HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. us © swchange- . Aprel 5.1896 Mayr Igoz, u. wäh © BIETE EEE 127) % Mu DBENKSCHRIEIE MEDIEINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. I. MIT 39 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND S6 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA, VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 18941897. ZOÖLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. MIT UNTERSTÜTZUNG DES HERRN DR, PAUL VON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891-1893 VON DR. RICHARD SEMON. ESSOR IN JENA. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, |. Tarsı mar TEXT. JENA, VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1894 — 1897. DENSSCHRIEIER N DER MEDIGINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCIIPEL. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. MIT 39 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND S6 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1894—1897. ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. MIT UNTERSTÜTZUNG DES HERRN DR, PAUL VON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891--1893 VON D&, RICHARD SEMON J ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. MIT 39 LITHOGRAPIISCHEN TAFELN UND 86 ABBILDUNGEN IM TEXT. TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1894 —1897. Inhaltsverzeichniss. Semon, Richard, Beobachtungen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen nebst Notizen über ihre Körpertemperatur. Erschienen 1894 Semon, Richard, Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. Mit Tafel I—-VII und 6 Abbildungen im Text. Erschienen 1894 . Semon, Richard, Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. Mit Tafel VIII—XI und 10 Ab- bildungen im Text. Erschienen 1894 Ruge, Georg, Die Hautmuskulatur der Monotremen und ihre Beziehungen zum Marsupial- und Mammarapparate. Mit Tafel XII und 38 Abbildungen im Text. Erschienen 1895 Klaatsch, Hermann, Studien zur Geschichte der Mammarorgane. ı. Theil: Die Taschen- und Beutelbildungen am Drüsenfeld der Monotremen. Mit Tafel XIII—XV und 2 Abbildungen im Text. Erschienen 1895 Hochstetter, Ferdinand, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefäss- systems der Monotremen. Mit Tafel XVI—XIX und 3 Abbildungen im Text. Erschienen 1896 . Narath, Albert, Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. Mit Tafel NX—XXII und 3 Abbildungen im Text. Erschienen 189 . Oppel, Albert, Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. Mit Tafel XXIII—XXVI Erschienen 1896 . Braus, Hermann, Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. Mit Tafel XXVII—XXXII und 11 Abbildungen im Text. Erschienen 1896 ER Emery, Carlo, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fuss- skeletts der Marsupialier. Mit Tafel NXXIIT—XNXXVI und 13 Abbildungen im Text. Erschienen 1897 Oppel, Albert, Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. Mit Tafel XXXVII—- XXXIX. Erschienen 1897 Seite 3—15 19—58 61—74 77-155 157—188 191—243 247—274 277—300 303— 867 371—400 403—433 Anl SS , + Des ganzen Werkes Lieferung 3 ZVOLOGISCHE FORSCHUNGSKEISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. MIT UNTERSTÜTZUNG DES HERRN D®, PAUL VON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891-1893 VON DE&, RICHARD SEMON PROFESSOR IN JENA. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, I. LIEFERUNG: Richard Semon, Beobachtungen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen nebst Notizen über ihre Körpertemperatur. Richard Semon, Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. Richard Semon, Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. MIT 11 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 20 ABBILDUNGEN IM TEXT. TEXT. Pr Ian — JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1894. Diese Lieferung bildet zugleich die erste Lieferung des fünften Bandes der „Denkschriften der ee medieinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena.“ (Siehe Rückseite des Umschlages.) Verlag von 6 ustay Fischer in Jena. Dr. Richard. Professor an der Universität Jena, Studien über den Bauplan des Urogenitalsystems Semon, der Wirbelthiere, Dargelegt an der Entwickelung dieses Organsystems bei Ichthyophis glutinosus. Mit 14 lithographischen Tafeln. Preis: ı2 Mark, Die Entwickelung der Synapta digitata und die Stammesgeschiehte der Echinodermen. Mit 7 lithographischen Tafeln. 1853. Preis: 9 Mark. Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem malayischen Archipel. Mit Unterstützung des Herrn Dr. Paul von Ritter ausgeführt in den Jahren 1891—93 von Dr. Richard Semon. Erster Band: Ceradotus. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 1.) Ernst Haeckel, Systematische Einleitung: Zur Phylogenie der Australischen Fauna, — Richard Semon, Reisebericht und Plan des Werkes. — Richard Semon, Verbreitung, Lebensverhältnisse des Qeradotus Forster. — Richard Sie'mon, Die äussere Entwickelung des Oeradotus Forsteri. Mit 8 lithogr. Tafeln und 2 Abbildungen im Text. Preis : 20 Mark. ; : n g Fünfter Band: Systematik und Thiergeographie. Erste Lieferung, (Des ganzen Werkes Lieferung 2.) A. Ortmann, Crustaceen. — E. v. Martens, Mollusken. — W. Michaelsen, Lumbrieiden. — C. Ph. Sluiter, Holothurien. — ©. Boettger, Lurche (Batrachia). — 0. Boettger, Schlangen. — J. Th. Oude- mans, Eidechsen und Schildkröten. — A. Reichenow, Liste der Vögel. — F. Römer, Monotrema und Marsupialia. Mit 5 litbogr. Tafeln und 6 Abbildungen im Text. Preis: 20 Mark. Denkschriften der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Band I. Ernst Haeckel, Das System der Medusen. Erster Theil einer Monographie der Medusen. Mit einem Atlas von 4o Tafeln. 1880. Preis: ı20 Mark. Band II. Mit 2ı Tafeln. 1880. Preis: 60 Mark. — Hieraus einzeln: C. Frommann, Untersuchungen über die Gewebsveränderungen bei der multiplen Sklerose des Gehirns und Rückenmarks. Mit 2 Tafeln 1878. Preis: 10 Mark. — Oscar und Richard Hertwig, Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblättertheoriee Mit 3 lithographischen Tafeln. ı878. Preis: ı2 Mark, — Richard Hertwig, Der Organismus der Radiolarien. Mit 10 lithographischen Tafeln. 1879. Preis 25 Mark. E. E. Schmidt, Die quarzfreien Porphyre des centralen Thüringer Waldgebietes und ihre Begleiter. Mit 6 Tafeln. ı880. Preis: ı8 Mark. Band II. Willy Kükenthal, Vergleichend-Anatomische umd entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Walthieren. Mit 25 Tafeln. ı889—ı893. Preis: 75 Mark. — Erster Theil. Kapitel I: Die Haut der Cetaceen. Kapitel II: Die Hand der Cetaceen. Kapitel III: Das Centralnervensystem der Cetaceen, gemeinsam mit Theodor Ziehen. Mit ı3 lithographischen Tafeln. ı889. Preis: 35 Mark. — Zweiter Theil. Kapitel IV: Die Entwicklung der äusseren Körperform. Kapitel V: Bau und Ent- wicklung äusserer Organe. Kapitel VI: Die Bezahnung. Mit ı2 lithographischen Tafeln. 1803. Preis: 40 Mark. k Ammon Otto, Die natürliche Auslese beim Menschen. Auf Grund der Ergebnisse der anthropologischen ’ Untersuchungen der Wehrpflichtigen in Baden und anderer Materialien dargestellt. Preis: 7 Mark. Inhalt: Von der Vererbung. Die natürliche Auslese der Kopf-Formen der Wehrpflichtigen in Stadt und Land. Auslese-Erscheinungen bei den Pigmentfarben der Wehrpflichtigen in Stadt und Land. Wachsthums- Verschiedenheiten der Wehrpflichtigen in Stadt und Land. Entwickelungs-Verschiedenheiten der Wehrpflichtigen in Stadt und Land. Die natürliche Auslese und die seelischen Anlagen. Die Kopfiormen der Gympasiasten und die natürliche Auslese. Die kirchlichen Knaben-Conviete und die natürliche Auslese der Köpf-Formen. Die natürliche Auslese der Pigmentfarben in Gymnasien und kirchlichen Knaben-Convieten. Wachsthums- und Entwickelungs - Erscheinungen bei Gymnasiasten und Convict-Schülern. Die Entstehung von Bevölkerungs- Bisher erschienen. x Gruppen durch die natürliche Auslese. Die Bildung der Stände und ihre Bedeutung für die natürliche Auslese, FT Arbeiten, Morphologische, Herausgegeben von Dr. Gustav Schwalbe, o. ö. Professor der Anatomie u u. Dir. d. anatom. Instituts a. d. Univ. Strassburg i. E. ae Erster Band. Erstes Heft. Mit 7 Tafeln. Preis 8 Mark, 2 Inhalt: Pfitzner, Beiträge zur Kenntniss des menschlichen Extremitätenskeletts. Erste Abtheilung 1. Einleitung. Allgemeines. Methoden. II. Maassverhältnisse des Handskeletts. III. Maassverhältnisse des Fussskeletts. u N ; Zweites Heft. Mit 9 Tafeln. Preis 13 Mark. 5 = Inhalt: Siev eking, Beiträge zur Kenntniss des Wachsthums und der Regeneration des Knorpels nach Beobachtungen am Kaninchen- und Mäuseohr. — Garcia, Beiträge zur Kenntniss des Haarwechsels be menschlichen Embryonen und Neugeborenen. — Bethe, Beiträge zur Kenntniss der Zahl- und Maassverhältuisse der rothen Blutkörperchen. — Jahn, Beiträge zur Kenntniss der histologischen Vorgänge bei der Wach- thumsbehinderung der Röhrenknochen durch Verletzung des Intermediärknorpels. — Moser, Beitrag Kenntniss der Entwicklung des Knieschleimbeutels beim Menschen. — Scholl, über rätische und einige and. alpine Schädelformen, Pd Drittes Heft. Mit 8 Tafeln. Preis: 11 Mark. Er: Inhalt: Mehnert, Gastrulation und Keimblätterbildung der Emys Iutaria taurica. — Köppen, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Centralnervensystems der Wirbelthiere. Zur Anatomie des Eidechsengehirns, Viertes Heft. Mit 2 Tafeln. Preis: 12 Mark. ; „ Inhalt: Pfitzner, Beiträge zur Kenntniss des menschlichen Extremitätenskeletts. Zweite Abth IV. Die Sesambeine des menschlichen Körpers. 5 Li % . j in: e 4 T b i w. [3 un Fi; B #4» .' < ' P' u u. rin: N - v ri Ar KrSITE 5 %) Ba Fi: f JSG TFA s 2 ; KUHEEER THERME . | u "ORT RRERG TEE Ye Fi ee ET | | j u = f "ET . , ua’. = IR RL ed = £ be Br, ». 2 2 EEE RR Et TRRORRLT 18 IT . a . DENKSCHRIFIEN DER MEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. I. LIEFERUNG. MIT 11 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 20 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1894. ZVVLÖGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. MIT UNTERSTÜTZUNG DES HERRN DR, PAUL VON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891-1893 VON DR. RICHARD SEMON PROFESSOR IN JENA. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. I. LIEFERUNG: Richard Semon, Beobachtungen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen nebst Notizen über ihre Körpertemperatur. Richard Semon, Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. Richard Semon, Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. MIT 11 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 20 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1894. 2 Be X . | . raREn E u 5 s Beobachtungen über die Lebensweise und Portpflanzung der Monotremen nebst Notizen über ihre Körpertemperatur. Richard Semon in Jena Jenaische Denkschriften. V 1 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. De die Lebensweise der Monotremen besitzen wir ziemlich genaue Angaben, die sich allerdings grösstentheils auf Beobachtungen an gefangen gehaltenen Thieren gründen; über ihr Fortpflanzung ist bisher nur recht wenig bekannt geworden. Während meines langen Lagerlebens im Burnettdistrict habe ich der Biologie sowohl des Ameisenigels als des Schnabelthieres besondere Aufmerksamkeit zugewendet und kann über das Freileben beider merkwürdiger Geschöpfe eine Anzahl Beobachtungen mittheilen. Ausführlicher will ich bei ihrer Fortpflanzung und Brutpflege verweilen, die ja von besonderem Interesse sind. Es wird sich dabei empfehlen, Echidna und Ornithorhynchus getrennt zu behandeln. Eehidna. Geographische Verbreitung der lebenden und der fossilen Ameisenigel, Die Gattungen von Echidna sind gegenwärtig ebenso wie die Gattung Ornithorhynchus in ihrer geographischen Verbreitung auf die australische Region beschränkt. Die spärlichen Funde von fossilen Ornithorhynchus- und Echidna-Resten fallen in das Verbreitungsgebiet der recenten Formen. Ueber die verwandtschaftliche Stellung der eigentlichen Monotremen zu den mesozoischen und eocänen Allotheria (Multituberculata), die von Manchen für bezahnte Monotremen angesehen werden, lässt sich so lange kein bestimmtes Urtheil gewinnen, bis uns nicht weitere Funde über den Skeletbau dieser fast nur durch Zähne und Unterkiefer bekannten Säugethierordnung aufgeklärt haben werden. Die Säugethiergruppen, die man summarisch als Allotheria zusammenfasst, waren in Europa, Afrika und Amerika verbreitet; in Asien und Australien sind fossile Reste von ihnen bisher noch nicht gefunden worden. Die Verbreitung der eigentlichen Monotremen beschränkt sich innerhalb der australischen Region auf die Subregion des australischen Festlandes nebst Tasmanien und auf die austromalayische Subregion oder, genauer gesagt, auf die Hauptinsel des austromalayischen Archipels, auf Neu-Guinea, die dem australischen Continent auf das innigste anlagert und erst vor verhältnissmässig kurzer Zeit ihren Zusammenhang mit ihm verloren hat. Auf den übrigen kleineren Inseln der austromalayischen Subregion scheinen die Mono- tremen zu fehlen; ebenso fehlen sie in der polynesischen Subregion und auf der Neuseelandgruppe, die ja in ihrer Fauna ganz isolirt steht. Das „urangesessene Landsäugethier Neuseelands“, das seit einiger Zeit in manchen Büchern eine spukhafte Existenz führt, dürfen wir wohl füglich so lange auf sich beruhen lassen, bis es in Fleisch und Blut in Erscheinung getreten ist. Der oben umgrenzte Verbreitungsbezirk wird von Echidna in seiner ganzen Ausdehnung bewohnt, wo immer sich günstige Standorte für das Thier finden. Folgen wir der systematischen Eintheilung von O. Tuomas'), so haben wir zwei Gattungen von Ameisenigeln zu unterscheiden: die Gattung Echidna, die auf Tasmanien, dem australischen Festlande 1) ©. Thomas, Catalogue of the Marsupialia and the Monotremata in the collection of the British Museum. London 1888, ae Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 4 4 und Neu-Guinea vorkommt, und die Gattung Proechidna, vertreten durch die einzige Species Broechtuhn bruijnii (PETERS und DoRr1a), die bisher nur in Nordwest-Neuguinea gefunden worden ist. Auch die Gattung Echidna wird bloss durch eine einzige Art repräsentirt: Echidna aculeata Cuy.. Leis Bu eRe drei geographische Varietäten dieser Art: Echidna aculeata var. typica, die den australischen Continent in Euer ganzen Ausdehnung von Norden bis Süden und Osten bis Westen bewohnt; E. aculeata var. setosa, die auf Tasmanien beschränkt zu sein scheint; endlich E. aculeata var. lawesi, die an der Südostküste von Neu- Guinea vorkommt. Hierzu kommen zwei fossile (pleistocäne) festländische Arten, die sich durch bedeutende Grösse auszeichnen: Echidna Oweni KREFFT und die von DE Vıs bei Chinchilla gefundene Echidna amplor. Die Verbreitung der Ameisenigel erstreckt sich demnach von dem gemässigten Tasmanien, das eine mittlere Wintertemperatur von 8° C hat und gelegentlich eine winterliche Schneedecke trägt, bis nahezu zum Aequator. Standorte, Häufigkeit, Jagd und Verwendung. Echidna aculeata var. iypica bewohnt vorwiegend die eigenthümlichen, für Australien charakteristischen Dickichte, die von gewissen Eucalyptus-, Acacia- und Melaleuca-Arten gebildet werden, und die man als „scrubs“ bezeichnet. Auch zerrissene, unzugängliche Felsgegenden mit spärlicher Vegetation dienen dem Ameisenigel zum Aufenthalt. Je dichter der Scrub, je rauher, wilder, unwegsamer die Gegend, um so mehr werden sie von unseren Thieren bevorzugt. Nur ganz ausnahmsweise findet man einmal vereinzelte Exemplare im offenen, lichten Busch. Aber selbst aus den dichten Scrubs ziehen sie sich zurück, wenn in ihrer Nähe menschliche Ansiedelungen emporwachsen. So erhielt ich in der Nähe der kleinen Ansiedelung Gayndah innerhalb acht Tagen nur ein einziges Exemplar, und meine Schwarzen weigerten sich, hier über- haupt in den nahegelegenen Scrubs nach ihnen zu suchen. Doch auch da, wo die Thiere häufig sind, kann man Jahre lang leben, ohne ein einziges zu Gesicht zu bekommen, und viele Colonisten, die sonst jedes Thier und jede Pflanze im Busch kennen, haben nie oder doch nur ausnahmsweise einen Ameisenigel xesehen. Dies liegt nicht allein an der Lebensweise der Thiere, die eine vorwiegend, wenn auch nicht ausschliesslich nächtliche ist. Die meisten Baumbeutelthiere, wie das allbekannte australische „Opossum“ (Trichosurus syn. Phalangista), die Flugbeutler (Petaurus), sind durchaus nächtliche Thiere, und dennoch kennt sie Jedermann; sie bilden charakteristische Erscheinungen der australischen Mondscheinlandschaft. Bei Echidna kommt zu der nächtlichen Lebensweise noch die Un- zugänglichkeit ihrer Standorte und das scheue, geräuschlose Wesen der Thiere selbst hinzu, die, sobald Gefahr zu drohen scheint, ihre Wanderung einstellen und wie durch Zauberkraft in wenigen Minuten geräuschlos im Boden verschwinden. Hieraus erklärt sich denn auch, dass während meines Aufenthaltes in Australien weder von mir selbst noch von einem meiner weissen Begleiter, die sämmtlich kundige und erprobte Jäger waren, ohne Beihülfe der Schwarzen eine einzige Echidna erbeutet worden ist, während wir Ornithorhynchus und alle Beutelthierarten in Menge erlegten. Ein Weisser stösst wohl einmal gelegentlich aus Zufall auf eine Echidna. Zum systematischen Fange dieser Thiere bedarf es aber des Spürsinns und Falkenauges der australischen Eingeborenen. Meine Schwarzen zeigten sich in dieser Art Jagd wohlbewandert, da Echidna eine Lieblingsspeise von ihnen bildet. Die Zubereitung ist eine ähnliche, wie sie die europäischen Zigeuner dem Igel zu Theil werden lassen. Die Thiere werden ausgenommen, aber nicht abgehäutet, dann mit Haut und Stacheln über dem Feuer oder‘ in der heissen Asche geröstet. Der Paniculus adiposus, der bei manchen Exemplaren überaus stark entwickelt ist, gilt als besondere Delicatesse. Die Schwarzen sagten, dass Echidna, am Burnett „Cauara“ genannt, wenn sie hinlänglich fett wäre, sogar dem Rindfleisch vorzuziehen sei, die höchste Anerkennung, die sie einer Speise zollen können. Manche Weissen sind derselben Ansicht. Ich für meine Person kann sie nicht theilen, da das Echidna-Fleisch einen mir fatalen Geruch und Beigeschmack besitzt. Um Echidna zu fangen, geht der Schwarze, begleitet von seinen Hunden, in den dichten Scrub 5 Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 5 oder in solche Felsgegenden, wo sein geübtes Auge Fährten oder Grabspuren des Thieres entdeckt hat. Der Schwarze arbeitet mit dem Gesichtssinn, er folgt den Spuren des Thieres kreuz und quer und hat oft meilenweit zu wandern, bis er an die Stelle kommt, wo der ahnungslose Ameisenigel in einem Felsversteck oder in einer selbstgegrabenen Höhle friedlich schlummert. Inzwischen arbeiten die Hunde mit der Nase und rufen durch ihr Gebell ihren Herrn an die Stelle, wo sie die stachlige Beute entdeckt und gestellt haben. Ich habe im Allgemeinen gefunden, dass, wenn ein Schwarzer mit einem guten Hunde auszog, und beide ihrer Arbeit eifrig oblagen, die Chancen des Erfolges für Mensch und Hund etwa gleiche waren. Erschwert wird die Arbeit durch den Umstand, dass der bedächtige Ameisenigel Nachts einen weiten Bezirk kreuz und quer durchstreift und ein wahres Labyrinth von Spuren erzeugt. Mehr wie vier Ameisenigel an einem Tage wurden von einem einzelnen Schwarzen niemals erbeutet; häufig brachte der Einzelne nur ein oder zwei, zuweilen auch gar kein Exemplar nach Hause, obwohl er eifrig gesucht haben wollte. Die Wahrheit letzterer Behauptung liess sich natürlich nicht feststellen. Meine Schwarzen gingen stets nur bei Tage auf die Echidna-Jagd. Die Unwegsamkeit der Stand- orte würde eine nächtliche Jagd sehr erschweren, und müsste man sich dann im Wesentlichen auf die Hunde verlassen. Doch sind solche nächtliche Jagden für die australischen Eingeborenen ganz aus- geschlossen, da diese Leute viel zu abergläubisch sind, um Nachts herumzustreifen, zu jagen oder gar einen Scrub zu betreten. Dagegen unternahmen die Papuas in Hula auf Neu-Guinea eine nächtliche Jagd, um für mich die papuanische Varietät, für die ich einen hohen Preis ausgesetzt hatte, zu erbeuten. Obwohl eine grosse Anzahl Eingeborene mit vielen Hunden auszogen und einen grossen Theil der Nacht hindurch jagten, wurde keine einzige Echidna gefunden. Die Papuas sind eben als Jäger nicht mit den australischen Ein- geborenen zu vergleichen. Nur in der Treibjagd auf Kängurus besitzen sie bedeutende Geschicklichkeit und Erfahrung. Dasselbe gilt für ihre Hunde im Vergleich zu den Hunden der Australier. Wie schon CALDweErr aufgefallen ist, überwiegt bei Echidna das männliche Geschlecht an Zahl das weibliche bei weitem. Auf ein gefangenes Weibchen kommen zwei bis drei Männchen. Dieses Verhält- niss kann nicht in einer grösseren Vorsicht und Scheu der Weibchen seinen Grund haben, denn die meisten Thiere wurden, wie erwähnt, aus ihrem Lager herausgeholt. Ein ähnliches Ueberwiegen des männ- lichen Geschlechts fand ich übrigens auch bei Ornithorhynchus. Entgegen der Angabe von Tnomas (Catalogue, p. 375: „sexes not markedly different in size“) kann ich angeben, dass die voll ausgewachsenen Männchen die ausgewachsenen Weibchen an Grösse nicht unerheblich übertreffen, und zwar in allen Dimensionen des Körpers. Im Jahre 189: sammelte ich von September bis Anfang November, im Jahre 1892 von Juni bis Mitte September am Burnett Ameisenigel und erbeutete zusammen 127 Weibchen, von denen nicht ganz die Hälfte ein befruchtetes Ei oder ein Beuteljunges hatte. Diesen 127 Weibchen entsprechen gegen 300 gefangene Männchen, über die ich keine genauen Angaben machen kann, da ich von ihnen nur den kleinsten Theil den Schwarzen abnahm. Im Ganzen werden während jener fünf Monate über 400 Echidna von den Schwarzen für mich gefangen worden sein, ein gutes Resultat, wenn man die Schwierigkeit des Fanges und die geringe Zahl der in meinen Diensten stehenden Eingeborenen berücksichtigt. Lebensweise. Ueber die Lebensweise der continentalen Varietät sind wir besonders durch die vortreffllichen Beobachtungen G. BEnnET’s und seines Sohnes so gut unterrichtet, dass ich wenig hinzuzufügen habe und ihre Angaben durchaus bestätigen kann. Diese Mittheilungen, ebenso wie die zahlreichen Beobachtungen über das Verhalten der Echidna in der Gefangenschaft findet man in übersichtlicher Weise in der neu- bearbeiteten dritten Auflage von Breum’s Thierleben zusammengestellt. Beiläufig sei erwähnt, dass die Ameisenigel ziemlich stark von Ecto- und Endoparasiten leiden. Ihre Haut ist äusserst fest und dick, so dass sie sie wie ein Panzer gegen die Bisse der Ameisen schützt, 6 Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 6 die in Australien durch ungemein streitbare und wohlbewehrte Völker vertreten sind. Dagegen bietet dieser Panzer gegen die zahlreichen Zecken des australischen Busches keinen Schutz, BE Sr traf ich ein Exemplar ohne diesen Parasiten an. Im Darm von Echidna findet man sehr hänge Feine Taenie. Dieselbe wird im fünften Bande dieses Reisewerkes von Professor ZScHOKKE in Basel beschrieben werden. Etwas eingehender möchte ich nur auf die geistigen Fähigkeiten des niedersten Säugethieres ein- gehen, über die bisher nur spärliche Beobachtungen vorliegen. Das Gehirn von Echidna ist für ein in der Stufenleiter so niedrig stehendes Geschöpf auffallend gross, im Verhältniss zur Körpergrösse voluminöser als das der Beutelthiere, ausserdem ausgezeichnet durch reichliche Furchen und Windungen seiner Oberfläche. Es ist ungemein schwierig, von dem Seelenleben und der Intelligenz von Geschöpfen eine richtige Vorstellung zu gewinnen, die in ihrer ganzen Organisation noch so bedeutend von der unserigen abweichen. Es giebt wohl kein zweites Gebiet der Erkenntniss, in dem es so schwer, ja unmöglich ist, den anthıropo- centrischen Standpunkt zu verlassen, als das der Thierpsychologie. Der Schluss, den wir aus dem Gebahren eines Thieres auf seine Intelligenz machen, ist meist ein ganz oberflächlicher, einfach weil wir so häufig die eigentlichen Triebfedern dieses Gebahrens nicht verstehen. Die Aussenwelt wird sich eben in einem Geschöpfe anders projiciren, bei dem diese Projection durch ganz andere Pforten erfolgt, bei dem Geruchssinn, Gehör, Gefühlssinn viel vollkommener, der Gesichtssinn ganz anders ausgebildet ist als bei uns. Ein Thier, das sich schwer oder gar nicht an die veränderten Lebensbedingungen der Gefangen- schaft gewöhnt, ist deshalb noch nicht nothwendigerweise dumm; eines, das auf solche Reize, die uns stark beeinflussen, nur träge reagirt, noch nicht schlechthin stumpfsinnig. Eine gefangene Echidna erscheint, wenn wir dennoch einen solchen ganz rohen Maassstab anlegen wollen, ziemlich dumm und stumpfsinnig. Eine grosse Furchtsamkeit verhindert, dass die Thiere eigentlich zahm werden, obwohl sie sich allmählich an ihren Pfleger gewöhnen. Unstreitig ist ihre Intelligenz viel grösser als die wohl aller Reptilien, obwohl sie weit unter der der Vögel und höheren Säugethiere und wohl auch unter der der meisten Beutelthiere steht. Auffallend ist ihr ungemein stark ausgeprägter Frei- heitsdrang. Der Gefangenschaft suchen sie sich mit allen Mitteln zu entziehen und wenden zu diesem Zwecke eine gewaltige Energie auf. Tags über verhalten sie sich meist ruhig in ihrem Gefängnisse und scheinen ganz in ihr Schicksal ergeben. Bei Nacht aber erwacht in dem scheinbar so lethargischen Thiere eine staunenswerthe Regsamkeit und Willenskraft. Aus Kisten klettern sie leicht hinaus, lose aufgelegte Kistendeckel werden herabgeworfen, leicht zusammengenagelte Kisten, deren Bretter nicht überall dicht gefügt sind, vermittelst der kräftigen Extremitäten gesprengt. Da ich den Schwarzen nur für lebende Exemplare den vollen von mir festgesetzten Preis bezahlte, und die Leute von ihren weiten Streifereien nicht immer noch an demselben Tage zu meinem Lager zurückkehren konnten, mussten sie häufig die Thiere über Nacht gefangen halten, ohne natürlich zu diesem Zwecke passende Behälter mit sich führen zu können. Wurden die Thiere nun mit starken Schnüren an einem oder zwei Beinen gefesselt, so gelang es ihnen über Nacht fast regelmässig, die Banden abzustreifen, so fest dieselben auch zugeschnürt sein mochten. Auf ihre eigene Haut nahmen die Thiere dabei nicht die geringste Rücksicht. Die Schwarzen waren über die ihnen hieraus erwachsenen Verluste sehr ungehalten und halfen sich damit, dass sie ‘die Beine der Thiere durchbohrten und die Schnüre durch die Wunde zogen. Das war denn ein sicheres Mittel, aber so grausam, dass ich seine Anwendung untersagte, als ich davon erfuhr. Ich gab dann den Schwarzen kleine Säcke mit, in die sie die Thiere über Nacht einbinden konnten. Waren die Säcke dicht und wurden sie sorgfältig zugebunden, so erfüllten sie ihren Zweck; waren die Schwarzen aber mit dem Zubinden leichtsinnig, so gelang es dem willensstarken Ursäugethier über Nacht, die ersehnte Freiheit zu erkämpfen. Bei einer derartigen Gelegenheit konnte eine interessante Beobachtung über den Ortssinn der Ameisenigel gemacht werden. Ein gefangener Ameisenigel wurde aus seinem Scrub 6 km weit bis zu meinem Lager in einem Sack getragen. Ueber Nacht gelang es ihm, sich zu befreien. Einer meiner Schwarzen ging seinen Spuren nach, die in gerader Richtung zu dem fast eine Meile entfernten Punkte zurückführten, an dem das Thier gefangen worden war. In der Nähe der alten Fangstelle fand es sich denn 7 Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 7 ruhig schlummernd in einer selbstgegrabenen Höhle. Erwägt man, dass das Thier in einem Sack in mein Lager getragen worden war, und dass es in gerader Richtung zu seinem alten Aufenthalt zurückging, so liegt es am nächsten, an den Geruchssinn zu denken, von dem sich das Thier zurückleiten liess. Besonders in der Brunstzeit verbreiten beide Geschlechter einen ausgesprochenen Geruch, der wohl zum gegenseitigen Auffinden der Geschlechter und zur sexuellen Erregung dienen mag. Er ist es auch, der dem Fleisch der in der Haut gerösteten Thiere den eigenthümlichen Beigeschmack verleiht. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Sporn des männlichen Thieres mit dem damit ver- bundenen Drüsenapparat ebenfalls als ein sexuelles Erregungsorgan aufzufassen ist. Ohne für die Function des Organs selbst etwas Neues bringen zu können, kann ich wenigstens die Beobachtungen BENNET's vollständig bestätigen, die eine Deutung des Sporns als Giftstachel oder überhaupt als Waffe ausschliessen. Kein einziger der Hunderte von Ameisenigeln, die ich lebend in Händen gehabt habe, versuchte jemals, sich des Sporns als Waffe zu bedienen. Die Schutzwaffe des stachelbedeckten Ursäugers ist das Einrollen und das Eingraben, ein Schutz, der stark genug ist, um das vorsichtige, behutsame Thier vor den Nach- stellungen fast aller Verfolger sicher zu stellen. In Breuw’s Thierleben (dritte Auflage, p. 715) finde ich die Angabe: „Die Stimme, welche man von dem sonderbaren Gesellen vernimmt, wenn er sich sehr beunruhigt fühlt, besteht in einem schwachen Grunzen.“ Ich weiss nicht, woher diese Angabe stammt. Von keinem der zahlreichen Ameisenigel, die ich lebend gehalten habe und die ich tödten musste, was nicht immer auf den ersten Streich gelang, habe ich jemals einen Laut vernommen. Fs kann ja sein, dass es Leute mit besonders feinen Ohren giebt, die mehr hören als ich, der ich übrigens eine recht gute Hörschärfe besitze. Ich will darum eine positive Angabe nicht direct bestreiten, halte aber Skepsis für angebracht, bis diese Beobachtung wiederholt worden ist. Auch GEORGE BEnNET!) giebt an, dass er niemals einen Laut irgend welcher Art von Echidna vernommen hat, während er an verschiedenen Stellen vom „growling“, „squeaking“, „whistling“ Lauten bei Ornitho- rhynchus berichtet. Fortpflanzung. Die Brunstzeit der Echidna aculeata var. typica beginnt im Burnettdistricet (24—26° S. B., 150—152° O. L. von Gr.) gegen Ende des Juli. Im Jahre 1892 fand ich das erste Exemplar mit einem Ei im Uterus am 23. Juli. Mitte August war etwa die Hälfte der mir gebrachten Weibchen trächtig oder hatte Eier im Beutel. Ende August hatten fast alle ausgewachsenen Weibchen Eier im Uterus oder Beutel oder Junge im Beutel. Unter den gefangenen Weibchen liessen sich um diese Zeit zwei durch ihre Grösse verschiedene Kategorien unterscheiden. Die eine war in allen Körperdimensionen kleiner als die andere. Die Ovarien dieser kleineren Kategorie waren ausnahmslos unentwickelt und unreif. Eier im Uterus oder Beutel oder auch Beuteljunge wurden niemals bei ihnen gefunden. Ich halte diese Kategorie, denen eine ähnlich kleine, ebenfalls unreife Kategorie von Männchen entspricht, für einjährige Thiere, die noch nicht voll ausgewachsen sind. Zu diesem Schluss wird man mit Nothwendigkeit dadurch geführt, dass um diese Zeit kleinere Thiere überhaupt nicht gefunden werden. Viel zahlreicher ist die zweite grössere und geschlechtsreife Kategorie, die sich zusammensetzt aus den Thieren, die zwei Jahre alt oder älter sind. Dass dieselben mindestens zweijährig sind, wird dadurch bewiesen, dass sich Zwischenformen zwischen ihnen und der einjährigen Generation nicht finden. Bei jenen älteren Thieren sind um diese Zeit die Ovarien und Hoden voll entwickelt. Die Hoden, die bekanntlich bei den Monotremen die Bauchhöhle nicht verlassen, haben die Grösse von ansehnlichen Walnüssen. Die ÖOvarien sind von beträchtlicher Dicke; ihre ganze Oberfläche ist mit rundlichen Erhebungen bedeckt, die von der Grösse eines Hirsekorns bis zur Grösse einer kleinen Erbse schwanken. Es sind dies die Eier in ihren verschiedenen Entwickelungsstadien. Nach Ablauf der Brunst nimmt die 1) G. BENNET, Gatherings of a naturalist in Australia, London, John van Voorst, 1860, p. 150. Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 8 8 Grösse der Keimdrüsen wieder sehr erheblich ab. Die Hoden schrumpfen auf Bohnengrösse zusammen. Der Umfang der Ovarien verkleinert sich sehr beträchtlich, besonders im Querdurchmesser;, ihre Oberfläche verliert die Höcker, indem nach erfolgter Befruchtung die überschüssigen Eier zerfallen und resorbirt werden, so dass schliesslich nur eine gewisse Wulstung an der Oberfläche der Ovarien bestehen bleibt. Ganz ähnliche Verhältnisse einer einjährigen unreifen und einer geschlechtsreifen zweijährigen und älteren Generation, ein ähnliches An- und Abschwellen der Keimdrüsen während und nach der Brunst zeigt Ormithorhynchus. Es ist hier nicht der Ort, eine genauere makroskopische und mikroskopische Beschreibung der Keimdrüsen in ihren verschiedenen Phasen zu geben, da diese Aufgabe einer besonderen Untersuchung vorbehalten bleiben soll. Dasselbe gilt für den Brutbeutel und die Brustdrüse von Echidna. Die Beuteltasche von Echidna entwickelt sich bei beginnender Brunst und vergrössert sich successive mit dem Grösserwerden des Beuteljungen; nach Entlassung des Jungen verstreicht sie wieder. Die Monotremen haben in jedem Jahre nur eine Brunst. Für Echidna gilt die Regel, dass jedesmal nur ein einziges Ei befruchtet wird und sich weiter entwickelt. Dies kann ich nach Untersuchung von etwa 60 Weibchen, die entweder trächtig waren oder Beuteleier oder Beuteljunge besassen, constatiren. Doch fand ich in einem einzigen Falle ein Weibchen mit zwei grossen, 69 mm langen Jungen im Beutel. Nach erfolgter Befruchtung wird das Ei von einer dünnen Keratinhülle umgeben und durchläuft nun seine erste Entwickelung im linken Uterus. Niemals fand ich ein Ei im rechten Uterus, obwohl auch dieser während der Brunstzeit angeschwollen und reichlich vascularisirt war. Auch das rechte Ovarium schwillt übrigens während der Brunstzeit an und producirt zahlreiche grosse, stark über die Oberfläche prominirende Eier. Wie es scheint, werden aber diese Eier des rechten Ovariums niemals durch Bersten des Follikels frei. Ungleich den Eiern der Reptilien und Vögel behält das Echidna-Ei im Uterus nicht seine Grösse bei, sondern es wächst um ein Vielfaches seines ursprünglichen Volumens. Trotz seines Dotterreichthums gleicht es in dieser Beziehung viel mehr den Eiern der Marsupialier und Placentalier. So wog ein aus der Schale genommenes Uterinei 0,02 g, ein aus der Schale eines Beuteleies genommener Embryo aber 0,12 g, also das Sechsfache. Dabei hatte sich auch der Durchmesser der Schale sehr beträchtlich vergrössert; er betrug beim Uterinei 4,5 mm; das in dieser Schale liegende Ei hatte einen Durchmesser von 4 mm. Der Durchmesser eines Beuteleies beträgt aber durchschnittlich Is mm oder, da die meisten Eier nicht genau kugelrund, sondern ellipsoidisch sind, grosser Durchmesser 16'/, mm, kleiner Durchmesser 13 mm. Die Schale wird während dieses Wachsthumsprocesses nicht nur weiter, sondern auch dicker und schwerer. Das Gewicht der Schale eines Uterineies betrug 0,006 &, das einer Beuteleischale 0,15 g. Der Schalen- querschnitt des Uterineies betrug 0,012 mm, der des Beuteleies 0,14 mm '). Ueber den Geburtsact weiss ich nichts zu berichten ; ebensowenig, wie es der Mutter gelingt, das abgelegte Ei mittelst ihrer plumpen Extremitäten oder ihrer rüsselförmig verlängerten Schnauze in den Beutel hineinzupracticiren. Die Grösse des Eies und die Enge der Mundspalte macht es unmöglich, dass das Ei dabei zwischen die Lippen genommen wird, wie es wohl bei den meisten Beutelthieren geschieht. Vielleicht schiebt aber Echidna das Ei mit der Schnauze vom Boden her in den Beutel hinein. Der jüngste Embryo, den ich in einem Beutel fand, hatte eine Länge von 5,5 mm; der älteste eine Länge von I5 mm. Gleich nach der Geburt wird die gesprengte Eischale aus dem Beutel entfernt, denn niemals fand ich Reste von ihr in einem Beutel, der ein Beuteljunges enthielt. Sobald das Beuteljunge die Eischale gesprengt hat, schrumpfen Dottersack und Allantois zusammen und bilden für einige Zeit am Nabel einen vertrockneten Anhang, der endlich abgestossen wird. Da keine Zitzen vorhanden sind, kann das Junge sich nicht ansaugen. Ich fand es stets frei im Beutel liegen. Grössere Mengen Milch sah ich niemals im Beutel. Wahrscheinlich wird alles, was secernirt wird, sofort vom Jungen aufgeleckt. Der Darmtractus der Jungen war stets mit einer reich- lichen Menge einer weissen, milchähnlichen Flüssigkeit prall erfüllt. Im Magen mancher Embryonen befand . 1) Näheres über die chemische und morphologische Beschaffenheit der Schale, sowie über ihr Wachsthum findet sich in der dritten Abhandlung dieser Lieferung: „Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen“. 9 Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 9 sich statt der Flüssigkeit ein fester Pfropf, und unter dem Einfluss der Alkoholbehandlung gerann der flüssige Mageninhalt stets zu einem festen, käseähnlichen Coagulum. Die weissliche Farbe der Flüssigkeit wird durch die Gegenwart von zahlreichen Fettkügelchen verursacht. Herr Professor R. NEUMEISTER hatte die Güte, das Coagulum für mich chemisch zu untersuchen. Die Masse erwies sich als ein Eiweisskörper; es fand sich aber weder Milchzucker noch Phosphorsäure darin. Die Milch der Monotremen scheint sich also in ihrer chemischen Zusammensetzung von der der höheren Säugethiere zu unterscheiden. Denn wenn auch die Möglichkeit nicht abzuweisen ist, dass der Milchzucker durch die Alkoholbehandlung künstlich entfernt worden ist, kann die Abwesenheit der Phosphor- säure nicht in gleicher Weise erklärt werden. Das Junge durchläuft seine weitere Entwickelung im Beutel, bis es etwa die Länge von 8o—g9o mm erreicht hat, zu welcher Zeit eben die Stacheln hervorzubrechen beginnen. Von Mitte October an fanden meine Schwarzen verschiedene derartige Exemplare ausserhalb des mütterlichen Beutels in kleinen Erdhöhlen. Berücksichtigt man, dass die ersten reifen Weibchen Ende Juli gefunden wurden, die ersten freien Jungen aber Mitte October, so kann man das Alter der letzteren von der Befruchtung des Eies bis zum Freileben des Jungen mit annähernder Sicherheit auf 10 Wochen berechnen. Die Schwarzen gaben mir übereinstimmend an, dass die Alte zunächst noch einige Zeit lang zum Jungen zurückkehrt, um es in den Beutel aufzunehmen und zu säugen. Wenn sie Nachts ihren Streifereien nachgeht, entledigt sie sich der beträchtlichen, ihr unbequem werdenden Last, indem sie für das Junge eine kleine Höhle gräbt, zu der sie nach beendigter Streife wieder zurückkehrt. Dass sich das wirklich so ver- hält, kann man aus den frischen Spuren der Alten in der Nähe des Lagers des Jungen und auch daraus entnehmen, dass der Magen solcher Jungen Milch enthält. Wir beobachten also bei diesem niedersten Säugethier ebenso wie bei dem verwandten Ornithorhynchus eine ausgeprägte Brutpflege, die sich ähnlich wie bei den Beutelthieren über die Zeit hinaus ausdehnt, während welcher das Junge dauernd im Beutel getragen wird. Ornithorhynchus. Geographische Verbreitung der recenten und der fossilen Art. Die Schnabelthiere haben eine weit beschränktere Verbreitung als die Ameisenigel. Sie bewohnen das südöstliche Viertel des australischen Continents und Tasmanien. Sie fehlen im Westen und in den nördlichen Theilen nordwärts vom 18° S. Br. v. Gr., sowie in Neu-Guinea. Innerhalb dieses Verbreitungs- gebietes wird die Gattung nur durch eine einzige lebende Art repräsentist, die wir mit ©. THomas Ornitho- rhynchus anatinus (SHAW) zu nennen haben. SHaw gab im Jahre 1799 die erste Beschreibung des Thieres und nannte es Platypus anatinus. Ein Jahr später, im Jahre 1800, wurde es von BLumEngacH unter dem Namen Ornithorhynchus paradoxus beschrieben. Als Suaw die Gattung mit dem Namen Plaiypus belegte, war dieser Gattungsname schon für eine Käfergattung (im Jahre 1793) vergeben. Nach den Regeln der Nomenclatur ist die Gattung demnach Ornithorhynchus, die Art aber anatinus zu benennen. Merkwürdigerweise hat sich der zu beseitigende Gattungsname Plalypus, der wissenschaftlich längst obsolet geworden ist, in Australien im Munde der Colonisten erhalten, und in ganz Queensland wird das allen Ansiedlern wohlbekannte Thier allgemein „Platypus“ genannt. Die schwarzen Eingeborenen am Burnett nennen es „Jungjumore“; es giebt natürlich fast ebenso viele Namen für das Thier, als eingeborene Sprachen in den von ihm bewohnten Gebieten " existiren. Jenaische Denkschriften V, 2 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. Io Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. Io Reste einer fossilen Ornithorhynchus-Art (rechte Tibia und Unterkiefer): Ornithorhynchus agilis DE Vıs sind am Kings Creck bei Pilton in Queensland aufgefunden und von DE Vıs beschrieben worden !). Dieser fossile Fund fällt in das Verbreitungsgebiet der recenten Form. Standort, Häufigkeit, Lebensweise, Jagd und Verwendung. Ornithorhynchus anatinus bewohnt die Ufer der fliessenden Gewässer seines Verbreitungsbezirks. Es folgt denselben von den Quellgebieten bis in die Ebene hinunter. Die Hauptbedingung für sein Vorkommen ist die Einschaltung einigermaassen ausgedehnter Austiefungen in das Flussbett, in denen das Wasser langsam fliesst. so dass sich auf dem Grunde Schlamm absetzen und eine Vegetation von Wasserpflanzen sich entwickeln kann, die zahlreichen Wasserthieren: Würmern, Krebsen, Insectenlarven, Schnecken und Muscheln zum Aufenthalt dienen. Hier sucht und findet das Schnabelthier seine Nahrung, hier ist es beim Unter- tauchen vor den Augen seiner Verfolger verborgen, hier bleibt ihm in Perioden einer länger audauernden Dürre, die das übrige Flussbett austrocknet, fast immer etwas Wasser. In solchen Zeiten wandern übrigens diejenigen Schnabelthiere, die kleinere Austiefungen bewohnen, sobald der Wasserstand in denselben allzu tief sinkt, zu den grösseren wasserreichen, die besser vor dem Austrocknen geschützt sind. Dann kann man an letzteren eine Zunahme, ein Zusammendrängen der Schnabelthierbevölkerung constatiren. Solche Austiefungen nennt man in New South Wales „Ponds“, in Queensland aber „Waterholes“. Die deutsche Bezeichnung „Altwasser“ deckt den Begriff nicht ganz, da man darunter doch meist Theile des Flussbettes versteht, die :mit dem eigentlichen Strombett nur bei Hochwasser in Verbindung stehen, in der übrigen Zeit aber aus demselben ausgeschaltet sind. Ich habe übrigens auch in wirklichen Alt- wassern hie und da Ornithorhynchus gefunden. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Waterholes am Burnett auch dem Ceratodus als Standort dienen ?). Ornithorhynchus ist beim Aussuchen seines Standortes ziemlich wählerisch. Für die Anlegung seines Baues bevorzugt er die steiler ansteigenden, baumwuchstragenden Ufer vor denen, die mit geringerem Neigungswinkel zum Fluss abfallen. Die Configuration des Ufers muss eben eine solche sein, dass das Thier eine unter dem Wasserspiegel beginnende Röhre anlegen kann, die, schief aufsteigend, eine Höhe von mehreren Metern über dem Wasser gewinnt. Bei dem ungemein wechselnden Wasserstande der australischen Flüsse ist, damit der Bau diesen Anforderungen genügen soll, das Thier sehr häufig genöthigt, seine derzeitige Wohnung aufzugeben und einen neuen Bau anzulegen. So fand ich denn von den zahl- reichen Röhren, die ich öffnete, die Mehrzahl unbewohnt und schon seit längerer oder kürzerer Zeit von ihrem Bewohner verlassen. Nur ein geringer Procentsatz der Röhren, die das Flussufer durchsetzen, dient jedesmal zu einer gewissen Zeit den Thieren wirklich zum Aufenthalt. Wird durch Hochwasser und Fluth die Configuration des Flussufers stark geändert, so kann man unter Umständen beobachten, dass die Schnabelthiere jene Stelle verlassen und sich weiter flussaufwärts oder Aussabwärts ansiedeln. Die Röhren fand ich ganz ähnlich, wie BENNETT sie schildert. Zuweilen sah ich solche, die sich in zwei Aeste gabelten. Baue mit einem Netzwerk von labyrinthisch mit einander zusammenhängenden Gängen habe ich nicht gesehen. Am mittleren und oberen Burnett, wo allein ich das Thier beobachtet habe, war es überall häufig, wo immer sich geeignete Standorte am Fluss vorfanden. Auch bei Ornithorhynchus wurde ein entschiedenes Ueberwiegen des männlichen Geschlechtes beobachtet, so dass auf ein erlegtes Weibchen immer 2—3 erlegte Männchen kamen. Wie bei Echidna übertrifft das ausgewachsene Männchen das Weibchen an Grösse. Ornithorhynchus führt ebensowenig wie Echidna eine ausschliesslich nächtliche Lebensweise. Mehr als einmal habe ich die Thiere bei hellem Tage im Flusse schwimmen und ihre Nahrung aufsuchen sehen. Doch kann man das als Ausnahme bezeichnen. Die Zeit der Morgen- und Abenddämmerung ist es, in der das Thier seinen Bau verlässt und sich im Wasser ergeht. Meist begeben sie sich kurz vor Sonnenaufgang 1) C. W. DE Vıs, On an extinet Monotreme, Ornithorhynchus agilis, Proc. Roy. Soc. Qd., Vol. U, Part I, 1885. 2) Vgl. R. SEMon, Zool. Forschungsreisen, Bd. I, Ceratodus, p. 16. II Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. II in den Fluss und verweilen dort, bis die Sonne voll aufgegangen ist, ebenso Abends von etwas vor bis kurz nach Sonnenuntergang, was jedesmals einem Zeitraum von 20 bis 30 Minuten entspricht. Dies gilt für die Wintermonate Juni bis Anfang September, wenn die Nächte kalt sind, und das Thermometer in den Berggegenden des Burnett bis nahe zum Gefrierpunkt sinkt. Dann kann man sicher sein, Morgens und Abends an passenden Stellen zahlreiche Ornithorhynchus zu treffen, sie hin und wieder auch bei hellem Tage zu sehen. Dies ändert sich aber, wenn der australische Sommer beginnt und die Tage heiss, die Nächte warm werden. Von Mitte September an fand ich sowohl im Jahre ı8gr als im Jahre 1892 nur äusserst selten Ornithorhynchus in den Morgen- oder Abendstunden im Flusse, noch seltener am Tage. Zweifelsohne benutzen sie dann mehr die Nächte zu ihren Ausflügen; denn ins Wasser müssen sie, um ihre Nahrung zu finden. Ich habe mir Mühe gegeben, in dieser Jahreszeit die Thiere in der eigentlichen Nacht im Flusse zu beobachten. Es ist mir aber nicht gelungen, sie zu sehen, auch nicht bei hellem Mondschein. Da jedoch Ornithorhynchus wie ein Brett platt im Wasser liegt und fast gar nicht über die Oberfläche heraus- ragt, sich auch meist beim Unter- und Auftauchen ganz geräuschlos verhält, bedürfte es wohl eines besonders günstigen Zusammentreffens, um einmal das Thier zur Nachtzeit wahrzunehmen und zu beobachten. In der kühlen Jahreszeit konnte ich dagegen oft das Verhalten des Thieres während der Dämmerung und bei Tageslicht, so lange die Sonne tief stand, im Fluss beobachten. Wie erwähnt, liegt Ornithorhynchns ganz flach im Wasser; am meisten, aber auch nur unbedeutend, ragt der platte Kopf hervor. Gewöhnlich liegt das Thier unbeweglich an der Oberfläche. Nach einigen Minuten taucht es plötzlich und geräuschlos unter, verweilt 2—3 Minuten unter Wasser und taucht dann wieder ebenso plötzlich und geräuschlos auf. Während des Tauchens hat es am Grunde mit seinem platten Schnabel nach Entenart allerlei Wassergethier, Würmer, Insectenlarven, Schnecken und Muscheln aufgestöbert und seine Backentaschen reichlich gefüllt. Am Burnett bilden unstreitig die Muscheln seine Hauptnahrung; die Backentaschen fand ich gewöhnlich mit 10—15 mm langen Exemplaren von Corbieula nepeanensis Lesson strotzend gefüllt. Das Auftauchen geschieht, um Luft zu schöpfen und um den Inhalt der Backentaschen zu zermalmen und zu verschlucken. Offenbar sind die hornigen Verdickungen der Kiefer beim ausgewachsenen Thiere eine Anpassung an jene Muschel- nahrung und sind zur Zermalmung der harten Muschelschalen ein dauerhafteres und geeigneteres Instrument als wirkliche Zähne, die bekanntlich bei Ornithorhynchus in der Jugend vorhanden sind, aber bald abgenutzt werden und ausfallen. Ab und zu sah ich das Thier auch spielend an der Oberfläche herumschwimmen und plätschernd auf kurze Zeit tauchen, gleichwie um sich zu vergnügen. In zwei verschiedenen Fällen beobachtete ich ein Schnabelthier im Trockenen, auf dem Grase der Flussbank liegen, sich dehnen und strecken und seinen Pelz reinigen und putzen. In beiden Fällen glitten die Thiere, als sie meine Gegenwart bemerkten, ins Wasser, tauchten unter und waren ver- schwunden, indem sie ihren Bau durch die unter dem Wasserspiegel befindliche Wohnung gewannen. Der oberirdische Zugang wurde in beiden Fällen nicht benutzt, dient aber ebenfalls als Zu- und Ausgang, wie man aus den Spuren des Thieres entnehmen kann, und nicht lediglich zur Durchlüftung des Baues. Auch sind mir Fälle bekannt, dass die Thiere in Schlingen, die man vor dem oberirdischen Zugang anbrachte, gefangen worden sind. Allerdings scheint für gewöhnlich die unter dem Wasserspiegel gelegene Oeffnung als Hauptpforte benutzt zu werden; denn ich selbst habe in den vielen Schlingen, die ich vor dem ober- irdischen Zugang anbrachte, niemals ein Schnabelthier gefangen. Wird das Thier, wenn es sich im Wasser befindet, erschreckt, so taucht es sofort und verschwindet auf Nimmerwiedersehen durch den unter dem Wasser befindlichen Zugang. Obwohl Ornithorhynchus ein guter Taucher ist, kann er natürlich nur eine gewisse Zeit lang unter Wasser verweilen. Solche, die sich Nachts zufälligerweise in ein Fischnetz verwickeln und längere Zeit unter Wasser festgehalten werden, findet man am Morgen regelmässig ertrunken vor. Die Jagd auf unser Thier ist nicht schwierig, wenn man seine Lebensgewohnheiten kennt. So klein das Auge des Ornithorhynehus ist und so tief die Ohröfinung im Pelzwerk versteckt liegt, so scharf ist doch Gesicht und Gehör. Deshalb ist es auch ein fruchtloses Beginnen, sich heranschleichen zu wollen, so lange das Thier über Wasser verweilt. Die Lage der Augen ermöglicht es ihm, genau zu beobachten, was über 2% 12 Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 12 2 ihm am ansteigenden Flussufer vorgeht. Uebrigens erkennt es die Gefahr nur, wenn der Verfolger sich bewegt, nicht, wenn er sich regungslos verhält. Aber schon das Erheben der Flinte genügt, um das T'hier zu verscheuchen. Auch jeder verdächtige Laut bringt es zum Verschwinden. So sah ich einmal eins sofort untertauchen, als in ein Kilometer Entfernung ein Schuss fiel. Es kam aber bald wieder zum Vorschein, was es entschieden nicht gethan haben würde, wenn es durch einen Laut in grösserer Nähe erschreckt worden wäre. Einmal verscheucht, suchen die Thiere fast stets ihren Bau auf und kommen an dem betreffenden Morgen oder Abend nicht mehr zum Vorschein. Doch ist es, wie gesagt, leicht, das Thier zu erlegen, wenn man sich ihm nur nähert, so lange es untergetaucht ist und sofort regungslos stehen bleibt, wenn es wieder auftaucht. Man hat es anzuspringen, ähnlich wie einen Auerhahn. Einer Angabe des vortrefflichen G. BENNET muss ich widersprechen, dass nämlich nur ein Schuss in den Kopf seine Wirkung hat, weil die dichte, lose Bedeckung des Leibes die Schrote nicht so leicht durchdringen lasse. In den Fällen, die BEnneTT zu dieser Annahme geführt haben, ist“ das Thier eben gefehlt worden. Ornithorhynchus besitzt eine ganz ungewöhnlich geringe Widerstandsfähigkeit und wird fast durch jeden Treffer, auch wenn er nur den Leib trifft, getödtet oder tödtlich verletzt. Da es mir darauf ankam, eine Sammlung von unverletzten Ornithorhynchus-Gehirnen anzulegen, zielte ich niemals auf den Kopf, sondern stets auf den Rücken. Auch schoss ich immer mit feinen Schroten, No. 6 oder No. 8. Immer hatte ich den besten Erfolg und habe stets mein Wild erlegt. Die meisten Thiere waren gleich todt oder starben nach einigen krampfhaften Zuckungen. In wenigen Fällen lebten die angeschossenen Thiere noch einige Zeit. Sie versuchten immer durch Tauchen zu entkommen, hatten aber nicht die Kraft, tauchend den unter dem Wasser gelegenen Eingang ihres Baues zu gewinnen. Denn die Thiere sind specifisch bedeutend leichter als das Wasser und bedürfen zum Tauchen eines nicht unbeträchtlichen Kraft- aufwandes. Getödtete treiben stets sofort an der Oberfläche des Wassers. Niemals versuchte es ein ver- wundetes Thier, sich auf dem Landweg in seinen Bau zu retten. Einigemale vernahm ich von den ver- wundeten Schnabelthieren ein dumpfes Stöhnen. BENNETT, der verschiedene Exemplare längere Zeit gefangen gehalten und genau beobachtet hat, berichtet von brummenden, knurrenden, quiekenden und pfeifenden Lauten, die sie auszustossen pflegten, wenn sie im Schlafe gestört wurden, wenn sie mit einander spielten oder wenn sie sich gegenseitig signalisirten. Die Schwarzen am Burnett pflegen das Thier nicht zu jagen, weil sie sein Fleisch gänzlich ver- schmähen; in der That strömt das Thier einen unangenehmen, thranigen Geruch aus, selbst wenn es ab- gehäutet ist. Wie uns BENNETT berichtet, haben die Eingeborenen am Wollondilly (Hawkesbury) und am Yas-Fluss in New South Wales einen anderen Geschmack und sind auf Ornithorhynchus-Fleisch sehr erpicht. Das Pelzwerk ist schön und dicht, doch sind seine Eigenschaften nicht so hervörragende, um die immerhin mühsame und wenig ergiebige Jagd zu lohnen. So wird das Schnabelthier von Weissen und Schwarzen wenig verfolgt, und ist eine Ausrottung des paradoxen Geschöpfes nicht so bald zu befürchten. Fortpflanzung. Die Brunstzeit von Ornithorhynchus beginnt am Burnett etwas später als die von Echidna, nämlich um Mitte August. Ende August ISgI hatten fast alle Weibchen, die ich schoss, Eier in ihren Eileitern. Noch am 14. September schoss ich ein Weibchen mit 2 Eiern im linken Oviduct. Der Beginn der Brunst bei den einzelnen Thieren ist also wie bei Echidna individuellen Schwankungen unterworfen und dürfte sich am Burnett von Mitte August bis Anfang September erstrecken. Wie bei Echidna giebt es eine nahezu, aber nicht ganz ausgewachsene einjährige Generation, die in beiden Geschlechtern in dieser Brunstperiode noch nicht zur Geschlechtsreife gelangt. An der Fortpflanzung nehmen nur die zwejährigen und älteren Generationen Theil. Ganz ähnlich wie bei Zchidna erfolgt bei Beginn der Brunst ein ausserordentlich beträchtliches Anschwellen der männlichen und weiblichen Keimdrüsen und die Entwickelung zahlreicher, von Hirsekorn- bis Erbsengrösse schwankender Eier, die über die Oberfläche des linken wie des rechten Ovariums prominiren. Wie bei Echidna werden nur die Eier des linken Ovariums befruchtet und machen 13 Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 13 im lebhaft geschwellten und gerötheten linken Oviduct ihre erste Entwickelung durch. Die rechte Tube zeigt um diese Zeit fast ebensolche Veränderungen wie die linke. Ich fand aber niemals Eier in derselben. Nach Ablauf der Brunst erfolgt wie bei Echidna Verkleinerung der Keimdrüsen und Resorption der Eier, die die Oberfläche der Ovarien vorbuchten. Ein Beutel kommt bekanntlich bei Ornithorhynchus niemals zur Entwickelung, ein Verhalten, das sicherlich als ein secundär entstandenes aufzufassen ist. Ornithorhynchus ist eben ein viel sesshafteres Thier als Echidna. Da es im Wasser seine Nahrung findet, braucht es keine so weiten Streifereien anzustellen wie diese und kann nach jedem Ausflug zum Fluss sofort zu seinem Nest am Flussufer und zu seinen dort befindlichen Eiern und Jungen zurückkehren. In sämmtlichen von mir beobachteten Fällen fanden sich zwei Eier im linken Oviduct. Dieselben liegen frei neben einander im oberen Abschnitt der Tube. Ihre Anwesenheit kann man nach Eröffnung der Bauchhöhle schon von aussen durch eine leichte Verdickung an dieser Stelle erkennen. Die Eier gleichen in jeder Beziehung denen von Echidna und werden in den folgenden Abhandlungen näher beschrieben werden. Ich fand niemals weniger und niemals mehr als zwei Eier. Wenn einige Male Gelege von drei und selbst vier Jungen gefunden worden sind, so handelt es sich wohl um Ausnahmen. Ueber die Entwickelung der Eier nach der Ablage und der Jungen nach dem Ausschlüpfen kann ich leider keine Angaben machen. Ich hatte nicht das Glück, in den zahlreichen Bauen, die ich zusammen mit meinen weissen Gefährten öffnete, jemals Eier oder Junge zu finden. Meine Schwarzen zeigten gegen diese Arbeit die grösste Abneigung und mochten sich überhaupt nicht um Ornithorhynchus kümmern. Wir selbst waren zu sehr von den zahlreichen anderen Aufgaben, dem Auffinden und Conserviren der Ceratodus-Eier, Wanderungen mit den Schwarzen in die an Echidna reichen Gegenden, Jagd nach Beutelthieren, absorbirt, um der mühseligen und enttäuschungsreichen Arbeit des Grabens nach Ornithorhynchus-Nestern unsere volle Kraft und Zeit widmen zu können. Ein Naturforscher, der, begleitet von einigen erfahrenen und arbeitswilligen Colonisten, speciell zu diesem Zwecke auszieht und vor allem eine günstige Gegend wählt, in der das Thier recht zahlreich vor- kommt, zahlreicher als an dem in dieser Beziehung nicht besonders ausgezeichneten Burnettfluss, wird zweifellos seine Bemühungen von Erfolg gekrönt sehen. Notizen über die Körpertemperatur der Monotremen. Im Jahre 1883 veröffentlichte MikLouHo-MacLay !) eine kurze Notiz, in der er mittheilte, dass er bei zwei Exemplaren von Echidna aculeata var. typica, die in der Cloake und in der durch Einschnitt geöffneten Bauchhöhle gemessen wurden, durchschnittliche Temperaturen von 28° C gefunden habe. Im nächsten Jahre*) berichtete er über Messungen an einem Exemplar von Ornithorhynchus, die eine mittlere Temperatur von 24,8° C ergeben hatten. LENDENFELD ®), der am Museum von Sydney ein Echidna-Weibchen vor und nach der Eiablage beobachten konnte, berichtet: „Die Temperatur des Weibchens stieg nach der Eiablage um 2°C. Die 1) N. DE MıktLouHo-Macray, Temperature of the body of Echidna hystrix, Proceedings Linn. Soc. New South Wales Vol. VIU, 1883, p 425. 2) On the temperature of the body of Ormithorhynchus paradoxus, ibidem Vol. IX, 1884, Sydney 1885, p. 1204. 3) R. v. LENDENFELD, Zur Brutpflege von Echidna, Zoologischer Anzeiger, 9. Jahrgang, 1886, p. 9. Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 14 14 Temperatur des Beutels ist viel höher als die Temperatur in dem übrigen Theile des Körpers!) und dürfte etwa 35° betragen. Die Haut ist im Beutel stark geröthet, und es scheint eine locale Entzündung der Brustzwecken dort eingetreten zu sein.“ Ich selbst habe eine grössere Zahl von Temperaturmessungen an frisch gefangenen Echidna vor- genommen. Bei der Stärke und dem Freiheitsdrange der Thiere und bei dem Mangel an passenden Käfigen war es mir natürlich während meines Buschlebens nicht möglich, die Thiere längere Zeit gefangen zu halten und mit ihnen wie im Laboratorium zu experimentiren. Besonders fühlbar machte sich der Mangel an Chloroform oder einem anderen Betäubungsmittel, da die Thiere, solange sie sich im Vollbesitz ihrer bedeutenden Körperkraft befanden, das Einführen des Thermometers durch Zusammenkugeln zu ver- hindern wussten. Selbst für zwei Männer war es schwer möglich, die Stachelkugel wieder aufzurollen, und fast unmöglich, sie dann so lange fixirt zu halten, bis die Messung ohne Schaden für das Thermometer vollendet war. Da ich das einzige medicinische Thermometer, das ich mit mir hatte, nicht der Gefahr des ne aussetzen wollte, pflegte ich die Thiere durch Schläge auf den Rücken zu betäuben. Der Kopf wurde stets geschont. Doch starben die Thiere meist bald nachher und konnten jedes nur zu je einer Messung verwendet werden. An zwei Beuteljungen nahm ich Messungen vor, ohne die Thiere vor- her zu betäuben. In Folgendem gebe ich eine Liste meiner Messungen: | | ‚Temperatur | Temperatur N Temperatur Exemplar | a Einschnitt ge- der aesen \ Datum ‚öffneten Bauch- höhle 1. Ausgewachsenes Weibchen | 26,5° C 29,0° C 21,523G 15. September Abends. 2. Ausgewachsenes Weibchen | 2 SU | 31.5. | 22.0.6 16. September Abends 3. Ausgewachsenes Männchen 305° C | 180°C 2. August Morgens 4. Ausgewachsenes Weibchen ZIELE, | 18,0° C | 2. August Morgens 5. Beuteljunges (90 mm Länge) 31,0° C 24,0° C 28. September Nachm. 6. Beuteljunges (69 mm Länge) 34,2" C 22,5 ° 29. September Abends 7. Einjähriges Weibchen | 340° C 36,0° C erese 20. October Mittags Aus meinen Messungen ergiebt sich zunächst eine Bestätigung der MıkLouHo’schen Beobachtung einer auffallend niederen Körpertemperatur von Echidna nculeatla var. iypica ?). Nicht bestätigt wird dagegen die MıkLouHo’schen Vermuthung, es könne sich etwa um eine Art Winterschlaf und eine damit in Verbindung stehende Herabsetzung der Körpertemperatur handeln. Denn erstens fallen meine Messungen gerade in die Fortpflanzungszeit der Thiere, und zweitens zeigt meine Liste, dass sehr niedrige Temperaturen noch Mitte September, also zur Zeit des australischen Frühlings, gemessen wurden. Ueberhaupt scheint ein Winterschlaft bei den Monotremen nicht vorzukommen, jeden- falls nicht im subtropischen Burnettdistrict. I) Leider kam mir die LENDENFELD’sche Notiz erst nach meiner Rückkehr nach Europa zu Gesicht. so dass ich die Richtigkeit dieser auffallenden Behauptung nicht selbst nachprüfen konnte. Da LENDENFELD nicht angiebt, ob er dasselbe Thier gleichzeitig in der Cloake und im Beutel gemessen hat, so ist diese Angabe nur mit Vorsicht aufzunehmen. 2) In Folgendem habe ich auch die MikLOUHo’schen Angaben in einer kleinen Liste zusammengestellt: : = Temperatur | Temperatur | Temperatur F E = Wasser- Exemplar in der | in der |der äusseren Datum \ Cloake | Bauchhöhle Luft nn I. Echidna 1528, 2j01@ | 30,0° C 2. Echidna | 26,9° C 20,0° C 9. Juli . 0 | o o s } Ornithorhynchus-Männchen I < det S Se 4. \ 25,2% € ra (© 23,0% C REN 15 Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen. 15 Ferner tritt uns aus obenstehender Liste aber noch eine andere höchst merkwürdige Thatsache entgegen, nämlich eine Inconstanz der Körpertemperatur, wie sie sonst noch nie bei den sogenannten Warmblütern oder homoiothermen Thieren beobachtet worden ist. Die grössten Schwankungen, die bei Säugethieren gefunden worden sind, betragen 2,5—4,5° C; bei Vögeln 2,5—3,5° C. Viel grössere Zahlen würde man erhalten, wenn man die Temperaturen mancher Säuger während des Winterschlafes mit in Rechnung ziehen würde. Aber dieser besondere Zustand, in welchem der gesammte Stoffwechsel tief- greifende Veränderungen erleidet, bleibt am besten zunächst unberücksichtigt. Meine Liste zeigt, dass die Temperatur der Ameisenigel, die MikLouHo’schen Messungen, dass auch die der Schnabelthiere im Allgemeinen erheblich höher ist, als die der umgebenden Luft. Die von mir bei Echidna gemessenen Temperaturen schwanken aber von 26,5° C bis zu 34,0° € für Messungen in der Cloake, von 29,0° C bis 36,0° C für Messungen in der Bauchhöhle, also um 7--7,5° C, und da meine Messungen naturgemäss nicht die niedersten und höchsten Temperaturen getroffen haben werden, die überhaupt vorkommen, sicherlich um noch mehr. Dabei geht aus meiner Liste kein direct erkenn- barer Zusammenhang der Schwankungen der Körpertemperatur mit der Lufttemperatur, der Jahres- zeit oder dem Lebensalter der Thiere hervor. Dass es sich nicht um Temperaturabfälle oder um Temperatursteigerungen handelt, die durch das Betäuben der Thiere (Rückenmarksreizung oder -lähmung: in Folge der Schläge) hervorgerufen worden sind, beweisen Exemplar 5 und 6, die in völlig intactem Zu- stande gemessen wurden. Eine grosse Unvollkommenheit meiner Messungen liegt in dem Umstande, dass die Messungen nicht zu verschiedenen Zeiten an einem und demselben Thiere, sondern jedesmal an neuen Thieren vorgenommen wurden. Dieser Mangel war durch die Verhältnisse bedingt, unter denen ich arbeiten musste. Doch ist wohl nicht zu zweifeln, dass die Temperatur bei jedem Individuum inconstant ist, und nicht jedes Individuum seine eigene constante, aber von anderen Individuen seiner Art abweichende Temperatur besitzt. In diesem Sinne ist auch die etwas unbestimmte Angabe v. LENDENFELD’s zu verwerthen: „Die Bluttemperatur von Echidna beträgt unter gewöhnlichen Umständen 28° C (MıkLouno-MacraAy). Die Temperatur stieg nach der Eiablage um etwa 2° C.“ Eine Temperaturdifferenz von 0,8° C fand MıkLouHo bei zweimaliger Messung desselben Exemplares von Ornithorhynchus. Es erscheint nach alledem, als ob die Monotremen weder zu den poikilothermen noch auch, ganz streng genommen, zu den homoiothermen Thieren zu rechnen sind. Sie besitzen eine Körpertemperatur, die zu der Temperatur der äusseren Luft in keinem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältniss steht, die aber ungewöhnlich grossen Schwankungen unterliegt. Die Monotremen würden also nicht nur in morphologischer, sondern auch in dieser physiologischen Beziehung in gewissem Sinne ein Bindeglied zwischen poikilothermen Reptilien und homoiothermen Säuge- thieren darstellen. Dabei sei daran erinnert, dass schon bei den Amphibien und in noch höherem Grade bei den Reptilien ein Plus der Eigenwärme (maximales Plus bei Amphibien 4—5,5° C, bei Reptilien 4—8° C) gelegentlich nachgewiesen werden kann, und dass bei brütenden Python-Weibchen die Erhöhung der Körpertemperatur über die umgebende Luft unter Umständen 18° C, ja 21,5° C beträgt. Ob bei Monotremen irgend ein, vielleicht mehr indirecter Zusammenhang zwischen Körpertemperatur und äusserer Lufttemperatur besteht, welcher Art dieser ist, auf welche Momente überhaupt die Schwan- kungen der Körpertemperatur zurückzuführen sind, muss ferneren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Derartige Arbeiten lassen sich in planvoller und fachgemässer Weise nur im physiologischen Laboratorium vornehmen, und sie anzustellen, dürfte weiter nicht schwer fallen, da Ameisenigel häufig in den natur- wissenschaftlichen Instituten der grossen australischen Städte lebend gehalten werden und auch mehrfach lebend nach Europa herübergebracht worden sind. Vielleicht erweisen sich die Monotremen für das physiologische Studium der Wärmeregulirung bei den Warmblütern als ebenso bedeutungsvoll, wie sich ihre morphologischen Charaktere für die vergleichende Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Säugethierklasse schon erwiesen haben. Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. Eine vergleichende Studie über die Fötalanhänge der Amnioten. Von Richard Semon in Jena. Mit Tafel I—-VII und 10 Abbildungen im Text. Jenaische Denkschriften. V. 3 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. IT. ® iur union BI FE A er Beschreibung der Embryonalhüllen der Mono- tremen und Marsupialier. Für die Untersuchung der Embryonalhüllen der Monotremen stand mir ein ziemlich reichliches Material von Echidna-Embryonen zur Verfügung. Dasselbe setzt sich zusammen aus jungen, in Furchung begriffenen Uterineiern und aus Beuteleiern verschiedener Stadien. Es fehlen leider ältere Uterineier. Von Ornithorhynchus gelangten nur junge Uterineier in meinen Besitz, keine älteren Stadien. Von Beutelthieren habe ich besonders Phascolarctus cinereus und Aepyprymnus rufescens untersucht, nebenbei auch Pelaurus sciureus. Zur Vergleichung wurden ferner Lacerta, Anguis, Tropidonotus, Pelias, Gallus, Manis und Lepus cuniculus herangezogen und auf gewisse Punkte ihrer Embryonalhüllen und ihres Embryonalkreislaufes näher untersucht. Ich schicke nun eine eingehendere Beschreibung der Embryonalhüllen und gewisser Verhältnisse des Embryonalkreislaufes von Echidna voraus und schildere dann etwas kürzer die entsprechenden Verhält- nisse bei Aepyprymnus und Phascolarctus. Eine zusammenhängende Beschreibung meiner Befunde bei anderen Amnioten liefere ich nicht; ich werde aber über dieselben, soweit sie mir wichtig erscheinen, bei verschiedenen Gelegenheiten im vergleichenden Theil Bericht erstatten. Die Embryonalhüllen von Echidna aculeata, var. typica. Das Ei von Echidna aculeata, das nach Bersten des Follikels vom linken Ovarium in die linke Tube gelangt, misst 3'/,—4 mm im Durchmesser. Es kommen hier nicht ganz unbedeutende Schwankungen in der Grösse vor. Aehnliche Dimensionen und ähnliche Grössenschwankungen zeigen die Eier von Ornithorhynchus (vergl. über diese Punkte auch die Angaben von CarpwELL (5). Im Oviduct erhält das von einem Dotterhäutchen umgebene Ei eine neue Hülle, die Eischale, die das Ganze ziemlich eng umschliesst und nur durch eine dünne Schicht von Eiweiss vom Dotterhäutchen getrennt ist. Die Schalenhohlkugel hat einen Durchmesser von durchschnittlich 41/;—5 mm. Die Wanddicke der Schale beträgt Anfangs nur 0,012 mm. Schneidet man bei frischen Eiern die Schale auf, so fliesst das Eiweiss ab und das von der Dotterhaut umgebene Ei liegt vor uns (Taf. I, Fig. 1, nat. Gr.). Dasselbe ist von gelb- licher Farbe. Die Keimscheibe markirt sich als ein weisser Fleck auf dem braungelben Dotter. Während das Ei allmählich im Oviduct herabsteigt, wächst es beträchtlich innerhalb seiner Schale. In gleichem Schritt weitet sich die Schale selbst aus und erreicht ein Vielfaches ihres ursprünglichen ge 20 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier, 20 Durchmessers; dabei nimmt aber ihre Dicke nicht ab, sondern wächst um mehr als das Zehnfache (von 0,012 mm auf 0,15—0,21 mm). Natürlich kann diese Zunahme nur durch Auflagerung neuer Keratin- massen von aussen, also dem Uterus, her erfolgen. Ich komme auf diesen Gegenstand noch ausführlicher in der folgenden Abhandlung zurück. Die abgelegten Eier sind gewöhnlich nicht kugelrund, sondern etwas abgeflacht. Ihr grosser Durchmesser beträgt durchschnittlich 16,5 mm, ihr kleiner Durchmesser 13 mm. Die Eischale hat eine hellgelbe, zuweilen braungelbe Farbe und eine nicht ganz glatte Oberfläche (Taf. I, Fig. 2, nat. Gr.). Oeffnet man vorsichtig die Schale, so sieht man den von seinen Fötalanhängen umhüllten Embryo fast das ganze Schaleninnere ausfüllen. Fig. 3, Taf. I, zeigt bei 5?/,-facher Vergrösserung den Embryo umgeben von der serösen Hülle und eingebettet zwischen Dottersack und Allantois in der aufgeschnittenen Schale. Der Embryo hat etwa dieselbe Lage, wie in Fig. 5, wo er nach Eröffnung der serösen Hülle abgebildet ist. Auüf Fig. 3 ist die seröse Hülle intact geblieben und umschliesst den Embryo wie seine Anhangsorgane. Unter ihr bedeckt der Dottersack die ganze linke (dem Beschauer zugewendete) Hemisphäre des Eiinneren. Etwa in der Mittellinie abwärts vom Centrum lässt sich die aus dem Nabel heraushängende Darmschlinge (Schl) erkennen, die in Fig.5 in grösster Deutlichkeit zu sehen ist. Die rechte Hälfte wird von der Allantois eingenommen. Ihre Wandung, soweit sie mit der serösen Hülle in Berührung kommt, ist mit derselben inniger verwachsen als die entsprechende des Dottersackes; deshalb sieht man ihre Gefässe deutlicher durch- schimmern. In Fig. 4 ist der ganze Embryosack aus der Eischale herausgenommen und von hinten betrachtet, so dass der Beschauer rechts auf die Allantois, links auf den Dottersack blickt. Dabei ist das Präparat aber so gedreht, dass man mehr von seiner rechten als von seiner linken Seite sieht, also mehr von der Allantois als vom Dottersack. In Fig. 5 ist die seröse Hülle auf der Vorderfläche geöffnet und der Dottersack nach aussen geklappt, während die Allantois unverrückt an ihrer Stelle liegen geblieben ist. Fig. 6 zeigt die Allantois, Fig. 8 den Dottersack von der Seite ihrer Stiele her, also derjenigen, die zur serösen Hülle keine Beziehungen besitzt. Der Embryo, dem alle diese Ansichten zugehören, ist in der folgenden Abhandlung: Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen auf Taf. X, Fig. 45 für sich ab- gebildet. ; Jüngere Embryonen, nämlich Stadium Fig. 42 und 43 der folgenden Abhandlung, liegen den Fig. 10 und ıı der Taf. II der vorliegenden Abhandlung zu Grunde; diese beiden Figuren geben unter anderem weitere Ansichten des Dottersackes. Auf die eigenthümlichen Verhältnisse des Dottersackes, die der noch jüngere Echidna-Embryo von Fig. 21 und 22, Taf. III (folgende Abhandlung Taf. X, Stadium Fig. 40) zeigt, komme ich später zurück. Zusammenfassend können wir sagen: der Embryo in seinem Amnion liegt wie eine Walnuss zwischen zwei Schalen eingebettet. Die linke Schale ist der Dottersack, die rechte die Allantois. Das Ganze ist von der serösen Hülle umgeben (vgl. auch Taf. V, Fig. 4r). Nachdem wir somit über die Lage- verhältnisse der Hüllen zum Embryo und zu einander unterrichtet sind, wenden wir uns zur näheren Betrachtung der einzelnen Theile: Amnion und seröse Hülle, Dottersack und Allantois. Amnion und seröse Hülle. Im ausgebildeten Zustande zeigen diese beiden genetisch bekanntlich eng zusammengehörigen Embryonalhüllen bei Echidna eine Eigenthümlichkeit, die wir als ein Stehenbleiben auf einer primitiven Entwickelungsstufe bezeichnen müssen. Während sich nämlich sowohl bei den Sauropsiden, mit Ausnahme der Chelonier, als auch bei den Marsupialiern und Placentaliern die äusseren und inneren Blätter der Amnionfalten nach ihrer Verwachsung in der Amnionnaht völlig von einander trennen und dann zwei in einander geschachtelte Säcke bilden, die 21 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier, 21 mit einander nicht zusammenhängen: den Amnionsack als Product der inneren Blätter der Amnionfalten und die seröse Hülle als Product der äusseren, findet bei Zchidna zwar auch median über dem Rücken des Embryo eine nahtförmige Verwachsung der Amnionfalten statt. Diese Verwachsung aber erhält sich als solche bis zur Geburt des Embryo aus der Schale. Dauernd hängen Amnion und seröse Hülle in einer naht- förmigen Linie zusammen, die über der Scheitelgegend des Embryo anfangend median nach hinten zieht. Die Ausdehnung dieser Linie nach hinten ist eine individuell wechselnde. Bei manchen Exemplaren ist sie kürzer und dehnt sich nur über die vordere Hälfte des Rückens aus (Taf. II, Fig. ıı vwn); bei manchen zieht sie viel weiter nach hinten und nimmt fast zwei Drittel des Rückens ein (Taf. II, Fig. 10 von). Auf dieser Figur ist sie vorn eingerissen; ihre volle Ausdehnung erhält man, wenn man sich die beiden, durch * bezeichneten Punkte aneinandergelegt denkt. Die Verwachsungsnaht hat im Querschnitt eine Dicke von durchschnittlich 1,3 mm. Auf Fig. 19, Taf. II, sehen wir den Querschnitt (von y bis z reichend) bei 58-facher Vergrösserung. Der zwischen den beiden * gelegene Theil des Querschnittes Fig. 19 ist auf Fig. 20 240mal vergrössert. Amnion wie seröse Hülle bestehen in dieser Gegend jedes aus einer Epithelschicht, die ectodermaler Herkunft ist, und aus einer dünnen, bindegewebigen Mesodermplatte (Somatopleura). In Fig. 20 sind die ectodermalen Theile durch blaue, die mesodermalen durch rothe Farbe gekennzeichnet. Alle diese Blätter sind einschichtig. An der Basis des Epithels der serösen Hülle finden sich verstreut und keine wirkliche Schicht bildend kleinere Epithel- zellen (ers. ek, Fig. 20), die wahrscheinlich bei dem Wachsthum der serösen Hülle eine Rolle spielen. Wie die Querschnitte lehren, zieht das Epithel der serösen Hülle glatt über die Nahtstelle weg, und dasselbe thut das Epithel des Amnion. Der nahtförmige Zusammenhang beruht allein darauf, dass die Mesodermplatten der serösen Hülle und des Amnion sich nicht von einander getrennt haben. Ihr Zusammen- hang ist innerhalb der Nahtstelle hie und da fester, hie und da lockerer. Eine derartige Amnionnaht fand ich bei allen Embryonen, die sich noch in der Eischale befanden. In ihrem Erhaltenbleiben erblicke ich einen primitiven Zustand der Embryonalhüllen von Echidna, primitiver, als sich in dieser Beziehung die Marsupialier und Placentalier darstellen, bei denen bald früher, bald später eine gänzliche Trennung von Amnion und seröser Hülle stattfindet. Auch bei den meisten Sauropsiden findet schliesslich eine gänzliche Lösung von Amnion und seröser Hülle statt. Nur bei den Cheloniern bleibt nach Mırsukurı (II) ein Zusammenhang zwischen beiden bestehen, der topographisch der Verwachsungsnaht von Echidna genau entspricht. Allerdings soll bei den Cheloniern nach Mırsukurı kein Mesoderm bis zu dieser Stelle der Verwachsung vor- gedrungen sein. Bei Echidna erstreckt sich das Mesoderm schon bis dahin, der Zusammenhang erhält sich hier nur dadurch, dass der Cölomsack nicht von rechts und links her zwischen die Mesodermplatten eindringt und nicht durch Zusammenfliessen in der Mittellinie das Amnion von der serösen Hülle trennt. Vielleicht hat HerTwıG (8, p. 229) Recht, wenn er die Anheftung des zipfelförmig verlängerten Amnions an die seröse Hülle (Chorion) im Bauchstiel menschlicher Embryonen als einen letzten Rest der Amnionnaht deutet. Dort handelt es sich aber dann wohl sicherlich um secundär stark modificirte Verhält- nisse, die von der eigenartigen und frühzeitigen Entwickelung der Allantois und ihrer Gefässe mit beeinflusst sind. Bei Echidna, sowie bei den Cheloniern sind hinsichtlich der Erhaltung der Amnionnaht secundäre Einflüsse nicht erkennbar; hier scheint wirklich der primäre Zustand erhalten geblieben zu sein, der der Bildung eines selbständigen Amnion und einer selbständigen serösen Hülle vorausgegangen sein muss. Dottersack und Proamnion. Auf mittleren und älteren Stadien der Embryonalentwickelung von Echidna bedeckt der Dottersack die linke Hemisphäre der den Embryo umgebenden Kugelschale unterhalb der serösen Hülle. Auf solchen Stadien liegt der Embryo dem Dottersack an, ohne mit irgend einem Theil des Körpers in ihn eingesenk tt zu sein (Taf. I, Fig. 5; Taf. II, Fig. ı1). Auf jüngeren Stadien aber wird zeitweilig der 22 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 22 Kopf bis zur Wurzel der Anlage der vorderen Extremität in den Dottersack eingesenkt (Taf. III, Fig. 21 und 22), ein Zustand, der sich in der Entwickelung aller Amnioten mehr oder weniger deutlich ausprägt. Diese zeitweilige Einbettung der embryonalen Vorderkörper hat die Bedeutung einer Proamnion-Ein- stülpung; sie führt zur Bildung der Kopfscheide des Amnion, dergestalt, dass die in das Lumen des Dottersackes vorgestülpte Dottersackwand, die zu dieser Zeit nur aus Ectoderm und Entoderm besteht, gleichzeitig als Proamnion dient (Fig. 21, 22 intbl |pr]). Die Einbettung des embryonalen Vorderkörpers erfolgt gerade zwischen der Gabel der beiden Aeste der Vena vitellina (vgl. Fig. 8, Taf. I), und diese Venenäste liegen an der Umschlagsstelle (uschl Fig. 21, 22) der eingestülpten inneren Dottersackwand, die im Bereich der Einstülpung weder Gefässe noch Mesoderm enthält, in die äussere, nicht eingestülpte (eztbl), die Mesoderm enthält und in der sich Gefässe verzweigen. Diese ganze Proamnionbildung stimmt in allen histologischen und topographischen Einzelheiten vollständig mit den Proamnionbildungen der Reptilien, Vögel und der meisten Säuger überein. Wie bei den anderen Amnioten dringt auch bei Echidna nach- träglich das Mesoderm in die eingestülpte Dottersackwand, und indem sich der Cölomspalt in dieses Meso- derm fortsetzt, wird die ursprünglich einheitliche, aus Ectoderm und Entoderm bestehende Wandung in zwei Blätter gespalten. Das dem Embryo anliegende Blatt besteht aus Ectoderm und Somatopleura und bildet den Kopftheil des definitiven Amnion; das dem Dottersacklumen zugewandte, aussen von der ersteren liegende Blatt besteht aus Entoderm und Somatopleura und bildet nach wie vor Dottersackwand. Auch in dieser nachträglichen Spaltung erkennen wir Vorgänge, die bei sämmtlichen Amnioten wiederkehren. Nach vollzogenem Einwuchern des Mesoderms in die Proamniontasche, Spaltung der Wand derselben durch Vordringen des Cöloms, dadurch bedingter Bildung des definitiven Kopfamnions, zieht sich bei Echidna das Vorderende des Körpers mitsammt dem nunmehr gebildeten Amnion aus der Grube im Dottersack wieder zurück, jene Grube verstreicht und wird nachträglich noch vascularisirt (Taf. I, Fig. 8). In diesen letzteren Beziehungen besteht ein bemerkenswerther Gegensatz zwischen Monotremen und Marsupialiern: Echidna schliesst sich in dieser Beziehung viel enger an die Vögel als an die Marsupialier an). Was nun ferner den Dottersack von Echidna vor dem der höheren Säugethiere auszeichnet, ist der Umstand, dass er wirkliches Dotterorgan ist und seine Zellen selbst noch auf älteren Stadien reichliche Mengen von gelblichen Dotterkugeln enthalten (Taf. II, Fig. ı7, 18d). In dieser Beziehung ähnelt er dem Dottersack der Sauropsiden. In einer anderen Beziehung zeigt er aber schon deutlich gewisse Eigen- thümlichkeiten, die für den Dottersack der Säugethiere charakteristisch sind. Sein Volumen bleibt nicht stationär oder verkleinert sich gar, sondern er nimmt bis in späte Stadien der Embryonalentwickelung hinein continuirlich an Grösse und Ausdehnung zu. Der Durchmesser eines Dottersackes, wie er auf Fig. 8 wiedergegeben ist, beträgt etwa 12 mm, der Durchmesser des ganzen Eies zu Anfang der Entwickelung (Fig. ı) nur 4 mm. Freilich ist der Sack in den älteren Stadien, wie besonders Fig. ıı erkennen lässt, fach zu- sammengedrückt. Aber auch wenn man das mit in Betracht zieht, ist die Volumenszunahme eine sehr beträchtliche, was auch klar wird, wenn man die gmal vergrösserte Fig. IT mit der nur 5?/, mal vergrösserten Fig. 5 vergleicht. Das Dottermaterial jener stark vergrösserten und dabei fach zusammengedrückten Dotter- säcke befindet sich nicht mehr frei im Lumen, sondern es ist in das Innere der mächtigen, lang- gestreckten Entodermzellen, die jenes Lumen auskleiden, aufgenommen (Taf. II, Fig. 17, 18). Während des Wachsthums des Dottersackes verändern seine dotterhaltigen Epithelzellen ihre Gestalt sehr bedeutend. In mittleren Entwickelungsstadien gewährt das Epithel des Dottersackes, von seiner basalen Oberfläche her betrachtet, einen Anblick wie der auf Fig. 9, Taf. I wiedergegebene. Die Grundfläche der Zellen ist eine unregelmässig polygonale. Die prismatischen Zellen, die sich auf dieser 3 I) In zwei Fällen fand ich bei älteren Echidna-Embryonen, bei denen sich die Scheidung von Dottersackwand und Amnion schon völlig vollzogen hatte, medial vor der Brustregion eine Verdickung des Amnions; dasselbe war hier nicht zwei- sondern vielschichtig. An der Vermehrung der Schichten schien besonders das Mesoderm betheiligt. Es ist dies die Stelle, an der sich dss Proamnion am längsten erhält und am spätesten seine Spaltung in definitves Amnion und zweischichtige Dottersack- wand stattfindet. Bei Phascolaretus erhält sich hier, wie unten noch des Weiteren ausgeführt werden soll, dauernd ein Proamnion- rest. In dem einem der bei Eehidna beobachteten Fälle traten bemerkenswerther Weise Gefässe vom Dottersackstiel her zu jener Amnionverdickung;; im anderen Falle war das Amnion hier wie überall gefässlos. Die Form der Verdickung ähnelte der des Proamnionrestes bei Phascolaretus (Taf. IV, Fig. 31, 33 pr»). 23 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 23 Basis erheben, haben verschiedene Länge und endigen abgerundet gegen das Lumen des Dottersackes hin. In Folge dessen ist diese Oberfläche des Epithels keine ganz glatte, ebene. Die Kerne der Dotter- zellen liegen sämmtlich an der Basis oder in deren Nähe (Taf. II, Fig. 17, 18). Der ganze Zellkörper ist mit Dotterkugeln verschiedener Grösse dicht erfüllt. Das Capillarnetz der Mesodermschicht des Dotter- sackes ist ein dichtes, ziemlich unregelmässiges. Die Capillaren laufen unmittelbar unter der Basis der Zellen, ja sie scheinen zum Theil in diese Basis etwas hineingesenkt (Fig. 9, Taf. I; Fig. 17, Taf. II). Bei älteren Dottersäcken findet sich der Querdurchmesser der Zellen verkleinert, die Zellen sind schmäler, dabei aber gleichzeitig etwas länger (Taf. II, Fig. 18); ihre Kerne sind kleiner als früher; bei der Betrachtung von der Oberfläche liegen sie dichter bei einander, weil auf einen bestimmten Bezirk jetzt viel mehr Zellen kommen. In dem Bereich, innerhalb dessen der Dottersack der serösen Hülle anliegt, haften beide Bildungen auch in späteren Stadien noch an einander. Sie lassen sich aber durch vorsichtige Präparation von einander trennen, und zwar erfolgt die Trennung innerhalb der hier zweischichtigen Mesodermplatte. Der Spaltraum, den man dadurch künstlich erzeugt, liegt in der idealen Fortsetzung der extraembryonalen Leibeshöhle. Die Mesodermplatte des Dottersackes entspricht dem visceralen, die der serösen Hülle dem parietale Blatt des extraembryonalen Cöloms. Dagegen ist es, wie hier vorgreifend bemerkt sei, nicht möglich, die Allantois, die sich secundär an die seröse Hülle anlegt und in einem gewissen Umkreise mit ihr verwächst, ohne Beschädigung abzulösen. Dorsalwärts kann sich der Dottersack naturgemäss nicht weiter ausdehnen als bis zur Verwachsungs- naht des Amnion mit der serösen Hülle. Ventralwärts reicht der Dottersack in mittleren und älteren Stadien ungefähr bis zu der ventralen Mittellinie des Embryosackes. Hier findet sich an der Oberfläche ein Zwischenraum zwischen Dottersack und Allantois, an welchem; die Wand des Embryosackes nur aus seröser Hülle besteht, durch die man zwischen Dottersack und Allantois eindringen kann, ohne eines von beiden zu verletzen. Kreislauf des Dottersackes. Der Dotterkreislauf von Echidna bietet in seiner Anordnung sehr eigenthümliche Verhältnisse, auf deren principielle Bedeutung für die Vergleichung der scheinbar nicht auf einen gemeinsamen Grundplan zurückführbaren Dotterkreisläufe der Sauropsiden und Mammalien im zweiten Abschnitt dieser Abhandlung näher eingegangen werden soll. Ueber die Anordnung der Dottersackgefässe geben Fig. 5 und 8, Taf. I, sowie Fig. 610 und 61s, Taf. VII, Auskunft. Die bei ihrem Austritt aus dem Embryo noch unpaare Vene theilt sich bald in zwei symmetrische Aeste, die auf dem Dottersack nach vorn (kopfwärts) ziehen und jede von rechts und links her zahlreiche Seitenäste aufnehmen. Der Venenstamm liegt auf späteren Stadien neben, nicht in dem Dottersackstiel und tritt etwas vor dem Stiel auf den eigentlichen Dottersack (Fig. 8). Die Dotterarterien sind paarige Aeste der Aorta abdominalis (Taf. VII, Fig. 61). Sie treten stets im Dottersackstiel aus und ziehen parallel dicht neben einander (Taf. II, Fig. 16) nach hinten. In dieser Weise umkreisen sie fast die ganze Dotter- kugel, indem sie schliesslich vorn zwischen der Gabel der sich theilenden Dottervene nahe dem Stiel endigen. Bei manchen Individuen bleiben sie dauernd paarig: bei anderen fliessen sie hie und da zu- sammen, theilen sich wieder und vereinigen sich aufs neue (ähnlich den Arteriae spinales anteriores beim Menschen). In einer dritten Reihe von Fällen werden sie im grössten Theile ihres Verlaufes durch medianes Zusammenfliessen unpaar. Einen solchen Fall bietet der in Fig. 5 und 8 dargestellte Dottersack. Dieses Präparat ist noch besonders dadurch ausgezeichnet, dass die unpaare Arterie, bald nachdem sie vom Stiel auf den Dottersack getreten ist, eine Art Wundernetz bildet (Fig. 8). Schon im Stiel geben die Dotterarterien sehr zahlreiche Seitenäste ab, die für sich vom Stiel auf den Dottersack treten (Fig. 8). In Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 24 24 den Fällen, in denen die Arterien paarig geblieben sind, laufen sie parallel dicht neben einander. In die schmale Zone, die beide trennt, werden keine Gefässzweige abgegeben; dieselbe ist durchaus gefässlos und ist ferner dadurch ausgezeichnet, dass die Kerne der serösen Hülle in diesem Bezirk viel dichter liegen als ausserhalb (Fig. 16). Die rechte Dotterarterie giebt dann nur nach rechts, die linke nur nach links Aeste ab. Es existirt also eine ganz schmale gefässlose Zone zwischen den beiden parallelen Dotterarterien; im Uebrigen bedecken die Ausbreitungen der Arterien und Venen den ganzen Dottersack; eine zefässlose Zone existirt sonst nicht, abgesehen von einem kleinen Bezirk in der Gabel der beiden Venenäste, in welchen sich auf frühen Stadien das Vorderende des Embryo einsenkte (Taf. III, Fig. 21). Wenn sich später Kopf und Vordertheil des Embryo aus der Grube zurückziehen, breiten sich auch hier die Gefäss- verästelungen aus. Ueber die Art der Gefässausbreitung auf dem Dottersack giebt besonders Fig. 5 und 8 Auskunft. Arterien und Venenäste sind alternirend angeordnet (Fig. 5); die arteriellen Zweige bilden nicht selten Wundernetze. Arterien und Venen liegen alle in demselben Niveau. Das eigenthümliche Verhalten des Dotterkreislaufes der Sauropsiden in späteren Stadien: Zweischichtigkeit der Gefässanordnung, dergestalt, dass an vielen Stellen die Arterien die tiefere, die Venen die oberflächlichere Lage darstellen, findet sich nicht bei Echidna. Allantois. Auf mittleren und älteren Stadien der Embryonalentwickelung von Echidna nimmt die Allantois die rechte Hälfte der den Embryo umgebenden Kugelschale unterhalb der serösen Hülle ein (Fig. 5, Taf. I; Fig. ı0, Taf. II). Das Gebilde stellt dabei eine flache Scheibe mit doppelter Wandung dar. Die beiden Wandflächen umschliessen ein schmales, spaltförmiges Lumen (Taf. II, Fig. 12, all.!). In der Zone des Scheibenrandes sind die beiden Wandflächen mit einander verwachsen, und hier ist kein Lumen mehr vor- handen. Diese Zone entspricht den beiden Strecken zwischen # und z des Querschnitts Fig. 12. Die äussere Wand des plattgedrückten Sackes (Fig. I2 aw) ist secundär so innig mit der serösen Hülle (sk) verwachsen, dass man sie nicht ohne Verletzung ablösen kann. Diese äussere Wand ist Hauptträgerin der feineren Gefäss- verästelung und eines sehr reich entwickelten Capillarnetzes, während die innere, dem Embryo zugewendete Wand (io), die keine Beziehungen zur serösen Hülle besitzt, die Hauptgefässstämme und ihre stärkeren Verzweigungen führt. Auf Fig. 6, Taf. I, ist die Allantois des auf dieser Tafel in verschiedenen Stellungen abgebildeten Embryo von der Stielseite her bei g-facher Vergrösserung abgebildet. Man blickt also auf die dem Embryo zugewandte, nicht von seröser Hülle bedeckte Seite mit ihren grossen Gefässstämmen. Ueberall am Rande aber sieht man die Gefässe sich in ein feines Netz auflösen, das die ganze äussere Wand, die mit der serösen Hülle verwachsen ist, überzieht. Ein Stück dieser Gefässausbreitung auf der Aussenwand ist auf Fig. 13, Taf. II, 33-fach vergrössert. Schon bei dieser Vergrösserung fällt das ungemein dichte Capillarnetz (cap) auf; Fig. 14 giebt das Capillarnetz bei 180-facher Vergrösserung wieder. Das Lumen der Capillaren ist grösstentheils dicht mit Blutkörperchen erfüllt. Man sieht in Fig. 14 auf dieses Capillarnetz durch die seröse Hülle hindurch, deren Epithelzellen besonders in den Lücken zwischen den Maschen des Netzes hervortreten. Ueber die räumliche Ausdehnung der Allantois ist schon gesprochen. Da, wo sie an der Ver- wachsungsnaht von Amnion und seröser Hülle ihre dorsale Begrenzung findet, treten feine Gefässäste über ihre Peripherie hinaus in das sonst gefässlose Mesoderm der serösen Hülle. Die Hauptgefässstämme der Allantois sieht man auf Fig. 6. Es sind zwei Allantoisvenen und zwei feinere Allantoisarterien, die zusammen aus dem Stiel treten und sich symmetrisch vertheilen. Die Haupt- stämme der Arterien und Venen, sowie viele stärkere Nebenstämme laufen neben einander her und ver- theilen sich auch in ähnlicher Weise, wobei sie sich vielfach kreuzen und durchflechten. Eine bessere Vorstellung von dieser Vertheilung als detaillirte Beschreibung wird die Betrachtung von Fig. 6 ergeben. = IP wi Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 25 Geburt des Embryo aus der Schale. Der auf Taf. I dargestellte Embryo ist nicht weit von dem Entwickelungsstadium entfernt, in dem die Eischale gesprengt wird. Wenn letzterer Vorgang stattfindet, hat der Dottersack noch dieselbe Grösse, wie der in Fig. 5. Sobald sich der Embryo aus seinen Hüllen herausgearbeitet und die Eischale durchbrochen hat, trocknen Dottersack und Allantois ein. Sie bilden in diesem Zustande noch eine Zeit lang einen äusseren Anhang des Nabels, bis sie schliesslich ganz abgestossen werden (vgl. die folgende Abhandlung Taf. X, Fig. 46 nr). Eine Aufnahme des Dottersackes in den Körper findet also ebensowenig statt wie bei den höheren Säugethieren. Die Embryonalhüllen der Marsupialier. 1. Typus (Aepyprymnus rufescens). Die Verhältnisse der Embryonalhüllen dieses Typus sind durch die vorzüglichen Untersuchungen von SELENKA in fast allen wesentlichen Punkten aufgeklärt worden. SELENkA’s Hauptobject für die Unter- suchung war Didelphys virginiana (20); bestätigt und erweitert wurden von ihm (21) seine dort gewonnenen Befunde an den beiden der australischen Region angehörigen Beutelthieren Phalanger orientalis (syn. Phalangista orientalis) und “rös Hüll 7 Bettongia cuniculus (syn. Hypsiprymnus cuni- Cölom u— culus). Ich selbst habe von diesem Typus, Fr dem die überwiegende Mehrzahl aller Mar- lin supialior anzugehören scheint, nur depy- prymnus rufescens genauer, nebenbei auch Ammionhöhle Hut! Petaurus sciureus, var. iypious untersucht. | ll /\ Die Anordnung der Eihüllen ist auf Taf. V, Fig. 42, sowie auf der nebenstehen- | EN den Textfigur wiedergegeben. \ I Wie SELENKA zuerst klar erkannt hat, \\ [\\ ist bei den Beutelthieren dieses Typus der N II Embryo in den Dottersack gänzlich ein- N Amnion gesenkt, ähnlich einem Eingeweidetheil in Sl INT Ill —— Prokalymma den Pleura-, Pericardial- oder Peritoneal- S sack. Den mit in das Dotterlumen ein- Sul ggstülpten Theil, der dem visceralen Blatt eines Pleura- oder Peritonealüberzuges ent- ‚ Aepyprymmus rufescons (1. Typus). n R . Ectoderm gestrichelt, Entoderm punktirt, gefässhaltiges Mesoderm dicke, sprechen würde, unterscheiden wir als gefässloses Mesoderm dünne Linie. inneres Blatt (int. bl) von dem parietalen oder äusseren (ext. bl). Der Beutelthierembryo unseres Typus ist dabei gänzlich in den Dottersack ein- geschlossen, als sei er in einen Krater versunken. Ein schmaler, kraterförmiger Gang führt zum Embryo hinein. Die Krateröffnung sowohl wie der Dottersack werden von der serösen Hülle überzogen, die das Ganze zu einem kugeligen Gebilde abschliesst. Die Höhle des extraembryonalen Cöloms erstreckt sich zwar in die Krateröffnung hinauf; sie dringt aber nicht ein zwischen die Blätter des Mesoderms im Umkreise des Zusammenhangs von äusserer Wand des Dottersackes und seröser Hülle, und da, wo die äussere Wand des Dottersackes (ext. bl) gefässlos Jenaische Denkschriften. V. 4 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 26 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 26 ist, also ausserhalb des Sinus terminalis, findet sich überhaupt kein Mesoderm: auf das Entoderm des Dottersackes folgt unmittelbar das Ectoderm der serösen Hülle, oder richtiger gesagt, wie können hier überhaupt noch nicht Dottersackwand und seröse Hülle unterscheiden, wir haben eine Bildung, die wir dem Proamnion der inneren Dottersackwand entsprechend als Vorhülle, Prokalymma, bezeichnen können. Die Allantois liegt ganz im Inneren der Einstülpung in der Tiefe vergraben und erreicht nirgends die äussere Oberfläche und die seröse Hülle. Auf Taf. III, Fig. 23 und 24, ist das äussere Blatt ext. bl des Dottersackes im Bereich der gefäss- losen Zone aufgeschnitten und über den Embryo weggestreift, so dass derselbe nur noch vom inneren Blatt rings bedeckt ist, ähnlich, als hätte man das parietale Blatt des Pericards geöffnet und über das Herz nach oben geschlagen. Der Embryo liegt nun nur noch vom inneren Blatt umhüllt. Fig. 23 zeigt ihn in der Vorderansicht, Fig. 24 in der Ansicht von hinten. Die Umschlagsstelle beider Blätter markirt sich in beiden Ansichten als eine ringförmige Einschnürung (uschl). Sehr interessant ist die Gefässvertheilung auf dem Dottersack. Im Dottersackstiel (Fig. 25) findet sich eine Dottervene (Y.vit) und eine Dotterarterie (A. vit). Die Vene theilt sich gleich beim Verlassen des Stiels in zwei symmetrische Aeste, die, zuerst nach vorn ziehend, Vordertheil und Kopf des Embryo in ganz eigenthümlicher Weise umgreifen, ähnlich wie wir es auch in Fig. 21 und 22 in frühen Stadien von Echidna, in Fig. 31, Taf. IV bei Phascolarctus und auf Taf. VII Fig. 54-60, ganz allgemein bei allen Amnioten geschehen sehen. Dieses zwischen den Venen ein- geschlossene Feld des inneren Blattes des Dottersackes ist gänzlich gefässlos. Es entspricht dem Theile des Dottersackes, in den sich auf früheren Stadien der Vorderkörper des Embryo behufs Proamnionbildung eingestülpt hat. Es ist aber kein wahres Proamnion mehr, weil hier nachträglich Mesoderm und mit ihm Cölom eingedrungen ist, und eine Spaltung der Wand in zwei Blätter sich vollzogen hat: in mesoderm- haltige, aber hier dauernd gefässlose Dottersackwand, die aus Entoderm und Splanchnopleura, und in defini- tives Amnion, das aus Somatopleura und Ectoderm besteht. SELENKA (20, p. 130) giebt an, dass sich beim Opossum hier das Proamnion erhält, ja, dass sich dasselbe noch weit nach hinten in das Gebiet des Rumpf- amnion, das von Anfang an aus Ectoderm und Somatopleura besteht, ausdehnt und letzteres allmählich verdrängt. Bei den von mir untersuchten Marsupialiern verhielt sich das anders, und überall fand sich auf älteren Stadien unter dem inneren Blatte des Dottersackes, und von demselben durch Cölom getrennt, ein selbständiges definitives Amnion. Allein bei Phascolaretus erhält sich in einem kleinen Umkreis dauernd ein Zusammenhang zwischen innerer Dottersackwand und Amnion, aber selbst dort ist schon Mesoderm eingedrungen, wie unten näher geschildert werden soll. Die beiden Aeste der Dottervene nehmen während ihres Verlaufes über das innere Blatt des Dotter- sackes keine Seitenzweige auf; erst da, wo sie über die Umschlagsstelle auf das äussere (extbl) Blatt herübertreten, verästeln sie sich. Zwischen den beiden Venen befindet sich deshalb auf dem eingestülpten Blatt des Dottersackes eine gänzlich gefässlose Stelle, denn es dringen auch keine Arterien in diesen Bezirk (Taf. III, Fig. 23). Dieser gefässlose Bezirk liegt innerhalb des Sinus terminalis und steht mit der grossen gefässlosen Zone ausserhalb desselben auf dem äusseren Blatt nicht in Zusammenhang. Ganz ähnliche Verhältnisse finden wir auch bei anderen Beutelthieren sowohl dieses als auch des nachher zu beschreibenden Typus (Taf. IV, Fig. 30). Wir finden dieselbe gefässlose Stelle auch innerhalb des Gefässhofes der Sauropsiden und Placentalier (Taf. VII, Fig. 620: Ipr, 63 0: !pr); wenn wir bei ihnen auf jüngere Stadien zurückgehen, und ganz junge Stadien untersuchen, so stellt sich heraus, dass diese gefässlose Stelle eigentlich ursprünglich ausserhalb des Gefässhofes liegt und erst secundär in denselben einbezogen wird (Taf. VII, Fig. 55, 620, 630). Es ist dies die Stelle der Keimblase, in die hinein der Embryo seinen Vorderkörper einstülpt und so das Proamnion bildet. Dringt später in diese Proamniontasche das Mesoderm hinein, so wird bei den Sauropsiden, Monotremen und Placentaliern dieser Bezirk noch nachträglich vascularisirt. Bei den Marsupialiern erhält sich hier aber dauernd eine gefässlose Stelle innerhalb des Gefässhofes des Dottersackes. Die Dotterarterie (A. vit) zieht gleich nach ihrem Austritt nach hinten und läuft, unpaar bleibend, in der Medianlinie über die ganze Rückenfläche des Embryo hinüber bis zur Umschlagsstelle (Fig. 24 uschl), 27 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 27 wo sie sich in einen rechten und einen linken Ast theilt. Während ihres Verlaufes über das innere Blatt des Dottersackes giebt sie ungemein zahlreiche, dünne, langgestreckte Seitenäste ab, die sich nach vorn bis zu den beiden Aesten der Vena vitellina ausdehnen (Fig. 23, 24, 25). Auf dem äusseren Blatt des Dotter- sackes angelangt, theilt sich die Dotterarterie in zwei symmetrische Aeste, die, nach rechts und links im Kreise herumziehend, sich vorn, ihrem Ausgangspunkt gegenüber, wieder vereinigen (Fig. 23), zuweilen dort auch bloss durch Anastomosen in Verbindung treten. Der rechte Ast der Dotterarterie giebt nur nach rechts, der linke nur nach links Seitenäste ab. Somit bezeichnet der von ihnen durchlaufene Umkreis die Grenze der gefässhaltigen Zone des Dottersackes, den Gefässhof. Jenseits von ihnen beginnt die gefässlose Zone; sie selbst bilden einen zuweilen einheitlichen, zuweilen durch Anastomosen zum Abschluss gebrachten Terminalring. Auch hier wieder, wie bei Echidna, treten die grösseren Venenzweige in die Interstitien zwischen die grösseren Arterienzweige (Fig. 23). Dieser Typus der Gefässverzweigung des Dottersackes ist für den Dottersackkreislauf aller Säuger charakteristisch und steht in auffallendem Gegensatz zur Gefässvertheilung der Allantois. Der Keim liegt im Uterus der Mutter derart befestigt, dass sich Falten des äusseren Blattes des Dottersackes in tiefe Buchten der gewulsteten mütterlichen Schleimhaut einbetten. Eine wirkliche Ver- wachsung der mütterlichen und kindlichen Gewebe wie bei den Placentaliern kommt aber nicht zu Stande '). Wie schon oben erwähnt, hängt innerhalb der gefässhaltigen Zone die parietale Dottersackwand auf das innigste mit der serösen Hülle zusammen, da der Cölomspalt bei den Marsupialiern sich nicht in diesen Abschnitt des Mesoderms hineinerstreckt. In die gefässlose Zone der parietalen Dottersackwand dringt überhaupt kein Mesoderm, die Wandung besteht bloss aus Ectoderm und Entoderm, und wir können, wie schon bemerkt, diese Zone, in der eine Differenzirung von seröser Hülle und Dottersackwand nicht ein- mal angedeutet ist, als Vorhülle, Prokalymma, bezeichnen, ebenso wie man den nach innen gestülpten Theil der Dottersackwand, solange er bloss aus Ectoderm und Entoderm besteht und noch kein selbständiges Amnion abgegliedert hat, als Proamnion bezeichnet. Ein derartiges Prokalymmma, das heisst eine nur aus Ectoderm und Entoderm zusammengesetzte Keimblasenwand scheint auch bei allen Placentaliern vorzukommen, die eine gefässlose Zone des Dotter- sackes besitzen. Wenigstens ist das von van BENEDEN und JuLin (2, pl. XXIV) für Kaninchen und Fleder- maus nachgewiesen. Bei ersterem Object ist die mesodermfreie Parthie der Keimblasenwand ausgedehnter als bei letzterem. Auch besitzt sie in ihrem innersten Umkreis nicht einmal Entoderm, sondern besteht bloss aus Ectoderm. Letztere Eigenthümlichkeit ist wohl kaum als ein ursprüngliches Verhalten anzusehen. Auf die physiologische Bedeutung des Bestehenbleibens des Prokalymma komme ich unten im allgemeinen Theil zurück. Die Ectodermzellen im Bereich des Prokalymma der Marsupialier sind viel protoplasmareicher uud höher als diejenigen, die in ihrer Fortsetzung die gefässhaltige Zone der parietalen Dottersackwand über- ziehen. Sicherlich besitzen sie eine besondere physiologische Bedeutung. Ihre freie Oberfläche, die sich an das Epithel der Uterusschleimhaut anlegt, ist nicht glatt, sondern unregelmässig. Ob man hier von amöboiden Fortsätzen reden darf, wie CALDWELL es thut, wage ich nicht zu entscheiden, da ich kein Material im Stadium des Ueberlebens daraufhin untersucht habe. Was ich an conservirtem Material beobachtete, sprach nicht gerade dafür. Durch die Configuration der Eihüllen dieses Typus wird es bedingt, dass die Allantois hier von jeder Beziehung zur serösen Hülle und damit auch zur mütterlichen Schleimhaut völlig ausgeschlossen ist. Dem entspricht die morphologische Structur der Allantois selbst. Um letztere überhaupt sichtbar zu machen, hat man den noch vom inneren Dottersackblatt umhüllten Embryo Fig. 23 nun vollends heraus- zustreifen. Erst dann wird die kleine, offenbar rudimentäre Allantois sichtbar, die mit kurzem Stiel unter dem Dottersackstiel hervortritt. Auf Fig. 26 ist ein solches Präparat abgebildet; um eine gute Ansicht des Embryo zu geben, ist das Amnion entfernt worden. Fig. 26 zeigt also die Allantois in Seitenansicht, 1) Die von OSBORN (12 und 13) beschriebenen hohlen „Villi““ der den Dottersack überziehenden serösen Hülle sind weder von CALDWELL noch von SELENKA beobachtet worden, noch auch habe ich etwas Derartiges auffinden können. 4* 28 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 28 Fig. 27 von der Stielseite her. Die Gefässe der Allantois sind verhältnissmässig sehr schwach und dürftig. Ein solches Gefässnetz, wie wir es bei Echidna an dem mit der serösen Hülle verwachsenden Theil der Allantois kennen gelernt haben und wie es auch den Sauropsiden und den Beutelthieren des zweiten Typus eigenthümlich ist, fehlt dem uns jetzt beschäftigenden Typus ganz. Da die Allantois, in der Tiefe begraben, keine Athemfunction mehr besitzt, ist auch die charakteristische Athemfläche verloren gegangen. Was wir vor uns haben, ist ein rudimentäres Organ. 2. Typus (Phascolarctus cinereus). Die von SELENkA untersuchten Formen: Didelphys, Bettongia (syn. Hypsiprymnus), Phalanger (syn. Phalangista) gehören in ihrer Embryonalentwickelung sämmtlich dem ersten, soeben beschriebenen Typus an. Ein Vertreter des zweiten Typus hat SELEnkA zur Untersuchung nicht vorgelegen. Auch scheint er keine Kenntniss von der CarLpwerr’schen Mittheilung aus dem Jahre 1884 gehabt zu haben, die i zu seinen eigenen Ängaben in mancher Beziehung im Gegensatz stehen. CALDWELL (5) seinerseits Ammionhöhle beschreibt nur den zweiten Typus und glaubt ihn für den „typical marsupial one“ halten zu dürfen. Prokalymma 7, fand ihn bei Phascolarctus cinereus, von dem ihm eine fast vollständige Serie aller Entwickelungs- stadien vorlag, ferner aber auch bei Halmaturus ruficollis. Ich will hier gleich vorausschicken, dass Proamnion- \ch in der Hauptsache die kurzen, aber präcisen ve Angaben CALDWELL’s, soweit sie sich auf Pha- Cölom scolarctus beziehen, bestätigen und ergänzen kann. Halmaturus ruficollis hat mir nicht vorgelegen. Es würde sehr auffallend sein, wenn er wirklich diesem Typus angehörte, da der nahe verwandte 4epyprymnus durehaus zum ersten Typus gehört. Nun bezieht sich CALDweELTL’s eigentliche Beschrei- bung ganz vorwiegend auf Phascolarctus , Halmaturus wird mehr nebenbei erwähnt und die auf ihn be- Seröse Hin, zügliche Abbildung (l. c. Taf. 43, Fig. 2) betrifft nicht die Lagerungsverhältnisse von Embryo und Phascolaretus einereus (2. Typus). Eihüllen, sondern die Histologie der Keim- Ectoderm gestrichelt, Entoderm punktirt, gefässhaltiges Meso- derm dicke, gefässloses Mesoderm dünne Linie. blasenwand. Es wäre also nicht undenkbar, dass CALDWELL bei seiner an Ort und Stelle vor- genommenen Untersuchung Befunde, die er bei Phaseolarctus gemacht hat, auf Halmaturus ausgedehnt hat, ohne gewisse Unterschiede zu merken. Ob dies der Fall ist, oder ob wirklich Halmaturus dem zweiten, der verwandte Aepyprymnus aber dem ersten Typus angehört, muss unentschieden bleiben, bis neue Untersuchungen vorliegen. Ich betrachte deshalb vorläufig nur Phascolarctus als den Repräsentanten des zweiten Typus. Es muss späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, zu entscheiden, wie sich die der Untersuchung noch harrenden Formen wie Phasco- lomys, Myrmecobius, Dasyurus etc. in und zwischen unsere beiden Typen einordnen. Das Vorkommen weiterer Typen der Anordnung der Embryonalhüllen, die wirklich diesen Namen verdienen, erscheint mir aus ver- schiedenen Gründen als sehr unwahrscheinlich. Um sofort eine Vorstellung von der Hauptdifferenz beider Typen zu erhalten, vergleiche man zu- nächst Fig. 42 auf Taf. V (Aepyprymnus) mit Fig. 43 (Phascolarctus) oder auch die beistehende Textfigur mit der Textfigur Seite 25. Als unwesentlich hat man dabei die etwas verschiedene Lage des Embryo 29 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 29 gegenüber dem Dottersack aufzufassen. Auf Fig. 42 sehen wir ihn mit dem Hinterende voraus, auf Fig. 43 und 44 mit dem Kopf voraus in den Dottersack eingestülpt. Als unwesentlich bezeichne ich diese Differenz deshalb, weil auf diesen späten Entwickelungsstadien die Lage des Embryo in seiner Dottersackshöhle auch bei Individuen derselben Art keine ganz constante Lagerung hat, wie ein Vergleich von Fig. 43 und 44, zwei verschiedene Individuen von Phascolarctus dar- stellend, lehrt. Der wesentliche Unterschied von Typus I und 2 besteht darin, dass die Allantois bei ersterem Typus vom Embryo ganz mit in die Tiefe der Einstülpung hineingenommen ist und im Inneren liegt, ohne jede Beziehung zur Oberfläche und zur serösen Hülle gewonnen zu haben. Beim Phascolaretus-Typus dagegen ragt sie mit langem Stiele aus dem Krater, der im Dottersack durch das Einsinken des Embryo gebildet ist, hervor und verstopft die Mündung des Kraters gänzlich, indem sie mittelst der herausragenden Fläche mit der serösen Hülle verwächst (Fig. 43; in Fig. 44 ist die Allantois selbst abgeschnitten, nur ihr Stiel hängt heraus). Auf Taf. IV, Fig. 30 ist eine nicht schematisirte Ansicht des Embryo Fig. 43 von vorn gegeben. Vergleicht man Fig. 30, Taf. IV, mit Fig. 44, Taf. V, so erkennt man die leichte Verdrehung des Embryo Fig. 30 innerhalb des Dottersackes. Der Dottersack von Phascolarclus zeigt genau dieselben Eigenthümlichkeiten wie derjenige des ersten Typus: derselbe Verlauf der beiden Aeste der Vena vitellina (Fig. 44), die gefässlose Strecke auf dem inneren Blatte des Dottersacks in und oberhalb der Venengabel (Fig. 31, 44), dieselben eigenthümlichen Arterienbüschel auf dem inneren Blatt ausserhalb von den Venen (Fig. 31), dieselbe Configuration der Gefässvertheilung auf dem äusseren Blatt des Dottersackes. Auch der Schichtenbau der Dottersackwandung ist bei beiden Typen derselbe (vgl. oben Seite 26 und 27). Die Dotterarterie kommt unpaar aus dem Dottersackstiel, läuft ungetheilt unter Abgabe sehr zahlreicher, feiner, langer Aeste (Arterienbüschel) über das innere Blatt, geht dann auf die Umschlagsstelle und steigt noch ein Stück an dem äusseren Blatt empor (Taf. V, Fig. 43). Dann theilt sie sich, meist unter Deltabildung, in zwei Aeste, die, auf dem Dottersack nach rechts und links herumziehend, einen Ring bilden, der den Gefässhof abschliesst. Seinen Abschluss erreichte der Ring in allen von mir untersuchten Fällen durch Anastomosen der beiden Arterienäste an ihrem Ende, nicht durch directen Uebergang der Stämme in einander. Auf eine merkwürdige Verwachsung des Dottersackes mit dem Amnion in einem gewissen Bezirk oberhalb der Venengabel komme ich unten zurück. Was unseren zweiten Typus vom ersten, wie es scheint, weiter verbreiteten unterscheidet, ist die morphologische Beschaffenheit und die physiologische Leistung der Allantois. Dieselbe ist nicht wesentlich grösser als die des ersten Typus, aber da sie nicht im Inneren vergraben liegt, sondern, mit langem Stiel aus dem Krater heraushängend, die Krateröffnung verstopft und mit der serösen Hülle verwächst, zeigt ihr Gefässsystem nichts von der rudimentären Beschaffenheit des ersten Typus. Auf Fig. 34, Taf. IV ist ein nicht schematisirtes Bild des Lagerungsverhältnisses von Allantois und Embryo gegeben. Auf Fig. 35 ist dieselbe Allantois, stärker vergrössert, in Seitenansicht gezeichnet, und zwar ist die Fläche, mit der sie mit der serösen Hülle verwächst, vom Beschauer abgewendet, auf Fig. 36 aber ihm zugewendet. In Fig. 37 sieht man von oben (also vom Stiel her), in Fig. 38 in entgegengesetzter Richtung auf das Organ. Wir können an der Allantois zwei Flächen unterscheiden: die leicht gekrümmte Kugelfläche, in deren Bereich sie mit der serösen Hülle verwächst, und den Kegelmantel, der jene Kugelfläche zur Basis, das Ende des Stieles aber zur Spitze hat. Es tritt nun bei Betrachtung der Figuren sehr deutlich die Eigenthümlichkeit hervor, dass die Kegelmantelfläche fast nur die Stämme der grossen Gefässe (Fig. 37), die mit der serösen Hülle verwachsene Kugelfläche aber ihre Endausbreitung, ein äusserst dichtes und reich entwickeltes Gefässnetz enthält. Die Allantois besitzt zwei Venen, die ungetheilt über die Kegelmantelfläche in den Stiel treten und dabei nur wenige Seitenäste aufnehmen. Ihr Blut sammeln sie auf der Kugelfläche, wobei sich die Venenäste mit den arteriellen Gefässzweigen in der für die Allantois charakteristischen Weise kreuzen, eine Gefässvertheilung, wie sie am Dottersack niemals vorkomnt. 30 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 30 Die beiden Allantoisarterien verlassen schon, in mehrere (zuweilen sechs) kleinere Aeste zerfallend, den Stiel, treten unter Abgabe weniger Zweige über den Kugelmantel und finden ihre Endausbreitung auf der Kugelfläche. Jene Fläche ist also durch zwei Eigenthümlichkeiten vor der Kegelmantelfläche ausgezeichnet: erstens durch ihre Verwachsung mit der serösen Hülle, zweitens den Besitz der eigentlichen Verzweigung der Allantoisgefässe. Auch an der Allantois von Echidna konnten wir constatiren, dass der Theil der Allantois, der mit der serösen Hülle verwächst, Träger der reich entwickelten Endausbreitung der Gefässe ist, während die dem Embryo zugewandte Fläche fast ausschliesslich nur die grossen Gefässstämme führt. Wir nannten deshalb ersterwähnte Fläche die Athemfläche der Allantois, und eine Athemfläche besitzt auch die Allantois von Phascolarctus, während eine solche den Beutelthieren des ersten Typus gänzlich fehlt, da dort die Allantois die seröse Hülle nirgends erreicht und ihr ganzes Gefässsystem dem- vr c =” . r— Cölomspall zufolge rudimentär geworden ist. h H ] : Ammion Hl) A): 1 e “\ Hierin besteht die Differenz beider Typen, eine Differenz, die neben ihrer physio- Dottersack logischen Bedeutung morphologisch von grossem Interesse ist. Der Phuscolaretus-Typus ist nämlich derjenige, der die Beutelthiere nach unten in der phylogenetischen Reihe mit den Monotremen und Sauropsiden, nach oben mit den i Entoderm JPlacentaliern verbindet. Aus ihm ist secundär in extremer Weiterentwickelung der Pe, .. - 52 — Mesoderm schon hervortretenden Prävalenz des Dottersackes gegenüber der Allantois der andere ae Be Betoderm Typus hervorgegangen, bei dem die Allantois jede Bedeutung als Athemorgan verloren hat. Ich komme hierauf später noch ausführlicher zurück. Der Beschreibung der Embryonalhüllen von Phascolaretus habe ich noch eine merkwürdige Thatsache hinzuzufügen, die ich bei allen von mir untersuchten Exemplaren gefunden habe. Gerade zwischen der Venengabel findet sich nämlich ein Zusammen- hang des Amnions mit dem hier gefässlosen inneren Blatte des Dottersackes, der, am Dotternabel nahtförmig beginnend, sich über der Augengegend des Embryo zu einer elliptischen Scheibe erweitert (Taf. V, Fig. 44 pre). Der in Fig. 30 und 31, Taf. IV, dargestellte Embryo hat sich aus seiner ursprünglichen Lage in der Venengabel ver- dreht, so dass letztere statt median an seiner inken Seite liegt. Damit ist auch der Zusammenhang von Amnion und Dottersack nach links vom Embryo verschoben. Aber auch hier liegt er in der Venengabel genau in derselben Stellung zu ihr wie derjenige von Fig. 44. Auf Fig. 32 sieht man den Zusammenhang von der Seite, auf Fig. 33 von vorn. Derselbe grenzt sich, wie man sieht, mit einem scharfen Rand von der Umgebung, wo keine Verwachsung vorliegt und Amnion und Dottersack frei über einander liegen, ab. Die nähere Untersuchung lehrte nun, dass es sich hier um ein auf diesen kleinen Fleck beschränktes Bestehenbleiben des ursprünglichen Zustandes handelt, in welchem N . Dottersack und Amnion sich noch nicht von einander gesondert haben, sondern die Proamnionrest bei RE £ R 5 2 Phascolarctus. Dottersackwand selbst die Kopfscheide für den Embryo, ein Proamnion, bildet. Das Proamnion entsteht dadurch, dass das Vorderende des Embryo sich zwischen der Venengabel in den Dottersack zu einer Zeit eingräbt, zu welcher an dieser Stelle die Wandung nur aus Ectoderm und Entoderm besteht. Dann sprechen wir von einem Proamnion. Später dringt auch in diesen Bezirk das Mesoderm und der Cölomspalt ein, die Wandung wird vier- statt zweischichtig, und von diesen vier Schichten bleiben zwei (Entoderm und Splanchnopleura) dem Dottersack; zwei (Ectoderm und Somato- pleura) bilden das definitive Amnion. Wie der auf beistehender Textfigur dargestellte Querschnitt zeigt, ist der Rest jenes ursprünglichen Zusammenhanges, der uns hier vorliegt, streng genommen, nicht mehr als Proamnionrest zu bezeichnen, denn die Wandung besteht hier nicht mehr bloss aus Ectoderm und Entoderm, son- I Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 3ı [77 dern eine Mesodermschicht ist schon eingedrungen. Das Eigenthümliche aber ist, dass der Cölomspalt in diesen eng begrenzten Bezirk nicht mit eingedrungen ist und deshalb hier der alte Zusammen- hang der im Uebrigen überall getrennten Bildungen dauernd bestehen bleibt. Seiner Ausdehnung nach repräsentirt natürlich jene Verwachsung nur einen kleinen Rest des ursprünglichen, bei Phascolarctus sehr ausgedehnten Proamnion. Dem ehemaligen Proamnion entspricht der ganze gefässlose Bezirk der inneren Dottersackwand, also die Zone, die in Fig. 58, Taf. VII, mit blauer Farbe bezeichnet ist. Wie jene Figur sehr deutlich zeigt, ist der bestehenbleibende Proamnionrest (pre) nur ein kleiner Bruchtheil der ganzen Zone. Bemerkenswerth ist, dass im Bereich des Zusammen- hanges das Entoderm des Dottersackes stark verdickt und eigenthümlich gewulstet ist (vgl. die Textflgur). VAN BENEDEN und Jurın (2, p. 385) beschreiben beim Kaninchen eine in der Hauptsache wohl ent- sprechende Bildung. Sie geben nämlich an, das Amnion hafte während des ganzen Fötallebens am Dotter- sack in einem kleinen Bezirk innerhalb der Venengabel. Auch das, was sie beschreiben, repräsentirt offenbar nur einen kleinen Rest des ehemaligen Proamnion. van BENEDEN und JuLın lassen die Frage offen, ob der Haupttheil des Proamnion durch Atrophie ganz verschwindet, oder ob er durch Ein- dringen von Mesoderm und Cölom in echtes Amnion übergeführt wird. Meine Beobachtungen bei Phasco- laretus, ganz besonders die Wandstructur des mesodermhaltigen, aber cölomlosen Proamnionrestes, sprechen durchaus für letztere Auffassung. Sehr leicht lässt sich bei den Sauropsiden (Vögel: 15, 22, Eidechsen: 23, 9, 16, Chelonier: ı1), das nachträgliche Eindringen von Mesoderm und Cölom in die Proamnionfalte nach- weisen. Vergleichende Beobachtungen und Betrachtungen über die Embryonalhüllen und den Embryonal- kreislauf der Amnioten. Die Untersuchung und die Erklärung von Wesen und Bedeutung der fötalen Anhänge war ein Lieblingsthema der älteren Embryologie, und hier hat dieselbe mit ihre schönsten Triumphe gefeiert. Es schien sogar, als ob man so weit in der Erkenntniss gelangt sei, dass, etwa mit Ausnahme der näheren Unter- suchung der Placenta, kaum noch etwas zu thun übrig geblieben wäre. Andere Fragen traten in den Vordergrund. und wenn auch gerade in dem letzten Jahrzehnt sich wieder ein lebhafteres Interesse kund- gegeben und eine Reihe glänzender Untersuchungen gezeigt hat, dass hier noch eine Fundgrube von Ent- deckungen vorhanden ist, und unsere Anschauungen noch sehr der Sicherstellung und Vertiefung bedürfen, so fehlt es doch ganz an einer zusammenfassenden Darstellung. Was ich in Folgendem gebe, soll auch nichts Abgerundetes und Fertiges vorstellen, vielmehr ein Programm für eine spätere Arbeit, in der die Anamnier eine gerechtere Würdigung erfahren sollen, als ihnen hier zu Theil werden kann. Eine Specialuntersuchung des Dotterkreislaufes der Selachier wird dem- nächst erscheinen; andere Klassen der Anamnier sollen erst noch genauerer Untersuchung unterzogen werden. Classifieation der Wirbelthierentwickelung. In der Wirbelthierreihe wie auch in anderen Thierstämmen können wir folgendes Hauptprincip der Vermehrung realisirt finden: Der Keim, sobald er nach Verlassen des mütterlichen Körpers oder nach Sprengung der schützenden Eihülle sein Freileben beginnt, hat denselben Kampf ums Dasein durchzukämpfen wie der ausgewachsene Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 32 32 Organismus. Er muss die zum Leben und zur Weiterentwickelung nothwendige Nahrung aufsuchen, hat sich zahlreichen Verfolgern zu entziehen, die ihm nachstellen, wird durch Sturm und Brandung, Dürre und Ueberschwemmung vernichtet, Gefahren, denen er oft viel hülfloser preisgegeben ist als das erwachsene Thier. Denn wenn auch Larven und junge Thiere nicht selten allerlei Schutzvorrichtungen und Anpassungen besitzen, um den Kampf ums Dasein erfolgreich aufzunehmen, so brauchen auch diese Schutzvorrichtungen Zeit sich zu entwickeln, sie sind naturgemäss um so unvollkommener, je jünger der Keim ist, und erreichen selten die Höhe der Vollendung, die ein ausgewachsenes Thier in seiner Anpassung an die Lebens- bedingungen zeigt. Die Folge davon ist, dass die Gefahr der Vernichtung um so grösser ist, je jünger der Keim frei der Aussenwelt gegenüber zu treten hat, und dass die Vernichtung der Brut successive mit dem Aelterwerden der Keime abnimmt. Es werden deshalb in allen Thierklassen entweder in der einen Reihe der Fälle möglichst viele Keime geboren, die sich sogleich selbst zu helfen haben, von denen viele vernichtet werden, ein kleiner Procentsatz aber überlebt. Das kann bei sehr zahlreichen Keimen immerhin schon eine relativ grosse Zahl bedeuten. Oder aber die Zahl der erzeugten Individuen wird beschränkt zu Gunsten von Einrichtungen, die darauf abzielen, den Keim zu einer möglichst späten Zeit dem Kampf mit der Aussenwelt zu exponiren. Es werden weniger Keime erzeugt, aber ein grösserer Procentsatz derselben bleibt am Leben. Dies wird auf zwei Wegen erzielt: Entweder werden die Keime früh und unentwickelt geboren; sie verweilen aber auch nach der Geburt noch längere Zeit innerhalb einer schützenden Eihülle und sind da- durch dem Kampf mit der Aussenwelt zum grossen Theile entrückt. In diesem Falle bedürfen sie zu ihrer Ernährung: der Mitgift einer reichlichen Dottermenge. Oder aber sie durchlaufen einen grossen Theil ihrer Entwickelung innerhalb des mütterlichen Körpers und werden erst relativ spät und vollentwickelt geboren. In beiden Fällen verbindet sich hiermit oft noch eine Brutpflege der Eltern für die abgelegten Eier oder für die neugeborenen Jungen (gewisse Teleostier, Amphibien, Reptilien, fast alle Vögel, alle Säugethiere). Wir sehen also entweder viele Keime erzeugt in Gestalt von weichschaligen, dotterarmen oder doch wenig dotterreichen Eiern. Es besteht eine Oviparität, die wir nach Menge des mitgegebenen Dotters als mikrolecithale und als mesolecithale Oviparität unterscheiden können. Oder aber dieZahl der Keime wird zu Gunsten ihrer späten Geburt aus der Eischale oder aus der Mutter beschränkt. Wir sehen entweder hartschalige, grosse Eier mit reichem Dottervorrath abgelegt, oder aber die Ent- wickelung vollzieht sich zum grössten Theil in der Mutter: wir haben makrolecithale Oviparität oder Viviparität. Die Thatsachen lehren, dass im Wirbelthierstamme die Viviparität sich stets und überall aus der makrolecithalen Oviparität entwickelt hat. Versuchen wir nun die Wirbelthiere nach den eben entwickelten Principien zu classificiren, so er- giebt sich zunächst die interessante Thatsache, dass fast in jeder Wirbelthierklasse die meisten der erwähnten Vermehrungsarten neben einander vorkommen t): Mikrolecithale Oviparität Mesolecithale Oviparität Makrolecithale Oviparität Viviparität Acranier Petromyzonten Myxinoiden (Proselachier ?) Mehrzahl der Selachier Viele Selachier Ganoiden Mehrzahl der Teleostier Einige Teleostier Dipnoer Mehrzahl der Amphibien Einige Amphibien Einige Amphibien Mehrzahl der Reptilien Einige Reptilien Vögel Monotremen Beutelthiere Placentalier 1) In der folgenden Uebersicht ist nicht die absolute Menge des Dotters als das allein Maasseebende betrachtet worden, sondern auch das Verhältniss von Protoplasma zu Deutoplasma. Deshalb wurden alle meroblastischen Eier als makro- lecithal bezeichnet. 33 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 33 Unsere Uebersicht giebt uns wohl ein ganz interessantes Bild von der grossen Variabilität der Vermehrungsart in den verschiedenen Klassen. Aber gerade aus diesem Grunde müssen wir noch ein weiteres Eintheilungsprincip suchen, das auf mehr durchgreifende physiologische und morphologische Merkmale gegründet ist. Ein solches Merkmal ergiebt sich uns in dem Aufenthalt der abgelegten Eier oder Larven: Wird der Keim in das Wasser oder wird er in das Trockene abgesetzt? Besteht generatio aquatica oder generatio terrestris? Es braucht wohl nicht erst hervorgehoben zu werden, dass diese Eintheilung nicht durchweg mit der Lebensweise der ausgewachsenen Thiere übereinstimmt. Die meisten Amphibien führen eine terrestrische Lebensweise, besitzen aber fast durchweg eine generatio aquatica. In dieser Eintheilung haben wir ein physiologisches Moment in den Vordergrund gestellt: den Auf- enthalt der Eier im Wasser oder auf dem Lande, im flüssigen oder gasförmigen Medium. Es fragt sich nun, ob dieses physiologische Merkmal so durchgreifend und wichtig ist, um als classificatorisches Princip angenommen werden zu können, oder ob es ebenso viel werth ist, wie eine Ein- theilung der Wirbelthiere in wasser-, land- und luftbewohnende, das zur Vereinigung der Fische und Wale, der Vögel und Fledermäuse führen würde. Bei näherem Zusehen erkennen wir, dass unsere Gruppirung keine solche unnatürlichen Zusammen- stellungen und Trennungen bedingt. Die beiden grossen Gruppen, die wir bei dieser Eintheilung erhalten, bilden zwei auch vergleichend- anatomisch wohl begründete Abtheilungen, die wir als niedere und höhere Wirbelthiere unterscheiden können, und von denen die zweite höchst wahrscheinlich mit gemeinsamer Wurzel aus der ersten hervor- gegangen ist. Die enge Zusammengehörigkeit der zweiten Gruppe wird ausser anderem auch durch den gemein- samen Besitz eines eigenthümlichen Organs bewiesen, das der ersten Gruppe fehlt, des Metanephros. Bei den niederen Wirbelthieren, mit Einschluss der Amphibien, erfüllt noch die einfacher gebaute Urniere oder Mesonephros die Functionen, die bei den höheren Wirbelthieren der höher und vollkommener ausgebildete Metanephros übernommen hat. Bei letzteren dient dann der Mesonephros im ausgebildeten Zustande nicht mehr als Excretionsorgan. Aber noch ein zweites morphologisches Merkmal oder besser eine zusammengehörige Summe von Merkmalen ist für die zweite Gruppe charakteristisch, ein ganz specifisch embryologisches Merkmal, das sich auf die Umhüllung und die Athmung der Embryonen während ihrer Entwickelung im Ei oder in der Mutter bezieht. Die Gruppe der höheren Wirbelthiere ist entwickelungsgeschichtlich durch den Besitz von Amnion und seröser Hülle als embryonaler Hüllorgane, sowie der Allantois als besonderen embryonalen Athmungs- organs ausgezeichnet. Man bezeichnet sie deshalb auch als Amnionthiere oder Amnioten und stellt ihnen die erste Gruppe als Amnionlose, Anamnia, gegenüber. Wie nachher gezeigt werden soll, steht die Entwickelung des Amnion und der serösen Hülle in engem, causalem Zusammenhang mit dem terrestrischen Aufenthalt der Eier’). Folgende Uebersicht bringt die eben besprochenen Beziehungen zum Ausdruck: ÄAnamnia; ohne Amnion, seröse Hülle AÄmniot&: mit Amnion, seröser Hülle und Allantois. Generatio aquatica?) und Allantois. Generatio terrestris Pronephridier Mesonephridier Metanephridier Acranier Cyclostomen Sauropsiden Fische Mammalia Dipnoer Amphibien B 1) Was Ryver (17) als rudimentäre Amnionfalten bei Knochenfischen bezeichnet, ist meiner Ansicht nach mit den eigent- lichen Amnionfalten nicht zu vergleichen. 2) Es ist interessant, dass bei der höchsten Anamnierklasse, den Amphibien, schon hie und da Anläufe genommen werden, von der Generatio aquatica zur Generatio terrestris überzugehen, so bei Ichthyophis, Amphiuma, Leptodactylus, Paludicola, Pha- scophorus, Chiromantis, Phyllomedusa. Jenaische Denkschriften. V. 5 Semon, Zovlog. Forschungsreisen. IL, Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 34 34 Vergleichen wir obenstehende Uebersicht mit der auf Seite 32 gegebenen, so sehen wir, dass bei den Anamniern, der Gruppe mit aquatischer Keimentwickelung, Oviparität in allen drei Formen sowie in manchen Fällen (gewisse Selachier, wenige Teleostier, wenige Amphibien) Viviparität vorkommt. Bei den Amnioten findet sich nur makrolecithale Oviparität (die meisten Reptilien alle Vögel, die Monotremen) oder Viviparität (manche Reptilien, alle Beutelthiere und Placentalier). Wo immer bei den Wirbelthieren, bei Anamniern so gut wie bei Amnioten, makrolecithale Oviparität oder auch Viviparität, die ja stets aus ersterer hervorgegangen ist vorkommt, da coincidirt dieselbe mit der Entwickelung eines Dottersacks. Dieses Organ ist für die Abkömmlinge von dotterreichen Eiern bei allen. Wirbelthieren charakteristisch. Ich behalte mir vor, auf die verschiedenen Formen des Dotterorgans bei Anamniern, seinen Kreislauf und seine Function in späteren Arbeiten zurückzukommen und eine Ver- gleichung mit dem Dotterorgan der Amnioten durchzuführen. Der Dottersack ist das einzige embryonale Anhangsorgan, das auch den Anamniern zukommt. Alle übrigen sind für die Amnioten charakteristisch, zu deren näherer Betrachtung wir uns jetzt wenden. Einfluss des terrestrischen Aufenthaltes der Eier auf die Entwiekelung. Veränderte relative Schwere der Eier. Amnion und seröse Hülle. Wenn wir die veränderten Bedingungen studiren, unter denen sich die Keime bei terrestrischer Entwickelung befinden, so können wir die hohe Temperatur ganz ausser Acht lassen, die für die Ent- wickelung der homoiothermen Amnioten nothwendig ist. Denn die bei gewöhnlicher Lufttemperatur sich entwickelnden Keime der Reptilien zeigen genau dieselben Organisationseigenthümlichkeiten wie die der warmblütigen Amnioten. Um die Entstehung jener Eigenthümlichkeiten zu erklären, dürfen wir deshalb die hohe und constante Temperatur nicht mit heranziehen. Ebenso müssen wir zunächst die complicirten Existenzbedingungen der intrauterinen Embryonalentwickelung unberücksichtigt lassen; denn jene -Viviparität hat sich, wie erwähnt, sowohl bei gewissen Reptilien einerseits als auch andererseits bei Beutelthieren und Placentaliern aus makrolecithaler Oviparität entwickelt. Dadurch, dass die Eier statt im Wasser ihre Entwickelung im Trockenen, umgeben von atmo- sphärischer Luft, durchmachen, sind ihre Existenzbedingungen in vielfältiger Weise geändert. Eine Differenz aber ist von ausschlaggebender Bedeutung: es ist die veränderte Schwere. Natürlich bleibt die absolute Schwere der Eier dieselbe. Aber nicht um diese handelt es sich, wie wir gleich sehen werden. Es handelt sich um das relative Gewicht, d. h. das Gewichtsverhältniss des Objectes, also hier des Eies, zu dem es umgebenden Medium, also Wasser oder Luft. Während alle Körper im luftleeren Raum gleich schnell fallen, fallen schwere im lufthaltigen schneller als leichte. Je grössere Dichte und Schwere das Medium besitzt, in dem ein Körper sich befindet, um so langsamer fällt er. Bei gleicher Schwere schwebt der Körper in dem Medium; ist das Medium schwerer als der Körper, so schwimmt der letztere an der Oberfläche. Je schwerer das Medium ist, um so mehr wird also der Fall der Körper aufgehalten, um so mehr die eigene Schwere verringert. Bringen wir umgekehrt einen Körper aus einem schwereren in ein leichteres Medium, so vermehren wir dadurch seine Fallgeschwindigkeit, erhöhen seine relative Schwere. Letzteres findet nun statt, wenn die Eier statt in das Wasser ins Trockene abgelegt werden. Sie werden dadurch relativ um ein Vielfaches schwerer, ohne doch im mindesten widerstandsfähiger zu werden. Um eine Vorstellung zu geben, wie bedeutend die Erhöhung der relativen Schwere bei dem Ueber- gang der Eier aus dem flüssigen in das gasförmige Medium ist, habe ich im Physikalischen Institut zu Jena unter gütiger Leitung von Herrn Professor WINKELMANN einige genaue Bestimmungen des specifischen 35 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 35 Gewichtes von Hühnereiern gemacht. Dieselben ergaben, dass das Ei mit seiner Kalkschale bei eröffneter Luftkammer 1,08mal schwerer ist als Wasser; der flüssige Eiinhalt ist nur 1,03mal schwerer als Wasser. Dagegen ist ein Ei in seiner Schale bei geöffneter Luftkammer goomal schwerer und das Eiinnere ohne Schale 860mal schwerer als das Medium Luft. Die Luft setzt also dem Ei bei seinem Fall fast gar keinen, das Wasser ausserordentlich bedeutenden Widerstand entgegen; ein Ei kann im Wasser viele Meter tief fallen, ohne sich im mindesten zu verletzen, während es in der Luft schon bei einem Fall von wenigen Decimetern gänzlich zertrümmert, wenn es auf harte Unterlage aufstösst. Es ist klar, dass durch diese Erhöhung der relativen Schwere ohne Zunahme der Druck- und Zug- festigkeit sich die am Lande abgelegten Eier unter wesentlich ungünstigeren Verhältnissen befinden als die ins Wasser gelegten. Jede Bewegung des Eies als Ganzes hat im gasförmigen Medium eine viel intensivere Druck- und Stosswirkung der einzelnen Theile gegen einander zur Folge. Die Erschütterungen des Ei- inneren sind ungleich intensivere, wenn eine Henne ihre Eier lüftet und dreht, als wenn ein leichter Flüssigkeitsstrom ein Fischei am Boden auf und ab rollt. Weiss doch auch jeder Anatom, welchen Vor- theil es bietet, zarte Objecte in flüssigem Medium und nicht im Trocknen zu präpariren. Es ist ganz selbstverständlich, dass hier Schutzvorrichtungen getroffen werden müssen, um diese wesentlich ungünstigeren Daseinsbedingungen auszugleichen. Eine Reihe von Einrichtungen erhält nun das Ei gleich von der Mutter her als Mitgabe, um den Keim so weich wie möglich zu betten. Zwischen die mehr oder weniger harte äussere Schale und den Keim schiebt sich eine eiweissreiche, dickflüssige Flüssigkeitsschicht, das Eiweiss, wie die äussere Schale ein Product des Eileiters. Die complicirte Structur dieser Hüllflüssigkeit beim Hühnerei, ihre Zusammensetzung aus ab- wechselnd dichteren und flüssigeren Lagen, die Hagelschnüre, die Luftkammer zwischen den beiden Schichten der Schalenhaut, alles das sind Einrichtungen, die einen heftigen Anprall des Keimes gegen die Schale verhindern sollen, die das Ei im Inneren suspendiren und sich als Puffer !) zwischen Keim und Schale einschieben. Diese Einrichtungen, die den makrolecithalen Eiern der Anamnier fehlen, sind die einzigen Schutz- mittel des Keimes während der ersten Entwickelungsstadien, so lange der sich entwickelnde Keim nicht seinerseits für Schutzvorrichtungen Sorge tragen kann. So lange die Keimscheibe glatt oder nahezu glatt über den Dotter gespannt ist, bedarf sie auch wohl kaum eines weiteren Schutzes, zumal Vorsorge getroffen ist, dass das Ei den Pol mit der Keimscheibe stets nach oben kehrt, dieser Pol also niemals durch das Eigengewicht des dotterreichen, schweren Eies (man denke an ein Straussen- oder Aepyornis-Ei) ge- drückt wird. Je mehr sich aber der Körper des Thieres vom Dotter abhebt, um so mehr Angriffspunkte bietet er für die Stösse der Flüssigkeitswellen, welche die Erschütterungen und Bewegungen des gesammten Eies in dessen Innerem erzeugen und durch die eigenthümliche Schichtung des Eiweiss es wohl abgeschwächt, nicht aber ganz aufgehoben werden können. Auch hört in älteren Stadien der Embryonalentwickelung aus einer Reihe von Gründen für den Embryo die Möglichkeit auf, wie die Keimscheibe unter allen Umständen oben auf dem Dotter zu liegen, dem Gewicht und Druck des Dotters somit entrückt zu sein. Allen diesen Gefahren, die dem Keime in mittleren und älteren Entwickelungsstadien drohen, entzieht sich der Embryo, indem er zunächst die prominirenden Teile, Kopf und Vordertheil, dann auch den übrigen Körper in den Dotter vergräbt. Dieses Einsinken in den Dotter führt zur Bildung des Amnion und der serösen Hülle. Die Idee, dass der ganze complicirte Process der Amnionbildung in letzter Linie auf ein Einsinken des Embryo in den Dottersack zurückzuführen sei, ist keine neue. Ueber die Gründe, durch die dieses Einsinken bedingt sei, hat man sich aber verschiedene Vorstellungen gemacht. Ich will hier nun diejenigen berücksichtigen, die mir die beachtenswerthesten scheinen und sich des meisten Beifalles zu erfreuen ge- habt haben. van BENEDEN und Jurın (2, 425) erblicken in der zunehmenden Schwere des Embryo den 1) Die Luftkammer des Vogeleies ist eine vortreflliche Puffervorrichtung; für die embryonale Athmung ist sie wahr- scheinlich ohne jede Bedeutung. b* Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 36 36 wesentlichen Grund seines Einsinkens in den Dottersack: „Dans notre opinion, la cause determinante de la formation de l’enveloppe amniotique reside dans la descente de l’embryon, determinee elle-m&me par le poids du corps. C’est par une acceleration du developpement que la cavite amniotique en est venue ä se former quand l’embryon ne possede encore qu’ un poids insignifiant, quand il est encore une simple lamelle didermique, avant que le mesoblaste se soit constitue“. Schon FLEISCHMANN machte gegen die Anschauung, dass die Bildung der Amnionscheiden lediglich durch Einsinken des Embryo in den Dottersack in Folge seiner zunehmenden Schwere verursacht sei, eine Reihe begründeter Einwände. Ich habe versucht, einmal die thatsächliche Unterlage der Hypothese, soweit dieselbe die relative Schwere der in Betracht kommenden Medien betrifft, durch directe Beobachtung zu prüfen. Zweifellos haben wir bei der Amnionbildung von Formen mit dotterhaltigem Dottersack auszugehen, wie ihn die Sauropsiden und im Anfange ihrer Entwickelung auch die niedersten Säugethiere (Monotremen) besitzen. Der dotterleere Dottersack der Beutelthiere und Placentalier ist unstreitig eine secundär veränderte Bildung, die wir als Ausgangspunkt der Amnionbildung nicht zu berücksichtigen brauchen. Es erhebt sich nun die Frage: Ist denn der Embryo wirklich specifisch schwerer als der Dotter, so dass wenigstens diese Grundlage der van BENEDEN-Jurin’schen Hypothese als gesichert zu betrachten wäre, obwohl auch dann noch andere Erklärungen der thatsächlichen Vorgänge sehr wohl möglich wären? Ich habe im physiologischen Institut zu Jena zusammen mit Herrn Prof. W. BIEDERMANN die specifische Schwere von Hühnerembryonen vom dritten und vierten Tage der Bebrütung bestimmt. Bei dem ungemein geringen Volumen der Objecte erwies es sich am zweckmässigsten, das specifische Gewicht durch die Schwebemethode zu ermitteln. Das Object wurde in eine physiologische Kochsalzlösung ge- bracht, in der Gummi arabicum gelöst war, und der Gummizusatz so lange verstärkt, bis das Object gerade schwebte. Dann wurde das specifische Gewicht der Gummilösung bestimmt. Da ergab sich denn die in- teressante Thatsache, dass die Embryonen specifisch erheblich leichter waren als der zugehörige Dotter, sowohl die drei Tage alten Embryonen als auch die schon weit in der Entwickelung vorgeschrittenen vom vierten Tage. In den Gummilösungen, in denen der Embryo noch schwebte, gingen alle Bestand- theile des Dotters wie Steine unter. Das specifische Gewicht eines Embryo vom vierten Tage ergab sich als 1021,5. Die Prüfung des zugehörigen Dotters erwies sich insofern etwas schwierig, als der Dotter ja keine homogene Masse darstellt, sondern aus abwechselnden Schichten von weissem und gelbem Dotter zusammen- gesetzt ist. In einer Gummilösung von 1021,5 specifisches Gewicht schwebten durchaus keine Dotter- partikelchen. In einer Lösung von 1024 Specifisches Gewicht begannen die ersten Partikelchen zu schweben. In einer Lösung von 1026,5 schwebten zahlreiche kleine Flocken, die Hauptmasse des Dotters war aber noch schwerer als diese Lösung. Da ich kein Mittel weiss, die einzelnen Schichten des Dotters rein von einander zu trennen, kann ich nicht die getrennten Gewichtszahlen für weissen und gelben Dotter angeben. Aus dem Umstand aber, dass in Lösungen, in denen der Embryo schwebte, gar keine Dotterpartikelchen schweben wollten, glaube ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass alle Dotterbestandtheile, auch der weisse Dotter, specifisch schwerer sind als der Embryo. Nun könnte man ja noch einwenden, dass bei anderen Sauropsiden vielleicht andere Gewichts- verhältnisse zwischen Embryo und Dotter bestehen als beim Hühnchen, und schliesslich bliebe immer noch der Einwand, dass bei den Vorfahren der Amnioten zur Zeit der Entstehung der Amnionbildung das von der Hypothese supponirte Gewichtsverhältniss zwischen Embryo und Dotter existirt habe. Meiner Ansicht nach wäre es aber nur dann gerechtfertigt, diese Annahme zu machen, wenn keine andere Erklärung der Amnionbildung denkbar wäre, und wenn jene Gewichtshypothese den Vorgang der Amnionbildung, wie er thatsächlich bei den Amnioten beobachtet werden kann, in einleuchtender und vollständiger Weise erklärte. Beides aber ist nicht der Fall. Die ontogenetischen Thatsachen lassen sich bei anderer Auffassung der Amnionbildung vollkommen erklären, ohne jene thatsächlich nicht beobachteten Gewichtsverhältnisse vorauszusetzen. Aber auch unter jener Voraussetzung bliebe die Einhüllung des Embryo durch zwei selbständig auftretende, von vorn und hinten auf einander zu wachsende Falten unerklärt und unerklärlich. 37 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 37 SELENKA hat sich eine andere Vorstellung von dem Zustandekommen des embryonalen Anhangs- organes, das wir Amnion nennen, gebildet, aber auch er hält diese Bildung für eine „allogenetische“, das heisst mechanisch direct bedingte — „im Gegensatz zu den autogenetischen, welche sich activ, sozusagen durch eigene Kraft herausbildeten (21, p. 186). Nach ihm setzt sich das Amnion aus zwei ganz unabhängig von einander entstandenen Falten zusammen. Die vor- dere Amnionfalte, das Kopfamnion oder Proamnion, wird durch die Scheitel-Nackenbeuge bedingt; der Kopf senkt sich tief in den Dotter hinein und treibt die Eihaut als vordere Amnionfalte vor sich her und drückt dieselbe ins Eiinnere hinein. Während das Kopfamnion durch Einstülpung der Eiwand her- vorgerufen wird, legt sich die Rumpffalte vor einer Ausbuchtung an, die lediglich dem Hervorwachsen der Allantois ihre Entstehung verdankt. „Nach dieser Hypothese wäre das Amnion kein einheitliches Gebilde, sondern setzt sich aus zwei genetisch differenten Falten, dem Kopf- und Rumpfamnion, zusammen, welche nur deshalb zu einer doppelten Hüllhaut des Embryos sich vereinigen, weil ihre Faltenränder, man möchte sagen zufällig, zusammenstossen müssen.“ In seiner früheren Publication (20, p. I3I) hatte sich SELENKA entschieden dafür ausgesprochen, das Amnion als ein einheitliches Gebilde aufzufassen. Die Entstehungsgeschichte dieser Embryonalhülle könne auf ganz plausible Weise durch das Einsinken des specifisch schwereren Embryo in den Dotter erklärt werden. Seine neuerdings vorgetragene Anschauung findet sich in nuce schon in den ausführlichen Erörterungen der FLEISCHmann’schen Arbeit (6, p. 27), die ebenfalls aus dem Erlanger Zoologischen Institute hervorgegangen sind. In diesen bringt FLEISCHMANN die Bildung des Amnion in erster Linie mit der Spiraldrehung und der Kopfbeuge der Embryonen in Beziehung. Er hebt aber das Hervorwachsen und die Ausdehnung der Allantois als einen ferneren wich- tigen Factor bei der Gestaltung des Amnions hervor. Gegenüber diesen Auffassungen, die, ob sie sich nun auf die angebliche Schwere des Embryo oder auf seine embryonalen Krümmungen und auf das Hervorwachsen der Allantois stützen, doch darin überein- stimmen, Einflüsse festzustellen, die angeblich die Entstehung des Organes mechanisch direct bedingen sollen, sehe ich im Amnion ein Schutzorgan, das als solches und um seiner selbst willen durch Zuchtwahl erworben worden ist, eine Anpassung des Embryonallebens, die ebenso zu erklären ist, wie die Anhänge, Fortsätze, provisorischen Skelete vieler pelagischer Larven, zahlreiche Schutzvorrichtungen der Insecten- larven und -puppen, der Saugmund der Amphibienlarven und unzählige andere Einrichtungen des Thier- und Pflanzenreiches. Vergegenwärtigen wir uns den Uebergang des terrestrischen Aufenthalts der Eier aus dem aqua- tischen! Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass dieser Uebergang ganz plötzlich und unvermittelt statt- gefunden hat. Vielleicht haben die Stammformen der Amnioten zunächst ihre Eier in Uferschlamm oder vom Grundwasser feucht gehaltene Erdlöcher abgelegt. Ein eigentliches Vergraben, wie wir es bei Krokodilen und manchen Schildkröten beobachten können, halte ich als Ausgangspunkt der ter- restrischen Eientwickelung deshalb nicht für wahrscheinlich, weil eine solche Entwickelung bei den höchst ungünstigen Durchlüftungsverhältnissen ohne sehr vollkommene Einrichtungen der embryonalen Respiration nicht wohl denkbar ist. Solche Einrichtungen waren aber beim Beginn der terrestrischen Eientwickelung noch nicht da; sie mussten erst successive geschaffen werden. Möglich auch, dass die Mutter zunächst noch eine Art Brutpflege ausübte und den Eiern die nöthige Feuchtigkeit durch ihren eigenen Körper mittheilte, wie dies nach den Beobachtungen der Sarasıns (18, p. 12) bei den Eiern von Ichthyophis glutinosus stattfindet, eines Amphibiums, dessen Eier exceptioneller Weise ins Trockene abgelegt und vom mütterlichen Körper mit Feuchtigkeit versehen werden, bis die Larven ausschlüpfen und den Rest ihrer Entwickelung im Wasser durchmachen. Eine ähnliche Art von Brutpflege ist von Hay bei Amphiuma beobachtet worden. Structur und Zusammensetzung der das Ei umhüllenden Schale musste sich schrittweise ändern, ehe die Eier den Aufenthalt in der gewöhnlichen Luft ertragen konnten, ohne sofort durch Eintrocknen zu Grunde zu gehen. Aber für den Uebergang aus dem flüssigen in das gasföürmige Medium gab es kein Allmählich. Diese Veränderung, sowie der davon abhängige Wechsel der relativen Schwere müsste ganz plötzlich und unvermittelt erfolgen, denn in dieser Beziehung ist es ganz gleichgültig, ob sich die Eier in sehr feuchter oder in trockener Luft entwickeln. Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 38 38 Während dieses Ueberganges sind zweifelsohne Millionen von Eiern auf allen möglichen Ent- wickelungsstadien durch mechanische Schädigungen aller Art vernichtet worden. Hier hatte die natürliche Züchtung, an deren Existenz doch nicht ernstlich gezweifelt werden kann, wenn auch einige von den Neuesten sie selbst und ihre Wirksamkeit einfach wegdecretiren möchten, ein weites Feld, sich zu bethätigen. Ein Schutz gegen die Erschütterungen, die den Keim im gasförmigen Medium viel härter treffen mussten als im flüssigen, ergab sich nun dadurch, dass der Embryo die Körpertheile, die im Laufe der Entwickelung über das Niveau der Keimblase zu prominiren begannen. in diese Keimblase selbst vergrub, in den Dottersack versenkte. Derjenige Theil des Körpers, der in der Wirbelthierentwickelung den übrigen am meisten vorauseilt, der am frühesten und am stärksten prominirt, der ausserdem des Schutzes am meisten bedarf, weil er die empfindlichsten und lebenswichtigsten Organe enthält, ist der Kopf und die vorderste Partie des Rumpfes. Dieser Abschnitt des Körpers wurde deshalb auch zuerst in den Dotter vergraben, und wahrscheinlich blieb es während vieler Generationen bei dieser Einrichtung, so -dass bei gewissen a Amniotenvorfahren wohl nur ein Proamnion, kein geschlossener Amnionsack ne Be, existirt hat. Was heisst das nun: der Embryo vergräbt den vorderen, prominirenden Theil seines Körpers in den Dottersack? Nehmen wir irgend einen beliebigen Anamnier und suchen wir in seiner Entwickelung eine recht grosse Anzahl von Repräsentanten desselben Entwickelungsstadiums, so finden wir unter denselben stets eine erstaunlich grosse Variabilität der äusseren Körperform, der Krümmungen um den Dotter, der Prominenz der einzelnen Körpertheile und ihrer ganzen Con- figuration. Unter diesen mannigfachen Variationen wurden nun beim Uebergang des aquatischen in den terrestrischen Aufenthalt der Eier diejenigen ausgewählt, die die günstigsten Combinationen darboten, das heisst in unserem Falle die- Embryo von Ichthyophis jenigen, die ihren prominirenden Vorderkörper am meisten gegen den Dottersack glutinosus nach P. und F. E 3 2 2 3 SARASIN. krümmten, in denselben einsenkten. Von den anderen ging eine unverhältniss- mässig grössere Anzahl während der Entwickelung im Ei zu Grunde. Dieser Process der Auslese, durch zahllose Generationen fortgesetzt, führte allmählich zu einer völligen Einbettung des vorderen Körperabschnittes in den Dottersack, zur Bildung eines Proamnion. Denn die Proamnionbildung ist nichts anderes als die Einkrümmung und Einstülpung des embryonalen Vorder- körpers in den Dottersack. Krümmungen der verschiedenen Gehirnabschnitte gegen Konftzuge einander beobachten wir in verschiedener Ausprägung sowohl bei den Embryonen der Fische und Amphibien als bei denen der Amnioten. = Die Erklärung ihres Auftretens und ihrer Bedeutung ist für die uns hier beschäftigenden Fragen ohne Belang. Diese Gehirnkrümmungen Nacken- Kopf- z R beuge Cölom beuge können auf die Configuration des Kopfes als Ganzes ohne in die Augen springenden Einfluss sein, wie die Embryonen der Ganoiden, Teleostier, Dipnoer und der meisten Amphibien beweisen, bei denen man nicht von einer Kopfbeuge sprechen kann. Sie können aber bei | starker Ausprägung zu einer eigenthümlichen winkeligen Krümmung des Kopfes, einer Kopfbeuge, führen, wie wir bei Selachiern, Cöcilien Allantois 5 & R & - Zizei Kaclion der Prgemnalane und Amnioten saorzalen Cazele die Selachier beweisen indessen, bildung. dass es trotz einer wohl entwickelten Kopfbeuge, die Cöcilien, dass ctoderm gestrichelt, E i 5 e 2 R en u Eatodermpunktut, 2, neewohlerwekelter Kopf- und Nackenbeuge nicht zur Ein- stülpung des Kopfes in den Dotter, zur Proamnionbildung, zu kommen braucht. Bei den Amnioten hat an jene Kopf- und Nackenbeuge vielleicht das Eingraben des Kopfes in den Dottersack, die Proamnionbildung, angeknüpft; die Variationen der Kopf- und Nackenbeuge lieferten das Material, mit dem die natürliche Auslese anfangen konnte zu operiren. Bis zur Nackenbeuge vergräbt der Amniotenembryo seinen Vorderkörper in den Dottersack. Ja, 39 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 39 die Einkrümmung des Vorderendes, die Einstülpung desselben in die Keimblase kann noch über die Nackenbeuge hinaus fortschreiten, wie der Kaninchenembryo Taf. VII, Fig. 59 (Copie nach van BENEDEN und JUuLIN) zeigt '!). Auch FLEISCHMANN und SELENKA bringen die Einkrümmung des Embryo gegen den Dotter und die Proamnionbildung in einen Causalnexus. Auf einen gewissen Zusammenhang hatte übrigens schon Hıs (Unsere Körperform, p. 92) hingewiesen: „Ueberall finden wir ferner, soweit bis jetzt exacte Beobach- tungen reichen, bei den höheren drei Wirbelthierklassen, dass der Eintritt der Kopfkrümmung, sowie der- jenige der nachfolgenden Krümmungen des Rumpfes zeitlich genau an die dichte Umschliessung durch die Amnionanlage geknüpft ist. Wir haben hier eine jener Formabhängigkeiten zwischen Bildungen scheinbar ganz differenter Natur, für welche ich Dir später noch fernere Beispiele werde anführen können.“ In der Beurtheilung dieses Causalnexus unterscheide ich mich aber von FLEISCHMANN und SELENKA in dem fundamentalen Punkte, dass ich nicht in jenen Krümmungen das ursächliche Moment erblicke, das die Einstülpung des Embryo in den Dottersack veranlasste, wohl aber glaube, dass die Variationen jener Krümmungen der Zuchtwahl das Material für ihre auslesende Wirksamkeit geliefert haben. Das wird auf das Deutlichste durch Ichthyophis bewiesen, dessen Nackenbeuge viel stärker ausgeprägt ist, als zum Bei- spiel die des Hühnchens. Die Krümmungen können da sein, ohne dass es noch zur Ammnionbildung gekommen ist (Ichihyophis); die Krümmungen können schwach ausgeprägt sein, und doch wird der Embryo allmählich völlig eingehüllt (Hühnchen). In der Amnionbildung erblicke ich daher nicht, wie SELENKA, einen „allogenetischen Vorgang“, das Amnion ist nicht ein „allogenetisches, lediglich durch Umgestaltung benachbarter Organe mechanisch gebildetes Organ.“ Vielmehr bildete sich die taschenförmige Einsenkung des Embryo in den Dottersack allmählich heraus, weil diese Einrichtung dem Embryo bei terrestrischer Entwickelung grösseren Schutz gewährte ?). Die Proamnionbildung ist im Princip nichts anderes als die Einstülpung des Vorderendes des Embryo in den Dottersack. Darüber herrscht seit den glänzenden Untersuchungen von VAN BENEDEN und Jurin ®) keine Meinungsverschiedenheit. Die Einstülpung erfolgt zu einer Zeit, zu welcher der Dottersack in dem eingestülpten Bezirk nur aus Entoderm und Ectoderm besteht, des Mesoderms aber ermangelt. Deshalb besteht natürlich auch die taschenförmige Einsenkung zunächst nur aus Entoderm und Ectoderm; Mesoderm und L.eibeshöhle dringt nicht in dieselbe hinein. Der Ort der Einstülpung ist bei allen Amnioten derselbe, wie weiter unten gezeigt werden soll. Je stärker die Krümmung des embryonalen Vorderkörpers, um so grösser das Proamnion. Durch die Proamnionbildung sahen wir die am frühesten und stärksten prominirenden Körpertheile des Embryo, Kopf und Vorderrumpf, die die lebenswichtigsten Organe enthalten, vor Stoss und Druck ge- schützt, und haben die Anschauung vertreten, dass es im Beginn der terrestrischen Eientwickelung bei der Proamnionbildung sein Bewenden gehabt haben wird. ÖOntogenetisch später sehen wir dann einen Process auftreten, der zu einer taschenförmigen Umhüllung auch des Hinterendes des Embryonalkörpers führt, und der Schluss liegt nahe, hierin nur eine Fortführung, eine Vollendung der Schutzeinrichtung zu sehen, auf die wir die Proamnionbildung zurückgeführt haben. Diese Einhüllung des Hinterendes tritt bei allen Amnioten später, gewöhnlich erheblich später auf als die des Vorderendes. Meiner Ansicht nach ist sie auch phylogenetisch ein späterer Vorgang. ı) Die spiralige Krümmung zahlreicher Anamnier (Cyclostomen, Ganoiden, Teleostier, Dipnoer und Amphibien) um den Dotter, die gewöhnlich schon in sehr frühen Stadien in eine gestreckte Körperhaltung übergeht, ist in keiner Weise mit den Krümmungen der Amniotenembryonen zu vergleichen, von denen sie sich topographisch und besonders chronologisch durchaus unterscheidet. 2) Mırsukurı (Journal of College of Science Imperial University Japan, Vol. VI, p. 228) berichtet, dass die Embryonen der Schildkröten von der Zeit an, zu der sie sich vom Dotter abzuheben beginnen bis zur Ausbildung der Fötalhüllen, so empfind- lich sind, dass sie durchaus keinen Transport vertragen (die Eier der Seeschildkröten werden bekanntlich tief in den Sand ver- graben). Nach Ausbildung der Fötalhüllen werden die Embryonen viel widerstandsfähiger und können ohne Schaden bewegt und geschüttelt werden. 3) In demselben Jahre, in welchem van BENEDEN und JuLın den Vorgang der Proamnionbildung bei den Säugethieren klarlegten, entdeckten STRAHL (23) und HOFFMANN (9) unabhängig von einander und von den Beobachtungen der belgischen Forscher den gleichen Vorgang bei den Reptilien und Säugethieren. 40 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 40 Nun lässt sich allerdings gegen diese Auffassung einwenden, dass Einhüllung des hinteren Körper- endes nicht durch eine Einstülpung desselben in den Dottersack erfolgt, wie die des Vorderkörpers, sondern dass die Wandung der Keimblase sich zu einer Falte erhebt und das hintere Körperende allmählich von hinten nach vorn überwächst (vergl. die nebenstehenden Textfiguren). Dieser Process würde allerdings kaum verständlich sein, wenn man den Vorgang als ein durch wachsende Schwere des Embryonalkörpers en verursachtes Einsinken in den Dottersack auffasste. Kopfbeuge Suchen wir ihn aber nicht in dieser Weise direct mechanisch zu erklären, so kann es uns nicht als etwas Besonderes imponiren, dass die hintere, viel später auf- tretende Hülle sich etwas anders entwickelt als die Stadi u vordere. adıum . E R Nacken- Kopf- Herrschen doch am Ort und zur Zeit, wo sich Cölom beuge Cölom beuge der Hinterkörper einhüllt, ganz andere Verhältnisse, als sie der zu anderer Zeit und an anderem Orte sich ein- hüllende Vorderkörper vorfand. Die Keimblasenwand ist hinten zu dieser Zeit überall nicht mehr zweiblätterig, sondern vierblätterig. Sie be- steht aus Ectoderm, Somatopleura und Splanchnopleura, beide durch extraembryonales Cölom von einander Stadium Il. geschieden, und Entoderm. Zwischen Keimblasenwand Ammion- Nacken- > - Cölom höhle beuge (ölom und Hinterende des Embryo hat aber ein besonderes KM ey extraembryonales Organ, die hervorspriessende Allantois, Kopf- sich einzuschieben begonnen, und da dieses Organ bald beuge nähere Beziehungen zur Oberfläche der Keimblase ein- geht, die für die Respiration des Embryo von Vortheil \ sind, ist es nützlicher, dass es nicht mit eingehüllt = > wird, als umgekehrt. Es sind also hier zwei Auf- gaben vorhanden, die die Entwickelung zu lösen hat: Allantois Stadium W. den Hinterkörper des Embryo einzubüllen, das An- Cölom Ammionhöhle hangsorgan des Hinterkörpers, die Allantois, aber uneingehüllt zu lassen. Diese zwiefache Aufgabe wird so gelöst, dass der hintere Körpertheil sich nicht einfach wie der vordere in die Keimblasenwand einstülpt und die ganze, hier aus vier Schichten bestehende Wandung als Hülle benutzt. Die Hülle bildet sich jetzt vielmehr durch Faltenbildung, und zwar sind von dieser Falten- bildung diejenigen Blätter der Keimblasenwand ausge- schlossen, die vom Embryo durch das Zwischenschieben Vier Stadien der Amnionbildung mit Benutzung der Allantois getrennt sind, also Entoderm und Splanchno- der schematischen Figur von VAN BENEDEN und JULIN 2, - : - Pl. XXIV. pleura: die Falte wird allein von Somatopleura und Ectoderm gebildet. Auch hier unterscheidet sich wieder meine Auffassung von der SELENkKA’s. Letzterer ver- tritt die Auffassung, die hintere Amnionfalte oder das Rumpfamnion verdanke lediglich dem Hervorwachsen der Allantois ihre Entstehung. Ich aber sage: das Rumpfamnion verdankt wie das Kopfamnion (Proamnion) seine Entstehung dem Bedürfnisse des Embryo, seinen Körper bei terrestrischer Entwickelung mit einer weiteren schützenden Hülle zu umgeben, und ist um dieses Zweckes willen allmählich durch natürliche Auslese gebildet worden. In letzter Linie bedeutet die Bildung der Schwanzscheide auch nichts anderes als die Einbettung des hinteren Körperendes in den Dottersack. Dass aber in diesem Falle die Umhüllung ontogenetisch durch Faltenbildung und nicht durch directe Einstülpung in den Dottersack gebildet wird, Ectoderm gestrichelt, Entoderm punktirt, Mesoderm als Linie. 4I Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 4I ist durch die topographischen Verhältnisse, vor allem durch die Anwesenheit der Allantois verursacht, die sich zwischen das Hinterende des Embryonalkörpers und die Keimblasenwand einschiebt. Die Bildung der hinteren Amniontasche und das Hervorwachsen der Allantois sind zwei coordinirte Processe, die sich zwar in Folge der topographischen Verhältnisse beeinflussen müssen, die aber nicht der eine direct auf den anderen zurückzuführen sind. Dabei ist es kaum möglich, ein Urtheil darüber ab- zugeben, ob chronologisch beide Organe gleichzeitig in der phylogenetischen Reihe aufgetreten sind, oder ob das eine Organ früher herangezüchtet worden ist als das andere, und welches das war. Deshalb lässt sich auch nicht genauer der Einfluss präcisiren, den beide Organe in ihrer Entwickelung gegenseitig auf einander ausgeübt haben. Ist es überhaupt erlaubt, aus dem ontogenetisch frühen Auftreten eines Organes unmittelbar einen Schluss auf sein phylogenetisches Alter zu machen, so könnte man höchstens sagen, dass die Bildung der vorderen Amniontasche, die Proamnionbildung; eine Einrichtung ist, die wir als einen älteren Erwerb der Amnioten aufzufassen haben als das extraembryonale Hervorwachsen der Allantois. Ebenso ist die Ausbildung der hinteren Amniontasche (Schwanzscheide) nicht nur ontogenetisch, sondern wohl auch phylogenetisch eine spätere Bildung als die Einsenkung des vorderen Körperabschnittes in den Dotter. Die seitlichen Amnionfalten der Vögel haben keine selbständige Bedeutung; sie sind blosse Aus- läufer, Verbindungsleisten zwischen vorderer und hinterer Amniontasche und sind demnach als secundäre Bildungen aufzufassen, die bei vielen Reptilien kaum angedeutet sind, bei den Säugethieren ganz fehlen. Durch die beiden Processe, die wir bisher ge- schildert haben, Umhüllung des Vorderendes des Embryo durch directes Einstülpen in den Dottersack, Umhüllung des Hinterendes durch Ueberwallen einer aus Ectoderm und Somatopleura gebildeten Falte, würde nun ein Amnion gebildet werden, wie wir es bei den meisten Amnioten als dauernde Bil- dung nicht finden, wie es aber andeutungsweise noch bei Phascolarctus erhalten ist. Ein derartiger Amnionsack müsste in seinem Oölom vorderen Abschnitt eine andere Structur besitzen als in seinem hinteren. Vorn würde seine Wan- dung aus Ectoderm und Entoderm bestehen, und dieselbe Wand müsste gleichzeitig einen Abschnitt der Dottersackwand ausmachen, Amnion und Dottersack würden also hier unlösbar zusammen- hängen. Im hinteren Abschnitt aber würde die Wand des Amnion aus Ectoderm und Somatopleura bestehen und eine Verklebung von Amnion- und Dottersackwand nicht vorhanden sein, weil Phascolarctus einereus (2. Typus). hier gleich im Beginn der Faltenbildung die nncn Aekiehe Mesoderm ddne Lich auges Meso- Dottersackwand aus Ectoderm, Somatopleura, Splanchnopleura und Entoderm bestand. Die beiden erstgenannten Schichten kamen dem Amnion zu Gute, die beiden letztgenannten verblieben dem Dottersack. Das extraembryonale Cölom, das Somatopleura und Splanchnopleura trennt, scheidet hinten auch Amnion und Dottersack. Amnionhöhle Prokalymma Proamnion- rest Seröse Hülle In gewissen Stadien der Entwickelung besitzt nun allerdings das Amnion eine derartige Structur, veranlasst durch den Umstand, dass zur Zeit, als der Embryo seinen Vorderkörper in den Dottersack ein- stülpte, die Dottersackwand dort mesodermfrei war. Später aber dringt das Mesoderm auch hier ein, Somatopleura und Splanchnopleura trennen sich, indem sich das extraembryonale Cölom in diesen Bezirk hineinerstreckt. Durch diese Spaltung erhalten dann auch hier Amnion und Dottersack selbst- ständige Wandungen, die des ersteren aus Ectoderm und Somatopleura, die des letzteren aus Splanchno- pleura und Entoderm bestehend. Jenaische Denkschriften. V. 6 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II, Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 42 42 Ausnahmsweise können sich aber noch in einem gewissen Bezirke der vorderen Amniontasche An- klänge an die alte Structur: Abwesenheit des Cölomspaltes, Zusammenhang der Amnion- und Dottersack- wandung, erhalten, so bei Phascolaretus (siehe obenstehende Textfigur sowie Taf. IV, Fig. 30, 31, 32, 33; Taf. V, Fig. 44] Taf. VII, Fig. 53 prz). Dieser Bezirk ist aber nur ein kleiner Rest des ehemaligen Proamnion- bezirkes, in dem Dottersack und Amnion zusammenhingen. Auch in diesen Bezirk ist schon das Mesoderm eingedrungen; die Abwesenheit des Cölomspaltes in demselben bedingt hier das Bestehenbleiben des Zusammenhanges von Dottersackwand und Amnion. Ein ähnlicher Proamnionsrest scheint auch beim Kaninchen bestehen zu bleiben. Es geht aber aus den Angaben von van BENEDEN und Jurın nicht mit voller Sicherheit hervor, ob in denselben noch nachträglich Mesoderm eindringt oder nicht. SELENKA giebt an, dass beim Opossum das aus Ectoderm und Entoderm bestehende Kopfamnion (Proamnion) vier Tage nach Beginn der Furchung ungefähr das vordere Drittel des Embryonalkörpers umhüllt, während das Rumpfamnion, welches aus Ectoderm und Mesoderm zusammengesetzt ist, dessen hintere zwei Drittel umfasst. „Am Ende des fünften Tages sind beide Falten gleich gross, und am Ende des sechsten Tages ist der ganze Embryo ausschliesslich vom Kopfamnion (Eeto- und Entoderm) um- kleidet, während das Rumpfamnion sich hinter den Schwanz zurückgezogen hat. Das Kopfamnion spielt also hier die Rolle eines Dauerorganes, hingegen ist das Rumpfamnion das transitorische Gebilde geworden.“ Die von mir untersuchten Beutelthierembryonen ergaben andere Befunde. Allerdings fand auch ich ältere Embryonen von Aepyprymnus und Phascolarctus gänzlich in den Dottersack eingestülpt (vergl. Taf. V, Fig. 42 und 43 sowie Taf. III und IV), aber diese Einstülpung ist nicht mit der Proamnion- einstülpung gleich zu setzen. Das innere eingestülpte Blatt des Dottersacks (intbl) bildet keineswegs gleich- zeitig die Wandung des Amnions, sondern innen von ihm stösst man auf ein selbstständiges, mit ihm nicht zusammenhängendes Amnion. Dieses Amnion im Inneren des Dottersacks ist zum Theil Product der Proamnioneinstülpung, in seinen hinteren Abschnitten aber Product der hinteren Amnionfalte. Aus den Fig. 57 und 58 auf Taf. VII kann man ersehen, in welchem Bereiche eigentliche Proamnionbildung stattgefunden hat. Es ist der gefässlose Bezirk, der von den beiden Dottervenen umgrenzt und auf den Figuren mit blauer Farbe bezeichnet ist. In diesem Bereich dehnte sich früher das Proamnion aus, das heisst, die aus Ectoderm und Entoderm bestehende Dottersackwandung bildete gleichzeitig die Proamnion- tasche. Auch in diesen Bereich ist aber nachträglich Mesoderm eingedrungen, und der Cölomspalt hat Amnion und Dotterwand getrennt. Bei Aepyprymmus ist die Trennung gänzlich vollzogen; bei Phascolarctus ist aber in einen kleinen centralen Bezirk zwar Mesoderm, aber kein Cölom mit eingedrungen, und hier hängen Amnion und Dottersack innig zusammen, oder besser sie besitzen hier noch eine gemeinsame Wandung. Didelphys habe ich nicht selbst untersucht und kann daher nicht entscheiden, ob die Dinge dort wirklich so wesentlich anders liegen. Bei einem so sicheren und genauen Beobachter wie SELENKA ist ein Irrthum allerdings recht unwahrscheinlich; jedenfalls ist der von ihm bei Didelphys geschilderte Zustand (Kopfamnion — Dauerorgan, Rumpforgan = ein transitorisches Gebilde) keineswegs schlechthin für die Beutelthiere typisch. Bei den meisten Amnioten wird behufs der Proamnionbildung ungefähr die Hälfte des Embryonal- körpers in den Dottersack eingestülpt, meistens bis zur hervorknospenden Anlage der vorderen Extremität (z. B. Lacerta, Echidna, viele Beutelthiere, Vespertilio etc.), oder noch darüber hinaus, so dass die vordere Extremität mit in die Einstülpung zu liegen kommt (Kaninchen, Taf. VII, Fig. 59), oder aber es wird bloss eigentlich der Kopf eingestülpt, und die Ränder der dadurch gebildeten kleinen Tasche, die zunächst nur aus Ectoderm und Entoderm besteht, überwallen als selbständig wachsende Faltenbildung den übrigen Vorderkörper. Dieser etwas modificirte Process, der an die Bildung der hinteren Amniontasche erinnert, findet beim Hühnchen !) statt. Da bei diesem Object zuerst die Amnionbildung genauer studirt wurde, I) So glaube ich die Vorgänge beim Hühnchen auflassen zu müssen, trotz der anders lautenden Darstellung von SHORE und PICKERING (22), nach denen sich auch beim Hühnchen das Proamnion ganz und gar durch Einstülpen des Kopfes in den Dottersack ohne jede freie Faltenbildung entwickeln soll. Wenn ich MITSURURI (II) richtig verstanden habe, stellt sich bei den Cheloniern der Vorgang ähnlich dar wie beim Hühnchen. 43 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 43 entstand die irrige Auffassung, dass ganz allgemein die Bildung der vorderen Amniontasche durch eine selbständig hervorwachsende Faltenbildung, nicht aber durch eine vom Kopfe verursachte Einstülpung: bedingt werde. Für alle Amnioten ist charakteristisch, dass die Einstülpung des embryonalen Vorderkörpers stets genau in die Stelle erfolgt, die vor der Gabelung der symmetrisch sich theilenden Dottervene liegt (Taf. VII, Fig. 54—60). Diese Stelle des Dottersacks ist zur Zeit, wo die Einstülpung vor sich geht, mesodermfrei, also auch gefässlos. Wenn später das Mesoderm auch hier eindringt, und durch den Cölomspalt die Wandung der vorderen Amniontasche sich von der des Dottersacks ablöst, so können sich die Gefässe auch in diesen Bezirk hinein ausdehnen. Sie thun es aber nur langsam, und bei den meisten Amnioten bleibt hier dauernd ein kleiner, gefässloser Bezirk innerhalb der Venengabel inmitten des Gefässhofs bestehen. Besonders deutlich markirt sich diese gefässlose Stelle innerhalb des Gefässhofes bei den Beutelthieren und sie erhält sich während der ganzen Entwickelung, also auch in den Stadien, in welchen längst der Cölomspalt die Wandung der vorderen Amniontasche von der des Dottersacks abgehoben hat (Taf. VII, Fig. 57, 58). An jenem ge- fässlosen Bezirke können wir dann auch noch später erkennen, in welcher Ausdehnung ehemals die Pro- amnioneinstülpung den Dottersack in Anspruch genommen hat. Wie Fig. 58 zeigt, ist der Zusammenhang, die Stelle, wo bei Phascolarcius Amnion und Dottersack in späteren Stadien noch verbunden bleiben, nur ein spärlicher Rest des ursprünglichen Zusammenhanges zwischen Amnion und Dottersack. Wir haben aber noch die eigentliche Bedeutung jenes mesoderm- und gefässfreien Bezirkes inner- halb des Gefässhofes zu erörtern, in die hinein die Proamnioneinstülpung erfolgt. Die einfache Erklärung dieses scheinbar so sonderbaren Verhaltens liegt darin, dass jene Stelle ursprünglich gar nicht innerhalb des Gefässhofes liegt, sondern erst secundär in denselben einbezogen, von ihm umwachsen wird. Dies lässt sich beim Hühnchen direct ontogenetisch nachweisen (vergl. z.B. Taf. VII, Fig.55 und 63 o, pr mit Taf. VI, Fig. 50). Ganz ebenso liegen die Dinge bei den Reptilien. Aber derselbe Nachweis lässt sich auch für die Säugethiere führen, wo man beobachten kann, dass der Gefässhof erst nach erfolgter Pro- amnioneinstülpung sich vor derselben schliesst und einen zuweilen geschlossenen, zuweilen bloss durch kleinere Anastomosen zusammenhängenden arteriellen Sinus bildet (Taf. VII, Fig. 62 o, Ipr). Bei Echidna endlich, wo der ganze Dottersack vascularisirt wird, erfolgt die Proamnioneinstülpung in der Venengabel gerade gegenüber dem Ende der von hinten her den ganzen Dottersack umgreifenden Doppelarterie, also auch an einer Stelle, in deren Umgebung die Gefässe von vorn her am spätesten vor- gedrungen sein müssen (Taf. VII, Fig. 61 o, Ipr). Leider fehlt es mir an jüngeren Stadien, um hier den Nachweis ebenso schlagend zu erbringen, wie für Sauropsiden und höhere Säuger. Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass in der Configuration des Amnions und der serösen Hülle bei den Monotremen (Echidna) primitive Zustände sich insofern erhalten, als nach Verlöthung des Schlitzes, der den Zugang in die Doppeltasche des Amnions bildet, sich an der Schlussstelle ein dauernder Zusammenhang zwischen Amnion und seröser Hülle erhält (Taf. II, Fig. 10, 11, 19, 20). Aehnlich primitive Zustände finden sich auch bei den Cheloniern (MıTsukurl II)'). Fragen wir nach der morphologischen Bedeutung dieses Zusammenhanges, so fragen wir damit nach der Bedeutung der serösen Hülle. Ursprünglich sind auch in der Amniotenentwickelung nur ı) Während ich die Correctur lese, kommt mir eine in diesem Jahre erschienene Arbeit von S. HırorTa (On the Sero- Amniotic Connection and the Foetal Membranes in the Chick, Journal of the College of Science Imp. Univers. Japan, Vol. VI, 1894) zu Gesicht, in der der Nachweis geführt wird, dass auch beim Hühnchen die Amnionnaht bis in das Ende des Fötallebens hinein persistirt. Erstaunlicher Weise ist dies bisher ganz übersehen worden. Die „sero-amniotic connection“ beim Hühnchen gleicht nach Ausdehnung und Structur in hohem Grade meiner „Verwachsungsnaht‘ bei Echidna (vgl. Hırora’s Textfigur p. 352 und Figur 62 auf Taf. XVII. Bemerkenswerther Weise ist auch beim Hühnchen wie bei Echidna die Naht mesodermhaltig, wahrend nach Mirsukurı bei den Cheloniern in sie kein Mesoderm eindringen soll. — Unter diesen Umständen erscheint es mir durchaus noch nicht ausgemacht, dass der Zusammenhang sich bei den übrigen Sauropsiden löst. Saurier, Schlangen und Krokodile sind auf diesen Punkt hin noch einmal zu untersuchen. Die Herrwıs’sche Deutung der Anheftung des zipfelförmig verlängerten Amnions an «die seröse Hülle (Chorion) im Bauchstiel menschlicher Embryonen als letzter Rest der Amnionnaht gewinnt durch die mitgetheilten Befunde bei Sauropsiden und Monotremen sehr an Wahrscheinlichkeit. 6* 44 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 44 zwei Factoren vorhanden: der aus Ectoderm und Entoderm bestehende Dottersack und die von ihm sich abschnürende Embryonalanlage. Daran wird im Grunde nichts geändert, wenn der Embryo seinen Vorder- körper in den Dottersack vergräbt und dadurch in letzterem eine taschenförmige Einsenkung erzeugt, die wir Proamnion nennen. Erst dadurch, dass Mesoderm zwischen die beiden Schichten des Dottersackes ein- dringt, und der sich in dieses Mesoderm hineinerstreckende Cölomspalt die Dottersackwandung in zwei Blätter spaltet, kommt es zur Entstehung wirklich neuer Organe. Die vom Dottersack abgespaltene, aus Ectoderm und Somatopleura bestehende Schicht, soweit sie den Embryo umgiebt, also der eingestülpten Dottersackwand angehört hat, bezeichnen wir als Amnion. Dieselbe Schicht, soweit sie der nicht ein- gestülpten Dottersackwand angehört hat, bezeichnen wir als seröse Hülle. Bei allen Amnioten, wie es scheint mit alleiniger ) Ausnahme der Chelonier und Monotremen, kommt es secundär zu einer gänzlichen Lösung dieser von der Dottersackwand abgespaltenen Schichten, die sich auf jüngeren Entwickelungs- stadien über den Rücken des Embryo in einander umschlagen. 3 “ Bei den Beutelthieren dringt zwar in einem gewissen Bereich der äusseren Keimblasenwand Meso- derm zwischen das Ectoderm und Entoderm des Dottersacks, und es entwickeln sich hier Gefässe; der Cölom- spalt dringt aber nicht mit ein. Ja in einem grossen Umkreise, der vom Sinus terminalis begrenzt wird, dringt das Mesoderm gar nicht mit ein, diese Zone bleibt gefässfrei, und ihre Wandung setzt sich nur aus Ectoderm und Entoderm zusammen, so dass wir sie, streng genommen, nicht als seröse Hülle, sondern nach Analogie der mesodermfreien Wandstrecke des eingestülpten Dottersackes, die wir Proamnion nennen, als Prokalymma bezeichnen müssen (vgl. Textfiguren Seite 25 und Seite 28). Ein ähnliches Prokalymma erhält sich auch bei den Placentaliern, die eine gefässlose Zone des Dottersackes besitzen, innerhalb der- selben in grösserer oder geringerer Ausdehnung (vgl. Seite 27). Weitere Einflüsse des terrestrischen Aufenthaltes der Eier, besonders auf die embryonale Respiration. Allantois. Durch den terrestrischen Aufenthalt der Eier treten auch an die Organe des embryonalen Stoff- wechsels neue Anforderungen heran; besonders die embryonale Respiration geht unter sehr veränderten Bedingungen vor sich. Die wasserathmenden Anamnier benutzen im Ei dieselben Organe der Respiration wie im aus- gebildeten Zustande. Ist der Keim noch jung und besitzt er eine geringe Dicke und Dichte, so findet eine directe Gewebsathmung statt, eine Athmungsweise, die sich überall im Thierreich, auch bei den Amnioten für junge Keime als ausreichend erweist. Mit zunehmendem Volumen der Embryonen genügt die natürlich in geringerer Proportion zunehmende äussere Oberfläche nicht mehr als Pforte des Gasaustausches. Da sich aber in gleichem Schritte mit dem Dicker- und Dichterwerden des Embryo auch seine bleibenden Athmungsorgane, die Kiemen, anlegen und vergrössern, so bedarf der Fischembryo, selbst wenn er den grössten Theil seiner Entwickelung innerhalb der Eischale durchmacht, keines besonderen larvalen Respirationsorgans. Allerdings befindet sich auch der Fischembryo in Folge der Stagnation des Wassers innerhalb der Eischale unter ungünstigeren Bedingungen für die Respiration als das freilebende Thier. Wir bemerken deshalb bei den Formen, die den grössten Theil ihrer Entwickelung innerhalb der Eischale durchmachen und in derselben ein ansehnliches Volumen erreichen, die eigentlichen Kiemen entweder excessiv entwickelt, oder aber besondere Hilfskiemen (äussere Kiemen) an den Wandungen der Kiemen- spalten angelegt, die sich am Ende des Embryonallebens rückbilden. Derartige Kiemenbildungen stellen auch das Respirationsorgan der im ausgebildeten Zustande luftathmenden Amphibien dar, so lange sie ihre aquatische Entwickelung durchmachen. Freilich vollzieht sich dieselbe zum grössten Theile ausserhalb der Eihülle. Aber gerade bei denjenigen Formen, bei denen I) Siehe Anm. I auf voriger Seite. 45 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 45 exceptioneller Weise terrestrische Entwickelung (Ichthyophis glutinosus) oder Viviparität (Typhlonectes com- pressicanda, Salamandra atra) eintritt, finden wir jene äusseren Kiemen zu besonders ansehnlichen embryonalen Respirationsorganen entfaltet. Wir können also sagen: Bei den Wirbelthieren mit aquatischer Entwickelung besorgt der Embryonalkörper selbst die Athmung, zunächst bloss durch die Haut, später durch die Kiemen, die zuweilen eine ganz besondere Entfaltung zeigen. Die Gefässe des Dottersackes dienen in erster Linie nutritorischen Zwecken. Daneben mögen sie wohl auch respiratorische Function ausüben. Wenden wir uns nun zu den Wirbelthieren mit terrestrischer Entwickelung der Keime, so sehen wir hier wesentlich andere Verhältnisse. Auch bei ihnen findet zu Beginn der Entwickelung blosse Gewebs- athmung des Embryonalkörpers statt. Später aber ist der in die Tiefe des Amnions gerückte Embryonal- körper am eigentlichen Respirationsact unbetheiligt. Ganz ausgeschlossen ist natürlich die Benutzung des Organs, das der Respiration des ausgebildeten Thieres dient, der Lunge. Aber auch embryonale Kiemen entfalten sich nicht an den Wänden der Kiemenspalten, wie bei den wenigen Amphibienformen mit terre- strischer Entwickelung oder Viviparität. Jene Kiemenbildungen würden ja unter besonders ungünstigen Bedingungen zu functioniren haben, da der Kopf möglichst tief in den Dotter vergraben, von schützenden Häuten umhüllt wird. Freilich wären wohl Einrichtungen denkbar, die es ermöglichten, dass die Kiemen- anhänge aus dem Amnionsack heraustreten und die Oberfläche erreichen könnten. Solche Einrichtungen sind aber nicht getroffen. Warum nicht, darüber lässt sich nichts ausmachen. Wir können wohl den Wegen nachgehen, die die Entwickelung gewandelt ist, und uns bis zu einem gewissen Grade sogar den causalen Zusammenhang der Anpassungen und Vervollkommnungen vergegenwärtigen. Warum aber gerade ein bestimmter Weg gewählt ist und nicht ein anderer, scheinbar ebenso zweckmässiger, darüber lässt sich in den meisten Fällen nicht einmal eine Vermuthung äussern, weil uns die Kenntniss der speciellen biologischen Bedingungen mangelt, unter welchen sich seiner Zeit die Veränderung vollzog. Wir haben bloss zu constatiren, dass in der Amniotenentwickelung niemals Kiemenbildungen eine Rolle in der embryo- nalen Respiration übernehmen. Wie schon hervorgehoben, ist auch bei den Amnioten die erste embryonale Athmung blosse Ge- websathmung. Wenn dann der Körper voluminöser wird und sich verdichtet, ausserdem durch die Amnionbildung in den Dottersack versenkt, von der Oberfläche abgekapselt wird, kann nothwendigerweise diese Form der Athmung nicht mehr ausreichen. Nunmehr fällt den Gefässen des Dottersackes, in dessen Tiefe der Embryo versenkt liegt, ausschliesslich die respiratorische Function zu. Die Dottersackgefässe über- nehmen neben ihrer nutritorischen auch respiratorische Function. Sie führen dem Embryo nicht nur die zu seinem Wachsthum nöthige Nahrung, sondern auch den zum Lebensprocess erforderlichen Sauerstoff zu und sie sorgen für die Beseitigung der abgeschiedenen Kohlensäure. In dieser Doppelfunction erblicken wir den Dotterkreislauf auf gewissen mittleren Entwickelungs- stadien bei Sauropsiden, Monotremen und viviparen Säugern. Bei den letzteren besteht die nutritorische Function nicht in der Aufnahme von Dotter, sondern von andersartiger Nahrung, die von den mütterlichen Geweben geliefert wird. Bei den Monotremen haben die Gefässe des Dottersackes sowohl wirklichen Dotter als auch mütterliche Transsudate dem Embryo zuzuführen. Bei allen Amnioten, mit alleiniger Ausnahme der Beutelthiere unseres ersten Typus, die secundäre, später zu erörternde Verhältnisse darbieten, wird den Dottersackgefässen auf späteren Stadien die respira- torische Function wieder zum Theil oder ganz entzogen und den Gefässen eines anderen Organs, der Allantois, übertragen. Wohl die allermeisten Morphologen sind der Ansicht, dass die Allantois ursprünglich nichts anderes ist als die embryonale Harnblase, welche in Folge der starken Ausdehnung durch den Harn aus der noch ungeschlossenen Bauchhöhle prolabirt, in extraembryonale Lage gekommen ist. Eine eigentliche Harn- blase, das heisst ein Divertikel der Cloakenwand, das als Harnreservoir dient, finden wir in der Wirbelthier- reihe nur bei Amphibien und Amnioten. Was man bei Fischen als Harnblase bezeichnet, ist eine Er- weiterung des Endabschnittes der Vornierengänge (Urnierengänge), also ein morphologisch mit der eigent- lichen Harnblase nicht zu vergleichendes Gebilde. Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 46 46 Können wir uns eine Vorstellung darüber bilden, was een Prolaps und gr EauE Ausdebnunspcit Harnblase bei den Embryonen der Amnioten veranlasst ei zwei DEErouer®, ge wir bei gu Anamniern nicht beobachten? Man könnte darauf hinweisen, dass bei denselben Thieren, bei wen ein YBaOlapE der Harnblase, eine Allantoisbildung auftritt, den Amnioten, später auch meet ee a EI höher; OIEaBL, sirten Excretionsorgans, des Metanephros, constatirt werden kann. Dies weist darauf hin, dass eine Elan lichere und ausgiebigere Ausscheidung der stickstofthaltigen Verbrennungsproducte EbErBanD) Bedürfniss oeworden ist. Uebertrifft doch nach v. SCHRÖDER (19, p. 588) der Harnstoffgehalt des Haifischblutes den a Hundeblutes um circa das 50-fache, und sind doch nach KRUKENBERG (Io) auch die Gewebe der Haifischembryonen durch besonderen Harnstoffreichthum ausgezeichnet. Bei anderen Mesonephridiern, z. B. den Amphibien, ist allerdings kein derartiger auffallender Harn- stoffreichthum des Blutes und der Gewebe nachzuweisen wie bei den Haifischen. Kein Einwand gegen diese Auffassung ist es, dass bei vielen Placentaliern, z. B. beim menschlichen Embryo, die Allantois gar nicht mehr als Reservoir der embryonalen Excretstoffe functionirt. Durch die Verbindung, in die der Embryo mittelst einer hochentwickelten Placenta zu den mütterlichen Geweben tritt, sind eben Verhältnisse geschaffen, die sich so weit vom Ausgangspunkte der ersten Bildung der Embryonalhüllen bei den Amnioten entfernen, dass sie füglich bei Discussion dieser Frage unberücksichtigt gelassen werden können. Aber selbst vorausgesetzt, die Gewebe des Amniotenembryo sind empfindlicher gegen die stickstoff- haltigen Verbrennungsproducte als die des Anamniers, und die Harnsecretion ist eine reichlichere: warum wird der Harn dann in einem Reservoir aufgespeichert und nicht einfach entleert? SELENKA spricht die Ansicht aus (21, p. 186), bei den Sauropsiden könne der sich ansammelnde Harn nicht in das umgebende Medium austreten, wie dies bei den im Wasser sich entwickelnden Eiern der Ichthyopsiden der Fall ist. Aber warum kann er das nicht, warum wird der Harn nicht einfach zwischen die Eihüllen in das Eiinnere hinein entleert? Bildet doch bekanntlich die Anwesenheit von zuweilen reichlichen Mengen Harnstoff im Fruchtwasser kein schädigendes Moment für den Embryo, und ist es doch durch pathologische Befunde und durch das Experiment sicher nachgewiesen, dass Harnentleerungen in die Amnionhöhle auf späteren Entwickelungs- stadien normaler Weise stattfinden. Dadurch erklärt sich auch der gegen Ende der Entwickelung steigende Harnstoffgehalt des Fruchtwassers. Meiner Ansicht nach hängt die starke Füllung der Amniotenharnblase in mittleren Entwickelungs- stadien jedenfalls nicht mit dem Umstande zusammen, dass der sich ansammelnde Harn nicht in das um- gebende Medium austreten kann, weil die Entwickelung des Eies im Trockenen, auf dem Lande stattfindet. Viel plausibler wäre es, die Ansammlung des Harns im Enddarm und die dadurch bedingte übermässige Ausdehnung der Harnblase mit dem sehr späten Durchbruch des Afters bei allen Amnioten in Beziehung zu bringen. Da wir aber doch keine näheren Anhaltspunkte dafür haben, wie diese beiden Processe sich gegenseitig beeinflusst haben, welche Momente retardirend auf den Durchbruch des Afters bei den Amnioten gewirkt haben etc., so müssen wir vorläufig einfach die Thatsache als gegeben hinnehmen, dass bei den Amnioten die durch embryonalen Harn stark ausgedehnte Harnblase aus der Bauchhöhle prolabirt, und an diesen Prolaps sich ein Functionswechsel des Organs oder besser die Uebernahme einer neuen Function seitens des Organs knüpft. Dass sich ontogenetisch die Allantois in einigen seltenen Fällen (Lacerta) als solide Knospe anlegt, die erst nachträglich ein Lumen erhält, das mit dem Lumen des Enddarms in Continuität tritt, ist natürlich kein Einwand gegen die Auffassung der Allantois als ausgedehnte und prolabirte Harnblase. Kein Mor- phologe, der überhaupt phylogenetische Gesichtspunkte gelten lässt, wird daran zweifeln, dass es sich um einen cänogenetischen Vorgang, eine leichte zeitliche Verschiebung handelt. Wir haben von der Vorstellung auszugehen, dass auf frühen Entwickelungsstadien alle Gewebe des Embryonalkörpers unmittelbar an der Aufnahme des Sauerstoffes von aussen her theilnehmen und erst secundär bei Dichterwerden des Embryonalkörpers und bei Entfernung von der Oberfläche der Keimblase für diese Function belanglos werden. Die prolabirte, dünnwandige Allantois wird sich aber ganz von selbst an der Respiration mit- 47 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 47 betheiligen, sobald sie eben durch diesen Prolaps oberflächliche Lagerung gewinnt. Zudem befindet sie oder vielmehr ihr bald sich entwickelndes Gefässnetz sich in ganz besonders günstiger Lage, diese Function zu übernehmen. Die Allantois ist zunächst nichts als ein blosses Harnreservoir. Ihre Gefässe haben bloss die Aufgabe, die Blasenwandung zu ernähren, nicht wie die Dottersackgefässe, auch noch dem Embryo Nahrungsbestandtheile zuzuführen. In dieser Beziehung befinden sich die Allantoisgefässe in einer zur Aus- übung der respiratorischen Function vortheilhafteren Lage. Natürlich haben wir bei diesen Erörterungen hier immer an Embryonen mit einem wirklich mit Dotter gefüllten Dottersack zu denken. Man könnte hiergegen einwenden, es sei eine unbewiesene Behauptung, dass die Dottersackgefässe nicht ebenso fähig wären, den respiratorischen Bedürfnissen zu genügen, als die Allantoisgefässe, weil sie daneben noch eine andere wichtige Function, Aufnahme und Ueberführung von Nahrungsstoffen, hätten. Warum können ihr Blutplasma und ihre weissen Blutkörperchen nicht den Transport der festen oder flüssigen Nahrungsbestandtheile vermitteln, während ihre rothen Blutkörperchen für die Respiration sorgen ? A priori scheinen beide Functionen sich nicht im mindesten gegenseitig zu beeinträchtigen. Dass der Dotterkreislauf beiden Anforderungen genügen kann, wird dadurch bewiesen, dass er bei den Sauropsiden und Monotremen auf jüngeren Stadien thatsächlich das Geforderte leistet. Für die nutritorische Function des Dottersack-Kreislaufes ist es ganz gleichgültig, ob er an der Oberfläche des Eies oder in der Tiefe stattfindet, für die respiratorische nicht. Ueberwächst nun ein Organ, das dem Dottersack die respiratorische Function abnimmt, den letzteren, so ist für den Embryo eine besonders günstige Combination geschaffen. Die capillare Fläche, die ihn mit geformter und mit gasförmiger Nahrung versieht, hat sich verdoppelt, indem der respiratorische Kreislauf (Allantoiskreislauf) den nutritorischen (Dottersack-Kreislauf) überlagerte. Diese besonders günstige Combination ist auf späteren Entwickelungs- stadien aller Amnioten mit sehr dotterreichen Eiern realisirt. Wir finden sie aber nicht bei Formen, bei denen in Folge des secundären Schwundes des Dotters die Function der Dotterresorption stark ein- geschränkt ist. Wenn wir vorläufig ganz von den Placentaliern abstrahiren, bei denen durch die Placenta- bildung besondere physiologische Bedingungen geschaffen sind, so sehen wir bei den Monotremen, deren Dotter schon reducirt, und bei den Marsupialiern, deren Dotter ganz geschwunden ist, Dottersack und Allantois sich in die respiratorische Function theilen. Bei den Monotremen halten sie sich die Wage; bei den Marsupialiern hat der von der Dotterresorption entlastete Dottersackkreislauf den Löwenantheil davongetragen (Phascolarctus) oder er lässt sich überhaupt die respiratorische Function von der Allantois auch nicht zum Theil abnehmen, sondern besorgt sie ganz allein (die übrigen Beutelthiere) (vgl. Taf. V). Die Monotremen wurden soeben als Formen bezeichnet, bei denen die Reduction des Dotters schon begonnen hat. Ich schliesse dies nicht nur aus der relativen Kleinheit ihrer Eier, die sich allerdings noch meroblastisch furchen, sondern auch aus dem Umstande, dass ihre Eier gar nicht mehr genug Reservestoffe miterhalten, um den Embryo bis zur Sprengung der Eischale zu ernähren. Wie die auf S. 19 gegebenen Grössen- und Gewichtsangaben beweisen, nimmt der Keim innerhalb der Schale an Umfang und Gewicht zu. Er muss dazu auch andere als gasfürmige Stoffe von aussen her aufnehmen, da die Dottermitgift allein nicht zu seiner Entwickelung ausreicht wie bei den Eiern der Sauropsiden. Noch weiter schreitet diese Reduction bei den Marsupialiern und sie erreicht ihren Höhepunkt bei den Placentaliern. Allerdings haben die Dottersackgefässe bei den Monotremen auch nach Resorption des Dotters, bei den Beutelthieren während der ganzen Entwickelung, bei den Placentaliern mindestens bis zur Ausbildung der Placenta nutritorische Function, da durch sie eben die Aufnahme der von der Mutter gelieferten ernährenden Stoffe zu geschehen hat. Zur Ausübung dieser Function aber wäre es unzweckmässig, wenn der Dottersack durch die Allantois von der Oberfläche des Eies ab- und in die Tiefe gedrängt würde. Wir sehen deshalb in der Reihe dieser Formen Dottersack und Allantois in einem sehr labilen Verhältnisse (vgl. Taf. V). Bei den Monotremen (Echidna, Taf. V, Fig. 41) sind die Verhältnisse, die wir an den Embryonalhüllen der Sauropsiden beobachten, und die wir morphologisch und physiologisch als die ursprünglichen, der Amniotenstammform eigenthümlichen aufzufassen haben, noch am wenigsten abgeändert. Die Allantois erreicht sehr ansehnliche Ausdehnung und nimmt 'gegen Ende der Entwickelung mehr als die Hälfte der Eioberfläche in Anspruch. Niemals aber überwächst sie den Dottersack und schiebt sich zwischen ihn und die seröse Hülle. 