HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY Be DR lee 29,1936. DEC 29 1936 EINE ErS LI SCHRIFT zum SIEBZIGSIEN GEBURTSTAGE von Be NSl MHAEFOKEL HERAUSGEGEBEN VON SEINEN SCHÜLERN UND FREUNDEN ERSTES ERGÄNZUNGSHEFT: ZUR FRAGE DER ABSTAMMUNG DER SÄUGETIERE VON MAX FÜRBRINGER II TEILT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1904 Verlag von Gustav Fischer in Jena. Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel, zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane. Von Dr. Max Fürbringer, o. ö. Prof. d. Anatomie und Direktor des anatom. Instituts der Univ. Jena. Mit 30 Tafeln. 1888. 2 Bände. Preis: ı25 Mark. — I. Spezieller Teil: Brust, Schulter und proximale Flügelregion der Vögel. Preis: 56 Mark. — II. Allgemeiner Teil: Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete. Systematische Ergebnisse und Folgerungen. Preis: 75 Mark. Die grösseren Vogelabteilungen und ihr gegenseitiger Verband. Versuch eines genealogischen Vogelsystems. Von Dr. Max Fürbringer, o. ö. Prof. der Anatomie und Direktor des anatomischen Instituts der Univ. Jena. Sep.-Abdr. von Cap. 6 des Systemat. Abschn. des Allgemeinen Teiles (der Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel). Mit 4 Tafeln. 1888. Preis: 7.50 Mark. Beitrag?!zur Kenntnis der Kehlkopfmuskulatur. Von Dr. Max Fürbringer, o. ö. Prof. der Anatomie und Direktor des anatomischen Instituts der Universität Jena. 1375. Preis: 3 Mark. ; Beitrag zur Systematik und Genealogie der Reptilien. Von Dr. Max Fürbringer, o. ö. Prof. der Anatomie und Direktor des anatomischen Instituts der Univ. Jena. Abdruck a. d. Jen. Zeitschr. für Naturw. N. F., Bd. XXVIL 1900. Preis: 2.40 Mark. Soeben erschienen: Festschrift zum siebzigsten Geburtstage von Ernst Haeckel. Herausgegeben von seinen Schülern und Freunden. Mit ı6 Tafeln und 109 Abbildungen im Text. Preis: 80 Mark. 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EESTSCHRIET ZUM SIEBZIGSTEN GEBURTSTAGE VON ERNST HAECKEL HERAUSGEGEBEN VON SEINEN SCHÜLERN UND FREUNDEN ERSTES ERGÄNZUNGSHEFT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1904 PESITI SS zum SIEBZIGSIEN GEBURTSTAGE \Y ol BED ENEOREE HERAUSGEGEBEN VON SEINEN SCHÜLERN UND FREUNDEN ERSTES ERGÄNZUNGSHEFT: ZUR FRAGE DER ABSTAMMUNG DER SÄUGETIERE VON MAX FÜRBRINGER > 16 MILE, JENA VERLAG VON G USTAV FISCHER 1904 Uebersetzungsrecht vorbehalten Printed in Qermany Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. Max Fürbringer. len 2 60 5 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 60 5 5. Gehörknochen (mit kurzen Bemerkungen über Gehörknochenmuskeln, Paukenhöhle und Trommelfell). Bereits in den vorhergehenden Abschnitten wurde der Gehörknochen und der sonst hierher ge- hörigen Bildungen wiederholt gedacht. Hier liegt eine ungemein ausdrucksvolle Formation vor, die an sich sehr geeignet erscheint, über die Verwandtschaft der Mammalia zu den Amphibia und Sauropsida aufzuklären. Leider sind aber die morphologischen Grundlagen trotz sehr zahlreicher Arbeiten nichts weniger als gesichert. Dementsprechend gestaltet sich dieser Abschnitt umfangreicher als die vorhergehenden, wenn auch nur in gedrängter Kürze, unter Verzicht auf alle Einzelheiten, auf diese Frage eingegangen werden sol. Des näheren verweise ich vor allem auf das Referat von Gaupp (1899), sowie auf die neueren einschlägigen Arbeiten von VERSLUYs (1898, 1903, 1904), BROMAN (1899), Kınsstey and Ruppick (1 899), 1900, 1901), GADow (1901) und DRÜNER (1903, 1904). Bekanntlich bildet die Homologie der Gehörknochen seit alter Zeit bis auf den heutigen Tag eines der vielumstrittensten Gebiete der Wirbeltier-Morphologie. Von den verschiedenen Angaben und Theorien, welche vergleichende Anatomie und Öntogenie über de mammalen Gehörknochen (Malleus, Incus, Stapes) zu Tage gebracht haben, seı folgendes mitgeteilt: ı) Alledrei Gehörknochen ausschließlich Abkömmlinge des ı. Visceralbogens. In alter Zeit namentlich von GÜNTHER (1842) vertreten, welcher Malleus von dem ventralen, Incus und Stapes von dem dorsalen Gliede des Kieferbogens ableitete.e Auch Korrmann (1898) trat für eine einheitliche Anlage aller drei Knochen ein, hielt aber hinsichtlich des Stapes offen, ob er von dem ı. oder 2. Visceralbogen abkömmlich sei. Zu ähnlichen Anschauungen gelangte SALENSKY in seiner ersten bezüglichen Mitteilung (1879), indem er das die Art. carotis interna umgebende und nach ihm dem Stapes Entstehung gebende Bindegewebe zum ı. Visceralbogen rechnete. Auf anderem, mehr spekulativem Wege kam ALBRECHT (1883, 1884) auch zu Anschauungen, die hier anzureihen sind, indem er einen mandibularen Bogen aufstellte, dessen ventrales Stück dem Mecrerschen Knorpel entspreche, während das dorsale (durch das Hyomandibulare der Autoren repräsentierte, nach ALBRECHT aber als Epimandibula anzusprechende) Stück sich bei den Mammalia und Non-Mammalia in die Gehörknochen (nach ArBrREcHT 4, indem er irrtümlich die Apophysis lenticularis der Säugetiere als besonderes Skelett- element betrachtete und eine Sonderung der Columella s. lat. der Amphibien und Sauropsiden in 4 Stücke annahm) gliedere; damit wurde zugleich eine komplette Homologie der Gehörknochenkette der Säuge- tiere und der Nicht-Säugetiere behauptet. Einen teilweisen Anschluß an ALBRECHT mit gewissen Ab- weichungen im Detail vollzogen Dorro (1883), Baur (1886), SCHWALBE (1887), KuHn (1892) u. A- SCHWALBE modifizierte ALBrecHts Theorie dahin, daß er den der Gehörknochenkette der Mammalia und Non-Mammalia Entstehung gebenden Visceralbogenteil (Epimandibula Arsrechr) weder zu dem Kiefer- bogen noch Zungenbeinbogen, sondern zu einem zwischen beide eingeschobenen Visceralbogen rechnete. 2) Alle drei Gehörknochen in der Hauptsache (mit Ausnahme des aus dem 2. Visce- ralbogen hervorgehenden Processus accessorius mallei) und mit gewissen Kieferteilen aus dem dorsalen Stück des ı. Visceralbogens (Quadratum) abkömmlich. Diese Ableitung wurde, wie schon oben (S. 583, 591) erwähnt, neuerdings von DRÜNER (1904) auf Grund der Untersuchung junger Säuge- tierembryonen gegeben. DRÜNER vergleicht daraufhin den squamosalen Gelenkknorpel und den Meniscus des Kiefergelenks, das hintere Ende des Mecrerschen Knorpels, den Hauptteil des Malleus, den Incus und den Stapes mit dem Quadratum der Urodelen, wobei er aber noch die Frage offen läßt, ob der 606 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 606 Stapes wirklich dem Blastem des ı. Visceralbogens entstamme oder dem der Labyrinthkapsel, das hier zugleich in das Blastem des 2. Visceralbogens kontinuierlich übergehe. Die Verbindung des Stapes mit dem Hyoid (Proc. styloides) durch Vermittelung des Interhyale tritt nach ihm erst in späteren Ent- wickelungsstadien deutlich hervor. Damit entscheidet sich DRÜNER für eine vollkommene Nichthomo- logie der Gehörknochen der Mammalia und Urodela, insbesondere auch, mit dem oben erwähnten Frage- zeichen, des Stapes und des Operculums derselben. Den Proc. accessorius mallei leitet er dagegen von dem Hyoidbogen ab und läßt ihn sekundär mit dem Hauptteil des Hammers verschmelzen. Einen wesentlichen Faktor in seiner Beweisführung bildet zugleich die hochgradig dorsale Lage des Hammer- Amboß-Gelenkes der Säugetiere gegenüber dem ventraler gelegenen Kiefergelenk der Nicht-Säugetiere, eine Differenz, welche auch durch die weitestgehende Annahme einer sekundären Verschiebung dorsal- wärts nicht beseitigt werden könne. 3) Malleus und Incus aus dem 1, Stapes aus dem 2. Visceralbogen abkömmlich. Die bekannte, von REıcHERT (1837) begründete und von zahlreichen späteren Autoren nach der onto- genetischen und vergleichend-anatomischen Seite hin weiter ausgebildete Lehre (s. auch oben S. 583), derzufolge Meckerscher Knorpel und Malleus (als das Gelenkende des M. Kn.) aus dem ventralen Gliede, Incus aus dem dorsalen Gliede des 1. Visceralbogens (Kieferbogens) hervorgehen, während Stapes von dem dorsalen Stücke des 2. Visceralbogens (Hyoidbogens) abstammt. REICHERT und einige andere Untersucher ließen den ganzen Hammer durch enchondrale Ossifikation aus dem hinteren Ende des Meexerschen Knorpels und Artikularteiles hervorgehen, obschon bereits früher MEckeEr (1820), E. H. WEBER (1834) und VALENTIN (1835) die getrennte Genese des langen Hammerfortsatzes betont hatten; KÖLLIKER (1879) und BAUMÜLLER (1879), deren Befunde von zahlreichen Autoren bestätigt wurden, gaben den Nachweis der gesonderten Entstehung dieses Fortsatzes in Gestalt eines dem Meckerschen Knorpel ventral anliegenden Deckknochens (Angulare), während der zwischen Hammerhals und Mandibula be- findliche Abschnitt des Mecrerschen Knorpels selbst zu einem Bande (Lig. mallei anterius ArnorLD und Henze, Lig. mediale s. laterale internum maxillae inferioris KÖLLIKER und meiste Autoren, MEcKELSsches Band ScHwALseE, Lig. spheno-maxillare Tesrur, Lig. tympano-maxillare CHainE 1903) sich umbildet. Unter den neueren hierher bezüglichen ontogenetischen Arbeiten treten insbesondere diejenigen von DREY- Fuss (1893) und BRoman (1898, 1899) hervor. Die überwiegende Mehrzahl der Autoren, von denen unter anderen namentlich RarHke (1839, 1861), BISCHOFF (1842), KÖLLIKER (1844, 61, 79), HuxLey (1858—67), GEGENBAUR (1870— 99), HassE (1873), HAECcKEL, W. K. PARKER (1882—86), RagL (1887), BAUMGARTEN (1892), Minor (1894), ZONDER (1895), WIEDERSHEIM, GAUPP, HEGETSCHWEILER (1897), BROMAn, KinGstey and Ruppick, VERSLUyS (1900 in literis, 1903), E. FISCHER (1901), TANDLER (1902) genannt seien, hat diese Lehre vertreten; auch ich stehe, durch eigene ontogenetische Untersuchungen überzeugt, auf ihrem Boden. Mit dieser Theorie wurde zugleich eine partielle Nichthomologie der mammalen und non-mammalen