien5).

J) Martin Dorpius schreibt an Erasmus: Fabritius (Capito) acutissimis HeLraicoruni rudimentorum institutionibus, linguam quam discunt, sanctam quantopere illustravit. H.Juli 1518. Erasmi Opp. III, col. 331, Epist. CCCXXIII. Vgl. aucli Baum a. a. 0., S. 24.

2) Sie erschien 1516. Vgl. Baum, S. 578, der die Ausgabe auch nicht gesellen hat und ihre Beschreibung nach Biederer gibt.

3) Otho Brunfels schreibt an ihn : Hebraica studia mea ad annum ferine intermissa ob frequentes meas infirniitates, rursum incipio tractare. Fac ut Pictionarium hebreum quod nobis pollicitus es, prodeat in lucem. 15. Febr. 1519. Widmungsschreiben des Schriftchens: Confutatio Sophistices et Quae- stionum curiosarum , ex Origine , Cypriano , Nazianzeno . . . Selestadii apud Lazarum Schürerum . . . Mai 1520 (Aus Bücking's Bibliothek in Bonn). Ob Capito's libellus de annotationibus Hebraeorum erschienen ist, um dessen Zusendung Erasmus bittet (Lachnero et Frobenio 1517, Opp. III, col. 1655, Epist. App. CCXXXVI), oder ob hier eine Verwechselung des Erasmus vor- liegt, weiss ich nicht.

4) Capito an Erasmus (2. Sept. 1516): Comparo mihi suppellectilem latinae linguae ex tuis potissimum operibus, utinam satis mundam et copiosam. Editurus aliquando Lexicon Hebraicum gestientem reprimit inopia qui nove- rim quam nihil agat in tarn sterili loco rudis Lndustria, divitiis Ulis destituta. Quod si mihi proprietas foret et elegantia verborum, nie confiderem in Hebraeo praestiturum quod non facile posset vel doctissimus Judaeorum. (Erasmi Opp. III, col. 1568, Epist. App. LXXV.)

5) Capito Zwinglio : Hebraea vetera perlustro quarum eruditio hac nostra vulgari diversissima est. Opera Zwinglii ed. Schuler & Schulthess II, p. 209, ultima Julii 1528.

!>!•■ Universitäten. 113

Neben Basel war Zürich einer der hervorragendsten geistigen Mittelpunkte der Schweiz; wie dort Oekolampad wirkte, so war hier Zwingli reformaturisch umgestaltend thätig. Trotz der Vorwürfe, die ihm Joh. Eck machte, als verstünde er kein Hebräisch1), scheint er sich doch eine ziemlich ge- diegene Kenntniss dieser Sprache erworben zu haben, haupt- sächlich durch den Unterricht des Jakob Ceporinus (Wisen- danger), der selbst 1522 in Zürich öffentlich Hebräisch zu lehren beginnt, Aber wie alles Theologische, so nahm Zwiugli auch das Lesen des hebräischen Textes und dessen Ueber- setzuug ins Lateinische für sich in Anspruch; erst als ihm die Last zu schwer wurde, überliess er es seinem Lehrer Ce- porinus2). Als dieser indess im nächsten Jahre starb, fühlte man doch das Bedürfniss, einen eigenen Professor der hebräischen Sprache zu haben. Conrad Pellikan, der den an ihn gerichteten Ruf gern annahm, - - und der uns be- reits von früher her bekannt ist hatte auch in Basel, wo er Professor der Theologie wrar, viel für Verbreitung der he- bräischen Sprache gethan; als seine Schüler werden Joh. Frisius und Sebastian Guldibeck genannt. Am 26. Febr. 1526 traf er in Zürich ein, am 1. März begann er seine Vorlesungen. Aehnlich wie Münster gehört er für sein ganzes Leben nun derselben Universität an, er stirbt erst am 6. April 1556. Von seinen literarischen Verdiensten ist zum Theil schon oben ge- sprochen. Ausgaben verschiedener Bücher der Bibel mit Com- mentaren werden von ihm erwähnt, aber es scheint, dass sie ebenso wie die einen mächtigen Folianten grosse Erklärung zum Pentateuch auf den hebräischen Text keine Rücksicht nimmt und zu seiner Erklärung nichts Neues hinzubriugt3). Sein Lexikon, bei dessen Anfertigung er sich auch der Bei- hülfe eines gelehrten Jünglings Marci Heilandi bedient haben

!) z. B. : „man sieht, das Zwingli nit kan die puerilia, der kinder ding in Hebreisehen, das er se)Tcht gelert ist im Hebreischen." Eck's Verlegung der Disputation zu Bern 1528. S. 91.

2) J. J. Hottinger, Helvetische Kirchengeschichten, III. Theil, Zürich 1708. S. 52, 99, 233.

3) Hottinger a. a. 0., S. 121, 289 fg., 824. In der Pariser Bibliothek habe ich in dem Werke u. d. T. : Commentaria Bibliorum Tiguri 1532, 257 Bll. in Fol., nur die Erklärungen des Pentateuch gefunden.

Geiger, Studium.

114 r>ic Üniversitäteit.

soll, wird häufig angeführt, ebenso wie seine 1540 erschienene Grammatik1). Eine poetische hebräische Grabschrift widmete er seinem Freunde und Meister Zwingli..2) Mit einer merk- würdigen Aeusserung begrüsste er die lutherische Bibelüber- setzung': er habe sie mit dein hebräischen Text verglichen und sie gefalle ihm ausserordentlich, weil nun nur noch die Lehrer nöthig hätten den Text nachzusehn s). Pellikan's Nach- folger war Petrus Martyr. Ein interessanter Mann: ge- borener Italiener hatte er sich in früher Jugend, durch seinen Drang theologische Kenntnisse zu erwerben getrieben, die hebräische Sprache mit Hülfe eines Juden zu eigen gemacht, hatte dann als Prior in Lukka einen eigenen Professor fürs Hebräische, den Einanuel Tremellius4), angestellt und von seinen Kenntnissen für sich so viel als möglich zu profitiren ge- sucht, hatte sich dann, da er sich der Reformation anschloss, in Italien nicht mehr halten können, war nach Strassburg ge- gangen, wo ihn der Ruf nach Zürich traf. Er lehrte hier bis zu seinem Tode, 12. Dec. 1562 ■r>). Von seiner literarischen Wirksamkeit ist mir nichts bekannt.

Fast zu gleicher Zeit wie in Zürich wagte ein kühner Mann in Köln mit dem Ertheilen von hebräischem Unterricht, mit öffentlichen Vorlesungen über diese Sprache aufzutreten (1525), in Köln, avo das Andenken an jenen berühmten Kampf gegen die jüdischen Bücher noch lebhaft genug vorhanden war, wo überhaupt, die freie Wissenschaft noch kaum ange- fangen hatte eine Stätte zu finden, wo die weltlichen und geistlichen Machthaber, wo die Leiter der Universität mit con- sequenter Strenge an dem Alten festhielten in Lehre und

!) In den meisten Gelehrtenlexicis und biographischen Werken, z. B. bei Pantaleon, Prosopographiae heronm. Basileae 1566, p. III, p. 119.

2) Die Gvabschrift nimmt als Test Ps. 112, V. li. 7. Sie findet sich in Oecolampadii et Zwinglii Epistolarum libri IV, 153(5 in Fol., am Anfang.

3) Pellikan an Thomas Blaurer: et vehementissime placet, ut minor posthac necessitas sit investigandi hebraicam veritatem nisi tantura Prae- ceptoribus, angeführt bei Hottinger a. a. 0. S. 121.

4) Ueber Em. Tremellius vgl. unten S. 128.

5) Hottinger a. a. 0. Si 7f>."> lt. 860.

1 ii(j Universitäten. 115

Leben und wo bis dabin unter der Bürgerschaft, unter der stu- direndcn Jugend, sich zwar manchmal ein freierer Geist geregt, williges Aufnehmen der von Aussen hereingetragenen Ideen sich gezeigt, aber nie stark genug bewiesen hatte, am die festen den Geist umklammernden, umspannenden Fesseln zu sprengen. Der Mann, der hier versuchte eine Sprache zu lehren, die weit mehr, als anderer Orten, unter den herrschen- den Kreisen Kölns als gefährlich, als ketzerisch betrachtet wurde, verband damit eine offene Ketzerei, er suchte in sei- nen akademischen Vorträgen die lutherische Lehre in die Geister der Jugend einzuschmuggeln. Der Mann war Theodor Fabritius. Ein trefflieber, achtungswerther Mann, der eigner Anstrengung Alles verdankte, was er geworden war. 15 Jahre war er ohne jeden Unterriebt aufgewachsen, da fand er einen Gönner, der sieb seiner annahm, ihn in die Schule schickte. Aber seine Sehnsucht trieb ihn nach Wittenberg; dadurch ent- fremdete er sich seinen Beschützer. Er studirte Theologie und hebräische Sprache. In bitterer Armuth bielt er es 4 Jahre aus, sein Bett war Stroh, seine Nahrung Wasser und Brot, selten hatte er etwas Besseres, Wein niemals. Erst im fünften Jahre verbesserte sich seine äussere Lage durch die erworbene Keuutniss des Hebräischen, die ihn von da an befäbigte durch Unterricht Geld zu erlangen1). In Köln hatte er mit seinen Vorlesungen sofort einen grossen Hörerkreis um sich ver- sammelt, man sog gierig das Gift ein, das er spendete. Kaum waren seine Bemühungen um Verbreitung der evangelischen Lehre, und noch mehr der Erfolg, von dem seine Anstren- gungen begleitet wurden, bekannt geworden, so verbot ibm der Rektor Theodorich Schiderich mit den übrigen Uuiversitäts- oberen jede Vorlesung an der Universität; als er fortfuhr Privatvorlesungen zu halten, wurde ihm 1527 jedes Lehren untersagt und er aus der Stadt gejagt 2). Von da vertrieben war er nach Hessen gegangen, aber nur in theologischen Aemtern tbätig gewesen. Er verliess Hessen, da seine religiöse Ueberzeugung ihm nicht gestattete die Doppelehe des Land-

*) Cornelius: Die münsterischen Humanisten (Münster 1851), S. 31 ff. 2) Bianco: Die alte Universität Cöln I, S. 403.'

116 \i\" tTnivei

grafen Philipp zu billigen, und starb als Superintendent in Zeitz 1570 ]). Wie gern er seine hebräischen Studien betrieb, zeigt z. B., dass er in einem Briefe an den Landgrafen sich „der Hebräer" unterschreibt2). Von seineu literarischen Ar- beiten werden zwei genannt, die diesen Studien ihre Ent- stehung verdanken: die Institutiones grammaticae in liuguam sanctam Coloniae 1528, die mehrere Auflagen erlebten, und Tabulae duae de nominibus Hebraeorum una, altera de ver- bis, Basileae 1545 ö). Was Köln betrifft, so findet sich eine Nachricht, dass bei der dortigen Universität eine Lectio he- braica sich bis zum Jahre 1626 befand, welche erst durch den Beschluss vom 2(J. April desselben Jahres einging1). Es ist freilich nicht bekannt, wann diese Lectio gegründet wurde, und nur zum Theil, wer die Nachfolger des Fabritius gewesen sind, wenn es deren überhaupt gleich nach seinem Fortgange gegeben hat5).