48 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 48 Da, wo der Dottersack noch die Oberfläche erreicht, also auf älteren Stadien in nicht ganz der linken Eihälfte, haftet er ziemlich fest an der serösen Hülle Man kann ihn bei vorsichtiger Präparation indessen ohne Verletzung von letzterer trennen. Der Cölomspalt erstreckt sich bei Echidna also virtuell in das Mesoderm zwischen Dottersack und seröse Hülle hinein, die beiden Schichten spalten sich von einander ab, aber bleiben fest auf einander gepresst liegen, ein Hohlraum tritt zwischen ihnen nicht auf. Dagegen verwächst die Allantois, wo immer sie mit der serösen Hülle in Berührung kommt, so fest mit ihr, dass man beide Gebilde nicht ohne Verletzung von einander trennen kann. Hier bildet sich denn auch ein ungemein dichtes Gefässnetz aus (Taf. I, Fig. 13, 14), so dass man diesen Abschnitt der Allantois als Athemfläche bezeichnen kann. An Echidna schliessen sich ziemlich nahe die Beutelthiere vom Phascolarctus-Typus an (Taf. V, Fig. 43, 44). Die Hauptdifferenz besteht darin, dass das Aufkommen der Allantois und das Zurückdrängen des Dottersackes hier noch weiter eingeschränkt ist als bei Echidna. Die Allantois bedeckt nur noch einen kleinen Umkreis der Eioberfläche; in diesem Umkreise ist sie fest mit der serösen Hülle verwachsen, und ihre Gefässe bilden im Bereiche der Verwachsung ein äusserst dichtes Netz, eine Athemfläche (Taf. IV, Fig. 38). Der ganze Rest der Eioberfläche wird von der äusseren (nicht eingestülpten) Wand (eztbl) des Dottersackes eingenommen, die in innigem Zusammenhange mit der serösen Hülle geblieben ist. Mesoderm ist nur in der gefässhaltigen Zone, Cölom nirgends eingedrungen. In der gefässlosen Zone ist demnach überhaupt keine Sonderung von Dottersackwand und seröser Hülle eingetreten; diese Zone besteht allein aus Ectoderm und Entoderm und stellt ein Prokalymma dar, das wir seiner Structur nach mit dem Pro- amnion vergleichen können. Was die weiteren Details anlangt, so verweise ich auf die ausführliche Be- schreibung Seite 28. Der Phascolarctus-Typus ist insofern besonders interessant und wichtig, als er sich einmal ziemlich eng an die Monotremen anschliesst, andererseits aber an ihn sowohl der der Placentalier als auch der übrigen Beutelthiere anknüpft. Wir haben also, indem wir den Typus der Embryonalhüllen, wie wir ihn bei den Sauropsiden finden, als den ursprünglichsten ansehen, folgende Reihe: 2 die Mehrzahl der übrigen Beutelthiere Sauropsiden — Monotremen — Phascolarctus-Typus - Placentalier. Von dem Phascolarctus-Typus gehen zwei divergirende Reihen aus: die eine führt zu den Beutel- thieren unseres ersten Typus (Aepyprymmus, Petaurus, Didelphys), die andere zu den Placentaliern. Es ist leicht, die Anordnung der Embryonalhüllen bei den Beutelthieren des ersten Typus zu ver- stehen, wenn man von Phascolarctus ausgeht. Die bei den Monotremen schon angedeutete, bei Phascolarcius weitergeführte Einschränkung der Oberherrschaft der Allantois über den Dottersack als Respirationsorgan hat ihren Höhepunkt erreicht, so dass hier die Allantois von jeder Betheiligung an der Respiration aus- geschlossen ist, in die Tiefe zu liegen kommt und bloss noch als Harnreservoir dient (Taf. V, Fig. 42). Es ist klar, dass von Formen wie diesen die Anknüpfung an die Placentalier unmöglich wäre. Um diese Anknüpfung zu finden, müssen wir auf den Ausgangspunkt jenes Beutelthiertypus, auf den Phascolaretus-Typus, zurückgehen, der auch als der Ausgangspunkt der Anordnung der Hüllen, wie wir sie bei den Placentaliern finden, zu betrachten ist. Eine Vergleichung von Fig. 43 (Phascolarctus) mit Fig. 45 (Kaninchen) auf Taf. V wird das klar machen. Es ist sehr interessant, dass SELENKA, der den Phascolarctus- Typus nicht kannte, durch richtige morphologische Betrachtungsweise zur Construction eines „Uebergangs- stadiums“ gelangt ist, das mit den bei Phascolarcfus in Wirklichkeit realisirten Verhältnissen fast genau überein- stimmt (vgl. SELENKA 20, p. 136, Textfigur B, „Uebergangsstadium“ und meine Textfigur von Phaseolarctus S. 41). Wir haben uns nur vorzustellen, dass beim Phascolarctus-Typus im Bereich der Athemfläche der Allantois eine innige Vereinigung der Keimblasenwand mit den mütterlichen Geweben eintrat, um auf den Urtypus der Eihüllenanordnung der Placentalier zu kommen, wie wir ihn in den verschiedensten Ordnungen derselben wiederkehren sehen. Je höhere Ausbildung allmählich die Placenta an räumlicher Entfaltung und innerer Structur er- langt, um so mehr sehen wir dann wiederum den Dottersack bei den Placentaliern räumlich unterdrückt und functionell für die späteren Entwickelungsstadien bedeutungslos werden, wofür der Dottersack des menschlichen Embryo ein charakteristisches Beispiel liefert. 49 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 49 Bei den meisten niederen Placentaliern aber spielt der Dottersack nicht nur als erstes Organ der embryonalen Athmung eine Rolle, sondern er functionirt fortdauernd als Eihülle, und seine Gefässe helfen wahrscheinlich auch fortdauernd mit beim Gasaustausch und bei der Ernährung des Embryo (vergl. hierüber auch STRAHL 24, p. 552). Ich unterlasse es innerhalb der Gruppe der Placentalier, den mannigfachen Variationen der Em- bryonalhüllen in ihrem gegenseitigen Verhältniss, ihrer Ausdehnung und ihrer physiologischen Leistung nachzugehen, vor allem den verschiedenartigen Ausbildungsformen der Placenta. Es galt mir nur, den Ausgangspunkt zu präcisiren, von dem sich alle diese Umbildungen und Weiterbildungen verstehen lassen. Vergleicht man die Embryonalhüllen der Placentalier mit denen der Sauropsiden, so nehmen die Monotremen !') eine unverkennbare Mittelstellung ein. Zwischen ihnen und den Placentaliern steht dann wieder der Phascolarctus-Typus ®) in der Mitte, der sich in allen anderen Beziehungen eng an die Placentalier anschliesst, in dem hochwichtigen Punkte aber von ihnen abweicht, dass es trotz inniger Einlagerung der Keimblasenwand in die Falten des Uterus doch nicht zur Bildung einer wirklichen Placenta kommt. In untenstehender Uebersicht habe ‘ich versucht, die Uebereinstimmungen und Abweichungen der wichtigsten embryonalen Änhangsorgane bei den vier grossen Amniotengruppen: Sauropsiden, Monotremen, Marsupialier, Placentalier, zum Ausdruck zu bringen. die Mittelstellung ') der Monotremen hervor. Um dies augenfällig zu machen, habe ich durch verschieden gerichtete Pfeile ausgedrückt, ob sie in dem einen Falle mehr mit den Sauropsiden, in dem anderen mehr mit den Marsupialiern und Placentaliern übereinstimmen. Da, wo sie genau in der Mitte stehen, habe ich dies durch an beiden Enden gespitzte Pfeile ausgedrückt. Beziehungen mit den Sauropsiden, in einer mit den viviparen Säugethieren übereinstimmen, in einer anderen endlich eine Mittelstellung zwischen jenen beiden Hauptgruppen einnehmen. Das Amnion ist in diese Uebersicht nicht mit aufgenommen, da in Bezug auf seine Entstehung und bleibende Gestaltung Mit grosser Deutlichkeit geht aus dieser Uebersicht Die Uebersicht ergiebt, dass die Monotremen in zwei wichtigen keine tiefer greifenden Differenzen in den verschiedenen Amniotengruppen zu erkennen sind. Vielleicht wäre zu erwähnen, dass sich bei den Monotremen und vielen, vielleicht allen Sauropsiden die Verbindung zwischen Amnion und seröser Hülle, bei Phascolarctus ein Rest des ehemaligen Zusammenhanges der Amnion- und Dottersackwand auch in späteren Entwickelungsstadien erhält. Sauropsiden Dotter vorhanden. Keratinschale vorhanden. Dottersack vergrössert sich nicht”) während der Ent- wickelung, keine Aufnahme von flüssigen oder festen Stoffen von aussen. Allantois umwächst allmählich den Dottersack. Monotremen (Echidna) Bar Reduction des Dotters hat schon begonnen. Keratinschale vorhanden. .. Dottersack vergrössert sich wäh- rend der Entwickelung, Auf- nahme von flüssigen oder festen Stoffen von aussen. un. Allantois und Dottersack halten sich die Wage. Marsupialier Dotter stark reducirt. Schale im Anfang der Entwicke- lung vorhanden, später beseitigt. Dottersack vergrössert sich während der Entwickelung, Aufnahme von flüssigen oder festen Stoffen von aussen. Allantois erreicht bei Pha- scolarctus noch die äussere Oberfläche, bei den meisten übrigen Beutelthieren bleibt sie in der Tiefe und func- tionirt nur als Harnreservoir. Placentalier Dotter ganz reducirt, Ueberhaupt keine Schale mehr im Eileiter gebildet, Wie Marsupialier und Mono- tremen. (Dottersack ver- grössert sich bei allen Pla- centaliern, wenigstens im An- fang der Entwickelung.) Allantois bildet den Ausgangs- punkt der Placentarbildung. 1) Ich denke dabei nicht an eine phylogenetische Mittelstellung der Monotremen zwischen Sauropsiden und viviparen Säugethbieren. Nach meiner Ansicht haben sich bei den Sauropsiden die ursprünglichen Eihüllenverhältnisse einer gemeinsamen Protamnioten-Stammgruppe am reinsten erhalten. Auch bei den Monotremen finden sie sich in vielen Beziehungen noch wieder, daneben aber auch Umbildungen, die für die Säugethiere charakteristisch sind. Ueber die Annahme einer Protamnioten-Stamm- gruppe vergl. den Schluss dicser Abhandlung. / j 2) Desalb, weil sich bei Phascolarctus in der Anordnung seiner Eihüllen primitivere Zustände erhalten haben als bei den meisten anderen Marsupialiern, halte ich ihn natürlich nicht überhaupt für ein besonders primitives Beutelthier oder gar für den Stammvater der übrigen. 5 h 3) Nach H. Virchow (26) behält der Dottersack des Hühnchens bis zum Ende der Bebrütung seine ursprüngliche Aus- dehnung bei, er verkleinert sich also nicht, obwohl sein Inhalt bedeutend reducirt wird. Jenaische Denkschriften. V. y/ Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 50 50 In Bezug auf den Bau des Eifollikels schliessen sich die Monotremen enger an die Sauropsiden als an die viviparen Säugethiere an. Dies erklärt sich wohl einfach durch die bedeutende Grösse der Sauropsiden- und Monotremeneier. Da der Bau des Monotremenovariums noch Gegenstand einer beson- deren Untersuchung werden soll, gehe ich auf diesen Punkt nicht näher ein. Der Dotterkreislauf der Amnioten. Bei allen Wirbelthieren, bei welchen das Dottermaterial so stark vermehrt ist, dass die Furchung des Eies zu einer meroblastischen wird, und die der Furchung fast entrückte Hauptmasse des Dotters dem in der Entwickelung vorauseilenden Embryo als Dottersack anhängt, bemerken wir auf diesem Dotter- sack einen eigenthümlichen Kreislauf: den Dottersack-Kreislauf. Ein solcher Dottersack und Dottersack-Kreislauf hat sich zweifellos verschiedene Male selbständig in der Embryonalentwickelung der Wirbelthiere herausgebildet, und es bedarf wohl keines Beweises, dass der Dottersack der amnionlosen Selachier und Teleostier nicht ohne weiteres mit dem der Amnioten zu vergleichen ist, da er den Amphibien (und Dipnoern) fehlt, den nächsten Verwandten der Amnioten in der grossen Abtheilung der Anamnier. Dennoch wäre es interessant und wichtig, einmal die Verhältnisse des Dotterorgans und seiner Gefässvertheilung durch die ganze Reihe der Wirbelthiere hindurch vergleichend zu verfolgen. Ich behalte mir dies für spätere Untersuchungen vor und beschränke mich hier nur auf eine Vergleichung des Dotter- kreislaufs der verschiedenen Amniotengruppen unter einander. Alle Amniotenembryonen entwickeln einen Dottersack, auch wenn ihre Eier keine nennenswerthen Mengen von Dotter mehr besitzen. Bei den secundär mikrolecithalen Keimen der Marsupialier und Placentalier schwillt die Keimblase durch Flüssigkeitsansammlung in ihrem Inneren zu bedeutender Grösse an und bildet einen Anhang des an einem Eipole sich entwickelnden Embryo, der sich morphologisch durchaus wie ein Dottersack verhält, bei der Amnionbildung dieselben Beziehungen zum Embryo eingeht, und an dessen Homologie mit dem Dottersack der Sauropsiden Niemand jemals sezweifelt hat. Wie aus obenstehender Uebersicht (Seite 49) hervorgeht, bildet der Dottersack der Monotremen eine Art Bindeglied zwischen dem dotterhaltigen Organ der Sauropsiden, das im Laufe der Entwickelung nicht wächst, und dem dotterlosen Organ der viviparen Säuger, das stets im Anfange der Entwickelung, zuweilen bis in späte Stadien hinein, an Grösse zunimmt. Denn der Dottersack der Monotremen enthält zwar Dotter wie der der Sauropsiden; seine bedeutende Grösse erreicht er aber durch successives Wachsthum während der Entwickelung des Keimes im Ei. Auch ohne Kenntniss dieser vermittelnden Stellung der Monotremen hat man mit Recht niemals an der Homologie des Sauropsiden- und Säugethier-Dottersackes gezweifelt. Man ging aber noch weiter und setzte eine so vollständige Gleichartigkeit voraus, dass ein sonst so ausgezeichneter Beobachter wie BISCHOFF, von jener vorgefassten Meinung ausgehend, Beschreibungen und Abbildungen (3, p. 121, Taf. XIV) des Dotter- kreislaufs beim Kaninchen gab, die, wenn zutreffend, eine Uebereinstimmung aller Hauptpunkte im Dotter- kreislauf der Vögel und Säugethiere erwiesen hätten. Fast ein halbes Jahrhundert lang hat sich diese Darstellung des Dotterkreislaufs der Säugethiere und besonders BiscHorr’s Fig. 60, Taf. XIV, durch die ganze anatomische Literatur, durch alle Lehr- und Handbücher durchgeschleppt, bis vor nunmehr zehn Jahren von van BENEDEN und JuLın der Nachweis geführt wurde, dass die BiscHorr’schen Beobachtungen und Deutungen in allen wesentlichen Punkten un- zutreffend sind. VAN BENEDEN und JuLın stellten gegen BiscHorr fest, dass bei Nagethieren und Fledermäusen der den Gefässhof abschliessende Randsinus nicht wie bei den Sauropsiden von den Venae vitellinae (sive omphalomesentericae), sondern von den Arteriae vitellinae gebildet wird. Ein oberflächliches und ein tiefes Gefässnetz existirt nicht; die ganze Gefässausbreitung findet in einem und demselben Niveau statt. 5ı Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 5I Eine ganz übereinstimmende Anordnung des Dotterkreislaufes wie die von van BENEDEN und Jurın beim Kaninchen und Fledermaus beschriebene fanden SELENKA (20 und 2I) bei Marsupialiern und FLEISCHMANN (6 und 7) bei Insectivoren (Igel und Maulwurf). Wie FLEISCHMANN mit Bestimmtheit nachweisen konnte (6, p. 51), existirt bei Raub- und Hufthieren weder während das Gefässblatt den Dottersack umwächst, noch späterhin, nachdem das Blutgefässnetz ganz geschlossen ist, ein Randgefäss im Mesoderm. Unzweifelhaft sind das aber secundäre Zustände, und das Verhalten, das wir in so verschiedenartigen und zum Theil so primitiven Säugethierordnungen, wie Marsupialier, Insectivoren, Rodentier, Chiropteren, in nahezu völliger Uebereinstimmung wiederfinden, ist für die viviparen Säugethiere überhaupt als das ursprüngliche zu betrachten. Durch diese neuen Befunde erwächst der vergleichenden Morphologie die interessante, aber schwierige Frage: Wenn schon an einer Homologie des Dottersackes der Säuger mit dem Dottersack der Sauropsiden nicht gezweifelt werden kann, ist der Dotterkreislauf der einen Abtheilung mit dem der anderen überhaupt vergleichbar, und, wenn diese Frage bejaht wird, ist es möglich, einen gemeinsamen Ausgangspunkt beider, in ihrer definitiven Ausbildung so abweichenden Bildungen zu finden? Um diese Frage zu beantworten, ist es vorher nothwendig, das eigentlich Typische im Dotterkreis- lauf sowohl der Sauropsiden als auch der Säugethiere herauszuschälen und dieses zu vergleichen, ohne durch secundäre Umbildungen beirrt zu werden. Für den Dotterkreislauf der viviparen Säugethiere hat dies geringe Schwierigkeiten. Eine Function des Dotterkreislaufs, die Resorption und Fortführung des Dottermaterials, fällt hier ganz fort, und da es diese Function ist, die bei den Sauropsiden auf älteren Stadien zu sehr eigenthümlichen Umbildungen des Dotterkreislaufes Anlass giebt, begegnen wir bei den Säugern in den verschiedenen Ordnungen und auf den verschiedenen Entwickelungsstadien derselben Form wesentlich gleichförmigen Verhältnissen und können irgend ein Stadium der oben erwähnten Ordnungen als Typus herausgreifen. Als eine morphologisch unwichtige Umbildung ist es zu bezeichnen, dass bei den Beutelthieren auf älteren Entwickelungsstadien die paarigen Dotterarterien von ihrem Ursprung an bis nahe zu ihrer Um- biegung in den Randsinus zu einem unpaaren Stamme verschmelzen und erst nahe am Randsinus delta- förmig auseinanderweichen (vgl. Taf. III, Fig. 24 und Taf. IV, Fig. 30, 31). Das Gleiche gilt für die zu- weilen eintretende Atrophie des einen Venenstammes auf älteren Entwickelungsstadien (nach van BENEDEN und JuLın manchmal beim Kaninchen). Viel weitergehenden Abweichungen und Verschiedenheiten begegnen wir in der Gruppe der Sauropsiden Hier kommt jedoch hinzu, dass allein der Dotterkreislauf der Vögel (Huhn) auf allen Stadien der Entwickelung mit hinreichender Genauigkeit bekannt ist. Es sind die älteren Beobachtungen von KARL ERNST v. BAER, Y. KöLLıker, FOSTER und BaLrour, sowie die neueren, sehr genauen Untersuchungen von POPOrr (14), die hier Licht geschafft haben. Was aber den Dotterkreislauf der Reptilien anlangt, so sind uns nur ver- einzelte, meist zusammenhangslose Bruchstücke bekannt; von keiner einzigen Reptilienordnung kennen wir die ganze Entwickelungsreihe des Dotterkreislaufs, manche Angaben und Abbildungen sind direct unrichtig. Es würde mich nun viel zu weit von meinem eigentlichen Arbeitsgebiet abgeführt haben, hätte ich für eine oder mehrere Reptilienordnungen die Entwickelung und Ausbildung des Dotterkreislaufs in allen seinen Phasen untersuchen und darstellen wollen. Schon das Material für eine derartige Untersuchung wäre nicht leicht in genügender Vollständigkeit zu beschaffen gewesen. Ich sah aber bald, dass es sich um eine derartige umfangreiche Untersuchung für die Erledigung der mich interessirenden Frage gar nicht handelte. Schon von den älteren Untersuchern wurden in der Ent- wickelung des Dotterkreislaufs der Vögel zwei Phasen unterschieden, die sich ziemlich scharf von einander abgrenzen lassen. In der ersten Phase (vgl. Taf. VI, Fig. 50) giebt es nur zwei grosse Venenstämme, die wir als die Venaevitellinae primariae') bezeichnen wollen. Das Vorderende des Embryo liegt zwischen diesen beiden Venen, die sich vor dem Kopf des Embryo durch Anastomosen verbinden und den ring- förmigen Sinus terminalis bilden. Zwei seitlich austretende Arteriae vitellinae verzweigen sich im Inneren 1) Venae vitellinae anteriores der Autoren. 7* Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 52 52 des Gefässhofes, der bis auf seinen vordersten Abschnitt und seinen Ringsinus auf diesem Stadium nur arterielle Gefässe enthält. Aus den feinsten Aesten der Arteriae vitellinae wird dann der venöse (cordipetale) Ringsinus gespeist. Auf diesem Stadium liegen die Gefässe in einfacher Schicht auf dem Gefässhof. Ein Dotterkreislauf wie der geschilderte, beginnt beim Hühnchen am Ende des zweiten Brüttages sich zu entwickeln, und erst nach etwa eintägigem Bestehen dieser Gefässanordnung treten Veränderungen auf, die die Configuration des Gefässhofes sehr beträchtlich modificiren. Diese secundären Veränderungen bestehen in folgenden Um- und Neubildungen: ı) Rückbildung der rechten Vena vitellina primaria ; 2) Ausbildung secundärer Venen, die ich Venae vitellinae secu’ndariae zu nennen vor- schlage, von denen die beiden seitlichen (V. secundariae laterales) Begleitvenen der Arteriae vitellinae sind, die hintere (V. secundaria posterior) keine Arterie begleitet, sondern für sich verläuft. Da die Hauptstämme und gröberen Verzweigungen der ecundären Begleitvenen meist über den zugehörigen Arterien liegen, kann man jetzt von einer Lagerung der Gefässe in zwei Schichten reden (vgl. Fig. 51, Taf. VI). Als eine Hauptveränderung, die auf noch späteren Stadien auftritt, wäre die Auflösung des venösen Randsinus zu erwähnen. Bezeichnen wir den Dotterkreislauf des Huhns, wie er auf Figur 50 nach Beobachtung am lebenden Object dargestellt ist, als den primären, den auf Figur 5I als den secundären, so ergiebt eine Ver- gleichung beider Kreisläufe mit dem der Säugethiere, dass wenigstens die Hauptbestandtheile des primären Dotterkreislaufs der Vögel mit den Hauptbestandtheilen des Dotterkreislaufs der Säugethiere vergleichbar sind, wenn auch die Anordnung eine verschiedene ist. Wir haben in beiden Fällen zwei nach vorn ziehende Venenstämme und zwei bei Vögeln seitlich austretende, bei Säugethieren nach hinten ziehende Arterien, Seitenäste der primitiven Aorten (Taf. VII, Fig. 620 und 630). Dagegen treten bei den Säugethieren nie- mals den Venae secundariae der Vögel entsprechende Bildungen auf, und jede Möglichkeit eines Vergleichs des Dotterkreislaufs des Säugers mit dem secundären Dotterkreislauf der Vögelist von vornherein ausgeschlossen. Es ergab sich demnach zunächst die Frage, ob der primäre Kreislauf der Vögel auch für die übrigen Sauropsiden charakteristisch sei; erst nachdem dies festgestellt war, konnte an eine eingehendere Ver- gleichung dieses Kreislaufs mit dem der Säuger gedacht werden. In der Literatur finden sich über den Dotterkreislauf der Reptilien nur ganz zerstreute Angaben und nur wenige brauchbare und zuverlässige Abbildungen. Aus den kurzen Angaben, die STRAHL (23, p. 114) über Lacerta agilis und vivipara und H. Vırcmow (26, p. 182, Taf. X, Fig. 13—15) über Lacerta agilis und Anguis fragilis machen, ging aber schon mit grosser Wahrscheinlichkeit hervor, dass bei den eidechsen- artigen Reptilien ein primärer Dotterkreislauf gleich dem der Vögel vorkommt. Eigene Untersuchungen, die ich an Embryonen von Lacerta agilis und vivipara und Anguis fragilis anstellte, bestätigten dies voll- kommen. Zu gleichen Resultaten führten zur Beantwortung dieser Frage angestellte Beobachtungen an Schlangen. Zur besseren Orientirung und bei dem fühlbaren Mangel an Abbildungen des Dotterkreislaufs der Sauropsiden habe ich auf Taf. VI eine Anzahl von Abbildungen der einschlägigen Verhältnisse ge- geben. Fig. 50 bringt den primären Dotterkreislauf eines Vogels (Gallus), Fig. 46 und 47 eines Sauriers (Anguis), Fig. 52 einer Schlange (Tropidonotus). Auf Fig.51 ist der secundäre Dotterkreislauf des Huhns, auf Fig. 48 und 49 der Blindschleiche, auf Fig. 53 der Kreuzotter dargestell. Nimmt man nun noch die schönen Crark’schen Abbildungen bei Acassız, Embryology of the Turtle (1, Pl. XIII, XIV), hinzu, so er- giebt sich, dass auch bei den Cheloniern ein primärer, dem der Vögel homologer Dotterkreislauf existirt. Die in meinem Besitz befindlichen Krokodilembryonen waren zur Entscheidung dieser Frage zu alt; auch in der Literatur habe ich darüber nichts finden können. Es ist wohl kaum zu erwarten, dass die Krokodile allein sich ausschliessen werden. Als Gesammtergebniss ergiebt sich Folgendes. Alle Sauropsiden (wohl sicherlich auch die Krokodile) besitzen zunächst einen primären Dotterkreislauf, der von zwei paarigen Dotterarterien gespeist wird, die von den Seiten her aus dem Embryo in den Gefässhof eintreten und sich hier auflösen. Der Hauptstamm 53 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 53 jeder dieser Arterien ist bei den meisten Reptilien anfangs sehr kurz und zerfällt gleich in eine Anzahl von kleineren Stämmen, so dass es zur Zeit, bevor sich die Darmrinne zum Rohr geschlossen hat, den Anschein hat, als gäbe es beiderseits eine grössere Anzahl von Dotterarterien (Taf. VI, Fig. 46, 47, 52). Genauere Untersuchung zeigt aber, dass beiderseits nur je ein Hauptstamm vorhanden ist. Ueberall sind ferner in den jüngsten Stadien zwei Venae vitellinae primariae vorhanden, die nach vorn ziehen und hier, die rechte nach rechts, die linke nach links umbiegend, den Ringsinus bilden, der demnach die auf Fig. 55, Taf. VII, dargestellte Form und gar nicht die Form eines geschlossenen Ringes hat. Der Schluss des Ringes erfolgt nachträglich durch Anastomosenbildung (Taf. VI, Fig. 46, 47, 50), und durch diese wird also erst secundär das zwischen den beiden Venen gelegene mesodermfreie Stück in den Gefässhof miteinbezogen. In dieses mesodermfreie, dem Gefässhof secundär angegliederte Feld erfolgt die Proamnioneinstülpung hinein, wie ausführlich auf Seite 43 erörtert worden ist. Bei den Embryonen aller Sauropsiden wird gewöhnlich der rechte Dottervenenstamm von vorn herein schwächer angelegt als der linke, regelmässig aber bildet er sich später ganz zurück, so dass dann nur ein einziger primärer Dottervenenstamm (vordere Dottervene der Autoren) übrig bleibt. Um sich von der ursprünglichen Anlage zweier, allerdings häufig sehr verschieden grosser Dottervenen zu überzeugen, muss man hinreichend junge Stadien untersuchen. Auf Grund aller dieser Beobachtungen sehe ich mich berechtigt, den primären Kreislauf der Sauropsiden ganz generell in dem Schema Fig. 63, Taf. VII (63 o von oben, 63 s von der Seite) zu ver- sinnbildlichen. Ein näheres Eingehen auf die secundären Kreisläufe der Sauropsiden kann ich mir versagen, da sie jeder Vergleichung mit dem Dottersack-Kreislauf der Säuger widerstreben und für die uns beschäftigende Frage daher ohne Bedeutung sind. Doch will ich hier beiläufig einige Beobachtungen mit einflechten. In gleicher Weise findet bei allen Sauropsiden beim Uebergang vom primären in den secundären Kreislauf eine Rückbildung des rechten primären Dottervenenstammes statt. Charakteristisch ist ferner für alle Sauropsiden das Neuauftreten von abführenden Gefässen, von Venae vitellinae secundariae, die, wie beim Hühnchen (Fig. 51), theils als Begleiterinnen der Arterien (Saurier Fig. 48, Schildkröten), theils auch mehr selbständig (Schlangen Fig. 53) auftreten. Es muss weiteren Specialuntersuchungen vorbehalten bleiben, die Art und Weise dieses Neuauftretens bei den einzelnen Reptilienordnungen näher zu verfolgen und festzustellen, ob auch grössere Ärterienäste neu entstehen. Hier scheinen bedeutende Abweichungen bei den verschiedenen Reptilienordnungen vorzukommen, so dass ich vollständig mit dem Ausspruch H. VırcHow’s übereinstimme, „dass sich Unterschiede herausbilden nicht nur zwischen Reptil und Vogel, sondern auch zwischen verschiedenen Ordnungen der Reptilien“. Ein bemerkenswertherer Unterschied giebt sich auch darin zu erkennen, dass bei Vögeln und Schlangen (Fig. 53) der Sinus terminalis sich allmählich ganz auf- löst. Bei den Sauriern und, wie es scheint, auch bei den Schildkröten erhält er sich; er nimmt aber, sobald der Gefässhof den Dotter umwachsen hat, die auf Fig. 49. Taf. VI (vgl. auch H. VırcHow 26, Taf. X, Fig. 16) dargestellte Form eines zu einer geraden Linie zusammengedrückten Reifens an, dessen parallele Schenkel sich endlich zu einem einfachen geradlinigen Gefäss verbinden (von mir bei Anguis beobachtet, aber nicht durch besondere Abbildung illustrirt). Das für unsere Probleme wichtige Resultat ist, dass die Sauropsiden einen in allen Hauptpunkten übereinstimmenden primären Kreislauf besitzen, auf den allein wir zurückzugehen haben, wenn wir eine Ver- gleichung des Dotterkreislaufes der viviparen Säugethiere mit dem der Sauropsiden versuchen. Vergleichen wir nun die Kreislaufsschemata Fig. 62 und 63, so finden wir zwei in ihren Bestandtheilen gleiche, in ihrer Anordnung verschiedene Typen. In beiden ist übrigens die Gefässanordnung insofern eine gleiche, als die beiden Venenstämme vor den beiden Dotterarterien austreten, zunächst nach vorn ziehen und dann bogenförmig nach hinten umbiegen. Der wesentliche Unterschied aber ist der, dass bei den Sauropsiden diese beiden Venenstämme gleichzeitig die Begrenzung des Gefässhofes gegen die gefässlose Zone abgeben, während bei den viviparen Säugern die hinter den Venen austretenden, zuerst nach hinten verlaufenden, dann nach vorn umbiegenden Dotterarterien den Gefässhof begrenzen, den Ringsinus bilden. 54 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 54 Nun giebt es aber noch bei den Amnioten einen dritten Typus des Dotterkreislaufs, und diesen finden wir bei den Monotremen. Auch hier haben wir zwei Dottervenenstämme, die wie bei den übrigen Säugern symmetrisch aus einem Stamm entspringen, zuerst nach vorn ziehen und dann nach hinten umbiegen (Fig. 61, Taf. VII). Auch hier haben wir zwei hinter den Venen austretende Arterienstämme, die ebenfalls zunächst parallel nach hinten ziehen. Sie biegen aber dann nicht, wie bei den viviparen Säugern, im lateral gewendeten Bogen nach vorn um, sondern behalten ihre ursprüngliche sagittale Ver- laufsrichtung bei, so dass sie den ganzen Dottersack in einem Meridian umkreisen und schliesslich vorn gegenüber der Venengabel endigen. Es kommt vor, dass sie hie und da zusammenfliessen und wieder auseinanderweichen, so dass sich zwischen ihnen Inseln bilden (Fig. 61), manchmal vereinigen sie sich auch in grösserer Ausdehnung miteinander, so dass nur eine einzige Dotterarterie da ist; in den meisten Fällen findet man aber zwei neben einander ziehende Gefässe, und dies ist sicherlich das typische Verhältniss. Eine gefässlose Zone existirt bei dieser Anordnung scheinbar nicht. Sieht man aber näher zu, so findet man den schmalen Streifen zwischen den beiden Dotterarterien gefässlos (vgl. auch Taf. II, Fig. 16), und man braucht bloss diesen schmalen Streifen zu verbreitern, um eine vollständige Ueberführung der Verhältnisse der Monotremen in die der viviparen Säuger zu er- zielen. Auf die physiologische Bedeutung der Verbreiterung jenes interarteriellen Streifens komme ich unten zurück; vom Standpunkt morphologischer Vergleichung ist diese Ueberführung aber so einfach und einleuchtend, dass zu ihrer Begründung keine weiteren Ausführungen nöthig sind. Fast ebenso leicht ist aber die morphologische Ueberführung des Dotterkreislaufs der Monotremen in den der Sauropsiden. Blicken wir auf Fig. 61 und denken uns den Dottersack vergrössert, so ergeben sich Verhältnisse, die genau denen der Sauropsiden entsprechen, wenn wir uns vorstellen, dass die vom Embryo abgewandte (untere) Seite des Dottersacks am spätesten vascularisirt wird und dass naturgemäss eine sehr bedeutende relative Verkürzung der beiden Arterien eintreten muss, die bei den dotterärmeren Eiern der Monotremen den Dottersack beinahe in seinem ganzen Meridian umspannen. Durch diese relative Verkürzung muss die arterielle Ausbreitung mehr und mehr auf die hinteren und oberen Abschnitte be- schränkt werden, und in diesen liegt sie innerhalb des Venenbogens (vgl. Fig. 61 s mit 63 s). Durch blosse Verkürzung der bei Echidna verhältnissmässig sehr langen arteriellen Bahnen, die in dieser Ausdehnung auf frühen Stadien sehr dotterreicher Eier ganz undenkbar wären, werden wir unmittelbar auf die Anordnung des Dotterkreislaufes der Sauropsiden geführt. j Warum nun aber, wenn man das Verhalten bei den Monotremen zum Ausgangspunkt nimmt, dehnt sich bei den viviparen Säugern der gefässlose Streifen zwischen beiden Arterien aus, warum verringert sich bei den Sauropsiden die relative Länge der beiden arteriellen Hauptstämme, und warum kommt es auf diesen verschiedenen Wegen bei beiden Abtheilungen zum Auftreten einer gefässlosen Zone des Dotter- sacks ? Die Lösung dieses Räthsels liegt in der Erkenntniss, dass die gefässlose Zone des Dotter- sackes der Sauropsiden und die der viviparen Säuger Bildungen sind, die trotz ihrer ähnlichen Configuration ganz verschiedenen Ursachen ihre Entstehung verdanken. Die gefässlose Zone am Sauropsidenei ist eine Bildung, die ihre Entstehung allein der ungeheueren Volumendifferenz zwischen Blastoderm und Dotter verdankt. Das Blastoderm kann den Dotter nur all- mählich umwachsen, und ebenso kann es nur allmählich der Gefässhof. Die gefässfreie Zone des Dotter- sacks ist der Bezirk, in dem der Gefässhof den Dotter noch nicht umwachsen hat, sie ist eine Erscheinung, die allein entwickelungsmechanischen Ursachen ihre Entstehung verdankt, die in jedem Augenblick der Entwickelung ihre Ausdehnung verringert und schliesslich ganz schwindet, die sicherlich keine besondere physiologische Leistung zu erfüllen hat. Gerade umgekehrt verhält sich dies alles für die gefässlose Zone am Dottersack der viviparen Säuger. Bei ihnen ist nicht etwa von vorn herein ein kolossaler Dottersack vorhanden, dessen Bewältigung durch den umwachsenden Gefässhof natürlich nur allmählich erfolgen kann, sondern der Dottersack ist anfangs klein und wächst mit dem Embryo in gleichem Schritte; die in ihm auftretenden Gefässe könnten, rein mechanisch betrachtet, in kürzester Zeit sich über seine ganze Oberfläche ausdehnen, wenn die Entwickelung auf eine totale Umwachsung des Dottersacks abzielte, wie sie es bei den Sauropsiden thut. Letzteres ist aber bei 55 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 55 den viviparen Säugern nicht der Fall. Aus dem Umstande der dauernden Erhaltung einer gefässfreien Zone am Dottersack vieler Säuger müssen wir auf eine besondere physiologische Bedeutung, eine eigene Function dieser Partie schliessen. Welches diese Function sei, darüber kann man zunächst nur Vermuthungen aussprechen. Bei allen viviparen Säugern dient die Dottersackwand nicht nur durch ihr Gefässnetz der embryo- nalen Respiration, sondern durch sie müssen auch die von den mütterlichen Geweben ausgeschiedenen Stoffe durchtreten, die dem Embryo zur Nahrung dienen, bei den Beutelthieren dauernd, bei den Placentaliern, bis sich eine Placenta gebildet hat. Es ist nun wahrscheinlich, dass die Aufnahme dieser Stoffe durch Vermittelung der Entodermzellen des Dottersacks zu geschehen hat, die sie an die Blutgefässe ihrer Wandung weitergeben. Denn dies ist der Weg, den die Nahrung, die dem Embryo zugeführt wird, bei den Vorfahren der viviparen Säuger, den Monotremen, macht. Jene Stoffe müssen aber zunächst in das Innere des Dottersackes gelangen, und für diesen Durchtritt sind gefässfreie und bei allen Beutlern sogar dauernd mesodermfreie Wandstellen am günstigsten. Sehen wir ja bei den Beutelthieren, dass vorwiegend diese gefäss- und mesodermfreien Wandstellen des Dottersacks (Prokalymma) sich in die Furchen und Ver- tiefungen der Gebärmutter einbetten. Die Ectodermzellen dieses Bezirks zeigen sich viel protoplasmareicher und voluminöser als die abgeflachten Ectodermzellen, welche den Gefässhof überkleiden. Ganz entsprechenden Verhältnissen begegnen wir bei den Placentaliern, die einen gefässfreien Bezirk des Dottersacks besitzen. Auch bei ihnen bleibt dieser Bezirk in grösserer (Rodentier) oder kleinerer (Chiropteren) Ausdehnung nicht nur gefäss-, sondern auch mesodermfrei und kann als Prokalymma bezeichnet werden. Auch bei ihnen ist es dieser Abschnitt der Dottersackwand, der besonders innige Beziehungen zur Schleimhaut des Uterus eingeht. Hier erfolgt eben der Durchtritt der von der Mutter gelieferten Nahrungsstoffe in das Innere des Dottersacks, von wo aus weiterhin die Aufnahme und Uebergabe an das Blut durch die Entodermzellen der gefässhaltigen Zone ausgeführt wird. Wir dürfen dabei nicht aus den Augen verlieren, was häufig genug geschieht, dass wir physiologisch ebensowenig wie morphologisch von den sehr einseitig entwickelten Zu- ständen der menschlichen Eihüllen allgemein auf alle Placentalier zurückschliessen dürfen, und müssen uns stets bewusst bleiben, dass bei letzteren auch functionell der wohlausgebildete Dottersack eine viel höhere, die weit unvollkommener gebaute Placenta eine viel geringere Bedeutung besitzt, als beim Menschen. Wenn wir nun allerdings über die physiologische Bedeutung der gefässlosen Zone des Dottersacks der viviparen Säuger nur Vermuthungen äussern können: so viel ist klar, dass diese Zone eine ganz bestimmte und wichtige physiologische Bedeutung besitzt. Sie ist kein vorübergehendes Entwickelungsphänomen wie bei den Sauropsiden, sondern entstand als besondere Anpassung eines Theils der Dottersackwand an die eigenthüm- lichen Ernährungsverhältnisse des Embryo in der Gebärmutter. Die gefässfreie Zone des Dottersackes der Sauropsiden und die der viviparen Säuger sind heterogene Bildungen und physiologisch wie morphologisch nicht homolog. Gehen wir von diesem Gesichtspunkt aus und machen wir uns klar, dass beide Bildungen auch topographisch verschiedene Lagen haben, dass bei den Säugern die gefässfreie Zone zwischen den beiden Arterien auftritt, bei den Sauropsiden aber an der Peripherie der Gefässstämme und besonders der bei den Monotremen den ganzen Dotter reifenartig umspannenden Arterien, so sehen wir, dass im übrigen der Dotterkreislauf der Säuger und Sauropsiden gleiche Bestandtheile und gleiche Anord- nung besitzt und sich ohne Zwang auf dieselben mehr indifferenten Zustände zurückführen lässt, wie wir sie bei den Monotremen finden. Man könnte gegen meine Ausführungen noch mit Recht folgenden Einwand erheben. Es hat durchaus keinen Anstand, die Verhältnisse des Dotterkreislaufs der viviparen Säuger von denen der Monotremen abzuleiten. Wohl aber erscheint eine Ableitung derjenigen der Sauropsiden von denen der Monotremen bedenklich, einmal weil hier bei den Monotremen, die doch schon hoch differenzirte Amniotenformen dar- stellen, überhaupt primitivere Verhältnisse angenommen werden, als bei den Reptilien. Ferner aber, weil es in diesem speciellen Fall ganz klar ist, dass der Dottersack der Monotremen, als Ganzes betrachtet, keines- wegs besonders primitive Zustände repräsentiren kann. Aus dem Umstande, dass das Ei der Monotremen während seiner Entwickelung wächst und schwerer wird, also auf Aufnahme von Nahrung von aussen her angewiesen ist, aus dem ferneren Umstande, dass das Junge aus dem Ei in so hülflosem Zustand 56 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 56 ausschlüpft, dass es noch längere Zeit der mütterlichen Pflege und Ernährung bedarf, können wir mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass die Dottermitgift, die das Monotremenei auf seinem Entwicke- lungsgang mit erhält, nicht mehr zur vollen Ausbildung ausreicht, dass bei ihnen also schon eine Reduction des Dotters begonnen hat. Das dotterreiche Ei der Sauropsiden respräsentirt also primitivere Zustände als das dotterärmere der Monotremen ; — dürfen wir dennoch aus den Kreislaufsverhältnissen des letzteren, indem wir uns eine Zunahme des Dotters vorstellen, den Dotterkreislauf der Sauropsiden erklären? Diese Frage ist in der That eine heikle, denn um den Sauropsidenkreislauf zu erklären, müssten wir von den primär dotter- armen Eiern der Vorfahren der Amnioten, nicht von den secundär dotterarmen der Monotremen ausgehen. Auf diesen Einwand ist Folgendes zu erwidern. Suchen wir, ohne uns im mindesten um die Mono- tremen zu kümmern, allein aus der Zusammensetzung und Anordnung des Dotterkreislaufs der Säuger und des primären Kreislaufs der Sauropsiden einen gemeinsamen Grundtypus zu construiren, indem wir die in beiden Gruppen nicht gleichwerthige gefässlose Zone verschwinden lassen, so dass dementsprechend weder das arterielle noch das venöse Gefässpaar einen in sich geschlossenen Sinus terminalis bildet, so kommen wir auf eine Gefässanordnung, die derjenigen der Monotremen in den wesentlichen Punkten ent- spricht. Wir dürfen also getrost annehmen, dass an den Eiern der Monotremen, trotzdem bei ihnen schon eine secundäre Reduction des Dotters begonnen hat, eine Anordnung des Dotterkreislaufes erhalten geblieben ist, wie er den Eiern der gemeinsamen Stammformen von Sauropsiden und Säugern eigenthüm- lich war. Schlussbetrachtung. Ich möchte zum Schluss noch auf eine Frage allgemeineren Inhalts eingehen. Wir haben das Auf- treten und die eigenthümliche Ausbildung der embryonalen Hüll- und Anhangsorgane, wie Keratinschale, Dottersack, Amnion und seröse Hülle, Allantois auf zwei Hauptursachen zurückgeführt. Erstens auf die Zunahme der Dottermitgift, die darauf abzielte, statt zahlreicher, unvollkommen entwickelter wenige wohl- entwickelte Nachkommen beim Verlassen der Eihülle den Kampf mit der Aussenwelt aufnehmen zu lassen. Zweitens auf den terrestrischen Aufenthalt der Eier, der die relative Sehwere derselben sehr bedeutend erhöht und dem Keim hierdurch und auch noch in anderen, weniger bedeutungsvollen Beziehungen unter sehr veränderte Daseinsbedingungen bringt. Wir haben dabei immer ganz im Allgemeinen von Amnioten gesprochen, als ob es sich ganz von selbst verstünde, dass die Bildung der Keratinschale, des Amnions und der serösen Hülle, der Allantois eine Erwerbung sei, die von gemeinsamen Vorfahren der Sauropsiden einerseits, der Mammalier andererseits gemacht worden wäre. Haben wir nun das Recht zu dieser Voraus- setzung? Sind die Sauropsiden und die Säuger mit gemeinsamer Wurzel einer amphibienähnlichen Stamm- form entsprossen, oder können sich nicht auch beide grosse Gruppen jede für sich aus amphibienähnlichen Ahnen entwickelt haben ? Die Frage, ob die Sauropsiden und Mammalier monophyletisch oder diphyletisch entstanden sind, ist eine der interessantesten und wichtigsten der Vertebratenmorphologie, freilich auch eine der schwierigsten. Zu ihrer Beantwortung müssten alle bekannten Thatsachen der vergleichenden Anatomie und Entwickelungs- geschichte der pentadactylen Vertebraten herangezogen und gegen einander abgewogen werden. Zu dieser Aufgabe fühle ich mich nicht berufen. Wohl aber möchte ich hier die speciellere Frage erörtern: sind Zunahme des Nahrungsdotters, Keratinschale, Amnion und seröse Hülle, Allantois bei den Sauropsiden und Mammaliern monophyletisch oder diphyletisch entstanden? Diese Frage deckt sich, wie ich nachher zeigen werde, keineswegs mit der allgemeineren Frage nach dem Ursprung der Amnioten. Meiner Ansicht nach kann es überhaupt keinem Zweifel unterliegen, dass Amnion und seröse Hülle, sowie Allantois der Sauropsiden und Säuger monophyletische Gebilde sind. Es wäre ja wohl denkbar, dass die gleiche Grundursache, der terrestrische Aufenthalt der Eier, zweimal unabhängig zur selbständigen Bildung sehr ähnlicher Bildungen geführt hätte. Hier aber handelt es sich nicht nur um sehr ähnliche, 57 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 57 sondern um in allen wesentlichen Punkten völlig gleiche Bildungen, eine Wesensgleichheit, die noch deut- licher hervortritt, wenn man die betreffenden Organe der Sauropsiden mit denen der niedersten, oviparen Säuger, der Monotremen, vergleicht, aus denen sich die anderen Daseinsbedingungen angepassten Bildungen der viviparen Säuger ohne weiteres ableiten lassen. Nun liegt aber ferner nicht nur Gleichheit der fertigen Gebilde, sondern auch eine bis ins Einzelne gehende Uebereinstimmung in der Entstehung und Ausbildung vor. Die Einstülpung zunächst des Vorder- körpers des Embryo in den Dottersack (Proamnionbildung), der Ort der Einstülpung zwischen den beiden Dottervenen an einer Stelle, die zunächst ausserhalb des Gefässhofes liest und mesodermfrei ist, das nach- trägliche Eindringen des Mesoderms und Cöloms in diese Proamniontasche, die Umhüllung des Hinter- endes nicht durch Einstülpung, sondern durch Erhebung einer aus Ectoderm und Somatopleura be- stehenden Falte, die Verwachsung der vorderen und hinteren Amnionfalte über dem Rücken und die bei Cheloniern, Vögeln und Monotremen nur unvollkommene Lösung der serösen Hülle vom Amnion, das Verhalten des extraembryonalen Cöloms, die Entstehung und fortschreitende Entwickelung der Allantois: alles das sind so charakteristische und so eigenartige Entwickelungsvorgänge, dass man fast an Wunder glauben müsste, wollte man annehmen, dass diese complizirt ineinander greifenden Vorgänge sich zweimal ganz unabhängig von einander in völlig gleicher Weise herausgebildet hätten. Jedenfalls ist diese An- nahme so unwahrscheinlich, dass sie keine Berücksichtigung verdient. Selbst die scheinbar unvereinbare Anordnung des Dotterkreislaufs der Sauropsiden und viviparen Säuger liess sich auf gemeinsame Grund- zustände zurückführen, die sich im Wesentlichen noch bei den Monotremen erhalten haben, und damit schwindet die letzte, morphologisch bedeutsame Differenz der Fötalhüllen der beiden grossen Amnioten- abtheilungen. Wer dies zugiebt, erkennt damit auch an, dass die Zunahme der Dottermitgift schon bei den ge- meinsamen Vorfahren der Sauropsiden und Mammalier stattgefunden hat. Denn die Amnionbildung hat zu ihrer phylogenetischen Entstehung ein reiches Dottermaterial, einen ansehnlichen Dottersack zur Voraus- setzung. Ist also die Amnionbildung monophyletisch entstanden, so musste schon vorher das Dottermaterial vermehrt sein. Uebrigens sprechen hierfür auch die ersten Entwickelungsvorgänge am Ei der Sauropsiden, Monotremen und viviparen Mammalier, und ferner die grosse Uebereinstimmung in der Anordnung des gelben und weissen Dotters beim Sauropsiden- und Monotremenei, worauf ich in der folgenden Abhandlung noch näher eingehen werde. Wenn wir somit durch alle Thatsachen der Entwickelung ohne Ausnahme dahin geführt und ge- radezu gezwungen werden, anzunehmen, dass es eine gemeinsame Vorfahrengruppe der Sauropsiden und Mammalier gegeben hat, die ihre dotterreichen, von Keratinschale umhüllten Eier nicht im Wasser, sondern auf dem flachen Lande absetzten, deren Embryonen von Amnion und seröser Hülle umgeben waren und die die prolabirte Harnblase bei ihrer embryonalen Athmung mitbenutzen, so ist damit über die Natur und systematische Stellung dieser Protamniotengruppe kein Urtheil abgegeben. jene Thiere können ja noch den Protamphibien viel näher gestanden haben als den Reptilien sowohl in der Zusammensetzung ihres Skelets, der Structur ihrer Haut und verschiedener anderer Organe. Freilich glaube ich, dass die eigen- thümliche Umbildung des untersten Urnierenabschnittes zum Metanephros bei jener gemeinsamen Stamm- gruppe, wie amphibienähnlich sie im übrigen auch gewesen sein mag, schon einigermaassen ausgeprägt war. Andeutungen einer solchen Differenzirung finden wir ja schon bei manchen Amphibien, so bei den Urodelen, wo sich ein deutlicher Unterschied in der Ausbildung des vorderen Urnierenbezirkes der „Ge- schlechtsniere‘“‘ gegen den hinteren, die „Beckenniere“, bemerklich macht. Auch sei daran erinnert, dass schon von manchen Amphibien (Ichthyophis, Amphiuma etc.) makrolecithale Eier auf das feste Land abgelegt werden, allerdings ohne dass es bei diesen zur Amnionbildung und zur Entwickelung einer Allantois kommt. Wenn also meiner Ansicht nach kein Zweifel obwalten kann über die monophyletische Entstehung des Amnions, der Allantois und des Metanephros, und ich die Existenz einer Protamniotengruppe (Meta- nephridier) als Vorfahren der Sauropsiden und Säugetiere für sicher halte, so bleibt noch die Frage nach der systematischen Stellung jener Stammgruppe, sowie der (gewiss ausserordentlich frühen) Trennung ihrer Jenaische Denkschriften. V. 8 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. I. 58 Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. 58 beiden Zweige eine noch durchaus offene, und es muss in jedem einzelnen Fall durch besondere Unter- suchung entschieden werden, ob wir ein bestimmtes Organ der Sauropsiden und der Säuger in directe Beziehung bringen dürfen oder ob wir bei seiner Vergleichung auf die Verhältnisse der Amphibien zurückzugehen haben, die sich in vielen Organisationseigenthümlichkeiten bei der Protamniotengruppe noch erhalten haben mögen. Verzeichniss der citirten Literatur. 1) L. Asassız, Contributions to the Natural History of the United States of America, Vol. II, Part. III, Embryology of the Turtle, Boston 1857. 2) E. van Beneoen et Cm. Jurın, Recherches sur la formation des annexes fetales chez les Mammiferes: (Lapin et Cheiropteres). Archives de Biologie, Tome V. 1884. 3) L. W. Biscuorr, Entwickelungsgeschichte des Kanincheneies, Braunschweig 1842. 4) W. H. Cauoweın, On the Arrangement of the Embryonic Membranes in Marsupial Animals. Quarterly Journal Mieroscop. Science, Vol. XXIV, 1884. 5) Derselbe, The Embryology of Monotremata and Marsupialia. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Vol. 178 (1887), p. 463—486 [Plates 29—31]. 6) A. Freischmann, Embryologische Untersuchungen, 1. Heft, 1889. 7) Derselbe, Embryologische Untersuchungen, 2. Heft, 1891. 5) Oscar Herıwıc, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte, 4. Auflage, 1893. 9) C. K. Horrmans, Ueber das Amnion des zweiblättrigen Keimes. Archiv für mikr. Anatomie, Bd. 23, 1884. 10) G. Krukengere, Vergleichend-physiologische Vorträge. 1886, 11) K. Mrwsururı, On the foetal Membranes of Chelonia. Journal of the College of Sciences, Imperial University of Japan, Vol. IV, Pt. I, 1890. 12) Heney F. Oseorn, Observations upon the foetal Membranes of the Opossum and other Marsupials. Quart. Journ. Mier. Science, 1883. z 13) Derselbe, The foetal Membranes of the Marsupials: The Yolk-sace Placenta in Didelphys. 14) D. Pororr, Die Dottersackgefässe des Huhnes, Wiesbaden 1894, 15) E. Ravn, Ueber die mesodermfreie Zone in der Keimscheibe des Hühnerembryo. Arch. f. Anat. u. Entwickel., 1886. 16) Derselbe, Bemerkungen über die mesodermfreie Zone in der Keimscheibe der Eidechsen. Anat. Anz., Bd. 4, 1889, 17) J. A. Ryper, The Origin of the Amnion, American Naturalist. Vol. NN, 1886. 18) P. und F. Sarasın, Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen, Bd. 2. 19) W. v. Schröper, Ueber die Harnstoffbildung der Haifische. Zeitschrift für physiol. Chemie, Bd. 14, 1890. 20) Emm Serenka, Das Opossum. Studien über Entwickelungsgeschichte der Thiere, 4. Heft, 1886/87. 21) Derselbe, Studien über Entwickelungsgeschichte der Thiere, 5. Heft, 1891. 22) Tu. W. Suore and J. W. Pıiexerine, The Proamnion and Amnion in the Chick. Journ. of Anatomy and Physiology. Vol. XXIV, 1890. 23) H. Srrant, Bemerkungen über den Kreislauf der Embryonen von Lacerta agilis und vivipara. Sitzungsber. der Ges. zur Beförder. der ges. Naturw., Marburg 1884. 24) Derselbe, Placenta und Eihäute. Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungsgeschichte herausgegeben von Fr. Merxer und R. Bonner, I. Bd., 1891. 25) H. Vırcuow, Der Dottersack des Huhnes. Internationale Beiträge zur wissenschaftlichen Mediein, Bd. 1, 1891. 26) Derselbe, Das Dotterorgan der Wirbelthiere. Zeitschr. für wissenschaft]. Zoologie, Bd. 53, Supplement, 1892. Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. Richard Semon in Jena. Mit Tafel VIII—-XI und 10 Abbildungen im Text. Das Material, das mir zur Ergründung der ersten Entwickelungsvorgänge bei den Monotremen vorlag, ist der Natur der Sache nach nur ein unvollständiges. Ist es doch selbst bei unseren Haussäuge- thieren, bei denen die Schwierigkeiten ungleich geringere sind, noch nicht möglich gewesen, einigermaassen vollständige Entwickelungsserien der frühen Stadien zu beschaffen. In unserem Falle handelt es sich nun nicht um Kaninchen und Meerschweinchen, nicht um Thiere, die zahlreiche Keime erzeugen, die man in beliebiger Menge jederzeit erhalten kann, bei denen sich das Eintreten der Befruchtung nach Gefallen reguliren, die Conservirung der Keime im Laboratorium vornehmen lässt, sondern es betrifft auch in ihrer Heimath seltene und schwer erhältliche Thiere, von denen ein grosser Procentsatz vergebens geopfert wird, da er sich unbefruchtet erweist, die nur einen (Echidna) oder zwei Keime (Ornithorhynchus) hervorbringen, deren Eier man an dem Orte und zu der Zeit conserviren muss, wo und wann man sie erhält. In den subtropischen Gegenden, in denen ich die Thiere jagte, wird der Erhaltungszustand des Keimes schon durch ein mehrstündiges Verweilen in der getödteten Mutter gefährdet. Besondere Schwierig- keiten erwuchsen mir daraus, dass die Schwarzen mir die Echidna-Weibchen fast alle nur Abends nach An- bruch der Dunkelheit brachten. Denn nur bei Tage gingen sie auf die Jagd und fast nie kehrten sie vor Abend von ihren weiten Streifzügen zurück. Ich musste die Thiere dann sofort tödten, um etwa vorhandene Beuteleier zu retten, die sonst regelmässig bei den verzweifelten nächtlichen Fluchtversuchen der Alten zerdrückt und geschädigt wurden. Auch das gewaltsame Aufrollen der Mutter erwies sich als ein dem Beutelei in vielen Fällen verderbliches Experiment. Um also die Beuteleier zu retten, tödtete ich sofort alle mir gebrachten Weibchen — Chloroform hatte ich leider nicht mit mir genommen — und fand sich dann ein Uterinei, so musste es auf der Stelle, meist bei flackerndem Kerzenlicht, aus seiner eng anliegenden Schale herauspräparirt werden. Das Einlegen der Eier in ihrer Keratinschale in die Conservirungsflüssig- keit!) ergab eine nur sehr mangelhafte Conservirung. Zeitweilig musste ich das Conserviren der Echidna-Eier einem meiner weissen Begleiter überlassen, der mit den Schwarzen in den dichten Scrubs mehrere Meilen östlich vom Boyne River verblieb, während ich am Fluss nach Ceratodus-Eiern suchte. Da ihm das Heraus- präpariren aus der Schale selten glücken wollte, und er mehrere kostbare Objecte ganz verdarb, liess ich ihn die Uterineier, wie sie waren, einlegen. So ist nicht alles von mir erbeutete Material an Uterineiern zufriedenstellend conservirt. Geringere Schwierigkeit bot die Conservirung der Beuteljungen von Echidna und des Inhalts der Beuteleier. Von solchen älteren Stadien habe ich denn auch eine hübsche Serie, die hoffentlich geeignet sein wird, auf viele Punkte der Organogenie der Monotremen Licht zu werfen. Diese letztere Aufgabe wird von verschiedenen Forschern für die verschiedenen Organsysteme unternommen werden. Ich selbst gebe in Folgendem nur eine nähere Untersuchung des Materials von ersten Entwickelungs- stadien und stelle auf Taf. X und XI die Grundzüge der äusseren Entwickelung dar. Eine genaue Wieder- gabe der äusseren Verhältnisse, besonders der jüngeren Embryonen, war schon deshalb unerlässlich, weil dieselben nach ihrer Zerlegung in Schnittserien einer ganzen Anzahl von Forschern zur Untersuchung dienen 1) Als Conservirungsflüssigkeit habe ich vorwiegend Sublimat-Pikrin-Essigsäure benutzt. 62 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotrem en. 62 sollen. Ohne eine genaue Orientirung über die äusseren Verhältnisse würde ein befriedigendes Verständniss der Schnittserien aber dem jeweiligen Untersucher oft nicht möglich sein. Reichlicheres Material besitze ich vom Stadium Fig. 46 an und habe von diesem nur einzelne Stadien zur Wiedergabe herausgegriffen, da von dann an die äusserlich wahrnehmbaren Veränderungen nur verhältnissmässig geringfügig sind. Allgemeines. Struetur und chemische Zusammensetzung der äusseren Schale. Der Reifungsprocess des Eies und die Structur des letzteren bis zur Ausstossung aus dem Ovarium wird an anderem Orte und von einem anderen Untersucher behandelt werden. Uebrigens besitzen wir über diese Punkte schon ziemlich eingehende Angaben von CALpwELL!). Wir beschäftigen uns hier nur mit dem befruchteten Ei. Obwohl bei beiden Monotremengattungen sich sowohl im rechten als auch im linken Ovarium Eier entwickeln und ausbilden, werden doch nur die Eier des linken Ovariums vollkommen reif und gelangen nach Austritt aus dem Ovarium, wo die Befruchtung stattfindet, in den linken Oviduct. Bei Ornithorhynchus findet man meistens zwei, bei‘ Echidna in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle einen Keim. Nach erfolgter Befruchtung wird jedes Ei von einer Keratinschale umgeben. Der Ablauf der ersten Entwickelungsvorgänge vollzieht sich nun in dem oberen Abschnitte des linken Eileiters. Man kann schon von aussen die Stelle wahrnehmen, wo die Eier sich befinden, da dieselbe als eine bauchige Auftreibung des Eileiterrohres vorspringt. Schneidet man ein, so findet man die Eier frei im Lumen, das ausserdem noch etwas seröse Flüssigkeit enthält. Der ganze Eileiter ist zu dieser Zeit verdickt und geröthet. Letztere Erscheinung nimmt man übrigens auch am rechten Eileiter wahr, in dem ich niemals Eier gefunden habe. Die Grösse der reifen oder in der ersten Entwickelung begriffenen Eier variirt etwas, wie die bei der gleichen, 5!/,-fachen Vergrösserung gezeichneten Fig. 1-9 auf Taf. VIII zeigen. Auch ihre Form ist nicht immer dieselbe; es finden sich neben kugelrunden auch etwas abgeflachte und zugespitzte. Als mittleren Durchmesser der aus der Schale genommenen Eier kann man 3'/,—4 mm angeben. Der Durch- messer des gesammten Eies mit seiner Schale beträgt 4,5; mm bis 5 mm sowohl bei Ornithorhynchus als auch bei Echidna. Wie schon CALDWELL (l. c.) angegeben hat, wächst nun das Monotremenei während seiner Ent- wickelung sehr beträchtlich, so dass das abgeleste Ei einen etwa dreimal so grossen Durchmesser besitzt als das eben befruchtete (grösster Durchmesser 15—16'/, mm, kleinster Durchmesser I2—I3 mm). Dieser Volumenszunahme entspricht eine Gewichtszunahme; das eben befruchtete Ei wiegt ohne Schale etwa 0,02 g, der Embryo kurz vor dem Ausschlüpfen ohne Schale 0,12 g. Structur und Wachsthum der Schale. Das Wachsthum der Eier erfolgt durch Aufnahme von ernährender, vom Oviduct ausgeschiedener Flüssigkeit durch die Schale hindurch, die dem Durchtritt keine Hindernisse in den Weg zu setzen scheint. Natürlich muss die Schale selbst aber während des Wachsthums des Eies ausgeweitet werden. Dabei nimmt sie aber an Dicke nicht ab, sondern zu. Die Schalendicke eines in den ersten Furchungsstadien begriffenen Uterineies beträgt 0,012 mm, die eines Beuteleies zwischen 0,13—0,18 mm, die Schwere der ersteren 0,006 g, der letzteren 0,15 g. 1) The Embryology of Monotremata and Marsupialia. Philos. Transactions, Royal Society of London, Vol. 178, 1887. 63 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 63 Auf Taf. VIII, Fig. 26—29 sind vier aufeinander folgende Entwickelungsstadien der Eierschale von Echidna abgebildet. Fig. 26—23 gehören Uterineiern, Fig. 29 gehört einem Beutelei an. Der Bau der Schale des Uterineies von Ormnithorhynchus entspricht durchaus dem von Echidna. Aeltere Ornithorhynchus- Eier lagen mir nicht zur Untersuchung vor. Nach CarpweLr ist die Schale des gelegten Ornithorhynchus- Eies kalkhaltig. Die Schalen der Beuteleier von Echidna enthalten, wie aus den Analysen hervorgeht, die NEUMEISTER an meinem Material angestellt hat, keine Spur von Kalk. Fig. 26 und 27 stellen Querschnitte durch die eben gebildete Eischale dar; Fig. 27 repräsentirt ein etwas älteres Stadium als 26. Doch sind beide Schalen noch annähernd gleich dick, worauf ich besonders aufmerksam mache, da durch den Umstand, dass Fig. 27 bei 1900-facher Vergrösserung gezeichnet ist, Fig. 26 aber nur bei 1400-facher, ein falscher Anschein hervorgerufen werden könnte. Fig. 28 ist bei der- selben, nämlich 1900-fachen, Vergrösserung gezeichnet wie Fig. 27; sie gehört einer erheblich weiteren, dickeren und älteren Schale an. An den Schalen der Uterineier lassen sich zwei deutlich gesonderte Schichten unterscheiden: eine innere Schicht, die ich mit der Ziffer 1 bezeichne und an der ich mit den besten optischen Hülfsmitteln keine Structur nachweisen kann. Auf Querschnitten erscheint die freie Kontur dieser Schicht gegen das Eiinnere zu bei gewisser Einstellung doppelt. Ich bin nach sorgfältiger Prüfung des Gegenstandes zu dem Resultat gelangt, in dieser doppelten Kontur ein optisches Phänomen und nicht den Querschnitt einer inneren Grenzlamelle zu erblicken. Es würde zu weit führen, hier auseinanderzusetzen, wie ich mir das Zustandekommen des optischen Phänomens erkläre. Die Schicht 2 ist ihrer ganzen Dicke nach von radiär gestellten Poren durchsetzt. Diese Poren sind in ihren mittleren Abschnitten etwas aufgetrieben, an ihren Enden, deren eins die freie Oberfläche erreicht, das andere bis zur äusseren Grenze von Schicht I verläuft, zugespitzt. In dem auf Fig. 27 dargestellten Stadium sind die Auftreibungen der Poren von Schicht 2 viel bauchiger geworden, und die Poren münden durch weitere Oeffnungen nach aussen. Auf manchen Schnitten kommt es zur artificiellen Zerreissung der Oberfläche an der Mündung der Poren, und dann erhält man statt des Bildes einer von bauchig aufgetriebenen Poren durchsetzten Schicht den Eindruck einer aus isolirten Papillen bestehenden Lage, wie sie von Carpwerı (Plate 30, Fig. 4) abgebildet wird. Diese „papillae‘“ oder „cones“ sind aber Kunstproducte; in Wirklichkeit handelt es sich um eine anfangs von Poren, später von buchtigen Räumen durchsetzte Schicht. Zwischen Schicht ı und Schicht 2 erblickt man bei schwächeren Vergrösserungen etwas, was man als eine etwas granulirte Zwischenschicht deuten könnte. Durch Untersuchung mit stärkeren Vergrösserungen bin ich aber zu der Ansicht gelangt, dass dieses Bild nur dadurch hervorgetäuscht wird, dass die Poren von Schicht 2 natürlich nicht sämmtlich in genau demselben Niveau gegen die homogene Schicht zu endigen. Dadurch ergiebt sich auf Schnitten, die mehrere Lagen von Poren über einander enthalten, der Anschein einer Zwischenschicht. Fig. 28, bei derselben Vergrösserung gezeichnet wie 27, zeigt dieselben beiden Schichten; Schicht ı ist aber erheblich verdünnt. Schicht 2 noch viel erheblicher verdickt, so dass die Gesammtdicke der Schale sich auf diesem Stadium verdoppelt hat. Aus den Poren der Schicht 2 ist ein System von langgestreckten, vielfach gebuchteten, unter einander communicirenden Hohlräumen geworden, die die ganze Dicke durchsetzen. Ihre Anordnung ist weit un- regelmässiger als früher. Man hat den Eindruck, als sei bei der Ausweitung des Umfanges und der damit verbundenen Dehnung der Schale das feine Porensystem zu einem unregelmässigen Hohlraumsystem zer- sprengt worden. Da Schicht ı von Anfang an keine Structur erkennen liess, ist die einzige Veränderung, die sich an ihr nach der Dehnung zu erkennen giebt, eine recht beträchtliche Dickenabnahme. Dass Schicht 2 trotz der Dehnung an Dicke nicht ab-, sondern erheblich zugenommen hat, erklärt sich durch Zuwachs von aussen her mittelst weiteren, vom Uterus gelieferten Keratinmaterials. Wenden wir uns nun zur Betrachtung der Schale des gelegten Eies, wie wir es im Beutel von Echidna finden, so hat eine weitere, noch viel erheblichere Dehnung der Schale unter gleichzeitiger Dicken- zunahme stattgefunden. Um sich dessen ganz bewusst zu sein, muss man sich vergegenwärtigen, dass 64 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 64 Figur 29 bei 750-facher, also bei 2 ı,,-mal schwächerer Vergrösserung gezeichnet ist, als Fig. 28 und 27. Durch die weiter fortgeschrittene Dehnung hat sich die homogene Schicht ı noch ferner erheblich verdünnt Die schon auf Stadium 28 zu unregelmässigen Hohlräumen zersprengten Poren der Schicht 2 bilden jetzt ein noch viel weiteres und unregelmässigeres Hohlraumsystem. Die ganze Schicht 2 zeigt dabei eine kolossale Dickenzunahme und geht nach aussen hin allmählich in eine neu hinzugekommene, ihr an Dicke gleiche Schicht über, die ich auf Figur 29 mit Ziffer 3 bezeichnet habe. Diese Lage enthält nur wenige und meist kleinere Hohlräume, die im Grossen und Ganzen eine gewisse concentrische Anordnung zur Schalenoberfläche erkennen lassen. Nach innen zu geht Schicht 3 ohne scharfe Grenze in Schicht 2 über, von der sie sich vor allem durch viel festere Structur unterscheidet. Das Bemerkenswertheste an ihr aber ist, dass sie in weiten, mässig regelmässigen Abständen von radiär gestellten, langen Porencanälen durchsetzt wird. Dieselben gehen von den Hohlräumen der Schicht 2 aus und münden frei nach aussen, indem sie auch noch die äusserste Deckschicht 4 durchbrechen. Die Porenkanäle stellen runde Röhren dar; ihre Mündungen erblickt man, wenn man die äussere Oberfläche der Schale bei schwacher Vergrösserung mustert. Dieselben stehen in ziemlich unregel- mässigen Abständen in einer durchschnittlichen Entfernung von 0,2—0,3 mm von einander. Die Deckschicht 4 endlich ist durch ihren Gehalt an bräunlichem bis scharzem Pigment ausgezeichnet, von wechselnder Dicke, ohne erkennbare Structur. Je nach ihrer stärkeren oder schwächeren Entwickelung varüirt die Farbe des Beuteleies von Echidna von Gelblichweiss zu Gelb bis zu Braun (vergl. Taf. I, Fig. 2). Ich habe noch für die Schale des Beuteleies eine Eigenthümlichkeit von Schicht 2 zu erwähnen. Eine innerste schmale Lage, die ich als 2a bezeichnet habe, hebt sich durch etwas anderen Farbenton bei ungefärbten und durch etwas verschiedenes Verhalten gegen die Reagentien bei gefärbten Präparaten von der sehr viel dickeren Schicht 2b ab. An manchen Beuteleischalen lassen sich Schicht ı und 2a als eine dünne Lamelle von der übrigen Schale abziehen. Die nähere Untersuchung zeigt aber, dass es sich dabei nicht um ein glattes Lösen scharf ge- sonderter Schichten, sondern um eine ziemlich unregelmässige Zerreissung handelt. Eine scharfe morpho- logische Sonderung von Schicht 2a und 2b existirt nicht!). Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir in 2a den ältesten, zuerst abgreschiedenen Theil der Schicht 2 zu erblicken haben, wie sie uns in Fig. 26 und 27 entgegentritt. ’ Weder auf Schnitten noch auf Zupf- oder Macerationspräparaten konnte ich in einer der 4 Schichten eine Spur von fibrillärer Structur nachweisen. Die Schichten 2 und 3 zeigen ja bei Beuteleiern eine gewisse concentrische Schichtung in der Art der Anordnung des Hohlraumsystems. In ihrer Substanz selbst konnte ich aber keine Schichtung entdecken, ebensowenig Fasersysteme irgend welcher Art, und das Gleiche gilt für die Schichten I und 4. Schicht I erscheint auf allen Entwickelungsstadien ganz klar und durchscheinend, die Substanz von Schicht 2 und der später hinzutretenden Schicht 3 etwas trübe und granulirt. Der Vergleich der verschiedenen Entwickelungsstadien der Echidna-Eierschalen zeigt uns, wie sich die Veränderungen, die wir wahrnehmen, durch eine fortgesetzte Dehnung der Schale unter gleichzeitiger Anlagerung von neuem, vom Oviduct geliefertem Material erklären lassen. Schwerer ist es, sich eine Vor- stellung davon zu machen, durch welche Kräfte die enorme Dehnung der Schale bewirkt wird, eine Dehnung, die ihren Durchmesser verdreifacht. In erster Linie wird man daran denken, dass der Druck, den der continuirlich wachsende Keim ausübt, die Schale allmählich dehnt und ausweitet. Für den Keim selbst würde dann aber seine ganze Entwickelung bis zum endgültigen Abschluss der Schalendehnung unter einem sehr hohen Druck stattfinden. Einem Vergleich der Schalenstructur der Monotremen mit der der Sauropsiden stellt sich zunächst die bedeutende Schwierigkeit entgegen, dass über die Eischale der Sauropsiden zwar ungemein zahlreiche Untersuchungen vorliegen, eine streng durchgeführte Vergleichung aller Componenten der Schale für die Sauropsiden selbst bisher noch nicht unternommen worden ist. I 1) Auf der Abbildung Fig. 29 ist die Sonderung von 2a und 2b sehr scharf hervorgehoben. So deutlich habe ich sie nur in der Minderzahl der Fälle wahrgenommen. 65 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 65 Uebereinstimmend mit der Schalenstructur der Monotremen finden wir bei manchen Reptilien zu innerst eine dünne, homogene Lage, die wohl mit unserer Schicht ı gleichzusetzen ist. Noch weniger kann an einer Gleichartigkeit des Oberhäutchens des Sauropsideneies mit unserer Schicht 4 gezweifelt werden. Dagegen ergiebt ein Vergleich der inneren Schichten der Sauropsiden- und Monotremenschale die die eigentliche Dicke der Schale ausmachen, wesentliche Ungleichartigkeiten. Ich lege dabei gar keinen Werth auf die Abwesenheit von Mammillen und Buckelbildungen bei Echidna. Diese Structureigen- thümlichkeiten stehen unverkennbar in einer gewissen Wechselbeziehung zur Einlagerung der Kalksalze in die Schale, und ihr Fehlen kann in kalkfreien Eierschalen nicht weiter befremden. Recht auffallend ist dagegen die gänzliche Abwesenheit der Faserstructur in sämmtlichen Schichten des Monotremeneies; denn bei den Sauropsiden tritt gerade in den an Kalksalzen armen Eiern oder bei hartschaligen Eiern in den kalklosen Schichten die Faserstructur am deutlichsten hervor. Diese Zusammensetzung aus durcheinander geschlungenen, verfilzten Fasern ist es ja auch, die den weichschaligen Eiern oder Schichten von Eiern der Sauropsiden eine so grosse Festigkeit und Zähigkeit verleiht, die einen Ersatz für die Aussteifung durch Kalksalze liefert. Eine derartige Zähigkeit und Festigkeit mangelt denn auch der Eischale der Monotremen und muss ihr wohl mangeln, wenn man ihre Entwickelung bedenkt. Eine feste, aus verfilzten Fasern bestehende Masse würde der kolossalen Dehnung, die die Monotremen- schale durchzumachen hat, zu grossen Widerstand entgegensetzen. So hängt denn die Differenz in der Schalenstructur der Sauropsiden- und Monotremeneier wahr- scheinlich mit den eigenthümlichen Wachsthumsverhältnissen der letztgenannten zusammen. Mein College, Herr Professor R. NEUMEISTER in Jena, hat sich auf meine Bitte der Mühe unterzogen, verschiedene Entwickelungsstadien der Eischale von Echidna chemisch zu untersuchen. Ein Unterschied in der chemischen Zusammensetzung in den verschiedenen Stadien liess sich nicht nachweisen. Ich lasse hier den wörtlichen Bericht Professor NEUMEISTER’s folgen. Chemische Zusammensetzung der Eischale von Echidna. (Von Professor Dr. R. Neumeister in Jena.) Die Eischale von Echidna aculeata bildet eine im Wasser etwas quellende, im feuchten Zustande lederartig anzufühlende Membran von gelbbrauner Farbe. Manche Exemplare sind indessen hellgelb gefärbt. Genau wie diese äussere Schale verhält sich chemisch die innere, viel dünnere Membran (Dotter- häutchen), welche das Ei umgiebt. Zur Reinigung wurden die Eischalen 24 Stunden in I-procentige Soda verbracht, zwischen den Fingern abgerieben, mit destillirtem Wasser gehörig ausgelaugt und sodann ı Tag in I-procentige Salz- säure gegeben, welche beim Abdunsten kaum einen Rückstand hinterliess. Nochmals mit Wasser völlig ausgewaschen, gaben Proben der Haut die Xanthoprotein- und Mırron’sche Reaction in ausgesprochener Weise. Das Benetzen mit wenig Natronlauge und Bleiacetat hatte beim Erwärmen sogleich eine tiefe Schwarzfärbung zur Folge. In 2-procentige Kalilauge gegeben, war ein Stückchen der Membran nach 4 Tagen fast durch- sichtig geworden. Kurze Erwärmung auf Siedetemperatur genügte, um nach wenigen Minuten eine völlige Lösung der Substanz herbeizuführen. Die Flüssigkeit gab deutliche Biuretreaction und wurde beim Zusatz von einigen Tropfen Bleiacetat dunkelbraun. 50-procentige Kalilauge bewirkte bereits in der Kälte nach 4 Tagen einen völligen Zerfall und auch eine theilweise Lösung der Membran. Beim Erwärmen entstand sogleich eine klare Flüssigkeit. Durch concentrirte Schwefelsäure wurde nach mehrtägigem Stehen ein Zerfall der Membran herbei- geführt, ohne dass in der Folge der Detritus sich löste. Verdünnte Schwefelsäure oder Salzsäure (5-proc.) vermochte die Haut selbst nach wochenlanger Einwirkung nicht im geringsten zu verändern. In der Siede- hitze dagegen wurde die Membran von 5-procentiger Salzsäure nach etwa 5 Stunden gelöst. Die so ent- standene Flüssigkeit enthielt keine Substanz, welche alkalische Kupferlösung reducirt hätte. Jenaische Denkschriften. V. 9 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 66 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 66 Pankreassaft, welcher eine Fibrinflocke bei Körpertemperatur in 5 Minuten verschwinden liess, zeigte auf die Eischale im Verlaufe von 8 Tagen durchaus keine Einwirkung. Energisch wirksamer Magensaft dagegen liess nach 24-stündigem Verweilen im Brütofen die Ränder der Membran durchsichtig werden, um das Ganze nach 48 Stunden vollkommen zu lösen. Der Rest der Eischale wurde nunmehr durch mehrtägiges Verbringen in absoluten Alkohol ent- wässert und bei 105° C getrocknet. Sie bildete hierauf eine hornartige, äusserst spröde Masse, welche sich leicht zu einem feinen Pulver zerreiben liess. Dasselbe enthielt etwa 5 Proc. Schwefel. Doch soll bemerkt werden, dass diese Schwefelbestimmung aus Mangel an Material mit nur 0,06 gr Substanz aus- geführt wurde. Die angeführten Reactionen, namentlich der hohe Schwefelgehalt, die verhältnissmässig leichte Löslichkeit in Lauge und die völlige Unverdaulichkeit der Membran durch Trypsin; schliessen — woran man denken musste — einen elastinartigen Charakter derselben aus und verweisen vielmehr die Eischalen- haut von Echidna aculeata in die Reihe der Keratine. Hiergegen würde nur ihre, wenn auch ungemein schwer erfolgende, Verdaulichkeit durch Magen- saft sprechen. In dieser Beziehung ist indessen eine Beobachtung von KRUKENBERG !) von Interesse, welcher fand, dass die keratinösen Hüllen um die Eier von Seyllium stellare, wenn letztere dem Uterus entnommen waren, zwar nicht von Trypsin, dagegen von Pepsin verdaut wurden, während mit zunehmendem Alter und speciell in dem Stadium, wo die Eier bereits abgelegt sind, die Schalensubstanz sich den proteolytischen Enzymen gegenüber als ebenso widerstandsfähig erweist, wie die übrigen Keratine. Aehnliches scheint auch v. MOROCHOWETZ beobachtet zu haben. Wenigstens bemerkt KÜHne°): „Hinsichtlich der Resistenz des Keratins zeigen neuere Erfahrungen von Dr. v. MOROSCHOWETZ, dass es jedoch verhornte Gewebe, namentlich der Oberhaut giebt, welche sehr kräftigen Pepsinsäuren erliegen, besonders nach vorausgegangenem Kochen mit Wasser.“ Aus der mitgetheilten Beobachtung von KRUKENBERG lässt sich schliessen, dass die von der Schleimhaut des Oviductes bekanntlich im flüssigen Zustande abgesonderten und erst später zu Keratin er- starrenden Eischalenhäute von Scyllium stellare erst nach und nach, vielleicht durch eine weitere Ver- dichtung unter Wasserabspaltung, eine vollkommene Resistenz gegen die peptische Verdauung gewinnen. Da die Eier der Echidna niemals nach aussen, sondern in den Beutel abgelegt werden, erscheint die ver- hältnissmässig geringe Widerstandsfähigkeit ihrer Eischalenhaut auch im extrauterinen Zustande erklärlich. Die bisher vorliegenden Untersuchungen der organischen Grundsubstanzen von Eischalen ver- schiedener Wirbelthiere haben ergeben, dass dieselben in ihrem chemischen Verhalten wechseln, meist aber zu den Keratinen zu stellen sind. Wenige nähern sich in ihren Eigenschaften den Elastinen, ohne indessen jemals alle Eigenschaften dieser Albuminoidgruppe ausnahmslos zu besitzen. Mucin ist bisher nur als Hülle der Froscheier gefunden worden °). Aus einem typischen Keratin besteht die Eischalenhaut der Hühner !) und vermuthlich der Vögel überhaupt, sowie der abgelegten Eier von Seyllium stellare). Auch bei anderen Selachiern sind die Ei- hüllen keratinöser Natur, so bei Raja quadrimaculata®) und bei Myliobatis aquila°). Dasselbe ist nach 1) W. KRUKENBERG, Ueber die chemische Beschaffenheit der sogenannten Hornfäden bei Mastelus und über die Zu- sammensetzung der keratinösen Hüllen um die Eier von Seyllium stellare, Mittheil. d. Zool. Station zu Neapel, Bd. 6, 1885. Heft 2, S. 295. 2) W. KÜHNE, Untersuchungen aus dem Physiol. Institut der Universität Heidelberg. Bd. ı, Heft 2, 1877, S. 220. 3) GIACOSA, Studien über die chemische Zusammensetzung des Eies und seiner Hülle beim Frosch, Zeitschr. f. physiol. Chem., Bd. 7, 1883, S. 40. 4) HAMMARSTEN und V. LinDvALL, Ueber die Schalenhaut des Hühnereies, Jahresber. f. Thierchemie, Bd. ı1, 1881, S. 38. Vergl. auch W. KRUKENBERG, Vergleichend-physiologische Studien, II, 1. Abtheil., 1882, S. 66. 5) W. KRUKENBERG a. a. O, 6) S. L. SCHENK, Die Eier von Raja quadrimaculata, Sitzungsber. d. Wiener Akad., Bd. 68, I, 1874, S. 363. 7) W. KRUKENBERG, Ueber die Verschiedenartigkeit des organischen Substrates der Eierschalen von Wirbelthieren, Ver- gleichend-physiol. Studien, II, 1. Abtheil, S. 62-68. 67 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 67 meinen Befunden der Fall bei gewissen Sauriern und Hydrosauriern, nämlich bei Calotes jubaltus und Croco- dilus biporcatus. Die Eischalenhaut von Seyllium canicula dagegen stimmt mit den Keratinen zwar darin überein, dass sie sich verhältnissmässig leicht in verdünnter, kalter Natronlauge auflöst und andererseits durch Pankreas- saft selbst nach tagelanger Einwirkung nicht angegriffen wird, dagegen entfernt sie sich von den Horn- substanzen durch ihre Verdaulichkeit im Magensaft. KRUKENBERG'!) hat deshalb zunächst Bedenken getragen, die Eischale von Seyllium canicula zu den Keratinsubstanzen zu stellen, wiewohl dieselbe zweifel- los Schwefel enthielt. Später ist dieser Forscher indessen zu der Anschauung gelangt, dass zwischen den Eihüllen von Syllium canicula und von Myliobatis keine durchgreifenden chemischen Differenzpunkte be- stehen und dass ihr verschiedenes Verhalten gegen die Magenverdauung auf Altersunterschiede der Schalenhaut zu beziehen sind ?). Dieser Eischale von Seyllium caniculata würde sich diejenige von Echidna aculeata anreihen, da beide Substanzen in ihren Reactionen ziemlich übereinstimmen. Ein eigenthümliches Verhalten zeigt die organische Grundsubstanz der Eihülle von Coluber natrix. HıLger *), welcher dieselbe zuerst untersuchte, beschreibt sie als einen äusserst resistenten, eiweiss- artigen Körper, der frei ist von Schwefel und Phosphor. Unlöslich in Säuren, ist derselbe gegenüber verdünnter und concentrirter Kalilauge resistent, selbst nach monatelanger Einwirkung. Demnach glaubt HırGeEr, dass die entkalkte Membran des Ringelnatter- eies unbedingt dem Elastin am nächsten steht, wenn auch die absolute Resistenz gegen concentrirte Kali- lauge bei diesem nicht vorliegt. Diese völlige Widerstandsfähigkeit gegen gesättigte Lauge vermochte übrigens W. EnGEL*) bei seiner Untersuchung des gleichen Materials nicht zu constatiren. Aber in diesem Falle waren die Reptilieneier aus den Thieren herausgeschnitten worden, befanden sich also vielleicht in einem weniger widerstandsfähigen Jugendzustande als die von HıLGEr verwendeten. Andererseits aber hat KRUKENBERG °®) gezeigt, dass die Substanz der in Rede stehenden Eischalen, gekocht wie ungekocht, im Gegensatz zum Elastin und hierin mit dem Keratin übereinstimmend, sich gegenüber den eiweissverdauenden Enzymen durchaus resistent erweist, so dass man sie als Keratoclastin bezeichnen möchte. Noch mehr scheinen dem Elastin die Eischalen von Mustelus laevis®) sich zu nähern, namentlich durch ihre Unlöslichkeit in kalter Natronlauge und andererseits durch ihre Verdaulichkeit in Magen- und Pankreassaft. Allerdings ist das Fehlen von Schwefel in dieser Substanz nicht constatirt worden, womit ihre Stellung in die Reihe der Elastine erst gesichert wäre. Structur des Eies. Das Monotremenei füllt den von der Schale umschlossenen Hohlraum fast vollkommen aus. Auf jüngeren Entwickelungsstadien findet sich zwischen Schale und Dotterhäutchen eine dünne Eiweissschicht (Taf. VIII, Fig. 19). Bald wird dieselbe aber völlig von dem sich vergrössernden Ei resorbirt, und das Dotterhäutchen liegt der Schale dicht an. Es ist alsdann nicht leicht, das Ei unverletzt aus der Schale herauszupräpariren. 1) W. KRUKENBERG a. a. O., 3. 68. 2) W. KRUKENBERG, Mittheil. d. Zoolog. Station zu Neapel, Bd. 6, 1885, S. 295. 3) HıLger, Ueber die chemischen Bestandtheile des Reptilieneies, Ber. d. Deutschen chem. Gesellschaft, Bd. 6, 1873, 8. 165. 4) WALFRIED Enger, Beiträge zur Kenntniss der organischen Grundsubstanz der Schalen von Reptilieneiern etc., Ztschr, f. Biol., N. F. Bd. 9, 1890, S. 378. 5) W.KRUKENBERG, Ueber die chemische Beschaffenheit der Eischalen von Mustelus laevis und Tropidonotus natrix, Vergleichend-physiol. Studien, II, 2. Abtheil., S. 91. 6) W. KRUKENBERG, a. a. O. 9* 68 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 68 Das Dotterhäutchen lässt keine eigentliche Structur erkennen. Hie und da kann man in ihm mehrere Schichten unterscheiden, eine äussere und eine innere, zuweilen ausserdem noch eine oder mehrere mittlere, die sich etwas verschieden gegen Farbstoffe verhalten, aber meist nicht scharf von ein- ander gesondert sind. Während der ersten Entwickelung des Eies nimmt das Dotterhäutchen etwas an Dicke zu (0,015—0,03 mm Dickendurchmesser). In dem Aufsatz über die Embryonalhüllen habe ich auf Taf. I, Fig. ı ein aus der Schale heraus- präparirtes Uterinei von Echidna in natürlicher Grösse abgebildet. Deutlich hebt sich die weissliche Keim- scheibe von dem gelben Dotter ab. Auf Taf. VIII, Fig. I—9 sieht man solche Eier bei 5 ”/,-facher, auf Fig. 19—25 Schnitte durch dieselben bei I3-facher Vergrösserung. Letztere Figuren geben eine gute Vorstellung von der Anordnung des gelben und weissen Dotters, die durchaus an die Verhältnisse des Sauropsideneies erinnert. Wie bei letzterem lässt sich auch am Monotremenei eine zwiebelschalenähnliche Schichtung der Dottermasse, dicke Schalen gelben Dotters getrennt durch ganz dünne Schichten weissen Dotters, nachweisen. Die Keimscheibe ruht auf einem Lager von feinkörnigem, weissem Dotter, und dieser entsendet nach innen eine strangförmige Fortsetzung, einen „Dotterstiel“, der im Centrum sich flaschenförmig zu einer Latebra (Fig. 19 l) aufbläht. Die Elemente des gelben Dotters sind kugelrund; gegen den weissen Dotter zu, besonders in der Gegend der Keimscheibe, nimmt der Durchmesser der Kugeln des gelben Dotters continuirlich ab (vgl. Taf. IX). An der Grenze erblickt man häufig die Kugeln des gelben Dotters in allen Stadien des Zerfalls zu kleineren und kleinsten Elementen. In gleichem Maasse wie das Blastoderm den Dotter umwächst, breitet sich an der Oberfläche des letzteren und unter ersterem eine Schicht von weissem Dotter aus. Wie CALDWELL (l. c. p. 475) ganz richtig angiebt, liegt das Dotterhäutchen dem Ei nicht un- mittelbar auf, sondern man sieht dazwischen schon bei sich furchenden Eiern eine schmale, ganz fein granulirte Schicht, die allmählich an Dicke zunimmt. Auf späteren Stadien findet man im Eiinnern zwischen den Dotterelementen ähnliche, sehr fein granulirte Massen, die sich gegen Farbstoffe ganz ebenso verhalten, wie jene oberflächliche Schicht unter dem Dotterhäutchen. Mit CarpwEıLr deute ich diese Massen als Coagulum der in dasEi von aussen her aufgenommenen, vom Uterus der Mutter abgesonderten Ernährungs- flüssigkeit, die das Grösser- und Schwererwerden des Keimes bedingt. Eischale und Dotterhäutchen legen dem Durchtritt dieser Flüssigkeit keine Hindernisse in den Weg, was auffallend ist, da ja gewisse Schichten der Schale und das gesammte Dotterhäutchen keine Poren besitzen, und Eiweiss durch Membranen nicht diffundirt. Doch sind wir über die chemische Zusammensetzung jener Ernährungsflüssigkeit ganz im Un- klaren; vielleicht enthält sie Albumosen oder Peptone, die erst nach der Diffusion durch die homogenen Schichten der Schale und durch das Dotterhäutchen in Eiweisskörper übergeführt werden. Furchung und Bildung der primären Keimblätter. Taf. VIII und IX geben Darstellungen von sieben Entwickelungsstadien von Echidna und drei von Ornithorhynchus. die ich fortlaufend mit E,—E, (Echidna) und O0,—0, (Ornithorhynchus) bezeichne. Auf Taf. VIII, Fig. 1-18 sind Öberflächenansichten bei 5?/,-facher, Fig. 19—25 Schnitte durch die ganzen Eier bei 13-facher Vergrösserung dargestellt. Taf. IX giebt Schnitte durch die Keimscheibenregion der betreffenden Eier bei stärkeren Vergrösserungen (vgl. darüber die Tafelerklärung) wieder. CALDWELL macht einige kurze Angaben über die Eifurchung der Monotremen. Nach ihm soll schon die erste Theilungsebene die Keimscheibe in zwei ungleiche Abschnitte theilen. Die zweite darauf senkrechte Theilungsebene soll dann vier Bezirke, zwei grössere und zwei kleinere, absondern. Die Furchung wäre demnach von Anfang an eine inäquale. Ich besitze kein Stadium von Zweitheilung, aber ein Stadium von Viertheilung und zwar von Echidna (E, Fig. 1, 10, 19, 30. Bei diesem Object sind die vier Theilstücke gleich gross. Die Theilung ist hervorgebracht durch zwei auf einander senkrechte Furchungsebenen. Bei meinem nächsten 69 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 69 Stadium E, (Fig. 2, I1, 20, 31) hat die Furchung weitere Fortschritte gemacht, und wir erblicken eine einschichtige Platte von 24 nahezu gleichgrossen Furchungszellen. Der Rand dieser Platte zeigt eine unregelmässige Begrenzung. Vom nächsten Stadium besitze ich einen Repräsentanten von Echidna (E,) und einen von Ornitho- rhynchus (O,). Durch weitere Theilung, die man aus der abnehmenden Grösse der Furchungszellen erkennt, hat sich die Flächenausdehnung des Blastoderms') nicht vergrössert, dafür ist aber aus der einschichtigen Platte eine vielschichtige geworden (Fig. 21 und 23 auf Tafel VIII, Fig. 32 und 34 auf Taf. IX). Das Blastoderm hat nun die Gestalt einer Biconvexlinse, deren nach aussen gerichtete Fläche schwach, deren gegen das Ei- innere gerichtete Fläche stark gekrümmt ist. Sehr charakteristisch für diese wie für alle folgenden Stadien ist die scharfe Begrenzung des Blastoderms gegen den umgebenden Dotter, dessen Structur aus den Ab- bildungen Taf. IX zu ersehen ist. Niemals fand ich freie Kerne im Dotter, niemals Zellen, deren unmittel- barer Zusammenhang mit dem Blastoderm nicht ohne weiteres ersichtlich war. Eine subgerminale Höhle zwischen Blastoderm und Dotter war auf keinem meiner Präparate zu sehen. Wohl aber konnte ich zuweilen im weissen Dotter selbst, etwas unterhalb des Blastoderms, aber niemals dem letzteren direct anliegend, kleine Höhlungen nachweisen (Taf. IX, Fig. 34—36), die wohl auf Verflüssigungen des Dotters zurückzuführen sind. Ein Stadium wie mein Stadium E, und OÖ, hat Carpwert (Pl. 31, Fig. 4) abgebildet, jedoch deutet er bei der Erklärung der Figur, wie ich glaube unrichtigerweise, die oberflächlichen Zellen als Epiblast, die tiefer gelegenen als Hypoblast. Gegen diese Deutung spricht entschieden der weitere Verlauf der Entwickelung. Auf älteren Stadien nämlich finden wir ein durchweg einschichtiges Blastoderm. Dasselbe hat sich peri- pher stark ausgedehnt, so dass bei O0, und O, etwa der dritte Theil des Dotters überwachsen ist (vgl. Fig. 9, 24, 25 rbld), bei E, (Fig. 6 und 22) etwa die Hälfte. Am Rande zeigt sich das Blastoderm meist etwas ver- dickt, aber immer noch einschichtig. Bei E, (Fig. 22) und OÖ, (Fig. 25) ist es durch eine kleine Ringfurche von dem noch nicht überwachsenen Dotter abgesetzt. Das Blastoderm von O0, und O0, ist durchweg, auch in seinem Centrum einschichtig (vgl. Fig. 35—38), so dass wir annehmen müssen, dass sich die Blastoderm- linse der jüngeren Stadien unter fortgesetzter Theilung ihrer Elemente zu einer einschichtigen Kugel- fläche abgeflacht und ausgeweitet hat. Eine andere Deutung der Befunde, die Fig. 34, 35 und 36, sowie auch Fig. 32 und die später zu besprechende Fig. 33 geben, scheint mir nicht möglich zu sein. Den Beginn der Ausbreitung der Blastodermlinse gegen die Peripherie erkennt man übrigens schon bei O, auf Fig. 34. Obwohl meine Untersuchungen nur an einem verhältnissmässig sehr kleinen Material angestellt sind, bin ich doch von der allgemeinen Richtigkeit der bis hierher gewonnenen Resultate überzeugt, und zwar aus zwei Gründen. Einmal wegen der Uebereinstimmung, die die Befunde bei Ornithorhynchus und Echidna (0, mit E,, O, mit E,) zeigen. Ferner aber weil sich diese Befunde mit dem, was wir von allen übrigen Säuge- thieren wissen, ausgezeichnet vereinigen lassen. Betrachten wir die Textfigur auf der folgenden Seite oder Fig. 32 (E,) und 34 (O,), Stadien, auf denen sich das Blastoderm von dem durch die Furchung entstandenen Zell- haufen her peripher über den Dotter auszubreiten beginnt, so gelangen wir ohne weiteres zu einer längst bekannten Entwickelungsform der höheren Säuger, wenn wir uns den Dotter wegdenken und die peripheren Blastodermränder am entgegengesetzten Pol der somit um sehr viel verkleinerten Eikugel zur Vereinigung bringen. Ein Vergleich der beiden Textfiguren auf Seite 70 wird das klar machen. Dieses Ent- wickelungsstadium, das bei den verschiedensten Klassen der höheren Säuger aufgefunden worden ist, geht unmittelbar aus der Furchung hervor und ist einblättrig, nicht, wie heute noch manche Autoren annehmen, zweiblättrig. Stadium E, und O0, der Monotremen sind Morulae, Stadium O0, eine Blastula, der freilich eine Furchungshöhle fehlt. Das auf der Textfigur abgebildete Entwickelungsstadium der höheren Säuger ist ebenfalls eine Blastula. Der eigenthümliche Bau dieser Blastula wird genetisch ohne weiteres verständ- ı) Als Blastoderm bezeichne ich das gesammte Product der Furchnug im Gegensatz zum ungefurchten Dotter. 70 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 70 lich, wenn wir dieselbe aus dem Uebergangsstadium der Morula zur Blastula der Monotremen (vgl. die Text- figur) durch Schwund des Dotters entstanden denken. Die Grösse der Eikugel bei den Monotremen bedingt es, dass aus der Morula eine einschichtige Blastula wird. Bei der ungemein geringen Grösse der Eikugel der höheren Säugethiere ist, trotzdem das Ei durch Flüssigkeitsansammlung in seinem Inneren allmählich anschwillt, doch für die Zellen ihrer Morula nicht genügend Oberfläche vorhanden, um sich überall zu einer Schicht auszubreiten, und die Blastula, die gebildet wird, ist an ihrem oberen Pole mehrschichtig. Eine Sonderung in zwei Keimblätter ist aber gleichfalls bei ihr auch an dieser Stelle noch nicht erfolgt. In dem etwas älteren Stadium O0, (Fig. 24, 35, 37) überzieht das Blastoderm die Keimscheibenregion überall glatt, ohne eine Einsenkung zu bilden. Dagegen bemerken wir auf dem noch älteren Stadium 0, (Fig. 25, 36, 38) nicht fern vom Centrum der Keimscheibe eine leichte Einsenkung (bp), die sich auch in der Oberflächenansicht als solche erkennen liess (Fig. 9 und 18). Dieselbe Einsenkung finden wir an dem etwas | älteren Stadium E,, das Echidna angehört (Fig. 22, 33). Wir sehen hier aber, dass in der Gegend jene Einstülpung des Blastoderms nicht mehr einschichtig ist, sondern dass von hier aus eine Zell- wucherung in den feingekörnten weissen Dotter hinein erfolgt (Fig. 33). Diese Wucherung hat auf meinen Präparaten eine etwas Vivipare Säugethiere. unregelmässige, diffuse Form. Blastulastadium. b R en 2 d Die soeben geschilderten Befunde an den Keimscheiben O0, un E, sind meiner Ansicht nach nun so zu deuten, dass sich bei den Monotremen im Centrum der einschichtigeu Blastula eine Gastrulaeinstülpung (bp) bildet. An diese Einstülpung knüpft sich aber noch eine mehr diffuse Zellwucherung an, deren Product mit dem „cänogenetischen Entoderm“ der Sauropsiden nnd der höheren Säugethiere zu vergleichen wäre. Leider standen mir ältere Stadien der Keimblattentwickelung der Monotremen nicht zur Verfügung. Fig. 39 zeigt einen Schnitt durch die Keimblasenwand eines älteren, schon zweischichtigen Stadiums (E,). Das Ectoderm bildet hier eine zusammenhängende Schicht”ziemlich platter Zellen. Das auf diesem Stadium schon entwickelte Entoderm besteht aus einer einfachen Schicht unregelmässig geformter Zellen, die oft nur durch feine Ausläufer zusammenhängen. Der Schnitt ist nicht durch die Menke men Tehersans der Mora Keimscheibengegend selbst geführt, da diese durch einen unglück- (E,, 0,) in die Blastula (0,). lichen Zufall verletzt war. Auf Taf. VII, Fig. 15 ist eine Keimscheibe von Echidna (E,) in Oberflächenansicht abgebildet. Diese Keimscheibe, wie auch die von E, (Fig. 14) erinnert äusserlich ausserordentlich an gewisse Oberflächenbilder der Sauropsiden-Keimscheiben. Leider erwies sich dieses interessante Stadium, das von einem meiner Begleiter erbeutet und zunächst wahrscheinlich in eine falsche Flüssigkeit gelegt worden war, als untauglich zur näheren mikroskopischen Untersuchung. So lückenhaft meine Befunde auch sein mögen, wie ich bereitwillig zugebe, sind sie doch im Stande, uns einigermassen über die Grundzüge der ersten Entwickelungsvorgänge bei den Monotremen: Segmen- tation, Bildung der Blastula und Gastrula aufzuklären. Die hier gewonnenen Resultate sind geeignet, bis zu einem gewissen Grade auf die entsprechenden Vorgänge bei den höheren Säugern Licht zu werfen und sie unserem Verständniss näher zu rücken. Die Zurückführung der Bildung der primären Keimblätter bei den höheren Säugethieren auf einen Gastrulationsprocess, wie wir ihn bei den Anamniern beobachten, wird bekanntlich durch den Umstand be- deutend erschwert, dass sich von der in der obenstehenden Textfigur dargestellten Blastula die innerste Schicht der am oberen Pole mehrschichtigen Blastula zu einem besonderen Blatte deliminirt, ehe noch ein Process, den man irgendwie mit einer Invagination vergleichen könnte, eingesetzt hat. Daran schliesst sich dann eine periphere Wucherung der delaminirten Zellschicht. zı Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 71 Diese Schicht wird von den Autoren als cänogenetisches oder als secundäres Entoderm (Darmentoblast, Darmblatt, Dotterblatt, Lecithophor) bezeichnet (vgl. die nebenstehenden Textfiguren A und B). Seine Entstehung auf einen Invaginationsprocess zurückführen zu wollen, wie KEIBEL es thut, erscheint mir gezwungen. Erst nach vollzogener Abspaltung und weiterer Ausbreitung des Darmblatts durch periphere Wucherung erfolgt bei den viviparen Säugern ein mit Invagination vergleichbarer Vorgang, dessen Beginn ich in Textfigur C angedeutet habe, wobei ich bemerke, dass er in diesem frühen Auftreten noch nicht thatsächlich beobachtet worden ist. Jedoch lässt er sich als solcher aus späteren Stadien er- schliessen. Diese Invagination liefert Chorda und Mesoderm, während das eigentliche Darmepithel wenigstens zum grössten Theil aus dem durch Delamination und peripheres Weiter- wuchern gebildeten „cänogenetischen Entoderm“ hervorgeht. Bei den höheren Säugern verläuft demnach die Gastru- lation in zwei Phasen: erstens Bildung des cänogenetischen Entoderms durch Delamination im Centrum, Weiterwuchern nach der Peripherie; zweitens |Invagination. Auf die Zer- legung des bei den Anamniern einheitlichen Vorganges in zwei zeitlich auseinanderliegende Processe bei den höheren Säugern haben besonders HuBrRECHT !) und KEIBEL *) hinge- wiesen. Nun sind die Monotremen aus dem Grunde von hervor- ragendem Interesse, weil sich auch bei ihnen sowohl eine Invagination als auch eine Entodermbildung durch einen Wucherungsprocess nachweisen lässt. Beide Vorgänge sind aber bei ihnen nicht zeitlich von einander getrennt, sondern die Wucherung begleitet die Invagination, folgt sogar ein wenig auf dieselbe nach (vgl. die beistehenden Textfiguren). Ich wage es nicht, diesen Vergleich weiter auszudehnen, da ich ja leider aus Mangel an Material über die weiteren Schicksale der invaginirten und der durch Wucherung ent- standenen Zellschichten keine Beobachtungen machen konnte. Ich möchte aber zum Schluss darauf hinweisen, dass auch die Keimblattbildung der Sauropsiden Vergleichspunkte mit der der Monotremen bietet, wobei bemerkenswerther Weise bei den letzteren sich primitivere Zustände erhalten haben, als bei Reptilien und Vögeln. Bei den Sauropsiden geht schon aus der Furchung vor Auftreten der Gastrula- einstülpung ein wenigstens in der Peripherie zweiblättriger Keim hervor. Die primitivsten Verhältnisse scheinen mir nun, soweit die bisherigen Untersuchungen reichen, (Kro- A Umwachsungs- rand des cüno- genetischen ‚Enntoderms ————— Blastoporus Schematische Darstellung der Bildung der primären Keimblätter bei den viviparen Saugethieren. Cänogenetisches Entoderm punktirt. Umwachsungsrand des Blastoderms A Pe / / \ ” B Umwachsungs- rand des Blasto- derms Umwachsungs- rand des Blasto- | derms Schematische Darstellung der EICEDE der primären Keimblätter bei den Monotremen. Clnogenetisches Entoderm punktirt. kodile sind daraufhin noch gar nicht untersucht) bei den Schildkröten vorzuliegen, die ich deshalb, der Darstellung von Wirt?) und Mırsukurı*) folgend, zum Vergleich herausgreife. Nach Ablauf der Furchung findet man bei den Schildkröten einen Keim von der in Textfigur A auf folgender Seite wieder- gegebenen Beschaffenheit. Wir sehen dort das Blastoderm in seiner ganzen Ausdehnung zweischichtig, nur in der Gegend der Primitivplatte gehen beide Schichten so in einander über, dass eine Unterscheidung unmöglich 1) The development of the germinal layers of Sorex vulgaris, Quart. Journal of Micr. Science, V. XXXI, 1390. 2) Studien zur Entwickelungsgeschichte des Schweines, Morphologische Arbeiten, herausgegeb. von G. SCHWALBE, 1893. 3) Die Anlage der Keimblätter bei der menorquinischen Sumpfschildkröte (Cistudo lutaria GEsn.), Zoolog. Jahrb., Abth f. Anat. u. Ontog., Bd. VI. 4) On the process of gastrulation in Chelonia, Journ. College of Science, Imp. Univers. Japan, Vol. VI, 1893. 72 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 72 ist. An dieser Stelle erfolgt bei den Seeschildkröten dann später die Gastrulaeinstülpung (Textfigur B). Auch bei den Sauropsiden ist demnach der ursprünglich einheitliche Gastrulationsprocess in zwei Phasen zerlegt, wie besonders Wırr scharf betont hat. Auch hier wieder gelangen wir durch Vergleich mit den Monotremen (Textfigur C) zu dem Resultat, dass blosse zeitliche Verschiebungen die Monotremengastrula € plan NO der Seeschildkrötengastrula B unterscheiden. Die Seeschildkröten sind rımevvptatite deshalb besonders interessant, weil bei ihnen zur Zeit des Auftretens der nn Gastrulaeinstülpung eine Sonderung des cänogenetischen Entoderms wenig- stens im Bereich der Primitivplatte noch nicht erfolgt ist. Bei (istudo erfolgt Otinogenetisches Entoderm x H 5 e . diese Sonderung etwas früher, noch früher bei den Sauriern. Blastoporus So viel steht fest, dass ein „cänogenetisches Entoderm‘“, ein Entoderm, 8 | - das nicht auf den typischen Invaginationsprocess zurückzuführen ist, sowohl Oärogenetisches Entoderm bei den viviparen Säugern, als auch bei den Sauropsiden vorkommt. Bei den Seeschildkröten steht dasselbe wenigstens noch in continuirlichem Zu- Schematische Darstellung der sammenhange mit dem invaginirten Entoderm. Bildung der primären Keimblätter F ee bei den Cheloniern (nach Mitsv- Es verdient nun aber hervorgehoben zu werden, dass dieEntstehungs- KU) weise dieses cänogenetischen Entoderms bei den Sauropsiden eine andere ist, als bei den viviparen Säugern. Bei den Sauropsiden ist es im Wesentlichen ein von der Peripherie gegen das Centrum (Primitivplatte) fortschreitender Delaminationsprocess, bei den viviparen Säugern aber eine Delamination, die vom centralen vielschichtigen Theil des Blastoderms ausgeht, und an die sich dann eine selbständige periphere Wucherung der delaminirten Schicht anschliesst. Wie wir sahen, scheint sich ein cänogenetisches Entoderm auch bei den Monotremen zu entwickeln, das aus einem Wucherungsprocess des Bodens der invaginirten Delle abzuleiten wäre. Sicher ist, dass hier die Bildung des cänogenetischen Entoderms der Invagination nicht zeitlich vorauseilt, und dass erst letztere mit den sich an sie anschliessenden Processen den Keim zweischichtig macht. Unzweifelhaft finden wir also bei der Keimblattbildung der Monotremen Verhältnisse vor, die weniger stark cänogenetisch modificirt sind, als bei den anderen Amnioten, und auf der Monotremengastrula ent- sprechende Zustände wird man zurückgehen müssen, um die merkwürdigen zeitlichen und topographischen Verschiebungen bei der Gastrulation der Sauropsiden und viviparen Säuger ganz zu verstehen und unter einander zu vergleichen. Freilich sind dazu noch weitere Beobachtungen an älteren Monotremen-Keimscheiben erforderlich, die über die ferneren Schicksale des invaginirten Abschnitts und der sich daran anschliessenden Zellwucherung Aufklärung zu bringen haben. Da mein Material hier versagt, will ich hoffen, dass die Lücken bald von anderer Seite her ergänzt werden. Wenn die Verhältnisse es gestatten, werde ich mich vielleicht später selbst noch einmal aufmachen, um die fehlenden Stadien zu erbeuten und abschliessende Resultate über die Keimblattbildung der Monotremen zu erzielen, deren fundamentale Bedeutung mir schon aus dem hier vorgelegten Beobachtungsmaterial hervorzugehen scheint. Entwickelung der Körperform von Echidna. Dieses Thema werde ich ganz kurz behandeln, denn es erscheint mir überflüssig, Dinge ausführ- lich mit Worten zu beschreiben, die einem Jeden ohne weiteres bei Betrachtung der Abbildungen (Taf. X und XI) in die Augen springen. Es liegt mir nur daran, auf einige interessante Punkte aufmerksam zu machen; ein tieferes Eingehen aber vermeide ich überall, um den Bearbeitern der einzelnen Organsysteme nicht vorzugreifen. Die Figuren 40—45 stellen Embryonen dar, die sich in der Schale von Beuteleiern befanden. Der Embryo Figur 46 ist eben geboren; er trägt noch als Anhang des Nabels die vertrockneten Reste seiner Embryonalhüllen (nr). Die Stadien 47—53 stellen Beuteljunge dar. In etwas älteren Stadien als 53 öffnet sich die von Stadium 46-53 verwachsene Lidspalte, und das Junge wird aus dem Beutel entlassen, 73 Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 73 zunächst allerdings noch eine Zeit lang von der Mutter gesäugt (vergl. oben: Beobacht. über die Lebens- weise u. Fortpfl. d. Monotremen etc., S. 9). Den vergrösserten Abbildungen der Embryonen 40-46 auf Tafel X sind Konturbilder in natürlicher Grösse beigedruckt. Die Beuteljungen 47—53 sind in natürlicher Grösse dargestellt, Stadium Figur 47 ausserdem noch in Vorder- und Seitenansicht bei 5°/,facher Vergrösserung. Kopf und Nackenbeuge, die in Stadium 40—44 deutlich ausgeprägt sind, beginnen sich von Stadium 44 an auszugleichen. In den Stadien, die dem Ausschlüpfen aus dem Ei entsprechen (Fig. 45), hat sich oben auf der Schnauzenspitze eine als kleiner Höcker prominirende Epidermisverdickung gebildet, die sicherlich ähnlich wie bei den Sauropsiden beim Aufbrechen der Eischale eine Rolle spielt. Nach dem Ausschlüpfen verschwindet diese Bildung ganz allmählich wieder. Auf die Entwickelung und weiteren Schicksale der Visceralbogen, Gesichts- und Gaumenbildung, An- lage und Ausbildung von Auge und Nase wird in den Untersuchungen über die Organogenie der Monotremen näher eingegangen werden. Viele Hauptpunkte sind unmittelbar aus den Abbildungen ersichtlich. Was die Bildung des äusseren Ohres anlangt, so möchte ich besonders auf Figur 42 aufmerksam machen, auf welcher man die mandibularen und hyoidalen Auricularhöcker die erste Kiemenspalte umgeben sieht. Der Anblick erinnert einigermaassen an den der Öhrbildung des menschlichen Embryo beiHıs, Anatomie menschlicher Embryonen, Tafel XII, Fig. 7. Da mir ein grösseres Vergleichsmaterial von Echidna-Embryonen dieses Stadiums nicht zu Gebote steht, und die Begrenzung der einzelnen Höcker bei dem vorliegenden Exemplar sowohl auf der rechten als auch auf der linken Kopfseite nicht mehr eine sehr scharfe ist, will ich es nicht unternehmen, einen Vergleich mit den einzelnen Höckern der höheren Säugethiere und der Sauropsiden durchzuführen. Auffallend ist das Auftreten von deutlichen Wulstungen hinter den hyoidalen Höckern. Schnitte werden Aufklärung darüber verschaffen, ob auch diese hinteren Wulstungen Kiemenbögen zuzurechnen sind, und welchen. Jene Wülste gleichen den wirklichen Auricularhöckern; an der Bildung des äusseren Ohres sind sie wohl kaum betheiligt. Von Stadium 43 bis Stadium 45 verliert sich die schärfere Ausprägung der Höckerbildungen, welche die äussere Ohröffnung umgeben, mehr und mehr, und von Stadium 46 liegt letztere als ein zur Längsaxe des T'hieres querer Spalt tief in der Haut versteckt (Fig. 46-52 aur.). Auf Stadium 45 machen sich auf der Haut die flachen Protuberanzen bemerklich, deren Auftreten bekanntlich bei den Säugethierembryonen die Haar- beziehentlich Stachelbildung einleitet, obwohl später auch Haarkeime ohne Höckerbildung auftreten können. Auf jüngeren Stadien (45, 46) kann ich eine be- sondere Regelmässigkeit in der Anordnung der Höckerchen nicht wahrnehmen; auf mittleren Entwickelungs- stadien aber herrscht eine gewisse Regel in ihrer Aufstellung und Vertheilung (Fig. 47v! und s!). Ich mache hier nur auf diese interessante Thatsache aufmerksam, ohne weitere Betrachtungen daran zu knüpfen, da Herr Dr. Röser die Haarentwickelung bei Echidna zum (regenstande einer besonderen Unter- suchung machen wird. Der Durchbruch der Stacheln erfolgt auf Stadium 52. Die Entwickelung der Extremitäten ergiebt sich, soweit sie die äusserlichen Verhältnisse betrifft, aus den Abbildungen. Wie man aus der Bildung der Zehen erkennen kann, eilt dabei die vordere Extremität der hinteren zeitlich weit voraus. Durch besondere Grösse macht sich von vornherein die zweite Zehe des Hinterfusses bemerklich, die beim ausgebildeten Thier eine bedeutende Länge erreicht und beim Graben hervorragende Dienste zu leisten hat. Der beiden Monotremenfamilien eigenthümliche Sporn zeigt sich auf Stadium 48 (Fig. 48v! sph) als eine kleine kegelförmige Hervorragung am Kleinzehenrande der Sohle. Auf späteren Stadien versinkt das Gebilde in eine kleine Grube wie in einen Krater (5of, 52f, 53f spt). Diese Spornanlage fand ich bei allen Embryonen in den betreffenden Stadien. Da nicht anzunehmen ist, dass alle älteren Stadien, die ich ge- sammelt habe, ausschliesslich Männchen sind, so ist wohl kein Zweifel, dass der Sporn auch beim weiblichen Thiere angelegt wird. Damit steht in Einklang, dass ich nicht ganz selten ausgewachsene Weibchen ge- funden habe, die einen kleinen, aber wohl entwickelten Sporn besassen. Auch in der Bildung des Genitalhöckers vermag ich bei meinen Embryonen keine geschlechtlichen Differenzen wahrzunehmen. Bis zu Stadium 43 wird die Cloakengegend so sehr durch den Schwanz ver- Jenaische Denkschriften. V. 10 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. 74 74 deckt, dass ohne Präparation, von der mit Rücksicht auf die später vorzunehmende Mikrotomirung Abstand genommen wurde, keine diesbezüglichen Beobachtungen angestellt werden konnten. Auf Stadium 44 erblickt man dann halb vom Schwanz verdeckt das pfeilspitzenförmige Ende des unpaaren Genital- höckers (gh). Bei weiterer Abnahme der relativen Länge des Schwanzes wird die Bildung noch deutlicher sichtbar, wobei sich ihre Form in einer aus den Abbildungen ersichtlichen Weise ändert. Von Stadium 49 an beginnt der Höcker sich in seine Cloakentasche zurückzuziehen und ist auf Stadium 5ı ganz in derselben verschwunden. W. HaackE, der bekanntlich im Jahre 1884 gleichzeitig mit CALDWELL!) und unabhängig von dem- selben durch Fund eines Echidna-Weibchens mit einem Ei im Beutel die Oviparität der Monotremen sicher bewiesen hat, die vorher bald behauptet, bald abgeleugnet worden war, hat gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die weibliche Behidna einen Brutbeutel besitzt, der nach Entlassung des Jungen allmählich verstreicht und erst wieder bei erneuter Trächtigkeit auftritt. Die Richtigkeit dieser Aufstellung kann ich auf Grund sehr zahlreicher Beobachtungen bestätigen. Ich habe ein reichliches Material des Brutbeutels von Echidna in allen Phasen seines Auftretens, Bestehens und Verstreichens gesammelt. Es ist nun interessant, dass der Beutel nicht etwa bei der ersten Trächtig- keit des Thieres zuerst auftritt, sondern schon im Embryonalleben. Die Stadien 47—53 zeigen die deutlichen Anlagen des Beutels. Die erste Spur bemerke ich auf Stadium 47, wo sich die An- lage als eine in ihrem ersten Auftreten paarige Bildung documentirt. Später wird zwar aus den beiden paarigen Gruben eine einheitliche Tasche, aber bis in Stadium 50 und 51 hinein sind die beiden seitlichen Ränder der Grube am schärfsten ausgeprägt, viel schärfer als der obere und der untere Rand. Auch die Beutelanlage scheint bei beiden Geschlechtern zur Entwickelung zu gelangen, denn fast alle meine Embryonen zeigen sie, und in den wenigen Fällen, in denen ich sie nicht wahrnehmen kann, ist das wahrscheinlich auf ungünstige Führung des Bauchschnitts bei der Conservirung oder auf leichte Schrumpfungserscheinungen zurückzuführen, die durch den Alkohol hervorgerufen sind. Nachdem das Junge sich selbständig gemacht hat, verstreicht die im Embryonalleben so deutlich wahrnehmbare Beutelanlage und tritt erst wieder in Erscheinung, wenn das Thier trächtig wird. Die Morphologie des Brutbeutels der Monotremen und Marsupialien wird demnächst in vorliegendem Reisewerke durch Herrn Dr. H. KraATscH ausführlich behandelt werden. Die obenstehende Uebersicht über die äussere Entwickelung von Echidna bitte ich nur als eine kurze Einleitung für eine gründliche Durcharbeitung der Organogenie zu betrachten. I) CALDWELL machte seine Beobachtungen an einem sehr reichen Material und bewies auch die Oviparität von Ornitho- rhynehus. Eine ausführliche historische Darstellung der Entwickelung unserer diesbezüglichen Kenntnisse findet man in seiner oben citirten Arbeit, Philosoph. Transactions, Vol. 178 (1837), S. 466—469. Verlag von. Gustav Fischer in Jena. os DEREN EA UENERIERR Zweiter Band. Erstes Heft. Mit 12 Tafeln. Preis: 16 Mark. Inhalt: Aschoff, Beitrag zur Entwicklungsgeschiehte der Arterien beim menschlichen Embryo. — Moser, über das Ligamentum teres des Hüftgelenks. — Pfitzner, Beiträge zur Kenntniss des menschlichen Extremitätenskeletts. V. Anthropologische Beziehungen der Hand- und Fussmaasse. Zweites Heft. Mit 4 Tafeln. Preis:”13 Mark. Inhalt: Rebentisch, Der Weiberschädel. — Gaupp, Beiträge zur Morphologie des Schädels. I Drittes Heft. Mit 6 Tafeln, Preis: 13 Mark. > Inhalt: Schwalbe, Ueber den Farbenwechsel winterweisser Thiere. — Dreyfuss, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Mittelohres und des Trommelfells des Menschen und der Säugethiere. — Davidsohn, Ueber die Arteria uterina, insbesondere über ihre Beziehungen zum unteren Uterinsegifent. 3 N Dritter Band. Erstes Heft. Mit 6 Tafeln und 29 Textabbildungen, Preis: 11 Mark. BR >; Inhalt: Keibel, Studien zur Entwicklungsgeschichte des Schweins (Sus serofa domesticus). 32% Zweites Heft. Mit 11 Tafeln und 56 Textabbildungen. Preis: 20 Mark, Inhalt: Zaleski, Untersuchungen über die Vertheilung der Blutgefässe an der menschlichen Wirbel- säule. — Röse, Ueber den Zahnbau und Zabnwechsel von Elephas indieus, — Röse, Ueber die Zahn- entwicklung der Crocodile. — Hoyer, Ueber den Bau der Milz. — Meottenheimer, Ein Beitrag zur topo- "grapbischen Anatomie der Brust-, Bauch- und Beckenhöhle des nengeborenen Kindes. Drittes Heft, Mit 5 Tafeln und 13 Textabbildungen. Preis: 13 Mark. Inbalt: Gaupp, Beiträge zur Morphologie des Schädels. II. Das Hyo-Branchial-Skelett der Anuren Era seine Umwandlung. — Bauer, Beiträge zur Kenntniss der Talgdrüsen der menschlichen Haut. — Schwalbe, und Pfitzner, Varietäten-Statistik und Anthropologie. — Schwalbe, Ueber eine seltene Anomalie des . Milchgebisses beim Menschen und ihre Bedeutung für die Lehre von den Dentitionen. ıYı re mann W., Professor an der Universität Jena, Elektrophysiologie. Erste Abteilung. Mit 136 Ab- 2 ’ 'bildungen. Preis: etwa 9 Mark. Camillo, Professor der allgemeinen Pathologie und Histologie an der Königl. Universität Pavia Untersuehungen über den felneren Bau des centralen und peripherischen Nervensystems. Aus dem Italienischen übersetzt von Dr. R. Teuscher in Jena. Mit einem Atlas von 30 Tafeln und 2 Figuren 'im Text._ Preis: 50 Mark. ü = Inhalt: I Beiträge zur feineren Anatomie des Nervensystems. — II. Ueber den Bau der feineren Anl des Grosshirms. — III. Ueber die feinere Anatomie des menschlichen Kleinhirns. IV. Ueber den * feineren Bau der Bulbi olfactorii. — V. Ueber die Gliome des Gehirns, — VI. Untersuchungen über den Bau ‚der peripherischon und centralen markhaltigen Nervenfasern, — VII Ueber den Bau der Nervenfasern des — VIEL Ueber die feinere Anatomie der Centralorgane des Nervensystems. — IX. Anatomische über die Lebre von den Hirn-Localısationen. -- X. Ueber die Nerven der Sehnen des Menschen - und anderer Wirbeltbiere und über ein neues, nervöses, musculotendinöses Endorgan. — XI. Ueber den feineren des Rückenmarkes. — XII. Ueber den centralen Ursprung der Nerven. — XIII. Das diffuse, nervöse Netz fr der Centralorgane des Nervensystems Seine physiologische Bedeutung. — XIV. Ueber den Ursprung des vierten Hirnnerven (patheticus oder trochlearis) und eine Frage der allgemeinen Histo-Physiologie, welche sich %r an diesen Gegenstand knüpft. ntm nn, Carl, Die Metaphysik in der modernen Physiologie. Eine kritische Untersuchung. Neue, * durch ein Autorenverzeichniss vermehrte Ausgabe. Preis: brosch. 8 Mark, geb. 9 M ark. ‚Max, Dr. med. et phil., Privatdozent der Physiologie an der medizinischen Fakultät der Uni- Sn N Erg Allgemeine Physiologie. Ein Grundriss der Lehre vom Leben. Mit 270 Ab- bildungen. Preis Preis: etwa ı5 Mark. N NT a. 0. Professor an der Universität Jena. Einleitung in die Geologie als historische er Theil; Bianomt 3 o: "Meeres. Beobachlungen über die maritimen Lebensbezirke und Existenzbedingungen. BR Preis e Be. des Lebens. 2. Die Lebensbezirke des Meeres, 3. Die Organismen des Meeres Fee ee wen 5. Der Einfluss des Lichtes, 6. Der Einfluss der Temperatur. 7. Der Einfluss Ites. 8. Gezeiten und Wellen. 9. Strömungen und Circulation des Meeres, 10. Die Flora des Litoralfauna. 12. Die Flora der Flachsee. 19. Die Fauna der Flachsee. 14. Aestuarien und 15. Das oflene Meer. 16. Die Tiefsee. 17. Die oceanischen Archipele. 18. Die geologischen m der Meere. 19. Die Wanderungen der Tiere. 20. Die Korrelation der Lebensbezirke. über das Leben der geologisch wichtigen Thiere. 1893. Preis: 8 Mark 50 Pf. = Die Lücken paläontologischer Ueberlieferung. 2. Foraminifera. 3. Radiolaria. 4. Spongia. \ 10200. ‘6. Orinoides. 7. Asteroiden. 8, Echinoiden. Holothuria. 10. Bryozon. 11. Brachiopoda, . ee Verbreitung der Mollusken. 13. Lamellibranchiata. 14. Gastropoda. 15. Die Ammoniden te Theil: Lithogenesis der Gegenwart. 1894. Mit 8 Abbildungen im Text, Preis: 13 Mark. £ : 4 Inhalt: Beobachtungen über die Bildung der Gesteine an der heutigen Erdoberfläche. EA BB Mit diesem Theil ist das Werk vollständig. U DENKSCHRIFTEN DER MEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL, ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, I. LIEFERUNG. MIT 11 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 20 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1894. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Fohle) in Jena. — 1358 j x Au Ahonu a x Des ganzen Werkes Lieferung 5. 3 ZOÖLOGISCHE Ber nennen IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. a > MIT UNTERSTUTZUNG DES HERRN DR, PAUL YON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891—1893 VON D#, RICHARD SEMON PROFESSOR IN JENA. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, a Il. LIEFERUNG: org Ruge, Die Hautmusculatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammar- apparate. ‚mann Klaatsch, Studien zur Geschichte der Mammarorgane, I. Theil: Die Taschen- und Beutelbildungen am Drüsenfeld der Monotremen. MIT 4 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 40 ABBILDUNGEN IM TEXT. TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1895. »ferung bildet zugleich die zweite Lieferung des fünften Bandes der „Denksehriften der isch naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena.“ (Siehe Rückseite des Umschlages.) 5 I ©) 4 Verlag. von Gus t av Fi seher in Jena. Dr. Richard, Professor an der Universität Jena, Studien über den Bauplan des Urogenital- Semon, ne) der Wirbeltiere. Dargelegt an der Entwickelung dieses Organsystems bei Ichthyophis slutinosus. Mit 14 lithographischen Tafeln. ı8g1. Preis: ı2 Mark. Die Entwiekelung der Synapta digitata und die Stammesgeschichte der Echinodermen. Mit 7 lithographischen Tafeln. 1888. Preis: 9 Mark. Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem malayischen Archipel. Mit Unterstützung des Herrn Dr. Paul von Ritter ausgeführt in den Jahren 1891-93 von Dr. Richard Semon. Erster Band: Ceratodus. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 1.) Mit 8 lithogr. Tafeln und 2 Abbildungen im Text. 1894. Preis: 20 Mark, Inhalt: Ernst Haeckel, Systematische Einleitung: Zur Phylogenie der Australischen Fauna. Richard Semon, Reisebericht und Plan des Werkes. — Richard Semon, Verbreitung, Lebensverhältnisse. des Ceratodus Forsteri. — Richard Semon, Die äussere Entwickelung des Ceratodus Forsteri. Fünfter Band: Systematik, Thiergeographie, Anatomie wirbelloser Thiere. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 2.) Mit 5 lithogr. Tafeln und 6 Abbildungen im Text. 1894. Preis: 20 Mark. Inhalt: A. Ortmann, Crustaceen. — E. v. Martens, Mollusken. — W. Michaelsen, Lumbri- eiden. — C. Ph. Sluiter, Holothurien. — O0. Boettger, Lurche (Batrachia). — 0. Boettger, Schlangen. _—_ J. Th. Oudemans, Eidechsen und Schildkröten. — A. Reichenow, Liste der Vögel. — F. Römer, Monotrema und Marsupialia. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 3.) Mit 11 lithogr. Tafeln und 20 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 20 Mark. Inhalt: Riehard Semon, Beobachtungen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen nebst Notizen über ihre Körpertemperatur. — Richard Semon, Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. — Richard Semon, Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. Fünfter Band: Systematik, Thiergeographie, Anatomie wirbelloser Thiere. Zweite Lieferung. (Des sanzen Werkes Lieferung 4.) Mit 8 lithographischen Tafeln und 5 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 20 Mark. Bisher erschienen. Inhalt: C. Ph. Sluiter, Tunicaten. — B. Haller: Beiträge zur Kenntnis der Morphologie von Nautilus pompilius. — Arnold Pagenstecher, Lepidoptera Heterocera. — Max Fürbrin:er, Lepi- doptera Rhopalocera. — Max Weber, Fische von Ambon, Java, Thursday Island, dem Burneti Fluss und | von der Süd-Küste von Neu-Guinea, Denkschriften ier medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Band I. Ernst Haeckel, Das System der Medusen. Erster Theil einer Monographie der Medusen. Mit einem Atlas von 4o Tafeln. ı880. Preis: 120 Mark. Band IH. Mit 2ı Tafeln. ı880. Preis: 60 Mark. — Hieraus einzeln: C. Frommann, Untersuchungen über die Gewebsveränderungen’ bei der multiplen Sklerose des Gehirns und Rückenmarks. Mit 2 Tafeln. 1878. Preis: 10 Mark. — Oscar und Richard Hertwig, Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblättertheorie. Mit 3 lithographischen Tafeln. 1878. Preis: ı2 Mark. — Richard Hertwig, Der Organismus der Radiolarien. Mit ıo lithographisethen Tafeln. 1879. Preis: 25 Mark. — E. E. Schmidt, Die quarzfreien Porphyre des centralen Thüringer Waldgebietes und ihre Begleiter. Mit 6 Tafeln. ı880. Preis: ı8 Mark. Band IH, Willy Kükenthal, Vergleichend-anatomische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Walthieren. Mit 25 Tafeln. ı889—ı893. Preis: 75 Mark. — Erster Theil. Kapitel I: Die Haut der Cetaceen. Kapitel II: Die Hand der Cetaceen. Kapitel III: Das Centralnervensystem der Cetaceen, gemeinsam mit Theodor Ziehen. Mit ı3 lithographischen Tafeln. ı889. Preis: 35 Mark. — Zweiter Theil. Kapitel IV: Die Entwicklung der äusseren Körperform. Kapitel V: Bau und Ent- wicklung äusserer Organe. Kapitel VI: Die Bezahnung. Mit ı2 lithographischen Tafeln. 1893. Preis: 40 Mark. Heymons Dr. Richard, Privatdozent und Assistent am Zoologischen Institut der Königl. Universität ’ in Berlin, Die Embryonalentwickelung von Dermapteren und Orthopteren unter besonderer Berücksichtigung der Keimblätterbildung monographisch bearbeitet. Mit ı2 lithographischen Tafeln und 33 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 3o Mark. Standfuss Dr. M., Dozent beider Hochschulen und Kustos des Entomologischen Museums am eidgen. -’ Polytechnikum zu Zürich, Handbuch der paläaretischen Gross-Schmetterlinge für Forscher und Sammler. Zweite gänzlich umgearbeitete und durch Studien zur Descendenztheorie erweiterte Auflage des Handbuches für Sammler der europäischen Gross-Schmetterlinge. Mit 8 lithographischen Tafeln und $ Textfiguren. ı896. Preis: brosch. ı4 Mark, geb. ı5 Mark. Ortmann, Dr. Arnold E. in Princeton N.J. — US.A,, Grundzüge der marinen Tiergeographie. SER Anleitung zur Untersuchung der geographischen Verbreitung mariner Tiere, mit besonderer Berücksichtigung der Dekapodenkrebse. 1895. Preis: 2 Mark 5o Pf. L3 FF ; j LEBER Aal, KA 5 HER ae 38.’ RE Zu —_ > e LU r & F u vi e ' u ® 2 De u a . DENKSCHRIF TEN DER MEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, II. LIEFERUNG. MIT 4 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 40 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1895. ZOÖLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. MIT UNTERSTÜTZUNG DES HERRN DR, PAUL VON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891-1893 VON DR, RICHARD SEMON PROFESSOR IN JENA. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, II. LIEFERUNG: Georg Ruge, Die Hautmusculatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammar- apparate. Hermann Klaatsch, Studien zur Geschichte der Mammarorgane. I. Theil: Die Taschen- und Beutelbildungen am Drüsenfeld der Monotremen. MIT 4 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 40 ABBILDUNGEN IM TEXT. — her — JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1895. b i m Bi Die Hautmusculatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammarapparate. Von Georg Ruge. Mit Tafel XII und 38 Textfiguren. Jenaische Denkschriften. V. 1 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. D: unter dem Integumente der Monotremen sich ausbreitende Musculatur ist von ansehnlicher Art. Der Umstand allein, dass sie beinahe über den ganzen Körper sich ausbreitet und ihn umhüllt, lässt ihre Bedeutung für den Organismus hervortreten. Die Beziehungen der subcutanen Muskellage zu benachbarten Theilen sind mannigfach. Diejenigen unter ihnen, welche in festen Verbindungen mit der Haut und deren Derivaten, mit Haaren und Stacheln, sich äussern, heben sich vor anderen hervor. Lage und Ausbreitung unter der Haut, sowie die Verbindung mit dieser berechtigen dazu, bei den Monotremen von einer Hautmusculatur zu sprechen. Allerdings dürfen mit dieser Bezeichnung keine falschen Vorstellungen eines engeren genetischen Verbandes der Musculatur mit dem Integument ver- knüpft werden, da wir es stets nur mit Abspaltungen von wahren Skeletmuskeln zu thun haben. Die Verbindungen der Musculatur mit dem Integumente sind erworbene. Alte Einrichtungen haben sich trotz lebhafter phylogenetischer Veränderungen allenthalben erhalten; sie treten in der Befestigung von tieferen Muskellagen an das Skelet hier und dort in die Erscheinung. Von Skeletanheftungen aus können ganze Muskelschichten auf Strecken der Haut und vermittels dieser auf ganze Körperabschnitte einwirken. Derartige Muskellagen vermögen wiederum von der Haut aus auf die Bewegung des Skeletes Einfluss zu gewinnen. Die Vielseitigkeit der Wirkung der Hautmusculatur äussert sich bei der landlebenden Echidna unter anderem als Schutzwehr beim Einrollen des stachelbesetzten Körpers; sie äussert sich bei dem im Wasser die Nahrung suchenden Schnabelthiere wohl in der Begünstigung der Schwimmbewegungen. Skeletanheftungen geben für ganze Bündelgruppen der Hautmusculatur Ursprungsplätze ab. Ein engerer Zusammenhang mit wahren Skeletmuskeln kann dabei erhalten sein. Ist dies der Fall, so ist der Maassstab für die Beurtheilung der Herkunft der Hautmusculatur meistens gewonnen. Die jeweilig sich ergebende Anschauung darf jedoch mit dem Verhalten der Innervation nicht im Widerspruche stehen. Öberflächliche, aberrirte Muskelschichten haben oftmals den Zusammenhang mit dem Skelete gänzlich verloren. Auf genetische Beziehungen zur Skeletmusculatur kann dann nur noch auf indirectem Wege geschlossen werden. Entweder geben der Zusammenhang der Muskelschichten unter einander oder der Vergleich mit niederen Zuständen gewünschten Aufschluss. Die Ontogenie wird, falls die Frage- stellung eine correcte ist, ebenfalls ihre Dienste nicht versagen, indem sie die auf anderem Wege erschlossenen Anschauungen fester zu begründen oder zu erweitern befugt ist. Eine Hautmusculatur im Sinne derjenigen, welche wir bei Monotremen antreffen, ist ein Besitzthum der Säugethiere. Sie wird bei den niedrigst stehenden unter ihnen bereits in einem sehr vortrefllichen 1* 11* Die Hautmusculatur der Monotremen. 4 78 Sonderungszustandefangetroffen. Der Mutterboden für diese Musculatur ist bei niederen Wirbelthieren anzu- geben. Nichtsdestoweniger ist eine eigentliche Vorbereitung der Entfaltung für Säugethierzustände bisher nicht wahrgenommen. So sind z. B. bei den vielleicht in erster Linie in Frage kommenden Reptilien keine Einrichtungen bekannt geworden, welche auf einen ganz unmittelbaren Anschluss an diejenigen der Mono- tremen hinweisen. Die vortrefflich entwickelte Hautmusculatur ist für die niedrigsten, uns erhaltenen Mammalier ein ebenso charakteristisches Erbstück wie deren Haar-Stachelkleid und wie der diese Thiere auszeichnende Marsupial- und Mammarapparat. Letztere Integumentalgebilde zeigen ausserdem eine so innige Verbindung mit den zur „Hautmusculatur‘‘ gewordenen Derivaten der Skeletmusculatur, dass die Vermuthung wach gerufen wird, es habe zwischen dem Haarkleide etc. und der Hautmusculatur schon sehr frühzeitig eine enge Correlation sich eingestellt. Jedenfalls bildet jene Musculatur für die Organisation der Haarthiere einen integrirenden Bestandtheil. Neben den für beide Vertreter der Monotremen gemeinsam geltenden Beziehungen zwischen Muscu- latur und Integument sind als besondere diejenigen hervorzuheben, welche zwischen der Musculatur und der Cloakenöffnung bei Zchidna wahrzunehmen sind. Es kommt hier zur Ausbildung einer Art von Sphincter cloacae, dessen Existenz an das primitive Marsupium gebunden zu sein scheint, und welcher bei höher stehenden Säugethieren vermisst wird. Der über Rumpf und Extremitäten ausgedehnte Musculus subcutaneus tritt bei vielen Säuge- thieren in ähnlicher Stattlichkeit wie bei Monotremen auf. Er ist bei einigen Abteilungen an bestimmten Körperstellen zu höherer) Entfaltung gelangt; er ist in dieser Eigenschaft bei Beutelthieren in noch nähere Beziehungen zu dem Marsupium getreten. Solche bei den Marsupialiern hervorstechenden Eigen- schaften finden ihre Vorstufen bei Monotremen, speciell bei Echidna. Hier darf der Ausgangspunkt zum Verständnisse der Organisation anderer Mammalier auch in vielen anderen Punkten gesucht werden. Eine Hautmusculatur, wie wir sie bei den Monotremen antreften, ist im ausgebildeten und ver- änderten oder aber im rückgebildeten Zustande bis hinauf zu dem Menschen erkennbar. Der über den Rumpf niederer Formen ausgedehnte Musc. subcutaneus ist bei den Primaten einem jähen, raschen Untergange geweiht gewesen, während eine mächtige Entfaltung des Hautmuskels am Halse und Kopfe Platz gegriffen hat. Engste Beziehungen zu grossen Strecken des Integumentes und zu den Mammarorganen, welche bei Monotremen von Bedeutung sind, gehen allmählich bei den Primaten verloren. Die mimische Musculatur indessen entwickelt sich auf einem Boden alter Organisation, welche allen Säugethieren zukommt. Dieser Boden wird eingenommen durch subcutane Muskellagen, welche unter der Herrschaft des Nervus facialis stehen. Die Verhältnisse dieser Facialis-Musculatur sind bei einigen abseits stehenden Formen, ferner bei Halbaften, Affen und beim Menschen genauer bekannt geworden. Die Ausdehnung derselben beschränkt sich stets auf Kopf, Hals und die dem letzteren benachbarten Abschnitte von Brust, oberer Extremität und Nacken. Auf diese Körperabschnitte strahlen Bündelbogen allenthalben aus. Es ist von Bedeutung, wahrnehmen zu können, dass die subcutane Kopf- und Halsmusculatur der Monotremen ebenfalls vom Nervus facialis versorgt wird, dass also eine diesbezügliche Gleichartigkeit der Organisation in der Säugethiergruppe herrscht. CHARLOTTE WESTLING !) hat wohl in zutreffender Weise die Innervation der Hautmusculatur am Unterkiefer, an den Seitenflächen des Kopfes und dem vorderen Theile des Halses bei Echidna dem N. facialis zugeschrieben (1880, p- 43). An anderer Stelle lässt die Autorin jedoch der Meinung Raum, dass auch Cervicalnerven Abschnitte jener Musculatur versehen (1889, p. 8). Specielle 1) CH. WESTLING, Anatomische Untersuchungen über Echidna. Bihang till K. Svenska Vet.-Akad. Handlingar, Bd. I5 Afd. IV, No. 3, Stockholm 1889. 5 Die Hautmusculatur der Monotremen. 79 Angaben hierfür fehlen jedoch. Meine eigenen Wahrnehmungen geben keine Anhaltepunkte für die An- nahme einer solchen Doppelinnervation der Hautmusculatur von Hals und Kopf. Der subcutane Muskel an Brust, Bauch, Rücken und der unteren Gliedmaasse besitzt in ent- sprechender Weise bei allen Mammaliern seine Bildungsstätte in den Gliedmaassenmuskeln der Brust (Musc. pectorales). Von oberflächlichen Lagen der Musculi pectorales leiten sich die subcutanen Schichten her und sind demgemäss durch Aeste der Nervi thoracici anteriores innervirt. CH. WESTLING hat die Innervation des Hautbrustmuskels von Echidna in diesem Sinne beschrieben (1889, p. 46). Bei den Monotremen ist die subcutane Pectoralis-Musculatur sehr ausgebildet; sie erstreckt sich über die ventrale sowie dorsale Fläche des Rumpfes und theilweise über die Gliedmaassen. ]J. Fr. MECKEL (1826, p. 22)!) fand eine solche Anordnung bei Ornithorkhynchus; G. MıvarT (1866, p. 379) ?) giebt eine dies- bezügliche kurze Bemerkung über den Muskel von Echidna. Die von der Brust sowie vom Rücken zum Hals und Nacken proximalwärts ausstrahlenden Bündellagen verbinden sich entweder mit der Facialis- Musculatur, oder sie schieben sich über dieselbe hinweg. Auf diese Weise kann es an verschiedenen Stellen zur Ausbildung eines in morphologischer Hinsicht nur scheinbar einheitlichen, subcutanen Muskel- schlauches kommen, welcher functionell auch nur schwer als einheitliches Gebilde vorstellbar ist. Dieser Muskel hat seine Bausteine aus zwei verschiedenartigen, einander fremden Gebieten entnommen. Der anatomische Nachweis der ursprünglichen Grenze zwischen Facialis- und Pectoralis-Gebiete der subcutanen Muskellage ist zuweilen schwierig festzustellen. Es ist möglich, dass es mir auch hier oder dort nicht gelungen ist, die Grenzbestimmung einwandsfrei angegeben zu haben, trotzdem mein Augen- merk speciell auf diese Punkte gerichtet gewesen ist. Selbst da, wo die innigere Vereinigung beider Muskelterritorien vorliegt, werden mit der Anwendung des Begriffes eines Panniculus carnosus auf diese, aus heterogenen Bestandtheilen zusammengesetzte, subcutane Säugethier-Musculatur im morphologischen Sinne insofern Unklarheiten gross gezogen, als mit dieser Bezeichnung die falsche Vorstellung von etwas organisch Einheitlichem nicht beseitigt wird. Die Darstellungen J. Fr. Mecker’s (1826) vom Pannic. carnos. des Schnabelthieres können als zeit- gemässe nicht mehr ausgegeben werden. Die ins Auge fallenden Eigenschaften des Hautmuskels sind dem berühmten Anatomen natürlich nicht entgangen. Die Feinheiten anatomischer Analyse aber werden in dem Werke MEcker’s, soweit die Hautmusculatur in Rechnung kommt, vermisst. Der Hautmuskel des Rumpfes ist mit demjenigen von Hals und Kopf als eine Einheit beschrieben. Es werden als Theile des Pannic. carnos. auch Gebilde angeführt, welche, z. B. zwischen Hyoid und Mandibula, ferner zwischen Tibia und Cauda sich ausbreitend, als Skeletmuskeln in andere Gebiete gehören, wennschon der hyo-mandibulare Muskel, wie MEckEL angiebt (l. c. p. 34), dem Nerv. facialis zugehört. Das morphologische Wesen eines „Panniculus carnosus“ ist bis jetzt nicht klargestellt worden. Die Untersuchungen CH. Westring’s über die Anatomie von Echidna (1889) gestatten ebenfalls keinen Einblick in die anatomischen Eigenheiten des subcutanen Muskelgebietes, wennschon die Betheiligung sehr verschie- dener Nerven an dessen Versorgung hervorgehoben wird. Der Begriff eines Panniculus carnosus wird für uns zunächst weiter keine Rolle spielen, da wir mit der Bezeichnung einer Hautmusculatur im Gebiete des N. facialis, und einer solchen im Gebiete der Nn. thoracici ant. aufs beste bei der Analyse complicirter anatomischer Verhältnisse operiren können, da ausserdem der mit einem Pannic. carnosus sich verknüpfende Begriff keinerlei morphologische Vorstellungen 1) JoH. FrIEDR. Mecket, Omithorhynchi paradoxi descriptio anatomica, Lipsiae 1826. 2) Mivart, On some points in the anatomy of Eehidna hystrix. Trans. Linnean Soc. of London, Vol. XXV, 1866; On the possibly dual origin of the Mammalia. Proc. of Royal Soc. London, Vol. XLII, 1888. 80 Die Hautmusculatur der Monotremen. 6 weckt, um deren Darlegung es mir aber hier zu thun ist. Durch Heranziehen der regionalen Eintheilung für die subcutane Kopf- und Rumpfmusculatur gewinnen wir vollends ausreichende Mittel für die Darstellung der betreffenden Einrichtungen bei Monotremen. G. Mıvarr (1866), FEwkES 1877)") und CH. WESTLING (1889) bedienten sich jenes Begriffes, ohne aber in eine strengere Analyse dieses Muskelgebietes einzutreten. CH. WESTLING schien das Wesen des Pannic. carnosus tiefer zu ergründen, insofern sie den Muskel- schlauch nicht allein aus Cervicalnerven und aus Aesten des Plexus brachialis, sondern selbst von dorsalen Zweigen der Thoracalnerven innervirt sein liess. Es hätte, um bestehende Schwierigkeiten zu lösen, nur festgestellt werden müssen, welche Rückenmuskeln und welche Halsgebilde -mit der subcutanen Facialis- und Pectoralis-Musculatur bei Monotremen sich ausserdem zu einer einheitlichen Masse verbunden hätten. Ebenso scharf wie die subcutane Facialis-Musculatur bis zum Menschen hin von nachbarlichen Gebilden sich abhebt, so lässt sich auch die subcutane Pectoralis-Musculatur bei Primaten und selbst beim Menschen noch in letzten Beständen deutlich nachweisen. Bei allen niedrigen Säugethieren ist die subcutane Pectoralis- Musculatur gut entwickelt. Es kann der Beweis geliefert werden, dass z. B. die als „Achselbogen“ bekannten und äusserst variablen Bildungen des Menschen grösstentheils Reste der mächtigen subcutanen Rumpf- musculatur von Monotremen etc. vorstellen. Man findet kurze und der Hauptsache nach sehr zutrefiende Angaben hierüber in C. GEGENBAUR’s Lehrbuche der Anatomie des Menschen (5. Aufl. 1892, p. 344). Aus dem Vorhandensein eines „Achselbogens“ lässt sich oft mit Sicherheit herleiten, dass der Mensch früher einen subcutanen Rumpfmuskel besessen habe, welcher von der Brust- durch die Achselhöhle zum Rücken und weit über das Abdomen caudalwärts verlief. Der Musc. latissimus dorsi wird dadurch, dass der genannte subcutane Muskel über ihm verstreicht und mit ihm verschmilzt, in die Sphäre bestimmter zahlreicher Abweichungen hineingezogen, welche eigentlich nicht von ihm ausgehen, vielmehr durch atavistisch auftretende Bündel eines subcutanen „Pectoralmuskels“ erzeugt werden. Die Einrichtungen der Monotremen, welche auf den folgenden Blättern zur Darstellung kommen, sind daher in wechselvollem Schicksale weithin durch die Säugethierreihe zu verfolgen. Vollkommen ver- misst werden sie selbst bei höheren Abtheilungen nirgends mehr. Die Wirkung, welche die Hautmusculatur auszuüben im Stande ist, kann nur irrthümlicher Weise als eine einfache gelten. Dieselbe ist ebenso vielseitig als die Vielgestaltigkeit der neu eingegangenen Be- ziehungen und der Verbreitung der Musculatur selbst. Die Fähigkeit, den ganzen Körper zusammenzurollen, darf nur als eine der vielfachen Wirkungsarten der Musculatur bei Echidna gelten. Dass die Musculatur bei Ornithorhynchus eine grosse Bedeutung für die Bewegungsart im Wasser habe, kann kaum einem Zweifel unterliegen, da Anheftungen am Ruderschwanze und an den Extremitäten in sehr ausgedehntem Maasse vorliegen. Die Hautmusculatur erscheint bei Ornithorhynchus im Gegensatze zu derjenigen bei Echidna gleichmässiger entfaltet. Hierfür können die Lebensweise und die Integumentalbildungen verantwortlich gemacht werden. Das Stachelkleid bei Echidna ist Ursache der kräftigen Muskelentfaltung an der dorsalen und lateralen Rumpffläche. Die Verschiedenheiten der Musculatur bei beiden Formen sind durch CH. Wesr- LING (1889, p. 9) hervorgehoben. Mancherlei Wirkungen der subcutanen Muskellage werden ohne weiteres aus der genauen Vor- führung des Baues abgeleitet werden können. Auf mancherlei wichtige Punkte wird an Ort und Stelle hingewiesen werden. Mächtige, oberflächliche Bündellagen begeben sich bei Echidna zum Stachelkleide und heften sich nach G. Mıvarr (1866) an den Basaltheilen der Stacheln fest, welche durch die Musculatur aufgerichtet werden können. I) FEwkES, Contributions to the myology of Tachyglossa hystrix. Bull. Ess. Inst., Vol. IX, 1877. 7 Die Hautmusculatur der Monotremen. Sı Der Begriff „Hautmusculatur“ ist kein streng morphologischer. Die Zusammensetzung derselben aus zwei heterogenen Muskelgruppen hebt die morphologische Einheitlichkeit auf. Es sind daher mehr äussere Gründe, dass die beiden, von verschiedenen Nerven beherrschten Muskeln hier zur Darstellung kommen. Eine vollständige Beschreibung der Hautmusculatur der Monotremen müsste unter anderem auch das Gebiet des Nervus accessorius nicht unerwähnt lassen, da oberflächliche, von ihm innervirte Muskel- lagen theils directe, theils indirecte Beziehungen zur Haut gewonnen haben. Diese Accessoriusgebiete treten aber nicht in gleicher Weise bedeutsam als subcutane Muskeln, wie die anderen, hervor, und die Beziehungen zur Haut bleiben auch für andere Säugethier-Abtheilungen nicht so streng bewahrt, wie dies bei der Facialis- und Pectoralis-Musculatur der Fall ist. Deshalb dürfte es zweckmässiger sein, dass das Accessorius-Gebiet für sich behandelt würde. Ueberall, wo die Haut der Musculatur Anheftungsflächen darbietet, können bei mikroskopischen Untersuchungen quergestreifte Muskelfasern ins Gesichtsfeld gelangen. Letztere werden indessen als Be- standtheile der Panniculus carnosus zu deuten sein. C. GEGENBAUR (1886, p. 20)!) hat denn auch eine diesbezügliche Beobachtung Levoıc’s (1859)?) über das Integument von Ornithorhynchus in jenem Sinne ausgelegt. Il. Die Hautmuseulatur des Rumpfes. Gebiet der Nn. thoracici anteriores. Der von den Gliedmaassenmuskeln der Brust losgelöste Theil der Hautmusculatur der Monotremen erstreckt sich von der Gegend der Clavicula über Brust und Bauch bis zur Cloake, zum Schwanze und zum proximalen Abschnitte der hinteren Extremitäten. Andere mächtige Lagen ziehen über den Seiten- rand des Rumpfes zum Rücken, an welchem sie zur dorsalen Medianlinie und längs derselben ebenfalls bis zum Schwanze sich begeben. Von der Brustregion aus bewegen sich meist zarte Muskelbündel kopf- wärts über benachbarte Partien des Halses. Die obere Gliedmaasse bleibt nicht frei von z. Th. kräftigen Bündellagen, welche hier dem Pectoralis-, dort dem Facialis-Gebiete zuzuweisen sind. Wenn wir die von der Pectoralis-Musculatur oberflächlich aberrirten Schichten wegen der allgemeinen Beziehungen und der Ausdehnung einen Musculus subcutaneus trunci heissen, so sind durch diese Bezeichnung die hauptsächlichsten Lageverhältnisse angedeutet. Der Ursprung des M. subcutan. trunci vom Skelet ist bei Ornithorhynchus und Echidna im Wesent- lichen gleichartig, insofern die Festheftung ans Skelet bei beiden Formen mit derjenigen der Mm. pectorales an der mächtigen Rauhigkeit des Humerus zusammenfällt. Die Skeletanheftung des Subcutaneus trunci ist eine durchaus ursprüngliche Eigenschaft. Sie berechtigt dazu, die specielle Beschreibung des sehr different gewordenen Skeletmuskels mit ihr selbst zu beginnen. Die Festheftung ans Skelet zeichnet keines- wegs mehr den Gesammtmuskel aus, da vielfach abgesprengte Muskellagen völlige Selbständigkeit erlangt haben. Die Thatsache der Festheftung des Hautmuskels an den Oberarmknochen ist für Ornithorhynchus durch MECKEL, für Echidna durch FEwkes und WestLınGg bekannt geworden. Waren die Angaben früher sehr aphoristisch, so sind die neueren ausführlicher. Die Anheftung erfolgt beim Schnabelthiere an der distalen Hälfte der vorderen Leiste des Humerus mittelst kurzer Sehne (cf. MECKEL). 1) CARL GEGENBAUR, Zur Kenntniss der Mammarorgane der Monotremen, Leipzig 1886. 2) Fr. LevoıG, Archiv für Anatomie und Physiologie, 1859. 82 Die Hautmusculatur der Monotremen. 8 1. Skeletanheftungen des M. subeut. trunci. Ornithorhynchus paradozus. Bei einem weiblichen Exemplare befinden sich diejenigen Bündellagen des Muskels, welche das platte Mammar- drüsenpacket bedecken und lateralwärts über dieses hinaus sich erstrecken, cau- dalwärts von der Gland. mammaria in untrennbarem Verbande mit ihren me- dialen und lateralen Nachbarn. Die Fig. ı lässt uns die ventrale, gleich- artige Ausbreitung des Subcutaneus trunci eines männlichen Exemplares in der Höhe der Gland. mamm. sowie caudalwärts von ihr erkennen. Jene Bündellagen, welche in der Höhe der Mammardrüse beim Männchen und Weibchen etwa 2,5 cm von der Medianlinie entfernt be- I|_Gl.ma. ginnen und an Breitenausdehnung etwa 3 cm betragen, convergiren kopfwärts in sehr ausgeprägter Weise. In einer Breite von etwa I cm schiebt sich diese Bündellage unter eine oberflächliche Muskelschicht (d. 1.), welche von der Achselgegend aus eine ventro-laterale Ausbreitung am Thorax gewinnt; die Bündellage schiebt sich gegen die scharfe Muskelleiste des Oberarmes empor, wo die Anheftung stattfindet. Die Fig. 2 führt das angegebene Verhalten vom weiblichen Exemplare vor Augen!). Die Axillarbündel, welche Fig. I erkennen lässt, sind entfernt, so dass die betreffende Schichte des Subcut. trunci in ihrer ganzen Ausdehnung zur 1 N pl I UA Nl A MM) ı ıl) Fig. ı. Ventralansicht der Hautmusculatur eines männlichen Schnabelthieres. *),. J 1) Die der Fig. ı entsprechende bildliche Darstellung vom Verhalten beim Weibchen wird an anderer Stelle zur Veröffent- lichung kommen. Die die tieferen Muskelschichten vergegenwärtigenden Abbildungen sind vom weiblichen Individuum entnommen. 9 Die Hautmusculatur der Monotremen. 83 Anschauung kommt (h.v.?). Die Festheftung am Skelet ist circumscript. Die Insertionsportion befindet sich in oberflächlicher Lage. Die Bündel bedecken nämlich, wenigstens theilweise, eine tiefere, ans Skelet geheftete Muskelschichte, deren Insertionsportion medial und lateral auf der Fig. 2 zu Tage tritt. Diese tiefere Muskellage (R.v.°) lässt in ihrer Beziehung zum Skelet keinerlei Momente erkennen, welche auf eine genetische Verschiedenheit zur oberflächlichen Lage hinweisen. Gleiche Befestigungspunkte, z. Th. Ver- schmelzung von parallel verlaufenden Bündeln der beiden Schichten, sprechen natürlich nur für deren Zusammengehörigkeit. Diese wird durch den peripheren Verbleib der tiefen Lage zur Gewissheit erhoben. Die Bündel derselben divergiren vom Skelete aus zur lateralen Ventralfläche und zum Rücken des Körpers. Etwa in der Höhe des oberen Randes der Gland. mamm. schliessen die medialen Theile der tiefen Lage (h.v.®) an die lateralen Bündel der oberflächlicheren Schichte (R.v. ?) unmittelbar an. Beide erstrecken sich Fig. 2. De Ä \ Fig. 2. Die Hautmusculatur des Rumpfes eines weiblichen Ornithorhynehus. *%,. Man erkennt nach der Entfernung einer oberflächlichen Lage zwei tiefere Schichten (h.r.” und A.r.”), welche am Humerus festgeheftet sind. @l. ma. Gland. mammaria. Fig. 3. Der Subcutaneus trunci tritt in seinem Verbande mit der Brustmusculatur der Gliedmaasse hervor, nachdem ein grosser Theil des Hautmuskels entfernt worden ist. Man erkennt die Aeste der Nn. thoracici ant., welche den Subeut. trunci ver- sorgen. Die Gl. mamm. ist in ihrer natürlichen Lage erkennbar. Ornithorhynehus-Weibchen. *),. in dieser Einheitlichkeit caudalwärts. Diese Anordnung zeigt auch die Fig. 1. Was die Fig. 2 nur an- deutungsweise offenbart, verräth die Fig. 3 vollends. Hier ist die tiefe Lage (h.v.*) durch das Entfernen eines Stückes aus der oberflächlicheren Schichte (h.v.:) in ganzer Ausdehnung übersehbar. Die Gland. “ mammaria ist in ihrer natürlichen Ausdehnung dargestellt. Die Nerven, welche für beide Schichten des am Skelet befestigten Subcutaneus trunci bestimmt sind, entstammen einem und demselben Strange. Diese Jenaische Denkschriften. V. 2 Semon, Zoolog, Forschungsreisen. II, 12 84 Die Hautmusculatur der Monotremen. Io Innervationsverhältnisse sind nur zu Gunsten der Zusammengehörigkeit der Schichten A. v.” und h. v.? zu verwerthen. Beide Skeletportionen erscheinen in ihrem ventralen Verlaufe über den Rumpf einheitlich; sie sind allein gegen das Skelet hin geschichtet. Die Schichtenbildung wird aus dem Verlaufe der einen Bündel- abtheilung in rein caudaler, der anderen Abtheilung in mehr dorsaler Richtung verständlich. Die lateral- und dorsalwärts ziehenden, tiefer gelegenen Bündel greifen am Skelet weiter medianwärts aus. Sie lehren uns neue Verhältnisse kennen. Die medialen Theile der tiefen Schicht (h.v.%) kreuzen die Insertionsportion des oberflächlichen Pectoralmuskels. Dies lässt sich bereits aus der Fig. 3 entnehmen. Noch tiefer gelagerte Bündel des Subcutaneus trunci sind zu einer Sehnenplatte verfolgbar, welche für sie und für Bündelgruppen des Pectoralmuskels gemeinsame Anheftungsflächen liefert. Diese Sehne ist dem Humerus innigst angefügt. Nach gehöriger Entfernung der auf Fig. 3 dargestellten Muskellagen treten die auf der Fig. 4 wiedergegebenen Verhältnisse entgegen, welche den Beweis eines genetischen Zusammenhanges der Schichte h. v.“ des Subcutaneus trunci mit dem Pectoralmuskel auf das Deut- lichste liefern. Die gemeinsame Sehnenplatte nimmt den bedeutsamsten Theil des M. pectoralis und die tiefste Zone des Subeut. trunci auf. Sie stellt für den letzteren eine Ursprungs-. für den Pectoralmuskel eine Insertionsstätte dar. Der hier vorliegende Zusammenhang ist als ein durchaus primitiver zu beurtheilen: der Subcutaneus trunci ist dem Pectoralmuskel nahe verwandt. Er ist ein Theil von ihm, ab- gespalten und zur Haut des Abdomens und des Dorsum des Rumpfes aberrirt. Von dieser tiefen Lage aus haben die oberflächlichen Schichten grössere Selbständigkeit gewonnen, ohne jedoch die Be- ziehungen zum Skelet ganz aufgegeben zu haben. Die Deutung des thatsächlichen Zusammenhanges zwischen beiden Muskeln als eines ursprünglichen ist bedeutungsvoll und keineswegs befremdend. Die Art des Zusammenhanges der Muskeln wird in dem Kenner myolo- gischer Einrichtungen, wie ich glaube, nicht den Eindruck erwecken, dass hier ein erworbener Zustand vorliege. Es müsste doch auch anzugeben sein, woher der Subcutaneus trunei anders stammte. Eine befriedigende, diesbezügliche Antwort wird nicht zu geben Fig. 4. Ormithorhymehus-Weibchen. *, SEM Die gleiche Innervation des Pectoralmuskels und des Subcut. a weiterer Entfernung der Schichten trunci durch Nn. thoracici anter. verscheucht die letzten Zweifel, es Subcutan. trunei tritt die gemeinsame : : a R e Insertion einer tiefsten Schichte (h....) die gegen die Homogenität der Gebilde erhoben werden können. mit den Gliedmaassenmuskeln der Brust (M. pect.) zu Tage. R. th.a. Musc. rectus R thoracico-abdominalis. M. pectoralis ziehende Nerv erreicht den Muskel lateral vom Rande Die gleiche Herkunft der Muskeln halte ich für zweifellos. Der zum des M. rectus thoracico-abdominalis (R.th.a.). Die für den Subeut. trunci (Nn. p. ce.) bestimmten Nerven senken sich in diesen lateral vom Pectoralis ein. Das vorliegende Verhalten lässt wohl kaum eine andere Deutung als die gegebene zu, nach welcher der Subcutaneus trunci eine laterale, oberflächliche und selbständig gewordene Portion des Gliedmaassen- muskels der Brust ist. Der Zustand des letzteren interessirt uns hier nur insoweit, als wir ihn in eine proximale oder episternale und in eine distale oder sternale Portion getrennt sehen, welchen Theilen wohl gemeinsame Insertionen zukommen, von welchen aber nur die sternale Portion einen directen Zusammenhang mit dem Subcutaneus trunci an den Tag legt. II Die Hautmusculatur der Monotremen. 85 Echidna. Die Hautmusculatur umhüllt die ganze Ventralfläche des Körpers. In dieser Eigenschaft tritt sie auf der nebenstehenden Abbildung (Fig. 5) zu Tage. Vordere und hintere Gliedmaassen sind zu grossen Theilen in die gemeinsame Umhüllungsschichte mit hineinbezogen worden. Die jederseits FD von der WVorderextremität zur Brust und Achselhöhle sich ausdehnende Lage, welcher eine vom Halse zur Episternalregion ziehende Schichte continuirlich sich anschliesst, ge- hört zum Gebiete des N. facialis. Das letztere erwies sich beim weiblichen, erwachsenen Individuum etwa durch eine transversale Grenz- linie gegen das thoracale Gebiet, welches dem Rumpfe und den unteren Gliedmaassen zu- getheilt ist, ziemlich scharf abgesetzt (vergl. Fig. 10). Auf der rechten Körperseite-verlief die Grenze beider Gebiete oberhalb zweier Hautäste der Nn. thoracici. Lateral und me- dial trafen die Bündel beider Gebiete im Winkel aufeinander, indessen die intermediären Bündellagen beider heterogener Muskelgebiete durch parallelen Verlauf zur Verwischung der Grenze Veranlassung gaben. Durch ein derartiges Aufeinandertreffen konnte ein gene- tischer Zusammenhang zwischen den Gebieten vorgetäuscht werden. Die Innervationsver- hältnisse bewahren vor Irrthümern, welche aus jenem nur scheinbar genetischen Verbande leicht entspringen können. Die genannte | Grenze zwischen Hals- und Rumpfmusculatur ist beim männlichen Exemplare der Fig. 5 um i sehr Vieles schärfer ausgeprägt, indem eine 3 breite Zwischensehne (I. {.) einerseits die über die Vorderextremität ausgebreite Facialis- Musculatur aufnimmt, andererseits dem Ur- sprunge der zur lateralen Rumpfwand ziehen- den Bündellagen dient (A. v.‘). Die schärfere Grenze ist auch auf der Fig. 20 erkennbar, welche die zur Vorderextremität ziehenden Fig. 5. Ventralansicht der Hautmusculatur einer männlichen Hautmuskeln bei dorso-lateraler Ansicht zur Kehidna. °/,. Das vom N. facialis innervirte vordere Gebiet bedeckt . A z. Th. die von den Nn. thor. ant. versorgte Musculatur, welche das Marsupial- Anschauung bringt. Auch medial von der geld umzieht. Alle näheren Verhältnisse ergeben sich aus dem Texte. 2* 12* ER s6 Die Hautmusculatur der Monotremen. 12 Zwischensehne der Fig. 5 bleibt die Grenze dadurch deutlicher ausgesprochen, da die Facialisbündel ober- fächlich diejenigen der Rumpfmusculatur kreuzen. Nur an wenigen Stellen laufen die heterogenen Faserzüge in einander aus. Bei Ornithorhynchus blieb die Abscheidung zwischen beiden Gebieten eine scharfe. Das thoracale Gebiet überlagerte allenthalben die Facialis-Musculatur, was die Figg. I, 9 und 22 zur Anschauung bringen. Die Grenzverwischungen zwischen den Hautmuskelgebieten sind bei Echidna durch die höhere Differenzirung beider Muskelgebiete zu Stande gekommen. Derjenige Theil des Rumpfgebietes, welcher bei der weiblichen Echidna schräg gerichtet von der lateralen Ventralwand des Rumpfes kopf- und medianwärts unter die Gliedmaassenlage des Facialis- gebietes sich ausdehnt, gewinnt Anheftung ans Skelet. Die betreffende Bündellage wurde von einer ober- flächlichen Abdominalvene durchbohrt und theilweise überlagert. Diese schräg gerichtete oberflächliche Lage war zu der starken Pectoralisleiste des Humerus verfolgbar, wo die Festheftung erfolgte. Von dieser aus gelangen eigentlich die oberflächlichen Bündel zur Haut der lateralen Grenzzone von Bauch und Rücken, wo der Stachelbesatz seinen Anfang nimmt. Bei dem weiblichen Individuum besteht insofern eine Abweichung, als ein grosser Theil lateraler oberflächlicher Bündellagen die Festheftung an die Zwischensehne (vergl. Fig. 5) erlangt haben, und dementsprechend nur die tieferen Bündel und die median- wärts angereihten zum Skelet sich begeben. Bei beiden Exemplaren treten tiefere Bündellagen vom Humerus her in mehr dorsaler Richtung immer von Neuem hervor, um zu den Stacheln des Dorsum sich zu begeben. Diese dorsale Stachel-Haut- musculatur findet eine sehr starke Ausdehnung. Man sieht derartige Bündel selbst bei ventraler Ansicht bis zur hinteren Extremität ausgedehnt. An dem Rücken verbreiten sich derartige Bündel gegen die Medianlinie und bis gegen den Schwanz hin. Die Fig. 12 bringt dies zur Anschauung. Die weitest medial befindlichen Bündel der schrägen, oberflächlichen Lage biegen in caudaler Richtung, ohne die Haut vorher zur Insertion zu nehmen, in Längsbündel des Abdomens ein. Hier erhielt sich ein genetischer Zusammenhang zwischen den oberflächlichen schrägen Hautbündeln mit dem zum Theil durch sie bedeckten Längsfasersysteme. Während der Bündelübergang beim Weibchen ein ganz allmäh- licher, gleichmässiger war, so ist er auf der Fig. 5 durch kurze Elemente vermittelt, welche in leicht ge- bogenem oberflächlichen Verlaufe bereits in Brusthöhe endigen. Alle abdominalen Längszüge, welche in cranialer Richtung unter die schrägen Hautbündel sich begeben, verschmelzen allmählich mit ihnen zur Bildung einer anatomischen Einheit. Hiervon sind allein die zur Zwischensehne ziehenden oberflächlichsten Bündellagen ausgeschlossen (Fig. 5). Als eine 2 cm breite, kräftige Portion findet sie am Humerus des Weibchens Anheftung. Auf Fig. 6 ist sie derartig durch- schnitten dargestellt, dass zugleich eine tiefere Schichte hat zur Anschauung kommen können. Die Insertion am Humerus findet zwischen den Anheftungen der episternalen (p. e. st.) und sternalen (p. st.) Abschnitte der Gliedmaassenmusculatur der Brust statt, welche Abschnitte bei Zchidna in etwas anderer Weise als bei Ornithorhynchus gegliedert sind, aber in Bezug auf die gegenseitige Lage zum thoracalen Hautmuskel die Homologie dieses bei beiden Formen unverkennbar hervortreten lassen. Ich nehme keinen Anstand, die auf den Figg. 2 und 6 mit h. vo.” bezeichneten Portionen als gleichwerthig aufzufassen. Bei Ornithorhynchus besteht die Portion A.v.” in einfacher, einheitlicher Lage und erscheint nur als ein Theil der ventralen Hautmusculatur. Bei Echidna ist diese Muskelschichte in zwei Lagen gesondert, von denen die tiefere (Fig. 6, h. v.?) wie bei Ornithorhynchus die Zusammengehörigkeit mit dem abdominalen Hautmuskel aufrecht erhält, indessen eine oberflächliche Lage (A. v.!) durch sehr lebhaft ausgesprochene Beziehungen zum Stachel- kleide und zur lateralen Hautfalte des Abdomens sich selbständig machte, ohne allerdings den Zusammenhang 13 Die Hautmusculatur der Monotremen. 87 mit der tieferen Lage aufgegeben zu haben. Die oberflächlichste Muskelzone bei Zchidna (h. v.!) findet demnach bei Ornithorhynchus kein Homologon; sie ist ein neues Product des Panniculus carnosus. Das Stachelkleid ist die Ursache der Sonderung der Portion A.v.! von Echidna. Es kann wohl kaum einem Zweifel unter- liegen, dass der Zustand bei Echidna aus einem solchen, wie wir ihn etwa bei Ormnithorhynchus sehen, ent- standen sei. Bei beiden Formen hat die Porton h.v.? von der Gliedmaassenmusculatur der Brust etwa in gleicher Weise sich abgespalten, wie die oberflächliche Lage h.v.! bei Echidna eine Aberration von Muskel- bündeln der tieferen Lage h.v.? vergegenwärtigt. Haben wir hier einen festen Standpunkt bei der Beurtheilung der Hautmusculatur des Rumpfes gewonnen, so bieten mancherlei andere Verhältnisse keine erheblichen Schwierigkeiten mehr. Zunächst wird Fig. 6. St. | Y mal Fig. 7. \, ZEN N St.mast. UNTGE MH) IE EN Hz Tr Fig. 6. Ventralansicht der Gliedmaassenmusculatur der Brust und der Humerusanheftung der thoracalen Hautmusculatur von Eehidna. °/,. St. mast. Musc. sterno-mastoid. Fig. 7. Ventralansicht der Gliedmaassenmuskeln der Brust und deren Nerven, sowie der Anheftungen des thorocalen Hautmuskels an den Humerus. Die Schichten 4. e.’, * sind bis auf die Insertionsstelle entfernt, um die Lage 4. v.* im Verhalten zu den Brustmuskeln hervortreten zu lassen. Aus dem letzteren ist ein Stück entfernt. Der M. sterno-mast. ist auf der rechten Seite entfernt. diejenige Muskelschichte, welche auf Fig. 6 mit A. v.? bezeichnet ist, welche in breiter Lage ihre Bündel zur Lateral- und Dorsalwand des Rumpfes entsendet, nur mit der gleich bezeichneten Schichte der Fig. 2 und 3 bei Ornithorhynchus in Parallele gestellt werden können. Bei Echidna ziehen die proximalen Abschnitte der Lage h.v.? zur abdominalen Seitenfalte, wo sie sich mit den Bündeln der Portion h. v.” innigst verfilzen und in ununterbrochener Insertionslage das Stachelkleid aufsuchen. Die mehr distal und medial befind- lichen Bündel nehmen zur Rückengegend ihren Weg, wo sie in kräftigen Zügen zu dem Stachelkleide sich begeben. Verfolgt man nun diese Schicht A. v.® zum Humerus, so liegt hier eine innige Verschmelzung mit der Portion h.v.? vor. Die Fig. 7 zeigt die Anheftungsfläche von h.v.?,® an das Skelet. Die Insertions- sehne umgreift leicht gebogen die Ansatzstelle des von der aponeuritischen Scheide des M. rectus thor.- abdomin. entspringenden Abschnittes des M. pectoralis (p. ap.). Die Insertionsfläche greift dann medianwärts zwischen die episterno-sternalen Abschnitte der Brustmusculatur ein. 88 y Die Hautmusculatur der Monotremen. I4 Die Insertion der Portion h. v.® überragt bei Ornithorhynchus (cf. Fig. 3) die Lage h.v.”. Bei Echidna ist solches nicht der Fall. Bei Ornithorhynchus schliessen mediale Bündel der Portion h.v.® etwa in der Höhe des oberen Randes der Mammardrüse (Fig. 2) an die lateralen Faserzüge der Schicht h.v.? behufs Bildung des abdominalen Hautmuskels an. Auf diese Weise kommen die am Skelete geschichteten Bündel caudalwärts wieder in ihre einheitliche Lagerung. An die ventralen Bündel reihen sich solche zum Rücken ziehende an (Fig. 2). Bei Echidna hat die Gesammtschichte h. ».® eine Aberration zur Seiten- und zur Rücken- haut erfahren und zwar unter völligem Verschwinden der abdominalen Längsbündel. Auch für diese Differenz zwischen beiden Thieren ist die Entfaltung des Stachelkleides bei Echidna verantwortlich zu machen. Die schräge, oberflächliche Bündellage h.v.! ist von der schrägen, tiefen Schichte h.v.” der Fig. 6 bei Echidna durch längs zum Abdomen ziehende Bündel geschieden, welche den medialen Theil der Lage. h.v.? ausmachen. Diese medialen Faserzüge sind es, welche den Zusammenhang mit den frei gegen den Hals auslaufenden Bündeln übernehmen. Ein auffallender Unterschied zwischen Ornithorhynchus und Echidna tritt in der veränderten topo- graphischen Beziehung der Portionen h.v.” zu den Mammardrüsen zu Tage. Bei Ornithorhynchus durch- brechen die Ausführgänge des Drüsencomplexes die Muskelbündel (Fig. 2); bei Echidna besitzen die Drüsen- ausführgänge einen solchen Verband mit den betreffenden Muskellagen nicht. Es hat den Anschein, dass die einfach sich ausnehmende Einrichtung von Ornithorhynchus bei Echidna aufgegeben worden sei. Man wird in derartigen Schlussfolgerungen jedoch vorsichtig sein müssen, da wahrscheinlich vielerlei Verein- fachungen bei Ornithorhynchus durch Reductionen zu Stande gekommen sind. Die Ausführgänge der Mammar- drüsen sind bei Echidna weiter medianwärts gelagert; sie münden an einem muskelfreien Hautterritorium aus, welches als Marsupialfeld ein ganz besonderes Interesse besitzt. Die dritte Schichte bei Ornithorhynchus (Fig. 4 h. v.‘) hat ihr Homologon bei Echidna in einer sehr viel stärker entwickelten Lage. Sie folgt hier im Ganzen dem Verlaufe der Schicht h.v.°; sie besitzt Inser- tionen am Integumente der seitlichen abdominalen Hautfalte und entsendet den Haupttheil der Bündel seitlich um den Thorax zur Haut des Rückens (Fig. 7), dessen mittleres Drittel durch ihre In- sertionsbündel völlig eingenommen wird. Bei Ornithorhynchus bestehen ähnliche Verlaufs- und Insertionszustände. Die Skeletanheftung er- folgt aber, wie ein Vergleich der nebenstehenden Fig. 8 mit Fig. 4 es lehrt, bei Echidna in tieferer Lage als bei Ornithorhynchus. Die Schichte A. v.* ist von der Insertion der Sternalportion des Musc. pectoralis bedeckt (Fig. 7); sie ist im Verbande mit dem Skelete selbständiger geworden als bei Ornithorhynchus, wo ein engerer An- \ N N schluss an jenen Muskel sich erhalten hat. Die selbständige Fig. 8. Ventralansicht der Thoracalregion Schichtenbildung der Portion h.v.* bei Echidna in der Nähe des von Eehidna. °/,. Man erkennt Ursprungs- und ER: Insertionsverhältnisse der Gliedmaassenmus- Skelets dürfte wohl in Uebereinstimmung mit der kräftigen Ent- keln der Brust, sowie des thoracalen Haut- muskels. Die Bezeichnungen sind die gleichen wie auf den früheren Figuren. Die Anheftungsweise der Hautmusculatur an den Humerus faltung des ganzen Hautmuskelschlauches erfolgt sein. ist derartig, dass eine oberflächliche breite Sehne, welche für die Schichten h.v.?,® bestimmt ist, gemeinsam mit der Sehne der tiefen Schichte h. v.“ die Insertionssehne der sternalen Portion des Pectoralis (p. st.) zwischen sich fasst, dass andererseits die einheitliche Sehne der Schichten A. v.®,® von den Humerus-Insertionen der sternalen und der episternalen Portion der Brust- musculatur eingeschlossen wird (Fig. 8). 15 Die Hautmusculatur der Monotremen. sg An dem breiten pectoralen Muskelhöcker des Humerus heften sich demzufolge bei Echidna vier Sehnen fest, welche den Gliedmaassenmuskeln der Brust und thoracalen Theile des Panniculus carnosus zugehören. Die schichtenweise mit einander abwechselnde Anordnung der Sehnen der beiden Muskeln müsste, schon für sich allein betrachtet, sehr zu Gunsten eines genetischen Zusammenhanges der betreffenden Muskeln sprechen. Ein Vergleich der Zustände bei Echidna mit denen bei Ormithorhynchus begründet die angenommene Herkunft der Hautmuskeln des Rumpfes von den Pectoralgebilden fester, zumal da die Möglichkeit sich nicht darbietet, eine andere Muskelgruppe in engere genetische Beziehung zum Panniculus carnosus zu bringen. CH. WESTLInG (1889, p. 8) beschreibt die bei Echidna wahrgenommene Anheftung: des Pannic. carnos. am Humerus derartig, dass ein noch engerer Zusammenhang des Muskels mit den Glied- maassenmuskeln der Brust vorgelegen zu haben scheint. Das Tubercul. majus humeri nahm eine gemeinsame Endsehne auf. Nach G. Mıvarr erfolgt eine Festheftung des Hautmuskels an der Ulna (1866, p. 379, Fig. 1). Das pectorale Hautmuskelgebiet tritt bei Monotremen zum ersten Male in der Wirbelthierreihe aut und ist hier gleich so stattlich ausgebildet und hoch differenzirt, dass es weder bei Ornithorhynchus noch bei Eehidna erst entstanden sein kann. Es ist fraglos für sie ein Erwerbsstück von Stammformen, die uns nicht erhalten worden sind; denn in den ersten Zuständen der Sonderung kann der Hautmuskel unmöglich anders als in nur unbedeutenden ÄAberrationen von Pectoralisbündeln zur Haut bestanden haben. Schichtenbildung einer ursprünglich einheitlich vorzustellenden, vom Skelet ausgehenden Lage kann wohl durch eine sub- cutane, weitere Ausbreitung, sowie durch intensivere Verbindung mit Integumentalbildungen erfolgt sein. In diesem Sinne scheint die Musculatur, soweit sie bisher vorgeführt worden ist, bei Ornithorhynchus in jeg- licher Hinsicht eine primitivere als bei Echidna zu sein. Hierbei kann aber nur von den Befunden als solchen die Rede sein, und es muss dahingestellt bleiben, ob nicht andere Verhältnisse früher bei Ornithorhynchus bestanden haben. Das Hautkleid mit dem Stachelbesatze hat bei Echidna einer bedeutsamen Specialisirung unterlegen, demzufolge stellten sich auch am Hautmuskel Sonderungen ein, welche bei Ornithorhynchus vermisst werden. Hier sind keine sichtbaren Zeichen von Rückbildung der Hautmusculatur angegeben. Diese erscheint vielmehr im besten Entwicke- lungszustande und in Anpassung an die schwimmende Lebensweise sich zu befinden, demnach von hohem functionellen Werthe für das Thier zu sein. Wenn es trotzdem wahrscheinlich gemacht werden kann, dass Zustände höherer Entfaltung der Hautmusculatur bei Ornithorhynchus bestanden haben, so bleibt doch der jetzige Zustand der Skeletanheftung des Hautrumpfmuskels als eine Vorstufe für die Einrichtungen bei Echidna auf das beste vorstellbar. Wir verknüpfen damit nicht die Vorstellung einer continuirlichen Fort- entwickelung des Verhaltens von Ornithorhynchus zu demjenigen bei Echidna, sondern nehmen nur einen gemein- samen Ausgangspunkt für Beide an, von welchem Echidna bezüglich der Musculatur des Integumentes sich weiter als das Schnabelthier entfernt zu haben scheint. Es ist durch CHARLOTTE WeESTLInG darauf aufmerksam gemacht worden, dass tiefere Lagen des Pannic. carnos. am hinteren Rumpftheile von Echidna nicht bestehen, dass dementsprechend bier Beziehungen zum Skelete fehlen, wie sie vorn etwa zum Humerus zum Ausdrucke kommen. Die genetische Betrach- tungsweise über den Hautmuskel giebt willkommenen Aufschluss über jene hervorgehobene Thatsache. 2. Vom Skelete losgelöste und frei unter der Haut sich ausbreitende Bündellagen des Musc. subeutaneus trunci. Die an der Skeletportion h.v.? medial sich anschliessenden Muskellagen entbehren der Anheftung an den Humerus. Sie werden bei beiden Formen gefunden und reichen hier bis zur ventralen Medianlinie. Die Hautmusculatur der Monotremen. 16 90 Ihr Zusammenhang mit der Skeletportion h.v.? ist bei Ormithorhynchus und Echidna ziemlich gleichartig. Eine nicht unwesentliche Verschiedenheit tritt aber deutlichst in Bezug auf die orale Ausdehnung der Bündellagen in die Erscheinung. Bei Ornithorhynchus 2 schiebt sich die in der Höhe der Saugdrüsen etwa 2,5 cm breite Muskellage der Fig. 2 unter schwacher Divergenz ihrer Bündel gegen den Hals empor. Die median vor dem Epi- sternum sich noch berührenden beiderseitigen Elemente dehnen sich rechts und links verschieden weit aus. Rechtsseitige Bündel finden Insertionen an der Halsfaseie etwa I cm weiter oralwärts als die linksseitigen Elemente. Die neben- stehende Fig.g zeigt das genauere Verhalten an (c.v.). Die lateral sich anfügenden Bündel inseriren an der Unterhautfascie in einer an- fangs quer nach aussen, dann nach hinten längs der Seitenfläche des Halses bis zur Vorderextremität sich ausdehnenden Linie. Die äussersten, lateralen Bündel, welche an der Brust den Anschluss an die Skeletportion finden, endigen in der Regio humeri sub- cutan. Die ganze oberflächliche Muskellage bedeckt den sphincterartig angeordneten Halsmuskel, welcher dem Facialisgebiete zugehört. Mit der Fascie dieses Muskels sind die subcutanen Bündel des thoracalen Hautmuskels fest verbunden. Die beim Männchen gefundenen Anordnungen wei- chen von. den Zuständen auf Fig.9 insofern ab, als die beiderseitigen Muskelbündel auch am Halse enger zusammengeschlossen bleiben und eine gleichmässigere Auflösung der zur Insertion sich anschickenden Fleisch- fasern zu Stande kommen lassen (vergl. Fig. ı c.v.). Die laterale Insertionslinie findet jedoch auch hier in der Regio humeri ihre Grenze. Zieht man auch nur die eine That- sache hier in Betracht, dass das Facialis- gebiet eine oberflächliche Schichte in der Fig. 9. Ausbreitung der Hautrumpfmusculatur über die Regio colli bei EN n Ormithorhynchus 2. *),. 3 3 Gegend des Halses bei niederen Wirbel- thieren formt, so ergiebt sich die Aus- breitung der subcutanen, längsverlaufenden Musculatur über den Hals von Ornithorhynchus mit Sicherheit als eine Secundärerscheinung. Die Beurtheilung der Verhältnisse wird aber auch dann das Rechte treffen, sobald man die Halsbündel in richtiger Werthschätzung der Skeletanheftungen von diesen herleitet und sie zur thoracalen Musculatur in Beziehung bringt. 17 Die Hautmusculatur der Monotremen. gI Zwei Muskelgebiete überkreuzen bei Ormithorhynchus einander etwa am vorderen Episternalrande. Die Ursache der Ueberkreuzung liegt in der Ausbreitung des „pectoralen“ M. subcutaneus. Einige zur Seite des Halses ausstrahlende Züge des thoracalen Hautmuskels nehmen vor ihrer Insertion eine Parallelrichtung mit Bündeln des Sphincter colli aus dem Facialisgebiete an, woraus Ver- bindungen entstehen, welche leicht genetische Zusammengehörigkeit vortäuschen können. Sorgfältige Präparation sowie Berücksichtigung der wichtigsten Kriterien bei myologischen Untersuchungen werden jedoch jeden Gedanken, dass eine genetische Continuität hier vorliegen möchte, rasch verdrängen. Echidna. Der Halstheil des Hautrumpfmuskels ist an Bedeutung zurückgetreten; er ist minder stark entwickelt und hat weder median- noch kopfwärts eine so ansehn- liche Ausdehnung gewonnen wie bei Ornithorhynchus. Eine Anzahl medialer Bündel gewann durch gegenseitige Ueberkreuzungen neuen Werth. Die auf der gleichen Körperseite verbleibenden Medianbündel schliessen eigentlich nirgends enger an einander. Alle subcutanen, nach vorn sich begebenden Muskelbündel endigen etwa in der Höhe des vorderen Epi- sternalrandes, wo sie in eine subcutane Fascie ausstrahlen, zu welcher vom Halse her auch Muskelbündel aus dem Facialisgebiete herantreten. Diese Verhältnisse werden auf der Fig. 5 im Wesent- lichen wiedergegeben. Wohl konnten auch Bündel wahr- genommen werden, welche in oberflächlicher Lage über den subcutanen Facialismus- kel kopfwärts sich verscho- ben zeigten. Solche Bündel spielen indessen im Vergleich Fig. 10. Ventralansicht der Grenzgebiete zwischen der vom Facialis und von den Nn. thorac. ant. versorgten Hautmusculatur. Eehidna-Weibchen. */,. Die beiderseitigen Bündel mit Ornithor hynchus eine ganz des Sphincter colli sind lebhaft durchkreuzt und z. Th. innig mit den thoracalen Bündeln untergeordnete Rolle. verschmolzen. Jenaische Denkschriften. V. 3 Semon, Zoolog. Forschungsreisen, 11, 13 92 Die Hautmusculatur der Monotremen. 18 Auf der Fig. 10 sind die Grenzbündel beider Gebiete des weiblichen Exemplares genauer darge- stellt. Rechtsseitige laterale, sehr zarte Fasern breiten sich auf der über die Extremität herabziehenden Facialislage aus. Eine linksseitige, I cm breite Bündellage schiebt sich kopfwärts zwischen oberflächliche und tiefe Bündel des Facialisgebietes ein. Die medial sich anschliessenden Züge aus dem thoracalen Haut- muskelgebiete sind mit schräg median- und sternalwärts ziehenden Bündeln des Sphincter colli (Fac. Geb.) verschmolzen. Die Grenze zwischen medialem Facialis- und Pectoralisgebiete ist bei Echidna ziemlich gut bewahrt geblieben. Nur wenige Bündel greifen wirklich in fremdes Territorium über. Es ist vor der Hand nicht zu bestimmen, ob ein Zustand grösserer Ausdehnung des Subeut. trunei über die Halsgegend, wie wir ihn bei Ornithorhymchus antreffen, auch als Vorstufe des Verhaltens bei Echidna angenommen werden darf. Falls aber ein Rückgang des Muskels zur Hals-Brustgrenze vorliegt, so ist die stärkere Ausbildung des Sphincter colli dafür mit verantwortlich zu machen, dessen aborale Bündel aus einem transversalen Verlaufe, den wir bei Ornithorhynchus antreffen, in einen schrägen und gekreuzten Ver- lauf bei Echidna übergegangen sind. Auf diese Weise haben die Sphincterenbündel in Concurrenz mit Elementen des Subcutaneus trunci treten und diese verdrängen können. Ist es mit Sicherheit nicht auszumachen, ob die medialen Grenzbündel des pectoralen Hautmuskels bei Echidna primitiver angeordnet sind als bei Ornithorhynchus, so gewinnen wir für die lateralen Grenz- bündel beider Gebiete sehr viel sichere Anhaltspunkte. Das Facialisgebiet erstreckt sich bei Echidna in mächtiger Lage von der vorderen Gliedmaasse aus zur Brust und bedeckt dabei den pectoralen Haut- muskel. Dieser Zustand ist im Vergleiche mit dem bei Ornithorhynchus differenter, da der Sphincter colli letzterer Form den primitiven Charakter trägt, welcher bei Amphibien und Reptilien noch vorherrscht. Es ist hiernach beachtenswerth, dass die wesentlichen Verschiedenheiten im Grenzgebiete durch Umgestaltungen im Facialisgebiete von Echidna zu Stande gekommen sind. Der pectorale Hautmuskel hat die formative Energie, welche er am Hals von Ornithorkynchus erkennen lässt, bei Echidna eingebüsst. Der Sphincter colli verharrt bei Ornithorhynchus im Indifferenzzustande, während er bei Echidna in compensatorischer Ausgestaltung an der Hals-Brustgrenze angetroffen wird. Ornithorhynchus hinterlässt bezüglich der vorgeführten Einrichtungen den Eindruck der Indifferenz, Echidna den des Fortgeschrittenen. 3. Verbreitung über die ventrale Rumpfwand. Die diesbezüglichen Verhältnisse von Ornithorhynchus dürfen in jeder Hinsicht als die einfacheren bezeichnet werden. Diejenigen bei Echidna bedeuten Bildungsformen, welche von einem gemeinsamen Aus- gangspunkte sehr weit entfernt liegen. Es bleibt jedoch die Möglichkeit bestehen, dass das einfache Ver- halten von Ornithorhynchus durch Reductionen an Stelle einer höheren Organisation getreten sei. Ornithorhynchus. Vom Halse aus ziehen die Bündel geschlossen zur Brust, wo die vom Humerus kommenden Muskelzüge den lateralen Anschluss an erstere gewinnen. In der Mittellinie von Thorax und Abdomen eng an einander gefügt, seitlich continuirlich auf die Rückenfläche sich fortsetzend, formiren die beider- seitigen ventralen Hautmuskelplatten eine Art von Hülle um den Rumpf. Diese Muskelhülle entbehrt nur 19 Die Hautmusculatur der Monotremen. 93 an wenigen Stellen des festeren Gefüges. Etwa 3 cm vor der Cloake divergiren die Bündel des weiblichen Exemplares von der Medianlinie aus; sie biegen zur Seite der Cloake aus und endigen in der subcutanen Fascie. So bleibt ein dreieckiges, medianes präanales Feld frei von Muskelbündeln. Lateral sich anschliessende Bündel strahlen in oberflächlicher Schichte in das Gewebe des Fettschwanzes, in tiefer Schicht zu den seit- lichen Wirbelfortsätzen des Schwanzes aus. Noch weiter lateral sich anfügende abdominale Muskelzüge erstrecken sich auf die hintere Gliedmaasse und endigen etwa in der subcutanen Fascie des Unter- schenkels. Mit den vorgeführten Verhältnissen stimmen in allen wesentlichen Punkten die vom Männchen auf Fig. I dargestellten Befunde überein. Das präanale, muskelfreie Feld ist hier kleiner als beim Weibchen. Die vielen Hautnerven, welche den Muskelschlauch durchsetzen, sind auf den Abbildungen nirgends dargestellt worden. Die nebenstehende Fig. II bringt die Ausbreitung des linksseitigen Hautmuskels sowie der sich ihm anschliessenden Partie der rechten Muskellage eines männlichen Exemplares zur Anschauung. Der bilaterale Muskel ist hier in einer Ausdehnung von etwa 7,5 cm median gespalten. Die Spalte besitzt eine grösste quere Ausdehnung von etwa 0,4 cm. An- deutungen einer medialen Längsspalte sind auch auf der Fig. I zu sehen. Dieser medianen Spalte parallel verläuft eine laterale Bündelspalte, in welcher die Ausführgänge der Mammardrüse lagern. Auch an diesem männlichen Exemplare divergiren die Bündel vor der Cloake, um gleiche Anheftungen am Ruderschwanze wie beim weiblichen Exemplare zu finden. Das dreieckige präanale, muskelfreie Feld ist ansehnlich entfaltet. Neben der medianen Spalte der Fig. ıı findet man hier und auf Fig. I beider- seits die Bündel auf eine grosse Strecke auseinanderweichend. Die so gebildete Längsspalte dient den zahlreichen Ausführgängen des Mammar- drüsen-Complexes zum Durchtritte. Die Ausdehnung der interfibrären Spalte stimmt auf Fig. 2 mit der Höhenausdehnung der Drüse überein, während sie beim Männchen der Fig. ıı bedeutend breiter und höher ist. Die Drüsenmündungen sind in engster Anpassung an die inter- fibräre Spalte längs gestellt; die beiderseitigen Complexe der Ausführ- Fig. ı1. Ventrale Hautmusculatur = x : j R eines Z Ornithorhynchus. !/,. Die beider- gänge laufen einander ungefähr parallel und sind beim Weibchen sowie seitigen Muskelplatten sind in der Me- dianlinie von einander getrennt. Die laterale Längsspalte zwischen den Bün- nung der Drüsenmündungen zwischen den Bündeln des Hautmuskels, die deln dient dem Durchtritte der Aus- . - P a R führungsgänge der Gland. mammariae. Correlation zwischen Beiden sind bedeutsame Erscheinungen. Vor ve sr ke (ON) besteht ein drei- Der Drüsenkörper breitet sich hauptsächlich lateral von den eckiges, muskelfreies Feld. Ausführgängen und der Längsspalte des Hautmuskels unter diesem aus. beim Männchen (Fig. 1) etwa 5 cm von einander entfernt. Diese Anord- Oralwärts dehnen sich nur kleine Drüsenpackete medianwärts aus. Die Fig. 2 und 3 orientiren über die Lage der Saugdrüsen eines Weibchens. Durch die Lage des Organs wird die Richtung der Ausführgänge eine bedingte. Dieselben sind fast durchweg medianwärts gerichtet, bevor sie die Muskelbündelspalte durchsetzen. C. GEGENBAUR (1886, p. 20) untersuchte ein gut erhaltenes, männliches Exemplar und fand, dass der voluminösere Theil der keulenförmigen Drüsenläppchen ausserhalb der Lederhaut lag, im lockeren g* 13* Die Hautmusculatur der Monotremen. 20 94 subceutanen Gewebe. Da die Läppchen nur 1,4—2 mm lang, die Mammardrüsen dementsprechend sehr reducirt waren, nahmen sie wohl auch nicht eine derartige Lage zum Hautmuskel ein, wie sie auf Fig. 2 erscheint. GEGENBAUR theilt indessen über das Verhalten der Mammardrüsen zum Muskel nichts Bestimmtes mit. Es steht fest, dass die Mammarorgane bei Ornithorhynchus in beiden Geschlechtern auftreten (GEGEN- BAUR, p. 16). Die Bedeutung dieser Einrichtungen beruht wohl nur scheinbar in der grossen Einfachheit der Ge- sammtanlage, welche im Vergleiche zu dem Befunde bei Echidna hervortritt. Wir unterscheiden bei Ornithorhynchus ein intermammares Feld, welches von der Hautmusculatur nahezu gleichmässig überzogen ist. Dieses Intermammarfeld büsste seine einheitliche Muskellage bei jenem Exemplare mit der medianen Spalte im Pannic. carnos. einigermaassen ein. Echidna, Gleichartigkeit der Ausbreitung besteht nicht; eine solche ist zunächst durch die mehrfache Schichten- bildung der von Humerus kommenden Portionen gestört. Die oberflächlichste, laterale Schichte enthält lateral- und caudalwärts verlaufende Bündel (Fig. 5 und 12h. v.!). Der nächst tieferen Lage h. v.? schliessen sich die medial aus der Episternalregion entstammenden an. Sie bilden gemeinschaftlich eine einheitliche ventrale Muskelplatte, deren Elemente wie beim Schnabelthiere zur subcutanen Fascie des Unterschenkels, der Cloaken- und der Schwanzregion sich ausbreiten. Die Dicke des Muskels spricht für dessen hohe functionelle Bedeutung. Die Fig. 5 belehrt rasch über Ausdehnung und Gruppirung. Zugleich führt sie auch die in der Medianebene aufgetretenen Sonderungen vor. CH. WESTLInG beobachtete die Festheftung des Hautmuskels von Echidna am Schwanze sowie in der Nähe der Fusswurzel an der Unterschenkelfascie (1889, p. 8). G. Mıvarrt beschränkte die Angaben über diese Verhältnisse auf die kurze Mittheilung, dass der Muskel am Schwanz und an der Tibia Anheftungen fände (1866, p. 379). b Es müssen hier noch einige genauere Angaben über die Ausbreitung der Ventralbündel über das Ende des Rumpfes und über die hintere Extremität folgen. Ich beziehe mich dabei auf die Fig. 5 und auf nebenstehende Fig. 12. Die zum Schwanze ziehenden Faserbündel laufen seitlich um die Cloake und strahlen zur Haut aus; sehr kräftige begeben sich zum ganzen hinteren Körperende, wo sie theilweise die Stacheln aufsuchen, welche caudal die Rückenhaut besetzen. Hierbei finden lebhafte Durchkreuzungen mit Hautinsertionen derjenigen Bündel statt, welche das Dorsum bestreichen und von den humero-dermalen Lagen herstammen. Die Fig. 12 verdeutlicht das Verhalten. Diejenigen ventralen Muskelbündel, welche lateral von den vorgeführten die ‚Gliedmaasse bedecken, schlagen sich allmählich von der Muskelfläche der letzteren zur Dorso-Lateralfläche des Oberschenkels herum und erscheinen auf der nebenstehenden Fig. 12 v.cfl. Diese den Schenkel umhüllenden Bündellagen finden ihre Insertion in der Nähe derjenigen Lagen, welche ventral die Hintergliedmaasse bedecken. Es besteht ein unmittelbarer Anschluss von den zum caudalen Körperende ziehenden an die um den Schenkel um- biegenden Bündel. Die lateralen Grenzbündel an der ventralen Körperfläche zeigen beim untersuchten Echidna-Männchen die auffallende Erscheinung, dass sie nicht mehr im Anschlusse an die von vorn kommenden Bündel sich befinden, vielmehr die Skeletanheftungen völlig verloren haben, um in caudaler Richtung von der Muskel- Seitenfalte, an welcher die dorsalen Stacheln beginnen, den Ursprung zu nehmen. Man findet sie unter 21 Die Hautmusculatur der Monotremen. 95 den Bündeln der Schichte A.v.! festgeheftet (cf. Fig. 12). Einige dieser aberranten, vom Skelete losgelösten Elemente strahlen in mehr oberflächlicher Lage über den Randmuskel A.v.! aus (Fig. 5). Vor dem Sternum und dem Halse zu sind die beiderseitigen Bündel des weiblichen Exemplares in geringer Ausdehnung von einander getrennt. Die Bündel, welche den Zwischenraum auszufüllen hätten, gingen eine gegenseitige Kreuzung ein. Die Bündelkreuzung wird dem Abdomen zu energischer, indem rechtsseitige Faserzüge allmählich in beinahe transversaler Richtung zur linken Körperseite verlaufen. Linksseitige Bündel haben eine minder starke Neigung angenommen. Die ebenfalls wahrnehmbaren Durchkreuzungen der medialen Bündel bei dem männlichen Individuum sind weniger intensive. Die Fig.5 zeigt, dass hauptsächlich rechtsseitige Bündel die Medianlinie überschreiten und dabei zarte linksseitige Fleischfasern bedecken. Es kommt nicht zu einem Querverlaufe der gekreuzten Bündel, wie dies beim Weibchen angetroffen worden ist. Die Durchflechtung des Hautmuskels in der Median- linie ist eine neue Erscheinung; ihr muss ein Zustand vorausgegangen sein, wie wir ihm etwa bei Ornithorhynchus begegnet sind. Echidna erhebt sich daher über letztere Form durch den Besitz des neuen bedeutungsvollen Zu- standes. Es bestehen keinerlei positive Kennzeichen dafür, dass Ornithorhynchus derartige Einrichtungen besessen habe. Die beiderseitigen medialen Muskelbündel bleiben beim Weibchen 2,5, beim Männchen 2 cm (Fig. 5) von einander entfernt. Sie umgrenzen am Abdomen bis zur Thoraxgrenze hin, indem sie weiter caudalwärts erst wieder zusammentreffen, ein ovales, beim Weibchen 6 cm, beim Männchen 8,5 cm hohes, der Musculatur völlig entbehren- des Feld. Eine caudale, sehr scharfe Abgrenzung des Feldes kommt bei allen untersuchten Individuen dadurch zu Stande, dass die caudalen Grenzbündel von der einen zur anderen Seite sphincterenartig umbiegen und darauf folgende in kräftigen Zügen einer Kreuzung unterliegen. Es sind dabei oberflächliche und tiefere, caudalwärts . 5 3 - Fig. ı2. Seitliche Ansicht des caudalen Körperendes weiter auslaufende Insertionsbündel zu unterscheiden. Die hinzieht. Die Bündelanheftung erfolgt an der ee TE *” Fascie des tiefer gelegen, dorsalen Längsmuskels, Sph.eoli, welcher bei weiterer dorsaler Ausdehnung schräg Kopf = Hals en ee 20. ne gerichtet caudalwärts sich wendet. Die ausgezackte Insertionslinie des Sphincter colli ist auf Fig. 16 bei dorsaler, auf Fig. 22 bei lateraler Ansicht dargestellt. Der Gesammtmuskel ist mittelst des Unterhautgewebes allenthalben sehr fest mit der Haut verlöthet (vgl. MECKEL). Die Wirkung des Muskels wird auf alle unter ihm befindlichen Organtheile hinzielen. Welche unter den letzteren den Hauptvortheil haben, ist schwer festzustellen. Es ist jedoch beachtenswerth, dass die vorderen seitlichen Bündel, welche die Backentaschen bestreichen, auch auf deren Inhalt einwirken werden. Auf der Fig. 24 ist die Lage dieser Buccaltaschen in uneröffnetem, auf mehreren anderen Ab- bildungen in eröffnetem Zustande dargestellt. 130 Die Hautmusculatur der Monotremen. 56 Anheftungen ans Skelet sind nirgends deutlich ausgesprochen, und dennoch leitet sich der Muskel von einem bei Fischen, Amphibien und Reptilien an die Mandibula gehefteten Gebilde her. Ich halte es für bedeutungsvoll, dass der bei Ornithorhynchus vom Skelete befreite Muskel in Wiederholung früherer phylogenetischer Einrichtungen noch den grössten Theil der Regio intermandibularis einnimmt. Auch schien es mir, als ob vorderste zarte Bündel (Figg. ı und 22) noch lockere Beziehungen zur Mandibula vor der Backentaschen besitzen möchten. Jedenfalls haben sie ihre functionelle Bedeutung in sehr erheblichem Maasse eingebüsst. Echidna. Der Sphincter colli dehnt sich in einheitlicher Lage über die Regio mandibularis, den Hals und einen Theil der Brust aus. Hier finden die Durchflechtungen mit dem subcutanen Rumpfmuskel statt. Die Bündel des letzteren strahlen rechts beim weiblichen Exemplare in einer etwa 3 cm breiten Lage zwischen denen des Halsmuskels aus. Zarte laterale Fasern bewahren eine oberflächliche Lage (Fig. 10). Auf der linken Körperseite schieben sich mediale Bündel des thoracalen Hautmuskels unter, lateral sich anfügende aber über und zwischen Theile des Sphincter colli. Dieser schiebt seine medianen Theile keilförmig zwischen jenen ein. Die Ausdehnung des Sphincter colli in thoracaler Richtung und dessen Bündelanordnung tragen ein differenteres Verhalten als bei Ornithorhynchus zur Schau. Vorn sind die Querbündel auch bei Echidna zart, der Brust zu werden sie kräftiger. Der vordere Muskelrand ist nicht scharf markirt; er entfernt sich von der Mundspalte beim Weibchen ca. 5 cm, beim Männchen ca. 4 cm (Fig. 5). Bis zur Mitte des Halses waltet der primitive quere Faserverlauf vor, und hierin stimmt dieser Theil mit dem ganzen Muskelverhalten bei Ornithorhynchus überein. In der Mitte des Halses tritt eine Kreuzung der Bündel beider Seiten auf, welche brustwärts rasch äusserst lebendig wird, indem der quere Verlauf zugleich mit einer mehr und mehr schrägen Richtung vertauscht wird. Man erkennt dies Verhalten bei den beiden hierauf genauer untersuchten Individuen auf Fig. 5 und auf Fig. ı0o. 