Gehörknochen ausgesprochen, indem in der Hauptsache (bei verschiedenen Variierungen im Detail, auf die hier nicht einzugehen ist) Malleus dem Articulare und Angulare der Nicht-Säugetiere, Incus dem Quadratum derselben und nur Stapes der — ganzen oder teilweisen — Gehörknochenkette der Amphibien und Sauropsiden (Columella, Extracolumella etc.) bezw. dem Hyomandıbulare der tiefer- stehenden Gnathostomen verglichen wurde. Die Verbindung des mandibularen Bogens mit dem Schädel wird demzufolge durch Incus (Quadratum), die Verbindung des hyoidalen Bogens mit dem Cranium durch Stapes (= Operculum = Hyomandibulare) vermittelt. Untersuchungen aus jüngerer Zeit, namentlich von DRrEyFuss, BROMAN, GaupP (1900, Lacerta) und VErsLuvs (1903). machen es indessen wahr- scheinlich, wenn nicht sicher, daß der Verband des Incus resp. OQuadratum mit dem Schädel bei Mam- 607 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 607 maliern und Sauropsiden kein direkter (autostyler Huxrey), sondern durch ein vom Hyoidbogen ab- stammendes Zwischenstück (Intercalare Drevruss, VErsLuvs, Teil des Proc. paroticus Gauer, Laterohyale BROoMAn) vermittelter (hyostyler Huxrey) ist. An ähnlicher Stelle wie die mammale Articulatio incudo- stapedialis kommen mehr oder minder direkte Verbände zwischen Quadratum und Columella resp. Oper- culum auch bei Amphibien (Gymnophionen, gewissen Urodelen, vergl. namentlich Hasse 1873, Traut- MANN 1876, WIEDERSHEIM 1877, CoPE 1888, SARASIN 1890, KiLLıAan 1890, PEIER 1898, KInGsLey and Ruppick 1899, KiINGsLEY 1900, DRÜNER 1903, KINGSBURY 1903 etc.) zur Beobachtung und wurden zum Teil von den genannten Autoren (insbesondere KınsstEy), sowie namentlich auch von GEGENBAUR (1898) und GAaupp (1899) im Sinne verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen Amphibien und Säugetieren verwertet. Neuere Untersuchungen von KınGsBurY (1903) zeigen indessen, daß die Verhältnisse nicht ganz einfach liegen, und machen weitere Arbeiten über dieses Gebiet erwünscht. Auch bei den verschiedensten Vertretern der Sauropsiden sind Verbindungen zwischen Columella und Qua- dratum — namentlich durch Vermittelung des Proc. dorsalis columellae (Intercalare) und des Supra- stapediale — von zahlreichen Untersuchern bald bestätigt, bald abgeleugnet worden (vergl. namentlich VERSLUYS 1898, 1903, GAUPP 1899 und SUSCHKIN 1899); auch hier erscheinen, unbeschadet der Vor- trefflichkeit von BRomans und VERsLuys’ Arbeiten, die Akten darüber, ob und was der incudo-stapedialen Verbindung der Mammalia speziell homolog sei, noch nicht geschlossen. BROMAN unterscheidet an den frühesten Blastemanlagen der miteinander verbundenen proximalen (dorsalen) Enden des ı. und 2. Vis- ceralbogens, bedingt durch die Einlagerung der Nervi trigeminus und facıalıs, je einen lateralen und medialen Teil. Die lateralen Teile (Anlage des Incus und Laterohyale) bilden den bereits besprochenen Verband; weiterhin sondern sich ihre Reste nach BRoman von dem eigentlichen Visceralskelett ab und bilden die Anlage des Knorpels des äußeren Ohres. Die medialen Teile repräsentieren das Crus longum ineudis und den Stapes, welcher letztere anfangs mit dem Hyoidbogen noch kontinuierlich verbunden ist, später aber unter successiver Verschmälerung und Reduktion des Zwischenstückes (Interhyale) sich vollkommen von ihm sondert. Die Verbindung zwischen Incus und Stapes wurde von den Unter- suchern bald als eine während der Ontogenese erst sekundär (durch Heranwachsen des Crus longum incudis an den Stapes) sich ausbildende (u. A. GRADENIGO und Dreyruss), bald als eine von Anfang an (in Gestalt einer primordialen Blastembrücke zwischen beiden Skelettelementen) präformierte (u. A. SIEBEN- MANN, KOLLMANN, BROMAN) angegeben. 4) Corpus mallei und Incus aus dem 1, Stapes aus dem 2. Visceralbogen her- vorgehend, Manubrium mallei separat zwischen beiden Bogen entstehend und vielleicht Rest eines intermediären Visceralbogens zwischen ı. und 2. Diese von Kinsstey (1899, 1900) vertretene Lehre, welche zugleich das Manubrium mallei der Säugetiere mit der Extracolumella der Sauropsiden vergleicht, basiert auf der von diesem Untersucher bei Embryonen von Sus gemachten Beobachtung einer gesonderten Anlage und sekundären Verbindung des Manubrium mit dem Hauptteil des Hammers, hat aber bisher keine Bestätigung von anderer Seite erhalten. Gegen die gleichfalls von den Meisten abgewiesene Annahme eines intermediären Visceralbogens zwischen Kiefer- und Zungenbeinbogen habe ich mich bereits oben (S. 597) ausgesprochen. 5) Malleus und Incus aus dem ı. Visceralbogen entstehend, Stapes aus der Verschmelzung von Teilen des 2. Visceralbogens und der Labyrinthwand hervor- gehend. Diese zwischen den Theorien 3, 7 und 9, sowie den Beobachtungen an Säugetieren und Am- phibien vermittelnde Aufstellung wurde bekanntlich durch von NooRDEN (1887) und GRADENIGO (1887) aufgestellt, von C. K. Horrmann (1889, 1890) bestätigt und fand in den Lehrbüchern von SCHENK 608 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 608 (1896), OÖ. SCHULTZE (1897), vorübergehend auch in denen von WIEDERSHEIM (1888) und O. HERTwIG (1888—93) Annahme. Die genaueren Untersuchungen der g0er Jahre des vorigen Jahrhunderts dürften den bezüglichen Angaben, die übrigens im Detail einigermaßen voneinander abweichen, den Boden ent- zogen haben. 6) Malleus und Incus aus dem ı. Visceralbogen gebildet, Genese des Stapes noch unbestimmt oder von indifferentem bezw. selbständigem Bindegewebe vermittelt. Diese Ableitung wird von mehreren Autoren vertreten. Während die Entstehung der beiden ersten Gehörknochen aus dem ı. Visceralbogen klar liegt, bietet die ontogenetische Ableitung des Stapes er- heblichere Schwierigkeiten dar, welche die einen Untersucher (u. A. SEMMER 1872, KÖLLIKER 1879, SCHÄFER 1890, BONNEr 1891) von einer bestimmten Entscheidung abhielt, die anderen (z. B. SALENSsKkY 1880, dem WIEDERSHEIM 1882—86 folgte, STADERINI 1891, DREYFUSS 1893) veranlaßte, ein von Visceral- bogen und Labyrinthwand unabhängiges Bildungsgewebe im Bereiche der Vena jugularis oder Arteria stapedia als Ausgang für die Bildung des Steigbügels anzunehmen. 7) Malleus und Incus von dem ı. Visceralbogen abkömmlich, Stapes teils aus indifferentem bezw. periarteriellem Gewebe, teils durch Abgliederung von der Labyrinthwand entstanden. Auch diese Aufstellung ist eine vermittelnde, und zwar zwischen den Theorien 3, 6 und 9, sowie zwischen den Beobachtungen an Mammaliern und Amphibien. Be- züglich des Stapes wurde dieser Entstehungsmodus in Kombination der Beobachtungen von FRASER und SALENSKY, SOWie GRUBER und W. K. PARKER (S. u.) namentlich von ScHwALeE (1887) angegeben, während WIEDERSHEIN-KILLIAN (Vergl. Anat, 1893) für die Bildung dieses Gehörknochens außer der Labyrinth- kapsel auch noch das Ligamentum suspensorio-stapediale heranzogen, Graf SpEE aber (1896) auch die Möglichkeit einer Entstehung desselben aus dem 2. Visceralbogen nicht ganz ausschließt. 8) Malleus aus dem 1, Incus und Stapes aus dem 2. Visceralbogen abzuleiten. Huxrev, bisher ein Vertreter der ReıcHertschen Lehre, kam 1869 zu dieser auch 1871 und 1873 von ihm festgehaltenen Theorie, weniger auf Grund von embryologischen als vielmehr von vergleichend-ana- tomischen Untersuchungen, und betonte dementsprechend eine Homologie des Malleus mit dem Quadratum, des Incus mit dem suprastapedialen Teil der Columella resp. dem Suprastapediale und des Stapes mit dem inneren Teil der Columella resp. der Columella schlechtweg (1869, 71). Aehnliche Anschauungen hatte auf Grund unvollkommener ontogenetischer Beobachtungen bereits lange zuvor HuscHhkeE (1824) geäußert, wobei er aber hinsichtlich der Entstehung des Stapes eine Anteilnahme beider Visceralbogen angab. Huxreys neue Auffassung wurde danach von FRAsER (1882) ontogenetisch zu beweisen ver- sucht, wobei dieser für Stapes eine selbständige Entstehung aus Bildungsgewebe um die Arteria stape- dialis fand, ohne bestimmt dessen Zugehörigkeit zu dem 2. Visceralbogen zu behaupten, Wenn ich ihn recht verstehe, hat auch Core (18388) eine ähnliche Anschauung (s. auch sub 9) vertreten. 9) Malleus aus dem 1, Incus aus dem 2. Visceralbogen, Stapes aus der Laby- rinthwand abstammend. Diese schon von BurvacH (1828) und Varenıın (1835) vertretene Ab- leitung gewann 40 Jahre später, infolge des durch Huxreys neue Theorie (insbesondere seine Auffassung des Incus) gegebenen Anstoßes, bald Verbreitung in England und Amerika (PARKER 1874—-77, Bar- FOUR 1883, FLOWER-GADOW 1885, CoPE 1888 u. A.), wobei W. K. PARKER zuerst die ontogenetische Fundierung zu geben versuchte. 1877 stellte er mit BEerrany folgende Homologien auf: Malleus = Qua- dratum; Incus —= extralabyrinthärer Teil der Columella der Sauropsiden = Columella der Anuren — Stiel des Operculum der Urodelen = Hyomandibulare der Fische; Stapes — Teil der Fußplatte der Columella der Sauropsiden = Operculum der Amphibien. Mit dem Ende der 8oer Jahre des vorigen 609 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 609 Jahrhunderts fand diese Lehre keinen Anhänger mehr; schon 1884 war sie von W. K. PARKER ver- lassen worden. 