Soweit war es nun doch in dem Bewusstsein aller derer, die es mit der Wissenschaft ernst nahmen, gekommen, dass, als man in Marburg im Jahre 1526 an die Gründung einer Universität ging, die freilich recht eigentlich dem Bedürfnisse des protestantischen Hessens entsprechen sollte, es sich last von selbst verstand, neben den Lehrern der griechischen und lateinischen Sprache einen Professor des Hebräischen zu berufen. Der erste, dem mau dieses Amt anvertraute, war Sebastian Nucenus, ein geborener Holländer, ein Schüler des Adrianus, der in Löwen auch nach seines Lehrers Fort- gang fleissig das Hebräische betrieben, dann in Löwen und Gent Vorlesungen gehalten, sich durch seine freien Ansichten

x) Cornelius a. a. 0.

2) Der Brief ist bei Cornelius im Anhang mitgetheilt, er behandelt eine rein private Angelegenheit.

3) Erscli und C ruber Bealencyclopädie, 1. Sektion, Bd. 40, Th. 2, S. 55. Worauf sich die Angabe gründet, dass Fabritius auf ein Jahr 1543 als Professor der hebräischen Sprache nach Wittenberg gegangen ist, weiss ich nicht.

4J Bianco: Die alte Universität Göln I, S. 358. 5) Vgl. die Nachträge.

Die Universitäten. 117

den Mass der Mönche zugezogen hatte, nach Wittenberg ge- gangen war, dort freudig die Gelegenheit ergriffen hatte sich im Hebräischen weiter zu vervollkommnen und dem an ihn gelangten Kufe nach Marburg als Professor gern folgte. Wenige Jahre, nachdem er seine Stellung angenommen hatte, auch ein Schriftchen wol als Leitfaden für seine Vorlesungen -- über hebräische Grammatik M veröffentlicht hatte, war ihm sein Amt verleidet, •■ vielleicht wegen der geringen Zahl seiner Schüler er warf sich auf die Jurisprudenz und nahm wenige Monate vor seinem Tode, der am LS. April 1536 erfolgte, das Amt eines Kaths und Beisitzers am Hofgericht an2). Sein Nach- folger war JohannesLonicerus, der bereits in Frankfurt a.O. hebräisch unterrichtet hatte und nun länger als 30 Jahre, von 1536 bis zu seinem Tode 20. Juni 1569, das Lehramt der he- bräischen Sprache in Marburg verwaltete 3). Trotz dieser langen Amtsdauer hat er keine Schrift über die hebräische Sprache hinterlassen, nicht einmal irgend ein Zeugniss seiner Beschäfti- gung mit hebräischer Literatur oder Geschichte der Juden, man müsste denn eine lateinische Uebersetzung der Schrift Luther's, „dass Jesus Christus ein geborener Jude sei", dahin rechnen 4).

i) De literarum, vocuin et accentuum hebraicorum natura s. de prima sermonis hebraici lectione libellus ex optimis quibusque Eabinorum com- mentariis studiose collectus. Accessit de servientium literarum offieiis per Augustum Sebastianum Nucenum compendium. Marpurgi 1532 in 8°.

2) Strieder, Hessisches Gelehrtenlexikon, X. Band, S. 104— 106. Beiläufig bemerke ich, dass Nucenus zuerst ein Freund des fruchtbaren Dichters und Epigrammatikers Euricius Cordus (vgl. z. B. Euricii Cordi Opera poetica, Helmstedt 1615, p. 403) später sein bitterer Feind wurde (vgl. Krause : Eu- ricius Cordus. Hanau 1863, S. 102).

3) Strieder a, a. 0. VIII, S. 75—85.

4) Die von ihm herausgegebene Schrift: Divinae scripturae veteris novae- que omnia, Argentorati W. Cephalus 1526 in 8°, ist nichts als eine Text- ausgabe der griechischen Bibel. Bemerkenswerth ist höchstens, dass an dem Buchdruckerzeichen sich neben einem griechischen und lateinischen Verse auch der hebräische fW* ppi "Mö T^B Hin" findet. Verschweigen will ich nicht, dass in dem oben Anm. 2 angeführten Gedicht steht: atque diserte Lonicere, Graiarum nova fama literarum. Das geht allerdings auf die Zeit vor 1536; oder sollte Lonicerus später die griechische mit der hebräischen Professur vereinigt haben V

118 Die Universitäten.

Die Universität Wien sank tief herab, .seitdem der Humanis- mus seine lebenskräftige Thätigkeit hatte einstellen müssen, seitdem jedes wissenschaftliche Streben vor der religiösen Be- wegung zurückgetreten war. Es ist nicht unsere Aufgabe zu unter- suchen, ob dieses Weichen des wissenschaftlichen Sinnes eine nothwendige Consequenz des Protestantismus gewesen, oder ob es hervorgegangen war aus einer bedauerlichen Starrheit der An- hänger der alten Kirche, die, fest hangend an den Lehrsätzen ver- gangener Jahrhunderte, auch von der veralteten Sitte, mit der die Wissenschaft früher betrieben war, nicht abgehen zu dürfen mein- ten: in Wien scheint Beides zusammengewirkt zu haben. Ernstliche Anstrengungen zu einer Hebung der Universität wurden erst durch die Reform von 1554 versucht, aber auch diese wurden in der Folgezeit durch die Kämpfe, in denen die Jesuiten mit den bis- herigen Leitern der Universität um die Herrschaft rangen, fast illu- sorisch gemacht. Dass bei dieser Lage der Dinge, bei diesem Zustand des wissenschaftlichen Lebens überhaupt, von der Pflege des hebräischen Studiums sich nicht besonders Rühmenswerthes sagen lässt, ist natürlich1). Im Jahre 1520 hatte der Bischof Joh. Fabri von Wien in einer Unterrichtsanstalt, die er in dem ihm vom Kaiser geschenkten Magdalenenkloster errichtet hatte, die 13 Stipendiaten, die daselbst ein Unterkommen fanden, einem Präsidenten unterstellt, der Magister artium und trilinguis, also auch des Hebräischen kundig sein musste 2); für die Univer- sität war erst 1 533 A n t o n i u s M a r g a r i t h a als erster Professor der hebräischen Sprache berufen worden3), am 13. Okt. 1541

!) Nebenbei sei bemerkt, dass auf dem Wiener Coneil 1312 die Be- stimmung getroffen wurde, dass die hebräische, arabische und syrische Sprache am Sitze des römischen Hofes, in Paris, Oxford, Bologna, Salamanca gelehrt werden dürften.

2) Rudolf Kink. Geschichte der k. Universität Wien 1854 1. I, S. -J44, Anm. 283. Auch für die obigen allgemeinen Bemerkungen ist die Darstellung dieses völlig nach Akten gearbeiteten Buches benutzt worden.

3) Für dies und das Folgende zum Theil Kink a.a.O., S. '-'To. Anm. 324. Dass Margaritha, wie dort angegeben wird, Professor in Tübingen war, ist wohl ein Irrthum , wenn er sich auch vielleicht eine Zeitlang daselbst aufgehalten haben mag, wie auch Kallenhärk : Oesterr. Zeitschr. für Geschichte und Staatskunde 1837, S. 18, berichtet. Margaritha war auch nicht der Sohn des Rahiner Samuel, sondern des Jakob Margolith in Regensburg, s.o. S. 37 und Anm. 4.

Die Universitäten. 110

wurde der Italiener i;van/, Stankarus1) berufen, schon 1546 aber musste er wegen Ketzerei -- wol bemerkter Hinneigung zum Protestantismus - abtreten, ob gleich darauf Andreas Plank ihm gefolgt ist, an dessen Stelle 1552 1554 Johann Sylvester als öffentlicher Lehrer der hebräischen Sprache trat, lasst sich nicht entscheiden. Der letztere hat eine hebräi- sche Grammatik geschrieben und damit verbunden eine Aus- gabe des Propheten Jonas mit lateinischer Uebersetzung ver- anstaltet2). Wilhelm Po stell hat in Wien gelehrt, wie es seheint, mit Sylvester zu gleicher Zeit; obgleich er das hohe Gehalt von 200 fl. bezog, machte er sich bereits 1. Mai 1554 aus dem Staube; und der gelehrte Joh. Alb. Wi dm anstatt wird als nieder -österreichischer Regierungskanzler und seit 1554 Superintendent der Universität kaum Zeit gefunden haben als Lehrer thätig zu sein3).

Ein gleiches Schauspiel des Verfalles wie Wien bot im Anfang der dreissiger Jahre auch Erfurt. Der Humanismus mit der Reformation hatte zwar zeitweilig triumphirt, aber sein Sieg, mit Gewalt erkämpft, wurde in Zügellosigkeit benutzt; Rohheit und Unwissenschaftlichkeit herrschte an der Stätte, wo früher eine geistige Regsamkeit gewaltet hatte, auf die ganz Deutschland mit Stolz hinsah. Man machte in Erfurt häufig Anstrengungen, die versunkene Grösse wieder herzu- stellen; bei einem solchen Versuche dachte man auch daran, einen Lehrer für das Hebräische zu berufen, die Wahl fiel auf Georg Wicel. Die characteristische Rede, die Wicel für den Antritt seines Amtes vorbereitet hatte, ist oben schon vielfach benutzt. In derselben zeigte er, was er von seinen Schülern verlangte: „Ich will nicht hebräische Briefe, nicht hebräische Reden, nur das will ich, dass Du Dich an die hebräische Bibel gewöhnst, dass Du Dich mit den Phrasen

!)" Melanchthon sagt von ihm: Stankarus ... ist in Ebräischer Sprach wohl gelahrt. 1553, Corp. Reform. VIII, col. 166.

2) Institutiones Grammatices Ebreae 1552. Die beiden Namen giebtKal- tenbäck an a. a. 0. S. 29. Kink spricht nicht davon. Ueber Plank vgl. die Nachträge.