'Die Befunde stellen uns lehrreiche leichte Schwan- kungen in der Art der Kreuzung und der Lebhaftigkeit des Faseraustausches vor, welcher beim Weibchen bevorzugt erscheint. Zwei breite Bündelmassen treten auf Fig. 10 von der linken zur rechten Seite hinüber und endigen in oberflächlicher Lage; sie werden dabei von rechtsseitigen Faserbündeln durchsetzt, welche links in die Fascie auslaufen. Mit auftretender Kreuzung tritt die bilaterale Symmetrie wieder in die Erscheinung. Dieselbe ist vorn verwischt. Vielfache Hautnerven, von denen auf Fig. I0 zwei dargestellt sind, durchsetzen den Sphincter coll. Auf der Fig. 5 herrscht eine regelmässigere Durchkreuzung von zarten Bündeln vor. Der Theil der Bündel, welche einer medianen Kreuzung unterliegen, sowie sämmtliche Querbündel lassen sich, wie bei Ornithorhynchus, im oberflächlichen Verlaufe zur Seite des Halses verfolgen, wo sie zur Haut sich begeben und theilweise auf dem tiefen Facialislängsgebiete sich ausbreiten. Die von der Seite aufgenommene Ansicht zeigt auf Fig. 23 die längsverlaufende Insertionslinie, welche zwischen Auge und Ohr mit dorsal gerichteter, convexer Ausweichung versehen ist. Das hintere Ende der oberflächlich in- serirenden Bündel befand sich etwa 3 cm hinter der äusseren Ohröffnung. Die Fig.23 bezieht sich auf die Befunde eines bereits im Jahre 1885 in Heidelberg, zergliederten Exemplares. In Bezug auf die Insertion der oberflächlichen Bündel des Sphincter colli ist die Uebereinstimmung bei Echidna und Ornithorhynchus sehr deutlich ausgesprochen. Ganz gewaltige Abweichungen sind bei Zchidna in den Bündellagen aufgetreten, welche hinten an die oberflächlich inserirten sich anschliessen. Entstandene Differenzirungen sind wohl z. Th. durch den 57 Die Hautmusculatur der Monotremen. 131 schrägen Verlauf der median gekreuzten Fleischbündel eingeleitet worden. Es handelt sich zunächst um die Ausbildung bedeutsamer, tiefer inserirter Lagen am Halse. Diese sind durch früh erworbene Beziehungen zum Öhrknorpel ausgezeichnet. Zweitens empfängt das System des Sphincter colli eine nennenswerthe Bereicherung durch eine Ausdehnung über die vordere Gliedmaasse. Diese beiden Producte des Sphincter colli werden bei Ornithorhynchus vermisst. Die tiefen Insertionen des Sphincter colli werden bei Zchidna aus den Bündeln geformt, welche im Anschlusse an die gekreuzte Halsportion und vorn an der Brust entstehen und hier mit dem subcutanen Rumpfmuskel sich verflechten. Man erkennt dies auf der Fig. 10, wo seitlich am Halse vor der Extremität längsverlaufende Züge un- ter den oberflächlichen Sphincterlagen hervor- brechen, um in breiten Lagen über dem Brust- halstheile des Sphincter sich auszubreiten. Eine ganz ähnliche Combina- tion der Bündelverschie- bungen liegt bei den zwei anderen Exemplaren vor, worüber die Figg. 5 und 23 sowie Fig. 5 der Taf. XII Auskunft geben. Im lateralen hinteren An- schlusse an die tiefen Fig. 23. Seitliche Ansicht der oberflächlichen, vom N. facialis versorgten Musculatur ’ von Echidna. *,. Die primitive Ohrmusehel ist aus dem Muskellager, in welches sie eingebettet Sphincterbündel kam es war, herauspräparirt, so dass sie mit freiem Rande sich zu erheben scheint (vgl. Fig. 5, Taf. XII). zur Bildung einer die Extremität umhüllenden Schichte, die unten eingehender zu besprechen ist. Die tiefen Bündellagen, soweit sie am Halse Insertionen besitzen, passiren den seitlichen Halskopftheil und streben auf Fig. 2I in einer etwa 3 cm breiten Lage dem abwärts gerichteten und umgekrempelten Randtheile der schön ge- formten Ohrmuschel zu. Die Insertionen erstrecken sich bis zu der nach vorn frei auslaufenden Kante jenes Muschelrandes der Auricula. Die tiefe Portion des Sphincters ist auf jener Figur bei seitlicher Ansicht etwa 2 cm vom Ohr entfernt durchschnitten. Vor ihnen werden der Nerv. facialis und der Gehörgang sichtbar. Ausserdem befinden sich vor ihnen die Insertionsportionen kräftiger, vorderer Muskeln. Die auricularen Sphincterinsertionen konnten nur nach der Entfernung vielfacher, oberflächlich verlaufender Längsbündel, die ihren Ursprung am Öberkiefer besitzen und in dessen Nähe quer durchschnitten worden sind, zur An- schauung kommen. Auf der Fig. 23 und Fig. 5, Taf. XII sind die auricularen Bündel bis zum Eintreten unter die Längsbündel dargestellt; sie erscheinen im Anschlusse an die oberflächlichen Sphincterbündel. Die hinteren tiefen Bündel der Fig. 23 begeben sich ebenso wie entsprechende Bündel auf Fig. 21 nicht mehr zur Muschel, sondern zur Haut hinter derselben. Die Figg. 21 und 23 helfen die Vorstellung vom complicirten Thatbestand, wennschon sie Befunde von verschiedenen Exemplaren wiedergeben, ergänzen. Die Wirkung der Ohrportion darf in dem Herabbewegen des unteren Ohrmuschelrandes gesucht werden. Eine derartige Wirkung fällt mit einer Erweiterung der Muschelhöhle zusammen. Jenaische Denkschriften. V. 8 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 18 132 Die Hautmusculatur der Monotremen. 58 Auriculäre Bündel des Sphincter colli fehlen dem Schnabelthiere. Ihre Existenz setzt diejenige wohl entfalteter Ohrmuscheltheile voraus. Solche fehlen aber im Vergleiche mit Echidna bei Ornitho- rhynchus. Die Aurikel ist bei letzterem entweder wenig zur Entfaltung gekommen, oder sie hat wie so manches andere Organ Rückbildungen erlitten; jedenfalls ist das Fehlen jener Muskellagen bezüglich der überall herrschenden Correlationen nicht befremdend. Der Befund bei Echidna bezeichnet etwas Vollkommneres, und solange keine stichhaltigen Gründe dafür angeführt sind, dass die Ohrmuschel und deren Musculatur bei Ornithorhynchus in einem Rückbildungszustande sich befinden, kann der Zustand bei Echidna als ein auf dem Boden vom Verhalten bei Ornithorhynchus höher differenzirter ausgegeben werden. Im Gegensatze zu manchen Organen bei Echidna verharren diejenigen bei Ornithorhynchus fraglos in einem wenig hochstehenden Entwickelungsstadium. Ich nehme an, dass, nachdem die Sphincterbündel durch Anheftung an den Ohrknorpel von Echidna einmal eine gewisse Fixation erlangt hatten, die Fleischfasern des vom Kieferapparate auslaufenden Längs- muskels sich über die Auricularportion nach hinten hin ausgedehnt haben. Auf diese Weise ist wenigstens die tiefe Lage hinterer Sphincterabschnitte ohne weiteres verständlich, und was noch wichtiger ist, diese Zustände lassen sich auf Einrichtungen, welche bei Amphibien angetroffen werden, ziemlieh direct beziehen. Der Sphincter colli hat bei Echidna hintere Bündellagen entstehen lassen, welche im Anschlusse an die auricularen sich über die vordere Gliedmaasse ausbreiten, um von hier aus sowohl zur lateralen Brustwand als auch zum Rücken zu gelangen. Die ventral ausgebreitete Portion (Fig. 10) des Facialis- gebietes bedeckt die Extremität bis zum Handgelenke. Ihre medialen Bündel ziehen senkrecht zur Brust, die lateralen Theile begeben sich in mehr und mehr gebogenem Laufe zur Seitenfläche des Thorax und reichen hier hinauf bis zur Achsel. Sie inseriren an Haaren und Stacheln. Man erkennt, wie tiefe, humero- dermale Bündellagen aus dem Gebiete der thoracalen Hautmusculatur (A. v.?) in lateraler Flucht immer aufs neue zum Vorschein kommen. Auf der Fig. 21 ist diese ventrale Schichte bei lateraler Ansicht dargestellt. Der Anschluss an die auricularen Bündel sowie die Innervation berechtigen zu der vorgetragenen An- sicht, dass die oberflächliche ventrale Gliedmaassenschichte als eine Portion des M. sphincter nervi facialis aufgefasst werden müsse. Diese Facialisschichte überlagert die Skeletportionen des subcutanen Pectoral- muskels (R. v.). Die Ueberlagerung der Hautrumpfmusculatur durch eine Facialisschichte in der vorgeführten Weise kam beim weiblichen Exemplar zur Beobachtung. Beim männlichen Individuum der Fig. 5 stösst die Deutung des Befundes insofern auf geringere Schwierigkeiten, als die ganze Extremitätenschichte, die ich dem Facialisgebiete zuzuzählen geneigt bin, sich durch eine Zwischensehne (T. i.) von der ober- flächlichsten humero- dermalen Musculatur schärfer abgrenzt (h.v.!). Der Bündelanschluss an die Sphincter- lagen ist auch hier ein unmittelbarer. Intermediäre zarte Faserzüge strahlen auf den Längszügen der Episternalgegend aus. Die schärfere Abscheidung der Facialis- von der Pectoralismusculatur tritt auch auf der Fig. 20 auf, wo die Insertionsstrecken dargestellt sind. Einige cranialwärts gelegene der sonst ventral verbleibenden Fleischbündel setzen sich halswärts von der Gliedmaasse dorsalwärts fort und endigen im Anschlusse an die Ohrbündel an der Haut hinter der Ohr- muschel, nachdem sie streckenweise von oberflächlichen Längsbündeln bedeckt gewesen sind. Einige dieser Bündel überlagern in anderer Ausdehnung die Ohrportion, um dann selbst noch den unteren Rand der Auricula zu erreichen (Fig. 21). Die hinter dem Ohr sich anfügenden Muskelbündel weichen allmählich in caudaler Flucht aus einander und inseriren am Integumente. Sie bedecken dabei abgesprengte Längsmuskel- 59 Die Hautmusculatur der Monotremen. 133 bündel sowie die an sie angeschlossenen Bündelmassen der radio-dorsalen Schichte der subcutanen Rumpf- musculatur. Diese radio-dorsale Schichte besteht aus Elementen, welche sich in der Nachbarschaft des Sphincter colli so eingebürgert haben, dass, da die Innervation unbekannt geblieben ist, es nicht sicher auszumachen ist, ob die frühere Zutheilung zur Hautrumpfmusculatur völlig gerechtfertigt ist; denn von der oberflächlichen Fascie und von den Skelettheilen der Extremität entstehend, breiten sich die mächtigen Fleischbündel, wie die Fig. 21 lehrt, fächerförmig in medialer und caudaler Richtung derartig aus, dass sie allenthalben mit Bündeln aus dem Facialisgebiete sich durchmischen. Die Insertion liegt auch für sie im Integumente. Die gestreckten, caudal verlaufenden lateralen Bündel fanden den Anschluss an die Haut- insertionsbündel der Pectoralportion A. v.', welcher Umstand neben der Uebereinstimmung mit einem gleich ausgebreiteten Gebilde bei Ornithorhynchus Ursache für die Einordnung des Muskels in die genannte Gruppe gewesen ist. Die Wirkungsweise der die Gliedmaasse ventral bekleidenden Muskelschichte kann als eine selb- ständige nicht vorgestellt werden. Die allenthalben vor- liegende Verschmelzung mit anderen Muskeln schliesst wohl die Selbständigkeit der Wirkung aus. Bei Ornithorhynchus fehlt eine ventrale Schichte an der vorderen Extremität, die dem Facialisgebiete zugehört. Nach Entfernung des Sphincter colli wurden bei Ornitho- rhynchus zarte Muskelbündel darstellbar, welche die Mitte der Halsgegend durchqueren. Sie sind auf Fig. 24 abgebildet. Unweit der Medianlinie entstehen sie am Visceralskelete, divergiren lateralwärts und strahlen auf den Längsbündeln der Facialis-Musculatur aus. Die hinteren Fasern scheinen rückwärts in die Längsbündel einzubiegen. Dieser tiefe quere Halsmuskel wird von cervicalen Hautnerven mehr- fach durchsetzt. In seiner Umgebung treten zahlreiche kleine Lymphdrüsen auf. Der Muskel bedeckt die Vena h Nn. cut. jugularis und liegt mit dem medialen Theile vor der DerVio, Glandula submaxillaris. Ich bin der Meinung, dass das betreffende tiefe Muskelgebilde dem Musc. sphincter colli zugehört, aber von diesem abgesprengt oder als ein Rest früherer be- deutenderer Einrichtungen aufzufassen se. Aus dem alleinigen Befunde, welchen die Fig. 24 vorführt, lässt sich nichts Bestimmtes über die Abstammung des tiefen Muskels aussagen. Eine glücklichere Deutung kann ihm bei einem Vergleiche mit Amphibienbefunden zu Theil werden. Wichtiger gestalten sich tiefe Bündellagen in der / Unterkiefergegend bei Echidna. Auch ist es nicht aus- geschlossen, dass sie mit den tiefen Bündeln bei Ornitho- In| ann! i i i finden. ; rhynchus in näherem genetischen Verbande sich befinde BE REN neniee Her Mpakelı von, Omiing- Auch diese tiefen Bündel sind bei Echidna vom Sphincter rhynehus, welche nach der Entfernung des Sphincter colli ö b : hau treten. 4). colli bedeckt und halten wie dessen Elemente einen Ur Schau treten. ‘, 8* 18* Die Hautmusculatur der Monotremen. 60 134 mehr schrägen, rück- und medianwärts gerichteten Verlauf inne. Die Innervation durch Zweige des Facialis konnte bestimmt werden. Bei ventraler Ansicht geben uns die Figg. 25 und 26 von der An- ordnung der tiefen Bündellagen Aufschluss, Seitliche Ansichten von denselben bringen die Figg. 21 und 23. Die deutlichste Vorstellung von den betreffenden tiefen Muskelbündeln giebt wohl die Fig. 26. Es mussten, um die Ausbreitung vollkommen darstellen zu können, einige weiter auf die vordere Hals- fläche ausgreifende Portionen des Facialis-Längsmuskels entfernt werden, welche auf der Fig. 25 dargestellt sind. Die betreffenden transversal und etwas schräg gerichteten tiefen Elemente treten in zwei Gruppen auf, in einer vorderen und in einer hinteren. Die hinteren Bündel entstehen mit zarten Zügen etwa in der Medianebene; sie sammeln sich lateral und vorn zu einem etwa 0,5 cm breiten Bündel, welches zum Kiefer- ursprunge des Längsmuskels hinzieht, wo es mit dem letzteren zusammenhängt. Diese Verbindung beider Muskeln am Skelet kann zur Annahme hinleiten, die transversalen Halsbündel durch Aberration von Längsbündeln entstehen zu lassen. Diese Annahme liesse sich vielleicht noch tiefer dadurch begründen, dass einige Längsbündel die transversalen Züge theilweise bedecken und dadurch vom Sphincter colli mehr abscheiden (Fig. 25). Andererseits dürfte den tiefen Halsbündeln die sehr viel höhere morphologische Bedeutung zu- gesprochen werden, die sie zu einem Bindemittel zwischen dem Sphincter colli und dem Längsmuskel stempelt. Die Entscheidung hierüber wird erst zu geben sein, wenn ein grösseres und günstiges Vergleichungsmaterial vor- liegt. Die Befunde bei den so abseits stehenden Formen an und für sich lassen die Entscheidung mit Sicherheit nicht zu. Ich halte es auf Grund der Befunde bei Amphibien, welche hier nicht besprochen sein können, für sehr wahrscheinlich, dass wir es mit tiefen Sphincterportionen zu thun haben, welche einen secundären Anschluss an das Längssystem aufs neue gewinnen und einen primären Zusammenhang mit letzterem nur vortäuschen. Die ursprüngliche Einheitlichkeit beider Systeme wird bei Fischen vorgefunden. Das weiter vorn gelagerte Bündel besteht aus den zar- testen Elementen, von denen eine Anzahl hinterer gleiches Schicksal der Anheftung wie die erstgenannte Portion trifft. Eine Anzahl vorderster Bündel indessen begiebt sich zur Maxilla. Es liegt die sehr unmittelbare Anlehnung rückwärts an den hier entspringenden Längsmuskel, nach vorn an den Fig. 25. Ventrale Ansicht der an der Seiten- 5 > R 5 fläche des Halses verlaufenden Muskeln nach der Zwischen Ober- und Unterkiefer bis zur Mundspalte hin aus Entfernung des Sphincter colli. Eehidna. *,. gedehnten Muskel vor, welcher den Namen eines primitiven M. buccinatorius verdient. Der Zustand des Zusammenhanges dieser tiefen, quer bis schräg verlaufenden Halsbündel mit dem Längsmuskel am Kieferapparate erhält meines Erachtens keine grössere Tragweite, wennschon bei niedersten Formen an entsprechenden Stellen ein genetischer Zusammenhang zwischen ventralen und dorsalen Theilen der Facialis-Musculatur vorliegt, welche bei den Monotremen im Sphincter colli und im Längsmuskel auftreten. Der unmittelbare Zusammenhang der tiefen Elemente mit dem primitiven Buccinator wird in gleicher Weise durch Zustände bei niederen Wirbelthieren verständlicher, indem der Sphincter colli noch 61 Die Hautmusculatur der Monotremen. 135 bei Amphibien und Reptilien Elemente besitzt, aus welchen sich ein Buccinator von Echidna gebildet haben kann. Von den tiefen Sphincterbündeln wären bei Ormnithorhynchus weniger zahlreiche als bei Echidna bestehen geblieben, und diese wenigen selbst hätten den innigen Zusammenhang mit dem dorsalen Längs- muskel des Facialisgebietes nicht erworben, wodurch ein weniger vorgeschrittener Zustand sich ausdrückte. Ich darf indessen nicht unerwähnt lassen, dass die vordersten Sphincterbündel bei Ornithorhynchus unterhalb des Auges sich in der Nähe des Ursprunges des Längsmuskels verlieren (vgl. Figg. 16 und 22), und dass diese Nachbarschaft eine Erinnerung an den Zusammenhang ventraler und dorsaler Gebiete wachrufe. In welchem Lichte auch die vergleichende Anatomie einmal die tiefen ventralen Bündel von Echidna wird hervortreten lassen, immerhin leiten sie uns zur Betrachtung des M. buccinatorius, sowie des dorsalen Längsgebiietes, mit welchem sie fraglos genetische Verwandtschaft besitzen. Der primitive M. buccinator kommt allein der Echidna zu. Sein Fehlen beim Schnabelthiere wird aus der Gestaltungsweise des ganzen Kieferapparates und der Mundspalte verständlich. Die Wandungen der Backentaschen sind bei Ornithorynchus wohl von einer kräftigen Musculatur umgeben; dieselbe besitzt aber, wie ich / meine, keine morphologische Uebereinstimmung mit dem EN „Buccinator“ von Echidna. Hier besteht eine Divergenz in der Organisation beider Vertreter der Monotremen. — ] Den vorderen, vom Halse kommenden und zum Skelete ziehenden tiefen „Sphincterbündeln‘“ schliessen sich bei Echidna I Buce. kurze Elemente an, welche in continuirlicher Schichte bis zur & Mundspalte zwischen Ober- und Unterkiefer sich ausdehnen, EN Die Bündelgruppen sind senkrecht zur Längsachse der Kiefer i gestellt, liegen unmittelbar unter dem Integumente und sind nur bei sorgfältiger Lostrennung des letzteren unbeschadet in ganzer Ausdehnung zu erhalten. Andererseits ist die Schichte fest der Mundschleimhaut angelagert. Dadurch ergiebt sich die Anheftung am Oberkiefer und an der Mandibula an Linien, welche längs der Umschlagsstellen der Schleimhaut auf die Skelettheile verlaufen. Man mag den Ursprung auf den Ober- kiefer, die Insertion auf die Mandibula verlegen. Es ist von untergeordneter Bedeutung, dass die Bündel des primitiven Buccinator hier steil, dort leicht gebogen, mit vorwärts gerichteter Concavität verlaufen, dass sie hier eng geschlossen, dort locker an einander gefügt sind. Es ist jedoch von Interesse ee zu sehen, wie die vordersten, die Mundspalte umgrenzenden Seite des Halses nach Entfernung einiger Längsbündel, Elemente (Figg. 21, 26, 32) sehr kräftig entwickelt sind und “elche auf Fig. 25 erkennbar sind. Eehidna. %,, oben sowie unten sehr weit auf das Skelet vorspringen. Da- durch empfangen sie den Charakter eines allerdings noch deutlichst in zwei Hälften getrennten Sphincter oris. Der primitive Buccinator befasst wohl das Material, aus welchem bei höheren Säugethieren ein bucco-labialer Muskel sich hervorgebildet hat. Er selbst jedoch verdient das Prädikat eines sochen bei Echidna noch keineswegs. Der primitive Musc. buccinatorius wird dem Vorgehenden gemäss bei Echidna im genetischen Zu- Die Hautmusculatur der Monotremen. 62 136 sammenhange mit tiefen Sphincterbündeln angetroffen. Dieser Befund scheint mir für die Lehre der Gesichtsmusculatur überhaupt von Bedeutung zu sein, da wir hier eine sehr einfache Muskelanordnung vor uns haben, welche den Ausbau des bei höheren Mammaliern complicirten und abgesonderten Buceinators ahnen lässt. Werden dadurch auch nicht alle Schwierigkeiten der Ableitung eines M. buccinatorius völlig gehoben, so empfangen wir doch durch den Befund bei Echidna neue Anregung. Aeste des Nervus facialis sind bis in die Nähe der hinteren Bündel des Buccinator, aber zu letzterem selbst nicht verfolgt worden. Der hintere Rand der tiefen, vorn ansgebreiteten Sphincterlage lehnt sich bei Echidna (Fig. 26) an oberflächliche Lagen des dorsalen Längsmuskels an. Die Insertion der weiter rückwärts gelegenen Gruppe tiefer Sphincterbündel zeigt durch die Anheftung an den Unterkiefer engeren Verband mit tiefen, vom Kiefer zur Aurikel ziehenden Schichten der Längsmuskellage. Der Sphincter colli der Monotremen ist der Hauptsache nach ein ventraler Muskel. Von der Ventral- fläche aus gelangt er bei Echidna über die Seite des Halses in dorsale Gegenden, in diesen von der vorderen Gliedmaasse aus bis zur Ohrmuschel. Ausser diesem ventralen Muskel gehört in das Gebiet des N. facialis ein dorsaler Muskel, auf welchen ich bereits mehrfach habe hinweisen müssen, welcher bei sehr reichlichen Gliederungen um Auge und Ohr die ihm zugehörige dorsale Lagerung nicht verleugnet, wennschon er Bündelmassen über die Seite zur Ventralfläche des Halses herabsendet. Die Bündel dieses dorsalen Muskels sind der Haupt- sache nach längs verlaufend und sind hier und dort in ausgesprochener Weise senkrecht gegen die Bündel des Sphincter colli gestellt. Diese dorsale Facialismusculatur ist bezüglich ihrer hauptsächlich längs verlaufenden Anordnung der Bündel für beide Vertreter der Monotremen nahezu gleichartig. Ausserdem liegt in der Anheftung am Skelete der Kieferregion für beide etwas sehr Uebereinstimmendes. Am Kieferapparate liegt das Punctum fixum, der Ursprung für den dorsalen Längsmuskel. Von der Kieferregion erfolgt die Wirkung auf die Haut der Lidspalte, der Ohröffnung, auf die Backentasche von Ornithorhynchus sowie auf das übrige in das Bereich der Insertionen gezogene Integument und dessen Produkte. Wir stellen den dorsalen Längsmuskel für sich in eingehender Weise dar und wollen denselben in seinen einzelnen Abschnitten vergleichungsweise bei Ornithorhynchus und Echidna betrachten. Ventrales und dorsales Facialisgebiet zeigen gemeinsame Anheftungen an das Skelet der Kiefer- region und an die Ohrmuschel. Die Anheftungen an das erstere leiten den vergleichenden Blick auf einen scheinbar ursprünglichen Zusammenhang, diejenigen an die letztere auf sicherlich erst erworbene Gemein- samkeiten. Trotz sehr grosser Specialisirungen. haben sich auch im dorsalen Facialisgebiete viele indifferente Zustände erhalten, wie sie sonst nirgends unter den Säugethieren mehr aufzutreten scheinen. 2. Die dorsale Längsmusculatur. Ornithorhynehus. Die Maxilla bietet unter der Orbitalhöhle dem Muskel ansehnliche Ursprungsflächen dar. Diese liegen hinter der Hautkappe, welche längs der Mundspalte dorsalwärts sich erhebt. Der Muskel entspringt zugleich vor und etwas aufwärts von der Backentasche und dem hier befindlichen Zahnapparate. 63 Die Hautmusculatur der Monotremen. 137 An der vorderen Wandung der Tasche greifen Ursprungsbündel bei abnehmender Mächtigkeit auf die Mandibula über. Alle Bündel verlaufen von der Maxilla aus rückwärts über die Backentasche; sie formen anfangs an der Seite des Kopfes eine breite Muskellage, welche weiter hinten zur Rücken- und Ventralfläche von Kopf und Hals sich ausbreitet. In dieser Anordnung erscheint der Muskel auf Fig. 27. Die dorsalen Grenzbündel des Längsmuskels ziehen unter Auge und Ohr rückwärts; sie lehnen sich daher dem hinteren Rande der äusseren Ohröffnung innigst an und ziehen von hier aus median-dorsalwärts, was auch die Figg. I7 und IS wiedergeben. Die Bündel halten hier einen beinahe queren Ver- lauf inne. Rückwärts schliessen sich die zur Bil- Longitr = örs. dung einer Nackenplattte bestimmten, sehr Fig. 27. Seitliche Ansicht von Kopf und Hals des Schnabel- . r E thieres. '/,. Man erkennt die Ausbreitung der dorsalen Längsmuscu- vom Kieferskelete entspringen. Nach vorn latur des Facialisgebietes, nach Entfernung des Sphincter colli. kräftigen Bündel an, welche insgesammmt sind indessen Fleischfasern angereiht, welche auf den medialen Rand der äusseren Ohröffnung bis zu deren vorderer Abgrenzung sich fortsetzen. Man erkennt sie in medialem, transversalem Verlaufe auf Figg. 17, 18. Gemeinsam mit einigen vom Öber- kiefer entspringenden Bündelgruppen gehen sie in eine glänzende Aponeurose über, mittelst deren sie der dorsalen Medianlinie adhäriren. Median in dieser Aponeurose liegt das Rudiment eines Parietalauges (Figg. 16, 17). Dasselbe orientirt zugleich über die Region am Schädel, von welchem keine Skelettheile sichtbar sind. Wir haben es hier mit einem zur äusseren Ohröffnung abgezweigten Gliede des dorsalen Längs- muskels zu thun, dessen Punctum fixum wir in der Medianebene, dessen Punctum mobile wir am Ohre suchen müssen. Der Lage nach ist der durch die Beziehung zum knorpeligen Gehörgange — von einer eigentlichen ÖOhrmuschel kann kaum gesprochen werden, wennschon manche Theile einer solcher unterschieden werden können — ein Musc. auricularis dorsalis s. posterior zu heissen. Seine Wirkung ent- spricht wohl einer Erweiterung der Ohröffnung. Dieser Muskel darf in seinen allgemeinen Beziehungen mit dem gleichnamigen der höheren Formen wohl identificirt werden. Man wird jedoch im M. auricularis dorsalis von Örnithorkymcehus zugleich das Material erblicken müssen, aus welchem ein menschlicher Trans- versus nuchae, Occipitalis und die auf die mediale Fläche abgelagerten Musc. transv. et obliquus auriculae sich haben differenciren können. Die caudalwärts an die Ohrportion angeschlossenen Muskelbündel nehmen am Nacken allmählich einen schrägen und dann einen längs gerichteten Verlauf an. Sie lehnen sich in der Regio interscapularis, wie früher erwähnt, so unmittelbar an die dorsalen Theile des thoracalen Haut-Rumpfmuskels an, dass die Grenze zwischen ihnen nicht überall mit gleicher Schärfe erkennbar ist. Zur Seite des Halses bedecken oberflächlich inserirte Dorsalbündel des pectoralen Muskels diejenigen Portionen, welche von der Kieferregion über die Wangentasche direct caudalwärts ziehen. Hieraus formt sich eine breite Schichte, welche am Skelete der vorderen Gliedmaasse sich festheftet. Dieses ist auch von Elementen des thoracalen Hautmuskels aufgesucht. Die gegenseitigen Lagebeziehungen der beiden Hautmuskelgebiete sind auf Fig. 27 bei seitlicher, auf Figg. 16, 17, 18 bei dorsaler Ansicht zur An- schauung gebracht. 138 Die Hautmusculatur der Monotremen. 64 Die seitlichen Abschnitte des dorsalen Längsmuskels sind in der Nähe der Anheftungsplätze an das Skelet von oberflächlichen und tiefen Bündeln des thoracalen Haut-Rumpfmuskels wie eingefasst. Die Ueberlagerung ist durch den thoracalen Muskel, welcher der Nackengegend ursprünglich völlig fremd gewesen ist, eingeleitet und ausgebildet worden. Es ist eine hervorstechende Erscheinung, dass die subcutanen Muskeln die hervorragenden Skelet- theile zur Befestigung aufsuchen, um von ihnen aus energischer auf die beweglicheren Theile wirken zu können. Die distale Grenze des dorsalen Facialisgebietes wird nach der Entfernung von oberflächlichen Faser- lagen erkennbar. Auf Figg. 17 und 27 strahlen diejenigen Elemente gegen die Schulterregion hin frei aus, welche die Lücke zwischen den rein dorsalen und den lateralen Muskelsträngen erfüllen. Die humeralen Bündel sind der Ausgangspunkt für die Ausbildung einer vollkommen selbständigen tieferen Muskellage geworden. Die bevorzugte Skeletanheftung mag als günstiges Moment für diese Neu- bildung betrachtet werden. In ähnlicher Weise kam ja auch die oberflächliche dorso-axillare Schichte zu Stande, welche von den Anheftungsstellen an die Extremität aus zur Abspaltung sich anschickte, Nach der Entfernung der oberflächlichen Lage der Dorsalschichte erscheint auf Fig. 28 der tiefe dorsale Facialismuskel in seiner ganzen Ausdehnung. Bandartig erstreckt sich der Muskel vom Skelete der vorderen Gliedmaasse mit parallel verlaufenden Bündeln median- und kopfwärts. Er geht in eine glänzende Aponeurose über, durch welche er an die Medianlinie befestigt wird. Die distalen (caudalen) Randbündel des „humero-cranialen“ Muskelstreifens (R.-er.) endigen auf dem Schädel etwa in gleicher Höhe mit der Lage des Parietalauges. Der orale Rand bleibt 1 cm von der Ohröffnung entfernt. Zwischen diesem cranio-humeralen, tiefen Muskel aus dem Facialisgebiete und der oberflächlichen Schichte der dorsalen Musculatur hat sich das tiefe Muskelband des thoracalen Haut-Rumpfmuskels eine Strecke weit emporgeschoben, um zur Fascie der Unterfläche der dorsalen Facialisschichte zu gelangen. Man übersieht diese Verhältnisse auf Fig. 18 am besten, wo das costo-nuchale Muskelband (ec. n.) in seiner Insertion sowie in seiner Ausbreitung über den tiefen cranio-humeralen Facialismuskel erkannt wird. Auf Fig. 28 ist der costo-nuchale Muskel (aus dem Pectoralisgebiete) durchschnitten und nur andeutungsweise abgebildet; auf diese Weise tritt der eranio-humerale Muskel (Facialisgebiet) ganz in die Erscheinung. Auf Fig. 21 scheint der Muskel, von der Seite aus gesehen, durch die Bündel der oberflächlicheren Lage hindurch. Auf der gleichen Figur sind die Nervenäste, welche vom Facialis sich loslösen und in distaler Richtung zur Unterfläche des cranio- humeralen Gebildes gelangen, dargestellt. Den distalen, medianwärts gerichteten Randbündeln des Muskels fügt sich ein Glied der Accessorius- gruppe sehr eng an (Fig. 28). Dasselbe entsteht an der gleichen medianen Aponeurose wie der cranio- humerale Muskel des Facialisgebietes. Das, was die Fig. 28 lehrt, kommt noch schärfer durch Heranziehen der Fig. 29 zum Ausdrucke. Hier ist nach Entfernung des tiefen dorsalen Facialismuskels bis auf dessen Ursprungsportion am Schädel die gesammte tiefer gelegene Accessoriusgruppe zur Darstellung gelangt. Die bildliche Wiedergabe wird vor dem Vorwurfe schützen müssen, dass hier nicht scharf genug gesondert wäre zwischen den vorliegenden Grenzgebieten. Der Ursprung des cranio-humeralen Muskels aus dem Facialis- gebiete in einer mehr oberflächlichen Lage setzt sich vom Accessoriusgebiete scharf ab. Nur in der cranialen medianen Aponeurose liegt hier für beide Muskelgruppen das Gemeinsame. Die Aeste der N. facialis sind zu dem cranio-humeralen Muskel verfolgt worden (Fig. 28); der N. accessorius lagert in einer sehr viel tieferen Lage, bedeckt von den Muskeln, die er innervirt (Fig. 29). Die Differenz zwischen beiden sich berührenden Grenzgebilden tritt aber auch darin sehr scharf hervor, dass der Facialismuskel von der Aponeurose am Cranium zum Skelete der freien Gliedmaasse sich 65 Die Hautmusculatur der Monotremen. 139 begiebt, der Accessoriusmuskel oben zum Schultergürtel sich abzweigt (vgl. Figg. 28 und 29). Der Nerv. facialis entsendet gemeinsam dorsale Aeste zwischen beiden Gebieten derartig caudalwärts, dass am Rande des cranio-humeralen Facialismuskels Aeste des N. facialis zur oberflächlichen Muskelschichte hervorbrechen. Dies lehren die Fig. 28, sowie die später folgenden Darstellungen von der Nervenverbreitung. Den Angaben zu Folge werden, wie ich annehmen darf, keine erheblichen Irrthümer in die Deutung der einzelnen Glieder des ziemlich verwickelten Gefüges sich eingeschlichen haben. Die auf- gefundenen Innervationsverhältnisse stützen vor Allem die vorgetragene Eintheilung der Muskeln. Fig. 28. Fig. 29. Fig. 28. Tiefe Facialis-Musculatur des Nackens von Ornithorhynchus. *,. Die auf Fig. 18 dargestellte Musculatur ist hier entfernt. Man erkennt den cranio-humeralen Muskel (h. er.). Fig. 29. Ursprünge der tiefen dorsalen Muskeln aus dem Facialisgebiete, sowie des Accessoriusgebietes von Ormitho- rhynehus. ?/,. Die complicirte Anordnung der dorsalen Musculatur des Facialisgebietes ist für Ornithorhynchus auf- fallend, insofern das Ventralgebiet so einfache Verhältnisse darbietet. Soweit bis jetzt zu übersehen ist, kann diese Anordnung keine primitive sein; sie ist bei Ornithorhynchus erworben und darf als ein Ausdruck der vielfachen Eigenartigkeiten gelten, welche die ganze Organisation dieser Form charakterisirt. Wenden wir den lateralen Randbündeln des dorsalen Längsmuskels nochmals unser Augenmerk zu, so können wir an ihnen zunächst die kräftigen humeralen Theile unterscheiden, zweitens die dorsalwärts Jenaische Denkschriften. V. 9 Semon, Zoolog. Forschungsreisen, 11. 19 140 Die Hautmusculatur der Monotremen. 66 sich anfügenden und auf den cranio-humeralen tiefen Muskel ausstrahlenden Bündel der Figg. 17 und 27, drittens die tiefen Aberrationen, welche zur Bildung der letzteren geführt haben, viertens die auf den lateralen Theil der vorderen Halsfläche übergreifenden Bündellagen. Die Fig. 24 führt uns letztere vor Augen. Sie entstehen hinter dem Mundwinkel in einer I cm langen Ausdehnung, biegen über die Backen- tasche rückwärts. Andere Ursprungsbündel am Unterkiefer umschliessen einen starken Trigeminus-Hautast ; sie verlaufen in einem gegen den Hals gerichteten convexen Bogen und schliessen sich rückwärts den anderen, mehr gestreckt ziehenden Bündeln an. Einige Centimeter vor der Extremität schlagen unansehnliche Fasern einen oberflächlichen, dorsalwärts gekrümmten Verlauf ein, ohne jedoch zu einem nennenswerthen selbständigen Muskel sich zu gestalten. Man erkennt diese Bündel auf Fig. 27, wo sie gegen die Elemente der thoracalen Haut-Rumpfmusculatur ausstrahlen. Ein Uebergang von vorderen Fasern beider Gebiete wurde erkennbar, welcher nur dazu beitragen konnte, die Deutung der vielfach innigst verwebten Zustände zu erschweren. In der Nähe des ventralen Muskelrandes breiten sich allenthalben kleinere und grössere oberflächliche Lymphdrüsen aus (Fig. 24). Der Muskel wird von mehrfachen cervicalen Hautnerven durchsetzt, theilweise nur gekreuzt. Vier stärkere, derartige Nerven brechen zur Seite der Vena jugularis hervor, betreten den medialen Muskelrand und ziehen darauf lateral- und cranialwärts bis zur Haut der Ohröffnung. Dass diese Nerven leicht für motorische und für das uns interessirende Facialisgebiet bestimmte angesehen werden können, ist mir wahrscheinlich. Das dorsale Längssystem der Facialismusculatur verhält sich, wenn wir von den wenigen selbstständig gewordenen Producten absehen, im Ganzen sehr einfach. Seine vom Kopfe in caudaler Richtung aus- strahlenden Bündel kamen in der Gegend der freien oberen Gliedmaasse wohl zwischen oberflächliche und tiefe Schichten des subcutanen Rumpfmuskels zu liegen, welcher Umstand eben auf die Gruppirung der Bündel mehrerer Gebiete um einen gegebenen festeren Punkt zurückgeführt werden kann. Von den humeralen Längsbündeln aus kam es zur Bildung einer tiefen, zur Scheitelgegend des Schädels aberrirten Muskellage, welche als eine „cranio-humerale“ in Hinsicht auf Ursprung und Insertion, als eine „humero- craniale“ aber hinsichtlich des Aberrationsweges sich kundgiebt. In der Umgebung des äusseren Gehör- ganges kam es zur Abspaltung eines dorsalen Muskels des Ohres, welcher bereits seine Darstellung als M. auricularis posterior erfahren hat. Es lassen sich nun noch einige Muskelabgliederungen namhaft machen, welche wie die aufgeführten bei gewisser Selbstständigkeit dennoch des Zusammenhanges mit dem Längssystem nicht ganz verlustig gegangen sind. I) Zunächst sei einer tiefen Schichte gedacht, welche nach dem Entfernen der kräftigen, vom Kiefer- apparate entstehenden Massen der Wandung der Backentasche aufgelagert erscheint. Es handelt sich um ebenfalls von der Maxilla entspringende, aber tiefste Bündelgruppen stattlichster Entwickelung. Sie um- ziehen die dorsale Wandstrecke der Wangentasche, biegen am hinteren Rande dicht hinter dem knorpeligen Gehörgange zu der unteren Fläche der Wangentasche um und können von hier aus bis zum Unterkiefer verfolgt werden. Vom Oberkiefer aus strahlen andererseits sich rasch zerstreuende Fasermassen zur freien Wandfläche der Backentasche aus. Dieses Verhalten ist auf der Fig. 30 dargestellt worden. Die Ursprungs- portion des dorsalen Längsmuskels am Oberkiefer ist auf derselben Abbildung erhalten, um durch den parallelen Bündelverlauf mit den die Wangentasche dorsal begrenzenden Bündeln die Herkunft dieser von den ersteren anschaulich zu machen. Der Wangentaschenmuskel bewahrte nahe dem Oberkiefer den sehr engen Zusammenhang mit dem Hauptlängssysteme. An einem genetischen Verbande zwischen beiden Muskellagen kann kaum ein 697 - Die Hautmusculatur der Monotremen. I4I Zweifel bestehen. Der Verlauf gemeinsamer Aeste des N. facialis für beide spricht ausserdem für die Zusammengehörigkeit. Der Muskel der Wangentasche ist nach der Art eines Sphincter angeordnet. Einer solchen Anordnung lassen sich nur wenige Bündel, welche in mehr radiärer Weise auf der Wangen- fläche ausstrahlen, nicht einfügen. Die Wirkung dieses Sphincter buccalis kann wohl nur in der Ver- engerung des Lumens der buccalen Tasche erblickt werden. In dieser Wirkung wird der oberflächliche dorso-laterale Längsmuskel, soweit er die Taschenwandung bestreicht, den specialisirten und aus ihm hervorgegangenen Sphincter buccae zu unterstützen vermögen. Die Ausbreitung über die Wangengegend, der genetische Zusammenhang mit dem dorsalen Längs- muskel, die Lage zwischen Ober- und Unterkiefer geben die kritischen Momente für die allgemeine Ueberein- stimmung dieses Sphincter bursae buccalis mit dem Musc. buccinatorius bei Echidna ab (vgl. Fig. 20 etc.). 2) Eine andersartige Abgliederung tiefer Bündel- massen hat sich in mehr dorsaler Richtung vollzogen. e £ ’ Fig. 30. Seitliche Ansicht der Kopfregion von Ornitho- Es handelt sich um selbstständig wirksame Muskeln rAynehus. ®/,. Die Bursa buccalis ist von einem Sphincter umgeben, welcher am Oberkiefer mit dem hier entstehenden Längsmuskel zusammenhängt. Der cranio-humerale Facialis- das am Öberkiefer entspringende Gebilde erkennen, muskel, sowie der knorpelige Gehörgang geben Orientirungs- punkte für die Ausbreitung des N. facialis ab. um Auge und Ohr. Fig. 31 sowie Fig. 29 lassen dessen zarte Fleischmassen ventral von der Lidspalte nach hinten verlaufen. Während die Hauptportion, aus den mehr ventralen Bündeln bestehend, direct zu vorderen Randtheilen der einfach geformten Ohrmuschel gelangt, zweigt sich ein dorsaler, schwächerer Bündelcomplex zwischen Lidspalte und Ohröffnung dorsalwärts ab. Er endigt in einer zarten aponeurotischen Membran, an welcher der M. auricularis dorsalis im caudalen Anschlusse sich anheftet. Dieser zweigetheilte Muskel ist im Ur- sprunge vom Kiefer mit dem dorsalen Längsmuskel ebenso eng verknüpft, wie Fig. 31. Seitliche Ansicht der Kopf-Halsregion von Ormitho- Her Muskel der Backentaschen solches hat rhymehus. *,. Hinter dem Gehörgange breitet sich das Muskelgebiet des h . Accessorius aus. Zum vorderen Rande der primitiven Auricula gelangt vom erkennen lassen. Oberkiefer der maxillo-auriculare Muskel (m. aur.), welcher mit einem dor- salen hinteren Orbitalmuskel verbunden ist. Ueber Gehörgang und Accessorius- Es handelt sich hier also um die musculatur zieht rückwärts der Ductus parotideus. Anlage eines maxillo-auricularen (m. aur.) und eines maxillo-orbitalen (m. orb.) Muskels, von denen der erstere den vorderen Theil des äusseren knorpeligen Gehörganges maxillarwärts zu bewegen und dadurch auf einen Verschluss der Ohröffnung hin- zuzielen vermochte. Auf einen Lidschluss hilft wohl die andere Muskelportion einwirken. Man vergleiche hierzu auch die Figg. 16, 17, 18, 27. 3) Oberflächliche Muskelbündel aus dem dorsalen Längssysteme des Facialisgebietes gewannen bei Ornithorhynchus grössere Unabhängigkeit ebenfalls durch neuerlangte Beziehungen zu Auge und Ohr. Sie umziehen in Andeutungen von circulärem Verlaufe die Lidspalte und die äussere Oeffnung des Ohres. Der Zusammenhang dieser oberflächlichen, sphincterenartigen Gebilde mit dem Stammmuskel besteht stellen- weise, Es ist mir jedoch nicht gelungen, die Herkunft aller Theile aus dem Längssystem mit Sicher- heit festzustellen. Ich muss hier unentschieden lassen, ob der ventrale Sphincter colli nicht auch Antheil an der Anlage der Sphincteres oculi et oris nehme, da die Bündel beider Gebiete strecken- 9* 19* 142 Die Hautmusculatur der Monotremen. 68 weise zusammenhängen. Es scheint mir ein solcher Zusammenhang allerdings kein primitiver zu sein (Fig. 16). Es liess sich feststellen, dass an die tiefen maxillo-orbitalen Bündel (Fig. 29) oberflächliche der Sphincteren sich so innig anlehnten, dass der genetische Verband für mich ausser Zweifel stand. Diese oberflächlichen Lagen nehmen nun aber die ganze Breite der Lücke zwischen Lidspalte und Ohröffnung ein (Fig. 16). Sie strahlen von hier dorsal- und ventralwärts nach vorn und nach hinten derart aus, dass die den beiden Oeffnungen benachbarten Muskelfasern den Rändern der Oeffnungen sich an- schliessen, demgemäss nach den betreffenden Richtungen stark gebogen auslaufen. Die der Lidspalte zu- gehörigen Elemente machen diese Verlaufsänderung nicht in dem lebhaften Grade mit wie die der Ohr- öffnung angeschlossenen Bündel. Die Endigung der dorsalwärts gerichteten Strahlenbündel vollzieht sich in deutlich abgrenzbarer, dorsalwärts convexer Linie (Fig. 16). Die ventralwärts divergirenden Fleischfasern endigen frei unter der Lidspalte und dem Ohr. Intermediäre Bündel laufen jedoch in den vorderen Abschnitt des Sphincter colli aus. Meiner Ansicht nach ist hier die Stelle gekennzeichnet, wo durch zufällige Parallel- richtung der Bündel ein engerer Zusammenhang vorgetäuscht wird, der als genetischer nicht besteht. Diese Annahme findet Unterstützung durch den Vergleich mit den Befunden bei Echidna, welche viel besser zu beurtheilen sind als diejenigen bei Ornithorhynchus. Vor der Lidspalte breitet sich eine 0,6 cm breite Muskellage aus; sie reicht bis zum Oberkiefer mit queren, dorso-ventral gerichteten Bündeln (Fig. 16). Unmittelbar vor der Lidspalte werden die Fasern dorsal- und ventralwärts in gebogener, rückläufiger Richtung angetroffen. Die dorsalen Abschnitte inseriren frei auf der unter ihnen liegenden Fascie, und zwar vor dem soeben beschriebenen, zwischen Ohrmuschel und Auge ausgebreiteten Muskel. Die ventralen Abschnitte laufen vorn in Züge des Sphincter colli aus und endigen theilweise frei vor dem Muskel zwischen Ohr und Auge. Der vordere Lidspaltenmuskel ist in Schichten geordnet. Die dem Auge dorsal benachbarten Bündel schieben sich von der dorsalen Seite her unter die ventralen Züge. Ob der vor dem Auge befindliche Muskel ein Derivat des Sphincter colli oder des dorsalen Längs- muskels sei, kann ich aus den bei Ornithorhynchus gefundenen Thatsachen selbst nicht entscheiden. Nach den Befunden lassen sich verschiedene Ansichten vertreten. Auch hier verbreitet der Vergleich mit den Einrichtungen bei Echidna einige Klarheit. Wir lassen die Vorführung des für Echidna festgestellten Thatbestandes dem Vergleiche der Ein- richtungen beider Formen vorausgehen. Echidna. Das dorsale Längsfasersystem von Echidna stimmt in den Hauptmerkmalen der Anordnung mit dem beim Schnabelthier überein. Es handelt sich auch hier um einen Muskel, welcher am Skelete des Kiefer- apparates entspringt und von hier aus seine Bündel rückwärts sendet. Der Muskel befasst oberflächliche Bündellagen, welche zum Integumente ziehen oder an oberflächliche Fascien festgeheftet sind; er enthält ausserdem und oft in schärferer Abscheidung tiefe Lagen, deren Elemente zum Ohre und zum Schädeldache gelangen. Um das Ohr gruppiren sich z. Th. sehr selbstständig auftretende Muskeln, und um die Lidspalte ist es zu einer hoch entfalteten Musculatur gekommen, deren Abstammung vom dorsalen Längssysteme jedoch keineswegs verwischt ist. Der Buccinator erschien uns als ein Abkömmling des ventralen Facialis- gebietes. Die Art der Anordnung aller Muskeln stimmt bei genauer Analyse in hohem Maasse überein mit den Gebilden bei Ornithorhynchus, von denen einige wegen ihrer geringen Entfaltung und Umbildungsart uns ihre Herkunft verheimlichen. 69 Die Hautmusculatur der Monotremen. 143 Der Ursprung des Längsmuskels bei Echidna breitet sich über den Oberkiefer und die Fascie aus, welche die Kaumuskeln bedeckt. Die vorderen Bündel entspringen bei einem weiblichen Exemplare 1,6 cm vor der Lidspalte am Maxillare, wo der Ursprung dorsal vom primitiven Buccinator sich befindet (Fig. 21). Die nach hinten sich anschliessenden Ursprungsportionen nehmen eine 4 cm lange Fläche des Oberkiefers und der Fascien der Kiefermuskeln in Beschlag. Die Höhenausdehnung der Ursprungsflächen nimmt nach hinten zu und beträgt mehr als einen Centimeter. Die vorn entspringenden Bündel nehmen einen ober- flächlichen, die nach hinten angeschlossenen Bündelgruppen einen tieferen Verlauf. Viele der hinteren Ursprungsportionen verbleiben auch in der Insertion in tiefer Lagerung. Diese Anordnung ist aus Fig. 2I zu entnehmen. Die Anheftungen des Panniculus carnosus wurden von CH. WESTLING (1889, p. 8) bei Echidna über der Schläfengrube am Squamosum bis zum Auge hin sowie am Jochfortsatze des genannten Skelettheiles wahrgenommen. Wir unterscheiden an den Muskelportionen zunächst solche, welche vom Ursprunge aus unterhalb der Lidspalte, und solche, welche dorsal von letzterer rückwärts verlaufen. Die ventral von der Lidspalte gelegenen Bündel dehnen sich bis auf die laterale Fläche des Halses aus (Figg. 25 und 26). Hier sind sie ziemlich scharf abgegrenzt durch medianwärts vorgebuchtete Rand- bündel. Einige derselben haben den Zusammenhang mit den Skeletursprüngen verloren und weichen, von hinten nach vorn verfolgt, medianwärts aus (Fig. 25); sie bedecken dabei die ab- gesprengten, tieferen Schichten des Sphincter colli (Fig. 26), sowie das vordere Ende der Vena jugu- laris externa (V. jug.). Die Bündel dehnen sich aufwärts in ge- schlossener Lage bis an die Ohr- Fig. 32. Seitliche Ansicht der dorsalen Längsschichte des Facialis-Gebietes von Eehidna. *%,. Man erkennt die Muskeln von der Mundöffnung bis zum Nacken. muschel aus (Figg. 21, 23, 32), wo sie die tiefere Ohrportion des Sphincter colli (Fig. 21) bedecken, selbst aber von den dorsal auslaufenden oberflächlichen Sphinctertheilen überlagert sind (Fig. 23). Bereits unterhalb der Ohrmuschel ziehen die Fleischmassen zum Integumente (Figg. 23, 32). Tiefere Portionen gelangen in nuchaler Fortsetzung an das Integument zur Insertion. Dieses Verhalten ist bis auf die Regio interscapularis et R. scapularis fortgesetzt, wo die Insertionen mit hier befindlichen Bündel- massen aus anderen Hautmuskelgebieten (Sphincter colli, thoracale Rumpfmusculatur) sich durchflechten und bezüglich der Anheftung an das Stachelkleid sich eng an einander schliessen. Hinter der Ohrmuschel findet ein Ausstrahlen in dorsaler Richtung statt, so dass die Insertionen hier mit denjenigen Muskellagen zusammentreffen, welche vom gemeinsamen Kieferursprunge aus, dorsal von der Ohrmuschel verlaufend, die betreffenden Gegenden gewinnen. Man erkennt diese Anordnung aus Figg. 21, 23, 32, vor allem aber aus der Fig. 33, welche eine dorsale Ansicht der gesammten Schädel- Nackenmusculatur vorführt. Die Ohrmuschel wird auf diese Weise von Muskelbündeln völlig umgeben; sie öffnet sich zwischen den Bündeln der dorsalen Längsschichte. Fassen wir diese ventral von der Lidspalte und der Ohrmuschel befindliche Musculatur näher ins Auge, Die Hautmusculatur der Monotremen. 144 70 so zeigt sie sich uns als eine rein längsverlaufende Schichte, welche lebhafte integumentale Beziehungen unterhält und die Haut sowie deren Besatz in der Richtung gegen den Oberkiefer zu bewegen vermag. Diese ventrale Portion des Längsmuskels ist direct vergleichbar mit der Hauptmasse bei Ornithorhynchus. Beide breiten sich ventral von Auge und Ohrmuschel aus, und hierin äussern sich natürlich sehr erhebliche Uebereinstimmungen. Die kurze Entfernung beider Organe bei Ornithorhynchus von einander sowie vom Ursprunge des Muskels bedingt, dass die hinter der Ohröffnung dorsalwärts gerichteten Bündelmassen stark entfaltet sind und den Nacken hauptsächlich überlagern und demgemäss nur wenig Platz für andere Muskel- portionen übrig bleibt. Die ventral von Auge und Ohröffnung sich rückwärts ausbreitenden Längstheile stellen bei Ornitho- rhynchus den Rumpfmuskel, bei Echidna nur einen Theil des Längssystemes dar. Die als M. auricularis post. sive dorsalis vorwärts angeschlossenen Ohrbündel des Schnabelthieres (Fig. 17) finden ihr Homologon bei Echidna in einem Muskel, welcher im dorso- medialen Anschlusse an die die Ohrmuschel passirenden ven- tralen Elemente sich zu erkennen giebt. Auf der Fig. 33 (Aur. p.) ist der Muskel in scharfer Abgrenzung von seinen medialen sowie lateralen Nachbarbündeln in der Nähe der Ohrmuschel bei dorsaler Ansicht abgebildet. Entfernt vom Ohre lehnen sich die Faserbündel des Auricularis posterior den Nachbarbündeln auf das Innigste an. Dasselbe lehren auch die Figg. 21, 23 und 32, wo der Muskel im Verbande mit den Nachbarn eine einheitliche Muskelplatte formt. Der Muskel wird durch seine Anheftung an der dem Beschauer abgewendeten Fläche völlig selbständig (Fig. 33). Die etwa 0,6 cm breite Muskelplatte findet etwa 0,6 cm vor dem hinteren freien Aurikelrande Insertion. Mit der Entfaltung des äusseren Ohres und der Ohrmuschel bei Echidna ist auch der M. auricul. post. im Vergleiche mit dem homologen Gebilde bei Ornithorhynchus sehr stark entwickelt. Er zeigt indessen bei Echidna eine andere ernennen Verlaufsrichtung. Seine Bündel ziehen nicht transversal wie am Kopfe und Nacken von Echidna. ‘/,. bei Ornithorhynchus, sondern caudalwärts, was mit der Verlaufs- richtung des gesammten Längssystemes, nach welchem der Auricul. post. nur einen Theil darstellt, zusammenhängen mag. In dem Muskel von Echidna muss ebenso wie bei Ornithorhynchus das ganze Material enthalten sein, welches zu einem M. auricul. post., M. occipitalis, sowie zu den Mm. proprii auriculae posteriores bei höheren Formen verwendet wurde. Ist dem so, so ver- rathen sich die ventral von Auge und Ohr verlaufenden Längsbündel bei beiden Monotremen als die zum Platysma werdenden Bausteine, die auch in einem Transversus nuchae etc. wiedergefunden werden können. Die bei Ornithorhynchus vom Humerus zum Nacken ausgebreitete tiefe dorsale Schichte wird bei Echidna vermisst. Im dorsalen Anschlusse an die Platysma-Theile treffen wir eine Muskelschichte an, welche allein wegen der besonderen Lage- und Organbeziehungen von jenem ventralen Abschnitte in der Darstellung abgegliedert werden darf. Sie bildet thatsächlich mit dem letzteren eine organische Einheit. Die Schichte füllt 7ı Die Hautmusculatur der Monotremen. 145 den breiten Raum zwischen Lidspalte und äusserer Ohröffnung völlig aus und empfängt erst in der dorsalen Medianebene eine natürliche Grenze der Ausdehnung. Zu Auge und Ohr sind sehr wichtige Beziehungen durch die zwischen ihnen ausgebreitete Schichte eingegangen. Durch Sonderung in mehrere Lagen empfängt der interorbito-auriculare Muskel erhöhte Bedeutung, indem die Gliederung dieser oberflächlichen Kopfmuskeln bei Monotremen Einrichtungen schafft, welche höhere Säugethierabtheilungen übernommen haben. Im gemeinsamen Ursprunge vom Kiefer etc. ist hier die Einheitlichkeit bewahrt geblieben, hat sich dort nach der Insertion hin die Sonderung eingeleitet. Die vielfachen wichtigen Merkmale zwingen uns, die einzelnen Punkte je für sich zu betrachten. Obertlächlichste Bündellagen erwarben eine gewisse Selbständigkeit. Sie bilden bei dem Exemplar der Fig. 5, Taf. XII unterhalb der Lidspalte eine 0,5 cm breite Lage, deren vordere Abtheilung die Nachbarschaft zur Orbita besitzt und ca. I cm hinter der Lidspalte auf den tieferen Muskelbündeln frei endigt. Ein zartes hinteres Bündel verläuft mehr gestreckt ohrwärts, etwa 2,5 cm hinter der Lidspalte frei endigend. Die Bündel dieser Lagen kreuzen z. Th. die tieferen, um erst am Skeletursprunge mit ihnen völlig zu verschmelzen. Ein etwas anderer Zustand ist beim Exemplare der Fig. 32 erkennbar. Am Ursprunge wie im weiteren Verlaufe kommt eine selbstständige Bündelrichtung nicht recht zum Ausdrucke. Durch den An- schluss an die Orbita sowie die frühe Insertion in einer gezackten, I,6 cm langen Querlinie ist die Ueberein- stimmung mit jener selbstständigeren Schichte der Fig. 5, Taf. XII erkennbar. Vordere Bündel sind hier und dort gegen das Auge hin leicht concav gestaltet. Die Biegung solcher Bündel bürgt für eine Wirkung auf die Lidspalte von unten her. Die Nachbarschaft zum Auge, die erwähnte Verlaufsrichtung vorderer Bündel, die Tendenz der Bildung einer eigenen Lage berechtigen dazu, in jener oberflächlichen Schichte Theile des Materiales für einen M. orbicularis oculi zu erblicken. Es liegt selbst der Versuch zur Bildung eines Orbicularis oculi vor, indem einige Elemente den orbiculären Verlauf ventral von der Lidspalte angetreten haben. Der Lidspalte gesellen sich, wie wir sehen werden, noch andere gewichtige Muskellagen hinzu. Eine nächst tiefere Schichte zeichnet sich durch ausgedehnte Ursprungsflächen aus. Auf Fig. 21 sind die Bündel nahe der Anheftung an das Skelet durchschnitten. Die Insertionen liegen hauptsächlich am Integumente der Scheitel-Nackengegend. Oberflächliche Bündel erreichen die Haut zuerst, tiefere reihen sich an diese in weiterer Entfernung vom Ursprunge an, was sich wiederholt, bis sich die ganze Schichte erschöpft hat. Die Figg. 5 (Taf. XII) und 32 geben ein Bild der reichen Hautinsertionen von immer aufs neue aus der Tiefe hervorbrechenden Fasermassen. Am vorderen Rande der Ohrmuschel finden gleich- falls viele Hautinsertionen statt. Mächtige Bündel dehnen sich dorsal vom Ohre bis zur Medianlinie aus und ragen in caudaler Richtung bis über die Regio interscapularis hinaus, wo eine Anlehnung an früher vorgeführte, verschiedenartige dorsale Insertionsbündel erfolgt. Die Bündel, welche die Ohrmuschel dorsal passirt haben, finden auch den secundären sehr engen Zusammenhang mit den medialen Elementen des M. auricularis posterior. Die Figg. 23 und 33 versinnlichen das Verhalten; die vordere Portion der dorsal vom Ohre gelagerten Hautmusculatur ist entfernt worden. Vordere Lagen dieser tieferen Schichte steigen in scharfer Grenzzeichnung zum Scheitel empor, andere biegen in schärferer Krümmung dorsal von der Lidspalte nach vorn um und nehmen in aus- gesprochener Weise Antheil an der Bildung eines orbiculären Augenmuskels (Fig. 32 und die folgenden Figg. 34 und 35). Auch die Ohrmuschel ist in den Bereich der tiefer gelegenen Muskelschichte hineinbezogen. Die Festheftung erfolgt an zwei entfernt von einander liegenden Punkten der Ohrmuschel. Am ventralen Rande der letzteren ist ein 0,7 cm breites Muskelband festgeheftet: es schliesst sich dorsal an die Platysmaportion Die Hautmusculatur der Monotremen. 72 146 des Längssystems unmittelbar an. Es ist mit dem vorn frei hervorspringenden unteren Rande der Ohr- muschel verbunden. Dieser vordere Höcker der Auricula wird einem Tragus auriculae vergleichbar. Wie die Fig. 21 erkennen lässt, sind diese maxillo-auricularen Züge in der Nähe des Tragus von vorderen Theilen der Auricularportion des ventralen Sphincter colli in rein secundärer Weise bedeckt. Die Wirkung dieses kräftigen maxillo-auricularen Muskelbandes beruht im Vorwärtsziehen des unteren Ohrmuschelrandes, wo- durch mit auf die Verengerung der Muschel hingezielt werden muss. In dem maxillo-auricularen Gebilde bei Echidna erblicke ich das Material, aus welchem ein Auriculo-labialis inferior höherer Formen hervor- geht, welcher bei Primaten nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Am oberen (dorsalen) vorderen Randtheile, welcher einem Helix’entsprechen dürfte, sind gleichfalls sehr ansehnliche oberflächliche und tiefere Bündel in breiter Insertionsfläche festgeheftet. Sie stehen mit den mehr ventralen max.-auric. Theilen durch zartere intermediäre und mehr oberflächlich gelegene Bündel im Zusammenhange (Fig. 32). Auf Fig. 21 ist die Insertionsportion nach Entfernung aller übrigen ober- flächlichen Lagen erhalten geblieben. Dieses ca. 0,5 cm breite Muskelband schliesst sich dorsal der freien Hautinsertion an; es stellt obere maxillo-auriculare Züge dar, die, wennschon mit den unteren gleich- benannten zusammenhängend, durch die Anheftung an der Helix auriculae einen differenten, gegen die Insertion hin selbstständigen Muskel ausmachen. Dieser spielt bei den höheren Mammaliern eine Rolle. Ich glaube, dass der Muskel mit dem Auriculo-labialis superior höherer Abtheilungen in Zusammenhang gebracht werden müsse, und ich sehe in ihm das Material z. B. eines Zygomaticus major, eines M. helicis beim Menschen enthalten. Die Sonderung des maxillo-auricularen Gebildes bei Echidna in eine obere (Helix-) und eine untere (Tragus-)Portion besteht bei Ornithorhynchus nicht. Hier handelte es sich um eine einfache Faserplatte, welche in tiefer Lage vom Kieferapparate zum Vorderrande des äusseren primitiven Gehörganges zog (Figg. 19, 29, 31). Letzterer sowie der interauriculo-orbitale Muskel zeigen) ein einfaches, vielleicht auch reducirtes Verhalten im Vergleiche mit denjenigen bei Echidna. Nach der Kenntnissnahme der Befunde bei Echidna kann auch die Beurtheilung der bei Ornithorhynchus zwischen Lidspalte und äusserer Ohröffnung dorsalwärts ziehenden Muskellage (Fig. 29) keinerlei Schwierig- keiten mehr begegnen. Dieselbe entspricht in Lage und Anordnung zwischen Auge und Ohrmuschel durchaus den in gleicher Richtung ziehenden tieferen Lagen bei Echidna. Die interorbito-auricularen, oberflächlichen Bündellagen bei Ornithorkynchus können mit denjenigen oberflächlich aberrirten Schichten bei Echidna in Vergleich gestellt werden, welche auf den Figg. 23 und 32 dargestellt sind. Eine specielle Homologisirung der betreffenden Musculatur ist auf Grund der vorliegenden Wahrnehmungen nicht möglich. Oberflächliche, in der Nähe des Tragus inserirte Muskelbündel stehen bei Echidna in unmittelbarer Nachbarschaft mit einigen, allerdings nur unansehnlichen Bündeln, welche, wie Fig. 32 es angiebt, nach vorn und dorsalwärts stark gekrümmt gegen den oberen Auricularrand gerichtet sind. Sie stellen im orbi- cularen Verlaufe eine Art Sphincter conchae vor. Ich muss es unentschieden lassen, ob diese aberranten Bündel vom Helixrande oder vom Tragus aus sich losgelöst haben, um zum entsprechenden anderen Theile zu ziehen. Ob in ihnen eine progressive oder regressive Bildung vorliege, fällt wohl zu Gunsten des ersteren Falles aus. Es hiesse den Thatsachen Zwang anthun, wollte man diese kleine Gruppe von Fasern in näheren Verband mit dem oberflächlichen, sphincterähnlich angeordneten Muskel von Ornithorhynchus (Fig. 16) bringen oder gar als Reste dieses bezeichnen. Ebenso möchte ich vor der Hand davon Abstand nehmen, die orbicularen Züge bei Echidna in irgend welchen näheren Verband mit einem Depressor helicis etc. höherer Abtheilung zu bringen. Wir wollen, sobald neue Documente für diese oder jene Annahme bei- gebracht werden können, die Frage aufs neue aufgreifen. 73 Die Hautmusculatur der Monotremen. 147 Ein vollkommen selbstständig gewordener Ohrmuschelmuskel spannt sich bei Zchidna zwischen dem oberen vorderen Rande der Helix und der Innenfläche der Concha in der Nähe des Tragus aus. Die Fig. 32 giebt die Lage des Muskels an. Die Möglichkeit der Ableitung desselben von den oberen maxillo- auricularen Bündeln kann, wie mir scheint, in Betracht gezogen werden. In ihm begegnen wir der ersten wirklichen Ablagerung von Muskeltheilen auf die Ohrmuschel. Es wird die Frage einst schärfer beantwortet werden können, in welchem Gebilde der höheren Säugethiere dieser Ohrmuschelmuskel wiedererscheint. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass ein M. helicis minor des Menschen hier in Betracht zu kommen habe, welcher durch seine Constanz vielleicht auf die frühe Anlage in der Phylogenie hin- deutet. Der M. helicis major würde als ein später auf die Aurikel abgelagertes Product der vom Kieferapparate zur Helix ziehenden oberflächlichen Muskelplatte zu gelten haben. Jedenfalls darf dies als eine gewichtige Erscheinung betrachtet werden, dass an der Ohrmuschel von Echidna eine Musculatur uns bereits erkennbar wird, welche einen genaueren Vergleich mit der Ohrmusculatur höherer Säuge- thiere voraussichtlicherweise verträgt. Die Ohrmuschel von Echidna ist wie eingepflanzt in die oberfläch- liche Facialis-Musculatur, mit welcher sie die engsten Beziehungen unterhält; sie erweist sich hier mit allen ihren Reliefverhältnissen als ein Product dieser Musculatur. Die Bündelmassen, welche entweder zum Integumente oder zur Ohrmuschel sich begeben, bedecken eine kräftige, tiefste Muskellage (Fig. 33). Sie entsteht am Oberkiefer, besitzt einen scharf geschnittenen, vorderen Rand, welcher 0,6 cm hinter der Lidspalte sich befindet. Sie reicht hinten bis unter die Helix auriculae und breitet sich so bis zum Schädeldache als eine einheitliche Muskelplatte aus. Dies Verhalten lässt auch Fig. 2ı bei seitlicher Ansicht erkennen. Die vordersten Bündel erreichen die dorsale Median- ebene, etwa 3 cm hinter der Linie, welche die hinteren Augenwinkel der beiden Körperseiten mit einander verbindet. Die rückwärts angeschlossenen Bündel endigen in einer anfangs medianwärts concaven Linie, welche gegen die Spitze der Ohrmuschel lateral ausweicht. Hiervon legt die Fig. 33 genaueres Zeugniss ab. Die aponeurotische, kurze Endsehne verschmilzt mit der sie bedeckenden oberflächlichen Muskellage, welche ihrerseits ihre Bündel zum Integument sendet. Diese oberflächliche Lage ist auf Fig. 33 theilweise entfernt, um die tiefste Platte zur Anschauung bringen zu können. Zwischen der letzteren und den auriculo- maxillaren Ohrmuschelmuskeln ziehen starke Aeste des N. facialis dorsalwärts. Dieselben sind auf beiden Figuren (21 und 33) dargestellt. Die ganz allgemein gehaltene Angabe Cu. WestLing’s (1889, p. 8), dass die Befestigung des Haut- muskels auch am Parietale erfolge, steht vielleicht in Beziehung zu dem vorgeführten Verhalten. Es sei zur Werthschätzung dieser tiefen Schichten besonders darauf hingewiesen, dass deren Bündel am weitesten nach hinten am Skelete entspringen, und zwar beinahe in gleicher Höhe mit der Lid- spalte (Figg. 21,35). Ich bin zur Annahme geneigt, dass diese Schichte das Material eines Orbito-auricularis höherer Formen enthalte, aus welchem ein Auricularis ant. et superior, sowie ein M. frontalis des Menschen hervorgehe. Specielle Erörterungen hierüber sind hinauszuschieben, bis an der Hand des nöthigen Ver- gleichsmateriales Fragen nicht allein aufgeworfen, sondern gelöst werden können. Es ist möglich, dass der oberflächliche, zwischen Auge und Ohr befindliche Muskel von Ornitho- rhynchus (Fig. 17) auch oberflächlichen Lagen bei Echidna entspreche, dass der tiefer gelegene Muskelstreifen (Fig. 29) jedoch der tiefen Muskelplatte gleichwerthig sei. Die Lidspalte hat ausser den vorgeführten Gebilden in weiterer Entfernung auch noch einer eigenen, wohlentfalteten Musculatur in näherer Umgebung sich zu erfreuen, welche das dorsale Längsbündelsystem ebenfalls als ihren Mutterboden erkennen lässt. Jenaische Denkschriften. V. 10 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 20 Die Hautmusculatur der Monotremen. 74 148 Es handelt sich wohl um eine Reihe von Muskelaberrationen von sehr verschiedenem phylogene- tischen Alter, was aus der jeweiligen Art der Selbstständigkeit erschlossen werden kann. Oberflächlichst gelegene, vordere Bündellagen des interorbito-auricularen Muskels waren uns bei Echidna in näherer Beziehung zur Orbita entgegengetreten (Figg. 23, 32). Die vordersten Randfasern einer nächst tieferen Schichte erweisen sich ebenfalls im leicht gebogenen dorsalen Laufe um die Orbitalgegend auf Fig. 5, Taf. XII; sie sind hier scharf berandet. An einem anderen Exemplare indessen (Fig. 32) endigt eine 0,3 cm breite Muskellage hinter der Lidspalte in der Orbitalgegend ziemlich scharf. Sie steht theilweise noch in unmittelbarer Verbindung mit der gemeinsamen maxillaren Ursprungsportion, was die Fig. 34 wiedergiebt. Einige Bündel in tiefster Lage entspringen in der Nähe des Orbitalrandes und steigen von hier fast senk- recht empor (Fig. 35). Die Figg. 34 und 35 geben Zustände wieder, welche an einem isolirten Echidna- Kopfe wahrgenommen worden sind. Die gute Conservirung, sowie der Umstand, dass speciell den Muskeln des Auges und seiner Umgebung das Interesse sich zugewendet hat, lassen die Befunde in ihrer Genauigkeit werthvoll erscheinen. Fig. 34. Fig. 35. NN \ Orb. oe. pr. SL Pfr. Z P IN NUN N‘ a M. S Fig. 34. Seitliche Ansicht der Musculatur in der Nähe der Lidspalte von Echidna. *,. Fig. 35. Seitliche Ansicht der Lidspalten-Musculatur von Echidna. */,. Tiefere Lagen, z. Th. nach der Entfernung des auf Fig. 34 Dargestellten. Man erkennt ausserdem die Ursprungsfläche des dorsalen Längssystemes am Skelete. An dem Exemplare, welches für viele andere Zwecke bereits Dienste geleistet hat (Fig. 32), schliessen sich bis zur Lidspalte hin, und zwar das ganze untere Augenlid bedeckende und am hinteren Winkel zum oberen Lide umbiegende Bündellagen an. Diese konnten nach vorn in ein plattes Muskelband zum Ober- kiefer verfolgt werden. Genauer wurde diese Pars palpebralis eines „M. orbicularis oculi“ an dem isolirten Präparate zur Darstellung gebracht (vgl. Figg. 34, 35). Die Bündel der zum Längsmuskelsystem gehörenden orbitalen Platte bleiben 4 mm von der Lid- spalte entfernt (Fig. 34); sie biegen am vorderen Augenwinkel in scharfer Knickung zum oberen Lide um, wo sie der Spalte benachbart bleiben. Hier liegt ein vollkommenes System von sphincterartig an- geordneten Bündeln vor (Fig. 34). An diese Fasern schliessen sich solche an, welche, vorn umbiegend, als Theile einer auf dem Oberkiefer und Stirnbein ausgebreiteten, breiten Muskelplatte auftreten (Fig. 34)- Wenige andere, vorn angeschlossene Elemente breiten sich frei auf dieser frontalen Muskelplatte aus. An diese folgen dann nach vorn solche Bündel, welche zur Lidspalte keine Verlaufsrichtung mehr besitzen, vielmehr zwischen den oberflächlichen und tiefen Ursprungsportionen der frontalen Muskelplatte vor dem Auge sich ausbreiten. Dies ist aus den Figg. 34 und 35 zu entnehmen. Auf Fig. 35 sind die Ursprünge 75 Die Hautmusculatur der Monotremen. 149 des frontalen Muskels kurz abgeschnitten, und zwischen diesen ist das abgeschnittene Längsfaserbündel erhalten. An dem oberen Rande des letzteren ist ein Bündel erhalten, welches den Anschluss an die Lidspaltenportion vermittelt. Ich schliesse aus dem Befunde, dass ein organischer Zusammenhang zwischen den orbicularen Bündeln der Fig. 34 mit denen des am Kiefer entspringenden und zur Stirn ziehenden Muskels bestehe. Ist dies aber der Fall, so darf der letztere aus dem Längssysteme abgeleitet werden. Die frontale Muskelplatte besitzt bei dem Exemplare, auf welches die Figg. 34 u. 35 sich beziehen, in denjenigen Bündeln, welche der Lidspalte am nächsten liegen, einen orbicularen Verlauf, indem sie vor dem vorderen Augenwinkel ventral- und rückwärts umbiegen, wie zuvor angegeben ist. Daran fügen sich vorn Bündel zur Bildung der frontalen Platte an; sie alle sind am Oberkiefer oberhalb des primitiven Buccinator festgeheftet. Dieses Verhalten trifft für alle untersuchten Exemplare zu (Figg. 21, 23, 32). Am Maxillare über dem Buccinator liegt für den Muskel der Ursprung. Dieser ist bei drei genauer daraufhin untersuchten Exemplaren nur in untergeordneten Punkten verschiedenartig. Die Figg. 23, 32 und 34 mögen zum Vergleiche dienen und das erläutern. Unter diesen Differenzen verdient als wichtigster Punkt hervorgehoben zu werden, dass die frontale Muskelplatte einmal durch intermediäre Fasern mit dem dorsalen Längssysteme im genetischen Zusammenhange verharrt, was die Fig. 34 zur Anschauung bringt, und dass im anderen Falle die frontalen Muskeln gegen die Nachbarbündel des Längs- systemes im spitzen Winkel zum Skelete auslaufen (Fig. 32). Eine noch hochgradigere Abscheidung zwischen beiden Gebieten ist auf der Fig. 23 erkennbar, wo der Verband in der Anheftung an das Skelet allein noch Ausdruck findet. Zwischen die hinteren Ursprungsbündel der frontalen Platte ist der untere Längsmuskel auf Fig. 35 eingeschoben; er trennt diese von einander. Der „frontale“ Muskel kann aus dem Längsmuskelsystem dadurch entstanden gedacht werden, dass Bündel des letzteren vom Skelete aus durch Aberrationen vor die Lidspalte orbiculare Anordnung und frontale Ausbreitung sich erworben haben, dass andererseits Bündel, der Lidspalte benachbart, aus dem Längssystem ausschieden und nun von Anheftungen am Kiefer zunächst ausgeschaltet worden sind, und dann längs des letzteren nach vorn an Ausdehnung im Ursprunge gewonnen haben. Vielleicht sind auf mannigfaltige Weise Neubildungen in der Gegend der Lidspalte erfolgt. Dieselben haben aber jedenfalls durch Abgliederungen von ursprünglich einheitlichen Muskeln vor der Lidspalte stattgefunden. Hinter derselben fehlten jegliche Merkmale eines Zusammenhanges, welcher die Bildung der frontalen Muskel- platte durch stattgefundene Wanderung dorsal von der Lidspalte befürworten könnte. Wenn wir die Muskelplatte vor der Lidspalte eine frontale heissen, so bringen wir sie mit einem Musc. frontalis höherer Formen jedoch nicht in Verband und möchten nur einen topographischen Begriff bezeichnet wissen; denn der Frontalis des Menschen z. B. leitet sich bekanntlich aus einem orbito-auricularen Gebilde her, aus jener tiefen Schichte also zwischen Auge und Ohr, welche wir an ganz anderem Platze oben beschreiben mussten (Fig. 33). Meine Meinung über den frontalen Muskel von Echidna neigt nach jener Richtung hin, welche auf die Homologie mit dem auch anderen Säugethieren (Beutelthieren, Carnivoren, Prosimier) in bester Entfaltung zukommenden Muskel hinweist, der seinerseits einem M. procerus nasi der höheren Formen und des Menschen entsprechen könne. Was die Insertion des frontalen Muskels bei Echidna angeht, so wird sie z. Th. in einer aponeuro- tischen Membran gefunden, welche interorbital sich ausbreitet und mit der anderseitigen zusammenhängt (Figg. 5 (Taf. XII) u. 33). Laterale Bündel ziehen gestreckt nach hinten und endigen vor den Elementen der tiefen, zwischen Auge und Ohr befindlichen Muskelplatte (Fig. 33). Medial angeschlossene Bündel ziehen 10* 20* 150 Die Hautmusculatur der Monotremen. 76 bis zur Medianlinie. Vordere Elemente halten einen steilen Verlauf inne. Etwas abweichende Insertions- zustände zeigt das Exemplar der Fig. 5, Taf. XII, indem laterale, gestreckt nach hinten ziehende Bünde dorsalwärts sich mehr dem Bündel hinter der Lidspalte anlehnen und mit diesem sich durchflechten. Von grösserer Bedeutung sind diese individuellen Verschiedenheiten für unsere Betrachtung nicht. Die Wirkung des frontalen Muskels kann namentlich durch dessen rückwärts gerichtete Elemente für die Lidspalte nicht ohne Bedeutung sein. Die Muskelcontraction wird immer ein Herunterdrücken des oberen Augenlides in geringerem oder höherem Grade im Gefolge haben. Diese Wirkung wird da eclatanter zur Geltung kommen können, wo, wie auf Fig. 23, Bündel auch zum oberen Augenlide ab- gegliedert sind. Der Muskel wird den kräftigen Lidschluss zu Wege bringen helfen. Handelte es sich bisher um die Ausbildung von orbicularen Zügen, die im oberen Lide endigten sowie um eine selbstständige frontale Musculatur, so haben wir nunmehr noch als drittes Glied, das aus dem Längsmuskelsysteme sich herleitet, einen sehr wirksamen Lidschlussapparat zu nennen. Derselbe besteht in einem kräftigen Muskelbande, das dick aber nur 0,5 cm breit am Skelet über dem vorderen Augenwinkel entspringt, um von hier aus die Elemente zur Umgebung des letzteren und zu einem Bandapparate zu entsenden, welcher vom Augenwinkel vor- und abwärts zieht. Die Fig. 35 giebt das Gefundene wieder. Von diesen Insertionsstellen ziehen andere Bündel zum unteren Augenlide. Hier breiten sie sich in zarter Schichte bis zur Umgebung des hinteren Augenwinkels aus. Es ist von Interesse zu sehen, dass Rand bündel auch dieses orbiculär angeordneten, tiefen und sicherlich sehr frühzeitig abgegliederten Muskels noch im Uebergange in das Längsmuskelsystem angetroffen werden (Fig. 35). Diese intermediären Faser- züge bilden die Brücke beim Versuche, die Entstehung zu erkunden. In ihnen spricht sich eben aus, dass tiefste Bündel der Längsmusculatur innigere Beziehungen zur Lidspalte eingegangen sind, in orbi- cularem Verlaufe vor der Lidspalte zum Skelete zogen und darauf von diesem bis zur Lidspalte allmählich an Ausbildung gewannen. Ueberblicken wir nochmals den complicirten Zustand der palpebralen (orbitalen) Musculatur von Echidna, so können wir sagen, dass es sich bei ihr erstens um eine oberflächlichte Schichte handelt, welche aus dem Längsmuskel vor der Lidspalte zum oberen Augenlide zieht, zweitens aber um einen Muskel, welcher vom Stirnbein aus vor der Lidspalte zum unteren Augenlide gelangt. Beide orbicular angeordnete Muskeln kreuzen theilweise einander vor dem vorderen Augenwinkel und werden namentlich durch die tiefe Lage zu einem sehr ansehnlichen Schliessmuskel der Lidspalte. Ein Vergleich der Musculatur vor der Lidspalte bei Zchidna und Ornithorhynchus muss auf das All- gemeinste sich beschränken, da die grosse bei beiden Monotremen bestehende regionale Verschiedenheit bei Echidna eine wohlentfaltete, bei Ornithorhynchus eine sehr wenig prägnante Musculatur hat hervorgehen lassen. Weil ein Zusammenhang der Glieder der letzteren mit der Skeletmusculatur bei Ornithorhynchus nicht hat aufgefunden werden können, so fehlen auch die festen Anhaltspunkte, welche für eine Ver- gleichung erforderlich sind. Ich halte es jedoch nicht für unwahrscheinlich, dass erneute Nachforschungen bei Ornithorhynchus nach dem Bekanntwerden von Variationen im Gebiete der gesammten Musculatur von Ornithorhynchus günstigere Resultate ergeben können. Vor der Hand begnügen wir uns damit, die gesammten Muskeln vor der Lidspalte trotz der grossen Verschiedenheit der Differenzirung bei beiden Formen gleichwerthig zu erachten. Inwiefern Indifferenzzustände, Eigenartigkeiten in der gesammten Anordnung oder Rückbildungen bei Ornithorhynchus vorliegen, wird besser an anderer Stelle besprochen werden. 77 Die Hautmusculatur der Monotremen. 151 Verbreitung des Nervus facialis in der Musculatur des Halses und Kopfes. Ornithorhynchus. Der Facialis, von MECKEL als ziemlich schwacher Nerv bezeichnet, verlässt den Schädel hinter dem knorpeligen äusseren Gehörgange; er lehnt sich darauf dessen Ventralfläche an. An der Wandung des Gehörganges zerfällt der Nerv sehr bald in seine Endäste. Soweit dieselben für die vorgeführte Musculatur bestimmt sind, folgen sie eine Strecke weit dem Gehörgange in lateraler Richtung, lassen sich dann aber in solche scheiden, welche vor, und in solche, welche hinter dem Gehörgange und der Ohröffnung sich vertheilen (Fig. 36). Vordere und hintere Aeste entstehen aus zwei grösseren Stämmen, in welche der Facialis sich kurz nach dem Verlassen des Schädels theilt. Der vordere Stamm entsendet zwei Aeste lateral- und vorwärts. Der eine von ihnen liegt vor dem Gehörgange, der andere Ast liegt der Vorderwand des Gehörganges noch eine Strecke weit auf. In diesen Ast senkt sich eine Anastomose aus Fig. 36. dem hinteren Stammast ein (Fig. 36), nachdem aus ihm ein Zweig sich losgelöst hat, welcher lateral- und rückwärts zum dorsalen Längsmuskel sich begiebt. Auch dieser oberflächliche, sich rasch auflösende Zweig em- pfängt aus dem hinteren Stammaste eine Anastomose (vgl. Figg. 27, 30, 36 und 37). Der vorderste, stärkere Zweig des vorderen Astes verläuft über die Wangentasche (Fig. 30) unter Auflösung in deren Musculatur, sowie an das kräftige Längssystem, aus welchem die Wangenmusculatur entstanden Fig. 37: N. fae. Fig. 36. Ventralansicht der Hals-Kopfregion von Ornithorhynehus. *);. Verbreitung des N. facialis an der Ventralfläche des äusseren Gehörganges. Fig. 37. Laterale Ansicht der Kopf-Halsregion von Ornithorhynehus. */,. Verbreitung des Nerv, facialis vor und hinter dem äusseren Gehörgange. ist. Der Nerv bleibt ventral und vor der Lidspalte. Der hintere Zweig des vorderen Astes, anfangs auf dem Gehörgange gelagert, überschreitet dessen Vorderrand, um zwischen Lidspalte und Ohröffnung und in der Umgebung Beider in der Musculatur sich aufzulösen (Figg. 27, 30, 37). Der hintere Stammast bewegt sich rasch über den hinteren Abschnitt des Gehörganges und dann in dorsaler Richtung. Auf dem Meatus auditorius ext. lösen sich Aeste ab, welche sich in den vorderen Stammast, sowie in dessen oberflächliche Zweige als Anastomosen einsenken (Fig. 36). An der Seite des Halses erfolgt eine Spaltung in einen mehr dorsal- und in einen rückwärts gewendeten Zweig (Figg. 27, 30, 37). Letzterer ist der stärkere. Der dorsale 152 Die Hautmusculatur der Monotremen. 78 Ast verläuft hinter dem Gehörgange (Figg. 30, 37); er entsendet Aeste zum Längsmuskel und endigt im M. auricularis post. s. dorsalis (Figg. 27 und 18). Der caudalwärts ziehende stärkere Zweig gelangt unter Abgabe kleinerer Muskelzweige unter die humero-craniale Muskelplatte (Figg. 28, 37), innervirt diese und lässt an deren hinterem Rande einen, wie ich vermuthe, für den costo-nuchalen Längsmuskel bestimmten stärkeren Nervenast hervorgehen. Dieser kommt zwischen dem humero-cranialen Facialis- und dem caudalwärts angeschlossenen costo-nuchalen Muskelbande zum Vorscheine (Fig. 28), wo er sich in einen vor- und einen rücklaufenden Ast theilt, deren Schicksal ich nicht mit Sicherheit habe feststellen können, welche Aeste ich aber für den costo-nuchalen Muskel bestimmt halte. Die Nerven für den schwachen Sphincter colli sind ebenfalls nicht mit Sicherheit gefunden worden. Zwei kleine Zweige lösen sich sehr früh vom vorderen Stammaste los (Fig. 36). Diese sind vielleicht für den ventralen Sphincter colli bestimmt gewesen. Sehen wir auch ganz von der Feststellung der In- nervation des Sphincter colli ab, so ist deren Zugehörigkeit zum Facialisgebiete mit Sicherheit durch die vergleichende Anatomie ergründbar. Dem N. facialis fallen bei Ornithorhynchus noch andere Muskeln zu, welche in der Paukenhöhle, zwischen Hyoid und Cranium und zwischen Mandibula und Hyoid gefunden werden. Für diese Muskeln bestehen selbstständige Aeste. In den am Kiefer festgehefteten Muskeln ist ein flacher, direet vorwärts ziehender Ast bestimmt. Nerv und Muskel sind MEcKEL (1826, p. 22, 34) bekannt gewesen. Dass ein hyo- mandibularer Muskel als ein Risorius bezeichnet werden konnte, ist ein Beweis dafür, dass der Autor das Wesen jener Muskeln nicht erkannt hat. Echidna. Der Facialis verlässt auch bei Echidna den Schädel hinter dem knorpeligen Gehörgange und theilt sich in dessen Nähe rasch in zwei Stämme, von denen der eine wie bei Ornithorhynchus nach vorn, der andere rückwärts sein Endgebiet aufsucht. Der vordere Stamm bildet an der Ventralfläche des Gehörganges eine Schlinge. Vom einheitlichen Facialisstamme zieht ein Zweig, wie Fig. 38 zeigt, quer medıan- wärts zu einem ebenfalls quer gerichteten, kräftigen Muskel. Der vordere Stammast ist auf den Figg. 21, 26, 33 zur Anschauung ge- bracht. Ein Zweig verbreitet sich vor-, lateral- und dorsalwärts zwischen dem unteren maxillo-auricularen Muskel und der tiefen interorbito-auricularen Muskelplatte in dem Gebiete zwischen Auge und Ohr. Er erschöpft sich in dem letzteren. Ein anderer starker Zweig zieht vorwärts zum Ursprungstheile der dorsalen Längsmuskeln (Figg. 2I, 26). Aeste zum frontal gelegenen Muskel konnten mit Sicherheit nicht wahrgenommen werden. Zwei zarte Nervenzweige begeben sich ventralwärts zu vorderen Sphincteren- bündeln; sie sind bedeckt von den abgesprengten tiefen Theilen des Sphincter colli (vgl. Fig. 26). Der hintere Stammast, für die hinter der Ohrmuschel ausgebreitete Fig. 38. Ventralansicht von Kopf und Hals einer Behidna. *,. Verbreitung des Nerv. facialis in der Nähe des äusseren Gehörganges. Er theilt sich in drei Aeste. Der eine verläuft ventral- und median- Musculatur des hierher gehörigen Gebietes bestimmt, ist ansehnlich. 79 Die Hautmusculatur der Monotremen. 153 wärts; mehrfach verästelt theilt er sich den hinteren Sphincterabschnitten mit (Fig. 26). Ein zweiter Ast ist lateral- und dorsalwärts gerichtet; er steigt am vorderen Rande der tiefen auricularen Portion des Sphincter colli empor. Sein Territorium ist nicht genau abgegrenzt worden. Der stärkste Ast des N. faci- alis zieht in caudaler Richtung, anfangs von der auricularen Portion des Sphincter colli bedeckt, unter welcher die Verzweigung stattfindet. Ein dorsal und nach hinten fortgesetzter Ast kommt als ein noch ansehnlicher Nerv am hinteren Rande des Sphincter colli zum Vorscheine, wo der Nerv in mehrere ventral und dorsal verbleibende Zweige zerfällt. Die ventralen Aeste fallen der auf die Gliedmaasse ausgebreiteten Musculatur anheim. Dorsale Aeste endigen in der Längsmusculatur des Nackens. Angaben über den Verbleib in den einzelnen Districten vermag ich nicht zu machen. Diese Facialisverästelung bewahrheitet aber die oben gegebene Darstellung des ganzen Muskelgebietes und speciell die Hinzuziehung der auf die Gliedmaasse gegen die Brust zu ausgedehnten Schichte zu dem Facialisgebiete. Es ist unschwer, eine Uebereinstimmung in dem Verhalten der Nerven bei Ornithorhynchus und Echidna zu erkennen. Sie besteht in allen wesentlichen Punkten, welche in der Lage der Nerven zum Gehörgange und in der Art des Verlaufes der Hauptäste des N. facialis nach vorn und nach hinten sich kundthun. Dass bei Echidna namentlich die dorsalwärts zwischen Ohr und Auge ziehenden Aeste mächtig entfaltet sind, hängt direct von der kräftigen Entwickelung der hier befindlichen Musculatur ab. Als Befunde, welche Zweifel und andere Deutungen als die hier vertretenen, wie ich glaube, zurück- weisen, hebe ich die folgenden nochmals hervor: 1) das Auffinden der Nerven für den M. auricularis posterior bei Ornithorhynchus, 2) derjenigen für das humero-craniale Muskelband bei Ornithorhynchus, 3) die Unmöglichkeit, Facialisäste in dasjenige dorsale Gebiet bei Ornithorhynchus zu verfolgen, wo andererseits pectorale Nervenverbreitungen gefunden worden sind, 4) der Nachweis der Innervation für die humeralen Muskellagen durch ventrale Aeste des Facialis bei Echidna. Es muss andererseits zugestanden werden, dass es nicht gelungen ist, Nerven zu einigen Muskel- gebieten aufzufinden. So sind z.B. die Nerven zur frontalen Muskelschichte und zumM. auricularis posterior von Echidna nicht mit Sicherheit anzugeben. Die übrigens langwierige und mühselige präparatorische Arbeit, bei welcher auf vielerlei zu achten war, liess nicht alle Wünsche in gleichem Maasse in Erfüllung gehen. Wenn ich voraussetzen durfte, dass der Nerv für den frontalen Muskel bei Echidna ventral von der Lid- spalte, derjenige für den M. auricular. post. ventral von der Ohrmuschel zum Endgebiete gelangte, so waren dies keine vagen Vermuthungen, vielmehr Annahmen, welche aus der Gesammtanordnung der betreffenden Muskeln sich ergaben. Die in diesen Blättern bekannt gemachten Thatsachen gewinnen durch den Vergleich sowohl mit der Organisation niederer als auch mit derjenigen höherer Wirbelthiere eine erhöhte Bedeutung. Hierüber werden Mittheilungen folgen. n Hagen ii ur Mi BT "0, wo AL, L en ze F u d u, ah) HR, Fl y TE Gere un, hr RK. 4 A ah oz di . “ Are, IE; N ir dk | er aa = a N nA ee % . Pen Ba, ” Fer Ei mE "1 iu AN f en BR En Studien zur Geschichte der Mammarorgane. I. Theil. Die Taschen- und Beutelbildungen am Drüsenfeld der Monotremen. Bearbeitet von Professor Dr. Hermann Klaatsch in Heidelberg. Mit Tafel XIII—-XV und 2 Textfiguren. Jenaische Denkschriften. V. 11 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 21 URBAN Einleitung. Als eine der dankbarsten Aufgaben, zu deren Lösung das reiche, von SEMON gesammelte Material an Monotremen und Marsupialiern neue Hülfsmittel darbietet, muss die Erforschung der Phylogenese der Mammarorgane betrachtet werden. Mit Freuden ging ich daher auf Semon’s Vorschlag ein, gerade dieses Organsystem zunächst einer Prüfung zu unterziehen. Vor allem war es die reiche Sammlung von Echidna- Beuteln, welche zu einer Bearbeitung lockte und eine Lösung mancher der noch schwebenden Streitfragen bezüglich dieses Objectes versprach. Die Erwartungen, mit welchen ich die Bearbeitung des werthvollen Materiales in Angriff nahm, haben sich in vollem Maasse als berechtigt erwiesen. In vielen Punkten konnten die noch in so grosser Zahl vorhandenen Lücken unserer Erkenntniss der Geschichte der Mammarorgane ausgefüllt und manche von einander weit differirende Angaben früherer Autoren in ihrer wahren Bedeutung aufgeklärt und zum grossen Theil mit einander in Einklang gebracht werden. Andererseits freilich mussten manche Punkte vorläufig unerledigt bleiben; so erfüllte sich die Hoff- nung, dass die Untersuchung einer grösseren Zahl weiblicher Ornithorhynchus die schwierigen Verhältnisse dieser Form in besseren Einklang mit dem Echidna-Zustande bringen werde, als dies bisher möglich war, nur unvollkommen. Auch fehlen uns leider Entwickelungsstadien von Ornithorhynchus noch gänzlich. Trotz dieser negativen Ergebnisse verhilft Ornithorkynchus doch in manchen Dingen zur Aufklärung über die ersten Stadien in der Vorgeschichte der Mammarorgane, und aus diesem Grunde übergehe ich die an 8 weiblichen erwachsenen Exemplaren gemachten Wahrnehmungen nicht. Ausser diesen kamen zur Untersuchung vor allem die erwähnte Collection von „Bchidna-Beuteln“ — 34 an Zahl — die SEMoN an Ort und Stelle herausgeschnitten hat, ferner einige Embryonen von Echidna, an welchen SEMon kürzlich die embryonale Anlage des Brutbeutels entdeckt und beschrieben hat. Von Marsupialiern stand mir eine grössere Anzahl Beutelföten von Phalangista, Halmaturus, Pera- meles, Hypsiprymus, Petaurus zur Verfügung, doch wird gerade dieses Material erst in den später erscheinen- den Theilen dieser Arbeit seine Verwerthung finden. Dazu füge ich einiges Marsupialier-Material, welches theils dem hiesigen Anatomischen Institut, theils mir persönlich angehört. Die Gesichtspunkte, von denen aus eine nutzbringende Untersuchung des Materiales unternommen werden musste, ergeben sich für denjenigen leicht, der mit der Entwickelung unserer Kenntnisse von den Ale 21* 158 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 84 Mammarorganen vertraut ist, und da ich selbst bereits vielfach mit diesem Gegenstande mich beschäftigt habe, so konnte ich über die nöthigen Fragestellungen keinen Augenblick im Zweifel sein, und der Erfolg bestätigte, dass der eingeschlagene Weg der richtige sei. Ich setze für die vorliegenden Studien die früheren Untersuchungen meines Gebietes als bekannt voraus; auch überhebt mich das treffliche Referat, welches Bonner kürzlich über die Mammarorgane gegeben hat, der Mühe, hier noch einmal eine Recapitulation der bisherigen Literatur zu geben. Ich werde dieselbe hier nur insoweit ausdrücklich erwähnen, als es die Darlegung der in Angriff genommenen Probleme nöthig macht. Wir können dieselben in zwei grosse Gruppen scheiden, und diese Sonderung kommt auch bei der Abfassung der Bearbeitung zur Geltung. Einmal handelt es sich darum, die mannigfachen Reliefbildungen zu erklären, welche sich in der Umgebung der Ausmündungstelle der Mammardrüsen finden. Sodann ist es der histologische Charakter der Mammardrüsen selbst, welcher namentlich für die Marsupialier und Placentalier der Aufklärung bedarf. Der hier vorliegende Beitrag stellt sich die Aufgabe, das erste Problem zum Theil — soweit es die Monotremen betrifft — seiner Lösung zu nähern. Die anfänglich gehegte Absicht, auch die Marsupial- bildungen der Beutelthiere gleichzeitig hiermit zu erledigen, musste aufgegeben werden, da der Stoff sonst allzu sehr angewachsen wäre. Dieses Capitel also, sowie die Prüfung der zweiten Frage, bezüglich deren die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, sollen das Thema der folgenden Studien bilden. Während bei Ornithorhynchus am Drüsenfeld des Mammarapparates bisher gänzlich jegliche Unebenheit vermisst wurde, sind bei Zchidna zuerst von Owen Taschenbildungen beschrieben worden, die seither unter dem Namen der Mammartaschen eine wichtige Rolle gespielt haben. Owen hatte Anhaltspunkte dafür gewonnen, dass die eine dieser Taschen einen Embryo beherbergte, und hatte deshalb dieselbe als einen Brutbehälter bezeichnet. Es ist bekannt, dass GEGENBAUR diesen Zustand zur Erklärung der Mammarorgane der höheren Säugethiere heranzog, und dass er je nach der Art der Verwendung von Theilen der Mammartasche ver- schiedene Typen der Zitzenbildung bei den Marsupialiern und Placentaliern unterschied. Diese seine Auf- fassung hat, nachdem ich sie gegen die Angriffe Reım’s mit Glück vertheidigt und durch neue Thatsachen gestützt hatte, allgemeine Gültigkeit erlangt. Dennoch konnte ein Punkt des Fundamentes, auf welchem diese Lehre ruhte, als nicht völlig sicher betrachtet werden. Die OweEn’sche Mammartasche bei Echidna, auf die ja alles sich aufbaute, wurde nicht wiedergefunden. GEGENBAUR selbst fand bei mehreren Exemplaren nur unbedeutende Einziehungen am Drüsenfeld, und der spätere Untersucher HAAckE konnte Owen’s Angaben nicht bestätigen. An Stelle der Taschenbildungen fand er einen geräumigen Brutbeutel. Auf Grund dieser Thatsache erklärte er Owen’s Schilderung für unrichtig. Dieser Forscher sollte sich nach Haacke’s Meinung durch die in Alkohol geschrumpften Reste eines Brutbeutels haben täuschen lassen. Nach der sorgfältigen Schilderung Owen’s aber musste die Deutung Haacke’s bedenklich erscheinen; auf einem ganz neuen Wege gelangte ich dann zu der Vermuthung, dass „die von einander so abweichen- den und scheinbar weit auseinandergehenden Befunde bei Monotremen auf einen gemeinsamen Ausgangs- punkt zurückgeführt werden können“. Sowohl bei erwachsenen Hufthieren, als auch bei Phalangist« 85 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 159 gelang es mir, in erwachsenem Zustande Mammartaschen nachzuweisen, welche letztere zum Marsupium in auffälliger Beziehung standen. Ich konnte den vorliegenden Befund nur in dem Sinne deuten, dass das Marsupium der Beutelthiere aus Mammartaschen entstanden sei, und ich sprach die Vermuthung aus, dass ein ähnlicher Zusammenhang der Owen’schen Mammartaschen und des Haacke’schen Brutbeutels auch bei Echidna bestehen möchte: „Es ist sehr wohl denkbar, dass bei Echidna einmal nur die Mammartaschen ohne Beutel, ein anderes Mal nur der Beutel ohne die seine Entstehung bedingenden, dann aber reducirten Mammartaschen angetroffen wird.“ So war denn von verschiedenen Seiten her die Prüfung der Echidna-Befunde ein dringendes Postulat geworden, und von dem Ergebniss dieser Prüfung hing die Entscheidung bezüglich der von GEGENBAUR und mir vertretenen Anschauungen ab. Vor allem waren es also die makroskopischen Verhältnisse, welche hier der genauen Bearbeitung: bedurften. Dabei ergaben sich auch, abgesehen von der Hauptfrage, manche wichtigen Punkte, die theils bisher unbekannt, theils gar nicht gewürdigt worden sind. Die Beziehungen des Hautmuskels zu dem Beutel und den Drüsen musste berücksichtigt werden, und in diesem Punkte war auch ÖOrnithorhynchus voll zu verwerthen. Die ebene Beschaffenheit des Drüsen- feldes bei letzterem musste zu Erklärungsversuchen anregen. Ist der Befund dieser Form ein primärer oder ein secundärer? Haben einmal Taschenbildungen wie bei Echidna bestanden oder nicht? Das sind die Fragen, welche wir uns hier stellen müssen, und auf die ich leider keine abschliessende Antwort geben kann. Dennoch glaube ich, alle Thatsachen combinirend, auch in diesem Punkte einiges Licht auf die ersten An- fänge der Mammarorgane werfen zu können. Die mikroskopischen Befunde kommen bei diesem Theil der Untersuchung erst in zweiter Linie in Betracht. Wir sind in dieser Hinsicht besser orientirt, als bezüglich der makroskopischen. Namentlich kann ich der genauen Schilderung, die GEGENBAUR vom Drüsenfeld des Ornithorhynchus gegeben hat, wenig Neues hinzufügen. Doch dürfte eine genaue und übersichtliche Abbildung der Drüsenfelder auf dem Querschnitt erwünscht sein. Die anderweitigen mikroskopischen Ergebnisse sollen später bei der Drüsenfrage ihre Erwähnung finden. Bezüglich dieser habe ich an einem anderen Orte in meiner Arbeit über die Mammartaschen bei erwachsenen Hufthieren die Fragestellung scharf präcisirt und verweise einstweilen darauf. Der Kernpunkt der Frage ist, ob wir die Milchdrüse der Marsupialier und Placentalier von „Knäueldrüsen“ oder „Talg- drüsen“ abzuleiten haben. Die jetzt herrschende Ansicht, zu der sich auch GEGENBAUR bekannt hat, ver- sucht bekanntlich die Anknüpfung an die Talgdrüsen, und damit wird eine Kluft zwischen diesen Formen und den Monotremen geschaffen, bei welchen GEGENBAUR die Mammardrüsen für umgewandelte Knäuel- drüsen hält. Hierfür soll dann auch die Ontogenese der Echidna-Mammardrüse herangezogen werden. 160 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 86 I. Ornithorhynehus. Die Entdeckung der Mammardrüse des Ornithorhynchus verdanken wir bekanntlich ]. F. MEckEL, welcher dieselbe im Jahre 1826 bei einem weiblichen Exemplare als ein sehr voluminöses Organ auffand. Auf Fig. 5, Taf. VIII, seiner vortrefflichen Monographie hat MEckEL eine gute Abbildung seines Befundes gegeben, welcher ihn selbst aufs höchste überrascht hatte. In sehr anschaulicher Weise schildert er den ersten Eindruck, welchen diese Wahrnehmung auf ihn machte. Am 25. December 1823 bei einbrechender Dunkelheit fand er gelegentlich anderer Untersuchungen das räthselhafte Organ. „Tenebris jam ingruentibus, ne quid in objecto unico laederem, opus coeptum relinquens, altero mane post noctem anxia exspectatione insomnem, ad idem regresso, extra ullum dubium glandularis hujus massae structura posita fuit.“ Auch erkannte er sofort, dass es sich um eine „Mamma“ handle, wobei ihm Lage und Einrichtung des Drüsen- complexes, sowie die starke Entwickelung beim weiblichen Geschlecht die nöthigen Fingerzeige gaben. Ueber Lage, Grösse und Bau der Mammardrüse berichtete er in der Hauptsache Folgendes: Die Drüse liegt an der Seite des Bauches, von der Brustregion bis zur Schenkelbeuge sich er- streckend. Der sehr ausgedehnte Drüsenkörper besitzt eine nur geringe Dicke. Ueber die Lage zu den Schichten der Haut giebt MECREL nur unvollkommen Aufschluss. Sie soll dem „Panniculus carnosus“ „laxissime‘“ adhäriren; aber er sagt nichts von der Durchbohrung dieses Muskels durch die Drüse (p. 54). Den Drüsenkörper bilden sehr zahlreiche, nach MECKEL bei dem betreffenden Exemplar ca. I50 an Zahl betragende Schläuche, die terminal kolbig anschwellen, gesen die Haut aber sich sehr bedeutend verjüngen und namentlich gegen die kleine Ausmündungsstelle der Drüse hin convergiren. „Ductuli excretorii, maxime attenuati in glandulae medio extrorsum aperiuntur.“ Dies geschieht am Drüsenfeld der „Area“, welche nach Abtragung der Haare als eine Partie erscheint: „quinque circiter lineas longa, tres lata, foraminulis, iis, e quibus pili egrediuntur, majoribus, nigris circiter octaginta stipata, forsan ductuum excretoriorum orificiis“. Nun folgt eine merkwürdige Stelle über eine angebliche Warzenbildung: „Praeterea in hujus medio depressiuncula duarum linearum diametri adest, pilis destituta, sed eminentiunculis in- aequalis, inter quas praecipue una, milii gramm haud aequans, reliquas antecellit. Hae sine dubio papillae et ductuum orificia sunt . .“ Die wichtige Entdeckung blieb nicht ohne Widerspruch. Indem GEOFFRoY Sr. HıLaırE die Deutung des neuen Organes als Milchdrüse angriff, erhob sich eine Discussion, an welcher auch C. E. von BAER sich betheiligte, diejenige Partei vertretend, welcher alsbald durch Owen’s genaue Untersuchung und voll- ständige Bestätigung der Angaben MECKEL’s zum Siege verholfen wurde. In neuerer Zeit hat nur GEGENBAUR sich mit unserem Objecte beschäftigt und hat die mikro- skopischen Verhältniss des Drüsenfeldes (am männlichen Thiere) dargestellt. Die wichtige Entdeckung GEGENBAUR’s, dass die Mammardrüsen des Ornithorhynchus Knäueldrüsen sind, wird uns später beschäftigen. Hier sollen nur die Punkte, welche das Drüsenfeld selbst betreffen, berücksichtigt werden. GEGEN- BAUR hat die Uebereinstimmung desselben bezüglich der beiden hier vorkommenden Haargebilde — Woll- haar und Stichelhaar — mit der übrigen Haut (cf. Levpıc’s Untersuchungen) dargethan und gezeigt, dass die Mammardrüsen immer an den Stichelhaaren ausmünden, und gerade hierauf basirt die Vergleichung dieser Drüsen mit den Knäueldrüsen der übrigen Haut. 87 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 16I Bezüglich der Eigenart des Drüsenfeldes ist besonders der Nachweis einer besonderen Lage glatter Musculatur wichtig. Dieselbe findet sich in der äusseren Lage der Lederhaut und bildet mehrfache Schichten „von Zügen, welche parallel mit der Oberfläche zwischen den Haarbalggruppen verbreitet sind“. „Sie nehmen die als feinfaserig beschriebene Partie der Lederhaut ein, von der sie gegen die Epidermis zu eine Strecke frei lassen, und reichen nicht ganz bis zum Grunde der grösseren Haarbälge. Die Muskel- schichten verbinden sich unter einander, Portionen höher gelegener Züge begeben sich zu tieferen. An die Haarbälge selbst gelangt nichts von dieser Musculatur, und auch die Drüsen sind ohne alle Beziehungen dazu‘ (p. 20). Ueber die Frage, wie sich Ornithorhynchus bezüglich des Mangels jeglicher Taschenbildungen zu Echidna verhalte, äussert sich GEGENBAUR nicht. Diese wichtige Frage ist auch sonst nirgends, abgesehen von einer gelegentlichen Notiz, die ich in einer früheren Arbeit darüber machte (83), aufgeworfen worden. SEmon übersandte mir im Ganzen 8 weibliche Exemplare zur Untersuchung. Sie boten im Wesent- lichen übereinstimmende Verhältnisse dar, nur war der Drüsenkörper verschieden stark entwickelt. Keines dieser Thiere stammte aus der Zeit der Gravidität, und im Allgemeinen war die Drüse sehr schwach ent- wickelt, bei einem kaum nachzuweisen. Nur ein Exemplar zeigte eine etwas bessere Entwickelung des Organes, aber auch in diesem Falle blieb die Drüse weit hinter jenen Dimensionen zurück, welche dieselbe bei MEckEL’s Object aufwies (Taf. XII). Allen Objecten gemeinsam ist die Lage des Drüsenfeldes in der seitlichen Bandregion in einer Ent- fernung von ca. 9 cm von der Cloake und ca. 5 cm von dem vorderen Rand der Pubissymphyse. Das Epipubis (Epp) erstreckt sich annähernd in der Richtung gegen das Drüsenfeld (Dr) hin, aber erreicht es nie. Dieses letztere selbst steht ca. 2-3 cm von der Mittellinie ab. Nicht immer hat es die gleiche Lage auf beiden Seiten, häufig liegt es auf der einen Seite (besonders links) mehr caudalwärts als auf der anderen. Die Mammardrüse (Gl. mamm.) stellt einen annähernd ovalen, ziemlich platten Körper dar, dessen Beschaffenheit ich mit Owen’s Beschreibung übereinstimmend finde. Der Drüsenkörper ist flächenhaft aus- gebreitet und erstreckt sich vom Drüsenfeld aus durch eine Oeffnung des Bauchhautmuskels (M. sube. abd.) zwischen diesen und tieferen Bauchmuskeln in lateraler Richtung (Taf. XIII). Die Drüse (Gl. mamm.) besteht, wie die früheren Beobachter richtig angegeben haben, aus zahlreichen Schläuchen, welche mit schmalem Mündungsstücke zum Drüsenfelde (Dr) treten. Da sie alle terminal sich verdicken, so wird ihre Gesammtanordnung eine zum Drüsenfeld hin convergirende sein. Diese Kolbenform der Schläuche hat Owen gut abgebildet. Die Zahl der Schläuche ist eine sehr grosse, wohl immer über hundert betragend. Lockeres Bindegewebe verbindet die einzelnen Schläuche mit einander, eine nicht sehr starke Kapsel an der Aussenfläche des Drüsenkörpers bildend. Ueber die Dimensionen und Lage der Drüse giebt die folgende, auf 6 Exemplare sich beziehende Tabelle Auskunft. Für unsere Zwecke kommt es vor allem auf die Ausmündungsstelle der Drüse und auf den Muskel- schlitz an, durch welchen die Drüse hindurchtritt. Da diese Dinge bisher niemals in situ dargestellt worden sind, so gebe ich auf Taf. XIII eine Abbildung der hinteren Rumpfhälfte eines weiblichen Thieres, an welchem alle Theile wohl entwickelt waren. Auf der rechten Seite des Thieres ist das Drüsenfeld (Dr) durch Entfernung der Haare freigelegt worden. Die in der Mittellinie gespaltene Bauchhaut ist nach links zurückgeschlagen, so dass man hier die 162 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 33 ee nn — Bm Tänge Muskelschlitz Abstand des | Drüsenkörper des Thieres !) Sanllzes yon dem Bemerkungen = ale: Länge Breite Os pubis Höhe Länge (alle weiblich) r. 1 a r. | l T. l r | 1 I. 39 4,0 45 | 05 | 1,0 6,5 5,5 o o o o | Drüse reducirt, Drüsenfeld deutlich. II: 40,5 3,0 2,0 0,4 0,5 A | Eu 2,0 2,2 3,8 4,4 | Drüse sehr schlaff und schmal. II. 41 2,7 3,4 0,7 0,5 6,0 5,0 1,5 1,5 2,3 2,2 | Drüse etwas dicker (ca. 0,2 cm)- IV. 42,5 3,2 _ 0,6 _ 4,0 — | 08 — | 12 — |Links Verhältnisse in Folge mangelhafter | Erhaltung unklar. V. 43 2,8 24 | 0,6 0,6 4,5 4,5 | 2,5 3,4 | 55 | 53 | Drüse gut entwickelt. | | | VI 44 2,7 2,8 0,6 0,5 4,7 4,3 2,0 2,0 | 3,0 | 3,5 | Drüse ganz schwach. Durchschnitt: | 3,1 3,3 0,55) 0,6 5,0 4,5 1,4 2,1 3,1 | 3,9 | Drüse links tiefer als rechts, links stärker als rechts. Drüse von innen her erblickt und den Muskelschlitz (Schl) wahrnimmt. In der Tiefe erkennt man das Epipubis (Zpp) und Theile der Bauchmusculatur (Pyramidalis [M. pyr.]), sowie der vom Epipubis und Pubis zum Schenkel ziehenden Muskeln. CI bezeichnet die Cloake, Sp die Gruben an der hinteren Extremität, dem Sporn der Männchen entsprechend. Das Querschnittsbild Textfigur 1 wird die makroskopische Dar- stellung ergänzen. Das Drüsenfeld (Dr) bietet offenbar sehr weitgehende individuelle Schwankungen dar, die auch mit der temporären Entwickelung der Drüse zusammenhängen mögen. Bisweilen zeigt es sich sofort nach der Entfernung der Haare als ein ovales, häufig durch besondere Färbung von der Umgebung abstechendes Hautgebiet, und die Drüsenöffnungen sind mit blossem Auge leicht sichtbar; in anderen Fällen macht die Auffindung und Wahrnehmung der Einzelheiten grosse Schwierigkeiten. Auch die Form der Umgrenzung der Felder mag variiren. In dieser Hinsicht differiren bereits die früheren Angaben von einander. OWEN bildet einmal das Feld kreisrund ab, ein anderes Mal länglich-oval, und in dieser Gestalt finde auch ich es bei guter Entwickelung. Auch MEckEr’s Abbildung stimmt damit ganz gut überein. In dem Falle der Taf. XIII, den ich um der guten Ausprägung der Einzelheiten willen als Para- digma wähle, zeigte sich das Drüsenfeld als ein ovales, leicht pigmentirtes Gebiet, dessen grösster Durch- messer der Körperlängsaxe parallel gestellt ist und etwas mehr als einen Centimeter beträgt, während der dazu senkrechte Querdurchmesser noch nicht einen halben Centimeter erreicht. Die Beschaffenheit des Drüsenfeldes finde ich sehr ähnlich der von Owen auf Fig. 2 seiner Taf. XVII gegebenen Abbildung. Ganz richtig hat Owen das Relief des Drüsenfeldes in seiner Beziehung zu dem der benachbarten Haut erkannt. Hier in der Umgebung des Feldes stehen die Haargruppen in leichten, queren Furchen, welche nicht ganz gerade verlaufen. Mit der Lupe erkennt man die Austrittsstelle jener Haargruppen, deren mikroskopisches Verhalten GEGENBAUR genau beschrieben hat. Wichtig ist nun, dass sich diese Haargruppenreihen und die entsprechenden Furchen auf das Drüsen- feld fortsetzen, dessen Uebereinstimmung mit dem gewöhnlichen Integument dadurch sehr deutlich hervor- tritt, wie das ja GEGENBAUR auch mikroskopisch dargethan hat. Da MEckEL von Papillenbildung am Drüsenfelde spricht, so habe ich auf diesen Punkt besondere Aufmerksamkeit verwendet, um so mehr als OwEn zu einem von MECKEL abweichenden Ergebniss kam. Owen meint, dass es sich bei MEckEL’s Exemplar um eine gelegentliche und unwesentliche Bildung gehandelt habe. I) Alle Maasse in der Tabelle Centimeter. so Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 163 Die sehr ausdrückliche Angabe des genauen Beobachters macht mich aber stutzig, und ich glaube, dass man mit grosser Vorsicht die Ablehnung solcher positiver Befunde eines so hervorragenden Forschers vornehmen muss. Hat man einmal die grosse Breite der Variation gerade der Warzenbildungen am Drüsen- felde von Echidna kennen gelernt, so wird man sehr geneigt, auch bei Ornithorhynchus die Möglichkeit einer Warzenbildung zuzugeben, und man muss erwägen, dass bei MECKEL’s Exemplar die Mammardrüsen sehr stark entwickelt waren, während sie bei OweEn’s und meinen Objecten als ziemlich unbedeutend bezeichnet werden müssen. Aus diesem Grunde messe ich meinen negativen Befunden ebenso wenig Bedeutung bei, wie denen Owen’s. Ich fand nichts von dem, was MECKEL beschrieben hatte. Wohl aber fielen mir eigenthümliche kleine Erhebungen auf, die in gleicher Weise auch bei Echidna sich finden. In grösseren Abständen, un- regelmässig vertheilt, sehe ich sie bei Ornithorhynchus sowohl auf dem Drüsenfeld wie in dessen Umgebung. Eine Beziehung derselben zu Haaren konnte ich nicht constatiren. Die morphologische Bedeutung dieser „Warzen“ will ich hier nicht erörtern, es würde uns dies zu weit vom eigentlichen Gegenstand ab in die Frage nach der Phylogenese der Schuppen- und Haarbildungen führen; für unseren Zweck ist wichtig, dass recht wohl eine solche Warze sich vergrössern und den Ausgangspunkt einer Papillenbildung abgeben könnte, vielleicht in Verbindung mit der Zunahme einer benachbarten Mammardrüse. Meine Meinung ist also die, dass man die Untersuchung von neuem Ornithorhynchus-Materiale ab- warten soll, bevor man über den gänzlichen Mangel einer Papille ein sicheres Urtheil gewinnen kann. Dieser Wunsch nach neuem Material macht sich in einem anderen, noch viel wichtigeren Punkte ebenfalls sehr fühlbar. Ich meine die oben berührte Frage nach Rudimenten von Taschenbildungen” am Drüsenfelde. Da ich mich aus Gründen allgemeinerer Art der Annahme zuneige, dass der ebene Zustand des Drüsenfeldes bei Ornithorhynchus kein primitiver sei, so ging ich mit einigen Erwartungen an die Prüfung der Objecte. Ich legte mir zurecht, wo und in welcher Form etwa Taschenrudimente zu erwarten seien. Um dies verständlich zu machen, muss ich eine kurze Bemerkung über die Verhältnisse bei Zchidna vorweg. nehmen. Bei dieser Form ist die ursprünglichste Einrichtung der Mammartasche diejenige, wo auf der medialen Seite des Drüsenfeldes eine schlitzförmige Hauteinsenkung sich findet. Das ‚Drüsenfeld stellt einen in verschiedener Weise angehobenen Theil der lateralen Taschenwandung dar. Die Mammartasche der Echidna streicht in leicht schräger Richtung von vorn nach hinten und von der lateralen nach der medialen Seite hin (vel. Taf. XV, Fig. 10). Dies muss man wissen, um die Verhältnisse bei Ornithorhynchus richtig beurtheilen zu können. Indem ich mit von diesem Gesichtspunkte aus die Objecte prüfte, gelangte ich leider zu einem fast völlig negativen Resultate. In der Mehrzahl der Fälle war nichts nachzuweisen, was in meinem Sinne zu deuten gewesen wäre, Nur bei einem Exemplare, und zwar bei dem auf der Taf. XIII abgebildeten, traf ich eine ganz, seichte Rinnenbildung, und zwar in der postulirten Lage und Form, an. Auf der medialen Seite des Drüsenfeldes zeigte sich die auf der Fig. ı mit B bezeichnete „Mammarfurche‘ mit ihrem caudalen Ende leicht medial gerichtet. Dass es sich hier nicht um eine ganz beliebige und unwesentliche Bildung, handelt, schliesse ich daraus, dass sich diese Furche nicht durch Druck oder Zug beseitigen und auch nicht bei den anderen Exemplaren beliebig erzeugen lässt. Auf der linken Seite fand ich die Bildung ähnlich, doch nicht so deutlich ausgeprägt. Ich liess auf der rechten Seite die betreffende Hautpartie intact und wählte die linke zur Vornahme der mikroskopischen Prüfung. Von dieser musste die Entscheidung darüber Jenaische Denkschriften. V. 12 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 22 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 90 164 abhängen, ob die medial vom Drüsenfeld gelegene Einsenkung sich mit anderen Eigenthümlichkeiten der Haut combinirt, und daraus könnte eine neue Instanz zur Beurtheilung des Werthes des Befundes hervor- gehen. Auf Textfigur ı ist der Querschnitt des linken Drüsenfeldes dargestellt. Derselbe ist so orientirt, dass die mediale Seite nach links gekehrt ist. Die makroskopisch wahrgenommene Vertiefung B tritt auf dem Schnitt noch viel deutlicher hervor. Das Drüsenfeld steigt allmählich an zu der lateral davon gelegenen Hautpartie, welche noch ganz die gewöhnliche Beschaffenheit besitzt. Die von GEGENBAUR entdeckte glatte Musculatur beginnt lateral erst unmittelbar am Drüsenfeld. Medial aber setzt sie (m) sich über das Drüsenfeld hinaus weit auf die umgebende Haut fort. Wie weit sie hier reicht, vermag ich nicht anzugeben, aber in der ganzen Ausdehnung des von mir excidirten Hautstückes, also mindestens einen halben Centimeter vom Drüsenfeld entfernt, findet sich dieselbe noch. NER INEEHUNAN IE Fig. ı. Querschnitt des linken Drüsenfeldes von Ornithorhynchus. Schwach vergrössert. B Mammarfurche; Gl. mamın. Mammardrüse; m glatte Musculatur; Spk Hautmuskel. Damit erscheint der medial vom Drüsenfeld gelegene Theil als etwas Besonderes, und damit stimmen weitere Unterschiede desselben vom lateralen Integumente überein. Wie man leicht auf der Figur erkennt, sind die Haare viel kleiner und zarter, auch scheint mir die Structur der Lederhaut etwas lockerer. Hieraus ergiebt sich mit voller Sicherheit, dass die mediale Partie der Haut eine besondere, mit dem Drüsenfeld in Beziehung stehende Ausbildung besitzt, und der makro- skopische Befund erhält hierdurch eine grössere Wichtigkeit. Was die übrigen Punkte des mikroskopischen Baues dieser Theile betrifft, so kann ich, wie schon erklärt, GEGENBAUR’s Angaben nur bestätigen, auch mir fiel die reiche Infiltration der oberflächlichsten Hautpartien mit kleinen, rundlichen Zellen auf, die ich für Iymphoide Elemente halten möchte. Der wichtigste Punkt ist, dass die glatte Musculatur nicht aufs Drüsenfeld beschränkt ist, und da gı Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 165 wir in der medialen Ausdehnung derselben eine Parallele zu dem Befunde bei Echidna antreffen, so gewinnt meine Vermuthung, dass der Ornithorhynchus-Zustand von einem solchen wie bei Echidna ableitet, eine neue Stütze. Somit wage ich denn, die Vermuthung auszusprechen, dass die Mammarfurche des Ornitho- rhynchus das Rudiment einer Mammmartasche repräsentirt. Die Entscheidung darüber ob ich mit dieser Vermuthung das Richtige treffe, hängt von allgemeineren Fragen ab, über die ich mich im Schlusskapitel äussern werde. In jedem Falle schien es mir geboten, den Befund als solchen bekannt zu geben. Von grosser allgemeiner Bedeutung ist ferner für die Beurtheilung des Ornithorhynchus-Zustandes das Verhalten der Drüse zum Bauchhautmuskel (s. Taf. XIII und Textfigur 1). Dieser Muskel (M. sube. abd.), den bereits MECKEL richtig abgebildet und beschrieben hat, wird von einem anderen Autor ausführlich behandelt werden. Ich berühre ihn daher nur insoweit, als es für unseren speciellen Zweck durchaus unvermeidlich ist. Dass die Drüse durch den Hautmuskel tritt, hat Owen richtig erkannt, während MEcKEL sich nicht deutlich über diesen Punkt äussert. Auch die Abbildungen Owen’s sind unklar. Nur eine derselben giebt scheinbar eine zutreffende Anschauung. Ich bezog sie nach dem Bilde auf Ornithorhynchus (Taf. XVII, Fig. 3), bis ich zu meinem Erstaunen aus der Tafelerklärung sah, dass sie Echidna zugehören sollte. Nach der Form der Drüse möchte ich dies gelten lassen, aber nach der Beschaffenheit des Muskels war diese Deutung unmöglich, da sich bei Echidna gänzlich andere Verhältnisse finden. Fällt dies Bild fort, so ist nirgends eine zutreffende Ab- bildung vorhanden, und deshalb füge ich die meinige auf Taf. XIII bei. Die Bündel des Hautmuskels laufen in der betreffenden Gegend ziemlich genau longitudinal. Un- weit der Drüse weichen die Züge des Muskels auf beiden Seiten auseinander, um caudal sich wieder zu vereinigen. Es kommt somit ein paariger Muskelschlitz zu Stande, dessen theoretische Bedeutung, namentlich in Vergleichung mit der entsprechenden unpaaren Bildung von Echidna, bisher nicht gewürdigt worden ist und zu neuen Fragestellungen anregt. Die Dimensionen des Muskelschlitzes sind verschiedene. Seine Länge beträgt durchschnittlich etwas mehr als 3 cm, schwankt aber zwischen 2,7 und 4 (cf. Tabelle). Seine Breite ist sehr gering (ca. '/, cm) und darin correspondirt diese Muskellücke mit der Configuration der Drüse. Da wir nun Fälle haben, in denen die Drüse gar nicht nachweisbar ist, so sollte man vielleicht erwarten, dass auch der Muskelschlitz völlig schwinden könne. Dem scheint aber nicht so zu sein. Wenigstens habe ich bisher in allen Fällen denselben gefunden, die Drüse mochte noch so sehr reducirt sein. Schon vor mehreren Jahren entdeckte ich bei der Muskelpräparation an einem erwachsenen männ- lichen Exemplar, das dem hiesigen Anatomischen Institute gehört, die Muskellücke. Obwohl ich damals vom Mammarorgan nichts auffinden konnte, vermuthete ich dennoch eine Beziehung der Lücke zu dem- selben, und wie sich nun zeigt, mit vollem Recht. Es kann also die Muskellücke unabhängig von der Drüse bestehen; dies ist ein wichtiger Punkt, welcher bei der Betrachtung der gegenseitigen Beziehungen von Muskel und Drüse zu einander berück- sichtigt werden muss. Diese Beziehungen sind doppelter Art, einmal functionelle und ferner genetische. Was die erstere betrifft, so sehen wir, dass die Drüse sich unter dem Hautmuskel in lateraler Richtung ver- schiebt. Daraus resultirt nothwendiger Weise eine Beeinflussung der Drüse durch den Muskel, und zwar ist der laterale Theil derselbe, welcher hierfür in Frage kommt. Dies ist von grosser Bedeutung. Wenn 12* 29% 166 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 92 bezüglich der compressorischen Wirkung des Hautmuskels auf die Drüse sich die einzelnen Theile des- selben ungleichwerthig verhalten, so würde es eventuell begreiflich sein, dass eine Reduction derselben partiell eintreten könnte, der Art, dass der ganze mediale Theil schwindet, ohne eine Störung des Haut- muskels in seiner Function als der eines primitivren Compressor mammae herbeizuführen. Was die genetischen Beziehungen von Muskel und Drüse anbetrifft, so will ich hier nur die ver- schiedenen Möglichkeiten aufstellen, um erst später eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Erklärungs- weise sich am besten in den Gang der Entwickelung einfügt, den wir für die Mammarorgane postuliren müssen. Am meisten naheliegend ist ja scheinbar auf den ersten Blick die Annahme, dass die Drüse durch ihr zunehmendes Volumen die Fasern des Bauchhautmuskels auseinander gedrängt und sich unter ihm vor- geschoben habe. Danach wäre die Drüse die Ursache des Muskeldefectes. Es lässt sich aber auch a priori die Möglichkeit aufstellen, dass der Muskelschlitz unabhängig von der Drüse entstanden sei, und dass die Drüse denselben nur zum Durchtritt benutzt habe. Bei einer solchen Auffassung würde also ein Factor existiren müssen, welcher den Hautmuskel gänzlich unabhängig von Drüsenbildungen beeinflusst hätte, und es fragt sich, ob wir einen solchen wahr- scheinlich machen können. Diese Fragen hängen aber aufs innigste mit der Phylogenese der Taschen- bildungen zusammen, und wir wollen bei der allgemeinen Betrachtung auf dieselben zurückkommen. II. Echidna. Die Mammarorgane von Echidna wurden später als diejenigen von Ornithorhynchus einer genaueren Prüfung unterzogen. Die ersten Notizen darüber finden sich in der älteren Arbeit Owen’s (1832) über die Mammardrüsen des Ornithorhynchus. Hier giebt er zwei Abbildungen, eine von dem Drüsenfelde und eine von der Drüse selbst, bei ihrem Durchtritte durch den Hautmuskel. Die erste ist ganz zutreffend, die zweite aber ist incorrect (s. o.), da ein Muskelschlitz abgebildet ist, wie er sich zwar bei Ornithorhynchus, aber niemals bei Echidna findet. In seiner zweiten Arbeit kommt OwEn auf dieses Bild nicht zurück, sondern schildert die Verhältnisse ganz richtig. Diese zweite Abhandlung Owen’s bezeichnet einen wichtigen Markstein in der Geschichte der Mammarorgane überhaupt, denn in ihr wurden zum ersten Male die Mammartaschen beschrieben, durch deren Kenntniss angeregt, GEGENBAUR eine neue Bahn in der Erforschung, der Mammarorgane einschlug. An einer weiblichen Echidna, welche zusammen mit einem, wie man meinte, „neugeborenen“ Jungen ihm geschickt worden war, fand OwEN „unmistakeable evidences of marsupial structure“. (p- 673.) „On each side of the abdominal integument about two inches in advance of the cloaca, and about three inches and a half from the base of the tail, there was a semilunar pouch, with an aperture longitudinal and directed towards the median line, half an inch indepth and two-thirds of an inch in length of aperture, forming a symmetrical pair with their orifices oppesite each other.“ Die Absender des Objectes hatten geglaubt, dass das „neugeborene“ Junge an einer „Warze“ gehangen habe, Owen fand jedoch nichts von einer solchen und deutete mit Recht den Sachverhalt so, dass das Junge in der tieferen linken Tasche geborgen gewesen sei. Owen giebt ferner eine ganz richtige Darstellung der Mammardrüsen in ihrer Lagebeziehung zu der nun ebenfalls richtig erkannten grossen unpaaren Muskellücke. Auch die Darstellungen des Drüsenfeldes sind meinen Befunden sehr ähnlich. 93 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 167 Der nächste Untersucher, GEGENBAUR, konnte an einem weiblichen Exemplare nur eine schwache Falten- und Spaltbildung im Bereiche des Drüsenfeldes entdecken (cf. seine Fig. 3). Zum ersten Male werden nun die mikroskopischen Verhältnisse der Mammardrüsen und des Drüsen- feldes dargestellt. Die von einem allgemeineren Gesichtspunkte vorgenommene Vermittelung der Befunde wird mich noch öfter zu beschäftigen haben. GEGENBAUR ventilirt, abgesehen von der Phylogenese der Mammardrüse selbst, die Frage nach der Entstehung der Taschen. Er nimmt in dieser Frage den Standpunkt ein, dass die Tasche das erste, die Drüse das zweite gewesen sein muss. „Einem solchen Gange entspricht auch das ontogenetische Verhalten bei den Säugethieren, indem die Anlage der Mammartasche allgemein das Erste ist“. Für das Zustandekommen der Tasche selbst hält er die glatte Musculatur für bedeutungsvoll. Wiederum ganz andere Zustände lagen dem Entdecker der Oviparität von Echidna, W. HAAckE, vor. Er fand anstatt Mammartaschen einen gräumigen Brutbeutel „tief und weit genug, um eine Herren- uhr aufzunehmen“. Dieser Beutel besteht jedoch nur zur Zeit des Brutgeschäftes. Nach Haackr’s Ansicht sind „die OWEN-GEGENBAUR’Schen »Mammartaschen« als Reste des an dem Owen’schen Exemplare durch die Einwirkung von Alkohol verschiedenen Brutbeutels zu betrachten“. Haacke’s Abbildungen sind in vielen Lehrbüchern copirt worden, doch geben sie nur eine unvoll- kommene Vorstellung vom Sachverhalt, zumal alle genaueren Angaben über die Beschaffenheit des Drüsen- feldes, der Beutelwandung u. s. w. fehlen. Seit Haacke’s Publication sind keine Untersuchungen mehr über unseren Gegenstand angestellt worden, — theoretisch habe ich mich (93) damit beschäftigt, indem ich die Hypothese aufstellte, dass die Mammartaschen den Brutbeutel bei Zchidna lieferten, und dass die Zustände der Marsupialier hieran anreihen lassen (siehe Einleitung). I. Mammardrüse, Hautmuskel und Drüsenfeld. Meinen Untersuchungen dienten die in der Einleitung erwähnten 34 excidirten Bauchhaut-Stücke als hauptsächlichstes Object. Dazu kamen einige Embryonen, an denen Semon die Beutelanlage gefunden hatte. Bei der Besprechung der Befunde wollen wir zunächst diejenigen Punkte erledigen, welche bei allen Objecten in annähernd gleicher Weise wiederkehren und alsdann diejenigen betrachten, welche bedeutender variiren und gerade durch ihre Variabilität und die dadurch gelieferten Formzustände unser Interesse in Anspruch nehmen. Die Mammardrüse (Gl. mamm.) wollen wir nur in makroskopischer Richtung prüfen und nur das Nothwendigste bezüglich derselben anführen, alles Feinere für später aufbewahrend (Taf. XIV, Fig. 3; Taf. XV, Fig. 16; Textfigur 2). Der Schilderung der früheren Untersucher habe ich nur wenig hinzuzufügen. Die Lage der Mammardrüse im Verhältniss zum ganzen Körper ist von HaAckeE gut dargestellt worden. Mir selbst lag kein ganzes weibliches ausgewachsenes Exemplar zur Untersuchung vor. Deshalb muss ich mich auf junge Thiere beschränken und finde bei diesen die Zustände mit Haacke’s Angaben harmonirend. Von einem solchen Embryo, welcher ca. 14 cm Länge maass, gebe ich auf Taf. XIV, Fig. 2 ein Uebersichtsbild der ventralen Körperseite, um die Lage der Drüsenfelder — der Ausmündungsstellen der Mammardrüsen (Bs und Bd) zu zeigen. Sie liegen nahe der Mittellinie in geringem Abstand von 168 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 94 einander (ca. 1,5 cm); von der Cloake sind sie ca. 3 cm entfernt. Vergleichen wir‘den Befund mit dem von HAACKE, so finden wir, dass die relative Lage der Drüsenfelder in Bezug auf die hinteren Extremitäten und auf die Cloake trotz des verschiedenen Alters der Thiere ziemlich die gleiche geblieben ist. Doch könnte vielleicht eine leichte caudale Verschiebung sowohl der Cloake als der Drüsenfelder beim erwachsenen Thiere constatirt werden. Zur genaueren Feststellung dieser Punkte fehlt mir jedoch das nöthige Material. Dieser Echidna-Zustand stimmt zwar in den Hauptpunkten mit demjenigen von Ornithorhynchus überein, doch fällt auf, dass die beiderseitigen Drüsenfelder bei Echidna der Mittellinie und damit einander viel stärker genähert sind, als bei dem anderem Monotremen, und dieser Punkt hängt mit anderen in nicht unwichtiger Weise zusammen. Was die Form und Grösse des Drüsenkörpers anlangt, so stimmen die meisten meiner Objecte im Folgenden überein: Die Drüse stellt ein ovoides Gebilde dar, welches vom Drüsenfelde aus sich mit einem schmalen Stiel anhebt und sich dann sehr stark verbreitet (Taf. XIV, Fig. 3 Gl. mamm.). Die Mündungspartie ist immer medial, der Drüsenkörper lateral gelagert. Dieser schiebt sich so zwischen Bauchhautmuskel und tiefe Bauchmusculatur ein, dass wir an ihm eine vordere laterale und eine hintere mediale Fläche unterscheiden können. Lateral haben wir einen convexen Rand, cranial und caudal eine annähernd kegelförmig gestaltete Spitze. Wir müssen am Drüsenkörper verschiedene Durchmesser unterscheiden. Ein solcher vom Drüsenfeld zum lateralen convexen Rand hindurch gelegt, giebt die Höhe des Drüsenkörpers an. Die längste, cranial- caudal hindurch gelegte Linie bezeichnet die Länge der Drüse, während ein ventral-dorsal gelegter Durch- messer die Dicke der Drüse ergiebt, Diese Maasse schwanken nicht unbeträchtlich, und darin kommt die verschiedene functionelle Beschaffenheit der Drüse zum Ausdruck. Ein sehr häufiger Mittelwerth dieser Durchmesser ist der folgende: Länge ca. 3 cm, Höhe ca. I!/, cm, Dicke 1 cm. Aber in nicht wenigen Fällen ist die Drüse kleiner. Dann wird sie z. Th. ganz abgeplattet und erinnert an den bei Ornithorhynchus als Regel getroffenen Befund. An einem der Stücke finde ich fast gar nichts vom Drüsenkörper, am anderen stellen sich die Werthe etwa so: Länge ca.2 cm, Höhe ca. 1,2 cm, Dicke ca. 0,6 cm. Bei einigen wenigen’ Stücken aber wird das Mittel- maass überschritten und die Drüse sehr voluminös. Während die bisher betrachteten Erscheinungsformen der Drüse mit Haacke’s Schilderung: übereinstimmen (cf. meine Fig. 3, Taf. XIV), so bieten jene voluminösen Organe grosse Aehnlichkeit mit dem Bilde, welches Owen gegeben hat. Indem ich auf diese verweise, bin ich der Nöthigung, eine Abbildung zu geben, überhoben, da die Uebereinstimmung sehr gross ist. Wir finden nun etwa diese Werthe: Länge ca. 5 cm, Höhe ca. 3 cm, Dicke ca. ı!/,;, cm. Der Unterschied dieser mächtigen Drüsen von den geringer entfalteten ist auf den ersten Blick Iso gross, dass die Vermuthung nahe lag, es möchten die betreffenden Hautstücke von einer anderen Echidna-Species herrühren. Auf meine diesbezügliche Anfrage indessen erhielt ich jedoch von Herrn Prof. Szmon den Bescheid, dass sämmtliche Stücke der Echidna aculeata var. typica angehören. Zu meiner Vermuthung hatte mich auch die Beschaffen- heit der Drüsenschläuche bestimmt, welche Unterschiede erkennen lassen !). Die Drüsenschläuche sind durch die früheren Untersuchungen gut bekannt, als kolbige, mit sehr dünnem Stiele versehene Gebilde. Durch die Divergenz ihrer kolbig verdickten terminalen Theile bedingen ja gerade diese Drüsenschläuche die Form des ganzen Drüsenkörpers. Die Zahl der Drüsenschläuche ist eine sehr grosse, wohl über 50 in jedem Complex. Ihre Form ist der bei Ornithorhynchus ähnlich, doch sind die Schläuche bei Echidna mehr gleichmässig rundlich und von festerer Consistenz. Bei den erwähnten £ r) Ich vermuthe, dass diese mächtige Entfaltung der Drüsen jenem Stadium entspricht, von dem SEMON sagt, dass die mütterlichen Thiere nach der Entfernung aus dem Beutel säugen (®. u.). 95 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 169 voluminösen Drüsen wird die Form der Schläuche eine auffallend dicke und plumpe. Die Schläuche werden durch lockeres Bindegewebe mit einander verbunden, und dieses geht aussen in eine festere Kapselbildung über, welche mehr als bei Ornithorhynchus diesen Namen verdient. Allen Objecten gemeinsam ist das Verhalten der Drüsen und des Drüsenfeldes zum Bauchhaut- muskel bei Echidna. Auf diesen Muskel gehe ich auch hier nur insoweit ein, als dies mein Zweck erfordert. Wir nehmen also als gegeben hin, dass dieser Muskel von proximalen Theilen her in longi- tudinaler Richtung sich gegen die Cloake hinzieht. In einiger Entfernung: kopfwärts von den Mammardrüsen weichen die Muskelfasern auseinander und lassen eine median gelagerte, etwa ellipsenförmig umgrenzte Partie frei (Taf. XIV, Fig. 3). Diese Muskel- lücke ist nicht immer gleich stark entwickelt. Namentlich proximal bieten sich Schwankungen dar. An vielen der Stücke (s. u.), die mir als Objecte vorliegen, ist vorn bereits die Sonderung des Muskels in die beiden seitlichen Massen eingetreten, an anderen findet das Auseinanderweichen der Fasern in geringer Entfernung von den Drüsen statt. Caudal vereinigen sich die beiderseitigen Muskelmassen immer in der Medianlinie, und zwar in der Weise, dass sie sich gegenseitig durchflechten, wobei im Einzelnen sich sehr mannichfaltige Bilder ergeben. Sie zeigen, wie hier die beiderseitigen Muskelmassen allmählich eine innigere Beziehung zu einander gewinnen. Auf Haacke’s Abbildung ist dies nicht recht zu erkennen, und deshalb halte ich die Beifügung einer bildlichen Darstellung für nothwendig (Fig. 3, Taf. XIV). Nach der Seite zu weichen die Muskel- faserzüge in weitem Bogen auseinander und decken hier die vordere laterale Fläche der Mammardrüse. Stets schliesst ganz genau der freie mediale Rand der Musculatur an den Drüsenstiel an (Fig. 16, Taf. XV und Textfigur 2. Vergleichen wir die Zustände der Musculatur am Mammarorgan der Monotremen mit einander, so fällt uns die unpaare Beschaffenheit der Muskellücke bei Echidna im Unterschied von Ornithorhynchus auf. Vergebens habe ich bei Echidna nach Spuren einer medianen Muskelmasse gesucht. Ob hier einst- mals eine solche bestanden hat und ob der Ornithorhymchus-Befund das Primäre darstellt, werden die Unter- suchungen eines anderen Autors zu lehren haben (s. u.). Hier sollen nur die Thatsachen gesichtet werden, und da dürfen wir wohl als feststehend annehmen, dass bezüglich der Musculatur Echidna functionell den vollkommeneren Zustand darbietet. Auch die Durchflechtung der caudal gelegenen Muskelpartien, sowie überhaupt die Bildung eines einheitlichen, beide Drüsenfelder umfassenden „Sphincter“ stellt eine höhere Stufe der Entwickelung als bei Ornithorhynchus dar. Diese Verschiedenheit kann man auch mit der func- tionellen Beziehung des Muskels zur Drüse in Zusammenhang bringen, eine Beziehung, auf welche ich bei Ornithorhynchus hingewiesen habe. Wir sehen dort, dass der Hautmuskel eine compressorische Wirkung auf die Drüse ausüben muss, und dasselbe wird auch für Echidna anzunehmen sein. Wir sehen also, dass die lateral von der Drüse gelegenen Muskeltheile bei beiden Formen dieselbe functionelle Bedeutung haben. Andere compressorische Einrichtungen, wie wir sie bei Marsupialiern antreffen, fehlen bei Echidna noch gänzlich. Um so mehr wird die Bedeutug des Hautmuskels als Compressor mammae hoch anzuschlagen sein. Das Drüsenfeld (Dr) von Echidna stellt ebenso wie bei Ornithorhynchus eine sehr deutlich umschriebene Hautpartie dar, ja sie ist in der Regel viel schärfer von der Umgebung abgesetzt als bei den anderen Mono- tremen (Taf. XIV, Fig. 2, 7, 8; Taf. XV, Fig. 9, Io, 12, 13, I4, 15, 16; Textfigur 2). Kann ich auch im Allgemeinen die Angaben der früheren Autoren bestätigen, so möchte ich doch meine Wahrnehmungen 170 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 96 über diese Bildungen mittheilen, einmal weil bisher kein genügendes Uebersichtsbild auf dem Durchschnitt gegeben ist, und sodann weil uns individuell variable Eigenthümlichkeiten hier entgegentreten, die namentlich mit Rücksicht auf die höheren Säugethiere von grosser Bedeutung sind. Zur Orientirung über den Bau .des Drüsenfeldes füge ich das Querschnittsbild Textfigur 2 bei, dessen Beziehung: auf die makroskopische Darstellung Fig. 16, Taf. XV keine Schwierigkeit bereiten wird. Wie 7: AR: erre , AD NN BKeiltz gex- MT — @l. mamm. Fig. 2. Querschnitt des Drüsenfeldes von Eehidna. Gl. mamm. Mammardrüse; E Ausführungsgang; 7a Talgdrüsen; Kn Knäueldrüsen ; m glatte Musculatur; Sph Hautmuskel. Schwache Vergrösserung. hier, so erkennt man auf der Textfigur links den Durchschnitt des Hautmuskels, der eine viel grössere Dicke als bei Ornithorhynchus besitzt. In der Tiefe sind die Schläuche der Mammardrüsen (GI. mamm.) sichtbar, deren Ausführungsgänge als lange und gleichmässig dicke Röhren zur Oberfläche steigen, um hier in der Nachbarschaft von Haaren auszumünden. Ich kann an denselben nicht solche kleine Windungen nachweisen, wie sie GEGENBAUR beschrieben hat. Wo ihr Mündungsstück in grösserer Länge getroffen ist, 97 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 171 da erscheint es ziemlich gerade gestreckt. Auf die feineren Verhältnisse will ich hier nicht eingehen, dies würde uns zu sehr in die Frage nach der morphologischen Bedeutung der Mammardrüsen vertiefen. Ich will nur erwähnen, dass die Haare z. Th. sehr entwickelt sind, namentlich an der Peripherie des Drüsen- feldes, und dass hier an diesen Haaren sehr stark vergrösserte Schweissdrüsen sich finden (Kn). Dieselben zeigen keinen Uebergang in die Mammardrüsen, aber dort, wo letztere entwickelt sind, fehlen die Knäueldrüsen völlig. Die enorme Entwickelung der glatten Musculatur (m) ist aus der Figur leicht ersichtlich. Die meisten Züge finde ich der Oherfläche parallel angeordnet. Z. Th. ziehen sie zwischen den Drüsen in transversaler Richtung zur Körperlängsachse, z. Th. aber, und zwar gerade in den tieferen Schichten, bilden sie ein annähernd longitudinales System, das in sehr viele kleine Bündel aufgelöst ist. Sehr auffällig ist die durch GEGENBAUR erkannte verschiedene Anordnung der glatten Musculatur bei den beiden Monotremen. Trotz dieser Verschiedenheit besteht die Uebereinstimmung, dass sich die Musculatur medial vom Drüsenfelde noch einen bedeutenden Theil der Haut occupirt, während sie lateral davon sich nicht mehr findet (s. u.). Dieses mikroskopische Bild wird durch die makroskopische Verhältnisse ergänzt. Hier findet man auf dem eigentlichen Drüsenfelde die Haare ziemlich klein und dicht beisammen stehend; zum Theil finden sich aber auch an ihrer Stelle Löcher, welche man für die Drüsenöffnungen halten muss. Neben dem Drüsenfelde, aber auch auf demselben, zeigen sich wieder jene kleinen Erhebungen, die ich bei Ornithorhynchus erwähnte (Fig. 7 und 8, Taf. XIV). Auf einem Theile der Figuren (Taf. XV) sind die Drüsenfelder sichtbar, und hier erkennt man die Verschiedenheit in ihrer Erscheinungsform, deren Extreme in den beiden Figuren 7 und 3 auf Tafel XIV illustrirt sind. Das Drüsenfeld kann eine ganz plane Hautpartie darstellen, ja es kann, wie auf Fig. 8, eine leichte Vertiefung darbieten; es kann aber auch angehoben sein, und gerade dieser Befund ist sehr interessant. Auf der Textfigur 2 tritt es uns ebenfalls in solcher Form entgegen, auf Fig. 9, 14, 15 erscheinen die Drüsen- felder auf den ersten Blick sofort als Warzenbildungen, welche ganz an die Zustände höherer Säugethiere erinnern. Immer nimmt diese Warze den Abhang einer Vertiefung ein, welche sich medial davon ausbreitet; es ist dies der Grund der Mammartasche, auf die wir sogleich eingehen werden. Hier ist nur wichtig, dass ausser dem Drüsenfelde auch ein Theil der unveränderten Haut des Mammartaschenwalls zur Warzenbildung angehoben sein kann, wie das Fig. 7, Taf. XIV, zum Ausdruck bringt. Diese Erhebung des Drüsenfeldes fällt keineswegs zusammen mit einer besonders voluminösen Entfaltung des „Beutels“, im Gegentheil, ich finde diese Anfänge einer Zitzenbildung gerade an Objecten, welche offenbar der jedesmal zwischen den Brunstperioden sich vollziehenden Rückbildung des Beutels ent- gegengehen. So findet es sich an dem Fig. 15, Taf. XV, entsprechenden Objecte. Hier aber sind die Drüsen besonders mächtig entwickelt, in der bereits oben geschilderten Weise. Es ist nun ein wichtiges Zusammentreffen, dass die starke Ausprägung der „Zitzen‘‘ mit der Vergrösserung der Drüsen einhergeht. Damit wird uns ein Fingerzeig bezüglich der physiologischen Bedeutung der „Warzen“ gegeben, und ich finde meine Beobachtungen im schönsten Einklang mit einigen Bemerkungen Semon’s über die Brutpflege ‚der Echidna. Von älteren „Embryonen“, sagt er (Bd. II, p. 72): „In etwas älteren Stadien als 53 öffnet sich die von Stadium 46-53 verwachsene Lidspalte, und das Junge wird aus dem Beutel entlassen, zunächst allerdings noch eine Zeit lang von der Mutter gesäugt.“ Er verweist auf eine Stelle seiner „Beobachtungen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen‘ (Jen. Denkschriften V, SEMmon, Forschungsreisen II, p- 8). Hier erwähnt er, dass nach dem Berichte der Eingeborenen die Echidna-Mutter das ca. go cm lange Junge Nachts in eine kleine Erdhöhle vergräbt, dann aber zeitweise wieder säugt. Jenaische Denkschriften. V. 13 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 23 172 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 98 Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass mit dieser Brutpflege die starke Erhebung der Warzen zusammenhängt, womit ja auch gut der gleichzeitig rudimentäre Charakter des Beutels stimmt. Zu einem „Ansaugen‘“ wird es freilich nicht kommen, aber immerhin wird die Thätigkeit des Jungen beim Sauggeschäft den Factor darstellen, der die Anfänge von Zitzenbildungen hervorgehen lässt. 2%. Mammartaschen und Marsupium beim erwachsenen Thiere. Wir wenden uns nun zu dem wichtigsten Punkte der ganzen Untersuchung, zur Feststellung der Taschen- und Beutelbildungen im Bereiche der Drüsenfelder von Echidna; hier gilt es, die Geschichte dieser Formationen aufzudecken an der Hand der beim erwachsenen Thiere gebotenen Thatsachen, und hierfür liefert das schöne Material, mit welchem SEmon uns bereichert hat, die vortrefflichste Unterlage, die wir uns nur wünschen können. Die grosse Breite der Variation der Befunde an den über 30 an Zahl betragenden excidirten Bauchhautstücken der Echidna gestattet einen Einblick in das allmähliche Werden eines Organes, wie es nur selten uns ermöglicht ist, und daher beanspruchen diese Studien auch ein allgemeineres, über das specielle Thema hinausgehendes Interesse. Wir sehen hier verschiedene functionelle Ausbildungsgrade vereint mit individueller Variabilität eine Reihe von Zuständen liefern, deren einzelne Glieder, sich zwanglos aneinander anschliessend, uns die Hervorbildung eines mächtigen Organes aus kleinen Anfängen vorführen. Ich habe die Mehrzahl dieser Bauchhautstücke mit Buchstaben des Alphabetes bezeichnet, ohne dabei eine bestimmte Reihenfolge zu beobachten, sondern gerade so, wie sie zufällig zur Untersuchung und Präparation gelangten. Ich halte aber die Aufführung dieser Bezeichungen für gut, um bequem die einzelnen Phasen in späteren Fällen charakterisiren zu können. Object H, mit welchem ich beginnen will, rührt offenbar von einem jugendlichen Thiere her. Dafür sprechen die geringen Dimensionen der Theile, auch die auffallende Kleinheit der Haare. Vermuthlich gehört dieses der kleineren der beiden Kategorien von Weibchen an, über die sich SEMON äussert. Die Drüsen sind sehr klein. Man findet an ihrer Stelle ganz geringe Vorragungen an der Innen- Näche der Bauchhaut. Schon makroskopisch lassen sich an denselben Schläuche nachweisen. Der Muskelschlitz ist ausserordentlich lang und schmal. Die medialen Randfasern der beiderseitigen Muskelmassen stehen 'cranial von den Drüsen weit von einander ab und verlaufen auf eine weite Strecke hin fast einander parallel; dennoch kommt es caudal zu einer Durchflechtung der Muskelfasern. Von aussen betrachtet, zeigt die Bauchhaut zunächst gar keine Besonderheit. Weder Taschen- noch Beutelbildungen lassen sich wahrnehmen. Die Haut ist überall gleichmässig, behaart und zeigt leichte Unebenheiten, die sich aber nicht irgendwie als wesentliche Bildungen deuten lassen. Selbst die Drüsenfelder sind nicht leicht aufzufinden. Hat man einmal von innen her die Lage der Drüse constatirt, so findet man die Ausmündungsstellen der Mammardrüsen als rundliche Bezirke, auf denen die Haare ein wenig dichter als in der Umgebung stehen. Das rechte liegt etwas weiter cranial als das linke. Beide, namentlich aber das linke Feld, bilden eine ganz leichte Prominenz, welche rechterseits eine ganz schwache, medial vom Drüsenfeld gelegene Vertiefung überragt. Dass die Haut zwischen den Drüsenfeldern ihre Besonderheit besitzt, kann man an der leichten Ein- drückbarkeit derselben erkennen, aber bestimmte Reliefbildungen fehlen gänzlich. 99 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 173 Wir haben hier offenbar jenen Befund vor uns, der ausserhalb der Functionsperiode die Regel bildet und schon oft gesehen worden ist. Wir schliessen Object Z an, das ebenfalls einem jugendlichen Thiere angehört. Die Drüsen sind klein, aber wohlentwickelt (Maasse 2:1:0,5 cm). Die Muskellücke ist in cranial-caudaler Richtung in Ver- gleichung mit dem vorigen Object verkürzt, in dazu senkrechter Richtung verbreitert. Die medialen Züge des Bauchhautmuskels kommen in einer Entfernung von 2 cm von den Drüsen zur Durchflechtung, die auch caudal eine deutliche ist. Aussen sind die Drüsenfelder ohne weiteres deutlich. Das rechte liegt vollkommen im Niveau der übrigen Haut, nur eine ganz leichte Einziehung darstellend. Das linke Drüsenfeld überragt den Grund einer Taschenbildung, und zwar deren vorderste Partie. Diese offenbar als die linke Mammartasche zu deutende Vertiefung erstreckt sich als ein schmaler Schlitz vom Drüsenfelde aus in caudal-medialer Richtung in einer Länge von 3'/;, cm und mit einer im mittleren Theile erreichten Maximaltiefe von ca. !/, cm. Die Haut des Drüsenfeldes selbst ist, wie immer, durch den dichten Besatz mit relativ kleinen Haaren ausgezeichnet, während das Integument in der Bursa eine spärliche Behaarung und grössere Zart- heit aufweist. Wir haben hier offenbar einen ganz ähnlichen Zustand vor uns, wie er in dem von GEGENBAUR beschriebenen Falle bestand. Einen wichtigen Schritt weiter führt uns das Object E. Offenbar einem vollständig ausgewachsenen Thiere entstammend, zeigt es die Drüsen ziemlich gut entwickelt. Der Bauchhautmuskel bildet einen kräftigen Sphincter der Drüsenregion (Fig. 9, Taf. XV). Aussen sind die Drüsenfelder leicht kenntlich. Sie nehmen den vordersten Theil von Vertiefungen ein, die jederseits gänzlich unabhängig von der andersseitigen angetroffen werden. Es besteht also hier eine rechte und eine linke Mammartasche. Beide stellen schlitzartige Vertiefungen dar, welche, vom Drüsenfelde beginnend, sich in caudal- medialer Richtung erstrecken und sich hier beinahe vereinigen. Das leicht angehobene Drüsenfeld liegt lateral vom tiefsten Theil der Tasche, rechts sogar etwas cranial davon, also nicht am Boden derselben. Das Lumen der Taschen ist etwas unregelmässig gestaltet und läuft caudal allmählich aus. Der Rand der Taschen liest fast vollständig im Niveau der benachbarten Haut, doch ist eine ganz geringe wallartige Erhebung, namentlich an der lateralen und cranialen Begrenzung der Tasche, nicht zu verkennen. Diese Prominenzen wollen wir unter dem Begriff des Taschenwalls zusammenfassen; die ganze Region der Tasche inclusive letzterer Bildung nennen wir den Taschenbezirk. In der Mittellinie gehen die beiden Taschenbezirke in einander über, wenigstens bezüglich des Taschenwalles. Dieser wichtige Zustand zweier gesonderter Mammartaschen bei Echidna ist bisher in solcher Klarheit noch nicht beobachtet worden. Er bestätigt vollkommen die Richtigkeit der Owen’schen Beobachtungen, namentlich im Zusammenhang mit den Befunden, welche die stärkere Ent- wickelung einer Mammartasche zeigen. Solche finden wir in grosser Zahl unter meinen Objecten. Einen sehr eclatanten Fall dieser Art habe ich nach Object Z auf Fig. 10, Taf. XV, dargestellt. Hier besteht eine mittelstarke Entfaltung der Drüsen. Der Sphinctermuskel zeigt caudal starke Durchflechtung, während cranial an dem vorliegenden Stücke eine Vereinigung der beiderseitigen Muskel- massen nicht besteht. 13* 23* Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 100 174 Von den Drüsenfeldern liest das linke ganz frei zu Tage. Daneben findet sich eine ganz leichte Vertiefung und in dieser erblicke ich das letzte Rudiment einer linken Mammartasche, von welcher im Uebrigen nichts erhalten blieb. Als Brutbehälter functionirt ausschliesslich die rechte Mammartasche, welche sich sehr ver- grössert hat. Sie stellt eine geräumige Höhlung dar, deren Zugang durch einen 4 cm langen Schlitz ge- bildet wird. Die Richtung dieses „Adıtus“ sehen wir auch hier wieder in charakteristischer Weise schräg von vorn und lateral nach hinten und medial ziehen. Das Drüsenfeld liegt wieder ganz vorn in einer besonderen Aushöhlung der Bursa mammaria. Das Lumen der letzteren erstreckt sich lateral und zeigt eine Maximaltiefe von I,5 cm. Caudal greift die Tasche ein wenig über die Mittellinie hinüber. Ein besonderer Taschenwall als eine Erhebung über die benachbarte Haut ist nicht vorhanden. Der Fall, den wir hier vor uns haben, ist von der allergrössten Bedeutung. Er ähnelt demjenigen Owen’s in hohem Maasse und zeigt, dass eine Mammartasche zur Herstellung eines Brutbehälters genügt. Damit werden alle Zweifel an der Exactheit der Owen’schen Beobachtung hinfällig. Es besteht nun aber auch die Möglichkeit, dass beilide Taschen zusammenwirken zur Her- stellung eines Beutbehälters. Um dies zu illustriren, wenden wir uns einigen neuen Objecten zu, welche eine mediane unpaare Vertiefung im Bereich der Drüsenfelder oder ein Marsupium besitzen. Bei Object A finden wir eine solche Bildung als eine schwache Depression ausgesprägt. Es handelt sich hier um ein Individuum mit relativ geringer Entfaltung der Drüsen. Der Hautmuskel umschliesst eine ovale Muskellücke, einen starken Sphincter liefernd. Die Drüsenfelder stehen am medialen Rande der erwähnten Marsupialbildung. Sie sind einander zugekehrt. Prüfen wir nun dieses „Marsupium“ genauer, so ergiebt sich ohne weiteres, dass es in der Hauptsache von der rechten Mammartasche gebildet wird. Diese kehrt in der gleichen Weise wieder, wie bei den früher geschilderten Objecten, nur ist sie im vorliegenden Falle nicht sehr stark entwickelt. Das rechte Drüsenfeld liegt ganz in der Tiefe der Tasche verborgen. Der Aditus bursae verläuft in der typischen schrägen Weise, ein Bursalwall ist nur ganz schwach ausgeprägt, doch wölbt sich (wie bei Z) der laterale Rand der rechten Bursa stark hervor. Ganz anders links. Hier liest das Drüsenfeld frei zu Tage als tiefster Theil einer ganz flachen Einsenkung, welche einen grossen Theil der hinteren Beutelfläche darstellt. Lateral vom Drüsenfelde ist ein Bursalwall angedeutet. Wir finden also in dem sogenannten Marsupium die Mammartaschen wieder und sehen diese beiden Bildungen eine Arbeitstheilung eingehen beim Aufbau einer neuen unpaaren Vertiefung. Im vorliegenden Falle liefert die linke Tasche einen grossen Theil der Beutel- fläche, während die rechte vorzugsweise den tiefsten Theil und die rechte Begrenzung liefert. Ganz ähnliche Zustände begegnen uns bei der Betrachtung von Object ©, welches auf Fig. 12, Taf. XV dargestellt worden ist; nur spielen hier die Wallbildungen eine grössere Rolle, und gerade dadurch entstehen sehr instructive Verhältnisse. Obwohl eine einheitliche Marsupialbildung ausgeprägt ist, so erkennt man doch ohne weiteres die beiderseitigen Componenten derselben. Die linke Mammartasche ist die stärker entwickelte. Das Drüsenfeld liegt vorn am tiefsten Theil der Bursa, umzogen von einem sehr deutlichen Taschenwall. Derselbe erhebt sich über die benachbarte Haut in sanfter Steigerung, um dann medial steil gegen das Taschenlumen abzufallen. Dieses selbst zieht leicht bogenförmig vom Drüsenfelde aus caudalund medial. IOI Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 175 Auch der mediale Wall der linken Tasche ist deutlich ausgeprägt, und man sieht, wie er mit dem entsprechenden der anderen Seite in der Mitte des Marsupialbezirks zusammentrifft. Der Wall der rechten Tasche ist viel weniger gut entwickelt. Das Drüsenfeld liegt hier stark in die Tiefe gesenkt, springt aber selbst als nicht unbeträchtlicher Hügel vor. Weiter fortgebildet sehen wir diese Zustände bei Object V, welches bereits ein sehr vollkommenes und einheitliches Marsupium zeigt (Taf. XV, Fig. 13). Um der Klarheit des Bildes willen habe ich auch dieses abgebildet. Ein Blick genügt, um die Beziehungen.der Mammartaschen zum Marsupium zu erkennen; denn trotz der Einheitlichkeit des Organs sind doch die Componenten desselben leicht zu erkennen: die rechte Mammartasche bildet den Haupttheil des Beutels. Sie ist von einem sehr deutlichen Taschenwall umgeben, welcher namentlich caudal sich beträchtlich über die umgebende Haut erhebt. Cranial sich etwas verflachend und verbreiternd, biegt er bogenförmig zum anderseitigen Wall um, mit dem zusammen er in das Innere des Beutels zieht, hier einen Mittelwulst (Mw) bedingend, der nur an einer Stelle eine Einsenkung darbietet, durch welche die Lumina der beider- seitigen Taschen sich mit einander verbinden. Das rechte Drüsenfeld liest weit vorn am Taschenwall. Medial von demselben zieht eine tiefe Furche, in caudaler Richtung sich zum weitesten und tiefsten Theil des ganzen Beutels gestaltend. Das Lumen der linken Tasche ist gering entwickelt. Das Drüsenfeld nimmt auch hier eine lateral gelegene, warzenähnlich erhobene Stelle ein. Die Drüsen und die Musculatur dieses Stückes sind es, welche auf Fig. 3, Taf. XIV, eine Darstellung gefunden haben. An Object V können wir N anreihen, bei welchem auch beide Taschen zum Marsupium zusammen- wirken, jedoch so, dass die rechte bei weitem den grössten Antheil hieran hat. Wir brauchen uns bei V nur den Mittelwulst etwas reducirt zu denken, um ohne Mühe zu einer grossen Zahl anderer Beutelbefunde zu gelangen, von denen ich ausser N auch noch Object D erwähnen will. Hier liegt der Beutelrand in einem Niveau mit der umgebenden Haut, die rechte Tasche ist sehr bedeutend entwickelt und bildet, sich in lateraler Richtung ausdehnend, den Haupttheil des Marsupiums. Der ganz einheitliche Beutel läuft cranial in zwei rinnenförmige Vertiefungen aus, zwischen denen ein Wulst ins Innere vorspringt. An sich wäre diese Formation gar nicht zu verstehen. Aus der Vergleichung aber mit dem anderen Zustande ersehen wir, dass wir hier noch einen Rest des Mittelwulstes vor uns haben. Ich kann unmöglich alle Zwischenformen aufführen, welche uns vom „Taschenstadium“ zum Beutel führen, erwähnen will ich nur, dass auch solche Fälle sich finden, in denen beide Taschen ganz gleich- mässie als flache, mit ihren Oeffnungen gegen einander gerichtete Gruben sich am Aufbau des Beutels betheiligen. So gelangen wir denn zum vollständig einheitlichen Marsupium und damit zu jenen Befunden, die zuerst durch HaAckeE bekannt geworden sind. Man findet unter den betreffenden Stücken viele, denen die paarige Entstehung des Beutels nicht mehr anzusehen ist, aber auch solche, welche noch, und zwar in mannigfacher Weise, an den alten Taschenzustand erinnern; überhaupt wäre es ein Irrthum, zu glauben, dass etwa mit der Ausbildung des einheitlichen Marsupiums irgend welche Gleichartigkeit oder Regelmässigkeit der Befunde hergestellt wäre. Die starke Variationsfähigkeit äussert sich auch jetzt noch so, dass wir einzelne Typen zur Illustration derselben herausgreifen wollen. Wir haben da zunächst ganz flache und weite Beutel, die einen ziemlich weiten Bezirk der Bauch- haut umfassen (Fig. ı5, Taf. XV). Diese stellen wahrscheinlich Reductionszustände dar und bieten daher ein geringeres Interesse. Ein solcher Befund bietet sich bei Object K, dessen eigenthümliche Gestaltung 176 Studien zur Geschichte der Mammarorgane 102 der Drüsenfelder bereits erwähnt wurde (s. o.). Sehr weit und schlaff ist auch Beutel U, desgl. F. In diesen Fällen ist der Sphincter vorn nur unvollkommen geschlossen. Wo nun die cranialen Theile dieses Muskels sich innig mit einander durchflechten, da sehen wir Beutel mit engem Eingang hervorgehen, und diese müssen uns als auf einer functionell höheren Stufe stehend erscheinen. Bei diesen Beuteln sehen wir verschiedene Möglichkeiten ausgestaltet. Einige derselben zeigen einen mehr ovalen, in der Richtung der Körperlängsaxe ausgedehnten Aditus marsupii, bei anderen ist derselbe mehr oder weniger einem Kreise genähert, ja bisweilen übertrifft der transversale Durchmesser den longitudinalen. Eine Mittelstellung nimmt Beutel R ein mit gleichmässig, annähernd kreisförmig verengtem Beutel- rand. Die Drüsenfelder liegen ziemlich nahe am Beutelwall, der Seitenwand des Beutels angeschlossen. Der Sphincter ist nicht in unmittelbarer Nähe des Beutels cranial geschlossen. Die Drüsen sind mässig entwickelt. Als Beispiel der länglich-schmalen Beutelform führe ich S an, im Ganzen dem auf Fig. 5, Taf. XIV, dargestellten Beutel eines jungen Thieres ähnlich. Die Umrandung des Beutels ist unregelmässig viereckig. Die beiden seitlichen Ecken bezeichnen die Lage der Drüsenfelder. Der Beutelwall erscheint nicht als eine besondere Erhebung, sondern der Rand liegt im Niveau der Umgebung. Die der rechten Tasche ent- sprechende Partie dürfte ein wenig über die linke prävaliren. Noch mehr dem Extrem nähert sich Q mit seinen langen seitlichen Rändern, die den Beuteleingang als einen ca. I cm breiten und 6 cm langen Schlitz zwischen sich fassen (Fig. rı, Taf. XV). Die höchste Vollendung des Marsupiums wird uns vorgeführt durch Objecte, wie z. B. Y, dem die Abbildung Fig. 6, Taf. XIV, entlehnt ist. Wir wollen diesen Beutel als Typus wählen. Die Drüsenkörper sind wohl entwickelt, doch nicht sehr viel stärker als in den Fällen einer geringen Beutelentwickelung. Der Musculus sphincter marsupii ist ganz ausgezeichnet entwickelt. Am cranialen Ende gehen die beiderseitigen Fasermassen in vollständig geschlossenen Kreiszügen in einander über, genau so, wie es in allen früheren Fällen nur am caudalen Theile der Fall war. An letzterem ist ein fast vollständig circulärer Verlauf der Fasern beachtenswerth. Durch diesen Muskel wird der Eingang des Beutels gleichsam eingeschnürt, so dass dieser Aditus einen Längsdurchmesser von ca. 2 cm und einen Querdurchmesser von 3 cm beibehält, wie sehr auch der Beutel selbst ausgedehnt werden mag. Diese Ausdehnung ist in unserem Falle in ähnlicher Weise wie in dem von Haacke beschriebenen eingetreten; es könnte eine Taschenuhr darin geborgen werden. Die Aus- dehnung des Beutels ist vorzugsweise in seitlicher und besonders in caudaler Richtung erfolgt. Um hiervon eine Vorstellung zu geben, füge ich den Medianschnitt eines ähnlichen Marsupiums bei, auf welchem diese caudalwärts erfolgende Fundusbildung und die Beziehung des Hautmuskels zu diesen Theilen deutlich sichtbar ist (Fig. 14, Taf. XV). Die Drüsenfelder liegen der seitlichen Beutelwandung angeschlossen, und ihre Mündungsstellen erscheinen bald als leichte Erhebungen, bald als Vertiefungen. Hiermit haben wir den höchsten Ausbildungsgrad des Beutels erreicht, welcher höchstens noch darin sich verändern kann, dass durch die Grössenzunahme des in ihm geborgenen „Fötus“ seine Dimen- sionen noch beträchtlichere werden. Hierbei ist es der eng geschlossene Sphincter, welcher das ganze Gebilde in der festen Form erhält (Fig. 16, Taf. XV). Das vorgeführte Thatsachen-Material wird, wie ich denke, genügen, um ein Bild von der allmäh- lichen Umwandelung der paarigen Taschenbildung in den einheitlichen Beutel zu ge- 103 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 177 währen. Die Objecte, welche ich nicht ausdrücklich erwähnt habe, bieten nichts Neues dar, ihre Schilderung würde nur eine Wiederholung des Angeführten sein. Was den Bau des fertigen Marsupiums betrifft, so lehren Schnitte, welche von der Haut im Centrum eines sehr wohl entwickelten Beutels angefertigt wurden, dass das Integument von der umgebenden Haut recht verschieden ist. Die Talgdrüsen und Knäueldrüsen sind sehr mächtig entwickelt, namentlich die letzteren bilden starke Packete und weisen auch in den tieferen Theilen auffallende Erweiterungen des Lumens auf. Besonders wichtig aber ist, dass die glatte Musculatur des Drüsenfeldes vermuthlich die ganze Marsupialhaut auszeichnet. Sie bietet ziemlich dieselbe Anordnung dar wie am Drüsenfeld, aber die einzelnen Bündel sind noch mächtiger entwickelt. Auch die starke Entfaltung einiger Haare fällt auf. Eine bildliche Darstellung dieser Verhältnisse scheint mir überflüssig zu sein, da wir die mediale Randpartie des auf Textfigur 2 dargestellten Drüsenfeldes als Paradigma für den Bau des Marsupialintegumentes nehmen können. Ob diese mikroskopischen Besonderheiten des Beutels sich erst allmählich mit seiner Vertiefung ausbilden, habe ich nicht untersucht. Es genügt auch wohl, darauf hinzuweisen, dass makroskopisch die Beutelhaut sich bedeutend modifieirt mit der Vertiefung des ganzen Gebildes. Die Haut wird dünner, aber viel stärker gerunzelt und spärlicher mit Haaren ausgestattet. Auch nimmt sie an Dehnbarkeit beträchtlich zu. Diese Punkte sind wichtig um die Anschauung, dass wir etwas Besonderes sich allmählich ausbilden sehen, auch im Einzelnen zu bekräftisen. Wie oben auseinandergesetzt, braucht die Entfaltung der oben erwähnten Warzenbildungen nicht mit der Zunahme des Beutels gleichen Schritt zu halten. Wir haben in dieser an die höheren Säugethiere erinnernden Erhebung des Drüsenfeldes einen anderen Punkt vor uns, welcher die allmähliche Complication des ganzen Apparates documentirt, und wenn wir diesen Punkt mit der Variation der Beutelbefunde combiniren, so tritt uns der gesammte Umbildungsprocess aufs schönste entgegen. 3. Beurtheilung der ontogenetischen Befunde von Mammartaschen und Marsupium. Eine wichtige Errungenschaft auf dem Gebiete der Mammarorgane stellt die Entdeckung embryonaler Beutelanlagen bei Echidna durch Semon dar, über welche dieser Forscher bereits in dem vorliegenden Reisewerk berichtet hat. SEMoN hatte die Güte, mir einige solcher Embryonen zu übersenden, darunter auch ein Exemplar, an welchem er keine Spur von Beutelanlagen hatte entdecken können. Ich kann seine Wahrnehmungen vollkommen bestätigen auch hinsichtlich des negativen Befundes bei dem einen Objecte. Es wurde die Absicht erwogen, die inneren Genitalien dieses Objectes zur Entscheidung der Frage heran- zuziehen, ob wir es hier mit einem männlichen Thiere zu thun haben. Da aber eine solche vereinzelt da- stehende Prüfung keinen Werth hat, so warten wir lieber ab, bis bei allen betreffenden Embryonen die inneren Geschlechtsorgane untersucht worden sind. Dann gewinnen wir das nöthige Material zur Beant- wortung der Frage, wie sich die Geschlechtsverschiedenheit zum Auftreten der Beutelanlage verhält. Dieser Punkt bedarf einer besonderen Untersuchung und lässt sich wohl umgrenzt vom übrigen Material sondern. Mit der Morphologie des Beutels selbst, die ja unser Hauptgegenstand ist, hängt jene Frage nur lose zusammen. Ihr Hauptinteresse beruht vielmehr in etwas ganz Anderem. Es handelt sich um die Ueber- tragung von sexuellen Einrichtungen des einen Geschlechtes auf das andere. Von diesem Gesichtspunkte I) Unabhängig von SEMON hat kürzlich auch W. N. PARKER an zwei Echidna-Jungen diese Bildungen gesehen. Er erwähnt sie nur beiläufig, ohne sie abzubilden (Proceedings of the Zoolog. Soc. of London, 1894). 178 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 104 aus erweist sich die Feststellung von Beutelanlagen resp. des Fehlens solcher beim männlichen Geschlechte von grosser Bedeutung. A priori wird man Beutelanlagen beim männlichen Thiere erwarten müssen, da ja bei männlichen Monotremen (Ornithorhynchus) die Mammardrüse gefunden wurde. Alle diese Dinge hängen innig zusammen mit jenen Fragen, die ich in meiner Arbeit über den Descensus testiculorum auf- geworfen habe, und daher lasse ich diese über unser Thema hinausgehenden Punkte bei Seite. Was nun die embryonalen Beutelanlagen als solche betrifft, so haben wir sicherlich in ihnen sehr wichtige Bildungen vor uns, aber wir müssen uns hüten, die Bedeutung derselben zu überschätzen. Wer etwa glaubt, dass mit ihnen eine neue Aera der Erkenntniss der Geschichte des Beutels anhebt, der dürfte einer grossen Enttäuschung nicht entgehen. Ich ging nicht mit solchen Erwartungen an, die Prüfung der Objecte und glaube, den richtigen Standpunkt dem ebenso interessanten wie schwierigen Befunde gegenüber einzunehmen. Diese Beutelanlagen finden sich bei Beuteljungen von ca. 2 cm an bis zu Thieren von ca. 20 cm, dann schwinden sie, um erst zur Zeit der Function der Mammarorgane wieder sichtbar zu werden. Diese Thatsache ist auffällig und in mehr als einem Punkte von allgemeiner Bedeutung. Wie weit das „Schwinden‘“ dieser Organe geht, kann ich aus eigener Erfahrung nicht beurtheilen, denn auch bei jenen Bauchhautstücken, die relativ am wenigsten von Mammartaschen oder Beutel zeigten, waren doch Spuren der ganzen Einrichtung nachzuweisen. Ob also wirklich die Möglichkeit eines Nach- weises ganz verloren geht, das möchte ich noch bezweifeln, aber selbst für den Fall, dass dieser Nachweis sehr schwierig werden sollte, so würde ich darin mehr eine Unvollkommenheit unserer Hülfsmittel, als einen wirklichen Schwund der Theile erblicken. Wir haben es hier zu thun mit sogenannten latenten Organen, und diese Latenz tritt uns in zweierlei Gestalt entgegen. Einmal bei dem erwachsenen Thiere, wo ja bekanntlich ebenfalls zwischen den Functionsperioden eine bedeutende Rückbildung der Theile eintritt, und zweitens zwischen der Jugend- periode und dem erwachsenen Zustande. Diese letztere Art der Latenz wird nun meiner Ansicht nach ver- ständlich, wenn wir sie mit der ersteren verknüpfen, wenn wir sie als ihr im gewissen Sinne gleichwerthig setzen. Ich erblicke in dem zeitweiligen Auftreten der Beutelanlage beim jungen Thiere und in dem späteren „Schwinden“ eine an die Periodicität der Function des ganzen Apparates erinnernde Erscheinung und bringe sie hierdurch in Connex mit einer grossen Reihe anderer ähnlicher Vorkommnisse der Genital- und speciell der Mammarorgane. Wir haben hier einen ganz ähnlichen Fall vor uns, wie beim Descensus testiculorum, wo ja auch in früher Embryonalzeit sich der Zustand des Erwachsenen beim Menschen anbahnt, um dann wieder eine Art Rückschlag zu erleiden, eine Andeutung der Periodicität der ganzen Erscheinung bekundend. In allen diesen Fällen haben wir es mit Einrichtungen zu thun, die beim erwachsenen Thiere ihre eigenartige Ausbildung erlangten unter dem directen Einfluss von Einwirkungen, welche die betreffenden Theile erfuhren. Diese Einrichtungen werden aber allmählich in eine frühere Periode zurückverlegt, wo jene Factoren noch gar nicht einwirken konnten, und so werden sie scheinbar unabhängig von denselben. Diese fundamentale Erscheinung, die man am besten als eine Fixirung erworbener Eigenschaften bezeichnet, beherrscht zum grossen Theile die Ausbildung der embryonalen Formen. Der Grad dieser Fixirung kann naturgemäss ein sehr verschiedener sein, und wir sehen ihn in Abhängigkeit theils von der physiologischen Bedeutung des betreffenden Theiles beim erwachsenen Thiere, theils von der Constanz der Ausbildung des Organes im erwachsenen Zustande. Die schönsten Beispiele liefert uns der Descensus testiculorum. Das embryonale Auftreten der Scrotalanlagen bei Thieren mit definitivem Descensus giebt uns eine treffliche Ios Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 179 Parallele zu der Beutelanlage von Echidna. So wenig aber im ersten Falle irgendwelche direct und unmittelbar beim jungen Thiere resp. Embryo auf die Anlage einwirkende Momente gefunden werden können, ebensowenig kann von solchen bei den embryonalen Beutelanlagen die Rede sein. Dieselben verdanken ihre Erscheinung lediglich einer Verfrühung der Ausbildung des ganzen Apparates und können daher nichts Anderes darstellen, als ein Abbild des Theiles in dem Zustande, wo er seiner Function obliegt. Dies ist für die Beurtheilung der Beutelanlage sehr wichtig. Man darf und kann von ihnen nicht erwarten, dass sie etwa Vorfahrencharaktere zum Ausdruck bringen oder mit sehr grosser Klarheit uns ein Zeugniss für die Vorgeschichte der Mammarorgane liefern werden. Was sie darin bieten können, dürfte — so muss man es a priori erwarten — dem gleichkommen, was wir am erwachsenen Thiere kennen gelernt haben. Wir wollen sehen, inwieweit diese Betrachtungen mit dem Thatsächlichen harmoniren. Der jüngste Beutelfötus, den ich untersuchte, misst ca. 2,3 cm Länge. Die kritische Stelle seiner Bauchhaut ist bei Lupenvergrösserung auf Fig. 4, Taf. XIV, dargestellt worden. Die Bauchhaut bietet eine grosse Zahl ziemlich tiefer Furchen dar. Diese fehlen in einem mittleren Bezirk, der in seiner Lage dem späteren Beutel entspricht. Die Haut hebt sich jederseits sanft empor zu einer bilateral-symmetrischen Wallbildung, welche in hufeisenförmiger Krümmung, medialwärts offen, eine vertiefte Hautpartie umzieht. Gegen diese besteht ein viel steilerer Abfall, als nach aussen zu. Die beiden Wallbildungen sind vollkommen von einander gesondert, namentlich cranial, wo sich eine unpaare mediane Wulstbildung erhebt, die in dem späteren Mittelwulst erhalten ist. Die Stelle der Drüsenfelder kann man nur in einer stärkeren Einziehung am medialen Rand des Walles vermuthen. Das Wichtige an diesem Stadium ist die paarige Anlage des Ganzen, und diese ist auch von SEMON ausdrücklich betont worden. Bei einem noch etwas jüngeren Beuteljungen scheint dieselbe noch deutlicher hervorzutreten (cf. SEMon, Bd. II, Taf. XI, Fig. 47 v'). Wir haben hier also auch embryonal die beiden Mammartaschen und finden eine vortreffliche Uebereinstimmung des jugendlichen Zustandes mit dem erwachsenen. Hieran reihen wir den Befund, welchen ein etwas älterer, ca. 2,8 cm langer Beutelfötus darbietet. Auch an ihm finden wir die Mammartaschen-Anlagen deutlich, aber nicht auf beiden Seiten gleichmässig. Rechts treffen wir eine ziemlich flache Erhebung, die, im Niveau mit der umgebenden Haut gelegen, medial nur wenig absinkt. Links hingegen findet sich eine sehr stark ausgeprägte, schlitzartige Bildung von einem stärkeren Wall überragt. Beide Taschenbildungen sind einander zugekehrt, und der schon vorher als etwas beiden gemeinsame Beutelbezirk hat an Einheitlichkeit gewonnen. Auch erscheint die Haut in demselben modificirt, zarter als in der Umgebung und mit zahlreichen kleinen Runzeln durchsetzt. Am cranialen und caudalen Theile ist die Beutelanlage — als solche können wir nun schon das Product der paarigen Taschenanlagen bezeichnen — am wenigsten von der Umgebung geschieden. Ein bedeutend älterer Beutelfötus von ca. 7 cm Länge (cf. Semon, Bd. II, Taf. XI, Fig. 52 v) zeigt bereits ein vollständig entwickeltes Marsupium. Auf Semon’s Abbildung ist dasselbe zwar sichtbar. Ich gebe aber auf Fig. 5, Taf. XIV, ein vergrössertes Bild desselben, um die Uebereinstimmung mit dem er- wachsenen Zustand zu zeigen. Was die Beschaffenheit des Integumentes betrifft, so sind die Haaranlagen als Punkte sichtbar, und zwischen diesen finden sich sehr zahlreich jene kleinen Erhebungen, die ich schon beim erwachsenen Thiere erwähnt habe, über deren Bedeutung ich aber vorläufig nichts auszusagen vermag. Jenaische Denkschriften. V. 14 Semon, Zoolog. Forschungreisen. II. 24 180 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 106 Die mit sehr starken Runzeln versehene Haut hebt sich zu einem Marsupialwall empor, der die Umgebung wenig überragt, medial aber sehr steil abfällt. Unter diesem Wall ist rechts und links eine Stelle besonders tief eingezogen, welche der Gegend des Drüsenfeldes entspricht. Cranial ist der Beutel besser geschlossen als hinten. Von älteren Stadien möchte ich noch einmal auf Fig. 2, Taf. XIV, verweisen, auf welcher die Marsupialanlage zwar als eine mediane, leichte Vertiefung dargestellt, an welcher aber jederseits die Mammar- taschen als besonders vertiefte Partieen des Ganzen sehr deutlich hervortreten. Offenbar liegen hier Ver- änderungen vor, welche bereits mit einer Reduction der ganzen Einrichtung einhergehen. Dächten wir uns den Beutel noch mehr verflacht, so würde daraus ein Zustand resultiren, wo nur noch die Mammartaschen übrig sind und somit eine Annäherung an den auf Fig. 9, Taf. XV, dargestellten Zustand gegeben ist. Ueberblicken wir nun den Entwickelungsgang der Beutelanlage, so sehen wir, dass derselbe beginnt mit einer streng paarigen Anlage des Apparates. Es treten in symmetrischer Anordnung Mammartaschen auf, aus denen eine allmählich in transversaler Richtung sich verschmälernde, in longitudinaler hingegen sich ausdehnende einheitliche Beutelanlage hervorgeht. Vergleichen wir dies Ergebniss mit demjenigen, welches an den Objecten vom erwachsenen Thiere gewonnen wurde, so gewinnen wir ohne weiteres die Ueberzeugung, dass uns die beiden verschiedenen Wege zu dem gleichen Resultate führen, dass die Mammartaschen, indem sie zu einer unpaaren Bildung zusammenschliessen, das Marsupium hervorgehen lassen. So wichtig es nun aber auch auf den ersten Blick erscheinen mag, dass uns der ontogenetische Weg zum gleichen Ziele führt, wie der vergleichende am erwachsenen Objecte, so können wir uns doch nicht verhehlen, dass uns durch die Kenntniss der Entwickelung nichts eigentlich Neues geboten wird. Das Resultat war schon auf dem anderen Wege gesichert, wir finden hier nur ein Abbild, eine z. Th. nicht sehr deutliche Reproduction der erwachsenen Befunde. Wie wir beim erwachsenen Thiere eine grosse Variabilität antreffen, so sehen wir auch die Jugend- zustände des Beutels keineswegs mit einander harmoniren. Wir finden Fälle, wo die beiden Mammartaschen sich gleichmässig selbständig von einander zeigen, dann solche, wo sie gleichmässig zusammenwirken zum Aufbau des einheitlichen Marsupiums, dann aber treten uns auch Zustände entgegen, wo eine einseitige Entwickelung stattfindet, wo, wie ich es ausführte, die linke Tasche die rechte weit überwiegt. Dies sind alles Parallelen zum erwachsenen Zustand. Somit bestätigt sich also, was ich vorher über die allgemeine Bedeutung der Beutelanlage gesagt habe. Sie ist wichtig, aber nicht fundamental wichtig für die Auffassung des Beutels. Sie bietet eine willkommene Ergänzung der Beobachtungen am erwachsenen Thiere und kann eventuell solchen gegenüber, welche die Bedeutung der Ontogenese allzu sehr schätzen, dazu dienen, gewisse allenfalls denkbare Einwände zu beseitigen. Diesen mag; jenes frühe, auf Fig. 4, Taf. XIV, dargestellte Stadium vielleicht von grösserem Werthe sein als die beim erwachsenen Thiere für die Duplicität der ganzen Bildung sich ergebenden Zeugnisse. Einen Einwand möchte ich hierbei noch von vornherein zurückweisen, der vielleicht erhoben werden könnte. Es wird vielleicht Jemand die Behauptung aufstellen, dass der unpaare Beutel das Primäre sei, und dass die Mammartaschen nur ein Product der Reduction dieser Bildung sein. Hierfür würde er sich auf Zustände, wie etwa Taf. XIV, Fig. 2, stützen, wo ja ausser den Mammartaschen eine unpaare Bildune- existirt. Dieser Einwand wird gleichmässig die ontogenetischen, wie die erwachsenen Zustände ‚treffen. Gerade gegen einen solchen Einwand würde der Hinweis auf das frühe Entwickelungsstadium von Bedeutung; sein, denn von diesem aus muss das spätere Hervortreten der Mammartaschen als die Rückkehr zu einem schon früher gegebenen Zustande beurtheilt werden. IO7 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 181 Bei der Reduction würden eben nicht jene charakteristischen Zustände sich ergeben, wenn dieselben nicht bei der Entstehung eine wichtige Rolle gespielt hätten. Es geht aber auch nicht an, die Mammar- taschen als Rudimente des Beutels hinzustellen, denn sie functioniren ja ganz deutlich, bald die eine, bald die andere. Es wäre also sehr unberechtigt, wenn Jemand versuchen wollte, die Mammartaschen deshalb, weil sie bei der Reduction des Beutels sich wieder im ursprünglichen Zustande zeigen, für secundäre oder gar un- wichtige Bildungen zu erklären. Für das Schicksal der Mammartaschen ist ihre Beziehung: zur Marsupialbildung sehr wichtig. Nicht nur, dass dadurch etwas Neues hervorgeht, auch die Mammartaschen selbst erfahren eine Modification. Sie haben einen Theil zur Formation des Marsupiums abgegeben, aber auch, nachdem dies geschehen, bleiben sie innerhalb der neuen Bildung, vielfach wenigstens, als etwas Besonderes erkennbar. Hieraus könnte der Grund erwachsen, eine neue Bezeichnungsweise einzuführen, deren Nützlichkeit, ja vielleicht Nothwendigkeit ich mit Rücksicht auf die höheren Säugethiere in Erwägung gezogen habe. Es wäre vielleicht nicht ungeeignet, wenn man die Taschen im ganz ursprünglichen Zustande als primäre Mammartaschen bezeichnete. Aus diesen würden die secundären Taschen hervorgehen, dadurch, dass ein Theil der primären in die Beutelbildung einbezogen wird. Es wäre ja a priori ganz wohl denkbar, dass die Beutelanlage eine so feste Einrichtung würde, dass sie sich unabhängig, von den Mammartaschen ontogenetisch anlegte, obwohl sie phylogenetisch aus denselben hervorgegangen ist. Wenn in einem solchen Falle dennoch Mammartaschen auftreten, so haben wir es mit secundären Mammartaschen zu thun. Die einzige Gefahr bei dieser Benennung würde ich darin erblicken, dass man sie zu dogmatisch verwerthen und dem allmählichen Uebergang von primären in secundäre Mammartaschen nicht genügend Rechnung tragen könnte. Gelegentlich der Besprechung der Beutelthiere werde ich im Einzelnen zeigen, inwieweit diese neuen Begriffe das Verständniss der Differenzirung der Mammarorgane erleichtern. III. Zusammenfassung der Ergebnisse und allgemeinere Betrachtungen. Ueberblicken wir die bei Echidna gefundenen Thatsachen, so ergiebt sich in vielen Punkten eine fundamentale Uebereinstimmung mit Ornithorhynchus, während in anderen sich Differenzen zeigen, die zu der Frage nach dem primitiveren Zustande bei den Monotremen anregen. Uebereinstimmend sind die Verhältnisse der Drüsen, soweit es sich um die makroskopischen Zustände handelt, übereinstimmend ferner sind die Drüsenfelder in ihrer allgemeinen Lage und Configuration. Wichtige Abweichungen begegnen uns in der Beschaffenheit des Hautmuskels und in dem Relief der Umgebung des Drüsenfeldes. Während wir bei Ornithorhynchus eine streng paarige Muskellücke antreffen, finden wir bei Echidna einen grossen unpaaren, medianen Bezirk, der von der Musculatur spincterenartig umfasst wird. Wo liegt nun hier der primitivere Zustand vor? Aus dem Objecte selbst lässt sich ohne eine Lösung des Problems der Phylogenese des Bauchhaut- muskels eine bestimmte Antwort auf diese Frage nicht geben. Wir müssen daher die Ergebnisse abwarten, 14° Qu* 182 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 108 zu denen die specielle Untersuchung der Hautmusculatur von Echidna führt. Von den bereits „oben er- wähnten Möglichkeiten, die vorliegen, scheint mir jede viel für sich zu haben. Einfacher freilich und ver- ständlicher ist die Umwandlung einer paarigen Muskellücke in eine unpaare Lücke, als der umgekehrte Vor- gang. Um letzteres zu beweisen, bedarf es der Begründung eines secundären Einwachsens der Bauchhaut- musculatur zwischen die beiderseitigen Drüsenfelder, und dieser Nachweis dürfte nicht ganz leicht sein. Im anderen Falle würde es sich lediglich um eine Reduction des medianen Theiles des Bauchhautmuskels handeln, und diese wäre leicht verständlich. Haben wir doch gesehen, dass hinsichtlich der Drüse die beiden Theile des Hautmuskels eine ungleiche Rolle spielen. Der laterale Theil ist es, welcher durch seine Lage zur Drüse eine compressorische Bedeutung für dieselbe besitzt, eine Beziehung, die dem medialen fehlt. Letzterem muss daher eine gewisse Minderwerthigkeit zugesprochen werden, und sein Fortfall wird auch von der functionellen Seite her verständlich. Der allmähliche Uebergang der paarigen Bildung in eine unpaare würde auch in schönster Harmonie stehen mit den entsprechenden Umwandlungen an den Faltenbildungen des Integumentes. Bezüglich dieser wäre es leicht denkbar, dass man ohne weiteres Ornithorhynchus als phylogenetisches Ausgangsstadium für den anderen Monotremen betrachtete. Ist doch das Fehlen wohl ausgeprägter Taschen- und Beutelbildungen zweifellos ein niederer Zustand. So plausibel dies auch scheinen mag, so muss man doch berücksichtigen, dass wir bisher von Ornithorhynchus noch keine Exemplare kennen gelernt haben, die auf der Höhe der functionellen Thätigkeit des Mammarapparates standen. Freilich war ja bei MEcker’s Exemplar die Drüse ziemlich gross, aber wir können mit solchem vereinzelten Befunde nichts anfangen. Erst die Untersuchung einer recht grossen Zahl gravider oder brütender Weibchen wird uns in den Stand setzen, ein endgültiges Urtheil darüber zu gewinnen, ob nicht die von mir entdeckten Mammargruben Reste ausgedehnterer Taschenbildungen darstellen. Dass dieselben keine zufälligen Befunde darstellen, dürfte aus meiner Schilderung, vor allem aus den sehr bemerkenswerthen mikroskopischen Daten hervorgehen, die eine Besonderheit des medial vom Drüsenfeld gelagerten Integumentes im Vergleich mit dem lateralen dar- thun. Leugnet man die Möglichkeit einer früheren oder zeitweiligen Existenz der Mammartaschen, so müssen wenigstens diese Besonderheiten der Haut verständlich gemacht werden, und dies dürfte auf einem anderen, als dem von mir eingeschlagenen Wege nicht leicht gelingen. Wie man hieraus ersieht, bin ich geneigt, in einigen Punkten Ornithorhynchus, in anderen Echidna eine grössere Primitivität im Aufbau des Mammarorganes zuzuschreiben. Bezüglich des Hautmuskels möchte ich in dieser Hinsicht dem Ornithorhynchus, bezüglich der Mammartaschen der Echidna den Vorrang geben. Jede dieser Formen hätte also im Laufe der physiologischen Entwickelung eine Einbusse erfahren, Echidna hätte eine mittlere Partie des Hautmuskels verloren, während Ornithorhynchus die Taschenbildungen des In- tegumentes eingebüsst hätte. Um nun zu einem gemeinsamen Urzustand zu gelangen, müssen wir die Eigenschaften der beiden vorliegenden Monotremen mit einander combiniren, und zwar in der richtigen Weise, d. h. indem wir jeder dasjenige entlehnen, was wir für wirklich primitiv zu halten geneigt sind. Folgen wir diesem Gedankengange, so gelangen wir zu einem Ur-Monotremen, welcher jederseits eine Mammartasche besass. Zu jeder derselben stand der Hautmuskel in der Beziehung eines Sphincters. Die Duplicität der ganzen Anlage würde somit eine vollständige sein und würde mit der doppelten Eiablage harmoniren, welche Ornithorkynchus noch jetzt zeigt. Dass Echidna sie ebenfalls einst besass, geht 109 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 183 aus dem allerdings seltenen Befunde einer Zwillingsgeburt bei Echidna hervor. SEMON hat einen solchen Fall beobachtet. Für andere Combinationen, wie etwa die, dass ein medianer, unpaarer Apparat das Erste gewesen sei, aus dem sich die symmetrische Einrichtung entwickelt habe, finde ich in den Thatsachen keine Be- gründung, so wie — da man ja bezüglich der Einwände alles für möglich halten muss! — etwa der Ver- such, die Mammarorgane der beiden Monotremen als gänzlich unabhängig von einander entstandene Bildungen aufzufassen, erst seinerseits stark fundirt werden müsste, ehe er zur Discussion überhaupt zu- gelassen werden könnte. Wir wenden uns nun zu der Frage, inwieweit die vorgeführten Thatsachen auf die Geschichte der Mammarorgane neues Licht werfen. Einmal ist es die Entstehung des Marsupiums, welche dadurch dem Verständniss näher gebracht wird, und ferner ergeben sich auch Gesichtspunkte, von denen aus die ersten Phasen der Hervor- bildung von Mammarorganen sich schärfer präcisiren lassen, als dies bisher möglich war. Bezüglich der Marsupialbildung liefern die Befunde bei Echidna eine ausgezeichnete Bestätigung der Richtigkeit meiner früheren, rein theoretisch aufgestellten Ansicht über die Be- ziehungen der Mammartaschen zum Beutel. Es zeigt sich in der That, dass die scheinbar so divergenten Angaben der früheren Autoren gleich- mässig zu Recht bestehen, und dass sie nur durch die Wahrnehmung verschiedener Ausbildungsstufen der- selben Organe bedingt waren. Der ursprüngliche Zustand war gegeben durch eine streng paarige Taschenbildung. Diesen Zustand wollen wir zunächst als einen gegebenen hinnehmen und die Frage nach einer Hervorbildung weiter unten prüfen. Dieses Stadium der paarigen Mammartaschen ist von der grössten Bedeutung. Seine Auffindung liefert einer grossen Reihe von Untersuchungen der Mammarorgane bei höheren Formen die bisher nicht in dieser Schärfe erbrachte thatsächliche Basis und bestätigt damit zugleich aufs beste die Richtigkeit der Voraussetzung, von der aus diese Forschungen unternommen worden waren. Der ursprünglichste und wichtigste Theil dieser Taschenbildungen war derjenige, welcher sich in der unmittelbaren Nachbarschaft des Drüsenfeldes befand. Von ihm aus hat sich der Taschenbezirk weiter ausgedehnt, zunächst in caudaler und medialer Richtung, allmählich auch seitliche Hautpartien in sich ein- beziehend. Diese Erweiterung der ursprünglich wohl nicht sehr geräumigen Taschen muss mit ihrer Function in innigen Connex gebracht werden. Die Beherbergung des Eies resp. des jungen Thieres stellt den Factor dar, welcher eine bedeutendere Ausdehnung und Vertiefung der Taschenbildungen herbeiführte, und diese Einwirkung dürfte wohl ursprünglich die beiden bilateral-symmetrischen Taschen in gleicher Weise betroffen haben. Wie wir das so oft bei solchen einander gleichartigen Organen treffen, die eben durch ihre ursprüng- iche Gleichberechtigung mit einander in eine Art von Concurrenz treten, wird auch bei den Mammartaschen eine ungleichmässige Entwickelung dem indifferenten Zustand gefolgt sein, und dieses Verhalten musste besondere Bedeutung gewinnen bei der Reduction der Nachkommenschaft auf die Einzahl, welche jetzt für Echidna die Regel darstellt. So ergab es sich ganz von selbst, dass bald die eine, bald die andere Tasche sich stärker entwickelte, und dass dadurch die ursprünglich paarige Taschenbildung einer unpaaren Ein- richtung, einer Marsupialbildung wich. Das gleichmässige Zusammenwirken beider Taschen ist hierbei wohl 184 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. IIo eine erst allmählich sich entfaltende und complicirtere Erscheinung. In der That genügt auch die mächtige Entfaltung der einen Taschenbildung, wie es scheint, vollkommen. Das Einbeziehen auch der anderseitigen dürfte damit in Zusammenhang zu bringen sein, dass die jungen Thiere relativ lange Zeit in dem Marsupium verblieben, und so sehen wir auch hier wieder in dem „Beutelfötus“ selbst den Factor, welcher die Ein- heitlichkeit des Marsupiums herbeiführen half. Zur Vervollkommnung dieses einheitlichen Marsupiums trug die Beziehung desselben zum Haut- muskel zweifellos viel bei. Wie auch dessen ursprüngliche Anordnung gewesen sei, ob er von vornherein eine unpaare Lücke umschloss, oder ob eine solche anfangs als paarige Bildung entstand, — nachdem einmal der Muskel die Rolle eines Sphincter marsupii übernommen hatte,,. ergab sich die Steigerung seiner Bedeutung für 'den ganzen Apparat von selbst. Je enger der Aditus durch den ring- förmig werdenden Muskel eingeschnürt wurde, desto mehr konnte das Marsupium sich in der Tiefe aus- dehnen, ohne dass die Gefahr eines Herausgleitens des Jungen aus dem Behälter gegeben wurde. So gelangen wir für Echidna zu sehr einfachen und klaren Resultaten. Gerade der Umstand, dass bei dieser Form die ganze, uns hier beschäftigende Bildung noch völlig im Fluss begriffen ist, gestattet uns vortreffliche Einblicke in die allmähliche Entwickelung des Mammarorgans. Wir lernen dabei, dass Erscheinungen, welche uns bei höheren Säugethieren als regelmässige und typische Befunde entgegentreten, hier nur zeitweise und selbst dann in einer gewissen Unbestimmtheit und Unregelmässigkeit sich zeigen, stets in genauer Anpassung an den Bedarf, im functionellen Dienst der ganzen Einrichtung. In dieser Hinsicht ist auch die so überaus schwankende Entfaltung von Warzenbildungen, auf welche ich oben hin- gewiesen habe, von der grössten Bedeutung, und ebenso muss auch die eigenartige Entfaltung des Beutel- integumentes hierher gezählt werden. Gewinnt doch dasselbe, namentlich bei starker Ausprägung des Marsupiums, eine von der benachbarten Haut recht verschiedene Beschaffenheit. Und alle diese Dinge treten nur temporär auf, um in den Pausen zwischen den Functionsperioden sich so vollständig auszugleichen, dass man nur mit Mühe die Stelle des Mammarorgans zu entdecken vermag. Von grosser allgemeiner Bedeutung sind auch die embryonalen Beutelbefunde, deren Entdeckung wir SEMON verdanken und deren allmählich erfolgende Verlegung in frühe embryonale Perioden oben er- klärt worden ist. Wir haben die”Mammarorgane durch die ersten Phasen in ihrer allmählichen Vervollkommnung von den niedersten Zuständen aus erfolgt; so eröffnet sich aber auch die Perspective abwärts zu den An- fängen dieser Organe überhaupt, und wir wollen prüfen, welche der im Vorliegenden dargelegten Thatsachen auf diese Vorgeschichte der Mammarorgane Licht werfen, und ich will bei dieser Gelegenheit die An- schauungen darlegen, welche sich mir bezüglich dieses schwierigen Capitels ergeben haben. Ich habe im speciellen Theil öfter die Frage berührt, welche der die Mammarorgane auszeichnenden Eigenthümlichkeiten als die primären zu beurtheilen sind, ob wir diese Drüsenbildungen als solche annehmen müssen, oder ob die Taschenbildungen das Ursprüngliche waren. Ich neige zu der Annahme, dass wir mit dem Letzteren das Richtige treffen, dass die Taschenbildungen viel älter sind als die Entfaltung der Drüsen. Hierbei bestimmen mich die gleichen Erwägungen, von denen GEGENBAUR ‘geleitet wurde, wenn er sich dahin aussprach, dass „die Function dieser Drüsen“ (— der Mammardrüsen —) „nur beim Bestehen einer Mammartasche verständlich“ ist. „Man sollte denken, dass zuerst eine Stelle des Integumentes zur Bergung des Jungen resp. des gelegten Eies sich auszubilden hat, bevor der Drüsenapparat an der Brutpflege Theil nimmt und eine dem- gemässe Ausbildung in Anpassung an die neue Function empfängt. Einem solchem Gange entspricht auch das ontogenetische Verhalten bei den Säugethieren, indem III Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 185 die Anlage der Mammartasche allgemein das Erste ist. Alsdann erst legen sich die Drüsen an.