10) Malleus und Hauptteil des Incus aus dem ı. Visceralbogen, Crus breve incudis aus der Labyrinthwand, Stapes nicht aus dem 2. Visceralbogen abkömm- lich. Zu dieser Aufstellung gelangte WEır (1899) nach Untersuchung von Didelphys-Embryonen. Zu Gunsten seiner Ableitung des kurzen Amboßschenkels führt er auch die Beobachtung von Drevruss an, der bei Embryonen von Placentaliern einen zeitweisen Zusammenhang des Crus breve incudis mit der Labyrinthwand sah. Positives über die Genese des Stapes teilt er nicht mit. ır) Malleus von dem ı. Visceralbogen, Incus und Stapes von indifferentem Bindegewebe gebildet. Diese Variante zu No. 9 und 10 rührt von Macımor et Rosm (1862) her; als Entstehungsort für den Malleus wurde das dorsale Stück des Mandibularbogens angenommen, für die beiden anderen Gehörknochen selbständiges Bildungsgewebe im Bereiche des Hyoidbogens. ı2) Alle drei Gehörknochen von dem 2. Visceralbogen ableitbar. Diese Auf- stellung hat Gapow (1888, 1901) nicht auf Grund von ontogenetischen Untersuchungen an Säugetieren sondern von umfassenden vergleichend-anatomischen Beobachtungen gegeben. Derselbe betonte zugleich eine Homologie der gesamten Gehörknochenketten der Amphibia, Sauropsida und Mammalia, indem er dieselben von dem Hyomandibulare der Fische ableitete. 13) Die drei Gehörknochen aus selbständigem (indifferentem) Bildungs- gewebe im Bereiche der beiden ersten Visceralbogen entstanden. Dieser Enstehungs- modus wurde von verschiedenen älteren, aber auch neueren Autoren, insbesondere von EnGEL (1853), Hasse (1871), SCHENK (1874), Hunt (1876) und SIEBENMANN (1894, 1898) behauptet. Für die Bildung des Stapes macht EnsEr auch noch die Labyrinthwand tributär. 14) Die drei Gehörknochen Abgliederungen vom Schädel (Labyrinthwand) Eine ım großen und ganzen bereits von PLATNER (1839) vertretene Aufstellung, wonach für Stapes nur das Petrosum, für Incus das Petrosum und Squamosum, für Malleus das Petrosum, Squamosum und vielleicht auch der ı. Visceralbogen in Frage kommen sollte. Später hat GRuBER (1877, 1878) lediglich das Petrosum (die Labyrinthwand) als Bildungsstätte der drei mammalen Gehörknochen angesprochen, und ihm hat sich Hannover (1880) in der bedingten Form einer in dieser Weise noch nicht gesicherten Entstehung angeschlossen. Auch verschiedene andere Autoren (z. B. URBANTscHITscCH 1877 und Löwe 1878) gelangten betreffs der Genese des Stapes zu ähnlichen Ergebnissen, während sie sich über die der beiden anderen Gehörknochen nicht auf Grund eigener Untersuchungen äußern. Diese kurze Uebersicht gewährt einen guten Beleg dafür, zu wie mannigfaltigen Resultaten Untersuchung und Schlußfolgerung zu gelangen vermögen. Besitzen auch manche von den angeführten Aufstellungen nur noch historischen Wert, so ist doch die Mehrzahl derselben von diesem oder jenem Vertreter noch im Verlaufe des letzten Dezenniums aufgestellt oder festgehalten worden. Im Vergleich damit sind bei den Amphibien und Sauropsiden die Angaben über die Entwickelung der Gehörknochen minder wechselnde, einmal weil hier z. T. einfachere und eindeutiger zu beurteilende Gebilde vorliegen, dann weil die Anzahl der angestellten Untersuchungen eine geringere ist. Für die genauere Kenntnis dieser Verhältnisse sei außer auf Gaurp (1899) und VERsLUys (1898, 1903) Jenaische Denkschriften XI. 77 Festschrift Ernst Haeckel. 610 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 610 auch auf Hasse, sowie auf Rerzıus’ großes Werk über das Gehörorgan 1881, 84), das zahlreiche dies- bezügliche historische Notizen enthält, hingewiesen. Unter den Amphibien existiert bei den Urodelen bekanntlich ein mit seiner Basis (Oper- culum) der Labyrinthwand beweglich eingefügter Skelettteil (Columella), der bei verschiedenen Vertretern derselben (s. WIEDERSHEIM 1877, W. K. PARKER 1878—-80, CoPE 1888, KInGsLEY 1900, 1901) direkt mit dem Quadratum zusammenhängt, bei den meisten anderen aber unter Verkürzung seines Stieles durch ein längeres Ligament mit ihm verbunden ist oder auch frei endet. Cope leitet das letztere Verhalten aus dem ersteren durch eine stattfindende Reduktion des Columellastieles ab und begründet das durch Beobachtung an Larven. Meines Erachtens ist zugleich mit der Möglichkeit zu rechnen, daß alle be- kannten Urodelen-Columellae bereits Rückbildungen darstellen. Die ontogenetische Entwickelung der Columella geschieht nach den übereinstimmenden Angaben der Untersucher (HuschkE 1824, REICHERT 1838, WIEDERSHEIM 1877, STÖHR 1879, WITEBSKY 1896, Prarr 1898, denen ıch auf Grund eigener Beobachtungen beistimme) in der Labyrinthwand und außer Zusammenhang mit dem Hyoid. Die meisten angeführten Autoren, sowie Gaupp (1899), fassen sie daher als eine Abgliederung aus der Labyrinthwand (Labyrinthteil des Craniums) auf, während Wrreesky und Prarr mehr für eine gewisse Selbständigkeit gegenüber der übrigen Labyrinthwand und die Möglichkeit einer Ableitung aus dem Hyoidbogen eintreten; zu ähnlichen Auffassungen ıst auch GEGENBAUR (1898) gelangt, dem ich mich anschließe. — Bei den Gymnophionen bietet die gut entwickelte Columella ähnliche Verhältnisse wie bei dem urodelen Amphiuma dar; sie besitzt aber die Form eines Stapes mit zwei eine Arterie (Art. stapedialis) umgebenden Schenkeln (WIEDERSHEIM 1879, SARAasIn 1890 u. A.) und ist mit dem Proc. oticus des Quadratum durch Gelenk verbunden (SaRASIN); GEGENBAUR erblickt darin eine gewisse Annäherung an das Verhalten der Säugetiere. Die Ontogenese geschieht in der Hauptsache von der Labyrinthwand aus; der an das Quadratum angrenzende distale Teil ist vielleicht gesonderten Ursprunges, wird selbst als eventueller Abkömmling des Quadratum angegeben (PETER 1898). — Ueber die Ver- hältnisse bei den Stegocephalen ist wenig Zuverlässiges bekannt; CoPE (1889) hat eine stielförmige, nicht gegliederte Columella angegeben, die etwas an diejenige der Lacertilier erinnere und von der vielleicht die Columella der Anuren abgeleitet werden könne. Diesen Angaben gegenüber ist Vorsicht geboten. — Bei den Anuren zeigt die Columella eine höhere Entwickelung als’ bei den übrigen Amphibien und bietet zugleich bei ihren verschiedenen Vertretern sehr differente Grade der Entwickelung dar; mit dem Hyoid hat sie keinen Zusammenhang. In ihrer höchsten Ausbildung, bei den mit Pauken- höhlen versehenen Formen der Phaneroglossa, repräsentiert sie ein recht kompliziertes Gebilde, welches völlig in zwei Stücke gesondert ist, das basale Operculum und den verschiedenartig verknöcherten langen Stiel (Columella s. str, neuerdings von GAUpp 1904 seiner besonderen Verhältnisse wegen zweckmäßig mit dem besonderen Namen Plectrum bezeichnet). Das Plectrum besitzt auch eine basale, operculum- ähnliche Verbreiterung (Pseudoperculum), die neben dem echten Operculum mit der Labyrinthwand in Verband steht, und ist peripher (Pars externa, Extrastapediale, Epistapediale) unter verschiedenartigen Differenzierungen in die Membrana tympani resp. den knorpeligen :Anulus tympanicus eingelassen, Primi- tiver ist die Columella s. lat. bei den Aglossa gebildet (nach den Abbildungen von W. K. PARKER 1875), wo bei Pipa die Gliederung in Operculum und Plectrum noch zu fehlen scheint und auch bei Dactylethra einfachere Verhältnisse vorliegen. Durch sekundäre, zumeist mit der Rückbildung des Cavum tympani Hand in Hand gehende Reduktion kann bei zahlreichen Phaneroglossa das Plectrum in den ver- schiedensten Graden sich verkürzen und vereinfachen und selbst bis zum vollkommenen Schwunde aus- fallen, so daß dann nur noch das Operculum existiert (W. K. PARKER 1871, 75, 80). Ueber die Onto- OII Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 611 genese des Operculum herrscht. Einstimmigkeit: alle Untersucher lassen es als Abgliederung von der Labyrinthwand entstehen. Das Plectrum wurde von früheren Untersuchern vom Visceralbogen abgeleitet (1. Visceralbogen HuscHkE 1826; oberes Ende des 2. Visceralbogens REICHERT 1838; auch später noch W. K. Parker 1880); danach betonten Huxıevy (1875), W. K. PARKER (1876), VırLey (1890) eine Ausbildung von der Labyrinthwand aus durch Verknorpelung eines dem Lig. suspensorio-stapediale der Urodelen homologen Bandes; CorE (1889) und Gaupr (1893) traten gleichfalls bezüglich des Plectrum inkl. Pseudopereulum für diese Entwickelung ein, gaben aber der Pars externa eine mehr selbständige Entstehung. Schließlich erläuterte Gaupr (1899) die ontogenetischen Befunde derart, daß er das Oper- culum als Gebilde der Labyrinthwand ansprach, eine Zurückführung des Plectrum dagegen auf das Hyomandibulare, also den 2. Visceralbogen, als möglich erklärte Hwuxrey (1875) und GEGENBAUR (1898) sind noch weiter gegangen, indem sie das ganze Gebilde (Pleetrum + Operculum) trotz großenteils labyrinthärer Genese zum Hyomandibulare rechneten. Der Anulus tympanicus und die Membrana tympani wurden von W. K. PARKER und GEGENBAUR zu dem Quadratam bezw. Spritzlochknorpel in phylogene- tischen Verband gebracht. Die Columella der Sauropsiden bildet in der Regel einen mehr oder minder langen Stiel, der an der Labyrinthwand (Fenestra vestibularis) mit einem breiten Operculum beginnt und an seinem lateralen, zumeist mit dem Trommelfell verbundenen Außenabschnitte in recht komplizierte Gabelungen, Verbreiterungen und Fortsatzbildungen auslaufen kann, die von verschiedenen Morphologen als Homologa von Amboß und Hammer angesprochen worden sind. Operculum und Stiel bilden, ganz abweichend von der überwiegenden Mehrzahl der anuren Amphibien, ein einheitliches Gebilde, das in seinem medialen (basalen) Bereiche mehr oder minder ausgedehnt verknöchert und sich dadurch als knöcherne „Columella“ von dem lateralen (äußeren) knorpeligen Abschnitte, der „Extracolumella“ mit ihren verschiedenen Fort- satzbildungen, sondert. Die Extracolumella ist es auch, die bei zahlreichen Vertretern im ausgebildeten oder embryonalen Zustande einen unmittelbaren, als primär zu beurteilenden Verband mit dem Hyoid erkennen läßt. Eine direkte Anknüpfung der sauropsiden Bildungen an die amphibischen erscheint zur Zeit unmöglich. — Relativ einfache Verhältnisse bieten die Testudinata dar: die lange knöcherne Columella geht ohne Abgliederung in die relativ kurze Extracolumella über, die mit breiter