3) Widmanstatt's Verdienste für die syrische sind hier ebensowenig wie die Postell's (eines Franzosen) für die arabische Sprache näher zu erörtern,

IZ\J Die Universitäten.

und Eigenheiten vertraut machst, dass Du den Text so gründ- lich kennen lernst, um den Werth der Übersetzungen beur- theilen zu können." Zu einein gründlichen Studium der he- bräischen Sprache locke auch die stattliche Reihe derer, die sich in demselben bereits ausgezeichnet haben, Hieronymus, Origenes, Nicolaus von Lyra, Paulus von Burgos, Galatimis, Reuchlin, die alle Mangel an Büchern litten, während jetzt es ein Leichtes sei die Bücher überallhin zu verbreiten; von den Neueren Pellikan, Münster, Capito, Aurogallus, Margarita, und alle die, welche die ganze Bibel oder Theile derselben aus dem Urtexte übersetzt haben x). Doch zu seiner Berufung kam es nicht. Wicel war aus einem eifrigen Reformator ein noch eifrigerer Katholik geworden; die Wittenberger mochten nicht dulden, dass ein so gefährlicher Gegner in Erfurt festen Fuss fasste, wo es ihnen schon ohnedies sauer genug gemacht wurde, den schwer errungenen Sieg zu behaupten. Sobald Luther und Justus Jonas von den Bemühungen Wicels und seinen Aus- sichten hörten, suchten sie die Sache rückgängig zu machen. Jonas reisete selbst nach Erfurt, um den Rath wider ihn ein- zunehmen und ihn selbst beim Volke äusserst verhasst zu machen. Luther schickte an die dasigen evangelischen Prediger ein Schreiben, worin er sie vor Wiceln ausdrücklichst warnte." 2). Wizels Kenntnisse im Hebräischen lassen sich natürlich nach dieser Rede nicht beurtheilen, sonst hat er kaum ein Denkmal seiner Beschäftigung mit dieser Sprache hinterlassen. An der Universität Erfurt hat man später nicht mehr den Versuch ge- macht, die hebräische Sprache zum Lehrgegenstande zu erheben.

x) Oratio in landein Hebraicae linguae. Autore Georgio Vicelio MDXXXIIII. am Ende.

2) Vgl. Strobel, Beiträge zur Literatur des 16. Jahrhunderts, 1786 2. Band, S. 318. Ueber den steten Kampf der protestantischen und ka- tholischen Eichtung auf der Universität Erfurt vgl. das treffliebe Werk von F. W. Kampschulte: Die Universität Erfurt u. s. w. 2 Band. Tun hebtäischefi Studien hört man sonst sehr wenig auf der Universität Erfurt. Von Petrejus Aperbach ist hauptsächlich bekannt, dass er sich mit solchen abgegeben habe: Cordi est huic hebraica diseiplina atque ideo tuam pietatem et Janum Reuchlin sive Capnionem, nihil tarnen minus quam Capnionem, salutare constituit. schreibt über ihn Mutian an Trithemius o. J. 5. idus sextiles (Mutian'sches Briefmanuscript nro. 341, fol. 215 sq.), vgl. auch Kampschulte.

i lie Universitäten 1 2 1

Den Schluss unserer Betrachtung machen zwei Universi- täten im Norden Deutschlands: Königsberg und Rostock. Die Königsberger Universität wurde 1543 gegründet: schon in den ersten Jahren ihres Bestehens 1546 findet sich ein Professor der hebräischen Sprache Andreas Wesseling ' ) 1551. In seiner Eröffnungsrede legte er den Nutzen und die Notwendigkeit der hebräischen Sprache dar, wies auf seine schon früher erprobte Fähigkeit im Unterrichten dieser Sprache hin, und verhiess in dieser neuen Stellung den be- währten Weg nicht zu verlassen. Er wollte die hebräische Grammatik vortragen und die hier gegebenen theoretischen Er- örterungen durch Erklärung der Psalmen praktisch belegen2). Sein Nachfolger Franz Stankarus verwaltete sein Amt kaum zwei Jahre lang, um Johann Sciurus Platz zu machen, der früher Professor der griechischen Sprache gewesen war

*"■) Für Königsberg kann ich leider nur Arnold** Historie der Königsberger Universität, Königsberg 1746, 2 Theile, folgen; unsere Stelle II. S. 356 360.

2) Oratio de studiis linguae ebraicae in Corpus Eeformatorum vol. XI (1843), col. 708—715. Ich citire einige Stellen daraus: Quid enim mira- bilius est quam hanc linguain gentis Ebraeae, natam procul ad Euphratem, seu Jordanem, nunc ab nomine Germano hie doceri in littore maris Balthici, inter Germanos, Sarmatas, et alias gentes, quae prorsus alienissimae a lite- rarum eultura fuerunt? . . . Fidelissimi autem interpretes linguam Ebraicam etiam senes didicerunt, quia iudicabant lectionem Ebraicam consulendum esse, ut Hieronymus, Lyranus, Burgensis : et nostro tempore Galatinus, Com- plutensis (!), Wesselus, Capito (das ist jedenfalls ein Druckfehler für Capnio, wie nicht bloss die Stellung zwischen Wessel und Agrikola zeigt., sondern auch der Umstand, dass Keuchlin sich wirklich erst in seinem Alter gründliche Kenntnisss d. Hebräischen angeeignet hat, wie er selbst berichtet, (s. u. S.123, A. 1 .) während dies bei Capito durchaus nicht der Fall ist), Eudolphus Agricola et multi alii. (Ueber Wessel und Agrikola s. o. S. 21 ff.) . . . Neque haec ita dico, quasi non errent etiam saepe illi, quibus lingua Ebraea ita nota est ut Judaei, etsi grammaticam suam bene callent, tarnen flagitiose hallucinantur in tota Prophetarum enarratione. . . . Und am Schluss: De me non prolixe dicam, callere me linguam propheticam medioeriter, multi norunt in iis Academiis (wo Wesseling früher gelehrt hat, darüber habe ich mir keine Kenntniss ver- schaffen können), in quibus antea docui, ubi et diligentiara et'fidem auditori- bus probavi. Spero igitur me recte et utiliter facturum officium in hac Academia: tradam Grammaticam Ebraeam et adiungam Psalmorum enarra- tionem, ut exempla lectionis, vocabula et phrasin proponam. Haec simpli- cissima docendi ratio doctis viris etiam in aliis Academiis probatur. Sequar autem sententias probatas nostrae Ecclesiae, quas solas et veras et nativas esse non dubito. . .

122 Die Universitäten.

und nun theologische und hebräische Vorlesungen mit einander verband. Die Professur der hebräischen Sprache gehörte zur philosophischen Fakultät; in den Statuten rindet sich, dass der Professor im Sommer die bist. Bücher des A. Testaments, im Winter die 5 Bücher Mosis erklären solle *). Erst 1553 dachte man daran, eine Professur für's Hebräische zu errichten. Andreas Wesseling, von Melanchthon empfohlen2), be- kleidete als erster die Stelle. In seinem langen Wirken, er starb erst am 4. Januar 1577, „trug er nicht wenig dazu bei, die alttestamentlichen Studien, die damals nur von Wenigen in ihrer Bedeutung erkannt waren, wieder in ihre Rechte ein- zusetzen und emporzubringen". Selbst noch am Ende seines Lebens dachte er an die ihm liebgewordenen Studien. In seinem Testamente bestimmte er ein Stipendium für drei Studirende der Theologie, denen er das Studium der hebräi- schen Sprache besonders zur Pflicht machte 3). Mit ähnlichem Eifer wie er wirkte sein Nachfolger Henning Adendorp, der freilich nur vorübergeh end lehrte, und N i e o 1 a u s G o n i ä u s , der bereits seit 1570 um Verbreitung hebräischer Studien bemüht war und als Professor bis 1589 seine Anstrengungen eifrig fortsetzte, Er hatte in Wittenberg studirt und dort von Juden Unterricht genossen l).

i) Arnoldt a. a. 0. II, S. 346, 347.

2) Melanehthon an Herzog Albrecht, Job. Drakonites, Joh. Aurifaber 10. Sept. 1552 Corp. Ref. vol. VII, col. 1066— 1070,

3) Krabbe, Die Universität Rostock im 15. und 16. Jahrhundert. S. 548 fg.

4) Krabbe a.a.O., S. 731 fg. Beiläufig sei erwähnt, dass auf der 1559 gestifteten Universität Jena auch bald ein Professor des Hebräischen thätig war. In dem Lektionskatalog von 1564 heisst es: Ubiorem linguae Ebreae Cognitionen! ex praelectionibus Aedonis (!)... studiosi petent bei Strobel. Neue Beiträge zur Literatur des 16. Jahrhunderts. 4. Bd., S. 70.

:bn)en, 123

VII.

Die Schulen.

Das Hebräische wird heutzutage in den Schulen keines- wegs als obligatorischer Gegenstand gelehrt, die dazu be- stimmten Unterrichtsstunden werden fast ausschliesslich von denen besucht, die die theologische Laufbahn wählen und die hebräische Sprache zu ihrem Studiuni nöthig zu haben glauben. Anders in der Zeit, mit der wir uns hier beschäftigen. Der einmal erwachte Eifer für diese früher ungekannten Studien bewirkte, dass man ernstlich die Frage erwog, ob dieselben auch für die Jugend geeignet seien, und dass diejenigen, welche die Frage bejahend entschieden, wirklich in den Schulen hebräisch lehrten.

Eeuchlin hatte einmal gesagt, dass alle diejenigen, die nach den Aposteln mit ihrer Kenntniss des Hebräischen der Kirche genützt, dieselbe sich erst im vorgerückteren Alter er- worben hätten »). Es scheint fast, als ob das nun ein ver- breitetes Yorurtheil gewesen sei, man könne das Hebräische nicht in der Jugend erlernen. Dagegen wurde aber doch viel Widerspruch laut. Fagius widmet eines seiner Bücher2) einigen Schülern und ermahnt sie mit den übrigen Wissen- schaften auch das Hebräische in früher Jugend zu erlernen. ,,Denn ich stimme keineswegs denen bei, die meinen, erst nach Aufnahme aller Fächer der Wissenschaft und Kunst, in reiferem Alter, soll man die hebräische Sprache kosten, als wenn sie nicht auch ihre Zeit verlangte, und es nicht ebenso nützlich ja nothwendig sei, sich ihr von Anfang an in gleicher Weise hinzugeben, wie den übrigen Sprachen" 3). Auch Johann

1) Nemo fenne omniuni post apostolos orthodoxam ecclesiam hebraieis literis illustravit qui non eas in proveeta aetate discere coeperlt. Einl. z. 3. B. der Paid. hebr.

2) Sententiae vere elegantes 1541.

3) Auf denselben Gedanken kommt er auch in der Widmung der Schrift: Sententiae morales ben Pyra, Isnae 1 542, an Gasparus Heidelinus zurück: als Patrone suche er Männer qui sua opera sanetam linguam hebraeam apud studiosos eius promoveant mecumque pomeria eius ampliare studeant. Dazu

124 Die Schulen.

Forster hatte warm diesen Grundsatz vertheidigt l). Grade die Jugend, meinte er, müsse an das Studium der hebräi- schen Sprache gewöhnt werden, nachdem sie die Anfangs- gründe der lateinischen und griechischen gelernt habe, damit sie die heilige Schrift besser verstehen lerne und das Licht des Wortes Gottes der Nachwelt übergeben werde, nicht er- lösche, sondern dieses Studium ihm gleichsam zur Nahrung diene. Namentlich für die Jugend biete diese Sprache einen unermesslichen Vortheil. Alles was in ihr geschrieben worden, sei heilig und rein, während die Denkmäler der übrigen Sprachen soviel Anstössiges enthielten, dass die Jugend leicht daran strauchle."