“ Diese gerade durch meine früheren Untersuchungen dargelegten Thatsachen haben auch jetzt noch für mich das grösste Gewicht. Sie lassen sich nicht anders erklären als durch das hohe Alter der Taschenbildungen. Dieser Schluss stimmt aber auch mit den theoretischen Erwägungen überein, die ich oben über die gemein- same Ausgangsform der Monotremen entwickelt habe. Es ist nicht verständlich, dass sich an der seitlichen Bauchgegend in streng symmetrischem Verhalten die Hautdrüsen stärker entwickelten, wenn nicht der Factor gezeigt wird, der diese gleichmässige Entwickelung der neuen Organe beherrschte. Als solchen betrachte ich nicht etwa die Taschenbildungen, denn diese müssen auch erst erklärt werden, sondern den Factor, der diese Taschenbildungen selbst uns erklärt. Ueber diesen Punkt ist bisher keine befriedigende Meinung geäussert worden. GEGENBAUR möchte hierfür die glatte Musculatur in der Um- gebung des Drüsenfeldes zur Erklärung heranziehen, aber ich muss bekennen, dass mir dem einige Bedenken entgegen zu stehen scheinen. Es ist zunächst gar nicht ausgemacht, dass wir in diesem Besitz einer mächtigen glatten Musculatur einen sehr primitiven Charakter der betreffenden Hautpartien zu erblicken haben. Im Gegentheil, die Verschiedenheit der Befunde, welche wir darin bei den beiden Monotremen an- treffen, legen die Vermuthung nahe, dass die Entfaltung einer „Areolargewebes‘“, wie ich früher die eigen- artige Modification der Lederhaut dieses Theiles genannt habe, eine secundäre, vielleicht an die Entfaltung der Drüsen anknüpfende Erscheinung sein könnte. Ob später nach der Entfaltung der Drüsen diese glatte Musculatur bei der Vertiefung der Taschenbildungen vielleicht eine Rolle spielt, will ich unentschieden lassen, zur Erklärung der ersten Entstehung derselben reicht diese Deutung nicht aus. Hier müssen wir vielmehr nach einem Factor suchen, der keine Besonderheiten des Integumentes, vor allem keine Com- plication der Drüsen voraussetzt, und ein solcher bietet sich, wie ich glaube, in dem Hautmuskel dar, dessen innige Beziehungen zu den Mammarorganen uns ja in so überaus deutlicher Weise entgegentreten. Wir müssen jedenfalls den Vorfahrenformen, bei denen zuerst Mammarorgane entstanden sind, gewisse Eigenthümlichkeiten zuerkennen, die den „Säugethiertypus“ documentiren, ganz unabhängig von den Mammarorgan selbst. Solche Merkmale sind einmal die Beschaffenheit des Integumentes mit seinen Drüsen- und Haarbildungen und ferner ein ausgedehnter Bauchhautmuskel, dessen all- mähliche Hervorbildung aus weiter proximal gelegenen Theilen schon bei niederen Wirbelthieren sich anbahnt. Diese Besonderheiten vorausgesetzt, ergeben sich ganz von selbst Complicationen der Bauchhaut, wenn wir nur diesen Urformen der Monotremen die gleiche Fortpflanzungsweise und eine ähnliche Art der Brutpflege zuschreiben, wie wir sie bei Sauropsiden finden. Ich nehme also an, dass ein Bebrüten der Eier der erste Factor war, welcher hier etwas Neues hervorgehen liess. Dass an sich schon dieses Brutgeschäft genügt, um die Bauchhaut zu modificiren, zeigen uns die Sauropsiden. Ich brauche nur auf die bekannte Brutpflege der Vögel zu verweisen. An- genommen nun, dass die mütterlichen Thiere die Eier bebrüteten, und dass die innige Berührung mit den hartschaligen Eiern einen gewissen Einfluss auf das Integument des Abdomens ausübte, so hat es nichts Befremdendes, wenn wir die Ausbildung einer Beziehung des Bauchhautmuskels zu dem wohl paarig vorhandenen Brutbezirk der Haut annehmen. Diese Voraussetzungen führen uns ganz naturgemäss zu einem Zustand, wie ihn Ornithorhynchus mit seiner paarigen Muskellücke darbietet. Ein geringes Auseinanderweichen der longitudinalen Fasern des willkürlichen Muskels würde dem Thiere die Möglichkeit geben, das Ei einzuklemmen und so eventuell bei drohenden Gefahren zu schützen, auch vielleicht fortzutragen. So entstand eine paarige Vertiefung jederseits, die zur Bildung der Mammartaschen führte. Es wäre aber auch eine andere Art der Ableitung denkbar. Man könnte von einem Zustande 186 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 112 geringer Ausbildung des Bauchhautmuskels ausgehen, wobei der mediale Rand desselben einfach direct als Haltapparat des Eies Verwerthung fände. Dieser Modus wäre noch einfacher, aber er ist mir nicht wahr- scheinlich, es sei denn, dass der Nachweis für die primitive Bedeutung der unpaaren Muskellücke von Echidna erbracht würde. Man sieht daraus, dass im Falle dieses Nachweises, den vielleicht Mancher als ein Zeugniss gegen die Mammartaschen-Theorie ins Feld führen würde, meine ganze Darstellung keine wesentliche Aenderung erleiden würde, sie würde nur eine Vereinfachung, erfahren. Wie aber auch die Entscheidung fallen mag, in jedem Falle ergiebt sich der Hautmuskel als die die Taschenbildung ermöglichende Grundlage, auf welcher von aussen her ein- wirkende Factoren — das Ei selbst — Neues hervorgehen lassen. ? In dieser Betonung der Beziehungen des Hautmuskels zu den Mammartaschen und damit indirect zu dem Beutel liegt das Neue meiner ganzen Auffassung, durch welche die spätere Rolle des Hautmuskels als Sphincter ohne weiteres verständlich wird. Dass die Taschenbildungen aus solchen ganz primitiven Schutzeinrichtungen hervorgegangen sein sollen, mag vielleicht Manchem nicht recht plausibel scheinen. Wir müssen aber erwägen, welche ungeheure Rolle für die Erhaltung der Art die Thatsache haben musste, dass mütterliche Thiere die Eier resp. Junge auf der Flucht vor Gefahr mit sich forttragen konnten, ohne dabei selbst irgendwie behindert zu sein. Eine solche Einrichtung, mochte sie auch anfangs noch so primitiv sein, konnte sich, ja musste sich wohl ein- bürgern, und was zuerst nur unter dem directen Einflusse des Brutactes entstanden war, das bildete sich später scheinbar unabhängig davon aus. Je mehr nun hier Einziehungen des Integumentes, wenn auch zunächst nur für kurze Zeit sich ent- wickelten, um so mehr werden auch die erwähnten Modificationen des Integumentes sich stärker ausgeprägt haben. Es werden vor allem locale Störungen der Blutcirculation dieser Theile gewesen sein, welche auf rein mechanischem Wege erklärlich, allmählich eine hohe physiologische Bedeutung für das Ei erlangten, und gerade hieran möchte ich die Modificationen der Hautdrüsen anknüpfen, deren Bedeutung natürlich nicht von vornherein eine nutritorische Rolle für das Junge gewesen sein kann. Dass aber eine solche allmählich erlangt wurde, kann nicht weiter wunderbar erscheinen, wenn man voraussetzt, dass das Ausschlüpfen der Jungen aus dem Ei im Brutbehälter erfolgte. Also wieder ist es die Verlängerung des Aufenthaltes in der Mammartasche resp. Beutel, welche den Fötus als eine die weitere Entfaltung des ganzen Apparates beeinflussende Macht erscheinen lässt. Dass die Aufnahme flüssiger Nahrung schon bei den Sauropsiden, die aus dem Ei geschlüpft sind, eine Vorstufe hat, darauf hat HaAcke bereits hingewiesen. Von einem activen Säugen kann aber natürlich anfangs nicht die Rede gewesen sein, und da wird denn die compressorische Thätigkeit des Bauchhaut- muskels auf ein, wenn auch zunächst nur wenig stärker entwickeltes, Drüsenpacket von hoher functioneller Bedeutung, geworden sein. Damit haben wir die Anknüpfung an die späteren Phasen der Geschichte der Mammarorgane gewonnen. Von diesem Gesichtspunkte aus wird die Stellung, welche ich gegenüber dem Verhalten des Ornithorhynchus einnehme, leicht verständlich sein, Ist die Drüse das Secundäre, erst im Anschluss an eine Taschenbildung sich Bildende, so muss nach meinen Anschauungen auch Ornithorkynchus entweder Taschen- bildungen am Drüsenfeld besessen haben, oder aber vielleicht noch jetzt zeitweise darbieten. Entsprechend der Beschaffenheit des Hautmuskels können dieselben aber immer nur streng paarige Bildungen repräsentiren. Hierdurch ist vielleicht die Fortführung eines ganz alten Zustandes bei diesem Monotremen gegeben, der aber, in einseitiger Entwickelung auslaufend, zu Reductionen der Reliefbildungen am Drüsenfelde führte. 113 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 187 In jedem Falle ist es gerechtfertigt, nach Rudimenten von Taschenbildungen zu suchen, und vielleicht giebt der von mir mitgetheilte Befund neue Anregung hierzu. Wenn auch vieles von den hier vorgetragenen Anschauungen noch hypothetischer Natur ist, so knüpft es doch überall an den ganz festen Boden der Thatsachen an und zeigt uns die Richtung, in welcher die weiteren Forschungen sich zu bewegen haben. Namentlich ist durch die Resultate der vorliegenden Untersuchungen die Grundlage gegeben, auf welcher die Erforschung der Beutelbildungen der Marsupialier mit Erfolg ausgeführt werden kann. Durch die Bestätigung meiner früher geäusserten Ansichten hinsichtlich der Monotremen ist auch meiner Theorie von der Phylogenese des Beutels der Marsupialer eine neue Stütze erwachsen, und die Befunde an dem Semon’schen Materiale ergeben gerade auch für die Marsupialier eine schöne Befestigung und Erweiterung meiner in früheren Arbeiten niedergelegsten Ansichten. An diesem Punkte sollen die späteren Studien das hier Begonnene fortführen. Nachwort bei der Correetur. Nach Abschluss der vorliegenden Arbeit erhielt ich davon Kenntniss, dass RuUGE in seiner Unter- suchung über die Hautmusculatur der Monotremen sich zum Theil mit denselben Objecten und Problemen wie ich beschäftigt habe. Durch die Güte des Verfassers war es mir gestattet, die Correcturbogen des betreffenden Abschnittes durchzusehen. Ich erkannte hieraus, dass wir uns in der That zum Theil auf ganz gleichen Bahnen bewegt haben, und dass wir hierbei in manchen Punkten zu übereinstimmenden, in anderen, und gerade sehr wichtigen, aber zu voneinander völlig abweichenden Resultaten gelangt sind. Die hierbei sich ergebenden Differenzen betreffen weniger Verschiedenheiten der Darstellung thatsächlicher Befunde — in dieser Hinsicht ist nur eine etwas abweichende Beschreibung der glatten Musculatur des Beutels zu erwähnen — als vielmehr die allgemeineren Fragen und die morphologische Bedeutung der für die Geschichte der Mammarorgane wichtigen Bildungen und Zustände. Der schwerwiegendste Differenzpunkt betrifft unsere Auffassung der Mammartaschen. Während ich in denselben ganz fundamentale Bildungen erkenne, welche für die Entstehung des Beutels von grösster Bedeutung sind, neigt sich RuGE der Annahme zu, dass wir es hier mit secundären, erst inner- halb des vorher schon existirenden Beutels entstandenen Bildungen zu thun haben, welche sich unter dem Einflusse der Drüsenentfaltung an der Ausmündungsstelle derselben entwickelt haben sollen. Wie man aus meiner Arbeit ersieht, boten sich mir keine Thatsachen dar, welche in dem von RUGE vertretenen Sinne hätten verwerthet werden können, ebensowenig solche, die für eine einheitliche und von den Taschen unabhängige Entstehung des Beutels — wie sie RuGE annimmt — sprächen. Ich muss es mir hier versagen, näher auf diese Differenzen einzugehen; sollte RuGE mit seinen An- sichten Recht haben, so ist es klar, dass daraus eine Gefährdung der von mir verfolgten Richtung sich ergeben würde. Ich hoffe jedoch, dass es an anderer Stelle gelingen wird, die beachtens- werthen, von so hervorragender Seite erhobenen Einwände im Einzelnen zu wider- legen. Für weniger wichtig erachte ich unsere Verschiedenheit in der Auffassung des Ornithorhynchus- Befundes, verglichen mit dem von Echidna. Jenaische Denkschriften. V. 15 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 25 18 Studien zur Geschichte der Mammarorgane. 114 [0] In diesem Punkte konnte RuGE ebensowenig wie ich zu einem abschliessenden Urtheile gelangen. Die von ihm vorgebrachten Thatsachen scheinen mir ebenso in meinem wie in seinem. Sinne 'verwerthbar. Die Befunde an der Musculatur lassen sich recht wohl mit der von mir vertretenen Ansicht vereinigen; wonach bei Ornithorhynchus zwar Mammartaschen, aber nie ein Beutel bestanden hat. Darin jedenfalls sind wir beide einer Meinung, dass einmal bei Ornithorhynchus ein Brutbehälter existirt haben muss — sei es nun Mammartasche oder Marsupium —, und dass der ebene Zustand des Integumentes im Bereiche der Drüsenfelder ein secundärer sei. Damit komme ich auf die sehr wesentlichen Punkte der Uebereinstimmung, welche sich aus unseren Resultaten ergeben. ı Diese betreffen vor allem die Ueberzeugung, dass die Ausbildung der Mammardrüse nur verständlich wird durch die längst vorher bestehende Entfaltung eines Brutbehälters. In diesem hat sich secundär — z. Th. unter dem directen mechanischen Einflusse des Eies resp. des Jungen — die zur Entfaltung der Mammardrüsen führende Modification des Integumentes vollzogen. Wir können also beide die früher von GEGENBAUR über die Phylogenese der Mammardrüsen gemachten Aeusserungen aufs neue stützen und ihnen dadurch zu allgemeinerer Geltung verhelfen. Ferner ist es wichtig, dass RuGE und ich unabhängig von einander die hohe, theils functionelle, theills phylogenetische Bedeutung erkannt haben, welche die Beziehungen der ventralen Hautmusculatur zu den Mammarorganen besitzen. Auch in diesem Punkte dürfte ein neuer, auf gemeinsamer Basis gesicherter Besitz zu erblicken sein. Literatur. Bonser, R., Die Mammarorgane im Lichte der Ontogenie und Phylogenie. Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungs- geschichte, herausgegeben von MERKEL und Bonner, II. Bd., 1892. GEGENBAUR, C., 1) Bemerkungen über die Milchdrüsenpapillen der Säugethiere. Jen. Zeitschr. für Naturw. u. Mediein Bd. VII, 1873. 2) Zur genaueren Kenntniss der Zitzen der Säugethiere. Morphol. Jahrbuch, Bd. I, 1876. 3) Zur näheren Kenntniss des Mammarorgane von Echidna. Morphol. Jahrbuch, Bd. IX, 1883. 4) Zur Kenntniss der Mammarorgane der Monotremen. Leipzig 1886. Haackz, W., 1) On the marsupial ovum, the mammary pouch and the male with glands of Echidna hystrix. 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V, 1894: Zoolog. Forschungsreisen in Australien und dem malayischen Archipel, Bd. II. 2) Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen, ebenda 1894. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 1491 E leollche; ah bis es Band 18 durch die Verlagsbuch Achter Band. Inhalt: Leydi, RS Zweites Heft. Mit 9 lithe nn Schinkew u | Carlsson, A, Ueber die Zahnen wicklung der Polynoö-Larve. — R in Drittes Heft. Mit 7 lithograp) Bi nd g Abbildun Inhalt: Spemann, Hans, 2 S us paradox Schmidt Dr. Ford Beiträge zur Ken er Entwicklung 0 an a eh I ee | BE B., The ‚Oral Cirri of Sr another en, Preis: ra Mark. ie = Klinekowstrom, Ar iD enntniss und der ? - > ee Die a, von Mysis. nal Fallarien LM, On Nickerson, W.S., On Stichocotyle A., Zur Anatomie der Edentaten. N er, Dr. Phylogenie der Flügelbedeckung der Sel — ——— Abtheilung für S, tik, 4 1886/94. Preis: 315 ark. Ausfüh zu beziehen. Achter Band. Erstes Heft. Mit 4 I Talea und 5 Aue m im Text. 1894. Preis: 6 Mark. Inhalt: Bürger, Dr. a nn Keubie rn nn Otto, Be zur Kenntniss der Aleyonide ng Spongodes Lesson. — ee ‚ae en ‚der mileken (Chironomidae). — Sch ae De at y Fürst Ruspoli n Prof. Dr. €. Keller im Somalilande erbeuteten Orthopteren. — Henking, die Ernährung von Glandina algira L. Zweites Heft. Mit 3 lithographischen Tafeln und 1 a in Text, 1894. Preis: $ Mark. Inhalt: Pfeffer, Dr. 6, Fische, Mollusken und Eu un — Pfeffer, Dr. @, Echinodermen von Oman reen — Schaeffer, C., Verzeichniss der nn Prof. Dr. en kenthal und Dr. Walter auf Spitzbergen gesammelten Collembolen. — Voigt, Dr. W, Pla a in das Verbreiterungsgebiet von Planaria Ana, 'olycelis cornuta. — en ., Die en Fauna von Florida und Georgia. — Sieckman „ F, Beiträge zur Kenntniss der Hymenopteren-Fauna lichen China. En Drittes Heft. Mit 3 lithographischen 1 au Inhalt: Reh, Dr. L, Zur Fauna der w Bucht. — Emery, her > Pine der nordamerikanischen A N En Bürger, Dr. Otto, Ein Beitrag zur Kenn BEE der nnotberi L retscher, Sn a Jahre 1859 anf een der Bronier 6 ; von Dr illy Kükenthal und Dr. Walter ausgeführten Expedition nel e nen Peter, zur Ke spinnen (Araneae-Citigradae Thor.) Russlands. — Et Sur zu Atjeh, an den westlichen Küsten von Malakka, und Stomatopoden. ET ne Kespeaphischen Tafeln und 4 dungen Inhalt: Weismann, Augu ison-Dimorphismus der Die Gattung eu Fab. und Ar Formieiden. — Wandolleck, Be die Fühlerformen der an — Römer, F, urhist. Museums in Be Ermanno, Ortotteri de Paraguay raccolti d Neunter Band. Erstes Heft. Mit 16 litho Inhalt: Will, Ludwig, Untersuchungen über den feineren Bau der und die Entstehung der Asymmetrie der DENKSCHRIFTEN DER NEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, I. LIEFERUNG. MIT 4 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 40 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1895. | | mm nn m Frommannsche Buchdruckerei (lermann Pohle) in Jena. — T49T YTEN Bibert Narath, Die eu er Verlag von Gustav Fischer in Jena. Semon Dr. Richard, Professor an der Universität Jena, Studien über den Bauplan des Urogenital- ’ systems der Wirbeltiere. Dargelegt an der Entwickelung dieses Organsystems bei Ichthyophis glutinosus. Mit 14 lithographischen Tafeln. ı8g1. Preis: ı2 Mark. Die Entwickelung der Synapta disitata und die Stammesgeschichte der Eehinodermen. Mit 7 lithographischen Tafeln. 1888. Preis: 9 Mark. » Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem malayischen Arechipel. Mit Unterstützung des Herrn Dr. Paul von Ritter ausgeführt in den Jahren 1891—-93 von Dr. Richard Semon. Erster Band: Ceratodus. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 1.) Mit 8 lithogr. Tafeln und 2 Abbildungen im Text. 1894. Preis: 20 Mark. Inhalt: Ernst Haeckel, Systematische Einleitung: Zur Phylogenie der Australischen Fauna. Richard Semon, Reisebericht und Plan des Werkes. — Richard Semon, Verbreitung, Lebensverhältnisse des Ceratodus Forsteri. — Richard Semon, Die äussere Entwiekelung des Ceratodus Forsteri. Fünfter Band: Systematik, Thiergeographie, Anatomie wirbelloser Thiere. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 2.) Mit 5 lithogr. Tafeln und 6 Abbildungen im Text. 1894. Preis: 20 Mark. Inhalt: A. Ortmann, Crustaceen. — E. y. Martens, Mollusken. — W. Michaelsen, Lumbri- eiden. — C. Ph. Sluiter, Holothurien. — ©. Boettger, Lurche (Batrachia). — O. Boettger, Schlangen. = | J- Th. Oudemans, Eidechsen und Schildkröten. — A. Reichenow, Liste der Vögel. — F. Römer. Ö Monotrema und Marsupialia. 2 Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 3.) © ) Mit 11 lithogr. Tafeln und 20 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 20 Mark. © Inhalt: Riehard Semon, Beobachtungen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen 5 I nebst Notizen über ihre Körpertemperatur. — Richard Semon, Die Embryonalhüllen der Monotremen und "5 | Marsupialier. — Richard Semon, Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen, = Fünfter Band: Systematik, Thiergeographie, Anatomie wirbelloser Thiere. Zweite Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 4.) Mit 8 lithographischen Tafeln und 5 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 20 Mark Inhalt: €. Ph. Sluiter, Tunicaten. — B. Haller, Beiträge zur Kenntnis der Morphologie von Nautilus pompilius. — Arnold Pagenstecher, Lepidoptera Heterocera. — Max Fürbringer, Depi- doptera Rhopalocera. — Max Weber, Fische von Ambon, Java, Thursday Island, dem Burnett-Fluss und von der Süd-Küste von Neu-Guinea. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. II. Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 5.) Mit 4 lithographischen Tafeln und 40 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 16 Mark. Inhalt: GeorgRuge, Die Hautmuskulatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammarapparate. — Hermann Klaatsch, Studien zur Geschichte der Mammarorgane. I. Theil: Die Taschen- und Beutelbildungen am Drüsenfeld der Monotremen. Denkschriften der medizinisch-naturwissenschaftliehen Gesellschaft zu Jena. Band I. Ernst Haeckel, Das System der Medusen. Erster Theil einer Monographie der Medusen. Mit einem Atlas von 4o Tafeln. ı880. Preis: 120 Mark. Band II. Mit 2ı Tafeln. ı880. Preis: 60 Mark. — Hieraus einzeln: C. Frommann, Untersuchungen über die Gewebsveränderungen bei der multiplen Sklerose des Gehirns und Rückenmarks. Mit > Tafeln. 1878. Preis: 10 Mark. — Oscar und Richard Hertwig, Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblättertheorie. Mit 3 lithographischen Tafeln. 1878. Preis: ı2 Mark. — Richard Hertwig, Der Organismus der Radiolarien. Mit ıo lithographischen Tafeln. 1879. Preis: 25 Mark. — E. E. Schmid, Die quarzfreien Porphyre des centralen Thüringer Waldgebietes und ihre Begleiter. Mit 6 Tafeln. ı880. Preis: ı8 Mark. Band III. Willy Kükenthal, Vergleichend-anatomische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Walthieren. Mit 25 Tafeln. ı9889—ı893. Preis: 75 Mark. — Erster Theil. Kapitel I: Die Haut der Cetaceen. Kapitel II: Die Hand der Cetaceen. Kapitel III: Das Centralnervensystem der Cetaceen, gemeinsam mit Theodor Ziehen. Mit ı3 lithographischen Tafeln. ı889. Preis: 35 Mark. — /weiter Theil. Kapitel IV: Die Entwicklung der äusseren Körperform. Kapitel V: Bau und Ent- wicklung äusserer Organe. Kapitel VI: Die Bezahnung. Mit ı2 lithographischen Tafeln. 1893. Preis: 40 Mark. Heymons Dr. Richard, Privatdozent und Assistent am Zoologischen Institut der Königl. Universität . in Berlin, Die Embryonalentwickelung von Dermapteren und Orthopteren unter besonderer Berücksichtigung der Keimblätterbildung monographisch bearbeitet. Mit ı2 lithographischen Tafeln und 33 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 30 Mark. Ortmann, Dr. Arnold E. in Princeton N.J. — U.S.A., Grundzüge der marinen Tiergeographie. 7? Anleitung zur Untersuchung der geographischen Verbreitung mariner Tiere, mit besonderer Berücksichtigung der Dekapodenkrebse. 1895. Preis: 2 Mark 5o Pf. DENKSCHRIF TEN DER MEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. III. LIEFERUNG. MIT 11 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 6 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1896. ZÖÖLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. MIT UNTERSTÜTZUNG DES HERRN DR. PAUL VON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891-1893 VON DR, RICHARD SEMON PROFESSOR IN JENA. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, III. LIEFERUNG: F. Hochstetter, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. Albert Narath, Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. Albert Oppel, Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. MIT 11 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 6 ABBILDUNGEN IM TEXT. — 4 a —— JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1896. Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. Von F. Hochstetter in Wien. Mit Tafel XVI—XIX und 3 Textfiguren. Jenaische Denkschriften. V. 1 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. Herz. Es liegt keineswegs in meiner Absicht, hier eine eingehende Schilderung des Baues und der Form- verhältnisse des Monotremenherzens zu liefern, da ich ja zum grössten Theile nur Bekanntes wiederholen müsste. Es mag daher genügen, wenn ich in dieser Beziehung insbesondere auf die Arbeiten von R. LANKESTER (14, 15) und C. RösE (19) verweise. Nur auf einige Punkte des Herzbaues möchte ich näher eingehen, bezüglich deren zwischen einzelnen Autoren Differenzen bestehen, und meine in dieser Richtung gemachten eigenen Beobachtungen mittheilen. Bezüglich der Reste der Sinusklappen giebt Röse (19), Born (2) gegenüber, der nur in der Umgebung der hinteren Hohlvene Klappen beschreibt, an, dass die drei Hohlvenen zwar getrennt in den rechten Vorhof einmünden, aber von einem gemeinsamen Klappenpaare umsäumt erscheinen. „Zwischen je zwei Venenmündungen nähern sich die beiden Klappen bis zur gegenseitigen Berührung, ohne jedoch mit eimander zu verschmelzen.“ Im Bereiche der rechten oberen Hohlvene sollen die beiden Klappen mehr oder weniger rudimentär, aber doch stets deutlich nach- zuweisen sein. RÖSE giebt auch eine Abbildung dieses Verhaltens in seiner Fig. 19. Ich vermag nun für Echidna sowie für Ornithorkynchus die Angaben Röse’s vollinhaltlich zu bestätigen. Ich habe an vier Herzen von Echidna die Verhältnisse der Sinusklappen fast genau so gesehen, wie sie RÖSE beschreibt und abbildet. In einem Falle aber waren sogar die beiden Sinusklappen auch im Gebiete der rechten oberen Hohlvene nichts weniger als rudimentär. Ja, sie schienen sogar noch bis zu einem gewissen Grade schlussfähig zu sein, denn ich fand sie an dem prall gefüllten Herzen nach Hinwegräumung der Blutcoagula aus dem rechten Atrium mit ihren Rändern aneinandergelagert und musste sie, um in die rechte vordere Hohlvene gelangen zu können, auseinanderdrängen. Dagegen war an demselben Herzen die linke Sinusklappe in der Umgebung der Mündung der linken vorderen Hohlvene auf einen ganz schmalen Saum reducirt. Bei zwei Herzen von ÖOrnithorhynchus, welche ich untersuchen konnte, fand ich die Reste der Sinus- klappen viel weniger mächtig als an den; untersuchten Herzen von Echidna. Vor allem aber war mir auffallend, was auch RösEe schon erwähnt, dass sich die beiden Klappensäume so weit in das Lumen der linken vorderen Hohlvene hineinerstrecken, was mir an den Echidna-Herzen nicht in dem Maasse auf- gefallen war. Die Angaben Röse’s über den Spannmuskel der Sinusklappen, über das Spatium intersepto-valvulare, sowie über die Beschaffenheit des Septum atriorum und über den Limbus Vieussenii kann ich nach meinen Präparaten vollinhaltlich bestätigen. 26° Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. A 192 Bezüglich der Klappensegel, welche das Ostium atrioventriculare dextrum umgeben, besteht eine Controverse zwischen G. GEGENBAUR (4) und R. LANKESTER (IA, 15). Der erstere Forscher beschreibt für das Herz von Ornithorhynchus am Ostium venosum des rechten Herzens ein marginales mit Muskelbalken, die in dasselbe ausstrahlen, und ein septales, rein bindegewebiges Segel, während der letztere nur an zwei Herzen Spuren eines septalen Segels fand. Ferner giebt LANKESTER auch für das Herz von Echidna an, dass ein septales Klappensegel nicht bestehe, dass aber das marginale Segel sich um den hinteren Umfang des Ostium venosum dextrum herum auf das Septum ventriculorum hin fortsetze. Auch RösE konnte eine septale Klappe bei Ornithorhynchus nicht finden, beschreibt dagegen für Behidna, dass die auch von LANKESTER angegebene Fortsetzung des marginalen Klappensegels aufs Septum ventriculorum besonders mächtig gewesen sei. In Uebereinstimmung mit den Befunden von LANKESTER und RÖSE stehen meine Befunde an den Herzen von Ornithorhynchus und Echidna, an welchen sich zwar stets eine Fortsetzung des marginalen Klappensegels auf das Septum, und zwar immer nur auf eine Strecke weit, nachweisen liess, aber vor dem vorderen Ende dieses Klappenabschnittes, der stets mit dem Septum ventriculorum verwachsen erschien, also nicht mit freiem Rande endigte, war keinerlei Andeutung einer eigentlichen septalen Klappe zu er- kennen, und geht die Oberfläche des Septum ventriculorum hier vollkommen glatt in die des Vorhofsseptums über. Dass Röse bezüglich der Deutung der auf das Septum sich hinübererstreckenden Klappenpartie im Unrechte ist, soll weiter unten gezeigt werden. Entwickelung des Herzens von Echidna. Bei der Untersuchung der mir vorliegenden Entwickelungsstadien des Herzens von Echidna richtete ich vor allem mein Augenmerk auf den Nachweis gewisser Eigenthümlichkeiten, welche Anklänge speciell an Reptilienzustände dargestellt hätten. Solche Anklänge waren zunächst im Verhalten des Septum atriorum, wie sie übrigens auch schon für die Marsupialier von Röse nachgewiesen worden waren, und möglicher- weise auch in dem Bau des Bulbus cordis zu erwarten. In der That zeigt das Septum atriorum in gewissen Entwickelungstadien siebartige Durchlöcherung, wie sie für das embryonale Herz der Sauropsiden charak- teristisch ist, und wie sie Röse bereits nach den Befunden am Vorhofsseptum des Erwachsenen als beim embryonalen Herzen bestehend angenommen hatte. Im Bulbusrohre fanden sich jedoch keinerlei Ein- richtungen, die auch nur im entferntesten an Reptilienzustände erinnert hätten, was wohl damit im Zusammen- hange stehen dürfte, dass der rechte vierte Aortenbogen bei Echidna schon ebenso frühzeitig zu Grunde geht, wie bei anderen Säugern. Ein weiterer Fragepunkt der aufgeklärt werden konnte, war der, nach der Natur jener Fortsetzung des marginalen Klappensegels des rechten Atrioventricularostiums auf das Septum ventriculorum. Es konnte nämlich nachgewiesen werden, dass dieser Klappenabschnitt nicht aus den rechten Höckern der miteinander verschmolzenen Endothelkissen des Ostium atrioventriculare entsteht, sondern so wie das marginale Klappensegel rein musculösen Ursprunges ist. Im Nachfolgenden sollen nun kurz die Befunde, wie sie sich an den Herzen der einzelnen Ent- wickelungsstadien darboten, geschildert werden. Embryo No. go. In der Entwickelung steht das Herz dieses Embryo etwa auf der Stufe, welche das Modell No. 4 der von ZIEGLER in Freiburg nach den Originalien von G. Born (2) hergestellten Modellserie darstellt. Die Ventrikelabtheilung zeigt die charakteristische Schleifenform. Rechter und linker Schenkel der Schleife 5 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 193 sind entsprechend der caudalwärts gerichteten Convexität durch eine ganz leicht angedeutete Furche (S. interventricularis) äusserlich von einander gesondert. Im Inneren tritt an der dieser Furche entsprechen- den Stelle die erste Anlage des Septum interventriculare, das Ostium interventriculare einengend, hervor. Der Bulbus cordis ist gegen die Ventrikelabtheilung nicht scharf abgegrenzt. Seine Innenwand ist von einem Endothelpolster ausgekleidet, welches sich zwar entsprechend der ganzen Circumferenz des Bulbus- lumens vorfindet, doch aber an zwei Stellen besonders massig entwickelt erscheint. Diese Stellen entsprechen denen, an welchen später die Bulbuswülste No. ı und 3 (vgl. die Arbeit von A. LANGER, 13) hervortreten und sind die Endocardverdickungen hier als Anlagen dieser Bulbuswülste zu betrachten. Sie zeigen die- selbe spiralige Anordnung wie beim Kaninchen und setzen sich wie dort der Bulbuswulst ı an der ven- tralen Wand des rechten Ventrikelschenkels bis in die Nähe der Anlage des Septum interventriculare, Bulbuswulst 3 aber an der dorsalen Wand desselben Ventrikelabschnittes fort. Peripher erstrecken sich die Endocardwucherungen bis nahe an die Abgangsstelle der 6. Aortenbogen heran. Das Ostium atrioventriculare commune gehört ausschliesslich dem linken Ventrikelschenkel an, an seiner cranialen und caudalen Wand befindet sich je ein mächtiges Endocardkissen. Das craniale erstreckt sich mit einem Ausläufer auf die craniale und weiter auf die dorsale Wand der Vorkammerabtheilung, eine hier befindliche ganz niedere Leiste überziehend, die offenbar als Anlage des Septum atriorum zu betrachten ist. Bezüglich der Mündung des Sinus venosus in die Vorkammer lässt sich Bestimmtes nicht angeben, da in diesem Gebiet die Vorkammer zusammengefallen und ihre Wand gefaltet erscheint. Die beiden Hörner des Sinus venosus verhalten sich so wie bei dem oben erwähnten Entwickelungsstadium des Kaninchenherzens. Embryo No. 41. Das Herz dieses Embryo ist weniger blutgefüllt als das von No. 40 und bietet daher weniger schöne Bilder; immerhin ist es möglich, nachzuweisen, dass die Verhältnisse ganz ähnlich liegen wie bei 40, nur tritt die Anlage des Septum atriorum schon etwas schärfer hervor als dort. Sehr klar zeigen die Durch- schnitte durch den Auricularcanal das Verhalten der Endocardkissen, wie das aus Fig. ı Taf. XVI hervorgeht. Embryo No. 42. Das Herz dieses Embryo erscheint in allen seinen Theilen gut gefüllt und daher schön entfaltet. Es entspricht in seiner Gesammtentwickelung ziemlich dem Zustand des Kaninchenherzens, wie ihn Modell 5 von ZIEGLER nach Born wiedergiebt. Der Bulbus cordis erscheint gegenüber dem der beiden früheren Stadien etwas gedreht. An seiner Innenwand lassen sieh nun schon eine Strecke weit deutlich vier Bulbus- wülste, zwei sehr mächtige und zwei ganz schwache, unterscheiden. Die beiden starken setzen sich peripheriewärts bis nahe an die bereits gemeinsame Ausmündung der Pulmonalisbogen aus dem Truncus arteriosus hin fort und hängen hier mit dem Septum trunci (A. LANGER) zusammen. Dabei ist ihre Stellung eine derartige, dass der an der Wurzel des Bulbus cordis vordere (No. I) hier, also am peripheren Ende des Bulbus, rechts hinten, der dort hintere (No. 3) hier links vorn sıch befindet. Es beschreiben also die Bulbuswülste von der Wurzel des Bulbus bis zu seinem centralen Ende eine von rechts nach links sich windende Spirale. Mit ihren Firsten liegen Bulbuswulst No. ı und No. 3 einander an, und die Scheidung des Bulbusrohres in die beiden Arterienrohre der Pulmonalis und der Aorta ist somit in diesem Stadium bereits angedeutet. In den rechten Ventrikelschenkel hinein setzen sich die Wülste nur eine kurze Strecke weit fort, viel weniger weit als in den beiden früheren Stadien. Der Ventrikeltheil des Herzens zeigt die Schleifenform nicht mehr so schön wie bei No. 40. Der linke Ventrikelschenkel ist mächtiger und ge- räumiger als der rechte. Das Ostium atrioventriculare gehört noch ausschliesslich dem ersteren an (Fig. 2). Das Septum interventriculare ist gegenüber No. 40 beträchtlich höher geworden. Auffallend 194 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 6 erscheinen in diesem Stadium die überaus dünnen Wandungen der Kammerabtheilung und die besonders zarten und zierlichen Fleischbalken derselben (Fig. 2). Dicker werden die Kammerwände in der Nähe des Auricularcanales. Dieser zeigt wie im früheren Stadium die beiden mächtigen Endocardkissen. Die Vorkammerabtheilung zeigt eine mächtigere Entfaltung als bei No. 40-41 und lassen sich bereits deutlich als Herzohren anzusprechende Ausladungen nachweisen, auch hat sich die Vorkammer der Kammer gegen- über aufgerichtet. Das Septum atriorum scheidet bereits den oberen (cranialen) Theil des Vorkammer- raumes, ist also bis zur Mitte des Lumens der Vorkammer vorgewachsen. Verlängert, würde es den rechten Rand des Ostium atrioventrieulare commune treffen. Es ist in diesem Stadium noch durchaus continuirlich. In der rechten Vorkammerabtheilung: erkennt man, an deren dorsalen Wand vorspringend, die schon ziemlich mächtige Valvula venosa dextra, die cranialwärts an der dorsalen Wand der Vorkammer auszulaufen scheint. Diese Fortsetzung der Valvula venosa dextra ist jedoch, wie dies der Vergleich mit den nächst älteren Stadien lehrt, nichts anderes als das sogenannte Septum spurium. Die Valvula venosa sinistra ist, da sie offenbar ganz an’ die Valvula venosa dextra angedrückt ist, nicht mit Deutlichkeit nachzuweisen, was darin begründet sein dürfte, dass gerade an der Einmündungsstelle des Sinus venosus dieser sowie die Vorhofswand stark zusammengefallen sind. Die Ansatzstelle der Valvula venosa dextra markirt sich äusserlich durch eine deutliche Furche. Der Sinus venosus zeigt Verhältnisse bie bei Modell 5 von Born. Embryo No. 43. Das Herz dieses Embryo zeigt ganz ähnliche Verhältnisse wie das von No. 42, ist aber in seiner Kammerabtheilung stark zusammengezogen, so dass die Einzelheiten dieser Herzabtheilung weniger schön hervortreten als bei No. 42. Dagegen ist die Vorkammerabtheilung ziemlich gut gefüllt und lässt sich hier bezüglich der Valvulae venosae feststellen, dass auch schon die linke wohlentwickelt ist und dass sich diese mit der rechten zu einer Wandfalte vereinigt, die als Septum spurium an der dorsalen Wand der Vorkammer ausläuft. Ferner zeigt sich an diesem Herzen schon insofern ein kleiner Unterschied gegen- über No. 42, als eine 30 u im Durchmesser messende Perforationsöffnung im Septum atriorum nahe seiner Ansatzstelle vorhanden ist. Embryo No. 44). | Am Bulbus cordis dieses Embryo ist die Scheidung in ein Aorten- und ein Pulmonalisrohr bereits vollzogen. Auch äusserlich ist diese Scheidung durch zwei einander gegenüberstehende spiralig gewundene Furchen angedeutet. In jedem der beiden Rohre finden wir die drei charakteristischen Bulbuswülste als Anlagen der Semilunarklappen, auch ist eine Aushöhlung dieser Wülste von ihrem peripheren Ende her bereits begonnen. Im peripheren Abschnitt besteht zwischen Aorten- und Pulmonalisrohr bereits eine musculäre Scheidewand. Dort jedoch, wo der Bulbus in die Ventrikelabtheilung übergeht, besteht die Scheidewand zwischen den beiden Rohren lediglich aus dem Gewebe der mit einander verschmolzenen Endothelwülste. Die Kammerabtheilung dieses Herzens erscheint bereits mächtig ausgebaucht und gegen die Vorkammern durch die tief einschneidende Einziehung des S. atrioventricularis abgegrenzt. Ein schwach ausgeprägter S. interventricularis deutet die Grenze zwischen rechter und linker Kammer an. Im Inneren der Kammer- abtheilung fällt vor allem die Entwickelung des Septum ventriculorum und die massig entwickelten Fleisch- balken, die in den beiden Kammerabtheilungen nur kleine centrale Hohlräume frei lassen, auf. Die beiden Kammern sind bereits bis auf eine kleine, den Rest des Foramen interventriculare darstellende Communi- ı) Der in der Entwickelung zwischen 43 und 44 befindliche Embryo ist zu wenig jgut conservirt, als dass an seinem Herzen brauchbare Befunde hätten gewonnen werden können. 7 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 195 cationsöffnung von einander geschieden. Ebenso bestehen bereits zwei Ostia atrioventricularia, indem die beiden Endothelkissen der ursprünglich gemeinsamen Atrioventricularöffnung mit einander verschmolzen sind und sich zugleich das Septum ventriculorum mit ihnen in Verbindung gesetzt hat. Durch die Aus- bauchung der Kammerwand erscheint der Rand der Ostia atrioventricularia gewissermassen unterminirt und hängt förmlich in den Ventrikelraum hinein. Auch der linke freibleibende Rand der mit einander ver- schmolzenen Endothelpolster erscheint zu einem in den linken Kammerraum hineinragenden Lappen umge- wandelt, da sich das Blut, welches aus der linken Kammer in das Aortenrohr getrieben wird, in die gegen den Ventrikelraum zu sehende Partie der verschmolzenen Endocardkissen eine Rinne gegraben hat. Dieser die Anlage des septalen Zipfels der Mitralklappe darstellende Lappen hängt jedoch beiderseits mit der aus unterwühlter Kammerwand bestehenden lateralen Umrandung des linken Atrioventricularostiums zu- sammen. Der rechte Rand der mit einander verschmolzenen Endocardkissen tritt gegen das betreffende venöse Ostium nur ganz wenig vor. Auch ist der betreffende Vorsprung nicht gegen das Ventrikelinnere, sondern gegen den Sulcus atrioventricularis gerichtet. ‘Was die Vorkammerabtheilung dieses Herzens anbelangt, so ist zu erwähnen, dass das Septum atriorum mit den verschmolzenen Endocardkissen und zwar ziemlich in deren Mitte in Verbindung getreten ist und so die beiden Vorkammern von einander scheidet. Freilich ist diese Scheidung keine vollkommene, indem eine grössere Zahl von Lücken in dem Septum, nahe seiner Insertionsstelle an der dorsalen und cranialen Wand der Vorkammer, gefunden werden. Die Sinusklappen zeigen ähnliche Verhältnisse wie an dem Herzen von No. 43. Embryo etwa wie No. 45!). Das Herz dieses Embryo unterscheidet sich in seiner Entwickelung kaum von dem des Embryo No. 44, nur ist die Ausbauchung der beiden Kammerabtheilungen und in Folge dessen auch das Hinein- ragen der Ränder der Ostia atrioventricularia, soweit sie von der Kammer gebildet werden, wesentlich stärker als dort. Auch erstreckt sich jetzt die musculöse Scheidewand des Bulbus cordis bis an die Kammer herunter und die Communicationsöffnung zwischen den beiden Kammern ist schon recht enge geworden. Die siebartige Durchlöcherung des Vorhofsseptums ist noch ebenso deutlich wie bei No. 44. In den caudalen Abschnitt des linken Vorhofes mündet unmittelbar neben dem Septum die einfache V. pulmonalis ein. Die- selbe war übrigens schon bei No. 42 mit denselben Mündungsverhältnissen nachzuweisen. Der rechte Rand der verschmolzenen Endocardkissen springt noch weniger deutlich gegen das Ostium venosum dextrum vor, als bei No. 44. Beuteljunges No. 46. Das Herz dieses Individuums zeigt bereits Verhältnisse, die den definitiven nicht mehr unähnlich sind. Der letzte Rest einer Communicationsöffnung zwischen den beiden Kammerabtheilungen ist ver- schwunden und ebenso haben sich die zahlreichen Perforationsöffnungen in der Vorkammerscheidewand voll- kommen geschlossen. Die Muskelbalken der Vorhofswand, die schon bei No. 45 ziemlich reichlich entwickelt waren, erscheinen bedeutend vermehrt und stehen zum Theil mit dem mässig entwickelten Septum spurium in Verbindung. Besonders reichlich erscheint die Bildung der Muskelbalken in den Vorhöfen. Ueber den Entwickelungszustand der Klappen an den venösen Ostien dieses Herzens belehrt am besten ein Durch- schnitt Fig. 3 (Taf. XVI), welcher beide Ostien und die an denselben angelegten Klappen der Längsrichtung des Herzens entsprechend durchschneidet. Von der Anlage eines septalen Zipfels des rechten Atrioventri- 1) Das Herz von Nr. 45 ist zu wenig entfaltet, um Einzelheiten an ihm genauer feststellen zu können. 196 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 3 cularostiums ist nichts zu sehen, es sei denn, dass man den mit * bezeichneten Höcker am Septum ventri- culorum, der in gleicher Weise auch schon bei jüngeren Stadien (No. 44) zu erkennen war, dafür ansehen wollte. Zweifelsohne handelt es sich aber dann um ein Rudiment, welches nie zu einer höheren Aus- bildung gelangt. Beuteljunges No. 47. Das Herz verhält sich, abgesehen von Grössendifferenzen, wie bei No. 46. Sehr schön sind an diesem Object die Verhältnisse der Sinusklappen zu sehen. Das Spatium intersepto-valvulare ist etwas schmäler als bei No. 46. Eine septale Klappe des rechten Ostium venosum ist nicht nachzuweisen, da- gegen setzt sich die marginale Klappe wie beim erwachsenen Individuum um die caudale Circumferenz des Ostium herum bis auf das Septum hin fort. Ebenso wie bei No. 46 fällt auch hier eine das Ende des Septum ventriculorum bezeichnende stumpfe Leiste (auf dem Durchschnitte als Höcker erscheinend) auf, dieselbe liegt der Wurzel der marginalen Klappe gegenüber, der der Fläche dieser Klappe zugewendete Theil des Septum erscheint dagegen völlig glatt, es ist also hier eine klappenartige Bildung nicht nachzu- weisen. Die Fortsetzung der marginalen Klappe auf das Septum aber, von welcher früher die Rede war, macht ganz den Eindruck, als wäre sie durch Unterwühlung der Kammerwand durch das Blut in Folge der mächtigen Ausdehnung der Kammer entstanden. Auch besteht dieser Klappenabschnitt, was für die Entscheidung; der Frage nach seiner Herkunft jedenfalls maassgebend ist, in diesem Stadium seiner Entwickelung ebenso wie der übrige Theil der marginalen Klappe lediglich aus Museulatur und nicht aus endocardialem Gewebe. Später dürfte dann diese Musculatur so wie auch anderwärts an den Klappensegeln bindegewebig zu Grunde gehen. Reste von Musculatur finden sich an diesem Klappenabschnitt übrigens auch noch beim erwachsenen Individuum, wie dies schon RösE richtig angegeben hat. Doch sind dieselben jedenfalls Reste der den Klappentheil bildenden Musculatur und nicht secundär mit der Klappe in Verbindung getretene Muskel- bündel, wie Röse meint. Und dieser Autor hat somit Unrecht, wenn er diesen Theil der rechten Atrio- ventricularklappe mit GEGENBAUR als Rest eines septalen Zipfels betrachtet. Arterien. Das Arteriensystem der Monotremen wurde bereits einmal in einer ausführlichen, mit schönen Ab- bildungen versehenen Monographie von J. HYRTL (II) behandelt, und es war von vorn herein fast mit Sicher- heit bei einer eventuellen Nachuntersuchung nur eine höchst spärliche Ausbeute an neuen Thatsachen zu erwarten. Immerhin waren jedoch wenigstens bezüglich einiger strittiger Punkte, vor allem aber über die Topographie einiger Arterien, die von HYRTr nicht genügend berücksichtigt worden war und die doch mit Rücksicht auf die Vergleichung mit den Arterien anderer Säugerformen von grosser Wichtigkeit ist, mancherlei Aufschlüsse zu erwarten. Allerdings ergab sich dann auch, da HyrrL nur je ein Exemplar von Echidna und Ornithorhynchus untersucht zu haben scheint, dass er bei einzelnen Gefässen Abgangs- und Verlaufsverhältnisse beschrieben hat, die mit den von mir an mehreren Exemplaren gewonnenen Befunden nicht in Uebereinstimmung sich befinden und somit als zufällige Abweichungen von der Norm, wie sie ja gelegentlich vorkommen können, betrachtet werden müssen. Einige Angaben Hyrrr’s sind freilich auch durch diese Annahme und mit Rücksicht auf Echidna auch nicht dadurch zu erklären, dass dieser Forscher eine andere Varietät dieser Thierform, nämlich Zchidna setosa untersucht hat. N 9 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 197 Echidna aculeata. Aorta und ihre Aeste. Ueber den Aortenbogen von Echidna macht HyrrtL Angaben, welche zu bestätigen ich nicht in der Lage bin. Nach diesem Autor soll der Aortenbogen aus zwei halbmondförmigen, in entgegengesetzter Richtung zusammenstossenden Bogenstücken bestehen, also S-förmig gekrümmt sein. Fig. 4, die nach einem in situ erhärteten, nicht injieirten Präparate hergestellt ist und den Aortenbogen mit seinen Aesten in der Ansicht von vorn her darstellt, zeigt, dass diese Angabe Hyrrr’s den Thatsachen nicht entspricht und wohl auf eine, durch die Injection und durch die derselben vorausgeschickte Behandlung des Objeets mit einer erwärmten Lösung von kohlensaurem Natron bedingte Verbiegung des Aortenbogens zurückzuführen ist. Wie ferner aus unserer Abbildung hervorgeht, stimmt es nicht, wenn HyrTL, Owen (17) gegen- über, der angiebt, dass der Aortenbogen wie beim Menschen drei Aeste abgiebt, behauptet, dass der Aorten- bogen vier Aeste, nämlich die A. anonyma, die A. carotis sinistra, die von ihm so genannte A. cervicalis ascendens sinistra und endlich die A. subelavia sinistra, liefere. Richtig ist vielmehr die Angabe Owen’s, die ich an vier Exemplaren zu controliren in der Lage war, und nachdem Hyrrr doch jedenfalls die Ver- hältnisse so gesehen hat, wie er sie beschreibt, so hat er eben zufälliger Weise ein abnormes Verhalten gesehen und beschrieben. Wenn Hyrrr ferner angiebt, die A. anonyma theile sich in drei Aeste, nämlich in die A. carotis communis dextra, die A. cervicalis ascendens dextra und die A. subclavia dextra, so steht damit seine eigene Abbildung (l. c. Taf. II) im Widerspruch, aus der zu ersehen ist, dass sich die sehr kurze A. anonyma wie beim Menschen in die A. subelavia und die A. carotis communis der rechten Seite theilt. Die Brustaorta giebt an sämmtliche Intercostalräume, mit Ausnahme der zwei bis drei ersten jeder Seite, Intercostalarterien ab, welche sich der cranialen Seite jedes Intercostalnerven, diesen begleitend, an- lesen. Ein vollkommen typisches Verhalten zeigen die Intercostalarterien der Intercostalräume 3 oder 4 bis 13. Der 14. Intercostalraum besitzt zwei Arterien, die dem caudalen und cranialen Rand des betreffenden Intercostalnerven entlang verlaufen. Bei dem einen von mir auf die Verhältnisse dieser Intercostalarterien untersuchten Exemplare, entstammte die eine Arterie der linken Seite, die ihrer Lage nach einer gewöhn- lichen Intercostalarterie entsprach, der Arterie des 13. Intercostalraumes, während die zweite Arterie ebenso wie die den N. subcostalis begleitende 15. Intercostalarterie aus der A. renalis abstammte und mit der ge- nannten Arterie zwischen mittlerem Zwerchfellsschenkel und M. psoas hindurch, den letzteren an seiner Dorsalseite kreuzend, an ihren Bestimmungsort gelangte. Die beiden Arterien der rechten Seite entsprangen aus einem gemeinsamen Wurzelstamme, welcher in der A. renalis wurzelte. Von der Aorta abdominalis direct gehen nur zwei Lumbalarterienpaare ab, die dem zweiten und dritten Lendenwirbel entsprechen. Die dem ersten Lendenwirbel entsprechenden Lumbalarterien er- scheinen als Zweige der A. renales und dürften höchst wahrscheinlich von der Aorta mit ihrem Ursprung auf die A. renales übergerückt sein. Die beiden A. phrenicae sind Zweige der A. renales. Paarige Eingeweideäste der Aorta sind die beiden A. renales und die beiden A. spermaticae internae (s. ovaricae). Da die rechte Niere etwas weiter cranial gelegen ist als die linke, die beiden A. renales aber in gleicher Höhe von der Aorta abgehen, muss auch die rechte Nierenarterie von ihrem Ursprunge an gegen das von ihr versorgte Organ schief cranialwärts aufsteigen (Fig. 16, Taf. XVII). Die A. spermaticae internae entspringen in verschiedener Höhe, die linke ein wenig weiter caudal als die rechte. Die Nebennieren erhalten ihre Zweige von den in ihrer Nachbarschaft verlaufenden A. phrenicae. 0 Jenaische Denkschriften. V. 2 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 27 198 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. Io Unpaare Eingeweideäste der Bauchaorta sind die A. mesenterica superior, eine selbständige A. coeliaca fehlt nämlich, und eine schwache A. mesenterica inferior'),. Ein Zusammenrücken der A. coeliaca und der A. mesenterica, von dem HyrTr (p. 7) spricht, hat jedoch, wie wir sehen werden, nicht statt- gefunden. Was die Endäste der Aorta abdominalis anbelangt, giebt HyrTL an, dass sich die Aorta abdominalis in zwei Zweige spalte, die, insofern sie die wichtigsten Elemente der A. cruralis und A. hypogastrica enthalten, Arteriae iliacae communes genannt werden können. HyrTt illustrirt diese Beschreibung auch durch seine Abbildung (l. e. Taf. XVI, Fig. 2). Ich muss jedoch nach den Befunden an drei Exemplaren hervorheben, dass HyYRTL ein abnormes Verhalten der Endäste der Aorta beschrieben und abgebildet hat. An den oben erwähnten drei Exemplaren konnte ich stets, wie dies aus Fig. 5 hervorgeht, einen wohl- entwickelten Truncus hypogastrico-sacralis nachweisen, der sich allerdings bei einem Exemplar durch besondere Kürze auszeichnete. Bei einem vierten Exemplar endlich fand ich eine ähnliche Abweichung von der Norm vor, wie ich sie (5.) für die Katze beschrieben habe. In diesem Exemplar verhielten sich nämlich die Endäste der Aorta in der Weise asymmetrisch, dass rechterseits normale Verhältnisse (vergl. Fig. 6) bestanden, während linkerseits eine kurze gegenüber der rechten A. iliaca interna abgehende A. iliaca communis vorhanden war. A. carotis communis. Was Hyrrr über den Verlauf und die Aeste dieser Arterie sagt, vermag ich vollkommen zu be- stätigen. Bezüglich der Abgangsstelle der A. mammaria interna zeigten meine Exemplare nicht unbedeutende Differenzen, während in dem Falle der Fig. ı nämlich die Abgangsstelle dieser Arterie fast bis auf den Aortenbogen respective die A. anonyma herabgerückt erschien, fand ich dieselbe bei einem anderen Exemplare etwa !/, cm über der Abgangsstelle der Carotis communis. Von der Neigung der A. mammaria interna, ein einfaches strahliges Wundernetz zu bilden, wie Hyrrr angiebt, habe ich an dem einen daraufhin unter- suchten Exemplare nichts wahrnehmen können. Die Zweige dieser Arterie wurden vielmehr successive abge- geben und zwar in der Weise, dass lateralwärts vier A. intercostales anteriores, hierauf ein gemeinsamer Stamm für die zwei nächsten A. intercostales anteriores auf einander folgten, während medianwärts nach einander vier A. perforantes abgingen. Schliesslich theilte sich die Fortsetzung der Arterie in drei Zweige, von denen zwei zum Zwerchfell verliefen, während einer, als A. epigastrica anterior, gewissermassen die directe Fortsetzung der A. mammaria interna auf die vordere Bauchwand bildete. Bezüglich der Verzweigungen der A. carotis interna und externa vermag ich Neues nicht zu bringen und kann nur die Angabe Hyrrr’s in allen Punkten bestätigen. Seine Abbildung auf Taf. II stimmt bezüglich der Verzweigung der Carotiden bis auf ganz unwesentliche Details mit dem, was ich an dem einzigen Exemplar, bei dem mir die Injection der Carotiden leidlich gut gelungen ist, gesehen habe. A. subcelavia. Sie giebt bis zu der Stelle, wo sie die erste Rippe überkreuzt, zwei starke Arterienstämme ab, den Truncus vertebro-costo-cervicalis und die mächtige A. cervicalis. Diese Arterie wurde von Hyrrr als A. cervicalis ascendens bezeichnet, doch ziehe ich den indifferenten Namen A. cervicalis vor, da sie ihrer 2 T 2) . . D . . . B Lage und ihrem Verlaufe nach mit der A. cervicalis ascendens der menschlichen Anatomie nichts gemein ı) Die letztere sah ich übrigens in einem der untersuchten Exemplare nicht von der Bauchaorta, sondern von der A. caudalis abgehen, und es ist wohl denkbar, dass diese Arterie so wie bei Ornithorhynehus gelegentlich einmal fehlt, wie dies OWEN (17) gesehen zu haben scheint. II Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 199 hat und eher noch, auch mit Rücksicht auf einen Theil ihres Verbreitungsgebietes, mit der A. cervicalis superficialis des Menschen verglichen werden könnte. In meinen Exemplaren entspringt die A. cervicalis, wie oben schon erwähnt, stets beiderseits aus der A. subclavia. In dem nun der folgenden Beschreibung zu Grunde liegenden Thiere entsprangen jene kleinen Arterien, die im Falle Hyrrr’s direct aus der A. subclavia entsprangen und von denen er (p. 6 sub a) angiebt: „ein Bündel kurzer geradliniger dünner und zarter Arterien, welches nach innen läuft und sich in der Glandula thymus, der Luft- und Speiseröhre und in dem M. rectus capitis anticus (inferior) verliert‘, aus dem Wurzelstück der A. cervicalis. Da nun der für den M. rectus capitis bestimmte Arterienzweig in meinem Falle etwas stärker ist und einen ähnlichen Verlauf nimmt, wie die A. cervicalis ascendens des Menschen, während die den Oesophagus mit Zweigchen ver- sorgende Arterie, die auch einen zum Kehlkopf aufsteigenden Ast entsendet, dorsal von der A. carotis communis verläuft, wie die A. thyreoidea inferior des Menschen, so besteht eine gewisse Aehnlichkeit in der ersten Ramification unserer A. cervicalis mit der des Truncus thyreo-cervicalis beim Menschen, nur dass hier ein der A. transversa scapulae entsprechender Zweig fehlt und der, der A. cervicalis superficialis entsprechende Zweig des Truncus, die Fortsetzung der A. cervicalis, eine ganz bedeutende Mächtigkeit erlangt hat. In einem anderen Exemplar sehe ich freilich den Ast für den Oesophagus auf der einen Seite und den Ast für den -M. rectus capitis auf der anderen Seite auf den Stamm der A. subclavia herab- gerückt. Was HyrTrL über die peripheren Verzweigungen der A. cervicalis angiebt, stimmt mit meinen Befunden überein. Ueber die A. vertebralis sagt HyrrL: „Sie verläuft auf die bekannte Weise zum Gehirn und weicht nur darin vom menschlichen Typus ab, dass sie, nachdem sie durch den Querfortsatz des dritten Halswirbels ging, in die Rückgrathöhle einbiegt und in dieser, nicht in den Querfortsätzen der ersten beiden Wirbel zum grossen Hinterhauptsloch verläuft. Der zweite Halswirbel hat zwar noch einen Kanal in seinem Querfortsatz. Allein dieser dient einem Aste der Wirbelarterie, welcher aus dem Rückgratkanal nach aussen zu den Nackenmuskeln geht, zum Durchtritt. Der erste Halswirbel hat gar keinen Kanal, und ein ähnlicher Ast, wie eben am zweiten Wirbel erwähnt wurde, kommt einfach zwischen Atlas und Epistropheus hervor. Auch der Umstand verdient Erwähnung, dass die A. vertebralis während ihres Zuges durch die Processus transversi der hinteren fünf Halswirbel spiralig gewunden ist.“ Merkwürdigerweise hat HyrrL anzuführen vergessen, dass die A. vertebralis schon in das Querfortsatzloch des 7. Halswirbels eindringt. Aber auch im Uebrigen ist seine Schilderung nicht correct. Zwar ist es richtig, dass die Arterie einen spiraligen Ver- lauf macht, aber sie dringt nicht zwischen zweitem und drittem Halswirbel in die Rückenmarkshöhle ein, wie HYRTL sagt, sondern sie passirt sowohl das Foramen intertransversarium des Epistropheus als das des Atlas und wendet sich dann, wie beim Menschen, über die Massa lateralis dieses Wirbels, in eine Knochenrinne eingelagert, die sich gegen den cranialen Rand des Atlas zu in der Regel zu einem Kanale abschliesst, dem Zwischenraum zwischen Atlas und Hinterhauptsbein zu, wo sie in gewöhnlicher Weise die Dura mater durchbohrt '). Die A. vertebralis von Echidna unterscheidet sich also von der gleichen Arterie des Menschen nur dadurch, dass sie schon in das Querfortsatzloch des 7. Halswirbels eintritt. Die A. cervicalis profunda dringt zwischen zwei Wurzelzweigen des Plexus brachialis hindurch und vertheilt sich mit zwei Zweigen, von denen der eine cranialwärts zu aufsteigt, in den von den Zweigen der A. cervicalis nicht mehr erreichten tiefen Schichten der Nackenmuskeln. ı) Dass auch bei Eehidna setosa die Verhältnisse so liegen wie bei Eehidna aenleata, lehrte mich die Untersuchung von Atlas und Epistropheus dieser Form. Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 12 Die A. intercostalis suprema zieht über die Innenfläche der ersten und zweiten Rippe nahe deren Köpfchen und entsendet Zweige zu den ersten zwei, eventuell drei Intercostalräumen. Die A. subclavia zieht von der 1. Rippe an im Bogen lateralwärts und passirt als A. axillaris den Plexus brachialis in ähnlicher Weise wie beim Menschen. Bis zur Durchtrittsstelle zwischen seinen Wurzeln giebt sie einen schwachen, auch von HyRrTL als ersten angebenen Ast zum Schultergürtel, „zu den am Os coracoideum und epicoracoideum entspringenden Muskeln“. Erst nachdem die Arterie den Plexus brachialis passirt hat, giebt sie ihre übrigen Zweige ab, von denen der von HyrTL als A. thoracica longa beschriebene am mächtigsten ist. Was diese Zweige anbelangt, hat HyrtL eine recht genaue Beschreibung ihres Ver- laufes und ihrer Vertheilung geliefert, der ich nichts Wesentliches hinzufügen könnte. Nur das Eine will ich erwähnen, dass bei meinem daraufhin untersuchten Exemplare ein der A. thoracica suprema des Menschen vergleichbarer, selbständiger Zweig, wie ihn HyrrL beschrieben hat, nicht vorkommt. Sein Vertheilungs- gebiet wird von Zweigen der A. thoracica longa versorgt. Was nun die Fortsetzung der A. axillaris, die Oberarmarterie anbelangt, so hat HyrTL bereits ihren höchst merkwürdigen Verlauf richtig beschrieben. Sie begleitet in ihrem Verlaufe gegen den Vorderarm den N. radialis und passirt dabei an der Dorsalseite des Humerus vorbei, zwischen den Köpfen des M. triceps, um schliesslich unter der Sehne des M. infraspinatus hervor, zwischen ihr und dem Oberarmknochen ver- laufend, in die Furche zwischen M. brachialis internus und der Gruppe der Radialmuskeln, also in den Sulcus cubitalis radialis zu gelangen. Von hier aus setzt sie sich dann weiter als mächtigste Arterie des Vorderarmes, wie dies HyRrL vollkommen richtig beschreibt, im Sulcus antibrachii radialis fort. Die Aeste, welche die Arterie bis dahin abgiebt, hat HyrTL bereits beschrieben, und vermag ich dieser Beschreibung nichts Neues hinzuzufügen. Dass diese Oberarmarterie von Echidna nicht unserer A. brachialis entspricht, hat Hyrrr ebenfalls bereits genügend hervorgehoben wenn er sagt: „Sie wäre somit richtiger als A. profunda brachii bei fehlender brachialis zu deuten.“ In der Ellbogenbeuge geht von der Arterie ein Zweig ab, der zwischen Oberarmknochen und M. brachialis internus in der Richtung gegen den Condylus ulnaris des Humerus verläuft. HvrTL nennt diese Arterie A. ulnaris, doch hat dieselbe mit der A. ulnaris des Menschen gar nichts gemein. Ausser den Aesten dieser Arterie, die auch Hyrrr beschreibt und von denen der den N. medianus rückläufig durch das Foramen supracondyloideum begleitende schwache Ast besonders bemerkenswerth ist, weil er wahr- scheinlich einen Rest der ursprünglichen A. brachialis, die, wie wir sehen werden, beim Embryo in derselben Lage wie bei anderen Säugern vorhanden ist, repräsentirt, will ich noch eines Arterienastes Erwähnung thun, von dem Hyrrr, da er an seinem Präparat wahrscheinlich nicht injicirt war, nicht spricht. Es ist die A. interossea, die sich von ihrem Ursprunge an eine Strecke weit dem N. medianus anschliesst, dann aber dort, wo dieser Nerv den M. pronator teres in schiefer Richtung kreuzt, sich von ihm entfernt, um unter den M. pronator quadratus einzudringen und schliesslich an seinem distalen Rande in drei Zweige gespalten wieder zum Vorschein zu kommen. Der N. medianus ist in seinem weiteren Verlaufe an der Radialseite der Flexoren, nachdem sich die A. interossea von ihm getrennt hat, von keiner Arterie begleitet und es existirt also ein einer A. mediana vergleichbarer Arterienstamm nicht!). Auch der N. ulnaris verläuft ohne Begleitung einer Arterie über den Vorderarm. Die Hauptarterie des Vorderarmes ist die von HvrTL mit I) Es ist also die auf Grund der, wie ich vorhin erwähnte, correcten, aber ohne Zuhülfenahme eines Präparates schwer- verständlichen Beschreibung HYRTL’s gemachte Annahme ZUCKERKANDL’s (21), dass auch Echidna eine A. mediana besitze, unhaltbar. m [077 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 201 vollem Recht so genannte A. radialis. Sie verläuft im Suleus radialis antibrachii, doch ohne den Hand- rückenast des N. radialis, der weiter radialwärts über die Gruppe der Radialmuskeln hinweg, in mehrere von dünnen Arterienzweigen begleitete Aeste gespalten zum Handrücken verläuft, zu begleiten. Aus dem Suleus radialis antibrachii begiebt sich die Arterie unter der Sehne des M. extensor digiti I (vgl. Fig. 10) dort, wo dieselbe den Carpus überbrückt, hindurch und bildet nun auf dem Handrücken einen Arterien- bogen, der nach dem der Fig. 10 zur Vorlage dienenden Präparate bis zum Interstitium interosseum tertium reicht, und an den sich proximal und ulnarwärts ein grossmaschiges Rete articulare anschliesst. Von dem Arcus arteriosus des Handrückens gehen drei A. digitales communes ab. Diese spalten sich wieder in je eine stärkere A. digitalis propria der Ulnarseite und eine schwächere A. digitalis propria der Radialseite, für jede der drei mittleren Zehen. Die Radialseite der ersten Zehe erhält einen Zweig, der von der A. radıalis abgeht, bevor sie die Sehne des M. extensor digiti I kreuzt. Die Ulnarseite der 4. und 5. Zehe, sowie die radiale Seite der 5. Zehe endlich erhalten ihre R. digitales direct von dem Rete articulare aus. Die Zweige dieses Netzes gewinnen an der Ulnarseite dadurch wieder an Mächtigkeit, dass die Zweige der A. interossea (palmaris), zwischen M. flexor carpi ulnaris und Ulna aus der Tiefe sich hervorbiegend, in das Rete arteriosum carpiı übergehen, wobei der eine Zweig der A. interossea sich direct in die A. digitalis ulnaris der 5. Zehe fortsetzt. Zum Theil mit dem Arcus dorsalis, zum Theil mit den Zehenästen der A. digitales treten jene langen, zarten Arterienäste, welche die Handrückenäste des N. radialis begleiten, in Verbindung, doch ist diese Arterienramification in Fig. IO nicht wiedergegeben worden. HYRTL nennt sie Strahlenbündel der A. radialis (? seiner Figur). In der Palma manus findet sich nur ein Netz äusserst zarter Arterien, die entsprechend den Inter- metacarpalräumen mit den A. digitales propriae zusammenhängen, während ihnen das Blut durch lange, dünne Arterien zugeführt wird, welche als Zweige der A. thoracica longa dem N. cutaneus medius und seinen Zweigen, und von der Verbindung dieser Zweige mit dem N. medianus und N. ulnaris an, den Digitalästen dieser Nerven folgen. Von diesem Arteriennetz werden die Flexorensehnen im Bereiche des Carpus versorgt. Die M. interossei erhalten keinen stärkeren Arterienstamm, doch lassen sich zarte perfo- rirende Zweige der Handrückenarterie und ein Zweig der A. interossea, die diesen Muskeln Blut zuführen, nachweisen. Von einem Arcus palmaris superficialis, wie ihn HyRTL beschreibt, und von einer Anastomose desselben mit dem Endaste der A. radialis konnte an dem der Fig. 5 zu Grunde liegenden sehr gelungenen Injectionspräparate nichts nachgewiesen werden. Auch fand ich das Gefässbüschel, dessen stärkster Zweig den angeblichen Arcus palmaris superficialis speisen soll, nicht von der von HyrTL so genannten A. ulnaris, sondern, wie schon erwähnt, von der A. thoracica longa abgehend. Arterien des Darmkanales. A. mesenterica superior. Diese Arterie entlässt kurz nach ihrem Ursprunge aus der Aorta einen Arterienstamm, der dem Verbreitungsgebiet seiner Aeste nach der A. coeliaca anderer Säuger verglichen werden kann. Dieser Arterienstamm giebt zunächst nahe seiner Abgangsstelle aus der A. mesenterica superior einen Zweig ab, den ich A. gastro-lienalis nennen will. Derselbe wendet sich nach links und dringt in die dorsale (axiale) Platte des grossen Netzes ein. Hier giebt er zunächst einen Ast ab, der sich in vier Zweige für den 202 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 14 Maecenfundus (A. gastricae breves) auflöst. Von dem stärksten und am meisten nach vorn gegen die grosse Masencurve zu verlaufenden Aste geht auch ein kleiner R. lienalis für den benachbarten Lappen der Milz ab. Die eigentliche Fortsetzung der A. gastro-lienalis spaltet sich dann weiter in zwei Aeste, deren einer die Milz dort erreicht, wo ihre drei Lappen mit einander zusammenhängen, und versorgt von hier aus den vorderen Lappen und den schmächtigen Theil des caudalen Lappens dieses Organes mit Zweigen, während der andere mit einem Zweige an den cranialen Milzlappen herantritt, Zweige an denselben abgiebt und einen zweiten Zweig, die A. gastro-epiploica sinistra an die grosse Magencurve entsendet. Der zweite Ast des die A. coeliaca vertretenden Arterienstammes ist die A. hepatica communis, deren Fortsetzung als A. hepatica propria im List. hepato-duodenale an der linken Seite der V. portae gelagert verläuft und, in die Leberpforte eindringend, nach einander vier grössere Leberäste abgiebt. Die A. hepatica communis giebt zwei Zweige ab, die A. coronaria ventriculi dextra, die an der kleinen Magen- curve entlang: verläuft, vorher aber mittelst eines R. pancreatico-pyloricus den Pförtner und die anlagern- den Partien des Pancreas versorgt und eine als A. gastero-duodenalis zu bezeichnende Arterie. Diese letztere spaltet sich wieder in eine A. pancreatico-duodenalis und in eine A. gastro-epiploica dextra. Die beiden letztgenannten Arterien entsprechen rücksichtlich ihres Vertheilungsgebietes den gleichnamigen Arterien des Menschen. Die weiteren Aeste der A. mesenterica superior zeigen ein ganz typisches Verhalten. Verfolgt man nämlich den Stamm der A. mesenterica superior peripheriewärts, so lässt sich derselbe in einen gegen das periphere Ende des Ileum zu auslaufenden Zweig verfolgen. Die eine dem Dünndarm zugekehrte Seite der Arterie liefert nun eine grosse Zahl von Aesten, 18—20, die, durch spitzwinklige Theilung sich vermehrend, an den Darm herantreten. Hier hängen sie durch einfache, ganz nahe dem Darmrohre im Gekröse ver- laufende arcadenartig, geschwungene Anastomosen unter einander zusammen. Von der dem Dickdarm zuge- wendeten Seite der Endstrecke des Stammes der A. mesenterica superior gehen aber auch noch zwei bis drei Aeste ab, von denen für den Fall, dass drei vorhanden sind, einer noch zum lleum, der zweite zum Ileum und Coecum und der dritte endlich zum Dickdarm und zwar zu dessen Anfangsstück gelangt. Die beiden letztgenannten Aeste entsprechen demnach der A. ileocoecalis und der A. colica dextra des Menschen !). Von der Abgangsstelle dieser Arterien an bis zu der Stelle. an welcher die A. mesenterica superior unter dem Pancreas hervorkommt, centralwärts verfolgt, zeigt sich die Enddarmseite der Arterie vollkommen astlos, erst an dieser Stelle, geht gedeckt vom Pancreas, eine A. colica ab, die, wie KLAATScCH (12) richtig angiebt, dort an den Enddarm herankommt, wo er sich dem Duodenum am meisten genähert ins Rectum abbiegt. Diese Arterie, deren Stamm im Vergleich mit anderen Zweigen der A. mesenterica superior sehr kurz ist, spaltet sich in einen auf und in einen absteigenden Ast. Der erstere anastomosirt mit der früher erwähnten, ersten Dickdarmarterie, der letztere wieder hängt mit der A. mesenterica inferior, der Arterie des Rectums, in der Gegend zusammen, in welcher der caudalste Abschnitt der Milz an das Rectal- gekröse fixirt ist. Diese Verbindung wird nun nicht durch eine einfache Anastomose, sondern durch drei Arterienzweige vermittelt, die mit einander zwei Arterieninseln bilden. Von den beiden dem Milzlappen zunächst gelegenen Schenkeln dieser Inseln erhält dann dieser eine grössere Anzahl (in einem Falle zählte ich 14) Zweige. Bemerkenswerth ist es, dass dieser caudale Milzlappen nur von dieser Quelle und nicht auch von der A. gastro-lienalis aus Zweige zugetheilt erhält. I) Nicht ganz im Einklange mit den oben geschilderten Befunden stehen die Angaben von KLAATSCH (12, p. 619—620), der sagt: „Der Stamm der A. mesenterica superior tritt von der Radix (mesenterii) aus in ziemlich gerader Richtung auf die Mittel-Enddarmgrenze zu. Hier bildet sieihren Endast, welcher der A. ileocolicader menschlichen Anatomie entspricht. Man. könnte sie passend als A. ileocoecalis bezeichnen, um die an niedere Wirbelthiere ganz auffallend erinnernde Beziehung zum Coecum auszudrücken.“ 15 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 203 Verzweigungen der Endäste der Aorta abdominalis (Fig. 6, Taf. XV]). A.ıiliaca externa. Diese Arterie entsendet folgende Zweige: von ihrer lateralen Circumferenz geht ein Zweig ab, der sich in ein Gefässbüschel (Fig. 6, ı) auflöst, das ventral vom M. psoas major und dem M. quadratus lumborum lateralwärts zu den Bauchmuskeln zieht, diese versorgend durchsetzt und zum Hautmuskel und der Haut der Lendengegend gelangt. (Diese Ramification ist identisch mit Ast a der A. iliaca communis von Hyrrr’s Beschreibung!).) Ein zweiter Ast (Fig. 6 2) (b Hyrrr’s Beschreibung) geht, ein Gefässbüschel bildend, unter spitzerem Winkel abgehend, unter dem caudalen Rande der Bauchmuskeln vorbei auf den Oberschenkel über. Die oberflächlicheren Zweige dieses Gefässbüschels gehen, den Hautnerven folgend, zum Panniculus carnosus und zur Haut, die tieferen, den Muskeln mehr anliegenden Zweige senken sich zum Theil in die M. vasti, zum Theil zwischen diese Muskelgruppe und den M. ileopsoas ein, beide mit Zweigen versorgend. Ferner giebt die A. iliaca externa lateralwärts unter noch spitzerem Winkel drei Aeste (Fig. © 5) ab. Diese verlaufen entlang den Zweigen des N. cruralis ziemlich parallel mit der als directer Fortsetzung der A. iliaca externa erscheinenden A. saphena. Einer von diesen Aesten giebt noch, bevor er auf den Oberschenkel übergeht, einen als A. epigastrica superficialis zu bezeichnenden Zweig ab. Derjenige von den drei Aesten, welcher der A. saphena am nächsten gelegen verläuft, durchbricht die Adductoren durch eine dem Adductorenschlitze des Menschen entsprechende Oeffnung an einer dem Kniegelenk nahe gelegenen Stelle und gelangt auf diese Weise in die Kniekehle. Hier giebt die Arterie an die in der Umgebung befindlichen Muskelursprünge Zweige ab und begleitet hierauf, in zwei schwache Zweige gespalten, den N. tibialis. Diese Zweige verbinden sich in der Planta pedis mit dem Endaste der A. saphena. In der Kniekehle giebt die Arterie, die wir nach dem Gesagten in ihrem Oberschenkelabschnitte als A. femoralis, im Gebiete der Kniekehle aber als A. poplitea bezeichnen müssen, einen weiteren Ast ab, der, nachdem er den M. popliteus an seiner vom Knochen abgewendeten Seite überkreuzt hat, bis an die Membrana interossea heran verfolgt werden kann. Die beiden anderen Arterienzweige der Ramification 3 gelangen in ihrem, den Hautnerven folgenden Verlaufe bis auf den Unterschenkel und Fussrücken und verbinden sich hier mit Verzweigungen der A. saphena, geben aber auch unterwegs Zweige an/die Streckmuskeln des Kniegelenkes ab. Besonders hervorheben will ich noch, dass die Abgangsverhältnisse dieser drei Arterienstämme sich nicht nur bei verschiedenen Individuen recht verschieden verhielten, sondern dass sie auch auf den beiden Seiten eines Individuums (vgl. Fig. 6) verschieden waren ?). Die A. saphena (Hyrrı nennt diese Arterie A. cruralis) ist die stärkste der aus der A. iliaca externa entspringenden Arterien und bildet (vel. Fig.6 A.s.) in der Regel die gerade Fortsetzung der A. iliaca externa®). Sie giebt, bevor sie unter dem M. sartorius durch verläuft, zwei stärkere Muskelarterien ab, die sich in der oberflächlichen Schicht der Adductoren vertheilen. Ferner entlässt sie etwas weiter distal am lateralen Rande des M. sartorius einen die Adductoren perforirenden, auf die Beugeseite des Ober- 1) Ihr entsprechen offenbar die Verzweigungen der A. lumbalis transversa (vgl. 9 p. 585) anderer Säuger. 2) So sah ich beispielsweise bei einem Exemplar auf einer Seite die als A. femoralis bezeichnete Arterie erst in der Mitte des Oberschenkels von der A. saphena abgehen, während auf der anderen Seite der Abgang an normaler Stelle erfolgte. 3) Dies war jedoch nicht bei allen Exemplaren der Fall. Bei einem Exemplare nämlich war auf der einen Seite der der normalen A. saphena entsprechende Arterienzweig sehr dünn, dagegen fand sich eine entsprechend mächtige Arterie vor, die als Zweig der A. obturatoria zwischen den Adductoren hervortrat und sich, was ihren Verlauf in der Kniegegend und am Oberschenkel sowie ihre Ramification anbelangt, genau so verhielt, wie eine normale A. saphena. Auf der anderen Körperseite desselben Individuums war eine normal abgehende A. saphena vorhanden, aber ausserdem fand sich auch noch ein kleiner zwischen den Adductoren hervortretender Zweig der A. obturatoria, der sich bis ins Netz der Unterschenkelarterien verfolgen liess. 204 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 16 schenkels gelangenden Ast. Gedeckt vom M. sartorius entlässt die A. saphena einen schwachen Zweig, der ihr parallel verläuft und sich mit ihr und ihren Aesten im Gebiete des Unterschenkels, Inseln bildend, wieder verbindet. Hierauf gelangt die A. saphena an der Bauchseite der an der Tibia haftenden Muskeln vorbei auf den Unterschenkel, wo sie sich im weiteren Verlaufe stets oberflächlich hält. Es ist also nicht richtig, wenn HYRTL von dierer Arterie (l. c. p. 9) sagt, dass sie in die Kniekehle gelange. Bevor die Arterie vom Unterschenkel auf die Planta pedis übergeht, wird sie von der Sehne des hier über die Dorsalseite der Extremität herüberkommenden Hautmuskels überdeckt. Auf dem Wege über die Tibialseite des Unter- schenkels giebt die A. saphena noch zwei bis drei dünne Arterien ab, die zum Theil unter einander, zum Theil mit ihr selbst, zum Theil aber mit ähnlichen, früher schon erwähnten vom Oberschenkel herunter- kommenden Zweigen sich zu einem langmaschigen Arteriennetz verbinden, welches von der Streckseite des Unterschenkels auf den Fussrücken sich fortsetzt. Aus diesem oberflächlich gelegenen Arteriennetze des Fussrückens entstehen, abgesehen von in den Interdigitalfalten verlaufenden Anastomosen mit den plantaren Digitalarterien, Arterienzweigchen, welche dem dorsalen Theile der Seitenflächen der Zehen entlang ver- laufen. Auf ihrem Wege in die Planta pedis überkreuzt die A. saphena, stets an der Oberfläche verbleibend, die Beugemuskeln der Fussgelenke, gelangt hierauf an die plantare Fläche des Zehenbeugerpaketes und biegt schliesslich von hier aus unter rechtem Winkel wieder tibialwärts um (vgl. Fig. 14, Taf. XVII). Von der nun folgenden abgebogenen Strecke der Arterie gehen drei Arterien für die Zehen ab. Die erste (fibulare) und dritte (tibiale) verlaufen oberflächlich, während die zweite unter einem die Sehne des Beugers der zweiten Zehe mit der fünften Zehe in Verbindung setzenden Muskels vorbeipassirt und sich hierauf wieder in zwei Arterienäste für die Zehen spaltet, so dass auf diese Weise im ganzen vier A. dieitales communes vorhanden sind. Die erste (tibiale) A. digitalis communis versorgt die fibulare Seite der ersten und die tibiale Seite der zweiten Zehe, während die tibiale Seite der ersten Zehe von einem Arterienzweige des Fussrückennetzes versorgt wird. Die vierte (fibulare) A. digitalis communis versorgt die fibulare Seite der 4. und die tibiale Seite der 5. Zehe, während die Fibularseite dieser Zehe wieder vom Fussrücken her versorgt wird. Die übrigen Zehenseiten erhalten ihre A. digitales propriae von den zwei dazwischen liegen- den, aus einem gemeinsamen Stamme hervorgehenden A. digitales communes. Von einer Theilung der A. saphena in eine A. plantaris externa und interna, wie sie HyrTL beschreibt, war in meinen Exemplaren (Fig. 14) nichts nachzuweisen. Von der ventralen Circumferenz der A. iliaca externa geht ein Zweig ab, der als A. epigastrica inferior (Fig. 6 A. ep.) oder posterior bezeichnet werden kann. Derselbe löst sich, indem er entlang dem Beutelknochen und am lateralen Rande des M. rectus abdominis aufsteigt, in ein Gefässbündel auf, welches seine Zweige an die Bauchwand entsendet. Vorher giebt aber die A. epigastrica einen Zweig: (R. pubicus) an das Schambein ab, der die an diesem Knochen haftenden Muskelvorsprünge mit Blut versorgt. Aus dem medialen Umfange der A. iliaca externa endlich entspringt ein Arterienzweig, der, an der medialen Seite des M. psoas absteigend, zum Foramen obturatum gelangt. Diese ziemlich starke A. obturatoria (Fig. 6 A. 0.), welche auch einen Zweig an den M. psoas abgiebt, durchsetzt das Foramen obturatum und verzweigt sich ausserhalb desselben in den in seiner Umgebung haftenden Muskeln. Von diesen Muskelästen gehen dann auch perforirende Zweige zur Haut und dem Panniculus der Adductorengegend. A. iliaca interna. Diese bildet einen (vgl. Fig. 6) nur ganz kurzen Arterienstamm und entlässt als ersten Zweig die mächtige A. pudendo-vesicalis (A. p. v.). Diese zieht im Bogen ventralwärts in der Richtung gegen das Ostium urethrale vesicae und gabelt sich hier in die A. vesicalis, die die Harnblase mit Arterienzweigen versieht, und in die A. pudenda. Letztere wieder theilt sich in einen an der lateralen Seite des betreffenden 17 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 205 Uterushornes aufsteigenden und einen an der vorderen Seite der Scheide entlang der Harnröhre absteigenden Ast. Der erstere versorgt den Uterus und anastomosirt mit der A. ovarica, der letztere giebt Zweige an die Harnröhre und Scheide ab und endigt schliesslich im Gebiete der Cloake!). Der zweite Zweig der A. iliaca interna, gewissermaassen ihre Fortsetzung bildend, zerfällt sofort in drei bis vier Arterienzweige, welche Gefässbüschel bilden, die im Anschluss an den N. ischiadicus das Becken verlassen, um als Muskelzweige in der Glutäalmusculatur und den vom Tuber ossis ischii entspringenden Muskeln zu endigen. Die beiden am weitesten dorsal, am nächsten der Wirbelsäule gelegenen Endäste der A. iliaca interna geben aber auch im Ganzen drei Zweige ab, die als A. sacrales laterales zu den Kreuz- beinlöchern hinziehen und durch diese Zweige in den Wirbelkanal entsenden. Die A. caudalis giebt nicht nur segmental angeordnete Zweige an die Schwanzwirbel und die von diesen entspringenden Muskeln ab, sondern sie entsendet auch einige schwache bei den verschiedenen Individuen, wie es scheint, verschieden geordnete Zweigchen an den Enddarm ab. Das Vorkommen solcher Zweige scheint mir auch den Schlüssel zur Erklärung des Vorkommens einer aus dem Anfangsstücke der A. caudalis entspringenden A. mesenterica inferior zu liefern ?). Erweitert sich nämlich die erste von den aus der A. caudalis entspringenden Darmarterien und eine mit der A. mesenterica inferior sich ausbildende Anastomose, so vermag dieselbe das Ramificationsgebiet der letzteren Arterie zu übernehmen, und es kommt schliesslich zu einem Schwund des ursprünglichen Stammes der A. mesenterica inferior. Ein Vergleich der soeben von mir gelieferten Beschreibung der Zweige der A. iliacae und ihres Verlaufes mit der Schilderung, welche HyrrL von der Verzweigung derselben Arterie gegeben hat, ergiebt nicht unwesentliche Differenzen, sowohl was die Anordnung, als auch was die Abgangsverhältnisse dieser Arterien anbelangt. Diese Differenzen werden wohl am natürlichsten aus der grossen Variabilität, welche die Verzweisungen, insbesondere der A. iliacae externae, aufweisen, zu erklären sein. Konnte ich doch auch an zwei von mir untersuchten Exemplaren recht bedeutende Abweichungen von dem hier von mir geschilderten Verzweigungstypus nachweisen. Freilich habe ich aber auch an keinem der von mir unter- suchten Exemplare auch nur annähernd die gleichen Verhältnisse vorfinden können, wie sie HyrTr schildert. Uebrieens hat Hyrrr den von mir als A. femoralis bezeichneten Arterienzweig, den ich bei keinem der von mir untersuchten Exemplare vermisste, sicherlich übersehen, denn ich finde in seiner Beschreibung keinen Arterienzweig angeführt, der mit der A. femoralis meiner Beschreibung zu identificiren wäre. Nach HyrrrL hat ZUCKERKANDL (22) eine Schilderung der Arterien des Unterschenkels und des Fusses von Echidna geliefert. Dieselbe musste, wie der Autor selbst sagt, in Folge des sehr mangelhaft injicirten Untersuchungsobjectes einigermassen fragmentarisch bleiben, doch trifft sie mit Rücksicht auf das als A. saphena bezeichnete Gefäss vollkommen das Richtige. Arterien von Ornithorhynchus paradoxus. Bezüglich der Aeste des Aortenbogens dieses Thieres hat HyrTL ebenso wie über die Abgangs- verhältnisse der Intercostalarterien Angaben gemacht, welche mit meinen Beobachtungen übereinstimmen. Auch was HyrTL über den Verlauf und die Verzweigungen der A. carotis communis und ihrer beiden ı) Der geschilderte Zustand, in dem eine A. pudendo-vesicalis vorhanden ist, scheint die Regel zu sein, doch sah ich bei einem meiner Exemplare folgendes, von dem geschilderten wesentlich abweichendes Verhalten. An Stelle der A. pudendo-vesicalis ging; nur ein Ast ab, der als A. vesicalis zur Harnblase und Harnröhre Zweige abgab, während eine selbständige A. pudenda vorhanden war, die mit dem ischiadischen Arterienbüschel entsprang, zwei schwache Zweige an die Schwanzmusculatur abgab und nach Abgabe einer A. uterina an der Scheide herablief und in der Umgebung der Cloake endigte. 2) Vgl. p. 198, Anmerkung. Jenaische Denkschriften. V. 3 Semon, Zoolog. Forschungsreisen, II. 28 206 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 18 Aeste, der inneren und der äusseren Carotis, mittheilt, kann ich, soweit meine Beobachtungen reichen, voll- inhaltlich bestätigen. Nur über gewisse feinere Verzweigungen fehlen mir eigene Befunde, da mir die Injection der Kopfarterien im Allgemeinen nicht so gut gelungen ist, wie dies bei HyrtL der Fall gewesen zu sein scheint. So konnte ich beispielsweise den höchst complicirten Verlauf der von diesem Autor als A. maxillaris interna bezeichneten Arterie nach ihrem Austritte aus der Trommelhöhle nicht weiter verfolgen, vermag daher über die Endäste dieser Arterie nichts auszusagen. Von geringfügigen Abweichungen, welche sich bei der Untersuchung meiner zwei Exemplare ergaben, will ich nur anführen, dass bei dem einen weiblichen Exemplare die von HyrTL als A. thyreoidea bezeichnete Arterie sehr schwach war und der an der Trachea absteigende R. trachealis dieser Arterie fehlte, während er bei dem zweiten männlichen Exemplare in der von HyrTL geschilderten Weise gefunden wurde (vgl. Fig. 19). Ferner war bei dem weiblichen Exemplare die A. alveolaris inferior nicht ein Zweig des R. massetericus, sondern ging von dem mit dem Stamme des dritten Trigeminusastes zum Foramen ovale aufsteigenden Aste ab. Auch über die Aeste der A. subclavia habe ich nichts von Hyrrr’s Beschreibung Abweichendes gefunden. Nur würde ich für das als A. vertebralis bezeichnete Gefäss ebenso wie bei Zchidna auch hier den Namen Truncus costo-vertebro-cervicalis empfehlen und als A. vertebralis nur den wie bei Echidna in das Foramen transversarium des 7. Halswirbels eindringenden Arterienstamm bezeichnen. Bezüglich des Verlaufes der A. vertebralis von Ornithorhynchus macht nun HyrtL ganz ähnliche Angaben wie für Echidna, auch bei diesem Thiere sollen die A. vertebrales zwischen zweitem und drittem Halswirbel in den Wirbelkanal eindringen und in demselben kopfwärts verlaufen. Ich konnte von dieser Besonderheit jedoch nichts wahr- nehmen und fand die Arterie sowohl das Foramen intertransversarium des zweiten, als auch des ersten Halswirbels durchsetzen und wie beim Menschen zum Hinterhauptsloche verlaufen und kann manan macerirten Objecten sich ohne weiteres von dem Vorhandensein eines Foramen inter- transversarium des Atlas und einer Rinne an der Wurzel seines Bogens für die A. verte- bralis überzeugen. Arteriae vertebrales accessoriae konnte ich bei meinen Exemplaren keine nachweisen. Bezüglich der A. axillaris und ihrer Verzweigungen, sowie rücksichtlich der A. brachialis und ihrer Endäste ergaben meine beiden Exemplare Befunde, die in mancher Beziehung so sehr von HyrTr’s Angaben abweichen, dass ich es für zweckmässig halte, eine genaue Schilderung des Verlaufes und der Verzweigungen dieser Arterien, wie ich sie bei meinen Untersuchungsobjecten vorfand, zu liefern. Im Gebiete der Achselhöhle giebt die Arterie zuerst knapp neben einander zwei Aeste ab (HyrTL fand an ihrer Stelle nur einen Stamm als „Truncus communis für die A. scapulares und die Profunda brachü“). Der erste Ast giebt zunächst einen Zweig für den M. teres major und den Musc. subscapularis ab, der sich in diesen Muskeln erschöpft, und dringt hierauf zwischen M. subscapularis und M. teres major und weiter zwischen M. anconaeus internus und externus hindurch. Hier angelangt, theilt er sich in drei Zweige. Der erste geht zwischen M. infraspinatus und M. anconaeus longus vorbei, versorgt diese Muskeln mit Zweigen und gelangt schliesslich mit seiner Endramification zur oberflächlichen Schicht der Rückenmuskeln und diese durchsetzend zur Haut des Rückens. Der zweite Zweig gelangt zwischen M. supraspinatus und M. infraspinatus hindurch und vertheilt sich zum Theil in diesen Muskeln, zum Theil im M. deltoides. Der dritte Zweig endlich durchbohrt den M. anconaeus brevis und gelangt, nachdem er an ihn und den M. brachialis internus Zweige abgegeben hat, in den Sulcus cubitalis radialis, um sich mit seinen langen dünnen Endverzweigungen an die zum Vorderarm ziehenden oberflächlichen Aeste des N. radialis anzu- schliessen (Fig. 19). Indem dieser dritte Zweig den M. anconaeus brevis durchbohrt, wird er vom N. radialis, der zwischen M. anconaeus externus und internus hervorkommt und über den letzteren oberflächlich hinweg- läuft, nicht begleitet. 19 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 207 Der zweite Ast der A. axillaris, der A. thoracico-dorsalis des Menschen vergleichbar, zieht zwischen M. teres major und dem M. latissimus dorsi, dem letzteren Zweige zusendend, hindurch und gelangt auf diese Weise zu der oberflächlichen Schicht der Rückenmuskeln und zur Haut des Rückens. Der nächste Ast der A. axillaris, welcher mächtiger ist als ihre eigentliche Fortsetzung, ist die A. thoracica longa, die sich mit ihren zahlreichen Zweigen im M. latissimus dorsi, im M. pectoralis major und in den angrenzenden Partien der Haut vertheilt. Ausserdem giebt aber diese Arterie auch einen Ast ab, der an der Seite des Sternum den 2. Intercostalraum durchsetzt und als A. mammaria interna entlang; dem Sternum absteigt. HyrTrL hat die Verzweigungen dieser Arterie zwar genau so beschrieben, wie ich sie an meinen Präparaten sehe, giebt aber an, dass die Arterie den ersten Zwischenrippenraum durchsetze. Die A. brachialis verläuft mit dem N. medianus und passirt den Canalis supracondyloideus. Auf dem Wege dahin giebt sie zwei Zweige ab. Der eine, Hyrrr nennt ihn A. supracondyloidea, löst sich in ein Gefässbüschel auf, welches zum Theil die Ursprungsköpfe der vom Condylus ulnaris humeri entspringenden Muskeln versorgt, zum Theil aber mit den Hauptzweigen des N. medianus zum Vorderarme und zur Palma manus hinzieht. Einen zweiten Zweig, HyrtL nennt denselben A. retrocondyloidea, giebt die Arterie ab, unmittelbar bevor sie in den Canalis supracondyloideus eindringt. Dieser Zweig verläuft zwischen M. anconaeus internus und M. anconaeus quartus, diese Muskeln mit Aesten versehend, gelangt dann unter letzterem Muskel durch und versorgt die vom Olecranon entspringenden Vorderarmmuskeln. Nachdem die A. brachialis den Canalis supracondyloideus verlassen hat, giebt sie einen Muskelast ab, der, im Sulcus cubitalis ulnaris verlaufend, den M. flexor carpi radialis und den M. pronator teres ver- sorgt. Hierauf verläuft die nun zur Vorderarmarterie gewordene Arterie unter dem M. pronator teres hindurch, gelangt, indem sie sich vom N. medianus entfernt, an der Ulnarseite der Insertion des M. biceps brachii vorbei und legt sich in ihrem weiteren Verlaufe als A. interossea volaris in die zwischen den beiden mit einander verwachsenen Vorderarmknochen befindliche Rinne hinein. Am distalen Ende der Vorderarm- knochen angelangt, geht die Arterie von der Volarseite auf die Dorsalseite über, indem sie zwischen Ulna und dem Abschnitte des Radiale, der vermuthlich aus einem Intermedium hervorgegangen ist, hindurchgeht und sich dabei in eine Rinne des Intermediumabschnittes vom Radiale hineinlegt (Fig. 18, Taf. XVII]). Hierauf gelangt die so zur Handrückenarterie gewordene Arterie über die Dorsalseite des Carpus, mehrere Zweige, die ein Rete carpale bilden (dieselben sind in Fig. 18 nicht dargestellt worden), abgebend, in das Interstitium zwischen 3. und 4. Metacarpalknochen. Hier theilt sie sich in zwei senkrecht von ihrer Richtung abbiegende Arterien (A. metacarpeae), die nahe den proximalen Enden der Metacarpalknochen diese über- kreuzen. Die ganze Ramification liegst gedeckt von den Strecksehnen der Zehen. Die A. metacarpea ulnaris (Fig. I8) giebt nun zwei A. digitales communes für das Interstitium metacapeum 3 und 4 alı, die sich wieder in die A. digitales propriae für die dem betreffenden Interstitium metacarpeum zugekehrten Zehenseiten theilen. Die A. metacarpea radialıs dagegen giebt nur zwei A. digitales propriae für die Ulnarseiten der I. und 2. Zehe ab. Die von den A. metacarpeae nicht versorgten Zehen- seiten erhalten ihre Arterienzweige von der Palma aus von den früher erwähnten, den Nervus medianus und seine Zweige begleitenden Aesten. Was somit die A. axillaris, die A. brachialis und deren Aeste anbelangt, so ergeben meine Befunde allerdings einige, aber jedenfalls nicht wesentliche Differenzen im Vergleiche mit der von HyrtıL gelieferten Beschreibung, Differenzen, die sich ungezwungen dadurch erklären lassen, dass eben auch bei Ornithorhynchus die Gefässe variiren können. Was dagegen die Angaben Hyrrr’s bezüglich der Arterien des Vorderarmes anbelangt, so weichen dieselben so sehr von meinen Befunden ab, dass ich kaum glauben kann, dass Hyrrtr hier richtig beobachtet hat. Hyrrr giebt nämlich an, dass die Fortsetzung der A. brachialis, nachdem sie den Canalis supracondyloideus passirt hat, sich mit dem N. medianus in die 3* 28” 208 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 20 Hohlhand fortsetze und hier den Arcus volaris sublimis bilde. Weiter sagt HyRTL: „Von den, den Knochen umgreifenden Aesten (der Vorderarmarterie) gelangen zwei an die Aussenseite des Vorderarmes, versorgen das Convolut der Strecker und schicken durch die Zwischenräume derselben Strahlenbündel zur Haut, welche zum Rücken der Hand herablaufen, mit dem subcutanen Gefässwedel der A. supracondyloidea anastomosiren und am Rücken der Hand zu einem schwachen Arcus dorsalis zusammenfliessen, aus welchem Rami perforantes in die Hohlhand eingehen, um mit dem tiefen Aste der A. brachialis den Arcus volaris profundus zu bilden. Die Anastomosen der aus der Hohlhand und dem Rückenbogen entstehenden Zweige (R. digitales) sind so zahlreich und ihre Mächtigkeit so gering, dass ihre ausführliche Beschreibung als werthlos füglich übergangen werden kann.“ Nach dieser von Hyrrr gelieferten Beschreibung, welche noch durch eine entsprechende, den Hohl- handbogen darstellende Abbildung unterstützt wird, ist es leicht begreiflich, wenn ZUCKERKANDL annimmt, dass bei Ornithorhynchus eine A. mediana vorhanden sei. Thatsächlich fehlt aber eine A. mediana, denn keiner von den dünnen Arterienzweigen, die, von der A. supracondyloidea kommend, zur Hohlhand ziehen, entspricht einer solchen und so besteht weder ein Arcus volaris sublimis noch gar ein Arcus volaris profundus. Die Vorderarmarterie von Ornithorhynchus zeigt uns somit ein höchst primitives Verhalten, welches dem bei Sauriern beschriebenen (ZUCKERKANDL, 2I) sehr ähnlich ist. Ornithorhynchus ist, soweit wir jetzt wissen, das einzige Säugethier, bei welchem die während der Ontogenese überall auftretende axiale Arterie des Vorderarmes mit ihrem den Carpus durchsetzenden Endaste zeitlebens persistirt und die Hauptarterie des Vorderarmes darstellt. Verzweigungen der Aorta abdominalis. Unpaare Eingeweideäste. Wie schon HyRTL richtig angiebt, besitzt Ornithorhynchus ebensowenig: wie Echidna eine selbständige A. coeliaca. Eine Arterie, welche dem Gebiete, das bei anderen Säugerformen von der A. coeliaca versorgt wird, das Blut zuführt, entspringt als erster Ast von der A. mesenterica superior, welche Arterie in vielen Fällen überhaupt der einzige unpaare Eingeweideast der Aorta ist, da eine A. mesenterica inferior als von der Aorta abgehender Arterienstamm ebenfalls fehlen kann, wie dies in Hyrrr’s Exemplar der Fall gewesen zu sein scheint. Der Ramus coeliacus der A. mesenterica superior ist ein ganz kurzer, kaum 7 mm langer Stamm. Er theilt sich in zwei Aeste, die man als A. hepatica communis und als A. gastro-lienalis bezeichnen kann. Die A. hepatica geht von ihrem Ursprunge aus in die Wurzel des Mesoduodenum über, wobei sie sich dem Pfortaderstamme anlagert. Hier angelangt, entsendet sie zwei R. hepatici, die, dem Pfortaderstamme innig angeschmiegt, durch das Lgt. hepato-duodenale zur Leber verlaufen. Noch bevor diese Aeste jedoch die Leberpforte erreichen, theilen sie sich weiter und erreichen, bis auf 8 (HyrTı zählte in seinem Exemplar II) Stämmchen für das Leberparenchym und einen Ramus cysticus vermehrt, die Leber. Der Stamm der A. hepatica setzt sich an der Pfortader vorbei ins Mesoduodenum fort, theilt sich aber unmittelbar nach Abgabe der R. hepatici in drei grössere Aeste, die zusammengenommen, was ihr Verzweigungsgebiet anlangt, der A. gastro-duodenalis des Menschen entsprechen. Der erste Zweig geht an den mittleren Abschnitt des Duodenum, er entsendet ausserdem noch einen Zweig zum Pancreas und zum grossen Netz, wir nennen ihn A. pancreatico-duodenalis media. Der zweite Zweig entsendet seine Aeste zum proximalen nl UL 21 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 209 Abschnitte des Duodenum, ins Pancreas und in das hier am Mesoduodenum haftende grosse Netz, wir nennen ihn deshalb A. pancreatico-duodenalis superior. Der dritte Zweig endlich gelangt am Duodenum vorbei und weiter auf dem Wege des ventralen Duodenal-Magengekröses (Omentum minus) an den Pförtnertheil des Magens und versorgt sowohl die ventrale, als die dorsale Magenwand mit Zweigen. Die A. gastro-lienalis entspricht im Wesentlichen der gleich benannten Arterie von Echidna. HYRTL nennt die Arterie R. pancreatico-splenicus, eine Bezeichnung, die ich nicht für besonders zweck- mässig halte, da die Magenzweige dieser Arterie doch jedenfalls bedeutender sind, als die, wenn auch sehr zahlreichen, Zweigchen für das Pancreas. Die A. gastro-lienalis verläuft nämlich dem oberen Rande des mittleren Theiles des Pancreas und dem cranioventralen Milzlappen entlang und giebt nach einander an den Magen und zwar an dessen Fundustheil sechs Zweige (A. gastricae) ab, von denen der letzte der A. gastro- epiploica sinistra des Menschen entsprechen dürfte. Während ihres Verlaufes am dorsalen Rande des Pancreas entlässt die Arterie zahlreiche Zweige (R. pancreatici) an die benachbarten Partien dieses Organes. An die Milz kommt sie dort heran, wo die drei Milzlappen mit einander zusammenhängen. Während sie in einer Entfernung von etwa !/, cm dem cranioventralen Milzlappen entlang verläuft, giebt sie zunächst an diesen, sowie an den dorsalen Lappen zahlreiche Zweige, ich zähle deren an einem Exemplar 37, deren Zahl sich noch dadurch, dass sich die einzelnen Zweigchen, bevor sie in die Milz eintreten, spitzwinkelig theilen, erheblich vermehrt, und nur einen schwachen Zweig an den caudalen Lappen ab. Von der dritten A. gastrica geht ausserdem ein selbständiger Zweig zum dorsalen Milzlappen, A. gastrica 4, 5 und 6 entspringen schon aus der dem cranioventralen Milzlappen parallel verlaufenden Gefässstrecke. HyYRTL'S Angaben über die Arterien dieses Gebietes weichen in vielen Punkten von der hier gegebenen Schilderung ab. Nach Abgabe des R. coeliacus verhält sich der Stamm der A. mesenterica ähnlich wie bei Echidna, nur ist jene Stelle des Ileum, auf welche ihr eigentlicher Endast ausläuft, von der Ileocöcalgegend noch weiter entfernt als dort (Fig. 17, Taf. XVIII), daher kommt es, dass noch drei R. ilei von der Enddarmseite dieser Arterie abgehen. Dazu kommt dann auf dieser Seite noch ein R. ileo-coecalis und, wie in Fig. 17 ersichtlich, drei Rami colici. Von diesen ist der dritte der stärkste, aber auch bis zur Abgabe seines ersten Astes der kürzeste, er entspringt von der ventralen Circumferenz der Arterie. Diese A. colica entspricht der zweiten Dickdarmarterie von Echidna und der A. colica media des Menschen. HyrTL nennt sie A. pancreatica, eine Bezeichnung die gewiss unzutreffend ist, da diese Arterie im Dickdarmgekröse verläuft und ihre Zweige vorwiegend an den Dickdarm entlässt. Freilich liegt der Arterie auch der Schwanz des Pancreas an, da der diesen Theil des Pancreas enthaltende Abschnitt des grossen Netzes während des Embryonallebens mit dem Mesocolon verschmolzen sein dürfte und es so möglich werden konnte, dass Arterienzweigchen einer ursprünglich lediglich dem Dickdarm angehörigen Arterie, nun auch das Pancreas mit Blut versorgen helfen. Jedenfalls müssen wir aber die Beziehung dieser Arteriezum Pancreasals eine secundäre betrachten, ebenso wie die Beziehung ihres Endastes zur Milz. Der am End- darm herablaufende Endast der A. colica tertia versorgt nämlich mit sechs Zweigen den an das Enddarm- gekröse fixirten caudalen Milzlappen. Immerhin ist es auffallend, dass ein solches Uebergreifen von Zweigen der Dickdarmarterie auf Organe stattfindet, von denen wir, wie von der Milz, ziemlich sicher annehmen können, dass sie dem Mesogastrium angehören. Wenn HyrrL sagt, dass sich der Endast dieser Dickdarmarterie als A. haemorrhoidalis der ganzen Länge des Mastdarmes nach in Zweige auflöst, so stimmt dies nur für eine Anzahl von Fällen. Bei dem einen von mir untersuchten Exemplare entsprang eine A. mesenterica inferior an gewöhnlicher Stelle aus der Aorta abdominalis und spaltete sich im Mesorectum in zwei Aeste, von denen der eine sich rückläufig mit der A.colica tertia verband, während der andere dem Rectum in der Richtung gegen die Cloake folgte. Zwischen 210 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 22 der Abgangsstelle der A. colica prima und secunda zeigt in dem der Fig. 17 zu Grunde liegenden Exemplare die A. mesenterica superior an ihrer Enddarmseite eine völlig astlose Strecke, doch scheint dies auch nicht immer der Fall zu sein, denn ich finde bei dem zweiten untersuchten Exemplare in dieser Strecke noch zwei allerdings ganz dünne Dickdarmarterien abgehen. Nach dem R. coeliacus geht von der A. mesenterica superior als erster ein Ast ab, der den an das Dickdarmgekröse und die Gekröswurzel angewachsenen Abschnitt des Duodenums und Pancreas versorgt, wir wollen ihn deshalb A. pancreatico-duodenalis inferior nennen !). Die Zahl der von der Mitteldarmseite der A. mesenterica superior abgehenden R. jejunales und R. ilei ist (vgl. Fig. 9) viel geringer als bei Echidna, ich zähle deren nur 6 bis 7, von denen allerdings der erste kurz nach seinem Ursprung in ein ganzes Büschei von Arterienzweigen sich auflöst. Die periphere Ver- zweigung der Darmarterien verhält sich ähnlich wie bei Eehidna. Was die paarigen Eingeweideäste der Bauchaorta anbelangt, so verweise ich diesbezüglich auf die Angaben Hyrrr’s. Ich will nur erwähnen, dass bei dem einen der beiden untersuchten Exemplare, das andere verhielt sich normal, eine accessorische Nierenarterie vorhanden war. Dieselbe entsprang: linkerseits aus dem ersten Aste der A. iliaca externa und verlief der Aorta parallel bis zum caudalen Pol der Niere, in welchen sie eindrang. Ferner will ich erwähnen, dass bei dem untersuchten männlichen Exemplare nur eine nahe der A. renalis entspringende A. spermatica interna anterior auf der rechten Seite vorhanden war, dafür erschien die einfache A. spermatica interna der linken Seite stärker als die A. spermatica interna posterior der rechten Seite. Bezüglich der Lumbalarterien will ich erwähnen, dass in meinen beiden Exemplaren nur fünf Paare vorhanden waren. Von diesen entsprang das erste in unmittelbarer Nähe der Abgangsstellen der A. renales aus der Aorta, doch kann es sicherlich auch gelegentlich vorkommen, dass, wie in HyrTrL’s Exemplar, diese Arterienzweige mit ihrer Abgangsstelle auf die A. renalis hinaufrücken. Die drei ersten Lumbalarterien endigen als Intercostalarterien und zwar die dritte als letzte. Das vierte, sowie das fünfte Lumbalarterienpaar besass je ein kurzes gemeinsames Ursprungsstämmchen. Die Endzweige der Aorta abdominalis verhalten sich im Principe ähnlich wie bei Echidna Es ist hier ebenfalls ein, wenn auch ganz kurzer, Truncus hypogastrico-sacralis (vgl. Fig. 9, Taf. XV]) vorhanden. Doch scheinen auch bei Ornithorhynchus die Verhältnisse in der Weise wechseln zu können, dass der äusserst kurze Stamm der A. iliaca externa entweder einerseits, wie ich dies in einem Falle (bei meinem männlichen Exemplar) gesehen habe oder beiderseits mit dem ebenfalls sehr kurzen Stamme der A. iliaca interna zu einer ganz kurzen A. iliaca communis verschmilzt. Der letztere Fall scheint bei Hyrrr’s Exemplar (l. c. Taf. III) vorhanden gewesen zu sein, nach seiner Abbildung nämlich gehen die beiden als A. cruralis und A. hypogastrica bezeichneten Gefässe von einem, wenn auch ganz kurzen, gemein- samen Wurzelstamm ab). Jede der beiden A. iliacae zerfällt nun knapp nach ihrem Ursprunge in eine Reihe von Gefäss- büscheln. Dieselben wurden von HyRTL bereits im Allgemeinen richtig beschrieben, doch finden sich bei meinen beiden Exemplaren gewisse Unterschiede bezüglich der Abgangsverhältnisse der einzelnen Gefäss- büschel, die ich im Nachfolgenden beschreiben will. Auch stimme ich mit der Deutung, welche HvrrL I) Hyrrı bezeichnet, wenn ich ihn richtig verstanden habe, den von mir als A. pancreatico-duodenalis media bezeichneten Arterienast als A. pancreatico-duodenalis inferior und die oben beschriebene Arterie als A. pancreatico-intestinalis, ein Name, der deshalb nicht gerechtfertigt ist, weil sich diese Arterie noch am Duodenum, und zwar ausschliesslich an diesem Darmabschnitt, verzweigt. 2) Freilich stimmt mit dem, was man aus der Abbildung ersehen kann, das, was HyRTL im Text angiebt, nicht ganz überein. HYRTL betont nämlich (p. 16) ausdrücklich, dass die A. iliaca communis fehle. 2 [977 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 2II den einzelnen Gefässen, speciell der als A. cruralis bezeichneten Schlagader giebt, nicht überein, so dass es zur Begründung meines Standpunktes nicht zu vermeiden ist, auf gewisse Anordnungsverhältnisse der Arterien nochmals einzugehen. Doch werde ich dort, wo dies angeht, zur Vermeidung von Wiederholungen einfach auf die Angaben HyrTrr’s verweisen. Die Gefässbüschel der A. iliaca externa lassen sich vor allem zunächst in zwei grössere Unter- abtheilungen sondern, von denen die eine (Fig. 9 A) dorsal vom M. psoas minor, zwischen diesem Muskel und dem M. ileo-psoas, die andere aber (Fig. 9 B) ventral vom M. psoas minor verläuft. Was die letztere Gruppe anbelangt, so besteht sie aus zwei Gefässbüscheln, von denen das eine mediale als Büschel der A. epigastrica (A. ep.) inferior, das andere als Büschel der A. saphena (A. sa.) bezeichnet werden kann. Diese Gefässramification wird von HyrTr als drittes Gefässbüschel der A. cruralis angeführt. Dieser Autor beschreibt die Verhältnisse der diesen beiden Gefässbüscheln entstammenden Zweige vollkommen correct, und stimmt das, was ich sehe, mit seinen Angaben überein. Nur ist natürlich die Arterie, welche HyrTL als A. cruralis bezeichnet, wie auch schon ZUCKERKANDL (22) aus Hyrrr’s Beschreibung entnehmen konnte, nicht so zu benennen. Da sie nämlich ganz oberflächlich verläuft, und dies gilt auch für ihren Unter- schenkelabschnitt, den HyRTL ungerechtfertigter Weise mit dem Namen A. tibialis postica belegt, so ist sie als A. saphena zu bezeichnen. Dabei muss aber hervorgehoben werden, dass ihr Oberschenkelabschnitt nicht mit dem des gleichbenannten Gefässes von Echidna übereinstimmt, da dieses dort unter dem M. sartorius vorbeizieht. Auch geht die A. saphena des Ornithorhynehus von einem ganz anderen Arterienbüschel ab wie bei Echidna, worauf später noch zurückgekommen werden soll. Der Beschreibung, welche HyrtL von den Endzweigen des Unterschenkelabschnittes der A. saphena (A. tibialis postica Hyrrr’s) giebt, habe ich nichts hinzuzufügen. Auch eine Anastomose zwischen dieser Arterie und einem von den Arterienzweigen, die HyrTL als dem Gebiete der A. profunda femoris zugehörig bezeichnet, konnte ich, freilich nicht in der Stärke, wie sie in seiner Abbildung entgegentritt, nachweisen. Dagegen finde ich auf dem Fussrücken keinen Arcus dorsalis pedis, wie ihn Hvrrı beschreibt, sondern ein schönes Arteriennetz, dessen Wurzeln theils aus der A. saphena, theils aus den mit den Hautnerven vom Oberschenkel herabkommenden Arterienzweigen abstammen und welches die A. digitales dorsales entlässt. Dieses Arteriennetz zeigt jedoch, wie es scheint, ein sehr unregelmässiges Verhalten und stimmt auch bei den beiden von mir untersuchten Exemplaren keineswegs überein, so dass es wohl möglich ist, dass gelegentlich auch eine bogenförmige Anordnung der Anastomosen zwischen den einzelnen zuführenden Arterien, wie sie HyRrTtL vorgelegen zu haben scheint, vorkommen kann. Was die zweite Unterabtheilung der Gefässbüschel der A. iliaca externa anlangt, welche dorsal vom M. psoas minor läuft, so zerfällt dieselbe wieder in drei Arterienbüschel: Das erste (Fig. 97) ist dasjenige, welches Hyrtr suba als erstes Gefässbüschel der A. cruralis beschreibt, und kann ich bezüglich des Verlaufes und der Vertheilung seiner Aeste auf die zutreffende Beschreibung Hyrrr’s verweisen. Das zweite und dritte Büschel (Fig. 10 2, 5) entspricht dem von Hyrrr sub b beschriebenen Arterienbüschel, welches nach ihm die A. profunda femoris repräsentiren soll. In der That aber wäre dieses Büschel viel richtiger als Büschel der A. cruralis zu bezeichnen, weil zwei seiner Zweige, wie dies auch schon aus Hyrrr’s Beschreibung hervorgeht, einen ähnlichen Verlauf nehmen wie die A. cruralis anderer Säuger. Das von mir in Fig. IO mit 2 bezeichnete Astbüschel entspricht in jeder Beziehung der ersten Astgruppe von Hyrrr’S Büschel b und verweise ich bezüglich des Verlaufes und der Vertheilung seiner Zweige auf Hvrrr’s Beschreibung und will nur erwähnen, dass sich ihm bei meinen Exemplaren ein Ast des mit 3 bezeichneten Büschels anschliesst. Das mit 3 (Fig. 10) bezeichnete Büschel endlich enthält die als zweite und dritte Gruppe von b bezeichneten Arterienbüschel Hyrrr’s. Es besteht in den beiden von mir untersuchten 212 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 24 Fällen in der Mitte des Oberschenkels, wo es zwischen den Adductoren und den M. vastis gelegen ist, aus vier stärkeren Arterienstämmen, von denen einer aus einem Nachbarbüschel und zwar entweder, wie bei dem männlichen Exemplar aus dem Büschel der A. obturatoria, oder wie bei dem weiblichen Exemplar aus Büschel 2 abstammt. Ein Zweig: dieses Büschels 3, welches wir auch Büschel der A. cruralis nennen könnten, verhält sich mit seiner Ramification so wie der dritte Theil der zweiten Gruppe von HyrTr’s Ramification b, er ist es auch, der mit der A. saphena am Unterschenkel durch eine bogenförmige Anastomose in Verbindung steht. Ein zweiter Zweig von 3 erschöpft sich in der medialen Abtheilung des M. quadriceps cruris und die beiden übrig bleibenden Zweige endlich verhalten sich so wie eine A. cruralis, indem sie zwischen Oberschenkelknochen und Adductoren hindurch in die Kniekehle gelangen. Von der Kniekehle aus setzt sich dann der eine, nun schon durch die Abgabe zahlreicher Muskelzweige schwach gewordene Arterienzweig entlang dem N. tibialis bis in die Planta pedis fort, wo er mit den Zweigen der A. saphena anastomosirt. Diese als A. cruralis bezeichneten Zweige entsprechen offenbar der dritten Gruppe von Zweigen der Ramification b Hyrrr’s, nur sehe ich allerdings nicht „viele“ Zweige, wie HyRTL, sondern eben nur zwei. Zu den beiden primären Gefässbüscheln der A. iliaca externa kommt dann noch ein drittes Büschel hinzu, welches, da es nach einwärts gegen das Foramen obturatum hinzieht, in keiner directen Beziehung: zum M. psoas minor steht, es kann als Arterienbüschel der A. obturatoria (Ao. Fig. 9) bezeichnet werden, Hyrrr führt es als vierte Gruppe seiner Ramification b auf. Was endlich die Verzweigungen der A. iliaca interna und der A. sacralis media anbelangt, so habe ich bezüglich derselben der Beschreibung Hyrrr’s nichts Wesentliches hinzuzufügen und will nur erwähnen, dass in meinen beiden Exemplaren stets auf beiden Seiten ein kurzer Truncus pudendo-vesicalis (A.p. v Fig. ı0) vorhanden war, so dass nicht drei, wie bei HyRTL, sondern nur zwei Ramificationen der A. iliaca interna gezählt werden konnten. Bezüglich der peripheren Verzweigungen der beiden A. iliacae stimmen somit meine Befunde mit den Angaben Hyrrr’s recht gut überein. Vergleicht man jedoch meine Fig. 9 mit der die Verzweigungen der A. iliacae illustrirenden Abbildung von Hvrrı (Taf. III), so fällt die bedeutende Verschiedenheit in den Abgangsverhältnissen der einzelnen Aeste auf. Besonders merkwürdig aber erscheinen mir in Hyrrr’s Abbildung die mächtigen Verbindungen, die das als A. saphena anzusprechende Gefäss (Taf. III d) mit benachbarten Arterien eingeht, wodurch zwei Arterieninseln zu beiden Seiten des Stammes der A. saphena gebildet erscheinen. Leider macht Hyrrı im Text von den Inselbildungen und von der Lage der Anastomosen zu den Muskeln keinerlei Erwähnung. Ich selbst habe an meinen Exemplaren nichts gesehen, was dem von Hyrrı abgebildeten Verhalten auch nur ähnlich wäre. Eine Vergleichung der Verzweigungen der A. iliacae von Ornithorhynchus und Echidna ergiebt somit, wenn wir von unwesentlichen Differenzen absehen, bis auf die Beziehungen der A. saphenae, eine nicht zu verkennende Uebereinstimmung. Nur die Oberschenkelabschnitte der A. saphenae der beiden Thierformen sind verschiedene Gefässe und wir konnten bei Echidna keine Arterie auffinden, welche den Oberschenkelabschnitte der A. saphena von Ornithorhynchus entsprochen hätte, dagegen dürften die Unter- schenkelabbschnitte dieser Arterien bei den beiden Thierformen wohl zu homologisiren sein. Entwickelung der Arterien von Echidna. Obwohl sich das Arteriensystem von Echidna nur bezüglich weniger Punkte von dem Arteriensysteme anderer Säuger in bedeutenderem Masse unterscheidet, und man sich auch rücksichtlich dieser wenigen 25 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 213 Punkte eine Vorstellung über die Genese der abweichenden Verhältnisse nach dem, was bis jetzt über die Entwickelung des Arteriensystems der Säugethiere vorliegt, bilden konnte, so war es doch immerhin wichtig, zu erfahren, ob die auf Grund des bereits Bekannten gemachten Annahmen auch wirklich den thatsächlichen Verhältnissen entsprechen würden. Leider war dies, da einerseits die Embryonenreihe eine zu wenig voll- ständige war und überdies der Conservirungszustand einzelner Embryonen dem Zwecke der Untersuchung nicht entsprach, durchaus nicht rücksichtlich aller Fragen möglich. Wenn daher die Untersuchung des Arteriensystems der Echidna-Embryonen nur wenig neue Thatsachen ergab, so will ich doch im Nach- folgenden eine Darstellung des Entwickelungszustandes des Arteriensystemes der einzelnen Embryonen, die daraufhin untersucht werden konnten, geben und so das Bild vervollständigen, welches von der Anatomie dieser Embryonen von anderen Untersuchern geliefert werden wird. Embryo No. 40. Bei diesem Embryo sind 3 Aortenbogenpaare vollkommen entwickelt, und zwar sind dies das 3., 4. und 6. Paar. Im Mandibularbogen sowie im Hyoidbogen lassen sich streckenweise Arterien nachweisen, doch sind ihre Beziehungen wegen mangelhafter Blutfüllung nicht mit Sicherheit festzustellen. Nur das Eine ist sicher, dass diese Arterien, die Reste der zwei ersten Aortenbogen, mit den beiden Carotides dorsales nicht mehr im Zusammenhange stehen. Von einem 5. Aortenbogenpaare, wie es ZIMMERMANN beim Menschen und bei Säugern beschrieben hat, ist nichts mehr nachzuweisen. Die beiden 6. Aortenbogen entspringen noch getrennt von einander aus dem Truncus arteriosus. Die A. pulmonales gehen, wie bei anderen Säuger- embryonen dieses Entwickelungsstadiums, symmetrisch aus den ventralen Abschnitten dieser Bogen hervor. Die Einmündung der 6. Aortenbogen in die dorsalen Aortenwurzeln erfolgt gegenüber den Ausmündungs- stellen der I. segmentalen Arterien aus diesen. Die dorsalen Aortenwurzeln vereinigen sich zur Rückenaorta vor der Abganssstelle des 3. segmentalen Arterienpaares. Das ı. Paar segmentaler Arterien lässt sich bis an das Medullarrohr heran und hierauf an dessen ventraler Seite eine Strecke weit in der Richtung gegen die Concavität der Mittelhirnkrümmung verfolgen. Wir sehen in diesem, dem Hirnrohre entlang verlaufenden Arterienpaare, welches jedoch zur A. basilaris noch nicht verschmolzen ist, die A. vertebrales cerebrales. Eine Verbindung dieser Arterien mit den A. carotides dorsales, welche bis an die ventrale Seite des Vorderhirns heran verfolgt werden konnten, war, obwohl ich bestimmt glaube, dass sie in diesem Stadium schon vorhanden ist, nicht nachweisbar. Das 7. Paar segmentaler Arterien erscheint stärker als die unmittelbar vorhergehenden und nach- folgenden. Es geht in die Stummeln der vorderen Extremitäten über und stellt somit die Anlagen der A. subelaviae dar. Dies ist ein ziemlich auffallender Befund, da man nach den Verhältnissen beim Erwachsenen erwarten sollte, dass nicht das 7., sondern das 8. segmentale Arterienpaar dieses Stadiums die Anlage der A. subclaviae bilden müsste. Beim Kaninchen und beim Menschen, dessen A. vertebralis unter normalen Verhältnissen als Ast der A. subclavia in das Querfortsatzloch des 6. Halswirbels eintritt, ist die A. subclavia ebenfalls aus der 7. segmentalen Arterie, von der den Ursprung der A. vertebralis cerebralis bildenden segmentalen Arterie, die noch der Hinterhauptsregion angehört, gezählt, hervorgegangen. Da nun bei Echidna, und das Gleiche gilt natürlich auch von Ornithorhynchus, die A. vertebralis als Ast der A. subelavia das OQuerforsatzloch des 7. Halswirbels betritt, muss man folgerichtig annehmen, dass die A. subelavia dieser Formen aus der Arterie des 7. Cervicalsegmentes, also aus der 8. segmentalen Arterie dieses Stadiums, entsteht. Ich kann mir nun den bei diesem Embryo vorliegenden Befund nur in der Weise erklären, dass ich annehme, dass es sich bei ihm um eine entstehende Varietät der A. vertebralis handle, die, wenn das Individuum zur vollen Ausbildung gelangt wäre, darin bestanden hätte, dass die Jenaische Denkschriften. V. 4 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 29 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 26 214 A. vertebralis als Ast der A. subclavia nicht in das Querfortsatzloch des 7., sondern in das des 6. Hals- wirbels eingetreten wäre!). Die Zahl der caudalwärts von der A. subclavia befindlichen segmentalen Arterien lässt sich wegen einer Läsion des hinteren Körperendes des Embryos nicht bestimmen und daher auch nicht angeben, aus der wievielten Arterie der Reihe die Arterie der Hintergliedmasse ihren Ursprung nimmt. Aus demselben Grund ist die Beziehung der Allantoisarterie zu diesem Gefässe nicht festzustellen. Was die ventralen Aeste der Aorta anbelangt, so ist der erste nachweisbare grössere Ast als A. coeliaca anzusprechen. Derselbe entsendet einen Ast ins dorsale Darmgekröse in der Richtung gegen den Magen und einen Ast caudalwärts in der Richtung gegen die Wurzel der A. omphalo-mesenterica, doch war ich nicht in der Lage, mit Bestimmtheit nachzuweisen, dass dieser Ast mit der A. omphalo-mesenterica zusammenhängt. Gegenüber dem Io. und II. Paare segmentaler Arterien entspringt die A. omphalo-mesenterica in einer höchst eigenthümlichen Weise An Stelle einer Ausmündungsöffnung aus der Aorta finden sich nämlich deren vier vor. Die beiden ersten sind sehr mächtig und nur durch eine ganz dünne Zellbrücke von etwa !/,,. mm Dicke von einander getrennt. Die dritte Ausmündung ist schon wesentlich enger und von der zweiten durch eine etwa !/,, mm breite Zellmasse getrennt. Die vierte Ausmündung ist noch viel enger, und die Dicke der sie von der dritten trennenden Zelllage beträgt !/,, mm. Da sich jedoch die Wurzel der A. omphalo-mesenterica von der ersten und zweiten Ausflussöffnung an, vom Aortenstamm in schiefer Richtung absteigend, immer mehr entfernt, wird die Verbindung der A. omphalo-mesenterica mit den beiden caudalen Ausflussöffnungen durch zwei kurze Gefässkanäle er ie || Aorta vermittelt (vgl. nebenstehende schematische Figur). Ausserdem verbindet sich aber die Aorta noch weiter caudalwärts durch eine schwache Arterie BIN: mit der A. omphalo-mesenterica dort, wo diese sich bereits an das Ento- 5 derm der Darmrinne anlegt und in caudalwärts gerichtetem Verlaufe un- A. omphalo- A. coeliaca rc mittelbar nach einander ihre paarigen Zweige zum Dottersack abgiebt. Das letzte, gewissermassen den Endast der A. omphalo-mesenterica bildende Paar von Arterien ist das stärkste. Leider konnte ich, da die betreffenden Partien stark lädirt waren, über die Zahl der entstehenden Arterienpaare nichts herausbringen. Ueber die Bedeutung dieser höchst auffallenden Wurzelverhältnisse der A. omphalo-mesenterica vermag ich vorläufig nichts anzugeben. Bei Amnioten ist, soweit mir bis jetzt bekannt, Aehnliches noch nicht beschrieben worden, dagegen zeigen die Verhältnisse der A. omphalo-mesenterica bei jungen Selachier- embryonen (P. MavEr, C. K. Hormann) eine gewisse Aehnlichkeit mit dem hier bei Echidna beobachteten Verhalten. Caudal von der A. omphalo-mesenterica entspringen aus der Aorta noch zwei kleine Arterien. Die eine von den beiden zieht zum Enddarm und ist zweifelsohne die spätere A. mesenterica inferior, während die andere sich nicht bis an den Darm verfolgen lässt. Ueber die Zahl der die Urniere versorgenden seitlichen Zweige der Aorta kann ich ebenfalls wegen der Läsion des Embryos keine bestimmten Angaben machen. Was endlich die Aorta caudalis anbelangt, so ist dieselbe im vorliegenden Stadium noch durchaus paarig. 1) Einen analogen Fall von einem Kaninchenembryo vom 13. Tage, bei dem nur auf einer Seite (rechts) allerdings, auf der anderen Seite lagen die Dinge regelmässig, die A. subclavia nicht dem 6., sondern dem 5. Cervicalsegment angehörte, habe ich seiner Zeit (6) beschrieben. D —1 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 215 Embryo No. 41. Der Erhaltungszustand dieses Embryo ist ein so wenig günstiger, dass bezüglich seiner Arterien nur die allergröbsten Verhältnisse festgestellt werden konnten. Es sind bei ihm noch drei Aortenbogenpaare (3, 4 und 6) wie in dem früheren Stadium erhalten. Die A. subclaviae entspringen noch vom Aortenstamme, doch scheint ihnen die Theilungsstelle in die beiden Aortenwurzeln schon näher gerückt. Die Arterie der Hintergliedmasse entlässt die in der Leibeswand verlaufende A. umbilicalis. Die A. coeliaca ist im Begriffe, ihre ursprüngliche, selbständige Wurzel zu verlieren. Dieselbe ist nämlich sehr enge geworden, dafür hat sich aber der gegen die Wurzel der A. omphalo-mesenterica gerichtete Ast mit dieser Arterie dort ver- bunden, wo ihre Wand mit der Aortenwand zusammenstösst, und hat sich nun, da, wie es scheint, die Hauptblutmasse den Verzweigungen der A. coeliaca jetzt auf diesem Wege zugeführt wird, beträchtlich erweitert. Die Wurzel der A. omphalo-mesenterica zeigt das Verhalten des früheren Stadiums nicht mehr, doch spannt sich durch den cranialen Abschnitt ihrer Ausflussöffnung aus der Aorta ein Zellfaden (vielleicht ein Rest der cranialen Zellbrücke des früheren Stadiums), und an zwei Stellen unmittelbar caudal von der Ausmündung der A. omphalo-mesenterica befinden sich capillarartige Verbindungen zwischen diesem Gefässe und der Aorta. Die paarige Abgabe von Aesten der A. omphalo-mesenterica an den Dottersack ist bei diesem Embryo noch deutlicher zu sehen als bei No. 40. Embryo No. 42. Bei ihm sind auch noch drei Aortenbogenpaare wie im früheren Entwickelungsstadium vorhanden, doch sind der 4. und 6. Aortenbogen der rechten Seite bedeutend schwächer als die gleichen Bogen der linken Seite. Als Fortsetzung der ventralen Aortenwurzel findet sich beiderseits ein bis in den Mandibular- bogen zu verfolgender Arterienzweig, die Anlage der A. carotis ventralis, s. externa. Die beiden dorsalen Aortenwurzeln sind ungleich stark, die linke ist stärker als die rechte. Beide verschmächtigen sich bedeutend in der Strecke zwischen der Einmündung der 3. und 4. Aortenbogen, es beginnt also in diesem Stadium bereits die Rückbildung dieses Gefässabschnittes. Die beiden dorsalen Carotiden lassen sich, über dem Dache der Rachenhöhle parallel mit einander in einiger Entfernung von der Mittellinie verlaufend, verfolgen, wie sie zunächst bis an die ventrale Seite des Vorderhirns gelangen. Hier biegen sie caudalwärts um und verbinden sich schliesslich, indem sie der Ventralseite des Hirnrohres folgen, in der Concavität der Mittelhirnkrümmung mit den beiden Aesten der A. basilaris. Die Anfangsstücke der beiden Pulmonalisbogen, deren Ausmündung aus dem Truncus arteriosus bereits eine gemeinschaftliche ist, sind nur durch ein ganz dünnes medianes Septum von einander getrennt, und die A. pulmonalis geht jederseits unmittelbar neben diesem Septum aus den betreffenden Bogen hervor. Die A. subclaviae verlassen die Rückenaorta an ihrer Zusammenflussstelle aus den beiden Aortenwurzeln in der Höhe des 7. Cervicalsegmentes. Ihr dorsaler Ast bildet die Wurzel der bereits entwickelten A. verte- bralis cervicalis. Eine kurze Strecke cranial von der Abgangsstelle der A. subelaviae geht von den Aortenwurzeln jederseits noch ein Arterienzweig ab, der den Grenzstrang des Sympathicus an seiner ventralen Seite überkreuzt und sich hierauf an die V. jugularis (interna) anlegt, hier aber nicht mehr weiter zu verfolgen ist. Ueber die Bedeutung dieses Gefässes vermag ich nichts auszusagen, da es keinem Gefässe des definitiven normalen Zustandes entspricht und auch in späteren Entwickelungsstadien nicht wieder gefunden wurde. Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 28 ) (0) Die Fortsetzung der A. subclavia, die A. brachialis, verläuft mit einem Nerven, den man seiner Lage nach als N. medianus bezeichnen muss, und liegt dabei an der medialen (ursprünglich ventralen) Seite der aus chondrogenem Gewebe bestehenden Humerusanlage. Ueber das distale Ende dieser Anlage hinweg; gelangt sie zwischen die Anlagen von Radius und Ulma. Hier also, im Bereiche des Vorderarmes, liegt sie der Axe des Extremitätenstummels sehr nahe, aber doch etwas palmarwärts. In der Gegend des Carpus angelangt, giebt sie einen perforirenden Ast ab, der zwischen den eben angedeuteten Elementen des Carpal- skeletes hindurch auf den Handrücken gelangt, während sich die palmare Fortsetzung der Arterie sehr bald erschöpft. Bevor die Arterie der vorderen Gliedmasse sich dem N. medianus anlegt, giebt: sie einen Ast ab, der seinem Verlaufe und seiner Verzweigung nach der A. thoracica longa des erwachsenen Individuums entspricht. Echidna besitzt somit in diesem Entwickelungsstadium noch eine Oberarm- arterie, wie sie ihrem Verlaufe und ihrer Lage nach der definitiven Oberarmarterie vieler Säuger und des Menschen entspricht. Was die Eingeweideäste der Aorta anbelangt, so ist vor allem hervorzuheben, dass eine selbständig; aus der Aorta entspringende A. coeliaca nicht existirt. Vielmehr entsteht eine ihrem Vertheilungsgebiet nach der A. coeliaca entsprechende Arterie!) aus der Wurzel der A. omphalo-mesenterica., Es ist somit in diesem Stadium bereits der definitive Zustand rücksichtlich dieser beiden Arterien erreicht. Wie sich derselbe herstellt, ist aus den Verhältnissen des Embryo No. 4I zu entnehmen, und es ist somit nicht gerechtfertigt, von einem Zusammenrücken der Ausmündungen der A. coeliaca und der A. mesenterica superior zu sprechen. Die A. mesenterica inferior zeichnet sich bei diesem Embryo dadurch aus, dass sie mit zwei durch einen Zellstrang von einander getrennten Oeffnungen aus der Aorta entspringt. Die Arterie der hinteren Gliedmasse erscheint als ein Zweig der weiterhin neben dem Allantoisstiel in der Bauchwand verlaufenden A. umbilicalis. Sie durchbricht den Plexus sacralis und dringt in den Extremitätenstummel ein, entspricht also in diesem Stadium ihrer Lage nach der A. ischiadica niederer Vertebratenformen. Bevor sie den Plexus sacralis passirt, giebt sie einen Ast ab, der an den Aesten des Lumbalplexus vorbei, der Innenfläche der seitlichen Bauchwand angeschlossen, kopfwärts zieht. Embryo No. 43. Die Arterien dieses Embryo unterscheiden sich nicht wesentlich von denen des Embryo No. 42. Nur im Gebiete der Aortenbogen ist insofern ein kleiner Fortschritt zu verzeichnen, als die Strecke der dorsalen Aortenwurzel zwischen 3. und 4. Aortenbogen zu einem fadendünnen Gefässe geworden ist und sich der 6. Aortenbogen der linken Seite von der Stelle des Abganges der linken A. pulmonalis an bis zur dorsalen Aortenwurzel ebenfalls so sehr verengert hat, dass er kaum mehr fortlaufend nachzuweisen ist. Eine A. mesenterica inferior war bei diesem Embryo nicht nachzuweisen. Embryo, etwasälter als No. 43. Derselbe lässt nur erkennen, dass die A. subclaviae bereits von den dorsalen Aortenwurzeln ent- Springen. Um die Verhältnisse des Aortenbogens und Anderes verfolgen zu können, dazu ist der Conservirungszustand ein unzureichender. 1) Der eine Zweig dieser Arterie legt sich der V. omphalo-mesenterica an, lässt sich aber nur durch wenige Schnitte verfolgen, er dürfte der späteren A. hepatica entsprechen, der andere Zweig dringt in das dorsale Magengekröse ein und versorgt den Magen mit Zweigen, aus ihm dürfte die A. gastro-lienalis des fertigen Zustandes hervorgehen. 29 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. Dun] Embryo No. 44. Die Verhältnisse der Aortenbogen sind hier in der Entwickelung schon so weit fortgeschritten, dass der rechte 6. Aortenbogen von der Ausmündung der A. pulmonalis dextra an geschwunden ist und die Carotidenbogen mit den dorsalen Aortenwurzeln nicht mehr zusammenhängen. Ferner sind die A. subclaviae an den dorsalen Aortenwurzeln so weit cranialwärts gerückt!), dass die rechte in die directe Fortsetzung des 4. Aortenbogens ihrer Seite zu stehen kommt, während die linke der Mündungsstelle des Ductus arteriosus Botalli gegenübersteht. Dagegen besteht die rechte dorsale Aortenwurzel von der Ausmündung der A. subclavia an caudalwärts noch als ein ganz dünnes Gefäss. Die Armarterien haben sich dem definitiven Zustande bereits insofern genähert, als-sie sich nach Abgabe der A. thoracica longa mit dem N. radialis auf die Dorsalseite des Oberarmknorpels begeben, von hier aus über seine Radialseite in die Ellbogenbeuge gelangen und weiter entlang dem Knorpel des Radius sich über den Vorderarm fortsetzen. In die Ellbogenbeuge giebt jede A. brachialis einen Ast ab, der, ulnarwärts ziehend, sich an den N. medianus anschliesst und rückläufig bis in den Canalis supracondyloideus verfolgen lässt. Auch eine als A. interossea zu bezeichnende Arterie ist eine Strecke weit zwischen den beiden Vorderarmknorpeln zu verfolgen. Die Arterien des Darmkanales verhalten sich wie bei No. 42. Ueber die gänzlich collabirten Arterien der Hintergliedmassen ist nichts zu berichten. Embryo No. 43. Bei diesem Embryo ist die rechte dorsale Aortenwurzel bereits geschwunden. Der Ductus arteriosus Botalli ist noch erhalten. An jeder Carotis communis geht nahe der Stelle, an welcher sie aus der A. anonyma resp. aus der Aorta entspringt, ein Zweig hervor, der etwas medianwärts vom Schultergelenk an der Innenfläche des Claviculare caudalwärts zieht: offenbar ist dieser Zweig die Anlage der A. mammaria interna. Die Arterien der Vordergliedmassen verhalten sich ähnlich wie bei No. 44, doch lässt sich bei diesem Embryo auch noch der distale Abschnitt einer A. interossea nachweisen, die sich in ein den Carpus zwischen Ulnare und Intermedium durchsetzendes, bis auf den Handrücken verfolgbares Gefäss fortsetzt. Die Topographie dieses Gefässes zu den Elementen des Carpus ist aus der einen Flachschnitt durch den Vorderarm und die Hand darstellenden Fig. 5, Taf. XVI, zu entnehmen. Dabei erkennt man, dass seine Lage mit der Lage der bei Ornithorhynchus vom Vorderarm auf den Handrücken übergehenden Hauptarterie des Vorderarmes vollkommen übereinstimmt. Bezüglich der Arterien der Hintergliedmassen ist, da dieselben ganz blutleer und zusammengefallen sind, nur so viel mit Sicherheit zu eruiren, dass schon eine schwächere A. iliaca externa und eine starke A. iliaca interna, die sich als A. umbilicalis fortsetzt, vorhanden sind. Diese beiden Arterien entspringen jederseits aus einer ganz kurzen A. iliaca communis. Es ist also in diesem Stadium noch ein indifferenter Zustand der Endäste der Aorta erhalten, aus dem sich der definitive Zustand derselben erst noch ent- wickeln muss. Bezüglich des Beuteljungen No. 46 konnte ich nur feststellen, dass der Ductus arteriosus Botalli bereits obliterirt ist. Ein genaueres Verfolgen der einzelnen Arterien war wegen mangelnder Blutfüllung derselben nicht möglich. Bei dem Beuteljungen No. 47 verhalten sich die einzelnen Arterienstämme im Wesentlichen schon genau so wie beim Erwachsenen, und es ist daher überflüssig, dieselben eingehender zu schildern. Nur bezüglich der A. occipitalis, deren eigenthümlichen Verlauf durch einen mehrfach gebogenen Kanal ı) Dass dieses Cranialwärtsrücken nur ein scheinbares ist, habe ich an anderer Stelle (7) zu zeigen versucht. Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 30 {02} 21 des Schädeldachknochens beim Erwachsenen HyrTr schon richtig beschreibt, will ich erwähnen, dass diese Arterie bei No. 47 im Gebiete der knorpeligen Labyrinthkapsel noch ganz oberflächlich, dem Perichondrium angeschlossen, nach vorn verläuft, sich dann aber zwischen das bereits knöchern angelegte Squamosum und den Labyrinthknorpel einschiebt und an der medialen Seite des Squamosum in der Richtung gegen die Orbita zu weiter verläuft. Offenbar wird diese Arterie später vollständig vom Knochen des Schädel- daches umwachsen und kommt so in einen Knochenkanal zu liegen. Venensystem. Ueber das Venensystem der Monotremen liegen nur sehr spärliche Angaben vor, und auch diese sind in vielen Punkten nicht zutreffend. Es erklärt sich dies aus den grossen Schwierigkeiten, mit denen die Untersuchung des Venensystems von Objecten verbunden ist, die längere Zeit in Alkohol aufbewahrt worden waren. Eine Injection der Venen von Echidna und Ornithorhynchus ist auch, ausser von REx (18), der den Portalbaum injicirt hat, meines Wissens von keinem Autor versucht worden, und es beziehen sich also sämmtliche Angaben auf durch einfache Präparation gewonnene Befunde. Ich werde auf dieselben an den betreffenden Stellen der Beschreibung näher eingehen. Ich selbst habe mich zur Darstellung der Venen von Echidna und Ornithorhynchus des TEICHMANN’schen Injectionsverfahrens bedient, welches auch bei lange in Alkohol aufbewahrten Objecten, wenn dieselben nur einige Zeit lang vor der Injection im fliessenden Wasser ausgewaschen wurden, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, noch recht gute Resultate liefert. Echidna aculeata. Ueber die Venen der Herzwand von Echidna giebt RösE (Ig) an, dass sie ganz ähnliche Verhältnisse darbieten, wie bei Vögeln. Zwei Venen sollen nach diesem Autor direct in den Vorhof münden, und zwar links vom Limbus Vieussenii in das Spatium intersepto-valvulare, sie führen Blut der Vorhofswand und der Wandung der beiden grossen Arterien. Die Venen der Kammerwand sollen einen gemeinsamen Stamm bilden, der in die hintere Hohlvene mündet. Eine Injection dieses Venenstammes belehrte mich, dass derselbe nur das Blut der dem Diaphragma zugewendeten und der der Herzspitze zunächst gelegenen Partien der cranio-ventralen Kammerwand sammelt. Er setzt sich aus zwei Venenstämmen zusammen, von denen der stärkere, dem rechten Herzrand folgend, mit seinen Zweigen in der Nähe der Herzspitze auf die vordere Fläche der Kammer übergreift, während der zweite in drei Zweige zerfällt, von denen der erste der Grenze zwischen rechter und linker Kammer folgt, der zweite über die dem Diaphragma zugekehrte Fläche der linken Kammer zieht und der dritte dem Rande des Sulcus atrio-ventricularis entlang läuft. Da somit die Zweige dieser grossen Herzvene sich nicht über die ganze Kammerwand verbreiten, sondern einen Theil derselben frei lassen, werden wohl die aus diesem Abschnitte stammenden Venen selbständig in die rechte Vorkammer einmünden. Ausser den Herzvenen münden in den rechten Vorhof die drei Hohlvenen. Die Duplicität der vorderen Hohlvene der Monotremen war schon MECKEL (16) und Owen (17) wohlbekannt. Die beiden Hohlvenen stehen unter einander nicht in directer Verbindung, und es ist daher unrichtig, wenn MECcKEL (I6) a 3ı Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 219 auf Tafel VII in Fig. ı bei Ornithorkynchus eine solche Anastomose, die der V. anonyma sinistra des Menschen entsprechen würde, abbildet und beschreibt, und das Gleiche gilt für Röse (19). Ich habe weder bei Ornithorhynchus noch bei Echidna eine solche Anastomose nachweisen können. Bei Echidna entsteht jede vordere Hohlvene aus dem Zusammenflusse der V. jugularis communis mit der V. subelavia ihrer Seite und nimmt, nachdem sie die obere Brustapertur passirt hat, in der Höhe des I. Intercostalraumes die V. azygos resp. V.hemiazygos auf!). Diese beiden Venen sind gleich stark und vollkommen symmetrisch angeordnet. Sie erstrecken sich über die ganze Länge der Brustwirbel- säule caudalwärts und liegen dabei zu beiden Seiten der Aorta ventral von den Intercostalarterien. Im cranialen Theile der Brustregion divergiren sie ein wenig und legen sich dem seitlichen Rande des M. longus colli an. Da im Bereiche dieser Verlaufsstrecke die Aorta nach links hin verlagert erscheint, legt sich ihr hier nur die V. hemiazygos an. Untereinander hängen die beiden Venen durch Anastomosen nirgends zusammen. In sie ergiessen die V. intercostales, mit Ausnahme der zwei ersten jeder Seite, die sich wahrscheinlich an die V. vertebralis anschliessen, ihr Blut. Die Intercostalvenen begleiten in der Regel paarig die entsprechenden Arterien und bilden dabei diese umfassende Anastomosen. Caudalwärts stehen sowohl die V.azygos als auch die V. hemiazygos durch je eine dünne, zwischen mittlerem Zwerchfell- schenkel und M. psoas passirende Vene mit der V. renalis ihrer Seite in Verbindung. Ausser der V. hemiazygos resp. azygos mündet in jede Hohlvene, dort, wo sie aus dem Zusammenflusse der V. jugularis communis und der V. subclavia entsteht, von der Ventralseite herkommend, die V. mammaria interna und um etwas weniges weiter caudal, von der Dorsalseite her, die V. vertebralis ein. Die letztere begleitet die A. vertebralis und kreuzt die A. subelavia an deren dorsaler Seite. Die V. subclavia entsteht aus dem Zusammenflusse der die A. axillaris begleitenden Venen und der V. thoracica longa, welch letztere einen ganz kurzen mächtigen Gefässstamm bildet, der in einem das Gefässbündel der A. thoracica longa begleitenden Venenplexus wurzelt. Die V. jugularis communis wird durch die Vereinigung der inneren und äusseren Jugularvene gebildet. Sie verläuft von ihrem Beginne an mit der A. cervicalis, unmittelbar an das Scapulare an- geschlossen. Die V. jugularis interna besitzt zwei Wurzeln (vgl. Fig. 15, Taf. XVII. Die eine, als V. oceipitalis zu bezeichnende, kommt aus einer an der Grenze zwischen Squamosum und Hinterhaupt befindlichen, ziemlich weiten Oeffnung hervor, in die auch die A. oceipitalis eindringt. Von dieser Oefinung aus gelangt man in zwei grössere Kanäle. Der eine von diesen führt in die Schläfengrube, und durch denselben verläuft ein Wurzelast der Vene, der wahrscheinlich mit dem Venenplexus zwischen den Kau- muskeln zusammenhängt. In den anderen Kanal, über dessen Verlauf Hyrrr (ır) Näheres angiebt, dringt die A. occipitalis, von Venenzweigchen begleitet, ein. Die V. occipitalis kommt nun, begleitet von der Arterie, an der Seitenfläche des Schädels herunter und vereinigt sich dort, wo sie den N. facialis an seiner Austrittsstelle aus seinem Knochenkanal passirt, mit einer ungefähr gleich starken, mit dem N. facialis aus dem Canalis facialis hervorkommenden Vene (Fig. 15*) zur V. jugularis interna. Diese zweite, mit dem N. facialis hervorkommende Vene ist, wie ich gleich vorausschicken will, als ursprüngliche Hauptwurzel der inneren Jugularvene zu betrachten. Die V. jugularis interna verläuft nun zuerst, angeschlossen an die A. occipitalis, unter dem Ansatze des M. trachelo-mastoideus?) hinweg und gelangt schliesslich an den Hauptstamm der A. carotis interna. Während dieser kurzen Verlaufsstrecke I) Dies war OWEN (17) bereits bekannt: „Each of the superior V. cava receives the azygos vein of its respective side.“ 2) Derselbe wurde nach Durchtrennung des Muskels an dem der Fig. 15 zu Grunde liegenden Präparate vollständig entfernt. 220 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 32 hängt sie durch eine Anastomose (Fig. 15 d) mit dem die Aeste der A. cervicalis begleitenden Venenplexus zusammen. Weiterhin schliesst sie sich dann in ihrem Verlaufe an die A. carotis communis und an den N. vagus in der für die innere Jugularvene charakteristischen Weise an. Die V. jugularis externa besitzt mehrere Wurzeln. Eine Wurzel wird gebildet von einer von der Oberkiefergegend der Schnauze herkommenden, den unteren Rand des Oberkieferknochens, entsprechend einer am macerirten Object leicht erkennbaren Einziehung, und weiter den Unterkiefer in schiefem Ver- laufe passirenden Vene (Fig. 15 und Iı a), welche sich mit einer aus der Orbita herunterkommenden Vene (Fig. ı1 b), etwa entsprechend dem Ende des mittleren Drittels des Unterkiefers, am vorderen Rande des M. masseter vereinigt. Diese Orbitalvene wurzelt in einem Fächer von Zweigen, die am oberen Rande des M. temporalis aus diesem Muskel, sowie aus einer am oberen Orbitalrand hervortretenden V.diploica Aestchen aufnehmend, sich ausbreiten, und verläuft lateral vom Bulbus, an die mediale Fläche der Jochbrücke an- geschlossen, tritt schliesslich am unteren Rande derselben hervor, um sich mit der anderen, von der Schnauze herkommenden Vene zu vereinigen. Dort, wo diese V. orbitalis superior die Jochbrücke passirt, mündet in sie eine mächtige, unter dem Bulbus vorbeiziehende, sinuös erweiterte, da oder dort eine Insel bildende Vene (Fig. 15) ein, die ihrer Lage nach als V. orbitalis inferior bezeichnet werden kann. Diese Vene lässt sich, zum Theil verdeckt vom 2. Aste des N. trigeminus, in der Orbita nach rückwärts verfolgen, von wo aus sie, mit dem 2. Aste des N. trigeminus in die Schädelhöhle eindringend, mit dem Sinus caver- nosus, die Hauptabflussbahn desselben bildend, zusammenhängt. Der so aus dem Zusammenflusse der aus der Orbita, vom Mundhöhlenboden (Fig. IIc) und Ober- kiefer herkommenden Venen gebildete Gefässstamm kann nun schon als V. facialis antica bezeichnet werden. Indem diese Vene in schiefer Richtung gegen den vorderen Rand des Kopfnickers zu absteigt, mündet sie etwa I cm vom Unterkiefergelenke entfernt mit der V. facialis postica zusammen. Diese Vene wieder setzt sich aus zwei Wurzelzweigen zusammen. Der eine (Fig. I5e) kommt aus der Lücke zwischen M. masseter und dem M. depressor maxillae inferioris (M. digastricus) hervor, er lässt sich nach Entfernung der Jochbrücke, in einen zwischen dem schwachen M. temporalis und dem M. pterygoideus externus gelegenen Venenplexus übergehend, verfolgen. Dieser Plexus wieder hängt durch eigene Anastomosen mit den beiden Orbitalvenen zusammen. Die zweite Wurzel der V. facialis postica bildet einen Venenplexus, der an der medialen Seite des Kiefergelenkes vorbeizieht und durch zwei Zweige mit dem zwischen M. pterygoideus externus und M. temporalis gelegenen Venenplexus zusammenhängt. Der eine dieser Zweige verläuft zwischen M. pterygoideus externus und M. pterygoideus internus, der andere aber näher dem Knochen, zwischen M. pterygoideus einer- und N. lingualis und N. mandibularis andererseits. An diese zweite Wurzel der V. facialis postica schliessen sich eine Reihe kleinerer, aus der Tiefe von der Schlundwand und dem Gaumen herkommender Venenzweige an. Durch die Vereinigung der beiden V. faciales entsteht die V. jugularis externa (Fie. 15), die nun, in schiefer Richtung absteigend, den Kopfnicker kreuzt. In der Verlaufsstrecke bis zum vorderen Rande dieses Muskels giebt die Vene einen Zweig ab, der die der Glandula sublingualis anderer Formen entsprechende Speicheldrüse kreuzt und, in schief caudalwärts gerichtetem Verlaufe in der Mittellinie an- gelangt, sich mit dem gleichen Zweige der Gegenseite zu einem unpaaren Stamme vereinigt. Dieser so entstehende, kurze Venenstamm, den man seiner Lage nach als V. mediana colli (Fig. ır) bezeichnen könnte, zieht geradeswegs caudalwärts gegen das Episternum und senkt sich hier in den weiter unten zu erwähnenden, die beiden V. jugulares externae mit einander verbindenden Venenbogen ein. In diese V. mediana colli, sowie in ihre beiden Wurzeläste münden Venenzweige aus den beiden in der Nachbar- schaft gelegenen Speicheldrüsen. 33 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 221 Am hinteren Rande des M. sterno-cleido-mastoideus angelangt, schliesst sich die Vene in ihrem weiteren Verlaufe an die A. cervicalis an. Indem sie dieser Arterie folgend in die Tiefe steigt, nimmt sie, bevor sie sich der Innenfläche der Clavicula anlagert, einen die A. cervicalis und ihre Aeste begleitenden mächtigen Venenplexus, sowie die mächtige V. cephalica und eine nicht unbedeutende subcutane Vene (Fig. ıı k) auf. Diese durch die Aufnahme so vieler bedeutender Seitenzweige sehr mächtig gewordene Vene vereinigt sich nun dorsal von dem die Gelenkspfanne bildenden Theile des Scapulare mit der um vieles schwächeren V. jugularis interna. Die V. cephalica wurzelt mit zwei Aesten, die an der Radialseite des Vorderarmes emporziehen. Sie verläuft entlang dem dorsalen Rande des M. deltoides kopfwärts, um über die Clavicula hinweg in die V. jugularis externa einzumünden. In die V. cephalica mündet, von der Ventralseite herkommend, eine Hautvene der Brustgegend, von der Dorsalseite her eine Vene, welche aus der Tiefe zwischen M. supra- et infraspinatus aufsteigt. Diese Vene hängt am dorsalen Rande des M. deltoides mit einer parallel der Clavicula unter der oberflächlichen Muskelschicht (M. pectoralis major und M. deltoides) verlaufenden Vene zusammen, von der ein Wurzelzweig, zwischen M. pectoralis major und M. deltoides hervorkommend, mit dem entsprechenden Zweig der Gegenseite zu einem kurzen medianen Stamme (Fig. Iı m) zusammenfliesst, der kopfwärts wieder in den die beiden V. jugulares externae verbindenden Venenbogen einmündet, während ein zweiter mächtiger Wurzelzweig am lateralen Rande des M. rectus abdominis absteigt und mit den beiden die A. thoracica longa und ihre Zweige begleitenden Venenplexus zusammenhängt. Die entlang der Clavicula, bedeckt von den Ansätzen des M. pectoralis major und M. deltoides, verlaufende Vene hängt aber auch noch durch eine mächtige, zwischen M. supraspinatus und M. supracoracoideus (M. epicoraco- humeralis (MivarT) gelegene, kurze, caudal von der Clavicula vorbeiziehende Anastomose mit der V. jugularis externa zusammen. Dorsal von der Clavicula und dem Episternum, zwischen diesen Knochen und den vom Zungenbein herabsteigenden Muskeln besteht ein die beiden V. jugulares externae verbindender Venenbogen (Fig. ır), der ausser den schon früher erwähnten Venen auch noch kleinere Zweige aus der Umgebung von den Muskelursprüngen und von den Knochen aufnimmt. Sinus durae matris. Das Blut des Schädelinneren benützt bei Echidna drei Wege, um nach aussen zu gelangen. Der eine Weg führt, wie schon erwähnt, in die V. orbitalis inferior, der zweite ‚Weg durch das Foramen occipitale magnum in die Geflechte der Wirbelvenen und der dritte endlich durch die mit dem Facialis verlaufende Vene in die V. jugularis interna. — Die Enge dieser letzteren Vene lässt schon erkennen, dass der grösste Theil des Hirnblutes die beiden anderen Wege benützen wird. Diese bilden die Abzugskanäle für ein Paar basaler Längssinus, die in ihrem vorderen Gebiete als Sinus cavernosi, in ihrem der hinteren Schädelgrube entsprechenden aber als Sinus petro-basilares bezeichnet werden können. Der Sinus cavernosus erstreckt sich von der Oeffnung des Schädels, durch welche der zweite Ast des Trigeminus denselben verlässt, an der Seite der Sattelgrube, lateral bedeckt vom Ganglion Gasseri und dem Stamme des Trigeminus, nach rückwärts und geht direct in den Sinus petro-basilaris über, der zwischen der Pars basilaris occipitis und der Schläfenbeinpyramide nach rückwärts bis an die mediale Seite der Austrittsstelle des N. glossopharyngeus, Vagus und Accessorius, ohne jedoch mit diesen Nerven einen Venenast nach aussen zu schicken, gelangt, um sich von hier aus über den Gelenkstheil des Hinterhaupts- beines fortzusetzen und so das Foramen occipitale magnum zu gewinnen. In den der hinteren Schädel- grube angehörigen Abschnitt dieses basalen Längssinus münden nahe seinem Uebergange in den eigent- Jenaische Denkschriften. V. 5 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 30 222 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 34 lichen Sinus cavernosus nach einander drei Venenstämmchen ein, die, alle drei vom Kleinhirn kommend, als V. cerebelli posterior, V. cerebelli superior und V. cerebelli anterior bezeichnet werden können. An die erste schliessen sich Zweigchen von der Medulla oblongata, an die zweite solche von der Brücke und an die dritte, die sich bei ihrem Verlaufe vom Kleinhirn herunter dem Grosshirnstiele anlegt, Zweigchen aus diesem Hirnteile an. In den Sinus cavernosus selbst münden Venen, von der basalen Fläche des Stirn- und Schläfenlappens des Grosshirns herkommend, ein. Ausser dem Paare basaler Längssinus bestehen aber noch zwei andere Sinus, von denen der eine, als Sinus longitudinalis superior zu bezeichnende, sein Blut in die beiden Sinus cavernosi ergiesst. Dieser Sinus longitudinalis (Fig. 12, Taf. XVII) wurzelt in einer Vene, deren Würzeln aus der Tela chorioidea über dem Zwischenhirndache hervorkommen. Diese Vene steigt senkrecht zwischen den beiden medialen Flächen der Hemisphären auf und wendet sich, nachdem sie die Schädelwölbung erreicht hat, als Sinus sagittalis superior, genau in der Medianebene verlaufend, nasenwärts. — Am vorderen Ende der Schädelhöhle angelangt, biegt der Sinus auf die Siebplatte um, verläuft weiter auf derselben, stets genan median gelagert, nach rückwärts bis zur vorderen Begrenzung der Sattelgrube Hier gabelt sich der Sinus, indem er sich, in dem vorderen Abschnitte der Sattelgrube an die Hypophysis cerebri angelagert, in zwei Schenkel theilt, die jederseits durch eine eigene in der knöchernen Seitenwand der Sattelgrube be- findliche Oeffnung passiren. Diese beiden Aeste des Sinus longitudinalis, die von den beiden Sehnerven durchsetzt werden, münden, gewissermassen deren Wurzeln bildend, in die Sinus cavernosi der beiden Seiten. Knapp vor der Stelle, wo der Sinus longitudinalis von der Schädelwölbung aus auf die Siebplatte umbiegt, nimmt er (Fig. 12*) einen Sinus auf, der, in querer Richtung in ihn einmündend, zunächst einer Leiste des Schädeldaches folgt, welche jenen Blindsack der Schädelhöhle, in welchen der Bulbus olfactorius eingelagert ist, nach rückwärts und obenhin begrenzt, um dann weiter im Bogen in der Richtung gegen die Schädelbasis zu verlaufen. Am macerirten Object ist diese Verlaufsstrecke des Sinus durch eine seichte Furche an der seitlichen Wand der mittleren Schädelgrube gekennzeichnet. In sein Mündungsstück er- giessen drei grössere Venen von der convexen Oberfläche des Grosshirns ihr Blut!). In seine periphere Strecke münden zuerst noch zwei Venen von der seitlichen und unteren Partie des Stirnlappens und Schläfen- lappens, wenn man von einem solchen hier überhaupt sprechen kann, und dann mehrere kleine Venen von der Convexität des Stirnlappens.. Auch die Venen des Bulbus olfactorius münden in diesen Sinus. In die der Siebplatte angelagerte Partie des Sinus longitudinalis superior mündet ferner, wie aus Fig. 12 ersicht- lich ist, eine Vene der medialen Fläche des Stirnhirns ein. Ohne irgend welche Verbindung mit den bis jetzt beschriebenen Sinus besteht ein Sinus, der, ob- wohl er beim erwachsenen Thiere eine andere Lage hat, als der Sinus transversus anderer Formen, doch als Sinus transversus bezeichnet werden kann, wie dies später genauer begründet werden soll. Von welchen Hirnpartieen dieser Sinus das venöse Blut sammelt, vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen, da mir eine Injection der in ihn mündenden Hirnvenen nicht gelungen ist. Wahrscheinlich sind es die hinteren seit- lichen und die hinteren oberen Partieen des Grosshirns, die ihr Blut in ihn entsenden. Die Füllung dieses Sinus mit Injectionsmasse gelang mir nur in dem Teile seines Verlaufes, der auch schon ohne Injection leicht aufzufinden ist und der sich auch am macerirten Object durch eine Knochenrinne kenntlich macht. Diese Knochenrinne beginnt an der Schuppe des Schläfenbeins, zieht sich in leicht gebogenem Verlaufe !) In dem der Fig. 12 zu Grunde liegenden Präparate mündete übrigens eine von den drei Venen direct in den Sinus longitudinalis ein. 35 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 223 bis zur Vereinigung der Schläfenbeinschuppe mit der Pyramide herab und folgt hierauf der Grenze zwischen diesen beiden Abschnitten des Schläfenbeins, sich immer mehr vertiefend, bis zu einer vor dem Petrosum befindlichen Oeffnung. In dieser Knochenrinne liegt der Sinus transversus. Er folgt somit bei Echidna nicht dem Ansatze des Tentoriums. Aus seiner Rinne gelangt nun der Sinus durch die früher erwähnte Oeffnung in einen Knochenkanal, der sich mit dem Kanale des N. facialis vereinigt, so dass sich dieser Nerv an die in dem Knochenkanal verlaufende Vene anlagert und mit ihr in demselben weiter verläuft. An den die laterale Partie der oberen Trommelhöhlenwand vorwölbenden Knochenkanal schliesst sich dann, indem seine untere Wand verloren geht, eine am macerirten Object gegen die Trommelhöhle zu offene Rinne an, aus der die beiden in derselben verlaufenden Gebilde, der N. facialis und die Vene, durch eine dem Foramen stylo-mastoideum des Menschen vergleichbare Oeffnung nach aussen gelangen. Dass sich die Vene hier mit der V. oceipitalis zur V. jugularis interna vereinigt (vgl. Fig. 15), wurde bereits früher erwähnt. Die hintere Hohlvene verhält sich während ihres Verlaufes innerhalb des Thorax so, wie bei anderen einen infracardialen Lungenlappen besitzenden Thieren. Der Leberabschnitt der Vene erscheint weiter als ihre thoracale Endstrecke (vgl. auch H. Rex, 18), doch ist von einer Erweiterung, wie sie bei Ornithorhynchus und anderen tauchenden Säugethieren gefunden wird, keine Rede. Von der linken Niere an caudalwärts ist die hintere Hohlvene paarig. Ihre Wurzeln bilden die die Endzweige der Aorta be- gleitenden Venengeflechte und zwar in der Weise, dass die linke V. cava posterior in dem die A. saphena und A. cruralis begleitenden Venenplexus wurzelt, während die rechte nicht nur diesen Plexus ihrer Seite, sondern auch noch die beiden Plexus venosi, welche die Zweige der A. iliacae internae begleiten, aufnimmt. Doch hängt der Plexus venosus A. iliacae externae der linken Seite dort, wo er in die V. cava posterior seiner Seite übergeht, durch zwei Anastomosen mit dem Plexus venosus der A. iliaca interna seiner Seite zusammen. Diese Verhältnisse sind aus der Fig. 16 (Taf. XVIII), die nach einem Präparate entworfen wurde, an welchem die Venenwandungen sehr stark zusammengezogen waren und dem Injectionsdrucke nicht nachgegeben hatten, leicht zu entnehmen. In der Höhe der linken Niere vereinigen sich die beiden Hohlvenen zu einem sackartig erweiterten Stamme, in den linkerseits die V. renalis und die V. spermatica interna (resp. V. ovarica) einmündet. Und zwar ergiesst sich das letztere Gefäss gerade in den Winkel zwischen V. renalis sinistra und Hohlvenenstamm. Rechterseits mündet die V. spermatica interna kopfwärts von der Mündung der linken Nierenvene in die V. cava posterior, und noch weiter kopfwärts erst erfolgt die Mündung der V. renalis dextra. In die V. renalis sinistra mündet die V. suprarenalis sinistra (Fig. 13). Von einer V. suprarenalis dextra kann nicht gesprochen werden, da die rechte Nebenniere dem Stamme der hinteren Hohlvene so innig anliegt, dass sich die Venen dieses Organs direct in die hintere Hohlvene ergiessen. KLAATSCH (12) giebt p. 612 an, dass beide Nebennieren der hinteren Hohlvene anliegen, dies ist jedoch unrichtig und ent- spricht den Thatsachen in keiner Weise. Während die Zusammenflussstelle der beiden hinteren Hohlvenen sich ziemlich genau median, ventral von der Aorta, dieselbe aber nach beiden Seiten hin überragend, befindet, schiebt sich der nun einheitliche Hohlvenenstamm von dieser Stelle an allmählig, indem er sich der rechten Niere nähert, nach rechts und kommt so, allerdings noch immer ventral von ihr, aber doch vollständig an die rechte Seite der Aorta zu liegen. In dieser Verlaufsstrecke bis zum Uebergange in die Leber kommt die Hohlvene in die Wurzel einer Gekrösplatte zu liegen, die als Leberhohlvenengekröse bezeichnet werden muss. Nach KrAATscH (12) soll die hintere Hohlvene (p. 613) „vollständig im Bereiche des dorsalen Darmgekröses“ liegen. Dies ist jedoch unrichtig und wegen der rechtsseitigen Lage der Vene auch gar nicht gut möglich. Und wenn KLAATSCH weiter (p. 615) sagt, die V. cava posterior liege weiter caudal im Mesorectum, so kann man gegen 5* 30* Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 36 224 diese Behauptung nur anführen, dass KraaTscH die hintere Hohlvene von Echidna nie präparirt hat!) und daher auch nicht gesehen hat, dass das Gefäss in seiner caudal von der linken Niere befindlichen Verlaufs- strecke paarig zu beiden Seiten der Aorta gelagert ist und somit auch nicht in dem median haftenden Mesorectum gelegen sein kann. Dass mit dem Nachweise der Unrichtigkeit der Angaben KraATscH’s über die Lage der hinteren Hohlvene auch die von diesem Autor aus dem von ihm geschilderten Verhalten der hinteren Hohlvene zu den Gekrösen gezogenen Schlussfolgerungen hinfällig werden, braucht wohl nicht des Näheren ausgeführt zu werden. In den paarigen Abschnitt der hinteren Hohlvene münden jederseits zwei die betreffenden Arterien begleitende Lumbalvenen ein. Anastomosen zwischen den Lumbalvenen der beiden Seiten konnte ich an dem der Fig. 16 zu Grunde liegenden Präparate nicht auffinden. Ich selbst habe an anderer Stelle (9) eine, durch Abbildung?) (l. c. Fig. 27, Taf. XXI) illustrirte Schilderung der hinteren Hohlvene und ihrer Aeste von Bchidna geliefert, die mit der vorliegenden Beschreibung nicht in allen Punkten übereinstimmt. Nach den jetzt an mehreren Exemplaren gewonnenen Erfahrungen handelte es sich in dem meiner ersten Be- schreibung zu Grunde liegenden Präparate um ein abnormales Verhalten. Echidna verhält sich also rück- sichtlich seiner hinteren Hohlvene ähnlich wie Pteropus oder Phoca und zeigt nur insofern ein etwas modi- ficirtes Verhalten, als die Wurzelverhältnisse der beiden hinteren Hohlvenen asymmetrisch sind. Pfortader. Ueber die Pfortaderverzweigungen der Leber von Echidna hystrix liefert Rex (18) eine eingehende, durch eine Abbildung (1. c. Taf. XXI, Fig. 12) illustrirte Beschreibung, der ich nichts hinzuzufügen habe. BEDDARD (I) beschreibt eine Vene, die er für ein der Abdominalvene der Reptilien und Amphibien ent- sprechendes Gefäss hält, die in den Wandungen der Harnblase wurzelt und die sich in der Mitte der vorderen Bauchwand und durch das Ligamentum triangulare hepatis, dessen freiem Rande folgend, zur Leber begiebt, wo sie in einen Pfortaderast mündet. Rex, dem die Angaben BEDDARD’s nicht bekannt waren, giebt an, dass das Ligamentum teres hepatis bei Echidna eine Strecke weit wegsam sei. Ich selbst (10) konnte die Angaben BEDDARD’s im Wesentlichen bestätigen und kann nun noch hinzufügen, dass auch das, was BEDDARD über die Wurzelzweige der Vene sagt, den Thatsachen entspricht. Leider kann ich auch jetzt über die Natur der Vene noch keine bestimmten Angaben machen, da das mir zu Gebote stehende Embryonenmaterial eine Beantwortung der Frage nicht ermöglichte. Nur neige ich jetzt, nachdem ich die Verhältnisse der Nabelvene bei Embryonen von Echidna gesehen habe, doch noch mehr als früher (ro) der Meinung zu, dass die Abdominalvene BEDDARD’s nichts Anderes ist, als die V. umbilicalis, die sich mit Harnblasenvenen in Verbindung gesetzt hat. Der Stamm der V. portae verläuft eingebettet in eine Rinne des Pankreas, von wo aus er in das Ligamentum hepato-duodenale und durch dasselbe zur Leberpforte gelangt. Er bildet die unmittelbare Fort- setzung der V. mesenterica superior, die in ihrer proximalen Verlaufsstrecke der Dünndarmseite der A. mes- enterica superior und der Ventralseite ihrer Dünndarmäste aufliest. Dort, wo sich die V. mesenterica su- perior von der gleichnamigen Arterie entfernt, indem sie sich mehr nach rechts hin wendet, mündet in sie, die A. mesenterica superior überkreuzend, von Pankreassubstanz umhüllt, ein kurzer Venenstamm ein, der aus dem Zusammenflusse der V. mesenterica inferior mit der V. gastro-lienalis entstanden ist. Die V. mesenterica inferior steigt in dem kurzen Mesorectum, nahe dem Enddarme verlaufend, auf und nimmt sowohl von diesem Darmabschnitte, als auch von dem dem Mesorectum angehefteten Milz- 1) Dies ergiebt sich übrigens auch ohne weiteres, wenn man KLAATscH’s Fig. ı auf Taf. XXII mit meiner Fig. 16 vergleicht. 2) Das betreffende Präparat wird in der Sammlung des ı. anatomischen Instituts aufbewahrt. 37 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 225 lappen zahlreiche Zweige auf, indem sie in das kurze Gekröse des letzteren einen sich weiter cranial- wärts wieder mit ihr vereinigenden und so eine Insel bildenden Ast abschickt. Es zeigen also auch die Venen dieses caudalen, an das Mesorectum angehefteten Milzlappens Verhältnisse, die übereinstimmend mit dem Verhalten der Arterien auf einen sehr frühzeitigen Anschluss des diese Partie der Milz tragenden Ab- schnittes des grossen Netzes an das Enddarmgekröse schliessen lassen. Die V. gastro-lienalis, welche in der dorsalen Platte des Netzbeutels verläuft, entsteht aus dem Zusammenflusse zweier Zweige. Der eine sammelt (mit mehreren Aestchen) das Blut vom Magenfundus (V. gastricae breves) und von dem linken Abschnitte der grossen Magencurve (V. gastro-epiploica sinistra), nimmt aber auch je einen kleinen Ast von dem cranialen und dem ventralen Milzlappen auf. Der zweite Zweig (R. lienalis) läuft dem ventralen Milzlappen entlang, aus diesem und dem grossen Netze Zweige auf- nehmend. Eine Anastomose zwischen den Milzzweigen dieser Vene und denen der V. mesenterica inferior für den caudalen Milzlappen liess sich nicht nachweisen !). In den Pfortaderstamm mündet ferner, ebenfalls von links herkommend und von Pankreassubstanz umgeben, ein Venenstamm ein, der sich wieder aus zwei Zweigen zusammensetzt, von denen der eine, da er von der grossen Magencurve herkommt, als V. gastro-epiploica dextra, der andere, welcher der kleinen Magencurve entlang läuft, als V. gastrica dextra bezeichnet werden kann. Sowohl die letztgenannten Venen- zweige, als auch die V. gastro-lienalis nehmen, soweit sie mit Theilen des Pankreas in Berührung stehen, Zweige aus diesem Organe auf. In den Winkel, den der Stamm der V. mesenterica superior mit dem gemeinsamen Stamme der V. gastro-lienalis und der V. mesenterica inferior bildet, oder noch in den letzteren Gefässstamm mündet eine Vene des Dickdarmes ein, die der V. colica media des Menschen verglichen werden könnte. Sie bezieht ihr Blut aus der an die Umbeugungsstelle des Dickdarmes magenwärts anschliessenden Partie desselben. Caudalwärts ins Gekröse verfolgt, spaltet sich der Stamm der V. mesenterica superior in zwei Zweige, die, nebeneinander herlaufend, schliesslich wieder mit einander zur Vereinigung kommen und so eine ganz schmale, lange Veneninsel bilden, die eventuell durch Anastomosen zwischen den beiden sie begrenzenden Venenschenkeln unterbrochen wird. In die periphere Vereinigungsstelle der beiden Venenschenkel münden zwei mit dem Endast der A. mesenterica superior und seinen beiden Zweigen verlaufende Venen, in den dem Mitteldarm zugekehrten Schenkel die zahlreichen V. jejunales et ilei, sowie die V. pancreatico-duodenalis inferior. In den dem Dickdarm zugekehrten Venenschenkel endlich mündet zuerst ganz peripher eine aus zwei Zweigen sich zusammensetzende V. ileo-colica und dann weiter central neben einander zwei Venen des Dickdarmes. Ueber die Venen der Extremitäten von Bchidna vermag ich gar nichts Näheres anzugeben, da mir eine Injection derselben nicht gelungen ist. Ornithorhynchus paradoxus. Venen des Kopfes und des Halses (Taf. XIX, Fig. 19). Bei Ornithorhynchus besitzt die V. jugularis externa zwei Wurzelzweige, der eine kann als V. facialis, der andere als V. submaxillaris bezeichnet werden. Die V. facialis besitzt ihrerseits wieder zwei Wurzeln, die schwächere verläuft, vom Oberschnabel herkommend, entlang der oberen Begrenzung der Backentaschen, die andere, wir nennen sie V. orbitalis, bildet die Fortsetzung einer sinuös erweiterten 1) Bei einem meiner Exemplare mündete auch ein Venenzweig, von der linken Abtheilung der kleinen Magencurve her- kommend, in den die V. gastricae breves aufnehmenden weiter cranialwärts gelegenen Ast der V. gastro-lienalis. 226 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 38 Vene der Orbita, die unter und hinter dem Bulbus zwischen ihm und dem M. temporalis lagert. Die V. orbitalis nun verlässt, über den oberen Rand des Jochbogens wegziehend (Fig. 13, Taf. XVII), die Orbita und mündet mit der früher erwähnten Vene zusammen. Die V. facialis legt sich nun, indem sie centralwärts verläuft, an die untere Circumferenz des äusseren knorpeligen Gehörganges an. Am caudalen Ende der Backentasche vereinigt sie sich mit der V. submaxillaris, nimmt jedoch vorher noch einen kleinen Zweig von der Backentasche auf. Die V.submaxillaris wurzelt in einer dem hinteren Theile des Unter- kiefers parallel verlaufenden Vene, welche zum Theil von den Muskeln des Mundhöhlenbodens, zum Theil aus den Weichtheilen des Unterkiefers ihr Blut bezieht. Bevor sie zwischen den Muskeln hervorkommt, mündet in sie eine Vene, die den N. mandibularis während seines Verlaufes im Kanal des Unterkiefers begleitet. An diese verhältnissmässig mächtige Vene schliesst sich eine Vene an, die mit dem dritten Aste des Trigeminus den Schädel verlässt, und in welche wieder Zweige aus den M. pterygoidei einmünden. Man könnte diese ganze Ramification als V. maxillaris interna bezeichnen. Ferner münden in die V. submaxillaris eine die A. submentalis begleitende V. submentalis (Fig. 19), eine aus der Tiefe der Zungenmuskeln hervorkommende V. lingualis, ein Venenast von der Unterseite des caudalen Abschnittes der Backentasche (Fig. 19 e), ein aus der Unterkieferspeicheldrüse stammender Ramus submaxillaris und endlich eine Vene, welche paarig die A. carotis externa begleitet (Fig. 19 $). Diese Vene verbindet sich einerseits (Fig. 19 y) mit der V. jugularis interna, andererseits mit einer Vene, die, in der Nähe der Brustapertur beginnend, in Begleitung des N. laryngeus recurrens und weiter der A. trachealis, eines Astes der A. thyreoidea, verläuft, und die ich als V. trachealis bezeichnen will. Sie nimmt Zweige von der Trachea, der Speiseröhre und dem Kehlkopfe auf und befördert das Blut derselben zum grösseren Theil durch die oben erwähnte Verbindung in die V. submaxillaris, zum kleineren Theil durch die Verbindung: dieser die Carotis begleitenden Venen (Fig. 19 ß) mit der V. jugularis interna, in diese. Die V. jugularis interna ist ein ziemlich schwaches Gefäss. Sie tritt mit dem N. facialis aus dem Facialkanale hervor und nimmt sofort eine aus dem Foramen lacerum posticum hervorkommende, an den Schädelknochen angeschlossen verlaufende Vene auf. Hierauf legt sie sich an die A. carotis interna an und nimmt eine diese Arterie begleitende Vene auf, die bis an die untere Oeffnung des carotischen Kanales heran zu verfolgen ist und allem Anscheine nach durch den carotischen Kanal mit dem Sinus eavernosus zusammenhängt. Indem sie die A. carotis interna begleitet, nimmt sie einen Zweig auf, der sie mit dem die Carotis externa begleitenden Venenpaare in Verbindung setzt, verläuft dann weiter an der Theilungsstelle der Carotis communis vorbei und liegt weiterhin dieser Arterie und dem N. vagus an- geschlossen. Nachdem sie die Theilungsstelle der A. carotis communis passirt hat, verbindet sie sich neuerdings durch einen anastomotischen Zweig (Fig. 19 d) mit den beiden Begleitvenen der A. carotis externa. Mit dem N. vagus und der A. carotis communis verläuft dann die V. jugularis interna zur oberen Brustapertur. Diese Strecke der Vene wurde bereits von MECkEL (I6, Taf. V) richtig abgebildet. Die V. jugularis externa überkreuzt von ihrer Bildunssstelle an in absteigendem Verlaufe in schiefer Richtung von diesem Muskel einen Zweig aufnehmend, den M. sterno-cleido-mastoideus. An seinem dorsalen Rande angelangt, gabelt sie sich in zwei Aeste. Der eine stärkere Ast, ihre eigentliche Fort- setzung (Fig. 19, medialer Schenkel), folgt dem dorsalen Rande des Kopfnickers und lagert sich in den Spalt zwischen Kopfnicker und M. cucullaris ein, um schliesslich, gedeckt von der Clavicula, in der Tiefe zu verschwinden. Vorher nimmt sie jedoch noch einen nicht unbedeutenden Zweig auf, der sich mit dem der Gegenseite zu einem, in dem zwischen dem Ansatze des Kopfnickers und zwischen den Unterzungenbein- muskeln befindlichen Zwischenraume, im Anschlusse an Clavicula und Episternum verlaufenden Venenbogen (Fig. 19 ff) verbindet, in welchen Zweigchen von den Muskeln der Umgebung einmünden, und der somit in 39 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 227 jeder Beziehung dem bei Echidna die beiden V. jugulares externae verbindenden Venenbogen entspricht. Der zweite schwächere Ast der V. jugularis externa (Fig. 19, lateraler Schenkel) verläuft in schief dorsal- wärts absteigendem Verlaufe über die vorderste Partie des M. cucullaris und weiter über die Aussenfläche der Clavicula herab, wobei er sich an den vorderen Rand des M. deltoides anlegt, um zwischen diesem Muskel und dem M. pectoralis major in die Tiefe zu dringen und, rechtwinkelig abbiegend, durch den Zwischenraum zwischen Clavieulare und Coracoid in den eigentlichen Hauptstamm der V. jugularis externa, der an der Innenfläche der Clavicula vorbeizieht, einzumünden. An seiner Abknickungsstelle nimmt dieser dorsale Ast der V. jugularis externa eine starke Vene auf, die, von den breiten Rückenmuskeln herkommend, an der Dorsalseite des M. deltoides herabläuft, um schliesslich, gedeckt von diesem Muskel, daher in Fig. 19 nicht ersichtlich, einzumünden. Diese Vene hängt nun durch eine oberflächliche Anastomose (Fig. I9 7) mit dem dorsalen Aste der V. jugularis externa zusammen, und diese Anastomose wieder ver- bindet sich durch eine zweite Anastomose (Fig. 19 77) mit einer entlang dem M. brachio-radialis longus aufsteigenden Vene. Diese Vene, welche in ihrem peripheren Abschnitte, der in oberflächlichen Venen der Radialseite des Vorderarmes wurzelt, an dem der Fig. ı9 zu Grunde liegenden Präparate nicht injicirt war, ist daher in dieser Figur nur in Form eines kurzen Stummelchens (*) ersichtlich. Die eigentliche Fortsetzung dieser Vene verläuft weiter zunächst paarig mit jener die Aeste des N. radialis mit ihren Verzweigungen (in Fig. 19 sind drei solcher Zweige zu erkennen) begleitenden Arterie (vgl. auch p. 206), um dann, am hinteren Rande des M. infraspinatus angelangt, unpaar zu werden und, rechtwinkelig abbiegend, in den dorsalen Ast der V. jugularis externa einzumünden (Fig. 19**). Der letzte Venenast endlich, der sich in diesen dorsalen Ast schon im Gebiete der Lücke zwischen Claviculare und Coracoid, also nahe seiner Mündung, ergiesst, wird gebildet von den Begleitvenen eines Astes der A. subclavia, der im Gebiete der Spalte zwischen M. coraco-brachialis und M. epicoraco-humeralis verläuft (Fig. 19***). Nachdem sich die beiden Aeste der V. jugularis externa wieder vereinigt haben und das nun schon sehr mächtig gewordene Gefäss bis an den cranialen Rand des Coracoids gelangt ist, vereinigt es sich mit der ungleich viel schwächeren V. jugularis interna!) zur V. jugularis communis. In den Vereinigungswinkel münden noch die Begleitvenen der Arterie, welche den M. levator scapulae mit Zweigen versorgt. Wie bei Echidna begleitet auch bei Ornithorhynchus die A. cervicalis die V. jugularis communis. In ihrer Verlaufs- strecke zwischen Coracoid und erster Rippe vereinigt sich die V. jugularis communis mit der ungemein mächtigen V. subclavia zur V. cava superior. Die V. cava superior nimmt dann noch eine dorsal und caudal von der A. subclavia vorbei- ziehende V. vertebralis und linkerseits die V. hemiazygos auf. Eine Anastomose zwischen den beiden vorderen Hohlvenen, wie sie MEckeL (16) und Röse (19) anführen, war in meinen Exemplaren nicht nach- zuweisen. Der recht kurze, in dem untersuchten Exemplare von der A. thoracica longa durchbohrte Stamm der V. axillaris nimmt, distalwärts verfolgt, zuerst einen mächtigen Venenstamm auf, den ich V. sub- scapularis nennen möchte. Derselbe kommt von der Streckseite des Oberarmes her, wo er mit der dem M. brachio-radialis longus entlang verlaufenden Vene anastomosirt, und sammelt das Blut der Begleitvenen der Verzweigungen des Truncus communis der A. scapulares und der A. profunda brachii von Hyrrı (vgl. p. 206). Hierauf gabelt sich die V. axillaris in ihre beiden Wurzeläste, in die V. brachialis und in den Plexus venosus thoracicus longus (Fig. 19). Dieser Venenplexus, der durch die besondere Mächtigkeit 1) Die Mächtigkeit der V. jugularis externa und die Schwäche der V. jugularis interna war auch MECKEL bereits bekannt. 228 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 40 seiner Verzweigungen auffällt, dient offenbar auch als Reservoir für das venöse Blut während des Tauchens. Auch dieses Blutreservoir scheint MECcKEL bereits bekannt gewesen zu sein !). Die gleichfalls sehr mächtige V. brachialis ist paarig (Fig. IQ V.br.). Zwei Aeste dieser Vene lassen sich, die A. brachialis durch den Canalis supracondyloideus begleitend, verfolgen, während ein dritter Ast (Fig. 19%) oberflächlich in die Ellenbogenbeuge gelangt und mit den beiden tiefen Aesten, die dann auch weiter die Hauptarterie des Vorderarmes, die A. interossea, begleiten, anastomosirt, zugleich aber auch Zweige aus den die Fossa cubitalis begrenzenden Muskeln aufnimmt. Der vierte Zweig der V. brachialis endlich (Fig. 19 #*) wurzelt in oberflächlichen, von der Ulnarseite des Vorderarmes herkommenden, an meinem Präparate aber nicht injicirten Venen. Die V. azygos und hemiazygos verhalten sich, was ihre Wurzelzweige anbelangt, ganz ähnlich wie bei Echidna, auch ist ihre Verlaufsweise und ihr Lageverhältniss zur Wirbelsäule, der Aorta und den Intercostalarterien im Bereiche des caudalen Abschnittes des Thorax dasselbe wie dort. Die V. hemiazygos verhält sich dann auch in ihrem weiteren Verlaufe ganz ähnlich wie bei Echidna. Die V. azygos dagegen wendet sich in der Höhe des 7. Brustwirbels zwischen Wirbelsäule und Aorta nach links und mündet in die Vena hemiazygos ein. Es sind somit die von MEcKEL über dieses eigenthümliche Verhalten der V.azygos bei Ornithorkynchus gemachten Angaben vollkommen richtig. Sowohl V.azygos als auch V. hemi- azygos nehmen je eine rückläufige, die entsprechende Arterie begleitende V. intercostalis communis anterior auf, welche das Blut der vordersten Intercostalräume sammelt. Diese beiden Venen verlaufen entlang dem lateralen Rande jedes M. longus coll. Die Einmündung der linken Vene erfolgt in der Höhe des 6., die Einmündung der rechten Vene in der Höhe des 7. Segmentes. Zweifelsohne müssen wir das Verhalten, welches V. azygos und hemiazygos bei Echidna darbieten, als das primitivere betrachten und uns vorstellen, dass sich die abweichenden Verhältnisse, wie wir sie bei Ornithorhynchus vorgefunden haben, aus einem ähnlichen Zustande, wie er uns jetzt noch bei Echidna ent- gegentritt, herausgebildet haben. Was-aber die Ursache gewesen sein mag, dass es bei Ornithrhynchus zu einer Abänderung des ursprünglich symmetrischen Zustandes der beiden Venen gekommen ist, darüber kann ich nichts Thatsächliches angeben. Sinus durae matris (Taf. XVII, Fig. 13). Wir können hier zwischen Sinus der Schädelwölbung und basalen Sinus unterscheiden. Die basalen Sinus beginnen paarig an den beiden Oeffnungen des Schädels, durch welche die ersten Aeste des Trigeminus diesen verlassen, mit den Sinus cavernosi. Der Sinus cavernosus (Fig. 13) jeder Seite communieirt durch einen an der medialen und ventralen Seite des ersten Trigeminusastes verlaufenden Venenkanal, durch den er wohl die Hauptmasse seines Blutes nach aussen schickt, mit der als V. orbitalis bezeichneten (p. 226) sackartig erweiterten Vene. Von der Austrittsstelle des ersten Trigeminusastes aus der Schädelhöhle an erstrecken sich die beiden Sinus cavernosi, dicht aneinander gelagert und miteinander communicirend, man könnte fast sagen einen einheitlichen Sinus bildend, nach rückwärts bis an die Sattel- lehne heran, wo sie eine Art Venenpolster für die Hypophysis cerebri bilden. Von der Sattellehne an divergiren dann die beiden Sinus wieder und setzen sich zu beiden Seiten des Clivus als Sinus petro- basilares in der Richtung gegen das Foramen occipitale magnum zu fort. Indem sie dabei an der medialen Seite des Foramen ovale vorbeipassiren, entsenden sie eine der medialen Seite des III. Trigeminus- astes sich anlagernde Vene, die mit dem dritten Aste den Schädel verlässt, und deren weiterer Verlauf (p- 226) ' I) MECKEL sagt nämlich: „Subclaviae et jugulares externae maxime intumescunt, propter magnitudinem venarum musculorum, eolli et abdominis, praecipue musculi cutanei, quae regione axillae maxime dilatatae diverticulum quodammodo formant. En u 4 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 229 bereits geschildert wurde. In ihrem Verlaufe gegen das Hinterhauptsloch zu lagert sich dieser Sinus petro-basilaris wie bei anderen Säugern zwischen Petrosum und Pars basilaris occipitis ein, setzt sich aber dann auch noch über die Partes condyloideae ossis occipitis hinweg zum Foramen occipitale magnum hin fort (Fig. 17) und verbindet sich, dieses passirend, mit den Geflechten der Wirbelvenen. An der Stelle nun, an welcher die Vagusgruppe die harte Hirnhaut durchbricht, die Nerven durch- setzen dabei auch den Sinus, mündet in den Sinus petro-basilaris jeder Seite ein Sinus, der als Fortsetzung des Sinus transversus, dem Sinus sigmoideus des Menschen entspricht (Fig. 13 H $). Dadurch werden die Sinus der Schädelwöibung mit denen der Schädelbasis in Verbindung gesetzt. Was die Wurzeln der Sinus transversi anbelangt, so kann ich über dieselben nichts Näheres angeben, da sich diese beiden Sinus nur bis an das hintere Ende des freien concaven Randes der Falx cerebri peripheriewärts verfolgen liessen, von dieser Stelle aus, an welcher die beiden Sinus transversi, wahrscheinlich durch Gabelung des Sinus longitudinalis, entstehen, verliefen die beiden Sinus divergirend, dem Ansatze des Tentorium cerebelli folgend, lateralwärts bis ans Petrosum heran, um sich hier zu theilen. Der früher als Fortsetzung des Sinus trans- versus angeführte, dem Sinus sigmoideus des Menschen verglichene Sinus bildet nämlich nicht die alleinige Fortsetzung des Sinus transversus, sondern es besteht noch eine zweite, etwas schwächere Fortsetzung (Fig. 13 V. $.), die, wie später zu begründen sein wird, die ursprüngliche Abzugsbahn für das Blut des Sinus transversus darstellt. Diese verläuft in eine Knochenfurche, zwischen Petrosum und Squamosum eingebettet, nimmt hier einen von vorne herkommenden Zweig auf (Fig. 13 ©) und dringt in eine am vorderen Ende der sie beherbergenden Furche gelegene Oeffnung ein. Diese Oeffnung nun führt in einen Kanal, der sich mit dem Facialiskanal vereinigt und über die Trommelhöhle hinwegzieht. Durch diesen Kanal verläuft die Fort- setzung unseres Sinus transversus, im weiteren Verlaufe angeschlossen an den N. facialis, und tritt schliesslich mit diesem Nerven aus einer dem Foramen stylo-mastoideum des Menschen entsprechenden Oeffnung, die Wurzel der V. jugularis interna bildend, hervor. In diese Wurzel der V. jugularis interna mündet dann un- mittelbar nach dem Austreten aus dem Schläfenbein eine mit dem N. vagus den Schädel verlassende Vene. Ausser diesen bis jetzt beschriebenen Sinus sehe ich dann, allerdings nur auf eine ganz kurze Strecke weit mit Injectionsmasse gefüllt, einen Sinus, der sich zum Sinus cavernosus ähnlich verhält wie der Sinus longitudinalis von Echidna, sich von diesem jedoch dadurch einigermassen unterscheidet, dass er in der Mitte der Falx gelegen ist und nicht, wie bei Echidna, deren Ansatzrande folgt. Ueber die Beziehungen dieses Sinus!) habe ich ebensowenig wie über die Verhältnisse der Venen des Gehirnes etwas Bestimmtes herausbringen können. Soweit demnach meine Befunde reichen, zeigt Ornithorhynchus Verhältnisse seiner Blutleiter, die von den bei Echidnu gefundenen nicht unwesentlich abweichen. Das verschiedene Verhalten der Sinus cavernosi hängt wohl mit der ziemlich abweichenden Gestaltung des Schädelgrundes zusammen, ebenso der Umstand, dass der Abfluss des Blutes aus dem Sinus cavernosus nicht mit dem zweiten, sondern mit dem ersten Ast des Trigeminus erfolgt. Sehr auffallend ist auch die verschiedene Lage des Sinus transversus und das Vor- handensein einer directen Fortsetzung dieses Sinus bei Ornithorhynchus gegen das Foramen jugulare zu, sowie das Vorhandensein einer das Foramen jugulare verlassenden Vene, die wohl ohne Zweifel der das Foramen jugulare passirenden Wurzel der inneren Jugularvene anderer Säuger entspricht. Auf die morpho- logische Bedeutung dieser Verschiedenheiten werde ich jedoch erst später näher einzugehen haben. V. cava posterior. Ueber das Verhalten der hinteren Hohlvene von Ornithorhynchus habe ich an anderem Orte eine Beschreibung geliefert, der ich nach den jetzt an zwei Exemplaren gewonnenen Befunden nichts Wesent- 1) Dieser Sinus ist in Fig. 13 nicht ersichtlich. Jenaische Denkschriften. V. 6 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 31 230 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 42 liches hinzuzufügen habe. Der dort (9) geschilderte Zustand der hinteren Hohlvene, der, wie ich das in derselben Mittheilung auch schon hervorhob, in auffallender Weise mit einem Entwickelungsstadium der hinteren Hohlvene bei der Katze übereinstimmt, scheint das normale Verhalten zu bilden, nur war bei den beiden zuletzt untersuchten Exemplaren jene, in dem zuerst untersuchten Exemplare (vergl. 1. c. Taf. XXTI, Fig. 28) sehr schwache Vene, die die linke V. renalis mit dem aus der Verschmelzung der beiden hinteren Hohlvenen hervorgegangenen, dorsal von der Aorta gelagerten Hohlvenenstamm in Verbindung setzt, von der ich sagte, dass sie den selbständig gebliebenen, sehr schwach gewordenen Abschnitt der linken hinteren Hohlvene darstelle, bedeutend mächtiger als dort. Zweifellos ist das Verhalten der hinteren Hohlvene, wie wir es bei Bchidna vorfanden, als das primitivere zu betrachten, und leitet das Verhalten, wie es uns bei Ornithorhynchus entgegentritt, zu Zuständen hinüber, wie sie bei den Feliden bestehen. Venen der hinteren Gliedmasse. Ueber die Venen der hinteren Extremitäten und des Beckens, sowie des Schwanzes konnte ich nur in Erfahrung bringen, dass die tiefen Venen in der Regel, Geflechte bildend, die Arterienzweige begleiten. Von den oberflächlichen Venen gelang es mir nur eine mit Injectionsmasse zu füllen. Von dieser glaube ich jedoch, wenn ich von den die A. saphena begleitenden Venenzweigen absehe, dass sie die einzige bedeutendere subcutane Venenbahn darstellt. Diese Vene beginnt am Fussrücken, indem sie aus den Digitalvenen ihr Blut sammelt, zieht ziemlich in der Mitte der Dorsalseite des Unterschenkels proximal- wärts, wendet sich dann entlang dem caudalen Rande des M. glutaeus magnus medianwärts und vereinigt sich hier mit der grossen, dem Seitenrande des Schwanzes folgenden subcutanen Vene. Der so gebildete Venenstamm zieht nun in geradliniger Fortsetzung dieser Schwanzvene, an die laterale Seite der Schenkel- drüse angeschlossen, über die Dorsalseite des Oberschenkels und mündet an das zweite Büschel der dorsal vom M. psoas minor verlaufenden Ramification, der A. iliaca externa angeschlossen, in die hintere Hohl- vene. Dort, wo die Vene den cranialen Rand des M. glutaeus magnus passirt, entsendet sie einen mächtigen Ast zwischen die Muskeln hinein in die Tiefe. Dieser Ast nun zerfällt, indem er sich den Arterienbüscheln der Glutäalmusculatur anschliesst, in ein prächtiges Wundernetz, welches die die peripheren Arterienzweige der ischiadischen Arterienbündel begleitenden Venennetze aufnimmt. Dieses ischiadische venöse Wunder- netz, welches wahrscheinlich aus dem Oberschenkelabschnitt der fibularen Randvene des Embryo hervor- gegangen sein dürfte, gelangt nun entlang den Arterien und neben dem N. ischiadicus ins Becken, wo es, dem ischiadischen Arterienbüschel folgend, in die hintere Hohlvene eingeht. Das Verhalten der Wurzeln der hinteren Hohlvene zu dieser ist aus meiner früher gegebenen Figur (Fig. 28, Taf. XXIII 1. c.) zu ersehen. Die dort an der cranialen Begrenzung des die Wurzel der hinteren Hohlvene bildenden Venenfächers erscheinende mächtige Vene ist das Endstück der oben beschriebenen grossen subcutanen Vene der Hinter- gliedmasse und des sich an sie anschliessenden ischiadischen Wundernetzes. V. portae. Der Stamm der V. portae bildet sich aus dem Zusammenflusse der V. mesenterica superior und des gemeinsamen Stammes der V. mesenterica inferior und der V. gastro-lienalis, verhält sich also in dieser Beziehung vollkommen so wie bei Echidna. Die V. gastro-lienalis verläuft mit der gleichnamigen Arterie und stimmt, was ihre Zweige anbelangt, mit den Zweigen dieser Arterie vollkommen überein, nur ist die Zahl der Milzvenenzweigchen etwas kleiner als die der betreffenden Arterien. In ihrer centralen Verlaufs- strecke ist die V. gastro-lienalis in die angrenzenden Partien des Pancreas eingebettet. Durch den Ver- einigungswinkel mit der V. mesenterica inferior verläuft die (von HyrtL als A. pancreatica bezeichnete) dritte Dickdarmarterie. a 1077 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 231 Die V. mesenterica inferior sammelt das Blut der Endstrecke des Dickdarmes, indem sie sich den Zweigen der A. mesenterica inferior, wenn eine solche vorhanden ist, und weiter der dritten Dickdarm- arterie (vgl. Fig. 17) anschliesst. In sie münden aber ausserdem zwei grössere, das Blut des caudalen Milz- lappens abführende Venen und weiterhin Venenzweischen aus den ihrer Endstrecke benachbarten Partien des Pancreas. Den Zweigen der A. mesenterica superior entsprechen die Zweige der V. mesenterica superior, welche die betreffenden Arterien begleiten. Hervorheben möchte ich nur, dass die V. pancreatico-duodenalis inferior einen zwischen A. colica prima und secunda im Dickdarmgekröse verlaufenden, von keiner Arterie begleiteten Venenzweig aufnimmt (Fig. 17*). Wir sehen in dem Verhalten dieser Vene wieder ein Beispiel dafür, dass Gefässe eines Gekrösabschnittes, wenn dieser mit anderen Gekrösabschnitten verwachsen ist, in diese übergreifen, resp. dass sich aus diesen Gefässe an die Gefässe des mit ihnen verwachsenen Gekrös- abschnittes anschliessen können. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass die als V. pancreatico- duodenalis bezeichnete Vene ursprünglich ausschliesslich ein Gefäss des Duodenalgekröses war, welches sein Blut aus dem Duodenum und den angrenzenden Partien des Pancreas bezog. Der Anschluss einer Dick- darmvene an die V. pancreatico-duodenalis konnte erst erfolgen, nachdem ein Theil des Mesoduodenums und der zugehörige Abschnitt des Duodenums mit dem Dickdarmgekröse verwachsen war!). Die die A. colica secunda begleitende Vene mündet als letzte Vene gegenüber der Mündung des gemeinsamen Stammes der V. mesenterica inferior und der V. gastro-lienalis in die V. mesenterica superior ein. In den Pfortaderstamm selbst mündet ein kurzer Venenstamm ein, den wir V. gastro-duodenalis nennen können. Seine Zweige begleiten die Zweige der gleichnamigen Arterie und wurzeln in deren Endgebiet. Entwickelung des Venensystems von Echidna. Der Zustand des Venensystems der entwickelten Form bietet eigentlich kaum ein Verhältniss dar, bezüglich dessen wir uns nicht aus dem, was wir über die Entwickelung des Venensystems anderer Säuger wissen, eine sichere und klare Vorstellung über sein Zustandekommen machen könnten. Nur rücksichtlich der von BEDDARD (I) der Abdominalvene niederer Formen verglichenen Vene war es nicht vollkommen klar, ob sie als ein Rest der Umbilicalvene, die neue Beziehungen zu den Venen der Harnblase gewonnen hatte, aufzu- fassen sei. Doch gestattete das vorliegende Untersuchungsmaterial keine sichere Beantwortung dieser Frage. Dagegen liess sich erwarten, dass das V'enensystem von Echidna in früheren Entwickelungsstadien verschiedentlich Anklänge an reptilienartige Zustände darbieten würde. Inwieweit diese Voraussetzung ein- getroffen ist, soll aus der nachfolgenden Beschreibung des Venensystems der einzelnen untersuchten Echidna-Embryonen hervorgehen. Embryo No. 40. Das Venensystem dieses Embryo befindet sich in einem Entwickelungszustand, der etwa dem eines Kaninchenembryo vom Ir. Tage entspricht. Die Vereinigungstelle der vorderen und hinteren Cardinalvenen zum Ductus Cuvieri befindet sich in der Höhe zwischen 2. und 3. Cervicalsegment. Die V. cardinalis anterior lässt sich von dieser Stelle an bis ans Gehörbläschen als einfacher Stamm verfolgen. Hierauf ı) In Fig. 17 ist die dem Dickdarmgekröse angehörige Wurzel der V. pancreatico-duodenalis deutlich zu sehen, während die dem Duodenum und Mesoduodenum angehörige Fortsetzung der Vene, weil vom Dickdarmgekröse verdeckt, weniger deutlich hervortritt. 