Knorpel- scheibe in das Trommelfell und den Trommelring eingefügt ist. Hier liegen noch am ehesten, aber höchst bedingt, Beziehungen zu Amphibien (aglosse Anuren) vor. Zuverlässige Angaben über die Ontogenese der Columella der Testudinata sind mir unbekannt; was W. K. PARKER (1880) darüber mitteilt (Entstehung des Operculum aus der Labyrinthwand, der Columella s. str. und der Extra- columella aus dem Hyoidbogen) beruht mehr auf Vermutung als sicherer Beobachtung. — Von der Columella der Anomodontia (Theromorpha) fehlt uns jede sichere Kenntnis. Die von Core (1884, 1887) dafür angesprochene und als gabelig beginnend abgebildete stellt nach Baur and CasE (1897), denen ich zustimme, wahrscheinlich ein Rippenfragment dar, gehört auch nach der systematischen Stellung des betreffenden Tieres (Clepsydrops) nicht hierher, sondern zu den den Rhynchocephaliern näher ver- wandten Pelycosauria. — Die Columella der Rhynchocephalia, speziell von Sphenodon, hat zahlreiche Bearbeiter und verschiedene Auslegungen gefunden (VErsLuys 1898, 1903 und GAuPpP 1899) und dürfte nach den neuesten Arbeiten von SCHAUINSLAND (1900, 1903), HowEs and SWINNERTON (1901) und VERS- Luys (1903) in sich, in ihren Beziehungen zu Hyoid, Quadratum und Cranium, sowie in ihrer Stellung zu der Columella der Lacertilier richtig erkannt sein. Primitive Züge verbinden sich mit Reduktionen. Hinsichtlich ihrer Entstehung geben Howes and Swinnerron eine Abkömmlichkeit vom Hyoidbogen an; SchavmnstLanp betont einen knorpeligen Zusammenhang der Columellaplatte (Operculum) mit der z 77% 612 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 612 Labyrinthwand. — Hinsichtlich der Columella der Lacertilia verfügen wir dank Versruys’ hervor- ragenden Arbeiten über umfassende Kenntnisse ihrer höchst differenten Ausbildung und über eine zu- verlässige Darstellung ihrer Ontogenese. Betreffs aller Details sei auf diese höchst lehrreichen Unter- suchungen verwiesen; der weitgehende Wechsel der Bildung ist um so bemerkenswerter, als er sich innerhalb sicher erkannter taxonomischer Verbände vollzieht und zum Teil zu Konfigurationen führt, die ganz außerhalb des Rahmens aller sonst bekannten Columellabildungen bei Wirbeltieren liegen (Amphis- baenidae!). Einheitliche und gegliederte Formen (Gelenk zwischen Columella und Extracolumella) variieren in Erscheinung und Genese; auch stapesartige Durchbrechungen der Basis der Columella finden sich (Geckotidae); die abgehenden Fortsätze der Extracolumella wechseln in Ausbildung und bieten hinsichtlich ihrer Beziehungen zur Nachbarschaft (namentlich zu Quadratum und Proc. paroticus) viel Interesse dar; auch weitgehende Rückbildungen kommen bei kriechenden und grabenden Formen vor. Alles das gibt wichtige Fingerzeige, da für das richtige Verständnis der morphologischen Verhältnisse die genaue Berücksichtigung der systematischen Beziehungen unerläßlich ist. Die etwas älteren ontogenetischen Arbeiten (W. K. Parker 1879, C. K. Horrmann 1889, 1890/91) unterscheiden bei Lacerta zwischen einer von der Labyrinthwand ausgehenden Anlage des inneren (basalen) Abschnittes und einer vom Hyoidbogen ableitbaren Bildung des äußeren (peripheren) Teiles; die gegenseitige Ausdehnung beider Abschnitte wird verschieden angegeben, indem PARKER nur die Fußplatte der Columella (Operculum), Horrmann dagegen nach Versruys’ neuen Nachuntersuchungen die ganze Columella und den daran angrenzenden Anfangsteil der Extracolumella in die labyrinthäre Anlage (Ötostapes Horrmann) ein- bezieht und von dem peripheren Hauptteil der Extracolumella (Hyostapes Horrmann) scheidet. Gaupp (1892, 1898) folgte Horrmann. Kınsstey (1900) fand bei dem iguaniden Sceleporus eine durchweg hyoidale Anlage der gesamten Columella (Columella -- Extracolumella) unter deutlicher primordialer Scheidung von der Labyrinthwand. Versruvs (1903) kam bei Gecko und Platydactylus zu dem gleichen Resultate wie Kınsstey, während es ihm bei Hemidactylus (von welchem Geckotiden ihm nur eine Serie vorlag) und Lacerta unmöglich war, die Blastemanlage der Columella von der des Labyrinthes zu sondern. Die von Horrmann angegebene Scheidung in Otostapes und Hyostapes erkannte er als eine erst mit der weiteren Entwickelung sich vollziehende und primordialer Bedeutung entbehrende. Dieses verschiedenartige ontogenetische Verhalten der columellaren Anlage gegenüber der Labyrinthwand ist er geneigt, auf zeitliche Differenzen in der Genese zurückzuführen: wo die Columella sich früher ent- wickelt, da tritt sie der Labyrinthwand gegenüber selbständiger auf; wo ihre Blastembildung später einsetzt, da ist sie zunächst mit der Labyrinthwand verschmolzen und sondert sich erst später von ihr. Diese Beobachtungen und Erklärungen von Versruys sind, weil sie ganz nahe unter sich verwandte Tiere betreffen, von großer Bedeutung und besitzen zugleich für die ganze Frage der Homologien und ihre ontogenetischen Grundlagen allgemeineren Wert (s. unten S. 613), — Bei den Ophidia ist der Verband des peripheren Abschnittes der Columella mit dem Quadratum gut ausgebildet. Im ganzen sind die Verhältnisse vereinfacht, zum Teil infolge von Rückbildung, welche zugleich mit der Reduktion des Trommelfelles und der Paukenhöhle Hand in Hand geht. Bei den Stenostomata kommt es zu weitgehendem Schwunde, so daß nur noch das Operculum übrig bleibt; bei gewissen Formen derselben (Typhlops, Rhinophis) wird selbst Mangel dieses letzten Restes angegeben (WINDISCHMANN 1831, Jon. Mürrer 1832). Nachuntersuchungen sind erwünscht. Die Ontogenese der Columella geschieht nach Rarnuke (1839) und Parker (1878) in der Hauptsache aus dem Hyoidbogen; die Fußplatte leitet PARKER aus der Labyrinthwand ab. — Die Crocodilia zeigen eine hochdifferenzierte Columella s. lat., deren beide Abschnitte (Columella s. :str. und Extracolumella) wie bei ‚gewissen Lacertiliern gelenkig. 613 Zur Frage der Abstammiung der Säugetiere. 61 3 verbunden sind. Die fortsatzreiche Fxtracolumella steht zeitweise mit dem Hyoidbogen in direktem Verband, und dieser wieder zeigt die besondere Eigentümlichkeit einer kontinuierlichen embryonalen Verbindung mit dem Artikularknorpel des Unterkiefers, ein Verhalten, das recht verschiedenartige Deutungen fand, aber, wie bereits Huxrey (1869) und PARKER (1883) wahrscheinlich machten und wie auch VErsruys jetzt (1903) annimmt, in der angegebenen Weise als ein erst sekundär ausgebildeter Verband zwischen Hyoid und Mandibula aufzufassen ist (vergl. auch Verstuys 1898 und GaupP 1899). Die Ontogenese der Columella der Crocodilia ist nur mangelhaft bekannt und wird im wesentlichen auf den Hyoidbogen zurückgeführt (PARKER 1889). — [Die Kenntnis der Gehörknochen der fossilen Reptilien (s. auch oben S. 611) liegt noch sehr im argen und kann auch wegen der nur teilweisen Ossifikation der Columella nur eine mangelhafte sein.]] — Hinsichtlich der ganz an die Reptilien anschließenden Ver- hältnisse bei den Aves verweise ich auf die reiche einschlägige Literatur (näheres darüber siehe bei GAUPP, SUSCHKIN 1899 und VERSLUys 1903). Auch hier besteht noch der Zusammenhang der Extra- columella mit dem Hyoid, und zwar zeitlebens wie bei Sphenodon, der auch sonst noch in der Bildung seiner Columella gewisse, natürlich nicht als Zeichen einer spezielleren Verwandtschaft aufzufassende Aehnlichkeiten mit den Vögeln aufweist. Columella und Extracolumella sind kontinuierlich verbunden. Manches ist spezifisch für die Vögel. Ontogenetisch bildet nach Reicnerr (1838) und Parker (1866 — 76) der 2. Visceralbogen den Ausgang für die Columella, wobei PARKER auch die Labyrinthwand für den Aufbau der Fußplatte in Mitleidenschaft zieht. SuscHkın findet zuerst eine von der Labyrinth- wand selbständige Anlage der hyoidalen Columella, dann aber eine Verschmelzung mit ihr, so daß nach der schließlichen bleibenden Sonderung der Labyrinthwand angehörige Elemente der Fußplatte anhaften; für die Extrastapediale und Suprastapediale peripher verbindende Querbrücke wird eine selbständige Genese (vielleicht als Rest eines knorpeligen Kiemendeckels) von ihm angegeben. Aus diesen, die bisherigen Resultate der Untersuchung nur in den Umrissen zusammenfassenden Darstellung geht hervor, daß die Columella s. lat, die — wie ungemein mannigfaltig sie sich auch differenziert hat — aus vergleichend-anatomischen Gründen bei Amphibien und Sauropsiden als ein in der Hauptsache homologes Gebilde zu beurteilen ist, eine sehr verschiedene Ontogenese zeigt. Wenn von den angeführten Differenzen auch viele auf noch unvollkommene Untersuchung zurückzuführen sind, so ist doch nach den besten Beobachtungen kaum zu bezweifeln, daß das gleiche homologe Gebilde ontogenetisch in dem einen Falle sich von der Labyrinthwand ablöst, in dem anderen aus dem Hyoidbogen hervorgeht, in einem dritten sich aus Anteilen beider zusammensetzt. Die nach den Regeln der vergleichenden Anatomie als homolog angesprochenen Skelettteile erscheinen somit im Lichte der ontogenetischen Beobachtung nicht als homogene Bildungen. Der Ontogenetiker pur sang hat sonach nur die Wahl, bei solchen Differenzen in der Ontogenese von einer Dyshomologie der verschiedenen columellaren Gebilde zu sprechen. Der vergleichende Anatom, und bereits HuxLey und GEGENBAUR haben dies getan, hält trotzdem an der Homologie derselben fest und erkennt die ontogenetischen Befunde nicht als den reinen und unverfälschten Ausdruck der ursprünglichen Genese (Phylogenese) an; für ihn liegt hier ein besonders ausdrucksvolles Beispiel von Cänogenese vor, für welches die oben an- geführten Beobachtungen von Kınssrey und VErsruys an Lacertiliern den Schlüssel geben und sich ohne besonderen Zwang auf alle columellaren Vorkommnisse