Diese Ansichten theilte auch Michael Ne and er, er gab ihnen eine bestimmte praktische Richtung, formulirte sie in einem förmlichen Unterrichtsplan und hat sie in der Schule von Ilfeld, der er in so glänzender Weise vorstand, zur Aus- führung gebracht. Man solle, meint er 2), als hebräische Lehr- bücher „das Opus consummatum Münsteri und Eliae Levitae Grammaticen nehmen", den hebräischen Unterricht bei einem Knaben erst beim 16. Jahre beginnen, und auch dann nur täglich 2 Blättchen ,,in Hebraeis tabulis" ihn lernen lassen, um sie in einem Jahre zu Ende zu bringen. „Darnach um ihm nun selbst das Wort zu lassen möchte man ihm pro exemplo praeceptorum Grammatice exponiren, parvum Catechismum Lutheri hebreum, item Evangelia hebrea oder etwa Genesin, dieweil diese Bücher und alle Libri historici in der Bibel viel leichter seien, denn Davidis, Salomonis und der Propheten

sei namentlich Heidelinus der geeignete Mann qui scholae Lindaviensi praeest eoque iuventutem suae disciplinae concreditam in hebraea etiam lingua magna cum ingenii felicitate erudire potest.

!) In der Vorrede zu seinem Lexikon, die so ziemlich Alles enthält, was er über die hebräische Sprache dachte: In primis autem iuventus post- quam fundamenta jecit linguae Latinae tum Graecae, assuefacienda est ad hoc studium Hebreae linguae, ut sacram scripturam rectius intelligere discat et ad posteritatem transmittatur nee extinguatur lux verbi dei sed studio linguae hujus accendatur et tanquam pabulo alatur. Von den übrigen Sprachen quaelibet suum habeant contagium quo iuventus facile infici queat.

2) Das Folgende ist genommen aus seinem „Bedenken, wie ein Knabe zu leiten und zu unterweisen", auch mitgetheilt bei K. Schmidt: Geschichte der Pädagogik III, S. 139 fg.

Die Schulen. 125

Bücher, welche sehr schwer auch was die Gramniaticam be- langt. Es ist aber Hebraea lingua nicht allein den Theologis nutz, sondern auch nöthig allen Studiosis, worauf!' sie auch jr leben lang gedenken zu beharren, dieweil sie alnia mater ist oinnium linguaruin, omnibus aetatibus, omnium gentium, welche alle aus jrem Leib gekoinnien, denen sie allen gibt und wiederum!» von keiner Sprache etwas nimpt oder ent- lehnt. Und keine Sprache in der weit so ungeschälten, die nicht vocabula hebraea von der Mutter als zu jrem Erbtheil behalten."

Er hat in seiner Schule das Hebräische selbst gelehrt, und das Buch, das er anfänglich zu eigenem Nutzen zusammen- stellte, dann als er sich überzeugt hatte, es gereiche auch den seiner Pflege Anvertrauten zum Vortheil1), herausgegeben2). Das Buch verräth vollständig seinen Zweck als Schulbuch. Es ist in Fragen und Antworten getheilt, die zum Auswendig- lernen bestimmt scheinen. Die 6 Theile enthalten die Grund- züge der hebräischen Grammatik; der erste handelt über die Buchstaben im Allgemeinen, über die Zeichen Dageseh, Schewa, über die Besonderheiten der einzelnen Buchstaben; der zweite über das Verbum, über seine einzelnen Conjugationen, über das regelmässige und unregelmässige, die gegebenen Kegeln durch zahlreiche Tabellen erläuternd; der dritte über das Nomen; der vierte ist eine Ergänzung zu zwei und drei, er bespricht die Schwächung und Veränderung der Vokale im Verbum und im Nomen. Die übrigen Satztheile bilden den Inhalt des 5. und 6. Theils, im fünften werden die Präpositionen, Zahlwörter, im sechsten Pronomina, Adverbien und Conjnnctio- nen, behandelt, am Schluss einige Regeln über Accente, Metrum

*) S. 24 der Vorrede des gleich zu nennenden Buches.

2J Sanctae linguae hebraeae Erotemata . . . Omnia vero ita absoluta brevitate, facilique ordine traetata, ut non modo tyrones Grammaticae he= braeae praeeepta inde nullo cum negocio intra paucas septimanas addiscere possint, sed etiam perfectiores iam ibidem inveniant quod ipsos iuvare queat. Accesserunt ad finein dieta veterum Rabinorum de JESV MESSIA mundi salvatore. Item Catalogus librorum quomndam praeeipuorum in lingua Hebraea, Chaldaea, Aethiopica, Arabica, Graeca et Latina : Omnia in gratiam studiosorum linguae sanctae a Michaele Neandro Soraviense edita. Basileae apud Joannem Oporinum. Am Ende : 1556 mense Augusto. 153 S. in 8°.

126

Die ■< hnteit

beigefügt. Die Erwähnung von vier Abbreviaturen ist seltsam genug, da sie weder so selten nocb so häufig sind, um einen besonders hervorragenden Platz zu verdienen 1).

Die bereits im Titel angegebenen Zusätze, die streng- genommen zu der Grammatik gar nicht gehören, sind einmal Dicta quaedam, ein interessantes aber durchaus seltsames Ge- misch von Sätzen und Aussprüchen aus Bibel, Targum, Rabbineu und christlichen auch neueren Schriftstellern, z. B. eine Stelle des Flacius Illyricus über Jehova, eine Anzahl Auszüge aus dem Werke des Peter Galatin: De arcanis catholicae veri- tatis ü. s. w. ; dann unter der Aufschrift Catalogus ein Ver- zeichniss von hebräischen Bibeln, von griechischen und lateini- schen Ausgaben des alten und neuen Testaments. Das Yer- zeichniss ist keine trockene Aufzählung, es ist begleitet von vielen Bemerkungen, Stücken aus der Einleitung einiger Bücher, z. B. bei der Bibel des Chimenes, bei dem Psalterium octaplum des Augustinus Justinianus, bei Bomberg's Targum (1517), für das ein genaues Inhaltsverzeichnis« folgt, ebenso bei Fagius' Ausgabe des Targum. Auf die Bibelausgaben folgen die Editionen einzelner Bücher und Traktate, worunter namentlich des Fagius' Sententiae patrum ausführlicher besprochen werden; bunt durcheinander werden darauf die Schriften von Levita, Reuchlin, Münster und einer grossen Zahl Anderer aufgezählt, gewiss nicht ein vollständiges bibliographisches Verzeichniss aller erschienenen Schriften, aber eine gute Hinweisung auf viele seltene und fast ganz unbekaunte. Zuletzt wird eine vollständige Aufzählung der Traktate des Talmud gegeben, einige Schriften des Rambam und Alphes; den Schluss machen Stücke aus Reuchlin's Kabbalah, aus einer Schrift Theodor Bibliander's, Sentenzen aus den Sprüchen der Väter mit la- teinischer Uebersetzung und Hinzuziehung deutscher Sprüch- wörter zur Analogie.

Ein nicht minder berühmter Schulmann, als Michael Neander es war, Johannes Sturm, theilte nicht die An- sicht, das Hebräische als ebenso berechtigten Gegenstand, wie die übrigen Sprachen, in die Schulen einzuführen. Mau muss

i) Es «in«! JYSHK'Dl'WH fbä "PH ton bysn ÜTV die Anfangs- buchstaben der Namen der 7 Planeten; Kfi ":rv;ttK pr 02 res.: rvrin und nait :m

bie Schulet. 127

freilich bedenken, dass Hauptziel des Strassb. Pädagogen war, seine Schüler in der Sprache Cicero's reden zu lassen, in den Anschauungen der Römer und Griechen zu erziehen; da konnte sieb für das Hebräische allerdings keine Stelle linden. Und wie seine Einrichtungen überhaupt zum guten Theil typisch für die Gymnasien der späteren Zeit bis auf unsere Tage geworden sind, so tindet sich bereits bei ihm der Vorschlag, die he- bräische Sprache höchstens als fakultativen Lehrgegenstand aufzunehmen, mit dem eigenthümlichen Zusatzgrunde neben dem bereits erwähnten, dass er seine Schüler nicht zwingen wolle eine Sprache zu treiben, die er selbst bis zu seinem 59. Jalire leider zu erlernen versäumt babe, in der er freilich nun, nachdem er sie olme fremde Hülfe zu erlernen begonnen habe, das Uebrige leicht sich anzueignen hoffe ').

Es wäre ein zeitraubendes und sehr unfruchtbares Ge- schäft; alle Schulen aufzuzählen, die in gleicher Weise, wie der Sturm'sche Plan das will, dem Hebräischen keinen rechten Platz unter den Lebrgegenständeu anwiesen; erwähnt sei nur, dass in einigen aus jener Zeit bekannten Schulpläueu das Hebräische nicht aufgeführt wird : in dem Frankfurter, der von dem Dichter und Philologen Jakob Micyllus herrührt -), und

i) Joau. Sturmii Classicarum Epistolarum libri III sive Scholae Argenti-

nenses restitutae. Argentorati MDLXV, fol. 47 49. Joannes Sturmius Eliae Hyberi amico, interpreti Hebraeo. Linguae Hebraieae institutionell) in curiis consulto non proposuimus primum quia multum profecisse illum arbitror, qui ante sextum deeimum aetatis annum, facultatem duarum linguarum mediocrem assecutus est : una cum dicendi disserendique doctrina : et praeter catecliesin Ecclesiae, in curiis etiam Evangelia et apostolorum cog-novit epistolas et psalmodiis exercitatus est et reliquos sacros libros, in quotidianis collegii recitationibus : saepe per illos annos quibus in curiis docentur, possent reco- gnoscere. Deinde quia consilium meum est, sermonis Hebraici grammaticam extra ordinem tradi: aliqui earum horarum quibus in classicis tribubus non docetur: et cuivis concessum est quod velit extra ordinem discere, modo liberale sit, et moribus non officiat, et cursum non impediat in studio classi- corum. Postremo tametsi poeniteat me huius Linguae Studium usque in hunc annum quinquagesimum nonum, distulisse : tarnen nolim alios cogere ut faciant quod ipse non feci. Hortor tarnen omnes, ut ad duas illas classium linguas etiam banc adiieiant (?), meo exemplo : qui superiore proxima estate ea fundainenta absque doctore posui hujus sermonis : ut absque ope et voce magistri sperera quod reliquum est brevi posse in boc curriculo perficere.

-) Vgl. J. Classen: Jakob Micyllus. Frankfurt 1858. S. 147 ff.

128 1»" Selinlen.

dem Basler, der jedenfalls unter Mitwirkung Oecolampad's entstanden ist1); die Schule in Zwickau soll nach dem Titel des Schulplans zwar „auf drey Hauptsprachen, Hebrayscli, Griechisch und Lateinisch gestellt" sein, aber in dem Schul- plane selbst wird auf Hebräisch gar keine Rücksicht ge- nommen 2).