31* 232 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 44 zieht sie nach Aufnahme eines von der Dorsalseite des Gehörbläschens herabkommenden Zweigchens an der lateralen Seite desselben vorbei und gelangt von hier aus an die mediale Seite des Ganglion Gasseri, um sich weiter an der Seitenfläche des Zwischenhirnes in ihre Wurzelzweige aufzulösen. Rücksichtlich der Lage der Ganglien der übrigen Hirnnerven zu dieser Vene konnte ich nur mit Sicherheit feststellen, dass das Ganglion n. glossopharyngei bereits an ihrer medialen Seite gelegen ist, ebenso wie das des N. acusticus und N. facialis. Die V. cardinales posteriores verlaufen an der dorsalen Fläche der Urnieren, etwas gegen die laterale Seite dieser Organe hin verschoben, angeschlossen an den Urnierengang. Diese Beziehung zum Urnierengang behalten die hinteren Cardinalvenen der ganzen Länge dieses Ganges nach, also bis an sein caudales Ende hin bei, dabei kreuzen sie die A. iliacae communes an deren ventraler Seite. Diese Lagebeziehung der hinteren Cardinalvenen zu den A. iliacae findet sich typisch bei den Embryonen der Sauropsiden und erhält sich bleibend bei den Sauriern, während bei allen bis jetzt daraufhin untersuchten Säugerembryonen die hinteren Cardinal- venen dorsal von den A. iliacae vorbeipassiren. Ich habe auf diese typischen Beziehungen der hinteren Cardinalvenen zu den A. iliacae bereits an anderer Stelle (9, p. 502—563) hingewiesen und dort auch gesagt, „dass sich bei Aplacentaliern in dieser Richtung Befunde ergeben könnten, die an die Reptilien erinnern würden“, eine Voraussage, deren Richtigkeit nun durch die Befunde an den Embryonen von Echidna bestätigt erscheinen. Ihre Wurzelzweige beziehen die hinteren Cardinalvenen aus dem Schwanze und den als Stummeln angelegten hinteren Gliedmassen. Ausserdem münden in diese Vene die Venen der Urniere und die seg- mentalen Venen des Rumpfes, ferner unmittelbar vor ihrer Einmündung in die Ductus Cuvieri die Venen der vorderen Extremitäten. Was die letzteren anlangt, so bildet ihre Hauptwurzel ein der Seitenrumpfvene anderer Formen entsprechendes Gefäss, während die eigentliche Hauptvene der freien Extremität sehr schwach erscheint und wohl auch wegen der ungenügenden Blutfüllung, nur mit Mühe bis an den ulnaren Extremitätsrand heran verfolgt werden kann. Ausser den beiden Ductus Cuvieri münden in den Sinus venosus von den Seiten her die in der Leibeswand verlaufenden V. umbilicales und in den am weitesten caudal gelegenen, etwas ausgebuchteten Theil des Sinus eine rechte und eine linke V. hepatica revehens. Die Einmündung dieser beiden Venen ist, durch eine Verschiebung der caudalen Ausbuchtung des Sinus bedingt, eine asymmetrische, indem die linke V. hepatica revehens nahezu genau in der Mittellinie einmündet. Caudalwärts in die Leber hinein verfolgt, erscheinen beide Venen in ein Gefässnetz aufgelöst, nur lässt sich von der rechten Vene aus ein stärkerer Zweig durch die ganze Leber hindurch, in die V. omphalo-mesenterica einmündend, verfolgen. Es sind zwei V. omphalo-mesentericae vorhanden, die von beiden Seiten her an die in diesem Gebiete offene Darmrinne herantreten. Die rechte V. omphalo-mesenterica zieht an der rechten Seite des Darmes geraden- wegs zur Leber und löst sich, schief nach links hin wendend, nachdem sie den früher erwähnten Ast, der offenbar ursprünglich ihre directe Fortsetzung gebildet hat, abgegeben hat, in die Zweige des Lebervenen- netzes auf. Die linke Vene giebt einen in ihrer geraden Fortsetzung: verlaufenden schwachen Ast ab, der sich an der linken Seite der Gallenblasenanlage verliert. Nach Abgabe dieses Astes biegt sie dann caudal und dorsalwärts um, kreuzt die Darmrinne caudal von der dorsalen Pancreasanlage und wendet sich hierauf wieder cranialwärts, um in die V. omphalo-mesenterica dextra einzumünden. Wir haben somit in dem vorliegenden ein Entwickelungsstadium vor uns, in dem, nachdem sich zwischen den beiden V. omphalo-mesentericae eine Anastomose caudal von der dorsalen Pancreasanlage und dorsal vom Darm gebildet hatte, schon vorher aber die beiden Venen während ihres Verlaufes durch die Leber in ein Gefässnetz zu zerfallen begonnen hatten, die linke V. omphalo-mesenterica ihre Verbindung mit der Leber aufzugeben im Begriffe steht und 45 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 233 das Blut aus ihrem peripheren Gebiet der mächtig erweiterten V. omphalo-mesenterica dextra zugeführt wird. Ob diesem Stadium eines unmittelbar vorhergeht, nm dem die beiden V. omphalo-mesentericae im unmittelbaren Anschlusse an die Leber und ventral vom Darm durch eine Anastomose zusammenhängen, lässt sich natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen, doch ist es wohl möglich, und in diesem Falle müssen wir dann die Fortsetzung der V. omphalo-mesenterica dextra über ihren die Leber durchsetzenden Ast hinaus als aus dieser Anastomose hervorgegangen denken. Was die V. umbilicales betrifft, so weicht deren Verlauf in der vorderen Bauchwand in nichts von dem bei anderen Säugern beobachteten Verhalten ab, doch bestehen noch keinerlei Verbindungen zwischen diesen Venen und dem Venennetze der Leber. Embryo No. 41 bietet, soweit dies bei dem schlechten Erhaltungszustand desselben zu erkennen ist, ziemlich dieselben Verhältnisse dar, wie der zuerst beschriebene Embryo. Eine Verbindung der Nabel- venen mit dem Venennetze der Leber besteht allem Anscheine nach auch bei diesem Embryo noch nicht. Embryo No. 42 zeigt rücksichtlich seiner Venenverhältnisse gegenüber No. 40 und No. I ganz wesentliche Fortschritte. Das Herz dieses Embryo hat mit seinen aus- und einmündenden grossen Gefäss- stämmen bereits eine so beträchtliche Caudalwärtsverschiebung erfahren, dass die Stelle, an der sich vordere und hintere Cardinalvenen zu den Ductus Cuvieri vereinigen, erst unmittelbar caudal vom 7. Cervicalsegment, also nahe der Stelle gefunden wird, an der sich im definitiven Zustand vordere Hohlvene und V. azygos, resp. hemiazygos vereinigen. Die Vene der vorderen Extremität verläuft dorsal vom Plexus brachialis und biest um denselben herum, um in caudal gerichtetem Verlaufe in der Höhe des 7. Cervicalsegmentes in die Endstrecke der V. cardinaliıs anterior zu münden, aber auch ventral vom Plexus brachialis verläuft eine allerdings etwas schwächere Vene, die die vordere Cardinalvene etwas weiter caudal erreicht als die früher erwähnte Vene der vorderen Extremität. Ob diese Vene nach Ueberkreuzung des Plexus brachialis distal mit der Hauptvenenbahn der Extremität in Verbindung steht, liess sich nicht ermitteln, doch scheint es mir wahrscheinlich, dass diese Vene den ventralen Schenkel jener Inselbildung darstellt, welche die Verlagerung der Extremitätsvene dem Plexus brachialis gegenüber vermittelt, wie ich eine solche für das Kaninchen (8) beschrieben habe. Die Seitenrumpfvene bildet auch in diesem Entwickelungsstadium wieder die Hauptwurzel der dorsal vom Plexus brachialis verlaufenden V. subelavia. Die Randvene der vorderen Extremität liess sich wegen mangelnder Blutfüllung nicht genauer verfolgen. Die vordere Cardinalvene beginnt im Kopfgebiete mit zwei Zweigen, von denen der eine aus dem Oberkieferfortsatz, der andere aus der seitlich vom Zwischenhirn gelegenen Partie des Kopfmesoderms dorsal vom Auge herkommt. Dieser letztere Zweig dürfte die Venen des Zwischen- und Vorderhirnes aufnehmen, was sich jedoch wegen mangelnder Blutfüllung der Venen dieses Gebietes nicht mit Sicherheit eruiren liess. Am vorderen Ende des Ganglion Gasseri vereinigen sich die beiden vorerwähnten Aeste zur V. cardinalis anterior, die nun medial vom Ganglion Gasseri, ventral vom Stamme des N. trigeminus, caudalwärts verläuft. Vom hinteren Rande des Ganglion aus gelangt dann die Vene an die laterale Seite des Labyrinthbläschens, des Facialis- und Glossopharyngeus-Ganglions, umfasst hierauf den N. vagus inselförmig und zieht an der medialen Seite des N. hypoglossus vorbei. Schliesslich legt sie sich im Gebiete des späteren Halses an die laterale Seite des Vagusstammes an und präsentirt sich so als V. jugularis interna. Zweifelsohne ist auch bei Echidna wie bei anderen Vertebraten die erste Venenbahn des Kopfes, doch ist dies, wie wir gesehen haben, auch bei dem jüngsten untersuchten Embryo nicht mehr der Fall, medial von den Anlagen der Hirnnerven gelagert (V. cardinalis anterior) und wird dann, wie dies von H. SALZER (10) für andere Säuger nachgewiesen wurde, im Kopfgebiete stückweise unter Vermittelung von 234 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 46 Inselbildungen von einer secundären Venenbahn ersetzt, welche lateral von den Hirnnerven und dem Labyrinthbläschen gelegen ist und welche als V. capitis lateralis bezeichnet wurde. Schon bei dem Embryo No. 40 nun ist die V. cardinalis anterior in der Verlaufsstrecke zwischen Ganglion Gasseri und N. vagus durch die V. capitis lateralis ersetzt, und in dem vorliegenden Stadium erscheint die Theilstrecke dieser secundären Venenbahn lateral vom Vagus in der Entwickelung begriffen. Die V. cardinales posteriores zeigen, was ihre Lage und ihren Verlauf anbelangt, noch ähnliche Verhältnisse wie bei dem Embryo No.40, auch liegen sie in ihrem Beckenabschnitte, wie dort, immer noch ventral von den A. iliacae communes!). In den Sinus venosus münden ausser den beiden Ductus Cuvieri nur noch zwei aus der Leber hervorkommende Venen. Die Mündungen dieser beiden liegen knapp neben einander, nur durch eine aus zwei Zelllagen bestehende 0,09 mm hohe Zellplatte von einander getrennt. Die linke Vene ist ausschliesslich V. hepatica revehens, während die rechte den gemeinsamen Stamm für die V. cava posterior und den Ductus venosus Aranzii nebst den in diesen einmündenden Lebervenen darstellt. Untereinander aber stehen die beiden Venen caudal von der genannten Zellplatte durch eine breite Anastomose in Verbindung. Caudalwärts verfolgt, verengert sich der rechts gelegene Venenstamm sehr rasch und theilt sich bald in die hintere Hohlvene und in den Ductus venosus Aranzii. Die hintere Hohlvene folgt während ihres Ver- laufes in der Leber der Richtung des Ansatzes des Leberhohlvenengekröses und geht am caudalen Ende der Leber in dasselbe über. Der Ductus venosus Aranzii wendet sich von seiner Zusammenmündung mit der Hohlvene an schief ventralwärts und gegen die Medianebene zu, verbindet sich durch eine kurze breite Anastomose mit der V. portae und setzt sich weiterhin in die mächtig weite V. umbilicalis sinistra fort. Diese Vene hat ebenso wie die rechte V. umbilicalis ihre Verbindung mit dem Sinus venosus aufgegeben. Untereinander stehen die beiden V. umbilicales durch eine unmittelbar cranıal vom Nabel gelegene, sehr mächtige Anastomose in Verbindung, so dass ein grosser Theil des Blutes aus der rechten Vene, die übrigens, was ihr Caliber anbelangt, der linken nachsteht, in die linke überfliessen kann. Doch setzt sich die V. umbilicalis dextra auch noch über die erwähnte Anastomose hinaus mittelst eines kleinen Astes, welcher rechts von der Gallenblase in die Leber eindringt, gegen dieses Organ zu fort und mündet, nach- dem er sich hier mit dem Venennetze der Leber in Verbindung gesetzt hat, in die V. portae, dort, wo diese mit dem Ductus venosus Aranzii in Verbindung steht ?). Die nunmehr einfache V. omphalo-mesenterica nimmt bei diesem Embryo einen Verlauf, wie er für das gleiche Gefäss von I2—13 Tage alten Kaninchenembryonen charakteristisch ist. Die V. cava posterior lässt sich von der Leber aus durch das Leberhohlvenengekröse hindurch, an die rechte Urniere herantretend, verfolgen. Sie nimmt hier zunächst eine V. revehens anterior aus diesem Organ auf, entlässt dann einen Zweig, der sich mit der hinteren Cardinalvene verbindet, und verläuft dann weiter an der rechten Seite der Wurzel der A. omphalo-mesenterica vorbei caudalwärts, um sich weiterhin als V. revehens dextra posterior der Urniere fortzusetzen. Diese V. revehens dextra posterior ist nun an verschiedenen Stellen mit einem ganz gleich gelagerten Gefäss der linken Urniere zu einem unpaaren Stamme verschmolzen. In die linke V. revehens posterior mündet, von dem cranialen Ende der Urniere herkommend, eine V. revehens anterior ein, die an der linken Seite der Wurzel der A. omphalo- mesenterica vorbeizieht. In den Strecken zwischen den Stellen, an denen die beiden V. revehentes posteriores verschmolzen sind, erscheinen die beiden Gefässe nur durch dünne Septa von einander getrennt, und auch 1) Auf eine mit der Ausbildung der hinteren Hohlvene zusammenhängende Differenz soll später aufmerksam gemacht werden. 2) Es treten also bei Behidna sowie beim Menschen (Hıs) und beim Kaninchen beide Umbilicalvenen mit dem Netze der Lebervenen in Verbindung, aber so, wie dort, weitet sich nur die linke aus, und die rechte Vene verschwindet vollständig. 47 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 235 dort, wo die Verschmelzung eine complete ist, zeigt sich noch an der dorsalen Wand des unpaaren Gefäss- stammes ein gegen sein Lumen zu vorspringender Gewebssporn, wie dies aus Fig. 6 (v. ce. p.), Taf. XVI, ersichtlich ist. Vergleicht man diese Figur mit ähnlichen Querschnittsbildern von Zacerta oder vom Hühnchen, so ergiebt sich rücksichtlich des ventral von der Aorta gelagerten Venenstammes eine überraschende Uebereinstimmung. Caudalwärts von den Verschmelzungsstellen nehmen nun die V. revehentes posteriores rasch an Caliber ab. Der Grund hierfür liegt darin, dass zahlreiche Verbindungen zwischen den Cardinal- venen und den Wurzelästen der hinteren Hohlvene bestehen, ich zähle deren jederseits 8 grössere. Im Gebiete nun, wo diese Verbindungen bestehen, und unmittelbar kopfwärts davon, erscheinen die hinteren Cardinalvenen sehr schwach, was wohl jedenfalls dadurch begründet ist, dass ein guter Theil des Blutes der caudalen Cardinalvenenabschnitte auf dem Wege der beschriebenen Verbindungen der hinteren Hohl- vene zuströmt. Diese Verbindungen ziehen nun nicht bloss über die dorsale Fläche der Urnieren hinweg, sondern auch zwischen den Urnierenschläuchen hindurch und unterscheiden sich eigentlich in nichts von den anderen, zwischen den Urnierenschläuchen befindlichen Venen, die in dem vorliegenden Object auch ziemlich stark erweitert erscheinen. Vergleichen wir den vorliegenden Befund mit den an Kaninchen- embryonen ähnlicher Stadien gewonnenen Befunden, so müssen wir wohl sagen, dass hier noch deutlichere Anklänge an das bei Sauropsiden wohlentwickelte Pfortadersystem der Urniere zu erkennen sind als dort. Embryo No. 43. Die Hauptvenenbahn des Kopfes liegt nun auch schon an der lateralen Seite des N. vagus, aber noch medial vom N. hypoglossus. Ihre beiden Wurzelzweige sind ebenso wie im vorhergehenden Stadium nachzuweisen und der über dem Auge weg verlaufende Zweig bis ans Zwischenhirn heran zu verfolgen. Die hinteren Cardinalvenen zeigen noch ein gleiches Verhalten wie bei No. 42. Was die V. cava posterior und ihre Wurzeläste anbelangt, so ergiebt sich dem Embryo No. 42 gegenüber nur insoferne ein Unterschied, als zwischen den beiden V. revehentes posteriores der Urniere nur mehr eine, aber dafür entsprechend weite, caudal von der Wurzel der A. omphalo-mesenterica gelegene Verbindung besteht, die durch Zusammenfliessen der mehrfachen Verbindungen des früheren Stadiums in eine einzige entstanden zu denken ist. Da bei diesem Embryo die Venen der Urniere nicht so stark ausgedehnt sind wie bei No. 42, sind auch keinerlei weitere Verbindungen zwischen den Wurzelästen der hinteren Hohlvene und den hinteren Cardinalvenen nachweisbar. Dies verstärkt den Eindruck, dass bei Echidna vorübergehend ein, wenn auch unvollkommenes, Pfortadersystem der Urniere besteht. Ueber die Verhältnisse der Venen im Inneren der Leber und über die Mündung der Lebervenen giebt der Embryo wegen Läsion der betreffenden Theile keinen Aufschluss. Embryo, etwasälter als No. 43. Dieser Embryo ist sehr schlecht erhalten und liefert daher auch bezüglich seines Venensystems keine gut verwerthbaren Befunde. Ueber die Venen des Kopfes war nichts zu erfahren. Die Dinge bezüglich der hinteren Cardinalvenen und der hinteren Hohlvene liegen ganz ähnlich wie bei No. 43, nur scheint eine stärkere Verbindung zwischen V. revehentes posteriores der Urnieren und den hinteren Cardinal- venen am Kopfende der bleibenden Nieren dorsal von den Urnieren zu bestehen, doch kann diese Ver- bindung auch durch eine Berstung eines kleinen Venenzweiges und durch eine an dieser Stelle erfolgte Blutung vorgetäuscht sein, was wegen der ungünstigen Beschaffenheit des Embryo nicht sicher zu ent- scheiden ist. Was die Venen der Leber anbelangt, so zeigen dieselben im Wesentlichen dieselben Befunde wie bei No. 42, nur besteht eine Verbindung der rechten Umbilicalvenen mit der Pfortader nicht mehr. 23( Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 43 Ausserdem ist die cranial vom Nabel gelegene Anastomose zwischen den beiden Umbilicalvenen so mächtig erweitert, dass ein Venensinus ventral von der Leber zu bestehen scheint!), der die beiden V. umbilicales aufnimmt und kopfwärts die unpaare (linke) V. umbilicalis entlässt. Embryo No. 44. Die Kopfvenen dieses Embryo sind sehr wenig blutgefüllt, und von den Hirnvenen und den Sinus- anlagen ist aus diesem Grunde nicht viel zu sehen, nur das Eine liess sich mit voller Sicherheit feststellen, dass eine mächtige Venenbahn des Gehirnes, die an der lateralen Seite des Rautenhirns entsprechend der Rautenbreite herabkommt und anscheinend Zweige von der Hemisphärenblase aufnimmt, zwischen Ganglion Gasseri und knorpeliger Labyrinthkapsel den Schädel verlässt, sich in eine Rinne an der Unterseite der Labyrinthkapsel hinein und hier dem Facialis anlegt. Mit dem Nerven verläuft die Vene über die Trommelhöhle weg, vereinigt sich dann mit einer aus der Aussenfläche des Schädels herablaufenden Vene, die wohl der V. occipitalis des erwachsenen Thieres entspricht und legt sich, indem sie den Facialis verlässt, an den Nervus vagus an, wobei sie an der lateralen Seite des N. hypoglossus vorbeizieht, und gelangt schliesslich mit dem N. vagus zur vorderen Brustapertur (V. jugularis interna). Ausser dieser tiefen Venen- bahn findet sich aber auch noch eine oberflächliche vor, deren Wurzeln in den Ober- und Unterkiefer ver- folgt werden können. Dieselbe, es handelt sich um die Anlage der V. jugularis externa, zieht bis zur Clavicula herab, nimmt hier eine von der Radialseite der vorderen Extremität herkommende Vene, die V. cephalica, auf und wendet sich hierauf, über den cranialen Rand der Clavicula einen Bogen bildend, an die Dorsalseite derselben, überkreuzt sie und mündet an der inneren Fläche der Scapula, in der Gegend des Schultergelenkes angelangt, in die V. jugularis interna ein, so die V. jugularis communis bildend. Dort, wo sie zusammenmünden, erscheinen beide V. jugulares noch von ziemlich gleicher Stärke. Die V. jugularis communis vereinigt sich nach ganz kurzem Verlaufe unmittelbar caudal von der Stelle, wo sie die Scapula kreuzt, mit der V. subclavia zur V. cava anterior. Die Hauptwurzel der V. subclavia bildet auch hier wieder eine von der Seitenfläche des Brustkorbes herkommende Vene, die, mit der A. thoracica longa ver- laufend, als V. thoracica longa zu bezeichnen ist. Die V. azygos und hemiazygos zeigen schon bei diesem Embryo Verhältnisse, welche dem definitiven Zustande entsprechen, sie lassen sich symmetrisch bis zum letzten Brustwirbel caudalwärts ver- folgen. Wie lang der Abschnitt dieser Venen ist, der aus den hinteren Cardinalvenen hervorgeht, und wie viel von ihnen secundären Ursprungs ist, lässt sich leider, da Zwischenstadien zwischen 43 und 44 fehlen, nicht angeben. An der hinteren Hohlvene kann man schon einen zwischen Leber und Sinus venosus gelegenen, ziemlich langen thoracalen Abschnitt wahrnehmen. Innerhalb der Leber mündet, abgesehen von Lebervenen, in die hintere Hohlvene der Ductus venosus Aranzii. Derselbe verläuft jedoch hier nicht wie beim Menschen in der directen Fortsetzung der V. umbilicalis, sondern geht von dem Verbindungsast zwischen Pfortader und Umbilicalvene näher der ersteren ab. Die Pfortader zeigt in ihrem Herantreten an die Leberpforte die bei Säugerembryonen gewöhnlich bekannten Verhältnisse. Venen der vorderen Bauchwand, welche in die V. umbilicalis einmünden, sind nicht nachzuweisen. Nur eine Vene aus der Umgebung der Insertion des Nabelstranges, welche sich caudal von derselben verzweigt, liess sich bis in die Umbilicalvene verfolgen. I) Auch diese sinusartige Erweiterung halte ich nicht für eine normale Bildung, sondern für eine durch venöse Stauung bedingte Erscheinung, wie sie gelegentlich auch an anderen Venen von in utero abgestorbenen Embryonen getödteter Thiere beobachtet werden kann. 49 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 237 An der caudal von der Leber betindlichen Verlaufsstrecke der hinteren Hohlvene lassen sich ein unpaarer und ein paariger Abschnitt unterscheiden. Der unpaare Abschnitt erstreckt sich von der Leber aus an der rechten Seite der Wurzel der A. omphalo-mesenterica vorbei. In dieser Verlaufsstrecke liegt die Vene der ventralen Fläche der Nebenniere und der medialen Seite der rechten Urniere an. Der paarige Abschnitt der hinteren Hohlvene beginnt in einiger Entfernung caudal von der Wurzel der A. omphalo-mesenterica. Die beiden Hohlvenen liegen hier zu beiden Seiten der Aorta, anfänglich etwas ventral, weiter caudalwärts aber rein lateral von ihr. Die Vereinigungsstelle der beiden hinteren Hohlvenen liegt genau ventral von der Aorta und erscheint weiter als die unpaare Fortsetzung dieses Hohlvenen- abschnittes. In diese Vereinigungsstelle der hinteren Hohlvenen mündet linkerseits, an der linken Seite der Wurzel der A. omphalo-mesenterica vorbeiziehend, eine mächtige Vene, die von der linken Nebenniere und den benachbarten Theilen der Urniere ihr Blut bezieht (spätere V. suprarenalis sinistra). Der Ureter liegt beiderseits nahe der Niere an der lateralen Seite jeder Hohlvene, gelangt aber über ihre ventrale Fläche, dieselbe in sehr schiefer Richtung kreuzend, ins Becken. Knapp vor der Stelle, wo diese Ueberkreuzung beginnt, nehmen die Hohlvenen einen Zweig aus dem caudalen Ende der Urnieren auf und verbinden sich dann durch eine quer vor der Aorta verlaufende Anastomose mit einander. Diese Anastomose liegt unmittelbar caudal von der Wurzel der A. mesenterica inferior. Von ihr gehen, ventral von den beiden A. iliacae communes vorbeiziehend, zwei zunächst knapp neben einander liegende Venen (V. iliacae internae) ab, die weiterhin zu beiden Seiten der A. caudalis verlaufen, und als die eigentlichen Wurzeln der hinteren Hohlvenen betrachtet werden müssen. Aber auch dorsal von den A. iliacae communes besitzen die hinteren Hohlvenen eine caudale Fortsetzung (V. iliaca interna), die in zwei mächtigen Extremitätsvenen wurzelt. Diese Extremitätsvenen be- Sinnen mit der Vene des fibularen Fussrandes und verlaufen über die laterale Fläche des Kniegelenkes und der Öber- V. eava inferior schenkelgesend hinweg, um in der Nähe des N. curalis den V. supranenalis cranialen Rand des Beckens zu überschreiten. Es ist somit A. omphalo“mesentenica, in diesem Entwickelungsstadium die ursprüngliche Haupt- venenbahn der Oberschenkelgesend als Fortsetzung der A. mesenterica inferior A. ihiaca externa V. iliaca externa 4A. iliaca interna fibularen Randvene des Fusses und Unterschenkels, die wir uns auch bei Zchidna mit dem N. ischiadicus ins Becken eintretend denken müssen, geschwunden, und an ihre u Ba Aare interna Stelle eine Venenbahn getreten, die man, wie mir scheint, mit der mächtigen subcutanen Venenbahn der Oberschenkelgegend vom Ornithorhynchus, die einen ganz ähnlichen Verlauf nimmt, vergleichen kann. Durch die Entwickelung dieser mächtigen subcutanen Venen- bahn ist aber zugleich, wie wir aus der Beschreibung der nächstfolgenden Stadien ersehen werden, der Anstoss zur Bildung einer Veneninsel um die A. iliaca communis herum gegeben, und dadurch die Ver- lagerung der Hohlvenenwurzeln an die Dorsalseite der A. iliacae angebahnt, wie sie für das erwachsene Individuum charakteristisch ist. Ueber die Art und Weise wie sich die eben geschilderten und in obenstehender Figur schematisch dargestellten Verhältnisse der hinteren Hohlvene aus denen heraus entwickelt haben, wie wir siejbei Embryo No. 42 finden konnten, wird unter Zugrundelegung des von mir (9) über die Entwickelung der hinteren Hohlvene beim Kaninchen und der Katze Angeführten nicht allzu schwer fallen. Embryo No. 45. Die Kopfvenen dieses Embryos bieten No. 44 gegenüber insofern günstigere Verhältnisse dar, als es hier möglich ist, über die Wurzeln der Hauptvenenbahn, welche das Blut des Gehirns abführt, etwas zu Jenaische Denkschriften. V. 7 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 32 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. (6) +} 23 erfahren. Eine Vene, welche in der Medianebene auf dem Dache des Zwischenhirns gelegen ist, lässt sich rechterseits (links sind die Venen weniger gefüllt und lassen sich daher nicht fortlaufend verfolgen) um den hinteren Umfang der Hemisphärenblase herum im Bogen, in der Richtung gegen den Schädelgrund zu verlaufend, verfolgen. Die Vene legt sich dabeı an das Knorpeleranium an und gelangt, angeschlossen an dasselbe, an die Seite des Rautenhirns entsprechend der Rautenbreite. Hier nimmt sie eine Vene auf, welche von der Dorsalseite des Rautenhirns über der dünnen Decklamelle desselben herunterkommt und dem Verlaufe des Plexus chorioideus ventriculi IV folgt und aus diesem Gefässe aufnimmt. Weiter mündet dann noch eine weniger bedeutende Vene, die von den Nerven der Vagusgruppe herkommt und an der lateralen Seite des Recessus labyrinthi, zwischen ihm und dem Knorpeleranium vorbeipassirt. Weiter setzt sich dann die Vene in der Weise fort und schliesst sich nach ihrem Austritte aus dem Cranium an den Stamm des N. facialis an, wie dies für das frühere Entwickelungsstadium No. 44 bereits beschrieben wurde. Es handelt sich nun zunächst um die Beantwortung der Frage, ob eine Uebereinstimmung der hier geschilderten Verhältnisse mit den Venenverhältnissen, wie sie bei den Embryonen anderer Säuger gefunden wurden, sich nachweisen lässt, und welcher Vene anderer Säuger die uns hier vorliegende Venenbahn entspricht. Da unterliegt es nun, wenn wir die an anderen Säugerembryonen gewonnenen Befunde meines Schülers SALZER (9) vergleichen, keinem Zweifel, dass bis zu einem gewissen Grade eine solche Ueber- einstimmung besteht, und dass die dem hinteren Umfange der Hemisphärenblase folgende Vene des Echidna- Embryo No. 45 einem Theile der Anlage des späteren Sinus transversus anderer Säugethiere entspricht. Auch lässt sich unter Zugrundelegung der Fig. 3 von SALZER leicht erkennen, dass die Fortsetzung dieser Venenbahn (die V. capitis lateralis) bei unserem Echidna-Embryo ganz ähnliche Beziehungen einhält, wie bei dem Meerschweinchenembryo von SALZER (Fig. 3). Dort verlässt wie bei dem Echidna-Embryo die Venenbahn zwischen Ganglion Gasseri und N. facialis den Schädel und lagert sich im weiteren Verlaufe an den N. facialis an. Nur besteht darin ein wesentlicher Unterschied, dass beim Meerschweinchen und anderen Säugerembryonen die Vene bei ihrem Austritt aus dem Schädel vom Anfangsstück des N. facialis nicht durch eine Brücke von Knorpel oder chondrogenem Gewebe geschieden ist, da in den Entwickelungs- stadien, in denen die Vene noch den in Sarzer’s Fig. 3 ersichtlichen Verlauf nimmt, die den Meatus auditorius internus umgrenzenden Knorpeltheile nicht einmal noch in der Anlage vorhanden sind. Aus diesem Grunde ist es auch erklärlich, wenn SALZER sagt, die Vene durchsetze das Gewebe der Schädelbasis mit dem N. facialis, da zwar dort, wo die Vene dem Nerven eng angeschlossen verläuft, um die beiden Gebilde herum sich chondrogenes Gewebe (des späteren Petrosum) vorfindet, nicht aber an der Stelle, die der Austrittsstelle dieser Vene aus dem Schädel bei dem vorliegenden Echidna-Embryo entsprechen würde. Von der Stelle an, wo die Anlage des Sinus transversus bei diesem Zehidna-Embryo den Schädel verlässt, bis caudal von der Ueberkreuzungsstelle des N. hypoglossus ist die Venenbahn als V. capitis lateralis zu bezeichnen. Von der Stelle an, wo sie mit dem N. facialis das knorpelige Petrosum verlässt, bildet sie die Wurzel der V. jugularis interna, die sich in ihrem weiteren Verlaufe wie bei No. 44 verhält. Ein Gleiches gilt bezüglich der V. jugularis externa und ihrer Wurzeln. Auch die hintere Hohlvene zeigt ähnliche Verhältnisse wie bei No. 44. Nur in ihrem paarigen Abschnitte ergiebt sich insofern eine Abweichung, als die Anastomose zwischen den beiden Venen caudal von der Wurzel der A. mesenterica inferior nicht mehr besteht, auch verhalten sich ihre Wurzelzweige schon etwas anders als dort. Die beiden die A. caudalis begleitenden Venen, es sind die Beckenabschnitte der hinteren Cardinalvenen, die wir aber jetzt schon als V. iliacae internae bezeichnen können, vereinigen sich räumlich ventral von der Wurzel der A. caudalis zu einem gemeinsamen Stamme, der durch zwei Aeste an den beiden Seiten der Wurzel der A. caudalis vorbei, über die dorsale Fläche der beiden A. iliacae communes hinweg, in die Wurzeln der 51 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 239 hinteren Hohlvenen dort übergeht, wo in diese die grosse subcutane Vene der Hintergliedmaasse einmündet. Dieser durch die Vereinigung der beiden V. iliacae internae entstandene Venenstamm hat sich jedoch durch die Abgabe dieser beiden in die hinteren Hohlvenen ein- Fig. 3. mündenden Aeste nicht erschöpft, sondern setzt sich über r DR . cava ınferıor die ventrale Circumferenz der Theilunesstelle der Aorta V. suprarenalis sinistra - r = q : R A. mesenterica superior eranıalwärts fort und mündet in die rechte hintere Hohl- ; vene unmittelbar neben der Stelle, an welcher die A. A. mesenterica inferior mesenterica inferior aus der Aorta entspringt, wie dies o75 5 > 4A. iliaca externa V. iliaca externa 4A. iliaca interna T. iliaca interna aus nebenstehender schematischer Figur zu erkennen ist. Der Vergleich dieser Figur mit der Textfigur 2 er- möglicht aber auch ohne weiteres, sich ein Bild davon un zu machen, wie der vorliegende Zustand auf den des Embryo No. 44 zurückzuführen ist. Beuteljunges No. 40. Dieses Object liefert zwar keine neuen Aufschlüsse bezüglich der Hirnvenen, wohl aber lässt es, da das knorpelige Petrosum weitere Fortschritte in seiner Entwickelung gemacht hat, sehr schön die Beziehung der Fortsetzung des Sinus transversus zu diesem Theil des Knorpelcraniums erkennen, weshalb ich die bei diesem Embryo in dieser Richtung sich darbietenden Befunde schildern will. Indem der Sinus transversus von dem hinteren Umfange der Hemisphärenblase herabkommt und sich an die knorpelige Schädelkapsel anlegt, bettet er sich im weiteren Verlaufe in eine Rinne am vorderen Ende des knorpeligen Petrosum ein, die nasenwärts von der hinteren Fläche des Ganglion Gasseri abgeschlossen wird. Der die hintere Wand dieser Rinne bildende Theil des knorpeligen Petrosum bildet wenigstens theilweise zugleich die vordere Umgrenzung des Meatus auditorius internus und stellt so eine Scheidewand zwischen der Vene und dem im Meatus auditorius gelegenen N. facialis her. Die zuerst geradeaus ventralwärts verlaufende Venenrinne biegt nun caudalwärts auf die untere Fläche dieses Knorpels um und mit ihr natürlich die in sie eingelagerte Vene. In dieser Verlaufsstrecke in der Rinne an der unteren Fläche des Petrosum nun legt sich der N. facialis, nachdem er den Meatus auditorius internus durch einen kurzen Knorpelkanal (vgl. Fig 7, Taf XVI, N. fa.) verlassen hat, der Vene an und verläuft, an ihre mediale Seite unmittelbar angeschlossen, mit ihr über die Trommelhöhle hinwee caudalwärts und verlässt, begleitet von ihr, diese Knorpelrinne durch eine eigene Oeffnung des Knorpels. Diese befindet sich in der die Venenrinne seitlich abgrenzenden und caudalwärts abschliessenden Knorpelplatte, die als eine ventrale Ausladung des Petrosum erscheint. An dieser Oeffnung trennen sich aber Nerv und Vene, und die letztere schliesst sich als V. jugularis interna dem Vasus an. Dort, wo dieser Anschluss erfolgt, mündet aber auch noch ein zweiter Wurzelzweig in sie, der den Schädel durch das Foramen jugulare verlässt und durch dasselbe mit einem basalen Blutleiter zusammenhängt, der dem Sinus petro-basilaris der Erwachsenen entspricht. Dieser Sinus wieder communicirt nasalwärts mit dem bei diesem Embryo ebenfalls schon angelegten Sinus cavernosus'!). Der Sinus cavernosus seinerseits wieder besitzt einen Abzugskanal gegen die Orbita hin, welcher der V. orbitalis inferior der Erwachsenen entpricht. Auch die V. orbitalis superior ist bereits entwickelt und vereinigt sich wie beim Erwachsenen mit der V. orbitalis inferior, eine Wurzel der V. facialis antica bildend. Die zweite Wurzel dieser Vene kommt vom Öberkiefer her. Mit derselben vereinigt sich nahe ihrer Mündung ein schwächerer /weig an der Unterkiefergegend, der der lateralen und unteren Seite des MEckEr’schen Knorpels entlang ı) Sinus petro-basilaris sowohl wie Sinus cavernosus waren auch schon bei No. 45, wenigstens andeutungsweise, vorhanden. m 240 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 52 verläuft. Im Uebrigen verhält sich dann die Fortsetzung der V. facialis antica, die V. jugularis externa wie im früheren Stadium, nur dass in sie, nachdem sie die Clavicula gekreuzt hat, noch Muskelvenen einmünden. Ueber das Verhalten der Venen’ der hinteren Körperhälfte war, da dieselben gänzlich blutleer und zusammengefallen waren, nichts Genaueres zu ermitteln. Nur bezüglich der Umbilicalvene liess sich fest- stellen, dass sie in der Strecke zwischen Nabel und Leber noch wegsam war, wenn auch ihr Lumen sehr eng erschien. Beuteljunges No. 47. Der Sinus transversus verhält sich hier, sowohl was seinen Verlauf vom hinteren Umfang der Grosshirn- hemisphären anlangt, als auch rücksichtlich seiner Beziehungen zum knorpeligen Petrosum, zum N. facialis und zur Trommelhöhle genau so wie bei No. 46. Seine Verlaufsstrecke neben dem N. facialis an der ventralen Fläche des knorpeligen Petrosum ist an der einen Horizontaldurchschnitt durch einen Theil des Kopfes dieses Beuteljungen darstellenden Fig. 8, Taf. XVI (8. ir.) ersichtlich, ebenso wie in der Nachbarschaft des Bulbus der Ouerschnitt durch die mächtige V. orbitalis inferior (V. or. i.). Nur insofern besteht ein wesentlicher Unterschied gegenüber No. 46, als der Sinus transversus dort, wo er sich auf die untere Fläche des Petrosum herumzubiegen im Begriffe steht, einen von vorn kommenden Venenast aufnimmt, der ihn mit dem Sinus cavernosus in Verbindung setzt. Es hat sich somit eine Verbindung zwischen diesen beiden Sinus entwickelt, die, wie das an Fig. 7, Taf. XVI, ersichtlich ist, an der medialen Seite des Ganglion Gasseri vorbeizieht. Der Sinus cavernosus ist im Vergleiche mit dem früheren Stadium schon sehr mächtig geworden, ebenso wie seine Abzussbahn in die V. orbitalis inferior, was ebenfalls an der Fig. 7 deutlich zu Tage tritt. Der Sinus petro-basilaris ist weniger blutgefüllt als in dem früheren Stadium und daher auch weniger deutlich zu verfolgen als dort. Eine durch das Foramen jugulare nach aussen ziehende und in die V. jugularis interna einmündende Vene lässt sich nicht nachweisen und ist in diesem Stadium, da sie beim Erwachsenen ja fehlt, möglicher Weise schon wieder geschwunden und würde danach eine sehr kurze Daseinsdauer besitzen. Von einem Sinus longitudinalis, wie er beim Erwachsenen gefunden wurde, ist noch nichts aufzufinden. Vergleichen wir nun die Sinus durae matris dieses Entwickelungsstadiums mit denen der ausgebildeten Form, so können wir bereits eine ziemlich weitgehende Uebereinstimmung: feststellen, nur fehlt uns bei dem Beuteljungen No. 47 noch der Sinus longitudinalis superior und seine Verbindung mit dem Sinus cavernosus, und müssen wir uns ferner vorstellen, dass die bei unserem Beuteljungen noch vorhandene Verbindung des Sinus cavernosus mit dem Sinus transversus (vgl. Fig. 7) während der weiteren Entwickelung noch verloren geht. Auch treten natürlich in Folge der durch das mächtige Wachsthum des Gehirnes bedingten Ent- faltung der Schädelkapsel gewisse Veränderungen in den Lageverhältnissen der hier in Betracht kommenden Theile auf. So ist die Oeffnung, durch welche beim erwachsenen Thiere der Sinus transversus den Hohlraum des knöchernen Schädels verlässt, vom Ganglion Gasseri, dem der Sinus noch bei dem Beuteljungen No. 47 innig anliegt, eine gute Strecke weit entfernt, und erscheint auch die Entfernung zwischen Meatus auditorius internus und dieser Oeffnung bedeutend vergrössert. Ausserdem folgt der Sinus transversus beim erwachsenen Individuum nicht mehr dem hinteren Umfang der Grosshirnhemisphäre und liegt daher auch nicht, wie dies bei anderen Säugern der Fall ist, im Ansatze des Gezeltes. Vielmehr hat sich das hintere Ende der Grosshirnhemisphäre an dem Sinus transversus vorbei verschoben und verläuft derselbe nun über den hinteren Theil der convexen Fläche desselben. Das Verständniss dieses von dem bei anderen Säugern abweichenden Verhaltens des Sinus transversus bietet nun, wie ich glaube, keine besonderen Schwierigkeiten, wenn man sich vorstellt, dass eine festere Verbindung der Wandungen des Sinus transversus mit der Schädelkapsel Beiträge zur Anatomıe und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 241 5 & schon zu einer Zeit sich hergestellt hatte, in der noch eine Verschiebung des Gehirns an der inneren Oberfläche der Schädelkapsel erfolgte. Sehen wir aber von dieser Differenz in der Beziehung des Sinus transversus zum Gehirn beim erwachsenen Individuum und bei dem ältesten untersuchten Beuteljungen ab, so müssen wir sagen, dass die Verhältnisse dieses Sinus im Uebrigen auch noch beim Erwachsenen ganz ähnliche bleiben, wie bei älteren Embryonen und ganz jungen Beuteljungen, und dass dieser Sinus somit bei der ausgebildeten Form ein Verhalten zeigt, wie es zwar bei keiner anderen ausgebildeten Säugerform vorkommt, wie es wohl aber für eine kurze Zeit und in verhältnissmässig frühen Entwickelungsstadien wahrscheinlich aller Säuger zu einer Zeit besteht, in welcher der Schädelerund noch durchaus aus chondro- genem Gewebe gebildet ist oder eben erst zu verknorpeln besinnt. Die über die Trommelhöhle hinweg verlaufende, sich an die laterale Seite des N. facialis anschliessende Fortsetzung des Sinus transversus nun ist, wie früher schon erwähnt wurde (p. 238), nichts anderes als die V. capitis lateralis, die somit bei Echidna zeitlebens erhalten bleibt, während sie bei anderen Säugern, so weit wir bis jetzt wissen (vgl. die Arbeit von SaLZEr [20]), zu Grunde geht, indem der Sinus transversus eine neue Abflussbahn durch das Foramen jugulare gewinnt. Echidna zeigt also mit Rücksicht darauf, dass die V. capitis lateralis erhalten bleibt, anderen Säugern gegenüber ein primitives Verhalten, welches insofern an Reptilienverhältnisse erinnert, als sich beispielsweise bei Sauriern (vgl. GROSSER-BREZINA |3]) auch die V. capitis lateralis in einer ganz ähnlichen topischen Beziehung zur Trommelhöhle und zum N. facialis erhalten vorfindet. Freilich spielt dort die Vene eine wesentliche andere Rolle, indem sie vorwiegend das Blut der Orbita und des Bulbus ableitet und in die Jugularvene befördert. Aber auch bei Zehidna ist die V. capitis lateralis frühen Embryonalstadien gegenüber schon beträchtlich reducirt, indem sie nur mehr einen bescheidenen Bruchtheil des Hirnvenenblutes aus dem Schädel in die innere Jugularvene leitet, während die Hauptmasse des Hirnvenenblutes wohl durch die V. orbitalis inferior in die äussere Jugularvene gelangt. Es ist nun inhohem Grade interessant und wichtig, dass uns in Ornithorhynchus eine Form erhalten ist, die, was das Verhalten des Sinus transversus anbelangt, gewissermassen in der Mitte zwischen Echidna und den übrigen Säugern steht und ein Entwickelungsstadium dieses Sinus repräsentirt, wie es vorübergehend bei anderen Säugern während der Entwickelung beobachtet werden kann, und wie esvon SALZER (20) in seiner Fig. 4 vom Meerschweinchen dargestellt wurde. Ornithorhynchus besitzt nämlich einen normal, dass heisst, so wie bei anderen Säugern im Ansatze des Tentorium cerebelli gelagerten Sinus transversus, welcher sich in zwei Schenkel spaltet, die das Petrosum zwischen sich fassen und von denen der eine in seiner Fortsetzung der Fortsetzung des Sinus transversus bei Zchidna, also der V. capitis lateralis entspricht, während der andere, der sich am Foramen jugulare mit dem Sinus petro- basilaris verbindet, mit der Fortsetzung des Sinus transversus anderer Säuger, dem sogenannten Sinus sigmoideus, übereinstimmt. Von dem Sinus petro-basilaris aus geht nun bei Ornithorhynchus eine Vene durch das Foramen jugulare in die V. capitis lateralis, nachdem die letztere das Schläfenbein verlassen hat, über, und diese Vene kann man als directe Fortsetzung des hinteren, dem Sinus sigmoideus anderer Säuger entsprechenden Schenkels des Sinus transversus betrachten. So können wir sagen, die beiden das Blut des Sinus transversus abführenden Schenkel vereinigen sich als Wurzeln der V. jugularis interna und bilden eine das Petrosum mit dem Gehör-Labyrinth aufnehmende Insel. Die Wurzeln und der Verlauf der V. jugularis externa ist ähnlich wie bei No. 46, doch sind auch schon die meisten Aeste dieser Vene, wie wir sie im definitiven Zustande angetroffen haben, vorhanden. Die V. cephalica und ihre Aeste bieten ebenfalls keine vom definitiven Zustand mehr wesentlich ver- schiedenen Verhältnisse dar. Die Hauptwurzel der V. subcelavia bildet auch hier wieder die V. thoracica 242 Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. 54 longa, ausserdem aber münden in diese Vene die dem Verlaufe der Oberarmarterie und ihrer Zweige folgenden Venen, die dort, wo die Arterien Büschel aufweisen, wundernetzartige Geflechte bilden. Bezüglich der hinteren Hohlvene und ihrer Aeste ergeben sich für dieses Stadium nur mehr sehr geringe Unterschiede von dem Verhalten, wie wir es beim erwachsenen Individuum gefunden haben. Von der Leber caudalwärts verfolgt, finden wir die Hohlvene in eine Rinne der rechten Nebenniere eingebettet, aus diesem Organe Zweige aufnehmend, dann weiter an der medialen Seite der rechten Niere; hier nimmt sie die Vene dieses Organs und anscheinend (dies war nicht völlig sicherzustellen) eine Vene aus dem Rest der Urniere, die V. spermatica dextra, auf. Hierauf wendet sich die Hohlvene mehr an die ventrale Seite der Aorta und gabelt sich hier caudal von der Wurzel der A. mesenterica.superior. Vor der Gabelungsstelle mündet die V. renalis sinistra, die ihrerseits wieder die V. suprarenalis sinistra aufnimmt, ein. Ausserdem hängt, vielleicht handelt es sich dabei nur um ein variables Verhalten, die V. renalis sinistra dorsal von der Aorta in der Gegend der Abgangsstelle der A. renalıs dextra mit der V. cava posterior dextra zusammen. Die V. spermatica sinistra mündet unmittelbar caudal von der Gabelungsstelle in die linke hintere Hohlvene ein. Caudal von der Abgangsstelle dieser Vene giebt die V. cava sinistra posterior einen Zweig ab, der sich, rückläufig an der linken Seite der Aorta vorbeiziehend, mit der V. renalis sinistra verbindet. Die linke hintere Hohlvene wurzelt in der V. iliaca externa sinistra, die rechte bildet sich aus dem Zusammenflusse der V. iliaca externa dextra und der beiden sich zu einem kurzen gemeinsamen, ventral vor der A. caudalis vorbeilaufenden Stamme vereinigenden V. iliacae internae. Beide Hohlvenenwurzeln liegen dorsal von der A. iliacae externae, doch bildet die rechte, indem ein collateraler mässig starker Zweig des gemeinsamen Stammes der V. iliacae internae ventral von der A. iliaca externa dextra hinaufzieht und sich dort mit ihr verbindet, eine Insel um diese Arterie. Was die Venen der hinteren Extremität anlangt, so konnten vor allem Begleitvenen der verschiedenen Arterienzweige verfolgt werden, ausserdem war aber auch eine subceutane Venenbahn nachzuweisen, die, auf dem Fussrücken entspringend, über die Streckseite des Unterschenkels und Kniegelenkes und über die Aussenseite des Oberschenkels hinaufzog, um, angeschlossen an den ersten Ast der A. iliaca externa!), die Wurzel der V. iliaca externa zu bilden. Ob diese subcutane Venenbahn, die, wie schon erwähnt, der gleichen, nur viel mächtigeren Venenbahn von Ornithorkynchus entspricht, auch noch beim erwachsenen Thiere vorkommt, habe ich nicht feststellen können. 1) Es bestehen bei diesem Object bezüglich der Endäste der Aorta schon Verhältnisse, die den definitiven entsprechen, und es ist daher auch schon ein Truncus hypogastrico-sacralis vorhanden. ee Verzeichniss der benutzten Literatur. 1) Bepparn, Note on the presence of an anterior abdominal vein in Echidna. Proceedings of the Zoological Society of London, 1884, Part IV. 2) Born, G., Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Säugethierherzens. Archiv f. mikroskopische Anatomie, Bd. XXXTIII, 1889. 3) Grosser, O., und Brezına, E., Ueber die Entwiekelung der Venen des Kopfes und Halses bei Reptilien. Morphol. Jahrbuch, Bd. XXIII, 1895. 4) Geeznsaur, C., Zur vergleichenden Anatomie des Herzens. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissenschaft, Bd. II, 1866. 5) Hocasrterter, F., Ueber die ursprüngliche Hauptschlagader der hinteren Gliedmasse der Säugethiere und des Menschen, nebst Bemerkungen über die Entwickelung der Endäste der Aorta abdominalis. Morphol. Jahrbuch, Bd. XVI. 6) Derselbe, Ueber die Entwickelung der A. vertebralis beim Kaninchen, nebst Bemerkungen über die Entstehune der Ansa Vieussenü. Morphol. Jahrbuch, Bd. XVI. : 7) Derselbe, Ueber den Ursprung der A. subelavia der Vögel. Morphol. Jahrbuch, Bd. XVI. 8) Derselbe, Ueber die Entwickelung der Extremitätsvenen bei Amnioten. Morphol. Jahrbuch, Bd. XVII. 9) Derselbe, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Venensystems der Amnioten. II. Reptilien. Morphol. Jahr- buch, Bd. XIX. III. Säuger. Morphol. Jahrbuch, Bd. XX. 10) Derselbe, Ueber die Entwickelung der Abdominalvene bei Salamandra maculata. Morphol. Jahrbuch, Bd. XXI. 11) Hyeır, J., Das arterielle Gefässsystem der Monotremen. Denkschriften der math.-naturw. Klasse der K. Akademie der Wissenschaften, Bd. V, 1853. 12) KraarscH, H., Zur Morphologie der Mesenterialbildungen am Darmkanal der Wirbelthiere. II. Theil: Säugethiere, Morphol. Jahrbuch, Bd. XVII. 13) Langer, A, Zur Entwiekelungsgeschichte des Bulbus cordis bei Vögeln und Säugethieren. Morphol. Jahrbuch, Bd. XXL. 14) Lankester, Ray, On the valves of the heart of Ornithorhynchus paradoxus compared with those of Man and the Rabbit with some observations on the fossa ovalis. Proceedings of the Zool. Society of London, 1882. 15) Derselbe, On the right cardiac valve of Echidna and of Ornithorhynchus. Proceedings of the Zool. Society of London, 1883. 16) Mecker, J. F., Ornithorhynchi paradoxi descriptio anatomica. Lipsiae 1826. 17) Owen, R., Monotremata. Cyclopaedia of Anatomy and Physiology, Vol. III. 18) Rex, H., Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. Morphol. Jahrbuch, Bd. XIV. 19) Rösz, C., Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Herzens der Wirbelthiere. Morphol. Jahrbuch, Bd. XVI. 20) Sarzer, H., Ueber die Entwickelung der Kopfvenen des Meerschweinchens. Morphol. Jahrbuch, Bd. XXIII. 21) ZuckErKkAnDdL, E., Zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Arterien des Vorderarmes. 1. Theil 1894, 2. Theil 1895. Anatomische Hefte. 22) Derselbe, Zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Arterien des Unterschenkels und Fusses. Anatomische Hefte, 1895. Fi KIRCHE } RER 5 D | } j ; i } N j N ) rn f ' { { N wi e N 3 nr - ee CS \ } Be F g TB E “ \ i ld AE \ aa EN 1 e ma: a WSPEN TG, En Ba a j# Ba + - ö \ v \ u Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. Von Dr. Albert Narath emer. Assistent der ı. anatomischen Lehrkanzel in Wien, d.z. Professor der Chirurgie an der Universität Utrecht. Mit Tafel XX—XXII und 3 Textfiguren. Jenaische Denkschritten. V. 8 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. 11, Aıs ich vor 3 Jahren auf dem VI. Anatomencongresse in Wien die Resultate meiner Untersuchungen über den Aufbau der Säugerlungen!) in kurzen Umrissen als vorläufige Mittheilung der Oeffentlichkeit übergab, waren noch manche Punkte in der Entwickelungsgeschichte nicht völlig klargestellt. Durch weitere ausgedehnte Untersuchungen kam ich wohl einige Schritte vorwärts, doch ergab sich immer dringender die Nothwendigkeit, die Lungenentwickelung an unseren niedersten Säugern, den Monotremen und Marsupialiern, näher zu studiren. Nur dadurch schien es mir möglich zu sein, gewisse Fragen von grundlegender Bedeutung zum Abschlusse zu bringen. Als ein besonderes Glück musste ich es daher begrüssen, als mir auf die liebenswürdige Vermittelung des Herrn Professor HOoCHSTETTER hin Herr Professor SEMON bereitwilligsst gestattete, an seinem kostbaren embryologischen Materiale die Lungen- entwickelung von Echidna aculeata zu bearbeiten. Leider machte ich bald die Erfahrung, dass ich wohl kaum ein ganz vollständiges Bild der Entwickelung zu geben im Stande sein werde, denn es fehlten einerseits eine Anzahl wichtiger Zwischenstadien, andererseits war von den verhandenen Lungen ein Theil durch mechanische Insulte oder mangelhafte Conservirung mehr oder weniger beschädigt. Trotzdem förderte das Studium dieser Monotremenlungen nach mancher Richtung hin bemerkenswerthe, ja sogar überraschende! Resultate zu Tage, so dass ich mit grosser Befriedigung diese Arbeit aus der Hand geben kann. Naturgemäss musste das Hauptgewicht der Untersuchung darauf gelegt werden, ob die gefundenen thatsächlichen Verhältnisse mit der Aesy’schen Theorie in Einklang zu bringen sind: ob wirklich die Arteria pulmonalis die formbildende Kraft besitzt, die ihr jener Autor beimisst. Es war festzustellen, wie sich die Arterie zur ersten Anlage der Bronchien verhält, ob sie zu irgend einer Zeit der Entwickelung dieselben beeinflusst, und ob bei der sich bildenden oder fertigen Lunge Anhaltspunkte vorhanden sind, die auf eine solche Beeinflussung in der Phylogenie mit zwingender Nothwendigkeit hinweisen. Diese und ähnliche Fragen waren es, die mir bei der ganzen Arbeit stets vor Augen schwebten, und die mich schliesslich zur Ueberzeugung brachten, dass Aegy?) der Arteria pulmonalis mit Unrecht Eigenschaften zuschrieb, die ihr nicht zukommen und die ihr auch niemals zugekommen sind, soweit sich das nach dem vorhandenen Materiale schliessen lässt. Was die Untersuchungsmethode anbelangt, so begnügte ich mich nicht mit einfacher Durchsicht der Querschnittserien, sondern fertigte, wo es möglich war, Modelle der embryonalen Lungen mit ihren Bronchialbäumen an. Es eigneten sich hierzu nur die drei jüngsten Stadien (Embryo No. 40, 4I und 42 der Semon’schen Abbildungen). Die drei Modelle wurden in genau 150-facher Vergrösserung nach dem 1) Vergleichende Anatomie des Bronchialbaumes. Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft auf der VI. Versammlung in Wien, 7.—9. Juni 1892. 2) Der Bronchialbaum der Säugethiere und des Menschen nebst Bemerkungen über den Bronchialbaum der Vögel und Reptilien. Leipzig 1880. 8*+ 33* Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 60 248 bekannten Wachsplatten-Modellirverfahren mit der grössten Sorgfalt hergestellt. Die Lumina der Trachea und ihrer Verzweigungen füllte ich nachträglich mit dünnem Gypsbrei und bekam so nach Entfernung des Wachses naturgetreue Abgüsse des Bronchialbaumes. Diese und die dazu gehörigen Modelle der ganzen Lungen wurden dann mit der Camera von OBERHÄUSER in ?/, Grösse von der ventralen und dorsalen Seite aufgenommen und auf Tafel XX und XXI dargestellt. Die einzelnen Abbildungen entsprechen der Ioo-fachen Vergrösserung der embryonalen Lungen. Bei den älteren und weniger gut conservirten Embryonen begnügte ich mich mit einfachen Reconstructionen nach den Querschnittserien. Die Lungen der erwachsenen Thiere injicirte ich von der Trachea, der Arteria und Vena pulmonalis aus mit verschieden gefärbter Celloidinmasse und corrodirte sie hernach in Salzsäure. I. Specieller Theil. A. Die Lunge des Embryo. Ueber die allererste Anlage der Echidna-Lunge kann ich keine positiven Angaben machen, weil mir leider die betreffenden Stadien fehlten. Wenn es jedoch gestattet ist, aus späteren Entwickelungsstadien irgendwelche Schlüsse zu ziehen, so möchte ich dafür halten, dass die Echidna-Lunge wohl kaum anders angelegt wird, als die jener Säugerlungen, deren Entwickelung bis jetzt bekannt ist. Die jüngste Entwickelungsstufe finden wir bei Embryo No. 40 der Semon’schen Tafeln. Diese Lunge hat bereits das erste Stadium der Entwickelung, die Bildung der Trachea und der beiden primitiven Lungensäckchen hinter sich, und man erkennt schon an den Stammbronchien die ersten Anlagen von Bronchialverzweigungen (Taf. XX, Fig. 2, und Taf. XXI Fig. 2). Die Tracheat), die bereits über eine stattliche Länge verfügt, erscheint cranial etwas breiter als caudal, ist dabei in der Richtung des ventro- dorsalen Durchmessers zusammengedrückt und zwar so, dass sie ventral eine gewölbte, dorsal eine mehr plane Fläche darbietet. Sie theilt sich unter einem Winkel von ca. 105° in die beiden Stammbronchien, die bei vertical gestellter Luftröhre nicht in einer Frontalebene mit ihr gelegen sind, sondern etwas dorsal abweichen, rechts und links ungefähr gleich viel. Vom Oeffnungswinkel der Trachea beansprucht der rechte Stammbronchus ungefähr 60°, der linke nur 45°, es geht also dieser steiler ab als jener. Der rechte Stammbronchus ist ungefähr zweimal so dick als der linke, da er am Ursprunge in querer Richtung 20, in antero-posteriorer I4 mm als Durchmesser aufweist, gegen 9 und II mm des linken Bronchus®?). Dieser erscheint überhaupt viel weniger geräumig als jener, reicht auch nicht so weit caudalwärts und besitzt viel schwächer entwickelte Seitenknospen. Es lässt sich also nicht leugnen, dass schon bei diesem jüngsten Stadium eine ziemlich hochgradige Asymmetrie der beiden Lungenanlagen besteht, und zwar prävalirt die rechte in jeder Beziehung über die linke. Wenden wir uns nun den Seitenästen der Stammbronchien zu, so sehen wir gerade das I. und das 2. Stockwerk in Anlage begriffen. Dem I. Stockwerke (Obergeschosse) der rechten Lunge entspricht eine starke Anschwellung des Stammbronchus, die in Form eines abgerundeten, querliegenden Wulstes haupt- 1) Die Bronchialbäume und Lungen sind alle bei vertical gestellter Trachea beschrieben. Zur Bezeichnung; der Richtungen wähle ich die Ausdrücke: ventral (vorn), dorsal (hinten), medial (innen), lateral (aussen), ventro-medial, ventro-lateral, dorso-medial dorso-lateral, cranial (oben), caudal (unten). 2) Die Maasse beziehen sich auf den Gypsausguss. 61 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 249 sächlich lateral, ventral und ventromedial, ganz unbedeutend laterodorsal, vorspringt. Legt man bei lothrecht gestellter Trachea durch die grösste Circumferenz der ganzen Anschwellung eine quere Ebene, so erhält man als Durchschnittsfigur das Bild eines an den Ecken abgerundeten Rhomboides (siehe Textfig. I und Fig. ı auf Taf. XXI). Die beiden längeren Seiten liegen ventral und dorsal, das Paar der kürzeren etwa medial und lateral. An der medialen Ecke (m) tritt der Stammbronchus in die Anschwellung ein und er würde, wenn er sie mit gleich bleibendem Caliber einfach durchsetzen würde, am Querschnittsbilde das schraffirte Areale (Str) einnehmen. Die drei übrig bleibenden abgerundeten Ecken markiren die Anlagen der drei Bestandtheile des rechten Obergeschosses, des ersten ventralen, des infracardialen und des apicalen (AEBy’s eparteriellen) Bronchus. Den bedeutendsten der drei Vorsprünge erzeugt der erste Ventralbronchus. Er entspricht der lateralen Ecke unseres Rhomboides und tritt aus dem Massiv des Stammbronchus lateral und quer heraus. Seine obere Abdachung geht flach und ohne Depression in denselben allmählich über, während er nach unten zur äusseren Seite des Bronchus steil abfällt. Gerade umgekehrt verhält sich der zweitgrösste Vorsprung, die Anlage des infracardialen Bronchus, da er nach unten zu flach ausläuft, nach oben hingegen steil abstürzt. Am Querschnitte bildet er die ventrale Ecke unseres Rhomboides, richtet seine Axe jedoch mehr ventromedial. Der dritte Vorsprung ist ganz unbedeutend, entspricht der dorsalen Ecke des Rhomboides und gehört der Anlage des apicalen Bronchus an. Alle drei Vorsprünge liegen, wie gesagt, bei vertical gedachter Trachea in einer queren Ebene. Die Verhältnisse des zweiten Stockwerkes, das in der Entwickelung viel weniger weit vorgeschritten ist, stellen sich folgendermaassen dar: Der Stammbronchus endet mit einer stark angeschwollenen, ventrodorsal etwas platt gedrückten Endknospe. Dieselbe giebt ovale Querschnitte, im frontalen Durchschnitte jedoch das Bild eines gleichschenkligen Dreieckes, dessen Basis medial, und dessen Scheitelecke lateral sieht. In die obere basale Ecke tritt der Stammbronchus ein, die untere ragt frei nach abwärts und bildet den untersten Pol des ganzen Epithelrohres. In dieser grossen Endknospe hat sich nun die erste Anlage des zweiten Stockwerkes der Lunge gebildet und ist in dem seitlich ausladenden Vorsprunge schon deutlich zu erkennen, während der nach abwärts gekehrte Buckel die künftige Scheitelknospe des Stammbronchus darstellt. Eine gewisse Scheidung beider Knospen ist durch eine ganz seichte Depression im unteren Schenkel des Dreieckes angedeutet. Eine sehr flache undeutliche Prominenz an der dorsalen Abdachung des seitlichen Höckers (näher dem oberen Basalwinkel des Dreieckes) könnte man als die erste Andeutung des zweiten Dorsalbronchus auffassen, jener Höcker selbst stellt jedoch die Anlage des zweiten Ventral- bronchus dar. Dort, wo die Ventralbronchien seitlich aus dem Stammbronchus herauswachsen, knickt sich dessen Axe plötzlich ab. Die Ablenkung erfolgt medialwärts beim ersten Ventralbronchus unter einem Winkel von ca. 135°, beim zweiten um 147°. Wesentlich einfachere Verhältnisse liegen auf der linken Seite vor. Schon oben wurde erwähnt, dass dieselbe im Ganzen schwächer gebildet sei und auch nicht jenen Grad der Entwickelung aufzuweisen habe, wie rechts. Die Anschwellung, die der Anlage des ersten Stockwerkes entspricht, erscheint bedeutend kleiner als rechts und dürfte kaum ein Viertel von jener betragen. Sie bildet einen lateral dem Stamm- bronchus aufsitzenden, stark abgerundeten Höcker, der ebenfalls nach oben flach ausgeht, nach unten zu jedoch steiler abfällt. Weitere Differenzirungen sind an ihm nicht zu bemerken. Der Stammbronchus endet mit einer ansehnlichen birnföormigen Anschwellung. Lateral lässt dieselbe ein breites, jedoch ganz niedriges Höckerchen hervorwachsen, dessen Abdachung nach oben steil, nach unten ventral und dorsal allmählich erfolgt. Dieses Höckerchen stellt ohne Zweifel die allererste Anlage des zweiten Stockwerkes (und zwar von Y,) dar. Die Axenknickungen des Stammbronchus betragen beim ersten Stockwerke 135°, also genau 250 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 62 so viel wie rechts, und beim zweiten 160°. Der Vergleich beider Seiten mit einander ergiebt, dass das rechte Obergeschoss höher steht als das linke, eine Thatsache, die im Zusammenhange mit den anderen Charakteren dahin zu verwerthen wäre, dass es etwas früher zur Bildung gelangt und rascher wächst als das linke. Die Knospen des zweiten Stockwerkes liegen ungefähr in derselben Höhe. Das Tracheal- und Bronchialrohr mitsammt den Knospen besitzt eine Auskleidung von hohem, unregelmässig geschichtetem Cylinderepithel mit vorwiegend basal gestellten Kernen. Den dicksten Belag zeigt die Trachea, deren Epithel oft drei bis mehr Kernreihen hinter einander aufweist. Das Epithelrohr wird von einer dicken Schicht sehr zellreichen Mesodermgewebes gleichmässig eingehüllt. Die so gebildeten Anlagen der beiden Lungenflügel (Taf. XX Fig. ı, Taf. XXI Fig. 1) stellen längsovale Körper dar, die mit glatter runder Oberfläche lateral frei in die Pleuropericardialhöhle hineinragen, medial aber in ihrer ganzen Länge, sowohl unter einander, als auch mit dem periösophagealen Mesoderm- gewebe in directem Zusammenhange stehen. Die beiden Lungenflügel sind ventrodorsal etwas plattgedrückt. Ihre Längsaxen divergiren nach abwärts zu und weichen gleichzeitig am caudalen Abschnitte dorsal ab, so dass der Oesophagus, der zwischen ihnen nach abwärts zieht, unten weiter ventral zu liegen kommt. An der freien Oberfläche markirt sich die Differenzirung des Epithelrohres in Form von seichten, buckel- artigen Vortreibungen. Den einzelnen Theilen des rechten Obergeschosses entspricht ein quer verlaufender Wulst, der deutlich eine Partie für den ventralen und eine für den infracardialen Bronchus erkennen lässt. Die letztere, die mit der ersteren direct zusammenhängt, reicht etwas über die Mittelebene nach links hinaus und baucht das Mesocardium posterius, dort, wo es ins vordere Darmgekröse übergeht, entsprechend aus. Dadurch wird jetzt schon ein infracardialer Raum formirt, der jedoch bloss eine seichte Bucht darstellt und mit der Pleurahöhle noch in weiter Communication steht. Das zweite Stockwerk der Lunge ist ebenfalls an einer seichten- Vortreibung kenntlich. An dem weniger voluminösen linken Lungenflügel modellirt das Gerippe des Bronchialbaumes noch viel undeutlicher die freie Oberfläche. Die dünnen Pulmonalarterien entstehen fast in gleicher Höhe von dem sechsten Aortenbogen, etwa dort, wo sich die Trachea vom Vorderdarme loslöst. Die Abgangsstellen der Arterien sind gleich weit von der Trachea entfernt, und ihre frontal gelegene Verbindungslinie zieht etwas vor dem ventralsten Punkte der Luftröhre vorbei. Anfangs liegen also die Arterien vollständig symmetrisch, etwa ventrolateral von der Axe der Trachea. Absteigend schieben sie sich etwas weiter dorsal vor, so dass ihre Verbindungslinie die Trachea gerade ventral tangirt; noch tiefer sind sie genau lateral von der Luftröhre anzutreffen. Gegen die Bifurcation zu macht sich zum ersten Male eine kleine Asymmetrie der Lage geltend, indem die linke Pulmonalis etwas weiter dorsal vorrückt als die rechte. Eine an dieser Stelle durch die linke Arterie gezogene quere Frontallinie fällt hinter die Trachea, eine in gleicher Höhe durch die rechte gelegt gedachte bildet noch eine Secante des Luftröhrenquerschnittes.. Weiter nach abwärts lassen sich die Pulmonalarterien leider nicht mehr genau verfolgen, doch steht fest, dass sie sich endlich in ein System von weiten Capillaren auflösen, das in scharf gezogener Schicht die Epithelknospen umgiebt. Die zwischen beiden befindliche Mesodermlage ist nicht besonders dick. Nur mit Mühe kann man den Verlauf der venösen Gefässe verfolgen. Sie sammeln sich zu je einem Hauptstämmchen, die an der medialen Seite der Stammbronchien nach aufwärts ziehen und sich im Bifurcationswinkel der Trachea zu einem einzigen Stamme vereinigen. Wie nun die Pulmonalvene weiter verläuft durchs Mesocardium ins Herz, kann man am Präparate nicht wahrnehmen. . Die Lunge des nächst älteren Embryos No. 41 ist leider etwas verdrückt und auch sonst nicht sehr gut conservirt. Ich modellirte sie aber trotzdem, weil überhaupt keine von einem annähernd gleichen Stadium vorhanden war und man doch die groben Verhältnisse hinlänglich gut sehen konnte (Taf. XX, 63 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 251 Fig. 3 u. 4, Taf. XXI, Fig. 3 u. 4). Die Trachea zeigt so wie beim jüngeren Stadium keinen kreisrunden Querschnitt, sondern ist im Sinne des antero-posterioren Durchmessers comprimirt. Sie theilt sich jetzt unter einem kleineren Winkel, als früher, da die beiden Stammbronchien nur mehr unter einem Winkel von ca. Ioo® auseinanderweichen. Das Missverhältniss im Caliber der Stammbronchien ist nicht mehr so bedeutend wie früher, indem der rechte sich nur um Weniges dicker im Durchmesser erweist als der linke. Angelegt sind wieder nur das erste und das zweite Stockwerk der Lunge, doch bieten alle Theile gegen früher eine höhere Stufe der Entwickelung dar. Auch fällt sofort auf, dass auch jetzt noch die rechte Lungenanlage in allen ihren Theilen, abgesehen von ihrem kräftigeren Bau, viel entwickelter ist, als die linke. So sehen wir beim rechten Obergeschosse die einzelnen Theile, die früher nur angedeutet waren, bereits vollständig differenzirt. Der erste Ventralbronchus und der infracardiale Ast erheben sich bereits als selbständige, an den Enden kolbig verdickte, kurze Fortsätze aus dem Stammbronchus (vgl. auch Textfigur 2). Der erstere sitzt diesem an seiner lateralen und ventralen Seite breit auf; der letztere entspringt mit schmälerer Basis ventromedial. Beide fussen in gleicher Höhe am Hauptstamm und bezeugen ihre enge Zusammengehörigkeit noch dadurch, dass von einem zum anderen eine deutlich vorspringende Leiste hinüberzieht. Den apicalen Bronchus (AEgy’s eparteriellen) sieht man als kegelförmigen Buckel angelegt der, dicht über und hinter dem ersten Ventralbronchus entspringend, sich gleich nach aufwärts erhebt. Es scheint, dass der Bronchus durch die Compression der Lunge aus seiner natürlichen Richtung gebracht wurde. Die Knospe des zweiten Stockwerkes hat grössere Dimensionen angenommen und sich gleichzeitig mehr von der ziemlich stark medialwärts abgebogenen Scheidelknospe des Stammbronchus gesondert. Sie stellt nun einen breiten Höcker dar, der dem Hauptstamme lateral aufsitzt. Zu einer Isolirung des dorsalen Antheils (zweiter Dorsalbronchus) kam es noch nicht. Auf der linken Seite lassen sich nur geringe Veränderungen constatiren. So hat die Anlage des Obergeschosses an Grösse zugenommen. Die ihr entsprechende Anschwellung am Stammbronchus erstreckt sich nun auch auf die ventrale Fläche des Epithelrohres und erhebt sich nach aussen und oben zu einem kleinen stumpfen Höckerchen. Die Anlage des zweiten Stockwerkes kann man wegen der Läsion, die die Lunge erlitten, noch weniger deutlich erkennen als beim jüngeren Stadium. Das rechte Obergeschoss steht etwa in gleicher Höhe wie das linke, ist also jetzt relativ tiefer als anfänglich. Auch das äussere Bild der Lungenflügel (Taf. XX, Fig. 3; Taf. XXI, Fig. 3) erfuhr entsprechend der inneren Umgestaltung des Bronchialbaumes eine weitere Veränderung. Diese tritt besonders am Obergeschosse der rechten Lunge hervor, indem dort die Gebiete des Ventralbronchus und des infracardialen Bronchus als breite, runde, ziemlich scharf umgrenzte Höcker deutlich vorspringen. Die Uebergangsstelle des Mesocardiums in das vordere Darmgekröse wird schon stärker über die Mittelebene hinaus nach links ausgebogen und so ein schon geräumigerer, aber noch immer weit offen stehender, infracardialer Raum erzeugt. Die übrigen Bronchien (apicaler und zweiter Ventralbronchus) vermochten wegen ihrer Kleinheit noch nicht die Lungenoberfläche kräftiger zu modelliren. An der linken Lunge hat sich kaum eine nennens- werthe Veränderung des äusseren Bildes vollzogen. Die Pulmonalarterien sind wegen mangelnder Blutfüllung kaum sichtbar, dagegen kann man ziemlich deutlich die Vena pulmonalis verfolgen. Sie kommt vor und unterhalb der Bifurcation der Trachea zum Vorschein und zieht von da nach links oben vorn, um links vom Septum atriorum in den linken Vorhot zu münden. Es fehlen nun leider Embryonen, bei denen man die Anlage und weitere Ausbildung des zweiten und dritten Stockwerkes der Lunge studiren könnte. Auf diese Weise entsteht eine empfindliche Lücke im Gange der Darstellung, und ich kann dieselbe erst wieder aufnehmen an Embryonen mit vier mehr oder weniger aus- 252 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 64 gebildeten Stockwerken. Von solchen Embryonen standen mir drei zur Verfügung, und zwar Embryo No. 42, 43 und einer, der etwas älter ist als No. 43?) und den ich der Einfachheit halber mit 43 a bezeichne. Die am wenigsten entwickelte Lunge besitzt von diesen dreien 43, dann folgt 42 und endlich 43a. Am besten conservirt fand ich Lunge 42; sie wurde modellirt und soll nun im folgenden als Beispiel eines Bronchialbaumes mit vier Stockwerken genauer beschrieben werden. Die Lunge von Embryo No. 42 (Taf. XX, Fig. 5 u. 6, Taf. XXI, Fig 5 u. 6) erscheint im Ganzen schlanker gebaut als bei den jüngeren Stadien. Die Trachea theilt sich unter einem Winkel von ca. 70°; der Bifurcationswinkel hat also um 35° resp. 30° abgenommen. Die beiden Stammbronchien kann man durch die ganze Lungenanlage als die Hauptstämme des Bronchialbaumes verfolgen. Sie divergiren anfangs, da sie jedoch jedesmal an der Abgangsstelle eines „ventralen“ Seitenastes medial abgelenkt werden, so beschreiben sie einen nach aussen convexen Bogen und kommen endlich, durch fortgesetzte Abknickung zur Convergenz gezwungen, mit ihren Scheitelknospen wieder nahe an einander. An Stärke übertrifft der rechte Stammbronchus noch immer etwas den linken, dafür ist dieser um ein Geringes länger geworden und steht auch mit seiner Scheitelknospe etwas tiefer. Was nun die Seitenäste anlangt, so muss gleich von vornherein ausdrücklich hervorgehoben werden, dass von einem wirklich symmetrischen Aufbau wenig zu sehen ist. Die Gleichheit erstreckt sich nur auf die Anzahl der „ventralen“ Seitenäste und auf deren grobe Anordnung; im Einzelnen stösst man auf ziemlich bedeutende Differenzen. Jeder Symmetrie spotten die beiden Obergeschosse. Rechts haben sich die drei bekannten Bestandtheile desselben selbständig weiter entwickelt und stellen kräftige, bereits verzweigte Bronchien dar, die dem Stammbronchus isolirt aufsitzen (vgl. auch Textfig. 3). Der erste Ventral- bronchus kennzeichnet sich noch immer durch seinen lateralen Austritt aus dem Hauptstamme. Nach kurzem queren Verlaufe entsendet er einen Seitenast nach hinten, wird dadurch selbst aus seiner ursprünglichen Richtung gebracht und erleidet eine starke Knickung nach vorn. Haupt- und Seitenast tragen je eine dicke, aufgetriebene Endknospe, die sich gerade anschickt, eine seitenständige Tochterknospe zu entbinden. Der ungefähr gleich starke zweite Ast des Obergeschosses, der infracardiale Bronchus, hat ebenfalls seine anfängliche Abgangsrichtung, die ventromediale, beibehalten, ist aber am Stammbronchus eine Spur höher gerückt und ragt bereits weit über die Mittelebene hinaus nach links vorne und hinten. Sein Ende, das von zwei besonders dicken Knospen gekrönt wird, strebt etwas nach aufwärts. Als der kleinste der drei Obergeschossbronchien ist der apicale Bronchus zu erwähnen (Ap). Laterodorsal in gleicher Höhe mit dem infracardialen und dicht am ventralen Bronchus den Stamm verlassend, entledigt er sich alsbald eines kleinen dorsomedialen Seitenastes und trachtet selbst, nach aussen und oben zu gelangen. Seine kolbig verdickte Endknospe stellt den höchsten Punkt des rechten Bronchialgerüstes dar. Viel schwächer präsentiren sich die tieferen Stockwerke der rechten Lunge. Es folgen auf den ersten Ventralbronchus, an Grösse caudalwärts abnehmend, noch ein zweiter, dritter und vierter „ventraler“ Ast. Diese Bronchien verlassen in unregelmässigen Abständen lateral den Stammbronchus und ziehen, mit einem geringen Neigungswinkel nach abwärts, fast quer nach aussen. Alle entsenden, ähnlich dem ersten ventralen Bronchus, ein dorsales Seitenästchen und erhalten von da ab eine Biegung ventralwärts. Der dritte Ventralbronchus macht von dem allgemeinen Typus eine Ausnahme, indem er noch ein zweites Seitenästchen nach abwärts entsendet. Zu jedem ventralen Bronchus gehört ein dorsaler Ast, und beide zusammen bilden ein Stockwerk in der Lunge. Die Dorsalbronchien sind kurzstämmige Zweige, die je 1) Auf den Serienpräparaten mit der Signatur: Eehidna, „etwas älter als 43“. 65 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 253 ein Seitenästchen besitzen. Der erste in der Reihe der dorsalen Bronchien ist unstreitig der apicale Bronchus, den wir oben des Näheren beschrieben haben. Der schon kleinere zweite dorsale fusst etwas oberhalb, der dritte eine Spur tiefer als der betreffende Ventralbronchus; die Knospe des vierten liegt wieder etwas tiefer als der ventrale, hat sich aber noch nicht vollständig von der Scheitelknospe. des Stammbronchus losgelöst. Die Abgangsrichtungen der genannten Bronchien ändern sich, indem der erste laterodorsal, der zweite dorsal, der dritte dorsomedial und der vierte medial austritt. Sie ordnen sich also in einer Schraubentour um den Stammbronchus an. Die linke Lunge verfügt ebenfalls über vier „ventrale“ Seitenbronchien, die aber sämmtlich schwächer gebaut sind als rechts. Der erste ventrale Bronchus entsprosst dem Stammbronchus etwas höher als sein Gegenüber und verlässt ihn lateral (mit einer ganz kleinen Neigung nach hinten). Nach kurzem Verlaufe biegt er winklig nach vorne ab und zieht in ventrolateraler Richtung weiter. An der Knickungsstelle entsendet er einen ziemlich starken Seitenast nach hinten, der jedoch sofort unter Abgabe einer kleinen dorsalen Knospe sich direct nach aufwärts erhebt und mit einer grossen Endknospe, die sich anschickt, wieder eine seitenständige Tochterknospe abzuspalten, als höchster Punkt des linken Bronchialbaumes endet (— apicaler Bronchus, A»). Das Ende des ersten Ventralbronchus trägt eine schon ziemlich ausgebildete dorsale Tochterknospe. Die übrigen drei Ventralbronchien verlassen den Stammbronchus in unregelmässigen Intervallen lateral. Nur der zweite hat eine kleine Neigung ventralwärts und zeichnet sich auch dadurch aus, dass er bereits zwei Seitenknospen producirt hat (eine ventrale und eine dorsale). Der dritte Ventralbronchus brachte es erst zur Anlage einer kleiner Dorsalknospe, und der vierte endlich bildet eigentlich selbst noch eine kleine Knospe am Hauptstamme. Wenn wir jetzt auf die dorsalen Bronchien der linken Lunge näher eingehen, so treffen wir hier im Vergleiche zur rechten Lunge noch viel weniger auf symmetrisches Verhalten, als bei den Ventral- bronchien. So besitzt das Obergeschoss überhaupt keinen selbständig am Stammbronchus fussenden dorsalen Ast. Dafür ist das zweite Stockwerk mit solchen reichlich bedacht. Der oberste davon fusst beinahe dorsomedial, mitten zwischen erstem und zweitem Ventralbronchus und besitzt bereits eine Seitenknospe. Fast in gleicher Höhe mit dem zweiten Ventralbronchus (eine Spur nach abwärts verschoben) erhebt sich ein zweites Aestchen dorsal, und in seiner nächsten Nähe ein drittes dorsomedial. Die beiden letzteren gehören streng genommen zusammen; sie sind auch durch eine stärker vorspringende Leiste am Haupt- stamme mit einander verbunden, und es scheint das eine ein Seitenzweischen vom anderen zu sein und sich frühzeitig davon abgespalten zu haben. Auch zum Wurzelstücke des zweiten Ventralbronchus zieht eine Art Leiste hinüber. Dies, die eigenthümliche Lage des dorsalen Bronchus und sein Verhalten zur Arterie, das weiter unten erwähnt werden soll, führt wieder zu der Vermuthung, dass der zweite ventrale Bronchus einen dorsalen Seitenzweigs an den Stammbronchus abgegeben habe. Der dritte Dorsal- bronchus ist erst als Knospe angelegt und sitzt etwas tiefer als sein ventraler Genosse. Die gerade nur angedeutete Knospe des vierten Dorsalbronchus steht mit der Scheitelknospe des Stammbronchus noch im Zusammenhang. Die Asymmetrie des Bronchialsystems drückt sich auch in der äusseren Gestaltung der beiden Lungenflügel aus (Taf. XX, Fig. 5, Taf. XXI, Fig. 5). Der rechte Lungenflügel ist viel geräumiger und besitzt auch einen grösseren queren und anteroposterioren Durchmesser, dafür steht er aber im Längs- durchmesser hinter dem linken etwas zurück. Beide Lungen stellen von vorn nach hinten abgeplattete Körper dar, stehen unter einander in directer Verbindung, kehren nach aussen einen freien gewulsteten Rand und biegen sich ventral etwas gegen die Mitte zu ab. Die ventrale Lungenoberfläche wird dadurch Jenaische Denkschriften. V. 9) Semon, Zoolog. Forschungsreisen. Il. 34 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 66 254 mehr weniger concav, die dorsale convex. Die stärker vorspringenden Bronchien formen die sonst glatte Oberfläche auf die Art, dass sie das Mesoderm buckelförmig vortreiben und auf diese Weise eine Anzahl von charakteristischen rundlichen Höckern erzeugen, zwischen denen sich dann wieder bestimmte Vertiefungen oder Furchen vorfinden. Die Furchen, die sich auch bei der erwachsenen Lunge erhalten, sind jetzt schon dadurch kenntlich, dass sie tiefer und schärfer einschneiden als die übrigen. Es kommen bloss am rechten Lungenflügel zwei derartige vor, die das Gebiet des ersten Ventralbronchus einerseits von dem des zweiten Ventralbronchus, andererseits von dem des Apicalbronchus trennen. Die so umgrenzte Zone springt als mächtiger runder Höcker ventrolateral am stärksten vor und lässt durch eine verticale Furche an der dorsalen Fläche die Areale der beiden vorhandenen Endknospen erkennen. Aus der concaven vorderen Fläche des rechten Lungenflügels erhebt sich die Mesodermhülle des infracardialen Bronchus als ziemlich bedeutender Buckel, der oben mit dem Mesocardium, dorsal mit dem periösophagealen Gewebe noch in innigem Zusammenhange steht, nach links aber schon frei hinüberragt und die Uebergangsstelle des Herz- ins vordere Darmgekröse weit ausgebaucht hat. Zum Gebiete des ersten Ventralbronchus zieht ein breiter Sattel hinüber, der nach unten zu gegen eine quer verlaufende Furche abfällt, die das Obergeschoss vom nächstfolgenden Stockwerke trennt. Die apicale Zone stellt einen hinter der Anlage des Ventrallappens zur Lungenspitze ziehenden, aus den dorsalen Antheilen des Lungenstammes herauswachsenden Fortsatz dar, dessen untere Grenze dorsal durch eine seichte Furche gekennzeichnet ist. Am rechten Lungenflügel markiren sich ausserdem noch die Enden des zweiten, dritten und vierten Ventralbronchus am lateralen Lungenrande, und die Kuppen der dorsalen Bronchien an der dorsalen Lungenoberfläche. Die linke Lunge besitzt keinen einzigen tiefer einschneidenden Spalt, sondern nur breite, seichte Furchen. Die grösste von diesen giebt an der convexen Lungenoberfläche und am lateralen Lungenrande die Grenze ab zwischen erstem und zweitem Stockwerke. Das kuppelförmige Ende des Obergeschosses beherbergt den apicalen Bronchus und überragt um ein Geringes den gleichen Punkt der rechten Lunge. Ausserdem treten besonders markant hervor zwei Buckel am Lungenrande, die durch die Endknospen des zweiten und dritten Ventralbronchus gebildet werden, und endlich noch zwei Höcker auf der hinteren Lungenfläche, die den stark vorspringenden Enden zweier Dorsalbronchien des zweiten Stockwerkes entsprechen. Alle Theile des Bronchialsystems werden im Inneren ausgekleidet von einem Cylinderepithel mit basal gestellten Kernen, nur scheint dasselbe weniger geschichtet und nicht so hoch zu sein, als bei den jüngeren Stadien, namentlich dort, wo stärkere Ausweitungen der Knospen vorhanden sind. Die Mesoderm- schicht erweist sich als weniger dick gegen früher, hat aber noch dieselbe Struktur beibehalten. Die ungefähr gleich dicken Pulmonalarterien entstehen von dem sechsten Aortenbogen dicht neben einander in gleicher Höhe, vollständig symmetrisch, ventral von der Trachea. Steil absteigend, divergiren sie nach unten etwas und treten gleichzeitig weiter nach hinten, bis sie die Trachea in die Mitte nehmen. Nun ziehen sie vollständig symmetrisch zu beiden Seiten der Luftröhre nach abwärts bis nahe an die Bifurcation. Hier wendet sich die linke Pulmonalis etwas weiter nach hinten, so dass sie etwa dorsolateral zur Trachealaxe gelagert ist, während die rechte Pulmonalis ihre Position beibehalten hat. So passiren sie die Bifurcation, und jede begleitet nun für sich ihren Stammbronchus, die rechte lateral, die linke dorsolateral. Wie jedoch die Arterien ins Geäste des Bronchialbaumes eintreten, hat auch schon die rechte eine ungefähr dorsolaterale Lage ganz allmählich eingenommen. Der weitere Verlauf gestaltet sich nun so, dass die Arterien zwischen den ventralen und den dorsalen Bronchien nach abwärts eilen. Die ventralen Bronchien liegen dabei lateral und ventral, ‘die dorsalen jedoch medial von ihnen. Eine Ausnahme hiervon macht die linke Pulmonalis im zweiten Stockwerke. Hier geht sie mit einer leichten medialen. 67 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 255 Krümmung direct zwischen die beiden tieferen Dorsalbronchien hindurch und ist da gerade dorsal vom Stammbronchus anzutreffen. Es liegt also der eine von den dorsalen Bronchien lateral von der Pulmonal- arterie; etwa so wie die ventralen Bronchien. Die rechte Pulmonalis behält, soweit sie sich verfolgen lässt, eine hauptsächlich dorsomediale Lage bei. Das venöse Blut sammelt sich in mehreren kleinen Gefässen, die sich schliesslich zur Vena pulmonalis dextra und sinistra vereinigen, stärkeren Venenstämmchen, die ventromedial vom Stammbronchus nach aufwärts ziehen. Diese Venen bekommen ihr Blut sowohl von den ventralen als auch von den dorsalen Gebieten. Ersteres erhalten sie durch quere Aestchen, welche vor den einzelnen Ventralbronchien gelagert sind und sich ihnen anschliessen, letzteres beziehen sie durch eine andere Sorte von Aesten, welche in dorsoventraler Richtung verlaufen und dabei den Stammbronchus an seiner medialen Seite überkreuzen. Dicht unterhalb des ersten Stockwerkes legt sich die rechte Pulmonalvene mehr an die mediale Seite des Stammbronchus, dorthin gedrängt durch den ventromedial austretenden infracardialen Bronchus, und zieht so hinauf bis in den Bifurcationswinkel der Trachea. Hier, genau in der Abgangshöhe des linken ersten Ventralbronchus stösst sie mit der der anderen Lunge zusammen und vereinigt sich mit ihr zu einem unpaarigen Hauptstamme. Gerade an der Vereinigungsstelle mündet die linke erste Ventralvene ein. Die gleiche Vene des rechten Obergeschosses ergiesst sich in die rechte Vena pulmonalis oberhalb des infra- cardialen Bronchus fast in gleicher Höhe wie die apicale Vene, welche medial vom Stammbronchus liegt wie eine typische Dorsalvene. Der Hauptstamm der Vena pulmonalis steigt direct nach aufwärts, schiebt sich aber dabei gleichzeitig etwas nach links hin, wodurch sie ventromedial vom linken Stammbronchus zu liegen kommt. Der unpaarige Stamm nimmt später noch eine von links kommende kleine Vene auf, ist aber dann wegen mangelhafter Blutfüllung nicht mehr weiter zu verfolgen. Die Lunge von Embryo No. 43 ist etwas weniger entwickelt als die soeben beschriebene von No. 42, doch gleicht sie dieser bis auf einige wenige Punkte fast vollkommen. Ventralbronchien bestehen rechts wie links vier. Die Zahl der Dorsalbronchien hingegen wechselt in den verschiedenen Stockwerken. Es sitzen auf den einzelnen Stammbronchusstrecken folgende Dorsalbronchien: Stammbronchusstrecke | Rechts | Links von der Bifurcation bis V, | ı — (dm) =ap —d, | f6) T von V, bis V, | 2 — (dm und dl) = d, an der Wurzel in Verbindung | 2 — (dm und d) = d, von VW, bis V, | o 1 — (dm) =d von F, bis 7, |ı — — /dm) = dl, I — (dm) 2 | Das zweite Stockwerk weist auf beiden Seiten zwei „Dorsalbronchien“ auf. Der eine von ihnen (dorsomedial) macht den Eindruck, als ob er eine frühzeitig angelegte und als Nebenbronchus an den Stammbronchus abgegebene Seitenknospe des anderen (dorsal oder dorsolateral) sei. Sehr wahrscheinlich wird diese Annahme unter anderem dadurch, dass die genannten Bronchien rechts noch theilweisen Zusammenhang zeigen. Das dritte rechte Stockwerk entbehrt eines isolirt vorkommenden „Dorsalbronchus“ vollständig, dafür finden wir einen dorsolateral ausgerichteten Ast am Wurzelstücke des dritten ventralen Bronchus. Hier scheint der betreffende Bronchus nicht als „D,“ auf den Stammbronchus gerückt zu sein. Die Gefässe verhalten sich normal. Die Lunge von Embryo No. 43a stimmt mit den beiden früheren ziemlich überein, ist jedoch in der Entwickelung etwas weiter vorgeschritten, indem die einzelnen Seitenzweige schon reichlicher mit Tochter- knospen bedacht sind. Besonders hervorzuheben wären zwei Erscheinungen, die bei dieser Lunge zum ersten Male auftreten und denen man bei den älteren Lungen fast constant begegnet. Das eine ist, dass 9* 34* 256 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 68 3 die Echidna-Lunge vom vierten Stockwerke angefangen in den unteren Bezirken links eine reichlichere Bronchialverzweigung aufweist als rechts. So ist links wahrscheinlich schon die Knospe für den fünften Ventralbronchus angelegt, während sich rechts nicht die Spur davon vorfindet. Als zweite Thatsache wäre zu vermerken, dass der Bronchialstamm anfängt sich in seinen tieferen Antheilen mit kleinen Nebenbronchien, namentlich solchen ventraler Abkunft, zu bevölkern. Anzahl, Abgangsrichtung und Sitz der Nebenbronchien erläutert die folgende Uebersicht, wobei ich gleich bemerken will, dass ich die „Dorsalbronchien“ als dorsale Nebenbronchien der „Ventralbronchien“ auffasse, was später noch des Näheren auseinandergesetzt werden soll. Nebenbronchien : Stammbronchusstrecke Ventrale | Dorsale Rechts Links | Rechts Links — — —_ m m — er ern Bifurcation bis V, 1 — (vom) —= Jnfr. (6) | ı—- (d)=p=d |o in gleicher Höhe mit V/, | in gleicher Höhe mit V, von V, bis V, [6) [6) I — (d) =d,)1ı — () = (dh, | in gleicher Höhe mit V, von V, bis V, 2 (0) I — (vom) | 2 — (if) — d, | ı — (d) dicht unter , =d, | | in gleicher Höhe mit V, | in gleicher Höhe mit V, von V, bis V, | 2 — (v und wm) lo 2 — (m undd)=d,|ı — (d) z = il, von V, bis V, IK) (6) [6) 2 — (d und m) gr An den Pulmonalarterien hat sich unterdessen eine kleine Veränderung bemerkbar gemacht, die mit der weiteren Ausbildung des Hauptstammes der Pulmonalis im Zusammenhange steht. Früher standen die Abgangsstellen der beiden Pulmonalisäste vollständig symmetrisch nahe bei einander in einer frontalen Linie vor der Trachea; jetzt hingegen (bei Embryo No. 43a) erscheinen sie etwas nach links verschoben und gedreht, so dass die Abgangsstelle der rechten Pulmonalis genau in der Mittelebene vor der Trachea sich befindet, die linke hingegen etwas nach links und hinten verschoben ist. Von nun an liegt auch bei den älteren Stadien die linke Pulmonalis bis zur Bifurcation der Trachea immer etwas weiter hinten als die rechte, während früher vollständige Symmetrie herrschte. Wie rasch die linke Lunge in ihren unteren Antheilen nun der rechten vorauseilt, bezeugen die nächst älteren Stadien No. 44 und 44a), bei denen der fünfte und sechste Ventralbronchus links bereits angelegt ist, rechts hingegen unterhalb des Abganges des vierten Ventralbronchus nur ganz kleine schwer zu deutende Knospen emporsprossen. Zur Illustrirung der Anordnung, Zahl und Art der Bronchien der beiden Bronchialbäume diene die Uebersicht auf folgender Seite: Die Ventralbronchien treten noch alle lateral aus dem Stammbronchus, biegen aber in ihrem Verlaufe gegen den freien Lungenrand nach vorn allmählich ab, wobei sie einen nach hinten und aussen convexen Bogen beschreiben. Sie besitzen schon zahlreiche Seitenästchen, die in bestimmter Weise angeordnet sind. Es giebt hintere, vordere, obere und untere, welche monopodisch dem Mutterstamme aufsitzen. Die hinteren und die vorderen übertreffen die übrigen an Grösse und ordnen sich typisch in eine dorsale und in eine ventrale Reihe. Die Mitglieder der ersteren zeichnen sich durch eine annähernd laterodorsale, die der letzteren durch eine ventromediale Abgangsrichtung aus. Die Summe der Knospen an den einzelnen ventralen Bronchien nimmt von oben nach unten ab. Vergleicht man beide Lungenflügel unter einander, so fällt einem sofort auf, dass der erste und der zweite Ventralbronchus rechts und links die 1) Die Serie trägt die Signatur: „Embryo von Behidna, etwa wie 45“. 69 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 257 5 Stamm- Ventralbronchien | bronchus- Nebenbronchien: strecke & | | Ventrale Dorsale Rechts | Links | ——_ | | Rechts Links Rechts Links = L - = Bif.—V, | ı — (em) = Infr. [e) I—-(d)=p=d|o | in gleicher Höhe mit V, ' in gleicher Höhe mit V, vv, |o (6) I — (d) =qd|1ı — (d) =d, 2 | | in gleicher Höhe mit V, Se 4 6 Zr | Ei o | 2-(dudd=d|ı- (a) =d, V,—V, | ı — (vm) ı — (em) | 2— (dmundd)=d, | 1 — (d) = dl, a Te | ? I — (wo) ? 2 —- (dundm =d, in gleicher Höhe | = (fd) | 2—- (dundm —=d, © | 2 in gleicher Höhe ı Bi-lin |: (em) = Infr. (6) ı—- (d)=p=d|o | in gleicher Höhe mit V, V,—P, [6) (6) I — (d) = d, | 1 — (d) = dl, V,—V, | 2 — (e und o) [6) 1 — (dm) —=d, | I — (a) = dl, Lunge £ | in gleicher Höhe mit V, No. 44a | 4 Vr,—V, I — (vom) 1 — @) 2 — (d und m) =d, | ı — (d) = (l, | wie Höhe von V, | ry,—/V, ? in (vm) ? 2 — (m und d) — (ih | r—V, 2 | (d) = d, | | | es folgen noch zwei | fragliche Knospen gleiche Anzahl von Knospen aufbringen (ca. 12 und 9), dass aber der dritte und vierte der linken Lunge fast doppelt so viel besitzen wie rechts (ca. 7 und 5 gegen 4 und 3). Im Ganzen zählte ich an den vier Ventralbronchien der rechten Seite ungefähr 26, links hingegen ca. 33, eine Zahl, die vielleicht noch zu niedrix bemessen ist. Dazu müsste man noch etwa fünf Aestchen vom fünften und sechsten Ventrai- bronchus hinzurechnen, die rechts ja überhaupt nicht vorhanden sind. Noch ungünstiger für die rechte Lunge gestalten sich die Zahlenverhältnisse bei der etwas älteren Lunge 44a („etwa wie 45°). Nach diesen Ergebnissen müssen wir den Satz aufstellen, dass schon vom dritten Stockwerke angefangen die linke Lunge stärker entwickelt und reichlicher verzweigt ist als die rechte. Was die „Dorsalbronchien“ anlangt, so treffen wir sie bei Lunge 44 und 44a auch stärker entwickelt und reichlicher verzweigt an als früher. Sie kommen, wie aus der Tabelle ersichtlich ist, in den oberen Stockwerken einzeln, in den tieferen zu zweit vor, und zwar besitzt dann der eine von ihnen immer eine mehr dorsale, der andere eine mehr dorsomediale oder mediale Abgangsrichtung. Vollständig fehlt der erste Dorsalbronchus der linken ersten Stammbronchusstrecke. Der erste der „Dorsalbronchien“ rechterseits (Taf. XXII, Fig. 2) ist der kräftigste seiner Reihe, er verlässt den Stammbronchus in der Höhe des ersten Ventralbronchus dicht an ihm (No. 44) und in gleicher Richtung mit den hinteren Seitenästen dieses Bronchus, nämlich laterodorsal. Alsbald biegt er nach oben zu ab und eilt zur Lungenspitze (Apical- bronchus). Er besitzt mehrere Seitenzweige, von denen der erste, grösste und bereits mehrfach verzweigte mediadorsal der Knickungsstelle entsprosst. Der apicale Bronchus bildet sowohl mit den hinteren Seitenästen des Ventralbronchus, als auch mit den dorsalen Bronchien des ganzen rechten Bronchialbaumes eine gut geordnete Reihe. Als besonders wichtig wäre hervorzuheben, dass bei Lunge No. 44a der rechte apicale Bronchus, streng genommen, nicht mehr vom Stammbronchus, sondern vom ersten Ventralbronchus als dessen erster hinterer Ast entspringt (Taf. XXII, Fig. 3). Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata, 70 a Der linke apicale Bronchus (Taf. XXII, Fig. 2) geht vom ersten ventralen Bronchus nahe seinem Ursprunge als erster Seitenast dorsal (mit einer kleinen Neigung lateralwärts) ab, wendet sich nach kurzem Verlaufe. nach oben, um in der Lungenspitze mit seiner Scheitelknospe zu enden. Er producirte bereits sechs (No. 44) und acht (No. 44a) Seitenäste, von denen der erste an der Biegungsstelle mediodorsal entspringt, so wie rechts. Der linke Apicalbronchus ist das erste Glied der Reihe (der dorsalen Seitenäste des ersten Ventralbronchus. Der grosse infracardiale Bronchus fusst in gleicher Höhe mit dem ersten ventralen ventromedial am Stammbronchus, steigt steiler ab als bei jüngeren Stadien und wendet sich dann unter geringerer Neigung nach vorn und links. Die Seitenästchen, deren Lunge No. 44 mindestens sieben, No. 44a wenigstens zehn autbrachte, richten sich hauptsächlich nach vorn (vorwiegend ventromedial) und nach hinten (vorwiegend dorsomedial). Die ventralen Aeste bleiben die grösseren und verzweigteren. Die Form der Lunge hat sich bei Embryo No. 44 und 44a insofern geändert, als sich die beiden Flügel stark in die Breite ausdehnten und stärker nach vorn krüämmten. Es wurde dabei aus der ventralen Lungenoberfläche allmählich eine mehr mediale, aus der dorsalen eine laterale. Die Spalten zwischen Apicalbronchus, erstem und zweitem Ventralbronchus haben sich vertieft, so dass man schon von einem Ventrallappen (V) sprechen kann. Auch das infracardiale Gebiet wuchs zu einem langen, freien Lappen aus, dessen spitzes Ende fast den linken Lungenrand erreicht. Sonst sind die groben Buckel verschwunden und haben feineren Höckerchen Platz gemacht. Die Dicke der Mesodermschicht, welche die Bronchien einhüllt, ist geringer als früher. Die epitheliale Auskleidung der Bronchien differenzirt sich allmählich so, dass in den groben Aesten das Epithel dicker und am meisten geschichtet erscheint, niedriger und fast durchgehends einschichtig hingegen in den feineren Verzweigungen und in den Knospen. Die Lageveränderungen an den Wurzelstücken der Pulmonalarterien, die bei dem jüngeren Stadium (43a) begonnen, machte weitere Fortschritte. Der Hauptstamm der Arteria pulmonalis zieht von links vorn in nach oben convexem Bogen nach rechts hinten und theilt sich noch links von der Mittelebene in seine beiden Aeste, sie bekommen jetzt, wenigstens in den Anfangsstücken, freie Wandungen dadurch, dass sie sich vom Mesodermgewebe in der Umgebung der Trachea loszulösen beginnen. Die rechte Pulmonalis muss jetzt, um an die laterale Seite der Trachea gelangen zu können, vor derselben schräg absteigend nach rechts ziehen, während die linke diese Lage viel rascher erlangt. Die Vena pulmonalis mündet, wie man an der Lunge von Embryo No. 44 deutlich sehen kann, in den linken Vorhof an der tiefsten Stelle dicht neben dem Septum atriorum, links von der Medianebene des Körpers, in der Höhe der Theilungsstelle der Trachea. Verfoleen wir sie stromaufwärts, so gleitet sie steil nach unten, rückt dabei, den Bronchien sich nähernd, etwas nach rechts hin, so dass sie endlich genau median zu liegen kommt. Nachdem sie zwischen den beiden Stammbronchien in den Oeffnungswinkel der Luftröhre getreten, theilt sie sich in der Höhe der ersten Ventralbronchien in die beiden Stammvenen, von denen die rechte die linke an Caliber übertrifft. Der weitere Verlauf entspricht genau den früheren Angaben bei Embryo No. 42. Die erste linke Ventralvene mündet bei Lunge No. 44 in die linke Stammvene, bei 44a jedoch in den Hauptstamm der Vena pulmonalis. Die übrigen Aeste gleichen sonst den bei den jüngeren Stadien erwähnten, nur geht die erste rechte Ventralvene unterhalb des infracardialen Bronchus an ihren Bestimmungsort. [Seitenäste: Rechts: erster Ast = Apicalvene (dorsal); zweiter Ast = Infracardial- vene (ventromedial); dritter Ast — erste Ventralvene (ventrolateral); Links: erster Ast = erste Ventralvene (lateral). Die Stammvenen liegen den Stammarterien am Stammbronchus gegenüber. 7I Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 259 Bei dem nächst älteren Embryo No. 45, dem letzten Stadium vor der Geburt, das zur Untersuchung kam, begegnen wir mit einem Male einer höchst merkwürdigen Erscheinung (vgl. Taf. XXII, Fig. 4, 5, 6), Auf jedem Schnitte der Serie fällt sofort eine besondere Weite der Bronchien auf, der ganze Bronchialbaum sieht wie aufgeblasen aus. An dieser auffälligen Erweiterung haben sowohl die Stammbronchien als auch sämmtliche Seitenzweige mit allen ihren Verästelungen theilgenommen. Die Abgänge ventraler und dorsaler Bronchien erscheinen oft so verbreitert, dass sie die halbe Peripherie des Stammbronchusquer- schnittes für sich in Anspruch nehmen, während sie sich früher meist mit einem kleineren Areale begnügten. Eine natürliche Folge der Dickenzunahme der Seitenzweige ist ein Näherrücken dieser an einander am Mutterstamme, wodurch wieder die astlosen Strecken der Bronchien kürzer und die trennende Mesoderm- schicht dünner wird. Der Bronchialbaum verliert seine schlanken Formen, erscheint plumper und bietet eine gedrängtere Astfolge dar. Die Structur des Mesoderms blieb die gleiche, an der Epithelschicht vollzogen sich jedoch einige Veränderungen. Man findet zwar noch in den Hauptstämmen geschichtetes Cylinderepithel, aber auch nur in diesen, da in den Seitenästen die Epithelzellen niedriger werden, cubische Formen annehmen und nur in einfacher Lage als Auskleidung vorkommen. Der Uebergang vom Cylinderepithel in das cubische vollzieht sich an den Abgangsstellen der Seitenäste ziemlich rasch. Die Zellkerne zeichnen sich durch länglich-runde Gestalt und durch besondere Grösse aus. Bezüglich der Verästelung des Epithelrohres wäre hervorzuheben, dass die einzelnen Bronchien mehr Seitenzweigchen angesetzt haben als früher, dass aber der Stammbronchus an seinem unteren Ende nur wenige schwache Seitenknospen producirte. An der rechten Lunge lassen sich fünf, an der linken mit Sicherheit gar nur vier Ventralbronchien nachweisen, es würde also hier die rechte Lunge in den unteren Bezirken stärkere Entwickelung zeigen als die linke und sich mithin gerade entgegengesetzt verhalten wie alle übrigen Lungen. Zu diesem scheinbaren Ausnahmsfalle wäre wohl zu erwähnen, dass die linke Scheitelknospe des Stammbronchus in Uebereinstimmung mit den anderen Lungen doch tiefer nach abwärts reicht als die rechte, und dass wegen der oben erwähnten Erweiterung der einzelnen Zweigchen und Knospen die Orientirung ungemein erschwert ist und die Deutung der Querschnittsbilder am Ende des Stammbronchus kaum mit Sicherheit erfolgen kann. Ich möchte daher dieses Untersuchungsergebniss mit aller Reserve aufnehmen. Die Zahl der am Stammbronchus vorkommenden Seitenzweige erläutert die folgende Uebersicht: | Stamm- ü ' Ventralbronchien | bronchus- Nebenbronchien: strecke 3 x 5 Ventrale Dorsale Rechts | Links = | Rechts Links Rechts Links — — — in = = zu = = = | Bif.—V, I (vom) = I [e) ı— (d)=mp=d, [6) R Zeyaıe o ı — (d) -4| ı-(d) -d, 5 4®) V%-V, |ı — (vum) ı — ) (6) I — (d) —.d, Y,—V, | ı — (vum) 2 — (mu.m) I — (4) —=d, I — (dl) —d, | V,—V, ? ? 1 — (d) — dh, ? Embryo No. 45 scheint nahe dem Ende des uterinen Lebensabschnittes zu sein, vielleicht sogar kurz vor der Geburt zu stehen, da das nächst ältere Object nur um Weniges grösser erscheint und bereits geboren wurde. 260 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. SI D B. Die Lunge des Beuteljungen. Wir haben nun einen neuen Abschnitt in der Entwickelung der Echidna-Lunge zu besprechen, welcher sich während und nach der Geburt vollzieht und der in der Säugethierreihe seines Gleichen sucht. Man denke nur an die höchst auffällige Thatsache, dass zwar bis zur Geburt des Thieres alle Seitenäste des Stammbronchus entwickelt sind, dass aber die weitere Verzweigung dieser noch nicht zum Abschluss gebracht wurde und dass endlich die Bildung von definitiven Alveolen noch gar nicht begonnen hat! Das Junge wird also im wahrsten Sinne des Wortes mit einer embryonalen, noch lange nicht fertig entwickelten Lunge geboren und ist gezwungen, mit dieser zu athmen. In welcher Weise sich die Natur dieser Aufgabe entledigt hat, dafür bieten die jüngsten Stadien von Beuteljungen No. 46 und 47 Belege. Die Bilder, die man hier zu Gesicht bekommt, lassen eine gewisse Aehnlichkeit der Echidna-Lunge mit Reptilienlungen nicht verkennen, und erst bei genauerer Untersuchung wird man gewahr, was vorgegangen ist, um das bekannte Bild der embryonalen Lunge fast ganz zu verwischen. Alle Hohlräume der epithelialen Lungenanlage haben eine ganz aussergewöhnliche Erweiterung erfahren, mit Ausnahme der Wurzelstücke der gröbsten Bronchien. Die Lungen sehen aus, als ob sie von der Trachea aus ad maximum aufgeblasen worden wären; es macht ganz den Eindruck, als ob dadurch ein hochgradiges Emphysem erzeugt worden wäre, wenn es gestattet ist, diesen Ausdruck zu gebrauchen. Leider sind die beiden untersuchten Lungen so mangelhaft conservirt, dass man nur an wenigen Stellen den feineren Bau derselben näher studiren kann. Am besten erhalten und am wenigsten zerdrückt ist noch der infracardiale Lappen von Lunge No. 47, und ich gebe davon auı Taf. XXI, Fig. 7 die genaue Abbildung eines Schnittes, der gerade den infracardialen Bronchus der Länge nach trifft. Der linke Antheil des Lappens scheint ganz die natürliche Form behalten zu haben, der rechte hingegen ist in der Richtung des antero-posterioren Durchmessers etwas zusammengequetscht. Beim Studium der Schnittbilder kommt man zu folgendem Resultate. Indem sich zwei benachbarte Bronchialästchen oder Knospen ausdehnten, reducirten sie die zwischen- liegende Mesodermschicht bis auf eine ganz dünne Scheidewand, die am Querschnitte als schmaler, langer Sporn frei ins Lumen des erweiterten Mutterstammes hineinzuragen scheint. Die Wand eines solchen Hauptstammes ist siebförmig durchlöchert, es reiht sich eine grosse Lücke dicht an die andere, und jede entspricht dem Abgange eines Seitenastes. Von der Bronchuswand bleibt auf diese Weise nur ein zartes Netzwerk in Röhrenform zurück. Seitenästchen und deren Knospen dehnen sich oft so aus, dass sie sich gegenseitig abplatten und grosse oft polygonale Lufträume erzeugen, die gegen den Hauptbronchus weit offen stehen und wie Nischen desselben aussehen. Die Stammbronchien und die Wurzelstücke der gröbsten Seitenbronchien besitzen noch ihr Cylinder- epithel, welches jedoch weniger geschichtet und auch weniger hoch ist als früher. Gegen die periphere Verzweigung zu wird die Epithellage eine einschichtige, die Zellhöhe eine geringere. Es geht so das Cylinderepithel in ein cubisches über, aber auch dieses wird noch niedriger, und es kleidet schliesslich eine dünne, einfache Schicht von glatten Zellen alle Lufträume aus. Genaueres über diese Art von Epithel auszusagen, ist wegen der schlechten Conservirung nicht möglich. Die Lunge des neugeborenen Beuteljungen besitzt bereits voluminöse Flügel, welche das Bier seitlich umgreifen. Die Zahl der Ventralbronchien vermehrte sich nicht, da ich z. B. an der Lunge von No. 46 nur fünf solche nachweisen konnte. Dagegen haben sich allenthalben die einzelnen Bronchien reichlich mit Seitenästchen versehen. Die Gefässverhältnisse beim Beuteljungen erfuhren keine weitere Veränderung, weder rücksichtlich der Arterien noch rücksichtlich der Venen. 73 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 261 Zwischen den Lungen der Embryonen No. 46 und No. 47 besteht kein wesentlicher Unterschied. Letztere hat allerdings an Volumen zugenommen und ist in den Seitenbronchien noch etwas reichlicher verzweigt, zeigt aber sonst alle Eigenthümlichkeiten der ersteren. Aeltere Beuteljunge habe ich nicht untersucht, und ich muss daher hier gleich die Beschreibung der erwachsenen Echidna-Lunge anfügen. C. Die Lunge des erwachsenen Thieres. Von Lungen erwachsener Thiere konnte ich mir im Ganzen 5 Exemplare verschaffen. 3 davon untersuchte ich näher in Bezug auf ihren Bronchialbaum. Es wurden zu dem Zwecke bei ihnen die Bronchien und die Arterien, bei einer (Taf. XXII, Fig. 1 und 12) auch die Venen mit verschieden gefärbter Celloidinmasse injicirt und hernach in concentrirter Salzsäure corrodirt. Eine der Lungen, die auf Taf. XXII in den Figg. 8, 9 und Io dargestellt ist, war ganz besonders gut erhalten und zeigte auch, da ich sie in situ conservirt bekam, tadellos die natürlichen Formen. Sie soll daher im Folgenden des Näheren beschrieben werden. Entfernt man das Herz aus seiner Nische, so kann man alle Theile der Lungenoberfläche genau überblicken. Die ursprüngliche lateral ausgerichteten Lungenflügel haben sich stark nach vorn gekrümmt und das Herz von beiden Seiten umgriffen, rechts in grösserem Umfange, links in geringerem Maasse. Es kam auf diese Weise ein Wachsthumsprocess zum Abschluss, dessen Anfänge ins embryonale Leben zurück- greifen. Die ursprüngliche Form der Lunge erlitt mehrfache Veränderungen, und es fand eine gewisse Verschiebung der beiden embryonalen Lungenflächen, der dorsalen und der ventralen statt. Die erstere ist stark gewölbt, schmiegt sich der inneren Thoraxwand innig an und stellt die äussere Mantelfläche des Lungenkörpers dar (costale Fläche). Sie sieht zum grössten Theile lateralwärts, mit kleinen Antheilen dorsal- und ventralwärts. Viel bedeutender erscheinen die Veränderungen an der ventralen Lungenfläche durch Anpassung an den Herzbeutel und das Zwerchfell. In die laterale Nische zwischen beiden schiebt sich rechts ein scharfkantiger, links ein mehr abgerundeter Lungenkörper ein, der dem Gebiete des ı. ventralen Bronchus angehört. Durch diese Leiste wird die frühere ventrale Lungenfläche in zwei über einander liegende Flächen getheilt, wovon die eine nach innen und oben sieht und sich dem Herzen anpasst (cardiale Fläche), die andere hingegen nach innen und unten frei dem Zwerchfelle anliegt (diaphragmale Fläche). Beide Flächen sind flach-muldenförmig vertieft. Die erstere gehört dem Obergeschosse an, die zweite diesem und dem Lungenstamme. Innere und äussere Oberfläche der erwachsenen Lunge stossen scharfkantig zusammen und bilden den „Zwerchfellrand“, der aus dem lateralen Rande der embryonalen Lunge allmählich hervorgeht. Hinten biegt die äussere Fläche mit schärferer Krümmung (hinterer Lungenrand der Autoren) ventral ab und geht gegen den Hilus zu allmählich in die mediale Lungenoberfläche über; nur ganz unten, gegen das Ligamentum pulmonale hin, ist die Grenze zwischen beiden Flächen eine deutlichere und springt als schärfere Kante medial vor. Der Zwerchfellrand geht um den unteren Lungenpol herum unmittelbar in diese Kante über, rechts mehr stumpfwinklig, links mit scharfer Ecke. Die Asymmetrie zwischen rechtem und linkem Lungenflügel, die sich schon in der ersten Anlage zeigte, bleibt dauernd erhalten. Die rechte Lunge ist auch beim erwachsenen Thiere bei weitem umfang- reicher als die linke; sie begnügt sich nicht mit der rechten Thoraxhälfte, sondern occupirt noch ein gutes Jenaische Denkschriften. V. 10 Semon, Zoolog, Forschungsreisen. II. 35 262 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 74 Stück der linken und ragt dort mit Antheilen des ersten Stockwerkes hinein. Sie zeichnet sich auch da- durch aus, dass sich einzelne Theile als scharf umschriebene Lappen eine gewisse Sonderstellung erworben haben, während das bei der einförmigen linken Lunge nicht der Fall ist. Diese entbehrt jedweder äusserlich sichtbarer Scheidung der einzelnen Bronchialterritorien. Besonders auffällig itritt rechts die Zone des ersten ventralen und des infracardialen Bronchus hervor. Sie bilden vollständig freie dreikantige Lappen von constanter Form. Beim ventralen Lappen unterscheidet man 5 verschiedene Flächen: eine äussere (costale), eine untere vordere (diaphragmale), eine untere hintere (interventrale), eine innere (cardiale) und eine ganz kleine hintere (apicale) Fläche. Die beiden letzten, sowie die interventrale und diaphragmale gehen ohne Siielrere Abknickung in einander über. Eine Kante springt hingegen vor zwischen cardialer und costaler Fläche (cardiale Kante), zwischen cardialer und ventro-diaphragmaler Fläche (infracardiale Kante), zwischen dieser und der costalen Fläche (diaphragmale Kante) und endlich die kleinste zwischen costaler und apicaler Fläche (apicale Kante). Die drei zuerst genannten Kanten laufen nach vorne in eine scharfe Ecke aus, die den vorderen (ventralen) Lungenpol trägt. Eine ähnliche Form weist der vollständig freie infracardiale Lappen auf. Auch an ihm kann man drei Hauptflächen und Kanten unterscheiden. Die untere Fläche sieht gegen das Zwerchfell (diaphragmale), die obere gegen das Herz (cardiale) und die hintere gegen die linke Lunge (pulmonale Fläche). Die Kanten laufen links in eine scharfe Ecke aus, welche die linke Thoraxwand berührt. Der Lappen tritt zwischen Oesophagus und Vena cava inferior in den geräumigen infracardialen Raum ein und besitzt für die Vena cava an seiner rechten Seite eine scharf ausgeprägte Furche (Cavafurche). Der dritte Bestandtheil des Obergeschosses, der dorsale oder apicale Antheil, tritt, was Grösse anlangt, gegenüber den beiden genannten ganz in den Hintergrund. Fr stellt einen schmalen, nach aufwärts strebenden kürzeren Fortsatz dar, der aus den dorsalen Gebieten des Lungenstammes hinter dem Ventrallappen nach aufwärts strebt und die Lungenspitze trägt. Diese überragt nur wenig das Niveau des vorderen (ventralen) Poles. Der Lungenstamm mit dem apicalen Fortsatze bildet einen fast rechtwinkligen Ausschnitt zur Auf- nahme des Ventrallappens. Der eigentliche Lungenstamm (im Sinne ArBy’s) ist ungetheilt und besitzt an seiner inneren Seite eine Nische zur Aufnahme der Vena cava. Gewöhnlich ist der Antheil, der ventral von der Vena zu liegen kommt, durch einen kleinen Spalt ein wenig abgetrennt vom Massiv des Lungen- körpers. Die linke Lunge steht der rechten, wie schon oben erwähnt, an Grösse bedeutend nach und baut sich viel einfacher auf als diese. Das Obergeschoss nimmt keine Ausnahmsstellung ein, sondern passt sich den übrigen Stockwerken im Allgemeinen an und bleibt auch mit ihnen in einem unmittelbaren Zusammen- hange. Auf diese Weise finden wir keine weitere äussere Differenzirung der Lungensubstanz. An der Lunge unterscheidet man wie rechts einen oberen (cranialen), unteren (caudalen) und vorderen (ventralen) Lungenpol, welch letzterer stark gerundet vorspringt. Man spricht von einer äusseren Mantelfläche, die der Thoraxwand anliegt (costale Fläche), und einer inneren Fläche, welche sich in drei verschiedene Felder theilt; das oberste concave berührt das Herz (cardiale), das untere, ebenfalls concave schmiegt sich dem Zwerchfell an (diaphragmale) und das zwischen beiden gelegene kleinste mit dreieckigen Umrissen bietet dem infracardialen Lappen der anderen Seite sich zur Berührung dar (infracardiale Fläche). Gehen wir nun auf die Gestaltung des Bronchialbaumes selbst über; so wäre zunächst von der Trachea zu erwähnen, dass sie sich durch eine ziemlich bedeutende Länge auszeichnet und dass Äähre Knorpelringe cranial fast vollständig geschlossen sind, caudal gegen die Bifurcation jedoch sich hinten immer mehr öffnen. Auf diese Weise wird die sonst sehr schmale Pars membranacea allmählich breiter und die Trachea geräumiger. Hierauf theilt sich die Luftröhre unter spitzem Winkel (ca. 30°) in die beiden 75 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 263 Stammbronchien, von denen der rechte den linken an Stärke übertrifft. Sie durchziehen die ganze Lunge excentrisch nahe ihrem „hinteren“ Rande, convergiren nach abwärts zu und bringen so die unteren (caudalen) Lungenpole, in denen sie enden, ziemlich nahe an einander. Es sitzen diesen Hauptstämmen des Bronchial- baumes, übersichtlich geordnet, folgende Seitenäste auf (nach zwei Celloidincorrosionspräparaten): Tolles | Stamm- | Ne Ventralbronchien bronchus- | Nebenbronchien: SR | strecke | Ventrale Dorsale Rechts | Links | zen | | Rechts Links Rechts Links — En \ 2 1 a == Bif.—T, I — (vm) = fr. lo o [e) ‚ in gleicher Höhe mit 7, | [ 2 — (di) = d | | Feh © Ko) | dicht unter P, 1 — (dl) —d, : | B 5 r 1 — (dm) \ | a3® (62) V,-V, | 1 — (m) T — (um) ! : = a ze 2 N m —(@) = dl, | %V, 2 — (vm u. m [in der | ı — ) 3 = (ln a) = d, | 2 (du. dm) =d, | Höhe von V,]) l | We | (il) | 1 (em) I — (dm) = dl I — (d) =d, = - — = - Bit.— V, | I — (em) = Infr. | [6) | 17 — (dl) =d, [6) eine Spur höher als M, in der Höhe von | Bronch. infr. 2 5 5 zo ıo 1 — (d) —-d| ı (dd) =d, V,—V, I — (pm) | o 2 — (dmu.dl) = d, I — (d) —d, | | in der Höhe von PV, r,—V, I — (vm) |I-fimM | 2 —-(du.d) =d,|ı 2-(dum =d le ? | ? | ? ? Von ventralen Bronchien sind am Bronchialbaume mit Sicherheit nur 5 nachzuweisen, aber auch von diesen spielen nur die ersten 3 eine hervorragende Rolle am Aufbau der Lunge. Besonders markant tritt der erste des rechten Lungenflügels hervor. Er verlässt den Hauptstamm ventro-medial und lenkt im Bogen nach vorn ab, um im vorderen (ventralen) Lungenpole sein Ende zu erreichen. Der gleiche Ast der linken Lunge hat eine mehr laterale Abgangsrichtung und ist kleiner. Während nun die beiden eben genannten Bronchien wenig gegen die Horizontalebene geneigt sind, wird die Neigung der tieferen ventralen Aeste eine immer grössere, so dass die letzten direct nach abwärts steigen. Es beruht das nicht etwa auf einem Spitzerwerden des Abgangswinkels, sondern geht aus der Krümmung und Convergenz der Stamm- bronchien hervor. Die Entfernungen zwischen den einzelnen Ventralbronchien am Hauptstamme sind ver- schieden gross und ändern sich auch bei den einzelnen Lungen, weshalb ich genauere Messungen ganz unterlassen habe. Je tiefer man in den einzelnen Stockwerken nach abwärts steigt, desto mehr herrscht die laterale Abgangsrichtung vor, so dass endlich die tiefsten Bronchien rein lateral ausgerichtet sind. Ver- gleicht man in dieser Beziehung die Verhältnisse der erwachsenen Lunge mit denen der embryonalen, so ergiebt sich, dass die Ventralbronchien, die ursprünglich rein lateral ausgerichtet waren, allmählich sich nach vorn abbiegen, und dass ihre Ansatzstellen am Stammbronchus gleichfalls weiter ventral vorrücken. Diese beiden Erscheinungen sind am auffälligsten beim ersten Ventralbronchus und nehmen von da an nach abwärts gradatim ab, so dass die untersten Bronchien noch die ursprünglichen Verhältnisse darbieten. Die Enden aller Ventralbronchien streben gegen den Zwerchfellrand der Lunge. Die „dorsalen“ Bronchien nehmen noch immer die untergeordnete Stellung. ein, die sie bei der embryonalen Lunge besassen. Sie stellen kleine, kurze Stämmchen [dar mit dorso-lateraler, dorsaler und dorso-medialer Abgangsrichtung und sitzen meist etwas höher als der zugehörige Ventralbronchus am Stammbronchus. Der grösste und wichtigste von allen ist der erste der rechten Reihe. Er entspringt 10* 35 * 264 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 76 latero-dorsal dicht angeschlossen an den ersten Ventralbronchus, entweder in gleicher Höhe mit diesem oder eine Spur höher oder sogar etwas tiefer als er und eilt zur Lungenspitze. Er wäre nach Arpy der „ep- arterielle“ Bronchus, ich bezeichne ihn als apicalen Bronchus. Er bildet das Gerippe des oben erwähnten apicalen Fortsatzes des Lungenstammes und steht dem ersten ventralen Bronchus weit an Grösse nach. Auf der linken Seite findet sich kein derartiger Bronchus des Obergeschosses am Stammbronchus. Dafür kommt ein ganz ähnlicher am ersten Ventralbronchus vor. Er entspringt vom Wurzelstücke dieses Astes als erstes Seitenästchen ungefähr latero-dorsal, biegt nach oben um und endet in der Lungenspitze (Apicalbronchus). Der erste „dorsale‘‘ Bronchus der linken Reihe gehört bereits dem zweiten Stockwerke der Lunge an (= D,). Von den ventralen Nebenbronchien übertrifft alle bei weitem an Grösse der infracardiale Bronchus. Er ist dem rechten Obergeschosse eigenthümlich, fehlt hingegen ganz dem linken. Den Stammbronchus verlässt er ventro-medial, gleich hoch oder etwas höher als der erste Ventralbronchus. Anfangs steigt er steil ab, wendet sich aber alsbald weniger steil nach links unten und vorn, durchzieht der Länge nach den ganzen infracardialen Lappen und endet in der Spitze desselben. Die Seitenästchen stehen in Reihen und werden gegen die drei Kanten des Lappens entsendet. Die übrigen ventralen Nebenbronchien sind an Zahl und Grösse unbedeutend, ihre Vertheilung und Richtung ist aus der Tabelle ersichtlich. Bei der erwachsenen Lunge von Echidna steht das Herz noch immer relativ ziemlich hoch. Es liegt in einer becherförmigen Mulde, die von den „cardialen“ Flächen des rechten und linken Obergeschosses und des infracardialen Lappens begrenzt wird. Der Hauptstamm der Arteria pulmonalis erscheint ziemlich kurz, seine Theilungsstrecke liegt tiefer als beim Embryo, aber immer noch oberhalb der Bifurcation der Trachea links von der Mittelebene. Unter spitzem Winkel erfolgt die Theilung in die beiden Pulmonalisäste, die, einen kleinen seichten Bogen dorsalwärts beschreibend, sich steil in den Lungenkörper senken. Die rechte Arterie muss vorher an der ventralen Seite der Trachea schräg nach rechts und unten steigen, erreicht dann, die ursprüngliche Richtung fortsetzend, das Wurzelstück des rechten Stammbronchus ventro-lateral und tritt in dem Winkel zwischen Apical- und Ventralbronchus in das Obergeschoss der Lunge ein, hier genau lateral vom Stammbronchus. Die linke Pulmonalis hat einen noch steileren Verlauf und erinnert fast ganz an die embryonalen Verhältnisse. Durch die schwache dorsale Krümmung gelangt sie schon dicht unter der Bifurcation der Luftröhre an die laterale Seite ihres Stammbronchus und begiebt sich so mit ihm in den Lungenflügel. Im Geäste des Bronchialbaumes verlaufen die beiden Pulmonalarterien so, dass sie zwischen der Reihe der dorsalen und der ventralen Bronchien ‚hindurchziehen und die Stammbronchien bis zum unteren Lungenpol begleiten. Sie nehmen dabei anfangs eine laterale, dann eine latero-dorsale und endlich eine fast dorsale Lage ein. Ausnahmen von dieser Regel scheinen ziemlich häufig vorzukommen. So beobachtete ich bei zwei Lungen, dass die rechte Pulmonalis, nachdem sie das Wurzelstück des vierten Ventralbronchus hinten über- kreuzt, sich mehr nach vorn wandte, die Abgangsstelle des fünften Ventralbronchus ventral deckte und schliesslich rein ventral vom letzten Stücke des Stammbronchus gelegen war (Fig. II u. I2 auf Taf. XXI]). Bei einer dritten Lunge fand ich genau dasselbe auf der linken Seite. In diesen drei Fällen verliess also der fünfte Ventralbronchus hinter der Arterie den Stammbronchus, ohne seine typische Stellung im Bronchial- baum irgendwie geändert zu haben. Die beiden Pulmonalarterien sind auf eine lange Strecke hin ganz astlos, was wieder an embryonale Verhältnisse erinnert. Rechts beträgt die astlose Anfangsstrecke ein Drittel der Gesammtlänge, links noch etwas mehr. Die Seitenzweigchen der Arteria pulmonalis schmiegen sich den einzelnen Zweigen des Bronchialbaumes an. Die ventralen Bronchien beziehen je einen Hauptast, der an ihrer äusseren convexen Seite verläuft. Nur dort, wo der Stamm der Pulmonalis ventral vom Stammbronchus gelagert ist, findet 77 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 265 man die Arterien an der inneren concaven Seite des Ventralbronchus. Hie und da kommt noch eine zweite oder dritte schwache Nebenarterie vor für einzelne Seitenzweige des ventralen Bronchus. Viel weniger Regelmässigkeit zeigen die Arterien der dorsalen Bronchien. Es können bis vier kleine Arterien einem solchen Bronchus zugehören, und es kommt auch der Fall vor, dass zwei Bronchien eine Arterie beziehen. Die ventralen Nebenbronchien erhalten Arterienzweigschen, die den Stammbronchus ventral überkreuzen. Besonders hervorzuheben wären die Verhältnisse im Obergeschosse. Wir finden rechts eine ventrale, eine bis drei dorsale und eine infracardiale Arterie. Ventral- und Dorsalarterie entspringen nahe an einander und können sogar gemeinschaftlichen Ursprung besitzen. Bezüglich der infracardialen Arterie lassen sich die zwei Typen constatiren, die auch sonst bei den Säugern allgemein vorkommen. Das Häufigere ist, dass die infracardiale Arterie vor der Ueberkreuzung der Pulmonalis mit dem ersten ventralen Bronchus als erster Ast aus der Arteria pulmonalis entspringt, und vor dem Stammbronchus medial vom Ventralbronchus direct nach abwärts steigt. Seltener (einmal beobachtet) entspringt die Arterie nach der Ueberkreuzung des ersten Ventralbronchus als tieferer Ast aus der Pulmonalis und quert dann so wie die übrigen Arterien der ventralen Nebenbronchien ventral den Stammbronchus, um an ihren Bronchus zu gelangen. Hier trifft man sie eng angeschlossen an das Hauptstämmchen zwischen den Reihen der vorderen und der unteren hinteren Seitenästchen. Im linken Obergeschosse haben die Ventralarterie und die viel schwächere Apical- arterie gemeinsamen Ursprung. Die venösen Blutgefässe wieder haben im Allgemeinen die Astfolge der Arterien, sind aber noch weniger regelmässig angeordnet als diese und erlauben sich einige Freiheiten. Das Blut sammelt sich in einem kurzen, direct nach aufwärts strebenden Aste, der in den linken Vorhof an seiner tiefsten Stelle einmündet. Dieser gemeinsame Stamm setzt sich aus den beiden Stammvenen zusammen. Die Vereinigung erfolgt im Oeffnungswinkel der Trachea, ventro-medial vom Wurzelstücke des linken Stammbronchus. Verfolgen wir die beiden Stammvenen stromaufwärts, so treten sie unter spitzem Winkel auseinander, biegen nur ganz wenig dorsal ab und legen sich an die mediale Seite der Stammbronchien. Die rechte Stammvene muss, um dem vor ihr vorüberziehenden infracardialen Bronchus auszuweichen, eine kleine Biegung nach rückwärts machen. Die beiden Venen nehmen in den tieferen Stockwerken eine mehr ventro-mediale Lage ein und können ganz unten fast ventral werden. Ausnahmen kommen auch hier vor. So finden wir bei der Lunge, die auf Taf. XXII in Fig. ıı und ı2 abgebildet ist, und bei der rechts unten die Arterie ventral vom Stammbronchus angetroffen wurde, die Stammvene dorsal davon, also gerade entgegengesetzt dem normalen Verhalten. Die Stammvene liegt immer gegenüber der Stammarterie und verläuft zwischen der Reihe der dorsalen und der ventralen Nebenbronchien. Von den Seitenästen der Stammvenen nehmen die „ventralen‘“ eine hervorragendere Stelle ein. Sie kreuzen schräg nach aussen absteigend den Stammbronchus ventral und schmiegen sich meistens der concaven, inneren Seite der Ventralbronchien an. Es hat nicht so typisch wie bei den Arterien jeder Bronchus seinen eigenen isolirten Ast, sondern es können auch zwei ventrale Venen sich zu einem einzigen Stämmchen vereinigen. Letzteres scheint häufig vorzukommen (vgl. Taf. XXII, Fig. II u. 12, bei welcher Lunge rechts Vene V, und PV,, links V, und V, gemeinsamen Ursprung zeigen). Die dorsalen Venen sind kurze, von rückwärts medial vom Stammbronchus kommende Aestchen. Die infracardiale Vene mündet dicht unter der Vereinigungsstelle der beiden Stammvenen als letzter Ast in die rechte ein. 266 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 78 Il. Allgemeiner Theil. Nachdem wir im vorigen Abschnitte die einzelnen Entwickelungsstufen der Echidna-Lunge skizzirt haben, wollen wir nun auf die allgemeinen Schlüsse, die sich daraus ableiten lassen, näher eingehen und die gewonnenen Resultate mit den ArBy’schen Angaben vergleichen. ; Die erste Anlage der Echidna-Lunge scheint im Wesentlichen dieselbe zu sein wie bei allen bis jetzt untersuchten Placentaliern; im weiteren Verlaufe der Entwickelung ergeben sich aber einige bemerkenswerthe Unterschiede, die gleich des Näheren besprochen werden sollen. Die Echidna-Lunge macht bis zu ihrer definitiven Gestaltung vier Perioden der Entwickelung durch. In die erste Periode fällt die Bildung der beiden primitiven Lungensäckchen. Mir standen leider Lungen aus dieser Zeit nicht zur Verfügung; doch giebt das in der Entwickelung nur wenig weiter vor- geschrittene jüngste Stadium der nächsten Periode hinlängliche Aufschlüsse über die Form der primitiven Lunge. Wir haben uns dieselben vorzustellen als zwei weite und dazu dickwandige Säckchen, deren Grösse ganz auffallend ist, da sie an Mächtigkeit die primitiven Lungen vom Kaninchen oder Meerschweinchen nicht nur relativ, sondern auch absolut übertreffen. Schon jetzt macht sich eine bedeutende Asymmetrie der beiden Lungenflügel bemerkbar, die vor der Hand nur darin besteht, dass das Volumen des rechten Lungensäckchens grösser ist als das des linken. In der zweiten Periode, die bis zur Geburt reicht, wird das ganze gröbere Geäste des Bronchial- baumes geschaffen, es formirt sich der Stammbronchus mit seinen Seitenzweigen. Rechts werden bis fünf, links bis sieben Ventralbronchien gebildet nebst den entsprechenden ventralen und dorsalen Nebenbronchien, so dass am Ende der zweiten Periode, das ist zur Zeit der Geburt, der Stammbronchus bereits alle Aeste besitzt, die er überhaupt jemals bekommt. Die Astfolge ist eine monopodische und richtet sich nach bestimmten Gesetzen. Alle Seitenzweige des Stammbronchus entstehen direet oder indirect aus seiner Scheitelknospe; das einmal gebildete Stammbronchusrohr hingegen hat nicht mehr die Fähigkeit, neue Triebe anzusetzen. ’ Mit dem Auftreten der Verästelungen der Stammbronchien steigert sich der Grad der Asymmetrie zwischen den beiden Lungenflügeln. In ganz besonderem Maasse ist hierbei das excessive Wachsthum des rechten Obergeschosses betheiligt. Anfangs hat die rechte Lunge in jeder Beziehung das Uebergewicht über die linke. Mit der weiteren Entfaltung des Bronchialbaumes ändert sich jedoch dieses Verhältniss in den unteren Lungenbezirken, und wir sehen bei älteren Embryonen das Ende des linken Stammbronchus reichlicher verzweigt als das des rechten. Diese Erscheinung steht nicht vereinzelt da. Schon Hıs!) hat bei der Untersuchung menschlicher Embryonen die Beobachtung gemacht, dass bei gewissen Stadien die linke Lunge der rechten vorausgeeilt sei. Auch ich traf bei meinen vergleichend-entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen nicht selten auf analoge Funde. Man sollte nun meinen, dass mit der immer mehr zunehmenden Verzweigung der Stammbronchus nicht nur länger, sondern auch dicker würde; merkwürdigerweise findet man im Anfange der zweiten Periode, gerade das Gegentheil davon. Man vergleiche nur den Bronchialbaum der Lungen 40, 41 und 42, Be) Zur Entwickelungsgeschichte der Lungen beim menschlichen Embryo. Archiv für Anatomie und Physiologie, Anatom. Abtheilung, Heft II, Leipzig 1887, p. 89. f 79 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 267 um sich zu überzeugen, dass mit dem Fortschreiten seines Längenwachsthums eine absolute Verschmälerung des Stammbronchus eintritt, ähnlich wie bei einem elastischen Rohre, das man in die Länge zieht. Gegen das Ende der zweiten Periode findet wieder ein Wechsel im Caliber statt. Der Stammbronchus erfährt eine Erweiterung seines Lumens, aber nicht er allein, sondern auch alle seine Seitenäste mit ihren Knospen. Die Lunge sieht kurz vor der Geburt noch ziemlich unvollendet aus. Es sind zwar alle Stockwerke angelegt, aber die einzelnen Bronchien besitzen nur kurze, kolbige Seitenzweigchen oder Knospen, hingegen keine Spur von Alveolen. Mit dieser noch ganz embryonalen Lunge wird das Thier geboren. Die Lunge tritt jetzt in die dritte Periode ihrer Entwickelung ein und nimmt plötzlich einen ganz anderen Charakter an. Um die für die Athmung nothwendige Oberfläche aufzubringen, scheint beim ersten Athemzuge eine ganz gewaltige Aufblähung der Lunge einzutreten. Aus den verschiedenen End- und Seitenknospen, sowie kleinen Seitenbronchien werden geräumige, zellenartige Lufträume, die jetzt die Stelle von Alveolen versehen müssen. Die Lungen besitzen nun ein sehr lockeres, schwammiges Gefüge und lassen bei oberflächlicher Betrachtung eine gewisse Aehnlichkeit mit einer Reptilienlunge nicht ver- kennen. Ich sage ausdrücklich „bei oberflächlicher Betrachtung“, da man bei einer genaueren Untersuchung sich nicht verhehlen kann, dass doch wesentliche Unterschiede zwischen der Reptilienlunge und der Echidna- Lunge bestehen. Bloss Eines ist beiden gemeinsam, nämlich die weiten Lufträume, die man bei den Lungen von Placentaliern bis jetzt noch nicht gefunden hat. Aber auch diese Räume sind bei Echidna ganz anders gebaut und entstehen auch auf ganz andere Weise als bei den Reptilien, so dass die Aehnlichkeit als eine nur äusserliche und zufällige aufzufassen ist. Der Grund für den merkwürdigen Entwickelungsgang, den die Echidna-Lunge durchmacht, liegt in ganz bestimmten Lebensverhältnissen der Art, nämlich in der kurzen Dauer des juterinen Lebens. Die Zeit desselben reicht nicht aus, um die typische Säugerlunge mit ihrem ästigen Bronchialbaume und den vielen Alveolen vollständig auszubilden. Die Natur wird beim Baue der Lungen gewissermaassen mitten in der Arbeit durch die Geburt überrascht und hilft sich durch Erweiterung der vorhandenen Lungenräume, um für die Species die zur Athmung nothwendige Oberfläche herzustellen- Die Erweiterung geschieht nicht auf einmal bei der Geburt, sondern wird, wie wir constatiren konnten, schon etwas vor derselben eingeleitet. Gewiss wäre es sehr interessant, zu erfahren, wie lange eigentlich die Trächtigkeit bei Echidna dauert, ich konnte aber diesbezüglich keine Daten finden. Nach der Grösse und Form unserer Beuteljungen zu schliessen, scheint sie sehr kurz zu sein. Es liegen Untersuschungen von SELENKA!) vor, welche zeigen, dass beim Opossum ein ganz ähnlicher Entwickelungsvorgang der Lunge stattfindet, leider sind die betreffenden Angaben unvollständig. Nach SELENKA dauert bei Didelphys virginiana die Trächtigkeit nur 75/, Tag. Die Anlage der Lungenflügel erfolgt am 5. Tage. Die Zeit von 3 Tagen ist zu kurz, um die Lungenentwickelung bis zur Bildung von Alveolen zum Abschlusse zu bringen. Es werden daher nur „einige Dutzend geräumiger Luftkammern als provisorischer Athemapparat“ ausgebildet, und die Jungen werden mit zwei weiten Lungensäcken geboren. Wie nun diese „Luftkammern‘ entstehen, darüber wird uns leider nichts Näheres angegeben. SELENKA meint ferner, dass bei dieser sonderbaren Entwickelungsgeschichte der Opossum-Lunge auch Vererbungen mit im Spiele sind, denn die Lunge des Neugeborenen besitzt ganz die Gestalt der Reptilienlunge. Ich kann nach meinen Untersuchungen der Ansicht SELENkA’S nicht beipflichten. Die Bildung des Bronchialbaumes erfolgt bei Echidna genau nach denselben Gesetzen wie bei den übrigen Säugern, und das fertige Product, die |Lunge des erwachsenen Thieres, unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von der Lunge der Pla- centalier. Die „Erweiterung“ bildet nur eine Episode in dem sonst einheitlichen Entwickelungsgange der I) SELENKA, Studien über die Entwickelungsgeschichte der Thiere. Heft IV das Opossum, Didelphys virginiana. Wies- baden 1887. 208 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. So Lunge und beruht auf einer secundären Anpassung an äussere Verhältnisse der Art, ich mag darin nach den oben gegebenen Erläuterungen nichts „Reptilienartiges“ erkennen und ich glaube, man darf daraus keine Schlüsse auf die Phylogenese der Säugerlunge ziehen. Anders steht es, wenn man die Form der Echidna- Lunge während der ersten Entwickelungsperiode in Betracht zieht. Hier könnten die grossen, weiten Lungensäckchen wohl den Gedanken an eine gewisse Reptilienähnlichkeit aufkommen lassen, Durch weitere Untersuchungen wäre nun festzustellen, ob der merkwürdige Entwickelungsgang der Lunge, der nun für je einen Vertreter der Monotremen und der Marsupialier nachgewiesen wurde, wie ich vermuthe, auch allen übrigen Aplacentaliern zukommt. In der vierten und letzten Periode der Entwickelung vollzieht sich die Umwandlung der „aufgeblähten“ Lunge in die definitive Form, ein Vorgang, der sich höchst wahrscheinlich ganz im Beutel abspielt. SELENKA meint, dass sich beim Opossum die Luftkammern erst später „während des Aufenthaltes im Beutel durch hervorwachsende Scheidewände zu einem reich entfalteten Lungenbaume umbilden“. An den Beuteljungen, die mir zur Verfügung standen, konnte ich nicht ein derartiges Hervorwachsen von Scheidewänden aus der Wand der „Lufträume‘‘ constatiren. Es schien mir immer, als ob sich die Weiter- entwickelung der Lungen nach denselben Gesetzen vollzöge, wie im embryonalen Leben, und das: ist ja a priori das Wahrscheinlichste. Durch relative Wachsthumsverschiebungen kann sich aus der aufgeblähten Lunge leicht der definitive Bronchialbaum entwickeln, der sich von dem anderer Säuger in den wesentlichen Punkten gar nicht unterscheidet. k Wenn wir nun auf die Architektonik des Bronchialbaumes der Echidna-Lunge näher eingehen, so drängt sich uns sofort die Frage auf, wie sich die von uns gefundenen Thatsachen zur ArBy’schen Theorie vom Aufbaue der Lungen im Allgemeinen stellen. Greifen wir gleich den Cardinalpunkt der Aegy’schen Theorie heraus: „Verlauf der Arteria pulmonalis und ihr bestimmender Einfluss auf die Gestaltung des Bronchialbaumes.“ Besteht wirklich eine solche Beeinflussung, so müsste man das doch zunächst in der Entwickelungsgeschichte constatiren können. Diese lehrt nun, dass die Arteria pulmonalis während der ganzen Bildungsperiode der Lunge eine untergeordnete Rolle spielt und dass sie auf das Wachsthum der einzelnen Theile des Bronchial- baumes im Verlauf der Ontogenese sicher keinen bestimmenden Einfluss ausübt. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, auf welche Weise sich dieser äussern sollte. Der Stammbronchus wächst unbehindert von der Pulmonalis an seiner Spitze weiter und alle seine Seitenäste entstehen direct oder indirect aus seiner Scheitelknospe. Hier musste die Pulmonalis wirksam sein, um irgend eine Macht auf die hervor- sprossenden Seitenäste entfalten zu können. Nun findet man um die ganze Scheitelknospe herum, und auch höher hinauf noch, nichts anderes als ein gleichmässig angeordnetes zartes Capillarnetz. Auf welche Weise sollten diese Capillaren auf die mächtigen Epithelknospen einwirken, und gar erst das relativ weit entfernte, dünne Pulmonalisstämmchen, das nur dann mit Sicherheit als solches zu erkennen ist, wenn aus den Seitenknospen schon kräftige Seitenbronchien geworden sind. Die Arteria pulmonalis schmiegt sich an den Stammbronchus an, sie ist seine Begleiterin, und als solche muss sie sich mit dem Platz begnügen, den ihr die Seitenbronchien freilassen. Das ist nach dem allgemeinen Aufbaue der Lunge und nach der togographischen Lage des Anfangsstückes der Arterie nur der Raum zwischen der Reihe der dorsalen und der ventralen Bronchien. Die andere freie Seite des Stammbronchus, die mediale resp. medio-ventrale nimmt aus den gleichen Gründen die Stammvene ein. Diese verläuft wieder zwischen der Reihe der dorsalen und ventralen Nebenbronchien. Wie sich für das wachsende Arterienstämmchen ein Hinderniss entgegenstellt durch einen abnorm austretenden Bronchus, muss er ausweichen und einen anderen Weg einschlagen. Solches sieht man sehr SI Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 269 schön an Lunge No. 42 (Taf. XXI, Fig. 6), wo sich durch inen abnorm austretenden „dorsalen“ Bronchus die linke Arterie aus ihrer ursprünglichen Richtung medial verdrängen lässt und dann rein dorsal hinter dem Stammbronchus nach abwärts zieht. Nach alledem kann man, glaube ich, den Satz aufstellen, dass in der Ontogenese der Echidna- Lunge die Arteria pulmonalis die Gestaltung des Bronchialbaumes nicht beeinflusst. Man findet ferner keinen Anhaltspunkt dafür, dass früher in der Phylogenese der Lunge eine derartige Beeinflussung stattgefunden hätte. Man könnte also jetzt nur mehr in der Phylogenese selbst den Nachweis erbringen, dass die Arterie wirklich formbildend auf den Bronchialbaum einwirkt. Aber auch hier sind die Belege ganz unzureichend, und es müssten erst ausgedehnte Untersuchungen nach dieser Richtung hin angestellt werden. Allerdings hat WIEDERSHEIM!) in seiner Arbeit über das Respirationssystem der Chamäleoniden, bei denen zum ersten Male unter den Reptilien das intrapulmonale bronchiale Röhren- system auftritt, die Behauptung aufgestellt, dass die Ursache für die typische Anordnung der Septen in letzter Linie in den Gefässverhältnissen zu suchen sei. Das Primäre sind die Blutbahnen, und erst secundär treten diesen entlang stützende Knorpelelemente auf. Dagegen ist zu bemerken, dass WIEDERSHEIM seine Ansicht eigentlich nicht beweist; denn aus dem Umstande, dass in regelmässig angeordneten Septen ebenso regelmässige Gefässe verlaufen, folgt noch immer nicht, dass die Arterien das Hervorwachsen der Septen bewirkt haben, dass sie das Primäre, die Septen das Secundäre seien. Das Gegentheil erscheint mir viel plausibler und richtiger, dass nämlich die Arterien in den Septen secundär entstanden seien. Die Arterien müssen sich a priori dort vorfinden, wo die günstigsten Bedingungen für sie existiren, und diese bieten ihnen nur die Septen. WIEDERSHEIM erbringt nicht den Beweis, dass die Arterien vor den Septen entstehen, und dass sich diese nach jenen richten, sondern stützt sich nur auf die anatomische Thatsache, dass beide zugleich vorgefunden werden. Auch dem Umstande, dass sich die Knorpelemente des Bronchus noch eine kleine Strecke weit in den Septen entlang den grossen Blutbahnen verfolgen lassen, kann keine beweisende Kraft zugesprochen werden dafür, dass die Gefässe das bestimmende Moment für die Anlage des intrapulmonalen Röhrensystems seien. Man kannalso nach den jetzt vorliegenden Untersuchungen auch hinsichtlich der Phylogenese keinen stichhaltigen Beweis für die Beeinflussung des Bronchial- baumes durch die Arteria pulmonalis erbringen. Besitzen wir demnach sowohl in der Ontogenese als auch in der Phylogenese keine Belege für die der Arterie von AEBy zugemuthete Kraft, so kann ich hingegen Beweise erbringen, die gerade das Gegen- theil von dem erhärten, was Argy behauptet. Bei drei meiner Echidna-Lungen verläuft die Arterie abnorm, ohne dass sich am Bronchialbaume irgend etwas geändert hätte. Bei der einen Lunge zieht die Arteria pulmonalis vor dem linken 5., bei den übrigen zwei (eine auf Taf. XXII in Fig. ıı und Fig. 12 dargestellt) vor dem rechten 5. Ventralbronchus und dann ventral vom Stammbronchus weiter nach abwärts. Die genannten Ventralbronchien haben ihre typische Form, Lage und Abgangsrichtung behalten, und es erlitt der Bronchialbaum überhaupt keine Veränderung. Aehnliche und noch viel auffälligere Beispiele könnte ich in Menge anführen, verweise aber diesbezüglich auf meine nächstens erscheinende grössere vergleichend- anatomische Arbeit über diesen Gegenstand. Jedenfalls kann ich hier schon das aussprechen, dass die Arterie keineswegs als „der feste Punkt erscheint, der durch alle Wandlungen seiner Umgebung hindurch unerschüttert stehen bleibt“ (Ay). 1) WIEDERSHEIM, Das Respirationssystem der Chamäleoniden. Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. I, Heft 3. Freiburg i. B. 1886 (Akadem. Verlagsbuchhandlg. von J. Mohr). Jenaische Denkschriften. V. 11 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 36 270 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 82 Unverständlich blieb mir immer, warum Arsy gerade der „Ueberkreuzung‘“ des Stammbronchus durch die Arterie eine so grosse Bedeutung beimisst, einem Verhältnisse, das doch ein secundäres ist, ganz abgesehen davon, dass dieses „Ueberkreuzen‘‘ meistens anders erfolgt, als Arsy angegeben. (Vgl. dies- bezüglich meine anfangs erwähnte vorläufige Mittheilung.) Es kommt zu Stande durch das relative Tiefer- rücken des Herzens, wodurch die Wurzelstücke der beiden Pulmonalisäste ventral umgebogen werden. Ursprünglich senken sich die Pulmonalarterien direct von oben in die Lungen und überkreuzen den Stamm- bronchus nicht, sondern ziehen seitlich an ihm nach abwärts. Es lässt sich das durch die Ontogenese und die vergleichend- anatomische Forschung nachweisen. Bei Echidna haben sich die primären Verhältnisse insofern erhalten, als die Pulmonalarterien noch lang sind und steil von oben in die Lunge eintreten; es besteht bei ihr eigentlich gar keine Ueberkreuzung im Sinne AEBy's. Auch bei vielen anderen Säugethieren lässt sich constatiren, dass der Stammbronchus gar nicht gekreuzt wird. Ich glaube daher mit vollem Rechte sagen zu können: es geht nicht an, der „Ueber- kreuzung“ jene grundlegende Bedeutung für die Architektonik des Bronchialbaumes beizulegen, die ihr AEBy zumisst. Wenn nun schon die Untersuchung der Gefässe lehrt, dass dieselben keinen Einfluss auf den Bronchialbaum ausüben, so wird das zur vollen Gewissheit durch das Studium der Bronchien selbst. AeBy stellt bekanntlich die Bronchien der „eparteriellen‘“ Strecke des Stammbronchus in einen gewissen Gegen- satz zu denen der „hyparteriellen“ und führt eine Reihe von unterscheidenden Merkmalen zwischen beiden an. Nun ergiebt sich aber nach der Entwickelungsgeschichte und nach der Morphologie der Echidna-Lunge, dass der „eparterielle“ Bronchus keineswegs eine Sonderstellung im Geäste des Bronchialbaumes einnimmt, sondern dass er eine ganze Anzahl von Artgenossen am Stammbronchus in der „hyparteriellen“ Strecke besitzt: es sind das die Argy’schen „dorsalen“ Bronchien. Mit ihnen formirt er eine Reihe und schiebt sich als erstes Glied derselben am weitesten nach oben zu vor. Die Bronchien der „dorsalen“ Reihe stehen den Ventralbronchien an Grösse weit nach, alterniren mit ihnen und sitzen in einer weit ausgezogenen Schrauben- linie am Stammbronchus (meistens so, dass der dorsale Bronchus etwas höher eingefügt erscheint, als der zugehörige ventrale). Der erste der Bronchien (der „eparterielle“ AEpy’s, unser „apicaler“) fusst annähernd dorso- lateral am Hauptstamme, die tieferen hingegen schieben sich mit ihren Ansatzstellen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, immer etwas weiter medial vor. Die Grösse der einzelnen Bronchien nimmt in der Reihe von oben nach unten allmählich ab. Die Astfolge ist bei ihren Verzweigungen fast die gleiche. Gewöhnlich wird das erste Seitenästchen in einer mehr oder weniger medio-dorsalen oder medialen Richtung abgegeben. je tiefer man in der Reihe nach abwärts steigt, desto rascher erfolgt die Astabgabe, wodurch das astlose Wurzelstückchen eines dorsalen Bronchus immer kürzer wird und endlich das mediale Seiten- ästchen als „Nebenbronchus“ auf den Stammbronchus rückt. Das Verzweigungsgebiet des ersten Dorsal- bronchus („eparterieller“ Bronchus Aksy’s) ist im Gegensatze zur Behauptung ArBy’s ein rein „dorsales“. Der von ihm versorgte Lungenbezirk bildet einen kurzen, hinter dem Ventrallappen gelegenen Fortsatz, der direct aus den „dorsalen‘“ Antheilen des Lungenstammes nach aufwärts sich erhebt und mit der Lungenspitze endet. Wenn ich nun schliesslich noch hervorhebe, dass der „eparterielle“ Bronchus auf ganz gleiche Weise seine Aestchen aus der Pulmonalarterie bezieht, wie die übrigen dorsalen Bronchien, folgt aus alledem, dass er nichts anderes als ein wirklicher Dorsalbronchus ist. Mit dieser einen Thatsache fällt die ganze AEBY’sche Theorie von den ep- und hyparteriellen Bronchien ein- für allemal. Wir wollen nun einen Schritt weiter gehen und einen dritten Hauptpunkt der Arsy’schen Theorie 83 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 271 prüfen. AEBy meint, dass der „eparterielle“ Bronchus auf einer (links) oder auf beiden Seiten des Bronchial- baumes „verloren“ gehen kann, und er theilt nach diesem Verhalten die Säuger in drei grosse Gruppen ein. Echidna gehört nach ihm zu der Gruppe, die ein „eparterielles“ Bronchialsystem nur auf der rechten Seite besitzt. Bei ihr enthält also die rechte Lunge ein Element mehr als die linke, die beiden Lungenspitzen sind nicht gleichartig, die rechte gehört dem „eparteriellen“, die linke dem ı. „ventralen“ Bronchus an. Nach unseren bisherigen Auseinandersetzungen stellt sich die Frage so, ob bei der Echidna-Lunge auf der linken Seite der erste Dorsalbronchus vorhanden ist oder nicht. Thatsächlich findet man nun am linken Stammbronchus keinen derartigen Ast, denn das Zweigchen, das man zwischen erstem und zweitem Ventralbronchus als oberstes Glied der dorsalen Reihe antrifft, ist ohne Zweifel das Analogon des zweiten dorsalen Bronchus der rechten Reihe; daraus jedoch, dass der erste „Dorsalbronchus“ am Stammbronchus nicht vorhanden ist, folgt noch immer nicht, dass er zu Grunde gegangen sei. Man findet ihn thatsächlich an einer anderen Stelle, nämlich auf dem ersten Ventralbronchus. Als dessen erster Seitenast geht er nahe an der Einmündungsstelle in den Stammbronchus dorsal (mit einer kleinen Neigung lateral) ab, biegt, nachdem er selbst ein Seitenzweigchen medio-dorsal entsendet, nach oben zu ab und eilt direct zur Lungenspitze, unterwegs noch mehrere Tochterzweige abgebend. Dieser Bronchus gleicht dem rechten apicalen Bronchus sehr auffällio und versorgt denselben Lungenbezirk wie er. Ich stehe nicht an, diesen fraglichen Bronchus als das Analogon der rechten apicalen Bronchus aufzufassen und werde (ganz abgesehen von der vergleichenden Anatomie) in dieser Ansicht bestärkt durch die Entwickelungsgeschichte, durch einzelne variable Befunde und durch die Morphologie der Echidna-Lunge. Um in dieser Frage ein entscheidendes Urtheil abgeben zu können, muss man auf die allererste Entwickelung der apicalen Bronchien zurückgreifen. Wir haben dieselbe bei Embryo No. 40 constatiren können und bei Embryo No. 4I und 42 weiter verfolgt. Die nachstehenden Figuren, die halbschematische Querschnitte der rechten Obergeschosse jener drei Lungen darstellen, sollen das Wachsthum des rechten apicalen Bronchus anschaulicher machen. (Man vergleiche überdies die Abbildungen auf den Tafeln XX und XXI.) Halbschematische Querschnitte durch das rechte Obergeschoss von Embryo No. 40 = Fig. I, Embryo 4I = Fig. 2 und Embryo No. 42 — Fig. 3; gezeichnet nach den Gypsmodellen in gleicher Grösse (Vergrösserung I50-fach). — Ap apicaler Bronchus V, erster Ventralbronchus; I infracardialer Bronchus; P Arteria pulmonalis; Sf. B. Querschnitt des Stammbronchus (schraffirte Ellipse); / lateral; m medial; » ventral; d dorsal. Wir haben im speciellen Theile bereits erwähnt (p. 61-249), dass der ventrale, infracardiale und apicale Bronchus aus einer gemeinsamen Anschwellung des Stammbronchus hervorgehen (Fig. r). Es dominirt bei ihr die Anlage des ersten Ventralbronchus (V,) als stark vorspringender lateraler Höcker, während die 11% 36 * 272 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 84 Knospe des apicalen Bronchus (Ap) eine ganz seichte Erhebung an der dorsalen Abdachung desselben darstellt. Die „Dorsalknospe“ (Ap) sitzt also der Ventralknospe (V,) seitlich auf, sie ist eine Seitenknospe derselben und der Dorsalbronchus (Apicalbronchus) demnach ein Seitenbronchus des Ventralbronchus. Als solcher müsste dieser früher entstehen als jener, ein Befund, den ich bei Kaninchenembryonen antraf, und den ich für hinreichend beweisend halte. In Fig. ı bedeutet die schraffirte Ellipse den Querschnitt des rechten Stammbronchus dicht oberhalb resp. unterhalb der „Anschwellung“. Dass derselbe bei Embryo 41 (Fig. 2) und noch mehr bei Embryo 42 (Fig. 3) kleiner wird, haben wir bereits früher erwähnt. Wenn nun die Knospen des ventralen und dorsalen Bronchus nach verschiedenen Richtungen auswachsen und die Anschwellung des Stammbronchus langsam schwindet, fussen endlich (Fig. 3) die beiden Bronchien selbständig am Hauptstamme. In diesem Sinne kann man den Satz aufstellen: Der rechte apicale Bronchus ist ein Seitenast des Ventralbronchus, und er rückt im Laufe der Entwickelung von diesem auf den Stammbronchus. Er bleibt seinem Mutteraste stets treu zur Seite und schiebt sich nur bisweilen mit seinem Ansatze etwas höher am Haupt- bronchus hinauf. Manchmal verräth er seine Abstammung auch dadurch, dass er mit dem ersten Ventral- bronchus einen mehr oder weniger gemeinsamen Ursprung aus dem Stammbronchus nimmt. Als Beispiele hierfür bringe ich auf Taf. XXII in Fig. 3 und 5 naturgetreue Copien von Querschnitten durch das Ober- geschoss von Lunge No. 44a und No. 45. Bei der ersteren hat es sogar ganz den Anschein, als ob der apicale Bronchus vollständig auf dem ventralen sässe und einen Seitenzweig desselben darstellen würde. Sieht man die betr. Serie von Schnitten näher durch, so fällt ein zweites Moment auf, nämlich die grosse Aehnlichkeit der dorso-lateralen (hinteren) Seitenästchen des ersten Ventralbronchus mit dem apicalen Bronchus. Es bildet eben dieser mit jenen eine geschlossene Reihe von Bronchien gleicher Art, ob er nun am Stammbronchus oder am ersten Ventralbronchus fusst. Untersuchen wir nun das linke Obergeschoss, so finden wir da bei unserem jüngsten Stadium bloss einen lateralen Höcker, die Anlage des ersten Ventralbronchus. Von diesem wächst hinten, ungefähr in latero-dorsaler Anfangsrichtung, der apicale Bronchus heraus. Später bekommt dieser nach und nach eine grössere Anzahl von Artgenossen. Alle treten annähernd latero-dorsal vom hinteren Umfange des ersten Ventralbronchus aus und bilden eine Reihe, genau so wie rechts. Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich folgender Schluss: Rechter und linker apicaler Bronchus sind von gleicher Art. Man muss sie als Seitenäste derersten Ventral- bronchien auffassen. Als solche gehören sie der Reihe der hinteren Seitenzweige an und bilden das erste und stärkste Glied derselben. Links behält der apicale Bronchus seine ursprüngliche Lage immer bei, rechts nur ausnahmsweise, da er meistens als „Nebenbronchus“ auf den Stammbronchus rückt. Er entfernt sich aber dabei nie weit von seinem Mutteraste. Es frägt sich nun, worin ist die Ursache für dieses verschiedenartige Verhalten der beiden apicalen Bronchien zu suchen? Nach meiner Meinung ist die anatomische Lösung dieses Räthsels ziemlich einfach: es beruht die merkwürdige Erscheinung des „Hinaufrückens“ des apicalen Bronchus auf dem rascheren Wachsthume der rechten Lungenanlage in der ersten Zeit der Entwickelung. Die Knospe des apicalen Bronchus entsteht rechts viel früher als links, sie sprosst schon hervor zu einer Zeit, wo der Mutterbronchus selbst noch eine Knospe darstellt, während die Anlage des linken apicalen Bronchus erst erfolgt, nachdem die Ventralknospe schon ein Bronchusstämmchen gebildet hat. Worin nun der Grund für das raschere Wachsen der rechten Lungenanlage gelegen ist, das lässt sich nach unseren gegenwärtigen u u 85 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 273 Kenntnissen nicht angeben. Uebrigens verhalten sich nicht alle Theile der Lunge gleich. Während sich nämlich das erste Stockwerk der rechten Lunge um Vieles schneller und kräftiger entfaltet als das linke, ist der Unterschied bei den tieferen Stockwerken ganz unbedeutend oder besteht überhaupt nicht, ja in den Endverzweigungen des Stammbronchus gewinnt sogar die linke Lunge das Uebergewicht über die rechte. Die Untersuchungen über Ursprung und Charakter des apicalen („eparteriellen“) Bronchus haben uns darauf geführt, ihn einerseits als einen typischen „Dorsalbronchus‘“, andererseits als einen Nebenbronchus vom ersten ventralen aufzufassen. Wenn das richtig ist, so müssten auch die tieferen Dorsal- bronchien Nebenbronchien der ventralen Bronchien darstellen. Ich zweifle nicht im geringsten daran und bringe dafür ganz gleiche Argumente vor, wie beim ersten Stockwerke der Lunge. Wieder ist die Gleichartigkeit der Dorsalbronchien mit den hinteren Seitenästen der Ventralbronchien nicht zu verkennen. Es kommen ferner ebenfalls wieder Uebergangsstadien vor. So ist z. B. auf Tafel XXII, Fig. 6 ein Querschnitt durch die Lunge von Embryo No. 45 abgebildet; er trifft gerade das dritte rechte Stockwerk. Man sieht am Ventralbronchus hinten in einer Reihe aufsitzend drei latero-dorsale Seitenzweige. Der erste und grösste von ihnen fusst ganz ähnlich wie der apicale Bronchus derselben Lunge (Taf. XXII, Fig. 5) zum Theil am Stammbronchusquerschnitte, zum Theil am dritten Ventralbronchus. Da nun die Strecke V,—-V,, ohne freien Dorsalbronchus ist und derjenige der Strecke V,—V, bereits dem vierten Stockwerke angehört, so ist der erwähnte Ast als dritter Dorsalbronchus aufzufassen, der gerade eine Uebergangsstellung einnimmt. Hervorzuheben wäre überdies, dass die Arteria pulmonalis noch medial von ihm vorbeizieht. Ganz ähnlich, aber weniger deutlich: verhält sich in dieser Beziehung das dritte rechte Stockwerk der Lunge No. 43. Als etwas weiter vorgeschritten müsste man ein Stadium bezeichnen, das bei Embryo No. 42 (Taf. XXI, Fig. 6) sich vorfindet. Hier liest im zweiten linken Stockwerke ein „dorsaler‘“ Bronchus, ebenfalls lateral von der Arteria pulmonalis, hat sich aber bereits ganz auf den Stammbronchus begeben. Es erübrigt noch, einer Sorte von Bronchien zu erwähnen, die ventral und medial den Stammbronchus bevölkern und von AesBy als Nebenbronchien der Ventralbronchien aufgefasst werden. In diesem Punkte muss ich AeBy vollständig beistimmen. Der stärkste von den genannten Aesten ist der infracardiale Bronchus, der von Aegy als Nebenbronchus des ersten Ventralbronchus gedeutet wurde. Er fand ihn rechts fast bei _ allen untersuchten Thieren, während er den „entsprechenden Nebenbronchus der linken Lunge einen ähnlichen Entwickelungsgang nur bei einem einzigen Thiere (Coelogenys Paca) nehmen“ sah. Hier also behauptet AEBy nicht, dass der Bronchus infracardialis links zu Grunde gegangen sei, sondern nimmt einfach an, dass er noch auf seinem Mutteraste, dem ersten Ventralbronchus, sässe.. Warum lässt Argy dem „eparteriellen“ Bronchus nicht das gleiche Recht zukommen wie dem infracardialen? Ich glaube, es zeugt von einer gewissen Inconsequenz, wenn AEBy aus dem Umstande, dass ein Bronchus nicht am Stammbronchus zu finden ist, das eine Mal schliesst, er sei spurlos zu Grunde gegangen, und das andere Mal, er sei nicht auf den Haupt- stamm gerückt. Nach meinen Untersuchungen baut sich der Bronchialbaum nach einheitlichen Gesetzen auf. Bei Echidna bildet die Knospe des infracardialen Bronchus eine kleine Erhebung an der ventralen Abdachung der Anlage des ersten Ventralbronchus ähnlich, wie die apicale auf der dorsalen Seite (siehe Textfigur I, 2 und 3 und die Abbildungen auf Tafel XX und XXI. Durch die sehr frühzeitige Anlage kommt er beim weiteren Wachsthume auf den Stammbronchus zu sitzen und scheint dort später ein selbständiger Ast zu sein. Wie der apicale Bronchus hält er sich nahe seinem Mutteraste und ist bald in gleicher Höhe mit ihm anzutreffen, bald etwas höher. Während der Apicalbronchus der dorsalen Reihe den Seitenzweigen des ersten Ventralbronchus angehört, so entstammt der Infracardialbronchus der ventralen 274 Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. 86 Reihe, Aestchen, die sich durch ventro-mediale Abgangsrichtung auszeichnen. Der erste Ventralbronchus des linken Obergeschosses besitzt die gleichen ventralen Seitenzweigchen, aber keines von ihnen zeigt ein so exceptionelles Wachsthum, wie der infracardiale Bronchus. Das Wachsthum des ganzen Bronchialbaumes ist ein durchaus einheitliches, ein monopodisches. Alle Ventralbronchien entstehen aus der Scheitelknospe des Stammbronchus, und sie allein sind als primäre Seitenzweige aufzufassen. Sie haben die Eigenschaft, „Nebenbronchien“ an den Stammbronchus abzugeben. Solches geschieht nach vorn und nach rückwärts zu, so dass wir an demselben zwei Reihen von secundären Seitenästchen vorfinden, die ventralen und die dorsalen Nebenbronchien. Sie sind ebenfalls wieder im Stande, Seitenästchen an den Stammbronchus abzugeben, und es kommt auf diese Weise das reiche und auf den ersten Blick fast regellose Geäste des Bronchialbaumes zu Stande. Wir sehen aus dem ganzen Gange der Darstellung, dass sowohl die Untersuchung des Blutgefäss- systems als auch die der Bronchien von Echidna aculeata die Unrichtigkeit der Hauptpunkte der AEBy’schen Theorie ergiebt. Mit dem Fallen der Theorie werden auch alle Speculationen, die sich an sie hinsichtlich der Phylogenese des Bronchialbaumes knüpfen, illusorisch, und man kann nicht früher über die Phylogenese der Säugerlunge Aufschluss bekommen, bevor nicht ausgedehnte Unter- suchungen über die Amphibien- und Reptilienlungen vorliegen. Das vorhandene Material ist ungenügend, und es würde sich wohl verlohnen, nach der angegebenen Richtung weiterzuforschen. e Zum Schlusse ergreife ich gern nochmals die Gelegenheit, Herrn Professor SEmon für die Ueber- lassung des kostbaren Embryonenmaterials wärmstens zu danken. Ich bin ferner meinem früheren Chef, Herrn Professor ZUCKERKANDL, an dessem Institute die vorliegende Arbeit ausgeführt wurde, sowie Herrn Professor HOCHSTETTER, der mir mit Rath und That zur Seite stand, zu Dank verpflichtet. Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. Dr. Albert Oppel, a. o. Professor an der Universität Freiburg i. B. Mit Tafel XXII—XXVl Nachaem die Untersuchungen HEIDENHAIN’s und ROLLETT’s gelehrt hatten, dass es zwei verschiedene Zellarten sind, welche die Magendrüsen der gewöhnlich der Untersuchung zugänglichen Säugethiere bilden, die nach HEIDENHAIN benannten „Haupt- und Belegzellen“, brachten die folgenden Jahre zahlreiche Arbeiten, welche sich mit diesen Drüsen beschäftigten, dieselben bei anderen selteneren Säugethieren untersuchten und insbesondere auch hier das Vorkommen der Haupt- und Beleszellen feststellten. Nach den damaligen Untersuchungen wollte es scheinen, es möchten allen Säugethieren solche Drüsen zukommen. Es erhob sich bisher kein Widerspruch gegen diese Annahme. Wohl aber tauchte die Frage auf, wie die erste Entstehung dieser Zellen in der Thierreihe zu denken sei. Speciell für die letzte Frage erschien eine Untersuchung der niedersten Säugethiere sehr wünschenswerth. Wenn auch der Magen der niederen Säuger, besonders von Ornithorhynchus und Echidna für die vergleichenden Anatomen schon seit ältester Zeit ein Lieblingsobject der Untersuchung gewesen war, SO fehlt doch, soweit mir bekannt ist, eine mikroskopische Untersuchung unter Heranziehung der Hülfsmittel der heutigen mikroskopischen Technik noch ganz. So ergriff ich denn mit Freuden die Gelegenheit, eine Anzahl von Magen niederer Säugethiere zu untersuchen, welche ich Herrn Professor SEmon verdanke. Derselbe war so gütig, mir ausser Magen von Ornithorhynchus und Echidna auch solche von verschiedenen Beutelthieren und von Manis javanica zur Unter- suchung zu überlassen. Ich spreche ihm hierfür an dieser Stelle meinen besten Dank aus. Für diejenigen Leser, welche den im Folgenden erörterten Fragen ferner stehen, gebe ich hier eine kurze Uebersicht der Regionen, in welche man den Magen der Säugethiere nach dem mikroskopischen Bau der Wand neuerdines einzutheilen begonnen hat. Man unterscheidet: ı) Eine Schlundabtheilung des Magens. Darunter versteht man den Theil des Magens, welcher von einem Epithel ausgekleidet wird, das wie das des Schlundes beschaffen ist, also von geschichtetem Pfasterepithel. Eine solche Schlundabtheilung besitzen z. B. der Magen des Pferdes und der Maus, die drei ersten Magen der Wiederkäuer sind gleichfalls von geschichtetem Epithel ausgekleidet. 2) Eine Cardiadrüsenzone. Die Cardiadrüsen sind von cylindrischem Epithel ausgekleidet, ermangeln der Haupt- und Belegzellen. Das Oberflächenepithel ist hier ein cylindrisches, sog. typisches Magenepithel, wie auch fernerhin durch den ganzen Magen. Die Cardiadrüsenzone hat unter den Säuge- thieren eine weite Verbreitung, wenn sie auch nur selten eine grosse Ausdehnung gewinnt. 3) Eine Fundusdrüsenzone oder Belegzelldrüsenzone; hier finden sich in den Drüsen die Haupt- und Belegzellen. Diese Zone zeigt, im Ganzen genommen, die grösste räumliche Ausdehnung im Jenaische Denkschriften. V. 12 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. 11]. 37 . 278 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 90 Säugethiermagen. Der Ausdruck Cardiatheil des Magens, den manche Autoren für diese Region gebrauchen, ist besser zu vermeiden, damit keine Verwechselung mit der Cardiadrüsenzone entsteht. 4) Die Pylorusdrüsenzone. Die Pylorusdrüsen bestehen aus cylindrischen Zellen, welche aber eigenartig differenzirt sind und Unterschiede sowohl von den Cardiadrüsenzellen als auch den Haupt- und Belegzellen der Fundusdrüsenregion ebenso wie vom ÖOberflächenepithel zeigen. Die zuletzt genannten vier Zellarten zeigen kleine Unterschiede unter einander in der äusseren Form, Lage und in der Beschaffenheit des Kernes, grössere Unterschiede in der Beschaffenheit des Zellleibes nach seinem Aussehen und seinem Verhalten gegen Reagentien und Tinctionsmittel. I. Das Material und der makroskopische Befund. Das Material, welches meiner Untersuchung zu Grunde liegt, ist, wie mir Herr Professor SEMoN die Güte hatte mitzutheilen, grösstentheils mit Sublimatpikrinessigsäure conservirt. Die Conservirung war eine für ffast alle Objecte so gute, dass alle wünchenswerthen histologischen Details wohl erkannt werden konnten. Von Echidna aculeata var. typica erhielt ich zwei Magenstücke, deren eines in Fig. ı abgebildet ist. Das nach oben gerichtete Ende entspricht dem ösophagealen Ende des Magens, während das untere Ende der Figur schon den Uebergang in den Darm darstellt. Die Figur zeigt die feine Faltung, welche die Schleimhautoberfläche erkennen lässt. Während die Faltung in dem ganzen dem Fundustheil des Magens entsprechenden Abschnitt eine feine, gleichmässige ist, bei der keine bestimmte Richtung vorherrscht, treten in der Pylorusgegend stärkere in der Längsrichtung des Magens verlaufende Züge auf. Auf diesen Längs- falten zeigen sich feine Querfalten, welche allmählich deutlicher werden, während die Längsfalten allmählich schwinden, bis endlich die Querfaltung. vorherrscht. Dieselbe, schneidet mit einer scharfen Linie bei e ab. Die Strecke d gehört, wie schon bei makroskopischer Besichtigung deutlich ist, zum Darm. Wie hernach die mikroskopische Untersuchung lehrt, gehört jedoch auch schon der letzte Theil der Strecke be (etwa gerade von da ab, wo die Querfältelung überwiegend wird, zum Darm und zwar zu jenem Theil, den wir mit dem aus der menschlichen Anatomie entlehnten Namen Duodenum bezeichnen und der sich histologisch durch die Anwesenheit bestimmter (der BRUNNER’schen) Drüsen kennzeichnet. Das Duodenum hört an der Stelle ce schon wieder auf, dann beginnt der Dünndarm sensu strictiori. Wenn ich mir nun für diese Arbeit auch nur den Magen als Thema gestellt habe, so erfordern es doch die besonderen, bei diesen Thieren sich findenden Verhältnisse, das Duodenum kurz mitzubehandeln, was jedoch eine spätere besondere Bearbeitung desselben nicht überflüssig machen kann. Durch das in Fig. ı abgebildete Magenstück wurden Schnitte in der Richtung des Pfeiles (in der Figur) gelegt. Ausserdem erhielt ich einen Magen vom Beutelfötus von Echidnu. Derselbe ist. in Fig. 5 abgebildet. Da von diesem Thier die Eingeweide im Ganzen conservirt wurden, so zeigt sich dieser Magen in seiner Form stark durch die umgebenden Organe verändert. Ich habe die Abbildung so anfertigen lassen, dass der Oesophagus bei a und der Anfangstheil des Darmes, der, wie sich hernach erwies, das Duodenum war, bei b deutlich zu sehen ist. Dieser Magen wurde als Serie geschnitten und hierbei die Schnittfläche parallel der Bildfläche gelegt. Von Ornithorhynchus anatinus erhielt ich drei Magen, welche in Fig. 10, ıI und I2 abgebildet sind. Zwei derselben (Fig. 10 und II) waren zum Zweck der Conservirung durch einen Schnitt vom Darm her gI Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 279 erötfnet, wie dies beim Vergleich mit der Fig. 12, welche den Magen in geschlossenem Zustande zeigt ersichtlich ist. Die Figuren zeigen die äussere Form des Magens, wie sie in der Literatur (siehe dort) geschildert ist. Besonders charakteristisch erscheint das nahe Beisammenliegen der Einmündungsstelle des Oesophagus und der Ausmündungsstelle des Darmes. Die kleine Curvatur ist im Vergleich zur grossen Curvatur ausserordentlich klein. Der ganze Magen ist im Vergleich zum Darmrohr sehr klein. Die ver- dickte Strecke d—e in Fig. To ist schon den ersten Beobachtern (siehe Literatur) aufgefallen, meist wurde dieselbe als Muskelmasse gedeutet. Dies ist jedoch unrichtig. Die Strecke d—e entspricht dem Duodenum der höheren Säugethiere, und der Wulst ist bedingt durch die hier sich findenden Duodenaldrüsen (BRUNNER’sche Drüsen). Auf der Strecke d—-e finden sich einzelne warzige Erhebungen, Fig. 10 f. Bei e zeigt sich die scharfe Grenze gegen den hier beginnenden Dünndarm sensu strictiori. Die Fig. Io zeigt endlich die feine Fältelung, welche die innere Oberfläche des Magens zeigt. Auf der Strecke d—e ist sodann mit Ausnahme der vorhin erwähnten Erhebungen (f) die Schleimhautoberfläche eine vollständig glatte, zeigt vor allem keinerlei Darmzotten, wie sie sich im Duodenum anderer Säugethiere finden. = Von den Marsupialiern erhielt ich Magenstücke von Perameles obesula, Dasyurus hallucatus und den ganzen Magen von Phalangista (Trichosurus vulpecula). Ich habe die erhaltenen Stücke in Fig. I6 (Dasyurus), Fig. 21 (Perameles), und Fig. 23 (Phalangista) dargestellt. Das Magenstück von Dasyurus enthielt die Einmündungsstelle des Oesophagus (Oes.) und den Uebergang in den Darm (D). Während die genannten Endstücke von Oesophagus und Darm unverletzt und ebenso die ganze kleine Curvatur des Magens erhalten war, war die grosse Curvatur bei der Con- servirung eingeschnitten und wohl zum Theil entfernt. Die Schnittstelle zeigt der gezackte Rand a—b der Fig. 16 an. Das Magenstück von Perameles (Fig. 21) zeigte, dass hier der Magen nicht so regelmässig, wie bei dem eben beschriebenen Thier entlang der grossen Curvatur eröffnet worden war, auch war der Darm hier miteröffnet, so dass das Uebersichtsbild über die untersuchten Theile (Fig. 21) kein so klares ist. Doch lässt die Figur den Oesophagus (Oes.) und das aufgeschnittene Darmstück (D) erkennen und gewährt den Blick auf die Innenfläche des Magens. Der Magen von Phalangista ist in Fig. 23 in natürlicher Grösse abgebildet. An der grossen Curvatur war der Magen zum Zweck der Conservirung eingeschnitten, was sich auch in der Zeichnung als eine kleine Unregelmässigkeit bemerklich macht. Die Form des Magens von Phalangista wird bedingt in erster Linie durch eine starke winklige Knickung der kleinen Curvatur (dieselbe ist an der Schnittfigur 24 noch deutlicher ersichtlich als an Fig. 23). Es trennt sich so der Magen schon äusserlich in eine Fundus- und eine Pylorus- abtheilung (welche sich aber continuirlich in einander fortsetzen). An der grossen Curvatur findet sich an der betreffenden Stelle keine Grenze. Ein Blick auf Fig. 23 und auf die Schnittfigur 24 zeigt dies besser als viele Worte. Abgesehen von dieser Knickung gewinnt der Magen einigermaassen Birnform durch das starke Vorspringen des Fundus. Es ist noch zu bemerken, dass der Pylorustheil noch eine zweite Krümmung von der Ebene der Bildfläche weg macht, welche in der Zeichnung von vorn nicht deutlich genug ersichtlich gemacht werden konnte. Diese bedingte es auch, dass in der Schnittfigur 24 der Uebergang ins Duodenum nicht vollständig getroffen werden konnte, dass vielmehr dort das Duodenum nur im Anschnitt erscheint. Ausser diesen standen mir noch zahlreiche Magen von Monotremen und Beutelthieren zur Verfügung, z. B. auch von Phascolarctus cimereus, jedoch waren dieselben nicht für histologische Zwecke conservirt. Immerhin war mir dieses Material sehr werthvoll zur topographischen Orientirung. 12* 37* 28o Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 92 2. Die Literatur. Echidna. CuvieEr ') (1809— 10) beschreibt den Magen von Echidna folgendermaassen: Bei der Echidna ist der Magen sehr weit, oval, unten verengt, an seinem rechten Ende glatt, mit dünnen, gegen den Pförtner hin een Wänden versehen. Die Drüsen sind in dieser Gegend kreisförmig, stehen in einzelnen Bündeln zusammengehäuft, und die sie bekleidende Muskelschicht ist stärker, als in den übrigen Gegenden des Magens. Die innere Haut bildet um die Cardia sehr feine Runzeln. Stärkere, zahlreichere und regelmässigere finden sich in der Nähe des Pförtners, wo sie gefranzt und strahlenförmig verlaufen. Die Pförtneröffnung hat keinen eigenen Vorsprung, doch bildet das Ende der Magenränder, welche dicker als die Wände des Zwölfingerdarmes sind, daselbst einen vorspringenden Wulst. Der linke Magenmund ist weit vom rechten entfernt. Im Gegensatz hierzu sagen Quoy et GaımanD?) (1830) für Echidna setosa: Der Magen ist kugelig, seine Oeffnungen sind wenig von einander entfernt. In der 2. Auflage fügt Cuvier 1830 bei: Es findet sich ein kleines Pylorusrohr mit musculösen Wänden, welches sich vom Hauptkörper absetzt und dessen Höhle mit harten, fast hornigen Papillen besetzt ist, während die Schleimhaut im ganzen übrigen Magen, dessen Wände dünn sind, glatt ist. Stannıus?) (1846) sagt: Bei einigen anderen Säugethieren tritt dagegen ein Anschluss an die Bildung des Vogelmagens dadurch ein, dass die Epithelschicht in dem oft zugleich stärker musculösen Pförtnertheile sich verdickt; so z. B. bei Echidna (Abbildung bei Ep. HomE, Lectures, Vol. II, Tab. XLIII), wo in der Nähe des Pförtners auch zahlreiche scharfe, hornige Papillen vorkommen. R. Owen *) (1839—47) sagt: Das dicke Epithel des Oesophagus setzt sich in den Magen fort bis zum Pylorus, nahe dessen Mündung es zahlreiche hornige und scharfe Papillen bildet. Die darunter liegende Schleimhaut ist weich, die Wände des Magens sind sehr dünn, mit Ausnahme des Pylorus, welcher eine in das Duodenum vorspringende Protuberanz bildet. Ornithorhynchus. Home’) (1802) beschreibt den Magen als membranösen Sack mit glatter Innen- fläche, im collabirten Zustand 1!/, Zoll lang und °/, Zoll breit. Der Magen ist aber mehr eine Erweiterung des Oesophagus, welch letzterer direct in das Duodenum übergeht, in diesem Abschnitt sind die Wände verdickt, die Valvula pylori bildend. CuviEr (1809—10) (s. Note I) beschreibt den Magen folgendermaassen : Beim Schnabelthier hat der Magen keine mit der in der Klasse der Säuger gewöhnlichen übereinkommende Gestalt. Wie bei vielen Fischen findet sich nur ein einziger, sehr tiefer Blindsack, dessen Gestalt man sehr _ passend mit einer Hirtentasche vergleichen kann. An seinem Grunde ist er breiter und verengert sich nach vorn allmählich und verwandelt sich in einen sehr engen Kanal, dessen Uebergang in die Speiseröhre schwer anzugeben ist. Der Pförtner befindet sich rechts und sehr weit vorn. Der Magen ist verhältniss- mässig zur Grösse des Thieres und des Darmkanales sehr klein. Seine Wände, die nur mittelmässig dick sind, bestehen aus den gewöhnlichen Häuten. Die Muskelhaut ist sehr stark. Die innere Haut ist glatt, I) CUVIER, G., Lecons d’anatomie comparee. Paris, Baudouin. VII—XII (1800—1805), übersetzt von MECKEL (Bd. 3 Eu Magen), 1809— 1810. — 2. Auflage Paris, Crochard & Co. (Tome IV enthält Magen), 1835, übersetzt von DUVERNOY, Stutt- gart 1837. 2) (Juoy et GAIMAND, Voyage de l’Astrolabe. Zool. Mammiferes, T. I, Paris 1830. 3) SIEBOLD und STannıus, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 2. Theil: Wirbelthiere von H. Srannıus, Berlin 1846. 4) Owen, R., Art. Monotremata, in: Topp, The cyclopaedia of anatomy and physiology, Bd. III, London 1839—47. 3% 5) HOME, E., A description of the anatomy of the Ornithorhynchus paradoxus. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, p. 67—84, 3 Tafeln, 1802. 93 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 281 silberweiss und mit einigen kleinen regelmässigen Falten versehen. Die ältere Literatur über Ornithorhynchus stellt MECKEL®) (1826) zusammen. Er selbst findet am Pylorus dicke Musculatur. An der Cardia findet er keine Klappe, am Pylorus kaum eine Spur einer solchen. Er giebt in seiner Abbildung (seine Taf. VII, Fig. I, 19) ein annähernd richtiges Bild vom Magen, der Grösse nach zu schliessen, in gefülltem Zustande. In der 2. Auflage fügt Cuvier bei: Der kleine Pyloruskanal bildet mit dem Oesophagus eine Gabel und unterscheidet sich vom Duodenum durch die Dicke seiner Wände, seine Muskelfaserbündel und durch die manchettenförmige Falte, welche seine innere Haut im Darm bildet. Neuerdings giebt BEDDARD’) (1894) eine gute Abbildung vom Magen und dem Anfang des Darmes von Ornithorhynchus, in der, ähnlich wie in meiner Fig. 10, der Magen vom Darme aus eröffnet ist. Er weist darauf hin, dass in MEcker’s Abbildung der Magen offenbar zu gross gezeichnet ist. BEDDARD macht in seiner Abbildung die Angabe „Pylorus“ an einer Stelle, welche etwa dem Punkte e meiner Fig. Io entspricht, d. h. da, wo die Falten des Darmes einsetzen, und scheint, nach seiner Tafelerklärung zu schliessen, den folgenden Teil als Duodenum auf- zufassen. Wie sich später ergeben wird, stehen meine Befunde damit im Widerspruch. Ich betrachte seinen Pylorus als Duodenum und sein Duodenum als Dünndarm. Die Verschiedenheit unserer Ansichten erklärt sich daraus, dass BEDDARD offenbar nicht mikroskopisch untersucht hat, vielleicht weil der Erhaltungs- zustand seines Materials dies nicht erlaubte. Die Marsupialier. Der Magen der Beutelthiere ist etwas besser untersucht, als der derMonotremen, doch beziehen sich die mir bekannt gewordenen Arbeiten, welche ins Mikroskopische eindringen, fast aus- schliesslich auf die Kängurus, während ich über die übrigen Marsupialier nur einige wenige makroskopische Notizen auffinden konnte. Besonders gilt dies für die von mir untersuchten: Dasyurus, Perameles und Phalangista (Trichosurus vulpecula). Die Beschreibung des Magens von Perameles und Phalangista durch Quov und GammanD 1830 (siehe Note 2 auf pag. 280) bezieht sich rein auf die äussere Form. MıLnE-EDWARDS°) (1860) nimmt dieselbe auf und zählt dementsprechend Perameles zu den Marsupialiern mit rundlichem, Phalangista zu denen mit mehr länglichem Magen. Ueber Dasyurus ursinus finde ich die neuere Notiz von EDELMANN) (1889): Eine Cardiadrüsenregion ist nicht vorhanden. Es treten sofort an der Cardia Beleg- zellen auf, welche jedoch in den Drüsen der kleinen Curvatur sehr spärlich vorkommen, während sie im eigentlichen Fundus zahlreich vorhanden sind. Während ich auf die eigentümlichen Verhältnisse beim Wombat nicht eingehe, scheint es mir angezeigt, aus der Literatur über die Kängurus Einiges hier anzuführen, damit hernach ein Vergleich des Kängurumagens mit dem Magen der von mir untersuchten Beutelthiere ermöglicht werde. Die ältere Literatur findet sich zusammengestellt bei MiLNE-EDWARDS ®) (1860) |CuviEr, Lecons d’anatomie compar&e; How, Lectures on comp. anat.; Owen, Art. Marsupialia in Topp’s Cyklopädie; Carus und OTTo, Erläuterungstafeln zur vergl. Anatomie, Leipzig 1835]. Unter den neueren Arbeiten ist vor anderen zu nennen die Arbeit von SCHÄFER und Wiırrıams !°) (1876), da dieselbe die mikroskopischen Verhältnisse eingehend berücksichtigt. Die beiden Forscher, welche Macropus giyanteus und Dorcopsis luctuosa 6) MECKEL, J. F., Ornithorhynchi paradoxi descriptio anatomica. Leipzig 1826. 7) BEDDARD, FRANK E., On some points in the visceral anatomy of Ornithorhynchus. 3 Fig. Proceedings of the Zool. Soc. of London for 1894, p. 715—722. 8) MiLNE-EDWARDS, H., Lecons sur la physiologie et ’anatomie comparee de ’homme et des animaux, Bd. VI, Paris 1860. 9) EDELMANN, Vergleichend-anatomische und physiologische Untersuchungen über eine besondere Region der Magen- schleimhaut (Cardialdrüsenregion) bei den Säugethieren. Deutsche Zeitschr. für Thiermedicin, Bd. XV, p. 165—214, I Taf.; auch als Rostocker Inaug.-Diss. 1889. 10) SCHÄFER, E. A., and WILLIAanS, J., On the structure of the mucous membrane of the stomach in the Kangoroos. Pro- ceedings of the Zoological Society of London, 1876, P. I, p. 165—177. 4 Tafeln. 282 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 94 untersucht haben, finden die vier Regionen, welche man heute im Säugermagen annimmt (siehe diese Arbeit pag. 277), wohl ausgebildet, wenn sie auch z. B. der Cardiadrüsenregion, welche bei den untersuchten Thieren eine sehr ausgedehnte zu sein scheint, noch keinen richtigen Namen zu geben wissen. Ich sehe daher von der Benennungsweise der beiden Forscher ganz ab und gebe ihre Befunde wieder unter Be- nützung der heute gebräuchlichen Namen. Die Schlundabtheilung des Magens mit geschichtetem Pflaster- epithel nimmt bei Dorcopsis luetuosa einen weit grösseren Theil des Magens ein (fast die Hälfte desselben), als bei Macropus giganteus. Das geschichtete Pflasterepithel ist dem des Schlundes in allen Hinsichten ähnlich. An der Grenze gegen die zweite Magenabtheilung (die Cardiadrüsenzone) geht die Schleimhaut- oberfläche einen plötzlichen Wechsel ein. Es setzt sich nur die tiefste Schicht des geschichteten Epithels in das cylindrische Epithel fort, welches die nun folgenden, Drüsen enthaltenden Magenabtheilungen bedeckt. Die Cardiadrüsenregion hat namentlich bei Macropus eine sehr grosse Ausdehnung. Darauf folgt die hier nur kleine Fundusdrüsenregion mit Beleg- und Hauptzellen. Dieselbe ist an der grossen Curvatur breit, während sie an der kleinen Curvatur nur einen kleinen Raum einnimmt, so dass sie im Ganzen Keilform zeigt. Auch die Pylorusdrüsenregion nimmt nur einen kleinen Raum ein, im Verhältniss zu Schlund- abtheilung und Cardiadrüsenregion. Noch ist anzugeben, dass die Verfasser die zweite und vierte Region nicht getrennt behandeln und für beide angeben, dass das Protoplasma der Drüsenzellen gekörnt erscheint, und dass die Zellen gegen den Drüsengrund allmählich grösser werden. Auf die genaue Beschreibung der lymphoiden Platten, welche auch schon den älteren Autoren bekannt sind, gehe ich als zu fernliegend hier nicht ein. Es folgen nun weitere Arbeiten über den Kängurumagen, welche aber meist nicht so tief eindringen, wie SCHÄFER und Wirrıams. Zu nennen ist BRÜMMER !!) (1876), der Maassangaben für die Fundus- und Pylorusdrüsen giebt und die Schlundrinne genauer beschreibt. PirLieET und BOULART 12) (1886) beschreiben den Magen von Halmaturus Bennetti und behaupten, dass hier die Pylorusdrüsenzone fehlen soll. EDELMANN (siehe Note 9) bestimmt den unteren linken Blindsack bei Halmaturus giganteus als zur Cardia- drüsenregion gehörig. Neuere Arbeiten, z. B. von BEDDARD!3) (1895), beziehen sich wieder mehr auf makroskopische Ver- hältnisse; derselbe beschreibt ferner Schlundepithel im Anfangstheil des Magens von Petrogale penicillata. Bei Dendrolagus Bennetti findet er Schlundepithel im mittleren Theil des Magens von der Oesophagusöffnung ausgehend in der Richtung gegen den Pylorus, während dasjenige Ende des Magens, welches BEDDARD als Cardiaende des Magens bezeichnet, kein Schlundepithel besitzt. Manis javanica. Der Magen von Manis javanica hat neuerdings eine eingehende, ich möchte fast sagen erschöpfende Beschreibung mit klaren Abbildungen erfahren durch M. WEBER!) (1891). Ich kann deshalb betreffs der älteren Literatur, die fast nichts Histologisches enthält (WHITEFIELD 1829, CARUS und Otto, Rapp 1852, OwEn, FLOWER, ÄNDERSON), auf WEBER verweisen, und es mag; genügen, einige Notizen nach Carus und OTTo!’) (1835) wiederzugeben. Schon Carus und Orro fällt bei den Schuppentieren die n II) BRÜMMER, Jon, Anatomische und histologische Untersuchungen über den zusammengesetzten Magen verschiedener Säugethiere. Deutsche Zeitschr. für Thiermedicin, Bd. II, p. 158-186 und 299—319, I Taf., 1876. e 12) PILLIET et BOULART, Sur Pestomac de l’hippopotame, du kanguroo de Bennett et du paresseux ai. Journal de anatomie et de la physiologie (PoucHET), 22. Jahrg., p. 402—423, mit Taf. XV und 4 Holzschnitten, 1886. 13) BEDDARD, FRANK E., On the visceral anatomy and brain of Dendrolagus Bennetti. Proceedings of the Zool. Society of London for the year 1895, P. ı, p. 131—137, 6 Fig. A 14) WEBER, Max, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Genus Manis. Zoologische Ergebnisse einer eise in Niederländisch-Ostindien, Bd. IL, mit Taf. I—IX, 116 pp., Leiden 1891. 15) CARUS und OTTO, Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie, Heft 4, Verdauungsorgane, Leipzig; 1835. 95 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 283 ungemeine Dicke und Härte des Pförtnertheiles auf, welcher durch die Stärke und Röthe seiner Fleischhaut an den Magen der körnertressenden Vögel mahnt. Sie geben dann folgende Beschreibung des Magens vom kurzschwänzigen Schuppenthier (Manis pentadactyla). Die linke dünnwandige Magenhälfte ist von einer weissen, glatten und glänzenden Membran, der Fortsetzung des Epithels der Speiseröhre, ausgekleidet. Die kleinere rechte dickwandige Magenhälfte ıst überall mit kurzen conischen Spitzchen, die grösstentheils Schleimdrüschen zu sein scheinen, besetzt. Sie erkennen am Pförtnerende der kleinen Curvatur einen stark vorspringenden länglich-runden Wulst oder Höcker, welcher in eine ihm gegenüberstehende Grube hinein- passt und den Ausgang aus dem Magen wohl zu schliessen im Stande ist. Diese Einrichtung findet sich auch bei Manis tetradactyla. Sie beschreiben dann bei Manis pentadactyla die „grosse Magendrüse“ und bilden sie ab, sie erkennen auch die weite, aber kurze Mündung derselben ins Innere des Magens. Die WEBER’sche Beschreibung von Manis javanica kann ich, um nicht zu breit zu werden, hier nur in Umrissen wiedergeben. Wer diese Verhältnisse genauer studiren will, muss die WEBER’sche Arbeit im Original mit den Abbildungen einsehen. Es ist nach WEBER die Schleimhaut verhornt; wie aus seinen Abbildungen deutlich ersichtlich ist, trägt sie ein geschichtetes Pflasterepithel. In der cardialen Abtheilung ragt eine Falte am Ende des Oesophagus in den Magen hinein. Im Ausgang des pylorialen Theiles ist die Ober- fläche der Schleimhaut theilweise mit Hornzähnen bewaffnet. Am Ende der kleinen Curvatur springt genau in der Medianlinie ein länglich-ovales Organ nach innen vor, das mit groben, spitzen Hornzähnen besetzt ist („Triturationsorgan“). Vereinzelte Drüsenschläuche, wie bei anderen Säugern, kommen bei Manis javanica nicht vor, sondern nur zu makroskopischen Drüsenkörpern vereinigt, welche sich wieder nur an ganz bestimmten Stellen finden, die im Folgenden genauer beschrieben werden sollen. Einmal ist es die „grosse Magendrüse‘“, welche, an der grossen Curvatur gelegen, sich aus schlauchförmigen Drüsen aufbaut. Dieselben sind nach dem Schema der Belegzelldrüsen gebaut. WEBER erkennt die Haupt- und Belegzellen in denselben. Eine gewisse Summe solcher Schläuche gruppirt sich um einen central gelegenen spaltförmigen Ausführungs- gang zu einem länglich-viereckigen Drüsenkörper. Eine Anzahl solcher Drüsenkörper, deren verschiedene Ausführgänge sich allmählich vereinigen zu einem Hauptausführgange, bilden zusammen die grosse Magen- drüse. Es handelt sich um eine Art Ausstülpung der Magenschleimhaut. Der schliessliche Endausführgang ist weit und dem Pylorus zugekehrt. Der Ausführgang mündet in eine Art Ausstülpung der Magenschleimhaut, die mit Hornzähnchen bewaffnet ist. Die zweite Art von Drüsen sind gleichfalls tubulöse Drüsen, die aber eine durchaus gleichartige Zellenbekleidung besitzen. WEBER glaubt dieselben mit den Schleimdrüsen des Magens der übrigen Säugethiere vergleichen zu dürfen. Zweifelsohne versteht er darunter die Drüsen der Pylorusregion der Säuger, welche einzelne Forscher als Schleimzellen bezeichnet haben. Auch diese Drüsen des Magens von Manis weichen von dem gewöhnlichen Verhalten dadurch ab, dass sie zu kugeligen, mit dem blossen Auge wahrnehmbaren Drüsenkörpern sich vereinigen, und dass vereinzelt auftretende Schläuche fehlen. Diese zweite Drüsenart tritt in drei Gruppen auf. Eine Gruppe liegt in der Mitte der kleinen Curvatur. Hier münden die stark entwickelten Drüsen durch verhältnissmässig weite, vorspringende Oeffnungen aus. Die zweite Gruppe liegt an und in der Nähe der Ausmündung der grossen Magendrüse, mithin an der grossen Curvatur. Die dritte Gruppe endlich findet sich in der dem Triturationsorgan zugekehrten Schleimhautfläche. Weitere Drüsen finden sich nicht vor. Den Bau des Magens erklärt WEBER für ent- sprechend der, wenn nicht ausschliesslich, dann doch hauptsächlich aus Ameisen und Termiten bestehenden Nahrung (exquisites Verkleinerungsorgan bei Mangel an Zähnen). Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 96 [7 [0/0] p 3. Echidna aculeata var. typica. Der ganze Magen von Echidna ist von geschichtetem Epithel (geschichtetes Pflasterepithel der Autoren) ausgekleidet, wie es die Schlundschleimhaut trägt. Das geschichtete Epithel greift noch auf den Anfangstheil des Darmes über und reicht dort so weit, als sich Drüsen erstrecken, welche ich mit den Brunner’schen Drüsen im Duodenum anderer Säuger identificiren zu müssen glaube Im Magen von Echidna finden sich keinerlei Drüsen, nirgends trägt die Schleimhaut jenes cylindrische Epithel, das für den Magen anderer Säugethiere charakteristisch ist. Fig. 2 zeigt einen Längsschnitt der Magenwand von Echidna. Das geschichtete Epithel zeigt die gewöhnliche Anordnung, an der Basis hohe Zellen von fast cylindrischer Form, darüber ein Stratum spinosum von polygonalen Zellen. Während an der Basis die Kerne so überwiegen, dass die Kernreihe (vielleicht auch in Folge eines stärkeren Färbungsvermögens der Kerne) bei schwacher Vergrösserung als dunkle Linie erscheint, tritt höher oben das heller gefärbte Zellprotoplasma mehr an Masse in den Vordergrund. Eine deutliche Färbung der Körnchen im nun folgenden Stratum granulosum gelang mir mit Hämatoxylin nicht. Dagegen hebt sich deutlich ein helleres Stratum lucidum, namentlich gegen die dann folgenden Schichten ab. Hier stellte sich eine stärkere Färbbarkeit mit Eosin ein, was in der Zeichnung durch den dunklen Ton wiedergegeben werden soll. Die unter dem Epithel gelegene Schicht der Mucosa ist breit, ebenso die Submucosa, und muss aus ziemlich lockerem Gewebe bestehen, was es verstehen lässt, dass die zwischen beiden liegende Muscularis mucosae die Fältelung der Mucosa z. B. an der gezeichneten Stelle nicht mitmacht; wohl aber geht sie in stärkere Falten gleichfalls mit ein. An der Muscularis mucosae konnte ich nur eine längsverlaufende Schicht erkennen, welche aber im Verhältniss zur Dicke der übrigen Schichten sehr breit ist. Dieselbe sendet einzelne dünne Faserzüge in die Falten der Mucosa. Die Fig. 2 zeigt noch die Anfänge der Ring- muskelschicht der Muscularis, der nach aussen in gewöhnlicher Weise eine Längsmuskelschicht folgt. Die Ringmuskelschicht ist durchweg, insbesondere am Pylorus, stärker entwickelt, als die Längsmuskelschicht. So verhält sich der Magen in allen von mir untersuchten Theilen. Nirgends findet sich eine Drüse, nirgends ein cylindrisches Magenepithel, wie dies im Magen der Säugethiere die Regel ist. Ich setzte nun meine Untersuchung über den Pylorus hinaus fort, um zu sehen, wo denn nun der Uebergang in das Darmepithel erfolge. Ich machte einen Längsschnitt durch das ganze mir zur Verfügung stehende Magenstück, das in Fig. ı abgebildet ist, in der Richtung des in der genannten Figur angegebenen Pfeiles. Der untere Theil eines solchen Schnittes, darstellend den Uebergang vom Magen (M) in den Darm (D) zeigt Fig. 3. Der in dunklem Ton gehaltene Streif E stellt das geschichtete Epithel des Magens dar. Es ist deutlich die Stelle zu erkennen, an welcher dasselbe in das Cylinderepithel des Darmes, welches in der Zeichnung schematisch gestrichelt ist, übergeht. Die Ringmuskelschicht des Magens zeigt im oberen Theil der Figur die Pylorusanschwellung, welche allmählich abfällt. annähernd in derselben Dicke durch den ganzen Schnitt. Krypten (in schematischer Weise wölbt sich Die Längsmuskelschicht verläuft Deı Darm lässt Zotten und LIEBERKÜHN’sche in der Zeichnung angedeutet) erkennen. Zwischen Magen und Darm das Epithel hoch empor über einen dort liegenden Drüsenwulst, dessen einzelne Lappen in der Abbildung in hellem Ton gehalten sind. Derselbe wird zum grössten Theil noch von geschichtetem Epithel, 97 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 285 wie es sich im Magen findet, überkleide. Nur im letzten, wieder abfallenden Theil findet sich darüber Darmepithel, LIEBERKÜHN’sche Drüsen und Zotten. Ehe ich in der Erklärung fortfahre, habe ich anzufügen, dass sich weiterhin im Darm derartige Drüsen nicht mehr finden, sondern nur so weit, wie es die Figur anzeigt. Die gesammte Drüsenmasse liest in der Submucosa, was sich besonders klar erkennen lässt, einmal am Beginn der Drüsenmasse, wo die Muscularis mucosae über dieselbe wegzieht, ebenso im letzten Abschnitt, in welchem die Ausführgänge die Muscularis mucosae durchbrechen, um zur Oberfläche zu gelangen. Die Ausführgänge, welche in dem bezeichneten Schnitt zu sehen waren, sind eingezeichnet und durch dunklere Striche, z. B. bei A, hervorgehoben. Weitere Schnitte zeigen solche Ausführgänge in wechselnder Anzahl. Merkwürdiger Weise treten die Ausführgänge in den beiden Abschnitten der Drüsenmasse zur Oberfläche, in dem vom geschichteten Epithel und in dem von Darmepithel bedeckten, in der Zeichnung im ersteren Fall an vier, im zweiten an drei Stellen. Eine Trennung zwischen Drüsen, welche der einen oder anderen Mündunesstelle angehören würden, konnte ich nicht finden. Eine Ausmündungsstelle im geschichteten Epithel giebt Fig. 4 bei stärkerer Vergrösserung wieder. Man sieht den Ausführgang sich mehrfach theilen und dann die daran anschliessenden Drüsenschläuche, welche rein tubulös sind. Der Ausführgang ist von einem hohen Cylinderepithel ausgekleidet, die Drüsenschläuche gleichfalls, doch ist in den Schläuchen das Epithel etwas niedriger. Die Zellen sind gegen die freie Oberfläche geschlossen, was für den guten Erhaltungszustand des Präparates spricht. Es scheint mir kaum etwas Anderes zu bleiben, als die gesammte Drüsenmasse mit den BRunNEr’schen Drüsen des Duodenums anderer Säugethiere zu vergleichen. Dafür spricht einmal ihre Lage am Anfang des Darmes, dann ihre Lage in der Submucosa, dann der Umstand, dass hernach keine anderen BRUNNER’schen Drüsen mehr kommen, sondern der Dünndarm ohne solche beginnt. Will man sich diesem Gedanken füsen, so muss man annehmen, dass hier der Anfangstheil des Duodenums von geschichtetem Pflasterepithel ausgekleidet wird. Um ganz klar sehen zu lassen, muss ich noch beifügen, dass die Drüsenzellen, die in Fig. 4 in hellem Tone gehalten sind, keine so deutliche Körnelung resp., um mich im Sinne anderer Autoren auszudrücken, kein so deutliches Netzwerk zeigen, wie man dies nach den landläufigen Darstellungen der BRunnEr’schen Drüsen von unseren gewöhnlich zur Untersuchung gelangenden Säugern her gewöhnt ist. Die Unterschiede sind aber hierin so grosse und bei verschiedenen Säugern noch so wenig erforschte, dass ich glaube, darauf nicht zu viel Gewicht legen zu dürfen. An einem weiteren ganzen Magen von Echidna vermochte ich ebenso, wie bei den mikroskopisch untersuchten Präparaten, die von einzelnen Autoren angegebenen harten, fast hornigen Papillen nicht auf- zufinden, vielmehr fand ich stets die Fältelung, wie ich sie beschrieben und in Fig. ı abgebildet habe. An den ganzen Magen konnte ich mich auch überzeugen, dass der die BRUNNER’schen Drüsen tragende, von geschichtetem Epithel überkleidete Abschnitt nicht mehr in die Magenhöhle zu liegen kommt, sondern den engen Anfangstheil des Darmrohres mit stark verdickter Wand bildet. Dies scheint von Bedeutung auch in physiologischer Hinsicht, da eine Beimischung des Secretes dieser Drüsen zum Mageninhalt damit fast aus- geschlossen erscheint. Ich gehe nun zur Schilderung des Magens des Beutelfötus von Echidna über. Die Figg. 6-9 lehren meine Befunde. Hier war der ganze Magen von Cylinderepithel ausgekleidet, und zwar von seinem cardialen Ende bis dorthin, wo das Epithel des Darmes in das des Magens übergeht. Fig. 6 zeigt einen Schnitt aus der Mitte des Magens, E das Cylinderepithel, die reich gefaltete Mucosa deckend, Dieses Bild fand sich überall. Nirgends eine Spur des geschichteten Epithels des Erwachsenen — aber auch Jenaische Denkschriften. V. 13 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. 