ausdehnen lassen. Ich bin sonach trotz der ent- gegenstehenden ontogenetischen Beobachtungen geneigt, die Columella s. lat. der Amphibien und Saurop- siden, ebenso wie den Stapes der Säugetiere, phylogenetisch im wesentlichen von dem dorsalen Abschnitte des Hyoidbogens abzuleiten, wobei ich die ontogenetisch von der Labyrinthwand sich abgliedernden Bestandteile mit HUXxLEY, GEGENBAUR, WITEBSKy, PLATT, VERSLUvs u. A. in der Hauptsache als in der 6 14 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 614 Phylogenese mit dem Cranium verschmolzene hyomandibulare Elemente auffasse. Ob bei der neuen Abgliederung auch gewisse genuin zur kranialen Labyrinthregion gehörige Teile von den ursprünglich hyomandibularen mitgenommen werden und sich mit ihnen vom Schädel ablösen, bleibe vorerst dahin- gestellt; sehr ausgebreitete und sehr genau vorgenommene vergleichend-ontogenetische Untersuchungen werden hier wohl erst Klärung bringen. Für die peripherischen Endigungen kommen bei Anuren, vielleicht auch bei gewissen Sauropsiden, Abkömmlinge oder Nachbargebilde des ı. Visceralbogens (Spritzlochknorpel) noch in Betracht (Anulus tympanicus und entsprechende Elemente bei Anuren); bei den Sauropsiden sind diese Beziehungen erst noch genauer zu untersuchen. Urodelen und Gymnophionen bieten primitive Verhältnisse dar, bei denen aber sekundäre Ver- einfachungen durch partielle Reduktion nicht ausgeschlossen sind. Die Anuren zeigen eine einseitige höhere Differenzierung, wobei die frühzeitige Abgliederung des Operculum vom columellaren Stiel in den Vordergrund tritt. Die Sauropsiden repräsentieren einen in anderer Richtung laufenden Entwicke- lungsgang, wobei namentlich die hohe Ausbildung der Extracolumella (aus dem an die Columella s. str. anschließenden Abschnitte des Hyoidbogens heraus, vergl. auch Gaupr) in den Vordergrund tritt; ein wesentliches Desiderat bildet, zur eventuellen Auffindung von verknüpfenden Instanzen, die genaue Ontogenese der columellaren Bildungen der Testudinata. Alle diese Verhältnisse geben an die Hand, mit der Mehrzahl der Morphologen, die von vielen älteren Autoren (vor allen von RarukE 1832 und BRESCHEr 1836), aber auch später (PErERS 1867 und folgende Jahre, ALBRECHT 1883, Baur, DorLo, CorE, Gapow 1888, 1901, u. A.) behauptete Homologie der Gehörknochenkette der Mammalia und Non-Mammalia abzuweisen. Für die Vergleichung mit den Gehörknochen der Nicht-Säugetiere kommt Stapes, und zwar nur Stapes der Säugetiere in Betracht, während Incus und Malleus derselben, als dem ı. Visceralbogen entstammende, bei Amphibien und Reptilien der Kaufunktion dienende Gebilde, erst bei den Mammalia der Grehörknochenkette ein- verleibt wurden. Die von älteren Autoren auf die speziellere Gestalt von Columella und Stapes gegründeten Be- denken gegen deren Homologie und die Scheidung der Tetrapoden in columellifere und stapedifere Wirbeltiere haben gar keinen Wert, dies um so mehr nicht, als beiderlei Formen sich sowohl bei Amphibien und Sauropsiden, wie bei Mammaliern finden. DRÜNER (1904) ist mit Rücksicht auf die Homologie des Stapes der Säugetiere noch weiter ge- gangen, indem er nicht allein mit anderen Ontogenetikern die Zugehörigkeit desselben zum 2. Vis- ceralbogen als zweifelhaft betrachtet, sondern auch seine Vergleichbarkeit mit dem Operculum der Uro- delen ablehnt, ja selbst eine Dyshomologie der Opercula und Columellae innerhalb der Abteilung der Urodelen annimmt. Er begründet das mit der differenten Lage an der Labyrinthwand resp. mit der Dyshomologie der Vorhofsfenster der Mammalia und der verschiedenen Urodela untereinander. Betreffs der Homologisierung des Operculum der Urodelen und Anuren hatte schon Prarr (1898) ähnliche Anschauungen vertreten, denen aber Gaupr (1899) sich nicht anschließen konnte. Auch ich vermag den Folgerungen Prarırs und DRÜNERS nicht beizustimmen. Es ist bekannt, einem wie großen Wechsel der Lage am Schädel die ihm verbundenen Visceralbogen (Quadratum, Hyomandibulare), speziell aber die Quadrata bei den streptostylen Sauropsiden (selbst innerhalb der Squamata) unterworfen sind, ohne daß daraus eine Nicht-Homologie derselben abzuleiten wäre. Ebenso kann ich den auf die topographische Lage gegründeten Einwand DRÜNERS gegen die Homologie des Quadrato-Artikular-Gelenkes der Nicht-Säugetiere und des Amboß-Hammer-Gelenkes der Säugetiere fürs erste nicht als ausschlaggebend anerkennen. DrÜneEr hat in der nachbarlichen Lage des 615 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 61 5 peripheren Endes des ersten Schlundspaltenrestes (feiner Epithelstrang) zu dem Amboß-Hammer-Gelenk bei Mäuse Embryonen gewiß eine wichtige Instanz für seine Anschauung beigebracht; einen zwingenden Beweis gegen eine phylogenetisch und ontogenetisch sich vollziehende Dorsalwanderung des alten Kiefer- gelenkes der Promammalıa und seine Umbildung in das incudo-malleolare Gelenk bildet sie aber meiner Ansicht nach nicht. Doch warte ich auch hier gern die in Aussicht gestellte ausführliche Veröffentlichung (auch mit Rücksicht auf die Beweissicherheit der Chondroblastem-Stadien und der betonten cänogene- tischen Verschmelzung der embryonalen Anlagen von Quadratum und Unterkiefer) dieses gewissenhaften, gründlichen und gedankenreichen Forschers ab. Die Frage der speziellen Homologie des Stapes der Mammalia und der Gehörknochen der Non-Mammalia ist bekanntlich verschieden beantwortet worden: ı) Verschiedene Autoren, unter denen PARKER weitaus in den Vordergrund tritt, haben nur das Operculum der letzteren mit dem mammalen Stapes verglichen, wobei die von ihnen beobachtete ontogenetische Entstehung beider aus der Labyrinth- wand das Beweismaterial für diese Vergleichung bildete; 2) Huxrey (1869), und ihm folgend Kırıran (1890), Gaurp (1899) und Versruys (1903) haben nur den basalen Abschnitt der Gehörknochen der Non-Mammalia (Columella s. str. inkl. Operculum) mit dem Stapes homologisiert, dagegen den peripheren, mit dem Trommelfell verbundenen Abschnitt (Pars externa der Anuren, Extracolumella der Sauropsiden) von der Vergleichung ausgeschlossen; namentlich Gaurp verdanken wir eine ausführliche Begründung dieser Aufstellung, wobei der Verlauf der Chorda tympani eine wesentliche Rolle spielt; 3) ReıcHerr und die sich ihm streng anschließenden Autoren endlich vergleichen den mammalen Stapes mit der’ Gehörknochenkette der Nicht-Säugetiere in ihrer ganzen Ausdehnung von Fenestra vestibularis bis Mem- brana tympani. — Für eine definitive Entscheidung zwischen diesen drei Vergleichungen bedarf es, wie auch Gaupp und Verstruvs hervorheben, umfassenderer Grundlagen und zahlreicherer Instanzen, als die bisherigen Untersuchungen gewähren. Auch das Verhalten der Chorda tympani — eine von mir gewiß nicht gering geachtete Instanz — scheint mir doch keinen bindenden Beweis darzubieten und die ent- gegenstehenden Anschauungen sicher auszuschließen. Doch gebe ich der sub 2) angeführten Huxrev- Gaurpschen Homologisierung, ebenso wie VERSLUYS, weitaus den Vorzug vor den beiden anderen. Da- mit aber wird die Ableitung der mammalen Bildungen von anuren oder sauropsiden ganz unwahr- scheinlich, — wenigstens so lange, als nicht der bisher noch fehlende ontogenetische Nachweis geführt wird, daß bei dem mammalen Stapes dereinstige extracolumellare Elemente sich anlegten und erst sekundär in Rückbildung traten. Diese Frage koinzidiert selbstverständlich auch mit derjenigen der Homo- logie der Trommelfelle (s. unten S. 621), Auch die von DRÜNER und Kınssrey gemachten Angaben über Anteilnahme des hyoiıdalen oder eines zwischen erstem und zweitem Visceralbogen befindlichen inter- mediären Visceralbogens (s. oben S. 605 f. u. 607) an der Hammerbildung bedürfen mit Rücksicht darauf einer erneuten Untersuchung, die, wie ich vermute, nicht zu Gunsten des intermediären Bogens ausfallen wird. Für die Vergleichung der Gehörknochen der Nicht-Säugetiere und Säugetiere sind schon seit langer Zeit und von mehreren Autoren auch die Muskeln der Gehörknochen als positive Instanzen verwertet worden (vergl. u. A. Ragr 1887 und die von Kırıran 1890, GAurP 1899 und VERSLUYS 1898 und 1903 angegebene Literatur). In der Tat, wie man schon lange weiß, gewähren gerade diese, der visceralen Muskulatur entstammenden Muskeln, wo sie vorhanden sind, in Lage und Insertion ein recht ursprüngliches und konservatives Verhalten, während viele andere Abkömmlinge dieser Muskulatur sehr weitgehende Aberrationen und Wanderungen eingegangen sind, so daß bei diesen ihre branchiomere 616 Zur Frage der Absthmmung der Säugetiere. 