Dagegen hatte in gleicher Weise, wie Neander in Ilfeld, der berühmte Paul Fagius in seiner Schule zu Isny das Hebräische gelehrt; hatte im Jahre 1527 der Ulm er Rath dem Michael Brodhag den Befehl ertheilt, „dass dem jetzigen Provisor, der in bayden sprachen hebreysch und kriechisch für ander berompt und erfarn die schul zu verleyhen und dem- selben jnu seinen aiden zu geben wer, die knaben getrewlich Inn latein und obgemelten bayden sprachen zu undterweisen unnd zu lernen, damit sy jnn denselben auch geübt und erfarn werden"3); war Andreas Oslander 1520 in Nürnberg als Lehrer der hebräischen Sprache angestellt worden4). Emanuel Tremellius, der uns schon als Lehrer des Petrus Martyr begegnet ist0), war in den fünfziger Jahren erster Lehrer der Schule in Hornbach und hat gewiss dort seine Kenntniss des Hebräischen zu verwerthen gewusst. Er trat auch schrift- stellerisch auf in einem hebräisch geschriebenen Schriftchen 6).

1) Vgl. das angeführte Bucli von Herzog II, S. 173 IV'.

2) Ordnung' dess Na wen Studii vnd jetzt aufgerichten Collegij jn Fürst- licher Stadt Zwickau. 1523. 10B11. in 4°, wieder abgedruckt bei Weller: Altes aus allen Theileu der Geschichte 1766. II, 8. 678 ff.

3) Weyermann : Nachrichten von Ulmischen Künstlern und Gelehrten, Ulm 1798 I, S. 84.

4) Will, Nürnberger Gelehrtenlexikon. Zusätze von Nopitzsch Bd. VII, S. 68 ff. Daselbst auch : „Oslander lernte 1529 von dem Juden-Schulmeister Wölfflein zu Schnaitach chaldäisch." Ueber seine ersten hebräischen Studien theilt Jo. Manlius: Locoruin communiuin collectio (ed. 1560) p. 532 unter dem Titel : Osiandri ingeniosum inventum, Folgendes mit : Oslander scribens Hebraicum Alphabetum invertebat chartam: tunc in altera facie chartae erat Graecum Alphabetum.

5) S. o. S. 114.

6) IT nTO -sjan "IM (152 S in 12°) o. 0. 24. Elul 1554, 314 nach der kleinen Zahl. Die lateinische Vorrede ist datirt: Argentorati III Idus Aprilis Anno MDLIIII . . . Die zweite im Text angeführte Stelle lautet: Nam id summa diligentia, maxima sollicitudine in hac scriptione cavi, ut de faece Rabinorum verba et phrases non haurirem, sed illud, quantum res

ScUi 120

Diese Sprache wählte er hauptsächlich der Juden wegen, „denn obgleich heute das israelitische Volk unserer Religion feindlich ist, so unterlässt es doch nicht, Alles zu lesen, was von uns hebräisch geschrieben wird, um Alles zu -wissen, was wir zu ihren Grünsten oder gegen sie urtheilen, in welchen Punkten wir mit ihnen über die Gottesverehrung und die Frömmigkeit uneins sind." Aber freilich der Sprache der Rabbinen wolle er sich nicht bedienen, oder, um mit Tremellius zu reden: ..Aus dem Schmutze der Rabbinen will ich die Worte und Phrasen nicht schöpfen, sondern, soweit der Stoff es gestattet, die Redegattung anwenden, in der die göttlichen Aussprüche in den heiligen Büchern geschrieben sind." Die Schrift war hier nur zu erwähnen, weil des Tremellius als Lehrer gedacht werden sollte, auf den Inhalt näher einzugehn, der vollständig theologischer Art ist, würde die Grenzen dieser Arbeit über- schreiten.

YIII.

Schluss.

Wir haben das Erwachen und die allmähliche Ausbreitung des hebräischen Sprachstudiums vom Anfang bis in die sechs- ziger Jahre des 16. Jahrhunderts verfolgt, haben den Wider- willen, der sich zuerst gegen seine Aufnahme kund gab, die Begeisterung, mit der man sich dann ihm zuwandte, das ruhige Vorwärtsschreiten, mit dem man den einmal betretenen Weg verfolgte, betrachtet, indem wir die einzelnen Universitäten, die Schulen, durchgingen, bedeutendere Männer besonders nach ihren Leistungen kennen zu lernen suchten. Ein fester End- punkt ist nicht gefunden. Der neue Aufschwung, den das Studium durch Buxtorf nahm, gehört einer späteren Epoche an1); die Zeit, die das Ende unserer Betrachtung bildet, ist

patiebatur, genus orationis adhibui, qnod Divina oracula fuerunt in sacris volummibus conscripta.

*) Es ist interessant zu sehn, di^s am Ende des von uns besprochenen Zeitraum-: doch in Manchen das Bewusstsein herrschend war, es bleibe noch

Geiger, Studium. 9

130 rfcbl" ;

eine Zeit des Sinkens, eine Zeit, die höchstens im Stande ist, das früher Vorhandene zu fahren, nicht fähig, Neues zu pro- duciren; eine Zeit, in der die theologische Fehde die Geister Aller derer gefangen nimmt, die etwas mehr verlangen, als den kleinen täglichen Bedürfnissen des Lebens nachzugehn, sie aber so in Anspruch nimmt, um zu jeder wissenschaftlichen Beschäftigung untauglich, zu jedem freien Gedankenaufschwung unfähig zu machen.

Der Charakter einer Zeit prägt sich in allen Ereignissen aus, die in ihr einen Platz einnehmen; der eben geschilderte traurige Charakter der Zeit, die wir verlassen haben, zeigt sich auch in einem unsern Gegenstand berührenden Ereigniss, das wenig bekannt ist1). Der Talmud war seit dem gegen ihn hervorgerufenen Sturm im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahr- hunderts, der ihm fast den Untergang kostete, in Deutschland unter den Christen wenig bekannt geworden, und der geringen Kenntniss entsprach seine geringe Verbreitung. Ambrosius Froben in Basel will 1579 den Talmud drucken lassen; da den Juden der Eintritt in die Stadt nicht erlaubt ist, so er- sucht er, ihm zu gestatten, einen hineinzunehmen, „dieweil dieses Werk eine besondere Art habe, deren die Druckergesellen bisher nicht genugsam geübet und der Sprachen unerfahren." Aber der Kaiser Rudolf II. erklärt durch ein Schreiben, der Talmud sei gegen den Glauben und die christliche Religion; er untersagt den Druck. ,,Ein gründlicher Bericht wird an deu Kaiser abgesandt, gezeigt, dass Censur und Universitäl das Werk gestattet habe; aber die erlangte Concession ist nur ein Exemplar solcher talmudischer Bücher dem Kaiser zur Durchsicht zu schicken." Aber nachdem er es erhalten, schickt der Kaiser keine Antwort; auf ein Schreiben des Bürgermeisters und Raths vom 25. Juli 1579 verlangt er die Vernichtung des Buches, „da im Talmud die heilige Dreüültig-

viel zu thun übrig: Matthias Flacius Illyricus zählt 1562 unter drei Dingen, die zur Vollendung der Kirche noch fehlten, auf: separata et pkna aliqna hebraeae linguae illustratio. Angeführt bei Baur: Die Epochen der kirch- liehen Geschichtsschreibung. Tübingen 1852. S. 13, Amn. 1.

!) Die im Text gegebene Erzählung folgt der gut nach den Quellen gearbeiteten Darstellung v.Streuber : Beiträge zur Basler Buchdruckergeschichte in den Beiträgen zur vaterländischen Geschichte. Basel III. Bd.l84(>, S. 83 sqq.

luss. 131

keit und unser einiger Erlöser und Seligmacher Jesus Christus geschmäht werde."

Neue Bitte Frobens, die von einem Gutachten der Uni- versität unterstützt wird: im Talmud seien herrliche, nützliche und wohlgegründete Lehren begriffen, Felder und Irrthtimer kämen auch in den Evangelien und alten Schriftstellern vor, die doch gedruckt seien, Reuchiin und Galatin haben ihn gleichfalls vertheidigt, die darin vom Kaiser Maximilian unter- stützt worden seien. Doch erst 1588 wurde der Talmud ge druckt, beide Parteien erklärten sich mit der Censur des In- quisitors Dr. Markus Märinus zufrieden, die das Ihrige that ').

Es bedurfte dieses Beispiels nicht, um zu zeigen, wie viele Vorurtheile man dem Studium dieser Sprache entgegentrug; wir haben deren genug bemerkt. Auch das ist klar, das Studium wer nicht immer durch einen wissenschaftlichen Eifer hervorgerufen ; es diente der Theologie und wurde oft in ihrem Dienste missbraucht, aber im Gaüzen war es das ernste Stre- ben nach Wahrheit, das seinen Begründer und auch den grössten Theil seiner Nachfolger beseelte.

!) Ueher die Wirksamkeit dieser Censur vgl. z. B. die lehrreichen Be- merkungen hei Em. Deutsch: Der Talmud (Berlin 1869) S. 6 fg.

Nachträge,

Zu S. 6 fg. Einige characteristische Aeusserungen Luthers über die hebräische Sprache finden sich in seinen Tischreden (ed. Förstemanh und Bindseil. 4. Band. Berlin 1848. S. 5G8— 572), von denen nur einige Stellen hervorgehoben werden sollen. „Die ebräische Sprache ist für andern wol einfältig, aber majestätisch und herrlich, schlecht (d. h. schlicht) und wenig von Worten, aber da viel hinter ist; also, dass ihr es keine nachthun kann" . . . „Die ebräische Sprache ist die allerbeste und reichste, in Worten, bettelt nicht, hat ihre eigene Farbe" . . . „Ich kann weder Griechisch, noch Ebräisch, ich will aber dennoch einem Ebräer und Griechen ziemlich begegnen. Aber die Sprachen machen für sich keinen Theologen, sondern sind nur eine Hülfe"... „Da M. Forstemius viel sagte von Nutz und Herrlichkeit der ebräischen Sprache „„die jtzt doch sehr verachtet würde, vielleicht aus einer Impietät und gottlosem Wesen, oder aus Verzweifelung, dass man daran verzagte, und gab für, man könnte sie am besten aus der Grammatica

lernen"", da sprach D. M. L Ich hab mer Ebräisch gelernt, wenn ich

im Lesen einen Ort und Spruch gegen dem andern gehalten habe, denn wenn ichs nur gegen der Grammatica gerichtet habe. Wenn ich jünger wäre, so wollte ich diese Sprache lernen, denn ohne sie kann mau die h. Schrift nimmermehr recht verstellen . . . Ich bin kein Ebräer nach der Gram- matica und Kegeln, denn ich lasse mich nirgend an binden, sondern ich gehe frei hindurch . . . Lyra ist für andere der beste Ebräer gewest, und ein fleissiger Dohnetscher des alten Testaments. Wenn ich wiederum wollte in der ebräischen Sprache studiren, so wollte ich die reinsten und besten Grammaticos für mich nehmen und lesen, als David Kimchi, Mose Kimchi, welche die reinesten sind; danach wollte ich Mosen lesen, darum, dass der- selbige gar eigentlich von Dingen redet; nach dem wollte ich den Psalter und die Sprüche Salomonis lesen und zuletzt die Propheten, die brauchen vil verblümter Wort und Rede." Der liier erwähnte Forstemius ist der oben S. 97 ff. besprochene Johann Forster.