11. 38 286 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 98 nirgends die Spur einer Drüse oder auch nur einer Drüsenanlage. Zwei Stellen schienen mir danach noch besonderer Untersuchung werth. Einmal die Eintrittsstelle des Oesophagus in den Magen, dann die Uebergangsstelle des Magens in den Darm. Die Eintrittsstelle des Oesophagus in den Magen vom Beutelfötus von Echidna ist in Fig. 7 abgebildet. Es ergab sich, dass der Oesophagus schon geschichtetes Epithel besass, wie beim Erwachsenen, und es findet ein scharfer Uebergang des geschichteten Oesophagusepithels in das einfache Cylinderepithel des Magens statt. Die Uebergangsstelle findet sich noch im Oesophagus selbst, beiderseits nicht ganz in gleicher Höhe bei a und b. Dieses Verhalten scheint von Bedeutung, .um den Einwurf zu een es handle sich bei diesem Fötus noch um so wenig entwickelte Verhältnisse, dass es zur Bildung eines geschichteten Epithels überhaupt noch nicht gekommen sei. Während der Magen Cylinder- epithel zeigt, besitzt der Oesophagus geschichtetes Epithel. Es lässt dies darauf schliessen, dass der Beutel- fötus von Echidna die eigenthümliche Organisation seines Magens erst zu einer Zeit bekommt, zu der dies durch den eintretenden Wechsel in den Ernährungsverhältnissen erforderlich erscheint. Besonderes Interesse erfordert ferner die Uebergangsstelle vom Magen in den Darm. Dieselbe findet sich in der Fig. 5 in dem letzten Theil des bei D sichtbaren Beginnes des Darmrohres. Fig. 8 giebt einen Längsschnitt durch diesen Theil wieder bei schwacher Vergrösserung. In der Ring- muskelschicht des Darmes zeigt sich eine starke Verdickung, entsprechend dem hier liegenden Pylorus. Das Epithel ist einschichtiges Cylinderepithel, wie durch den ganzen Magen, und geht hier ins Darmepithel über. Die Abbildung zeigt ferner den Beginn der Brunner’schen Drüsen, welche, wie dies zu erwarten ist, in der Submucosa liegen. Die Muscularis mucosae (M M) ist deutlich sichtbar. Zu bemerken ist, dass das Epithel hier noch keinerlei Einsenkungen zeigt, die als LIEBERKÜHN’sche Drüsen gedeutet werden könnten. Es entspricht dies also ganz den Verhältnissen beim Erwachsenen, bei welchem LIEBERKÜHN’sSche Drüsen und Zotten ja auch erst in dem Endabschnitt der BRUNNER’schen Drüsen auftreten, während der Anfangstheil noch geschichtetes Epithel trägt. Die Ausführgänge der Drüsen zeigen sich in ähnlicher Zahl und Anordnung wie beim Erwachsenen. In Fig. 9 habe ich einen solchen Drüsenausführgang bei stärkerer Vergrösserung abgebildet. Er zeigt im Schnitt zunächst eine dreifache Theilung, weitere Theilungen der so entstandenen Gänge sieht man in der Figur noch angedeutet. Es zeigt so der Magen des Beutelfötus von Echidna die Verhältnisse, die sich beim Erwachsenen finden, schon angedeutet. Fehlen der Magendrüsen. Mangel der LiEBERKÜHN’schen Drüsen im Anfangstheil des Duodenums. Ein charakteristisches Epithel kleidet Magen und Duodenum aus, beim Fötus Cylinderepithel, beim Er- wachsenen Pflasterepithel. 4. Ornithorhynchus anatinus. Der ganze Magen von Ornithorhynchus ist von geschichtetem Epithel aus- gekleidet, wie es die Schlundschleimhaut der Säuger trägt. Das geschichtete Epithel greift noch auf den Anfangstheil des Darmes über und reicht dort so weit, als sich Drüsen erstrecken, welche ich mit den Brunner’schen Drüsen im Duodenum anderer Säuger vergleichen zu müssen glaube. Es finden sich im Magen des Ornithorhynchus keinerlei Drüsen, nirgends trägt die Schleimhaut jenes cylindrische Epithel, das für den Magen anderer Säuger charakteristisch ist. 99 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 287 Ich erhielt meine Resultate über den Magen von Ornithorhynchus auf folgende Weise: Durch den Magen von Ornithorhynchus (A) wurden in der Richtung des Pfeiles a—b (in Fig. 10) Längsschnitte angefertigt. Einen solchen Längsschnitt stellt Fig. 13 dar. Entsprechend dem für die Conservirung gemachten Ein- schnitt zeigt die Figur eine Lücke, welche demnach nicht einem Substanzdefect, sondern nur einem Aus- einanderweichen der Wandung an der Schnittstelle entspricht. Nachdem so etwa die Hälfte des Magens geschnitten war, wurde das Stück um 90° gedreht, und die Schnittrichtung war nun die des Pfeiles c. Hierbei wurde der Anfangstheil des Darmes, so weit er in Fig. ıo abgebildet ist, mitgeschnitten. Einen Schnitt in dieser Richtung stellt die Fig. 14 dar. Derselbe zeigt den Endtheil (Pylorus) (M) des Magens, dann folgt eine Verdickung der Wand (B), welche einem dort in der Submucosa gelegenen grossen Drüsenpacket entspricht. Dann folgt das stark ausgebildete Faltensystem des Darmes (D). Den Drüsenwulst (B), welchen ich als BRunner’sche Drüsen des Duodenums deuten zu müssen glaube, konnte man auch schon am ganzen Präparat erkennen, wie dies in Fig. IOe--d angegeben ist. Die Fig. 14 zeigt, wie der ganze Abschnitt, welcher die BRunNEr’schen Drüsen enthält, von geschichtetem Epithel überzogen ist. Dieses Epithel zeigt denselben Bau, wie das des übrigen Magens, wie es in Fig. 15 abgebildet ist. Es findet somit das geschichtete Epithel auch am Pylorus seine Grenze noch nicht, sondern reicht im Darme nach abwärts, soweit die BRunNErR’schen Drüsen reichen. Als BRunneEr’sche Drüsen bezeichne ich diese Drüsen deshalb, weil sie im Anfangstheil des Darmes und in der Submucosa liegen. Fig. 15 zeigt das geschichtete Epithel, wie es sich überall im Magen von Ornithorhynchus findet. Es zeigt die gewöhnliche Anordnung geschichteter Epithelien; zu unterst höhere Zellen, dann nach oben allmählich platt werdende; auch die platten Zellen der obersten Schichten lassen noch deutliche Kerne erkennen. Das Epithel ist nicht so hoch wie bei Echidna, wie ein Vereleich mit der bei gleicher Ver- grösserung gezeichneten Fig. 2 von Echidna zeigt. Die_ zwischen Epithel und Muscularis mucosae gelegene Schicht der Mucosa ist sehr dünn, die Muscularis mucosae folgt auch sehr geringfügigen Erhebungen der Schleimhaut, immer (im Gegensatz zu Echidna) nahe dem Epithel liegend. Die Submucosa ist dagegen ziemlich breit und enthält an der abgebildeten Stelle zahlreiche Gefässe (@). Auch hier herrschen in der Muscularis mucosae die längsverlaufenden Elemente vor. Nach innen von der Längsschicht findet sich jedoch eine namentlich gegen den Pylorus zu deutliche Ringschicht. Diese Verlaufsrichtung der Schichten der Muscularis mucosae erfährt jedoch eine gewisse Einschränkung. Um dieselbe verständlich zu machen, muss ich den Verlauf der Muscularis des Magens mit dem der Muscularis mucosae zusammen behandeln. Die Muscularis des Magens besteht im Allgemeinen aus zwei Schichten, einer inneren Ring- und einer äusseren Längsschicht. Die beiden Schichten der Muscularis mucosae verlaufen den Schichten der Muscularis des Magens parallel. Nun bringt aber besondere Ver- hältnisse die Form des Magens. Betrachtet man die Fig. 12 und denkt sich dort als Axe des Magens etwa eine Sonde, die vom Oesophagus direct durch den Magen in den Darm geführt wird, ohne in den Blindsack des Magens einzugehen, so würden um dieselbe die Muskelschichten die geschilderte Anordnung genau zeigen. Man sieht in der Figur die längsverlaufende äussere Muskelschicht angedeutet. Weiter nach abwärts im Blindsack behalten nun aber die Muskelfasern aller Schichten annähernd ihre Verlaufsrichtung bei, so dass im Blindsack die Verlaufsrichtung derselben zur Axe des Blindsacks sich ändert, so dass die Ringmusculatur zur Längsmusculatur und die Längsmusculatur zur Ringmusculatur wird. So kommt es, dass in der Fig. 13, die einem Schnitt parallel der Längsaxe des Blindsackes entstammt, die äussere Längsschicht der Muscularis quer getroffen und die innere Ringmuskelschicht längs getroffen erscheint. Die 13 * 38 * 288 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 100 Muscularis mucosae, die in der Fig. 13 nur durch einen Strich (M M) angedeutet ist, zeigt dasselbe Ver- halten. Die Fig. 15, welche dieselbe Schnittrichtung besitzt, zeigt dieses in vergrössertem Maassstabe. Fig. 13 zeigt auch, wie die überall eingezeichnete Muscularis mucosae stets in allen Falten und Erhebungen der Schleimhaut dem Fpithel dicht anliegt. In Fig. 14 erscheinen die Muskelschichten in der richtigen Anordnung, d. h. so, wie sie benannt werden: äussere Längsschicht (MusceL), innere Ringmuskelschicht (MuscR), die Muscularis mucosae ist in der Zeichnung durch die doppelte Linie M M angegeben. Ich komme noch auf den Duodenalabschnitt zu sprechen. Das geschichtete Epithel reicht hier weiter als bei Echidna, wie bei Vereleichung der Fig. I4 von Ornithorhynchus und. Fig. 3 von Echidna ersichtlich ist. Bei Echidna finden sich LIEBERKÜHN’sche Drüsen über dem letzten Abschnitt der BRUNNER- schen Drüsen, was bei Ornithorhynchus nicht mehr der Fall ist. Was die Mündung der Drüsen anlangt, so konnte ich so zahlreiche Mündungen der Drüsen im Bereich des geschichteten Epithels, wie bei Zchidna, hier nicht auffinden, vielmehr zeigen die Drüsenbündel in ihrer Anordnung die Tendenz, mit ihren Ausführgängen gegen den Punkt hin zu kommen, wo das geschichtete Epithel aufhört und das Darmepithel beginnt. Hier brechen sie in grosser Anzahl durch und treten zur Oberfläche. Doch sah ich einzelne Drüsenausführgänge noch bestimmt im Bereich des geschich- teten Epithels ausmünden. Die warzigen Erhebungen, welche ich auf S.279 erwähnt und in Fig. 10f abgebildet habe, fand ich auch in den Schnitten auf. Dieselben bildeten Erhebungen der Mucosa, von geschichtetem Epithel über- zogen, das sich aber nur wenig verdickt zeigte. Die Muscularis mucosae ging, wie immer dem Epithel dicht anliegend, in diese Prominenzen gleichfalls mit ein. Ueber die Bedeutung dieser Gebilde möchte ich kein Urtheil abgeben, jedenfalls scheinen sie mir nicht durch etwa vom Darme aus eindringende Parasiten bedingt, da ich nichts derartiges vorfand, vielmehr scheinen sie regelmässig gebildet. Die BRUnnERr’schen Drüsen selbst sind tubulös, die Drüsenschläuche gruppiren sich zu grossen Bündeln, welche dann mit einem oder mehreren Ausführgängen durchbrechen. Die Zellen der Ausführ- gänge sind hohe helle Cylinderzellen, während die Drüsenzellen dunkler und schmäler als die bei Zchidna sind. Des genaueren auf diese Drüsen einzugehen, liegt meinem diesmaligen Thema fern. Für meine Schilderung war es ja nur von Wichtigkeit, dass sich das geschichtete Magenepithel auch hier bis in die Region erstreckt, in der die BRUNNER’schen Drüsen liegen, also noch über den Magen hinaus. Dies war erforderlich zur Beweisführung für meine, an die Spitze dieses Capitels gestellte Behauptung, dass auch bei Ornithorhynchus der Magen in seiner ganzen Ausdehnung geschichtetes Epithel besitzt und der Drüsen entbehrt. 5. Die Marsupialier. Der Magen der verschiedenen von mir untersuchten Beutelthiere zeigt insofern Gemeinschaftliches, als es sich bei allen um die auf S. 277 erwähnten Bestandtheile des Säugethiermagens, die Cardia- die Fundus- und die Pylorusdrüsenregion, handelt, wenn dieselben auch bei den verschiedenen Vertretern in ihrer Anordnung einige Verschiedenheit zeigen. Es sind die Bilder keine so überraschenden, wie bei den Monotremen, sondern fügen sich mehr in den Rahmen des für andere Säuger Bekannten ein. In der Darstellung stelle ich den Magen von Dasyurus an die Spitze, da ich von demselben ein vollständigeres Bild geben kann, als von Perameles, und reihe zuletzt Phalangista an, da sich der Magen dieses Thieres von dem der beiden anderen in wesentlichen Punkten unterscheidet. N bangen IoI Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 289 Dasyurus hallucatus. Es lassen sich die Verhältnisse bei diesem Thier am besten verstehen unter Zuhülfenahme der Fig. 17. Dieselbe stellt einen Schnitt durch das ganze mir zur Verfügung stehende Magenstück (das in [77} Fig. 16 abgebildet ist) dar; der Schnitt ist parallel zur Bildfläche der Fig. 16 gemacht, und zwar so, dass die Einmündungsstelle des Oesophagus in den Magen und die Uebergangsstelle vom Magen in den Darm in den Schnitt fallen. Die Umrisse der Figur sind genau nach dem Präparat gezeichnet, der histologische Befund sodann aber in nur schematischer Weise eingetragen. Die Einmündung des Oesophagus ist durch Oes, die Austrittsstelle des Darmes durch D bezeichnet. B sind die BRUNNER’schen Drüsen, welche in Form eines dicken Gürtels den Anfangstheil des Darmes ringförmig umgeben. Die Ringmuskelschicht des Darmes ist mit MuseR, die Längsmuskelschicht mit MuscL bezeichnet. Die Mucosa (Mue) ist mit Punkten, Strichen und verschiedenen Tönen in schematischer Weise abgetheilt. Unter der Mucosa ist die Muscularis mucosae nur durch einen Strich (U M) angedeutet. Die verschiedene Dicke der Mucosa und der Muskelschichten muss zum Theil dem Umstande zugeschrieben werden, dass Schiefschnitt stärker gefalteter Stellen bei An- fertigung derartiger grosser Schnitte schwer ganz zu vermeiden ist. Immerhin mag für einige Stellen, z. B. für die Verdickung der Ringmusculatur am Pylorus auch aus diesem Schnitt der Wahrheit nahestehendes wohl entnommen werden können. Die weitere Erklärung der Figur lässt sich mit wenigen Worten geben. Punktirt ist der Theil der Mucosa, welcher geschichtetes Pflasterepithel besitzt, mit Strichen versehen der Cardiadrüsenabschnitt, in dunklem Tone gehalten die Fundusdrüsenzone (Belegzellen und Hauptzellen), in hellem Tone erscheint die Pylorusdrüsenzone, ganz hell geblieben ist die Schleimhaut von dem Auftreten der LIEBERKÜHN’schen Drüsen an. Die Vertheilung der Zonen ist, wie aus der Figur ersichtlich ist, folgende: Das geschichtete Epithel hört noch im Oesophagus selbst auf, greift also nicht auf die Wandung des Magens über, im Gegentheil die Cardiadrüsenzone, über welcher sich schon das einschichtige Magencylinderepithel findet, reicht noch eine Strecke weit in den Oesophagus hinein. Diese Cardiadrüsenzone ihrerseits über- schreitet den Magenmund auch nicht, sondern es treten alsbald Haupt- und Belegzelldrüsen auf, sowohl an der grossen als an der kleinen Curvatur. Etwa in der Mitte der kleinen Curvatur hören diese Drüsen wieder auf und machen Pylorusdrüsen Platz. An der grossen Curvatur findet dieser Wechsel schon in etwas grösserer Entfernung vom Pylorus statt, was in der Figur am Ende eben noch ersichtlich ist. Ueber die Ausdehnung der Fundusdrüsenzone kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man sich den Magen zu einem Ganzen ergänzt denkt. Sie hat jedenfalls die grösste räumliche Ausdehnung unter den verschiedenen Zonen, dann folgt die Pylorusdrüsenregion, während die Cardiadrüsenzone verschwindend klein ist, wenn ich sie auch nicht ganz in Abrede stellen möchte, wie dies EDELMANN (s. Cap. Literatur), der Dasyurus ursinus untersucht hat, thut. Eine Schlundabtheilung kommt diesem Magen nicht zu, da ja das Schlund- epithel noch im Oesophagus aufhört. Figg. ı8—20 geben Bilder von den verschiedenen Drüsenarten, wie sie in den drei Drüsenregionen vorkommen : Fig. 18 aus der Cardiadrüsenregion, Fig. I9 aus der Fundusdrüsenregion und Fig. 20 aus der Pylorusdrüsenregion von Dasyurus hallucatus. Fig. 18 zeigt 3 Drüsenschläuche aus der Cardiadrüsenregion, von denen derjenige, der am reinsten quer geschnitten ist, genauer ausgeführt ist, während die beiden anderen die Zellform, Lage und Form der Kerne verdeutlichen können. Das Protoplasma der Zelle erscheint bei der von mir angewandten Tinction (Hämatoxylin-Eosin) dunkel in röthlichem Ton. Eine sehr deutliche Körmelung liess der Zellleib nicht erkennen, doch schien er nicht ganz homogen zu sein, etwa so, wie dies 290 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 102 in der Figur angedeutet ist. Der innere Theil der Zelle erschien ein klein wenig heller als der äussere, doch war dies nicht überall deutlich, jedenfalls handelt es sich nicht, wie bei den Oberflächenepithelien, um eine Theilung in einen äusseren protoplasmatischen Theil und einen inneren, den nach BIEDERMANN genannten Pfropf. Die Fig. 19 aus der Fundusdrüsenregion zeigt deutlich die Hauptzellen (%) und die Belegzellen (b). Es ist ein kurzes Stück eines Längsschnittes dargestellt, etwa aus der Mitte des Drüsenschlauches. Im Drüsengrunde sind die Belegzellen seltener, so dass die Endstücke der Schläuche fast nur aus Hauptzellen gebildet werden. In Fig. 20 aus der Pylorusdrüsenregion ist wieder nur ein rein quergeschnittener Schlauch ausgeführt, da sich in einem solchen der Bau der Zelle am besten darstellen lässt. Man sieht, dass das Zellenprotoplasma ein etwas anderes Aussehen zeigt, als in den Drüsenzellen der Cardiadrüsen. Die Körnelung, resp. das zwischen den Körnern liegende Netzwerk tritt etwas deutlicher hervor, als in den Cardiadrüsen, auch erscheinen die Zellen der Pylorusdrüsen etwas grösser. Das Oberflächenepithel, das nicht überall gut erhalten war, liess an manchen Stellen den BIEDERMANN’schen Pfropf erkennen. Die Muscularis mucosae besteht im Allgemeinen aus zwei Schichten, einer inneren Ring- und einer äusseren Länesschicht, von derselben steigen Muskelzüge zwischen die Drüsenschläuche auf. Dieselben schienen mir von beiden Schichten der Muscularis mucosae auszugehen. Lymphfollikel fand ich zahlreich, dieselben liegen sowohl an der kleinen wie an der grossen Curvatur, in der Pylorusdrüsenzone an der grossen Curvatur besonders zahlreich. Hier war neben den Follikeln die tiefe Schicht der Mucosa sehr reich an Lymphzellen. Ich vermag nicht zu sagen, ob dies allgemein für Dasyurus gilt, oder ob es nur bei dem von mir untersuchten Thiere in so starkem Maasse der Fall war. Perameles obesula. Ich konnte bei diesem Thier keine so genauen Resultate erhalten, wie bei Dasyurus, einmal da die Uebergangsstelle des Magens in den Darm aufgeschnitten war, dann weil sich das ganze Stück bei der Conservirung ziemlich stark gekrümmt hatte, so dass eine so genaue Richtung der Schnittführung wie bei Dasyurus nicht möglich war. Ich habe trotzdem versucht ein Bild herzustellen, in welches ich meine Befunde einzeichnete, und gebe dasselbe in Fig. >2 wieder. Die Dickenverhältnisse der Längsmuscularis (Mu$eL.), der Ringmuscularis (MuscR.) und der Muscularis mucosae sind in dieser Figur fast durchweg, namentlich auf der pylorialen Hälfte durch Schiefschnitt entstellt. Im Uebrigen sind die Bezeichnungen dieselben, wie für Dasyurus. Der Theil der Schleimhaut, welcher noch geschichtetes Schlundepithel trägt, ist punktirt, die Cardiadrüsenregion gestrichelt, die Fundusdrüsenregion in dunklem Ton gehalten, die Pylorusdrüsenregion in hellem Ton und die Darmschleimhaut vom Beginn der LIEBERKÜHN’schen Drüsen an hell belassen. Die Vertheilung der Zonen unterscheidet sich nun wesentlich von der bei Dasyurus gefundenen. Bei Perameles reicht das Schlundepithel genau bis zum Beginn des Magens. Die Cardiadrüsenzone ist an der grossen Curvatur nur sehr klein, während sie sich an der kleinen Curvatur eine ziemliche Strecke weit in den Magen hereinzieht. Die Fundusdrüsenzone, welche dann beiderseits folgt, dehnt sich an der grossen Curvatur offenbar weiter aus, als es die Grösse des Schnittes zu constatiren erlaubte. An der kleinen Curvatur hingegen reicht sie nur eine ganz kurze Strecke weit, dann schliesst sich sofort die Pylorus- drüsenzone an. Die Ausdehnung der Pylorusdrüsenzone dürfte nun aber in der Figur zu gross angegeben sein, da es sich von da ab um Schiefschnitt handelt, wie dies ja aus der Figur ohne weiteres ersichtlich ist. Der Uebergang in die Darmschleimhaut erfolgt an der Stelle, an der die BRunner’schen Drüsen auf- A 103 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 291 treten, welche in der Figur unter 5 eingezeichnet sind. Trägt man nun aber auch dem Umstande Rechnung, dass es sich hier um Schiefschnitt handelt, so muss die Länge der Pylorusdrüsenzone an der kleinen Curvatur doch mindestens gleich sein der kürzesten Entfernung (in gerader Linie) zwischen dem Aufhören der Fundus- drüsenzone und dem Anfang der BRunNER’schen Drüsen. Sie bleibt also immerhin eine sehr beträchtliche im Vergleich z. B. zu den Verhältnissen bei Dasyurus. Ich habe nun auch noch durch andere Theile des aufgeschnittenen Magens Schnitte angefertigt und gefunden, dass die Fundusdrüsenregion hier gegenüber der Pylorusdrüsenregion einen verhältnissmässig kleinen Raum einnimmt. Dabei fiel mir eine im Magengrund, wohl etwas näher der seitlichen Wand liegende Verdickung auf, über welche sich die Schleimhaut unverändert hinwegzog. Sie lag schon im Gebiet der Pylorusdrüsenzone, hart an der Grenze gegen die Fundusdrüsenzone. Das Gebilde besass eine unregelmässig geschichtete binde- gewebige Hülle, im Inneren lagen jedoch nur zerfallene Massen mit zahlreichen Rundzellen und zerfallene Kerne derselben, so dass ich nicht geneigt bin, dieses Gebilde als etwas dem Perameles-Magen unter normalen Verhältnissen Zukommendes anzusprechen. Vielleicht hat es seine Entstehungsursache in Parasiten, und ich erwähne es nur kurz der Vollständigkeit halber. Jedenfalls handelt es sich nicht etwa um ein Organ ähnlich dem, welches sich in der Magenwand von Manis javanica findet, und welches später zu besprechen sein wird. Die Drüsenschläuche der verschiedenen Drüsenzonen zeigen die für alle Säugethiere charakteristischen Eigenthümlichkeiten, wie sie bei Dasyurus unter Heranziehung von Abbildungen besprochen wurden. Zu erwähnen mag sein, dass in den Pylorusdrüsen gegen den Pylorus hin die Drüsen kleiner werden, und dass sich in ihnen fast stets auch in dickeren Schnitten nur je ein Drüsenschlauch an die verhältnissmässig tiefen Magengruben anreiht. Phalangista (Trichosurus vulpecula). Hier konnte ich die einzelnen Regionen des Magens und deren Ausdehnung ziemlich genau bestimmen, da mir ein ganzer Magen des genannten Thieres zu Gebote stand, der in Fig. 23 abgebildet ist. Ein weiterer Magen dieses Thieres, der mir zur Verfügung stand, aber nicht für histologische Zwecke conservirt war, zeigte etwa die doppelte Länge von dem in Fig. 23 abgebildeten. Ich habe meine Befunde in eine halbschematische Figur eingezeichnet, dieselbe ist entworfen nach einem Längsschnitt, der den Magen in seiner grössten Ausdehnung traf. Zunächst zeigt die Figur die Einmündung des Oesophagus. Das Epithel des Oesophagus hört noch auf (Fig. 24, punktirter Theil der Mucosa), ehe derselbe in den Magen einge- mündet hat. Mit dem Beginne des Magenepithels beginnen auch die Magendrüsen. Die ersten Magendrüsen entbehren der Beleg- und Hauptzellen, sie werden ausgekleidet mit ziemlich hohen Zellen, welche nach der hergebrachten Nomenclatur cylindrisch bis cubisch genannt werden dürften. Sie enthalten gekörntes Protoplasma. Kurz, sie müssen nach Lage und Aussehen als Cardiadrüsenzellen bezeichnet werden. Diese Drüsen sind aber hier nur sehr spärlich, so dass von einer eigentlichen Cardiadrüsenregion nicht die Rede sein kann. Dementsprechend sind die Drüsenschläuche auch in das Schema nicht eingezeichnet. Die nun folgenden Drüsen enthalten sofort Haupt- und Belegzellen, diese Region, die Fundusdrüsen- region der Autoren, erstreckt sich durch den grössten Theil des Magens und ist in Fig. 24 durch den dunklen Ton angegeben. Die Fundusdrüsen sind ausserordentlich klein. Ihre Länge beträgt etwa nur ein Drittel von der Länge der Fundusdrüsen im Magen von Dasyurus und Perameles, was jedoch nichts Auf- 292 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 104 fallendes ist, da der Magen von Phalangista sehr klein ist und ein gewisser Zusammenhang zwischen der Grösse des Magens und der der Fundusdrüsen besteht. Die Pylorusdrüsenregion, welche in Fig. 24 in hellem Ton gehalten ist, nimmt den Rest des Magens ein. Der Uebergang: der Pylorusdrüsenregion in die Darmschleimhaut ist in dem gezeichneten Schnitt nicht getroffen, doch zeigt sich das Duodenum (D) mit den BBunner’schen Drüsen (5) noch im Anschnitt. Die Pylorusdrüsen zeigen den charakteristischen Bau. Sie ermangeln der Beleg- und Hauptzellen. Die Zellen der Pylorusdrüsen sind ziemlich hohe, fast cylindrische Zellen mit gekörntem Protoplasma, die sich hier wie anderwärts durch ihre Form wie durch die Beschaffenheit ihres Protoplasmas von den Belegzellen ebenso wie von den Hauptzellen wesentlich unterscheiden. Die Ausdehnung der Pylorusdrüsenregion ist nun durch die äusseren Formverhältnisse des Magens nur sehr wenig angedeutet, d. h. es entspricht die Pylorusdrüsen- region nicht ganz dem kleineren, durch die winklige Knickung an der kleinen Curvatur abgesetzten Magen- abschnitt.: Ein Blick auf Fig. 24 zeigt vielmehr: dass an der kleinen Curvatur der Beginn der Pylorusdrüsen- region schon diesseits der vorspringenden Falte stattfindet, während an der grossen Curvatur nicht an der gegenüberliegenden Stelle, sondern erst viel später der Wechsel erfolgt. Dies mag sich übrigens mit den verschiedenen Füllungszuständen des Magens ändern. Die Muscularis mucosae bestand durchgehend aus zwei deutlichen Schichten, einer inneren Ring- und einer äusseren Längsschicht. Die Muscularis mucosae folgt überall genau dem Verlauf der faltenbildenden Mucosa, sich an das untere Ende der Drüsen anschmiegend und Muskelfaserbündel zwischen dieselben zur Oberfläche der Schleimhaut sendend. Die Submucosa, welche in der Fig. 24 hell belassen ist, füllt die Räume zwischen den stark vor- springenden Falten der Mucosa aus. .Auch diese Verhältnisse werden sich, wie zweifellos ist, mit dem Füllungszustande des Magens ändern. Im Blindsack des Magens ist die Fältelung der Mucosa eine besonders starke. Diese Beobachtung, die sich auch bei anderen Thieren “machen lässt, steht im Einklang damit, dass dieser Theil des Magens bei der Füllung eine besondere Dehnung erleidet, wie dies z. B. aus einer Abbildung Marr’s!#) vom Hundemagen (s. seine Textfigur IV) deutlich ersichtlich ist. Phascolarctos cinereus. Ein Magen dieses Thieres, der nicht für histologische Zwecke conservirt war, liess trotzdem Manches erkennen, was von Interesse sein dürfte. Auch hier findet sich, ähnlich wie bei Phalangista, eine starke winklige Knickung der kleinen Curvatur, so dass eine Magenform entsteht, wie sie in Fig. 25 gezeichnet ist. An der kleinen Curvatur liegt die sogenannte „Drüsenplatte“, ähnlich wie sie sich beim Biber und dem Wombat findet. Die Drüsenplatte von Phascolarctos wird schon von FORBES!?) (1881) genauer beschrieben. Er zählte ungefähr 30 Drüsenöffnungen, einzelne derselben zeigen mehrere kleine Oeffnungen, welche in eine grössere münden. Bei dem von mir untersuchten Exemplare zählte ich nur etwa 16 Drüsenöffnungen, doch mögen mir kleinere entgangen sein, da die Schleimhaut an der Oberfläche zerfallen war. Entsprechend diesen Oeffnungen zeigte die Magenwand an der kleinen Curvatur eine ziemliche Verdickung, und beim Einschneiden gewahrte ich, dass die Drüsengänge sich vielfach theilten. Ich erhielt schon bei der makro- skopischen Betrachtung den Eindruck, als ob es sich hier nicht um einfache Drüsenschläuche handle, sondern 16) MAL, F., Vessels and walls of the Dog’s stomach. December 1889. The Johns Hopkins Hospital Reports, Vol. I. 17) FORBES, W. A., On some points in the anatomy ot the}Koala (Phascolarctos cinereus). Proceedings of the Zoological Society of London, p. 180 -195, 1881. 105 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 293 als ob vielmehr die gesammte Mucosa mit Drüsen diese Räume auskleiden würde. Die mikroskopische Unter- suchung bestätigte diese Ansicht. Ich gebe in Fig. 26 ein Uebersichtsbild (Längsschnitt) durch die ganze Drüse des von mir untersuchten Thieres. Die drüsentragende Schleimhaut, welche die Hohlräume auskleidet, ist in der Zeichnung schematisch in dunklem Ton gehalten. Ich konnte trotzdem, dass das Präparat nicht für mikroskopische Zwecke conservirt war, doch die einzelnen Drüsenschläuche erkennen. Das Oberflächen- epithel war nicht erhalten, doch liess der Drüsenhals grössere Zellen erkennen, während im Drüsengrunde kleinere Zellen vorhanden waren. Es war das typische Bild, welches die Fundusdrüsen mit Beleg- und Hauptzellen bei anderen Säugern in schlecht conservirtem Zustande zeigen. Es wird demnach die grosse, an der kleinen Curvatur gelegene Magendrüse von Phascolarctos cinereus von einer Fundusdrüsen (mit Haupt- und Belegzellen) besitzenden Schleimhaut aus- gekleidet. Auch die gesammte übrige Magenschleimhaut dieses Thieres besitzt Drüsen, welche einen ähnlichen Bau zeigen, wie bei anderen Säugern. Speciell die Schleimhaut über der grossen Magendrüse besitzt Drüsen mit Haupt- und Belegzellen. Die Drüsenschläuche waren hier, ebenso an anderen untersuchten Stellen, z. B. im Magenfundus an der grossen Curvatur, kürzer, als die der grossen Magendrüse. Doch könnte dies auch dem Umstande zuzuschreiben sein, dass die Maceration in dem prall mit Nahrung angefüllten Magen eine vorgeschrittenere war, als in der mehr geschützt liegenden Drüse. Eine Pylorusdrüsenregion scheint vorhanden zu sein, doch vermochte ich eine scharfe Grenze zwischen den Regionen in Folge des Erhaltungszustandes des Präparats nicht aufzustellen. Die Muscularis mucosae geht, immer der Basis der Drüsenschläuche eng anliegend, auch in die Bildung der grossen Magendrüse mit ein. 6. Manis javanica. Der Magen von Manis javanica hat eine ausgezeichnete Bearbeitung gefunden durch WEBER. Seine Arbeit habe ich auf Seite 282 bei Besprechung: der Literatur referirt. Herr Professor WEBER hatte die Güte, von dem von ihm untersuchten Manis-Magen die eine Hälfte Herrn Hofrath WIEDERSHEIM in Freiburg i. B. zu übersenden, und dieser hat diese Magenhälfte in liebenswürdiger Weise mir zur Verfügung gestellt, wofür ich ihm meinen besten Dank ausspreche. Da das Präparat noch weiteren Untersuchungen dienen soll, entnahm ich demselben nur einige kleine Stückchen von Stellen, welche nach den WEBER’schen Angaben besonders Interessantes erwarten lassen mussten. Die daran gemachten Studien konnte ich nun an dem Material, welches ich Herrn Professor SEMON verdanke, noch weiter vertiefen. Als wesentlichstes Resultat ergab sich eine vollständige Bestätigung der WEBER’schen Befunde. Sämmtliche Stellen des Magens, welche ich untersucht habe, tragen geschichtetes Pflasterepithel vom Oesophaguseintritt bis zum Pylorus. Auch was die Muskelschichten anlangt, vor allem die ausserordentliche Entwickelung derselben in der Pylorushälfte des Magens, kann ich WEBER und den früheren Beobachtern beipflichten und bin WEBER’s Ansicht, dass die mit Hornzähnen bewaffnete Platte an der dorsalen Pyloruswand, welche in eine entsprechende Höhlung an der ventralen Pyloruswand passt, ein Triturationsorgan sein mag. Ebenso fand ich die grosse Magen- drüse, wie sie WEBER schildert, gebaut und fand an den drei von ihm angegebenen Stellen die anderen zusammengesetzten Magendrüsen, welche keine Haupt- und Belegzellen enthalten. Vielfach fand ich dieselben noch viel stärker verzweigt und verästelt, als sie WEBER zeichnet. Ich fand diese Drüsen die &anze Oeffnung der grossen Magendrüse umgreifen, so dass sie auch an der oberen Wand derselben im Jenaische Denkschriften. V. 14 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 39 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 106 294 Schnitt erscheinen, wie ich dies in dem Schema Fig. 27 zur Ansicht gebracht habe. In der grossen Magen- drüse fand ich die spaltförmige Höhlung, welche schliesslich als letzter Ausführgang an einer von Hornzähnen umsäumten Stelle mündet. Die einzelnen die grosse Magendrüse aufbauenden Drüsenschläuche möchte ich etwas genauer betrachten. Wie schon WEBER hervorhebt, bestehen die Drüsenschläuche aus Haupt- und Belegzellen Die Drüsen münden in Einsenkungen des cylindrischen Magenepithels, welches ja den ganzen Hohlraum der grossen Magendrüse auskleidet. Diese Einsenkungen oder Magengruben sind anfänglich von cylindrischem Epithel ausgekleidet, dann wird dasselbe niedriger, und es treten dazwischen Belegzellen auf. Es ist dieser Theil der Drüse sehr lang, wie überhaupt die Drüsen der grossen Magendrüse von Manis javanica zu den längsten zu rechnen sind, welche mir bei den Säugern bekannt geworden sind. Zur Grösse des Thieres sind sie ausserordentlich lang. Die Länge der Belegzelldrüsen beträgt bei Manis javanica im Mittel etwa 1,3 mm. Für Dasyurus und Perameles berechnete ich etwa 0,6 mm und für Phalangista nur etwa 0,2 mm. Manis javanica übertrifft also diese alle bedeutend, auch andere Thiere, bei welchen ich Messungen angestellt habe. Nur bei sehr grossen Thieren fand ich auch solche Maase, z. B. beim Pferd 2,0 mm. Im mittleren Theil der Drüse überwiegen die Belegzellen an Zahl über die Hauptzellen, während sie gegen den Drüsengrund wieder abnehmen. Das die anderen Drüsen (welche keine Haupt- und Belegzellen enthalten) zusammensetzende histologische Element, sind grosse hohe Zellen. Dieselben sind erfüllt von feinkörniger Masse und zeigen stets eine deutliche Begrenzung an der Oberfläche. Die Muscularis mucosae, welche überall im Magen deutlich zu erkennen war, jedoch meist nur aus einer Schicht bestehend, zeigt ein besonderes Verhalten in der Gegend der grossen Magendrüse. Sie bildet nämlich eine dichte, durch zahlreiche Bindegewebsfasern verstärkte Hülle um die grosse Magendrüse und ist in Fig. 27 als dunkler Strich (M M) eingezeichnet. Da nun ausserdem unter dem die grosse Magendrüse auf der Seite gegen den Magen überdeckenden Epithel eine Muscularis mucosae verläuft, so würde man, von aussen nach innen durch die grosse Magendrüse bis zur Magenhöhle eindringend, 3mal die Muscularis mucosae zu durchschneiden haben. Es muss sich also bei der Bildung der grossen Magendrüse die Muscularis mucosae miteinstülpen, wie dies aus dem Schema Fig. 27 ersichtlich ist. Das Epithel verläuft nicht glatt über den darunter liegenden Theil der Mucosa hinweg, sondern bildet auch, abgesehen von den grossen Zähnen, überall kleinere Erhebungen und Falten, wie dies auch WEBER abbildet. Ausserdem fand ich an vielen Stellen, ich möchte sagen fast überall, dass unten vom Epithel, d. h. von den Basalzellen desselben, kleine aus Zellen gebildete Fortsätze in die Tiefe drangen. Zumal auf Flachschnitten (d. h. parallel zur Magenoberfläche) jbekam ich dieselben sehr deutlich zu sehen. Sie waren meist nur aus wenigen Zellen gebildet und enthielten kein Lumen. Ich habe diese Eigenthüm- lichkeit in anderen Magen, welche geschichtetes Epithel tragen, nicht beobachtet und bringe sie daher hier zur Kenntniss, ohne eine Deutung für dieselben geben zu können. Im Uebrigen zeigt das geschichtete Epithel in allen Theilen des Manis-Magens gleichartigen Bau. Auch in der vorspringenden, mit „Hornzähnen“ versehenen Platte im Pylorustheil des Magens besteht nur geringe Verdickung des Epithels gegenüber anderen Stellen des Magens. Dagegen erscheint das Bindegewebe der Mucosa und Submucosa hier compacter. Es stellt also dieses Organ eine eigenartige Bildung dar und ist in keiner Weise zu vergleichen mit makroskopisch vielleicht ähnlichen Bildungen im Muskelmagen der Vögel. Während die bezahnten Platten von Manis nur einem verstärkten Wachsthum der Mucosa und Sub- mucosa unter Betheiligung der Muscularis ihre Entstehung verdanken, gehen die sog. Hornplatten im Vogel- 107 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 295 muskelmagen aus dem Secret der dort befindlichen Drüsen hervor, wie dies von MoLım ! °) (1850) und 1?) (1852), LEyoic °°) (1854), Hasse ?!) (1866), CURSCHManN 2°) (1866), WIEDERSHEIM 25) (1872), Cazınj?!) (1888) u. A. erkannt wurde. Endlich verdient eine eingehendere Betrachtung die Uebergangsstelle vom Magen in den Darm. \VEBER zeichnet hier auf der ventralen Seite entsprechend der dem Triturationsorgan gegenüberliegenden Höhlung seine dritte Drüsengruppe. Weiter dem Darme zu hat er dann die Verhältnisse in seine Zeichnung nicht mehr eingetragen. Ich fand, dass von da ab weiter auf eine ganz kurze drüsenlose Stelle wieder zahlreiche Drüsen auftreten von derselben Beschaffenheit, wie an den von WEBER beschriebenen 3 Stellen. Die Oberfläche ist auch hier noch von geschichtetem Epithel bekleidet. Dann kommt plötzlicher Ueber- gang des geschichteten Epithels in das Darmepithel (einfaches Cylinderepithel). Zugleich erhebt sich die Schleimhaut in Zotten; mein Präparat ist aber nicht so gut erhalten, dass ich die Form derselben genauer beschreiben könnte. Doch gebe ich eine Abbildung (Fig. 28), welche wenigstens die Drüsenverhältnisse annähernd richtig zeigen kann. Die Drüsen setzen sich nämlich weiterhin fort, und zwar könnte es auf den ersten Blick erscheinen, als ob sie sich nicht weiter verändern würden. Genauere Untersuchung lehrte mich jedoch an diesen Drüsen einige Eigenthümlichkeiten zu erkennen, welche mich, wie ich glaube, berechtigen, sie für etwas Neues zu halten, nämlich für die BRunner’schen Drüsen. Die BrunnERr’schen Drüsen unter- scheiden sich von den letzten zusammengesetzten Drüsen des Pylorus einmal dadurch, dass sie etwas länger gestreckt erscheinen und mehr in die Tiefe reichen, als die genannten Magendrüsen. Ferner zeigen sich Unterschiede in der Verzweigung der Drüsen. Während die zusammengesetzten Magendrüsen sich unter sehr spitzen Winkeln verzweigen, sind die Winkel, welche die Brunner’schen Drüsen bilden, weniger spitz. Sie besitzen längere weitere Ausführgänge, wie dies die BRUNNER’schen Drüsen auch sonst bei Säugern zeigen. Kleine Unterschiede glaubte ich auch in dem Aussehen der einzelnen Drüsenzellen zu erkennen, doch war der Erhaltungszustand meiner Präparate nicht so, dass ich dies hier ins Feld führen möchte. Endlich scheint ausschlaggebend das Verhalten der Muscularis mucosae. Im Magen liegen die zusammen- gesetzten Drüsen stets über der Muscularis mucosae. Es muss jedoch hervorgehoben werden, dass von der Muscularis mucosae ausgehende Faserzüge an der Bildung einer eigenen Drüsenhülle, welche zum Theil auch aus Bindegewebe besteht, theilnehmen. Oft geht die Muscularis mucosae fast ganz auf in der Bildung dieser Drüsenhülle. In der Gegend der Brunner’schen Drüsen hingegen ist das Bild ein ganz anderes, wie dies in Fig. 28 angedeutet ist. Hier durchbrechen die Drüsenschläuche die Muscularis mucosae und besitzen unten an ihren blinden Enden keine Spur einer musculösen Hülle mehr, sondern werden nur durch Bindegewebe in einzelne Läppchen getheilt. Wenn es auch so möglich ist, zwischen den beiden Drüsen- gruppen zu trennen, so bleibt doch der Zusammenhang der beiden Drüsenarten an der Uebergangsstelle des Epithels bemerkenswerth. 18) Morın, Sugli stomachi degli uccelli. Denkschriften der Wiener Akademie, Math.-naturw. Kl., Bd. IIl, Abth. 2, 24 pp. 4 Taf. Vienna IS5o. 19) MoLın, R., Sugli stomachi degli uccelli. Relazione academica di socio ordinario CosTA in Rendiconti della Reale Accademia delle science di Napoli, Anno I, 1852, p. 36—39. 20) LEyDiG, F., Kleinere Mittheilungen zur thierischen Gewebelehre. J. MÜLLER’s Archiv für Anatomie, p. 296—348. Mit Taf. XII und XIII, Jahrg. 1854. 21) HAsseE, C., Beiträge zur Histologie des Vogelmagens. Zeitschr. f. rationelle Medicin, Bd. XXVIII, Heft ı, p. 1, Taf. I—II, 1866. 22) CURSCHMANN, H., Zur Histologie des Muskelmagens der Vögel. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool., Bd. XVI, Heft 2, p- 224, Taf. XII, 1866. 23) WIEDERSHEIM, R., Die feineren Structurverhältnisse im Muskelmagen der Vögel. Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. VIII, p. 435—452, ı Taf., 1872. 24) CAZın, M., Recherches anatomiques, histologiques et embryologiques sur l’appareil gastrigue des oiseaux. Annales des sciences natur. Zoologie, 7. Serie Bd. IV, p, 177—323, mit Tafel, 1888. 14* 39* 296 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 108 7. Zusammenfassung der Resultate. Der Magen der Monotremen wird in seiner ganzen Ausdehnung ausgekleidet von geschichtetem Epithel, wie es sich im Oesophagus findet. Dasselbe reicht im Darm noch eine Strecke nach abwärts im Gebiet der BRUNNER’schen Drüsen, welche bei Zehidna zahlreicher als bei Ornithorhynchus durch das geschichtete Epithel zur Oberfläche treten. Der verdickte Theil am Ende des Magens, welcher von den meisten Autoren bisher als Musculatur aufgefasst und als Pylorus bezeichnet wurde, stellt das, eine grosse Drüsenmasse auf kurzer Strecke begreifende Duodenum der Monotremen dar. Der Magen des Beutelfötus von Echidna zeigt von der Einmündungsstelle des Oesophagus an durch- weg einfaches cylindrisches Epithel, ermangelt jedoch gleichfalls schon der Magendrüsen. Im Magen der von mir untersuchten Beutelthiere finden sich die bei Säugern im Magen gewöhnlich beobachteten Regionen (Cardiadrüsenregion, Belegzelldrüsenregion und Pylorusdrüsenregion). Eine Schlund- epithelregion des Magens fehlt denselben ganz. Die grosse Magendrüse von Phascolarctos cinereus wird von einer Schleimhaut ausgekleidet, welche Magendrüsen mit Haupt- und Belegzellen trägt. Auch sonst wird der Magen dieses Thieres von einer Drüsen besitzenden Schleimhaut ausgekleidet. Bei Manis javanica konnte ich die von WEBER gemachten Beobachtungen bestätigen, die auffallende Länge der Belegzelldrüsen in der grossen Magendrüse constatiren und finden, dass hier das den Magen auskleidende geschichtete Epithel sich bis zum Beginn des Duodenums fortsetzt, an dessen Anfang die letzten der zusammengesetzten Magendrüsen mit den BRuNNERr’schen Drüsen in unmittelbaren Contact treten. 8. Vergleichende Bemerkungen und Schlussfolgerungen. Der Umstand, dass der ganze Magen der Monotremen von geschichtetem Epithel ausgekleidet ist, muss die Hoffnung, hier etwas über die erste Entstehung der Haupt- und Belegzellen zu erfahren, zu nichte machen. Es lassen so die Monotremen weder einen Vergleich mit den niederen noch mit den höheren Vertebraten zu. Im Fehlen aller Magendrüsen stimmen die Monotremen mit einigen Fischen überein, welche gleichfalls der Magendrüsen entbehren (Petromyzonten und einige Teleostier, z. B. die Cyprinoiden). Aber auch dieser Vergleich ist unhaltbar, denn während den letztgenannten ein Magen vollständig fehlt, wie VALATOUR ??) zuerst für die Cyprinoiden (1861) eingehend begründet hat, kommt Ornithorhynchus und Echidna wohl ein solches Organ zu; dasselbe ist aber so verändert, dass es nicht mehr dieselbe functionelle Bedeutung haben kann, wie bei anderen Vertebraten. Der Magen von Ornithorhynchus und Echidna verdient, wenn man dieses Organ mit dem, welches wir bei höheren Vertebraten „Magen“ nennen, vergleichen will, den Namen Magen nicht vollständig, da er keine Verdauungsdrüsen besitzt. Dies gilt demnach histologisch wie physiologisch. 25) VALATOUR, M., Recherches sur les glandes gastriques et les tuniques musculaires du tube digestif dans les Poissons osseux et les Batraciens (avec 2 pl.), in: Annales des sciences nat., 4. Ser., Zool., T. XVI, p. 219-285, 1861. 109 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 297 Eine interessante Frage ist, ob bei den Monotremen ein anderer Theil des Darmtractus die Functionen des Magens übernommen hat oder nicht. Es wäre hier ein interessantes Feld für die physiologische Forschung. Den Magen der Monotremen, speciell den von Ornithorhynchus, mit dem von manchen Knochenfischen zu vergleichen, weil die äussere Form eine gleiche ist, wie dies CUVIER (s. Cap. Literatur) will, dürfte heute, nachdem das Mikroskop in sein Recht getreten ist, ernsthafter Forschung ferne liegen. Näher läge ein Vergleich des Monotremenmagens mit dem Magen von Manis javanica, der gleichfalls durchweg geschichtetes Epithel besitzt. Die wenigen mikroskopischen Angaben, die bisher über den Edentatenmagen vorliegen, lassen es leider noch nicht thunlich erscheinen, diese Befunde auf eine breitere Basis zu stellen. Jedenfalls scheinen die beschriebenen Verhältnisse, wie ich unten ausführen werde, keine ursprünglichen zu sein, sondern sich erst bei den genannten Thieren gebildet und ihnen so ihre eigenthümliche Ernährungsweise ermöglicht zu haben. Ich möchte hier an die Worte von STAnnIvs (s. Note 3 S.280) (1846) erinnern. Er sagte, über den Magen der Säuger: „Die beiden Extreme seiner Bildung sind sein Erscheinen als einfache längliche Erweiterung mit sehr schwacher Andeutung eines Blindsackes und sein Zerfallen in vier, durch Einschnürungen und Texturverhältnisse gesonderte Abtheilungen bei den meisten eigentlichen Wiederkäuern. Einen einfachen Magen besitzen die Monotremen, die meisten Beutelthiere, einige Nager, die meisten Edentaten, einige Pachydermen, die Einhufer, die Insectivoren, die eigentlichen Ferae, mit Einschluss der Phoken, viele Chiropteren und die meisten Quadrumanen.“ Heute müssen wir diesen Worten, welche die Anschauungen der damaligen Zeit (Einige sind auch heute noch dabei stehen geblieben) trefflich spiegeln, die Mahnung gegenüberstellen: Es genügt nicht, die Organe nach ihrer äusseren Form zu vergleichen; Vieles, was das blosse Auge für gleich hält, lehrt das Mikroskop zu unterscheiden. So konnte Stannıus den Magen der Monotremen zusammenstellen mit dem der Carnivoren, während dieser Beiden Magen vielleicht die grösste Verschiedenheit im Bau und damit auch in der Function in der ganzen Säugerreihe zeigen. Von grosser Bedeutung scheint das Verhalten des Magens bei Ornithorhynchus und Echidna für die Frage nach der Entstehung der schlundepitheltragenden Magenabtheilungen anderer Vertebraten. Die Fragestellung war bisher so: Sind schlundepitheltragende Magenabtheilungen bei Säugern (z. B. die drei ersten Wiederkäuermagen, die erste Magenabtheilung bei manchen Cetaceen, die linke Magenhälfte beim Pferd etc.) umgewandelte Theile des Magens oder neu hinzugekommene Theile, etwa durch Einbeziehung eines Abschnittes des Oesophagus. Ich argumentire nun folgendermaassen: Der ganze Monotremenmagen ist von geschichtetem Epithel ausgekleidet, sogar noch der Anfangstheil des Darmes im Bereich der BRUNNER’schen Drüsen. Dies ist (soweit bekannt) bei Vertebraten im Allgemeinen nicht der Fall. Da nun niedere und höhere Vertebraten gleiches Verhalten zeigen, so ist das besondere Verhalten bei Monotremen als abgeändert aufzufassen. Dass nun hier nicht etwa der ganze Magen rückgebildet ist und das, was jetzt als Magen imponirt, dann ein Stück einbezogenen Oesophagus darstellen würde, geht daraus hervor, dass auch der Abschnitt, der BRUnnEr’sche Drüsen trägt, von geschichtetem Epithel überkleidet ist. Es scheint damit die Möglichkeit bewiesen, dass das Cylinderepithel des Magens sich direct in das geschichtete Epithel umwandeln kann. Endlich spricht dafür auch noch die Entwickelungsgeschichte. Das Beuteljunge von Echidna zeigt Cylinderepithel im Magen, zu einer Zeit, zu der sein Oesophagus schon geschichtetes Epithel zeigt, und erst danach wandelt sich dieses Cylinderepithel in geschichtetes Epithel um. Es besteht also die Möglichkeit, dass sich Theile des Magens in solche mit geschichtetem Epithel umwandeln können, womit ich nicht sage, dass dies immer der Fall sein müsse, wenn sich geschichtetes Epithel in einem Wirbelthiermagen findet. Vielmehr sind auch andere Entstehungsweisen denkbar. 298 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanıca. IIo Das Fehlen der Magendrüsen auch beim Beutelfötus von Echidna, dessen Magen in der Epithel- formation nicht der erwachsenen Hchidna, sondern anderen Säugern entspricht, lässt folgende verschiedene Deutungen zu. Echidna zeigt ein ursprüngliches Verhalten oder ist secundär abgeändert. Wäre Ersteres der Fall, so wäre dies höchst merkwürdig, da dann von einem Anschluss an den drüsenbesitzenden Magen niederer Wirbeithiere nicht die Rede sein könnte, Ist aber Echidna secundär abgeändert, so ist es auch merkwürdig, dass in einem Fötalstadium, in welchem das Thier noch Cylinderepithel im Magen besitzt, keine Spur von Drüsenanlagen vorhanden ist. Wenn auch, wie ich ?°) 1891 und KEIBEL*?) 1895 nachgewiesen haben, das biogenetische Gesetz für Wirbelthiere nicht besteht, so wäre doch eine 'etwas vollständigere Vererbung von Organen, welche für die Verdauung so wesentlich sind, wie es die Magendrüsen sind, zu erwarten. Vielleicht kann man in früheren Entwickelungsstadien Spuren solcher Drüsenanlagen auffinden? Das Verhalten der Brunner’schen Drüsen bei den Monotremen lässt auch weitere Schlüsse zu. Bekanntlich zeigen die Brunner’schen Drüsen der Säuger eine sehr wechselnde Ausdehnung, bei den einen über einen grossen Darmabschnitt, bei anderen auf wenige nur beschränkt. Letzteres Verhalten zeigen auch die Monotremen. Das lässt daran denken, dass dieses Verhalten das ursprünglichere ist, und dass die Ent- stehung der BrRunner’schen Drüsen bei den Säugern nur an einer- kleinen Stelle am Anfang des Darmes erfolgt, welche erst bei weiterer Differenzirung des Darmes an Ausdehnung gewinnt. Ich will diesen Gedanken nicht weiter ausspinnen, da ich mir die Betrachtung des Duodenums diesmal noch nicht als Thema gestellt habe. Was nun den Magen der von mir untersuchten Beutelthiere betrifft, so scheinen mir dieselben ursprünglichere Verhältnisse darzubieten, vor allem als der Magen der Monotremen, dann aber auch als die in der Literatur erwähnten verschiedenen Känguruhs. Für ursprünglicher halte ich diese Verhältnisse, weil sie einmal denen näher stehen, welche sich in der ganzen Säugerreihe häufig, und zugleich aber auch denen, welche sich bei niederen Vertebraten finden. Vor allem ist es das Fehlen der Schlundepithelabtheilung, was ich für ursprünglich halte, während bei den verschiedenen Känguruhs derartige Schlundepithelzonen beschrieben sind. Von Interesse ist es ferner, dass bei Dasyurus und Perameles eine Cardiadrüsenzone zwar vorhanden, aber von nur geringer Ausdehnung ist. Wollte man die oben nach den Literaturangaben beschriebenen Verhältnisse bei den Känguruhs als das Ursprüngliche auffassen, so würde man an eine Entstehung der Belegzelldrüsen an einer kleinen Stelle des Magens denken können, sie würden sich nach dieser Theorie von da aus weiter ausbreiten, und die grosse Cardiadrüsenzone dieser Thiere würde gewissermaassen noch näher den der Belegzellendrüsen entbehrenden Magendrüsen der niederen Vertebraten stehen. Nachdem sich nun aber bei den von mir untersuchten Marsupialiern die Cardiadrüsenzone als viel kleiner herausgestellt hat, scheint mir eine derartige Auffassung kaum mehr haltbar. Eher könnte dies zu einer Nachprüfung herausfordern, ob die Cardiadrüsenzone der Känguruhs in der That so ausgedehnt ist, und wenn sie es ist, zu überlegen, ob sich nicht eine andere Deutung dafür finden lässt. Der Magen von Phalangista (Trichosurus vulpecula) zeigt grosse Aehnlichkeit mit dem Magen mancher Nager, z. B. mit dem des Eichhörnchens. Neben dem Umstande, dass die äusseren Formen bis zu einem gewissen Grade übereinstimmen, ist es die Vertheilung der Regionen, welche beide ausserordentlich ähnlich erscheinen lässt. Selbstverständlich braucht deshalb das genannte Thier den Nagern in keiner Weise näher zu stehen, da ja in der Ordnung der Nager die allerverschiedensten Magen vorkommen. Vielleicht aber 26) OPPEL, A., Vergleichung des Entwickelungsgrades der Organe zu verschiedenen Entwickelungszeiten bei Wirbelthieren, Jena, G. Fischer, 1891, und Selbstreferat in SCHWALBE’S Jahresberichte, Bd. XX, 1892, p. 683—686. . 27) Keıeer, F., Studien zur Entwickelungsgeschichte des Schweines (Sus scrofa domesticus), II. SCHWALBE’S Morphol, Arbeiten, Bd. V, Heft ı, p. 17-168, mit Taf. II—VIH, 1895. III Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 299 kann es eine gewisse Uebereinstimmung in der Lebensweise der &enannten Thiere verständlich machen, wenn ich auf die Aehnlichkeit ihres Magens hinweise. Die eigenthümlichen Verhältnisse im Magen von Manis javanica lassen klar erkennen, dass es sich hier um secundäre Abänderungen handelt. Vor allem spricht dafür der Umstand, dass sich die Haupt- und Belegzelldrüsen der Säuger hier auch finden, jedoch nicht an der Oberfläche der Höhle des Magens, sondern in einer eigenen Seitentasche. Es dürfte dies beweisend dafür sein, dass diesen Thieren ursprünglich ein Magen zukam, dessen fundamentaler Bau mit dem anderer Säuger übereinstimmend war. Aehnliche Veränderungen, wie im Magen der Monotremen, haben auch hier Platz gegriffen, doch kam es nicht zum vollständigen Schwund der Magendrüsen, wie dort, sondern nur zu einer Verdrängung derselben aus der Magenhöhle. Ein Vortheil dieser Veränderung für diese Thiere mag; darin liegen, dass die Drüsen so einen besseren Schutz vor der die weiche Schleimhaut lädirenden Nahrung erhielten. Dieser Gedanke liesse sich weiter ausspinnen und eine Theorie für die Drüsenentstehung überhaupt daran anknüpfen. Man käme dann zu dem Resultat, dass das Abrücken der Drüsenzellen von der Oberfläche nicht nur eine Vergrösserung der secernirenden Fläche zur Folge hätte, sondern zugleich eine ausgezeichnete Einrichtung wäre, welche den Zellen Schutz gewähren würde, so dass sie unbeeinflusst von den an der Oberfläche sich abspielenden Vorgängen blieben. Zugleich erhalten dann die an der Oberfläche liegenden Zellen, indem sie von der Aufgabe der Secretion entlastet werden, die Möglichkeit, andere Functionen zu übernehmen, seien es wieder secretorische anderer Art, dass sie also etwa anstatt eines Magensaftes weiterhin Schleim secerniren können, oder der Resorption zu dienen, oder endlich, wie in unserem Falle, zu Schutzorganen zu werden, indem sie den Charakter des einschichtigen Epithels aufgeben und zum geschichteten werden. Eine eigene Stellung nimmt endlich der stark musculös gewordene Pylorusmagen von Manis ein. Anfänglich, als ich nur die Literatur kannte, dachte ich daran, dass schon bei den Monotremen diese Ver- hältnisse angebahnt wären. Als sich mir aber durch eigene Anschauung erwies, dass das, was dort als verdickte Pylorusmusculatur beschrieben wurde, bei Echidna grösstentheils und bei Ornithorhynchus vollständig: aus den nicht erkannten BRUNNER’schen Drüsen bestand, fiel diese Anschauung. Da auch bei Marsupialiern nichts derartiges vorhanden ist, so lassen sich diese stark entwickelten Muskelverhältnisse von Manis nicht auf niedere Säuger zurückführen. Ob vielleicht eine Anknüpfung an Reptilien und Vögel möglich ist (ich erinnere speciell an die Verhältnisse beim Krokodil), scheint noch nicht entschieden. Ebenso wahrscheinlich erscheint mindestens, dass bei allen den genannten dreien, Krokodilen, Vögeln und Edentaten, sich die starke Pylorusmusculatur ganz unabhängig von einander gebildet haben. Für letzteres spricht besonders der Umstand, dass auch der Bau der Schleimhaut dieser Gegend bei den dreien ein durchaus verschiedener ist, wie ich für Manis und die Vögel auf S. 294—295 dargethan habe. Endlich ist noch ein Vergleich des Magens von Manis und von Phascolarctos cinereus interessant. Beide besitzen eine sog. grosse Magendrüse. Bei Manis liest dieselbe an der grossen Curvatur, bei Phascolarctos einereus hingegen an der kleinen Curvatur. Uebereinstimmung besteht darin, dass bei beiden die Drüsen von Magenschleimhaut ausgekleidete Hohlräume darstellen, in welchen die Magendrüsen eine hochgradige Entwickelung erreichen. Unterschiede zeigen sich wieder darin, dass bei Manis die grosse Magendrüse sich gegen die Magenoberfläche an einer von Hornzähnen umgebenen Stelle öffnet, während bei Phascolarctos die Drüse mit zahlreichen Oeffnungen mündet. Endlich ist bei Phascolaretos der Magen von einer drüsenbesitzenden Schleimhaut wie bei anderen Säugern ausgekleidet, während der Manis-Magen geschichtetes Epithel trägt und nur an bestimmten Stellen Drüsen zeigt, welche sich von denen anderer Säuger wesentlich unterscheiden. So kann man sagen, dass die beiden Magen von Phascolarctos und Manis, trotzdem beide eine von Magendrüsen ausgekleidete „grosse 300 Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 112 Magendrüse“ besitzen, doch grosse Unterschiede erkennen lassen, selbst auch in dem Baue der grossen Magendrüse. Im Ganzen habe ich bei den untersuchten Thieren, wenn ich dieselben mit anderen mir bekannten Säugethieren vergleiche, den Eindruck erhalten, als würde Verschiedenheit und Gleichheit der Magen nicht ausschliesslich davon abhängen, ob ihre Namen im Stammbaume sich nahe oder ferne stehen. Eher könnte man versucht sein, aus dem Baue des Magens eines Thieres einen Schluss auf seine Ernährungsweise zu ziehen. Der Grundtypus des Säugermagens mag wohl in dem Vorhandensein einer mit Haupt- und Beleg- zellen versehenen Fundusdrüsenzone und einer eine eigene Zellart besitzenden Pylorusdrüsenregion gegeben sein; wie weit jedoch die Abweichungen von diesem Schema gehen können, lehren uns aufs Neue die Befunde bei den von mir in dieser Arbeit untersuchten Säugethieren. Frommannsche Buchdruckerei (Hermanı Pohle) in Jena. — 1497 zus, N ena ıl Paltontlogie an der Uni $ Abbildungen im Text. a = issenschaft. The Walther, er Weismann, ne Ueber @erminal-Seleetion. Eine Preis: 2 Mark. Zoologische Jahrbücher, u ie bis achter Band 1388/94. Preis: \ Ausführl i und Inhaltsverzeichı durch die Verapshuchtendiung zu EN Vi Neunter Band. Erstes Heft. Mit ı6 Tafe re, os Preis: 24 Mark. Inhalt: Will, Ludwig, . der am late, Ludwig Ernst Untersuchungen über den fe = H., Bemerkungen ü Phylogenie und die Entstehung der .— en Orte, Die Tänien der Neunter Band. Zweites Heft. Mit ı3 Tafeln 1% "ext. Yes Preis: ı7 Mark. Inhalt: Cohn, Ludw,, ne su Porca avi. Wilder, Harris H, The Amphibian laryux. — Beard, t ee Un Ich- thyopsida. Part I. Raja batis. Abtheilung für Systematik, 6 1886/94. Preis: 355 Mark. Ausfihrtehe zu beziehen. Bi er Aa, en 2, beiterinnen. == Brandt, a. = en Thieren. 1. ersuchu bildenden Radiolarien. — de Man, lichen Küsten von Malakka, Borneo ı Zweiter Theil. ‘ Tata EN Garbowski, Tad., Plıyletische De gesammelt von den Herren Dr. Plate über die Säugethierfauna der Kau Meeres, gesammelt vom Marinests DENKSCHRIE TER DER MEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, III. LIEFERUNG. MIT 11 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 6 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1896. Frommannsche Buchdruckerei (Uermanı Pohle) in Jena. — 1497 MAY 14 1903 Des ganzen Werkes Lieferung 7. E Z00LOGISCHE _FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. MIT UNTERSTÜTZUNG DES HERRN DR, PAUL VON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891-1893 VON D#. RICHARD SEMON PROFESSOR IN JENA. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, IV. LIEFERUNG: Hermann Braus, Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. MIT 6 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 11 ABBILDUNGEN IM TEXT. TEXT. "JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1896. Verlag von Gustav Fischer in Jena. S Dr. Richard, Professor an der Universität Jena, Studien über den Bauplan des Urogenital- emon, systems der Wirbeltiere. Dargelegt an der Entwickelung dieses Organsystems bei Ichthyophis elutinosus. Mit 14 lithographischen Tafeln. ı8g91. Preis: ı2 Mark. Die Entwiekelung der Synapta digitata und die Stammesgeschichte der Eehinodermen. Mit 7 lithographischen Tafeln. ı888. Preis: g Mark. Zoologisehe Forschungsreisen in Australien und dem malayischen Archipel. Mit Unterstützung des Herrn Dr. Paul von Ritter ausgeführt in den Jahren 1891-93 von Dr. Richard Semon. (Denkschriften der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena.) Erster Band: Ceratodus. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 1.) Mit 8 lithogr. Tafeln und 2 Abbildungen im Text. 1894. Preis: 20 Mark. Inhalt: Ernst Haeckel, Systematische Einleitung: Zur Phylogenie der .Australischen Fauna. Richard Semon, Reisebericht und Plan des Werkes. — Richard Semon, Verbreitung, Lebensverhältnisse des Ceratodus Forsteri, — Richard Semon, Die äussere Entwickelung des Ceratodus Forsteri. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 3.) Mit 11 lithogr. Tafeln und 20 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 20 Mark. Inhalt: Richard Semon, Beobachtungen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen nebst Notizen über ihre Körpertemperatur. — Richard Semon, Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. — Richard Semon, Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. Zweite Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 5.) Mit 4 lithographischen Tafeln und 40 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 16 Mark. Inhalt: GeorgRuge, Die Hautmuskulatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammarapparate. — Hermann Klaatsch, Studien zur Geschichte der Mammarorgane. I. Theil: Die Taschen- und Beutelbildungen am Drüsenfeld der Monotremen. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. Dritte Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 6.) Mit 11 lithogr. Tafeln und 6 Abbildungen im Text. 1896. Preis: 25 Mark, Inhalt: F Hochstetter, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte.des Blutgefässsystems der Monotremen. — Albert Narath, Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. — Albert Oppel, Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis jayanica. Fünfter Band: Systematik, Thiergeographie, Anatomie wirbelloser Thiere. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 2.) Mit 5 lithogr. Tafeln und 6 Abbildungen im Text. 1894. Preis: 20 Mark. Inhalt: A. Ortmann, Ürustaceen. — E. v. Martens, Mollusken. — W. Michaelsen, Lumbri- ciden. — €. Ph. Sluiter, Holothurien. — O. Boettger, Lurche (Batrachia). — O. Boettger, Schlangen. — J. Th. OQudemans, Eidechsen und Schildkröten. — A. Reichenow, Liste der Vögel. — F. Römer, Monotrema und Marsupialia. "Fünfter Band: Systematik, Thiergeographie, Anatomie wirbelloser Thiere. Zweite Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 4.) Mit 8 lithographischen Tafeln und 5 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 20 Mark ee Bisher erschienen. Inhalt: €. Ph. Sluiter, Tunicaten. — B. Haller, Beiträge zur Kenntnis der Morphologie von Nautilus pompilius. — Arnold Pagenstecher, Lepidoptera Heterocera — Max Fürbringer, Depi- doptera Rhopaloceraa — Max Weber, Fische von Ambon, Java, Thursday Island, dem Burnett-Fluss und von der Süd-Küste von Neu-Guinea. Beard John, D. Sc., University Lecturer in Comparative Embryology and in Vertebrate Zoology, Edin- ?° burgh, On eertain problems of Vertebrate Embryology. 1896. Preis: 2 Mark. Denkschriften ıicr medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Band I. Ernst Haeckel, Das System der Medusen. Erster Theil einer Monographie der Medusen. Mit einem Atlas von 40 Tafeln. ı880. Preis: 120 Mark. Band Il. Mit >ı Tafeln. ı880. Preis: 60 Mark. — Inhalt: C. Frommann, Untersuchungen über die Gewebsveränderungen bei der multiplen Sklerose des Gehirns und Rückenmarks. Mit > Tafeln. 1878.- Preis: 10 Mark. — Oscar und Richard Hertwig, Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblättertheoriee Mit 3 lithographischen Tafeln. 1878. Preis; ı2 Mark. — Richard Hertwig, Der Organismus der Radiolarien. Mit ıo lithographischen Tafeln. 1879. Preis: 25 Mark. — E. E. Schmid, Die quarzfreien Porphyre des centralen Thüringer Waldgebietes und ihre Begleiter. Mit 6 Tafeln. 1880. Preis: 18 Mark. Band IH. Willy Kükenthal, Vergleichend-anatomische und eniwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Walthieren. Mit 25 Tafeln. 1ı889—ı893. Preis: 75 Mark. — Erster Theil. Kapitel I: Die Haut der Cetaceen. Kapitel II: Die Hand der Cetaceen. Kapitel III: Das Centralnervensystem der Cetaceen, gemeinsam mit Theodor Ziehen. Mit ı3 lithographischen Tafeln. ı889. Preis; 35 Mark. — Zweiter "Theil. Kapitel IV: Die Entwicklung der äusseren Körperform. Kapitel V: Bau und Ent- wicklung äusserer Organe. Kapitel VI: Die Bezahnung. Mit ı2 lithographischen Tafeln. 1803. Preis: 40 Mark. &roos, Dr. Karl, Professor an der Universität in Giessen, Die Spiele der Thiere. ı806. Preis: 6 Mark. Heymons Dr. Richard, Privatdocent und Assistent am Zoologischen Institut der Königl. Universität ’ in Berlin, Die Embryonalentwickelung von Dermapteren und Orthopteren unter besonderer Berücksichtigung der Keimblätterbildung monographisch bearbeitet. Mit ı2 lithographischen Tafeln und 33 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 30 Mark. Nagel Dr. Wilibald, Privatdocent der Physiologie an der Universität Freiburg i. Br., Der Liehtsinn ° augenloser Thiere. Eine biologische Studie. 1896. Preis: 2 Mark 4o Pt, DENKSCHRIFTEN MEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL.- ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. IV. LIEFERUNG. MIT 6 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 11 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1896. Z00LOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN. UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. MIT UNTERSTÜTZUNG DES HERRN DR, PAUL VON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891-1893 VON DE. RICHARD SEMON PROFESSOR IN JENA. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. IV. LIEFERUNG: Hermann Braus, Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. MIT 6 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 11 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1896. Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. Dr. Hermann Braus, Assistent an der Anatomischen Anstalt zu Jena. Mit Tafel XXVII—-XXXI und 11 Textfiguren. Jenaische Denkschriften. V. 1 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. 11. \ g n I E * INTERNE i a‘ “ ' NER un vg ,.Uubben l. Probleme der Leberhistologie. Die zahlreichen Untersucher, welche sich mit dem Bau der verwickeltesten aller Drüsen des Wirbel- thierkörpers, der Leber, beschäftigt haben, bedienten sich bei ihren Studien stets besonderer Vorbereitungs- methoden, um die Gallencapillaren sichtbar zu machen. Nur ausnahmsweise sahen geübte Mikroskopiker in dünnen Schnitten des mit den herkömmlichen Mitteln gehärteten und gefärbten Organs die Lumina der feinen Drüsengänge. Aber die Beobachtung war so schwierig und ergab so unvollständige Bilder, dass auch sie im Allgemeinen nicht ohne Hülfsmethoden auskommen konnten. So ist die Geschichte unserer Kenntniss vom Bau der Leber eng verknüpft mit der Ausbildung besonderer Vorbehandlungen des Organs; der Injection der Gallencapillaren mittelst Farbstofflösungen und der Darstellung derselben mittelst der Gorgr'schen Chromsilberimprägnation. Erst in neuester Zeit hat Krause (25) gezeigt, dass bei den feineren Fixirungsmitteln, den ausgebildeten Färbeverfahren und besonders den enorm verbesserten mikroskopischen Linsen, die uns jetzt zu Gebote stehen, auch ohne besondere Vorbehandlung ein Studium der Gallen- capillaren möglich ist; denn es gelang ihm sogar den feineren Bau der Wandung der Gallencapillaren zu untersuchen. Die Methoden sind zweischneidige Waffen, häufig wohl geeignet den gordischen Knoten schwer entwirrbarer Wissenschaft mühelos zu trennen, häufig aber auch unheilvoll für denjenigen, der sie nicht weise zu handhaben versteht. Wie verschieden und widerspruchsvoll sind nicht die Resultate mancher entwickelungsmechanischer Untersuchungen, bei welchen doch gleiche oder ähnliche Objecte in derselben Weise behandelt wurden! So hat es denn seinen besonderen Reiz ein Gebiet aufs neue zu durchforschen, welchem wir nicht mehr auf Umwegen zu nahen brauchen, in welchem vielmehr sich die Aussicht bietet, ohne Aufwand anderer als der gewöhnlichen, längst erprobten Hülfsmittel geraden Wegs aufs Ziel loszu- gehen. Ich will deshalb in meinen Untersuchungen davon ausgehen, an der Hand vorwiegend herkömm- licher Methoden, wie wir sie bei allen feineren Zellarbeiten anzuwenden pflegen, den Bau der Leber zu prüfen, inwieweit die mit Injectionen und Imprägnationen gewonnenen Resultate das Rechte getroffen haben, und wie wir diese mit Rücksicht auf ihre scheinbaren Widersprüche beurtheilen sollen. Erst die Injection der Gallencapillaren, welche Bunce (8) im Jahre 1859 vollständig gelang, war im Stande eine Klärung in dem Chaos von Vorstellungen herbeizuführen, welche die früheren Untersucher sich über die feinere Architectur der Leber gemacht hatten. Wenn es auch noch Jahre dauerte, bis der Widerstand derjenigen, welche die Resultate dieser Injectionen für Kunstproducte erklärten, überwunden war, so sprach doch schon KÖLLIKER (22) im Jahre 1863 die Vermuthung aus, die Kanäle Bupge’s müssten, falls sie überhaupt die Anfänge der Gallenwege seien, dem Lumen von Drüsen entsprechen, die Leber- 1* 40* 304 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 4 balken also Drüsentubulis mit mächtigem Epithel vergleichbar sein. Das Jahr 1866 brachte die Entscheidung dieser Frage. Gleichzeitig erschienen Mittheilungen von HERING (19) und EBERTH (II) über ausgedehnte Untersuchungen an den verschiedensten Objecten, die mit Injectionen theils mit Berlinerblau auf mechanischem, theils mit Indigokarmin auf physiologischem Wege angestellt waren. Das übereinstimmende Resultat gipfelte in dem Nachweis, dass die Wirbelthierleber in ihrer einfachsten Form nichts anderes ist als eine Drüse und zwar von netzförmig-tubulösem Bau — so bei Fischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln — und dass die Leber der Säugethiere zwar Abweichungen von diesem Drüsenbau aufweist, die aber nur als eine besondere Differenzirung des auch ontogenetisch noch rein tubulösen Organs sich darstellen. Damit schien das Leberproblem gelöst, und wenn man bedenkt, dass vorher die Leber sogar als eine Art caver- nösen Organs von namhaften Histologen aufgefasst worden war, so ist es kein Wunder, dass diese klaren und einfachen Vorstellungen in kurzer Zeit ihren Triumphzug durch die wissenschaftliche Welt machten und allgemein angenommen wurden. Das verdankte man zum grossen Theil der Anwendung der Injections- methode. Und doch barg dieselbe Mängel, welche gerade da bald fühlbar wurden, wo es galt, den Leber- typus der Säugethiere in Zusammenhang mit dem der anderen Wirbelthiere zu bringen. Folgen wir der Entwickelung dieses Problems! HERING hatte in zwei wahrhaft classischen, kleinen Abhandlungen, die in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie (19) zuerst erschienen und die sofort von MAx SCHULTZE, der ihre hohe Bedeutung wohl erkannte, im Archiv f. mikr. Anat. (20) wörtlich reproducirt wurden, in besonders klarer Weise den Bau der Wirbelthierleber geschildert. Das HErRInG’sche Schema der Kaninchenleber ist ja in aller Hand, und ich kann mich deshalb darauf beschränken die Hauptgesichtspunkte, welche den genialen Forscher leiteten, hier kurz zu- sammenzustellen. Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich oft Gelegenheit haben auf seine Ansichten zurück- zukommen. HeErınG findet bei ausgewachsenen Säuge- thieren, und speciell beim Kaninchen, nichts von einem tubulösen Bau der Leber. Die einzelnen Leberläppchen, aus welchen sich das Organ zusammensetzt, und die ja schon makroskopisch sichtbar sind, stellen eine solide Masse von Leberzellen vor. Diese wird allenthalben durch- brochen von Blutcapillaren, welche von der Peripherie En Schema des Tiehen dee Kaktch ne rec) des Läppchens radiär zur Centralvene ziehen und häufig das Lageverhältniss der Gefäss- und Gallencapillaren quere Anastomosen unter einander aufweisen. Die Leber- zu den Leberzellen darstellend. zellenbalken, wie wir sie im Schnitt zu sehen vermeinen, haben wir erst mit dem Rasirmesser aus der soliden Masse herausgeschnitten, sie sind also Kunstproducte. Das ist der erste wichtige Punkt der HERING- schen Argumentation. Der zweite betrifft das Verhältniss der Zellen zu den Capillaren, welches die Erklärung für den Mangel des tubulösen Baues giebt. Denn auch von der gewöhnlichen Drüsenanordnung der Zellen weist die Kaninchenleber nichts auf. Vielmehr wird jede Zelle an vier ihrer Kanten von Blut- capillaren begrenzt, während doch die gewöhnliche Drüsenzelle nur an einer Fläche von Blut bespült wird. Die Leberzellen sind also wie Kautschukbälle zwischen die radiär zur Centralvene ziehenden Blutcapillaren gepresst, immer je eine zwischen vier Capillaren. Die Drüsenausführungsgänge dagegen, an deren Lumen jede gewöhnliche Drüsenzelle mit einer Kante heranragt — die Gallencapillaren in unserem Falle — liegen auf den Zellenflächen. Wie sich ihre Lage Herıng vorstellt, ersieht man am besten aus seinem Schema (Textfig. 1). 5 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 305 Hervorheben will ich nur, dass somit bei der Säugerleber die Gallencapillaren von den Blutcapillaren durch den Abstand nur einer halben Zellenlänge getrennt sind. Der zweite Cardinalsatz HErıne’s ist also der: Die Zellen der Säugerleber erinnern nur dadurch noch an Drüsenzellen, dass sie an Blutcapillaren und Ausführungsgänge stossen, die immer durch Zellsubstanz von einander getrennt bleiben. Sie unterscheiden sich jedoch von ihnen dadurch, dass jede Zelle an mehrere Blutcapillaren mit ihren Kanten, an mehrere Gallencapillaren mit ihren Flächen grenzt. „Spricht man von der Wirbelthierleber im Allgemeinen“, so fasst HERING selbst seine Anschauungen zusammen, „so muss man dieselbe allerdings als eine netzförmig angeordnete tubulöse Drüse bezeichnen; die Säugethierleber im Besonderen aber weicht derart ab, dass von einem eigentlich tubulösen Bau gar nichts zu sehen ist. Alle die oft wiederholten Angaben von einem tubulösen Baue der Säugethierleber muss ich als irrig bezeichnen“ (19, S. 514). Diese Auffassung der Säugerleber hat HERING auch in einer späteren Arbeit (21) im Wesentlichen festgehalten, und sie wurde wohl allgemein von den Histologen übernommen. Ein so complicirter Aufbau, wie ihn die Säugerleber nach HERInG aufweist, gebiert von selbst die Frage nach seiner Genese. Dass ein Zusammenhang: mit der Leber niederer Wirbelthiere besteht, lehrt die Entwickelungsgeschichte. Denn ontogenetisch besitzt auch die Säugerleber einen netzförmig-tubulösen Bau. Mit dieser Frage haben wir eine Lücke in den Herıng’schen Darstellungen erreicht. Dies erkannten schon zeitgenössische Mitarbeiter auf dem Gebiete der Leberhistologie, und hier setzt auch die mit GoL@I- scher Methode arbeitende neuere Richtung ein, um, wie sie glaubt, eine grosse Bresche in das Gebäude der älteren Vorstellungen zu legen. Ich will versuchen zu zeigen, dass es im Wesentlichen die Unzuläng- lichkeit der Methoden ist, welche dieses neuere Leberproblem ungelöst sein lässt. HERING sagt: „Von der, dem üblichen Drüsenschema genau entsprechenden Anordnung der Leber- zellen bis zu derjenigen, welche das Säugethier zeigt, findet sich eine zusammenhängende Reihe von Ueber- gängen. Die Zahl der Leberzellen, welche auf dem Querschnitt zur Bildung eines feinsten Gallenweges zusammentreten, wird spärlicher, reducirt sich auf vier, drei und endlich auf zwei. Letzteren Falls“ rückt der Gallenweg von der Zellkante zwischen die Zellflächen. Das ist Alles, was ich bei ihm finde von einem Versuch, die beiden Typen der Leberarchitectur in Zusammenhang zu bringen. Bedenken wir nun aber, dass diese beiden Leberzellen nicht nur da, wo sie selbst aneinander stossen, Gallenwege begrenzen, sondern dass noch andere Flächen dieser Zellen wieder mit anderen Leberzellen zusammenhängen und auch dort allenthalben Gallencapillaren bilden helfen, so ergiebt sich ohne weiteres die Frage: Woher stammen diese zahlreichen Gallengänge, die nach HEerınG sich überall maschenförmig verbinden? Oder mit anderen Worten: Welche Momente führen zur Auflösung der tubulösen Anordnung der Leberzellen? Dass die Verminderung ihrer Zahl zur Erklärung nicht ausreicht, geht schon daraus hervor, dass es, wie ich später zeigen werde, Leberschläuche giebt, die auf dem Querschnitt nur zwei Zellen aufweisen. Es müssen sich also ausser den Centralcapillaren der Drüsenschläuche auf irgend eine Weise neue Gallengänge bilden, die sich zu den die einzelnen Zellen umgebenden Netzen zusammenschliessen. Den Beginn solcher Bildungen will EBERTH (12, 13) gesehen haben. Er beschreibt bei Amphibien und Sauropsiden blinde Ausläufer der centralen Gallengänge, welche seitlich und terminal zwischen die Leberzellen eindringen, und bemerkt ausdrücklich, dass er diese als den Beginn eines Typus auffasst, den wir bei den Säugethieren ausgebildet sehen. Giebt es nun solche blinden Seitenäste? Ueber diese Frage haben die Injectionspräparate keinen definitiven Auf- schluss gegeben. Denn da sowohl die mechanischen als auch physiologischen Injectionen bei anscheinend noch so gutem Gelingen stets die Möglichkeit bestehen lassen, dass Theile der Gallencapillaren ungefüllt geblieben sind, so fehlt es bei blinden Endigungen der Injectionsmasse an einer Controle, ob auch die Capillare an diesen Stellen endigt oder ob sie, nur ungefüllt, weiterläuft. Dass es sich bei blinden 306 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 6 Endigungen um derartige Täuschungen handele, behaupten GERLACH, BUDGE und — wenigstens für Säuge- thiere —_ mit aller Entschiedenheit HErINnG; dass dieselben in der That bestehen, mit derselben Bestimmtheit EBERTH und v. KÖLLIkEr. Wenn ich hier feststellen möchte, dass durch diese Unsicherheit in der Deutung der Befunde, also vor allem durch die Unzulänglichkeit der Injectionsmethoden die ganze Frage ins Stocken gerieth, so will ich damit nicht sagen, dass mit dem Nachweis der Realität blinder Seitenäste an den Gallen- capillaren die Lösung schon gefunden sei. Es drängen sich da noch andere Fragen auf: Wie können sich diese blinden Aeste vereinigen, da sie doch nie die Blutgefässe erreichen, wie alle Forscher übereinstimmend annehmen, und daher nicht an die Aussenseite der Leberbalken gelangen können? Wie kommt die Ab- änderung im Verlauf der Blutcapillaren zu Stande? u. a. m. Hierauf giebt EBERTH keine Antwort. Es ist dies um so auffallender, als er, entgegen HERING, daran festhält, dass auch die Säugethierleber einen, wenn auch nicht reinen, tubulösen Bau besitze. Ich frage da erst recht: Wie können sich die Gallencapillaren zu so ausgedehnten Netzen, wie sie EBERTH zugiebt, zusammenschliessen, ohne die Gefässwände zu berühren? Ein Tubulus aber, der nicht ringsum von Blut umgeben ist, trägt seinen Namen mit Unrecht. Eine andere Lösung der Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Leber der niederen Wirbelthiere und der Säuger hat Rerzıus (37, 38) zu geben versucht. Mit ihm wenden wir uns denjenigen Untersuchern zu, welche die mit der Chromsilbermethode GoL@I’s gewonnenen Befunde zur Grundlage ihrer Schluss- folgerungen machten. Nachdem einmal nachgewiesen war, dass die Gallencapillaren sich mit Hülfe dieses Verfahrens imprägniren liessen, was etwa gleichzeitig BÖHM (28) und Ramon Y CAJAaL (9) gelang, war es ein sehr aussichtsreiches Beginnen von neuem das Leberproblem in Angriff zu nehmen. RETzIUS hat dies auf breiter Grundlage gethan, indem er Vertreter fast aller Wirbelthierklassen in seine Untersuchungen hinein- zog. Er kommt nun zu dem überraschenden Resultat, „dass wenigstens die meisten Capillaren nicht mit einander anastomosiren, also keine Netze bilden, sondern sich mit ihren Zweigen in verwickelten Bahnen um einander winden und mithin eher ein Geflecht als ein Netz constituiren.“ Die Leber sei, auch bei den Säugern, nicht als netzartig-tubuläre, sondern als verästelt-tubuläre Drüse zu betrachten. Diese Befunde an Gorcı-Präparaten des in dieser Methode so erfahrenen Forschers wurden bald bekannt; von KÖLLIKER (23) bestätigte für die Maus und das Kaninchen dieselben ; wir finden sie von STÖHR in die 6. Auflage seines Lehrbuches der Histologie aufgenommen; v. BRUnN erklärt sich für dieselben in seinem ausführlichen Referate über die Leber (7) und auf dem Anatomencongress zu Basel machte STÖHR den Vorschlag das Herıng’sche Lebermodell denselben entsprechend abzuändern. Wenn Rerzıus in der Einleitung zu seiner ersten Abhandlung erklärt: „Mir ist es immer sonderbar erschienen, dass eine tubulär angelegte Drüse, welche bei niederen Wirbelthieren und noch bei Reptilien eine tubuläre .. Anordnung beibehalten hat, während der ontologischen Entwickelung bei den Säugethieren sich in der Weise verändert, dass die feinen Drüsengänge normal ihre tubuläre Natur verlieren und so reichlich verschmelzen“, so schafft er freilich dieses Problem, welches, wie wir sahen, an der Hand von Injectionspräparaten allein nicht gelöst werden konnte, dadurch aus der Welt, dass für ihn die Säugethierleber im Princip nicht anders gebaut ist als diejenige niederer Wirbelthiere. Im einen Falle sind nur die Capillaren feiner und enger in einander geknäuelt als im anderen Falle. Ich hoffe später zeigen zu können, dass die seltenen Maschen, welche Rerzıus auf Grund seiner GorLGI-Präparate zugiebt, diese Vorstellung zulassen (vgl. Myxine), und muss anerkennen, dass er bis auf die „streckenweise angeordneten Netzmaschenpartien der Gallencapillaren“ in der ausgebildeten Leber des Hundes und Menschen, die er erwähnt, und auf die ich noch zurückkomme, consequent seine Auffassung der Leber als einer tubulösen Drüse durchführt. Und das ist wohl neben den Sympathieen für die Silbermethode der Grund für die schnelle Verbreitung, welche seine Anschauungen unter den Histologen sefunden haben. 7 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 307 Wie verhält es sich aber mit den Sicherheiten, die uns die Methode der Imprägnation der Gallen- capillaren mittelst Chromsilber für die Erkenntniss des wahren Thatbestandes bietet? Die völlige Disharmonie zwischen dem, was Injectionspräparate lehren, die allüberall bei niederen und höheren Wirbelthieren Netze zeigen, und dem völligen oder fast völligen Fehlen solcher Maschen in Imprägnationspräparaten derselben Organe fordert zur eingehenden Kritik heraus. Ich hielt es selbstverständlich für meine Pflicht, zumal einem so genauen und hochverdienten Untersucher wie RerTzıus gegenüber, eine Kritik nicht nur auf Grund theoretischer Erwägungen zu wagen, sondern sie durch möglichst ausgedehnte eigene Untersuchungen mit Chromsilbermethoden zu fundiren. Ich bediente mich zur Imprägnation der Gallencapillaren vor allem des schnellen Gorcr’schen Verfahrens. Mit demselben Erfolg wendete ich Mischungen von 1/,-proc. Chromsäurelösungen und Formol an oder Gemische von Mürrer’scher Flüssigkeit und Formol. Zu diesen Chromformolgemischen nehme ich ungefähr 75 Volumprocent Chromlösung und 25 Volumprocent 40-proz. wässriger Formaldehydlösung. Namentlich bei sehr fettreichen Lebern lieferte die Formolmethode sehr viel klarere Bilder als das Osmium- gemisch, da das Fett ungefärbt bleibt, und in diesen Fällen schien mir auch der Erfolg ein sicherer zu sein. Wenigstens bekam ich bei einer Reihe von Präparaten, die bei der ersten Behandlung mit Osmium keine Resultate ergeben hatten, sofort sehr schöne Färbungen, als ich Chromformol im zweiten Gange gebrauchte. Ueberhaupt gelang es oft bei immer und immer wiederholtem Ueberführen der Leberstückchen von Chrom- osmiumlösungen in Silber, von dort in Chromformol, dann wieder Silber und sofort, nach Wochen noch Resultate bei scheinbar ganz hoffinungslosen Präparaten zu erhalten. So kamen bei der Echidna-Leber, welche ursprünglich in Stückchen in FLEmMIn@’scher Chromosmiumessigsäure fixirt worden war, seitdem aber schon mehrere Jahre in Alkohol gelegen hatte, nach einer derartigen mehrwöchentlichen Cur die Capillaren sehr schön zum Vorschein. Wenn nun RETZıVs beim Hund und Menschen selbst „streckenweise angeordnete Netzmaschenpartieen der Lebercapillaren“ beschreibt und abbildet, so kann ich diesen Beispielen eine Reihe anderer beifügen, die dasselbe Verhalten sehr deutlich aufweisen. Bei Siredon pisciformis, bei Platytactylus mauritanicus, Gongylus ocellatus, Varanus indieus, Echidna aculeata und Erinaceus europaeus konnte ich bald sehr häufige, bald vereinzelte Netzbildungen verschiedener Art mit der Chromsilbermethode nachweisen und für den Hund den erwähnten Befund bestätigen. Mittlerweile hat BERKLEY (4) dasselbe für die Kaninchenleber gezeigt. Aber auch in einer Reihe der Fälle, für welche RETzZıus ausdrücklich bemerkt, dass Anastomosen nie von ihm gesehen worden seien, weisen meine Präparate sehr deutliche und zahlreiche Maschenbildungen auf. Ich fand dieselben beim Aal, beim Frosch, bei Anguis, Lacerta und namentlich bei der Maus. „Bei der Katze wie auch bei der Maus kann ich deshalb keineswegs eine netzförmig anastomosirende Anordnung der Gallencapillaren anerkennen“, sagt RETzıus (38, S. 69). Die Katze hat vor Kurzem GEBERG (16) nach- untersucht und bei ihr ebenfalls ein „dichtes Netz“ von Gallencapillaren mit Chromsilber gefärbt, „dessen Maschen diese oder jene einzelne Leberzelle umfassen“ (S. 86). Ich verweise vorläufig nur auf die Abbildungen BERKLEY’S, GEBERG’s und meine eigenen (Taf. XXVII, XXIX, XXXI) und werde erst weiter unten eine genauere Beschreibung geben. Um einen Irrthum kann es sich bei Feststellung solcher Netze nicht gut handeln, wie es v. BRunn (7) für die Funde BERKLEy’s und GEBERG’s anzunehmen scheint, wenn man sich guter Linsen mit starker Ocularvergrösserung bedient. Die Zeıss’schen apochromatischen Immersionen zumal gestatten mit absoluter Sicherheit die topographische Analyse der Lageverhältnisse der Capillaren und schliessen bei so klaren Präparaten, wie gut gelungene Gorcı-Präparate der Leber sind, eine Verwechselung sich nur kreuzender Capillaren mit sich verbindenden aus. Nachdem ich anfangs die Vorsicht gebraucht hatte, nach dem Beispiel von Rerzıus dünne Schnitte zu untersuchen, die ich nach Einbettung der Präparate in 308 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 8 Paraffin mit dem Mikrotom herstellte, und auch in diesen Maschenbildungen gefunden hatte, machte ich später nur noch Rasirmesserschnitte, hellte diese sehr stark auf, indem ich sie aus dem absoluten Alkohol durch Kreosot, Bergamottöl und Xylol in Canadabalsam brachte und von der Kehrseite des Deckglases mit Immersionslinsen betrachtete. Namentlich in etwas dickeren Schnitten weisen dann viele Präparate massenhafte Maschen auf. Da bei niederen Wirbelthieren die Maschen einen Durchmesser von durch- schnittlich 65 u haben und die Weite derselben bei Säugern kaum unter 17 u beträgt, verringert sich natürlich die Wahrscheinlichkeit, vollständige Maschen in dünnen Schnitten, die RETZIUS bevorzugte, zu Gesicht zu bekommen, gegenüber dicken, ganz ausserordentlich. Bei einem negativen derartigen Befund kann dann doch die betreffende Leber eine Unmenge gefärbter Maschen besitzen. Ich will mich an dieser Stelle nicht darauf einlassen zu entscheiden, ob die Imprägnationsmethode mehr oder weniger Netze zur Anschauung bringt als die Injectionsmethoden gethan haben, und in welchem numerischen Verhältniss die mittelst dieser verschiedenen Methoden veranschaulichten Maschen zu den thatsächlich vorhandenen stehen. Nur das möchte ich meinen Befunden entnehmen, dass man, selbst wenn sichtbare Gallencapillarnetze bei GorcI-Behandlung fehlen, aus diesem Mangel nicht den Schluss ziehen darf, dass auch thatsächlich derartige Netze nicht oder nur spärlich vorhanden sind. Denn an Objecten, bei welchen ein in der Methode sehr geübter Untersucher solche Netze stets vermisst hatte, liess dieselbe Methode in anderen Fällen doch mit Sicherheit zahlreiche Maschen erkennen. Aber dieser Nachweis lässt sich auch direct führen. Zu dem Zweck fixirte ich nach Gorcı gefärbte Schnitte der Igelleber mit Hydro- chinon und Fixirnatron, wie dies KarLLıus angegeben hat, und färbte sie dann intensiv mit Hämatoxylin. Ich konnte dann deutlich an Stellen, wo die Chromsilberimprägnation aufhörte, die Capillare, freilich ungeschwärzt, weiterlaufen sehen. Auch Stellen, wo die imprägnirte Gallencapillare mit abgerundeter Kuppe aufhörte, erwiesen sich nur als scheinbare blinde Endigungen. Denn die Capillare liess sich weiter verfolgen, und kleine schwarze Brocken bildeten in ihr unvollkommene Ergebnisse der Chromsilberbehandlung. Also auch dieses Kennzeichen, welches Ramön y CAyAL hervorhob, ist nicht stichhaltig. Rein theoretisch würde es zudem grosse Schwierigkeiten bieten, bei Thieren im ausgewachsenen Zustand eine verästelte tubulöse Drüse zu finden, aus deren Entwickelungsgeschichte wir wissen, dass auf den verästelt-tubulösen Zustand durch Verschmelzen der Schläuche ein netzförmig-tubulöser folgt. Soll nun dieser Entwickelungsgang im weiteren Verlauf rückläufig werden, oder beruht auch die embryonale Netzbildung auf Täuschung, wie RETzıus nach seinen Befunden an Hühnchen- und Schweineembryonen anzunehmen scheint? Wie soll man sich ferner zu den Ergebnissen der Injectionsmethoden stellen? Sind alle diese Netze und Netzchen etwa Kunstproducte? Das hiesse die Einwände wiederholen, die den ersten Injectionsversuchen Bupge’s gegenüber gemacht wurden. Es bleibt also meines Erachtens nichts anderes übrig, als die Resultate der Chromsilberimprägnation, soweit sie negativer Art sind, für wenig beweisend zu halten. Die positiven Ergebnisse sind ja so aus- gezeichnet, geben so klare Bilder und zeichnen sich durch mühelose Technik so sehr vor vielen Injections- methoden aus, dass man stets mit grossem Vortheil diese Behandlungsweise anwenden wird. Ich komme also im Wesentlichen zu keinem anderen Resultat als die meisten Forscher, welche nach Gorcı über das Nervensystem gearbeitet haben. Auch auf diesem Gebiete ist die sonst so vortreffliche Methode längst als überaus launisch bekannt. Schlüsse lassen sich hier wie dort aus einem Ausbleiben der Schwärzung nicht ziehen. Auch die Imprägnationsmethode lässt uns also, wie wir sehen, in der Hauptsache im Stiche. Haben die Gallencapillaren blinde Endigungen oder verbinden sich alle Gallengänge zu Netzen? Mit der Lösung dieser Frage hängt die Entscheidung darüber zusammen, wie die Leber niederer Wirbelthiere gebaut ist, 9 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 309 welche Structur die Säugerleber besitzt und auf welche Weise beide verknüpft sind. Im Grunde reichen Injeetions- und Imprägnationsmethoden allein in der gleichen Weise nicht aus, um zu einer Lösung zu führen: bei beiden wissen wir nicht, ob die Grenze der Farbe auch die Grenze der Capillare ist. Da es aber möglich ist die Gallencapillaren mit starken Vergrösserungen bei gut fixirten und gefärbten Präparaten zu sehen und auf längere Strecken zu verfolgen, möchte ich versuchen, nach allge- meinen vergleichend-anatomischen Grundsätzen das Leberproblem erneut in Angriff zu nehmen. Dazu bedarf es natürlich eines genauen Studiums nicht nur der Capillaren als solcher, sondern auch ihrer Lage- beziehungen zu den Leberzellen, zu den Blut- und Lymphgefässen und der Leberzellen zu letzteren. Veranlasst wurde ich zu meinen Untersuchungen durch Herrn Professor SEMoN, welcher bei seinen Reisen in Australien in Hinsicht auf das fehlende Bindeglied zwischen den verschiedenen Lebertypen der HERInG’schen Schemata besonders sorgfältig kleine Stückchen der Monotremen- und Marsupialierleber con- servirt hatte. Dieses werthvolle Material, für dessen Ueberlassung ich hierdurch meinen aufrichtigen Dank ausspreche, bildete für mich den Ausgangspunkt. Es schloss sich bald ein vergleichendes Studium anderer Säugethiere an; eine gerade in die Zeit fallende Hinrichtung gab mir Gelegenheit ganz frisches Material vom Menschen mit unseren besten Methoden zu fixiren. Als sich die Nothwendigkeit herausstellte auch niedere Wirbelthiere in den Kreis der Untersuchungen hineinzuziehen, kam es mir einmal zu Statten, dass die hiesige Anatomische Anstalt von Herrn Dr. DRÜNER und mir selbst in Bergen (Norwegen) conservirte Leberstückchen von Myxinoiden und Haifischen besitzt, besonders aber, dass Herr Hofrath Prof. FÜRBRINGER mir in liberalster Weise die Mittel zur Verfügung stellte, um lebende Amphibien und Reptilien, soviel ich brauchte, zu erwerben. Zur Fixirung benutzte ich ausser den Chromgemischen, die ich in keinem Falle unversucht liess, namentlich die best bewährte Sublimatessigsäure (50:50:1000). In der speciellen Beschreibung der ein- zelnen Objecte will ich jedesmal Auskunft über die Fixirung, die angewendet worden ist, geben. Hier nur einige Worte über eine Combination von Formol und Sublimat, die ich häufig benutzte. Ich ersetzte in dem Sublimatessigsäuregemisch die Essigsäure durch Formol, wobei ich nach mehrfachen Versuchen folgendes Verhältniss am zweckmässigsten fand: 75 eem conc. wässrige (7,5-proc.) Sublimatlösung, 25 ccm conc. wässrige (40-proc.) Formaldehydlösung. Eine Prüfung dieses Gemisches an möglichst verschiedenen Objecten ist noch nicht abgeschlossen. Für die Leber hat dasselbe den Vortheil, dass fast gar keine Schrumpfung des Gewebes eintritt und dabei die Fixirung an Klarheit der mit Sublimatessigsäure erreichten mindestens gleichsteht. Besonders möchte ich darauf aufmerksam machen, dass für die Granulationen der Leukocyten diese Behandlung sehr distincte Bilder giebt. Die Objecte färben sich gut, das Präparat bleibt bei makroskopischer Besichtigung dem frischen Zustande ähnlicher an Farbe und Form als bei irgend einer anderen, gleich guten Fixirungs- methode. Es wurden die verschiedensten Färbemittel benutzt. Auch hierüber findet man in der Detail- beschreibung und Figurenerklärung das Nähere. Im Allgemeinen gebrauchte auch ich, wie Krause, die Eisenhämatoxylinmethode mit Bordeaux R-Vorfärbung nach den Vorschriften M. HEIDENHAIN’s mit grossem Nutzen. Bei sehr dünnen Schnitten giebt diese Färbung vortreffliche Bilder der Gallengänge. Aber auch das Dreifarbengemisch: Methylgrün-Orange-Fuchsin ohne und mit saurer Nachbehandlung (letztere nach DRÜNER) steht in seinen Resultaten kaum=zurück und hat den Vortheil schneller zum Ziele zu führen. Jenaische Denkschriften. V. 2 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. I]. 41 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. Io II. Speeielle Histologie der Leber. I. Die Leber der Cyclostomen. (Vergl. Taf. XXVII, XXXI). Ueber die Leber der Cyclostomen fand ich in der Literatur kurze Angaben von RETZIUS (38). Er beschreibt GoLcI-Präparate von Myxine und Ammocoetes und giebt Abbildungen von diesen. Die Gallen- capillaren sind auffallend dick und senden blinde Endäste aus, welche selbst mit kurzen Seitenästchen versehen sind. Wirkliches maschenartiges Anastomosiren hat RETZIUS nie gesehen. Bei Ammocoetes bildet er in der Umgebung der Gallenwege verschieden grosse Kugeln ab, welche bald mit der Capillare durch einen feinen Stiel verbunden sind, bald isolirt liegen. Er vergleicht diese mit den Secretvacuolen, welche v. KUPFFER bei Injectionspräparaten erhielt. Obgleich mir mit verschiedenen Chrommethoden ganz frisch conservirtes Material von Myzine glutinosa L. zur Verfügung stand, gelang es mir nicht auch nur eine Spur von Gallencapillaren mit der Imprägnationsmethode zu schwärzen. Dagegen erwiesen sich die in Stücken in Sublimatessigsäure fixirten Lebern als sehr gut conservirt; auch in toto mit aufgeschnittenem Leib in FLemmıne’sche Lösung gebrachte junge Thiere (7 cm Länge) waren für meine Zwecke recht brauchbar. Die Leber von Myxine ist eine schlauchförmige Drüse. Die Leberschläuche, auf dem Querschnitt aus vier bis sechs grossen Zellen zusammengesetzt, sind allenthalben von Blut umspült und setzen sich schon bei geringen Vergrösserungen deutlich gegen die Gefässe ab. Die Lumina, die Gallencapillaren, erkennt man ebenso schon bei Betrachtung mit schwachen Linsen. Bei ihrer Weite ist es verhältnissmässig leicht auch in dicken Schnitten (15 «u und mehr) sie zu verfolgen. Doch ehe ich von den Befunden als solchen spreche, möchte ich der kurzen Ausdrücke, welcher ich mich für die verschiedenen Arten von Netzbildungen der Gallenwege in der Leber überhaupt bediene, Erwähnung thun. Ich nenne Capillarmaschen dort, wo sie eine Zelle umschliessen, unicellulär oder monocytisch, wo sie zwei oder mehrere Zellen umgeben, pluricellulär oder polycytisch. Von polycytischen Netzen giebt es zwei Arten: vasozonale, d.h. solche, welche ein Blutgefäss umgürten, und eytozonale, d. h. solche, welche nur Zellen umschliessen. Trotz allen Suchens konnte ich selbst in dicken Schnitten nie eine Stelle finden, wo sich die Capillaren zu einer vasozonalen Masche geschlossen hätten. Stets wichen da, wo ein Lebertubulus ein genau im Querschnitt getroffenes Blutgefäss umkreiste, an einer Stelle die Enden der Gallencapillaren ein- ander aus, um an die Ober- oder Unterfläche des Schnittes sich zu begeben. Wenn man freilich sieht, wie gross diese Leberbalkenschleifen sind — die einzelne Zelle ist durchschnittlich 30 u gross, also eine vaso- zonale Masche würde mehr als 60 u im Durchmesser haben müssen — so würde es ja immer ein besonders glücklicher Zufall sein, wenn gerade eine derartige Masche vom Messer verschont bliebe. Es könnte dies der Grund sein, warum RETZıus, der ja dünne Schnitte nach seinen Angaben bevorzugte, keine Netze sah. Immerhin fiel mir auf, dass an den Stellen, wo immer am leichtesten eine Masche zu finden ist, nämlich da, wo Blutgefässe quer getroffen sind, die Gallencapillaren sich bis auf einige Zellbreiten nähern, aber dann unter scharfem Winkel abbiegen. Der optische Längsschnitt durch die Mitte des Leberbalkens geht ziemlich unvermittelt in einen Querschnitt über. Es ist nicht gerade wahrscheinlich, dass so scharf ab- biegende Balken sich doch noch vereinigen. Es kommt hinzu, dass man auf Längs- und Querschnitten von Leberbalken unverkennbare blinde Endigungen der centralen Drüsenlumina häufig sieht. Es scheint mir daher sicher, dass Myzine eine verästelte tubulöse Leber besitzt. Ob ihr der netzige Charakter ganz II Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 3II abgeht, oder ob vereinzelte vasozonale Netze vorhanden sind, darüber könnten eine endgültige Entscheidung, solange die Ontogenie von Myzine unbekannt ist, nur Reconstructionen geben oder, im letzteren Falle, Injections- oder Imprägnationspräparate, bei denen sich ja bedeutend dickere Schnitte noch verwerthen lassen als bei der directen Untersuchung. Für wahrscheinlich halte ich das Vorkommen vasozonaler Netze nicht. Doch konnte ich bei Myzine cytozonale Netzbildungen nachweisen (Fig. 4). Es kommt, wenn auch selten, vor, dass der centrale Gallengang eines Leberschlauches sich dichotomisch theilt, und dass die beiden gleich starken Aeste nach kurzem getrennten Verlauf sich wieder vereinigen. Diese Netze sind unver- kennbar, wenn man sie von der Fläche sieht. Man erkennt das leicht, dass sie nicht eine Zelle ganz umgeben, sondern dass sie um kleinere Abschnitte mehrerer Zellen herumlaufen. Auf dem Quer- schnitte würde der Leberschlauch an einer solchen Stelle das neben- stehende Bild geben. Man sieht auch solche Bilder in der Myzine- Leber nicht sehr selten, jedenfalls häufiger, als nach meiner Schätzung die cytozonalen Maschen vorkommen. Es erklärt sich dies daraus, dass Paratangentialschnitte, welche durch eine Umbiegungsstelle eines Leberschlauches so hindurchgehen, dass die Centralcapillare ausser- 5 r : j i & Fig. 2. Querschnitt durch eine cytozonale halb des Schnittes bleibt, genau gerade so aussehen können. Denn Gallencapillarmasche der Myxine-Leber. Der es gehen durch Schnitte derartiger, vom Messer abgehobener Kuppen ee Sn oft noch Seitenäste der Centralcapillaren hindurch, mit denen wir uns Theilung an. weiter unten beschäftigen werden. Beweisend sind daher nur die Flächenbilder für Vorkommen und Anordnung der Netze bei Myxine während die Querschnitte nur für den, der erstere kennt, eine Ergänzung der Vorstellungen von den Netzbildungen geben können. Wie kommen nun diese Netze zu Stande? Zur Beantwortung dieser Frage muss ich etwas weiter ausholen. Der centrale Gallengang der Leberschläuche ist an verschiedenen Stellen verschieden weit. Bald sich verengernd, bald zu beträchtlicher Weite anschwellend, verläuft er in sanften Biegungen zwischen den centralen, abgestumpften Kanten der den Leberschlauch zusammensetzenden Zellen hindurch (Fig. 2). Von dieser Centralcapillare gehen zahlreiche Seitencapillaren ab. Sie dringen zwischen die Leberzellen da, wo ihrer drei mit ihren Seitenkanten zusammenstossen, ein und enden nach längerem oder kürzerem Verlaufe blind. Auch die Seitencapillaren haben‘ verschiedene Weite. Sie sind darin nicht von der Centralcapillare zu unterscheiden. Sie erreichen nie die Peripherie des Leberschlauches, doch können sie sich derselben bis auf ca. !/, des Durchmessers eines Schlauches nähern. Die meisten sind freilich bedeutend kürzer. Dass diese Querschläge der Gallenwege in der That an den Kanten liegen, ist nur dann mit Sicherheit zu constatiren, wenn sie quer getroffen sind (Fig. 77). Meist sieht man freilich die Seitencapillaren in Seitenansicht, und zwar liegen sie auf der Grenzlinie zwischen zwei Leberzellen. Ob aber diese Linie eine Zellkante oder der Querschnitt einer Zellwand ist, ist meist nicht leicht zu beurtheilen. Ich erkläre mir die mannig- fachen Irrthümer, die einigen älteren Autoren bei ihren Angaben über die Lage der Gallencapillaren in ähnlichen Fällen untergelaufen sind, daraus, dass sie nur Seitenansichten der Capillaren berücksichtigten und sich damit begnügten nachzusehen, ob diese nur mit Zellgrenzen zusammenfallen oder auch entfernt von solchen sich finden. Es ist bei der Feinheit solcher Grenzlinien immer bedenklich sich allein auf solche Beobachtungen zu stützen, und ich habe deshalb grundsätzlich nach Querschnitten der Gallenwege gesucht, um zu entscheiden, ob sie auf der Kante oder Fläche der Zellen liegen. Bei diesen ist ein Irrthum nicht mehr möglich, wie ein Blick auf die schematische Zeichnung Textfig. 2 lehrt. 9* 41% Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 12 Ausserdem giebt es aber noch Seitenäste des Centralganges, welche zu Leberzellen verlaufen, die vom Hauptlumen abgedrängt sind, und denen nur durch diesen Seitengang eine Verbindung mit dem secretabführenden Kanalsystem gesichert ist. Es ist ein ähnliches Verhalten wie bei den Belegzellen der Magenfundusdrüsen. Die Leberzellen sind dann oft so schmal oder schmäler, als die Seitengänge breit sind, und es kommt vor, dass das Zellenende in den Blindsack des Gallenganges sich einstülpt wie die Papille einer MarpıcHr’schen Pyramide in einen Nierenkelch (Fig. 2). Ich vermuthe nun, dass die spärlichen Maschen der Myzine-Leber ihre Entstehung dem Zurückweichen von Zellen an die Peripherie des Leberschlauches verdanken. Diese Maschen liegen an Verästelungsstellen der Centralcapillaren, wo naturgemäss die Zellen sehr leicht ins Gedränge gerathen. Rücken nun ein oder mehrere Leberzellen in derselben Ebene, in welcher die Verästelung des Leberschlauches liegt, vom centralen Gallengang weg der Peripherie zu, so wird sich der Gallenstrom theilen, um den ihm dadurch gebotenen kürzeren Weg zu seinen Aesten zu benutzen. Die Nachbarn der ausweichenden Leberzellen aber werden von oben und unten dort verschmelzen, wo anfänglich die Capillare lag. In dem Schema Textfig. 2 habe ich die ursprüngliche Lage der Capillare punktirt dargestellt und in der nebenstehenden Figur einen einfachen Fall des Zustandekommens solcher Maschen von der Fläche gezeichnet. Da ich vergeblich nach Anfangsstadien der Bildung der Maschen suchte, was bei Fig. 3. Schema der Theilung einer dem sehr spärlichen Vorhandensein ausgebildeter nicht Wunder nimmt, sich verzweigenden Centralcapillare muss ich es bei dieser Vermuthung bewendet sein lassen, die sich auf die in zwei (punktirt dargestellte) Tochter- ö ö äste. Es resultiren drei Capillaren, beiden Thatsachen stützt, dass Zellen der Myxine-Leber nicht selten vom DUeTEhS eine Gr ie ES Mas Helle ntralliimen abgedrängt liegen und dass, wie ich später bei anderen Objecten (vgl. Amphibien, Säugethiere) Schritt für Schritt zeigen kann, die Gallencapillaren im Stande sind von ungünstigen zu ihnen günstigeren Stellen zu wandern. Die leinzelnen Leberzellen der Myxine lassen in ihrem Protoplasma fädige Gerüstwerke erkennen, die stellenweise maschenartig sich zusammenschliessen. Mit Osmiumsäure schwärzen sich in Präparaten, die in MüLLeEr’scher Flüssigkeit aufgehoben waren, hin und wieder in den Maschenzwischenräumen liegende Kügelchen. Ausser diesen liegen in dem Gerüstwerk selbst grössere kugelige Gebilde, welche mit Eisen- hämatoxylin sich schwarz färben, bei gewöhnlicher Hämatoxylin-Eosinfärbung sich aber nicht tingiren lassen. Ganz gleich aussehende Kugeln, die auch zu grösseren Klumpen verbacken sein können, sah ich in den Leukocyten, welche ziemlich zahlreich in den Gefässen oder deren Scheiden liegen. In der Nähe der Gallen- capillare ist das Fadenwerk des Zellleibes meist dichter und oft streifig angeordnet. Bei weitem am auf- fallendsten sind aber in den meisten Zellen dunkel gefärbte Parthieen, welche bald in nächster Nachbar- schaft des Kerns, bald etwas von ihm entfernt, meist zwischen Kern und Peripherie des Leberschlauches liegen. Diese „Nebenkörper“, wie ich sie nennen will, haben sehr wechselnde Formen. Sehr oft sind sie zipflig nach der Peripherie ausgezogen und liegen dem Kern halbmondförmig an. Manchmal umgeben sie auch den ganzen Kern, nach beiden Seiten zipflig auslaufend. Ein anderes Mal können sie als gebogene oder wurstförmige Gebilde in der Zelle liegen oder als selbständige Halbmonde sich dem Kern anschmiegen. Sie erinnern in diesem ganzen Habitus an die Nebenkerne des Pancreas, wie sie NUSSBAUM (34) zuerst beschrieben hat. Einer feineren Structur entbehren sie selten; meist sieht man sie aus Fäden zusammen- gesetzt, die entweder parallel verlaufen oder nach einem Mittelpunkt convergiren. Ich versuchte, um über die Natur dieser Nebenkörper mir Klarheit zu verschaffen, zunächst mit geeigneten Tinctionsmitteln Centrosomen sichtbar zu machen, weil bei dem fädigen Charakter dieser Gebilde der Gedanke an eine archiplasmatische Herkunft sehr nahe lag. Es gelang mir jedoch nicht, solche zu finden. Da wies sich 13 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 313 mir ein anderer Weg meine Vermuthung zu bestätigen. Die Leber erwachsener Exemplare von Myswine enthält nämlich vereinzelte Leberzellen mit Kerntheilungsfiguren. Ich sah nur solche Bilder, welche dem Beginn der Metaphase (FLEMMINnG) entsprechen. Die achromatischen Fäden, welche sich an die kurz stäbchen- förmigen, beinahe kugeligen Chromosomen ansetzen bestehen theils aus einfachen Fäserchen, zum grössten Theil jedoch aus hellen Bändchen mit einer dunklen Mittelrippe. Wenn schon diese achromatischen Spindeln in der Form mit vielen der Nebenkörper völlig: übereinstimmen und in den in Theilung begriffenen Zellen neben den Spindeln Nebenkörper nie vorhanden sind, so wird meines Erachtens die Identität beider sichergestellt dadurch, dass die achromatischen Bändchen mit stärkerer Mittelrippe auch in solchen Neben- körpern nachweisbar sind, welche in Spindelform dem ruhenden Kern anliegen (Fig. 76). Diese ruhenden Kerne, welche in die Spindel eingebettet sind, oder an welche die Spindelfasern von der Seite herantreten, gleichen in diesen Beziehungen ausserordentlich den Furchungskernen junger Blastulae des Triton alpestris (6). Die Aehnlichkeit geht so weit, dass hier wie dort besondere Zugbändchen an die Kernmembran herangehen, ehe diese Spuren von Auflösung zeigt. Die Centrosomen der Kerntheilungsfiguren sind äusserst klein und in meinen Präparaten von Mysine eigentlich nirgends, auch !bei Leukocyten nicht, mit der Schärfe wie etwa in Amphibienlebern zu erkennen. Ich kann deshalb nicht sagen, ob die „Nebenkörper‘ Centrosomen besitzen. Winzige Körnchen sind zwar hin und wieder in den Spindelcentren zu sehen (auch bei Eisen- hämatoxylinfärbung nach HEIDENHAIN’s Angaben), aber solche finden sich auch anderswo und wie Centro- somen sehen sie nicht aus. Alle verschiedenen Formen der archiplasmatischen Substanz dieser Zellen in ihrem Zusammenhang zu erklären, kann in dieser Arbeit nicht meine Aufgabe sein, obgleich sie gewiss dankenswerth wäre. Denn secernirende Zellen von solcher Grösse, in welchen bei völliger Ruhe des Kerns so entwickelte achromatische Fadenwerke gebildet sind, kennen wir sonst meines Wissens nicht (Fig. 2, 3, 75, 76, 77). Zusammenfassung. 1) Die Myxinoiden-Leber ist eine tubulöse Drüse, deren Schläuche sich sehr stark verästeln und ver- zweigen. Die Schläuche endigen blind und vereinigen sich wahrscheinlich nirgends zu Netzen. 2) Die feineren Gallenwege setzen sich aus einer Centralcapillare von wechselnder Weite und zahl- reichen blinden Seitenästen zusammen. Letztere dringen an den Kanten der Leberzellen zwischen diese verschieden weit ein, ohne jemals die Peripherie der Schläuche zu erreichen. Manche Seiten- äste verlaufen zu Leberzellen, welche sich vom Lumen des Leberbalkens zurückgezogen haben. 3) Es kommt, wenn auch sehr selten, vor, dass die Centralcapillare in zwei Aeste getheilt ist. Diese bilden inmitten des Leberschlauches eine kleine Masche. 4) In den Leberzellen finden sich neben dem Kern „Nebenkörper“, welche wechselnde,Gestalt annehmen und in bestimmten Stadien mit den achromatischen Spindeln der Kerntheilungsfiguren von Leber- zellen derselben Präparate structurell völlig übereinstimmen. Die Nebenkörper sind also archiplasma- tischer Natur. Das sind die Hauptergebnisse einer Untersuchung der Myxinoiden-Leber. Ob die Leber aller Cyclostomen ebenso gebaut ist, kann ich nicht sagen. Wenn auch Gorcı-Präparate für Ammocoetes ein gleiches Verhalten der Gallencapillaren wie bei Mysine aufweisen, so mögen sich vielleicht mit anderen Methoden doch Anastomosen derselben nachweisen lassen. T. W. SHORE und H. Lewis Jones (41) haben die Petromyzon-Leber als abweichend von Allem, was sonst für die Wirbelthierleber typisch ist, geschildert. Diese Angaben bedürfen jedoch sehr der Nachprüfung. 314 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. IA Ueber die Anordnung der Gallenwege bei Myzine stimme ich mit RETZIUS überein. Nur in einem Punkte weiche ich ab, indem ich nämlich kleine Netzbildungen nachweisen konnte. Diese möchte ich noch einer besonderen Beleuchtung unterwerfen. Wir können gewiss die Leber von Myswine noch als eine schlauchförmige Drüse bezeichnen. Und doch kommen bei diesem primitiven Typus schon Anfänge einer Veränderung des tubulösen Baues vor. Wenn, gleichviel aus welchen Ursachen, an der Verzweigungsstelle eines Leberschlauches ein centraler Gallengang sich nicht mehr findet, statt dessen aber die Zellen sich um zwei abführende Gänge gruppirt haben, so sehen wir hier eine Beweglichkeit und Verschiebbarkeit der einzelnen Elemente des Drüsen- schlauches auftreten, die in anderen schlauchförmigen Drüsen, wie der Niere oder dem Hoden, sich nicht finden. Eine ähnliche Verschiebbarkeit äussert sich in dem Zurückweichen einzelner Zellen vom Lumen des Centralkanals, das wir, freilich in stärkerem Maasse, bei Belegzellen der Fundusdrüsen oder den Lunulae der Speicheldrüsen sehen. Die Ursache zu der Möglichkeit den starren Drüsenverband zu lockern finde ich in dem Vorhandensein der blinden Seitenäste der Centralcapillaren, die in allen diesen Fällen bestehen, bei den anderen jedoch fehlen. Je reichlicher diese vorkommen und je ausgebildeter sie im Einzelnen sich erweisen, um so unabhängiger vom Centralkanal sind natürlich die von ihnen berührten Zellen. Das Zurückweichen der Zellen vom Centrallumen ist nur eine geringe Abweichung vom rein tubulösen Bau, welche auch bei anderen tubulösen Drüsen sogar in weit stärkerem Maasse vorkommt. Es kommt nur deshalb hier für uns in Betracht, weil es manchmal zur Spaltung der Gallencapillare und zur Entstehung der Netzbildung bei Myxine führt. Letztere ist eine bei anderen tubulösen Drüsen unbekannte Veränderung des rein schlauchförmigen Drüsenschemas. Darauf beruht die Wichtigkeit dieser kleinen Maschen für die Auffassung der Myxinoiden-Leber und für die symptomatische Bedeutung, die ich ihnen im weiteren Verlauf meiner Untersuchungen beigelegt habe. Il. Die Leber der Fische. A. Vergleichend-anatomischer Befund. (Vergl. Taf. XXXII, XXVIL) Ueber die feinere Histologie der Leber von Selachiern und Holocephalen habe ich ausser den kurzen Bemerkungen Levpıg’s (3I, S. 58 und 32, S. 359) aus den Jahren 1852 und 1857 in der Literatur nichts finden können. LeEypıc hat die gröberen Gallengänge gesehen und bildet sie bei Rochen ab. Im Uebrigen nimmt er, den Anschauungen der damaligen Zeit entsprechend, einen schwammartigen Bau des Organs an. Der ungeheure Fettreichthum der Leber dieser Knorpelfische setzt der Untersuchung auch heute noch grosse Schwierigkeiten entgegen. Namentlich die Leber von Chimaera, von der schon LEYDIG berichtet, dass das Fett beim Einschneiden in dieselbe in Tropfen herausquillt, ist im Wesentlichen ein grosser Thransack. Im lebenden Zustande ist das Gewebe so brüchig (weil eben ausser dem Thran so wenig Gewebe vorhanden ist), dass man beim Oeffnen der Leibeshöhle des Thieres schon Gefahr läuft das grosse Organ zu verletzen und einen Strom von Thran dadurch zu entfesseln. Grössere Haifischarten, wie Laemargus borealis, werden des Thrangehalts ihrer Leber wegen im nördlichen Norwegen eifrig gejagt. Das Material von Acanthias, Raja und Chimaera, das ich in Bergen in der gewöhnlichen Weise in kleinen Stückchen mittelst Sublimatessigsäure conservirt hatte, liess auf Schnitten kaum mehr als den ungeheuren Fettreichthum der Zellen erkennen. Im Uebrigen war die Erhaltung der Gewebe eine sehr mangelhafte. Die Gorcı-Methode versagte bei dem Material, das in Mürrer’scher Flüssigkeit aufge- hoben war. 15 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der, Leber der Wirbelthiere. 315 Dagegen erwies sich die Leber derjenigen Fische, welche in toto mit Sublimatessigsäure durchströmt, ebenfalls vom Gefässsystem als Ganzes ausgewaschen und mit Alkohol durchtränkt worden waren, als sehr brauchbar, jedenfalls ein Erfolg dieser Methode (5), die in erster Linie dazu bestimmt war Material für feinere Nervenpräparationen zu gewinnen. Die Leberzellen eines ausgewachsenen Acanthias vulgaris Rıs. übertreffen an Grösse fast diejenigen der Myxine und gehören jedenfalls zu den grössten Leberzellen, "die ich in der Wirbelthierreihe kenne. Dabei sind sie ausserordentlich arm an Protoplasma. Die Kerne liegen wandständig in einem schmalen Protoplasmasaum. Der übrige Zellleib setzt sich aus sehr dünnwandigen, grossen oder auch winzigen Waben zusammen, die alle prall mit Fett gefüllt sind. Die Zellwände sind sehr fein und nur schwer zwischen den grossen Fettkugeln zu verfolgen. Die Blutgefässe der Leber sind ziemlich reich an Bindegewebe. Bıonpr’sche Mischung erlaubt dunkelrothe, dicke Fasern auf längere Strecken hin in den Gefässscheiden zu verfolgen. Zwischen den Gefässen liegen die der Grösse der Zellen entsprechend dicken Leberschläuche, und in ihrem Centrum erkennt man sehr feine Lumina, die Gallencapillaren. Um sie zu sehen, darf man nicht zu dünne Schnitte nehmen. Denn nur dort, wo man die Gallencapillaren auf längere Strecken hin ver- folgen kann, findet man sich zurecht zwischen dem Wirrwarr grosser und kleiner Fettkugeln, die bald Capillarquerschnitte vortäuschen können oder die Gallenwege ganz verdecken. Die Gallencapillaren sind leicht winklig gebogen und folgen darin der Form der Leberzellenkanten, die sie begrenzen helfen. Blinde Ausstülpungen kommen selten vor und dann auch nur als sehr kleine der Capillare anhängende Beutelchen (Fig. 87). Das ist Alles, was meine Präparate mir zu sehen gestatten. Die grossen Zellen und kleinen Capillaren bereiten der mikroskopischen Untersuchung zu grosse Schwierigkeiten, um genauere Vorstellungen vom feineren Bau der Leber erwachsener Thiere zu gewinnen. Günstiger liegen die Verhältnisse bei den Knochenfischen. Ihre Leber ist in Folge dessen auch genauer untersucht worden. EBERTH (12, 13) hat mit Hülfe natürlicher Injectionen gefunden, dass die Leber rein tubulös gebaut ist und den Typus der Reptilienleber in den, wenn auch spärlichen, netzförmigen Ver- bindungen der Leberschläuche erkennen lässt. Die Gallencapillaren sind äusserst fein, feiner noch als bei der Säugethierleber, und sind rein axial gelegen. Seitencapillaren sind nicht vorhanden. Zu dem direct entgegengesetzten Resultate kommt RETZIuS (38) auf Grund von Gorı-Präparaten. Nur die besondere Feinheit der Capillaren giebt er übereinstimmend mit EBERTH an. Dagegen endigen nach Retzıvs bei Esox und Anguilla nicht nur die Centralcapillaren blind, sondern sie schicken auch zahlreiche feine Seitenäste aus, die ihrerseits oft in kleine, fast büschelartige Endverzweigungen auslaufen. „Ein wirk- liches Anastomosiren der Gallencapillaren konnte ich auch hier niemals nachweisen.“ Auch ich wählte die Leber des Aales (Anguilla vulgaris L.) zur genaueren Untersuchung, weil bei ihr die Gallencapillaren leichter zu finden sind als bei anderen Knochenfischen. Das Protoplasma der Leberzellen besteht nämlich in der Nähe der Capillaren aus einem dichten Gewirr von Fäden und Körnchen und erscheint daher bedeutend dunkler als der übrige Zellleib. Die Gallenwege, die an sich sehr schmal sind, verlaufen daher in einer ziemlich breiten dunklen Strasse, die leicht ins Auge fällt. Die Gefässe sind von ziemlich reichlichem, wahrscheinlich elastischem Gewebe umgeben, das durch Chromsilber sich als ein zartes Netz von feinen geschwärzten Fäserchen darstellen lässt. Es sind das ähnliche Fibrillen wie die umspinnenden Fasern oder Gitterfasern, die OPPEL (35) für die menschliche Leber abgebildet hat. 216 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 16 J In Folge dieser bindegewebigen Grenze zwischen Drüsenschläuchen und Gefässen sind erstere leicht zu verfolgen. Der tubulöse Bau ist ein reiner, die Tubuli weisen auf dem Querschnitt vier Zellen auf. Die Gallencapillaren liegen axial. Blinde Endigungen derselben konnte ich nicht entdecken, trotzdem sie sich auf längere Strecken verfolgen liessen. Ihr Verlauf ist ziemlich stark geknickt, da die einander gegen- überliegenden Zellen wie Zähne zweier Kammräder ineinander greifen, und die Gallenwege ihren centralen Kanten folgen. Zwischen den Zellen buchtet sich manchmal die Capillare etwas vor; es können diese Ausbuchtungen Knopfform besitzen oder sie haben das Aussehen gestielter Tropfen. Diese Anhänge sind stets auf einer Grenzlinie zwischen zwei Zellen zu finden und liegen also intercellular, nicht in den Zellen selbst. Grössere Seitencapillaren sind nicht vorhanden (Fig. 6, 7, 39). Nach langen vergeblichen Versuchen erhielt ich gute Imprägnationspräparate der Aalleber. In denselben sind vasozonale Maschen reichlich zu sehen. In diesem Punkte komme ich also zum entgegen- gesetzten Befund von Rerzıus, der wirkliches Anastomosiren der Gallencapillaren nie fand (Fig. 5). Bei anderen Knochenfischen hatte ich mit der GorcgI’schen Methode wenig Glück, so dass ich die Angaben von RErzıus über den Hecht nicht nachprüfen konnte. B. Ontogenetischer Befund. (Vergl. Taf. XXVII, XXXIL) Da die Haifisch-Leber erwachsener Thiere wegen ihrer durch den Fettgehalt enorm geblähten Zellen und engen Gallencapillaren nicht Aufschluss über alle Fragen giebt, die uns beim Studium [des feineren Baues dieses Organes interessiren, suchte ich die Entwickelung der Leber bei Embryonen und jungen Thieren zu verfolgen. BALFOUR (3) hat die erste Anlage der Leber als das Auswachsen einer blinden Ausstülpung aus dem Darm beschrieben. Aus dieser entwickeln sich alsbald zwei Blindschläuche, die sich stark verästeln und schnell in die Länge wachsen. Im folgenden Stadium anastomosiren die Leber- schläuche und bilden ein regelmässiges Netzwerk. Diese Darstellung der Leberentwickelung kann ich durchaus bestätigen. Die Bildung des Netz- werkes, die für uns ja von besonderem Interesse ist, ist bei einem Acanthias-Embryo von 33 mm Länge vollendet und sehr deutlich zu sehen. Die Capillaren sind von wechselnder Weite, aber nirgends so eng wie beim erwachsenen Thiere, und die Zellen sind noch klein und frei von Fett. Die Tubuli sind sehr regelmässig gebaut und weisen auf dem Querschnitt durchschnittlich sieben Zellen auf (Fig. 1). Aeltere, fast ausgetragene Acanthias- und ebenso Spinax-Embryonen besitzen schon stark fetthaltige Lebern. Da sich die Embryonen von Spinax niger (52 mm Länge) als besser conservirt erwiesen, berück- sichtige ich vor allem diese. Der tubulöse Bau ist noch zu erkennen, und die Gallencapillaren lassen sich auf längere Strecken verfolgen. Sie liegen streng axial (Fig. 88). Besonders gut waren in der Leber eines jungen Exemplars von Scyllium canicula von 21,5 cm Länge die Gallencapillaren zu sehen. Auch sie wiesen keinerlei Anhänge oder Seitenzweige auf. Blinde Endigungen sah ich nicht. Da also die Leber der Haifische in frühen Entwickelungsstadien schon einen netzförmig-tubulösen Bau besitzt und in diesem keine Aenderung sich bemerkbar macht während des Beginnes und Fortschreitens der Fettanhäufung in den Leberzellen, so kann man wohl schliessen, dass das Organ des erwachsenen Thieres ebenfalls netzförmig-tubulös gebaut ist. 17 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 317 Zusammenfassung. I) Die Leber der Fische ist eine netzförmig-tubulöse Drüse. Die Leberschläuche bilden ein Balken- werk, durch dessen Maschen wir uns das Gerüst der Blutgefässe hindurchgesteckt denken müssen, so dass das eine Netzwerk die Lücken des anderen ausfüllt. 2) Die Gallencapillaren zeichnen sich durch ihre Feinheit aus. Sie liegen streng axial in den Drüsen- schläuchen und sind hin und wieder mit kleinen knopf- oder pilzförmigen, intercellulär gelegenen Aussackungen besetzt. Grössere Seitencapillaren fehlen. 3) Die Leberzellen der Knochenfische sind klein. Bei Selachiern und Holocephalen sind dieselben ausserordentlich gross, da sie zahlreiche, zum Theil mächtige Fettkugeln einschliessen. Diese Resultate stimmen im Wesentlichen mit der Darstellung EBERTH’s von der Leber der Knochen- fische überein. Nur unterscheiden sie sich darin, dass auch die Gallencapillaren der Fische kleine blinde Anhänge besitzen. f Der hohe Thran- und minimale Protoplasmagehalt der Leberzellen der Selachier und Holocephalen lest die Vermuthung nahe, dass die Leber dieser Thiere functionell in einseitiger Richtung sehr hoch differenzirt sei und vielleicht mit der Gallenbereitung nichts mehr zu thun habe. Doch ist der gallen- abführende Apparat morphologisch in derselben Ausbildung wie etwa bei Knochenfischen vorhanden, und nach den physiologischen Untersuchungen KRUKENBERG)’S (27) scheidet die Leber der Rochen Galle aus, welche dieselbe neutralisirende und alkalescirende Wirkung auf den Darminhalt auszuüben scheint, die wir über- haupt als charakteristisch für die Galle anzunehmen gewohnt sind. Immerhin glaube ich, dass chemisch- physiologische Untersuchungen der Leber der Haifische im Vergleich mit denen anderer niederer Wirbel- thiere zu interessanten Resultaten führen müssten. Ill. Die Leber der Amphibien. A. Vergleichend-anatomischer Befund. (Vergl. Taf. XXVII, XXVIIH, XXXIL) Die Amphibien-Leber hat namentlich unter den älteren Histologen besonderes Interesse erregt durch die „zweierlei Substanzen“, aus welchen sie sich zusammensetzt. Die erste ausführliche Beschreibung der- selben bei Gliedern fast aller Ordnungen und Unterordnungen verdanken wir EBERTH (12, 13). Ihm erscheinen die Unterschiede zwischen der Amphibien-Leber und der Leber der übrigen Wirbelthiere so ausgeprägt, dass er einen „Batrachiertypus“, der für erstere gilt, und einen „Säugethiertypus“, der sich bei Fischen, Reptilien, Vögeln und Säugethieren findet, unterscheidet. Von den „zweierlei Substanzen“, welche hier in Betracht kommen, ist die eine das specifische Leberparenchym, die andere besteht aus häufig pigmentirten Zellen, deren Natur zunächst unbekannt war. Ich stiess auf diese Zellen bei der Untersuchung der Leber eines ausgewachsenen Proteus anguineus, die mit Lang’scher Flüssigkeit (S.E.) und Sublimatformol fixirt war. Ich will zunächst meine Befunde bei dieser schildern und dabei auf die ganze Frage und einschlägige Literatur näher eingehen. Die Proteus-Leber lässt die „zweierlei Substanzen“ mit grosser Deutlichkeit unterscheiden. Zwischen den Leberzellenbalken bemerkt man grössere Klumpen oder Stränge von Zellen, welche an ungefärbten Schnitten gelblich oder bräunlich aussehen und welche ungefähr gerade so viel Antheil an dem Aufbau des Organs haben als die eigentlichen Leberzellen (Fig. 9). Das hat LEvypıc (32) zuerst gesehen. Jenaische Denkschriften. V, 3 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. 11. 42 218 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 18 ®) Handelt es sich nun bei diesen Zellen um Leberzellen oder deren Abkömmlinge, oder um irgend- welche der Leber ursprünglich fremde Elemente? Dass sie keine parenchymatösen Leberzellen sind, hat schon EBERTH erkannt. In der That sind die Kerne nicht rund wie bei diesen, sondern länglich wurst- förmig und oft in mehrere Stücke zerschnürt. Auch nehmen sie die Kern-Farbstoffe stärker auf als jene. Die Gallencapillaren, welche sich zwischen den Leberzellen schon bei schwachen Vergrösserungen sehr deutlich hervorheben, fehlen im Bereich dieser Zellen gänzlich. Da sich ein braunes Pigment in denselben befindet, fasst EBERTH sie als pigmentirte Bindegewebszellen, Stromazellen, auf. Fasst man die Lage der pigmentirten Zellen genauer ins Auge, so ergiebt sich eine offenbare Beziehung zum Gefässsystem. Regelmässig sah ich an eine oder mehrere Stellen der Peripherie der Zell- haufen Gefässe mit reichlichem Inhalt von rothen Blutkörperchen grenzen. An anderen Stellen, wo die pigmentirten Zellen vereinzelt vorkommen, findet man sie vergesellschaftet mit Erythrocyten. Oft ist dann eine Scheidewand zwischen beiden nicht zu sehen. Oft sieht man jedoch wohl eine solche, und an den Bindegewebskernen, die sich gelegentlich in ihr finden, lässt sich ihre Natur erkennen (Fig.21). Wenn man nun, bedenkt, dass in den grösseren Anhäufungen von pigmentirten Zellen nie rothe Blutkörperchen sich finden, was doch der Fall sein würde, wenn diese Zellen in den Blutgefässen selbst lägen, so muss man annehmen, dass der häufige Mangel einer bindegewebigen Scheidewand zwischen rothen Blutkörperchen und pigmen- tirten Zellen auf Täuschung beruht. Mit anderen Worten: Die pigmentirten Zellen liegen in der Umgebung der Blutgefässe, in deren Lymphscheiden und in Lymphsäcken, welche ihrer Grösse wegen gewissermaassen unabhängig von den Blutgefässen geworden sind. ur Die Zellen selbst sind vollgepfropft mit runden oder ovalen Schollen von der verschiedensten Grösse, welche sich mit Orange färben und von Osmium nicht geschwärzt werden. Zwischen diesen liegen zahl- reiche dunkle Pigmentkörnchen und andere Granula, welche eine grosse Affinität zu Fuchsin besitzen. In solchen Zellen, bei welchen diese Einschlüsse spärlich vorhanden sind, kann man sich überzeugen, dass in ihnen eine wohl ausgebildete Sphäre mit Centrosom und concentrischen Ringen in dem reich entwickelten Radiensystem sich befindet. In allem diesem gleichen diese Zellen Leukocyten, und ihre Wanderzellennatur ergab sich daraus, dass ich dieselben Zellen zwischen den Epithelzellen des Darmes in der Nähe der Leber und in den Darmbeutelchen in derselben Gegend fand. Da unter diesen Wanderzellen im Darm solche häufig vorkommen, in denen die gelb gefärbten Schollen durchweg kleiner als bei den in der Leber befind- lichen Wanderzellen sind, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Wanderung vom Darm zur Leber und nicht umgekehrt stattfindet (Fig. 12, 13). Dieser Befund, den ich, ohne die vortrefflichen Beobachtungen Opper’s (36) an demselben Object zu kennen, erhoben hatte, dient also in den wichtigsten Punkten zu einer vollständigen Bestätigung der Resultate, welche jener Forscher folgendermaassen zusammenfasst: I) Lymph- und Blutbahnen der Leber coincidiren nicht. 2) Die Pigmentinseln der Leber liegen innerhalb des Lymphsystems. 3) Die Pigmentzellen der Leber und des Darmes sind Wanderzellen. 4) Wanderzellen begrenzen stets kapselartig die Pigmentzellgruppen der Leber. Den letzteren Punkt fand ich in meinem Präparat nicht bestätigt. Es lagen zwar häufig Leukocyten und zwar namentlich Mastzellen an der Peripherie der mit pigmentirten Zellen gefüllten Lymphsäcke, ohne aber eine völlig kapselartige Umhüllung zu bilden. Es scheint dies also zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Thieren verschieden zu sein, ebenso wie die lymphatische Randzone schwankt, welche OPrEL gerade so ausgebildet wie bei Salamandrinen fand, während sie EBertw’s und meinen Thieren fehlte ) 1) Ebenso wies die von mir untersuchte Leber keine deutliche radiäre Anordnung der Leberbalken auf ihrem Querschnitt auf. 19 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der. Leber der Wirbelthiere. 319 OpPpEr ist es gelungen nach der Bönm’schen Methode ein dichtes Bindegewebsnetz darzustellen, welches die grossen Lymphsäcke der Proteus-Leber gegen die specifischen Leberzellen abschliesst. Mir scheint es so, als ob nur die enorme Grösse dieser Säcke sie unabhängig vom Blutgefässsystem erscheinen lässt, dass aber die ursprünglichen engen Beziehungen zu den Blutgefässen stets darin noch zu erkennen sind, dass neben den Lymphsäcken ein oder mehrere Blutgefässe liegen. Man findet alle Uebergänge von solchen Stellen, wo eine oder einige Pigmentzellen dicht neben oder scheinbar in den Blutgefässen liegen, zu solchen, wo man nur nach einigem Suchen neben den grossen Lymphsäcken im Verhältniss zu ihnen kleine Gefässe findet. Die mit Bıonpr’'scher Mischung gefärbten Wanderzellen der Proteus-Leber erinnerten mich mit ihren wurstförmigen Kernen, dem enormen Reichthum an gelben Schollen, den kleinen, schwarzen Pigmentkörnchen und ausgebildeten archiplasmatischen Systemen an Dotterzellen des Amphibien-Eies. Die Blastomeren des Triton-Eies z. B. sind gerade so voll gestopft mit gelben Schollen, den Dotterkrystalloiden, die mit schwarzen und rothen Granulis gemischt sind und wenig Raum für den Kern und die Sphäre übrig lassen (6). Trotzdem kann es sich nicht um Dottersubstanz bei diesen Einschlüssen handeln. Denn das Verhalten gegen die Hämatoxyline ist ein anderes. ÖPPEL erhielt bei Behandlung der Schnitte mit Ferrocyankalium und Salz- säure nach PERLS eine deutliche Eisenreaction. Ich will daher den alten Namen „Pigmentzellen“ für sie beibehalten, obwohl ich glaube, dass der Pigmentgehalt, wie bei den Eizellen der Amphibien, nicht der wesentlichste der Factoren ist, welche sich am Aufbau dieser Zellen betheiligen. Diese Pigmentzellen hat nämlich EBERTH bei sämmtlichen Amphibien nachgewiesen (13). Während sie aber bei Proteus constant vorzukommen scheinen, und ihre Menge zu den verschiedenen Jahreszeiten nur unerheblichen Schwankungen zu unterliegen scheint, sind diese Schwankungen besonders bei Salamandrinen und Tritonen ganz ungeheure. Dieselben sind deshalb äusserst interessant, weil sie dazu dienen uns die Bedeutung der Pigmentzellen zu verdeutlichen. EBERTH hat die Zeiten und Umstände ihres Auftretens besonders erforscht. Sie fehlen bei Salamandrinen während der zweiten Hälfte der kalten Jahreszeit in unseren Klimaten in den Monaten Februar und März vollständig, und in dieser Zeit hat die Leber selbst eine helle, gelbweisse Farbe; sie ist eine exquisite Fettleber. Gegen Ende März nimmt der Fettgehalt der Leber besonders stark ab, und das ganze Organ verkleinert sich. Bald treten dann die ersten Pigmentzellen auf, um in den nächsten Monaten der ganzen Leber makroskopisch eine tiefbraune bis schwarze Farbe durch ihre ungeheure Menge und Ueberladung mit Farbstoffen zu verleihen. EBERTH bemerkt: „Da die Verkleinerung der Salamandrinen-Leber durch Abnahme ihres Fettes bei gleichzeitiger Pigmentaufnahme ihrer Stromazellen mit der Entwickelung der Geschlechtsstoffe collidirt, so ist es wohl zweifellos, dass beide Vorgänge in einem causalen Zusammenhang mit einander stehen.“ Da ich nach den Befunden OPPper’s, die ich bestätigen konnte, annehme, dass es sich nicht um eine blosse Wanderung von Pigment handelt, das sich in Stromazellen der Leber ablagert, wie EBERTH meinte, sondern dass diese unter anderen pigment- haltigen Zellen selbst von aussen her, besonders aus dem Darm, in die Leber der Amphibien einwandern, so möchte ich die zeitlichen Beziehungen der Wanderungen der Pigmentzellen zur Entwickelung der Geschlechtsproducte als Phänomene derselben Ursache auffassen. Die zu Ende der kalten Jahreszeit aus- gehungerten Thiere treten mit Anfang April in eine Periode der colossalsten Stoffwechselvorgänge ein, und diese äussern sich gleicher Weise in der Bildung von Geschlechtsproducten wie dem Transport von uns zur Zeit unbekannten Substanzen aus dem Darm in die in Folge der Inanition geleerte Reservekammer des Körpers, die Leber. EBERTH giebt an, dass die Coecilier, Bombinator igneus und die Jugendformen des Frosches die centralen Pigmentzellen nicht besitzen, und dass diesen Thieren nur eine Randschicht von Zellen zukommt, g* 42* 320 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 20 die wir jetzt als Iymphatische Zone kennen. Bombinator konnte ich nicht selbst untersuchen. Jedoch wiesen von den Brüdern Sarasın gesammelte Exemplare von Ichthyophis glutinosus, die mir Herr Professor SEMON zur Verfügung stellte, ziemlich grosse und zahlreiche, mit Pigmentzellen gefüllte Lymphsäcke in ihrer Leber auf. Dasselbe haben für Coecilia SHORE und Jones (41) angegeben. Also auch bei Gymnophionen scheint eine Periodicität im Auftreten dieser Wanderzellen zu bestehen (Fig. 12). Die Anuren machen nach EBERTH in der That eine Ausnahme insofern, als bei ausgewachsenen Thieren Pigmentzellen ausserhalb des Blutgefässsystems immer sehr spärlich vorhanden sind, und auch das Auftreten und Schwinden derselben zwar nachgewiesen ist, jedoch bei verschiedenen Thieren zu derselben Zeit solche Pigmentzellen sich finden und fehlen können. Bei einem Exemplar von Rana fusca, das ich untersuchte, lagen spärliche, aber äusserst pigmentreiche Zellen zu mehreren oder einzeln in den Lymph- scheiden der Gefässe, und bei solchen, welche zufällig wenig Pigment enthielten, oder bei denen dieses während der Behandlung herausgefallen war, liess sich ein typischer, wurstförmig gebogener oder fragmen- tirter Kern nachweisen (Fig. 27). Bei den anderen Zellen ist vom Kern meist gar nichts zu sehen. Diese Pigmentzellen haben also dieselbe leukocytäre Natur wie die oben beschriebenen. Ich habe diesen höchst auffälligen „Batrachier-Typus‘ deshalb so eingehend berücksichtigt, weil die eigentlichen Leberzellen der Amphibien nicht unbeeinflusst von den grossen Zellansammlungen in ihrer Nachbarschaft bleiben. Fast alle Autoren sind sich darüber einig, dass die Amphibien-Leber einen rein tubulösen Bau besitzt. HERING (19) hat Frösche und Salamander untersucht und führt für die Amphibien-Leber den Vergleich Hyrrr’s an, welcher sich die Blutgefässe wie ein im Raum ausgebreitetes Gitterwerk von Eisenstäben vorstellt, durch dessen Lücken ein feines Drahtgitter, die Gallencapillaren, durchgeflochten ist. „Draht- und Eisenstäbe stehen überall um den Durchmesser einer Leberzelle von einander ab“, fügt HERING hinzu. EBERTH (12) bestätigt diesen Bau im Allgemeinen, beschreibt aber ausser den netzförmig sich verbindenden Schläuchen einmal blind endigende Tubuli und ferner von den Centralcapillaren abgehende spärliche Seitencapillaren, welche zwischen die Zellenkanten oder -wände der Leberzellen des Schlauches eindringen. Sie erreichen höchstens den halben Durchmesser einer Leberzelle, selten mehr. RETZIUS (38) konnte Netzbildungen der Gallencapillaren nicht nachweisen und sagt nur, dass in dickeren Schnitten oder ungünstigen Stellen Netz- bildungen durch Ueberkreuzungen vorgetäuscht werden können. Er nimmt das Vorhandensein zahlreicher blinder Seitencapillaren an. Letztere sah auch R. Krause (25) bei Salamandra maculata und zwar zwischen den Flächen benachbarter Leberzellen verlaufen. Derselbe Forscher giebt auch an, dass von diesen Seiten- zweigen und von dem Hauptstamme feine, am Ende oft kolbig anschwellende Aeste in das Innere der Leber- zellen selbst eindringen, und dass bei Siredon pisciformis nicht nur Seitenäste in die Leberzellen hineinführen, sondern die Gallencapillaren selbst direct den Leib der Leberzellen durchbohren. Schliesslich haben J- W. Fraser und E. HrwAT FRASER (14) minutiöse inter- und intracelluläre Gänge in vom Gefässsystem aus injicirten Frosch-Lebern gesehen, die sie für Blutserumcapillaren halten. Die Leber der Urodelen bietet der Untersuchung Schwierigkeiten, weil in Folge der Grösse der Zellen wir in unseren Schnitten immer nur verhältnissmässig kleine Ausschnitte der Tubuli vor Augen haben. Selbst die Bilder, welche dicke Schnitte liefern, sind recht unübersichtlich. Die Benutzung von Schnittserien ist aber dadurch erschwert, dass es nicht immer leicht ist die entsprechende Stelle im Nachbar- schnitt wiederzufinden. Am ausgeprägtesten fand ich den „Amphibientypus“ der Leber bei Proteus anguineus. Dass es bei diesem Thier typische Leberschläuche giebt, erkennt man an dem Vorkommen rings von Blut umspülter Querschnitte solcher. Diese bestehen meist aus 3 oder 4 Zellen, welche sich um ein centrales Lumen lagern SE - 21 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 321 (Fig. 21). Doch giebt es auch Querschnitte aus nur 2 Zellen bestehend, zwischen deren an einander grenzenden Flächen die Gallencapillare gelegen ist (Fig. 8). Schon auf den Querschnitten, noch deutlicher bei Seiten- ansichten der Centralcapillaren sieht man zahlreiche Seitenäste von ihnen ausgehen. Dieselben haben die wechselndsten Formen. Bald tropfenförmige oder sackartige, bald glattwandige oder vielfach ein- und aus- gebuchtete, kurze oder lange Ausstülpungen der Centralcapillare stellen sie vor. Häufig sieht man sie — bei Seitenansichten eines Tubulus — von der Centralcapillare abgehen und auf der Grenzlinie zwischen zwei Zellen liegen. Hat man in günstigen Fällen diese Seitencapillaren im Querschnitt vor sich, so liegt auch dieser in einer Zellgrenze. Daraus ist zu schliessen, dass die Seitenanhänge der Centralcapillaren zwischen den Flächen der Leberzellen liegen. Aber es kommt doch sehr oft vor, dass sowohl diese Seiten- capillaren als auch besonders die Centralcapillaren scheinbar im Innern von Leberzellen sich befinden. Darin gleicht Proteus ganz dem Axolotl, für welchen ja Krause thatsächlich einen intracellulären Verlauf angegeben hat (Fig. Io, 11). Es kommt dies daher, weil es oft sehr schwer hält die Zellwände von der Fläche aus wegen des dünnschichtigen, wenn auch meist dicht verfilzten, Ektoplasmas wahrzunehmen. Hat man nun eine Stelle vor sich, wo die Centralcapillare aus irgend einem Grunde über die Fläche von Zellen verläuft, also z. B. eine Stelle, wo der Leberschlauch nur aus zwei Zellen sich zusammensetzt, dann sieht es freilich oft ganz so aus, als ob die Capillare durch die Zelle hindurch liefe, wenn nämlich die Berührungswand beider Zellen senkrecht zur optischen Axe liest. Häufig freilich sieht man auch dann die Zellwand und kann sich über- zeugen, dass die Capillare in ihr liegt. Aber sieht man die Zellwand nicht, so darf man keine weiteren Schlüsse über die Lage der Capillare zu ihr aus diesem negativen Befund ziehen. Unter den vielen Fällen, in denen auf den ersten Blick Central- oder Seitencapillaren intracellulär zu liegen schienen, hielt keiner einer kritischen Betrachtung Stand, wenn ich mir vergegenwärtigte, dass man Zellwände mit Sicherheit nur im Querschnitt erkennen kann. Auch das Verhalten zu den Kernen, das KrAUsE für besonders beweisend hält und so beschreibt, als ob die Capillare gewunden im Innern der Zelle um den Kern herumlaufen könnte, kann mich nicht überzeugen. Die Kerne liegen doch eben oft in unmittelbarer Nähe der Zellwand und so kann bei besonderer Schnittrichtung auch eine intercelluläre Gallencapillare sich um den Kern in dessen nächster Nachbarschaft herumschlängeln. Ich sah selbst übrigens solche Bilder nicht, wo wirklich die Capillare in nächster Nähe des Kerns gelegen hätte. Voll beweiskräftig scheinen mir auch hier, wie überall bei der Beurtheilung der Lage der Gallenwege Fig. 4a. Fig. 4b. zu den Leberzellen, nur solche Bilder, welche die Capillaren im Querschnitt zeigen. Lägen dieselben ® wirklich intracellulär, dann müssten, bei der Häufigkeit ® namentlich der Seitencapillaren und der Weite der Capillaren überhaupt, sehr häufig Zellen zu sehen . > . ; - Fig. 4a. Schema intracellulärer Gallencapillaren sein, in deren Innerem man eine Gallencapillare im „uf dem Querschnitt. Querschnitt sähe. Auch da darf man sich durch Fig. 4b. Schema intercellulärer Gallencapillaren Vacuolen oder Fetttropfen nicht täuschen lassen. Aber aufgdemgieneızehnll bei nicht zu dünnen Schnitten lassen sich ja die Capillaren auch in die Tiefe immer bequem verfolgen und cylindrische Körper von kugligen leicht unterscheiden. Ich konnte Querschnitte von Gallencapillaren in intracellulärer Lage nie finden, in intercellulärer sah ich sie massenhaft. Ich will gleich bemerken, dass bei Siredon pisciformis, dem Object Krause’s, und bei Salamandra maculosa derselbe Befund erhoben werden konnte, so dass ich die Lage der Gallencapillaren und ihrer Seitenäste bei Urodelen als intercellulär bezeichnen muss. Etwas anderes ist es freilich, ob nicht in Fällen, wo die Seitencapillaren wie mit Tröpfchen 322 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 22 besetzt sind, solche sich in die Leberzellen einbuchten können (Fig. 21). Jedenfalls handelt es sich dabei immer um geringe Einbuchtungen der Gallencapillare in die Zellen hinein und nicht im geringsten um Durchsetzungen grösserer Strecken der Zellsubstanz oder gar der ganzen Zelle. Die Gallencapillaren des Proteus sind einmal durch ihre Weite und dadurch ausgezeichnet, dass sie ringförmige, sehr dicht auf einander folgende Einschnürungen besitzen, welche die Peripherie der Capillare zum Theil oder ganz einnehmen und entweder senkrecht oder schräg zur Axe stehen. Dieselben finden sich auch bei Siredon (Fig. 23). Von der Innenfläche der Capillaren aus erscheinen die Firsten dieser Ein- schnürungen als Linien und die Capillarwaud zwischen diesen als homogene Masse. Als solche hat KrAuUsE sie für Siredon beschrieben. Ich fand bei Proteus cytozonale Maschen der Gallencapillaren in dickeren Schnitten und zwar solche, die uni- und pluricellulärer Natur waren. Netzbildungen der Gallencapillaren, welche innerhalb der Drüsenschläuche gelegen sind, bedeuten immer Abweichungen vom reinen Schema einer schlauchförmigen Drüse und fordern zur näheren Untersuchung des Grades dieser Abweichung auf. Um mir bei der Proteus- Leber hierüber Sicherheit zu verschaffen, sah ich mich genöthigt Reconstructionen mehrerer Schnitte vor- zunehmen. Es fällt schon an schwach vergrösserten Bildern der Proteus-Leber auf, dass viele der Zellbalken auf lange Strecken hin aus einzelnen an einander gereihten Zellen bestehen (Fig. 9), Man würde danach erwarten, dass die Tubuli grösstentheils nur aus zwei Zellen im Querschnitt beständen. Aber Querschnitte mit zwei Zellen gehören zu den Seltenheiten. Andererseits bemerkt man auch Inseln von Leberzellen bei schwacher Vergrösserung, in welchen drei und mehr Zellen nach jeder Richtung neben einander liegen. Das scheint dagegen zu sprechen, dass die Tubuli im Querschnitt im Maximum nur aus vier Zellen bestehen. Aber solche Stellen sind vieldeutig und zur Entscheidung unserer Frage wenig geeignet. Sie entstehen beispielsweise da, wo der Schnitt eine Verästelungsstelle eines grosszelligen, aber typischen Drüsenschlauches so getroffen hat, dass die einzelnen Tubuli an ihren Wurzeln durchschnitten sind. Schliesslich fällt uns beim Proteus auf, dass an so vielen Stellen seiner Leber die Centralcapillare zwischen den Flächen der Leberzellen verläuft, ein Verhalten, das bisher doch nur bei Säugethieren bekannt war, denen ein rein tubulöser Bau sicher fehlt. Alles dies bestätigt das Bestehen von Abänderungen des tubulösen Baues der Proteus-Leber, ohne über die Natur derselben genaue Auskunft zu geben. Ich griff deshalb zur Reconstruction und wählte dazu an und für sich dicke Schnitte (20 «). Zunächst musste in diesen die Zusammengehörigkeit eines kleinen Zellenterritoriums festgestellt werden. Es wurden deshalb bei schwacher Vergrösserung grössere Parthien, die leicht in den auf einander folgenden Schnitten als zu einander gehörig nach dem Gefässverlauf sich nachweisen liessen, mit dem Prisma auf Pauspapier gezeichnet, die Gefässe, Lymphsäcke und Zellkerne besonders markirt, und dann bei Immersion diejenigen Kerne bezeichnet, welche vom Messer zerschnitten waren. Indem ich nun nach einem grösseren Gefäss, das durch alle Schnitte hindurchging, die Zeichnungen ausrichtete, gelang es, die Theilstücke der zerschnittenen Kerne zur Deckung zu bringen. Damit war zugleich festgestellt, wie die nicht vom Messer getroffenen Kerne zu einander lagen, und ich konnte mir aus dieser grösseren, im Groben reconstruirten Parthie der Leber eine passende Stelle aussuchen. Diese zeichnete ich von neuem nach dreien meiner Schnitte auf Pauspapier mit Hülfe der Immersionslinse und des Prismas, diesmal mit den Details wie Zellwand und Gallencapillaren. Dann legte ich meine Zeichnungen so auf einander, dass wieder die zugehörigen Kern- fragmente sich deckten. Die Probe auf die Richtigkeit der Reconstruction liess sich aus dem Verhalten der Gallencapillaren entnehmen, deren vom Messer erzeugte Durchschnittsstellen auf einander passen mussten und dies auch wirklich thaten. Das Resultat der Reconstruction von zwei Schnitten habe ich in der Fig. 22 wiedergegeben. Ich konnte auch noch den dritten Schnitt genau auf diese Zeichnung projiciren und dann 23 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 323 die Anordnung der Zellbalken bis auf eine Dicke von 60 u verfolgen. Doch zeichnete ich diesen dritten Schnitt nicht mehr ein, da sonst die Abbildung zu unübersichtlich geworden wäre. Man sieht in dieser reconstruirten Parthie einmal, dass zwei cytozonale Maschen aneinander- stossen. Die eine derselben ist unicellulär, die andere pluricellulär. Diese Maschen umgeben die Zellen nicht an ihrem grössten Umfange, sondern umkreisen nur einen Theil einer oder Theile mehrerer Zellen. Denn die unicelluläre Masche erreicht weder die Grösse einer Zelle, noch überschreitet die pluricelluläre die Flächendimension einer einzigen. Der nach unten abgehende „Balken“ besitzt die Breite nur einer Zelle. Als solcher setzt er sich durch die ganze Dicke von 60 u fort, und auf der Zeichnung sind allein schon drei Zellen unter einander zu erkennen, welchen sich im dritten Schnitt noch der Beginn einer vierten anreiht. Die Gallencapillaren liegen hier zwischen den Zellflächen. Ein tubulöser Bau ist also nicht mehr vorhanden. Die Zellen sind statt zu einem Schlauche, zu einer einschichtigen Platte angeordnet, und der „Leberbalken“, den wir auf dem einzelnen Schnitte sehen, ist ein Kunstproduct: er ist erst mit dem Mikrotommesser aus der Zellenplatte herausgeschnitten. Dort aber, wo die beiden Capillarmaschen liegen, sehen wir eine zwei- oder mehrschichtige Platte schräg von der Fläche. Stellen wir uns vor, dass in dem Balkenwerk der Leberzellen, wie es etwa bei Fischen besteht, die regelmässig runden Balken stellenweise ersetzt sind durch Bretter und dass diese meist kurzen Bretter von verschiedener Dicke sein können. Auch die Balken sind bald dicker, bald dünner. Es entsteht dann ein ziemlich complicirt gebautes Gerüstwerk, das uns am ehesten den Bau der Proteus-Leber versinnbildlichen kann. Balken giebt es da noch: dicke, die auf dem Querschnitt vier- oder dreizellig sind, dünne, welche nur zwei Zellen besitzen. Beide sind in ihrem Centrum der Länge nach durchbohrt: von den Gallen- capillaren. Da wo die Platten oder Bretter beginnen, haben wir es mit einer in der Fläche ausgebreiteten Schicht von Zellen zu thun, und zwar bei den dünnen Brettern mit einer einzelligen Schicht, bei den dicken mit einer zweizelligen. Die Bohrungen der Balken setzen sich auch in die Bretter fort, aber in letzteren winden sie sich wie Löcher eines Bohrwurms, sich hin und wieder verbindend, um schliesslich beim Uebergang in die Balken in deren Centralbohrungen zu münden. So das Verhalten der Gallencapillaren. Bei solchen Veränderungen des Gerüstwerks der Leberzellen muss natürlich auch das die Lücken desselben genau ausfüllende zweite Gerüstwerk, das der Gefässe, entsprechend geändert sein. Und das ist in der That der Fall. Die grossen Lymphsäcke der Gefässe nehmen den Raum ein, welcher durch die Verringerung des Durchmessers der Leberbalken und Ausbreitung der Leberzellen zu Platten beim Proteus frei wird. Die übrigen von mir untersuchten Urodelen, Siredon pisciformis und Salamandra maculosa, bieten weniger deutliche, aber immerhin nachweisbare Abweichungen vom tubulösen Bau. Süredon weist wie Proteus Centralcapillaren auf, welche häufig zwischen den Flächen zweier Zellen verlaufen und die dann nur durch den halben Durchmesser einer Zelle von den Gefässen getrennt sind. Auch kommen bei Siredon cytozonale Maschen vor, wie GoLcı-Präparate mich lehrten (Fig. 17). Diese sind zum Theil kleiner als ein Zellenumfang und gleichen also auch darin den bei Proteus beobachteten. Bei Salamandra hat schon EBERTH eine unicelluläre Masche an seinen Injectionspräparaten gesehen und abgebildet (12, Taf. I, Fig. 5), ohne ihrer aber im Text seiner Arbeit Erwähnung zu thun. Kleinere Zellplatten mit unregelmässig vertheilten Capillaren finden sich auch hier (Fig. 16). Ueber den Umfang der Abweichung des tubulösen Baues bei Siredon und Salamandra ist es schwierig Genaueres zu sagen, da ich eine grössere Reconstruction nicht unternahm. Jedenfalls kommen bei beiden viele reine Tubuli vor mit durchschnittlich drei Zellen im Querschnitt. Vom Triton sagt LAnGLey: „The newt liver appears to me to depart largely from the tubular type of gland and to resemble in structure rather the mammalian than the ordinary (!) amphibian liver“ (30). 324 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 24 32 8 Die Lebern von Siredon und Salamandra, welche ich anfangs untersuchte, waren Winterlebern, die von Melanose nichts zeigten. Das Netzwerk der Gefässe wies nur die geringen Veränderungen auf, welche die an der Peripherie sehr dichten, im Innern der Leber nur hin und wieder in Form kleiner Inseln auf- tretenden Ansammlungen lymphatischer Elemente bewirken. Diese Leukocyten sind zum grossen Theil Mastzellen. Bei einem Vergleich einer melanotischen Leber des Salamanders mit einer pigmentfreien unter- schied sich aber erstere nicht nur durch die vielen und grossen Ansammlungen von Pigmentzellen von der letzteren, es fanden sich vielmehr auch Unterschiede im eigentlichen Leberparenchy n. In der Pigmentleber war nämlich an Stellen, wo zwischen zwei Pigmentinseln die Leberzellen einreihig hintereinander lagen, die centrale Gallencapillare flächenständig. In der Winterleber dagegen fanden sich nur typische kantenständige Centralcapillaren. Die Seitencapillaren vom Salamander und Axoloti sind sehr stark entwickelt und zwischen den Zellen, an ihren Flächen, gelegen. Häufig tragen sie, namentlich bei Siredon, an ihrem Ende kleine Aus- sackungen, die nach allen Richtungen, theils zwischen die Zellen, theils in die Zellen hineinragen (Fig. 23). Die Leberzellen der Urodelen haben häufig wegen ihrer Grösse genaue Beschreibung erfahren. Die Verdichtungen der ektoplasmatischen Zone in der Nähe der Gallencapillaren hat schon FrEmnming (Zelle) beschrieben. An ihnen kann man manchmal die Zellwand auch bei Ansicht senkrecht zur Fläche erkennen. Bei Proteus sah ich in den Zellen homogene Kugeln, die sich bei Hämatoxylin-Eosinfärbung schwach rosa, mit Bıonpr’schem Gemisch dunkelziegelroth und bei Anwendung von Eisenhämatoxylin- Bordeaux R gar nicht tingirten. Bei Siredon waren auch in meinen Präparaten die von Krause beschriebenen ringförmigen Granula zu sehen (Fig. 3). Der Zellleib ist bei allen Urodelen aus einem fädigen Maschenwerk zusammen- gesetzt, in dessen Knotenpunkten zahlreiche Körnchen zu liegen scheinen. Bei Proteus färben sich diese mit Bıonpı ziegelroth, während die Maschen mehr blauroth aussehen. In den Maschen liegen reichliche Fett- kügelchen. Von den Anuren untersuchte ich Rana fusca. Die Frosch-Leber besitzt erheblich kleinere Zellen als die Urodelen-Leber und ist daher leichter in Schnitten zu studiren. Die Tubuli wiesen auf dem Quer- schnitt bald drei Zellen auf, aber auch vier, fünf und sogar sechs Zellen. Neben diesen Schwankungen in der Zusammensetzung der Balken giebt es auch Stellen, wo Zellplatten statt der Schläuche vorhanden sind, in denen mehrere Gallencapillaren verlaufen (Fig. 28); man sieht Querschnitte von Gallencapillaren zwischen zwei Zellen an deren Fläche (Fig. 27), die übrigens HERInG auch schon in einem Fall beim Laubfrosch gesehen hat (19, 2. Abhdl., Fig. 1); schliesslich konnte ich mit der Chromsilberimprägnation cytozonale Maschen- bildungen nachweisen (Fig. 18). Doch kann man sich bei der Frosch-Leber trotz dieser deutlichen Abweichungen vom tubulösen Bau leicht überzeugen, dass die typischen Schläuche weitaus in der Ueberzahl vorhanden und nur hie und da Abänderungen erfahren haben. Ausserdem lassen meine GorcI-Präparate mit grosser Deutlichkeit vasozonale Netzbildungen in grosser Zahl erkennen (Fig. 19). Seitencapillaren sind in der Frosch-Leber auch vorhanden; doch sind dieselben nur klein. Sie liegen intercellular. In den Leberzellen fielen mir längliche Körper auf, die meist nahe der Zellmembran liegen oder in directer Berührung mit ihr stehen (Fig. 28). Von den intracellulären Serumcapillaren (FRASER) konnte ich nichts bemerken. Die Amphibien-Leber besitzt ziemlich reichlich entwickelte Gitterfasern, welche die Gefässe begleiten Fibrilläres Bindegewebe ist in der Umgebung der Blutcapillaren nur spärlich oder gar nicht vorhanden. Eine Ausnahme machen die Anuren, bei welchen eine reichliche Bindegewebswucherung von den grossen Gefässen bis auf die Gefässscheiden der kleineren zu verfolgen ist (Fig. 20). 25 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 325 B. Ontogenetischer Befund. (Vergl. Taf. XXVII, XXVIIL) Um über die Entstehung der Netzbildungen der Gallencapillaren nähere Aufklärung zu erhalten, untersuchte ich Larven von Salamandra maculosa. Von zwei ungefähr gleich grossen Larven, den jüngsten, die mir zur Verfügung standen !), hatte die Leber der einen rein netzig-tubulösen Bau. Im Centrum der Leberbalken verlief die Capillare, die keine Seitenäste aufwies (Fig. 13). Bei der anderen Larve waren Seitenäste als kleine Ausstülpungen zwischen den Zellenflächen zu sehen (Fig. 26). Bei einer Larve von 37 mm Länge waren diese Seitenäste zu ausserordentlich weit und viel verzweigten und gewundenen Capillaren ausge- wachsen (Fig. 25). Man hat hier dieselbe Schwierigkeit der Bestimmung darüber, ob sie inter- oder intracellular gelegen sind, wie bei ausgewachsenen Thieren. Die Beweiskraft der Capillarquerschnitte lässt aber auch hier nicht im Stich. Die Seitencapillaren sind in diesem Stadium so zahlreich, dass viele Zellen auf mehreren ihrer Flächen solche aufweisen. Tubuli mit solchen Zellen haben eine entfernte Aehnlichkeit mit Bildern aus Säugethier-Lebern, wie HERING sie gegeben hat, nur mit dem Unterschiede, dass bei den Salamander- Larven die Gefässcapillaren an den Kanten der Zellen fehlen (Fig. 15). Der tubulöse Bau schliesst das natürlich aus. Die Seitencapillaren reichen mit ihren Aesten bis dicht an die Gefässcapillaren heran, doch nur so weit, dass immer noch eine schmale Brücke Zellsubstanz zwischen beiden bestehen bleibt (Fig. 25). Auch den Zellkanten nähern sie sich, und an diesen können Verschmelzungen von Aesten verschiedener Seitencapillaren stattfinden. Dadurch entstehen die cytozonalen Netzbilder, die ich in diesem Stadium schon vereinzelt fand. Der Zellkern liegt nicht in der Masche, sondern deutlich über oder unter ihr, ein Zeichen dafür, dass die Masche der Zelle nur anliegt, nicht ihre Mitte umkreist (paracytische statt peri- cytischer Lage) (Fig. 14). Zusammenfassung. I) Die Leber der Amphibien ist keine rein tubulöse Drüse. 2) Das Gefässsystem, das bei dem rein schlauchförmigen Typus aus einem Gerüst gleich dicker Balken bestehen müsste, ist erweitert durch Lymphsäcke, welche aus den Gefässscheiden hervorgegangen sind und welche, bald ständig, bald periodisch, mit „Pigmentzellen“ gefüllt sind. 3) Die Leberzellenbalken sind auch nicht überall gleich dick. Es kommen Verschmälerungen vor einmal durch Abnahme der Zahl der Zellen, welche den Querschnitt eines Balkens zusammen- setzen, ferner durch Auseinanderweichen der Zellen zu Platten. Vergleichen wir die Leber mit einem Gerüst, so ist dieses aus Balken und Brettern gezimmert. 4) Die Gallencapillaren bestehen aus Central- und Seitencapillaren. Letztere sind bei den Urodelen sehr lang und manchmal verzweigt. Bei allen Amphibien liegen sie intercellular. Ebenso die Centralcapillaren, welche auch über die Flächen der Zellen verlaufen können und häufig nur durch einen halben Zellendurchmesser von den Blutcapillaren getrennt sind. 5) Die Amphibien-Leber ist eine netzförmige Drüse, wie die vasozonalen Netze der Gallencapillaren beweisen. Cytozonale Netze finden sich häufig zu mehreren in den Zellplatten. Sie entstehen entwickelungsgeschichtlich aus der Verschmelzung von Seitencapillaren. 6) In den Leberzellen des Frosches giebt es Nebenkörper. 1) Ich benutzte Serien, bei denen die Länge der Larven leider nicht notirt war; nach der Anzahl der Schnitte zu urtheilen, waren die Thiere jedenfalls kürzer als 37 mm. Jenaische Denkschriften. V. 4 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 43 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 26 Es entsteht nun die Frage, in welchen Beziehungen die Abänderungen der beiden Balkenwerke der Amphibien-Leber, nämlich die Umgestaltungen des Gefäss- speciell Lymphsystems und der Leberschläuche zu einander stehen. Das Gefässsystem ist dasjenige, welches an Masse zugenommen hat. Denn zu den Blutgefässen sind oft enorm grosse Lymphsäcke hinzugetreten. Beim Proteus nehmen dieselben sogar einen gleich grossen Raum wie die eigentlichen Leberzellen ein. Sind diese Wanderzellenansammlungen in der Leber erst möglich geworden, nachdem die Veränderung im tubulösen Bau ‘des Leberparenchyms eingetreten war? Oder ist umgekehrt die Schlauchform der Leberbalken durch die Ausdehnung des Lymph- systems umgeformt worden? Bei Myxine fanden wir geringe Abweichungen vom tubulösen Bau im Auftreten dichotomischer Ver- ästelungen der Centralcapillare mit nachfolgender Vereinigung der Aeste zu einer cytozonalen Masche, welche den Leberzellen ermöglicht sich gegen einander etwas zu verschieben und die strenge Anordnung des tubulösen Drüsenschemas zu verlassen. Diesen ganzen Vorgang versuchte ich mit dem Bestehen von blinden Seitencapillaren bei Myxine in ursächlichen Zusammenhang zu bringen. Bei den Amphibien sind aber die Seitencapillaren in weit höherem Maasse entwickelt, und da sie auf den Zelllächen verlaufen, sind Anastomosenbildungen derselben unter einander sehr viel eher möglich als bei Capillaren, deren Lage auf die Zellkanten beschränkt ist (wie bei Myzine). Die Entwickelungs- geschichte? lehrt, dass solche Anastomosen in der That zu Stande kommen. Damit sind alle Bedingungen zum Auseinanderweichen der Zellen und zum Aufgeben des streng tubulösen Baues gegeben. Die Leberzellen werden durch die Seitencapillaren, mit denen sie in Berührung bleiben, immer einen Abzugskanal für ihre Secrete zur Verfügung haben, auch wenn die Verbindung mit der Centralcapillare nicht mehr besteht. Es ist das im Prineip nichts anderes als das Zurückweichen der Belegzellen in Fundus- drüsen oder der Lunulae in den Speicheldrüsen vom centralen Drüsenlumen. Nur sind die Bewegungen der Zellen um Iso freier, je entwickelter die Secretgänge sind. Die netzartigen Verbindungen derselben sichern den Abfluss des Secretes so, wie die Wundernetze und allgemein die Anastomosenbildungen der Hautarterien an Stellen des Körpers, welche der Compression durch Druck ausgesetzt sind, den Fort- bestand der Blutcirculation garantiren. Endlich mag auch der Umstand nicht unberücksichtigt bleiben, dass dem Auseinanderweichen der Zellen nicht das Hinderniss starker bindegewebiger Umhüllungen der Drüsen- tubuli wie bei anderen Drüsen im Wege steht. Ja es ist bei der Leber der Amphibien wie der der Fische und Reptilien immer noch fraglich, ob sie überhaupt eine Basalmembran wie manche andere Drüsen besitzen. Auch ich konnte mich von dem Vorhandensein einer solchen an meinen Präparaten nicht überzeugen. Die Möglichkeit des Auseinanderweichens der Leberzellen zur Bildung von Zellplatten, wie wir sie namentlich bei Proteus kennen lernten, ist also in inneren Gründen, in der besonderen Entwickelung der Secretabfuhrwege gegeben, und das Beispiel von Myzine lehrt, dass die Anfänge von Veränderungen des tubulösen Baues bei Thieren sich finden, welche in ihrem Gefässsystem Veränderungen wie bei dem der Amphibien nicht aufweisen. Nun besitzen die Batrachier unter den Amphibien nach EBERTH’s Beobachtungen die mit Pigment- zellen erfüllten Lymphsäcke in ihrer Leber nicht. Die Melanose tritt bei ihnen unregelmässig auf, ist zum grössten Theil an Elemente der Blutgefässe selbst gebunden, und die Ausbildung der Iymphatischen Räume in der Leber ist bei den Frosch-Larven eine grössere als bei den ausgewachsenen Thieren. Wenigstens kommt den Larven eine lymphatische Randschicht der Leber zu, welche den ausgebildeten Thieren gänzlich fehlt. Die Batrachier sind also Thiere, bei denen die Melanose der Leber in Rückbildung begriffen ist. Würde die Ausbildung} der Lymphsäcke in der Amphibien-Leber nur eine Folge der Abänderungen im tubulösen Bau?der Leber sein, indem überall da, wo eine Abplattung der Leberbalken stattfindet, sich 27 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 327 Lymphansammlungen einstellen könnten, so wäre es wahrscheinlich, dass da, wo diese Lymphkörper- ansammlungen verschwinden, wie beim Frosch, die Abweichungen vom tubulösen Bau in unverändertem Maasse bestehen blieben. Die Frösche weisen aber solche Abweichungen in weit geringerem Grade auf als die Urodelen, und während bei Proteus, der unter den von mir untersuchten Species die weitaus grössten Lymph- säcke besass, auch die Plattenbildungen der Leberzellen am augenfälligsten waren, hielt es bei Rana schwer überhaupt solche zu finden. Beweisender noch ist das Verhalten der Salamanderleber, die vor Eintritt der Melanose nur mehrzellige Schläuche und Platten mit kantenständigen Centralcapillaren aufwies, im pigmen- tirten Zustand dagegen in Schnitten zwischen den Anhäufungen der Pigmentzellen eine einreihige Auf- stellung der Leberzellen mit flächenständigen Centralcapillaren an manchen Stellen zeigte. Hier folgt deutlich die Veränderung des Leberparenchyms zeitlich dem Eintritt der Melanose. Ich denke mir also das Verhältniss zwischen Leberparenchym und Gefässsystem so, dass durch die hohe Entwickelung und Verzweigung der Gallenabfuhrkanäle die Leberbalken gleichsam in einem labilen Gleichgewicht sich befinden, und dass das Auftreten an sich so zarter Gebilde, wie der mit „Pigmentzellen“ gefüllten Lymphsäcke in den Gefässscheiden und deren Nachbarschaft, genügt, um das gleichmässige Balken- werk der Leberzellen in ein Gerüst von dicken und dünnen Balken, von dicken und dünnen Platten umzumodeln. Ich lasse es unentschieden, ob bei diesem Process die Leberzellen in die neue Lage passiv hineingedrängt werden, oder ob die einwandernden Pigmentzellenmassen mehr als Reiz wirken und active Wanderungen und Verschiebungen der Leberzellen hervorrufen. Kerntheilungsfiguren sind in solchen Lebern, die gerade ins Stadium der Melanose eintreten (Salamandra maculosa, Triton alpestris) nicht vorhanden. Es beweist dies freilich nichts gegen die Activität der Leberzellen; denn Untersuchungen am Triton-Ei haben uns gelehrt, dass ein Ortswechsel der Zellen bei Wachsthumsvorgängen unabhängig von Zelltheilungsprocessen verlaufen kann. Andererseits wissen wir von pathologischen Processen her, z. B. aus Fällen beginnender Leukämie, dass Lymphocytenansammlungen im Stande sind den Verband der Leberzellen zu sprengen. Nach dem Befund bei der Leber der Anuren scheint nach dem Verschwinden der Lymphsäcke die tubulöse Form der Leber, wenn auch nicht überall, sich wiederherstellen zu können. Dafür spricht auch der Vergleich melanotischer und unpigmentirter Lebern solcher Urodelen, welche eine ausgeprägte Periodicität der Melanose aufweisen (Salamandra). Es ist von Wichtigkeit zu sehen, dass dort, wo die Leberschläuche zweizellig werden oder in ein- zellige Platten sich umwandeln, die Gallencapillaren von den Kanten der Zellen an die Flächen wandern, Sie nehmen damit den Ort ein, welcher von den Gefässcapillaren möglichst weit entfernt ist, und zwar bleibt ihnen nach zwei Seiten nur ein Abstand von einer halben Zellenlänge von den Gefässen. Dies ist bisher nur bei den Säugethieren bekannt gewesen. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass von den älteren Autoren z. B. EBERTH, und namentlich von der neueren Schule die Säugethier-Leber als eine ver- ändert tubulöse Drüse aufgefasst wird, so ist es bemerkenswerth bei den Amphibien schon einen Typus zu finden, der im Wesentlichen tubulöser Natur ist, jedoch im Einzelnen zahlreiche Abweichungen von dieser Form aufweist. Erinnern nicht die kleineren Netzbildungen der Gallenwege neben den weitmaschigen Netzen der Centralcapillaren an die Hauptnetze und Nebennetze der Säuger-Leber in der Darstellung EBERTH’s? Doch verschieben wir die Besprechung der wirklichen Beziehungen zwischen Amphibien- und Säuger-Leber, bis wir letztere ausführlich behandelt haben. Rerzıus hat auch für die Amphibien-Leber behauptet, dass sie verästelt und nicht netzförmig- tubulös gebaut sei. Da nun aber mit der Gorcı-Methode sich vasozonale Netze beim Frosch nachweisen liessen, die Injectionsmethoden durch den Nachweis solcher Netze bei Anuren und Urodelen damit gut übereinstimmen, und schliesslich bei Larven die Netze auch ohne derartige Behandlung zu sehen sind, so 4* 43 * 328 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 23 halte ich die netzförmige Verbindung der Centralcapillaren für erwiesen. Blinde Endigungen von Central- capillaren sah ich nicht. Ich halte aber auch die Frage, ob doch einige Capillaren blind endigen, für unwesentlich. Da die Maschen einen Durchmesser (beim Frosch) von 65 u durchschnittlich besitzen, ist der Streit darüber, solange wir nur dünne Schnitte untersuchen können, ein schier endloser. IV. Die Leber der Reptilien. (Vergl. Taf. XXIX, XXXI.) Die Reptilien-Leber und speciell diejenige der Schlangen war ein Lieblingsobject der älteren Histologen. „.. Der tubulöse Bau der Leber tritt so deutlich hervor, dass ich keinen passenderen Anfang für das vergleichende Studium der Wirbelthier- Leber wüsste‘‘ sagt HERING, indem er an die Spitze der Darstellung seiner speciellen Untersuchungen den Befund bei der Ringelnatter stellt. Es wiederholt sich bei den Reptilien dieselbe historische Folge in den Ansichten über dieses Organ wie bei den Amphibien. EBERTH bestätigte den Befund Herıne’s im Allgemeinen. Beide halten die Reptilien-Leber für eine netz- förmig-tubulöse Drüse. Nur nimmt EBERTH das Vorkommen wenn auch spärlicher, blind endigender Seitencapillaren an, welche HERINnG nicht angiebt. RETzIUS bestätigt das Vorkommen der Seitencapillaren, findet aber auch hier „keine Netze, sondern im Gegentheil eine geflechtartige Anordnung der Gallen- capillaren; falls Anastomosen in der That vorkommen, sind sie gewiss viel seltener, als man ange- nommen hat“. 8 Der tubulöse Bau der Reptilien-Leber verdankt seine Uebersichtlichkeit der geringen Grösse aller Elemente, aus denen sich die Schläuche zusammensetzen. In den Schnitten sind deshalb viel grössere Abschnitte der Schläuche direct zu sehen als bei den Urodelen, bei welchen wir viel häufiger auf indirectem Wege unsere Vorstellungen über den Bau der Leber uns bilden müssen. Für die genauere Untersuchung der Leberschläuche und namentlich der Gallencapillaren mit den gewöhnlichen Fixations- und Färbemitteln ist jedoch die Kleinheit der Elemente wenig förderlich. Namentlich die Gallenwege der Schildkröten sind so ausserordentlich fein, dass man sie immer nur auf ganz kurze Strecken verfolgen kann, wie dies schon KRAUSE angegeben hat. Bei den Sauriern und Ophidiern liegen die Verhältnisse günstiger, und ich habe mich deshalb im Wesentlichen auf diese beschränken müssen. Bei den meisten Reptilien bekam ich ausgezeichnete Färbungen der Gallencapillaren mit der Imprägnationsmethode. Indem ich die Resultate, welche diese Methode lieferte, an der Hand nicht imprägnirter, vielmehr mit Sublimatessigsäure oder Sublimatformol fixirter Präparate derselben Thier- individuen auf ihre Genauigkeit zu prüfen und mir verständlich zu machen suchte, kam ich zu einer etwas abweichenden Auffassung vom Bau der Reptilien-Leber gegenüber den früheren Schilderungen. Die Centralcapillaren der Reptilien-Leber verbinden sich allenthalben zu Netzen. Die Gorcr'sche Methode weist dies mit unverkennbarer Deutlichkeit bei den daraufhin untersuchten Sauriern: Platydactylus mauritanicus, Gongylus ocellatus, Anguis fragilis, Lacerta agilis, Varanus griseus nach, bei einer Natter: Zamenis viri- diflavus und bei einem Crocodil: Alligator lucius. Wie zahlreich diese Netze sich unter Umständen schwärzen, war namentlich aus den Präparaten von Lacerta und Varanus zu ersehen (Taf. XXIX). Aber neben den grossen Netzen der Centralcapillaren, die wie die Tubuli, deren Lumen sie darstellen, eine vasozonale Lage besitzen, kommen auch cytozonale Maschen bei den Reptilien vor. Ich fand sie bei den Ophidiern (Zamenis) und Sauriern (Varanus und Lacerta) ziemlich häufig. In GorGI-Präparaten fallen diese Maschen gegenüber den anderen durch ihre Kleinheit auf. Der Durchmesser ist so gering, dass er nicht einmal die Länge einer doppelten Zelllänge ausmacht, wie Messungen ergeben. Bei einer vasozonalen Masche muss aber der geringste Abstand zwischen den Gallencapillaren grösser als die doppelte Zelllänge sein, weil ja sonst das Gefäss gar keinen Platz 29 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 329 hätte. Es war auch direct zu sehen, dass diese kleinen Maschen innerhalb der Zellbalken, also cytozonal, gelegen waren. Manchmal fand ich sie einzeln, hin und wieder auch zu mehreren beisammen liegend (Fig. 35, 39). Blinde Seitencapillaren weisen die Centrallumina in Imprägnationspräparaten, wie RETZIUS richtig angegeben hat, in Menge auf. Es entsteht aber die Frage, wie viele von diesen ihre Entstehung der aus- gebliebenen Schwärzung verdanken, wie viele in der That blinde Endigungen besitzen. Ausserdem muss man aber noch eine andere eventuelle Fehlerquelle in Rechnung bringen. Vergleicht man die Dicke mit Chromsilber imprägnirter Capillaren mit derjenigen von Capillaren, die man in durch Sublimat- oder Formol- gemische fixirten und nachher gefärbten Leberstücken desselben Thieres sieht, so stellt sich heraus, dass die ersteren beträchtlich dicker als letztere sind, und zwar, dass sie durch- i J Fig. 5a. Fig. 5b. schnittlich im optischen Querschnitt die doppelte Breite, oft aber noch mehr besitzen. Da die Zellkerne und Zellen, wo sie bei Imprägnationspräparaten einer Messung zugänglich sind, sich gegenüber Sublimatpräparaten nicht \ j l j I I | I j ! j I ! ' verändert erweisen, so kann es sich nicht um eine allgemeine Quellung 5 l bei der Imprägnationsmethode handeln. Es scheint mir vielmehr der Schluss ® ® 1 berechtigt, dass das Chromsilber sich nicht nur im Lumen der Gallen- 2 capillaren niederschlägt und dieses erfüllt, sondern dass auch das angren- g i i = Fig. 5a. Capillare und intra- zende Ektoplasma der Leberzellen auf eine ziemliche Strecke hin geschwärzt celluläre Körper mit Chromsilber im- prägnirt. Fig. 5b. Capillare und intra- Chromosmiumgemischen) sich schwarz färbende Fetttropfen und auch celluläre Körper bei gewöhnlicher Färbung. wird. Da nun die Leberzellen zahlreiche (namentlich bei Anwendung von Niederschläge in ihrem Innern bergen, kann eine Täuschung dadurch her- vorgerufen werden, dass die Imprägnation solche intracelluläre Körper mit den intercellulären Capillaren vereinigt und Dinge, die räumlich nichts mit einander zu thun haben, als eins erscheinen lässt. Die Schemata Textfig. 5a und 5b werden das mehr als alle Worte verdeutlichen. Wirkliche, nicht durch das Gorgr’sche Verfahren erzeugte, blind endigende Seitencapillaren sind in der That in der Reptilien-Leber vorhanden. Bei Varanus (Fig. 34, 36), Anguis (Fig. 38), Platydaetylus (Fig. 30), Zamenis und Tropidonotus (Fig. 85) konnte ich sie in Sublimatpräparaten mit Sicherheit nachweisen. Sie sind jedoch nicht sehr häufig, und oft kann man längere Strecken der Centralcapillaren aufs deutlichste verfolgen, ohne dass blinde Seitenäste zu bemerken wären. Ich zweifle daher nicht, dass die längeren Seitenäste der Centralcapillaren, die in Chromsilberpräparaten so häufig sind, nur die Anfänge von Verästelungen der Central- capillaren vorstellen. Die Centralcapillaren sind häufig wie bei Fischen geknickt oder gewunden in ihrem Verlauf und von schwankender Weite (Fig. 34, 86). Ob die Seitencapillaren nur zwischen den Kanten oder auch zwischen den Flächen der Zellen liegen, kann ich mit Sicherheit nicht angeben. Das Erstere ist jedenfalls sehr häufig der Fall, wie ich mich überzeugen konnte, wenn ich Querschnitte der Seitencapillaren aufsuchte (z. B. bei Tropidonotus Fig. 85). Die Tubuli der Reptilien-Leber, welche auf dem Querschnitt bei Cheloniern wie Sauriern durch- schnittlich 4-5 Zellen aufweisen, sind umgeben von einem dichten Filz von Gitterfasern. Besonders schön färbten sich diese mit Chromsilber als netz- und strickleiterartige Umhüllungen der Blutgefässe bei Platy- dactylus (Fig. 29). Die grösseren Blutgefässe sind in reichliches Bindegewebe eingelagert, die kleineren entbehren desselben jedoch völlig. Die Leberzellen der Nattern weisen sehr eigenthümliche Structuren auf. Bei schwächeren Ver- grösserungen erscheint der Zellleib in meinen Präparaten von Tropidonotus und Zamenis fleckig, bald dunkler, bald heller. Dünne Schnitte, mit starken Vergrösserungen betrachtet, erweisen, dass durch eine dunkler 330 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 30 gefärbte Masse von fädig-maschigem Bau sich helle Strassen hindurchziehen, welche keine glatten Contouren gegenüber dem übrigen Protoplasma besitzen. Meist ist das Protoplasma in der Nähe der Gallencapillare dicht und nach der Gefässcapillare zu hell und heller. Hier findet man dann hauptsächlich Granula, die sich mit Osmium schwärzen. Die Intracellulargänge beginnen undeutlich in dieser Partie und bilden einen mehr oder minder deutlichen Hof um den Kern. In Windungen .und in meist zahlreichen Verästelungen durchsetzen sie die dicht-fädige Partie des Zellleibes in der Nähe der Gallencapillare. Je mehr sie sich letzterer nähern, um so deutlicher heben sie sich von ihrer Umgebung ab. Bei Tropidonotus sah ich häufig diese Gänge in die intercellulären Kanäle münden, und zwar lagen die freien Communicationen zwischen Capillaren und Zellgängen meist in einer Zellecke, d. h. sie führten in die kurzen Seitencapillaren dieser Leber. Aber auch an den Zellflächen giebt es solche Zellstomata. Da bei sehr dünnen Schnitten, wie sie für solche Untersuchungen erforderlich sind, Kunstproducte durch das Messer sehr leicht hervorgerufen werden können, kann nur die Häufigkeit der Stomata an der Stelle, wo die Zellengänge die Capillare berühren, vor Täuschung schützen. Sie fehlen in meinen Präparaten nie an solchen Orten, wenn die Schnitt- richtung eine günstige is. Ganz ähnliche Verhältnisse beobachtete ich bei Anguis fragilis (Fig. 80-85). Bei anderen Reptilien, z. B. Emys lutaria, waren die ganzen Leberzellen sehr hell, und bei Osmium- behandlung schwärzten sich überall Kügelchen in ihrem Innern. Auch bei Anguis war ein grosser Theil der Helligkeit der Zellen in Sublimatpräparaten auf fettartige Substanzen zurückzuführen, welche vom Alkohol während der Behandlung extrahirt worden waren. Aber gangartige Anordnungen der osmirten Granula sah ich nicht, so dass also die Zellgänge nicht etwa bloss die Matrizen von Fettansammlungen sind, welche hell aussehen, nachdem das Fett vom Alkohol ausgezogen wurde. Dass es sich um Secret- strassen handelt, beweist ihre Verbindung mit den Gallencapillaren. Es wäre interessant zu untersuchen, ob Beziehungen zwischen Ausbildung und Fehlen derselben und den Secretionszuständen der Leber bestehen, oder ob in der That einige Reptilien dieselben ständig besitzen und andere nicht. Die Zellkerne sind nicht immer rund. Bei den Nattern haben sie oft Halbmondform, und das Chromatin ist an den Wänden ganz zusammengezogen (Fig. 85). Es sieht manchmal so aus, als ob die Zellengänge in Einstülpungen der Leberkerne sich fortsetzten. Beim Waran konnte ich mit aller Sicherheit solche trichterförmigen Einstülpungen der Kernmembran in das Kerninnere bis fast dreiviertel Länge des Kerndurch- messers beobachten (Fig. 36). Solche Kerne haben das Aussehen von Lymphocyten oder Nebenspermakernen, welche im Beginne der Ringbildung und Fragmentirung sich befinden. Hier mögen Beziehungen der Kern- veränderungen zur Secretion vorliegen. Jedenfalls sind auch die geringen Umformungen der Kernoberfläche ähnliche Erscheinungen wie die an Kernen der Speicheldrüsen beobachteten (R. HEIDENHAIn). Kunst- producte, wie Schrumpfungen oder dergl., sind sie nicht. Denn häufig ist da, wo ein besonders breiter heller Hof den Kern umgiebt, der Kerncontour regelmässig rund, Es giebt auch in den Reptilienzellen wieder zahlreiche Einschlüsse, über deren Natur nur Einiges nach Maassgabe ihres tinctoriellen Verhaltens zu sagen ist. So bei Varanus hellgelbe Kugeln, bei Tropido- notus blaugrüne bei Anwendung von Bıonpr’s Dreifarbengemisch. Letztere sind nicht homogen, sondern enthalten hellere Einschlüsse (Fig. 81). Krause hat für Testudo graeca eigenthümliche ring-, oft röhrenförmige Granula beschrieben. Augenfälliger sind in der Nattern-Leber Nebenkörper neben den Kernen, welche sich mit BIoNDI und saurer Nachbehandlung blauroth färben, während das Chromatin mehr dunkelblau und das Protoplasma roth tingirt ist. Sie umgeben oft sichelförmig den Kern, auch wohl die oben erwähnten grossen Granula, oder sie liegen als dickere Stäbchen in Ein- oder Mehrzahl zwischen Kern und Gallencapillaren. Andere sind aus Fadenwerken zusammengesetzt, die sich lockenförmig aufwinden oder wie kleine gefiederte 31 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 331 Blättchen aussehen. Fast regelmässig liegen sie zwischen dem Kern und der die Gallencapillare begrenzen- den Zellwand. Ich suchte vergeblich mit entsprechenden Färbemethoden nach deutlichen Centrosomen in diesen Dingen. Da Kerntheilungsfiguren in den Leberzellen erwachsener Nattern fehlen, war auch leider dieser Weg verschlossen den Nachweis zu führen, dass diese Nebenkörper aus Archiplasma bestehen (Fig. 81, 83, 84, 85). Zusammenfassung. 1) Die Reptilien-Leber ist im Allgemeinen netzförmig-tubulös gebaut. Jedoch ist der Typus kein reiner, wenigstens nicht bei Ophidiern und Sauriern. 2) Die Gallencapillaren sind meist ungleich weit und besitzen spärliche Seitencapillaren, welche zum grössten Theil an den Zellkanten liegen und nach kurzem Verlauf blind endigen. 3) In den Leberzellen der Nattern giebt es intracelluläre Secretstrassen, welche mit den Gallencapillaren in offener Verbindung stehen. 4) Die Leberzellen der Nattern enthalten Nebenkörper vielleicht archiplasmatischer Natur. Der tubulöse Bau der Leber ist in der Reihe der Reptilien nur in geringem Grade verändert. An einzelnen Stellen ordnen sich die Zellen der Tubuli nicht um eine Centralcapillare, sondern um eine Masche, welche aus der dichotomisch sich theilenden und bald wieder verschmelzenden Capillare besteht. Die Ent- stehung dieser cytozonalen Netze ist dunkel. Wir fanden ähnliche in sehr primitiver Weise ausgebildet bei Myxine und als sehr entwickelte Bildungen bei den Urodelen. Haben wir nun bei den Reptilien wie im ersten Fall primitive Anfänge einer Abänderung des tubulösen Baues vor uns oder Reste einer einst mehr dem Amphibientypus ähnlichen Structur der Leber? Die Reptilien-Leber enthält auch Pigmentzellen. EBERTH macht darüber nur kurze Angaben. Bei Sauriern (Lacerta und Anguis fragilis) fand er nur geringe Mengen von Pigmentzellen, welche eine gleiche Lage wie bei Amphibien besassen. Die Schildkröten dagegen besitzen nach ihm Pigmentmassen ähnlich denen der Leber des Proteus. SHORE und Jones (41) bestätigen letzteres und geben für Testudo an, dass die Pigmentmassen die des Triton an Breite übertreffen. Ich untersuchte Winterexemplare von Emys lutaria und Clemmys caspica und sah in ihnen nur wenig Pigmentzellen. Clemmys besass dagegen mit Leucocyten enorm überfüllte Lymphscheiden der Blutgefässe. Die Pigmentzellen scheinen also bei den Schildkröten auch periodisch aufzutreten. Platydactylus und Gongylus wiesen geringe Ansammlungen von Pigment- zellen auf. Wenn auch diese wenigen Angaben, welche ich über die Pigmentzellen der Reptilien-Leber machen kann, sehr der Ergänzung bedürfen, so ist doch so viel daraus zu entnehmen, dass gerade die niedrigst stehenden der lebenden Reptilien, die Schildkröten, zu Zeiten in ihrer Leber sehr stattliche Anhäufungen von Pigmentzellen besitzen. Die Untersucher, welche sie sahen, stimmen darin überein, dass sie den „Pigmentzellen“ der Urodelen vergleichbar sind, und so müssen wir wohl annehmen, dass es sich hier wie dort um Wanderzellen handelt, welche in Lymphsäcken eingeschlossen liegen. Die höher stehenden Saurier besitzen nur wenige Pigmentzellen. Leider fehlen bei den Schildkröten Angaben über die Anordnung der Gallencapillaren. Mein Material gestattete mir nicht den Verlauf der Gallencapillaren wegen ihrer Feinheit genau festzustellen. Die schwarze Reaction mit Chromsilber blieb trotz aller Bemühungen bei meinen Schilkröten -Lebern aus. Es blieb also nur der Weg der Ontogenie für eine Entscheidung der Frage offen. Eine Serie von jungen Embryonalstadien des Platydactylus erwies sich als geeignet Licht über die Herkunft des atypischen Leberbaues zu verbreiten. Bei diesem sehr niedrig stehenden Saurier besitzt die jugendliche embryonale 332 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 32 Leber nämlich eine Unzahl von Seitencapillaren, welche zwischen die Leberzellen an deren Kanten und Flächen eindringen (Fig. 31). Ob dieselben sehr lang werden, kann ich nicht angeben, da mir ältere Embryonen nicht zu Gebote standen. Jedenfalls hat die ausgewachsene Leber dieses Thieres einmal kleinere Seiten- capillaren und dann auch eine viel geringere Zahl von solchen (Fig. 30). Das Vorkommen von Lymphsäcken, die mit „Pigmentzellen“ gefüllt sind, gerade bei tief stehenden Reptilien, den Schildkröten, und das Auftreten eines stattlichen Seitencapillarsystems in frühen Embryonal- stadien eines der primitivsten Saurier, des Platydactylus, veranlassen mich die Hypothese aufzustellen, dass die Reptilien einst ähnliche Verhältnisse wie die Urodelen im Bau ihrer Leber aufgewiesen haben, und dass die Einfachheit des tubulösen Typus bei den jetzt lebenden Formen eine secundäre ist. Wenn uns die Embryonalentwickelung lehrt, dass die Reptilien einst ein entwickelteres System von Seiten- capillaren besassen als heute, so war damit freilich meiner Auffassung nach nur die Möglichkeit gegeben Abänderungen des tubulösen Baues einzugehen. Dass dies in der That geschah, dafür spricht mit einer grossen Wahrscheinlichkeit das Bestehen derselben Ursache, welche bei den Amphibien diese Umwälzung herbeiführte, der Melanose. Diese ist bei Schildkröten noch sehr ausgeprägt, bei höheren Reptilien kaum mehr vorhanden, also bei den jetzt lebenden Reptilien in Rückbildung begriffen. Als einzige Reste der früher grösseren Abweichungen vom tubulösen Bau sind meines Wissens nur cytozonale Maschen in den Lebern ausgewachsener Thiere erhalten. Die Thatsache, dass diese manchmal zu mehreren neben einander liegen können, lässt diese Netze an sich nicht als primitive Anfänge einer Maschen- bildung erscheinen. Die Verhältnisse sind also ähnliche wie bei den Anuren. . Ueber die Möglichkeit einer Zurückverwandlung atypischer Leberschläuche in nahezu typische habe ich bei den Amphibien (Sala- mandra) schon gehandelt. Es wäre möglich, dass die Rückbildung der Zahl und Länge der Seitencapillaren bei den lebenden, von mir untersuchten Reptilien Hand in Hand ging mit der Ausbildung der intracellulären Sekretstrassen, die wenigstens nach meinen Erfahrungen anderen Wirbelthierklasse nicht zukommen. Die Zellen, deren Flächen von Seitencapillaren oder deren Netzen umgeben waren und nach allen Seiten hin ihr Secret abgeben konnten, gewinnen durch intracelluläre Secretstrassen Gelegenheit einer directeren Abfuhr ihrer Producte in den Darm. Die Leberzellen functioniren ähnlich wie die Becherzellen; doch stossen sie geringere Mengen von Paraplasma aus als letztere, entsprechend den verschiedenartigen Aufgaben, welche das Leberzellen- protoplasma zu erfüllen hat. Denn Leberzellen sind ja nicht nur Secretzellen, sondern auch Reservebehälter für Glykogen, Fett und deregl. V. Die Leber der Säugethiere. A. Vergleichend-anatomischer Befund. 