616 Zugehörigkeit zu diesem oder jenem Visceralbogen im entwickelten Zustande nur durch die Innervation erkannt werden kann. Die Amphibien zeigen nichts in diesem Sinne Verwertbares. Die bei Urodelen und Anuren beobachteten Verbände des Operculum mit dem Musc. levator scapulae superior beruhen auf einem, wahrscheinlich mit der Verkürzung des Rumpfes zusammenhängenden sekundären Weitergreifen des Ursprunges jenes von Spinalnerven versorgten Muskels in ein ihm ursprünglich fremdes Gebiet, ähnlich wie dies auch andere Spinalnerven-Muskeln (z. B. gewisse Teile der hypobranchialen Muskulatur) zeigen. Der M. levator scapulae hat sich mit seinem neu gewonnenen Ursprunge sekundär in den Dienst des Gehörorgans gestellt, hat aber nichts mit der genuinen visceralen Gehörknochenmuskulatur zu tun. Und gleichermaßen sind die von Gaupp (1890, 1899) bei Anuren beschriebenen Ursprünge des trigeminalen M. masseter major und des facialen M. depressor mandibulae vom Anulus tympanicus als konsekutive Eroberungen jener Ursprungsgebiete (die zudem nicht die eigentlichen Gehörknochen betreffen) aufzufassen. — Ein zum Stapedius-System gehöriger, vom Nervus facialis versorgter Gehör- knochenmuskel (M. levator hyomandibularis bezw. M. columellaris) ist bei früheren Vorfahren der Am- phibien vermutlich einstmals vorhanden gewesen, aber im Zusammenhang mit der Verschmelzung hyo- mandibularer und kranialer (labyrinthärer) Skelettelemente und mit dem hier sich vollziehenden retro- graden Entwickelungsgange der columellaren Gebilde (s. oben S. 610) längst verloren gegangen. Die Muskelreduktion schreitet der Reduktion und Verschmelzung der Skelettteile in der Regel erheblich voraus; daher ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß Rudimente jener Muskulatur ontogenetisch noch nachgewiesen werden könnten, eine sehr geringe. Bei den Sauropsiden findet sich dagegen ein solcher Muskel, der vom hinteren Teile des Schädels entspringt, an der Extracolumella resp. dem Trommelfell inseriert, von dem Nerven des Hyoid- bogens (N. facialis) innerviert wird und von den ihn beschreibenden Autoren mit verschiedenen Namen (M. tensor tympani, M. laxator tympani, M. stapedius, M. extracolumellaris) bezeichnet worden ist; ich übernehme die von Gaurr (1899) und VERSLUysS (1903) angewendete Nomenklatur (M. extracolu- mellaris). Ueber diesen Muskel habe ich auch vor Jahren (1889 und 1890) einige bisher nicht ver- öffentlichte Beobachtungen gemacht, die inzwischen von Kırııan (1890) und VErsruys (1898) überholt worden sind, und verwerte meine diesbezüglichen Notizen und Zeichnungen für die folgende, die Unter- suchungen der anderen Autoren kurz zusammenfassende Darstellung. — Bei den Testudinaten wird bei Emys lutea (wohl E. orbicularis) von WiInDIscHmAnN (1831) ein in einen größeren Knochenkanal eingeschlossener und zur Columella gehender Muskel angegeben; ich habe bei Emys orbicularıs, Textudo graeca, T. calcarata und Trionyx muticus vergeblich nach einem solchen Muskel gesucht; nur bei dem letzterwähnten Tiere (einem schlecht konservierten Exemplare) fand ich bei mikroskopischer Durch- musterung etwa im Niveau der Mitte der Columella sehr zweifelhafte, degenerierte Muskelfasern, über deren eventuelle Anheftung an der Columella ich aber nichts aussagen kann. Die ganze Bildung er- scheint mir sehr problematisch. —- Auch bei den Rhynchocephaliern (Sphenodon) ist ein hierher gehöriger Muskel von mir und anderen Autoren nicht gefunden worden. — Die Lacertilier, Crocodilier und Vögel besitzen dagegen einen M. extracolumellaris. Unter den Lacertiliern wurde er als sehr kleiner, von dem Proc. paroticus zur Extracolumella gehender Muskel bei verschiedenen erwachsenen Geckotidae (VERSLUuys, ich), sowie bei Embryonen von Lacerta und Calotes (HOFFMANN 1889, 1891, Kırıran 1890, VERSLUYS 1903, ich) gefunden; als mikroskopisches reduktives Gebilde konnte ich ihn auch bei einem ausgewachsenen Scincoiden (Trachysaurus) nachweisen. Dagegen wurde PARRERS „Stapedius“ bei der ausgebildeten Lacerta (1879), den Dorro (1883) auch noch irrtümlich mit dem 61 7 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 617 M. tensor tympanı der Mammalia homologisiert, von VERsLUys (1898) als bloße Sehne erkannt. Auch die eventuelle Existenz von zwei Facialismuskeln der Extracolumella (VERsLuUvs 1898, GAUPP 18909) hat VERsLUuys später (1903) selbst zu Gunsten nur eines Muskels rektifiziert. Bei den Crocodiliern ist der M. extracolumellaris von HuxLev (1869) gefunden und als ziemlich ansehnlicher, von Squamosum, Petrosum und Occipitale zu der Extracolumella und dem Trommelfell gehender Muskel von Kırııan (1890) genauer beschrieben und in seiner Entwickelung und damit Hand in Hand gehenden Insertions- änderung verfolgt worden. Meine Untersuchungen bestätigen dies und weisen die Einwände von PETERS (1868 — 70) und GaDow gegen seine Existenz zurück. Bei den Vögeln wurde er schon von BrEScHET (1836) und PLATNER (1839) gesehen und später mit Berücksichtigung der Innervation von Kırıran (1890) bei Anas, Anser und Gallus als an der Extracolumella und dem Trommelfell inserierender Muskel beschrieben. Ich vermißte ihn bei keinem von mir untersuchten Vogel; bei dem betreffenden Carinaten (Anser) war er lang und schlank, bei den Ratiten (Struthio, Rhea und Casuarius) kurz und dick und inserierte bei den letzteren ausschließlich oder ganz vorwiegend an der Extracolumella; bei Struthio wurde er vom Nervus facialis durchsetzt. Gapow (1888) hat eine Innervation durch den Nerv. trigeminus angegeben und daraufhin den Muskel nicht als M. stapedius, sondern als M. tensor tympani angesprochen. Das beruht auf einem Irrtum; kein Sauropside besitzt einen mit den Gehörknochen derselben verbundenen, vom N. trigeminus versorgten Muskel. — Danach ist für Lacertilier, Crocodilier und Vögel die Existenz eines an dem peripheren Abschnitte der Columella, d. ı. der Extracolumella, inserierenden facialen M. extracolumellaris bezeugt; seine bei Lacertiliern in verschiedenem Grade zu beobachtende Rückbildung macht wahrscheinlich, daß er dereinst auch bei Rhynchocephaliern bestand. Bei den Testudinaten wurde eine hierher gehörende Bildung nicht mit Sicherheit gefunden; sollte sich aber die Angabe von Winpischmann bestätigen, so würde deren Muskel eine minder periphere Insertion besitzen und als M. columellaris zu bezeichnen sein; indessen bedarf es hier noch weiterer Uhnter- suchungen, namentlich auch an Embryonen. Bei den Säugetieren finden sich zwei Muskeln der Gehörknochen, die seit alten Zeiten als vom N. facialis innervierter und am Stapes inserierender M. stapedius und als vom N. trigeminus (Zweig des N. pterygoideus internus) versorgter und am Malleus sich anheftender M. tensor tym- panı bekannt sind. Sonstige Angaben, welche die Existenz weiterer Muskeln (M. mallei externus major und minor, M. fixator baseos stapedis, M. intrusor stapedis etc.) behaupteten, haben gegenüber genaueren Untersuchungen nicht Stand gehalten; auch meine, namentlich auf diesen Punkt gerichteten Nachuntersuchungen ergaben allenthalben negative Resultate. Unter den zahlreichen Untersuchern der mammalen Gehörknochenmuskulatur treten namentlich HAGENBACH (1833), ZUCKERKANDL (1883), Kosra- NECKI (1890), Kırıtan (1890), ESCHWEILER (1899, 1904) und DENKER (1901) hervor; auch ich habe Vertreter aller Säugetierabteilungen untersucht. — Der von dem N. facialis versorgte M. stapedius bildet einen kleinen pyramidalen, von dem Petrosum (Labyrinthwand) im hinteren Bereiche der Pauken- höhle entspringenden Muskel, der nach ascendentem, nach vorn und innen gerichtetem, winklig ge- bogenem Verlaufe mit schlanker, bei vielen Mammalia ein Sesambein enthaltender Sehne an dem Köpfchen des Stapes sich inseriert. Bei den meisten Säugetieren liegt er in einer lateral offenen Grube (Fossa stapedii), die erst bei gewissen höheren Vertretern (vor allen Simiae, gewissen Rodentia etc.) zu dem vom Menschen bekannten Hohlkegel (Eminentia stapedii) abgeschlossen wird. Bei den tieferstehenden Mammalia ist er im ganzen, aber nicht immer, relativ kleiner als bei den höherstehenden. Bei den Monotremen fehlt er spurlos (Huxrey, ESCHWEILER 1899, DENKER, ich); doch darf man daraus nicht wie EscHweiter schließen, daß er hier offenbar nicht angelegt wurde Er mag aber schon bei den Jenaische Denkschriften XI. m Festschrift Ernst Haeckel. 618 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 618 frühen Vorfahren derselben in Rückbildung getreten sein; junge Embryonen wurden daraufhin noch nicht untersucht. — Der von dem N. trigeminus innervierte M. tensor tympanı ist der größere und, wie Broman fand, auch früher sich anlegende Muskel. Er beginnt vom vorderen Bereiche der Pauken- höhle bezw. rostral vor derselben in sehr wechselnder Weise von dem Petrosum, der knorpeligen Tuba und dem Sphenoid, wozu (Ornithorhynchus) auch noch ein Ursprung vom Pterygoid kommen kann, und geht in nach hinten und schließlich auch nach außen gerichtetem Verlaufe mit kürzerer oder längerer Sehne an die Innenfläche der Basis der Manubrium mallei. Ursprung, Größe und Gestalt sind einem großen Wechsel unterworfen. Ersterer kann sich auf das Petrosum beschränken, in welchem Falle der Muskel kurz, aber meist breit und dick ist; oder er kann auch auf die Tuba und das Sphenoid ausgedehnt sein, womit in der Regel ein längerer und ein schlankerer Muskel resultiert; auch Mangel eines petrosalen Ursprunges wird angegeben. Auf eine Wiedergabe des recht interessanten Details der Untersuchung ist indessen hier zu verzichten. Die Ursprungsstelle des Muskels ıst häufig als flache Grube (Fossa tensoris tympanı) ausgeprägt, aus der sich bei vielen Tieren der bekannte Canalıs (Semi- canalis) tensoris tympani entwickelt. Ein recht ansehnlicher und breiter Muskel findet sich insbesondere bei Monotremen, sowie fissipeden und pinnipeden Carnivoren, ein schlanker und langer bei Ungulaten, Rodentiern und Primaten, während die anderen Abteilungen zumeist eine mittlere Stellung einnehmen ; klein ist er bei vielen Ungulaten und den Cetaceen. Bei Manis javanica wurde er von ESCHWEILER vermißt. Embryonen und jüngere Tiere zeigen ihn relativ ansehnlicher als ältere. Ungemein häufig findet sich ein durch Sehnengewebe, aber nicht selten auch durch Muskelfasern vermittelter Zusammen- hang seines vorderen Teiles mit dem M. tensor veli palatinı; Broman hat gezeigt, daß dieser Zu- sammenhang auch in der menschlichen Öntogenese ein primärer ist; bei Tamandua fand ich auch einen partiellen Verband mit dem M. pterygoideus internus. Alle drei Muskeln werden bekanntlich von Zweigen des gleichen Nerven (N. pterygoideus internus) versorgt, worauf namentlich Kırrran (1890) als Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit hingewiesen hat. ESCHWEILER (1904) hat dafür auch den