Zu S. 7. Dagegen stellten die Katholiken das Ansehen der Septuaginta sehr hoch. Der Nürnberger Reformator Andreas Osiander war in seiner Schrift Coniecturae de fine mundi (1544) in der Berechnung der Jahre zwischen Adam und Noah der jüdischen Angabe (1G5G Jahre) gefolgt und hatte die griechische (2242 Jahre) ausser Acht gelassen; in seiner Wider-

Nachtrage. 133

legung der Schrift sagt der eifrige Katholik Cochläus: Terfcui heh nituntur Judaei bostes Christi ei vos Catholicae fidei reprehensores ei bostes äae: Lutherani, Zwingliani ei Anabaptistae. LXXI1 interpretes marimae semper fuerant in ecclesia Christi authoritatis a temporihua usqueApostolorum, quibus nixi sunt antiquae ecclesiae Doctores onines usque ad nimm Hierony- mum qui sua translatione hanc de annis primae aetatia diversitatem in- vezisse creditur. Quod si res aequa trutinetur lihra (quamquam difficile est pronuntiare, utra lectiormm praeponderare deheat) raultis respectibns apud ecclesiae filios potior videri poterit lectio ei sententia LXX1I interpretum. J. Cochlaeus: In quatuor Andreae Osiandri coniectoras de fine mundi. 1545 D 1.

Zu S. 17. Für die Seltenheit und Kostbarkeil hebräischer Bibeln in damaliger Zeit noch zwei Notizen. Trithemius uberlässl seine ganze Biblio- thek dem Kloster Spanheim und nimmt nur eine kleine gedruckte hebräische Bibel mit sich (Epistolae p. 384. Jacobo Kymolano 16. Aug. 1507.). 1518 wird eine hebräische Bibel nach unserm Geld für 49 Thlr. 10 Sgr. und 1520 eine solche mit Commentaren für 86 Thlr. 10 Sgr. verkauft. Beide Notizen aus Oskar Hase: Die Koburger, Buchhändlerfamilie zu Nürnberg. Leipzig 1869. S. 78, A. 2. S. 84.

Zu S. 18. Von Wichtigkeit würde es sein, wenn die von Steinschneider, Bibliographisches Handbuch S. 156. Nro. 2290 angeführte Schrift : J. C. Ulrich De Lingua hebr. inter Christianos ante Reuchlinum culta. Halis. . . ? [Handschr. Notiz v. Gesenius] bekannt wäre.

Zu S. 26. Unbeachtet geblieben ist der Spott der Lamentationes obscurorum virorom (I. 14) gegen Loans: Sigillum autem quod vieles, mihi commodato dedit Jacobus Johel Judeus quinquies circumeisus, et bonus Reuchlinista.

Zu S. 30, Anm. 1. Ueber seine hebräischen Studien spricht Eck in der Epistola de ratione studiorum, Ingolstadt 1543 in (B la): Audivi tunc (als er Levita's Schüler war) Rhomae etiam Sancten Pagninum et Achacium pro- fessores Hebraismi; in Chaldaeo praeter versionem in Pentatheucon Complu- tensem usus sum Magistro Munstero, qui prae ceteris egregie emulatur et assequitur Heliam, trimestri quoque Judaeo Loto usus sum praelectore. Recte disi me usum, quia cum utriusque grammaticae esset asymbolus, nihil prae- stare poterat praeter usum.

Zu S. 30, Anm. 2: und Nicolaus Apelles aus Egweil, der 1522 Professor der Theologie in Ingolstadt, 1532 Prediger in Marburg wird und 1545 stirbt. Vgl. Mederer, Annales Ingolstadiensis Academiae. Pars I. Ingoist. 1782. p. 116. 196.

Zu S. 32, Anm. '-. Eine Zeit lang, als der Streit mit den Kölnern ihn ganz in Anspruch nahm, Hess er in seinem Unterricht eine Pause eintreten. Mutian schreibt an ihn: Quod si vacatione recuperata docere velles quae cumulatissime didicisti, mitterem ad te optimos auditores. Nuper Crocus Britannus . . cum apud me quiesceret et Grocinum et Aleandruin et nescio quos magistros laudaret, deesse sibi dixit hebraicam sapientiam, quam omni via prosequi vellet. 13. Sept. 1516. (Epp. ill. vir. z iiia) Pächard Crokus, ein Engländer, während einiger Jahre Professor des Griechischen in Leipzig, scheint später, nach seiner Rückkehr nach England, noch hebräisch gelernt zu haben, wenigstens wird ihm ein hebräisch geschriebenes Gutachten zu- geschickt und vorausgesetzt, dass er darüber ein Urtheil abgeben könne.

134 Nacht:

Mittheilung Wrights in Geiger: Jüdische Zeitschrift für Wissenschaft und Lehen V. S. 216.

Zu S. 35. Ebenso wie Reuchlin mit grossem Freimuthe die Mängel der alten lateinischen Bibelübersetzung tadelt, thut es auch sein Freund und Vertheidiger Peter Galatin. In seinem mannigfach interessanten Werke De arcanis catholicae veritatis (1518), das die Wahrheiten des christlichen Glaubens aus dem Talmud und andern jüdischen Büchern beweisen soll, und in Form von Gesprächen zwischen dem Verfasser, Reuchlin und dessen Haupt- feind Hochstraten geschrieben ist, sagt Galatin einmal (fol. LXX): Et hoc est, quod dictum est: Osculamini filium; iiucusque traditio. Worauf Hoch- straten: Editio nostra: appraehendite disciplinam hie habet; und Galatinus entgegnet: Author nostrae editionis aeepuivocatione vocabulorum deeeptus, multa longe aliter transtulit quam veritas hebraica habeat. Licet enim haec dictio „Bar" quandoque filium, quandoque disciplinam sive doctrinam. quan- doque frumentum, quandoque purum sive mundum, quandoque electum significet etc.

Zu S. 35, Anm. 2. Der Herausgeber dieses nach einem Exemplar der Hamburger Stadtbibliothek von J. L. Hoffmann in Steinschneiders hebräischer Bibliographie 1. Band. Berlin 1858. S. 107 beschriebenen Lexikons ist, wie H. a. a. 0. angibt, der Buchhändler Dirck Härtens aus Aalst, der zu Löwen, wo er auch Professor der lateinischen und hebräischen Sprache gewesen sein soll, in seiner Druckerei schon 1518 hebräische Lettern besass. Das angeführte Buch soll in Löwen 1520 gedruckt sein.

Zu S. 43, Anm. 1. Die in der mir erst später bekannt gewordenen Originalausgabe zwischen Capito und nactus stehenden Worte „factus in oppido Bruchsellensi verbi clei praeco " machen meine Anmerkung überflüssig. Wie lange Adrian in Bruchsal (oder [vorher oder nachher'?] in Middelburg s. o. S. 45, Anm. 6) sich aufgehalten, ist nicht zu bestimmen.

Zu S. 46, Anm. 3. Die Rede Adrians erschien u. d. T.: Oratio de linguarum laude, Lovanii hahita (A. 1519) 40. Wittenb. Jo. Grunenberg. 152(1 4 Ell. Die Angabe ist aus Steinschneider: Bibliographisches Hand- buch S. 3, der hinzufügt: Im Epilog beisst es: ,, Habita fuit haec oratio in Colleg. Buslidiano Lovan. non alio studio quam ut trium linguarum peritia commendaretur Theologiae studiosis" etc.

Zu S. 48. Auf Adrian ist wol auch folgende Stelle der Universitäts- matrikel von Freiburg zu beziehen (22. Jan. 1521): Commissum Doctori Joanni (Lonicero) theologo, ut Wittenb ergam pro Magistro Lova- niensi hebraice docto scribat, quo veniente conveniatur cum eo ad proham. Mitgetheilt in Schreiber: Geschichte der Universität zu Freiburg (1859) 2. Band, S. 212, Anm. **

Zu S. 48, Anm. 4. Die im Serapeum a. a. 0. gegebene Notiz ist nach Steinschneider, Bibliographisches Handbuch S. 2 zu berichtigen. Das Schrift- chen mit der Widmung an J. L. (Jakob Lemp? den bekannten Tübinger Theologen, dem auch Reuchlin seine Septem psalmi poenitentiales (s. o. S. 36, Anm. 2) gewidmet hatte), in der Adrian „ausdrücklich als Veranlassung des Schriftchens angibt, dass Jemand [in dem Schriftchen selbst nochmals: quas transtulit quiclam] die Gebete ins Lateinische auf eine den Genius der hebräischen Sprache beleidigende Art übersetzt habe." Dieser „Jemand" ist ohne Zweifel Johannes Pfefferkorn s.o. S. 41, Anm, 1,

tfochtr&ge. 135

Zu S. 54. Gildemeister | i. d. Ztsch. d. deutsch -morgenl. Ges. 1860, Bd. XIV, S. 301) führt folgende Schrifl Böschensteins an: Contenta libelli. Precatio ad divam Virginem Behraica per Jo. Boschenstain i aersa qui linguae proprietatem pocius quam elegantiam do- cere voluit Epistola ad ßenerendissimum Vuiennensem Episcopum. Confessio Judeorum coram dno cooli & terre in die propiciationis Leuit 23. Psalmus 1!) Pro rege. A. E. Exciisuni Augustae Vind. in offic. Sigism. Grymm Medici ac M. Vuirsung Anno MDXXI. 6 Bll. in 4«.

Zu S. 55. Böschensteins deutsche Uebersetzung des Büchlein Ruth, an die einige hebräische Todtengebete mit deutscher üebertragung angehängt sind. Nürnberg 1525 in 4" schliesst sich derjenigen der Klagelieder würdig an oder übertrifft sie noch: vgl. Eüederer, Nachrichten zur Kirchen-, Bücher- und Gelehrtengeseh. 2. Band. Alfdorf 1765. 8. 375—381. Ueber Böschen- stein ist noch nachzutragen der Artikel bei Erhard: Gesch. des Wiederauf- blühens wissenschaftl. Bildung in Teutschland. Magdeburg 1832. III, S. 332 340, der aber, ausser der bibliographischen Zusammenstellung, für unsern Zweck ohne sonderlichen Werth ist, und die Abhandlung von Wiede- mann in der Oesterreichischen Vierteljahrsschrift für katholische Theologie 1863, S. 70 88, die mir leider nur aus einer Anführung bekannt ist.

Zu S. 64, Anm. 3. Von dieser Schrift spricht er in dem von ihm herausgegebenen Targum Onkeli zu Deut. 4, 16: Quibus cum Judaeus doctus quidam ante ducentos annos ad fidein Christianam conversus in libello 11 - braico quem contra illos pro nostra religione scripsit quemque ipse superio- ribus annis latine factum in lucem edi curavi, non inepte respondeat, causas pias ostendens, cur Christiani in templis suis imaginem habeant, putavi pio lectori rem non ingratam facturum, si verba ejus hie recenseam quae in gratiam studiosorum linguae sanetae primum hebraice, dein latine referam. Darauf folgen drei Foliospalten aus dieser Schrift, hebräisch mit lateinischer Uebersetzung.