1. Monotremen. (Vergl. Taf. XXIX, XXX, XXXJ). Die Leber von Echidna aculeata var. typica Tuos. war im Burnettdistrict von Herrn Prof. SEMoN mit Chromosmiumessigsäure nach FLEMMING und Pikrinsublimatessigsäure nach Ragr in kleinen Stückchen sorgfältig fixirt worden. Das Material stammte von verschiedenen ausgewachsenen Individuen her. Trotz- dem die nach FremningG fixirten Stücke schon über 4 Jahre in Alkohol lagen, versuchte ich durch erneute Einwirkung von Chromgemischen mit nachfolgender Silberbehandlung eine Schwärzung der Gallencapillaren zu erhalten. Es trat auch eine solche in ausgiebigem Maasse ein, als ich einige Male den Process wieder- holt und dabei bald Chromformol, bald Chromosmiumsäure angewendet hatte (Fig. AI, 42, 43). 33 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 333 Schon makroskopisch und in Schnitten bei schwacher Vergrösserung erkennt man sofort in der Echidna-Leber das Characteristicum der Säuger-Leber: den Läppchenbau. Um eine Centralvene gruppirt sich eine ziemlich ausgedehnte Masse von Leberzellen als Leberinsel, welche rund ist, wenn man die Central- vene quer getroffen hat. An der Peripherie dieser Insel liegen ganz typisch von Gallengängen begleitete Gefässe, Aeste der Pfortader und Leberarterie. Das Bindegewebe zwischen den Acini ist in der Nähe der Gefässe reichlich vorhanden, fehlt aber im Uebrigen an der Peripherie der Läppchen, so dass keine genaue Abgrenzung der Läppchen gegen einander stattfindet. So weit stimmt alles überein mit dem, was von vielen anderen Säugethieren längst bekannt ist. Aber die radiäre Anordnung der Leberzellen um die Centralvene, welche sonst so deutlich ist, fehlt bei Echidna fast völlig. Die Leberzellen erinnern in ihrer Anordnung an die niederer Wirbelthiere, und die Schläuche, welche sie bilden, winden sich ganz unregelmässig, bald radiäre, bald subtangentiale, bald irgend eine Zwischenstellung annehmend. Nur in manchen Leberinseln ist in geringer Entfernung von der Vena centralis eine Andeutung von radiärer Stellung der Leberzellen bemerkbar. Aber deutlich ist sie nirgends und meist gar nicht vorhanden (Fig. 40). Die Leberschläuche sind in der That echte Tubuli. Auf dem Querschnitt bestehen sie aus 3 bis 4 Zellen, die sich um ein centrales Lumen gruppiren (Fig. 48). Die Tubuli sind ringsum von Blut- capillaren umgeben, und der alte Vergleich der Leber mit den beiden Balkenwerken, dem der Leberzellen und dem der Blutcapillaren, die so durcheinandergesteckt sind, dass das eine Gerüstwerk die Lücken des anderen ausfüllt, trifft auch für Echidna zu. In GorGı-Präparaten war die Verbindung der Centralcapillaren zu vasozonalen Netzen sehr deutlich zu sehen (Fig. 41). Die Centralcapillaren besitzen zahlreiche Anhänge, Seitencapillaren, welche zwischen die Flächen der Leberzellen eindringen und sich der Peripherie des Schlauches bis auf kurze Entfernung nähern können. Sie endigen blind und erreichen niemals den Contour eines Blutgefässes (Fig. 44, 45, 46, 47). Doch giebt es auch in der Echidna-Leber Modificationen des Schlauchtypus. Imprägnationspräparate weisen kleinere Maschen als die vasozonalen Netze auf, die innerhalb von Leberzellenbalken gelegen sind (Fig. 43). Ich suchte solche in den mit Bordeaux-Eisenhämatoxylin gefärbten Schnitten auf und konnte feststellen, dass es cytozonale, monocytische Maschen sind. Dieselben liegen immer einzeln und sind nicht häufig vorhanden. Sie finden sich immer an solchen Stellen, wo der Leberschlauch sich in mehrere Aeste theilt und liegen dann im Centrum des Balkens. Die Zelle, welche sie umgürten, ist eine centro-tubuläre. Die Stellung der wenigen Schleifen, welche ich fand, war bei allen eine radiäre, d. h. sie lagen in Schnitten, welche gleichzeitig die Centralvene der betreffenden Leberinsel im Längs- oder Querschnitt enthielten (Fig. 45). Die Echidna-Leber hält also genau die Mitte zwischen dem Typus der Säuger und Nichtsäuger unter den Wirbelthieren. Mit ersteren hat sie den Läppchenbau gemein, mit letzteren die Anordnung der Leberzellen zu netzförmig verbundenen Schläuchen. Auch die geringen Abweichungen vom tubulösen Typus, den wir bei so vielen schlauchförmig gebauten Lebern fanden, weist Echidna auf. Aber mit dem Nachweis von cytozonalen Netzen ist für die Erkenntniss der Bedeutung dieser Abweichungen noch nicht viel geleistet. Es bedarf da einer genauen Analyse aller Factoren, die diese Abweichung bedingen, wie Amphibien und Reptilien lehren. Bei Echidna werde ich dies rück- schauend versuchen, wenn wir Ornithorhynchus, Marsupialier und Placentalier auf ihren Bau genauer geprüft haben. Von Ornithorhynchus analinus Gray standen mir mit Rapr’schem Gemisch fixirte Lebern zur Ver- fügung. Leider waren die Stücke etwas geschrumpft und daher Verwechselungen von künstlichen Lücken Jenaische Denkschritten. V. 5 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. 11. 44 334 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 34 zwischen den Zellwänden und dem retrahirten Protoplasma mit Gallencapillaren möglich. Imprägnations- präparate zu erhalten gelang; mir nicht. Der Läppchenbau der Leber ist beim Schnabelthier sehr deutlich. Ausserdem ist eine, freilich nicht sehr auffallende radiäre Anordnung der Leberzellen um die Centralvene bemerkbar. Dieselbe umfasst nur den Theil der Leberinsel, welcher [dem Centrum benachbart ist. Im übrigen Täppchen ist sie nicht erkennbar. Im Einzelnen ist von einer tubulösen Anordnung der Leberzellen wenig mehr zu sehen. Die Gallencapillaren liegen zum grossen Theil auf den Flächen der Leberzellen und sind nach beiden Seiten um eine halbe Zellenlänge von den Gefässen entfernt (Fig. 54). Es kommt dies einmal bei zweizelligen Drüsen- tubulis vor oder bei Zellplatten, die aus einer Zellenlage bestehen. Dass dieses Verhalten nicht an sich für den „Säugethiertypus‘ der Leber charakteristisch ist, wie HERING vermuthete, konnte ich bei Amphibien zeigen. Es handelt sich beim Schnabelthier um Zellplatten, die, von der Fläche gesehen, aus mehr als zwei neben einander liegenden Zellen bestehen. Andere derartige zusammenhängende Zellhaufen bilden mehrschichtige Platten, durch welche Gallencapillaren hindurchziehen. Neben den an Zellwänden liegenden Gallencapillaren sind bei Ornithorhynchus häufig Querschnitte von solchen an den Zellkanten zu bemerken (Fig. 55). Die einzelnen Leberzellen werden dabei oft an einer Kante und einer oder mehreren Seiten oder an mehreren Seitenwänden allein von Gallencapillaren berührt. OQuerschnitte von Schläuchen wie beim tubulösen Typus fand ich beim Schnabelthier nicht. Dass Ornithorhynchus einen vom Schlauchtypus hochgradig abgeänderten Bau seiner Leber besitzt, ist also sicher. Doch genügen die lückenhaften Befunde nicht, um ein genaues Bild desselben zu geben; es fehlt mir aus oben erwähnten Gründen die Kenntniss von der Häufigkeit cytozonaler Netze. Die Leberzellen von Echidna sind von einem fädigs-maschigen Gerüstwerk durchsetzt, in welches Granula eingelagert sind. Ausserdem liegen in dem Zellleib unregelmässige, dunkler gefärbte Massen, welche manchmal beim Kern, manchmal aber auch an irgend einer anderen Stelle des Zellkörpers sich befinden. Hin und wieder sehen sie etwas streifig aus (Fig. 45, 46, 47). In den Lymphscheiden der Gefässe finden sich in grosser Zahl Mastzellen von oft stattlicher Grösse. Hin und wieder sieht man von einer solchen Zelle Granula auf weitere Strecken in den Lymphscheiden vertheilt liegen, die sich in ihrem Aussehen von den Granulis der Mastzellen nicht unterscheiden (Fig. 46, 47). 2. Marsupialier. (Vergl. Taf. XXX1.) Ich untersuchte mit RaBrL’scher Flüssigkeit fixirte Lebern zweier Phalangeriden (Trichosurus vulpecula var. iypieus THos. und Phascolarctus cinereus GOLDR.) und eines Dasyuriden (Dasyurus) 1). Makroskopisch erweist sich die Beutelthier-Leber als aus Läppchen zusammengesetzt. Bei Trichosurus und Dasyurus ist die radiäre Anordnung der Leberzellen, wie die Betrachtung mit schwachen Vergrösserungen lehrt, nicht sehr ausgeprägt; sehr deutlich ist sie dagegen bei Phascolarcius, namentlich im Centrum der Leberinseln (Fig. 62). j Die Anordnung der Zellen in der Leber von Trichosurus erinnert auf den ersten Blick an Tubuli. Die Gallencapillaren liegen zum Theil an den Kanten der Zellen, und um den Querschnitt einer derartigen Capillare sind manchmal 3—4 Zellen gruppirt. Auch Zellbalken, die, von der Fläche gesehen, zwei Zellen 1) Es war nicht zu ermitteln, ob die Leber von Dasyurus hallucatus GOULD oder von Dasyurus geoffroyi GOULD stammte. 35 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 335 breit sind, sieht man nicht selten. Aber andererseits fand ich reine Querschnitte von Tubulis, um welche eine Blutcapillare allseitig herumlief, nicht. Die an den Zellkanten liegenden Gallencapillaren treten in ihrem Verlauf häufig auf die Zellwände angrenzender Zellen über. Ein und dieselbe Zelle wird oft an mehreren ihrer Flächen oder Kanten von Gallencapillaren berührt, und schliesslich sind Stellen nicht selten, wo mehr als zwei Zellen neben einander liegen, zwischen denen verschiedene Gallencapillaren verlaufen. Das widerspricht alles einem rein tubulösen Bau (Fig. 56, 57). Ganz ähnlich verhält sich die Dasyurus-Leber. Hier gelang es mir in den Zellplatten bei Ansicht von der Fläche cytozonale Netze zu finden. Die Gallencapillaren liegen häufiger an den Zellflächen als bei Trichosurus, aber auch hier fehlen an den Zellkanten gelegene nicht (Fig. 58, 59, 60). Bei Phascolarctus fällt ein neues Moment im Aufbau der Leber besonders auf, welches uns vom Studium der Anamnier und Sauropsiden her unbekannt ist. Die Leber lässt von vornherein keinen Zweifel darüber, dass sie mit einem tubulösen Bau gar nichts mehr zu thun hat. Alle Plattenbildungen in der Leber, ein- schichtige und mehrschichtige, welche ringsum von Blut umspült werden, können auf Durchschnitten leicht mit Schläuchen verwechselt werden, und die Urodelen-Leber bot genug Schwierigkeiten bei Versuchen, über die wahre Structur zur Klarheit zu kommen. Anders ist dies, wenn diese Platten wie bei Phascolarctus allenthalben von Blutgefässen durchsetzt werden (Fig. 61). Man sieht häufig Zellen, welche an 3 oder 4 Kanten von Blutcapillaren berührt werden und die dann an mehreren der Flächen, mit denen sie mit benachbarten Zellen zusammenhängen, Gallencapillaren aufweisen. Das Letztere kommt auch bei Amphibien vor, so be- sonders bei Salamander-Larven, wenn es auch seltener ist als bei den Beutelthieren (Fig. 15). Neu ist jedoch die Vermehrung der Gefässcapillaren, welche die Masse der Leberzellen durchsetzen. Diese Capillaren laufen senkrecht auf die Centralvene des Leberläppchens zu. Die Leberzellen sind zwischen je 3 oder 4 derselben eingezwängt, so dass eine hinter der anderen liegt. Es passt auf die Phascolarctus-Leber ganz das Bild von den Kautschukbällen, welches HERImG für die Kaninchen-Leber gegeben hat. Man denke sich eylindrische Stäbe in gleichen Abständen in ein Brett senkrecht eingebohrt und bringe nun zwischen je 4 dieser Stäbe Kautschukbälle, welche so gross sind, dass sie eben noch hineingequetscht werden können. Dann drücken sich die Bälle gegenseitig an den Seiten zusammen, so dass jede mit mehreren Flächen an Nachbarzellen grenzt. An 4 Kanten pressen sich ausserdem die Stäbe in die Bälle ein. Auf Durchschnitten durch eine solche Zusammenstellung von Stäben und Bällen, die senkrecht zu den Stäben geschnitten sind, werden an je 4 Kanten der Bälle Querschnitte von Stäben sich finden; auf solchen, die parallel den Stäben liegen, sind Reihen von Bällen von Stäben eingefasst, oder Ballreihen stossen an Ballreihen, je nachdem der Schnitt die Stäbe trifft oder nicht. Ebenso verhalten sich Leberzellen und Gefässcapillaren bei Phaseolarctus zu einander. Da ist jegliche Aehnlichkeit mit einer tubulösen Anordnung der Leberzellen geschwunden, und die Zellbalken, die bei einer gewissen Schnittrichtung im Schnitt sichtbar sind, stellen Kunstproducte dar. In Wirklichkeit bilden die Leberzellen eine zusammenhängende Masse, welche wesentlich in einer Richtung, nämlich von der Läppchenperipherie zur Centralvene hin, von Blutcapillaren reichlich durchsetzt ist. 3. Placentalier. (Vergl. Taf. XXX, XXXL) Ich untersuchte mit Sublimatgemischen fixirte und nach Gorcı behandelte Lebern vom Igel und Hund, von der Maus und dem Kaninchen, vom Schwein und schliesslich vom Menschen. Die Imprägnationspräparate von der Igel-Leber wiesen auf weite Strecken hin zahlreiche mono- cytische Netze der Gallencapillaren auf. Hin und wieder laufen die Aeste derselben bis auf eine kurze 5* 44 * 2336 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 36 oP) Entfernung an einander heran, ohne sich aber scheinbar zu verbinden. Ich färbte diese Präparate und sah dann die Capillaren sich bis zur Verbindung fortsetzen. Oft lagen noch kleine, unregelmässig contourirte Bröckchen von schwarzer Färbung zwischen den scheinbaren Enden der Capillaren. Die allgemeine Bedeutung dieses Verhaltens für die Beurtheilung der Imprägnationsmethode habe ich schon früher hervor- gehoben (S. 8) (Fig. 63 a, b). Die Leberzellen des Igels werden häufig an mehreren Stellen von Gallencapillaren berührt. Letztere liegen meist an den Zellflächen. Doch finden sich häufig auch Querschnitte von Gallencapillaren an den Zellkanten. Blutcapillaren treten meist an ein oder zwei Stellen an die Zellen heran; nur wenige Zellen werden von 3 oder 4 Gefässfäden berührt (Fig. 64). Ganz ähnlich ist die Hunde-Leber gebaut. Auch hier waren in Imprägnationspräparaten über weite Strecken hin die Gallencapillaren zu Netzen verbunden, wie dies übrigens auch RETZIUS gefunden hat. Die Querschnitte der Gallencapillaren fand ich in den meisten Fällen an der Fläche der Leberzellen liegen und hin und wieder auch an der Kante einer solchen. Herıng hat dies in Injectionspräparaten genau so gefunden, während später PESZkE — irrthümlicher Weise also — in eben solchen zu sehen glaubte, dass die Gallen- capillaren meist an den Kanten lagen. Auch hier werden die meisten Zellen an nur zwei Seiten von Gefäss- capillaren berührt (Fig. 65, 66). Für die Leber des Menschen hat RETZIus bereits angegeben, dass auf lange Strecken hin Anastomosen der Gallencapillaren mit Chromsilber sich färben. Ich kann dies bestätigen ebenso wie die schon von HERrınG (21) erwähnte Aehnlichkeit von Menschen- und Hunde-Leber. Auch hier wird jede Zelle von mehreren Gallencapillaren berührt, die meist auf den Flächen, selten an einer Kante liegen. Die Zellen stehen meist mit zwei, selten mit mehr Blutcapillaren in Contact (Fig. 49). Dasselbe gilt für das Schwein: auch in seiner Leber findet man die monocytischen Verbindungen der Gallencapillaren (wie auch Rerzıus angiebt) und dasselbe Lageverhältniss von Gallen- und Gefäss- capillaren zu den Leberzellen (Fig. 51, 69). Eine besondere Stellung nehmen jedoch die Nagethiere ein. Die Angaben von RETZIUS über die Maus muss ich dahin berichtigen, dass auch bei dieser die Gallencapillaren auf weite Strecken als monocytische Netze sich schwärzen lassen (Fig. 68), ebenso wie beim Kaninchen, wo dies schon BERKLEY (4) nachuntersucht hat. Es kommt bei den Nagern nur höchst selten vor, dass Gallencapillaren an Zellkanten liegen. STÖHR hat z. B. in seinem Handbuch der Gewebelehre für die Kaninchenleber einen solchen Fall nach einem Injections- präparat abgebildet. Ich sah weder bei der Maus noch beim Kaninchen eine solche Lage. Jedenfalls sind bei diesen Thieren die Gallencapillaren fast ausschliesslich auf die Zellflächen angewiesen. Das Besondere besteht nın in dem ausserordentlichen Gefässreichthum dieser Lebern. An 3, meist aber an 4 Zellkanten liegen in den Schnitten bei günstiger Schnittrichtung Querschnitte von Blutgefässen. Genau so hat dies HERING für die Kaninchen-Leber beschrieben. PEsZkE hat Injectionspräparate HERING’s nachuntersucht und diesen Befund anzweifeln zu müssen geglaubt; er behauptet, die Gallencapillaren lägen meist an den Zellkanten. Es freut mich, dem gegenüber auf die Uebereinstimmung der Befunde bei Maus und Kaninchen hinweisen zu können, die HERING’s Angaben vollinhaltlich bestätigen (Fig. 67). Der Läppchenbau der Leber ist bei allen Placentaliern, wie bekannt, sehr ausgebildet. Abgesehen von den Modificationen, die in dem mehr oder minder starken Reichthum an interacinösem Bindegewebe bestehen, ist aber auch die radiäre Anordnung der „Leberzellenbalken“ im Läppchen verschieden scharf ausgeprägt. Weitaus am deutlichsten ist dieselbe bei den Nagern, weniger deutlich bei den übrigen von mir untersuchten Placentaliern zu sehen. Bei letzteren erkennt man zwar immer die radiäre Anordnung; 37 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie .der Leber der Wirbelthiere. 337 aber bei der Mäuse- und Kaninchen-Leber fehlen die geringen Abweichungen von der radiären Richtung und die Verdickungen der „Leberbalken‘“, die namentlich bei Insectivoren nicht selten sind. Es hat sich also eine völlige Parallele beim Vergleich verschiedener Placentalier zu den Marsupialiern ergeben. Auch bei den Placentathieren existirt ein reiner tubulöser Bau der Leber nicht. Beweisend ist dafür das Fehlen von Querschnitten von Schläuchen und das Vorkommen eng an einander hängender monocytischer Netze der Gallencapillaren. Es verbinden sich vielmehr die Leberzellen zu grösseren Haufen, durch welche sich Blut- und Gallencapillaren hindurchwinden, so dass jede Zelle an einer oder mehr Stellen von Blut bespült wird und ebenso an einer oder mehr Stellen mit abführenden Gallenwegen in Berührung steht. Blut- und Gallencapillaren sind immer so zur Zelle orientirt, dass sie sich nicht berühren. Ausser- dem sind sie im Leberläppchen radiär gestellt, so dass man auf Schnitten, welche durch die Centralvene gehen, sie ihrer Länge nach verlaufen sieht, dagegen fast nur Quer- und Schrägschnitte vor sich hat, wenn das Messer ein Läppchen wie die Secante traf. Es ist nun insofern eine Stufenfolge im Ausbau der Säuge- thier-Leber bei Beutelthieren einerseits und Placentathieren andererseits festzustellen, als in niederen Zuständen die einzelnen Zellen von nur wenigen Blut- und Gallencapillaren berührt werden, und die ursprüngliche Lage der Gallencapillaren an den Zellkanten noch vorkommt, wenn auch die Flächenposition schon häufiger geworden ist; so fand ich es bei den Phalangistinen und Dasyuriden einerseits, bei Insectivoren, Carnivoren Ungulaten und Primaten andererseits. Dagegen ist das, was bei diesen zwar vorkommt, aber doch selten ist, in der höchsten Ausbildung der Säuger-Leber zur Regel geworden: die Berührung der Zellen an 3 oder 4 Kanten mit Blut- und ebenso viel Flächen mit Gallencapillaren. Die Kantenposition der Gallen- capillaren ist fast gänzlich verschwunden. Dieses Verhalten bieten Phascolarctinen auf der einen, Rodentier auf der anderen Seite dar. Hand in Hand mit der Vermehrung der Blut- und Gallencapillaren geht die Ausbildung der Radiärstellung dieser und der Leberzellen zum Centrum des Leberläppchens. Bei Phascol- arctinen undsRodentiern ist sie am deutlichsten. Bevor ich diese Thatsachen zu einem Versuch der Erklärung des Zustandekommens der Structur der Säuger-Leber zusammenfasse, will ich noch einige Details der feineren Histologie der Leber bei Placentaliern erwähnen und über die embryologische Entwickelung des Säugethiertypus der Leber Einiges hinzufügen. Die Imprägnationspräparate von Säugethier-Lebern weisen häufig Anhänge in Form kleiner Knöpfchen, gestielter Beeren oder Tropfen auf. Diese sind schon von OppeL (35) beschrieben und als identisch mit den von v. KUPFFER durch künstliche und natürliche Injection gefüllten intracellulären Anhängen der Gallen- capillaren hingestellt worden. Bei der Maus konnte ich imprägnirte und nicht imprägnirte Präparate ver- gleichen. Es gehen hier in der That kleine zipflige Anhänge von den Gallencapillaren ab. Aehnliches hat Krause (25) beim Hund beschrieben. Diese Anhänge buchten sich in das Innere der Leberzellen vor. Doch sind sie lange nicht so gross, wie die Anhänge in GorcI-Präparaten; ebenso wie auch in letzteren die Gallencapillaren selbst doppelt oder mehrfach so dick aussehen, wie in nicht imprägnirten Schnitten, während Zellen und Zellkerne in beiden gleiche Grösse haben (Fig. 50 und 68). Von den Leberzellen der Säugethiere ist das häufige Vorhandensein mehrerer, meist zweier Kerne bekannt. Ich sah sie namentlich häufig beim Igel und Menschen. Der Zellleib sieht bei den verschiedenen Thierindividuen verschieden aus; bald ist er gleichförmig fädig-maschig mit eingelagerten Körnchen, bald ist er mit geballten, krümligen Massen und helleren Partien durchsetzt. In der menschlichen Leber lag häufig gelbes Pigment in den Zellen. Es handelt sich bei diesen verschiedenen Bildern wahrscheinlich um verschiedene Phasen der Zellthätigkeit. 38 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 38 Ö) Q [957 B. Ontogenetischer Befund. (Vergl. Taf. XXX, XXXL) Schon TOLDT und ZUCKERKANDL (44) haben für den menschlichen Embryo angegeben, dass in frühen Entwickelungsstadien (aus der 4. Schwangerschaftswoche) ein netzförmig-tubulöser Bau der Leber besteht, und dass die Leberschläuche in diesem Stadium ein deutliches centrales Lumen besitzen. Neuerdings sind diese Angaben für das Kaninchen (&—9 mm Länge) von v. KoSTANECKI (24) bestätigt worden. Es ist äusserst interessant zu verfolgen, wie in der embryonalen Leber dieser durchaus primitive Typus allmählich verschwindet, auf welchem Wege die tubulöse Anordnung der Leberzellen verloren geht, und wie andererseits die Läppchenbildung zu Stande kommt. ToLDT und ZUCKERKANDL haben beim menschlichen Embryo diese Fragen zu ergründen gesucht. Ihre Resultate haben bereits in Manchem Modificationen erfahren durch die Beobachtungen VAN DER STRICHT’s (43) und v. KoSTANEcKTs, welche in kurz auf einander folgenden selbständigen Arbeiten über die Blutbildung zu gleichen Anschauungen über die Structur der embryonalen Leber kamen. Ich untersuchte die embryonale und postfötale Kaninchen-Leber, um namentlich das Verhalten der Gallencapillaren zu prüfen, welches wohl von TOLDT und ZUCKERKANDL, aber weniger von den neueren Untersuchern beachtet worden ist. Wenn ich auch hierin zu abweichenden Befunden kam von denen jener älteren Autoren, die naturgemäss zur damaligen Zeit unter schwierigen Verhältnissen arbeiteten, da embryonale Gallencapillaren sich nicht oder nur sehr schwer injiciren lassen, so kann ich doch andererseits ihre ausführlichen Darlegungen über die Gefässvertheilung und Entstehung der Leberinseln durch meine Befunde an Kaninchen bestätigen. Bei Kaninchenembryonen von ca. 6 cm Länge sind ausser den Leberzellenkernen kleinere, sich dunkel färbende Kerne bald einzeln, bald zu mehreren zusammen durch die Leber verstreut (Fig. 52). Beim mensch- lichen Embryo treten dieselben im 4. Schwangerschaftsmonat besonders zahlreich auf. ToLDT und ZUCKER- KANDL hielten dieselben für die Kerne jugendlicher Leberzellen. Aber VAN DER STRICHT und v. KOSTANECKI konnten nachweisen, dass diese Kerne zu Bildungszellen rother Blutkörperchen gehören. Es wachsen allenthalben von den Blutcapillaren feine, hohle Seitenästchen aus und diese dringen in die Lebertubuli ein, indem sie sich zwischen die Leberzellen zwängen. So bildet sich neben dem intertubulösen System der Gefässcapillaren ein intratubulöses, wie VAN DER STRICHT sich ausdrückt. Die intratubulösen Capillaren sind der Sitz der Blutbildung; denn hier liegen ausschliesslich in Mitose befindliche Erythrocyten, während in den intertubulösen Gefässfäden nur der Transport ausgebildeter Blutelemente von und zur Leber sich vollzieht. v. KosTANEcKı erwähnt schon, dass „der anfängliche charakteristische tubulöse Bau der Drüse durch das Hineinwachsen der Capillaren, vor allem der Blutbildungscapillaren, zwischen die Leberbalken verloren gegangen ist“. Die Gallencapillaren, welche anfänglich rein centrale Gallenwege darstellen, erfahren mit dem Ein- wachsen der Blutgefässsprossen Veränderungen ihrer Lage. Sie weichen aus dem Centrum der sich auf- lösenden Leberschläuche weg zwischen die Flächen angrenzender Zellen. Dagegen kann dort, wo in ihrer Nähe gerade keine Blutcapillare sich bildet, auch die Kantenposition erhalten bleiben. Während also ToLpr und ZUCKERKANDL glaubten, auch in diesen Stadien noch eine tubulöse Anordnung der Leberzellen und das Vorhandensein von Centralcapillaren feststellen zu können, hat in Wirklichkeit die Leber einen völlig irregulären Bau angenommen. Niemals liegt eine Gallencapillare unmittelbar neben einer Blutcapillare, sondern stets dem Eindringen der unregelmässig bald hier, bald da einwuchernden Bildungscapillaren aus- weichend, nehmen die Gallencapillaren einen ebenso verwickelten Verlauf, wie die Gefässvertheilung der 39 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 339 Leber verwickelt ist. Der tubulöse Typus ist gänzlich verwischt. Ein allgemein gültiges Schema lässt sich deshalb nicht geben, weil jede Stelle von der anderen verschieden ist. Die directe Untersuchung wird ausserdem sehr erschwert durch den starken Fettgehalt der Leberzellen (Fig. 52, 74). Die Unregelmässigkeit dieser Structur, die bis zur Geburt sich nicht mehr ändert, wird besonders dadurch bedingt, dass eine radiäre Anordnung der Leberzellen wie beim ausgewachsenen Thier völlig fehlt (Fig. 70). Beim Kaninchen beginnen direct nach der Geburt die Bildungszellen der Erythrocyten zu schwinden. Gleichzeitig macht sich in der Umgebung der Venae centrales die erste Andeutung einer radiären Stellung der Zellen bemerkbar. Nach einigen Stunden war freilich die regellose Structur kaum verändert, deutlich dagegen nach 2 Tagen (Fig 71). 9 Tage nach der Geburt war der radiäre Läppchenbau schon recht deutlich ausgeprägt (Fig. 72), und 39 Tage post partum war annähernd die typische radiäre Streifung der ausge- wachsenen Leber erreicht (Fig. 73). Die Bildungszellen waren zuletzt gänzlich verschwunden. Auch ToLpr und ZUCKERKANDL geben an, dass beim Menschen die radiäre Streifung postembryonal entsteht. Die Lebervenen konnten ToLDT und ZUCKERKANDL schon in frühen Stadien von Pfortaderästen an dem interstitiellen Bindegewebe, in welches letztere eingelagert sind und das ersteren völlig fehlt, unter- scheiden und sie fanden, dass eine Art Läppchenbau in der Leber schon während der Embryonalzeit sich anbahnt, lange also bevor die Radiärstellung der Zellen und Gefässe aufzutreten beginnt. Diese Leberinseln unterscheiden sich aber von denen der ausgebildeten Leber dadurch, dass in ihrem Centrum nicht eine Vene liegt, sondern ein ganzes Bäumchen mit vielen Seitenästen, welche man auf entsprechenden Schnitten oft leicht in einem übersehen kann, oder die auf Querschnitten als mehrere zwischen Pfortaderästen gelegene Venenquerschnitte erscheinen. Auch die Pfortaderäste sind häufiger verzweigt, und direct neben Quer- schnitten liegen oft grössere längsverlaufende Aeste, Erst allmählich und lange nach der Geburt, nachdem die Blutcapillaren sich in radiäre Lage durch Streckung oder Neubildung begeben haben, und dementsprechend auch die Leberzellen in radiärer Anordnung erscheinen, sind die Pfortaderäste mit ihrem Bindegewebe und die Venen so weit durch einander gewuchert, dass im Centrum mehrerer Pfortaderäste nur eine Centralvene liest. Dann ist die Leber völlig ausgebildet. Denselben Entwickelungsprocess konnte ich beim Kaninchen verfolgen. Zusammenfassung. 1) Die Leber sämmtlicher Säugethiere ist aus Leberläppchen (Acini, Lobuli, Insulae) zusammengesetzt, welche schon makroskopisch erkennbar sind. An der Peripherie jedes Läppchens ist interstitielles Bindegewebe stets vorhanden und oft sehr reichlich entwickelt. In dasselbe sind die Pfortader-, Leberarterienäste und Gallengänge eingebettet. Im Centrum des Läppchens liegt eine Lebervene. Das interstitielle Bindegewebe dringt in das Innere der Leberinseln nicht vor. 2) Innerhalb der Leberinseln haben die Leberzellen und Gefässe die verschiedenste Anordnung. — Bei Monotremen kommt ein tubulöser Bau vor (Echidna). Leberschläuche und Gefässe bilden Balkenwerke, von denen das eine in den Lücken des anderen liegt. Andere Monotremen (Ornitho- rhynchus), viele Marsupialier (Phalangistinen, Dasyuriden) und Placentalier (Insectivoren, Carnivoren ; Ungulaten; Primaten) haben einen stark veränderten Bau. An die Stelle der Schläuche sind zusammenhängende Massen von Leberzellen getreten. Die meisten Blutgefässe laufen radiär zur Centralvene, und die „Leberbalken“ zwischen ihnen haben annähernd radiäre Stellung. Die Gallen- capillaren sind zu monocytischen Netzen verbunden. An die tubulöse Anordnung erinnert nur hin und wieder die Kantenposition der Gallencapillaren. Andere Beutelthiere (Phascolarctinen) und 340 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 40 Placentathiere (Rodentier) haben eine viel ausgeprägtere Radialstellung der Blutcapillaren und Leberbalken“. Die Masse der Leberzellen ist von einer weit grösseren Anzahl von Blut- und Gallencapillaren durchsetzt. Letztere sind überall zu monocytischen Netzen verbunden, und da Kantenpositionen fast gar nicht vorkommen, erinnert nichts mehr an den tubulösen Bau. 3) In der individuellen Entwickelungsgeschichte der Säuger-Leber besteht in frühen Stadien ein netz- förmig-tubulöser Bau. Es entwickelt sich dann im fötalen Leben allmählich die Eintheilung der Leber in Läppchen. Bei der Geburt entspricht jedes Läppchen mehreren Inseln des ausgewachsenen Zustandes. Im postfötalen Leben wachsen die Läppchen zu Bäumchen aus, und jeder Ast eines solchen Bäumchens wird zu einem separaten Leberläppchen. Der tubulöse Bau geht während der Fötalzeit völlig verloren durch die Einwucherung von Blutcapillaren in die Leberschläuche zum Zwecke der Blutbildung: Bildungs- oder intratubuläre Capillaren. Die Gallencapillaren treten auf die Flächen der Leberzellen. Gleich nach der Geburt beginnen die Leberläppchen radiäre Anordnung von Gefässen und „Leberbalken“ aufzuweisen. Es dauert längere Zeit, bis die Radiärstellung völlig ausgebildet ist. Die Blutbildungszellen verschwinden in der postfötalen Zeit. Fig. 6a. Die Veränderungen des Leberbaues in der Reihe der Säugethiere äussern sich sehr deutlich im Verhalten der Blutgefässe. Denken wir uns den einfachsten Fall der tubulösen Leberform, so ist jeder Schlauch ringsum von Blut umspült, und jede Zelle desselben steht also mit einer ihrer Flächen in der ganzen Ausdehnung derselben mit dem Blutstrom in Berührung. Ist jedoch diese tubulöse Anordnung verschwunden, sind die ein- zelnen Zellen an fast allen Flächen mit Nachbarzellen verbunden und nur an einer oder wenigen Stellen mit Blutgefässen in Contact, so haben wir eine hoch- gradige Ortsveränderung der Blutcapillaren in ihrem Verhältniss zu den Leberzellen vor uns. Die absolute Fig. 6. Schema, (Querschnitte). .a) L Stadium: Anordnung beim tubulösen Typus (Echidna). : b) II. Stadium: Verbindung der Leberzellen zu einer einzigen Zellmasse. Stellenweise sind die Gefässe von den Zell- he 5 die Zellkanten gewandert (Ormithorhynchus, Phalangistinen, Dasyuriden, Insectivoren, Carnivoren, Ungulaten, rimaten). c) III. Stadium: Die Gefässe liegen sämmtlich an den Zellkanten (Phascolarctinen, Rodentier).; die Wanderung der Gefässe und das Eindringen derselben zwischen die Leberzellen darstellend Al Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 341 Masse der Blutleiter kann dabei unverändert, vermehrt oder vermindert sein. Die Zellen stehen nur ausnahms- weise noch mit einer ganzen Fläche mit dem Blutstrom in Berührung. Manche haben an Contact mit Blutfäden gewonnen, andere verloren. Sind die Leberzellen an 4 Kanten von Blutfäden tangirt, so ist dementsprechend die topographische Verlagerung der Blutwege grösser, die Auftheilung der Gefässe erheblicher. Das Wesentliche ist aber auch hier nur die Umordnung von Gefässen und Zellen. Ueber die Zu- oder Abnahme der Quantität der Blutleiter lässt sich auf Grund bloss morphologischer Untersuchungen kaum etwas aus- sagen (Textfig. 6). Suchen wir die Anfänge der Verlagerung der Blutgefässe auf, so finden wir diese bei Echidna. In der primitiven Leber dieses Thieres giebt es ausser den vasozonalen Maschen der Gallencapillaren auch cytozonale. Letztere liegen einzeln und umgeben eine centrotubuläre Zelle. Da auch bei niederen Wirbel- thieren, ja selbst bei Myxine, cytozonale Maschen vorkommen, so würden wir bei Monotremen aus dem Bestehen solcher an sich kaum mehr schliessen können, als dass auch in diesem Punkte ihre Leber mit der primitiver Anamnier übereinstimmt. Aber im ganzen Verlauf meiner Untersuchungen lernten wir die cyto- zonalen Maschen nur als ein Symptom der Abänderung des Schlauchtypus kennen, und es blieb im einzelnen Falle immer noch die Aufgabe zu lösen, worin diese Abänderung des Baues eigentlich besteht. Von den Säugern wissen wir aus vergleichend histologischen Untersuchungen, dass diese Anfänge einer Umänderung der Schläuche zu einem völligen Zerfall derselben und einem ganz specifischen Säugertypus der Leber führen. Sie gewinnen also schon dadurch an Bedeutung. Doch haben sie auch ihre besonderen Merkmale. Die Maschen der Gallencapillaren sind rein monocytisch und umschliessen eine Leberzelle an ihrer grössten Peripherie, wobei sie auf den Zellflächen liegen. Unter .den anderen cytozonalen Maschen dagegen (bei Cyclostomen, Amphibien, Reptilien) ist stets ein Theil polycytisch. Ausserdem stehen die umgürteten Zellen immer nach einer Seite mit dem Blutgefässsystem in Berührung, so weit sich dies nach- weisen liess. Centrotubuläre Zellen, wie die betreffenden Leberzellen bei Echidna, sind es also nicht. Den blinden Seitenästen der Gallencapillaren der Echidna-Leber, welche zwischen den Zellen bis auf kurze Entfernung von der Schlauchperipherie allenthalben eindringen, erlauben die Gefässe nicht um den vollen Umkreis der Zellen herum sich netzförmig zu verbinden. Denn seit den Untersuchungen ÄNDREJEVIC'S (2) steht die Thatsache fest, dass Blut- und Gallencapillaren sich niemals berühren. Verschwindet aber an einer Stelle zwischen zwei Schläuchen die Blutcapillare langsam, so ist natürlich dieses Hinderniss beseitigt, und es wird eine Vereinigung der Seitencapillaren möglich sein. Denken wir uns daher an einer Theilungsstelle der Leberschläuche bei Echidna den Beginn der Gefässverlagerungen der Säuger- Leber einsetzen und zwar so, dass aus dem Winkel zwischen dem Leberschlauch und einem der Schlauchäste die Blutcapillare verschwindet, so werden die beiden Schläuche sich an dieser Stelle berühren, und es wird Zelle an Zelle grenzen. Zunächst werden sich dann die Gallen- capillaren um die im Verzweigungswinkel ge- A ; Fig. 7. Lebertubuli bei Eehidna. a. Vor dem Beginn der Gefäss- legene Leberzelle vereinigen, und das weitere wanderung. b. Beginn der Gefässwanderung und Maschenbildung. Zurückweichen der Blutcapillaren wird die Bil- dung neuer Netze im Gefolge haben können. Stets wird dabei die Winkelzelle in das Innere des Schlauches rücken (centrotubuläre Zelle) (Textfig. 7). Jenaische Denkschriften. V. 6 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 45 2 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 42 Es sind in der That bei Echidna die spärlichen cytozonalen Netze, welche ich fand, sämmtlich an Verzweigungsstellen der Gallencapillaren gelegen. Ausserdem umgeben sie centrotubuläre Zellen an ihrer grössten Peripherie. Sie sind auch flächenständig und deuten dadurch auf ihre Entstehung aus den gleich- gelagerten Seitencapillaren hin. Da ferner Verlagerungen der Gefässe in der ganzen Säugethierreihe im ausgedehntesten Maasse vorkommen, so können wir als wahrscheinlich voraussetzen, dass sie bei Echidna beginnen. Eine Stütze würde diese Ansicht dadurch gewinnen, dass die Ursache der Veränderungen der Gefässtopographie bei den anderen Säugethieren sich finden liesse und dass diese auch bei Echidna bestünde. In dieser Richtung geben die cytozonalen Netze der u2 Echidna ebenfalls Hinweise. Dieselben stehen nämlich Läppchencentrum sämmtlich in einer Ebene, welche durch die Centralvene ! des Leberläppchens geht, also radiär in der Leberinsel. Eine paratangentiale Stellung nehmen sie nie ein. Es ist dies das allgemeine Kennzeichen der monocytischen Maschen der Säuger-Leber, wie schon HERInG nachge- wiesen hat, welcher namentlich beim Kaninchen die Kreuzungspunkte der Gallencapillarnetze stets auf den dem Centrum oder der Peripherie des Läppchens zu gewandten Zelllächen fand, also auf paratangentialen Flächen; die Maschen selbst stehen folglich radiär beim Kaninchen, und das ist ebenso bei allen anderen Säugethieren der Fall (Textfig. 8). Da ausser bei Läppchenperipherie Echidna auch die Blutcapillaren mehr oder minder aus- Fig. 8. Schema des Verlaufs der Gefäss- und Gallen- geprägten radiären Verlauf im Leberläppchen besitzen capillaren in der Leber des Kaninchens (HERING). a 5 © und nur wenige als Verbindungsäste der radialen Ca- pillaren stark von dieser Lage abweichen, so sind die Gefässfäden den Netzen der Gallencapillaren parallel orientirt. Es besteht somit ein enger Zusammenhang zwischen der Anordnung der Gefässe und Gallencapillar- netze. Stellen wir uns daher vor, dass die Umlagerung der Lebergefässe, welche in verschiedenen Reihen der Säugethiere in beständigem, fortschreitendem Flusse befindlich ist, immer nur solche Blutcapillaren betrifft, welche paratangentiale Lagerung im Leberläppchen haben, so dass also paratangentiale Blutfäden von der Stelle, wo sie lagen, verschwinden, so würden die Gallencapillarnetze, die in Folge dessen entstehen können, alle radiäre Lage einnehmen müssen. Denn in dem Balkenwerk tubulöser Drüsen, wie wir es für die Leber uns schematisch vorstellen, stehen ja an jeder Stelle die Balken des einen Systems zu denen des anderen senkrecht. Welche Kraft wäre nun im Stande die Blutcapillaren aus einem netzartigen Geflecht umzubilden in radiär zur Centralvene stehende Adern, indem alle in anderer (besonders in paratangentialer) Richtung verlaufenden Gefässcapillaren verschwänden und nur die von Anfang an radiär gestellten erhalten oder neue hinzugebildet würden? Es muss eine Kraft sein, die bei Anamniern: und Sauropsiden nicht existirt und den Säugethieren eigenthümlich ist. — Es ist dies die Kraft des Zwerchfells! - Ueberlegen wir uns, wie durch das Auftreten des Zwerchfells in der Thierreihe die Blutcirculation in der Leber beeinflusst wird. Bei Reptilien findet die Athmung fast durchweg in der Weise statt, dass die 43 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 343 Rippen oder dergleichen bewegliche Skeletelemente!) durch Muskelaction eine andere Lage einnehmen und die Leibeshöhle erweitern. Der negative Druck, welcher in der Leibeshöhle immer vorhanden sein muss, damit die Lungen nicht gänzlich collabiren, steigert sich in Folge dessen, die Lungen folgen, und das Thier inspirirt. Ob die Exspiration activ oder passiv erfolgt, interessirt uns hier nicht: genug, bei Reptilien herrscht in der Leibeshöhle ständig negativer Druck, der sich bei jeder Inspiration noch steigert. Bei den Amphibien, welche die Luft grösstentheils verschlucken, ist eine inspiratorische Ausdehnung der Leibeshöhle gar nicht oder höchstens in geringem Maasse möglich. Denn sie besitzen entweder keine oder nur sehr wenig entwickelte Rippen. Andererseits ist die active Blähung der Lungen bei der normalen Athmung sehr gering und ausserdem wegen der Zartheit der Lungenblasen mechanisch irrelevant. Die Leber, welche frei in der Leibeshöhle liegt, steht daher bei Anamniern und Reptilien nie unter positivem Druck und bei Reptilien sogar stets unter negativem und während der Inspiration unter ziemlich [starkem nega- tiven Druck. Ganz anders verhält sich dies beim Functioniren eines musculösen Diaphragmas, das Brust- und Bauchhöhle völlig von einander sondert. Für die Brusthöhle bleiben die Druckverhältnisse dieselben wie bei der Leibeshöhle der Thiere, welche kein Zwerchfell, aber Rippen besitzen. Der negative Druck wird höchstens verstärkt durch die Contraction des Zwerchfellmuskels während der Inspiration, da diese dazu beiträgt den Raum der Brusthöhle zu vergrössern. Fir 98 Eike gb- In der Bauchhöhle herrscht dagegen positiver Druck. Denn bei der Inspiration drückt das - Brusthöhle Zwerchfell von oben auf die Eingeweide, und wir BON AN DEN esse -_ Vena cava können direct an der Vorwölbung der Bauchdecken u. Lebervene während derselben sehen, dass der Druck in der Bauchhöhle steigt. Bei der Exspiration contrahiren | sich aber, wenigstens bei einem bestimmten Athem- Bauchhöhle F b 3 Me: ? ypus (der Abdominalathmung;), die vorderen Bauch = 4: Ten muskeln, drücken die Eingeweide gegen das Zwerchfell und dieses in die Brusthöhle hinein, so Fig. 9a. Schema der Druckverhältnisse in der Leibeshöhle der Reptilien. wegung des Zwerchfells können wir dabei erkennen, Fig. 9b. Schema der Druckverhältnisse in der Brust- und Bauchhöhle der Säugethiere. dass der Brustraum verkleinert wird. An der Be- dass in der Bauchhöhle positiver Druck herrscht. Nun liegt die Leber selbst in der Bauchhöhle, steht also unter positivem Druck bei den Säugethieren. Die ableitenden Blutgefässe der Leber dagegen, die Lebervenen, stehen unter negativem Druck; denn sie münden direct in die Vena cava da, wo diese durch das Zwerchfell hindurch in die Brusthöhle tritt. Es ist erwiesen, dass die grossen Blutgefässe der Brusthöhle, namentlich die Venen und Vorhöfe, dem negativen Druck der Brusthöhle folgen, und R. HEIDENHAIN (18) hat bereits auf die Bedeutung dieser Thatsache für die Bluteirculation in der Leber hingewiesen. Er }betont mit Recht, dass dieser negative Druck sich besonders wirksam bis in die kleinsten Lebervenen fortsetzen ı) Ich lasse mich hier auf Einzelheiten der Athmungsmechanik nicht ein, weil zur Zeit hierüber im hiesigen physio- logischen Institut unter Leitung |des Herrn Prof. BIEDERMANN ausgedehnte vergleichende Untersuchungen von Herrn cand. med. SIEFERT angestellt werden. Ich verdanke Herrn SIEFERT und besonders Herrn Prof. BIEDERMANN manch werthvollen Aufschluss über die Athmung der Wirbelthiere, der mir für meine Auffassung von dem Zusammenhang derselben mit der Structur der Leber sehr förderlich war. 6* 45* Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. \ 44 344 kann, weil diese ohne Bindegewebsumhüllung direct an das Lebergewebe angeheftet sind und deshalb stets passiv offen gehalten werden. Wenn wir bedenken, dass die Leber ein äusserst blutreiches Organ ist, dass bei manchen Amphibien und Sauropsiden kaum die Hälfte des Organs aus Leberzellen besteht, so ist es begreiflich, dass eine völlige Umwälzung der Druckverhältnisse in der Leber, wie sie durch das Auftauchen des Zwerchfells bedingt wird, von Einfluss sein muss auf die Circulation in dem Organ, und dass dadurch weiterhin die Structur desselben beeinflusst werden kann. Denken wir uns in den Lebervenen eines primitiven Säugethiers, wie Echidna, einen kräftigen negativen Druck auftreten, so wird das Leberblut stark angesaugt werden und auf den nächsten Wegen den Lebervenen zuzuströmen suchen. Bevorzugt werden natürlich alle radiär gelegenen Strecken der in allen Dimensionen gewundenen Gefässe des noch netzförmig-tubulösen Drüsentypus. Die übrigen Gefässe, namentlich aber die ungünstigsten, die paratangential gelegenen, werden in demselben Maasse wie die radialen sich ausbilden und vermehren, vom Blutstrom gemieden; sie verkümmern und verschwinden bis auf wenige, welche als Queranastomosen nothwendig sind für den Fall, dass Circulationsstörungen in radiären Kanälen eintreten. Stimmt also unsere Hypothese, dass das Zwerchfell der treibende Motor für das Ver- schwinden paratangentialer Blutcapillaren in der Echidna-Leber ist, so ist damit erklärt, wie allmählich immer mehr monocytische, radiär gestellte Gallencapillarmaschen in der Säugethier-Leber auftauchen. Es begreift sich, dass der Schlauchtypus in dem Maasse verloren geht, als die Leberzellen sich aneinander- schliessen, und dass die Gefässcapillaren immer deutlicher radiär auf die .Centralvene losziehen. Die Wanderungen der Gefässe in der Säugethier-Leber sind nichts anderes als Umwandlungen beliebig gewundener und verbundener Gefässe in radıär gestellte mit den nothwendigsten Queranastomosen. Die Gallencapillaren aber sind im Stande durch ihre zahlreichen und wohl entwickelten Seitenwege überall da sich zusammenzuschliessen, wo Veränderungen der Gefässanordnung: eintreten. Schon bei Amphibien lernten wir in der Möglichkeit der Bildung von Netzen, also in letzter Linie in dem Vorhandensein aus- gebildeter Seitencapillaren, das bestimmende Moment kennen, welches die Leber in Stand setzt den schlauch- förmigen Typus aufzugeben und sich den äusseren Bedingungen, die seitens des Gefässsystems hier wie dort auf sie einwirken, anzupassen. Ich verglich die Netzbildungen der Gallencapillaren mit den Wunder- netzbildungen und überhaupt mit Anastomosen der Arterien an Stellen der Haut, die äusserem Druck und localisirten Stauungen ausgesetzt sind. Dass Stauungen in einer Leber, die solchen Umwandlungen unter- liegt wie die Säugethier-Leber, häufig vorkommen, versteht sich von selbst. In frühen Stadien der Ausbildung des Säugethiertypus hat das Zwerchfell noch keine grossen Ver- änderungen hervorgebracht. Die Leberbalken sind grösstentheils tubulös, die Blutcapillaren unregelmässig gewunden, und hin und wieder treten monocytische Netze und centrotubuläre Zellen auf. An diesen Stellen sind paratangentiale Gefässe verödet. So verhält sich Echidna. Die Entwickelung geht so weiter, dass immer mehr paratangentiale Gefässe verschwinden, dass die Leberschläuche sich zu Zellplatten aus mehrfachen Zelllagen zusammenschliessen und in diesen Platten die Gallencapillaren überall zu Netzen verbunden sind. Die radiären Blutcapillaren bilden sich allmählich deut- licher aus, es mögen neue radiär verlaufende Gefässe entstehen, und so bildet sich die radiäre Streifung des Leberläppchens. Durch Anlagerung neuer Zellen vergrössern sich die Zellplatten zu Zellhaufen, in denen die Gallencapillarnetze und die Gefässe radial gestellt sind. Erstere haben zum Theil noch die ursprüngliche Kantenposition der Centralcapillaren, zum grösseren Theil die Flächenposition der stark vermehrten Seiten- capillaren. Dieses Stadium in der mannigfachsten Ausbildung im Einzelnen bietet schon Ornithorhynchus, bieten ferner die Phalangistinen, Dasyuriden, Insectivoren, Carnivoren, Ungulaten und Primaten. 45 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 345 Vermehren sich die radialen Blutcapillaren so ausserordentlich, dass zwischen alle Leberzellen Blut- gefässe eindringen und an allen 4 Kanten jeder Zelle ein Gefäss liegt, dann wird natürlich der radiale Bau des Leberläppchens ausserordentlich deutlich, die Kantenposition der Gallencapillaren verschwindet ganz und die Netzbildung und Flächenstellung der Gallenwege erreicht die höchste Ausbildung. Annähernd haben diese Stufe die Phascolarctinen und namentlich die Rodentier erreicht. Aber hat denn in der That das Zwerchfell eine solche Einwirkung auf die Gestaltung des Säuge- thiertypus der Leber? Ich will zunächst versuchen auf entwickelungsgeschichtlichem Wege dieser Frage näher zu treten. Die Athmung beginnt bei den Säugethieren in dem Augenblick der Geburt. Bis dahin ist eine Zwerchfell- action ausgeschlossen. Mit dem ersten Athemzug aber, mit der ersten Zwerchfellcontraction entsteht zum ersten Mal ein negativer Druck im Brustraum und ein positiver in der Bauchhöhle. Wir haben also ein Experiment der Natur vor uns, und es ist möglich, dass in der individuellen Entwickelung die Umgestaltung der Druckverhältnisse durch die Zwerchfellcontractionen dieselben oder ähnliche Effecte hervorbringt wie in der Stammesentwickelung. Es ist dies keine Nothwendigkeit. Denn häufig bedient sich der Organismus in der eigenen Entwickelung anderer Mechanismen, als diejenigen waren, welche in der Geschichte seiner Vorfahren walteten. Es tritt uns denn auch in der Ontogenie sofort eine grosse Veränderung in der Entwickelung entgegen, die in der Stammesgeschichte fehlt. Die embryonale Säuger-Leber hat besondere Beziehungen zur Blutbildung gewonnen, indem schon in frühen Epochen von den Blutcapillaren Aeste in die Lebertubuli einwuchern. In diesen Blindsäcken findet die Bildung und Vermehrung der kernhaltigen rothen Blut- körperchen statt, welche später ihre Kerne verlieren und in den übrigen Leber- und Körperkreislauf als aus gebildete kernlose Erythrocyten übergehen. Durch diese Bildungscapillaren wird der tubulöse Bau der jungen embryonalen Leber völlig zerstört, indem die Zellen sich verbinden zu einer einzigen Zell- masse, durch welche Blutcapillaren, Bildungscapillaren und Gallencapillaren hindurchziehen, wie es scheint nur insofern geregelt, als Gallencapillaren nie neben Gefässcapillaren liegen und als bei letzteren die Bildungscapillaren stets in die zu- resp. abführenden Blutcapillaren münden. Es kommt also in der indivi- duellen Entwickelung eine Umwandelung des tubulösen Leberbaues lange vor der ersten Zwerchfellcontraction in Folge der Beziehungen der Leber zur Blutbildung zu Stande. Es ist dies ein cänogenetischer Vorgang. Denn in der Leber ausgewachsener Thiere kommt nirgends in der Wirbelthierreihe eine solche Ansammlung von Blutbildungszellen vor. Die Massenproduction von Erythrocyten, welche der Körper in kurzer Zeit während des Embryonallebens vornehmen muss, um seinen Bedarf zu decken, erfordert besondere Einrichtungen. Die Leber ist ein besonders günstiger Boden für die Blutbildung aus Gründen, die wir nicht kennen. Aber durch VAN DER STRICHT’S (43) Untersuchungen wissen wir, dass bei Amphibien und Sauropsiden in der Embryonalentwickelung eine Blutbildung im strömenden Blut der Gefässcapillaren der Leber stattfindet. Dasselbe fand ich bei Echidna-Embryonen, die sich also auch darin von den übrigen Säugethieren unterscheiden (Fig. 53). Denn bei Beutel- und Placentathieren ent- wickeln sich die Blutzellen in jenen besonderen Bildungscapillaren, welche deshalb offenbar besonders günstig sind, wie v. KoSTAnECKI (24) meint, weil hier eine ungestörte Entwickelung fern von der lebhaften Circulation in den zu- und abführenden Gefässcapillaren stattfinden kann. Es ist auffällig, dass diese Bildungscapillaren sich nur bei denjenigen Thieren bilden, welche im entwickelten Zustand ihrer Leber keinen tubulösen Bau besitzen (Säugethiere), während sie }dort fehlen, wo die Leber stets tubulös bleibt oder doch nicht die völlige Umgestaltung erfährt wie die Säuger-Leber (Amphibien, Reptilien, Echidna). Aus diesem Zusammenhang möchte ich schliessen, dass die embryonalen Bildungscapillaren nichts anderes sind 346 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 46 als Theile derjenigen Blutcapillaren, welche nach dem biogenetischen Grundgesetz den tubulösen Bau der embryonalen Säuger-Leber in den definitiven umwandeln, indem sie, wie in der Stammesgeschichte, zwischen die Lekszellen SindAagen Die Cänogenie besteht darin, dass nur Theile dieser Blutcapillaren in diesem Entwickelunesstadium zur Anlage kommen. Es entspricht das dem Zweck Blindschläuche für die Blut- bildung zu schaffen, welche das ausgebildete Gefässsystem bei Säugethieren in Folge seiner Anastomosen so wenig wie das bei niederen Wirbelthieren aufweist. In dem Augenblick, wo das Zwerchfell sich zum ersten Mal contrahirt, ist also die Leber von durch- aus unregelmässiger Structur, wie ich dies oben schilderte. Aber es besteht bei aller Verschiedenheit vom tubulösen Typus doch keine radiäre Anordnung der Blutcapillaren und „Leberbalken“. Jedoch bald nach der Geburt taucht diese auf; beim Kaninchen am 2. Tage schon erkennbar (Fig. 71), mit jedem weiteren Tage deutlicher werdend, ist sie nach 9 Tagen sehr gut ausgeprägt (Fig. 72) und nach Verlauf eines Monats ungefähr auf der Höhe der Ausbildung angelangt (Fig. 73), die bei diesem Thier überhaupt erreicht wird. Ist also auch der Ausgangspunkt in der individuellen Entwickelung ein anderer als in der Stammesentwickelung, so ist doch die zeitliche Uebereinstimmung in der Ausbildung des radiären Baues der Leberläppchen mit dem Beginn der Athmung und der Contractionen des Zwerchfells eine so auffallende, dass die Wahrscheinlichkeit eine grosse ist, es handle sich dabei um einen ursächlichen Zusammenhang. Die Ontogenie der Leber scheint mir daher wohl geeignet die Bedeutung des Zwerchfells als umgestaltenden Factors für die Leberarchitectur zu stützen. Auch auf vergleichend-anatomischem Weg versuchte ich mir über die Bedeutung des Zwerchfells Klarheit zu verschaffen. Leider giebt es keine zusammenfassende vergleichende Untersuchung des Zwerch- fells der Säugethiere in der Literatur. Ich beschränkte mich daher auf diejenigen Thiere, deren Leber ich mikroskopisch untersucht hatte und präparirte das Zwerchfell derselben mit dem Messer aus. Wenn in der That die Zusammenziehungen dieses Muskels und deren Folgen die Leberstructur beeinflussen, dann müssen, wenigstens bei nahe verwandten Thieren, Umgestaltungen der Leber auch Umgestaltungen des Zwerchfells entsprechen. Wir besitzen unter den beiden einzigen Monotremen, die wir kennen, in Echidna ein Thier, welches einen nur sehr wenig vom tubulösen Typus abweichenden Bau der Leber aufweist, während Ornithorhynchus erheblich weiter in der Richtung, welche die Umwandlung der Säuger-Leber nimmt, fortgeschritten ist. Freilich ist es schwer nach dem Material, das mir vorlag, genau den Grad anzugeben, bis zu welchem die Umwandlung gediehen ist. Aber schätzungsweise kann ich wohl sagen, dass die Ornithorhynchus-Leber der von Dasyurus etwa näher steht als der von Echidna. Da ich unmöglich die relative Grösse des Zwerchfells zur Grösse der Brust- und Bauchhöhle der verschieden grossen und verschieden gebauten Thiere bestimmen und die Functionskraft nicht messen konnte, so begnügte ich mich damit die Ursprungszacken des Muskels an Rippen und Wirbeln zu zählen. Je mehr Ursprungszacken das Diaphragma besitzt, über eine um so grössere Peripherie der Ursprungsfläche verfügt es, und um so ausgiebiger wird seine Wirkung für die Vergrösserung der Brust- und Verengerung der Bauchhöhle bei der Contraction — ceteris paribus — sein. Einigen Anhalt können also wohl, nament- lich bei diesen nahe verwandten Thieren, solche Zahlen für die Schätzung der Druckwirkung des Zwerch- fells geben. Das Zwerchfell von Echidna besitzt in seiner costalen Parthie 9—10 Ursprungszacken, das von Ornitho- rhynchus deren 12. Die Pars lumbalis entspringt bei Echidna an den Körpern zweier Wirbel, bei Ornitho- rhynchus an deren vier. Diese Angaben gelten für die rechte Seite der Thiere. Ornithorhynchus hat also wahrscheinlich den functionskräftigeren Muskel von den beiden. Zu bedenken ist dabei, da gerade die lumbale Portion eine Verdoppelung der Zacken aufweist, dass diese die jüngere Parthie des Zwerchfells ist. Wie 47 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie .der Leber der Wirbelthiere. 347 embryologische Befunde und vergleichend-anatomische Thatsachen lehren, entsteht das Zwerchfell ventral und gelangt erst später an die Wirbelsäule. GEGENBAUR sagt darüber in seinem Lehrbuch der Anatomie: „Der verschiedene Ausbildungsgrad zwischen dem ältesten vorderen und dem jüngsten hinteren Abschnitte des Zwerchfellmuskels erscheint dann als Folge des günstigeren Ursprungs, welcher dem Muskel in seinem lumbalen Theile zukommt. Dieser findet sich im functionellen Uebergewicht über die von minder festgefügten Skelettheilen entspringenden, älteren sternocostalen Ursprungsportionen.“ Also wird das numerische Ueber- gewicht der Zacken des Zwerchfells bei Ornithorhynchus gegenüber Echidna in seiner Bedeutung erhöht durch die functionelle Wichtigkeit gerade des Abschnitts, in welchem die Vermehrung der Zacken relativ am stärksten ist. Bei Monotremen herrscht daher die Uebereinstimmung zwischen dem Bau der Leber und der Ausbildung des Diaphragmas, wie sie die Hypothese verlangt. Ist schon die Beweiskraft meiner Zahlen innerhalb enger Grenzen, in denen ich sie bisher anwandte, mit Vorsicht zu beurtheilen, so wäre es thöricht, die bei Monotremen gefundene Zahl der Zwerchfellzacken ohne weiteres mit der bei Placentathieren ermittelten zu vergleichen. Denn beim Igel, Hund, Kaninchen und Menschen ist einmal eine Reduction des älteren Theiles, der Pars sterno-costalis, eingetreten, so dass von den Rippen nur noch 9, 5, 7 und 6 Zacken bei den verschiedenen Thieren entspringen; dafür hat anderer- seits der jüngere und kräftigere Theil, die Pars lumbalis, eine besondere Ausbildung erfahren. Berück- sichtigen wir diese, so erweisen sich auch die 4 Placentalier unter sich nicht nach der Zahl der Zacken vergleichbar, denn sie haben sich in verschiedener Richtung differenzirt. Beim Igel besteht die Pars lumbalis noch aus Zacken, die nur von Wirbelkörpern entspringen und zwar 2 sehnigen und 3 musculösen, sie hat also 5 Zacken. Beim Hund besitzt sie freilich nur 2 Zacken, die musculös von 2 auf einander folgenden Wirbeln (22. und 23.) entspringen. Der Hund hat aber ausserdem eine starke laterale Zacke, die musculös von dem sehr stark entwickelten Processus transversus s. lateralis des 22. Wirbels entspringt. Ob diese nicht functionell kräftiger ist als die 3 medialen Zacken, welche der Igel anstatt ihrer besitzt, kann die Morphologie wohl nicht entscheiden; ebensowenig, wie sich dazu der Mensch verhält, der bekanntlich 3—4 mediale Zacken der Pars lumbalis besitzt und ausserdem eine laterale vom Querfortsatz des ersten Lendenwirbels entspringende Beim Kaninchen und anderen Nagern ist jedoch das functionelle Ueber- gewicht der Pars lumbalis gegenüber den bisher betrachteten Säugern sehr auffällig. Dieselbe besitzt beim Kaninchen rechterseits 3 und linkerseits gar nur 2 Zacken. Aber diese entspringen nicht nur am Wirbel- körper des 20., 21. und 22. Wirbels, sondern auch an ziemlich stark in ventraler Richtung vorspringenden medianen Knochenfortsätzen dieser Wirbel. Es haben sich also bei diesen Thieren die Wirbelkörper durch Fortsatzbildungen speciell differenzirt im Anschluss an die Function des Zwerchfells. Darin darf man den Beweis für die besondere Kräftigkeit dieses Muskels erblicken. Es kommt hinzu, dass von der Pars lumbalis sich ein Sehnenstreifen in die Beckenmusculatur fortsetzt, deren Fasern zum Theil an dieser Sehne entspringen. Dadurch gewinnen also auch diese Muskeln eine verstärkende Mitwirkung auf die Zusammen- ziehung des Zwerchfells. Es besteht somit beim Kaninchen eine hohe Differenzirung des functionstüchtigsten Theiles des Musculus diaphragmaticus gegenüber anderen Säugethieren und dies stimmt im Sinn unserer Hypothese gut überein mit der excessiven Umwandlung der Leber dieses Nagers. Aus der Reihe der Beutelthiere verglich ich Triehosurus und Phascolarctus miteinander. Es stimmte auch bei diesen die Höhe der Ausbildung der Pars lumbalis des Zwerchfells mit der der Leber überein. Denn Trichosurus besitzt nur 2 lumbale Zacken, während Phascolarctus 4 zeigt, von denen die unterste in das Lig. longit. anterius der Wirbelsäule sich fortsetzt, Ausserdem bestand auch bei Phascolarctus ein Uebergreifen des Ursprungs der Beckenmusculatur auf die lumbalen Ursprungszacken des Zwerchfells. Seine Ursprünge an den Rippen waren weit weniger zahlreich als bei den Monotremen. Bei Phascolareius zählte ich 6, bei Trichosurus 7. Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 48 Ich glaube somit in der Ontogenie der Säugerthierleber und bedingungsweise auch in der ver- gleichenden Anatomie des Zwerchfells Bestätigungen gefunden zu haben für die Hypothese, dass die Zwerch- fellsaction und ihre Wirkung auf die Blutcirculation in der Leber die Ursache für die Entstehung des „Säugethiertypus“ dieses Organes ist. Es harrt jedoch noch das andere, constantere Characteristicum aller Säuger-Lebern: die Läppchen-Eintheilung der genetischen Erklärung. Es besteht jedenfalls kein Zusammenhang zwischen Läppchenbau und Säugethiertypus des Leberparenchyms. Denn alle Säuger besitzen Leberläppchen, aber nicht alle besitzen den specifischen Säugethiertypus, z. B. Echidna. Da Uebergänge zwischen nicht lobulären Lebern (Anamnier und Sauropsiden) und lobulären (Mammalia) fehlen und auch die Ontogenie der Säuger ohne weiteres keine deutliche Auskunft giebt, so kann der Versuch einer Erklärung höchstens weiter unten nach Vergleichung des Baues der Leber aller Wirbelthierklassen gewagt werden. III. Allgemeine Histologie der Leber. l. Geschichte und Mechanik ihrer phylogenetischen Entwickelung. Vergleichende Untersuchungen über den histologischen Bau der Leber bei zahlreichen Anamniern und Amnioten, von denen ich im Vorhergehenden Mittheilung machte, bringen mich zu dem unvermutheten Resultate, dass die Wirbelthier-Leber höchstens bei Fischen, bei denen nichts Abweichendes nachgewiesen werden konnte, aus einem Maschenwerk reiner, netzförmig verbundener Schläuche besteht, durch dessen Lücken ein gleichgebautes Netzwerk von Blutcapillaren gesteckt ist. Cyclostomen, Amphibien, Reptilien weisen mehr oder minder bedeutende Abweichungen vom tubulösen Bau auf, und bei Säugethieren ist eine vollständige Stufenleiter vom nur wenig abgeänderten Schlauchtypus bis zum völligen Verlust desselben vorhanden. Dieser Befund muss uns überraschen, wenn wir wissen, dass die Streitigkeiten, welche darüber bestehen, ob die Leber aller Wirbelthiere tubulös gebaut sei, oder ob die Säugethiere Lebertubuli nicht mehr besitzen, nach der Ansicht vieler durch neuere Arbeiten über Leberhistologie (REerzıus) dahin entschieden sind, dass die Leber in der ganzen Wirbelthierreihe einen verästelt tubulösen Bau bewahre. Dass vollends bei Anamniern und Sauropsiden Abweichungen vom schlauchförmigen Bau vorkommen, davon geben selbst diejenigen Autoren nichts an, welche der Säuger-Leber die tubulöse Anordnung der Zellen entschieden absprechen (HERInG). Nur für ein vereinzeltes Thier, den Triton, existirt von LANGLEY (30) eine beiläufige derartige Angabe in der Literatur, die auch von SHORE und Jones (41) bestätigt wurde, aber nicht Veranlassung gab, auch andere Amphibien etc. daraufhin zu untersuchen. Vergleicht man andere tubulöse Drüsen des Wirbelthierkörpers mit einander und mit der Leber niederer Wirbelthiere, so ergiebt sich, dass Modificationen des tubulösen Typus schon bei manchen der ersteren sich einstellen. Die Niere, die Schilddrüse u. a. sind streng nach dem Schema eines reinen Tubulus gebaut, in welchem eine Reihe von Zellen sich um einen Centralkanal so ordnet, dass jede Zelle mit einer Kante das Lumen des Abführungsganges berührt, an der entgegengesetzten Fläche vom Blutstrom bespült wird und mit sämmtlichen anderen Flächen mit Nachbarzellen zusammenhängt. Aber in den Fundusdrüsen des 49 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 349 Magens, in manchen Speicheldrüsen u. a. giebt es Zellen (Belegzellen, Lunulae), welche nicht mehr direet an das centrale Lumen des Schlauches grenzen, sondern die sich an die Peripherie zurückgezogen haben. In anderen Speicheldrüsen (Gl. retrolingualis, submaxillaris des Igels [26]) kommen centrotubuläre Zellen vor, die zum Theil als Resultate grosser Verschiebungen der Drüsenzellen in den Tubulis nachgewiesen sind, zum Theil noch, wie die centroacinären Zellen des Pancreas, einer gesicherten Erklärung harren. Es hat sich nun herausgestellt, dass in allen Drüsentubulis, welche Abweichungen vom tubulösen Bau aufweisen, also in denen der Speicheldrüsen, Fundusdrüsen und Leber, die Centralcapillaren Seitenäste haben, welche zwischen die secernirenden Zellen eindringen und sie oft, wie bei den Belegzellen der Fundus- drüsen, in Form korbartiger Geflechte ringsum umgeben, dass aber in Drüsen von unverändert tubulösem Typus solche Seitencapillaren durchaus fehlen. Es ist verständlich, dass Zellen, welche in ihren Seiten- capillaren stets offene Wege zur Abfuhr des Secretes besitzen, örtlich unabhängig von der Centralcapillare sind und Verschiebungen erleiden können, welche unmöglich bei Zellen eintreten werden, die nur an die Centralcapillare direct ihr Secret abgeben können. Es stimmen in der Leber die primitivsten Abänderungen des tubulösen Baues durchaus mit dem überein, was jene oben erwähnten Drüsen auch aufweisen. Denn bei Myxinoiden bestehen die häufigeren Abweichungen darin, dass einzelne Zellen vom Centrallumen sich zurückgezogen haben und nur durch Seitencapillaren mit ihm noch in Verbindung stehen. So fügen sich die Abweichungen primitiver Leber- schläuche vom rein tubulösen Bau zwanglos in den Rahmen der von anderen Drüsen bekannten morpho- logischen Structuren ein. Auch das bisher nur für die Leber eigenthümliche Abweichen vom primitiven Typus wird vielleicht bei anderen Drüsen noch Parallelen haben, von denen wir bei der erst jungen Kenntniss vom feineren histologischen Bau vieler derselben blos noch nichts erfuhren. Eine der Leber zwar nicht allein, aber in besonderem Maasse zukommende Eigenthümlichkeit besteht in der netzförmigen Verbindung der Leberschläuche zu vasozonalen Maschen !). Es verbinden sich die Leber- balken in annähernd gleich grossen Abständen mit einander nach allen Richtungen hin. Dadurch entsteht ein Balkenwerk, in dessen Lücken die Gefässe liegen. Jeder Querschnitt eines Balkens ist von einer Gefässmasche umgeben und jeder Gefässquerschnitt von einer Leberbalkenmasche, die ich deshalb ‚„vasozonal“ nenne Es steht also an jeder Stelle die Axe der Gefässcapillaren senkrecht zur Axe der centralen Gallen- capillaren. Es ist von Rerzıus bezweifelt worden, dass der Maschenbau der Leber überhaupt bestünde. RETZIUS leugnet zwar nicht, dass vasozonale Netze überhaupt vorkämen, aber er hält sie jedenfalls für sehr seltene Vorkommnisse. Er stützt sich dabei auf Untersuchungen der mit der Imprägnationsmethode Gorcr's geschwärzten Gallencapillaren, welche sich bei Myzine, Ammocoetes, Anguilla, Esox, Salamandra, Triton, Rana, Coluber, Anguis, Lacerta, Gallus, Corvus, also bei allen von ihm untersuchten Anamniern und Sauropsiden in einwandsfreier Weise zu Netzen nicht verbinden sollen. Dem gegenüber muss ich feststellen, dass ich ein- wandsfreie Netze mit derselben Methode bei Anguilla, Rana, Platydaciylus, Gongylus, Varanus, Lacerta, Angus, Zamenis, Echidna oft und manchmal in grosser Zahl erhielt. Es führt also die Imprägnationsmethode zu übereinstimmenden Resultaten mit denen der Injection der Gallencapillaren, welche in den meisten Fällen die Verbindung der Gallencapillaren zu vasozonalen Maschen nachweisen lässt, aber häufig auch scheinbare blinde Endigungen der Centralcapillaren zeigt. Es kommt ganz auf die Auffassung an, ob man diese blinden Endigungen als Kunstproducte ansieht, wie dies 1) Die Bezeichnungsweise der Maschenbildungen ist auf S. 310 angegeben. Jenaische Denkschriften. V. D Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 46 350 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 50 Hering that, oder ob man sie für reelle Endigungen der Capillaren hält, wie dies EBERTH für die Amphibien und Rerzıvs für alle seine Präparate annimmt. Zunächst konnte ich mit den gewöhnlichen Methoden wenigstens bei einem Object, einem grösseren Selachierembryo, zeigen, dass durch Injectionen und Imprägnationen über das reelle Vorhandensein von vasozonalen Netzen keine Täuschungen hervorgerufen werden. Denn bei diesem primitiven Wirbelthiere liessen sich die Gallencapillaren deutlich bis zu ihrer Vereinigung in Schnitten verfolgen. Um so mehr wird dies also bei höher stehenden Wirbelthieren der Fall sein. Es ist dieser Befund lediglich eine Bestätigung dessen, was den Embryologen längst bekannt ist, dass nämlich in der Leberentwickelung die anfangs verästelt-tubulösen Schläuche sich zu Netzen verbinden. Es ist dies nicht nur bei Fischembryonen, sondern auch bei Amphibien, Reptilien und Säugethieren beobachtet worden. Es sind hier die Schwierigkeiten geringer für die Beobachtungen über die Häufigkeit der vasozonalen Maschen, welche bei erwachsenen Thieren darin bestehen, dass eben diese Netze sehr gross sind und verhältnissmässig selten in die Ebene dünner, allein der Beobachtung zugänglicher Schnitte fallen. Die Embryonalentwickelung scheint mir daher das entscheidende Wort darüber zu sprechen, wie häufig die vasozonalen Netze der Leber sind. Soweit sie untersucht ist, und soweit ich eigene Angaben über Selachier machen kann, verbreitet sich die Maschenbildung durch die ganze Leber. Blinde Endigungen der Capillaren, die bei deren Weite nicht leicht zu übersehen wären und die man in frühen Stadien auch leicht constatirt, sieht man in späteren nicht mehr. Da nun nichts darüber bekannt ist, dass die vaso- zonalen Netze sich später etwa wieder lösen, und wir uns keine Vorstellungen machen können, warum dies der Fall sein sollte, so scheint mir die ontogenetische Entwickelung der Leber die völlig netzförmige An- ordnung der Leberschläuche sehr wahrscheinlich zu machen. Ich habe mich freilich bei Myxine nicht überzeugen können, dass die Leber netzförmig gebaut ist, und glaube, dass die nicht besonders grosse Leber dieses primitiven Wirbelthieres verästelt-tubulösen Typus besitzt. Die Leber von Amphioxus ist ja nichts anderes als ein gewöhnlicher, unverzweigter Drüsenschlauch. Wie dieser in der Embryonalentwickelung vieler Thiere als unpaare Ausstülpung des Darmes recapitulirt wird, und darauf ein Stadium folgt, in welchem der einfache Schlauch sich in viele Aeste auftheilt, ohne dass letztere anfänglich verschmölzen, so ist es wahrscheinlich, dass in den Myxinoiden sich Repräsentanten dieser zweiten Etappe in der Entwickelung der Leber erhalten haben. Jedenfalls sah ich bei Mywine unzweifelhafte blinde Endigungen der Centralcapillaren, und wenn also auch das Vorkommen von vaso- zonalen Netzen nicht ganz auszuschliessen ist nur aus dem Grunde, weil sie bisher nicht gesehen worden Sind, so ist jedenfalls ein guter Theil der Mywine-Leber verästelt-tubulös gebaut. Die Entstehung des netzförmigen Drüsentypus in der Leber hat schon seitens englischer Autoren, SHORE und JONES (41), eine Betrachtung erfahren. Sie behaupten, dass der Leber eine Basalmembran durchweg fehle und dass deshalb die Schläuche sich zu Netzen verbinden könnten, was bei Drüsen mit Basalmembran unmöglich sei. Ja sie nehmen an, dass die Leberschläuche in der Stammesentwickelung einmal ganz verloren gegangen !seien, indem die Zellen der Schläuche in Folge des Fehlens der Basal- membran überall sich an einander gelegt und eine einzige Zellmasse gebildet hätten (bei Petromyzon). Daraus soll sich dann secundär wieder ein reiner Schlauchtypus entwickelt haben (Fische, Amphibien und Sauropsiden), und dann sei bei Säugern zum zweiten Mal ein Verlust der Schläuche eingetreten. Die Beweise, welche jene Autoren für diese Ansichten beibringen, können mich nicht überzeugen. Ich halte es auch für ebenso wenig bewiesen, dass der Leber aller Wirbelthiere eine Basalmembran fehle, wie dass alle anderen tubulösen Drüsen eine solche besitzen. Es unterscheiden sich jedoch die Leberschläuche 5ı Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 351 von den Tubulis der Niere, welche Anastomosen nie aufweisen, durch die grosse Armuth an peritubulärem Bindegewebe. Interstitielles Bindegewebe fehlt gänzlich, und nur jene „Gitterfasern“, wie v. KUPFFER sie nennt, und die vielleicht elastischer Natur sind, umspinnen bei Myxine, Fischen, Amphibien, Reptilien und Säugethieren als dichte Netze die intertubulären resp. intralobulären Blutgefässe. Vielleicht trägt dieser Umstand dazu bei, dass die Leberschläuche leicht anastomosiren können. Jedoch die eigentliche Ursache der Anastomosenbildung muss irgend wo anders gesucht werden. Denn im Hoden haben wir eine Drüse, welche trotz des reichlich vorhandenen peritubulären Bindegewebes netzförmigen Bau besitzt. Die Leber ist jedenfalls die blutreichste aller Drüsen des Wirbelthierkörpers. Man hat sie einem Schwamm verglichen, der voll Blut gesogen ist und dessen Gerüstwerk die ganzen parenchymatösen Elemente des Organs repräsentirt. Dass nun Circulationsstörungen beim Transport solcher Blutmassen leicht vorkommen, ist verständlich und ebenso, dass Blutstauungen sehr leicht die Gallencapillaren zwischen den Leberzellen comprimiren können. Deshalb glaube ich, dass die Maschenbildungen der Gallencapillaren zu vergleichen sind den Anastomosenbildungen der Hautarterien an exponirten Stellen. Denn diese Netze werden immer noch einen Abfluss der Galle ermöglichen, wenn auch einige Gallencapillaren durch Compression undurchgängig geworden sind. Es ist dabei noch zu erwähnen, dass nach der Darstellung von den Druckverhältnissen in der Leibeshöhle zwerchfellloser und Zwerchfell-Thiere, die ich in dem Capitel über die Säuger-Leber gab, in der allgemeinen Leibeshöhle im Allgemeinen negativer Druck, in der speciellen Bauchhöhle positiver Druck herrscht (Textfig. 11). Diesen positiven Druck betrachten die Physio- logen mit Recht als mitwirkend bei der Herausbeförderung der Galle aus der Leber in den Darm (HERMann, Lehrbuch d. Phys). Da bei den Anamniern und Sauropsiden dieses Mittel der Gallenbeförderung fehlt, werden Gallenstauungen im Anschluss an Blutstauungen um so leichter auftreten und schädigend wirken können. Also auch aus theoretischen Erwägungen komme ich zu dem Schlusse, dass die Anastomosen der Gallenwege in der Leber recht ausgedehnte sein müssen. Der Streit darüber, ob blind endigende Capillaren in netzförmigen Drüsen überhaupt vorkommen oder nicht, scheint mir unwesentlich zu sein, wenn es sicher ist, dass im Allgemeinen die Drüse netzförmig gebaut ist. Denn da in früheren Stadien der Stammes- und Individualentwickelung blind endigende Aeste häufig oder sogar ausschliesslich vorkommen, wäre es nichts Besonderes, wenn diese auch auf späteren Stadien der Entwickelung sich hin und wieder als rudimentäre oder atavistische Erscheinungen fänden, Zu den Eigenthümlichkeiten der Leber gegenüber anderen tubulösen Drüsen des Wirbelthierkörpers gehört ferner die Intensität, zu der sich die Abweichungen vom tubulösen Bau in ihr steigern können. Symptomatisch für diese Abweichungen ist das Auftreten cytozonaler Netze der Gallencapillaren, die wir nur bei der Leber kennen. Ich unterschied unter den cytozonalen Netzen der Gallencapillaren monocytische oder unicelluläre und polycytische oder pluricelluläre, d. h. solche Maschen, welche nur eine Zelle, und solche, welche mehrere Zellen umgürten. Es kommt für diese Bezeichungen nicht in Betracht, ob die Netze die betreffenden Zellen an ihrem grössten Umfang umkreisen, oder ob sie nur Theile der Zellen berühren. Man könnte sie danach als peri- und paracytische Netze bezeichnen. Ich kann hier unmöglich alle Details wiederholen, welche die specielle Untersuchung über die cyto- zonale Netzbildung ergab, und muss deshalb für Einzelheiten auf die zusammenfassenden Theile der Capitel über Amphibien, Reptilien und Säugethiere verweisen. Hier unterliegt nur das Factum der vergleichenden Betrachtung, dass den cytozonalen Maschen in den verschiedenen Wirbelthierstämmen ein verschiedener 7% 46* Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 52 352 Bau der Leber zu Grunde liegt. Aus dem Vorhandensein solcher Maschen bei verschiedenen Thieren können wir also nicht auf einen analogen Bau der Leber bei diesen schliessen, wohl aber darauf, dass die tubulöse Natur keine reine ist. Die Art der Abweichung festzustellen ist Sache der speciell darauf gerichteten Untersuchung der Anordnung der Leberzellen, Gallen- und Blutcapillaren. Bei Mywine bestehen die Abweichungen vom tubulösen Bau wahrscheinlich nur darin, dass an Ver- zweigungsstellen der Leberbalken die Zellen etwas in einer Richtung und zwar in der Verzweigungsebene auseinanderrücken. Dementsprechend theilt sich die Gallencapillare dicho- tomisch, indem je ein Ast den ausweichenden Zellen folgt. Die directe Verbindung der Centralcapillaren der beiden Leberbalkenäste bleibt aber bestehen und in diese Capillare münden die durch Theilung entstandenen Tochtercapillaren ein (Textfig. 10). Aus einem T-Stück bildet sich also eine -förmise Anordnung, die polygonal aussehen kann, wenn keine zwei- Fig. Io. Schema der Theilung einer ven 5: 295 y i sich verzweigenden Centralcapillare sondern mehrfache Theilung der Leberbalken vorliegt. An der Stelle, wo die in zwei (punktirt dargestellte) Tochter- äste. Es resultiren drei Capillaren, welche eine dreieckige Masche bilden. \erzweigungsebene gelegenen Leberzellen. (Taf. XXVI, Fig. 14.) Centralcapillare ursprünglich lag, verschmelzen die über und unter der Bei Fischen konnte ich, wie erwähnt, eine Abweichung vom tubulösen Bau nicht nachweisen. Bei Amphibien besitzen die Urodelen einen stark vom tubulösen Typus abweichenden Bau und am ausgebildetsten ist dies bei Proteus. Es kommen hier noch ausgebildete Schläuche vor; aber diese sind von verschiedener Dicke und zum Theil auf einen Durchmesser von nur zwei. Zellen verringert. Daneben aber giebt es andere Stellen, wo die Zellen nicht mehr zu Schläuchen angeordnet sind, sondern zu Zell- platten, die aus einer oder zwei Zellschichten bestehen. Ich verglich deshalb die Leber des Proteus mit einem Balkenwerk, in welchem viele Balken durch Bretter ersetzt sind. In den Zellplatten ist natürlich von Centralcapillaren nicht mehr die Rede, vielmehr laufen die Gallenwege unregelmässig zwischen den Zellen hindurch, indem jede Zelle mindestens an einer Stelle, oft aber an vielen, von Gallencapillaren berührt wird. In diesen Platten sind die Gallencapillaren zu mono- oder polycytischen Netzen verbunden. Die Abweichungen des tubulösen Baues, die Plattenbildungen der Zellen und cytozonalen Anastomosen der Gallencapillaren sind eine Folge von Veränderungen im Gefässsystem. Dasselbe ist niederen Zu- ständen gegenüber vergrössert durch enorme Lymphsäcke, welche den Blutcapillaren anhängen und welche prall mit Wanderzellen, sog. „Pigmentzellen“, gefüllt sind. Diese wohl begrenzten Säcke, welche bei Proteus constante Bildungen darstellen, veranlassen nach meiner Vorstellung die Auflösung des tubulösen Baues an vielen Stellen, indem sie entweder die Leberzellen direct auseinanderdrängen oder nach Art einer Reiz- wirkung active Verschiebungen derselben hervorrufen. Bei anderen Urodelen ist diese besondere Art der Pigmentose oder Melanose auch vorhanden, aber sie tritt periodisch auf, während sie bei Anuren und Reptilien nur in rudimentärer Weise vorkommt. Bei Salamandrinen ist dementsprechend die Abänderung des tubulösen Baues noch ausgeprägt, und zwar ist sie stärker zur Zeit der Melanose als im amelanotischen Stadium, Im letzteren scheint -sie weniger ausgeprägt als bei Proteus zu sein. Bei Anuren und Reptilien sind deutliche Spuren des ehemals stärker veränderten tubulösen Typus nachweisbar. (Taf. XXVII, XX VIII, Fig. 8—28.) Schliesslich bei den Säugethieren treten Veränderungen der Leber ein, welche sehr bald zur völligen Auflösung des Schlauchtypus führen. Auch hier liegt die Veranlassung zur Umgestaltung im Gefässsystem, und zwar in Umwandlungen des Blutcapillarnetzes, welche ihrerseits bedingt sind durch das Auftreten des Zwerchfells in der Wirbelthierreihe. Letzteres bewirkt das Zustandekommen eines nega- tiven Drucks in der Brusthöhle, der sich in die Centralvenen der Leber fortsetzt (Textfig. ııb). Dadurch wird 53 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 353 das Blut kräftig nach diesen angesaugt und aus dem unregelmässigen Geflecht der Gefässcapillaren ein radiär zur Centralvene gestelltes System solcher langsam herangezüchtet. Die Leberschläuche gehen dabei verloren, und die Leberzellen stellen eine einheitliche Zellmasse dar, welche von radiären, nur hin und wieder durch Queranastomosen verbundenen Blutcapillaren durchzogen wird, und ebenso von Gallencapillaren, welche überall die Zellen umgeben und sich zu monocytischen, radiär gestellten Netzen verbinden. Die Leber der Säugethiere weist verschiedene Phasen dieses Entwickelungsganges auf, vom annähernd tubulösen Typus bei Echidna angefangen bis zu Stadien, wo fast jede Zelle an jeder Kante von Blut- und an jeder Fläche von Gallencapillaren berührt wird. Und zwar findet eine Parallelentwickelung bei Beutlern und ne DELL Placentaliern statt, indem bei Phascolarctinen und B \ n r 4 5 2 +: Brusthöhle Rodentiern ungefähr die gleich hohe Differenzirung Ne der Leber erreicht wird. Wie wenig wichtig für Pa Dee EN er -- Vena cava u. Lebervene phylogenetische Fragen diese Differenzirung der Leber ist, geht daraus hervor, dass einmal die a I beiden verhältnissmässig nahe verwandten Mono- -1- Bauchhöhle tremen Echidna und Ornithorhynchus ziemlich be- trächtlich verschieden sind in der Structur ihrer (ie se - LDeibeshöhle Leber, und dass bei Beutlern die Mitglieder einer Se Familie, Trichosurus und Phascolarctus, beides Pha- Fig. ITa. Schema der Druckverhältnisse in der Leibeshöhle der Reptilien. £ x R B 5 5 Fig. IIb. Schema der Druckverhältnisse in der Brust- und als eines von diesen Thieren im Vergleich mit p„yuchhöhle der Sr, langeriden, verschiedener gebaute Lebern besitzen Dasyurus, dem Mitglied einer ganz anderen Familie. Der „Säugethiertypus“ der Leber ist also offenbar aus dem altererbten tubulösen Bau, welcher ursprünglich allen Subclassen des Säugethierstammes zukam, zu verschiedenen Zeiten verschieden schnell durch schwächere oder stärkere Ausbildung des Zwerchfells herangezüchtet worden. Es beruhen die Aehnlich- keiten des Grades der Ausbildung verschiedener Säugethier-Lebern auf Convergenzerscheinungen, und unrichtig wäre es daher, phylogenetische Schlüsse aus ihnen über die verwandtschaftliche Stellung ihrer Besitzer zu einander zu ziehen. (Taf. XXIX, XXX, XXXI, Fig. 40—74.) Es ist bemerkenswerth, dass in beiden Fällen, wo die Leber erhebliche Abweichungen vom tubulösen Typus erleidet (Amphibien, Säugethiere), das Gefässsystem als Ursache dafür zu betrachten ist. Wenn auch kein directer Zusammenhang besteht, da im einen Falle in den Lymph-, im anderen in den Blutgefässen das primum movens erkannt wurde, so ist immerhin durch die nahe Zusammengehörigkeit beider Systeme eine einheitliche Basis gewonnen, von der aus nach verschiedenen Seiten eine Differenzirung der Leber stattgefunden hat. Die Gründe, aus welchen ich das Gefässsystem für die Veranlassung zur Umgestaltung der Leber halte, erblicke ich in Folgendem: überall, wo das Leberparenchym erhebliche Abweichungen vom tubulösen Bau aufweist, finden sich entsprechende Umgestaltungen der Gefässe. Besonders beweisend sind dafür die Verhältnisse bei den Säugethieren, wo die Auftheilung der Gefässe genau parallel läuft mit der Auflösung der Lebertubuli und dem Zusammenschluss der Leberzellen zu der einheitlichen Masse je einer Leberinsel, ein Vorgang, dessen verschiedene Etappen wir in dem verschiedenen Bau der Leber bei Echidna, bei niederen und höheren Marsupialiern, bei niederen und höheren!) Placentaliern noch heute erhalten 1) Ich brauche natürlich hier diesen Ausdruck nur mit Bezug auf die Differenzirung der Leber. Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 54 354 finden. Es sind zweifellos die Gefässe im Stande Veränderungen in der Anordnung der Leberzellen hervor- zurufen. Wir sehen dies deutlich in pathologischen Processen in der Säugethier-Leber, wo sowohl ein in Entstehung begriffenes cavernöses Angiom als auch herdartige Ansammlungen von Leukocyten (bei Leukämie) die Leberzellen in der Nachbarschaft aus einander sprengen. Dass aber auch bei den normalen Vorgängen die beiden Processe nicht bloss neben einander sich abspielen, sondern dass in dem Gefässsytem der primäre Factor zu erblicken ist, welcher erst die übrigen Umgestaltungen veranlasst, scheint mir im Einzelnen bewiesen zu werden durch die Wanderungen der Gallencapillaren, welche ihre Lage stets der Lage der Gefässe anpassen. Ich erinnere da an die Flächenposition der sonst stets kantenständigen Centralcapillaren bei Proteus an solchen Stellen, wo nur noch zwei Zellen den Querschnitt eines Tubulus ausmachen; ferner an die Verschiebung: der Gallencapillaren?an die Zellflächen in der Ontogenese der Säuger-Leber zu der Zeit und an den Stellen, wo die Blutbildungscapillaren in die Lebertubuli eindringen. Schliesslich erscheint mir besonders deutlich der Fall von Salamandra, deren Leber im amelanotischen Zustande nur kanten- ständige Centralcapillaren aufweist, nach Eintritt der Melanose, der Umgestaltungen im Gefässsystem, aber auch an den Zellflächen solche erkennen lässt. Andererseits liess sich bei Echidna zeigen, dass cytozonale Netzbildungen stets da auftreten, wo die Gefässe ihre Lage verändert haben. Alle diese Umgestaltungen treffen zeitlich und örtlich so genau zusammen, dass ein Causalnexus bestehen muss; dass aber die Gefässe hierbei den Anstoss geben, dürfte in diesen Fällen nicht zweifelhaft sein. Wie müssen wir uns nun die phylogenetischen Beziehungen der drei Typen des Leberbaues: des Myxinoiden-, Amphibien- und Säugethiertypus, wenn ich der Kürze wegen diese Ausdrücke vorschlagen darf, zu einander vorstellen? Sind dies Stadien einer continuirlichen Entwickelungsreihe oder divergente Bildungen ? Wenn diese drei Typen in eine einzige Entwickelungsreihe hineingehörten, so müsste sich diese Entwickelung durch die ganze Thierreihe von Myxinoiden bis Mammaliern verfolgen lassen und es dürften in dieser Reihe ursprünglichere Zustände als bei den Myxinoiden nicht bestehen. Ich konnte aber bei Selachiern und Knochenfischen keine cytozonalen Maschen finden. Die Leber der Fische ist vielmehr anscheinend rein tubulös. Wichtiger noch scheint es, dass Echidna keine Spuren des Amphibientypus besitzt, wie wir ihn von jetzt lebenden Urodelen kennen, während wir doch bei Anuren und Reptilien solche Spuren finden. Vielmehr sind die Abweichungen von der tubulösen Anordnung in der Echidna-Leber Anfänge des Säugethiertypus der Leber. Die radiäre Stellung der cytozonalen Maschen beweist dies, ferner die rein monocytische Form und vereinzelte Lage und schliesslich die Beziehungen zu centrotubulären Zellen, die ich bei Amphibien und Reptilien nicht sah. Ich glaube also, dass die drei Typen divergente Bildungen sind. Die gemeinsame Grundform der drei Bildungsrichtungen lässt sich charakterisiren als ein Organ mit tubulöser Anordnung der Leberzellen, mit weit verästelten Centralcapillaren und gut ausgebildeten Seitencapillaren. Von diesem Grundtypus haben sich die Myxinoiden am wenigsten entfernt. Die Seiten- capillaren ermöglichen den Zellen stellenweise in der Richtung nach der Peripherie der Schläuche aus- zuweichen und leiten die Bildung kleiner polycytischer Maschen der Gallencapillaren ein. Amphibien und Reptilien sind vom Grundtypus weiter abgewichen. Anhäufungen von Wander- zellen im besonders ausgebildeten Lymphgefässsystem engten die Leberschläuche ein und wandelten hin und wieder die tubulöse Anordnung in eine plattenförmige um, indem die Leberzellen sich gegeneinander ver- schoben. Dies ermöglichten auch hier die Seitencapillaren, welche sich netzförmig verbanden und dadurch bei den Umlagerungsvorgängen einen freien Abfluss des Sekrets jeder Zelle gestatteten. Die stärkste Aus- bildung dieser Umwandlungen repräsentiren die !Perennibranchiaten, die stärkste Rückbildung Anuren und Reptilien. 55 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 355 Am weitesten entfernen sich die meisten Säuger von dem Grundtypus. Die Blutgefässcapillaren werden durch die Action des Zwerchfells verschoben und in neue Bahnen gedrängt, dabei geht der tubulöse Bau der Leber allmählich ganz verloren und an den Typus einer Drüse erinnert nur der Umstand, dass jede Zelle mit mindestens einer sekretabführenden und mindestens einer blutzuführenden Capillare in Berüh- rung steht, die sich gegenseitig nicht berühren. Auch hier werden die Lageveränderungen der Leberzellen ermöglicht durch die reich entwickelten Seitencapillaren, die sich sofort zu Netzen zusammenschliessen, um günstige Bedingungen zur Abfuhr des Sekretes während der Revolutionen der Gefässumbildung zu schaffen. Ein so grosses blutreiches Organ wie die Leber, welches durch die reiche Ausbildung der sekret- abführenden Wege nicht mehr an das strenge Schema des tubulösen Drüsenbaues gebunden erscheint, befindet sich also gleichsam in einem labilen Bildungszustand. Es genügt eine geringe Einwirkung äusserer Ursachen, um die alten Bildungen umzugestalten und neue erstehen zu lassen. Dass Veränderungen des Gefässsystems am ehesten dazu beitragen, erklärt sich aus der innigen Durchflechtung und Berührung dieses Systems mit den parenchymatösen Elementen und aus dem Entwickelungsgrad und der Bedeutung, die es besitzt. So sind denn schon im Amphibientypus die Lymphsäcke im Stande, wenigstens hie und da den Leberbau zu verändern, während im Säugethiertypus dem Grad der Wechsels in der Gefässtopographie auch die völlige Umgestaltung des Leberparenchyms entspricht. Bei Myxinoiden aber genügt der geringe Druck neinandergezwängter Tubuli auf einander, um an den Theilungsstellen Zellverschiebungen zu Stande kommen zu lassen, die freilich an sich ganz geringfügig sind und nur im Zusammenhang: mit grösseren Umgestaltungen bei anderen Thieren die Beachtung verdienen, die wir ihnen zu Theil werden liessen. Diese Vorstellungen über die phylogenetische Entwickelung: der Leber führen für das beschränkte Gebiet, das uns hier beschäftigt, zu dem Resultat, dass die Leber der Säugethiere abzuleiten ist von Vor- fahren, die tiefer standen als die jetzt lebenden Amphibien. Von diesen Proamphibien führt eine Ent- wickelungsreihe der Leber zu den Amphibien und Sauropsiden, die andere zu Echidna und den übrigen Säugethieren. Es lässt sich natürlich von einer so kleinen und so vorsichtig zu beurtheilenden Basis aus, wie sie eine vergleichende Morphologie der Leber bietet, unmöglich ein so umfassendes Problem wie das von der mono- oder diphyletischen Entwickelung der Amnioten in Angriff nehmen, und ich bin weit entfernt davon über diese dunkle Frage hier speculiren zu wollen. Da aber die Lösung derselben nur bei Berück- sichtisung aller vergleichend-anatomischen Momente (abgesehen von den Hülfsmitteln der Paläontologie) möglich sein wird, so mag dabei auch die vergleichende Lebermorphologie als bescheidener Factor in Frage kommen. Il. Die gröbere mikroskopische Anatomie der Leber. Die Leberläppchen oder -inseln (acini, lobuli, insulae) der Säuger sind eine Bildung für sich in der Wirbelthierreihe. Wir haben in Echidna ein Thier mit Lebertubulis, wie Ichthyopsiden und Sauropsiden sie besitzen, und dazu noch mit einer Eintheilung der Leber in Inseln, wie sie jene nicht haben. Die Insel- bildung ist also ein Erwerb aller Säuger; sie fehlt allen Nichtsäugern. Die Inselbildung besteht aus vergleichenden Gründen im wesentlichen darin, dass Leberbezirke von einer ungefähr gleichen Grösse bei demselben Thier und von kugliger oder cylindrischer Form gegen einander durch fasriges Bindegewebe abgesondert sind. Diese Trennung kann eine vollständige sein, so dass das ganze Läppchen von einer Bindegewebskapsel umgeben ist, wie dies bisher nur beim Schwein und beim =6 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 6 350 sg > > Eisbären beobachtet worden ist. Meistens ist sie aber unvollständig, da die Bindegewebsentwickelung nur stellenweise an der Peripherie der Läppchen sichtbar ist und in den Zwischenräumen das Parenchym der Nachbarläppchen in einander übergeht. Ferner ist wesentlich für die Inseln, dass im Centrum eine Vene: die Centralvene sich befindet und dass in dem interacinösen Bindegewebe Pfortaderäste, Leberarterienäste und Gallengänge eingebettet sind. Die Beziehungen der Centralvenen zu den Venae sublobulares, der Leberarterien zu den Pfortaderästen und die Anatomie der Gallengänge übergehe ich hier, weil sie meinen Untersuchungen zu fern liegen. Das Unwesentlichste für die Leberläppchen ist die radiäre Anordnung der Blutcapillaren und „Leber- balken“ in ihnen, trotzdem sie bei den meisten Säugethieren mehr oder minder deutlich vorhanden ist und meist für das charakteristischste Merkmal der Leberinseln gehalten wird. Aber bei Echidna ist ein ausge- bildetes Läppchensystem vorhanden ohne radiäre Gliederung der Läppchen. Anklänge an eine radiäre Streifung sind wohl hin und wieder bei Echidna zu bemerken, aber sie sind nicht zu vergleichen mit dem Bau anderer, selbst undeutlich radiärer Leberinseln, wie sie bei Säugethieren häufig sind. Im Innern der Läppchen findet sich kein leimgebendes Bindegewebe, wie man annimmt. Vielmehr werden die Gitterfasern, welche die Gefässcapillaren als radiäre oder umspinnende Fasern begleiten, von v. KUPFFER und seinen Schülern als wahrscheinlich elastische Elemente gedeutet. Bei Amphibien und Reptilien ist das eigentliche Bindegewebe auch auf die Nachbarschaft der grösseren Gefässe beschränkt. Auch hier werden die Gefässcapillaren im Allgemeinen von zahlreich und stark entwickelten Gitterfasern umgeben. Schwankungen in der Ausbildung der Gitterfasern kommen vor, sind aber auch bei Säugethieren nach den Untersuchungen Opper’s in einzelnen Fällen vorhanden. Die grösseren Blutgefässe liegen unregelmässig in der Leber vertheilt und so kommt es, dass oft grosse Strecken der Leber frei von Bindegewebe sind, während an anderen Stellen wieder grössere Ansammlungen von solchem auf- treten, wenn nämlich gerade grössere Gefässe dort vorhanden sind. Die Gallengänge liegen in dem Binde- gewebe eingebettet. Der Läppchenbau der Säugetier-Leber in seiner primitiven Form ist also dadurch gekennzeichnet, dass die Pfortaderäste mit ihrem bindegewebigen Anhang eine regelmässige Lage zu einander und zu den Lebervenenästen einnehmen, so dass immer im Centrum einer Anzahl von Pfortaderästen mit bindegewebiger Umgebung eine Lebervene: eine Centralvene liegt. Ich lasse absichtlich die Leberarterien und Gallengänge bei diesen Erörterungen ausser Spiel, weil nach den vergleichend-anatomischen Untersuchungen von H. Rex (39) die Entwickelung des Pfortaderbaumes der bestimmende Factor für die gröbere Anatomie der Leber ist. Es liegt die Vermuthung nahe, dass bei dieser Anordnung der Pfortaderäste und des begleitenden Bindegewebes, die wir bei den niedersten Säugethieren als fertige Thatsache vorfinden, das Bindegewebe die Hauptrolle spiele und zwar in seiner Eigenschaft als Stützgewebe. Da die Leber bei Amphibien und Reptilien unter keinem oder sogar negativem Druck steht, so ist die Armuth dieses Organs an Stützgewebe erklärlich. Es ist gleichgültig, wie das Bindegewebe in der Leber unter so günstigen Verhältnissen für die Blutcirculation orientirt ist. Bei Säugethieren aber, wo die Leber unter oft erheblichem positivem Druck sich befindet, würde die Blutzufuhr grossen Stockungen bei jeder Inspiration unterliegen, und deshalb bei der gleichzeitigen starken Ansaugung das Blut durch die Venen das Organ jedesmal stark anämisch werden müssen, wenn nicht ein Stützgewebe in der Leber so vertheilt wäre, dass die schädlichen Folgen des einwirkenden Drucks compensirt würden. Leider fehlen uns die Zwischenstadien, in welchen der Läppchenbau in seiner Entstehung verfolgt werden könnte. Jedoch in der individuellen Entwickelung liegen, wie die eingehenden Untersuchungen ToLDT’s und ZUCKERKANDL’s (44, S. 265) über diesen Punkt 57 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 357 lehren, die Pfortaderäste und Lebervenen zunächst ohne bestimmte Gesetzmässigkeit bezüglich ihrer Gruppisung in der fötalen Leber. Dies gilt für Stadien, in denen man zuerst Pfortaderäste von Venenästen unterscheiden kann, was beim Menschen für die IOo. Schwangerschaftswoche zutrifft, und repräsentirt einen Zustand, der dem bei Amphibien und Reptilien noch heute bestehenden entspricht. Im 3. und 4. Schwanger- schaftsmonat haben die mit den Bindegewebssträngen der Grısson’schen Kapsel in die Leber einwachsenden Pfortaderäste zu den Venen eine deutlich alternirende Stellung erlangt, und im 5. und 6. Monat des Embryonallebens des Menschen ist eine, wenn auch undeutliche Läppchenbildung eingetreten. Nur umgeben die Pfortaderäste und Bindegewebswucherungen nicht eine Centralvene, sondern deren mehrere, welche auch im Centrum dieser embryonalen Leberinseln liegen. Es verästeln sich nun sowohl Pfortader- als Venenäste bis zur Geburt noch weiter. Die Ausbildung zu den definitiven Leberläppchen beginnt aber erst in post- fötaler Zeit. Kurze Angaben darüber habe ich in dem Passus über die Embryonalentwickelung der Säugethiere gegeben. Also auch ontogenetisch sind die Läppchen oder wenigstens analoge Bildungen bereits gebildet, wenn die Geburt erfolgt, d. h. beim Eintritt der Zwerchfellcontraction und beim Einsetzen des positiven Drucks in der Bauchhöhle. Es beweist dies wiederum, dass die Läppchenbildung ursprünglich nichts zu thun hat mit der radiären Gliederung in ihrem Bereich; denn diese legt sich ja ontogenetisch erst nach der Geburt an, wie sie auch stammesgeschichtlich erst allmählich entstanden ist, nachdem das Zwerchfell bereits fertig ausgebildet war. Die Anlage der Läppchen vor der Geburt ist ferner geeignet uns in der Annahme zu bestärken, dass die Wucherungen der Grisson’schen Kapsel, denen die Pfortaderäste folgen, und die Einteilung der Lebermasse in kleinere Inseln durch Bindegewebe nothwendig ist als Stützapparat für dieses schwammartige, blutreiche Organ von dem Augenblick an, wo das Zwerchfell beginnt die Bauchhöhle zu verengern. Ich denke dabei an ähnliche mechanische Verhältnisse, wie sie BürscHLı zur Grundlage seiner Wabentheorie des Protoplasmas gemacht hat. Auch in der Leber kommt es nicht darauf an, dass das stützende Bindegewebe an sich eine besondere Festigkeit hat, gerade so wenig wie die zäh-flüssigen Waben- wände des Protoplasmas sie haben. Vielmehr wird dasselbe Bindegewebe, welches bei Anamniern und Sauropsiden nur unvollkommen das Organ zu stützen vermag, ohne besondere Vermehrung nur durch die abgeänderte Anordnung bei Säugethieren der Leber Festigkeit verleihen. Die Leberinseln entsprechen in diesem Vergleich dem Wabeninhalt, das interlobuläre Bindegewebe den Wabenwänden. Es stimmt mit meiner Vorstellung der Umstand überein, dass die abführenden Gefässe sich im Centrum der Leberläppchen ausbilden. Denn aus mechanischen Gründen wird in einem unter Druck stehenden, wabig gebauten Gerüstwerk der flüssige Inhalt der Wabenkammern nach ihrem Mittel- punkt gedrängt werden, und dort werden also am zweckmässigsten die Abflusswege für die Flüssigkeit angebracht sein. Die Angaben, welche von manchen Autoren (34b) über eine musculöse Zwerchfellbildung bei Reptilien (Crocodilen) gemacht werden, veranlassten mich nach einem Fall zu suchen, wo ähnlich wie bei Säugethieren die Bauchhöhle gegen die Brusthöhle völlig abgeschlossen und ausserdem diese Scheidewand contractil wäre. Ich hätte erwarten müssen dort analoge Veränderungen der Leber wie bei den Säuge- thieren zu finden. Aber leider waren meine Bemühungen vergebens. Auch bei einem Alligator (A. lucius) konnte ich keine Musculatur in den Säcken der Leibeshöhle entdecken, welcher eine Compressionswirkung auf die Leber zuzutrauen gewesen wäre. Die Leber besass die typische Structur der Reptilien-Leber. Jenaische Denkschriften. V. 8 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 47 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 58 199) an [0,0] Ill. Die Gallencapillaren. In der historischen Uebersicht über den Stand unserer Kenntnisse von der Leber bezeichnete ich es als eine nicht sicher gelöste Frage, ob die Gallencapillaren blind endigende Seitenäste besässen oder nicht. Ich konnte durch Befunde an Myxinoiden, Fischen, Amphibien, Reptilien und Säugethieren den sicheren Nachweis führen, dass solche „Seitencapillaren“, wie ich sie nenne, im reichsten Maasse in der Wirbelthier- Leber vorkommen. Es stellte sich heraus, dass dieselben für die Entwickelung der Leber von hoher Bedeutung sind. Denn sie geben die innere Veranlassung zu den Umwandlungen, welche dieses Organ in verschiedenen Wirbelthierklassen erfährt. Während dieser Umwandlungen verbinden sich die Seitencapillaren zu cytozonalen Netzen, wie wir dies bei Urodelen und Monotremen verfolgen konnten. Dass bei Säugethieren Netzanastomosen vorkommen, haben schon die Injectionspräparate bewiesen, und ebenso lässt sich dies mit Imprägnationspräparaten belegen. Aber auch hier hat RETZıUs auf Grund seiner GorGI-Präparate, wenn auch das Vorkommen von Netzen nicht geleugnet, so doch deren Häufigkeit in der Säuger-Leber bestritten. Ich konnte in Fällen, wo RETZIUS besonders hervorhebt gar keine sicheren Netzbildungen gesehen zu haben, entweder in eigenen Präparaten sichere Anastomosen oft in grosser Zahl sehen (so bei der Maus) oder Nachprüfungen anderer Autoren aus der Literatur anführen, welche Abbildungen und Beschreibungen von zahlreichen Netzen geben (so für die Katze von GEHBERG [16]). Andererseits konnte ich den Säugethieren, bei welchen auch RETZIUS über grössere Strecken neben einander liegende Netze sah, einige von ihm nicht untersuchte beifügen, bei welchen andere Untersucher oder ich selbst denselben Befund erhoben haben: das Kaninchen, für welches ich den Befund BERKLEY’S bestätigen kann, und den Igel. Dass diese cytozonalen Netze wirklich bestehen und nicht irgendwie vorgetäuscht werden, ergab die directe Untersuchung nicht injicirter oder imprägnirter Lebern, in denen ich in dünnen Schnitten die Netze verfolgen konnte. Es bleibt aber immer noch die Frage offen, ob die Strecken, wo in Imprägnations- und Injections- präparaten keine Netze zu sehen sind, Kunstproducten ihr Dasein verdanken oder wirklich der Netze entbehren. Ich halte diese Frage für sehr unwichtig. Denn das Wesentliche ist doch zu fragen, wie die Leber organisirt ist; und dass die Säugethier-Leber keinen tubulösen Bau besitzt, das lässt sich aus dem Lageverhältniss der Leberzellen zu den Gefäss- und Gallencapillaren so sicher erweisen, dass es für diese Frage gleichgültig ist, ob zahlreiche, manche oder wenige Anastomosen der Gallencapillaren bestehen. Da aber die Netze gleich beim Beginn der Ausbildung des „Säugethiertypus“ entstehen und zwar als erstes Symptom der Abänderung der Schlauchform (bei Echidna), so müssen sie doch ihre Bedeutung besitzen, und es ist nicht einzusehen, warum die Verbindung der Gallencapillaren auf grössere Strecken hin eine sehr dichte sein sollte, auf anderen eine sehr geringe, wenn überhaupt vorhandene. Wenn wir wissen, dass unseren Methoden Fehler anhaften, die darin bestehen, dass sie manchmal unserem Auge Gegenstände entziehen, die doch vorhanden sind, so können wir nur solche Stellen in unseren Präparaten für maass- gebend halten, welche möglichst viele Details zeigen, und das sind in Imprägnationspräparaten die Strecken, wo eine Masche sich an die andere nach allen Richtungen hin anschliesst. Freilich hat v. KÖLLIKER (22, 23) angegeben, dass in gut gelungenen Injectionspräparaten des Kaninchens doch an den besten Stellen blinde Seitenästchen zu sehen waren. Ich konnte in meinen Sublimatpräparaten blinde Seitencapillaren nicht 59 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 359 entdecken. Da aber bei Echidna dieselben sehr häufig sind, und die Säugethiere doch alle diesen Ent- wickelungstypus durchlaufen haben, so ist es leicht möglich, dass blinde Seitencapillaren vereinzelt als Reste des Urtypus der Säuger-Leber sich erhalten. Jedenfalls scheint mir erwiesen zu sein, dass die Netz- bildungen der Gallencapillaren in der Säuger-Leber äusserst häufig sind. Die Angaben Herıng’s über die Häufigkeit der Gallencapillaren bei Säugern, die beim Kaninchen meist an allen Flächen vorkommen sollen in Form von zwei sich kreuzenden Netzen, sind auch angezweifelt worden (so von PEsZkE). Doch konnte ich dieselben auch bei der Maus und bei Phascolarctus nachweisen. Hin und wieder sah ich auf Zellflächen fast schematisch genaue Kreuzungsstellen der beiden Gallencapillar- netze, so beim Menschen (Taf. XXX, Fig. 49). ‚Wenn wir die Lage der Seitencapillaren ins Auge fassen, so sehen wir da reichen Wechsel bei den Wirbelthieren. Bei Myxinoiden, Fischen und Reptilien (?) sind dieselben kantenständig, bei Amphibien und Echidna flächenständig. Im Allgemeinen liegen die grösseren Seitencapillaren auf den Flächen, die kleineren an den Kanten der Zellen. Hin und wieder sieht man auch bei flächenständigen Seitencapillaren die Ver- bindungsstücke mit den Centralcapillaren an den Zellkanten liegen. Es scheint mir daher die Kanten- position der Gallencapillaren die ursprünglichere von beiden zu sein, und ich denke mir, dass zunächst die Winkel zwischen an einander stossenden Zellen mit in das Lumen der Gallencapillaren hineingezogen wurden. So kleine, kantenständige Ausbuchtungen giebt es beispielsweise bei Knochenfischen. Die weitere Entwickelung der Seitencapillaren vollzog sich noch eine Zeit lang an den Kanten, bis diese keinen Platz mehr boten und nun die Ausdehnung auf die Zelllächen eintrat. So scheinen wenigstens bei Amphibien sich die wandständigen Gallencapillaren nach den Befunden an Salamander-Larven entwickelt zu haben (Taf. XXVIII, Fig. 25). Ausser diesen intercellulären Seitencapillaren kommen kleinere Anhänge der Gallencapillaren vor, welche vielleicht etwas in das Innere der Zellen sich vorbuchten. Dagegen kann ich die Angaben Krause’s nicht bestätigen, welcher mit Bestimmtheit behauptet bei Siredon intracelluläre Seiten- und sogar Centralcapillaren gesehen zu haben. Meine Präparate zeigen die Querschnitte der Gallencapillaren stets auf Grenzlinien zwischen Zellen liegen und nie im Innern von Zellen, was doch häufig vorkommen müsste, wenn die zahlreichen, scheinbar intracellulär gelegenen Capillaren thatsächlich diese Lage be- sässen. Es lässt sich auch zeigen, dass aus theoretischen Gründen eine intracelluläre Lage der Gallen- capillaren kaum denkbar ist. Ich denke hierbei nicht an intracelluläre Strassen oder Gänge, Gebilde, die morphologisch von Gallencapillaren sehr verschieden sind, sondern einzig und allein an Gallenwege, die sich mikroskopisch in nichts von den sicher intercellulären Gallencapillaren unterscheiden. Wir glauben, wie dies auch KrAusE durch seine sonst so vortrefllichen Untersuchungen bestätigt hat, dass die Gallencapillaren nichts anderes sind als Lücken zwischen den Wänden zweier Nachbarzellen. Sie besitzen keine selbständige Wand; es hat sich jedoch das Ektoplasma der Leberzellen vielleicht durch Berührung mit der Galle, wie KRAUSE meint, zu einer Cuticula mit einer eigenen Structur umgebildet. Wenn daher eine intracelluläre Capillare bestehen soll, so kann diese doch nur so zu Stande kommen, dass die Zellmembran oder das Ektoplasma der Leberzelle an einer Stelle tief in den Zellleib eingebuchtet ist in Form eines hohlen Zipfels, welcher so zahlreiche Windungen und Verästelungen eingeht, wie sie die fraglichen Gebilde bei Urodelen aufweisen. Denn wenn auch die Galle das Ektoplasma zu einer Cuticular- bildung umwandeln und dadurch die Bildung der Capillarwand herbeiführen kann, so ist es doch zum mindesten sehr unwahrscheinlich, dass etwa im Zellinnern sich sammelnde Galle auf den ganz anders gebauten Zellleib dieselbe formgestaltende Wirkung ausüben soll, wie auf das gerade bei Amphibien 8* 47* 360 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 60 3 stets dichte Ektoplasma der Zelle. Im Zellprotoplasma entstehende Gallenwege würden doch ganz anders aussehen müssen als von Ektoplasma begrenzte, ein Unterschied, der bei intracellulären Protoplasmastrassen bei Nattern (Tropidonotus, Zamenis) auch sehr augenfällig ist (Fig. 8o—85). Wenn also intracelluläre Gallen- capillaren nur durch Einstülpung des Ektoplasmas denkbar sind, so fragt man sich vergebens, welche Kraft denn diese langen und ausgedehnten Einstülpungen zu Stande bringen soll, zumal der Secretionsdruck gerade in entgegengesetzter Richtung wirkt? Die Frage der intra- und intercellulären Kanäle ist auch bei anderen tubulösen Drüsen brennend: bei Speicheldrüsen, Fundusdrüsen und dem Pancreas. Es haben zunächst Gorcı-Präparate dazu geführt, intracellulär gelegene Secretcapillaren in diesen Organen anzunehmen. Aber gerade bei ungefärbten und so stark aufgehellten Präparaten wie diesen, sind meist kaum die Zellkerne zu sehen, und deshalb ist die Entscheidung besonders schwierig, ob intercellulär oder intracellulär. Jedenfalls scheinen mir schwerwiegende theoretische Bedenken gegen intracelluläre Kanäle vorzuliegen in den Fällen, wo diese dieselbe Structur ihrer Wände besitzen wie intercelluläre Capillaren. So kommen denn auch Forscher, wie ERIK MÜLLER (33), der früher auf Grund von Imprägnationen intracelluläre Secretcapillaren bei den verschiedensten Speichel- drüsen annahm, bei genauerem Studium von Sublimatpräparaten und bei Benutzung von Eisenhämatoxylin- färbungen neuerdings von ihrer Ansicht zurück und erklären diese Secretgänge sämmtlich für intercellulär gelegen. In der ganzen Wirbelthierreihe ist das Bestreben der Gallencapillaren nachweisbar sich zu Netzen zu verbinden, sei es zu cytozonalen oder vasozonalen, und es giebt, wie es scheint, kein Wirbelthier, welches gar keine Netzbildungen besässe. Wenn dieselben erst bei den höchst organisirten Wirbelthieren, den Säugern, eine grosse Dichte erreichen und bei allen anderen im Allgemeinen auf einem sehr viel weit- maschigeren Zustand verharren, so liegt das wesentlich daran, dass die Gallencapillaren durch die Gefässe an ihrer Ausbreitung und Verbindung gehindert werden. Nur bei so ausserordentlich grossen Zellen, wie denen der Urodelen, finden die Seitencapillaren auf den Zellwänden Platz sich mit einander zu vereinigen, ohne dass sie mit dem Gefässsystem in Berührung kommen. Sonst aber tritt die Vereinigung der Seiten- capillaren zu Netzen erst dann auf, wenn die Blutcapillaren ihre Lage wechseln und dadurch Leberzellen in das Innere der Schläuche {hineinrücken. Um solche intratubulären Zellen vereinigen sich die Gallen- capillaren sofort zu Maschen, wie dies bei Echidna stattfindet. Der Grund, aus welchem die Gallencapillaren niemals die Gefässcapillaren berühren, ist verschieden von dem, aus welchem sie meist eine mittlere Stellung zwischen zwei Gefässcapillaren einnehmen. Letzteres ist häufig in sehr ausgeprägter Weise zu sehen, namentlich wenn die Leberzellen an zwei oder mehr Stellen von Gefässcapillaren berührt werden. Bei Urodelen liegen in den einschichtigen Zellplatten, welche auf beiden Seiten mit dem Blutstrom in Berührung stehen, die Gallencapillaren immer genau auf der Mitte der Zellflächen, ebenso in den zweizelligen Schläuchen der Proteus-Leber. Bei Säugethieren, namentlich der Maus und dem Kaninchen, ist die Mittellage auf der Zellläche zwischen zwei kantenständigen Blutcapillaren sehr charakteristisch. Aber es kommt auch vor, dass die Gallencapillaren und namentlich die Seiten- capillaren recht nahe an die Gefässe heranreichen (Salamandra, Echidna). Nie jedoch berühren sie die Gefässe, wie ältere Autoren wohl angenommen haben (Mac GILLAVRY). Da die Gallencapillaren keine eigene Wand besitzen, sondern die Röhren dadurch entstehen, dass in den Wänden der Leberzellen hohlkehlenartige Rinnen sich ausbilden und je zwei solcher sich mit ein- ander verkitten, so ist es ganz selbstverständlich, dass da, wo es keine Zellwände giebt, auch keine Gallen- capillaren entstehen können. Es ist dies der einfache Grund, weshalb die Gallencapillaren nie direct neben 61 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 361 den Gefässcapillaren liegen, sondern immer durch eine, wenn auch noch so schmale Brücke von Zellsubstanz von ihnen getrennt bleiben. Est ist ferner eine den Physiologen geläufige Thatsache, dass die Galle bei Unterbindung des Ductus choledochus im Ductus thoracicus erscheint. Histologische Untersuchungen von VoN FREY (15), HARLEY (15, 17) und neuerdings von KRAUSE (25) haben ergeben, dass bei derart operirten Hunden sich breitere oder engere Communicationen zwischen Gallencapillaren und Lymphscheiden der Gefässcapillaren innerhalb der Leber- läppchen gebildet haben. Es liegt also der locus minoris resistentiae des gallenabführenden Apparates dort, wo die Gallencapillaren nur durch Zellsubstanz von den überall die Blutcapillaren umscheidenden Lymphgefässen (10) getrennt sind. Darin finde ich die Erklärung dafür, dass die Gallencapillaren meist so weit wie möglich von den Blutcapillaren entfernt liegen, d. h. genau in der Mitte zwischen benachbarten Blutfäden. Die Thatsache, dass die Gallencapillaren nie neben den Gefässen liegen, sondern sich stets in gemessener Entfernung von ihnen und ihren Lymphscheiden halten, erklärt uns ferner die Wanderungen derselben. Wanderungen der Gallencapillaren sind besonders deutlich zu verfolgen in Fällen, wo die Leber- schläuche immer mehr Zellen verlieren, bis sie auf dem Querschnitt nur noch aus zwei Zellen sich zusammen- setzen. Es liegt dann die ehemals kantenständige Gallencapillare zwischen den Zellflächen, sie hat also eine Verschiebung von einer halben Zellenlänge im höchsten Fall erlitten. Besonders deutlich ist dies bei Proteus und bei den einschichtigen Zellplatten der Siredon- und melanotischen Salamandra-Leber zu sehen. Aber auch wenn Gefässäste zwischen die Leberzellen eindringen, wie dies in der Embryonalentwickelung der Säugethiere seitens der Bildungscapillaren geschieht, weichen die anfangs rein centralen Gallencapillaren aus und wandern auf die Zelllächen. So erklärt es sich auch, dass bei denjenigen Säugethieren (Phasco- arctinen,, Nagern), deren Zellen fast immer vier kantenständige Gefässcapillaren besitzen, kantenständige Gallencapillaren nur ausnahmsweise vorkommen. Dieselben sind auch hier auf die Flächen gewandert. Die Länge und Verästelung der Seitencapillaren scheinen Beziehungen zu der Protoplasmamasse der Leberzellen zu besitzen. Im Allgemeinen weisen die grössten Leberzellen die reichste Ausbildung sie um- gebender Seitencapillaren auf (Myzine, Urodelen, Echidna). Kleinere Zellen stehen mit kleineren Seiten- capillaren in Contact (Knochenfische, Anuren, Reptilien). Da aber die Leberzellen der Haifische, welche zu den grössten, aber protoplasmaärmsten Zellen gehören, nur ganz kleine Seitencapillaren besitzen, kann nicht die Zellgrösse maassgebend für die Entwickelung der Seitencapillaren sein. Vielmehr scheint es der mit der Grösse meist, aber nicht immer verbundene Reichthum an secernirendem Protoplasma zu sein, welcher ausgebildetere Abfuhrkanäle für das Secret verlangt. IV. Die Leberzellen. Obgleich die Leberzelle ein Lieblingsobject der Histologen seit jeher gewesen ist, und die bedeutend- sten Zellkenner sich mit ihr beschäftigt haben, ist eine Uebereinstimmung über ihren Bau bisher nicht erzielt worden. Oft sind von verschiedenen Forschern dieselben Objecte sogar mit denselben Methoden untersucht worden, und der eine hat dies, der andere jenes aus dem, was er sah, herausgelesen. So ist denn der Plasmaleib der Leberzellen bald als ein netzartiges, in homogene Grundmasse (Paraplasma) ein- gebettetes Fadenwerk (Protoplasma) beschrieben und abgebildet worden, bald als ein Knäuelsystem von Fäden (Mitom) in einer anders beschaffenen Grundsubstanz (Paramitom) oder als ein typisches Wabenwerk, 262 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 62 >) Jz dessen Wände aus Protoplasma, dessen Inhalt aus Zellsaft besteht, schliesslich als eine Anhäufung von Granulis, selbständigen Elementarorganismen, in einer indifferenten Grundmasse, Ich halte die Leberzellen nicht für ein günstiges Object für feinere Zellstudien; denn das Fett, welches in Form kleiner, oft auch grösserer Kugeln in ihnen immer oder zu Zeiten aufgespeichert ist, erschwert eine feine Fixation der Leberzellen mit unseren gebräuchlichen Mitteln und führt, wenn es in der Nachbehandlung mit Alkohol extrahirt wird, manche Veränderungen der Zellsubstanz herbei. Die mannig- fachen Einschlüsse der Zellen, die auf Farben und Reagentien verschieden reagirenden Granula, der Glycogengehalt bringen ausserdem eine solche Complication in der Structur dieser Zellen zu Stande, dass selbst bei feinster Fixirung wenig Aussicht besteht sie zu verstehen, so lange selbst über den Bau des einfacheren Protoplasmas in den Ansichten noch ein solcher Wirrwarr wie heutzutage herrscht. Ich will deshalb über den feineren Bau der Leberzellen kein eigenes Urtheil äussern und nur auf meine Figuren verweisen, in denen ich so naturgetreu wie möglich das Protoplasma abgebildet habe, Iso wie es in meinen Schnitten zu sehen war. Im speciellen Theile habe ich Ausdrücke wie „fädig, netzig“ als ganz indifferente Worte gebraucht. Denn das, was im optischen Durchschnitt fädig aussieht, kann immer eine Wabenwand in Wirklichkeit sein. Es kommt, um dies zu entscheiden, auf sehr subtile Unter- suchungen an, bei welchen unser Urtheil leicht irregeführt wird (Taf. XXVIII, XXX, XXX). Auch die histologisch verschiedenen Secretionsstadien der Zelle übergehe ich hier, da ich mich selbst nicht mit physio-histologischen Untersuchungen beschäftigt habe, und verweise auf die Arbeiten von R. HEIDENHAIN (18) und seiner Schule, von E. LaHousse (29) und von R. ALTMAnN (I). Nur auf gewisse Einschlüsse der Leberzellen, Nebenkörper, wie ich sie indifferent bezeichnet habe, möchte ich näher eingehen und dann über die Secretionswege reden, welche zwischen Secret produciren- dem Protoplasma und Gallencapillaren liegen. Ich fand bei Mywine, Anuren, Reptilien und Echidna Verdichtungen des Zellprotoplasmas, die ent- weder homogen oder streifig in verschiedenen Zellen desselben Thieres aussehen und wechselnde Lage und Form besitzen. Möglicherweise handelt es sich in diesen Fällen um identische Bildungen. Am eingehendsten konnte ich diese Nebenkörper bei Nattern und Myxine untersuchen, weil sie bei diesen Thieren unter den von mir untersuchten Species am grössten sind und auch am häufigsten vor- kommen. Sie stimmen bei ihnen in ihrer häufig halbmondförmigen Figuration, nahen räumlichen Beziehung zum Zellkern, im Auftreten fädiger, manchmal centrirter Structuren in ihrem Innern überein. Weniger ähneln sie sich in ihrer topographischen Lage in der Zelle, indem die Nebenkörper bei Myszine meist zwischen Zellkern und Peripherie des Leberschlauches, bei den Nattern meist zwischen Kern und Schlauchlumen situirt sind (Fig. 2—4 und 75—85). Ich konnte bei Mysine nachweisen, dass diese Nebenkörper Archiplasmagebilde sind, wie dies nach ihrer oft fädig centrirten Structur von vornherein wahrscheinlich war. Der Nachweis liess sich deshalb führen, weil in der Myxine-Leber Zelltheilungsfiguren vorkommen und Uebergänge sich finden liessen zwischen isolirt im Zellleib liegenden Nebenkörpern und solchen, die mit ruhenden Zellkernen, und solchen, die mit chromatischen Schleifen verbunden sind. In den beiden letzteren Phasen stimmen auch im Einzelnen die Gebilde mit einander überein und ebenso mit achromatischen Spindelfasern bei anderen Thieren (Amphibien), da viele der Fasern Bändchen mit einem centralen Axenfaden gleichen (Fig. 75, 76). Bei den Schlangen, die ich untersuchte, fand ich keine Zelltheilungsfiguren. Ich kann daher nur aus der sonstigen Ueberein- stimmung der Nebenkörper dieser Leberzellen mit denen der Myxine schliessen, dass auch diese Nebenkörper archiplasmatischer Natur sind. Noch weniger sicher ist dies für die Nebenkörper des Frosches und der Echidna. Deutliche Centrosomen sah ich bei keinem der Nebenkörper. 63 Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. 363 Nebenkörper in Zellen sind schon lange bekannt. Man nannte sie meist Nebenkerne und deutete sie, je nach dem Object, in dem sie sich fanden, sehr verschieden. Eine Reihe dieser Gebilde ist bereits als Archiplasma erkannt, so die Nebenkerne der Spermatogonien des Salamanderhodens (LA VALETTE), die Neben- kerne von Insecteneiern. In Drüsenzellen sind namentlich beim Pancreas Nebenkerne bekannt geworden zuerst durch NussBAUM (34a), welcher von ihnen sagt, dass sie „solitär oder multipel, solid oval oder spiralig gedreht, oft auch lockig gewunden“ vorkommen und aussehen. Sie ähneln also in vielen Punkten den Nebenkörpern der Leberzellen. Auch für Speicheldrüsen liegt eine ähnliche Beobachtung von SOLGER (42) vor. Weiteren Untersuchungen muss es vorbehalten bleiben nachzusehen, ob alle diese Gebilde identische oder differente Bildungen sind. Jedenfalls ist es auffallend, dass einer dieser Nebenkörper, bei Myzine, sicher nichts anderes als Archiplasma ist, und vielleicht mögen noch andere, vielleicht alle Nebenkörper in Drüsenzellen sich schliesslich als solches entpuppen. Dass sich archiplasmatische Structuren auch bei Zellen erhalten, die sich vielleicht nie theilen, ist nichts Auffälliges mehr, nachdem wir in ihnen auch für die ruhende Zelle wichtige Zellorgane kennen gelernt haben. Es ist neuerdings festgestellt, dass auch Ganglienzellen, die sich niemals theilen, stets reich entwickelte achromatische Faden- und Gerüstwerke enthalten. Was schliesslich die Bedeutung des Archiplasmas für die ruhenden Drüsenzellen betrifft, so möchte ich auf die Nebenkörper von Flagellaten der Paramoeba eilhardi SCHAUDINN hinweisen, die auch wahrscheinlich nichts anderes als Archo- plasma sind und während der Zellruhe Beziehungen zu einer Art Secretion, nämlich zur Bildung von Stärkekörnern, in diesen Zellen haben (40). Ueber den Weg, auf welchem die Leberzellen ihr Secret an die Gallencapillaren abgeben, waren lange Zeit nur die Befunde v. KuPFFER’s bekannt, welcher mittelst Injectionen in den Leberzellen selbst kuglige Hohlräume hatte füllen können (Secretkapseln), die durch äusserst feine Kanälchen mit den Gallen- capillaren communicirten. Diese Beobachtungen haben scheinbar eine Bestätigung erfahren durch Impräg- nationspräparate, in denen gestielte kuglige Anhänge sehr häufig sind. Diese Dinge hängen freilich mit den geschwärzten Cylindern der Imprägnationspräparate zusammen, die man gewöhnlich für einen Ausguss des Lumens der Gallencapillaren hält. Da aber diese Cylinder die Gallencapillare plus einen Theil ihrer Umgebung enthalten (Textfig. 5, S. 329), so ist es immer noch fraglich, ob ein reeller Zusammenhang zwischen Capillare und den geschwärzten Kugeln besteht. Man sieht ja häufig, dass in Imprägnationspräparaten auch andere Dinge als Gallencapillaren sich schwärzen, namentlich wenn sie in der Nähe derselben liegen. So sind häufig die Zellwände der Leberzellen in der Nachbarschaft der Gallencapillaren geschwärzt und sehen wie feine, in regelmässigen Abständen entspringende Seitenästchen der Capillaren aus, wenn das Präparat stark aufgehellt ist, und man sonst von dem Zellcontour und -kern nichts bemerken kann. Ich habe eine Reihe vergleichender Messungen bei imprägnirten und mit Sublimat fixirten Schnitten von der Leber desselben Individuums angestellt, um zu zeigen, wie hoch sich die Distanz in maximo beläuft, um welche ein geschwärztes Tröpfchen in Wirklichkeit von der Gallencapillare entfernt sein kann, wenn es in Imprägnationspräparaten scheinbar mit ihr zusammenhängt. Ich gebe Verhältnisszahlen, die bei den stärksten Vergrösserungen unter genau denselben Bedingungen bei jedem Thier gemessen sind. | a S S S x 8 Ss & NS | RS N S % 2 = Fe a lee er lee ee SI SI RS Ser IHRES S I S ‚S S S > ES] Inhalt: 1. Ueber ein dem Saccus vasculosus entsprechendes Gebilde am Gehirn des Menschen und anderer Säugethiere. Tafel I. 2. Zur Kenntniss des Gehirnganglions und des sensiblen Nervensystems der Polychäten. Tafel II und III. 3. Das sensible Nervensystem der Crustaceen. Tafel IV—VI. 4. Ueber die Hypophysis von Myxine Tafel VII, Fig. 1 und 2. 5. Ueber den Bau des sog. Parietalauges von Ammocoetes. Tafel VII, Fig. 3—5. 6. Ueber das hintere Ende des Rückenmarkes bei Amphioxus, Myxine und Petromyzon. Tafel VIII und IX. 7. Ueber den Bau des Rückenmarkes der Selachier. Tafel N—XII. 8. Ueber einige normal durch Ankylose verschwindende Kapselgelenke zwischen den Bogen der Sacralwirbel. Tafel XIII. 9. Ueber Molluscum contagiosum. Tafel XIV. 10. Ueber die Vererbung erworbener Eigenschaften. Tafel XV. Um den Käufern dieses und des VI. Bandes die Anschaffung der vorhergehenden Bände zu _er- leiehtern, ist der Preis derselben auf 120 Mark ermässigt worden. Standfuss Dr. M.,_Docent beider Hochschulen und Kustos des Entomologischen Museums am eidgen. ’ Polytechnikum zu Zürich, Handbuch der paläarktischen Gross-Sehmetterlinge für Forscher und Sammler. Zweite gänzlich umgearbeitete und durch Studien zur Descendenztheorie erweiterte Auflage des Handbuches für Sammler der europäischen Gross-Schmetterlinge. Mit 8 lithographischen Tafeln und 3 Textfiguren. 1896. Preis: brosch. 14 Mark, geb. ı5 Mark. Zoologische Jahrbücher, herausgegeben von Prof. Dr. J. W. Spengel in Giessen. i Abtheilung für Anatomie und Ontogenie der Thiere. Dritter bis achter Band 1888/94. Preis: 319 Mark 5o Pf. Ausführlicher Prospekt und Inhaltsverzeichniss sind durch die Verlagsbuchhandlung zu’ beziehen. Neunter Band. Erstes Heft. Mit ı6 Tafeln und 36 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 24 Mark. Inhalt: Will, Ludwig, Beiträge zur Entwickelungsgeschiehte der Reptilien. — Zernecke, Ernst, Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden. — Plate, Ludwig H. Bemerkungen über die Phylogenie und die Entstehung der Asymmetrie der Mollusken. — Fuhrmann, Otto, Die Tänien der Amphibien. Neunter Band. Zweites Heft. Mit ı3 Tafeln und 4 Abbildungen im Text. 1896. Preis: ı7 Mark. Inhalt: Cohn, Ludw., Ueber Myxosporidien von Esox lucius und Perca fluviatilis. — Wilder, Harris H., The Amphibian larynxs. — Beard, John, The History of a Transient Neryous Apparatus in certain Ich- thyopsida. Part I. Raja batis. Neunter Band. Drittes Heft. Mit ı3 Tafeln. 1896. Preis: 15 Mark. Inhalt: Rosenstadt, B,, Untersuchungen über die Organisation und postembryonale Entwicklung von Lueifer reynaudii M.-Edw. — Stafford, Joseph, Anatomical structure of Aspidogaster conchicola. — Freidenfelt, T., Untersuchungen zur Neurologie der Acephalen, I. Ueber das Nervensystem des Mantels von Maetra elliptica Brown. — Coe, W. R., Notizen über den Bau des Embryos von Distomum hepaticum. Neunter Band. Viertes Heft. Mit 7 Tafeln und 42 Abbildungen im Text. 1896. Preis; 12 Mark 50 Pf. Inhalt: Schneider, Karl Camillo, Mittheilungen über Siphonophoren. II. Grundriss der Organi- sation der Siphonophoren. — Markert, F., Die Flossenstacheln von Acanthias. Ein Beitrag zur Kenntniss der Hartsubstanzgebilde der Elasmobranchier. Abtheilung für Systematik, Geographie und Biologie der Thiere. Erster bis achter Band. 1886/94. Preis: 355 Mark. Ausführlicher Prospekt und Inhaltsverzeichniss sind durch die Verlagsbuch- handlung zu beziehen. Neunter Band. Erstes Heft. Mit >2 Tafeln. 1895. Preis: 7 Mark. Inhalt: Biekford, Elisabeth E. Ueber die Morphologie und Physiologie der Ovarien der Ameisen- Arbeiterinnen. — Brandt, Karl, Biologische und faunistische Untersuchuugen an Radiolarien und anderen pelagischen Thieren. 1. Untersuchungen über den hydrostatischen Apparat von Thalassicollen und colonie- bildenden Radiolarien. — de Man, Bericht über die von Herrn Schiffscapitän Storm zu Atjeh, an den west- lichen Küsten von Malakka, Borneo und Celebes sowie in der Java-See gesammelten Decapoden und Stomatopoden. Zweiter Theil. Neunter Band. Zweites Heft. Mit 4 Tafeln. ı896. Preis: 5 Mark 5o Pf. ER Inhalt: Ortmann, Arnold E, Die geographische Verbreitung der Decapodengruppe der Hippidea. — Garbowski, Tad., Phyletische Deutung der Lithobiusformen. — Bürger, Otto, Meeres- und Land-Nemertinen, gesammelt von den Herren Dr. Plate und Micholitz. — Satunin, Konstantin, Vorläufige Mittheilungen über die Säugethierfauna der Kaukasusländer. — Giesbrecht, W., Ueber pelagische Öopepoden des Rothen Meeres, gesammelt vom Marinestabsarzt Dr. Augustin Krämer. Neunter Band. Drittes Heft. Mit 2 Karten im Text. 1896. Preis: 3,60 Mark. Inhalt: Ahlborn, Fr. Der Flug der Fische. — de Man, J. G., Bericht über die von Herrn Schiffscapitän Storm zu Atjeh, an den westlichen Küsten von Malakka, Borneo und Üelebes sowie in der Java- See gesammelten Decapoden und Stomatopoden. — Brandt, Karl, Das Vordringen mariner Thiere in den Kaiser Wilhelm-Canal, — Ortmann, Arnold E., Das System der Decapodenkrebse. — Bergh, R., Ueber die Gattung Doriopsilla. Neunter Band. Viertes Heft. Mit 2 Tafeln und ı3 Abbildungen im Text. 1896. Preis: 9 Mark. Inhalt: de Man, J.G., Bericht über die von Herrn Schiffscapitän Storm zu Atjeh, an den westlichen Küsten von Malakka, Borneo und Celebes sowie in der Java-See gesammelten Decapoden und Stomatopoden. Vierter Theil. — Krauss, H. A. und Vosseler, J., Beiträge zur Orthopterenfauna Orans (West-Algerien), — Krauss, H. A., Zoologische Ergebnisse einer von Dr. K. Escherich unternommenen Reise nach Central-Klein- * asien. Il. Theil: Orthoptera.. — Ortmann, Arnold E, Ueber „Bipolarität“ in der Verbreitung mariner Thiere. — Ris, F., Untersuchung über die Gestalt des Kaumagens bei den Libellen und ihren Larven, DENKSCHRIF TEN DER MEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER, IV. LIEFERUNG. MIT 6 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 11 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1896. " Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 1569 _Des ganzen Werkes Liefer . 0 — = worh We / 3 R | Mae TE bir B 8 Rule “ _ MIT UNTERSTÜTZUNG DS HERRN Es Ba _ DR. PAUL VON RITTER ÜHRT IN DEN JAHREN 1891-1808 SE DR, asus SEMON ar Verlag von Gustav Fischer in Jena. ic € iversität Jena, Studien über den Bauplan des Urogenital- Semon, nn ei en a Pe an. dieses ee bei To glutinosus. Mit ı4 lithographischen Tafeln. ı8g1. Preis: 12 Mark. = Die Entwickelung der Synapta digitata und die Stammesgeschichte der Eehinodermen. Mit 7 lithographischen Tafeln. 1888. Preis: g Mark. Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem Malayischen Archipel. Mit Unterstützung des Herrn Dr. Paul von Ritter ausgeführt in den Jahren 1891—93 von Dr. Richard Semon. (Denkschriften der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena.) [ Erster Band: Ceratodus. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 1.) Mit 8 lithogr. Tafeln und 2 Abbildungen im Text. 1894. Preis: 20 Mark. e Inhalt: Ernst Haeckel, Systematische Einleitung: Zur Phylogenie der Australischen Fauna. Richard Semon, Reisebericht und Plan des Werkes. — Richard Semon, Verbreitung, Lebensverhältnisse des Ceratodus Forsteri. — Richard Semon, Die äussere Entwickelung des Ceratodus Forsteri. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 3.) Mit 11 lithogr. Tafeln und 20. Abbildungen im Text. 1895. Preis: 20 Mark. Inhalt: Riehard Semon, Beobachtungen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen nebst Notizen über ihre Körpertemperatur. — Richard Semon, Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. — Richard Semon, Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. Zweite Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 5.) Mit 4 lithographischen Tafeln und 40 Abbildungen im Text. 1895. Preis: ı6 Mark. Inhalt: Georg Ruge, Die Hautmuskulatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammarapparate. — Hermann Klaatsch, Studien zur Geschichte der Mammarorgane. TI. Theil: Die Taschen- und Beutelbildungen am Drüsenfeld der Monotremen. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. Dritte Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 6.) Mit 11 lithogr. Tafeln und 6 Abbildungen im Text. 1896. Preis: 25 Mark. Inhalt: F. Hochstetter, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefässsystems der Monotremen. — Albert Narath, Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. — Albert Oppel, Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. Vierte Lieferung. (Des ganzen’Werkes Lieferung 7.) Mit 6 lithogr. Tafeln und 11 Abbildungen im Text. 1896. Preis: 16 Mark. Inhalt: Hermann Braus, Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. Fünfter Band: Systematik, Thiergeographie, Anatomie wirbelloser Thiere. Erste Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 2.) Mit 5 lithogr. Tafeln und 6 Abbildungen im Text. 1894. Preis: 20 Mark. Inhalt: A. Ortmann, Crustaceen. — E. v. Martens, Mollusken. — W. Michaelsen, Lumbri- eiden. — C. Ph. Sluiter, Holothurien. — O. Boettger, Lurche (Batrachia). — O. Boettger, Schlangen. — J. Th. Oudemans, Eidechsen und Schildkröten. — A. Reichenow, Liste der Vögel. -- F. Römer, Monotrema und Marsupialia. 3 Fünfter Band: Systematik, Thiergeographie, Anatomie wirbelloser Thiere. Zweite Lieferung. (Des ganzen Werkes Lieferung 4) Mit 8 lithographischen Tafeln und 5 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 20 Mark Bisher erschienen. Inhalt: C. Ph. Sluiter, Tunicaten. — B. Haller, Beiträge zur Kenntnis der Morphologie von Nautilus pompiliuss. — Arnold Pagenstecher, Lepidoptera Heterocera. — Max Fürbringer, Lepi- doptera Rhopalocera. — Max Weber, Fische von Ambon, Java, Thursday Island, dem Burnett-Fluss und von der Süd-Küste von Neu-Guinea. John, D. Sc., University Lecturer in Comparative Embryology and in Vertebrate Zoology, Edin- Beard, burgh, On certain problems of Vertebrate Embryology. 1896. Preis: 2 Mark. Denkschriften der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Band I. Ernst Haeckel, Das System der Medusen. Erster Theil einer Monographie der Medusen. Mit einem Atlas von 4o Tafeln. 1880. Preis: 120 Mark. Band II. Mit 2ı Tafeln. 1880. Preis: 60 Mark. — Inhalt: C. Frommann, Untersuchungen über die Gewebsveränderungen bei der multiplen Sklerose des Gehirns und Rückenmarks. Mit 2 Tafeln. 1378. Preis: 10 Mark. — Oscar und Richard Hertwig, Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur Keimblättertheorie. Mit 3 lithographischen Tafeln. ı878. Preis: ı2 Mark. — Richard Hertwig, Der Organismus der Radiolarien. Mit 10 lithographischen Tafeln. 1879. Preis: 25 Mark. — E. E. Schmid, Die quarzfreien Porphyre des centralen Thüringer Waldgebietes und ihre Begleiter. Mit 6 Tafeln. ı88o. Preis: ı8 Mark. sand II. Willy Kükenthal, Vergleichend-anatomische und entwicklhungsgeschichtliche Untersuchungen an Walthieren. Mit 25 Tafeln. 1ı889—ı1893. Preis: 75 Mark. — Erster Theil. Kapitel I: Die Haut der Cetaceen. Kapitel II: Die Hand der Cetaceen. Kapitel III: Das Centralnervensystem der Cetaceen, gemeinsam mit Theodor Ziehen. Mit ı3 lithographischen Tafeln. 1889. Preis: 35 Mark. — Zweiter Theil. Kapitel IV: Die Entwicklung der äusseren Körperform. Kapitel V: Bau und Ent- wicklung äusserer Organe. Kapitel VI: Die Bezahnung. Mit ı2 lithographischen Tafeln. 1893. Preis: 40 Mark. &roos, Dr. Karl, Professor an der Universität in Giessen, Die Spiele der Thiere. 1896. Preis: 6 Mark. Heymons Dr. Richard, Privatdocent und Assistent am Zoologischen Institut der Königl. Universität . in Berlin, Die Embryonalentwiekelung von Dermapteren und Orthopteren unter besonderer Berücksichtigung der Keimblätterbildung monographisch bearbeitet. Mit ı2 lithographischen Tafeln und 33 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 30 Mark. Mehnert, Dr. Ernst, Privatdocent an der Universität Strassburg i. E, Kainogenesis als Ausdruck differenter phylogenetischer Energien. Mit 2ı Textabbildungen und 3 Tafeln. Sonder- Abdruck aus den »Morphologischen Arbeiten, herausgegeben von Dr. Gustav Schwalbe. 1897. Preis; 10 Mark. DENKSCHRIFIEN MEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. V. LIEFERUNG. MIT <% LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 13 ABBILDUNGEN IM TEXT. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1897. ZOÖLOGISCHE FORSCHUNGSREISEN IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIPEL. MIT UNTERSTÜTZUNG DES HERRN DR, PAUL VON RITTER AUSGEFÜHRT IN DEN JAHREN 1891-1893 VON DE. RICHARD SEMON PROFESSOR IN JENA. ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPIALIER. V. LIEFERUNG: C. Emery, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskeletts der Marsupialier. — Albert Oppel, Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. MIT % LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 13 ABBILDUNGEN IM TEXT. a JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1897. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Pussskelets der Marsupialier. Bearbeitet von C. Emery, Professor der Zoologie an der Universität Bologna. Mit Tafel XXXTIII—XXXVI und 13 Textfiguren. Jenaische Denkschriften. V. 1 Semon, Zoolog, Forschungsreisen. II. 49 Einleitung. Das untersuchte Material war meist in Sublimat, zum Theil in Alkohol fixirt und wurde in der Regel mit P. Maver’s Karmalaun gefärbt und in Paraffin geschnitten. Einige Stücke erhielt ich bereits (wie es scheint in Boraxkarmin) gefärbt. Gewisse Didelphys-Exemplare, alte Chrompräparate, liessen sich in der angegebenen Weise nicht gut färben, und es wurden dann die Schnittserien verschiedenartig nachgefärbt. Es wurde derart keine charakteristische Knorpelfärbung erzielt, sondern hauptsächtlich eine, wenn auch nicht reine, Kernfärbung. Ich halte aber dieses Resultat nicht für einen bedeutenden Nachtheil, denn es kam mir nicht darauf an, bereits verknorpelte Anlagen, sondern Skeletanlagen überhaupt nachzuweisen, sie seien bereits knorpelig oder nicht; ja am wichtigsten ist bei solchen Untersuchungen der Nachweis der ersten Anlagen. Wenn der Verknorpelungsprocess weit vorgeschritten ist, so wird bei Säugethieren meist ein den definitiven Verhältnissen sehr ähnliches Stadium erreicht, von welchem aus zwar noch Form- veränderungen stattfinden können, aber die Zahl der Stücke und ihre Stellung im Skeletsystem der Extremität bereits. bestimmt sind und nur selten durch Neubildung und Verschmelzung von Elementen oder durch Verschiebungen modifieirt werden. Die ersten Anlagen des Extremitätenskelets erscheinen bekanntlich als dichtere Anhäufungen von Embryonalzellen im Mesenchym; an mit Kernfärbemitteln behandelten Präparaten als wolkige dunkle Flecken, welche aus dicht gestellten Zellkernen bestehen. In dieser Form, sind sie von irgendwelchen anderen Anlagen nicht zu unterscheiden; sie können aber dadurch als Skeletanlagen erkannt werden, dass ihre weitere Entwickelung durch spätere Stadien bis zur Knorpelbildung verfolgt wird; ferner dadurch, dass topographische Beziehungen zu bereits durch weitere Differenzirung erkennbar gewordenen Anlagen anderer Skelettheile oder verschiedenartiger Weichgebilde festgestellt werden, welche für dieses oder jenes Element des Skelets maassgebend sind. Als erstes Zeichen der beginnenden Verknorpelung wird an derartigen Präparaten eine Stelle innerhalb der Anlage heller, weil zwischen den rundlichen Zellen eine ungefärbte Grundsubstanz gebildet wird, welche bei Harzeinschluss durchsichtig und structurlos aussieht (Taf. XXXIV, Fig. 22); zugleich werden die Kerne etwas grösser und blasser als die des umgebenden Gewebes. Erst später erscheinen die Kerne kleiner, dunkler und oft von unregelmässiger Form, und zugleich werden Knorpelkapseln mehr oder weniger deutlich erkennbar. Sobald aber die Bildung jener hellen Grundsubstanz begonnen hat, gewinnt die Anlage dadurch und durch die concentrische Lagerung der dieselbe umgebenden Schichten ein charakteristisches Aussehen und lässt sich von anderen ebenfalls heller werdenden Anlagen (z. B. von Muskeln), bei stärkerer Vergrösserung durch die besondere Form der Kerne leicht unterscheiden. Um die hell gewordene Stelle bleibt eine dichtere, dunklere Zone übrig, auf deren Kosten der junge Knorpel durch fortschreitende Differenzirung, weiter wächst, bis der letzte Rest derselben zum Perichondrium des fertigen Knorpels wird. 1* 49* Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 4 Es giebt also für jedes separat angelegte Skeletstück ein Stadium, in welchem die Verkorpelung in einem Theil der Anlage begonnen hat, während andere Abschnitte derselben noch indifferent sind. Ein derart durch indifferente Rindenschicht abgegrenztes Knorpelstück darf als einem einzelnen morphologischen Element des Skeletes entsprechend betrachtet werden, wenn nicht andere, zunächst aus der Vergleichung sich ergebende Gründe für die zusammengesetzte Natur desselben sprechen. Mit gewissen Skeletstücken sind aber besondere, lange Zeit’ indifferent bleibende Anlagen verbunden, welche, obschon sie von jenen Stücken aus verknorpeln, durch ihre excentrische Lage eine gewisse Selbständigkeit zu besitzen scheinen und deswegen als besondere Elemente des Skelets betrachtet werden dürfen. Einige von diesen Anlagen, wie z. B. bei Didelphys und anderen Säugethieren der tibiale Anhang des Naviculare (Tuberositas medialis) oder ein gleich gerichteter Fortsatz des Entocuneiforme, erscheinen bei anderen Thieren als gesonderte Anlagen (Phascolarctus) oder sogar als getrennt bleibende Skeletstücke (der Anhang; des Entocuneiforme als Praehallux bei vielen Beutlern und anderen Säugethieren, die Tuberositas navicularis als Randknochen bei Nagern). Andere, wie die Tuberositas calcanei, sind noch nie getrennt gefunden worden; aber trotzdem liegt der Gedanke nahe, dass’auch dieser Theil als besonderes Element des Tarsus betrachtet werden darf. In der nun weiter folgenden Darstellung der speciellen Ergebnisse, werde ich die Beschreibung der mir in längeren Stadienfolgen vorliegenden Arten vorausschicken und die übrigen Formen im Anschluss daran vergleichend behandeln. Das meiste Material zu dieser Arbeit erhielt ich durch die grosse Güte des Herrn Prof. R. SEMON: es sind namentlich längere Stadienreihen der Extremitäten von Phascolarctus cinereus, Petaurus sciureus, Perameles obesula und Aepyprymnus rufescens, ferner einzelne Stadien von Trichosurus vulpecula, Dasyurus hallucatus und Phascologale penicillata. Herr Prof. SELENkA stellte mir schon früher in liberalster Weise eine Serie von Beuteljungen von Betongia cuniculus sowie einige ältere Stadien von Didelphys aurita und TDricho- surus vulpecula zur Verfügung. Eine Reihe jüngerer Beuteljungen von Didelphys aurita erwarb ich von Herrn Prof. H. von JHERING, und ein noch jüngeres Exemplar dieser Art wurde mir von Herrn Prof. W. LECHE zugesandt; ausserdem besass ich ein Beuteljunges von Macropus giganteus. — Den Freunden und Collegen, welche mich mit so werthvollem Material unterstützten, sage ich hier meinen aufrichtigsten Dank. Specielle Ergebnisse. Phascolarctus cinereus. Von dieser Art untersuchte ich die Extremitäten von Embryonen von 12, 121/,, I4!/,, 14°], mm, Beuteljungen von 22!/,, 25, 281/, und 42 mm Scheitelsteisslänge (das Maass steht nicht immer in geradem Verhältniss zur Entwickelungsstufe: so ist der 12 mm-Embryo weiter entwickelt als der von I2!/,; von 14°/, liegen mir zwei sehr ungleich fortgeschrittene Stadien vor). Carpus. — Vom jüngsten mir vorliegenden Embryonalstadium (12!/), mm) an finde ich bereits Verhältnisse, welche in vielen Beziehungen an den definitiven Zustand erinnern. Der Carpus ist aber flacher und seine knorpeligen Bestandtheile durch breite, von dichtem Bildungsgewebe eingenommene Zwischenräume getrennt. An die Vorderarmknochen stossen drei proximale Stücke, die ich als Scaphoid, Triquetrum und Pisiforme bezeichne. Zwischen beiden ersteren bleibt ein beträchtlicher knorpelfreier Raum 5 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 373 übrig (Fig. 1-2), dessen Bedeutung weiter unten besprochen werden soll. Das Lunatum (Intermedium) lässt sich in diesem Stadium nicht nachweisen. Weiter schliessen sich die gewöhnlichen vier Stücke der distalen Reihe an. Das Hamatum ist besonders gross und hängt am proximalen Ende mit dem Capitatum zusammen; an derselben Stelle ist es vom ulnaren Ende des Scaphoids nur durch einen geringen Raum getrennt. Das Capitatum ist zwischen Hamatum und Scaphoid eingekeilt und bildet die distale Grenze des oben erwähnten Raumes zwischen Scaphoid und Triquetrum, dessen proximaler Rand vom Radius gebildet wird. Indem die Knorpelstücke wachsen, werden die dieselben von einander trennenden Zonen von Bildungs- gewebe schmaler; verschiedene Stücke treten dabei in vorübergehende, aber manchmal lange dauernde knorpelige Verbindung. Ich vermuthe, dass Capitatum und Hamatum getrennt angelegt werden, obschon sie bereits im 12!/, mm-Stadium zusammenhängen. In einem weiteren Stadium (14!/; mm) verschmelzen Triquetrum und Pisiforme mit einander (Fig. 3—4); letztere Verbindung dauert nur kurze Zeit und ist im Beuteljungen von 25 mm bereits gelöst. Der ausgebildetere Embryo von 14°/, mm ist besonders interessant, weil in diesem Stadium ein neues Element erscheint, welches für die Deutung anderer Stücke maassgebend ist. Dieses Element entsteht im oben erwähnten Raum zwischen Radius, Scaphoid, Triquetrum und Hamatum und entspricht wegen seiner Stellung vollkommen einem bei anderen Marsupialiern (z. B. Petaurus oder T’richosurus) vorhandenen freien Stück, welches als Lunatum, resp. Intermedium gedeutet wird. Im 14°/, mm-Stadium (vergl. Fig. 5, 6) ist jenes Stück nicht mehr ganz frei, sondern bereits dem Radius angewachsen. — In weiter ausgebildeten Stadien finde ich keine Spur von einem solchen Element mehr, aber der Radius besitzt an der entsprechen- den Stelle einen mehr oder weniger deutlichen Vorsprung, den ich als dessen Homologon betrachten möchte. — Im nächst jüngeren Stadium (Embryo von 14!/, mm) dürfte als ziemlich zweifelhafte Andeutung einer entsprechenden Anlage eine dem Radius aufsitzende dichtere Stelle im Bildungsgewebe bezeichnet werden. Das im Carpus von Phascolaretus fehlende freie Lunatum scheint also nicht mit den Scaphoid verwachsen zu sein, sondern in den Radius aufgenommen; das radial-pro- ximale Stück des Carpus muss demgemäss nicht als Scapho-Lunatum, sondern als echtes Scaphoid gedeutet werden. Eine weitere Folge der Verschmelzung. des Lunatum mit dem Radius ist, dass auf weiter entwickelten Stadien, an der entsprechenden Stelle, das Hamatum mit dem Radius in directe Berührung kommt, wie auf Fig. 8 ersichtlich. Dieselbe Abbildung zeigt am radialen Rand des Hamatum einen rundlichen Fortsatz, welcher an Schnitten, die nahe der volaren Fläche des Carpus geführt sind, wie abgetrennt erscheint (Fig. 7.) In keinem Stadium fand ich jenen Fortsatz als selbständiges Element angelegt. Aehnlich ist das Capitatum an seiner volaren Fläche durch eine quere Furche getheilt, obschon auch hier für den proximalen und distalen Abschnitt keine getrennten Anlagen erkannt werden konnten. Vom 14°/, mm-Stadium an sind Scaphoid, Capitatum und Hamatum an ihrem proximalen Ende mit einander knorpelig verlöthet, eine Verbindung, die erst viel später bei Bildung der Gelenkspalten ge- löst wird. Der Praepollex erreicht bei Phascolaretus nur eine geringe Ausbildung. Erst im 22 mm-Stadium finde ich ihn als Knorpel; er steht dann zum Multangulare majus in ganz ähnlicher Beziehung wie das weiter unten zu beschreibende Rudiment des Praehallux am Fussskelet zum Entocuneiforme. Tarsus. — Im Embryo von 12!/, mm bildet der Fuss noch eine breite Platte; Talus, Calcaneum und die distalen Stücke sind als beginnende Knorpelkerne erkennbar; das Naviculare erst als Anlage; die Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 6 >- 374 Metatarsalia zeigen dagegen deutlichere Knorpelstructur, Talus und Calcaneum erscheinen als distal diver- girende Spangen (Fig. 19), zwischen sich einen breiten Raum fassend, durch welchen die Arteria perforans mesopodii tritt. Während die Calcaneum-Anlage ziemlich in der Verlängerung der Fibula sich befindet, liegt das proximale Ende des Talus zwischen den distalen Enden der beiden Unterschenkelknochen ; dieses Stück nimmt also die für ein Intermedium charakteristische Stellung ein. In der Verlängerung der Tibia liegt eine wolkige Anlagenmasse (Fig. 18), aus welcher sich später nur in geringem Maass knorpelige Theile differenziren werden, nämlich die Tuberositas medialis navicularis und der dem Praehallux entsprechende Anhang des Entocuneiforme. Mit dem proximalen Ende des Calcaneum, plantar und lateral von demselben, steht eine grosse kugelige Masse von Bildungsgewebe in Verbindung, die Anlage der Tuberositas calcanei, welche erst viel später vom Calcaneum aus verknorpelt; von ihr zieht ein bogenförmiges Band von dunklem Bildungsgewebe (Fig. 18 lig. pl.) schief bis zum Mesocuneiforme. Es bildet die Anlage von plantaren Bandmassen, aber sein distales Ende nimmt, wie im folgenden Stadium ersichtlich, auch zur Bildung der quer unter dem Tarsus verlaufenden Sehne des M. peronaeus longus') Theil (Fig. 24). Als bemerkenswerth will ich weiter von diesem Stadium erwähnen, dass die knorpelige Anlage des Cuboid nur dem Tarsale 4 entspricht; das Tarsale 5 ist zwar neben ihm angelegt (Fig. 20), aber noch histologisch viel indifferenter. Dieses Verhältniss weist klar auf die in anderen Arten noch deutlichere Zusammensetzung des Cuboids aus zwei Elementen der distalen Reihe. Im Embryo von 14 !/, mm ist der Verknorpelungsprocess weiter vorgeschritten. Talus und Calcaneum sind dicker, der zwischen ihnen liegende Raum geringer geworden. Das Naviculare ist als ein dem Ende des Talus quer aufliegender Knorpel deutlich ausgebildet; mit ihm verbindet sich medial und plantar eine noch beinahe indifferente Anlage (Fig. 21 ib), welche sich wegen ihrer Beziehungen zum Naviculare- Knorpel sowie zur Sehne des M. tibialis posticus als der am medialen Rand des Talus gegen die Tibia verlaufende Anhang (Tuberositas medialis) des Naviculare kundgiebt. Bei starker Vergrösserung, lässt sich in der Mitte der Anlage der Beginn der Aufhellung durch Bildung von farbloser Grundsubstanz erkennen; ich habe diese Erscheinung auf Fig. 22 möglichst naturgetreu wiederzugeben versucht. Diese Anlage ent- steht aus einem Theil der im vorigen Stadium erwähnten, indifferenten Masse von Bildungsgewebe, welche die distale Fortsetzung der Tibia bildet; sie entspricht also durch ihre Stellung einem Tibiale. Weiter distal entsteht aus derselben Masse eine andere indifferente Anlage, als proximal-medialer Anhang des Entocuneiforme (Fig. 23); ich betrachte dieselbe als Rudiment des Praehallux. Beide Anlagen stehen durch indifferentes dichtes Bildungsgewebe in Zusammenhang, wie man bei Durchsicht der gesammten Schnittserie erkennen kann. Wenn man nun, nach Erkenntniss dieser Verhältnisse im 14!/, mm- Stadium, zum vorher beschriebenen jüngeren Stadium zurückkehrt, so ist es nicht schwierig, in demselben die Anlagen des Tibiale und des Praehallux bereits als dichtere abgerundete Kernanhäufungen im Bildungs- gewebe angedeutet zu erkennen; dieser Zustand lässt sich aber kaum durch eine Zeichnung darstellen und ich hielt es nicht als der Mühe werth, die ganze Serie abzubilden. Die Tuberositas calcanei ist im 14!/, mm- Embryo noch nicht verknorpelt, aber in dieselbe erstreckt sich das knorpelige proximale Ende des Calcaneum. Sämmtliche Phalangen sind knorpelig angelegt. In diesen beiden Stadien liegt das ganze Skelet des Fusses und des Unterschenkels beinahe in einer Fläche ausgebreitet, so dass aus wenigen Schnitten ein Gesammtbild sich construiren lässt (Textbilder Fig. I, 2). Im weiter folgenden Stadium von 14°/, mm beginnt die dorsomediale Beugung des Fusses sich aus- zuprägen, welche zur bekannten Varus-Stellung führt. Die Knorpelstücke sind gewachsen und nur noch I) Es entspricht dieser Bildungsmodus der genannten Sehne vollkommen der von RUGE angenommenen Wanderung ihres Ansatzes am Tarsus des Säugethiere. ” 7 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 375 durch schmale Zonen vom Bildungsgewebe getrennt; der Sinus tarsi verläuft schief, weil der Talus, von der Planta betrachtet, von dem aus dem Calcaneum sich entwickelnden Sustentaculum tali theilweise überlagert wird (Fig. 25—28); die Tuberositas calcanei ist in Continuität mit dem Rest des Fersenbeins verknorpelt. Zwischen Talus und den Unterschenkelbeinen, aber in näherer Beziehung zur Tibia als zur Fibula erscheint die noch indifferente Anlage des Trigonum tarsi. Am tibialen Rand des Fusses ist das Tibiale verknorpelt und mit dem Naviculare fest verbunden, aber auf Schnitten, welche seinen dorsalen Theil treffen, noch davon getrennt erkennbar. Im Praehallux hat sich ein kleiner Knorpelkern gebildet, welcher später mit dem Ento- cuneiforme verschmilzt. Damit sind die definitiven Verhältnisse bereits entworfen und entwickeln sich während der Beutel- stadien langsam weiter. Die Beugung des Fusses wird stärker; das Trigonum ist im 22!/, mm-Stadium knorpelig. Der ganze Tarsus wird breiter und verhältnissmässig kürzer; der Tibial-Antheil des Naviculare, sowie der mit dem Entocuneiforme verbundene Praehallux treten im Verhältniss zum Rest dieser Skelet- stücke allmählich zurück. Das mächtig wachsende Cuboid bekommt an seiner plantaren Fläche eine quere Rinne zur Aufnahme der Sehne des M. peronaeus longus. Während im 12!/,; mm-Stadium die 4 lateralen Zehen einander beinahe gleich gross sind, werden in den darauf folgenden Stadien die ulnaren Zehen 4 und 5 allmählich stärker, während die 2. und 3. Zehe dünner bleiben und näher an einander liegen. So bildet sich die Syndaktylie im Laufe der Ontogenese aus. — Die ersten Spuren der Knochenbildung erscheinen an der Spitze der Endphalangen (Os ungueale) bereits im Beuteljungen von 22!/, mm!); am Metatarsale 4 erst im 42 mm-Stadium. — In der Hand beginnt die Verknöcherung der Metacarpalia bereits im Stadium von 28 mm. Ein Blick auf die Reconstructionsbilder des Fussskelets, wie sie in den Textfiguren ı—3 versucht worden sind, wird eine Uebersicht der hier beschriebenen Vorgänge gestatten. Fig. 1. VEDNIIZEN f > { \ Fig. I, 2, 3. Combinirte Bilder (Reconstruction) des Fussskelets von Phascolarctus einereus in drei Stadien von 12Y/,, 14), und 22!/, mm: rechter Fuss von der Planta betrachtet. 7 Tibia, F Fibula, ti Tibiale, © Intermedium, f Fibulare, pö die dem Pisiforme homologe Anlage der Tuberositas calcanei, px Praehallux, tr Trigonum. Zwischen den Anlagen des Intermediums und Fibulare erscheint auf Fig. ı und 2 der Durchschnitt der Arteria perforans mesopodii. Petaurus sciureus; Trichosurus vulpecula. Es wurden untersucht: von Petaurus Beuteljunge von 91/,, 25, 31, 48 mm; von Trichosurus Exem- plare von 20, 70 und 75 mm. Carpus. — Im Pelaurus-Jungen von 9'/, mm (Fig. 9) sind die Elemente des Carpus in voller Zahl knorpelig angelegt, aber noch durch Bildungsgewebe getrennt, ohne Spur von Gelenkbildung. Die Ent- 1) Die Verknöcherung der Endphalanx beginnt als dünne Knochenkappe am Ende des Knorpels, ohne Betheiligung der Blutgefässe; von dieser Kappe erstrecken sich Fortsätze ins Innere des Knorpels zwischen den Knorpelkapseln, Aehnliches lässt sich auch an anderen Arten, nicht von Marsupialiern allein, sondern auch von anderen Säugethieren nachweisen, 376 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 8 wickelung ist etwas weiter vorgeschritten als beim Phascolaretus von 14!/, mm, indem die Umrisse der einzelnen Knorpelstücke schärfer sind, und das dieselben trennende indifferente Gewebe in geringerer Ouantität vorhanden ist. Von Phascolarctus unterscheidet sich Petaurus wesentlich durch den Besitz eines zwar kleinen; aber selbständigen Intermediums, welches genau dieselbe Lage einhält, wie bei Phascolaretus das mit dem Radius verschmelzende Rudiment desselben. Dadurch wird die für letztere ausgesprochene Deutung bestätigt. Am radialen Rand des Carpus liegt, dem distalen Theil des Scaphoids angelehnt, die noch nicht knorpelige, rundliche Anlage des Praepollex (Fig LT). Ich gehe unmittelbar zum Exemplar von 31 mm über, das sonst vom 25 mm-Stadium (vom weiter zu besprechenden Praepollex abgesehen) nur wenig verschieden ist. Die Gelenkbildung ist weit fortge- schritten und bietet Verhältnisse dar, die als definitive gelten dürfen (Fig. 10. Das Lunatum hat eine plumpe Form erlangt und ist vom Radius durch eine Gelenkspalte getrennt, dagegen mit dem Scaphoid durch starke Bandmasse verbunden. Der Praepollex (Fig. 13, 14) ist knorpelig, aber auf meinem Präparat durch Karmalaun dunkler gefärbt als die übrigen Knorpel der Hand und hat eine eigenthümlich geknickte Form, indem sein Basaltheil vom Scaphoid gegen den Rand der Hand und zugleich palmarwärts gerichtet ist, sein längerer distaler Abschnitt dagegen dem Metacarpale ı fast parallel verläuft und in einem Vor- sprung der Vola liegt. Eine dunklere Stelle an der Knickung deutet auf eine Trennung des Praepollex in zwei Abschnitte. Im 25 mm-Stadium bildet ein jeder von diesen Abschnitten, also der quere und der längsgerichtete Theil des Praepollex einen besonderen Knorpelkern (Fig. 12). Diese zwei Stücke dürften als Carpale und Metacarpale praepollicis bezeichnet werden. Die Hand von Trichosurus ist der soeben beschriebenen von Peiaurus ähnlich gebaut; mein jüngstes Stadium entspricht ungefähr dem zweiten Stadium von Petaurus. Das Intermedium ist verhältnissmässig etwas grösser und mehr abgerundet und steht zum Radius und zum Scaphoid in denselben Beziehungen wie bei Petaurus. Der Praepollex ist ähnlich gestaltet, aber der quere basale und der längsgerichtete distale Abschnitt gehen in einander bogenförmig über und lassen keine Spur von Trennung erkennen. Tarsus. — Petaurus von 9!/; mm steht in Bezug auf Entwickelung des Fussskelets ungefähr auf der Stufe meines jüngsten Phascolarctus-Embryos und hat mit demselben grosse Aehnlichkeit: die einzelnen Anlagen sind aber minder deutlich erkennbar. Eine eingehendere Beschreibung scheint mir ohne Interesse. Auf dem 25 mm-Stadium ist der Tarsus völlig differenzirt und die Gelenk- Fig. 4. Flächenschnitt durch den Fuss von Tricho- surusvulpeeula. Beuteljunges zwischen Tibia und Fibula verknorpelt (Fig. 36). Auf einem anderen Schnitt, den von 70mm. ca Calcaneum, , : r 0 r . n £ cu Cuboid, na Naviculare, ich auf Fig. 35 abgebildet habe, ist die Gelenkverbindung der Tuberositas navi- p£ Praehallux, 1, 3 Tarsalia I und 3. bildung weit vorgeschritten. Ein ziemlich grosses Trigonum ist in der Bandmasse cularis medialis mit dem tibialen Malleolus dargestellt, welche den weiter unten ausführlicher zu beschreibenden Verhältnissen von Didelphys vollkommen entspricht. In keinem Stadium konnte ich einen Praehallux erkennen. Dagegen besitzt Trichosurus einen deutlichen Praehallux, welcher, sowohl im jüngeren, auf Fig. 50—52 gezeichneten, wie im älteren, in Textfigur 4 dargestellten Stadium dem medialen Ende des Naviculare (Tuberositas medialis) anliegt und zu demselben in gleicher Beziehung steht wie das Entocuneiforme zum centralen Abschnitt des Naviculare: es verhält sich also in dieser Beziehung wie ein echtes Tarsale. Die Fig. 50—52 zeigen zugleich das Verhältniss des Naviculare zum tibialen Malleolus. 9 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 377 Didelphys aurita. Das kleinste mir zugekommene Exemplar war ein Beuteljunges von 9 mm Scheitelsteisslänge; darauf folgt eine Serie von Stadien von I2 mm (17 mm von der Schnauze bis zur Schwanzbasis dem Rücken entlang gemessen) an. Das grösste Exemplar, wovon ich die Extremitäten in Schnitte zerlegte, mass 70 mm von der Schnauze zur Schwanzbasıs. Carpus. — Trotz des bedeutenden Materials, konnte ich über die ersten Anlagen der Elemente des Handskelets nichts erfahren. Beim kleinsten Exemplare sind dieselben bereits in Vollzahl und in von den definitiven Verhältnissen wenig abweichender Stellung vorhanden !). Die Zusammensetzung des Carpus und die Gestalt seiner einzelnen Knorpelstücke erinnert an den vorher beschriebenen Carpus von Phascolaretus. Es ist aber ein wohl entwickeltes Semilunare da, dessen Beziehungen zum Scaphoid von besonderem Interesse sind, wie im vergleichenden Abschnitt dieser Arbeit dargelegt werden soll. Ich verweise auf das daselbst folgende Textbild (p. 396, Fig. 9). Im jüngsten Exemplar sind alle Carpus-Knorpel von einander getrennt; später treten Capitatum und Hamatum in vorübergehende knorpelige Verbindung, welche aber nur kurze Zeit besteht. Es bleibt mir übrig, die Genese und die Beziehungen der sog. Randknochen an der radialen Seite der Hand festzustellen, welche hier ein besonderes Interesse beanspruchen, denn unter den mir be- kannten Beutelthieren ist Didelphys allein durch den Besitz zweier solcher Knochen an der Hand ausge- zeichnet. Vom distalen Randknochen, den wir Praepollex nennen können, gibt CARLSSoN (QI, p. 5) an, dass er beim erwachsenen Thier mit dem Multangulare majus gelenkt und durch Ligament mit Metacarpale I ver- einigt ist. Bei allen meinen grösseren Beuteljungen finde ich die Beziehungen des entsprechenden Knorpels etwas verschieden: das proximale Ende des Praepollex-Knorpels ist in einem Ligament eingebettet, welches den Radius mit Scaphoid und Multangulare majus verbindet, und liegt dem Scaphoid am nächsten an. Fort- setzungen der Gelenkspalten, welche das Scaphoid vom Multangulare majus und vom Radius trennen, schieben sich auch theilweise zwischen Scaphoid und Praepollex. Das proximale Ende des letzteren liegt also im Niveau des Scaphoids und ist eigentlich mit ihm ligamentös verbunden (vergl. Fig. 47—49); das distale Ende erstreckt sich bogenförmig und dem Metacarpale 1 mehr oder minder parallel weiter (Text- bild Fig. 12 A, p. 397); der ganze Knorpel bildet eine breite Platte, welche am Rande der Hand unter der Haut verläuft. Ihr Durchschnitt erscheint an einem 20 mm Exemplar 0,08 mm breit und erstreckt sich auf 20 Schnitte von 20 u Dicke, also in etwa 0,40 mm Tiefe. An drei Schnitten, welche den dorsalen Rand des Knorpels treffen, finde ich eine Andeutung von Theilung desselben, welche weiter palmar verschwindet. Die topographischen Verhältnisse sind an jüngeren Stadien die gleichen, aber es sind weder Bänder noch Gelenkspalten erkennbar, und der Praepollex steht auf einer indifferenteren Stufe der histologischen Differen- zirung als die übrigen Knorpel des Handskelets. Der proximale Randknorpel bildet an grösseren Beuteljungen, von 20 mm an, ein kleines Knorpel- stück (vergl. Fig. 47-49). Es liegt in einer dicken Masse von straffem Bindegewebe eingebettet, welches den palmaren Abschnitt der distalen Endfläche des Radius fortsetzt. Es reicht aber etwas weiter palmar I) LEBOUCO (84, p. 75) giebt an, bei Didelphys in der Gestalt des Scaphoids Spuren der früheren Trennung eines Centrale gefunden zu haben, Achnliches hat auch BAur (85) beobachtet. In der äusseren Form finde auch ich einen dorsal und ulnar gerichteten Fortsatz, der sich darauf beziehen lässt, aber an und für sich wenig beweist. Jenaische Denkschriften. V. 2 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. 11. 50 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. Io als der Radius. Diese Verhältnisse bleiben bis zum grössten untersuchten Exemplar die gleichen. Auf jüngeren Stadien fand ich keine Spur des Knorpels. Während der distale Randknochen sich in jeder Beziehung wie ein echter Praepollex verhält, ist der proximale ein ganz eigenthümliches Gebilde, welches ich von keinem anderen Thier kenne. Ich betrachte es als eine besondere Differenzirung auf Kosten der den Radius palmar und distal fortsetzenden straffen Wand der Ge- lenkkapsel für die Articulatio radio-carpalis. Tarsus. — Ueber die Entwickelung der hinteren Extremität erlangte ich an Didelphys ziemlich voll- ständige Resultate, die bereits zum Theil in einer vorläufigen Mittheilung (EMERY 95) erschienen sind. Zum Ausgangspunkt meiner Darstellung wähle ich das Stadium von I2 mm. Die Elemente des Fussskelets sind bereits alle als junger Knorpel vorhanden und nur noch durch schmale Zonen von in- differentem Bildungsgewebe getrennt; aber die Umrisse der einzelnen Stücke sind noch abgerundet und ihre Fortsätze nicht ausgebildet. Tibia, Fibula und Calcaneum sind in der histologischen Differenzirung am weitesten vorgeschritten. Das ganze Skelet des Unterschenkels und des Fusses ist noch flächenhaft ausge- breitet, so dass auf einem Schnitt fast alle Bestandtheile desselben zugleich getroffen werden können (vergl. Fig. 30, 31). Nur der Praehallux steht noch im Zustand einer indifferenten Anlage. Die Tuberositas calcanei ist mit dem Corpus calcanei breit verbunden und in Zusammenhang mit letzterem grösstentheils bereits verknorpelt. 3 Von besonderem Interesse ist der Nachweis getrennter Anlagen für Tarsale 4 und 5 (Fig. 30, 31), wie ich constant finde. Der Fuss besitzt also 5 getrennte Tarsalia in der distalen Reihe, wovon die zwei ulnaren später zur Bildung des Cuboids verschmelzen. An einem linken Fuss desselben Stadiums zeigt auch das Naviculare eine Andeutung von ursprünglicher Duplicität, indem unter der Basis des Mesocuneiforme ein Streif von dichter gestellten Zellen zwischen je einem Einschnitt am proximalen und distalen Rand auf allen Schnitten das Naviculare in zwei Abschnitte theilt (Fig. 30). Nehmen wir an, dass das Naviculare als Centrale tarsi zu betrachten sei, so wären derart bei Didelphys Spuren der Anwesenheit von zwei Centralia nachgewiesen. Die Bedeutung dieses Befundes wird erhöht durch das weiter unten zu beschreibende ähnliche Verhältniss bei Aepyprymmus. Aber das fertige Naviculare von Didelphys enthält an seinem tibialen Rand noch ein anderes Element. Im Stadium, das uns jetzt beschäftigt, bemerkt man auf Schnitten an der bezeichneten Stelle (Fig. 32) eine wolkige Fortsetzung der Naviculare-Anlage, welche um den Talus herum gegen den Malleolus tibiae umbiegt und letzteren erreicht. Auf einem anderen, weiter plantar geführten Schnitt (Fig. 33), welcher das knorpelige Naviculare nicht mehr trifft, ist jene Anlage grösser und ihr Zusammenhang mit der Tibia deutlicher. Diese Anlage verknorpelt nachträglich vom Naviculare aus und bildet auf weiter entwickelten Stadien den tibial, plantar und proximal gerichteten hakenförmigen Fortsatz (Tuberositas medialis) des Naviculare. Sie ist offenbar der oben beschriebenen gleich gelagerten, aber viel unabhängigeren Bildung von Phascolaretus homolog, entspricht also gleichfalls einem Tibiale!). Auf dem noch jüngeren Stadium von 9 mm ist die Tibiale-Anlage grösser und ihre Beziehungen zur Tibia viel deutlicher auf einem Schnitt darzustellen (Fig. 29). Was ich aber hier besonders hervorheben will, ist, dass das Verhältniss dieser Anlage zum Praehallux ganz dem in der Hand zwischen Scaphoid und . I) In meiner vorläufigen Mittheilung (95) habe ich von der Tibiale-Anlage eine nicht ganz richtige Darstellung gegeben, indem ich ihre Beziehung zur Bildung der Tuberos. nav. med. verkannte. Dieselbe wurde mir erst später durch die Vergleichung mit Phascolarctus klar, Il Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 379 Praepollex waltenden entspricht. Der Prachallux steht hier ursprünglich mit dem Tibiale in Berührung; aber dieses Verhältniss wird dadurch verändert, dass das Tibiale im Laufe der Ontogenese im Wachsthum relativ zu den benachbarten Theilen zurück- bleibt. — In diesem Stadium war auch die doppelte Anlage des Cuboids nachweisbar; die Centralia waren zu wenig differenzirt, um die Einfachheit oder Doppeltheit ihrer Anlage klar zur zeigen. Leider konnte ich von diesem Präparat keine gute Färbung bekommen, was dem Studium der Anlagen zu Schaden kam. Weiter entwickelte Exemplare habe ich bis zum Stadium von 70 mm (von der Schnauze zur Schwanz- basis gemessen) auf Schnitten untersucht. Im Stadium von 17 mm Scheitelsteisslänge beginnt die Ver- knöcherung der Metatarsalia, und die Gelenkbildung ist bereits ziemlich weit fortgeschritten. Ich will nur hervorheben, dass, obschon Naviculare und Tibia einander nicht berühren, doch zwischen ihnen eine scharf ausgebildete Gelenkspalte entsteht; letztere hängt zusammen mit einer grossen Gelenkspalte, welche den Talus von Tibia und Naviculare scheidet. Dichtes Bindege- webe überzieht die einander gegenüberliegenden Flächen der Tibia und des Naviculare und bildet die Wand der Gelenkspalte, welche also zwischen den beide Knochen bedeckenden Sehnenschichten liegt (Fig. 34). Der ausgebildete Praehallux bildet etwa wie der Praepollex in der Hand eine zur Fusssohle schief gestellte Knorpelplatte (Textbild Fig. 13 A, p. 397): Seine Basis ist an eine Bandmasse befestigt, welche den tibialen Malleolus mit Naviculare und Entocuneiforme verbindet (Fig. 34); aber unter der Basis des Praehallux finde ich auf einigen Schnitten eine deutliche Spalte, welche als Gelenkhöhle angesehen werden dürfte. An keinem meiner Präparate konnte ich Andeutungen von der Existenz zweier getrennter Stücke des Praehallux finden, wie sie CouEs bei D. virginiana gefunden haben soll. — Ebensowenig traf ich in den untersuchten Stadien ein Trigonum tarsi. Dasyurus hallucatus. Von diesem australischen Polyprotodonten bekam ich zwei Stadien von IQ und 40 mm. In ihrem Extre- mitätenskelet schliesst er sich zunächst Didelphys an. Ich werde deswegen hauptsächlich die Unterschiede her- vorheben. Merkwürdigerweise bleibt bei Dasyurus die Entwickelung des Fusses gegen die der Hand nicht so bedeutend zurück wie bei anderen Beutelthieren. Im jüngeren Stadium hat die Verknöcherung des Meta- carpus und Metatarsus begonnen; im älteren hat sie bereits die Phalangen angegriffen. Carpus. — Die Hand ist schmaler, der Carpus nicht so kurz wie bei Didelphys, das Lunatum im Verhältniss zu den übrigen Stücken kleiner. Es giebt kein Homologon des proximalen Randknochens. Der Praepollex ist schwach und bildet eine dünne Platte, welche auf die palmare Fläche des Daumens umgebogen ist; in den von mir untersuchten Stadien hängt er mit dem Scaphoid und Multangulare majus nur durch lockeres Bindegewebe zusammen (man vergleiche das Textbild Fig. 12 B., auf p. 397). Tarsus. — Auch der Fuss ist schmaler und der Tarsus gestreckter als bei Didelphys, das Naviculare ist massiv, mit einem proximal-tibialen Fortsatz, dessen Verhältnisse zum Talus und zur Tibia die gleichen sind wie bei Didelphys. Der Praehallux ist schmal und verläuft zuerst dem Entocuneiforme parallel, krümmt sich dann zur Planta, der Hautfläche folgend. Er ist mit dem Tarsus nur durch Bindegewebe lose ver- bunden, hängt aber weder mit Sehnen noch mit Ligamenten zusammen (vergl. das Textbild Fig. 13 B auf p. 397.) J# 50* 380 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 12 Ein wohl ausgebildetes Trigonum ist vorhanden und im jüngeren Stadium verhältnissmässig grösser als im älteren. Das Metatarsale 5 trägt am proximalen Ende einen auffallend langen, dem fibularen Rande des Fusses parallen Fortsatz. Die hintere Extremität eines kleinen (9 mm) Beuteljungen von Phascologale penicillata schliesst sich an die jüngeren Exemplare von Didelphys an und bot nichts besonders Interessantes. Peramveles obesula. Untersucht wurden Beutelstadien von 13 !/,, 16, 2T, 22, 30, 40 und 50 mm Scheitelsteisslänge. Carpus. — Der Carpus von Perameles gewinnt ein ganz besonderes Gepräge durch die Gestalt und Grösse des als „Lunatum“ zu bezeichnenden Stückes. Verfolgen wir diesen Knorpel vom Hand- rücken zur Vola auf einer Serie von Flächenschnitten, welche etwas schief gerichtet sind, sodass der radiale Rand zuerst getroffen wird (Fig. 15—17, Stadium von 22 mm), so erscheint die Gelenkfläche des Radius zuerst mit zwei ziemlich gleichen Skeletstücken, dem Scaphoid und Lunatum, articulirend. Weiter volarwärts nimmt der Durchschnitt des Scaphoids etwas ab und rückt nach dem radialen Rand der Extremität, was auch aus seinem Verhältniss zum Carpale I auf den Figuren erscheint. Das Lunatum streckt sich dagegen in transversaler Richtung allmählich aus, sein ulnarer Theil wird dabei kürzer, während das radiale Ende etwas höher wird und distal in Form eines abgerundeten Fortsatzes vorspringt. Auf diesem Fortsatz sitzt das Carpale des 3. Fingers, welches in allen Schnitten eine mehr oder weniger viereckige Form aufweist und an die gewöhnliche Gestalt eines „Capitatum“ durchaus nicht erinnert. Die Stelle des Kopfes des menschlichen Capitatum wird bei Perameles durch den volar-distalen Fortsatz des Lunatum eingenommen. Vergleichen wir das Handskelet von Perameles mit dem auf den anderen Bildern derselben Tafel darge- stellten Carpus von Phascolarctus und Petaurus, so wird Jedermann beim ersten Blick zu dem Gedanken kommen, dass genannter Fortsatz das Homologon des proximalen Endes des Capitatum ist. Ich glaube, dass in der That dem so ist, und erblicke in diesem Verhältniss einen indirecten Beweis, -dass der Kopf des Capitatum einem besonderen Element des Carpus entspricht, d. h. einem Cen- trale 2, welches bei Perameles nicht mit Carpale 3, sondern mit dem Intermedium sich verbunden hat. Leider gelang es mir nicht, einen ontogenetischen Beweis für die zusammengesetzte Natur des Lunatum von Perameles zu finden, denn in den jüngsten mir zur Verfügung stehenden Stadien war die beschriebene Bildung des Carpus bereits erreicht, mit dem einzigen bedeutenderen Unterschied, dass die einzelnen Stücke noch durch Bildungsgewebe verbunden waren und die Gelenkbildung noch nicht be- gonnen hatte!). Die übrigen Elemente des Carpus bieten nichts Bemerkenswerthes dar. Es ist bei Perameles keine Spur von Praepollex vorhanden. Die Verknöcherung des Metacarpus beginnt im 22 mm Stadium; bei 30 mm Körperlänge sind die Diaphysen der Metacarpalia schon knöchern, und die erste Phalanx hat einen Knochenring bekommen. Tarsus. — Im 13!/, mm Stadium (Fig. 37, 38) sind alle typischen Skeletstücke des Fusses ange- legt, aber noch stark abgerundet und durch breite Streifen von Bildungsgewebe getrennt. Das Cuboid ist einheitlich angelegt; das Naviculare hat die in jungen Stadien gewöhnliche viereckige Form und zeigt nur eine leise Andeutung eines weiter unten zu beschreibenden Fortsatzes an seinem proximal-Abularen Winkel; eine Tibiale- Anlage ist ziemlich undeutlich. Calcaneum und Talus hängen proximal zusammen durch ) BAUR (85b) hat in einem Beuteljungen von Perameles lagotis ein mit dem Scaphoid verschmolzenes Centrale erkannt; es entspricht offenbar einem Centrale 1. 13 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 381 eine noch ziemlich indifferente Anlage, aus welcher ein proximal gerichteter Fortsatz des Talus wird. Die Anlagen der zwei proximalen Fusswurzelknochen bilden also in diesem Stadium noch die typische Gabel, welche dem normalen Verhalten von Intermedium und Fibulare des Urodelen-Fusses entspricht. Der ganze Fuss ist noch flach ausgebreitet, so dass alle 5 Zehen noch von einem Schnitt der Länge nach getroffen werden können. Die Anisodaktylie und Syndaktylie sind noch wenig ausgesprochen. Es tritt hier eine Erscheinung auf, die in geringerem Grad auch bei anderen Arten beobachtet werden kann (z. B. beim Aepyprymnus-Embryo von 13!/, mm, Fig. 58), nämlich, dass die bereits ausgebildeten Zehen von einer Epidermismasse umgeben und zusammengekittet sind, wodurch die ganze Extremität die Form einer platten Flosse bekommt. Man könnte bei Betrachtung einer solchen Extremität zu dem Gedanken kommen, dass die Zehen aus einer formlosen Anlage durch das hineinwuchernde Epithel herausgeschnitten würden. Im 21 und 22 mm Stadium treten dem fertigen Zustand bereits ähnlichere Verhältnisse auf, indem der distale Theil des Tarsus und der Metatarsus sich zu einem transversalen Bogen wölben und eine plan- tare Längsrinne bilden; die 4. Zehe wird allmählich immer deutlicher stärker als die anderen; das Tarsale 2 wird dorsal verschoben und bleibt von den drei Cuneiformia das kleinste, ein Verhältniss, welches bei den Macropodiden noch in höherem Grade erscheint. Das Naviculare ist noch kurz und breit, entbehrt einer ausgebildeten Tuberositas medialis, bietet aber an seinem fibularen Ende einen Fortsatz (vergl. Fig. 44), welcher sich zwischen Cuboid und Talus gegen das Calcaneum erstreckt. Die morphologische Bedeutung dieses Fortsatzes ist mir nicht ganz klar geworden: bei Didelphys (Fig. 30, 31) kommt das Naviculare hinter dem Cuboid mit dem Calcaneum in Berührung; ein ähnliches Verhältniss habe ich auch von Aepyprymnus- Embryonen abgebildet (Fig. 59 und 61). Hier entspricht der fibulare Fortsatz des Naviculare dem Centrale 2. In weiteren Stadien wird die Anisodaktylie und Syndaktylie immer ausgesprochener ; die 4. Zehe wird immer stärker, der Tarsus allmählich etwas schmäler und gestreckter, und die im vorigen Stadium angebahnte Gelenkbildung schreitet weiter fort. Zugleich beginnt die Bildung der eigenthümlichen Plantarknochen. Diese entstehen als discrete Knorpelstücke, in Verbindung mit dem proximalen Kopf der Metatarsalia und mit dem System der noch indifferenten tiefen Plantarligamente; sie dienen, wie später deutlicher zu sehen ist, den Mm. contrahentes der 4. und 5. Zehe zum Ursprung. Solcher Knochen besitzt Perameles zwei; im Erwachsenen sind beide ossificirt und sitzen an der plantaren Fläche der Metatarsalia 4 und 5, ungefähr in der Stellung, wie ich sie vom 50 mm Beuteljungen abgebildet habe (Fig. 46). Ein jeder dieser Knochen ist mit dem betreffenden Metatarsale durch ein besonderes Gelenk verbunden. Der mehr tibial gelegene (unter Metatarsale 4 einge- lenkte) steht proximal mit dem Cuboid in ligamentöser Verbindung, der fibular gelegene (mit Metatarsale 5 articulirende) ausserdem durch ein starkes Ligament mit der Tuberositas calcanei. Dieses Ligament ist ein differenzirter Abschnitt des Lig. plantare longum, welcher in zwei Schichten zerfällt: die oberflächlichere heftet sich distal an den proximal-lateralen Fortsatz des Metatarsale 5; die tiefere dagegen mit dem distalen Rand des Cuboids (die Scheide für die Peronaeus longus-Sehne überbrückend) und mit dem fibularen Plantar- knochen. Der fibulare Plantarknochen erscheint bereits im 30 mm Stadium (Fig. 39—42, Schnittbilder, und deren Combination auf Fig. 43), der andere erst im 40 mm Stadium als Knorpelstücke, welche in unmittel- barer Beziehung zum betreffenden Metatarsale stehen und von demselben nur durch eine dünne Schicht von indifferentem Bildungsgewebe getrennt sind, Im 50 mm Stadium ist zwischen dem fibularen Knorpel und Metatarsale 5 bereits eine Gelenkspalte angelegt; die Beziehungen zum Ursprung der Mm. contra- hentes werden deutlich erkennbar, wie auf Fig. 45 zu sehen: von jedem Plantarknorpel entspringen distal sehnige Fortsätze, welche sich zwischen die Köpfe der Muskeln hineinschieben. 382 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. IA Die Verknöcherung des Metatarsale 4 finde ich erst im 30 mm Stadium angebahnt; im 50 mm Exem- plar ist bereits im Calcaneum Verknöcherung eingetreten, aber sonst in keinem anderen Stück des Tarsus, Aepyprymnus rufescens; Betongia cuniculus; Macropus giganteus. Von ersterem dieser Vertreter der pflanzenfressenden springenden Beutelthiere konnte ich sowohl sehr junge Stadien, Embryonen von 91/,, 13'/, und 14!/, mm, als ausgebildetere Beuteljungen von 34 bis 52 mm Scheitelsteisslänge untersuchen; ausserdem die Füsse eines fast ausgetragenen Exemplars; von Betongia drei ältere Stadien von 38, 50 und 60 mm (Maass von der Schnauze zur Schwanzbasis). Das einzige mir vorliegende Beuteljunge von Macropus hat eine Scheitelsteisslänge von 29 mm. Carpus. — In älteren Stadien sind im Carpus, abgesehen vom Praepollex, sieben Stücke vorhanden; ein freies Lunatum fehlt. Im 38 mm Jungen von Beiongia (Fig. 68) finde ich aber, dass eine deutliche, aber nicht durchgehende Naht an der volaren Seite ein Stück vom ulnaren Ende des Scaphoids abtrennt; in anderen Präparaten finde ich keine Spur einer solchen Trennung. Ich vermuthe, dass jenes abgetrennte Stück dem Lunatum entspricht, und betrachte deswegen den proximal-radialen Knochen von Betongia als ein Scapho-lunatum. ö Ob das Gleiche auch für die übrigen Macropodiden gilt, konnte ich nicht feststellen. In den Beutel- stadien von Macropus und Aepyprymnus bildet das radial-proximale Element des Carpus ein einheitliches Stück, ohne Spur früherer Zusammensetzung. Im 9!/, mm Embryo finde ich dagegen zwischen Radius, Scaphoid, Uncinatum und Triquetrum einen quer-viereckigen Raum, in welchem eine dunkle Anhäufung von Kernen, das Scaphoid ulnar verlängernd, sich ertreckt (Fig. 67). Ich möchte dieses Gebilde als rudi- mentäre Anlage des Lunatum ansehen. Von dieser Anlage finde ich in den 13!/, und I4!/, mm Exem- plaren nur einen sehr kleinen nicht verknorpelnden Rest. Da zwischen diesem Stadium und dem weiter folgenden (Beuteljunges von 34 mm) eine bedeutende Lücke besteht, so bleibt es fraglich, ob dieser Rest später knorpelig wird oder nicht. Es ist auch denkbar, dass die rudimentäre Anlage des Lunatum keinen selbständigen Knorpelkern bilde, sondern vom Scaphoid aus verknorpele oder später zu ligamentösen Bildungen werde. Wegen der sonstigen Aehnlichkeit mit Betongia halte ich es für wahrscheinlich, dass das radial-proximale Carpale von Macropus und Aepyprymnus ein Scapho-lunatum darstellt. Der Praepollex ist im 14!/, mm Embryo von Aepyprymnus kaum angelegt: in weiter ausgebildeten Stadien dieses Thieres sowie von Betongia ist er am Scaphoid, volar vom Multangulare majus, ligamentös angeheftet; sein basales Ende ist dicker; weiter krümmt sich der Knorpel zu einer radial und volar vom Metacarpale 1, ihm subparallel ziehenden, länglichen, platten Spange (vergl. Textbild Fig. ı2 C); sein Ende reicht über die Hälfte des Metacarpus. Im Beuteljungen von Macropus war nur eine Anhäufung von Kernen als Anlage des Praepollex zu erkennen. Tarsus. — Die drei Embryonalstadien von Aepyprymmus lassen die erste Anlage des Fussskelets und seine morphologische Zusammensetzung sehr vollkommen erkennen. Im jüngsten Exemplar (91/, mm) ist noch keine deutliche Anlage der einzelnen Skeletstücke erkennbar. Der Fuss hat die Form einer unregelmässigen Platte, deren vorragendere Ecke der 4. Zehe entspricht. Auf Schnitten (Fig. 57) sind darin die Anlagen von sechs Skeletstrahlen als dunkle Streifen erkennbar: der dickste und längste entspricht der 4. Zehe; fibular von ihm liegt der wenig schwächere 5. Strahl; tibial erscheinen noch vier weitere Strahlen. Dass davon die zwei der 4. Zehe nächst liegenden den beiden dünnen Zehen 3 und 2 entsprechen, unterliegt keinem Zweifel. Die beiden weiter pro- Se 15 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 383 ximal und tibial gelegenen möchte ich dem rudimentären Hallux und dem fehlenden Praehallux zuschreiben. Eine Deutung der in der Region des Carpus sichtbaren, wolkigen, dunklen Flecken habe ich nicht versucht. Wir finden dieselben in folgenden Stadien zu erkennbaren Anlagen geworden wieder. Im 13!/, mm Stadium treten im Fuss die vier bleibenden Zehen deutlich hervor (Fig. 58): die 4. ist nur wenig länger als die 2. und 3., aber bedeutend mächtiger, ebenso sein Metatarsale. Knorpelig ist im Tarsus eigentlich nur ein Theil des Calcaneums; der Talus steht im Beginn der histologischen. Differen- zirung; die übrigen Stücke sind nur noch durch indifferente Anlagen vertreten. Auf Fig. 59 ist ein sehr glücklich ausgefallener Schnitt abgebildet. Rechts unten erscheint das Ende der knorpeligen Tibia, umgeben von einer dicken Zone von indifferentem Mesoderm; weiter oben und links, als schief gestelltes Oval, der Talus, in Berührung mit dem Lumen der Arteria perforans mesopodi; links von diesem Lumen das zum Theil knorpelige Calcaneum. Um das distale Ende des auf Grund seiner Beziehung zur Arteria perforans als Intermedium zu deutenden Talus sind drei dunkle Zellenanhäufungen vorhanden. Die proximal und tibial (rechts) gelegene betrachte ich als Anlage eines Tibiale, die beiden anderen als zweiCentralia; letztere bilden später zusammen das Naviculare. In der distalen Reihe liegen fünf discrete Anlagen für die Tarsalia; also für das Cuboideum eine doppelte Anlage. Vom Praehallux konnte ich in diesem Stadium sowie in allen weiteren keine Spur erkennen. Im darauf folgenden I4!/, mm Stadium sind die erwähnten Anlagen noch getrennt und bereits mehr oder weniger vollkommen verknorpelt (Fig. 60). — Wir erkennen sie leicht am Fig. 61 abgebildeten Schnitt, mit Ausnahme der Tibiale-Anlage; von den zwei Centralia ist aber das fibular gelegene viel kleiner als das andere, welches sich in die Quere gezogen hat. Der Metatarsus und das Skelet der Finger sind in Ver- knorpelung begriffen ; alle Knorpel sind noch undeutlich begrenzt und durch breite Zonen von indifferentem Bildungsgewebe von einander getrennt. An einem weiter plantar geführten Schnitt (Fig. 62) erstreckt sich der Tibiaknorpel mit einem langen Malleolarfortsatz weit distal bis ins Niveau des distalen Endes des Talus, d. h. zur Stelle wo sich im vorigen Stadium die Tibiale-Anlage vorfand. Dem Ende des Malleolus auf- sitzend, aber von demselben noch getrennt, erscheint ein kleiner Haufen von Zellen, welcher sich in Bezug auf die darin enthaltenen Zellen und Zwischensubstanz so verhält wie die benachbarten Knorpelanlagen. Ich erblicke darin einen Rest der rudimentär gewordenen Tibiale-Anlage. Was aus ihr am Ende wird, ob sie mit dem Malleolus verschmilzt oder, was ich für wahrscheinlicher halte, gänzlich schwindet, konnte ich wegen der bereits hervorgehobenen grossen Lücke in der Stadienreihe nicht entscheiden. Ich glaube nicht, dass sie irgendwie an der Bildung des Naviculare theilnehme. Während die vier letzten Zehen bereits die volle Gliederung ihres Skelets erkennen lassen, ist der Hallux-Strahl nur durch einen länglichen Knorpel vertreten, welcher wegen seiner Beziehungen zu den übrigen Skeletstücken als Entocuneiforme zu betrachten wäre; aber dieser Knorpel erstreckt sich in die Region des Metatarsus hinein, und es bleibt mir fraglich, ob er nicht eher als ein Tarso-metatarsale betrachtet werden sollte. Einen ähnlichen Fall bietet die Hand des Schweines dar, wo das als Multangulare majus bezeichnete Stück mit grosser Wahrscheinlichkeit kein einfaches Carpale, sondern ein Carpo-metacarpale darstellt. Ich habe diese Frage gelegentlich der Beschreibung eines eigenthümlichen Falles von Hyperdaktylie an der Hand eines Schweineembryos discutirt (92a, p. 679ff.) und verweise auf die darauf bezügliche Abhandlung. Tarsale 2 liegt im 14!/), mm Embryo von Aepyprymnus noch in einer Reihe mit Tarsale ı und 3; alle drei sind an ihrem basalen Ende vom transversal gelagerten Naviculare gleich entfernt. 