embryo- logischen Nachweis (bei Sus) gegeben und zugleich interessante Wachstumsrichtungen hervorgehoben, bezüglich welcher auf das Original verwiesen sei. WesTLınG (1889) fand eine Versorgung des M. tensor tympani von Ornithorhynchus nicht durch einen Zweig des N. trigeminus, sondern durch einen Faden der facialen Chorda tympani. Meine Untersuchungen konnten das nicht bestätigen; an mehreren Exem- plaren von Ornithorhynchus und Echidna fand ich nur die gewöhnliche trigeminale Innervation und ein bloßes Vorbeiziehen der Chorda tympani. Die Chorda tympanı bietet aber durch ihre Lage zum Insertionsteile bezw. zur Endsehne des M. tensor tympani Interesse dar, indem sie diesen bei ihrem Verlaufe nach vorn kreuzt, und zwar in verschiedener Weise: ventral von ihm (Monotremen, untersuchte Marsupialia, Ungulata, Carnıvora, Prosimiae) oder dorsal von ihm [Tamandua, sämtliche untersuchte Simiae inkl. Homo'). Das läßt daran denken, daß der Muskel bei den Primaten ursprünglich breiter, auch dorsal von der Chorda entwickelt war, daß dieser Teil aber in Rückbildung trat, während der jüngere ventrale allein übrig blieb. Auch die von EscHwEILER beobachtete sekundäre Vorwärtswande- rung während des embryonalen Lebens (Sus) legt Zeugnis für die lebensvolle Bildsamkeit des Muskels ab. Ausgedehntere Untersuchungen werden hier noch mancherlei aufhellen. Daß der M. stapedius der Mammalia den als M. extracolumellaris bezw. M. columellaris beschriebenen Gebilden der Sauropsiden im allgemeinen homolog ist, wird allgemein angenommen und 1) Von Primaten habe ich nur Pithecus daraufhin untersucht. Die Daten betreffend andere Affen (Callithrix, Cebus, Cynocephalus, Rhesus) entnehme ich einer bei mir unternommenen, noch nicht veröffentlichten Untersuchung des Herrm Hj. SCHULMAN aus Tammerfors, der mir dieselben freundlichst zur Verfügung stellte. 619 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 619 erscheint auch mir nicht zweifelhaft. Für die sichere Bestimmung des Grades der Homologie dagegen reichen die bisher vorliegenden Materialien nicht aus. Eine direkte und spezielle Homologie mit dem M. extracolumellaris der Lacertilier, Crocodilier und Vögel ist nicht zu verteidigen, weil, wie schon an- gegeben, dem peripheren Abschnitte der sauropsiden Extracolumella (an welcher jener Muskel Insertion findet) entsprechende Elemente des mammalen Stapes höchst wahrscheinlich fehlen; etwas weniger fern dürfte der übrigens noch sehr problematische M. columellaris der Testudinaten (s. oben p. 616, 617) dem M. stapedius der Säugetiere stehen. Hier sind erneute Untersuchungen durchaus notwendig. — Die gemeinsamen Vorfahren der Sauropsida und Mammalia (Protamniota) mögen einen vom Cranium (namentlich der Labyrinthregion) entspringenden M. columellaris s. lat. besessen haben, der nach dem Vorbilde des M. levator hyomandibularis der Selachier (C;hd) eine ausgedehnte Insertion an der Colu- mella s. lat. darbot und sich danach durch verschiedenartige Erhaltung und Rückbildung seiner Teile in doppelter Richtung differenzirte: ı) Erhaltung des peripher inserierenden Abschnittes (M. extracolu- mellaris der oben angegebenen diapsiden Sauropsiden) und 2) Erhaltung des proximal sich anheftenden Abschnittes (M. columellaris s. stapedius der Mammalier); ob die Testudinaten eine Mittelstellung zwischen ı) und 2) einnehmen, ist erst nach Sicherung ihres z. Z. selbst in seiner Existenz noch zweifelhaften Muskels zu sagen. Die bisherigen Befunde sprechen auch hier einer sehr frühen Sonderung der Sauropsiden und Säugetiere, nicht aber einer Ableitung der letzteren von ersteren das Wort. — Eine abweichende morphologische Auffassung des M. stapedius vertritt DRÜNER (1904). Indem er den Stapes vom Quadratum oder von der Labyrinthwand sich abgliedern läßt, wird ihm zugleich die gemeinhin als Endinsertion angenommene Anheftung des M. stapedius am Stapes primordial zum Ursprunge und ein von ihm hervorgehobener Verband mit dem Proc. stiloides zur Insertion; erst später, im Säugetier- stamme, könne sich mit der Entwickelung des Hammer-Amboß-Gelenkes die Umkehr vollzogen haben, die zu der Neuerwerbung des Punctum fixum an der Labyrinthkapsel führte. Für die Zugehörigkeit des M. tensor tympani der Säugetiere zu der Gruppe der M. ptery- goideus internus sensu lat, d. h. der medial von dem Hauptstamme des N. trigeminus III. gelegenen und von dem N. pterygoideus internus s. lat. versorgten Muskelgruppe, dürften die namentlich von KırLıan und ESCHWEILER mitgeteilten Beobachtungen und Angaben den genügenden Untergrund gewähren. Die Lage zu dem N. trigeminus III. ist übrigens selbst innerhalb der Mammalia keine ganz beständige (Monotremen). Im großen und ganzen entsprechende Muskelportionen lassen sich auch bei Amphibien und Sauropsiden nachweisen, hier durchweg am Kieferapparate sich anheftend und ohne jeden insertiven Zusammenhang mit Plectrum oder Extracolumella. Auch dies schließt die Vergleichung des Plectrum oder der Extracolumella mit dem Malleus der Mammalia aus. Bei den Amphibien inserieren die be- treffenden Muskelpartien bekanntlich an der Artikularregion der Mandibula, bei den Sauropsiden je nach der Freiheit ihrer Kiefergaumenelemente an der Innenfläche der Artikularregion der Mandibula und den benachbarten Deckknochen (Mm. pterygoidei interni s. lat.; von verschiedenen Autoren auch als Mm. pterygoidei [externus + internus] oder selbst zum Teil als M. pterygoideus externus irrtümlich gedeutet), sowie am Pterygoid und Quadratum [Mm. spheno-petro-pterygoidei der Lacertilier und Ophidier, bei vielen Lacertiliern auch auf das Quadratum übergreifend; von Verstuvs (1898, 1904) als M. pro- tractor pterygoidei, von BraprEy (1903) als M. pterygo-sphenoidalis posterior bezeichnet; Mm. spheno- quadrati der Vögel). Die Insertionen am Quadratum fehlen naturgemäß den (monimostylen) Amphibien und den monimostylen Reptilien, sind dagegen bei den streptostylen Sauropsiden (Lacertilier, Ophidier, Aves) gut und mannigfaltig entwickelt. Das Quadratum (Quadratum s. str. + Antipterygoid) bietet neben Sphenoid, Petrosum, Parietale, Pterygoid, Palatinum etc. ausgedehnte Ursprungsflächen für diese 78* 620 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 620 tieferen Elemente der Kiefergaumenmuskulatur dar. Auf eine Wiedergabe des Details meiner bezüg- lichen Beobachtungen, sowie der reichen Literatur muß hier verzichtet werden. Aus allen Variationen treten bei Amphibien und Sauropsiden gewisse hauptsächlich am Articulare und Angulare inserierende Partien der Mm. pterygoidei interni als Homologa des M. tensor tympanı der Säugetiere hervor und gewähren der behaupteten Homologie des Articulare + Angulare der Non-Mammalia mit dem Malleus der Mammalia eine Stütze, ohne jedoch den Ausschlag zu geben, ob nähere Beziehungen der letzteren zu den Amphibien oder den Reptilien existieren. — Für die eine Homologie des Quadratum mit dem Malleus postulierenden Hypothesen (Huxrev und Schüler, DRÜNER u. A.) würden dagegen die am Ouadratum inserierenden Fasern der Mm. spheno-petro-pterygoidei der Lacertilier und namentlich der Mm. spheno-quadrati der Vögel in Frage kommen, also Gebilde, welche sich gerade bei denjenigen Sauropsiden finden, welche den Säugetieren möglichst fernstehen (Vögel). Die Wahrscheinlichkeit dieser Homologie, an die unter anderen auch SAnDERS (1870) gedacht hat, ist sonach auch in dieser Hinsicht eine recht geringe; die Amphibien und synapsiden Reptilien, an die aus anderen Gründen eher zu denken wäre, lassen sich aber wegen ihrer Monimostylie und wegen des Mangels jeder am Quadratum inserierenden Muskulatur nicht zu Gunsten derselben verwerten. Ueber die Nichtexistenz irgend eines am Hammer sich anhaftenden Restes des M. depressor mandibulae der Nicht-Säugetiere habe ich mich bereits oben (S. 599) geäußert und die genaue Durch- musterung jener Gegend in früheren Entwickelungsstadien als Desiderat bezeichnet. Ob dieselbe freilich ein positives Ergebnis haben wird, erscheint mir von vornherein sehr zweifelhaft; doch will ich gegenüber der erst vorzunehmenden reellen Untersuchung nichts präjudizieren. Wenn aber, wie ich selbst vermute, ein positives Resultat ausbleiben sollte, so begründet der negative Befund keineswegs, daß jener Muskel bei den Vorfahren der Säugetiere niemals vorhanden war oder daß der Hammer nicht dem hinteren Ende der Mandibula der Nicht-Säuger entspricht, sondern läßt vielmehr schließen, daß zufolge der tiefgreifenden morphologischen und funktionellen Umwandlungen jener Gegend der unbrauchbar gewordene Muskel frühzeitig zu Grunde ging. Der Beispiele, wo unzweifelhaft früher be- standene Muskeln so spurlos verschwanden, daß sie später auch ontogenetisch nicht mehr nachgewiesen werden konnten, gibt es viele. Für die morphologische Beurteilung der Gehörknochen sind von einer Anzahl Autoren bekanntlich auch Paukenhöhle und Trommelfell herangezogen worden. Namentlich die Vertreter einer Homologie der gesamten Gehörknochenkette der Nicht-Säugetiere und Säugetiere nahmen die beiden Enden der die Paukenhöhle durchziehenden Gehörknochenkette, das ist die Fenestra vestibularıs und die Membrana tympani, als feste und vergleichbare Punkte und glaubten damit die Homologie von Columella -- Extracolumella und von Stapes + Incus + Malleus bewiesen zu haben. Dieser, insbesondere von ALBRECHT (1883, 1884) in eine mathematische Formel gebrachte Beweis ist, selbst die Identität der Paukenhöhlen und Trommelifelle aller columelliferen und stapediferen Wirbeltiere vorausgesetzt, kein tiefgehender und zwingender. Aber auch diese behauptete Identität steht sehr in Frage. Wie sehr die Ausdehnung, Größe und selbst Existenz der Paukenhöhle s. lat. (Cavum tympani s. str. + Tuba Eustachii) bei Amphibien, Sauropsiden und Säugetieren wechselt, ist bekannt. Unter den Amphibien fehlt sie den Urodelen und Gymnophionen, während sie bei den Anuren, wie schon seit HuschkE, MAvyER und JoHANNEs MÜLLER bekannt, ungemein wechselnde Verhältnisse zeigt (vergl. namentlich auch Hasse 1871, PARKER 1880, IwAnzorF 1894, Gaupp 1899) und bei ganzen Abteilungen derselben vermißt wird, wahrscheinlich, aber nicht überall gesichert, infolge von Reduktion. 