Zu S. 68, Anm. 4. Auf manchen Büchern, z. B. der Ausgabe der Sprüi he der Väter, befindet sich bei dem Baume noch eiu Storch, der Frösche verzehrt. Crusius (Annales Suevici 1595 Pars III, p. 679), der das bemerkt, fügt hinzu: propter affinitatem nimirum Jacobi Froschesseri, qui et ipse typogrophiam haue iuverit. Froschesser (Ranivora) druckte selbst später ein Werk des Fagins. s.S. 73, Anm. 1.

Zu S. 73. Dieselbe Bemerkung über Toldot findet sich bereits bei Reuchlin: De verbo mirifico 1494 (ed. 1514, g. 5a).

Zu S. 76. Anm. 1. Hierher gehört auch eine Stelle aus der Widmung der Schrift Logica Rabi Simeonis an Joannes Campensis, Professor in Löwen: Scis, quam pauci hodie in nostra sint Germania qui libris velint iuvare He- braicum Studium retracti fortassis et deterriti quorundam sycophantarum conviciatrice lingua. Ego autem ptfc'bs Hihi et plane rerum peritia parum doctus ut audaculus saepius in publicum prorumpo, cum interim tu, Pelli- canus, Aurogallus, Jacobus Jonas, et multi alii Hebraicae linguae professores apud vestros delitescatis qui haue provinciara longe felicius et gloriosius subire valeretis.

Zu S. 87, Anm. 1. Das hier angeführte Werk (mir nachträglich aus der Gott. Univ.-Bibl. bekannt geworden), 200 paginirte Seiten, 3 unpag. Bll. am Anfang und 8 am Schluss in 4°, gehört nur insoweit in den Bereich

136 HacMrlge.

unserer Betrachtung, als es ans hebräischen Quellen geschöpft isf und eine reiche Kenntnis* der Sprache zeigt; der Gegenstand seihst liegt unserer Be- artheilung zu fern. Sein- interessani sind einige Worte, die Münster in dg) Widmung an Bernhard, Episcopus Tridentinus, braucht: Siqnidemtu unus es pientissime praesul, cui non modo ego, verum et omnes sacrae Linguae cm- äidati, ad quos rneae pervenerini lucuhrationes, quas in Eebraismo molioj, plurimura dehent; quippe qui prineipem nostrum [den König Ferdinand^ male persuasum, quasi scripta mea nunquam nun perniciosis sub- servirent tumultihus, suspicione liberasti, adeo ul liberalitatem etiam se dignam senserim.

Zu S. 97, Amin. 3. Vgl. Wilhelm Preger, Matthius Flacius Ulyrikus und seine Zeit, 2 Bände. Erlangen 1859 und 1861. IS. 21 fg., 23, 37. Schriften aber das Hebräische sind von ihm nicht bekannt. Eine Frucht seiner Witten- berger Vorlesungen ist wo! nur die bei Preger i! S. 548 angeführte Schrift: Argumenta Psalmorum sexaginta distributis ordine versuum sententiis, dietata a M. Flaeio Illyrico in Academia Witebergensi. Phil. Melanchthon. 8°. Francofi ex off. Petr. Brubachii 1550. 250 pagg. Preger sagt: „scheint von Me- lanchthon dem Drucke übergehen"; wahrscheinlich hat dieser aber auch An- theil am Inhalt, denn während Flacius in Wittenberg war. gab ihm Mel. „ungebeten die Summarien zu den Psalmen, die er öffentlich zu erklären gedachte". I S. 24. Paul Grell schreibt in der Dedikation einer späteren Auf- lage des Büchleins, die er besorgte : Hos in Psalmos 60 commentariolos breves quidem, sed utilissimos et doctrina multiplici refertos ante annos aliquot (Melanchthon) ingratissimo cuidam diseipulo et hosti suo (Flacio) praescripsit. (Witeb. 1561) bei Strobel: Neue Beiträge z. Lit, bes. d. 16. Jahrb. 1790 I, S. 1(51. In der Zeit zwischen Flacius1 Weggang und Forster's Ankunft mag Paul Eber die Stelle provisorisch innegehabt haben : er wird in einem Verzeichniss der Wittenberger Professoren von 15 17 als Lehrer des Hebräischen angegeben bei Strobel: Ratzenbergers geheime Geschichte von den Chur- und Sächsischen Höfen. 1775. S. 86, Anm. 68. In demselben Jahre (1547) schreibt auch Caspar Cruciger in seinem Anschlag: Adiungam autem et Ebraicae Knguae Grammaticen et Enarrationem vel Psalmorum vel Proverbiorum Sa- loinonis, 23. Oktober 1547 in Corpus Reformatorum ed. Bretschneider vol. VI col. 712.

Zu S. 1<»2. Die Abhandlung vom Licent. Förster : „Jobann Forster, ein Bild aus der Reformationszeit", in der Zeitschrift für historische Theo- logie 1861» S. 2l<) 238, ist für unsern Zweck ohne Werth. Das Lexiken Forster's wird zweimal S. 21!) u. 237 nur kurz erwähnt: die Mittheilung, dassForster „1515 in Ingolstadt den berühmten Reuchlin hörte" und dass er „mit Reuchlin in näherem mehrjährigen Verkehr stand", möchte schwer zu beweisen sein. Neben der oben S. L32 erwähnten Aeusserung vgl. ferner: „Magister Forste- mius klagte D. M. Luther, dass sein Predigtamt ihm säur und schwer an- käme, und alle seine Predigten ihme zu eng wären, auch würde er oft irre drinne, er wollte, dass er noch bei seiner alten Profession (näml. der hehr. Professur) gehliehen wäre." Luthers Tischreden hgg. von Förstemann, Bd. 2. Leipz. 1845. S. 371. Gegen Forster's Lexikon wandte sich Johann Isaak in folgender Schrift: mivJ~ Mediationes hebraicae inartem grammati- cam per integrum librum Ruth explicatae, una cum aliarum rerum nonnullis accessionibus, hujus linguae tyronibus cum primis utilibus ac aecessarü

Naehl 137

Luthore Johanne Isaac, amplissimi Sexiatus Coloniensis publice Professor e-. . . Ldiecta sunt quaedam . . . contra confusissimurn I>. Johannia Fürsten, quan- oque Profe8soris Wittenbergensis Lezicon . . . Coloniae es officina typogra- »hica Jacobi Soteris. Anno MDLV1II. 52 S. in 4°. Die Bemerkungen gegen i'orster beginnen S. 41. Er habe sein Buch schon beendet gehabt, dasei hm F.'s Lexikon zugekommen. Cuius etiam frontispicio adieeta praefatio iuris quibusdam convitiis tarn Christianos ounies <|iii in hoc genere stiidiorum ycelluerunt, quam Judaeos onerabat, qnorom omnium in rebus perquirendis olertiain. in adinventis aestimandis fidem atque artificiosam industriam tactenus in Hebraea lingua nihil quiequam laude dignum praestitisse, Bed >er solum Pursterum haue linguam esse et a sordibus repurgatam ei quasi »ostliminio Cristianorum commodis restitutani praedicabat, aliaque multa non ine multorum ignominia gravissima iaetabat. Er habe sich zuerst gegen- iber dieser Frechheit kaum massigen können und sofort eine Gegenschrift eröffentlichen wollen; als er aber gehört. Forster sei gestorben, habe er liesen Plan aufgegeben, ne vel cum larvis certare (quod dici solet) vel mor- uum mordere videremur. Aber ganz schweigen wolle er auch nicht, denn ■orster zähle Anhänger: sein Sohn und Lorenz Humfrid erklären, in hoc tudiorum genere unum Fursterum omnes a tergo reliquisse. Die Wider- egungen beschränken sich auf Einzelheiten: H1?'? sei nicht gen. fem., sondern nasc.; TVnilO sei kein sing., sondern plur.j TAH Gen. cap. 4 sei nicht tut., ondern praet; pH sei nicht von ppn abzuleiten u. s. w. ; bei jeder einzelnen fegenbemerkung wird die freche Unwissenheit Forster's gegeisselt. Dieses Jemühen tritt namentlich am Schluss hervor : Quaenam est igitur in Furstero am insolens eruditionis ostentatio? quod non tarn incredibile hominis iudi- ium quod se absque Rabbinorum subsidio consecutum gloriatur? Illene sibi tabbinorum scripta undequaque perspeeta in Judaeormn synagogis se versatum, omi Judaeorum multa consuetudine non sine rei familiaris singulari iactura sum fatetur, quam ne vidisse quidem Rabbinorum (praeter unius aut alterius) cripta argumenta certissima docent? quem nunquam feliciter in hisce studiis ersatum sua ipsius monumenta declarant? quae mihi quidem prorsus hanc aspicionem afferunt, ut existimem, si quisquam fuit, qui linguam Hebraeam iidicio suo conturbavit, Fursterum fuisse; si quisquam fuit, qui sua inter- iretatione linguae integritatem laesit, Fursterum fuisse; si quisquam fuit, ui horum studiorum fundamenta errore convulsit, firmamenta audacia labe- aetavit, Fursterum fuisse . . . Die Schrift enthält sonst den hebräischen Text M die lateinische Uebersetzung des Buches Ruth und u. d. T. Hebraicae leditationes kurze Erklärungen und längere Bemerkungen nachKimchi gegen 'astalio.

Zu S. 107: Schon 1521 wurde in Freiburg Johannes Lonicerus uf vorübergehende Zeit Lehrer der hebräischen Sprache, ihm folgte lichael Däle von Aach 1522—1531. Nach ihm kam Johannes Moli- oris, der aber, durch sein Amt als Vierherr am Münster in seinen Vor- esungen gehindert, die Professur an Johann Härtung abgiebt (1546). L, eigentlich Professor des Griechischen, erklärt zwar, er habe sich lange licht mit dem Hebräischen beschäftigt, liest aber doch. Indess muss er sich •ald, obwohl die philosophische Fakultät alle Diejenigen, die Magister wer- ten wollen, auf die Notwendigkeit des Hebräischen aufmerksam macht (1548;, iber den geringen Besuch der Vorlesungen beklagen; ein Mangel, der wol

Geiger, Studium. ' ' '

138 Nachträge.

weniger an der Interesselosigkeit der Schüler, als an der Unfähigkeit des Lehrers lair und unter dem uns bereits bekannten Oswald Schrecken- fuchs (1552 1575) nicht mehr empfunden wurde. Vgl.. Schreiber, Geschichte der Universität zu Freiburg i. Br. 1. Band 1857, S. 89; 2. Band 1859. S. 198, 200 u. Anm., S. 212, 213 fg. u. Aiiin., S. 255.