384 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 16 In den Beutelstadien von Macropodiden, die ich untersuchen konnte, hat der Fuss mehr oder weniger seine definitive Structur erlangt. Im Macropus von 29 mm und im jüngeren Stadium von Betongia ist er noch kurz und plump, besonders der Metatarsus wächst aber von jetzt an tüchtig in die Länge: dadurch wird der Fuss immer schmaler und schlanker und nähert sich immer mehr seiner definitiven Gestalt. Mit der Verlängerung des Fusses schreitet die Bildung des Tarsus-Gewölbes fort: das Tarsale 2 wird dabei dorsal und distal verschoben und articulirt nicht mit dem Naviculare. Im jüngeren Stadium von Betongia und noch deutlicher im Macropus-Jungen liegt es zwischen den Tarsalia I und 3 eingekeilt; in weiteren Stadien von Betongia und Aepyprymnus findet es sich dorsal vom Tarsale I, mit ihm ligamentös verbunden. Das klleine Mesocuneiforme (resp. die zu ihm gehörıge 2. Zehe) wird also nicht mehr vom Naviculare, sondern vom Entocuneiforme getragen. Ich will mich nun besonders mit der Entwickelung der Plantarknochen resp. -knorpel befassen und schildere dieselbe besonders an Betongia, wovon mir eine vollständige Reihe von Stadien vorliegt. Aepy- prynnus, Betongia und Macropus besitzen in den untersuchten Beutelstadien ein Knorpelstück, welches sich in seinen Verhältnissen zum 4. Metatarsale, sowie zu den Mm. contrahentes dieser Zehe so verhält, wie der mediale Plantarknochen von Perameles, aber in Bezug auf seine Verbindung mit den Ligamenten der Fuss- sohle (untersucht besonders bei Aepyprymnus) bedeutend abweicht. Aus Gründen, welche im vergleichen- den Abschnitt dieser Schrift ausführlicher behandelt werden sollen, glaube ich, dass die Aehnlichkeit der Plantarknochen der Macropodiden und Perameliden mehr auf gleichartige Anpassung als auf Homo- logie beruht. Die erste Anlage des Plantarknorpels finde ich beim jüngeren Betongia-Exemplar in Form eines Haufens von dichtem Bildungsgewebe, welcher der plantaren Fläche des Metatarsale 4 anliegt (Fig. 63) und mit der noch indifferenten Schicht, welche den Metatarsalknorpel umgiebt, zusammenhängt. In einem weiteren Stadium ist diese Cartilago plantaris bereits verknorpelt, aber noch nicht von der Grenzschicht des Metatarsale getrennt. Der auf Fig. 65 abgebildete Schnitt ist besonders günstig ausgefallen und zeigt die topographischen Verhältnisse zu den übrigen Theilen des Fussskelets und zu den Mm. contrahentes be- sonders schön. Im ältesten Stadium, was ich untersuchte (Fig. 66), ist der Plantarknorpel wie alle Stücke des Fussskelets scharf begrenzt: die Gelenkspalten sind überall ausgebildet, und eine solche trennt den Plantarknorpel vom über ihm liegenden Metatarsale. Ich betrachte dieses Verhältniss als dem definitiven Zustand entsprechend. Im Fuss des Beuteljungen von Macropus finde ich ein bereits knorpeliges Stück plantar vom Metatarsale 4. In Beziehung auf dieses Stück hält dieses Stadium die Mitte zwischen den zwei jüngeren Exemplaren von Betongia. — Die Beuteljungen vom Aepyprymnus schliessen sich den vorgerückten Stadien von Betongia an. Am Fuss eines fast ausgetragenen Beuteljungen von Aepyprymnus ist der Plantarknorpel proximal durch ein starkes Ligament mit dem Sustentaculum tali verbunden. Proximal von der Scheide für die Peronaeus longus-Sehne liegt an jenem Ligament ein kleineres Knorpelstück, welches dem Ectocuneiforme aufliegt und mit demselben durch Gelenk verbunden ist. — Im 52 mm langen Beuteljungen finde ich auf Schnitten im Ligament einen entsprechend gelagerten Zellenhaufen, den ich als Anlage des kleineren Knorpels betrachte; es liegt dicht am Cuboid, mit welchem das Ligament in diesem Stadium noch in Ver- bindung steht. Herr Dr. EGGELING, welcher die Güte hatte, ein grösseres, 31 cm langes Exemplar derselben Art für mich zu untersuchen, schreibt mir, dass er meine Anfgaben bestätigt findet: beide plantare Knorpel waren nicht verknöchert. Es ist fraglich, ob sie in dieser Art zu Knochen werden. Einen Plantarknochen er- wähnt FLOWER von Macropus. 17 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 385 Vergleichende Betrachtungen. Ueber accessorische Skeletstücke und Sesambeine. Vor allem muss hier die Frage aufgestellt und beantwortet werden, ob es überhaupt Skeletstücke giebt, die als „accessorische“ oder „überzählige“ bezeichnet werden dürfen. Unter diesem Namen möchte ich solche Bestandtheile des Skelets verstehen, welche im primitiven Extremitäten-Skelet der Stapediferen nicht enthalten waren und auch nicht von primitiven Bestandtheilen desselben abgespaltet wurden, sondern erst später, im Laufe der Phylogenese neu entstanden und dem normalen Skeletsystem einzelner Klassen, oder untergeordneter Gruppen einverleibt worden sind. Ich glaube, dass accessorische Skeletstücke angenommen werden müssen. Zuerst ist theoretisch nichts dagegen einzuwenden, dass irgendwo, besonders in der Nähe der bestehenden, altvererbten Knochen und Knorpel, innerhalb der fibrösen Masse von Sehnen und Ligamenten neue Knorpelkerne entstehen. Sehr wichtig und interessant sind in dieser Beziehung die Resultate der pathologischen Anatomie und der experi- mentellen Pathologie. — In der Nachbarschaft der Gelenke können vom Rande des Knorpels, vom Periost und auch von der Gelenkkapsel aus verschiedenartige Knorpelneubildungen entstehen. Solche sind be- sonders bei Arthritis deformans häufig und von sehr mannigfaltiger Form; sie können gestielt oder sessil, sogar in Gestalt von platten, in der Wand der Gelenkkapsel eingebetteten Gebilden auftreten '). Es ist ja sogar festgestellt, dass das Periost solcher Knochen, die nicht knorpelig vorgebildet werden, im Stande ist, unter bestimmten Bedingungen Knorpel zu produciren?). Warum sollten denn nicht ähnlicher Weise neue Knorpel in unmittelbarer Nähe des Perichondriums embryonaler Skeletgebilde oder in der Wand der Gelenkkapseln entstehen können und auf die Nachkommenschaft vererbt werden? Gedenken wir doch, dass die Skeletanlage in den Extremitäten ursprünglich eine einheitliche Masse von indifferentem Bildungs- gewebe darstellt, in welcher nach und nach die einzelnen Knorpelstücke durch histologische Differenzirung; auftreten. Neue Stücke dürften aus der indifferenten Anlage, entweder von Hause aus getrennt, als Ano- malien entstanden und hereditär geworden sein, oder zuerst als Anhänge älterer Knorpelstücke gebildet, die in späteren Generationen davon getrennt wurden. Bei einer derartigen Entstehung in der Phylogenese würde die Ontogenese solcher accessorischer, d. h. vor geringerer Zeit erschienener Stücke nicht wesentlich von der typischer, uralter Bestandtheile des Knorpelskelets abweichen. Ein sicheres Kriterium zur Unterscheidung typischer, primi- tiver Skeletstücke von neu entstandenen, sozusagen accessorischen wird sich also nicht aus der Entwickelungsgeschichte einer einzelnen Thierart ergeben, sondern hauptsächlich aus der Vergleichung sowohl ausgebildeter Formen als noch viel- mehr ihrer verschiedenen Entwickelungsstadien mit einander ergeben. Wir dürfen annehmen, dass solche Skeletbestandtheile, die nur bei einer einzelnen Gattung oder in einer Familie oder Familiengruppe existiren und sonst, selbst als Rudiment, nirgends erscheinen, einen neuen Erwerb der betreffenden systematischen Gruppe darstellen. — Dagegen gehören solche Elemente, die in allen Klassen der Stapediferen mit grösserer oder geringerer Häufigkeit wiederkehren, sehr wahrscheinlich 1) Vergl. VIrcHOWw, Die krankhaften Geschwülste, Bd. I, p. 454 ff., Berlin 1863. 2) Vergl. H. KOLLER, Ist das Periost bindegewebig vorgebildeter Knochen im Stande Knorpel zu bilden? in Arch. Entwickl. Mechanik, Bd. 3, p. 624-656, 1896, sowie die darauf folgenden Bemerkungen von Dr. HANAU. Jenaische Denkschriften. V. 3 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 51 386 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 18 zu den ältesten und durchaus typischen Elementen des Chiridiums!); sie sind keine accessorischen Stücke. __ Zwischen beiden Reihen lässt sich eine mittlere Stufe aufstellen; sie begreift solche Gebilde, die einer ganzen Klasse eigen sind, aber ausserhalb derselben nicht vorkommen. Demgemäss werde ich unter den in der Litteratur als accessorische Bestandtheile des Skelets be- zeichneten Gebilden drei Gruppen unterscheiden: a) solche echte accessorische Stücke, die nur bei einzelnen Gattungen oder Familien vorkommen; b) solche, die für die ganze Klasse der Säugethiere typisch sind, aber zum ursprünglichen Skelet des Chiridiums sekundär zugekommen sind; c) solche, die in allen oder den meisten Klassen der Stapediferen beobachtet worden sind und deswegen dem primitiven Chiridium angehören und mit Unrecht als accessorisch bezeichnet werden. Ich werde nun versuchen, durch Discussion einzelner Beispiele, welche ich hauptsächlich den Beutelthieren entnehme, die dieser Eintheilung zu Grunde liegenden Anschauungen zu stützen und ihre Richtigkeit zu beweisen. Zur ersten Reihe mögen von den hier bei Marsupialiern beschriebenen Gebilden zweierlei gerechnet werden: der proximale Randknochen der Hand von Didelphys und die Plantarknochen und Knorpel der springenden Gattungen Perameles, Aepyprymmus, Betongia etc. Das distale Ende der Unterschenkel- und Unterarmknochen bietet bei jüngeren Entwickelungsstadien von Säugethieren auf Schnitten ein merkwürdiges Aussehen, dessen histologische Grundlage einer genaueren Untersuchung noch bedarf, aber leider an den von mir mehr zur Erkenntniss der Form- und Lagerungs- verhältnisse angefertigten Präparaten nicht vorgenommen werden konnte. Es zeigt sich nämlich um den Gelenkkopf eine dicke Schicht, welche in der Verknorpelung nicht so weit vorgeschritten ist wie die mehr proximal gelegenen Theile, aber auch den Zustand der Indifferenz längst verlassen hat. Ziemlich lange persistirt dieses Verhältniss am Radius, wo genannte Schicht an gefärbten Präparaten durch einen dunkleren Streifen vom Rest des Knorpels abgegrenzt bleibt (man vergleiche meine Figg. I—3, 7, 8, 9, 67). Diese Schicht verknorpelt am Ende vollständig in continuirlichem Zusammenhang mit der distalen Epiphyse; ihre Ränder gehen in die Wand der Gelenkkapsel und in die damit verbundenen Ligamente über. Am radial palmaren Rand ist der Ansatz der Gelenkkapsel am Radius stark verdickt und in dieser Verdickung entsteht bei Didelphys der proximale Randknochen der Hand; er steht also von seiner ersten Entstehung an zu der Kapsel des radiocarpalen Gelenks in engster Beziehung. Diese Verhältnisse sind auf Fig. 47—49 dargestellt. Ein ähnliches accessorisches Skeletstück. ist bis jetzt von keinem anderen Thier bekannt. Nicht minder interessante Beispiele von echten accessorischen Skeletstücken sind die Plantarknochen und Knorpel der springenden Beutelthiere. In den beiden systematisch weit entfernten Gattungen, in welchen ich ihre ersten Entwickelungsstadien verfolgen konnte, entstehen sie in unmittelbarer Berührung mit der indifferenten oberflächlichen Schicht (embryonales Perichondrium) jener Metatarsusknorpel, mit welchen sie später durch Gelenke oder Bänder verbunden bleiben. Ebenso wichtig sind die Beziehungen der in Rede stehenden Skeletbestandtheille zu dem Ursprung der Mm. contrahentes der betreffenden Zehe und besonders zu den von ihnen proximal zum Calcaneum und zum Cuboid verlaufenden kräftigen Ligamenten, welche dem System des tief gelegenen Lig. plantare gehören. Das Verhalten jener Ligamente zu den accessorischen Stücken im ausgebildeten Zustand ist bei Perameles und Aepyprymnus ein so verschiedenes, wie aus der speciellen Beschreibung, erhellt, dass wohl kaum angenommen werden dürfte, beide Einrichtungen seien gemeinsamen Ursprungs; I) Ich schreibe hier Chiridium statt Chiropterygium; diese Aenderung wurde mir vor 3 Jahren von Herrn Prof. HATSCHEK mündlich vorgeschlagen; ob das Wort bereits irgendwo gedruckt worden sei, weiss ich nicht. Ebenso dürfte Pterygium statt Ichthyopterygium gebraucht werden. 19 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 387 viel eher möchte ich vermuthen, dass sie ihre Aehnlichkeit einer convergenten Entwickelung in Folge von Adaptation an gleiche Funktion verdanken. Die späte Bildung des kleineren, proximal gelegenen, mit dem Tarsale 3 articulirenden Knorpels bei Aepyprymnus dürfte auch als ein Beweis für sein phylogenetisch geringes Alter betrachtet werden. Diese plantaren Knorpel und knorpelig vorgebildeten Knochen sind echte accessorische Skeletstücke und gehören zur Reihe der syndesmo- resp. tenontogenen Sesambeine. Sie verdanken ihre Entstehung be- sonderen physiologischen Verhältnissen und, wie es scheint, der springenden Locomotionsweise. In der That sind auch andere springende Säugethiere im Besitz ähnlicher plantarer Skeletgebilde. So erwähnt TORNIER (9I, p. 182, 201) drei knöcherne Plantarsesamoide von Dipus und ähnliche Verknorpelungen bei Leporiden. Eine weitere vergleichende Untersuchung dieser Verhältnisse auf einer grösseren Anzahl von Gattungen und Arten wäre für den, welchem das nöthige Material zur Verfügung steht, ein dank- bares Thema. Wird aber für die eben besprochenen Skeletstücke angenommen, dass sie keinem typischen Element des Chiridiums entsprechen, sondern neu entstanden sind und von Ursprung aus als Sesambeine zu Bändern und Sehnen in Beziehung gestanden haben, so steht kein Hinderniss mehr im Wege, auch für andere Elemente, deren Ursprung sich nicht so deutlich nachweisen lässt, dass gleiche zu be- haupten. Dass dem so ist, wird die Untersuchung der Metacarpo- (resp. metatarso-) phalangealen Sesambeine ergeben, welche ich als Beispiel meiner zweiten Reihe wähle, da sie in allen Ordnungen der Säuge- thiere vorkommen, aber bis jetzt in keiner anderen Klasse der Vertebraten gefunden wurden. Die Metacarpo-phalangealen Sesambeine (sowie die ihnen entsprechenden im Fussskelet) können als knorpelige Einlagerungen in der palmaren Wand der Gelenkkapsel betrachtet werden. Es lässt sich dieses sehr deutlich an Schnitten erkennen, welche einen Finger dorso-volar treffen, z. B. auf meinen Figg. 47—49 (Längsschnitte durch den Daumen von Didelphys). An Flächenschnitten lässt sich, wenn sie richtig orientirt sind, was nur durch einen glücklichen Zufall gelingt, dasselbe ebenso deutlich sehen: so z. B. auf Figg. 69—73, welche das metacarpo-phalangeale Gelenk am Mittelfinger von Dasyurus betreffen. In Fig. 69 sind erst die Sesamknorpel getroffen, die Gelenkkapsel noch unberührt. Der Schnitt Fig. 70 verläuft durch die Dicke der Gelenkwand, ohne die Kapsel zu öffnen. Auf Fig. 7I erscheinen die Sesam- knorpel in je einer Längsbrücke vom Gewebe der Kapsel eingeschlossen; zwischen und seitlich von ihnen ist die Gelenkhöhle geöffnet. Auf Fig. 72 sind die Sesamknorpel verschwunden; es erscheinen dagegen drei Knorpelinseln, welche palmaren Vorsprüngen des Metacarpale gehören; zwischen denselben weist der Kopf des Metacarpale zwei Rinnen auf, in welche die Sesambeine eingreifen. Letzteres Verhältniss ist be- sonders deutlich auf einer Schnittserie zu sehen, die ich auf Fig. 53—56 abgebildet habe; sie betrifft die vierte Zehe von Perameles. Auf Fig. 54 sind beide Sesamknorpel und zugleich die drei Vorsprünge des Metatarsale durch den Schnitt getroffen worden. Die von THILENIUS (95 a) abgebildeten Querschnitte zeigen die Verhältnisse der Sesambeine zur Gelenkkapsel, welche Verf. auch richtig anerkennt, nicht aber die zu Vorragungen des Kopfes des Metacarpale, was wohl davon abhängt, dass nur Präparate von Menschen- embryonen abgebildet wurden. Die Entwickelung der metacarpo-phalangealen Sesambeine wurde von PFITZNER (92) und ausführlicher von THıLEnıus (95 a) beim Menschen und einigen Thieren untersucht. Letzterer fand, dass diese Skelet- stücke als isolirte Knorpelherde auftreten, was ich für alle Säugethiere, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, bestätigen kann. Ich muss aber ausdrücklich bemerken, dass diese Knorpel aus derselben gemein- gr 5L* 288 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 20 3 samen Anlage entstehen, aus welcher auch die übrigen Skeletstücke und der ganze Gelenkapparat differenzirt werden. Wenn wir sie auf weiter vorgerückten Stadien untersuchen, so finden wir sie in ganz ähnlicher Beziehung zur Gelenkkapsel und zum proximalen Ende der Phalanx wie der sog. proximale Randknochen der Didelphys-Hand zur Kapsel des Handgelenkes und zum Radius (vergl. Fig. 47—49). Ich stimme also mit THILENIUS in Bezug auf die Beziehungen der metacarpo-phalangealen Sesambeine zur Gelenkkapsel vollkommen überein ; bin mit ihm ebenso einverstanden in der Annahme, dassjene Stücke nicht in Folge von funktionellen Reizen von jedem Individuum erworben werden, sondern vererbte, recht alte Bestandtheile des Extremitätenskelets sind, welche bei den meisten Säugethieren constant und gut ausgebildet, beim Menschen rudimentär und mit Ausnahme des einen am Daumen normal vorkommenden im erwachsenen Zustand meist fehlen. Sehr alt sind diese Stücke wohl; aber wie alt? Sind sie älter als der Stamm der Säugethiere? Ich glaube es nicht, denn bei keinem Amphibium oder Reptil wurden sie bis jetzt nachgewiesen. Ich suchte vergebens nach Spuren derselben an den in meinem Besitz befindlichen Schnittserien von Laceria-Embryonen, sowie von Embryonen des Nilkrokodils. Bei einem jungen Alligator mississipiensis bemerkte ich eine starke Verdickung von knorpeliger Consistenz an der volaren Wand der metacarpo-phalangealen Gelenkkapsel; aber die mikro- skopische Untersuchung liess darin keine Knorpelzellen erkennen, sondern nur dichtes Bindegewebe. Diese Verdickung hat wohl eine ähnliche Funktion wie die Sesambeine und dürfte als eine ältere, ihrer Bildung vorausgegangene Einrichtung betrachtet werden. In einer derartigen Verdickung der Gelenkkapsel, deren Existenz wir bei den reptilartigen Ahnen des Säugethierstammes vermuthen dürfen, mögen knorpelige Einlagerungen, sei es als freie Knorpelherde, sei es als Fortsätze des proximalen Randes der Phalanx entstanden sein. Die neue Vorrichtung wurde dann auf die ganze Nachkommenschaft vererbt; sie darf als eine Vervollkommnung des Bewegungsapparates be- trachtet werden, welche für die Säugethiere, als echte Landthiere, deren Leib mit ganzem Gewicht auf den Gliedmassen lastet, von Nutzen war. Was die besondere Function dieser Sesambeine betrifft, so möchte ich auf Grund der oben geschilderten anatomischen Verhältnisse annehmen, dass sie, mit der Phalanx fest ligamentös verbunden, zwischen die drei palmaren Vorsprünge des Metacarpale resp. Metatarsale eingreifend die Flexion beschränken und zugleich seitliche Bewegungen hindernd, dem Gelenk den Charakter einen Ginglymus verleihen. Die metacarpo- (tarso-) phalangealen Sesambeine sind für das Skelet der Säuge- thiere typisch gewordene, aber erst innerhalb des Stammes der Klasse entstandene Bestandtheile. Sie gehören nicht zu den ursprünglichen Elementen des Chiridiums. Zur dritten Reihe, d. h. zu jenen Skeletgebilden, welche, obgleich sie nicht bei allen Land- wirbelthieren und auch nicht immer in beiden Extremitätenpaaren desselben Thieres vorkommen, doch in verschiedenen Klassen nachgewiesen sind und deswegen dem primitiven Chiridium angehören und keine accessorischen Skeletstücke sind, rechne ich das Pisiforme sowie die Elemente des sog. Praepollex und Praehallux. Das Vorkommen des Pisiforme bei verschiedenen Reptilien, der Nachweis seiner Existenz bei Vögeln von Norsa (94) und den Anuren von mir (92b) sind, wie ich glaube, genügende Gründe für die definitive Einreihung dieses Stückes unter die typischen Bestandtheile des Chiridiums. Dieses um so mehr, wenn man mit LEBoucg (86) annimmt, was ich auch weiter unten besser zu begründen versuchen werde, dass dasselbe im Fuss durch die Tuberositas calcanei vertreten ist. Es. bleiben zwar in Bezug auf das Pisiforme noch einige Fragen offen, die ich an der Hand der mir bekannten Thatsachen zu erledigen nicht im Stande bin: 21 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 389 a) Sind alle als Pisiforme beschriebenen Bildungen einander homolog? — Diese von THILEnıus (96) aufgestellte Frage ist eine sehr wichtige und beachtenswerthe; sie dürfte aber nur in Verbindung zur anderen gelöst werden: b) Welche ist die morphologische Bedeutung des zwischen Ulna und Carpus gelegenen Meniscus interarticularis der menschlichnn Anatomie und der zu demselben in näherer oder weiterer Beziehung stehenden „accessorischen“ Stücke, dem Pisiforme secundarium (Ulnare antebrachii, THıLEnıus), Trigonum antebrachii (Intermedium antebrachii, THıLEnıus) und Processus styloides ulnae? Ich bekomme bei Durch- sicht der betreffenden Litteratur und meiner Präparate den Eindruck, dass, wie es bereits LEBoucQ (84) ausgesprochen hat, diese Stücke, wenigstens zum Theil, mit dem Pisiforme zusammen als Bestandtheile des rudimentären ulnaren Randstrahles aufzufassen sind. Ich muss mich aber eines Urtheiles vorläufig enthalten. Die radialen, resp. tibialen Randstücke des Extremitäten-Skelets werde ich in einem weiteren Abschnitt dieser Schrift ausführlicher behandeln (die Bedeutung des proximalen Randknochens der Hand von Didelphys ist bereits oben festgestellt worden). Auch der tibial-proximale Randknochen am Fuss der Nager und seine Homologa lasse ich hier bei Seite. — Ich gedenke hier allein der zwischen Scaphoid und Trapezium der Hand, zwischen Naviculare und Entocuneiforme des Fusses oder an letzterem Knochen allein eingelenkten, resp. lisamentös verbundenen Bestandtheile des Praepollex und Praehallux. Ganz abgesehen davon, ob sie dem Rudiment eines früher ausgebildeten Strahles angehören oder nicht, bleibt doch eines fest, nämlich, dass diese knorpelig vorgebildeten oder so bleibenden Stücke (Naviculare externum, radiales Sesambein, Os falciforme, Praepollex) am radialen Rand der Hand in der Mehrzahl der Ordnungen der Säugethiere beobachtet worden sind, ebenso am Fuss ihre Homologa. Nach dem, was soeben für die Metacarpo-(tarso-) phalangealen Sesambeine auseinandergesetzt wurde, darf also als festgestellt gelten, dass sie von den Stamm- eltern der Säugethiere auf ihre Nachkommen vererbt worden sind und jetzt als typische Bestandtheile des Skelets dieser Klasse betrachtet werden müssen. Nimmt man ferner mit mir an, dass diese Elemente den ebenfalls als Praepollex und Praehallux bezeichneten Stücken im Hand- und Fussskelet der Amphibien homolog sind, so muss man deren Ursprung weiter abwärts verfolgen und sie als eine älteste Erbschaft der ersten Stapediferen betrachten, d. h. als Bestandtheile des primitiven Chiridiums. Der schwache Punkt dieser Schlussfolgerung liegt in der Reihe der Reptilien, denn obschon mancherlei Gebilde von verschiedenen Autoren und von mir selbst als Prae- pollex gedeutet worden sind, kann diese Homologie noch nicht als feststehend bezeichnet werden. Ich kann diesen Abschnitt nicht schliessen, ohne der vielfachen, besonders als Anomalien des Menschen aufgefundenen und beschriebenen „überzähligen Stücke“ des Carpus und Tarsus zu gedenken. Nachdem PFITZNER (93) eine Zusammenstellung der ihm aus der Litteratur sowie aus eigenen Unter- suchungen bekannt gewordenen Carpusknochen gegeben hatte, wurde derselbe Gegenstand wieder von THILENIUS (96) auf Grund der Untersuchung zahlreicher Embryonen wieder behandelt. Dessen Haupt- resultat war, dass die überzähligen Stücke im Embryo als selbständige Knorpelcentra entstehen und zwar mit viel höherer Frequenz, als im Erwachsenen beobachtet wird, weil sie im Laufe der Entwickelung meist mit benachbarten Theilen verschmelzen. Daraus schliesst Verf., dass Hände mit solchen „Anomalien‘“ sich sozusagen „normalen“ Händen gegenüber palingenetisch verhalten und dass die Verlöthung der selb- ständig angelegten anormalen Knorpelstücke mit einander oder mit den kanonischen Elementen des Carpus als caenogenetisch zu bezeichnen ist. Zu diesem Schluss wird Verf. nicht nur durch die logische Anwendung des „biogenetischen Grundgesetzes“ geführt, sondern auch durch ein anderes, nicht minder bedeutsames Ergebniss der Beobachtung, nämlich dass überzählige Stücke in Bezug auf ihren Sitz nicht regellos sind, sondern immer an gewissen Stellen wiederkehren; es ergeben sich daraus ganz bestimmte 390 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 22 Pr} >- Beziehungen der einzelnen Stücke zu den „normalen“ Carpusknochen, nach welchen THILENIUS eine rationelle Nomenclatur aufgestellt hat. Keiner dieser beiden Beweisführungen mag ich einen grossen Werth beilegen. Wenn man mit mir annimmt, dass in der Skeletanlage neue Knorpelherde durch Variation gebildet werden können (und es scheint mir eine solche Möglichkeit durch die Diskussion der Fälle von Didelphys und von den springenden Beutelthieren erwiesen), so hat die Bildung anormaler Carpusstücke an und für sich nichts mehr so sehr Befremdendes. Die normalen Elemente des Carpus entstehen als Knorpelcentra innerhalb einer einheitlichen Anlage und vergrössern sich durch Apposition, d. h. durch histologische Differenzirung, auf Kosten des zwischen ihnen liegenden noch indifferenten Bildungsgewebes. Es scheint mir durchaus nichts Absonder- liches, dass die weitere Differenzirung der Anlage, die gewöhnlich in Kontinuität von der Oberfläche des vorgebildeten Knorpels ausgeht, das eine oder andere Mal in Folge irgendwelcher Ursachen discontinuirlich, d. h. durch Bildung neuer Centra erfolge. Solche Ursachen mögen in der Beschaffenheit des Keimplasma selbst liegen (blastogene Variation) oder von äusseren Einflüssen herrühren. Die von den ersteren hervor- gerufenen Anomalien mögen sogar hereditär geworden sein und als Species, Rassen- oder Familiencharaktere erscheinen !); dass es in den meisten Fällen wirklich blastogene Variationen sind, beweist das beiderseitige Vorkommen vieler solcher Anomalien. Man darf annehmen, dass isolirte Knorpelinseln am leichtesten dort entstehen und so gross werden können, dass sie bemerkt werden, wo zwischen den wachsenden Knorpeln eine grössere Menge von indiffe- rentem Bildungsgewebe übrig geblieben ist. Da die werdenden Knorpel des Carpus Anfangs abgerundet sind, so ereignen sich diese Bedingungen dort, wo mehrere Stücke zusammentreffen: an solchen Stellen entstehen gerade die überzähligen Carpus-Stücke. — Ich denke also, dass ein guter Theil der im mensch- lichen Carpus beobachteten accessorischen Stücke ihre Entstehung Wachsthumsanomalien verdanken; aber nicht alle! Eine Anzahl davon hat gewiss eine höhere morphologische Bedeutung; welche? Hier tritt wiederum die Vergleichung in ihre Rechte ein. Durch Vergleichung allein lässt sich die morphologische Dignität eines beständigen oder vorübergehenden Gebildes fest stellen. Erscheint ein Stück im Embryo konstant (Centrale 1) oder nimmt es die Stelle eines bei anderen Thieren normal vorkommenden (Radiale externum) oder sonst aus anderen Gründen als typisch zu betrachtenden Gebildes (Centrale 2) ein, so dass es als demselben homolog betrachtet werden darf, so ist einem solchen Stück mit grosser Wahrscheinlichkeit, ja mit Bestimmtheit, eine hohe Bedeutung zuzu- schreiben. Fehlen diese Bedingungen, so ist es wahrscheinlicher, dass bloss eine Anomalie, d. h. eine Variation, welche eventuell auch vererbt sein mag, vorliegt. Hiermit soll aber nicht behauptet werden, dass nur die drei hier genannten Stücke morphologischen Werth besitzen. Ich habe ja bereits auf die distal von der Ulna auftretenden Knorpel hingewiesen; aber auch andere Stücke, deren Bedeutung: heute nicht ein- leuchtet, mögen später in Folge von vergleichenden Betrachtungen eine besondere Wichtigkeit erlangen. Auf Grund des identischen Entwickelungsmodus allein, ohne Weiteres auf Gleichwerthigkeitalleraccessorischen Gebilde desmenschlichen Carpus zu schliessen und mit Zugrundelegung des „biogenetischen Grundgesetzes“ Atavismen aufzustellen, welche bis auf die Jura- oder Carbonzeit zurückschlagen, scheint mir nicht zulässig. Die Erbschaft so ferner Ahnen ist im Keimplasma der lebenden Säugethiere längst erloschen, und wenn . 1) Die Erblichkeit solcher neu entstandenen Skeletstücke darf nicht als Argument gegen die WEISMANN’sche Vererbungs- theorie aufgeführt werden; sie ist durchaus nicht eine Vererbung erworbener Eigenschaften, wie sie BARDELEBEN (94) bezeichnet, jene Stücke sind blastogen entstanden: eine blastogene Variation ist im Sinne WEISMANN’s keine „erworbene Eigenschaft“. 23 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 391 Anomalien des Menschen an den Bau von alten Reptilien oder von Stegocephalen erinnern sollten, so würde ich solche Fälle als Ahnenähnlichkeit, aber nicht als Ahnenerbschaft bezeichnen !), Zur Morphologie des Carpus und Tarsus der Säugethiere. In der Beschreibung der Befunde bei den einzelnen untersuchten Formen habe ich, mich an die Thatsachen haltend, die Deutung der beobachteten Verhältnisse nur insofern besprochen, als mir unent- behrlich erschien. Dieses soll hier weiter geführt und dabei zugleich der Versuch gemacht werden, über die Morphologie der Extremitäten der Säugethiere weitere Schlüsse zu begründen. Es muss den nun folgenden Betrachtungen das Schema des Extremitätenskelets, welches ich mir auf Grund anderer Unter- suchungen als Urform des Chiridiums construirt habe, zum Aus- gangspunkt vorausgesetzt werden. Für die ausführlichere Begrün- dung dieses Schema verweise ich auf meine italienische Arbeit von 1894 ?). Die Metacarpalia und Metatarsalia, welche ich „Actinalia“ nenne, sind die proximalen Glieder der 5 typischen Extremitäten- strahlen. Sie stehen in Verbindung mit ebensovielen „Hy pacti- Alle diese 5 Hypactinalia, welche als „Meshypactinalia“ bezeichnet nalia“, d. h. den Carpalia und Tarsalia der distalen Reihe. werden, bilden den distalen Rand einer grossen fächerartigen Platte, des „Mesopodiums‘“, welche von der Arteria perforans mesopodii durchbohrt wird und aus mehreren (mindestens 2) „Cen- - - s. Fibulare) und dem „Mesobasipodium (= Intermedium) be- trobasalia“ Centralia), dem „Mesobasale“ Ulnare, steht; das Mesobasipodium liegt am basalen Winkel des Fächers und verbindet sich distal mit den 3 Basalia; von diesen trägt (wenn nur 2 Centralia vorhanden sind) Centrobasale I die ersten 2 Hypac- tinalia; Centrobasale 2 trägt das Hypactinale 3, während die 2 letzten Hypactinalia dem Mesobasale aufsitzen. Der mediale oder bei Ver- gleichung mit der Selachierflosse vordere Rand der Extremität wird gebildete vom „Propodium‘“, bestehend aus „Probasi- podium“ (— Radius s. Tibia), welchem sich das „Probasale‘ — Radiale s. Tibiale) anschliesst: letzterem sitzt kein echter Strahl auf, sondern ein mehr oder weniger rudimentärer, der Praepollex oder Praehallux, dessen proximales Glied, das „Proshypactinale‘“, meist allein vorhanden ist; die Verbindung des Probasale mit dem ersten Hypactinale des Mesopodiums ist, wie die Ontogenie der Ebenso wird der Urodelen zeigt, eine secundär entstandene, Fig. 5. Schema des Gliedmassenskelets der Säugethiere, besonders in Bezug auf die Biegung im Ellenbogen mehr der vorderen Extremität entsprechend: rechte Hand von der Vola betrachtet. Das Stylopodium und die Elemente des Metapodiums sind bloss durch Umriss gezeichnet. Das Propodium schwarz. Das Mesopodium verschiedenartig schattirt und zwar: das Mesobasipodium mit gekreuzten Linien; das Mesobasale senkrecht, die Centrobasalia horizontal gestreift; die Hyp- actinalia punktirt. Skelet der Strahlen nur contourirt. st Stylopodium, p Probasipodium, pb Probasale, px Skelet des Propodiumstrahles (Praepollex oder Prachallux), bestehend aus zwei Stücken, m Mesobasipodium, mb Meso- basale, cb1 cb.2 Centrobasale ı und 2, 1-5 Hypactinalia, /—-V Actinalia, mt Metabasi- podium, p® Pisiforme entsprechend einem oder mehreren Elementen des Metapodiums. 1) Ich verweise auf meine vor kurzem erschienene Schrift: Gedanken zur Descendenz und Vererbungstheorie: VIII. Homo- logie und Atavismus im Licht der Keimplasmatheorie, in: Biol. Centralblatt, Bd. 16, 1896, p. 344—352. 2) Es sei beiläufig bemerkt, dass ich radialen und tibialen, ulnaren und fibularen Rand der beiden Gliedmassenpaare als homolog betrachte und die entgegengesetzte Ansicht als unbegründet zurückweise, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 24 392 laterale (dem metapterygialen Rand der Selachierflosse entsprechende) Rand der Gliedmasse vom „Meta- podium“!) eingenommen, dessen proximales Glied das „Metabasipodium“ (Ulna s. Fibula) darstellt und an seinem Ende das Pisiforme trägt. Letzteres erscheint als Basale eines dem Praepollex ähnlichen Randstrahles, enthält aber vielleicht auch das Aequivalent weiterer Glieder des Strahles. Das Mesobasale muss als primitiv dem Mesobasipodium aufsitzend und erst sekundär zu dem Metabasipodium in Beziehung gekommen betrachtet werden. — Ich nehme an, dass das Mesobasipodium ursprünglich an dem Ellenbogen- kniegelenk theilnahm und erst später dem Metabasipodium entlang distal rückte. Auf die Bedeutung und den Ursprung des proximalsten Skeletstückes des Chiridiums, welches ich als „Stylopodium“ bezeichne, einzugehen, ist hier nicht der Ort. Das soeben auseinandergesetzte Schema, welches ich in Bezug auf die Säugethiere durch Annahme von nur 2 Centralia?) und geringe Ausdehnung des Mesobasipodiums bestimmter auffasse, scheint mir mit meinen neuen Erfahrungen über den Bau der Extremitäten der Beutelthiere vollkommen im Einklang zu stehen und durch dieselben gestützt zu werden. Umgekehrt werden die thatsächlichen Befunde durch die Vergleichung mit dem theoretischen Grundplan beleuchtet. Die Untersuchung des Carpus der Beutelthiere an meinen Präparaten hat, wie ich hier bemerken will, nur geringe neue Resultate ergeben. Die allgemein giltige Regel, dass bei Säugethieren die vordere Extremität der hinteren in ihrer Entwickelung voreilt, gilt für die Marsupialia in noch höherem Masse. In keinem der von mir untersuchten Beuteljungen und Embryonen konnte ich die erste Anlage, ja nicht ein- mal den Beginn der Verknorpelung im Handskelet beobachten, es war mir auch nicht möglich, die Arteria perforans Mesopodii zu erkennen, deren Stellung für die Bestimmung der Homologien von so grossem Ge- wicht ist; alle Stücke waren bereits in hohem Grade differenzirt und von ihrem definitiven Zustand nicht sehr verschieden. Dieses steht offenbar in Verbindung mit Adaptation an das Leben im Beutel, wo die mit starken Klauen versehenen Hände des neugeborenen Jungen zum Festhaften an der Haut der Mutter in Gebrauch kommen. Die Entwickelung ihres Skeletes und Muskulatur geschieht in beschleunigtem Tempo, während die noch lange nicht in Gebrauch kommenden hinteren Extremitäten sich ohne Schaden langsam entwickeln dürfen. War es mir also nicht möglich, die Ontogenese des Handskelets in ihrem Anfang zu untersuchen so gelang es dagegen, das Skelet des Fusses durch eine längere Reihe von Stadien zu verfolgen und in der Erkenntniss seiner Morphologie tiefer einzudringen, als bis jetzt geschehen war. Der Carpus der Beutelthiere. Das Handskelet der von mir untersuchten Marsupialier lässt folgende Typen unterscheiden: A. Lunatum mässig ausgebildet, gegen das Centrum des Carpus nicht vorspringend; es scheint dem Intermedium allein zu entsprechen: Didelphys, Dasyurus. B. Lunatum sehr klein, aber frei: Petaurus, Trichosurus. 1) Die Bezeichnung Metapodium wurde gewählt, um dessen Homologie mit dem Metapterygium oder einem Theil des- selben zu bedeuten, obschon dasselbe Wort bekanntlich vielfach für den Metacarpus und Metatarsus gebraucht worden sei. 2) Sollte die Theilung des Scaphoid in Naviculare radiale und N. ulnare sich als typisch erweisen, so entstünde die Mög- lichkeit, dass letzteres zum Mesopodium und zwar als ein proximales Centrale gehöre. Die von ROSENBERG (g9I) von Emys als „radiales Radienrudiment“ beschriebene Anlage und das von mir (94) bei Lacerta-Embryonen gefundene gleichgelagerte Stück dürften vielleicht dem naviculare radiale entsprechen, wenn sie nicht, wie ich wahrscheinlicher glaube, ein in Folge von starker Verkürzung des Carpus verlagertes Proshypactinale darstellen. 25 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 393 C. Lunatum rudimentär und im ausgebildeten Zustand nicht mehr frei. a) mit dem Scaphoid verbunden: Betongia, Aepyprymnus? Macropus? b) mit dem Radius verschmolzen: Phascolarctus. D. Lunatum gross, in das Centrum des Carpus volar vorspringend; dieser Fortsatz nimmt die Stelle ein, welche gewöhnlich vom Kopf des Capitatum besetzt wird: Perameles. Dieser letzte Befund ist von ganz besonderem Interesse: denn die eigenthümliche Form des Lunatum von Perameles deutet darauf hin, dass dieser Knochen nicht dem Mesobasipodium allein entspricht, sondern zugleich ein Element enthält, welches sonst einen Theil vom Capitatum bildet. Dieser Theil kann nichts anderes sein als ein zweites (ulnares) Centrale. Obschon die Anlage eines solchen bis jetzt bei keinem Beutelthier gefunden wurde, so liegen doch für die typische Existenz desselben im Carpus der Säugethiere mehrfache Beweise vor; es wurde aber nur in Einzelfällen, meist in der Hand von erwachsenen Thieren (Centetes, einige Raubthiere, Mensch) sowie von Menschenembryonen beobachtet. Die Vergleichung der für Perameles normalen Verhältnisse mit denen anderer Beutelthiere liefert für die Annahme eines unter Hypactinale 3 liegenden besonderen Centrobasale eine neue Stütze. Betrachten wir das Verhalten des Fussskelets als für die Hand maassgebend, so sind meine Befunde am Fuss von Didelphys und Aepyprymnus für die Duplicität des Centrobasale ein genügender Beweis, da wenigstens für letzteres Thier die doppelte Anlage dieses Elements normal zu sein scheint. Aber auch für die Hand kann ich ein neues Präparat mit Anlage von 2 Centralia aufweisen. Es betrifft die vor- dere Extremität eines Hunde- core embryo: Centrale ı ist volar mit Radiale verschmolzen, dor- sal noch getrennt; zwischen Radiale, Centrale I, Inter- medium und Carpale 3 er- Fig. 6. A, B, C. Drei Schnitte von der Hand eines Hunde-Embryos in volo-dorsaler , N : Folge.- Zwischen A und B, sowie zwischen B und (ist je ein Schnitt nicht gezeichnet; scheint ein ganz freies Knorpel- Schnittdicke 25 y. R Radius, U Ulna, r Radiale, ö Intermedium, « Ulnare, ce.I, ce.2 Cen- i ; es 5 ES er nn ie Es liegt mehr palmar trale ı und 2, p Pisiforme, 5 Carpalia ı—5, II—YV Metacarpalia als Intermedium und Carpale 2, entspricht also vollkommen dem proximalen Theil des Capitatum. Nach den Befunden Lesouco’s (84) zu urtheilen, ist dieser Fall ein anormaler, Es liegt mir kein anderes Präparat von Hundeembryonen zur Vergleichung vor. Durch die Struktur seines Carpus nimmt Perameles unter den Beutelthieren eine besondere Stellung; ein, welche bei phylogenetischen Betrachtungen nicht unberücksichtigt werden dürfte. Auf solche ein- zugehen lıegt nicht im Plan dieser Arbeit. Ich will hier nur bemerken, dass die indifferenteste Form des Carpus bei den Polyprotodonten mit nicht syndaktylem Fuss (Didelphys, Dasyurus) vorkommt, aus welcher der Carpus der Diprotodonten durch Reduction des Intermedium abgeleitet werden kann. Ob der Carpus von Perameles ebenfalls aus dem Didelphys-Typus entstanden ist oder aus einem noch primitiveren mit 2 freien Centralia lasse ich dahingestellt. Sollte sich aus anderen Gründen ersteres schliessen lassen, so Jenaische Denkschriften. V. 4 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. 1. 52 394 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 26 dürfte die Entstehung eines so absonderlichen Zustandes nur durch Vererbung einer im Embryonalleben eines Vorfahren aufgetretenen anomalen Verbindung des Centrale 2 mit dem Intermedium statt- gefunden haben. Bei keinem Beutelthier fand ich eine Spur von Trigonum carpi (Intermedium antebrachii). Den Praepollex vermisste ich bei Perameles gänzlich; bei Phascolarctus ist er sehr rudimentär; bei allen anderen hat er in mehr oder weniger ausgesprochener Weise eine charakteristische Form; sein basales Ende ist, wenigstens in den von mir untersuchten jüngeren Stadien, zwischen Scaphoid und Carpale ı an der volaren Fläche des Carpus eingelenkt und zieht zuerst radial und volarwärts, um bald umzubiegen und dem Metarcarpale ı parallel weiter zu verlaufen und dicht unter der Haut abgeplattet zu enden (man vergl. die Figg. 47—49, sowie die Textbilder Fig. 12 A, B, C). — In vorgerückteren Stadien besteht der Praepollex aus einem Knorpelstück, an welchem ich keine Spur von Zusammensetzung erkennen konnte. Anders an jüngeren Exemplaren: da lässt sich oft sehen, dass das Knorpelstück an der Biegungs- oder Knickungsstelle nicht ganz homogen ist, weil von dieser Stelle an das Gewebe des distalen Abschnittes auf einem niedereren Grad der Verknorpelung geblieben ist, was sich an der dichteren Stellung der Zellen und an der sich gegen Färbemittel verschieden verhaltenden Grundsubstanz kundgiebt. Man bekommt dadurch den Eindruck, dass der Praepollex-Knorpel aus zwei Gliedern bestehe. Zwei getrennte Knorpel konnte ich nur an einem Stadium von Petaurus finden (Fig. 12). Einen ähnlichen Fund scheint BAUR (85) bei Phalangista Cooki gemacht zu haben; er giebt aber davon keine Abbildung. Demnach glaube ich schliessen zu dürfen, dass der Praepollex der Beutelthiere typisch aus zwei Stücken zusammengesetzt ist, deren distales später verknorpelt als das proximale und deswegen als auf einem weiteren Stadium der Rückbildung stehend betrachtet werden muss. Dieser Nachweis scheint mir von grossem Gewicht zu sein; dadurch wird dieAnnahme, dass der Praepollex ein wirklicher rudimentärer Randstrahl der Hand ist und dem Praepollex (sog. Daumen) der Anuren entspricht, sehr wesentlich unterstützt. Es wird nun von besonderem Interesse sein, festzustellen ob bei anderen Säugethieren, die einen zweigliedrigen Praepollex besitzen, das distale Glied knorpelig ange- legt wird und dem distalen Abschnitt des Praepollex der Beutelthiere homolog ist. Dass der proximale Randknochen der Hand von Didelphys mit dem Praepollex nichts Gemeinsames hat, sondern zur radio-carpalen Gelenkkapsel gehört, habe ich oben nachgewiesen. Der Tarsus der Beutelthiere und der Säugethiere überhaupt. Unter den durch meine Untersuchungen von der Ontogenese des Tarsus der Beutelthiere festge- stellten zum Theil neuen Thatsachen, scheint mir der Nachweis getrennter Anlagen für die zum Cuboid vereinigten Tarsalia 4 und 5 als normales Stadium in drei Gattungen (Didelphys, Phascolarctus, Aepyprymnus), sowie der separaten Anlage zweier Centralia bei Didelphys und Aepyprymnus (bei D. wie es scheint als Aus- nahme) ein besonderes Interesse zu beanspruchen. Diese Befunde entsprechen der auf die Theorie be- gründeten Erwartung und dienen zur festeren Begründung meines Schemas. Nicht minder wichtig ist die Bestätigung einer besonderen verknorpelnden Anlage für die Tuberositas navicularis medialis. Sie erinnert durch ihre plantare Lage und durch ihre Beziehungen zum Ende der Tibia und zum Praehallux so sehr an die Verhältnisse des Radiale zum; Radius und zum Praepollex, dass an der Homologie genannter Theile an Hand und Fuss nicht mehr gezweifelt werden darf. Die Tuberositas navicularis medialis und der ihr homologe Randknochen am Fuss vieler Nager ist also, wie nu 27 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 395 bereits BAUR (84a) und LEBoucg (86) annahmen, das typische Tibiale und kein accessorisches Stück des Fussrandes. Ich kann demzufolge LEBouco’s sinnreiche Auffassung des Tarsus der Säugethiere, die ich bereits in früheren Schriften (94) als die wahrscheinlichste bezeichnete nur bestätigen, und es wundert mich, dass andere Ansichten von Seiten solcher Anatomen, welche jemals gute Präparate von jungen Stadien des Säugethierfusses untersucht haben, noch überhaupt gehegt werden. Dass im Talus etwas anderes als ein Intermedium nicht enthalten ist, und dass dieser Knochen mit der Fortsetzung der Tibia, wie sie eine Tibiale-Anlage bilden sollte, nichts zu schaffen hat, erhellt aus der Stellung der Talus-Anlage zu den übrigen Elementen des Gliedmaassenskelets und zur Arteria perforans zur Genüge. Ich glaube, dass die zu geringe Schätzung, welche die Anschauungen LEBoUco’s erfahren haben, hauptsächlich davon herrührt, dass er keine Bilder veröffentlichte. Ich habe mich bemüht, diese Lücke der anatomischen Ikonographie auszufüllen, indem ich nicht nur auf den Tafeln möglichst naturgetreue Zeichnungen nach wirklichen Schnitten anfertigte, sondern auch etwas schematisirte und deswegen leichter verständliche Combinations- bilder zusammenstellte (man vergl. die Textbilder Fig. 7 und 8). Aus der Vergleichung derartiger junger Fig. 7. Stadien des embryonalen Tarsus eines Säugethiers mit dem eines Urodels ergeben sich die Homo- logien ganz von selbst und verlangen zu ihrer Feststellung kaum einer Discussion. Nur muss dabei der Umstand berücksichtigt werden, das der distale Abschnitt des Metapodiums, das Pisiforme und die ihm entsprechende Tuberositas calcanei bei Urodelen fehlen oder noch nicht erkannt worden Fig. 7 und 8. Zwei Stadien der Entwickelung des Fuss- skelets von Embryonen von Phascolaretus. 7 Tibia, F Fibula, zum Metabasipodium intimer geworden sind als bei ti Tibiale, © Intermedium, fi Fibulare, px Praehallux, pi Pisiforme. sind, wodurch die Beziehungen des Mesobasale Säugethieren. — Der Talus entspricht also dem Intermedium, das Calcaneum dem Fibulare; aber neben dem proximalen Ende des Calcaneum findet sich im Säugethierfuss die voluminöse, erst später verknorpelnde Anlage der Tuberositas calcanei, deren Aehnlichkeit mit dem Pisiforme auffällt. Die Centrale-Natur eines Theils des Naviculare wird allgemein angenommen. Die tibial, proximal und plantar von ihm erscheinende Anlage der Tuberositas navicularis medialis ist offenbar, wie im vorigen Abschnitt bereits erörtert wurde, der Vertreter des sonst fehlenden Tibiale. Ein Tibiale-Element scheint im ausgebildeten Tarsus der Macro- podiden überhaupt zu fehlen. Bei Durchsuchung einer in planto-dorsaler Folge geordneten Serie von Flächenschnitten durch den jungen Tarsus, erscheinen von allen Anlagen des Fussskelets zuerst die der Tuberositas navicularis medialis und der Tuberositas calcanei (vergl. Fig. 21 auf Taf. XXXIV, Phascolarctus-Embryo von 14 !/,; mm). — An einer in gleicher Folge untersuchten Serie vom Carpus erscheinen ebenso zuerst das Radiale und das Pisiforme. — Es sind also in beiden Extremitäten die nach der Sohlenfläche versetzten gleichwerthigen distalen Elemente des Propodiums und Metapodiums, während das Mesopodium, als Ganzes, mit seinen fünf Strahlen eine mehr dorsale Lage einnimmt. Diese Aehnlichkeit der Lage-Verhältnisse persistirt durch eine Reihe jüngerer Stadien beider Gliedmaassenpaare trotz den erheblichsten Anpassungen und der damit verbundenen Structuränderungen des fertigen Organs. Die morphologische Bedeutung der Bestandtheile des Tarsus der Säugethiere und ihre Vergleichung mit dem Carpus mögen wie in folgender Tabelle und in den Textfiguren 9-11 ausgedrückt werden: 4* 52* Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 28 396 Tarsus Morphologische Deutung Carpus Talus Mesobasipodium (Intermedium) Lunatum Centrobasale I Centrale oder Theil des Scaphoids p (Centrale radiale s. tibiale) Naviculare (oder ein Theil davon) Centrobasale 2 Proximaler Abschnitt des Capitatum (Centrale ulnare s. fibulare) (Triangulare carpi) Randknochen, oder Tuberos. nav.med. Probasale (Radiale, Tibiale) Scaphoid oder dessen proximaler (oder auch fehlend) Abschnitt Corpus calcanei Mesobasale (Ulnare, Fibulare) Triquetrum Tuberositas calcanei Metabasale Pisiforme Entocuneiforme Meshypactinale I Multangulare majus (Carpale, Tarsale I) Mesocuneiforme Meshypactinale 2 Multangulare minus Eetocuneiforme e 3 Capitatum oder dessen distaler Ab- schnitt Cuboideum [ 2 - \ Uncinatum ” Praehallux oder dessen basaler Ab- Proshypactinale Praepollex oder dessen basaler Ab- schnitt schnitt Fig. 11. Fig. 9. Schema des Carpus von Didelphys;, junges Stadium vor der Bildung des proximalen Randknochens. Fig. I0. Schema des Fussskelets von Didelphys in etwas weiter vorgerücktem Stadium. Fig. II. Schema des Fussskelets eines weit entwickelten Embryos von Mus decumanus. Schattirung der Theile auf allen drei Figuren wie auf Fig. 5. ra Radiale, tö Tibiale, px Praepollex oder Praehallux. Das Trigonum tarsi und die von den Autoren als seine Aequivalente im Handskelet beschrie- benen Stücke habe ich in obiger Tabelle nicht aufgenommen, weil ich im gegenwärtigen Stand der Dinge eine sichere Deutung derselben nicht für möglich halte. Das Trigonum tarsi wurde bis jetzt nur von Säuge- thieren bekannt. Die Vermuthung liegt nahe, es sei erst im Stamm der Säugethiere gebildet worden, entweder als abgetrenntes Stück des Talus oder als neuer Knorpelkern. Aber es wäre auch nicht unmög- lich, dass es einen bei anderen Thieren geschwundenen proximalen Theil des Mesopodiums darstellte. Ist dem so, dann wird früher oder später irgend welche Spur davon im leider bis jetzt zu wenig untersuchten Gliedmaassenskelet der Reptilien auftauchen. THILENIUS (96, p. 539) homologisirt das Trigonum mit dem bei manchen Ichthyosauriern (Baptanodon) zwischen Tibia und Fibula mit dem Femur articulirenden Skeletstück. Dieses halte ich nicht für richtig und möchte lieber letzteres Stück als das in seiner primitiven Stellung gebliebene, resp. dahin zurückgekehrte Mesobasipodium betrachten. Das Trigonum tarsi fand ich immer in viel näherer Beziehung zur Tibia als zur Fibula angelegt und stets ausserhalb der Anlage des Ligamentum talo-fibulare post. Ob und inwiefern dieses Stück mit dem von THILEnIUS als „Intermedium antebrachii‘“ bezeichneten Knorpel (welcher zum Ulnare und zur Ulna in viel näherem Verhältniss als zum Intermedium und zum Radius steht) homologisirt werden darf, mag vor- läufig dahingestellt bleiben. Bis auf weitere Beweise, scheint mir eine derartige Homologie sehr zweifelhaft. Es erübrigt mir noch, den Praehallux und die ganze damit verbundene Frage von der Bedeutung der sog. Randknochen an der tibialen Seite des Fusses zu behandeln. Als Praehallux deute ich den einzigen tibialen Randknochen, den ich im Fuss der von mir untersuchten Beutelthiere gefunden habe. Seine Homologie mit dem oben beschriebenen Praepollex ergiebt sich: 29 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 397 a) aus seiner Form, welche an Hand und Fuss immer eine sehr ähnliche ist; er bildet meist eine gebogene Platte oder einen abgeplatteten und gekrümmten Stab, dessen distales Ende unter der Haut dem Actinale des 1. Fingers mehr oder weniger parallel verläuft. Dem rudimentären Praepollex von Phascolarctus entspricht ein rudimentärer, mit dem Entocuneiforme verschmolzener Praehallux. Ich konnte nirgends in der Praehallux-Anlage zwei getrennte Abschnitte nachweisen. Im erwachsenen Didelphys virginiana sollen aber Couzs (72) und später Baur (85) zwei Praehallux-Knochen gefunden haben. > {os} Fig. ı2. Praepollex einiger Beutelthiere. A Didelphys aurita, Beuteljunges von 20 mm. B Dasyurus hallucatus, Beutel- unges von 40 mm. C Aepyprymmus rufescens, Beuteljunges von 34 mm. Der Praepollex ist schraffirt; die übrigen Theile nur im Umriss: R Radius, se Scaphoid, ! Lunatum, e./ Carpale ı, * proximaler Randknochen von Didelphys. Fig. 13. Praehallux einiger Beutelthiere. A Didelphys aurita, Beuteljunges von 40 mm. B Dasyurus hallueatus, Beutel- junges von 40 mm. Der Praehallux ist schraffirt; die übrigen Theile im Umriss. T Tibia, as Talus, na naviculare, £.1 Tarsale 1. b) aus seiner Lage: es wird gewöhnlich angegeben, dass der Praehallux zum Tarsale ı in Be- ziehung steht, resp. mit demselben verbunden ist. Dieses ist zwar richtig, aber zugleich steht der Praehallux in engerer oder loserer Verbindung mit dem Tibiale-Element des Naviculare. Auf Fig. 50-52 habe ich drei Schnitte vom Fuss meines jüngeren Stadiums von Trichosurus vulpecula abgebildet, welche dieses Ver- hältniss deutlich veranschaulichen. Praehallux und Tarsale I verhalten sich dem Naviculare gegenüber wie zwei gleichwerthige Stücke der distalen Reihe; ersterer liegt mehr tibial und plantar, und berührt den Tibiale-Antheil des Naviculare; letzterer ist mehr fibular gelagert und kommt mit dem Centrale-Abschnitt desselben Knochens in Contact. Es sind aber diese Verhältnisse gerade diejenigen, welche Praepollex und Carpale ı typisch mit Radiale und Centrale ı eingehen. Dasselbe Verhältniss persistirt auf weiteren Stadien (Textbild Fig. 4 auf 376). Wenn wir also annehmen, dass der Praepollex das Rudiment eines propodialen Strahles der Hand darstellt, so muss das Gleiche für den Praehallux im Fuss gelten. Beide sind zweifellos gleichwerthige Gebilde. Die Textbilder Fig. 12 und 13 werden die besprochene Aehnlichkeit ad oculos demonstriren. Wenn man nun weiter mit mir die auf Fig. 57 abgebildete und mit »h bezeichnete Anlage als die des Praehallux von Aepyprymnus deutet, so kommt ihre Aehnlichkeit mit der ebenso rudimentären Anlage des Hallux sehr zu Gunsten der primitiven Strahlen-Natur des Praehallux. Es ist dieses besonders bemerkens- werth, da Aepyprymnus im ausgebildeten Zustand zwar einen Daumen und einen Praepollex (Textfigur 12 C), aber vom Hallux nur das Tarsale und vom Praehallux keine Spur besitzt. Ich meine deswegen, dass die Ergebnisse der Anatomie und Ontogenie ganz entschieden dafür sprechen, dass Praepollex und Praehallux rudimentäre Strahlen des Gliedmaassen- skelets darstellen. Ihre verspätete Bildung ist eine Folge ihres Reducirtseins. Weil sie aber red ucirt sind, so folgt daraus nicht, dass sie functionslos seien: ihre actuelle Form verdanken sie zweifellos ihren Beziehungen zu Bändern und Sehnen, sowie zu Tastballen des Handtellers und der Fusssohle; sie sind zu einer actuellen Function angepasst. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 30 398 Praehallux und Randknochen des Fusses sind nicht Synomym. Der Praehallux ist ein ganz bestimmter Randknochen oder -knorpel; seine Bedeutung wurde in Folge der kritiklosen Vermengung verschiedenartiger Skeletgebilde oft verkannt. Es war ein Verdienst TORNIER’s (9T), die Verhältnisse der Randknochen des Fusses der Säugethiere genauer untersucht zu haben. Es scheint mir aber, dass er in der Unterscheidung verschiedener solcher Stücke zu weit gegangen ist. Nicht weniger als 5 Arten von tibialen Randknochen des Fusses werden von ihm beschrieben und nach ihren Lagebeziehungen benannt, obschon bis jetzt von keinem Säugethier mehr als zwei solche Knochen bekannt worden sind. TORNIER’s Resultate sind eine logische Consequenz seiner sonst nicht genügend auf die Ontogenie begründeten Anschauung, dass jene Skeletstücke als Verknöcherung von Sehnen und Ligamenten entstanden sind. Ist diese als fest- gestellt angenommen, so dürfen an verschiedenen Sehnen und Bändern, ja sogar an ungleichen Abschnitten eines solchen fibrösen Gebildes entstandene Knochen nicht mit einander homologisirt werden. Ob es wirklich solche Sehnenverknöcherungen am Fussrande giebt, namentlich bei Affen, muss ich bis auf weitere Untersuchungen dahingestellt lassen. Aber meine Untersuchungen haben, die Ergebnisse Baur’s und LEBoucg’s bestätigend, bestimmt bewiesen, dass der proximale Randknochen am Fuss der Ratte und die ihm homologe Tuberositas navicularis medialis von Didelphys, Phascolarcetus und anderen Säugethieren nicht nur aus frühzeitig und manchmal selbständig verknorpelnden Anlagen gebildet werden, sondern, dass sie einen wichtigen morphologischen Bestandtheil des Tarsus darstellen, nämlich das im Fuss der Säugethiere sonst nicht erscheinende Probasale (Tibiale). — Für diesen Skelettheil, es mögen seine Beziehungen zu Sehnen und Bändern sein, wie sie wollen, ist also der, wie mir scheint, endgültige Beweis geliefert, dass er kein syndesmo- oder tenontogenes Sesamoid ist, sondern ein echtes, typisches Element des Tarsus. Es sind also mindestens nicht alle von ToRNIER aufgezählten Randknochen des Fusses als Sehnen- oder Bänder-Verknöcherungen aufzufassen. Künftige ontogenetische Untersuchungen werden lehren, ob irgendwelcher (vielleicht keiner) von solchen Knochen in jenem Sinn gedeutet werden darf; ferner ob wirklich so viele verschiedenartige Randknochen angenommen werden sollen, oder ob nicht secundäre Ver- lagerungen derselben Gebilde stattgefunden haben mögen. Die verschiedenen Möglichkeiten für die einzelnen Fälle zu discutiren, scheint mir ohne Grundlage von neuen Thatsachen eine nutzlose Arbeit, da nur die Untersuchung eines schwer zusammenzustellenden Materials die Entscheidung der complicirten Fragen ermöglichen würde. Sehluss. Um die Bedeutung der Randstücke am Hand- und Fussskelet festzustellen, haben neuere Forscher auf diesem Gebiet den Beziehungen dieser Gebilde zu Weichtheilen und besonders zu Muskeln und Nerven ihre Aufmerksamkeit zugewandt. Es galt hauptsächlich, nachzuweisen, ob jene Skelettheile typische Beziehungen zu bestimmten anderen Organen besitzen und welche. Dieser Richtung verdanken wir werth- volle Arbeiten von v. BARDELEBEN (94a), CARLSSON (9I) und ToRNIER (91). Als Resultat ihrer Untersuchungen ergab sich, dass den Randknochen gewiss eine höhere Bedeutung zukommt als die von blossen Sesamoiden. 31 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 399 Aber was die ursprüngliche Natur dieser Knochen betrifft, so darf der Erfolg der Arbeit als ein negativer bezeichnet werden, denn es ergab sich daraus wohl, was die Randknochen nicht gewesen sein können, nicht aber, was sie gewesen sind. Ganz richtig scheint mir daher der Schluss Carrsson’s, dass die Randknochen weder echte Sesam- beine noch echte rudimentäre Finger und Zehen sind. Aus ihren Beziehungen zu den Weichtheilen allein liesse sich also nicht feststellen, ob echte Sesambeine in Folge höherer Entwickelung sich gegenwärtig als Finger- und Zehen-Rudimente verhalten, so dass die einfacheren Bildungen den complicirten gegenüber als primitive gelten müssen oder umgekehrt. Verf. entscheidet sich für die erstere Alternative, weil die Urodelen, deren Gliedmaassen als die primitivsten gelten, keine Spur von Randknochen besitzen. Ich bin entgegengesetzter Meinung, weil ich die Gliedmaassen der Urodelen als stark reducirte, ja beinahe rudi- mentäre betrachte, wie ich in einer früheren Schrift (94) nachzuweisen versucht habe. — Aber sonst stimme ich mit CArLsson und den übrigen Gegnern der Fingernatur des Praepollex und Praehallux darin überein, dass ich die fünf Strahlen von Menschenhand und -fuss allein als echte Finger und Zehen be- zeichne. Dietypischen Gliedmaassen der Landthiere, d.h. die Gliedmaassen der Vorfahren aller uns bekannten jetzt lebenden und fossilen Amphibien, Sauropsiden und Mammalien, hatten nie mehr als fünf mit dem Mesopodium articulirende Strahlen; das Propodium und Metapodium, d. h. die Reihe von Skeletstücken, welche den rostralen und caudalen Rand des Gliedmaassengerüstes zusammensetzen, behielten an ihrem Ende je einen rudimentären Strahl: solche Endstrahlen sind der Praepollex (Praehallux) und das Pisiforme (resp. dessen Aequivalent im Fuss). Wird angenommen, dass die Rückbildung dieser Strahlen bereits vor der Differenzirung der einzelnen in den lebenden Thierformen bestehenden Muskeln begonnen hat, so müssen ihre Beziehungen zu solchen Muskeln nicht als primäre, sondern als von späteren Anpassungen herrührende betrachtet werden. Derart lässt sich begreifen, dass die in Frage stehenden Skeletgebilde, obschon sie uralte, von den Fischen her stammende Erbstücke sind, sich in mancher Beziehung wie dem Organismus jüngst zugekommene Theile verhalten. Sie sind es auch thatsächlich, insofern ihre Beschaffenheit und ihre in gewissen Thieren hoch- gradige Ausbildung nur auf ihre gegenwärtige Function bezogen werden dürfen. In Folge dieser Betrachtungen nahm ich bereits früher (90) und bewahrte später (94) und noch jetzt zwischen den Autoren, welche wie v. BARDELEBEN den Praepollex als echten Finger betrachten, und denen, welche ihn wie GEGENBAUR (88) und TORNIER (91) zum Sesambein herabsetzen, eine vermittelnde Stellung, worin ich mich zunächst an KoLLMAnn (88) anschliesse. Die primitive Form des Chiridiums, wie sie von den Ahnen aller bekannten Landwirbelthiere aus- gebildet wurde, war also weder polyaktinot noch heptaktinot; sie war typisch pentaktinot, besass aber ausser den fünf Mesopodiumstrahlen noch mehr oder weniger ausgebildete Reste von Strahlen des Propodiums und Metapodiums.. Die Zahl der echten Finger und Zehen ist und war immer auf fünf be- schränkt. 400 Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie des Hand- und Fussskelets der Marsupialier. 32 Literatur. (Chronologisch geordnet.) Cours, On the osteology and myology of Didelphys virginiana, in: Mem. Boston Soe., Vol. XIX, Suppl. (eitirt nach Carusson). Rose, G., Zur vergl. Anatomie der tieferen Muskeln in der Fusssohle, in: Morph. Jahrb., Bd. IV, p. 644, ff. Cuxntsenan, D. J., Report on some points in the anatomy of the Thylacine, Cuscus and Phascogale, with an account of the comparative anatomy of the mammalian pes, in: Voyage Challenger, Zool., Vol. V. 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Lincei, Rend., Anno IV, Sem. 2, p. 270 — 274. ; Tuıveszus, G., a) Zur Entwicklungsgeschichte der Sesambeine der menschlichen Hand, in: Morphol. Arbeit, Bd. V, p: 309—340, T. 17. Derselbe, b) Das Os intermedium antebrachii des Menschen, ibid. p. 1—16, T. 1. Derselbe, Untersuchungen über die morphologische Bedeutung accessorischer Elemente am menschlichen Carpus (und Tarsus), ibid. p. 464—554, T. 21—24. Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. Von Dr. Albert Oppel, a. o. Professor an der Universität Freiburg i. B. Mit Tafel XXXVI-XXXIX. Jenaische Denkschriften. V. 5 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. 11. Ib einem früheren Aufsatze!) habe ich den Magen obiger Thiere beschrieben, dieses Mal untersuchte ich den übrigen Theil des Darmrohres, also Oesophagus, Dünndarm und Dickdarm derselben Thiere. Auch für diese Arbeit überliess mir Herr Professor R. SEMON reiches Material, wofür ich demselben Dank sage. Jedes der untersuchten Organe (Oesophagus, Dünndarm, Dickdarm) zeigt in seiner Structur in zahlreichen Punkten eine Uebereinstimmung bei sämmtlichen von mir untersuchten Tieren und zwar in Punkten, welche auch für andere Säugethiere als übereinstimmend bekannt sind. Es bedürfen diese Punkte keiner eingehenden Schilderung bei den verschiedenen Thieren, sondern können hier kurz zusammengefasst werden. In anderen Punkten hingegen zeigen die von mir untersuchten Thiere ein abweichendes Verhalten zum Theil unter sich, zum Theil von anderen Säugern, und diese Punkte sollen in der später folgenden Einzelschilderung der Befunde bei den verschiedenen Thieren besonders berücksichtigt werden. Gemeinschaftlich ist allen untersuchten Thieren der gewöhnliche Schichtenbau des Darmrohres. Die Mucosa trägt im Öesophagus geschichtetes Pflasterepithel, im Darm hingegen einfaches sogenanntes Cylinderepithel. Fast stets ist die Mucosa gegen die Submucosa durch eine deutliche Muscularis mucosae abgesetzt, und endlich folgt die Muscularis mit einer inneren Ring- und äusseren Längsschicht und eventuell der peritoneale Ueberzug. Die Drüsen des Oesophagus, ebenso die BRUNNER’schen und LIEBERKÜHN’schen Drüsen im Darme erfordern eine gesonderte Besprechung, da sie sich zwar in Vorkommen und Lage ähnlich wie bei anderen Säugern verhalten, aber in Aussehen uud Bau zum Theil sehr wesentliche Unter- schiede zeigen. Bevor ich mit der Schilderung der Unterschiede beginne, welche die aufgeführten Schichten in ihrem Baue bei den untersuchten Thieren zeigen, möchte ich kurz auf einige allgemeine anatomische Begriffe und Benennungen eingehen, mit welchen ich weiterhin zu thun haben werde. Wie bekannt ist, hat die vergleichende Anatomie den Namen Duodenum aus der menschlichen Anatomie herübergenommen, und ich glaube, dass dieselbe sich dieses Namens auch mit Recht bedienen darf, soweit sie bei Thieren dasselbe darunter versteht, was die menschliche Anatomie beim Menschen. Beim Menschen benennen wir?) den Anfangstheil des Dünndarms bis zu der Stelle, an welcher er hinter der Wurzel des Mesenteriums linkerseits hervortritt, also in der Ausdehnung von etwa 12 Fingerbreiten, als Duodenum. Nach seinem Baue ist aber auch beim Menschen das Duodenum vom übrigen Darme nicht zu unterscheiden, wenigstens konnte ich in den mir zugänglichen Lehrbüchern und Specialarbeiten kein sicheres charakteristisches Merkmal für Duodenum auffinden. So fallen die im Duodenum vorkommenden 1) A. OPPEL, Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica, in: SEMON, Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem malayischen Archipel., II, p. 277—300, mit Taf. XXIII-XXVI, Jena, 1806. 2) Vergleiche die Lehrbücher der menschlichen Anatomie. n* 53 * Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica, 36 404 Brunner’schen Drüsen mit ihrem Aufhören nicht mit dem Ende des Duodenum zusammen, sie sind daher wohl im positiven, nicht aber im negativen Sinne für die Diagnose zu verwerthen. Das heisst, wenn auch BrunNERr’sche Drüsen fehlen, so kann es sich doch um Duodenum handeln. Die Form der Zotten ist namentlich bei Thieren eine so sehr wechselnde, dass ich sie zur Unterscheidung nicht heranziehen möchte. Der Begriff Duodenum ist also auch für die menschliche Anatomie ein rein topographischer, eine scharfe Definition im mikroskopischen Sinne fehlt. Wir dürfen demnach den Namen „Duodenum“ für die vergleichende Anatomie auch nur insoweit übernehmen, als dies topographische Gründe recht- fertigen. Wir können in der vergleichenden Anatomie (wenigstens in der von mir vertretenen Richtung) mit dem Ausdruck Duodenum sehr wenig beginnen und werden ihn daher in den seltensten Fällen aus der menschlichen Anatomie herüberholen. Selbstverständlich wird jene Richtung der vergleichenden Anatomie, die ohne mikroskopische Basis, vom Baue absehend, nur auf Grund der Form und Lageverhältnisse Dinge vergleicht, des Ausdruckes Duodenum auch fernerhin nicht entrathen wollen. Eine weitere Frage ist, ob die vergleichende Anatomie die bisher als „BRuNNER’sche Drüsen“ bezeichneten Drüsen weiterhin als „Glandulae duodenales‘ benennen soll, wie dies die Commission der Anatomischen Gesellschaft!) für die menschliche Anatomie vorschlägt. — Ich glaube „nein“. Da es gewiss wünschenswerth wäre, den lobsamen Bestrebungen der die Commission zusammen- setzenden Herren möglichst entgegenzukommen, um rasch eine Einheitlichkeit- zu erzielen, bin ich, wie wohl Jeder, gern bereit, in Wort und Schrift die Vorschläge der genannten Herren anzunehmen, wenn dies irgend möglich erscheint. Einige wohleingebürgerte Namen werden sich aber, auch beim besten Willen aller ausserhalb der Commission stehenden Herren, nicht durch einen Federstrich der Commission aus der Welt schaffen und durch andere ersetzen lassen, zumal wenn an Stelle guter alter ungeeignete neue vorgeschlagen werden. Wir sollten nach den Vorschlägen der Herren Mitglieder der genannten Commission eintheilen: Glandulae intestinales (Lieberkuehni) Glandulae duodenales (Brunneri). Ich möchte dagegen den Namen Glandulae intestinales als Sammelbegriff für die beiden Drüsenarten vorschlagen und eintheilen: Glandulae intestinales | a) Claudulast ber nenn | b) Glandulae Brunneri. Ich schlage diese Bezeichnung deshalb zum Gebrauche vor (und werde sie hier und im 2. Theile meines Lehrbuches gebrauchen): ı) da Gl. Lieberkuehni auch im Duodenum vorkommen, also auch duodenales sind; 2) da Gl. Brunneri für das Duodenum nicht durchweg charakteristisch sind (sie kommen nicht in allen Theilen des Duodenum vor und scheinen in einigen Fällen andererseits das Duodenum zu überschreiten); 3) die Brunner’schen Drüsen sind Gl. intestinales, da sie im Intestinum tenue, zu welchem ja auch die Commission das Duodenum rechnet, vorkommen; 4) weil die ganze Entstehungsgeschichte der BRUNNER’schen Drüsen es als verfehlt erscheinen lässt, sie mit dem Darmtheil Duodenum als solchem irgendwie in Beziehung zu bringen. 1) Hıs, Die anatomische Nomenklatur. Arch. f. Anat. und Physiol., Anat. Abth., Suppl.-Band, 1895. ui Bi ar a ek az a a m 37 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 405 Den hier besonders gerechtfertigten Bedenken der Commission hinsichtlich der Verwendung per- sönlicher Namen trage ich gerne Rechnung, mein Vorschlag wendet sich auch nur dagegen, dass die Drüsen fälschlich als duodenales und intestinales einander gegenübergestellt werden. Solange nichts Besseres gegeben “wird, werde ich daher von Gl. Brunneri und Gl. Lieberkuehni reden und beide als Glandulae intestinales zusammenfassen. Für meine Ausführungen würde ich vielleicht noch von einer weiteren Seite Unterstützung finden können. Hätten nämlich diejenigen Forscher Recht, welche in den LiEBERkÜHN’schen Drüsen gar nicht eigentliche Drüsen, sondern nur Ersatzherde für das Oberflächenepithel sehen wollen, so würde.ja für diese Drüsen der von der Commission vorgeschlagene Name Glandulae intestinales ganz fallen, und es wären die einzigen Glandulae intestinales eben diejenigen, welche die Commission Glandulae duodenales nennen will. Solange jedoch die Anschauungen der erwähnten Forscher noch nicht allgemein angenommen sind, möchte ich sie auch nicht für meine Beweisführung in Anspruch nehmen, was ich übrigens nach dem oben Darge- legten kaum für erforderlich halten möchte. Auch jene Forscher werden mit mir einverstanden sein, welche bei niederen Vertebraten, denen BRUNNER’sche Drüsen fehlen, von einem Duodenum reden. Den Vögeln z. B. kommen, wie bekannt, auch im Duodenum Drüsen zu, aber es sind hier die Glandulae duodenales keine BRunneEr’schen, sondern LiEBER- Künn’sche. Wollen wir mit der Nomenklatur klare Begriffe verbinden, so müssen wir die von mir vor- geschlagene Bezeichnung der der Commission der Anatomischen Gesellschaft vorziehen. Es kann auch zu Missverständnissen führen, wenn man, wie dies BIZZOZERo in einer früheren Arbeit (wenn ich denselben recht verstehe) that, die LIEBERKÜHN’schen Drüsen des Duodenums als Glandulae duo- denales bezeichnet. Der Name Glandulae duodenales kann sich weder in diesem Sinne noch in dem der Commission einbürgern, Glandulae duodenales sind die Drüsen des Duodenums,; und im Duodenum finden sich BRUNNER’sche und LIEBERRÜHN’sche Drüsen. Noch ein weiterer Punkt ist es, welchen ich vorausschicken möchte, um nicht den Verdacht auf mich zu lenken, als habe ich der mühevollen und verdienstlichen Arbeit der Commission der Anatomischen Gesellschaft nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Ich werde in dieser Arbeit auch von Gebilden zu sprechen haben, welche nach den Vorschlägen dieser Commission als ,„Noduli lymphatici aggregati (Peyeri)“ zu benennen wären. Es werden sich gewiss nur wenige Autoren schon der Raumerspärniss halber dazu verstehen können,,diesen langen Namen an Stelle der gebräuchlichen kürzeren zu setzen!’ Ich bitte daher (bis darüber eine Einigung erzielt sein wird) diesen Namen wenigstens kürzen zu dürfen und hoffe verstanden zu werden, wenn ich im Folgenden von „PEver’schen Nöduli“ spreche und dieselben den „Noduli solitarii“ gegenüberstelle (auch hier kann wenigstens „lymphatici“ wegbleiben, ohne dass man an andere Noduli dächte). Vielleicht war es das zu ängstliche Vermeiden der persönlichen Benennungen, welches die Commission zur Bildung von Benennungen veranlasste, welche den M. sternocleidomastoideus an Schwerfälligkeit kaum unterbieten. Als Material für meine Untersuchungen verfügte ich über zahlreiche, grösstentheils mit Sublimat- pikrinessissäure conservirte Darmstücke von Echidna aculeata var. typica, Ornithorhymchus anatinus, Dasyurus hallucatus, Perameles obesula, Phalangista (Trichosurus vulpecula) und Manis javanica. Von einigen der genannten Thiere erhielt ich den Darm in toto (z. B. von Ornithorhynchus und Phalangista); an letzteren sind dement- sprechend meine Befunde sicherer, als an denjenigen Typen, von denen mir zuerst die Aufgabe vorlag, selbst die Diagnose zu stellen, welchem Abschnitte des Darmes die fixirten Stücke entstammen. Endlich konnte ich auch weiterem nicht für histologische Zwecke fixirten Material (z. B. für Phascolarctus cinereus und Aepyprymnus rufescens) manches entnehmen. 406 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 38 Was die über mein Thema vorliegende Literatur betrifft, so konnte ich zwar manche makro- skopische Angaben namentlich auch in den älteren und neueren Lehrbüchern der vergleichenden Anatomie finden, nirgends aber (kleinere Notizen werde ich im Texte erwähnen) eine eingehende Schilderung der mikroskopischen Verhältnisse, obgleich ich gelegentlich der Vorarbeiten für den zweiten Theil meines Lehrbuches alle mir bekannt und zugänglich gewordene Literatur über Darm gelesen und excerpirt habe. Selbstverständlich bin ich gerne bereit, wenn mir irgend welche Notizen entgangen wären, die betreffenden Prioritäten anzuerkennen. Die Angaben über das makroskopische Verhalten glaube ich, als meinem Thema zu fern liegend, hier nicht ausführlich wiedergeben zn sollen, vielmehr verweise ich auf die bekannten Werke von CUVIER, OwEn, HoME, MECKEr, MILNE EDWARDS, FLOWER u. A. (Im zweiten Theil meines Lehrbuches wird auch diese Literatur eingehender berücksichtigt werden.) Besehreibender Theil. 1. Echidna aculeata var. typica. Dünndarm. Ich habe aus dem Dünndarm von Echidna zahlreiche Stücke untersucht, von denen mir jedoch nicht bekannt wurde, aus welchen Theilen des Dünndarms sie stammten, da ich sie in conser- virtem Zustande, zusammen als „Darmstücke‘ bezeichnet, erhielt. Die Zotten fand ich in den verschiedenen Stücken in ganz verschiedener Form zum Theil lang fingerförmig, in anderen Stücken waren sie kurz und breit, ohne sich an der Spitze zu verjüngen. An der Basis der Zotten münden die LIEBERKÜHN’schen Drüsen, welche im Dünndarm meist geradlinig verlaufen. Die Epithelien der LIEBERKÜHN’schen Drüsen und der Zotten können zusammen beschrieben werden. Eine Theorie BızZozEro's!), welche in den letzten Jahren zahlreiche Anhänger gefunden hat und welche unten eingehender besprochen werden soll, betrachtet bei Säugethieren die LIEBERKÜHN’schen Drüsen als Regenerationsherde für die Oberflächenepithelien. Nur im Epithel der LIEBERKÜHN’schen Drüsen finden sich zahlreiche Mitosen, während solche im Oberflächenepithel fast fehlen: diese auch von anderen Beobachtern bestätigte Thatsache sucht BIzzozEro durch die erwähnte Theorie zu erklären. Die beiden Zellarten des Darmepithels gehen, nachdem sie einmal entstanden sind (vielleicht besteht eine gemeinsame Stammform im Grunde der LiEBERKÜHN’schen Drüsen), nicht in einander über. Endlich erklärt BIzzozERo eigenthümliche, von PANETH beschriebene Körnchenzellen für Jugendformen der Becherzellen. Ich musste diese Theorie BIZZoZERo’s schon hier kurz skizziren, um sie in meiner Beschreibung be- rücksichtigen zu können. Wir hätten ja nach Bızzozero in den Zellen vom Drüsengrund bis zur Spitze der Zotte nur zwei Reihen von allmählich sich verändernden Formen zu sehen und diese Veränderung zu beschreiben. Bei Echidna war es mir in der That nicht möglich, zwischen den Zellen, welche die Zotten decken, und denen, welche die LIEBERKÜHN’schen Drüsen auskleiden (welche beide sich unterscheiden), an der Uebergangsstelle eine scharfe Grenze zu setzen. Vielmehr bestätige ich für Echidna in einigen Punkten DI 1) Eine Zusammenstellung der Titel der zahlreichen Arbeiten BIZZOZERO’s über dieses Thema beabsichtige ich im II. Theile meines Lehrbuches der vergleichenden mikroskopischen Anatomie zu geben. Hier verweise ich besonders auf die leicht zugänglichen Arbeiten BIZZOZERo’s im 33., 40. und 42. Band des Archives für mikroskopische Anatomie. 39 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 407 diejenigen Befunde, welche BIZZOZERO an anderen Säugern machte. In einigen Punkten verhält sich aber Echidna anders, als mir dies für andere Säuger bekannt ist. Ich vermochte in den LIEBERKÜHN’schen Drüsen und auf den Zotten von Echidna 3 Zellarten zu unterscheiden: ı) die gewöhnlichen Cylinderzellen, 2) Becherzellen, 3) Zellen, deren der Oberfläche zugekehrtes Ende stark gekörnt ist. Die Becherzellen liessen an manchen Schnitten Unterschiede erkennen. Oben und nahe der Spitze der Zotten waren die Becherzellen lang und schmal, und ihr Kern stand als kurzes, stäbchenförmiges Gebilde senkrecht zur Oberfläche unten im Fuss der Zelle. Die Lage des Kernes war eine viel tiefere, als die Lage der Kerne der Cylinderepithelien, welche stets in einer Reihe standen. Namentlich an Zotten, an welchen das Epithel abgehoben war, machte es den Eindruck, als ob das verjüngte Ende dieser Becherzellen die Epithelzellenreihe basalwärts überrage. Letzterer Umstand mag, wie ich gerne zugebe, ein durch die Be- handlungsweise entstandenes Artefact sein. Wichtig ist aber, dass in diesen Zellen die Längsaxe des Kernes in der Längsaxe der Zelle steht. — Ganz anders verhielten sich dagegen die Becherzellen ferner von der Oberfläche. Dieselben standen hier in gleicher Reihe mit den übrigen Cylinderzellen, der Kern wie von vielem Zellinhalt verdrängt, basal wandständig, plattgedrückt. Der längste Durchmesser des Kernes stand also senkrecht auf dem längsten Durchmesser der Zelle und der Kerne der hochliegendeu Becherzellen. Die Cylinderepithelien liegen zwischen den Becherzellen in wechselnder Anzahl. Die tiefe Lage der Kerne der Becherzellen bedingt es, dass auf den Zotten und auch noch im oberen Theil der LiEBER- KÜHN’schen Drüsen die mehr in der Mitte befindlichen Kerne der Cylinderzellen in einer eigenen, höher stehenden Reihe liegen, wie dies die Figur I zeigt. Die dritte eigenthümliche Zellart, deren der Oberfläche zugekehrtes Ende gekörnt ist, fand ich nur in den unteren Enden der LIEBERKÜHN’schen Drüsen. Sie machen den Eindruck typischer Drüsenzellen die Körnchen nehmen mit Eosin eine intensive Färbung an, so dass eine gekörnte Innenzone entstand, welche an Deutlichkeit hinter der, welche sich im Pankreas z. B. der Säuger darstellen lässt, nur wenig zurückstand. Dieses Verhalten zeigten die Drüsenschläuche in ihren unteren Enden, sie setzten sich dadurch gegen das mit Becherzellen untermischte Cylinderepithel, welches dann weiterhin die Drüsen auskleidet, ziemlich scharf ab. Doch ist der Uebergang kein plötzlicher, sondern die Breite der gekörnten Innenzone nimmt allmählich ab, bis sie von da an, wo deutliche Becherzellen auftreten, ganz schwindet. Meine Ab- bildung Fig. 2 giebt die beschriebenen Epithelverhältnisse wieder. Noch habe ich zu bemerken, dass die Körnchen der Innenzone der Zellen der LiIEBERKÜHN’schen Drüsen in dem ersten Anfangstheil des Darmes kurz nach dem Aufhören der BRunner’schen Drüsen nicht so deutlich waren, wie in den anderen mir zur Verfügung gestellten Stücken des Dünndarmes. Meine Leser werden nun erwarten, dass ich mich darüber ausspreche, ob ich daran denke, diese Körnchen mit denen zu identificiren, welche PAnETH!) zusammenfassend folgendermaassen beschrieb: „In den Krypten verschiedener Säuger befindet sich eine besondere Art secernirender Zellen, die weder mit Becherzellen, noch mit Schleimzellen noch mit Pankreaszellen identisch sind. Sie liegen im Fundus der Krypten und sind mit Körnchen verschiedener, oft recht beträchtlicher Grösse erfüllt.“ — Ich möchte mich darüber nicht ohne weiteres entscheiden. Nach PANnETH’s Beschreibung und Abbildungen verhalten sich 1) J. PANETH, Ueber die secernirenden Zellen des Dünndarm-Epithels. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Band 31, S. II3—IQI, 3 Tafeln, 1888. 408 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 40 die von ihm beschriebenen Zellen wesentlich anders, als die von mir beschriebenen. Seine Figur 22 zeigt vielleicht einige Aehnlichkeit mit der von mir gegebenen Figur, aber seine Figur 23a unterscheidet sich davon wesentlich und macht die Deutung BIZZzoZERo’s, dass die PAnETH’schen Zellen eine Art Becher- zellen (BIZZOZERO denkt an Jugendformen solcher) seien, sehr wahrscheinlich. Andererseits ist im Auge zu behalten, dass ich Echidna, PAnETH dagegen in erster Linie Maus untersuchte, und dass vielleicht daraus die Verschiedenheit der Bilder zu erklären ist. Ich begnüge mich für heute damit, am Grunde der LIEBER- künn’schen Drüsen bei Echidna eine Zellart constatirt zu haben, welche eine gekörnte Innenzone besitzt. Eine Deutung dieser Zellen, welche sich den Theorien BızzozEro’s oder PAnETH’s anpasst, liesse sich ja leicht geben, da die Körnchen nach oben allmählich abnehmen. Jedenfalls muss man aber auch noch die Möglichkeit im Auge behalten, dass wir es hier mit einer neuen, bisher noch nicht beobachteten Zellart zu thun haben können. Ich habe endlich sorgfältig zahlreiche Präparate durchgesehen, um die Zahl und Lage der Mitosen zu bestimmen. So gut das Semon’sche Material (für die schwierigen Verhältnisse, unter denen es gewonnen wurde) auch conservirt war, so reichte es doch in diesem Falle nicht hin, mir eine sichere Diagnose zu ermöglichen. Ich kann daher das Folgende nur mit Vorbehalt geben. Gebilde, in welchen ich Reste von Mitosen zu erblicken glaube, fand ich namentlich zahlreich in dem mittleren Drittel der LIEBERKÜHN’schen Drüsen und noch etwas tiefer, während ich sie im Oberflächenepithel und in den untersten Drüsenenden etwa entsprechend dem Ausdehnungsbezirk der gekörnten Zellen ganz vermisste. Vergleiche ich die geschilderten Verhältnisse mit der von BIZZOZERO aufgestellten Theorie, so besteht kein Hinderniss, die von BIZZOZERO für andere Säugethiere gefundenen Thatsachen auch bei Zchidna anzu- nehmen, mit Ausnahme des Verhaltens der untersten Enden der LIEBERKÜHN’schen Drüsen, wo sich die eigen- thümlichen Epithelien mit gekörnter Innenzone fanden. Es bleibt immerhin die Möglichkeit, dass diese Zellen Jugendformen oder eine indifferente Stammform für eine oder beide der in den höheren Schichten sich findenden Epithelzellen darstellen würden. Doch wäre für diese Annahme erforderlich der Nachweis zahl- reicher Mitosen unter diesen Zellen mit gekörnter Innenzone, ein Nachweis, welchen ich nicht liefern konnte und gegen den das, was ich an meinem Material sehen konnte, sogar zu sprechen schien. BRUNNER’Sche Drüsen. Ueber den Ausbreitungsbezirk der BRUNNER’schen Drüsen bei Echidna habe ich in meiner früheren Arbeit schon kurz gehandelt. Ich verweise auch auf die dort gegebenen Ab- bildungen. Ich fasse heute das damals Geschilderte mit dem, was mich neuere Untersuchungen lehrten, zusammen. Die Brunner’schen Drüsen liegen bei Echidna in einem am Anfang des Dünn- darmes befindlichen Ringe, dessen Breite bei den von mir untersuchten Thieren, etwa Iö mm beträgt. Vergleiche darüber die schematische Figur 3, welche die Grössenverhältnisse mit den bei den anderen untersuchten Säugern sich findenden in Vergleich zu setzen gestattet. Der grösste Theil des Ausbreitungsbezirkes der BRUnNER’schen Drüsen wird von dem vom Magen her sich fortsetzenden geschichteten Epithel (geschichtetes Pflasterepithel) bedeckt, durch welches die Ausführgänge zur Ober- fläche durchbrechen, und nur über den letzten Drüsen liegt Darmepithel. Während, wie gesagt, der Aus- breitungsbezirk der BRunneEr’schen Drüsen ein räumlich sehr beschränkter ist, sind doch die Drüsen sehr stark entwickelt. Es lässt sich eine gruppenweise Anordnung der Drüsenschläuche erkennen. Die Drüsen- schläuche einer solchen Gruppe vereinigen sich zu einem oder mehreren grösseren Sammelgängen, welche dann zusammen an der Oberfläche münden. So kommt es, dass im Vergleich zu anderen Vertebraten (bei welchen die Ausführgänge der Brunner’schen Drüsen nahe beisammen liegen) die Ausführgänge auf grossen Strecken nur vereinzelt erblickt werden. So zählte ich z. B. (vergleiche darüber meine früher gegebenen AI Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 409 Abbildungen) in einem Längsschnitt durch den ganzen Drüsenring nur 7 Ausführgänge. — Das Element der BRUnnEr’schen Drüsen, die Drüsenzelle, unterscheidet sich von der charakteristischen, wie sie für andere Säuger bekannt ist, wenig; es ist eine grosse helle Zelle, in welcher jedoch das regelmässige Netzwerk welches man auch als einen negativen Ausdruck der Körnelung der Zellen auffassen kann, nicht so deutlich zu erkennen ist, wie bei anderen Säugern. Dickdarm. Die Schichtung ist dieselbe, wie sie von anderen Vertebraten bekannt ist. Schon bei schwacher Vergrösserung fällt eine starke Verästelung der Drüsenschläuche ins Auge; es münden zahlreiche Drüsen in einen Ausführgang. Das Epithel der Darmoberfläche, der Drüsenausführgänge und der Drüsen- schläuche unterscheidet sich zwar nicht principiell, es besteht vielmehr überall aus Cylinderzellen und Becherzellen. Doch prävaliren in den Drüsenschläuchen die Becherzellen über die Cylinderepithelien in hohem Maasse. Im Drüsenhalse werden die Becherzellen seltener, an der Oberfläche finden sich fast gar keine mehr. Am Darmende sind die LiEBERKÜHN’schen Drüsen fast gar nicht mehr verzweigt, zahlreiche Anhäufungen von Lymphgewebe und Noduli liegen tief in der Mucosa und unter der Muscularis mucosae. An der Uebergangsstelle des Darmepithels in das geschichtete Epithel am Darmende liegt ein starker Ring- muskel, dann folgt in dem untersuchten Präparate eine grosse Lymphzellenanhäufung, welche an Grösse einen Darmnodulus übertraf, schon unter dem geschichteten Epithel liegend. Muscularis mucosae. Ueberall ist eine längsverlaufende Schicht glatter Muskelfasern vorhanden, Ringfasern fand ich nach innen davon an einigen Stellen im Dünndarm. Blinddarm und Pryer’sche Noduliim Dünndarm. Der Blinddarm von Echidna ist ausser- ordentlich klein; bei dem von mir untersuchten Thiere erreichte er nicht ganz einen Centimeter Länge. Er sitzt mit breitem Anfang dem Dickdarm auf, verjüngt sich dann rasch, so dass er fast birnenförmige Gestalt bekommt. Der Schilderung meiner Befunde habe ich vorauszuschicken, dass die untersuchte Uebergangs- stelle vom Dünndarm in den Dickdarm mit dem Blinddarm zu jenem Material gehörte, welches mir Herr Professor SEMoN als nicht für histologische Zwecke conservirt bezeichnet hatte; die Wichtigkeit des Gegenstandes veranlasste mich jedoch, auch dieses Material auszunützen, soweit dies möglich war. Noch nicht lange hat KraatscH !) unter dem Titel: „Ueber die Betheiligung von Drüsenbildungen am Aufbaue der Pever’schen Plaques“ über das vorliegende Thema publizirt. In der Nähe des Coecum findet er einen Prver’schen Nodulus. Derselbe reicht mit seinem distalen Pole bis an die Ausmündungs- stelle des Coecum heran und nimmt hier diejenige Partie der Ileumwandung ein, an welche das Coecum sich im spitzen Winkel anlegt. Etwa ı!/, Centimeter proximal von dem geschilderten PEvEr’schen Nodulus findet sich ein zweiter. Bei Untersuchung des Baues fand KraatscH, dass von der Mucosa aus Noduli in die Submucosa einragen. In diese Zellhaufen erstrecken sich Drüsenschläuche hinein, welche nur durch bedeutende Grössenzunahme von den benachbarten LIEBERKÜHN’schen Krypten verschieden sind. Jeder einzelne Nodulus besitzt eine solche Drüse, welche mit verschmälertem Theil nach innen mündet, nach aussen an Durchmesser zunimmt und Sprossen oft in grösserer Zahl entsendet. Dabei gewinnt das Lumen gegen das blinde Ende der Drüse hin an Weite. Der Theil des Nodulus, welcher das Niveau der Mucosa nach aussen überragt, stellt den Körper dar. Dieser hat die Muscularis mucosae vor sich her gedrängt. Sie biegt am Rande des Nodulus mit scharfer Knickung nach aussen um und umhüllt den Körper des Nodulus zum grossen Theil, jedoch nicht vollständig. An einigen Stellen ist sie unterbrochen und lässt blinde Sprossen der Nodulidrüsen sich weit nach aussen bis in die Nähe der Darmmusculatur erstrecken. 1) KraatscH, H., Ueber die Betheiligung von Drüsenbildungen am Aufbau der PEyer’schen Plaques. Morph. Jahrb, Bd. 19, p. 548—553, I Abb. 1892. Jenaische Denkschriften. V. 6 Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 54 410 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 42 Der epitheliale Bestandtheil bildet die Hauptmasse des ganzen Nodulus. Der Iymphoide Theil des letzteren erscheint als eine Umhüllung der Drüsenschläuche. Soweit die Schilderung Kraatsc#’s. Auch die Ab- bildung desselben zeigt, dass die Noduli gewissermaassen nur ein von Lymphgewebe umhülltes System von erneizten von der Oberfläche ausgehenden Drüsenschläuchen darstellt. — Ich kann diese Schilderung von KraartscH in ihrem Hauptpunkte bestätigen, nämlich darin, dass in den PEyEr’schen Noduli von Echidna eine nähere räumliche Beziehung, zwischen Oberflächenepithel (resp. dessen Einsenkungen in Form von Krypten oder Drüsen) und den Noduli besteht, als wir dies bei anderen erwachsenen Säugern zu finden gewöhnt sind. Ich schildere nun meine Befunde genauer. Das Coecum zeigt in seinem distalen verjüngten Theil (etwa entsprechend der Hälfte seiner Länge) den typischen Bau der Dickdarmschleimhaut, ohne jegliche Einlagerung von Noduli, bei dem von mir untersuchten Thier. Im Gegensatz zu den von mir für den Dickdarm beschriebenen Verhältnissen finden sich hier nicht nur in den LIEBERKÜHN’schen Drüsen, sondern ebenso auch im Oberflächenepithel auserordentlich zahlreiche Becherzellen. Im proximalen, also dem in den Darm mündenden Theil liegt dagegen Nodulus dicht an Nodulus. Es scheiden sich so distaler und proxi- maler Theil des Coecums scharf gegeneinander, ein Verhalten, das schon im makroskopischen Bilde (proxi- maler Theil erweitert, distaler verjüngt), seinen Ausdruck findet. Die beiden von KLAATSCH angegebenen PEvER’schen Noduli, den einen am Coecum, den anderen etwas höher im Dünndarm, fand ich in meinem Präparat schon makroskopisch ausserordentlich deutlich, wie sie KLAATScH schildert. Im Schnitte konnte ich Anfangs die von KraAtscH geschilderten Verhält- nisse nicht deutlich erkennen, vielmehr sah ich zahlreiche Noduli, welche grösstentheils unter der Muscularis mucosae lagen und über welchen das Oberflächenepithel, soweit sie dasselbe berührten, selten geringe Ein- senkungen zeigte. Als ich aber einen PEvEr’schen Nodulus in Serienschnitten systematisch durchsah, fand ich zahlreiche Stellen, welche an das von KLAATSCH gegebene Bild erinnerten. Ich sah in zahlreichen der einzelnen den PEyer’schen Nodulus zusammensetzenden Noduli Einsenkungen des Oberflächenepithels, welche den LiEBERKÜHN’schen Krypten ähnlich sahen, jedoch länger als diese waren, so dass sie tiefer als diese hinab- reichten und welche sich verzweigten. Wenn ich nun auch solch’ markante Bilder, wie sie KLAATSCH zeichnet, namentlich eine solche reiche Verzweigung der epithelialen Sprossen nicht finden konnte, so kann ich doch den Hauptpunkt, nämlich das Vorhandensein dieser Sprossen, bestätigen. Es lassen sich ja leicht individuelle oder Altersunterschiede zur Erklärung der Unterschiede in unseren Befunden heranziehen. Ich muss aber offen bekennen, dass ich weit entfernt bin, diese neuen Befunde KrLAATsc#’s irgendwie im Sinne der RETTERER’schen oder StöHnr’schen Ansichten als beweisführend anzuerkennen. KLAATSCH schliesst, da die PEvEr’schen Noduli bei Echidna zuerst vorkommen (sie stimmen auch mit gewissen neuer- dings an Embryonen gemachten Befunden überein), so müssen wir in ihnen das ursprüngliche Verhalten sehen. Die merkwürdigen Befunde, welche ich in so vielen Theilen des Verdauungstractus der Monotremen erhielt, Befunde, welche grösstentheils als secundäre Abänderungen aufgefasst werden müssen, haben mich in dieser Hinsicht vorsichtig gemacht. Ich glaube, dass wir vorläufig an Monotremen gemachte Befunde nur dann für ursprünglich ansehen dürfen, wenn sie mit den Befunden bei anderen Vertebraten überein- stimmen, für alles andere ist unsicher, ob es nicht secundär abgeändert ist. Die Pryer’schen Noduli mögen bei Echidna in ihrem Vorkommen ursprünglich sein, da sie niederen Vertebraten fehlen und höheren zukommen, die Punkte aber, in denen sich diese Noduli von denen anderer Säuger unterscheiden, können auch secundär abgeändert sein. Ehe also diese Punkte im Sinne RETTERER’s oder STÖHR’s verwerthet werden, wäre zu untersuchen, ob es sich dabei um ursprüngliche oder abgeänderte Bildungen handelt. 43 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 41l 2. Ornithorhynchus anatinus. Oesophagus. Der ganze Oesophagus, der an Längsschnitten untersucht wurde, zeigte nur glatte Musculatur. Nur am obersten Ende fand ich in der äusseren Längsschicht einige Fasern, welche sich vielleicht als quergestreift deuten liessen; doch vermochte ich auch hier die Querstreifung nicht deutlich zu erkennen. Die innere Ringschicht der Muscularis ist stark, im Vergleich hiermit ist die äussere Längs- schicht sehr dünn. Die gleichfalls aus glatter Musculatur bestehende Muscularis mucosae zeigt nur eine dünne Längsschicht. Die Mucosa besitzt geschichtetes Pflasterepithel, welches dem in meiner früheren Arbeit für den Magen abgebildeten sehr ähnlich ist. Das Vorhandensein von Papillen konnte ich an einigen Stellen constatiren. Da bei Längsschnitten, wenn sie auch genau orientirt sind, doch durch Schiefschnitte der Längsfalten Bilder entstehen können, welche zu Täuschungen Veranlassung geben, so habe ich dies an Flachschnitten controllirt und bestätigen können, dass es sich um Papillen und nicht um Falten handelt. Drüsen habe ich bei sorgfältiger Untersuchung im Oesophagus nicht aufgefunden. Darm. Im ganzen Darm (Dünn- und Dickdarm) des Schnabelthiers zeigt der Bau der Mucosa Verhältnisse, welche sich von den aller bekannten Säugethiere ebenso wie der niederen Vertebraten wesentlich unterscheiden. Alsbesonders charakteristisch ist von diesen Unterschieden hervorzuheben das Verhalten der Drüsen, welche bei Ornithorhynchus je in grosser Zahl in einen Ausführgang münden, so dass zu- sammengesetzte Drüsen entstehen. Die Ausführgänge münden durch kurze Kanäle, welche ich „Mündungsringe“ nenne, zur Oberfläche. Die Bilder haben in manchen Punkten Aehnlichkeit mit den grossen Drüsenpacketen des Drüsenmagens der Vögel. Dünndarm. Es war schon der älteren vergleichenden Anatomie bekannt, dass sich im Dünndarm des Schnabelthiers Ringfalten, im Dickdarm dagegen Längsfalten finden. Nur bei Leypıc') finde ich die Angabe: „Das Schnabelthier, dem die Darmzotten angeblich ebenfalls mangeln sollen, besitzt sie deutlich im Dünndarm; sie sind hier länger als breit.“ Ich habe in meiner früheren Arbeit (siehe dort Taf. XXIV, Fig. Io und ıı) die nicht ganz genau senkrecht, sondern etwas schräg zur Längsaxe des Dünndarmes verlaufenden Ringfalten der Mucosa abgebildet. Ich gebe nun in Fig. 4 eine Abbildung eines Längsschnittes durch den Dünndarm, dieselbe zeigt die Falten quergeschnitten. Aus der Figur ist ersichtlich, dass sich an den Falten secundäre Erhebungen zeigen, die ich wieder als kleine, makroskopisch kaum wahrnehmbare Längsfältchen deuten möchte. Die Frage, inwie- weit nun alle diese Bildungen mit den Zotten der anderen Säugethiere zu vergleichen sind, konnte ich nicht lösen. Gern möchte ich der Ansicht zuneigen, dass diese Bildungen den Zotten im physiologischen Sinne entsprechen. Vor allem bestimmt mich dazu der Umstand, dass sich in der Mitte der Falten ein centrales Chylusgefäss wahrnehmen liess. Dasselbe zeigte sich jedoch in einer solchen Ausdehnung vom Schnitte getroffen, dass es sich vielleicht nicht um ein Rohr, sondern entsprechend der Form der Falte um einen Spaltraum handeln dürfte. Wenn dieser Spaltraum wohl auch nicht continuirlich der ganzen Aus- dehnung einer Falte folgen mag, so handelt es sich doch jedenfalls um breitere Räume, als dies bei anderen Säugern beschrieben ist. Eine andere Frage ist die, ob die Falten auch morphologisch Zotten entsprechen, also etwa durch Verschmelzung der Zotten entstanden sind, oder ob etwa die secundären 1) LEyDIG, F., Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt 1857. Br B4* Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 44 412 Falten Zotten in diesem Sinne entsprechen. Ich gestehe offen, dass ich keinen Weg als den richtigen erkennen kann, der diese Verhältnisse bei Ornithorhynchus mit denen’ bei den übrigen Vertebraten, namentlich ! den Säugern verbindet. Da ich nun nicht glaube, dass der Wissenschaft damit gedient wäre, wenn ich eine Ansicht als die wahrscheinlichste hinstellen wollte, ohne dies genügend begründen zu können, enthalte ich mich dessen. Die gesammte Oberfläche dieses Faltensystems wird von einer Schicht überkleidet, welche ich bei keinem anderen Wirbelthiere im Darme in einer solchen Stärke beobachtet habe. Auf den ersten Blick scheint es, dass es sich hier (um im Sinne der Autoren zu sprechen) um eine stark entwickelte, unter dem Epithel gelegene Basalmembran (Grenzmembran) handle. Dieselbe erreicht in meinen Präparaten an manchen Stellen des Dünndarms eine Dicke von 4—5 ıı und sinkt auch an den übrigen Stellen des Dünn- darms nicht viel unter diese Dicke herab. Ein auffallender Befund war mir, dass sich an allen (und zwar sehr zahlreichen) untersuchten Schnitten des Darms vom Oberflächenepithel an einigen Stellen nur stark veränderte Reste vorfanden, während es über grosse Strecken ganz fehlte. Es ist dieser Befund nicht als ein gleichgültiger in dem Sinne zu betrachten, dass etwa das Material eben schlecht conservirt worden oder schon in schlechtem Zustande zur Conservirung gelangt wäre. Vielmehr glaube ich, dass diese Veränderung des Oberflächenepithels anders zu erklären ist. Es waren nämlich die Zellen der LiEBERKÜHnN’schen Drüsen und der Drüsenausführgänge, sowie überhaupt alle Theile des Darmes verhältnissmässig wohl erhalten und nur das Oberflächenepithel fehlte, selbst an den Stücken, welche zur Conservirung aufgeschnitten worden waren, so dass die Fixirungsflüssigkeiten sofort auf die Oberfläche einwirken konnten. Ich erinnere nun daran, dass die Verdauung im Darme des Schnabelthieres (vergleiche darüber meine!) Arbeit „Ueber die Funktionen des Magens etc.“), besonders der Chemismus sehr ausgebildet sein muss, da hier eine Magen- verdauung in diesem Sinne wegfällt (dem Magen kommt nur Vorbereitung für die Darmverdauung zu, Magendrüsen fehlen). Es wäre nun wohl anzunehmen, dass hier der Untergang des Oberflächenepithels auf eine hier besonders rasch eintretende Selbstverdauung zurückzuführen ist. Leider hat also das sonst so ergiebige Semon’sche Material über das Darmepithel des Schnabelthieres keinen sicheren Aufschluss ergeben. Doch vermochte ich an den halbverdauten, zum Theil abgelösten Resten, welche ich hier und da zwischen den Falten fand, soviel entnehmen, dass ich die Vermuthung auszusprechen wage, es dürfte sich auch hier um einschichtiges Cylinderepithel mit untermischten Becherzellen handeln. Wohl erhalten waren dagegen die Epithelien der Drüsen und der Drüsenausführgänge. Fig. 4 giebt ein Uebersichtsbild über das Verhalten der Drüsen, Drüsenausführgänge und Mündungsringe. Vergleiche auch den Querschnitt Fig. 5. Fig. 4 zeigt, wie im Schnitt unter einer Falte etwa 6 Drüsenschläuche liegen. Dieselben münden in weite gewundene Räume, welche nicht mehr von Drüsenepithel, sondern von einem Epithel, das ich als Ausführgangepithel bezeichnen möchte, ausgekleidet werden. Von diesen weiten Räumen führen nur ganz vereinzelte enge und kurze Kanäle, welche ich Mündungsringe nennen werde, zur Oberfläche und zwar in der Tiefe der Falten. Diese Kanäle besitzen ein eigenthümliches niedriges Epithel. Wir haben demnach auch in der Epithelformation 4 Systeme zu unterscheiden, welche sich nach Lage und nach ihrer histologischen Charakterisirung scharf unterscheiden: I) Drüsenschläuche mit Drüsenepithelien, 2) Ausführgänge mit Cylinder- und Becherzellen, 3) Mündungsringe mit niedrigem Epithel, 4) Oberfläche mit Oberflächenepithel. 1) Biologisches Centralblatt, Bd. 14, Seite 406 —410. Leipzig, 1896. Ze Zu Un Zi un ee 45 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 413 Die Epithelien 2 und 4 stehen einander histologisch nahe, sie bestehen aus denselben Elementen, und es entsteht die Frage, wie wir die Verhältnisse auf die bei anderen Säugern bestehenden zurückzu- führen haben. Ich glaube, dass wir die Mündungsringe als eine (mir nur für Ornithorhynchus bekannte, neue Erwerbung aufzufassen haben. Weiter wäre zu entscheiden, ob den LiEBERKÜHn’schen Drüsen anderer Säuger bei Ornithorhynchus nur die unter I angeführten Drüsenschläuche entsprechen, oder I, 2 und 3 zusammen, also die ganze Strecke bis zur Ausmündung der Kanäle. Doch erscheint mir Ersteres wahr- scheinlicher, einmal vor allem wegen der Art der Verzweigung. Es zeigt nämlich die Strecke 2 grosse Aehnlichkeit mit 4, so dass sie vielleicht nur eben durch das Vorhandensein der Mündungsringe (3) gegen einander abgesetzt werden. 2 und 4 zeigen auch im Baue des Epithels Aehnlichkeit, während ı und 3 besonders charakterisirt sind. Ich komme nun zur Beschreibung der einzelnen Epithelarten (vergleiche hierzu Fig. 6-8): ı) Epithel der Drüsenschläuche. Es handelt sich um mässig hohe Cylinderzellen, welche an manchen Stellen niedriger, fast kubisch werden. Das Zellprotoplasma erscheint im Allgemeinen gleichmässig fein gekörnt, Becherzellen vermochte ich im Grunde der Drüsen nicht aufzufinden. Zellgrenzen waren wenig scharf abgesetzt, namentlich an nicht allzu dünnen Schnitten (so z. B. in Fig. 6). Zahlreiche Mitosen glaube ich in den unteren Abschnitten der Drüsen, selbst nahe dem Drüsengrunde zu erkennen, doch muss auch hier der Conservirung Rechnung getragen werden. 2) Epithel der Ausführgänge (ver- gleiche Fig. 7). Man sieht zahlreiche regelmässig angeordnete Becherzellen zwischen dem Cylinderepithel. Die Kerne liegen im Allgemeinen in zwei Reihen, doch gestattet mir der Erhaltungszustand des Präparates kein Urtheil, welche Bedeutung den tief liegenden Kernen zukommt; zum Theil mögen sie den Becherzellen angehören. Sie finden sich auch an ziemlich dünnen Schnitten so regelmässig, dass sie sich nicht etwa alle als Leukocytenkerne deuten lassen. Auch neige ich der Esstein’schen Ersatzzellentheorie zu wenig zu, dass ich diese Kerne etwa in diesem Sinne deuten möchte. Ich würde überhaupt jede Ventilation dieser Frage auf geeigneteres Material zurückweisen, wenn wir bei der Seltenheit desselben so bald wieder solches erwarten dürften. 3) Epithel des Mündungsringes. Die Epithelien dieser kurzen Strecke (siehe Fig. 8) waren in meinen Präparaten nicht gut erhalten. Sie sind niedriger, als die beiden bisher beschriebenen. Soweit sie noch zu erkennen waren, handelte es sich um ganz platte Formen. 4) Die Epithelien der Ober- fläche. Von diesen fand ich, wie schon gesagt, nur Reste vor, unter welchen ich auch Becherzellen zu erkennen glaube. Die vier von mir unterschiedenen Epithelarten lassen sich also in zwei Hauptgruppen theilen: in die Epithelien der Drüsenschläuche und in die Epithelien der Ausführgänge und der Oberfläche, welche, im Aussehen ähnlich, nur durch die eingesprengten Mündungsringe geschieden werden. Auch zwischen den Drüsenepithelien und der zweiten Art ist die Grenze keine scharfe, vielmehr findet ein allmählicher Uebergang statt. Die Mündungsringe sind ausser durch die Eigenthümlichkeiten des Epithels durch die Beschaften- heit des umgebenden Gewebes charakterisirt. Sie besitzen eine Hülle ringförmig angeordneten, eigenartigen Gewebes, welches sich von der Umgebung scharf absetzt. Leukocytenkerne fehlen in diesem Gewebe fast ganz, so heben sich die quergeschnittenen Mündungsringe bei Färbung mit Hämatoxylin-Eosin durch ihre hellrothe Farbe gegen die durch ihre blaugefärbten Leukocytenkerne dunkle Umgebung ab. So erscheint der Mündungsring im Querschnitt (Fig. 7); in demselben sind die ringförmig verlaufenden Elemente längs getroffen. Im Längsschnitt (Fig. 8) zum Drüsengang (in welchem dann die ringförmig verlaufenden Elemente quer getroffen sind) hingegen zeigen die Elemente ein eigenthümliches Bild (siehe Fig. 8). Man sieht rundliche Zellgebilde mit central gelegenem Kern. Der Zellleib erscheint dann hell (wenig tingirt). Diese Bilder zeigen viele Aehnlichkeit mit jungen Knorpelzellen, bei welchen noch keine oder fast keine Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 16 414 Zwischensubstanz zwischen den Zellen gebildet ist. Doch wage ich nicht, diese Gebilde für Knorpelzellen anzusprechen, vielmehr halte ich sie für eine eigenthümliche Bindegewebsform, welche ich nicht ohne weiteres in eine der bekannten Bindegewebsgruppen unterbringen kann. Von Querschnitten glatter Muskel- fasern unterscheiden sich die Bilder dagegen wesentlich durch die Grösse der Elemente, ferner durch die Gleichmässigkeit der Grösse der Elemente im Querschnitt, ebenso durch den wenig tingiblen Zellinhalt. Schwieriger scheint die Frage zu lösen, ob die Organe im Leben die Möglichkeit besitzen, sich zu contra- hiren al so die Drüsenmündungen abzuschliessen. Ich sehe nichts, was eine solche Vermuthung be- weisen könnte. Es gewähren die Mündungsringe (nur bei schwacher Vergrösserung) Bilder, welche den (hier nicht die Drüsen sondern) die Gefässe umschliessenden Sphincteren, wie wir sie im Darme und ander- wärts bei manchen Rochen finden, ähneln. Da ich jedoch hier beim Schnabelthier glatte Muskelfasern nicht mit Sicherheit in dieser Hülle der Mündungsringe zu erkennen vermag, möchte ich die Deutung, dass auch diesen Gebilden ein Abschnüren als Function zukäme, nicht bestimmt vertreten. Ich erwähne auch eine andere Möglichkeit. Verfolgt man die schon erwähnte starke Grenzmembran (Basalschicht der Autoren, siehe darüber Fig. 8), so findet man, dass dieselbe zwar die ganze Darmoberfläche über- kleidet, jedoch nicht die Ausführgänge und Schläuche der Drüsen. Es hört die dicke Grenzmembran eben an der Stelle auf, an der die Mündungsringe durchbrechen. Doch ist das Aufhören kein plötzliches, sondern vollzieht sich allmählich. Wie aus Fig. 8 ersichtlich ist, legt sich der Mündungsring aussen an die Grenz- membran an, wobei jedoch offenbar eine innige Verbindung stattfindet. Vom Mündungsring ausgehend, umgiebt stärkeres Bindegewebe noch eine Strecke weit die Anfänge der Ausführgänge, allmählich in das umgebende Bindegewebe sich auflösend. Es schneidet so die starke Grenzmembran nicht etwa ringförmige Löcher aus, durch welche die Drüsenmündungen durchbrechen, vielmehr findet die Grenzmembran aus- strahlend (gewissermaassen unter Vermittelung des Mündungsringes sich auflockernd) eine Stütze in dem die Kanäle umhüllenden Gewebe der Mucosa fernerhin. Es garantirt diese Einrichtung einen festeren Bau der einzelnen Theile und wird vor allem bei Bewegungen der Darmschleimhaut ein Folgen des secre- torischen Apparates ohne läsion möglich machen. Selbstverständlich vermag ich eine Wirkung der Mündungsringe als Sphincteren nicht auszuschliessen, nur kann ich sie nicht beweisen und stehe daher davon ab, sie zu behaupten. Würden die Organe als Sphincteren wirken, so müsste dies durchaus nicht aus- schliesslich in dem Sinne sein, dass sie das Abfliessen des Drüsensecretes verhindern würden. Vielmehr könnten sie umgekehrt ein Eindringen von Stoffen aus dem Darminhalt in die Drüsen und ihre Vorräume hintanhalten. Wir haben an diese Möglichkeit bei den besonderen Verhältnissen, welche die Verdauungs- organe des Ornithorhynchus zeigen, immerhin auch zu denken. Die Grenzmembran, von der ich in Fig. 9 eine Abbildung bei starker Vergrösserung gebe, zeigt an manchen Stellen auf ihrer der Oberfläche abgekehrten Seite eine Fältelung, welche an anderen Stellen fehlt. Es dürfte daher diese Fältelung entweder nur bei bestimmten Zuständen (etwa functionell) der Schleimhaut auftreten, oder sie ist ein durch die Conservirung entstandenes Kunstproduct. Genaueres über die Structur der Grenzmembran vermochte ich nicht zu erkennen (auch zeigte dieselbe keine Kerne). Bei Beurtheilung dieser Grenzmembran ist auch im Auge zu behalten, dass das Oberflächenepithel, wie ich annehme, durch Selbstverdauung fast vollständig verloren gegangen war. Es ist nun wohl denkbar, dass dieser Verdauungsvorgang möglicher Weise auch die Grenzmembran noch ergriffen haben kann und dass ihre Dicke vielleicht, wenigstens zum Theil, einem Quellungsvorgang zuzuschreiben ist. Gegen diese Annahme spricht jedoch der Umstand, dass auch an den geschützteren Stellen in der Tiefe der Falten (wo auch die Epithelien theilweise noch erhalten waren) die Grenzmembran nicht wesentlich dünner erschien, Die Grenzmembran zeigt eine innige Verbindung mit dem darunter liegenden Bindegewebe. Das Gewebe 47 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 415 der Mucosa setzt sich überall an zahlreichen Punkten an die Grenzmembran an. Ich enthalte mich jeder Entscheidung, inwieweit es sich hier nur um Ansätze und inwieweit um ein directes Uebergehen handeln mag. Jedenfalls ist die Verbindung eine innige und vermittelt so auch die Wirkung der zahlreich in der Mucosa sich findenden Züge von glatten Muskelzellen auf die Grenzmembran. An einigen Präparaten fand ich die Grenzmembran von dem darunter liegenden Gewebe abgelöst, wie Fig. 9 zeigt. Es zeigte sich dabei, dass unter der Grenzmembran noch eine weitere Schicht liegt, welche ausserordentlich dünn ist und ihrerseits mit dem Gerüste der Mucosa in Verbindung steht. Diese dünne Schicht entspricht etwa dem, was man an den Zotten anderer Säuger wahrnimmt, wenn sich das Epithel abgelöst hat. Es scheint danach der Schluss erlaubt, dass die Grenzmembran des Schnabelthieres etwas diesem Thiere Eigenes darstellt, da ja die Grenzmembran der anderen Säuger beim Schnabelthier auch noch vorhanden ist. Vielleicht könnte man an genetische Beziehungen der Grenzmembran zu dieser Schicht denken. Muscularis mucosae und Muscularis bestehen beide aus einer inneren Ring- und einer äusseren Längsschicht, doch waren an der Muscularis mucosae nicht überall zwei Schichten deutlich zu erkennen. Die Submucosa besteht aus langen, ausserordentlich dicken Bindegewebsfasern, welche, mit Eosin tingirt, im Querschnitt grosse Felder repräsentiren, wie sie Fig. 6 zeigt. Das lockere Bindegewebe der Mucosa des Dünndarms fand ich überall stark mit Leukocyten infiltrirt. Ich vermochte verschiedene Arten einkerniger Leukocyten zu unterscheiden, ferner Leukocyten mit polymorphem Kern, endlich fanden sich zahlreiche eosinophile Zellen, welche neben ihrem Tinctions- vermögen das für solche Zellen charakteristische Verhalten der Kerne zeigten. Es fanden sich nämlich in der Mehrzahl derselben die Kerne wandständig und zwar aus zwei zusammenhängenden Theilen be- stehend. Endlich habe ich noch die in Fig. 6 abgebildeten Nerven zu erwähnen, welche dem AUERBACH’schen Plexus angehören, der hier sehr stark entwickelt ist. BRUNNER’sche Drüsen. Der Verbreitungsbezirk der BRUNNER’schen Drüsen zeigt in vielen Punkten Uebereinstimmung mit dem Verhalten bei Echidna, wie ich dasselbe in meiner früheren Arbeit und in dieser Arbeit auf Seite 408 geschildert habe. Die Brunner’schen Drüsen liegen am Anfang des Darmes in einem Ringe, dessen Breite bei den von mir untersuchten Präparaten etwa 7 mm beträgt. Vergleiche darüber die schematische Fig. 10, welche die Grössenverhältnisse mit den bei den anderen untersuchten Säugern sich findenden in Vergleich zu setzen gestattet. Der Ver- breitungsbezirk der BRuNNER’schen Drüsen wird in seiner ganzen Ausdehnung von einem vom Magen her sich fortsetzenden geschichteten Epithel (geschichtetes Pflasterepithel der Autoren) überdeckt. Die Aus- führgänge der Brunner’schen Drüsen bieten der Untersuchung grosse Schwierigkeiten dar. In meiner früheren Arbeit kam ich zum Resultate: „Was die Mündung der Drüsen anlangt, so konnte ich so zahl- reiche Mündungen der Drüsen im Bereich des geschichteten Epithels, wie bei Echidna, hier nicht auffinden, vielmehr zeigen die Drüsenbündel in ihrer Anordnung die Tendenz, mit ihren Ausführgängen gegen den Punkt hin zu kommen, wo das geschichtete Epithel aufhört und das Darmepithel beginnt. Hier brechen sie in grosser Anzahl durch und treten zur Oberfläche. Doch sah ich einzelne Drüsenausführgänge noch be- stimmt im Bereich des geschichteten Epithels ausmünden.“ Um diese Frage der Lösung näher zu bringen, habe ich noch einen ganzen Magen von Ornithorhynchus mit dem Uebergang in den Darm bis über den Bereich der BRuNNER’schen Drüsen hinaus vollständig als Serie geschnitten und untersucht. Und trotzdem kam ich nicht viel weiter. Doch kann ich heute bestimmt sagen, dass sich die Verhältnisse bei Ornitho- rhynchus von denen bei Echidna wesentlich unterscheiden. Während bei Echidna im ganzen von 416 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 48 geschichtetem Epithel überkleideten Verbreitungsbezirk der Brunner’schen Drüsen diese an mehreren, wenn auch nicht zahlreichen Stellen mit Ausführgängen zur Oberfläche münden, so fehlen solche direkt zur Oberfläche aufsteigende uud das geschichtete Epithel durchbrechende Ausführgänge im grösseren Theil des Aus- breitungsbezirkes der BRrUnnER’schen Drüsen bei Ornithorhynchus vollständig, und nur unmittelbar vor dem Uebergang ins Darmepithel brechen einige Ausführgänge auch durchs geschichtete Epithel. Es scheint so bei oberflächlicher Betrachtung der ganze dicke Drüsenwulst der Ausführgänge überhaupt zu entbehren, und nur an geeigneten Längsschnitten vermag, man solche durch den Drüsenwulst bis zur Mündungsstelle an der Endstelle des geschichteten Epithels zu verfolgen. Da nun die einzelnen Drüsenpackete zu mächtigen Körpern entwickelt sind, so bestehen für die Untersuchung etwa ähnliche Schwierigkeiten, wie wenn man den Versuch machen wollte, die Ausführgänge einer Speicheldrüse an Serienschnitten in ihrem Verlauf verfolgen zu wollen; ja es wäre ersteres fast noch schwerer, da die grösseren Gänge, die als Anhaltspunkte dienen könnten, fehlen. Von manchen Drüsenpacketen vermochte ich daher die Ausführgänge nicht bis zur Mündung zu verfolgen. Die Gänge erweiterten sich an manchen Stellen sehr stark und verschwanden dann wieder vollständig zwischen benachbarten Drüsenhaufen. Endlich zeigt auch Ornithorhynchus gegenüber allen anderen Säugern und in geringerem Grade gegenüber von Echidna in Gestalt und Bau des Elementes der BRunnEr’schen Drüsen, nämlich der einzelnen Drüsenzellen, einen starken Unterschied. Die Zellen sind kleiner, vor allem. schmäler, als bei anderen Thieren; von dem bekannten typischen regelmässigen Netzwerk im Zellleib vermochte ich hier keine Spur zu erkennen. Immerhin muss auch hier der Gedanke beachtet werden, dass die Conservirungsflüssigkeiten entweder das geschichtete Epithel oder von aussen her die Muscularis zu durchdringen hatten, ehe sie auf e die BRunner’schen Drüsen einwirken konnten. Doch unterscheiden sich die Zellen schon durch ihre Kleinheit | auch von schlecht conservirten BRUNNER’schen Drüsen anderer Säuger. Dickdarm. Auch hier sind es in erster Linie die Drüsen, welche merkwürdige Verhältnisse zeigen und dem Thiere eine ganz eigene Stellung zuweisen. Es münden nämlich die reich verzweigten Drüsen nicht direct zur Oberfläche, sondern in verhältnissmässig weite Ausführgänge (Sammelgänge), welche ihrer- seits sich wieder durch kurze, enge, von Mündungsringen (wie im Dünndarm) umschlossene Kanäle zur Ober- fläche öffnen. Auch hier lassen sich, wie im Dünndarm, die vier Epithelarten (der Drüsen, der Ausführ- gänge, der Mündungsringe und der Oberfläche) unterscheiden. Es besteht in dieser Hinsicht viel Aehnlich- keit mit den für den Dünndarm geschilderten Verhältnissen. Ich hebe demnach besonders hervor, dass das mir für andere Vertebraten bekannte Verhalten der Epithelien in den Lieperkünn’schen Drüsen des Dick- darms (Vorwiegen der Becherzellen in den Drüsenschläuchen) hier nicht in derselben Weise zu constatiren war. Im Allgemeinen zeigen Dick- und Dünndarm mikroskopisch einen sehr einheitlichen Bau. Als Unter- schied sei hervorgehoben die schon bei schwacher Vergrösserung sichtbare Art der Verzweigung der Aus- führgänge und Drüsenschläuche, wie dies z. B. Fig. ıI (namentlich bei einem Vergleich mit Fig. 4 vom Dünndarm) zeigt. Während im Dünndarm die Drüsenschläuche im Allgemeinen gerade aufsteigen, con- vergiren sie im Dickdarm mehr gegen die Sammelgänge zu. Die Mündungsringe liegen, da die hohen Ringfalten hier fehlen, sehr nahe der Oberfläche. Die Dicke der Mucosa ist im Vergleich zur Submucosa und den Muskelschichten eine geringere im Dünndarme. Starke solitäre Noduli finden sich in der Mucosa und namentlich in der Submucosa, die Muscularis mucosae durchbrechend; sie treten an manchen Stellen in direkten Contact mit der Ringmuskelschicht. Auch im Dickdarm besteht die Submucosa aus dicken Fasern. 49 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 417 Ferner ist zu erwähnen das Auftreten von Leukocytenanhäufungen hoch oben an den Ausführgängen nahe den Mündunssringen. Die Grenzmembran ist ziemlich dünner, als im Dünndarm. Die Muscularis mucosae zeigt eine deutliche innere Ring- und äussere Längsschicht. Blinddarm. Die äussere Form des Blinddarmes zeigt Figur 12. Der Bau ist ein durchaus ein- heitlicher und eigenthümlicher. Im Ganzen zeigt der Blinddarm Verhältnisse, welche sich denen im Processus vermiformis des Menschen und mancher Nager nähern. Der Schichtenbau ist wie im Dickdarm, das Lumen ist sehr eng. Die Mucosa wird in der ganzen Länge des Blinddarmes erfüllt von Lymphgewebe, welches Solitärknötchen ähnliche Bildungen erzeugt. Wenn ich jede rundliche Lymphzellenanhäufung, auch wenn dieselbe nicht der scharfen Definition FLemming’s entspricht, als Solitärnodulus bezeichne, so liegt hier Knötchen an Knötchen dicht gedrängt, und nur spärliche Drüsen sind dazwischen sichtbar. Figur 13 zeigt einen Längsschnitt durch den ganzen Blinddarm, in demselben ist die Anordnung von Lymphgewebe und Drüsen kenntlich gemacht. Die Drüsen zeigen nicht, wie die übrigen Darmdrüsen des Schnabelthiers besondere Verhältnisse, sondern nähern sich in ihrem Aussehen den LIEBERRÜHN’schen Drüsen, wie sie für andere Säuger beschrieben wurden; Ausführgänge und Mündungsringe sind nicht vorhanden. Es scheint dieser Umstand auch von Wichtigkeit für die Beurtheilung des Blinddarmes. Während alle LiEBER- xünn’schen Drüsen des Darmes beim Schnabelthier bestimmte Veränderungen zeigen, lassen die des Blind- darmes solche vermissen. Wir dürfen demnach annehmen, dass die LIEBERKÜHN’schen Drüsen des Darmes bei der Verdauung in einer anderen Weise betheiligt sind, als die des Blinddarmes. Es liegt nun- sehr nahe, anzunehmen, dass bei den Drüsen des Blinddarmes in diesem Falle die Betheiligung bei der Verdauung eine geringere ist, als bei den anderen Darmdrüsen. Darauf weist schon die geringe Zahl der Drüsen und ihr Zurücktreten gegenüber dem überhand nehmenden Lymphgewebe hin. Ferner spricht dafür, dass der Blinddarm beim Schnabelthier in seinem Bau weniger den functionirenden Blinddärmen mancher Säuger ähnelt, mehr dagegen den rudimentären Anhängen des Blinddarmes, wie sie z. B. für den Menschen als Processus vermiformis bekannt sind. Das makroskopische Aussehen sowohl wie der mikroskopische Bau sprechen dafür, in diesem Organe des Ornithorhynchus mehr einen rudimentären Processus, als ein eigentliches Coecum zu sehen und ihn somit dem Processus vermiformis anderer Säuger gleichzustellen, wenn sich der Blinddarm hier auch nicht in ein Coecum und einen Anhang theilt, welch’ letzterer scharf von ersterem abgesetzt wäre. Wir haben es also in diesem Sinne hier nur mit einem Processus vermiformis und nicht mit einem Coecum zu thun. Grössere Soltitärnoduli reichen, die Muscularis mucosae durchbrechend, von der Ringschicht der Muscularis bis zum Oberflächenepithel. An der Muscularis mucosae vermochte ich nur eine Längsschicht wahrzunehmen. Soweit überhaupt Drüsen vorhanden waren, so reichten dieselben bis zur Muscularis mucosae Selbstverständlich erhielt ich auch Bilder scheinbar kürzerer Drüsen, unter welchen dann Lymphgewebe lag, doch schreibe ich dies dem Umstande zu, dass an solchen Stellen die Drüsen nicht vollständig in der Längsaxe in den Schnitt fielen. Leukocyteninvasionen in die Drüsen sah ich an manchen Stellen und glaube Schiefschnitte ausschliessen zu können. Auch sah ich am Rande grösserer Noduli häufig Zellcomplexe, welche Reste zu Grunde gegangener Drüsenschläuche sein mögen. Doch ist der Erhaltungszustand meines Materials kein solcher, dass er mich berechtigen würde, auf diese interessante Specialfrage über genetische Beziehungen zwischen Drüsen und Lymphgewebe beweisführend einzugehen. Immerhin möchte ich hervor- heben, dass ich weder in den Solitärnoduli, noch in den Anhäufungen solcher im Processus vermiformis ein Verhalten der Drüsenschläuche zu den Noduli sah, welches an das erinnern könnte, das bei Echidna in Jenaische Denkschriften. V. id Semon, Zoolog. Forschungsreisen. II. 55 418 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 50 den am Ende des Dünndarmes gelegenen PEyEr’schen Noduli von KLAATSCH beschrieben und von mir be- stätiet wurde. Grosse helle Zellen sah ich unter den Leukocyten recht zahlreich. Aehnliche wurden ja auch ander- wärts in den Darmknötchen beschrieben und in verschiedener Weise gedeutet. Pigmentkörner enthielten diese Zellen bei dem von mir untersuchten Thiere nicht. 3. Dasyurus hallucatus. Dünndarm. Im Schichtenbau im Allgemeinen an den anderer Säuger anschliessend, zeigt der Dünndarm von Dasyurus die Besonderheit eines hochentwickelten Stratum compactum (über die Bedeutung dieses Namens vergleiche das Capitel „Stratum compactum‘“ am Schlusse dieser Arbeit). Dasselbe erreicht hier eine Dicke von etwa Io u. Es ist von welligem Verlauf und nimmt bei Hämatoxylin-Eosin- färbung einen leicht röthlichen Ton an. Es ist durchaus kernfrei ausser an den Durchtrittsstellen der Gefässe. Dagegen finden sich an der oberen und unteren Fläche in regelmässigen Abständen lange Kerne angelagert, siehe Fig. 14 und 15. Im Uebrigen liegen weder unter noch über dem Stratum compactum zahlreiche Kerne, welche zu demselben in Beziehung gebracht werden könnten. Das Stratum compactum beginnt bald hinter dem Pylorus noch im Bereich der Brunnxer’schen Drüsen, so wie dies in Figur 16 angegeben ist, und erstreckt sich durch das ganze von mir untersuchte Darmstück. Die LiEBERkÜHN’schen Drüsen des Dünndarms, welche sich reich verzweigen, besitzen ein Epithel, das sich vom Oberflächenepithel unterscheidet. Während das Oberflächenepithel aus hohen Cylinderzellen mit untermischten Becherzellen besteht, finden sich in den Drüsenschläuchen niedrige Zellen, deren Proto- plasma namentlich in dem dem stets sehr engen, meist kaum wahrnehmbaren Lumen der Drüse zugekehrten Theile der Zelle fein gekörnt ist. Diese Zellen haben viel Aehnlichkeit mit den Zellen, wie sie für die sogenannten serösen Drüsen anderer Säuger bekannt sind. In den höheren Abschnitten sind die Zellen mit unbefussten Becherzellen untermischt. Mitosen konnte ich in Folge des Frhaltungszustandes des Präparates schwer erkennen, die spärlichen Gebilde, welche ich dafür anspreche, lagen im Bereiche der Drüsenschläuche, während sie im Oberflächenepithel zu fehlen schienen. BRUNNER ’sche Drüsen. Der Ausbreitungsbezirk der BRUNNER’schen Drüsen ist nur ein sehr kleiner. Dieselben umgeben den Darm ringförmig; die Breite des Ringes beträgt 8 mm und ist aus Figur 16 ersichtlich. Die BRunnEr'schen Drüsen lassen den für diese Drüsen bekannten Bau der Zellen erkennen, die Art der Verzweigung des die Muscularis mucosae durchbrechenden Ausführganges zeigt (natürlich nur in den Anfängen, soweit dieselben in den Schnitt fallen) Figur 17. In derselben Figur ist auch ersichtlich, wie sich die Elemente der BRunner’schen Drüsen von denen der LIEBERKÜHN’schen abheben. Es gelang mir, hier nachzuweisen, dass die BRUNNER’schen Drüsen aufhören, bevor der Gang einmündet, welchen ich für den Gallengang halten möchte. Auch dies ist aus Figur 16 ersichtlich. Dickdarm. Es stand mir nicht der ganze Darm zur Verfügung. Das Ende des untersuchten Darmstückes war stark verdickt (wie sich im Schnitt erwies, durch Einlagerung parasitischer Würmer in die Darmwand), doch vermochte ich die Uebergangsstelle in den Dickdarm makroskopisch nicht festzustellen, auch fand sich kein Blinddarm. Die mikroskopische Untersuchung des Endes des vorliegenden Darmstückes ergab jedoch einen wesentlich anderen Bau, der mich mit einiger Vorsicht immerhin daran denken lässt, dass es sich hier um Dickdarm handelte. In den letzten Abschnitten wurden die Zotten immer kleiner und verschwanden schliesslich ganz. Doch ist das Bild kein so reines (da auch vielfach das Oberflächenepithel N / Sale Tr 2 il Da de Ze an u a ah nn du Due dı ee a 51 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 419 abgelöst war), dass ich die Diagnose Dickdarm sicher stellen konnte. Es ist dies um so schwieriger, da der mikroskopische Befund andere Bilder ergab, als wir sie von anderen Säugern gewöhnt sind. Ich fand lange Drüsenschläuche ausgekleidet von einem Epithel, welches sich aus fast mehr Becherzellen als Cylinder- zellen zusammensetzte, doch reichten diese Schläuche nicht ganz zur Muscularis mucosae, vielmehr gingen sie in ganz kurze Drüsenschläuche über, welche durchaus den Bau der Liegerkühn’schen Drüsen (wie sie für den Dünndarm beschrieben wurden) zeigten und sich scharf vom Oberflächenepithel absetzten. 4, Perameles obesula. Dünndarm. Es stand mir nur der Anfangstheil des Dünndarmes zur Verfügung. Etwa 7 cm vom Pylorus fand ich hohe, schlanke Zotten (siehe Fig. 18). Die Zellen der LIEBERKÜHN’schen Drüsen unterscheiden sich sehr wesentlich vom Oberflächenepithel, es sind gekörnte Zellen, specifische Drüsenzellen, Becherzellen vermochte ich unter ihnen nicht aufzufinden. Das Oberflächenepithel hingegen setzt sich in der gewöhnlichen Weise aus Cylinderzellen und Becherzellen zusammen. Der Uebergang des Drüsenepithels in das Oberflächenepithel ist hier kein allmählicher, sondern ein plötzlicher, wie dies Figur 19 zeigt. Die LIEBERKÜHN’schen Drüsen münden nicht isolirt gerade verlaufend zwischen den Zotten, stehen vielmehr in Gruppen und vereinigen sich kurz vor der Mündung. Diese Bilder lassen der Deutung keinen Raum, dass man es hier in den LIEBERKÜHN’schen Drüsen mit einfachen, von Oberflächenepithel ausgekleideten Schleim- hautkrypten zu thun habe, vielmehr handelt es sich um sowohl durch die Form als durch die eigenthümliche Zellart, welche sie bildet, wohl charakterisirte Drüsen. Ein Stratum compactum vermochte ich hier nicht nachzuweisen. Brunner ’sche Drüsen. Die BRrUNNER’schen Drüsen bilden einen dicken Drüsenring um den Anfang des Dünndarmes. Die Breite des Ringes beträgt etwa 5,5 mm. Figur 20 zeigt den BRuNNER’schen Drüsenring und stellt ihn in Vergleich mit den bei derselben Vergrösserung gezeichneten Bildern der anderen untersuchten Thiere. Die in der Submucosa liegenden BRunneEr’schen Drüsen erfüllen die Submucosa ganz, sie drangen an einer Stelle (siehe die Figur) in die Ringmuskelschicht ein; offenbar durchsetzten hier auch grössere Gefässstämme die Muscularis. Die Drüsen sind in Gruppen angeordnet, und die Ausführ- gänge einer Drüsengruppe münden nahe zusammen, soweit sie sich nicht zu einzelnen grösseren Ausführ- gängen vereinigen, in ähnlicher Weise, wie dies auch bei den Monotremen der Fall ist. 5. Phalangista (Trichosurus vulpecula). Oesophagus. Derselbe ist wie gewöhnlich von geschichtetem Pflasterepithel ausgekleidet. Papillen fehlen. Drüsen fand ich nicht, obwohl ich den Oesophagus in seiner ganzen Länge geschnitten habe. Dagegen finden sich über dem obersten Ende des Oesophagus, also im Pharynx, unter den Muskeln, welche dort noch nicht dieselbe regelmässige Anordnung wie im Oesophagus zeigen, zahlreiche Drüsen- schläuche. Diese Drüsen besitzen Zellen, deren Inhalt sich stark mit Hämatoxylin färbt, und mit wand- ständigem Kern. Sie würden von den Autoren nach der hergebrachten Nomenklatur zu den Schleim- drüsen gerechnet werden. Die Drüsen liegen zum Theil in einer Schicht unter der Oberfläche, zum Theil in kleineren Gruppen zwischen den quergestreiften Muskelbündeln eingesprengt. Im Oesophagus selbst jedoch hören die Drüsenbildungen ganz auf. Die Musculatur des Oesophagus, welche die gewöhnliche Anordnung zeigt, besteht im oberen Theil des Oesophagus aus quergestreiften, im unteren Theil aus glatten Muskeln. Die Grenze liegt ziemlich If 55 * 420 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 52 genau in der Mitte des Oesophagus; der Uebergang ist ein ganz allmählicher. Zuerst treten vereinzelte Ahle Muskelfaserzüge auf, die quergestreiften Fasern nehmen an Zahl ab, bis zur Mitte des Oesophagus werden letztere sehr spärlich und fehlen unterhalb der Mitte ganz. Dünndarm. Die Liegerkünn’schen Drüsen sind im Vergleich zu den Zotten sehr kurz. Doch ist dabei im Auge zu behalten, dass ich es offenbar mit einem sehr jungen Thiere zu thun hatte. Das Ober- flächenepithel besteht in gewöhnlicher Weise aus Cylinderepithel mit eingestreuten Becherzellen. An manchen Oberflächenepithelien glaube ich die Streifung des Cuticularsaumes deutlich zu sehen. Die Drüsenepithelien zeigen hier nicht jene prägnanten Unterschiede von den Oberflächenepithelien, wie bei den anderen im Vorausgehenden geschilderten Formen. Ich vermag nicht zu sagen, wie sich das beim erwachsenen Thier verhält. BRUNNER’sche Drüsen. Der Verbreitungsbezirk der BRUNNER’schen Drüsen ist ein sehr kleiner, er überschreitet jedenfalls die Grösse nicht, welche ich für die anderen in dieser Arbeit untersuchten Thiere angegeben habe. Ich glaube jedoch, weitere Schlüsse nicht auf dieses Verhalten gründen zu sollen, da es sich um ein junges Thier handelte. Die Brunner’schen Drüsen bestanden hier nur aus ganz kurzen Drüsenschläuchen, welche zwar in die Submucosa hinabreichten, sich aber nur wenig verzweigten. Die Submucosa besteht, soweit sie nicht von BRUNNER’schen Drüsen ausgefüllt wird, aus derben Bindegewebs- fasern, wie ich sie ähnlich auch für Ornithorhynmchus beschrieben habe. Ein Stratum compactum fehlt. 2 Dickdarm. Das Epithel der LieBerküHn’schen Drüsen und der Oberfläche lassen schon bei schwacher Vergrösserung drei Zonen erkennen. Dies ist dadurch bedingt, dass in der oberen Hälfte der Drüsen die Becherzellen gross und kugelig erscheinen und in der Tiefe der Drüsen etwas kleiner, während sie im Oberflächenepithel fast ganz fehlen. Im Anfange des Dickdarmes constatirte ich einige wohlentwickelte Solitärnoduli. Blinddarm. Ich gebe in Figur 21 eine Abbildung des Blinddarmes in natürlicher Grösse. Die Innenfläche zeigt den typischen Bau des Dickdarmes, keine Zotten und im Vergleich zum Dünndarme lange LiEBERKÜHnN’sche Drüsen, in deren oberer Hälfte die Becherzellen besonders gross sind, während sie im Oberflächenepithel zu fehlen scheinen. Die Ringmuskelschicht ist gut entwickelt, im Lumen des Blinddarmes fand ich Nahrung. Der Blinddarm functionirt also hier offenbar direkt durch Aufnahme von Nahrung, welche eine gewisse Zeit in demselben verweilt. Es spricht hierfür neben der Grösse des Organes auch der Bau desselben, der sich vom Dickdarm kaum unterscheidet. In den untersuchten Stücken des Blinddarmes fand sich kein einziger Solitärnodulus, auch nicht in der verjüngten Spitze des Blinddarmes und nicht am Uebergang in den Darm. Es ist also hier der ganze Blinddarm sammt seinem verjüngten Theil nur als Coecum aufzufassen, während ein Processus vermiformis fehlt. 6. Phascolarctus cinereus. Oesophagus. Das für den Oesophagus vorliegende Material war nicht für histologische Zwecke conservirt. Es war jedoch so gut erhalten, dass ich demselben Folgendes entnehmen konnte. Der Oesophagus, der wie gewöhnlich geschichtetes Epithel trägt, ermangelt in seiner ganzen Ausdehnung der Drüsen und der Papillen. Vor Anfang des in seiner ganzen Ausdehnung geschnittenen Oesophagus fand sich ein grosses Drüsenpacket, das sich vielleicht mit dem bei anderen Säugethieren beschriebenen Pharynx- drüsenwulst vergleichen liesse. Es ist in dieser Region eine Muscularis mucosae noch nicht vorhanden. Dieselbe bildet sich erst weiter abwärts im Oesophagus. Sie besteht, wie auch die Muscularis selbst, bis ee | 53 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 421 zum Magen nur aus quergestreifter Musculatur. An einigen Stellen vermochte ich zu beobachten, dass einzelne quergestreifte Muskelfasern, hervorgehend aus der Längsfaserschicht der Muscularis, die Ringschicht der Muscularis durchsetzten und so in die Muscularis mucosae gelangten, wo sie weiter verliefen. Diesen Befund, der so klar ist, dass jede Täuschung ausgeschlossen scheint, gebe ich in Figur 22 wieder. Die betreffende Stelle lag im Anfange des Oesophagus etwas unterhalb vom Pharynxwulst, eben dort, wo die Muscularis mucosae ihre Entstehung nimmt. ü, Aepyprymnus rufescens. Oesophagus. Das geschichtete Epithel verläuft glatt über die keine Papillen bildende Mucosa. Drüsen fehlen. Höher oben im Schlundkopf fand ich Drüsen zwischen den Muskelfasern eingebettet; sowie aber die Muskelfasern die für den Oesophagus typische Anordnung annehmen, hören die Drüsen auf. Die Muscularis besteht im oberen Theil des Oesophagus aus quergestreiften Muskelfasern, im unteren Theile aus glatten. Der Wechsel findet etwas nach dem ersten Drittel statt und ist bis zur Mitte (in der Ringmuskelschicht schon etwas vor der Mitte) des Oesophagus vollendet. Die Muscularis mucosae fehlt im oberen Drittel, dann beginnt sie zunächst mit einigen quergestreiften Fasern, welche sich zum Theil als Ausläufer der letzten quergestreiften Fasern der Muscularis darstellen. Eine Querstreifung lässt sich jedoch nur in wenigen Fasern im Anfange der Muscularis mucosae erkennen. 8. Manis javanica. Dünndarm. Vom Dünndarm von Manis javanica untersuchte ich zahlreiche Stücke, von denen mir jedoch nicht bekannt wurde, welchen Theilen des Dünndarmes sie entstammten. Ich glaube dieselben daher zusammenfassend schildern zu sollen. Eines der Stücke zeigte hohe, schlanke Zotten mit in regelmässiger Anordnung dazwischen mündenden Drüsen. Von einem weiteren Stück mit etwas weniger hohen Zotten ist die Figur 23 gezeichnet, welche Zahl und Anordnung von Zotten und Drüsen zeigt. Letztere Abbildung zeigt auch ein stark entwickeltes Stratum compactum welches in Figur 24 bei stärkerer Vergrösserung gezeichnet ist. Das Stratum compactum liegt der Mus- cularis mucosae dicht auf und enthält in mässiger Anzahl Kerne eingesprengt, deren Anordnung die Figur zeigt. Es macht an einigen Stellen den Eindruck, als würden die Kerne in ihrer Anordnung gewissen, das Stratum compactum zusammensetzenden Theilen (also etwa dicken Bindegewebsfasern) folgen. Da mir nicht bekannt ist, welchem Theile des Dünndarms das das Stratum compactum zeigende Stück zugehört, so kann ich über die Ausdehnung des Vorkommens dieses Stratums bei Manis javanica keine genaueren Angaben machen. Doch fand ich dasselbe im Anfange des Dünndarmes im Bereich der BRUNNERr’schen Drüsen nicht, ebenso fehlte es an der Uebergangsstelle vom Dünndarm in den Dickdarm, und zwar fehlte es an dieser Stelle sowohl im Dünndarm als im Dickdarm. Also scheint es in seinem Vorkommen auf die Mitte des Dünndarmes beschränkt zu sein. Das Oberflächenepithel ist ein hohes, einschichtiges Cylinderepithel mit untermischten Becherzellen. Die LieBERKÜHN’schen Drüsen besitzen ein weites Lumen, ihr Epithel ist ähnlich dem der Oberfläche, doch treten die Becherzellen weniger scharf hervor und scheinen in der Tiefe der Krypten ganz zu fehlen. Mitosen des Epithels vermochte ich nicht mit Sicherheit zu erkennen: zwar fand ich im Drüsenepithel 422 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 54 zahlreiche Formen, welche solche vortäuschen konnten, doch konnte ich in keinem Falle sicherstellen, dass dieselben Epithelzellen angehörten. In allen untersuchten Stücken des Dünndarmes war die äussere Längs- schicht der Muscularis dicker (im Vergleiche zur inneren Ringschicht), als dies bei anderen mir bekannten Säugern der Fall zu sein pflegt. Am Ende des Dünndarmes kurz vor seinem Uebergang in den Dickdarm findet sich ein grosser PEvER’scher Nodulus. In demselben finden sich grosse Anhäufungen von Pigment- zellen. Die Zellen liegen in den Kuppen und in den Centren der Noduli. Auch ausserhalb der Noduli, in deren nächster Umgebung, besonders in der Nähe der Blutgefässe finden sich Ansammlungen von Pigmentzellen. Es macht den Eindruck, als ob den Pigmentzellen der Weg bis zu einem gewissen Grade durch die Lymphbahnen vorgezeichnet wäre. Es handelt sich dabei um pigmentirte Wanderzellen, wie sie von Anderen und von mir!) in ver- schiedenen Theilen des Darmrohres verschiedener Thiere beschrieben wurden. Ich habe meine früheren Präparate über Pigmentzellen im Wirbelthierdarm einer neuen Prüfung unterworfen, nachdem die von mir bei Proteus anguineus und bei zahlreichen Vertretern verschiedener Wirbelthiergruppen beschriebenen Pigmentzellen des Darmes von Braus’) für Proteus bestätist und durch KınGsBury°’) nun auch bei dem amerikanischen Menobranchus (wo ich sie später als KıngGsBury auch fand) nachgewiesen worden waren. Ich kam dabei zum Resultate, dass ich in meiner damaligen Arbeit vielleicht verschiedene Zellen aus dem Grunde zusammen- gestellt habe, weil ich in denselben Pigment fand. Ich glaube jetzt die pigmenthaltigen Wanderzellen in mehrere Gruppen trennen zu dürfen. Da aber für eine Eintheilung und Unterscheidung noch keine scharfen Normen aufgestellt sind, enthalte ich mich jeder Behauptung, wohin die heute bei Manis javanica neu be- schriebenen zu stellen wären. Jedenfalls handelt es sich bei Manis javanica an dieser Stelle um pigmentirte Wanderzellen und nicht um fixe Pigmentzellen. Eine andere Frage wäre dann, welche oder ob alle pigmentirten Wanderzellen des Säugerdarmes zu den von einigen als Phagocyten benannten Zellen ge- hören. Vorläufig müssen wir erst die verschiedenen Arten von Pigmentzellen im Wirbelthierdarm kennen lernen, dann können wir versuchen, sie in der genannten Weise einzutheilen. Diese Trennung muss scharf für Vertreter aus allen Thierklassen durchgeführt werden, da wir zunächst die einzelnen Elemente, welche pigmentirt sein können, kennen lernen müssen, ehe wir daran gehen dürfen, ihren (vielleicht gemeinsamen) Ursprung aufzuklären. Es würde sehr erwünscht sein, wenn die pigmentirten Wanderzellen des Darmes eingehender bearbeitet würden, um so mehr da gewiss von Anderen wie von mir seit meiner nun schon eine Reihe von Jahren zurückliegenden Publication über dieses Thema, hierfür weiteres Material gesammelt wurde. In ein neues Stadium beginnt diese Frage dadurch zu treten, dass Braus nunmehr bestimmt für meine Ansicht eintritt, dass die Pigmentzellen (pigmentirte Wanderzellen) bei Amphibien vom Darme in die Leber wandern (und nicht umgekehrt). Ehe wir aber hieran Schlüsse über die pigmentirten Wander- zellen der Säuger knüpfen wollen, müssen wir erst wissen, inwieweit die pigmentirten Wanderzellen resp. die verschiedenen Arten derselben bei Amphibien und Säugern resp. bei Vertebraten überhaupt überein- stimmen. BrUnnER’sche Drüsen. Ueber die Brunner’schen Drüsen von Manis javanica habe ich schon kurz in meiner früheren Arbeit bei Besprechung des Magens gehandelt. Ich habe dort erwähnt und \ 1) A. Opper, Ueber Pigmentzellen des Wirbelthierdarmes Sitzungsber. der Gesellsch. für Morphol. und Physiol. zu München, Sitzung am 17. Dec. 1889. — Vergl. auch: A. OPPEL, Beiträge zur Anatomie des Proteus angwineus Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 34, S. 511—572, 1889. 2) H. Braus, Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere, in SEmon, Zoologische ee in Australien und dem Malayischen Archipel, II., p. 303—366, Taf. XXVII-XXXIl und ıı Textfiguren, ena, 1896. b 3) B. F. KıngsBury, The histological Structure of the Enteron of Necturus maeulatus 8. Pl. Proceed. Americ. microscop. Soc., Vol. 16, Pt. 1, p. 19-64, 1894. 55 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. . 423 abgebildet, dass die Brunner’schen Drüsen direct an die grossen zusammengesetzten Drüsen der Pylorus- region (welche von mir als vierte Gruppe zu den von WEBER!) beschriebenen 3 Gruppen solcher Drüsen im Magen beigesellt wurden) anschliessen. Zusammengesetzte Pylorusdrüsen und Brunxer’sche Drüsen zeigen ziemlich viel Aehnlichkeit, so dass zunächst eine scharfe Grenze zwischen beiden schwer zu ziehen war. Doch gelang mir dies bei dem damals untersuchten Thiere, indem ich mich auf das Verhalten der Muscularis mucosae zu den Drüsen stützte, und sagte, soweit die Drüsen die Muscularis mucosae durch- brechen, betrachte ich sie als BRUNNER’sche. In einem weiteren Darmtractus, nach welchem meine dies- malige Figur 25 gezeichnet ist, fällt eine scharfe Trennung noch schwerer. Wenn auch am Anfang und Ende der Drüsenpartie die Drüsen als Pylorus- resp. als BrRunnEr’sche Drüsen scharf gekennzeichnet sind, so ist doch nur schwer eine scharfe Grenze zu ziehen, da auf eine kurze Strecke die Muscularis mucosae als einheitliche Schicht nicht zu erkennen ist. Sollte ich trotzdem den Versuch wagen sollen, so würde ich weitere Momente zur Beurtheilung heranziehen müssen. Eine Abgrenzung erschwert hier der Umstand, dass auch die Muskelverhältnisse keine scharfen Anhaltspunkte geben. Es ist ja bei Manis javanica die Muscularis des ganzen Pylorustheiles des Magens enorm verdickt. Diese dicke Muskelschicht fällt nun allmählich gegen den Darm zu ab, während ich eine nochmalige Anschwellung derselben und damit den Schliessmuskel [welcher, wie mich LEssHarr?) belehren zu müssen glaubt, ein besonderes Merkmal des Endes des Magens ist] nicht scharf abgrenzen konnte. Was die Epithelverhältnisse anlangt, so fand ich nach dem Aufhören des geschichteten Epithels auf der Oberfläche zunächst ein Cylinderepithel ohne Becherzellen, dessen Zellen jedoch ein differenzirtes Oberende zeigten, so dass es mehr den Eindruck eines Magen- als eines Darmepithels machte. Erst vom Beginn der LIEBERKÜHN’schen Drüsen an, also von Figur 25 bei y an, fand ich typisches Darmepithel mit eingestreuten Becherzellen. Während ich nach dem Verhalten der Drüsen zur Muscularis mucosae den Beginn der BRUNnNER’Schen Drüsen etwa bei & festsetzen möchte, würde das eigentliche Darmepithel und die LiEBERKÜHN’schen Drüsen erst bei y beginnen. ; Diekdarm. Es stand mir die Uebergangsstelle vom Dünndarm in den Dickdarm zur Verfügung. Ich gebe in Figur 26 einen Längsschnitt durch die betreffende Stelle wieder. Irgend eine Spur eines Coecums oder eine sonst makroskopisch wahrnehmbare Grenze zwischen Dünndarm und Dickdarm (ausser geringer Erweiterung des Darmrohres) vermochte ich nicht aufzufinden. Im mikroskopischen Bau zeigte sich die Grenze zwischen Dünn- und Dickdarm als eine deutliche. Die Figur zeigt auf der Seite des Dünndarmes noch deutliche Zotten und verhältnissmässig kurze LIEBERKÜHN’sche Drüsen. Der Uebergang ist nun kein plötzlicher, vielmehr werden die Zotten allmählich kürzer, mit ihrem Aufhören ist die Grenze gegeben. Dieselbe ist in Figur 26 bei x markirt. Die Drüsen des Dickdarmes zeigen einen grossen Reichthum an Becherzellen, letztere überwiegen dermaassen über die Cylinderzellen, dass letztere überhaupt nur bei sorgfältiger Untersuchung aufzufinden sind. Im Oberflächenepithel dagegen ist das Verhältniss ein umgekehrtes, hier finden sich fast ausschliesslich Cylinderzellen, der Uebergang ist ein plötzlicher. 1) Max WEBER, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Genus Manis. Zoologische Ergebnisse einer Reise in Niederländisch-Ostindien, Band 2, mit Tafel I-IX, 116 SS., Leiden 1891. j 2) P. LESSHAFT, Der anatomische Unterricht der Gegenwart. Anat. Anzeiger, Bd. 12., S. 395—416, 1890. Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 56 424 Vergleichender Theil. 1. Drüsen des Oesophagus. Wenn Leypıc!) im Jahre 1857 sagte: es zeigt sich die Schleimhaut des Schlundes von Vögeln und Säugern sehr constant mit Drüsen versehen — so entsprach das durchaus dem, was damals bekannt war und auch bis auf die neuere Zeit geltend blieb. Für die Mehrzahl der gewöhnlich untersuchten Säugethiere sind Oesophagealdrüsen nachgewiesen, z. B. für Pferd, Schwein, Rind, Kaninchen, Hund, Fuchs, Katze und für den Menschen. Bald fing man jedoch an, zu erkennen, dass auch schon bei den genannten Thieren das Vorkommen von Oesophagealdrüsen grossen Schwankungen unterliegt. Einmal finden sich bei zahlreichen Säugern Drüsen nur im oberen Theile des Oesophagus, so z. B. beim Pferd, Rind, Schwein, Kaninchen, Igel; bei anderen dagegen reichen sie bis zum Magen, so z. B. beim Hund und Fuchs. Bei anderen Säugern hinwiederum ist das Vorkommen der Oesophagealdrüsen ein so überaus spärliches, dass man sogar an ein vollständiges Fehlen für einzelne Individuen denken muss. So verhält es sich z. B. bei der Katze. Es steht mir momentan nur eine Schnittserie durch den Katzenoesophagus zur Verfügung (die vielleicht nicht ganz vollständig sein mag), und in derselben vermag ich keine Drüsen aufzufinden, während Ruse1?) 1889 bei der Katze im Anfangstheil des Schlundes Drüsen constatirte. Bei mehreren Säugern, und zu diesen gehören Ornithorhynchus, Phalangista, Phascolarctus einereus und Aepyprymnus rufescens, fand ich Oesophagealdrüsen überhaupt nicht auf. Ich werde im zweiten Theile meines Lehrbuches auf diese Ver- hältnisse genauer eingehen. Hier wollte ich nur so viel hervorheben, als erforderlich ist, um auch meine negative Angabe, dass ich bei den genannten Thieren keine Oesophagealdrüsen fand, in das geeignete Licht zu setzen. Wir werden also künftig die Säuger in drei Hauptgruppen (deren jede zahlreiche Vertreter hat) theilen können, in solche, 1) deren Oesophagus in ganzer Ausdehnung Drüsen trägt, 2) an, en nur im oberen Theile 5 * a) 55 überhaupt keine 5 2 Eine vergleichende Betrachtung müsste nun die verschiedenen Säuger in diese Gruppen einreihen und die verschiedenen scheinbaren und wahren Uebergänge zwischen den einzelnen Formen zu schildern versuchen. Ich sage „scheinbar“, da wir hierbei mit höchster Vorsicht vorzugehen haben. Der Umstand, dass zahlreichen niederen Säugern, z. B. den von mir untersuchten Vertretern der Monotremen (Echidna stand mir hierfür nicht zur Verfügung) und Beutelthiere, Oesophagealdrüsen fehlen, während sie manchen niederen Vertebraten und andererseits den höheren Säugern zukommen, warnt uns, Dinge zu vergleichen, die vielleicht gar nichts mit einander zu thun haben. Der Gedanke, dass den Wirbelthieren allgemein von den Amphibien an Oesophagealdrüsen zukamen, die dann bei einzelnen Typen verloren gingen, ist sehr naheliegend, doch nicht bewiesen. Schon das Fehlen dieser Drüsen bei zahlreichen Amphibien, dann die verschiedenen Formen, in welchen diese Drüsen allein schon bei Amphibien auftreten, mahnt zur Vorsicht. Wollte man aber einen gemeinsamen Ursprung in der Phylogenie für diese Drüsen annehmen, so wäre es gewiss von Interesse, dass sie nun gerade wieder zahlreichen Formen unter den niederen Säugern fehlen. 1) F. LeyoiG, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt a. M. 1857. 2) O. RUBELI, Ueber den Oesophagus des Menschen und verschiedener Hausthiere. In.-Diss., Bern 1889, 64 SS., 3 Taf. m u u SE ul Zum un ur En nn A dm m UL 2 U m 57 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 425 Es wäre dieser Umstand dann ein neuer Beweis für die Schlüsse, welche aus den Befunden am Magen ge- zogen wurden, dass nämlich die niederen Säuger durchaus nicht als auf einer niederen „einfachen‘‘ Ent- wickelungsstufe stehen gebliebene Thiere aufzufassen sind, dass sie vielmehr im Baue ihrer Organe hoch- gradige Veränderungen zeigen, welche diesen Organen ermöglichen, in anderer Weise (sei es in regressivem oder progressivem Sinne) zu functioniren, als dies bei höheren Säugern der Fall ist. 2. Museulatur des Oesophagus. Die Muskelverhältnisse können eine vergleichende Darstellung nur auf Grund eines Materials er- fahren, welches sich über einen grösseren Thierkreis erstreckt, so wie ich dasselbe für mein Lehrbuch heranziehen werde. Es sei daher hier nur zusammenfassend erwähnt, dass unter den untersuchten Thieren sich einerseits Formen finden, bei welchen der ganze Oesophagus aus glatten Elementen (Ornithorhynchus), und andererseits solche, bei welchen er ganz aus quergestreiften besteht (Phascolaretus einereus). Phalangista und Aepyprymnus stehen zwischen diesen, indem hier die quergestreifte Musculatur !/,, ja bis zur Hälfte, der Länge - - { des Oesophagus einnimmt. 3. Verbreitungsbezirk der BRUNNER’schen Drüsen. Die BRunner’schen Drüsen der Säuger können eine grosse Literatur aufweisen. Ich habe dieselbe, soweit sie mir bekannt wurde, für mein Lehrbuch fast vollständig, durchgearbeitet, und die Excerpte liegen mir zusammengefasst vor. Die Literatur befasst sich besonders mit dem Baue dieser Drüsen, auch physiologisch liegen Urtheile über die Function derselben vor. Dann sind von zahlreichen Forschern die BRunner’schen Drüsen in innige Beziehung zu den Pylorusdrüsen gebracht worden, einige sehen in den BRUNNER’schen Drüsen, wenigstens bei manchen Thieren, eine directe Fortsetzung der Pylorusdrüsen, welche dann die Muscularis mucosae durchbrechen würden. Es ist sogar der Versuch gemacht worden, Pylorus- und Brunner’sche Drüsen als eine einzige Drüsenzone „Pyloruszone“ (nicht zu verwechseln mit der Pylorus- drüsenzone oder Pylorusdrüsenregion, welche den Magen nicht überschreitet) zusammenzufassen. Und in der That bestehen an der Uebergangsstelle zwischen Pylorusdrüsen und BRunnEr’schen Drüsen bei vielen Thieren Schwierigkeiten, wenn man eine scharfe Grenze setzen will. Man könnte nun einfach diejenigen Drüsen- schläuche, welche die Muscularis mucosae durchbrechen, BRunneEr’sche nennen und diejenigen Drüsen, welche in der Mucosa bleiben, Pylorusdrüsen. Es finden sich aber auch nach abwärts vom Pylorus und selbst noch im Bereich der Brunner’schen Drüsen derartige kurze Drüsenschläuche, welche nach ihrem Baue den Pylorus- und Brunner’schen Drüsen gleichen, nicht aber den LiEBERKÜHN’schen. Wollte man also diese Eintheilung vornehmen, so würde man unter Pyloruszone ausser der Pylorusdrüsenregion des Magens noch den Anfangstheil des Darmes mit einbegreifen und in der Pyloruszone dreierlei Drüsen zu unterscheiden haben: 1) Pylorusdrüsen, bis zum Ende des Magens, 2) diesen ähnliche Drüsen, welche die Muscularis mucosae nicht durchbrechen, im Anfangstheil des Darmes. 3) BRunneEr’sche Drüsen, welche die Muscularis mucosae durchbrechen. Eingehender, als ich dies hier schildern konnte, ist dieses Verhalten für verschiedene 'Thiere von zahlreichen Autoren erörtert worden. Jenaische Denkschriften. V. 8 Sem on, Zoolog, Forschungsreisen. II. 56 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 28 426 5 Ebenso finden sich zahlreiche Angaben, wie weit nach abwärts im Darme die BRUNNER’schen Drüsen reichen. Diese Angaben sind fast durchweg Maassangaben in Zahlen. Dieselben beginnen bei der Maus mit 1,5—4 mm; die längsten Maasse (soweit mir die Literatur bekannt ist) unter den untersuchten Thieren ergab das Pferd mit 7—8 m. KuczyNskr!) 1890 vergleicht die relativen Maasse und findet den Ausbreitungsbezirk der BRUNNERr’schen Drüsen relativ gross bei Pferd, Rind, Schwein, Kaninchen, Meer- schweinchen; mittelgross bei Maus, Ratte, Mensch; klein bei Hund, Katze, Marder. Solche Angaben und Vergleiche sind gewiss von Interesse, da ja mit einer grösseren räumlichen Ausdehnung dieser Drüsen auch ihre functionelle Bedeutung wächst. Handelt es sich dagegen um die Frage nach der Entstehung der Brunner’schen Drüsen (welche, wie bekannt, nur den Säugern zukommen), so werden wir unsere Auf- merksamkeit noch auf einen weiteren Punkt zu richten haben, nämlich auf eine genauere Lagebestimmung der Brunner’schen Drüsen mit Rücksicht auf andere Organe. Ich gebe in den Figuren 3, Io, I6, 20, 25 Abbildungen über den Ausdehnungsbezirk der BRUNnnEr’schen Drüsen an Längsschnitten bei 5 der unter- suchten Thiere. Dieselben sind alle bei derselben Vergrösserung gezeichnet. Es zeigt sich, dass bei den Monotremen und den untersuchten Marsupialiern die Drüsen einen starken Wulst bilden, der sofort (nament- lich bei Dasyurus ist dies deutlich) hinter dem Sphincter in ganzer Breite einsetzt, während bei Manis javanica die Drüsen keine so compacte Masse bilden, sondern erst in einiger Entfernung vom Sphincter (soweit wir hier einen solchen annehmen dürfen) beginnen. Auch bei Ornithorkynchus und Echidna vermag ich einen Schliessmuskel nur schwer zu erkennen. Bei Echidna ist die Ringmuskelschicht wenig verdickt und fällt dann nicht plötzlich, sondern ganz allmählich ab, bei Ornithorhynchus ist dieses Verhalten noch mehr ausgesprochen. Das, was die alte Anatomie bei diesen Thieren für den Pyloruswulst nahm, ist, wie ich früher ausgeführt habe, Drüsenmasse und nur zum kleineren Theil Muskel. Ich füge bei, um nicht wieder von LESSHAFT?) missverstanden zu werden, dass ich einen Schliessmuskel wohl auch hier annehme, aber nur so geringgradig entwickelt, wie ich denselben in der Zeichnung, wiedergebe. Der Drüsenwulst reicht bei allen untersuchten Thieren nur sehr wenig weit im Darme abwärts. Stelle ich die Zahlen zusammen, so sind sie für Echidna 18, Ornithorhynchus 7, Dasyurus 8, Perameles 5,5 und Manis javanica 20 mm. — Halte ich mich dagegen, was wichtiger ist, an die Lage zu den Organen, so sind es vor allem die in den Anfangstheil des Darmes einmündenden Gänge der benachbarten grossen Drüsen. Vor allem ist es der Gallengang, welchen ich bei den genannten Thieren nach seiner Lage zu den BrunnEr’schen Drüsen untersucht habe. Bei allen 5 untersuchten Thieren reichten die BRUNNER’schen Drüsen nicht bis zur Einmündungsstelle des Gallenganges. In Fig. 16 und 25 konnte derselbe in der Abbildung noch eingetragen werden. Da er in den anderen Figuren der räumlichen Verhältnisse halber wegbleiben musste, so gebe ich zur Ergänzung, folgende Zahlenangaben. Diejenigen Gänge, welche ich für die Gallengänge halte, münden bei Ornithorhynchus etwa I cm unterhalb, bei Echidna etwa 2,45 cm unterhalb der Stelle, an welcher die Brunner’schen Drüsen aufhören. Für Dasyurus und Manis sind die Verhältnisse aus der Zeichnung ersichtlich, nur für Perameles vermag ich keine positiven Angaben zu machen, da ich den Gallengang in dem kurzen mir zur Verfügung stehenden Darm- stück nicht vorfand.. Wenn nun auch die geringe räumliche Ausdehnung der BRunnEr’schen Drüsen beim zuletzt genannten Thiere (welche aus Fig. 20 ersichtlich ist), kaum einen Zweifel lässt, dass auch hier der Gallengang unterhalb der Brunner’schen Drüsen mündet, so kann ich doch dieses Thier nicht für die 3eweisführung heranziehen. Bei den vier Thieren jedoch, bei denen, wie angegeben, der Gallengang erst ı) A. Kuczynskı, Beitrag zur Histologie der Brunner’schen Drüsen. Internat. Monatsschrift f. Anat. und Physiologie, 3d. VII, S. 419—446, mit Tafel XXII, 1890. 2) P. LESSHAFT, Der anatomische Unterricht der Gegenwart. Anat. Anzeiger, Bd. XII, S. 395-416, 1896. 59 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 427 unterhalb des Aufhörens der BRUNNER’schen Drüsen mündet, haben wir es mit einem Verhalten zu thun, wie es sich bei zahlreichen, jedoch nicht allen Säugern findet. Wir können bei diesen Thieren das Duodenum, wenn wir im makroskopischen Sinne von einem solchen reden wollen, in zwei Theile zerlegen, in einen zwischen Magen und Gallengang gelegenen und den Rest. Nur der erstere enthält BRunner’sche Drüsen. Aehnlich verhalten sich nach meinen Untersuchungen, welche ich auf eine grössere Thierreihe aus- gedehnt, jedoch noch nicht abgeschlossen habe, zahlreiche Säuger aus verschiedenen Ordnungen. Es taucht danach die Frage auf, ob dies nicht vielleicht allgemein gültig für die Säuger sei. Dies ist jedoch offenbar nicht der Fall. Zunächst ist für den Menschen bekannt, dass sich BRUNNER’Sche Drüsen noch jenseits der Einmündungsstelle des Gallenganges finden. Vergleiche darüber z. B. das Lehrbuch von RAUBER '!). Ferner lassen die Angaben verschiedener Autoren, dass beim Pferd die BRuUnnEr’schen Drüsen 7—8 m, beim Rind höchstens 44,5 m, beim Schwein 3,5 m, auch beim Kaninchen und Meerschweinchen relativ weit nach abwärts reichen, kaum einen Zweifel daran, dass sie hier überall noch jenseits der Einmündungsstelle des Gallenganges zu finden sein werden. Es scheint mir nun aus naheliegenden Gründen die Einmündungsstelle des Gallenganges ein viel festerer und ein sicherer zu bestimmender Punkt, als es das Ende des Duodenums ist. Daraus folgt, dass ich dem Ueberschreiten der Ausmündungsstelle des Gallenganges durch die BRUNNER’schen Drüsen eine grössere Wichtigkeit beimesse, als den allerdings auch wichtigen Angaben, wie weit (absolut und relativ) diese Drüsen im Duodenum resp. im Darme nach abwärts reichen. Wir sind danach vor die Möglichkeit gestellt, zu behaupten, dass bei gewissen Säugern die BRUNNER’schen Drüsen nur den Raum zwischen Sphincter pylori und Einmündungsstelle des Gallenganges einnehmen (häufig nicht einmal diesen Raum vollständig), dass sie dagegen bei anderen Säugern die Einmündungs- stelle des Gallenganges überschreiten und weiter im Darme nach abwärts reichen. Zu ersteren gehören einmal alle von mir untersuchten niederen Säuger, vor allem die beiden Monotremen, dann auch die unter- suchten Beutelthiere und Manis javanica. Es liegt nun der Schluss nahe, dass dieses Verhalten (da es den Monotremen und zahlreichen anderen Säugern gemeinschaftlich ist) ein ursprüngliches sei. Wollen wir weiter darauf bauen, so können wir schliessen, dass die BRUNNER’schen Drüsen bei niederen Säugern ihren Ursprung an einer zwischen Magen und Einmündungsstelle des Gallen- ganges gelegenen Stelle nahe dem Pylorus nahmen, dass sie sich bei höheren Säugern entweder an dieser Stelle erhielten oder weiter nach abwärts im Darme ihre räumliche Ausbreitung fanden. Selbstverständlich würde es dieser Theorie keinen Eintrag thun, wenn bei anderen Beutelthieren (etwa den Känguruhs) oder manchen Edentaten die BRUNNER’'schen Drüsen weit im Darme nach abwärts reichen würden. Es ist vielmehr auch hier, wie im Magen anzunehmen, dass sich die Veränderungen innerhalb der einzelnen Ordnungen unabhängig von einander vollzogen haben. Für letzteres spricht vor allem der Umstand, dass wir auch noch bei zahlreichen Vertretern höherer Ordnungen, z. B. bei manchen Nagern und Insectivoren, Verhältnisse finden, welche an die bei den niederen Säugern sich findenden direct anschliessen. Soll ich endlich skizziren, wie ich mir die Entwickelung der Brunner’schen Drüsen denke, so bin ich durchaus geneigt, sie als eine Fortentwicklung der Pylorusdrüsen aufzufassen. Bei zahl- reichen niederen Wirbelthieren finden wir Spuren einer Tendenz der Pylorusdrüsen, sich über den Sphincter hinaus auszubreiten, so z. B. bei Urodelen, wo eine scharfe Grenze zwischen den letzten Pylorusdrüsen und den Darmdrüsen überhaupt schwer zu ziehen ist. Die letzten Pylorusdrüsen zeigen ferner bei manchen Reptilien und Vögeln an ihren unteren Enden die Tendenz, sich stärker zu entwickeln, eine Tendenz, die 1) RAUBER, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 4. Aufl. von QuAm-HoFFMANN’s Anatomie, Leipzig. Vergleiche auch die früheren Auflagen dieses Werkes. gr 56* 428 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 60 auch noch bei Säugern [zum Ausdruck kommt. Verbinden wir beides, so werden wir leicht den Vorgang der Entstehung der Brunner’schen Drüsen so deuten können, dass die Drüsen der Pylorusdrüsenzone, über den Sphincter hinauswachsend und zu einer excessiven Entwickelung gelangend, die Muscularis mucosae durchbrechen und so zu BRUNNERr’schen Drüsen werden. Ich möchte mich, nachdem ich diese Theorie zu begründen versucht habe, im vornherein gegen einige Vorwürfe vertheidigen, welche man mir aus derselben machen könnte. Vor allem scheint die Art des Einwachsens der Pylorusdrüsen in den Darm ein Punkt, der kurz erörtert werden muss. Wie stets bei solchen Veränderungen, kann es sich um zweierlei Vorgänge handeln. Entweder es wächst die Pylorus- schleimhaut oder deren Theile direkt in den Darm hinein, die dort sich findende Schleimhaut verdrängend. Oder aber es bildet sich die Darmschleimhaut in dem Sinne um, dass sie der Pylorusschleimhaut ähnlich wird. Die Fähigkeit hierzu mag ihr als einem Theil des Darmrohres wohl zukommen, sie bildet sich ebenso und aus ähnlichen Ursachen, wie sich seiner Zeit bei niederen Thieren die Pylorusdrüsen selbst bildeten. Analog meiner Auffassung über Umbildung im Magen neige ich auch hier der letzteren Möglichkeit mehr zu, als der ersteren. Ferner habe ich zu erwähnen, dass die Streitfrage, ob die Drüsenzelle der Pylorusdrüse mit der der BRunner’schen Drüse ganz gleich gebaut ist, für meine Theorie ganz gleichgültig ist. Damit, dass die Drüsen mit dem Durchbruch durch die Muscularis mucosae in andere Verhältnisse gerathen, kann sich viel- leicht ihr Bau ändern, wie sich ja die Zellen aller Drüsen ändern, wenn sie: vom Mutterboden abrücken. Wie von einigen Autoren gefunden wird und wie auch die Resultate dieser Arbeit bestätigen, zeigen ja sogar die Zellen der Brunner’schen Drüsen selbst bei verschiedenen Thieren kleine Unterschiede. 4. Zur Theorie der LIEBERKÜHN’schen Drüsen und des Oberflächenepithels. Es ist nun schon eine Reihe von Jahren verflossen, seit BIZZOZERO!) eine Theorie aufgestellt hat, nach der die LiEBERKÜHnN’schen Drüsen des Säugerdarmes Regenerationsherde für das Oberflächenepithel sein sollten. Der italienische Gelehrte hat mit grossem Fleiss und ausserordentlicher Sorgfalt Thatsachen gesammelt, welche ihm für seine Theorie zu sprechen scheinen, und dieselben in zahlreichen Schriften publicirt. Es darf wohl als Hauptbeweis für BrzzozEro’s Theorie gelten, dass, wie auch (ausser BIZZOZEROo) zahlreiche andere Forscher angeben, in den LiEBERkÜHnN’schen Drüsen Mitosen zahlreich vorkommen, während sie im Oberflächenepithel ausserordentlich selten sind. Aber nicht nur damit, sondern auch durch eine genaue Beschreibung der jüngeren Zellen in der Tiefe und der älteren Zellen an der Oberfläche und das allmähliche Uebergehen der einen in die anderen hat BızzozEro eine exacte Beweisführung zu geben ver- sucht. — So ist es nicht zu verwundern, dass diese Theorie in glänzender Weise von den Fachgenossen aufgenommen wurde. Sie hat immer mehr Boden gewonnen und selbst in für Studirende bestimmte Lehr- bücher Eingang gefunden. Es geschah dies mit gewissem Recht, da die Theorie allen Vorgängen und Veränderungen, die wir in den LiEBErkÜHn’schen Drüsen sich abspielen sehen, Rechnung trägt und dieselben in verständlichen Zusammenhang bringt. Es wurde deshalb von allen Schwierigkeiten abgesehen, welche die Theorie in sich birgt — und doch giebt es solche. Ich erinnere z. B. daran, dass es eine starke Zu- muthung an unsere Vorstellungskraft ist, dass wir uns die Darmepithelzellen in einer beständigen Wanderung begriffen denken sollen gegen die Spitze der Zotte hin. Der Zusammenhang der Gewebe ist im thierischen C - A a, : 5 : Jrganismus allgemein ein so inniger, dass uns eine solche Vorstellung schwer fallen muss. Ein Vergleich !) Vergleiche die Fussnote auf S. 406. 61 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 429 mit geschichteten Epithelien ist ja in keiner Weise fördernd, da in den geschichteten Epithelien unter normalen Verhältnissen keine Verschiebung der Zellen auf ihrer Unterlage, wie hier, stattfindet. Es werden im geschichteten Epithel nur an der Basis neue Zellen gebildet, und dadurch rücken die höheren Schichten weiter. Hier aber sollen sich die Zellen auf dem Gewebsboden fortbewegen, es ist dies eine locomotorische Thätigkeit eigener Art, für die ich, ich muss es gestehen, ein Verständniss und den Glauben, soviel ich mich auch bemühte, noch nicht gefunden habe. Wie BizzozEro selbst angiebt, gilt seine Theorie nicht für andere Epithelien, denn auch im Uterusepithel finden sich im Oberflächenepithel zuweilen Mitosen in sehr grosser Zahl. Kurz, es giebt kein Beispiel (für das normale Wachsthum nicht embryonaler Gewebe), welches uns das Fortwandern der Epithelien auf ihrem Boden plausibel machen könnte. Ich habe mich mit der Ansicht BızzozEro’s viel beschäftigt, da es mir obliegen wird, in dem zweiten Theile meines Lehrbuches der vergleichend-mikroskopischen Anatomie zu derselben Stellung zu nehmen. Vielen der von BizZozEro angeführten Thatsachen vermag ich heute noch keine andere bessere Deutung zu geben, als dies BızzozEro selbst durch seine Theorie that, so z. B. dem Umstande, dass Mitosen in den Krypten häufig, im Oberflächenepithel selten sind. Und so glaube ich, dass wir mit der Theorie BIZZOZERO’S so lange rechnen müssen, solange nicht bewiesen ist, dass sie falsch ist, oder solange wir nicht eine bessere an ihre Stelle setzen können. Ich stehe daher der Theorie BiZZOZERo’s freundlich gegenüber, wenn ich dieselbe auch nicht für bewiesen halte. Hier ist nur meine Aufgabe, die Ergebnisse meiner Untersuchungen an den niederen Säugern zu prüfen, inwieweit sie sich BızzozEro’s Theorie anpassen lassen und ob sie etwa bestimmt dafür oder dagegen sprechen. Die gewöhnlichen Säugethiere des Laboratoriums, welche auch BIZZOZERO untersuchte, zeigen geringe Unterschiede im Bau der LieBErkÜHN’schen Drüsen. Doch zeigen auch diese kein ganz gleiches Verhalten, so nimmt BızZoZEROo z. B. an, dass im Rectum beim Hund die Regeneration des Epithels im Blindsack der Drüse stattfindet, während beim Kaninchen zwei Hauptregenerationsherde vorhanden sind, nämlich der eine im Blindsack, der andere am Drüsenhalse. Noch grössere Unterschiede dürften zu erwarten sein, wenn wir an Thiere herantreten, welche, wie ein Theil der von mir untersuchten, nur wenig Ueber- einstimmung im Bau der LiEgerkünn’schen Drüsen des Darmes mit den gewöhnlichen Säugern des Labo- ratoriums zeigen. Wenig Schwierigkeit dürften meine Funde an Manis javanica machen, dieselben passen ohne weiteres in den Rahmen der BızzozEro’schen Theorie. Etwas schwieriger ist darin Echidna. Hier fand ich im Drüsengrund eine eigenthümliche Zellart mit gekörnter Innenzone, welche den Eindruck specifischer Drüsenzellen machen und mit dem Epithel der Oberfläche des Darmes, wohin diese Zellen nach BIZZOZERO später wandern sollen, ausserordentlich wenig Aehnlichkeit zeigt. Ich lege hier wie im Folgenden auf die von mir im Text beschriebenen Verhältnisse der Mitose absichtlich keinen Werth, da mir mein Material für eine Beweisführung in dieser Hinsicht doch nicht genügend gut conservirt ist. — Kaum möglich scheint es ‚dann (und es ist mir fraglich, ob BizzozZEro sich auch über diese Schwierigkeiten hinwegsetzen darf), die Verhältnisse bei Dasyurus und Perameles in den Rahmen der Wandertheorie BızzozEro’s hineinzupressen. Das Epithel der Lieserkünn’schen Drüsen unterscheidet sich bei diesen Thieren vom Oberflächenepithel wesentlich, es sind niedrige Zellen, welche in engen, in grösserer Zahl zusammenmündenden Schläuchen liegen; aus den Schläuchen heraustretend, sollten sie nun plötzlich zu den hohen Oberflächenepithelien werden? Vielleicht setzt sich aber BızzozEro auch über diese Schwierigkeit hinweg, wie er ja auch im Darme der Amphibien die Zellen der von mir und Anderen als Drüsen angesprochenen Gebilde zu den hohen Oberflächenepithelien auswachsen lässt. Derartige Annahmen BIzZoOZERO’s überschreiten zwar die Grenze des Möglichen nicht, doch dürfen wir jedenfalls eine Theorie nicht für bewiesen ansehen, welche so verschiedene Vorgänge gewaltsam in einen Rahmen bringen will. Schon der Gedanke, dass BIZZOZERO 430 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 62 >) die so sehr verschiedenen Drüsen des Amphibien- und Säugerdarmes hauptsächlich deshalb als gleichwerthig hinstellt, weil beide Mitosen enthalten, muss zur Vorsicht mahnen. Die grössten Schwierigkeiten für eine Anpassung an BızZzoZEro’s Theorie bestehen bei Ornitho- rhynechus. Wie ich im Texte ausgeführt habe, münden hier die LIEBERKÜHN’Schen Drüsen in grosser Zahl in weite Räume, von denen aus nur ein enger Kanal zur Oberfläche führt. Wenn ich ganz von dem mehr- maligen Wechsel in der Form des Epithels absehe, so scheint mir doch die Frage, wie sollen die Zellen aus dem geräumigen Kanalsystem durch den engen Mündungsring sich hinausdrängen, um zur Oberfläche zu gelangen und sich dort wieder auszudehnen, kaum zu beantworten. Es sind natürlich alle meine Befunde nicht geeignet, BIZZOZERO mit der Aufforderung vorgelegt zu werden, er möge meine Befunde nachprüfen, da sie sich ja auf ein Material beziehen, das aus fernen Landen stammt. Doch mögen meine Zeilen vorläufig als ein Hinweis darauf dienen, dass die Verhältnisse für die Vertebraten im Allgemeinen so einfach, wie sie BIZZOZERO für die Thiere seines Labora- toriums schildert, nichtsein können, selbst wenn man mit ihm eine Wanderung der Epithelzellen annehmen wollte. Dies erweist sich, sobald man ein grösseres Thiermaterial darauf prüft, und weitere Untersuchungen Anderer an anderem Material werden gewiss auch weitere Verschiedenheiten zeigen. Leider reicht die Con- servirung meines Materials nicht dazu aus, mit Sicherheit zu bestimmen, wo hier eventuelle Regenerations- herde (im Sinne BızzozEro’s) für das Oberflächenepithel ihren Sitz haben könnten. 5. Stratum compaetum. Ich habe im ersten Theile meines Lehrbuches der vergleichend-mikroskopischen Anatomie den Namen „Stratum compactum“ eingeführt für eine im Magen mehrerer Wirbelthiere sich findende, noch wenig unter- suchte Schicht. Dieselbe wurde zuerst abgebildet von Morın im Magen des Falken, dann beschrieb sie Zeiss im Magen der Katze, auch findet sie sich im Magen (Forelle) und Darm (Schleie) von Fischen. Diesen verschiedenen Bildungen, welche im Bau immerhin kleine Differenzen zeigen, ist Folgendes gemein- schaftlich. Es handelt sich um eine in der Mucosa zwischen den unteren Drüsenenden und der Muscularis mucosae gelegene Schicht kernfreien, beianderen Thieren kernarmen, compacten Gewebes. Dieselbe, in ihrer Dicke die Muscularis mucosae oft übertreffend, stellt einen wesentlichen Bestandtheil der Magendarmwand dar. Der Umstand, dass dieselbe nicht bei allen Thieren vorhanden ist (oder wenigstens nicht so stark entwickelt ist, dass sie sofort im Schnitte kenntlich wird), beweist, dass sie zwar nicht für den Bau und damit für die Function des Magendarmkanals nothwendig ist, nichtsdestoweniger lässt ihre weite Verbreitung in starker Entwickelung ihre hohe Bedeutung dort, wo sie vorkommt, zweifellos. Es erscheint durchaus nicht über jeden Zweifel erhaben, dass wir überall, wo diese Schicht auftritt, mit ein und demselben Gebilde zu thun haben, etwa so, dass wir diese Schicht bei höheren Vertebraten in ihrer Entstehung von der entsprechenden Schicht bei niederen Vertebraten ableiten könnten. Wohl aber dürfen wir, auch wenn das Stratum compactum bei verschiedenen Thieren für sich entstanden wäre, sagen: Es besteht in den tiefen Schichten der Mucosa des Magendarmtractus der Wirbelthiere die Möglichkeit und Neigung zur Consolidirung des sonst lockeren Ge- webes, welche zur Bildung compacter Membranen führt, die wir, trotzdem sie bei ver- schiedenen Wirbelthieren kleine Unterschiede im Bau zeigen, unter dem einheitlichen Namen Stratum compactum zusammenfassen wollen. 63 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 431 Auch von MArrL!) wurde im Hundedarm früher unter dem Namen Stratum fibrosum eine Schicht beschrieben, welche ich unter den von mir aufgestellten Begriff des Stratum compactum einbeziehen zu dürfen glaube. 1888 beschrieb Mar diese Schicht als eine elastische, mit Leukocyten bedeckte Haut, welche beide er damals Stratum fibrosum und Stratum eranulosum nannte. Sein Stratum fibrosum besteht aus einem Maschenwerk, man kann nicht sagen, von Bändern, aber auch nicht von Fasern, die Maschen sind rund oder oval, verschieden gross. In den sie umgrenzenden Fasern finden sich keine Kerne. Die Fasern quellen nicht durch Essigsäure, sie gehen auch nach vielstündiger Behandlung mit künstlichem Labsaft bei 40° € nicht in Lösung, und sie vertragen, ohne zu verschwinden, eine mehrstündige Einwirkung einer IO-proc. Kalilösung. Seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften gemäss muss demnach das Häutchen zum elastischen Gewebe gezählt werden. Die Oeffnungen des Häutchens sind die Pforten für die durchtretenden Gefässe. Durch ihre Eigenschaft, den Gefässen zur Führung und Vertheilung dienlich zu sein, gewinnt das Stratum für den Blut- und Lymphstrom seine besondere Bedeutung. 1891 fügt Marr ?) bei: „da diese Schicht kein weisses, fibröses Gewebe enthält, könnte man jetzt den Namen ändern.“ Ich glaube, dass der von mir gewählte Name „Stratum compactum“ sich zur Annahme empfiehlt, da er nicht nach Personen gewählt ist, also nicht zur Erörterung von Prioritätsfragen (für den Fall, dass die Schicht schon ein früherer Beobachter, als Morın gesehen hätte) Anlass geben kann, und da er anderer- seits sich kein Urtheil anmasst über die noch wenig bekannten und vielleicht bei verschiedenen Thieren verschiedenen Gewebstheile, welche diese Schicht zusammensetzen. Meine’neuen Untersuchungen haben nun ergeben, dass sowohl in der Ordnung der Mar- supialier (bei Dasyurus hallucatus) wie in der der Edentaten (Manis javanica) ein Stratum com- pactum auftritt, das an Mächtigkeit hinter dem im Magen resp. Darm von Forelle, Schleie, Falke, Katze bekannten nicht zurücksteht. Der Frage nach der Function des Stratum compactum vermag ich auch heute noch keine definitive Lösung zu geben. Nachdem das weitverbreitete Vorkommen des Stratum compactum nunmehr dargethan ist, erfordert dasselbe eine eingehende Erforschung seiner Elemente. Marr rechnete es, wie angegeben, 1888 zu den elastischen Geweben. 1891 rechnet er es nicht mehr zum elastischen Gewebe (‚die Schleimhäute des Magens und Darmes enthalten kein elastisches Gewebe“), aber auch nicht zum fibrösen Gewebe, sondern zum reti- culirten Bindegewebe. Marr denkt sich die compacte Schicht durch besonders dicht liegende Fasern dieses Gewebes gebildet. Die Marr’schen Untersuchungen auf weitere Thiere, welche ein Stratum compactum besitzen, auszudehnen, wäre Erforderniss. Dann erst dürfte man daran denken, die Function dieser Schicht zu ergründen und derselben eine stützende oder bewegende Thätigkeit zuschreiben. Jedenfalls dürfte das Stratum compactum zu denjenigen Schichten gehören, welche der Darmwand eine erhöhte Festigkeit zu verleihen im Stande sind. 6. Der Blinddarm. Der Blinddarm wurde bei drei Thieren untersucht; er zeigt bei diesen dreien durchaus verschie- denen Bau. Ich unterscheide: I) Einfaches Verhalten. Bau in der Art des Dickdarmes, ohne besonders ı) Marr, Die Blut- und Lymphgefässe im Dünndarm des Hundes. Abhandl. d. math.-physik. Kl. der K. sächs. Gesellsch. der Wiss., Bd. XIV, p. 153—189, 6 Tafeln, 1888. 2) MALL, Das reticulirte Gewebe und seine Beziehungen zu den Bindegewebsfibrillen. Mit ıı Tafeln. Abhandl. d. math.- physik. Kl. d. K. sächs. Ges. d. Wiss., Bd. XVII, p. 299— 338, Leipzig 1891. 432 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 64 wesentliche Einlagerungen von Lymphgewebe. 2) Abgeändertes Verhalten. Starke Einlagerungen von Lymph- gewebe, so wie es z. B. für den Processus vermiformis des Menschen bekannt ist. Bei Echidna zeigte die inden Darm mündende Hälfte des Coecums starke Einlagerung von Lymphgewebe, die distale dagegen einfaches. Verhalten. Bei Ornithorhynchus zeigte das ganze Coecum starke Einlagerungen von Lymphgewebe, bei Phalangista fehlten dagegen solche, und der ganze Blinddarm zeigte einfaches Verhalten. Besonders interessant ist das Verhalten von Echidna. Hier beginnt die Einlagerung des Iymphoiden Gewebes nicht von der Spitze des Coecums, um von da gegen das proximale Ende fortzuschreiten, wie es sich nach dem in ein Coecum und einen Processus vermiformis getheilten entsprechenden Darmanhang des Menschen vielleicht annehmen liesse. Vielmehr ist dies bei Echidna gerade umgekehrt. Das Verhalten der Monotremen darf, dies zeigt der Vergleich mit anderen Säugethieren, auch hierin durchaus nicht als ein ursprüngliches angesehen werden, von dem dasjenige, welches wir bei anderen Säugern finden, abzuleiten wäre. Vielmehr sind die starken Iymphoiden Einlagerungen bei Ornithorhynchus im ganzen Coecum und bei Echidna in seinem proximalen Theil als secundäre, erst in der Ordnung der Monotremen so hoch ausgebildete Abänderungen aufzufassen. Wenn nämlich dies für Säuger allgemein typisch wäre, so dürften wir nicht, um nur ein Beispiel zu erwähnen (andere Säuger werde ich in meinem Lehrbuche heranziehen), bei Phalangista einfachere Verhältnisse, welche sich im Bau an die des übrigen Darmes näher anschliessen, finden. Zusammenfassung der Resultate. Im Darme der niedersten Säuger finden sich BRUNNER’sche und LIEBERKÜHN’sche Drüsen. Der Ausbreitungsbezirk der BrunneEr’schen Drüsen ist bei den Monotremen nur auf den Anfangstheil des Darmes beschränkt, hier wie auch bei den weiteren untersuchten niederen Säugern reichen sie nicht bis zur Einmündungsstelle des Gallenganges nach abwärts. Die Entstehung der Brunner’schen Drüsen erfolgte phylogenetisch in einem kleinen Bezirk am Anfangstheil des Darmes in unmittelbarer Nähe des Pylorus und in Abhängigkeit von den Pylorusdrüsen des Magens. Bei zahlreichen Vertretern auch höherer Säugerordnungen haben sich diese Verhältnisse bis heute erhalten. Eine weitere Ausbreitung der BRuNNEr’schen Drüsen über die Einmündungsstelle des Gallen- ganges hinaus nach abwärts im Darme (wie dies z. B. im Duodenum des Menschen der Fall ist) ist eine secundäre Bildung. Die LIEBERKÜHN’schen Drüsen schliessen in ihrem Verhalten bei Manis javanica an das für Säuger anderer Ordnungen bekannte nahe an. Bei Echidna finden sich im Drüsengrunde zahlreiche Zellen mit gekörnter Innenzone, bei Dasyurus und Perameles unterscheiden sich die Drüsenepithelien so wesentlich vom Oberflächenepithel, dass die Theorie BIZZoZERo’s, welche einen allmählichen Uebergang der Drüsenepithelien ins Oberflächenepithel annimmt, in diesen Befunden keine Unterstützung findet. Nur schwer möglich lassen eine Epithelwanderung im Sinne Bızzozero’s die Verhältnisse bei Ornithorhynchus erscheinen. Bei Ornithorhynchus münden die LiEBERKÜHN’schen Drüsen des Dünn- und Dickdarmes nicht direct zur Darmoberfläche, sondern in Vorräume, welche durch enge „Mündungsringe“ mit der Oberfläche in Verbindung treten. 65 Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. 433 In den tieferen Schichten der Mucosa des Magendarmtractus der Wirbelthiere besteht die Möglichkeit und Neigung zur Consolidirung des sonst lockeren Gewebes, welche zur Bildung compacter Membranen führt, die wir trotzdem, dass sie bei verschiedenen Wirbelthieren kleine Unterschiede im Bau zeigen, unter dem einheitlichen Namen „Stratum compactum‘“ zusammenfassen wollen. Dieser schon früher von mir auf- gestellte Satz findet weitere Bestätigung dadurch, dass es gelang, im Darme von Dasyurus hallucatus und von Manis javanica, also in zwei weiteren verschiedenen Ordnungen ein stark entwickeltes Stratum compactum nachzuweisen. Das Darmrohr der Monotremen zeigt im Bau zahlreiche Verschiedenheiten vom Bau des Darmrohres anderer (niederer und höherer) Vertebraten. Hierher gehören z. B. das Fehlen der Oesophageal- drüsen bei Ornithorhynchus, Fehlen der Magendrüsen und Umwandlung des Magenepithels in ein geschichtetes Epithel bei Ornithorhynehus und Echidna, endlich merkwürdige Umbildungen im Darmrohre des Ornithorhynchus (Mündung der LiEBERRÜHN’schen Drüsen in Vorräume, welche durch Mündunesringe mit der Oberfläche communiciren), regressive Umbildung des Blinddarmes nach Art eines Processus vermiformis. Fast alle diese Umwandlungen müssen sich in der Ordnung der Monotremen selbst (zum Theil sogar allein bei Ornithorhynchus) gebildet haben, da sie sich bei höheren Säugern nicht allgemein finden. Es sind meine diesmaligen Befunde ein neuer Beweis für meine früher ausgesprochene Ansicht, dass die „niederen“ Säuger nicht als auf einer „niederen‘‘, „einfachen“, „ursprünglichen“ Entwickelungsstufe stehen gebliebene Thiere aufzufassen sind, dass sie vielmehr im Bau ihrer Organe hochgradige Veränderungen zeigen, welche diesen Organen ermöglichen, in anderer Weise (sei es in regressivem oder progressivem Sinne) zu functioniren, als dies bei höheren Säugern der Fall ist. Viele Einrichtungen im Bau der niederen Säuger, speciell der Monotremen, welche auf den ersten Blick als einfach, ursprünglich erscheinen, erweisen sich bei mikroskopischer Untersuchung als in der Ordnung der Monotremen secundär abgeändert, können somit nicht als einfache, ursprüngliche Bildungen dem complicirteren Verhalten dieser Organe bei anderen Säugern gegenübergestellt werden. Abgeschlossen im December 1896. Jenaische Denkschriften. V. 9 Scmon, Zoolog. Forschungsreisen. 11 57 | Fromiannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 1637 F r R = ni r \ . \ 2 srl j wi Verlag von Gustav Fischer in Jena. Nagel Dr. Wilibald, Privatdocent der Physiologie an der Universität Freiburg i. Br., Der Lichtsinn ? augenloser Thiere. Eine biologische Studie. ı896. Preis: 2 Mark yo Pf. D Prof. Dr. Gustaf, Biologische Untersuchungen. Neue Folge, VII. Band. Mit ı5 Tafeln. Retzius, 1895. Preis: 24 Mark. = . \ Inhalt: 1. Ueber ein dem Saccus vasculosus entsprechendes Gebilde am Gehirn des Menschen und anderer Säugethiere. Tafel I. 2. Zur Kenntniss des Gehirnganglions und des sensiblen Nervensystems der Polychäten. Tafel II und III. 3. Das sensible Nervensystem der Crustaceen. Tafel I’—VI. 4. Ueber die Hypophysis von Myxine. Tafel VII, Fig. 1 und 2. 5. Ueber den Bau des sog. Parietalauges von Ammocoetes. Tafel VII, Fig. 3—5. 6. Ueber das hintere Ende des Rückenmarkes bei Amphioxus, Myxine und Petromyzon. Tafel VIII und IX. 7. Ueber den Bau des Rückenmarkes der Selachier. Tafel N—XII. 8. Ueber einige normal durch Ankylose verschwindende Kapselgelenke zwischen den Bogen der Sacralwirbel. Tafel XIII. 9. Ueber Molluscum contagiosum. Tafel XIV. 10. Ueber die Vererbung erworbener Eigenschaften. Tafel XV. Um den Käufern dieses und des VI. Bandes die Anschaffung der vorhergehenden Bände zu er- leiehtern, ist der Preis derselben auf 120 Mark ermässigt worden. 7 + 25 herz b BroRDESEANVEES l in Gi e Zoologische Jahrbücher, erausgegeben von Pro u] pengel in Se Abtheilung für Anatomie und Ontogenie der Thiere. bis achter Band ı888/g4a. Preis: 319 Mark 5o Pf. Ausführlicher Prospekt und Inhaltsverzeichniss sind durch die Verlagsbuchhandlung zu beziehen. Neunter Band. Erstes Heft. Mit 16 Tafeln und 36 Abbildungen im Text. 1895. Preis: 24 Mark. Inhalt: Will, Ludwig, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Reptilien. — Zernecke, Ernst, Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden. — Plate, Ludwig H. Bemerkungen über die Phylogenie und die Entstehung der Asymmetrie der Mollusken. — Fuhrmann, Otto, Die Tänien der Amphibien. Neunter Band. Zweites Heft. Mit ı3 Tafeln und 4 Abbildungen im Text. 1896. Preis: 17 Mark. Inhalt: Cohn, Ludw., Ueber Myxosporidien von Esox lucius und Perca fluviatilis. — Wilder, Harris H., The Amphibian larynız. — Beard, John, The History of a Transient Nervous Apparatus in certain Ich- thyopsida. Part I. Raja batis. Neunter Band. Drittes Heft. Mit ı3 Tafeln. 1896. Preis: ı5 Mark. Inhalt: Rosenstadt, B., Untersuchungen über die Organisation und postembryonale Entwicklung von Lucifer reynaudii M.-Edw, — Stafford, Joseph, Anatomical structure of Aspidogaster conchicola. — Freidenfelt, T., Untersuchungen zur Neurologie der Acephalen. I. Ueber das Nervensystem des Mantels von Mactra elliptica Brown. — Coe, W. R., Notizen über den Bau des Embryos von Distomum hepaticum. Neunter Band. Viertes Heft. Mit 7 Tafeln und 42 Abbildungen im Text. 1896. Preis: ı2 Mark 5o Pf. Inhalt: Schneider, Karl Camillo, Mittheilungen über Siphonophoren. II. Grundriss der Organi- sation der Siphonophoren. — Markert, F., Die Flossenstacheln von Acanthias, Ein Beitrag zur Kenntniss der Hartsubstanzgebilde der Elasmobranchier. Abtheilung für Systematik, Geographie und Biologie der Thiere. Erster bis achter Band. 1886/94. Preis: 355 Mark. Ausführlicher Prospekt und Inhaltsverzeichniss sind durch die Verlagsbuch- handlung zu beziehen. Neunter Band. Erstes Heft. Mit 2 Tafeln. 1895. Preis: 7 Mark. Inhalt: Biekford, Elisabeth E. Ueber die Morphologie und Physiologie der Ovarien der Ameisen- Arbeiterinnen. — Brandt, Karl, Biologische und faunistische Untersuchuugen an Radiolarien und anderen pelagischen Thieren. 1. Untersuchungen über den hydrostatischen Apparat von Thalassicollen und eolonie- bildenden Radiolarien. — de Man, Bericht über die von Herrn Schiffscapitän Storm zu Atjeh, an den west- lichen Küsten von Malakka, Borneo und Celebes sowie in der Java-See gesammelten Decapoden und Stomatopoden. Zweiter Theil. Neunter Band. Zweites Heft. Mit 4 Tafeln. 1896. Preis: 5 Mark 5o Pf. Inhalt: Ortmann, Arnold E, Die geographische Verbreitung der Decapodengruppe der Hippidea. — Garbowski, Tad,, Phyletische Deutung der Lithobiusformen. — Bürger, Otto, Meeres- und Land-Nemertinen, gesammelt von den Herren Dr. Plate und Mieholitz. — Satunin, Konstantin, Vorläufige Mittheilungen über die Säugethierfauna der Kaukasusländer. — Giesbrecht, W., Ueber pelagische Copepoden des Rothen Meeres, gesammelt vom Marinestabsarzt Dr. Augustin Krämer. Neunter Band. Drittes Heft. Mit 2 Karten im Text. 1396. Preis: 3,60 Mark. Inhalt: Ahlborn, Fr, Der Flug der Fische. — de Man, J. G., Bericht über die von Herrn Schiffscapitän Storm zu Atjeh, an den westlichen Küsten von Malakka, Borneo und Celebes sowie in der Java- See gesammelten Decapoden und Stomatopoden. — Brandt, Karl, Das Vordringen mariner Thiere in den Kaiser Wilhelm-Canai. — Ortmann, Arnold E. Das System der Deeapodenkrebse, — Bergh, R. Ueber die Gattung Doriopsilla. Neunter Band. Viertes Heft. Mit 2 Tafeln und ı3 Abbildungen im Text. 1896. Preis: 9 Mark. Inhalt: de Man, J. G, Bericht über die von Herrn Sehiffscapitän Storm zu Atjeh, an den westlichen Küsten von Malakka, Borneo und Celebes sowie in der Java-See gesammelten Decapoden und Stomatopoden. Vierter Theil. — Krauss, H.A. und Vosseler, J., Beiträge zur Orthopterenfauna Orans (West-Algerien). — Krauss, H. A. Zoologische Ergebnisse einer von Dr. K. Escherich unternommenen Reise nach Central-Klein- asien. I]. Theil: Orthoptera. — Ortmann, Arnold E, Ueber „Bipolarität“ in der Verbreitung mariner Thiere. — Ris, F, Untersuchung über die Gestalt des Kaumagens bei den Libellen und ihren Larven. Neunter Band. Fünftes Heft. Mit 3 Tafeln und 38 Abbildungen im Text. 1896. Preis: 8 Mark. Inhalt: Emery, ©, Formieiden, gesammelt in Paraguay von Dr. J. Bohls. — Dean, Bashford, On the larval development of Amia calva. — Rothert, W., Zur Kenntniss der in Vaucheria-Arten parasitirenden Rotatorie Notommata wernecki Ehr. — Borgert, A., Die Doliolum-Ausbeute des „Vettor Pisani“. — Krämer, ® Augustin, Zwei neue Pontella-Arten aus Neu-Süd-Woales. DENKSCHRIFTEN DER NEDICINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GBSELLSC .: ZU JENA. FÜNFTER BAND. RICHARD SEMON, ZOOLOGISCHE FORSCHUNGS IN AUSTRALIEN UND DEM MALAYISCHEN ARCHIP ZWEITER BAND: MONOTREMEN UND MARSUPLALIER V. LIEFERUNG. A MIT < LITHOGRAPHISCHEN TAFELN UND 13 ABBILDUNGEN R JENA 3 VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1897. Re Frommannsche Buchdruckerei (Hermann "Pohle Ara R Nee DB KR a Bi ne j r %: 5 LH; _ Kite: 2 r s ä Da ® nr, E i N“ > < ? , % £ F 3 ; ’ £ 5 e z u. RR.