Zu S. 116. Später war Johann Isaak Professor des Bebräischen in Köln, ein getaufter Jude, den wir bereits in seinem Auftreten gegen Förster betrachtet haben (s. o. S. 136 fg.). Erbat auch eine hebräische Grammatik ge- schrieben, deren zweite Auflage (vgl. Steinschneider, Bibliographisches Hand- buch, S. 68, No. 975) mir vorliegt; dass die Autlage eine umgearbeitete ist, sagt der Verfasser in der Epistola dedicatoria an Bernhardns Morrien. Sie hat zum Titel: D'Tü? jiC'p Perfectissiina bebraea grammatica, commodo admodum ordine in tres libros distincta. Quorum primus simpliciora tantum docet, secundus perfectiora et graviora paulo: tertius difticillima quaeque absolutissime et accuratissime tradit, Authore Johanne Isaac, amplissimi Se- natus Coloniensis publico Professore . . . Coloniae. Ex oificina typographica Jacobi Soteris. Anno MDLVII. 6 unpag. und 152 S. in 4«; auf der letzten Seite ein hebräisches Gedicht und Errata. Im lateinischen Ausdruck hat ihm, wie er sagt, Stefan Mumius aus Zwoll nachgeholfen. Ueber die Accente, bemerkt er, fasse er sich sehr kurz (wirklich giebt er pg. 119—122 nur wenige Notizen weil Andreas Balenus, Professor in Löwen, ein Buch darüber sehreiben wolle. [Das ist entweder nicht erschienen, oder hat ihm nicht genügt, wenigstens hat der Titel der 4. Auflage unserer Grammatik (Antwerpen 1564, vgl. Steinschneider a. a. 0) et aucta nominatim diffuso de accentibus trao- tatu.] Sonst ist er gegen die Zeitgenossen nicht von dieser zartfühlenden Zurückhaltung; wenn er sie citirt, so geschieht es nur, um sie tadelnd zu widerlegen. So weist er ihre Meinung zurück, das fl in np"!2J u. a. sei ein he heemanticum mit folgender einleitender Bemerkung : Ideoque hie quaedam non reprehendendi libidine, neque ostentandi voluntate, sed veritatis demon- strandae causa breviter inserenda videntur, a qua Grammatici fere omnes qui hac nostra aetate, etiam in universitatibus celeberrimis, scribimt, hac in re maxime aberrasse mihi visi sunt (p. 37) ; fertigt den Abraham de Balmes kurz ab, der seiner Behauptung: WtVD sei nach der Ansicht aller Grammatiker eigentlich C"iz'V zu schreiben, widersprochen (p. 107); tadelt den von Münster, den er übrigens hujus linguae alioquin satis peritus nennt, ausgesprochenen Satz: vor Gutturalen stehe das Schwa mobile, in ziemlich wegwerfender Weise: Verum id esse falsissimum, tarn est manifestum, ut probatione non indigeat (p. 129 fg.), und verwirft zwei Behauptungen des Pariser Professors Quin- quarboreus (p. 139 und 161). Nur von Elias Levita nimmt er willig auf, ebenso von den früheren jüdischen Grammatikern und Commentatoren : den Kimchis ; die Affixe gebe er, sagt er gradezu (p. 109), nach dem 'b'ZV "prra rnn des Moses K. (s. o. S. 36); B,aschi, Aben Esra; gelegentlich führt er an liber Cosdrae p. 119, Aben Tibbon, Moses Hanakdan p. 123, 1!. Jona p. 148; von ihnen angewendete grammatische Ausdrücke, selbst hebräisch gefasste Regeln braucht er gern, z. B. p. 45. Nur einmal spricht er einen heftigen Tadel gegen die alten Grammatiker aus. Er wendet sich gegen die Meinung derer, die behaupten, ein Hophal könne nur von den Verben vorkommen, die sich mit dieser Form in der Bibel finden, und sagt: Quam bonis rationibus utantur, docti iudicent, mihi sane non vacat contra ineptias cuiusvis disputare.

Nachtrage. 139

Hoc tarnen dico, istos multo magia videri cum ratione Lnsanire, quam qui nullum voeabulum Latinum admittunt, quod apud Ciceronem haud extet, cum scripta Ciceronis multa et varia sint, Biblia vero exigua, ut in iis non omnia Hebraica contineri queant (p. 141).

Auch auf das Arabische nimmt er Rücksicht: p. 11, 39, 123; an letzter Stelle findet sich ein gedrucktes, allerdings ziemlich verunglückt ausgefallenes arabisches Wort; dagegen finde ich nur eine Berücksichtigung des Chal- däisehen p. 142. Der christliche Standpunkt tritt nur einmal hervor und da schwach genug: Für die Regel, dass V im Rabbinischen häufig für "HPK gebraucht werde, gibt er das Beispiel: "naCDM W btS "Ol .TTTlfi p VWWV quod Job. b. Per. praeceptor fuit JESV NAZABENI, p. 44.

Die drei Bücher der Grammatik sind drei Stufen. Das erste Buch ist die Elementargrammatik ; als merkwürdig sei daraus der Abschnitt de literis heemanticis, d. h. die sechs Buchstaben, die im Worte TCÖtn vorkommen und die vorn oder hinten an Wörter angefügt werden können , hervorgehoben. Das zweite Buch enthält die unregelmässigen Verba, dann die fünfsilbigen und andere unregelmässige Nomina, die Zahlen, Affixe an Verba und Präpo- sitionen und kurze Bemerkungen über Präpositionen. Das dritte Buch ent- hält Zusätze und Ergänzungen zu fast allen in den früheren Theilen gegebe- nen Regeln, die für den ersten Gebrauch der Sprache noch nicht nothwendig erschienen.

Zu S. 120. Wizel hat ausserdem geschrieben : Idiomata quaedam linguae sanctae in scripturis veteris testamenti observata. Moguntiae 1542. 76 S. und 1 Bl. in 80. Vgl. Steinschneider, Bibliogr. Handb. S. 149, No. 2155.

Zu S. 119. Anm. 2. Sein Werk: Institutiones Grammatices Ebreae, authore D. Andrea Planco. His subnectitur Jonas Propheta, cum versione Latina . . Viennae Austriae excudebat Egidius Aquila. Anno DMLII. ist schon deshalb zu erwähnen, weil es der erste gute hebräische Druck in Wien ist. Vgl. Denis: Wiens Buchdrucker -Geschichte bis MDLX. Wien 1782. S. 498 5(X). (In einem das., S. 412, angeführten Schriftchen vom J. 1544, dessen Verf. Joh. Sylvester Pannonius sich Professor hebraicarum literarum publicus nennt, kommen zwar auch hebräische, aber sehr schlechte Typen vor.) Nach Denis sei bemerkt, dass unsere Grammatik, die am Ende auf die Arbeiten der beiden Kimchi, des Elias Levita, Reuchlins, Münsters, Aurogallus', Biblianders [als auf ihre Quellen?] verweist, die Sprache in vier Theilen : Orthographia, Etymologia, Syntaxis und Prosodia behandelt, und dass die Uebersetzung des Jonas, die dem Text gegenübersteht, ziemlich wörtlich ist. Plankus wird 1554 als Dekan der medicinischen Fakultät genannt; andere Werke über hebräische Sprache sind, nach Denis, nicht sicher ihm angehörig.

Zu S. 127. Wie unter den Pädagogen jener Zeit Erasmus überhaupt einen Platz verdient, so soll er auch in unserer Frage gehört werden. In seinem Dialogus de recta latini graecique sermonis pronunciatione (Opera ed. Lugd. Bat. vol. L, col. 923 fg.), heisstes: Ursus. Quid de lingua Hebraica? Leo. Eam, quoniam nee admodum late patet, et ut apparet, nee ab ipsis Hebraeis satis tenetur Iudaeis ac Theologis relinquerem. Simulque vereor, ne quid Judaismi cum literis imbibat puer. U. Eadem opera verere, ne quid Paganismi imbibat ex Homero, Demosthene, Virgilio et Cicerone. L. Et hoc pro viribus curabitur. Es sei bei dieser Gelegen-

140 Nachträge.

heit gestattet, einiges über Erasmus zu sagen, was zur Ergänzung von oben S. 4, A. 2 dienen kann. 1516 wollte er hebräisch lernen. Johannes Colet schreibt an ihn : . . . . agnoscens etiam te, qui es mecum par aetate et annis, nunc Hebraicis literis te dare. 13. October 1516. Opp. vol. III.. col. 1573. Epist. (App.) LXXXIV. Aber noch 1. December 1519 schreibt er, vielleicht in Betreff eines neuen Professors an Adrians Stelle : De Hebraeo non possum judicare, sed consulam eos, qui sine dubio possunt. 1. c. col. 523, epist. CCCCLXXX. Unwissenheit, die sich breit machte, verspottete er auch hier. Er erzählt eine Geschichte von einem Theologen, der vor dem König von England das kühne "Wort sprach, das Griechische könne er nicht verachten, weil es vom Hebräischen abstamme, und der wegen dieser Behauptung von Hofe weggejagt worden (Petro Mosellano, 1519, I.e. col. 408, epist. CCCLXXX.), und von einem Professor der Theologie, der später Bischof geworden sei, und der die weise Behauptung vorbrachte, Paulus habe an die Corinther hebräisch geschrieben (Martino Lipsio, 5. Sept. 1528, 1. c. col. 1108, epist. DCCCCLXXIX). Wir haben schon oben gesehen (S. 43. A. 1). dass er Capito's Kenntniss des Hebräischen sehr hoch schätzte; dennoch hätte er lieber gesehen, dass er sich mit anderen Studien, z. B. dem Griechischen, beschäftige. Eine bezeich- nende Stelle darüber mag hier Platz finden: Optarim te propensiorem ad Graeca quam ista Hebraica, licet ea non reprehendam; video gentem eam frigidissimis fabulis plenam, nihil fere nisi fumos quosdam objicere, Talmud, Cabalam, Tetragrammaton, Portas Lucis, inania nomina: Scoto malim infec- tum Christum quam istis naeniis. Italia multos habet Judaeos, Hispania vix habet Christianos . . . Atque utinam Christianorum ecclesia non tantum tribueret veteri testamento quod cum quo tempore datum umbris constet, Christianis literis pene antefertur; interim utcumque defiectimus a Christo qui vel unus nobissufficiebat (13. März 1518, 1. c.col. 1675, epist. (app.) CCLXXII.) Zu S. 128 u. A. 4. Auch Melancht. benutzte seine Kenntniss d. Hebräischen : Peto ab Osiandro Babinorum i^y^jeis de lege Judaica, qua frater mortui fratris uxorem ducere iubetur. An Veit Dietrich, 9. Februar 1536. Corpus Keformatum III, col. 30. Um von dem Juden - Schulmeister Wölfflin chal- däisch zu lernen, muss Osiander, da den Juden der Eingang in die Stadt verboten war, den Kath um die Erlaubniss bitten, denselben in sein Haus zu nehmen. Vgl. Andreas Würfel: Nachricht von der Juden -Gemeinde zu Nürnberg. 1775. S. 96.

Berichtigungen:

S. 1", Z. 1 streiche „und".

S. 30, Z. 3 lies: „es" statt „ihn".

S. 33, Z. 6 v. u. lies: „mirifico" statt „merifico".

S. 58, A. 1 lies: „curabimus" statt „cuarbimus".

S. 89, Z.H. v.o. lies: „Aininan's" statt „Arninon's"

Druck von Heinrich Lindner in Breslau.

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