621 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 621 Nicht mindere Variabilität zeigen die Sauropsiden, unter denen die Testudinaten, Crocodilier und Vögel durch die stete Existenz eines gut und zum Teil recht kompliziert ausgebildeten Cavum tympani charakterisiert sind, während Sphenodon und den Lacertiliern sehr verschiedene Grade der Entwickelung zukommen, die bei gewissen schlangenförmigen und grabenden Formen (Aniellidae, Anelytropidae, Dibamidae) zu weitgehender Verkümmerung oder (Amphisbaenidae) selbst vollkommenem Schwunde geführt haben (Srannıus 1856, BOULENGER 1885—87, VERSLUYS 1898); bei den Ophidiern scheint die Paukenhöhle allgemein rückgebildet zu sein. Auch ihre Einmündung in den Rachen (weitere oder engere Kommunikation, eventuell auch Sonderung einer Tube), wie Begrenzung durch die Knochen des Kopfes, von denen namentlich Quadratum, Mandibula, Pterygoid, Squamosum, Petrosum und Occipitale laterale in wechselnder Weise in Frage kommen, ist sehr variabel. Auch bei den Säugetieren, wo sie immer entwickelt ist, zeigt sie nicht minder große Variabilität hinsichtlich ihrer Kommunikation mit dem Rachen (Tube), ihrer Ausdehnung und Begrenzung durch die Kopfknochen, von denen Tympanicum Petrosum, Squamosum, Pterygoid, Basi- und Alisphenoid, Occipitale basilare, sowie Entotympanicum (Os bullae, Metatympanicum) in sehr interessantem Wechsel, zum Teil unter bemerkenswerten pneumatischen Auftreibungen (Bullae auditivae) an der Paukenhöhle partizipieren (vergl. namentlich Hyrrr 1845 und WEBER 1904). — Die Paukenhöhle ist also ein außerordentlich variables Gebilde Von dem Grade ihrer Ausdehnung wird auch ihr Verhalten zu den Gehörknochen beherrscht: ursprünglich in keiner direkten Beziehung zu ihnen, tritt ihre Schleimhaut nach und nach in immer innigere Nachbarschaft zu den- selben, und der zunehmende Hohlraum erstreckt sich zwischen die Skelettgebilde, sie mehr oder minder ausgedehnt umgebend. — Auch die Chorda tympani wird in ihrer Lage und in ihrem Verlaufe von der Ausdehnung des Hohlraumes beherrscht und kommt, bei den verschiedenen Abteilungen in abweichender Weise, in die Paukenhöhle zu liegen. Insbesondere VERSLUvs, Gaupp, KınasLey und DrÜnER (1903) haben dem Verhalten dieses Nerven ihre besondere Aufmerksamkeit zugewendet. DRrÜNER unterscheidet danach mit gutem Rechte bei Anuren eine prochordale, bei Reptilien eine metachordale und bei Säugetieren eine amphichordale (prochordale + metachordale) Paukenhöhle und Membrana tympanı. Gaupp und Kmesrey erblicken selbst in dem verschiedenen Verlauf der Chorda tympani einen Beweis für die Nicht-Homologie der Gehörknochenkette der Non-Mammalia und Mammalia; das Zwingende dieser Beweisführung kann ich indessen mit Gapow nicht anerkennen. — Die Ontogenese der Paukenhöhle ist noch nicht bei allen in Betracht kommenden Abteilungen gesichert; die Angaben auch der neueren Autoren widersprechen sich erheblich. Die Gegend des dorsalen Bereiches der ı. Schlundspalte (hyo-mandibularen Visceraltasche) bildet bei Anuren, Sauropsiden und Mammaliern den Ausgang für den tubo-tympanalen Raum, doch scheint die genauere Stelle bei den verschiedenen Ab- teilungen nicht die gleiche zu sein; bei den Anuren liegt sie nach den übereinstimmenden neueren Angaben (Gaupp 1893, SPEMANN 1898, DRÜNER 1903) ganz im Bereiche der Visceraltasche, bei Mammaliern mehr dorsal, so daß hier die dorsale Schlundwand den Hauptteil an der Entstehung der Paukenhöhle nimmt (KAstscHEnko, DRÜNER). DRÜNER hat ferner darauf hingewiesen, daß diese Gegend teils (die eigentliche Schlundspalte) vom Nervus VII, teils (die hier befindliche dorsale Schlundwand) vom Ramus visceralis nervi IX versorgt wird und daß zufolge der angegebenen Verschiedenheit die Versorgung der Paukenhöhlenschleimhaut bald durch den N. facialis (Anura), bald durch den N. glosso- pharyngeus (Mammalıa) stattfindet. Das alles sind sehr wichtige Verschiedenheiten. Die genauere Untersuchung der Sauropsiden bildet in dieser Hinsicht noch ein Desiderat. Kaum weniger als die Paukenhöhle wechselt das Verhalten der Membrana tympani. Auch hier begegnen wir bei Amphibien und Sauropsiden allen möglichen Graden der Ausbildung und 622 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 622 Rückbildung. Unter den Amphibien bei Urodelen und Gymnophionen fehlend, ist das Trommelfell bei Anuren bald normal vorhanden, bald umgebildet oder rückgebildet, wobei ungemeine und zum Teil sehr überraschende Variationen in der Korrelation zu der Paukenhöhle und den Gehörknochen von den bereits oben angegebenen Autoren beobachtet wurden. Bei den Aglossa wird es durch eine Knorpel- platte vertreten, bei den Phaneroglossa von einem Knorpelring umgeben, der seinerseits wieder dem Os squamosum auflagert und anlagert. Vergleichende Anatomie und Ontogenese machen wahrscheinlich, daß die betreffenden Knorpelgebilde dem ı. Visceralbogen entstammen und den Spritzlochknorpeln zu vergleichen sind (PARKER 1876, GEGENBAUR 1898, GAUrP 1899); gesichert ist diese Ableitung noch nicht. Unter den Sauropsiden enthält das Trommelfell der Testudinata bekanntlich gleichfalls Knorpel- elemente, deren Ableitung (ob vom ı. Visceralbogen?) noch zu erweisen ist; bei den anderen bekannten Formen ist es membranös und auch von keinem Knorpelring umschlossen, sondern direkt in die Nach- barknochen des Kopfes eingefügt, von denen Quadratum, Squamosum, Petrosum, Occipitale laterale, hinterer Teil der Mandibula, sowie auch Quadratojugale (Paraquadratum) in höchst wechselnder Weise sich an seiner Umgrenzung beteiligen können; das Quadratum kann bald hauptsächlicher Träger sein (viele Reptilien), bald mehr oder minder vollständig ausscheiden (gewisse Testudinata, viele Vögel). Hervorgehoben sei die Beteiligung oder wenigstens nahe Nachbarschaft des Quadratojugale (Sphenodon, gewisse Testudinata). Bei Lacertiliern aus den verschiedensten Abteilungen, namentlich aber beı kriechenden und grabenden Formen derselben, zeigt es sich rückgebildet bis fehlend; letzteres ist auch regelmäßig bei Ophidiern der Fall; bei Sphenodon ist es umgebildet und äußerlich nicht mehr sichtbar. Bei den Mammalia bildet das Tympanicum [Quadratojugale‘)) bei den niederen Formen und Jugendstadien als Anulus tympanicus auftretend, den einzigen oder hauptsächlichsten Träger des Trommeltelles, wozu noch in beschränkter Ausdehnung das Squamosum hinzukommt; Quadratum und hinterer Teil der Mandibula sind als Amboß und Hammer in die Paukenhöhle aufgenommen. Diese oberflächliche Lage entfernt somit das mammale Trommelfell weit von dem sauropsiden. Die von Rathke (1832), GÜNTHER (1842) und W. K. Parker (1885) angegebene knorpelige Grundlage des Anulus tympanicus einiger Embryonen hat sich nicht bewahrheitet; die das Entotympanicum einzelner Mammalia betreffenden An- gaben (FLOWER 1869, 1885, PARKER 1879, Wmcza 1897 u. A.) bedürfen noch weiterer Untersuchung (vergl. auch Verstuvs 1898 und WEBER 1904)?). Ebenso werden die bei erwachsenen Mammalia allenthalben nachweisbaren verstreuten fibrokartilaginösen Elemente in der Peripherie des Trommelfelles (neben der älteren Literatur vergl. namentlich Berreruı 1893) bald als Gebilde von primordialer Bedeutung (GEGENBAUR), bald als sekundäre (Gaurr) beurteilt; auch hier sind fortgesetzte Untersuchungen wünschenswert. — Wie seit alter Zeit bekannt, ist die äußere Fläche des Trommelfelles bei Anuren und Säugetieren konkav, bei Sauropsiden konvex (s. auch Berteren); auf dieses Verhalten sind keine verwandtschaftlichen Be- ziehungen zu gründen. Von der Mehrzahl der Autoren werden die Paukenhöhlen und Trommelfelle aller in Betracht kommenden Wirbeltiere als homologe Gebilde angesehen. Die in vorliegender kurzen Skizze zusammen- gestellten Materialien raten zu großer Vorsicht an. Hasse (1871) hat schon darauf hingewiesen, dal ı) Anm. während Druckes. Eine soeben erschienene Abhandlung von P. N. Van KAanPpEn (1904) leitet das mam- male Tympanicum von einem Deckknochen des non-mammalen Unterkiefers (Supraangulare) ab. 2) Die eingehende und sorgfältige Untersuchung Van Kaupens hat sich namentlich auch mit dem auf knorpeliger Grundlage ossifizierenden Entotympanicum beschäftigt. Da das Entotympanicum bei den tiefsten Säugetieren gar nicht (Monotremen, meisten Insectivoren) oder nur gering (Marsupialier) entwickelt ist, so hält der Autor eine erst innerhalb der Mammalia zu stande kommende Entstehung desselben für wahrscheinlich und enthält sich einer bestimmten Ableitung von Skelettbildungen der niederen Vertebraten. 623 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 623 die Paukenhöhle einer sekundären Erweiterung unterliegt, und hat die Entwickelungsreihe: ı) Batrachier, 2) Lacertilier, Chelonier; 3) Aves; 4) Mammalia angegeben; er hat auch den Einfluß der mammalen Gehirnvergrößerung auf die Drehung des Labyrinthes hervorgehoben. Gaurr (1898) und DrüneEr (1903) haben mit noch größerer Bestimmtheit auf die erheblichen Differenzen von Paukenhöhle und Trommelfell der verschiedenen großen Abteilungen auch mit Rücksicht auf ihre Genese hingewiesen und in verschiedenem Grade einer polyphyletischen Entstehung derselben das Wort geredet. Die Be- rechtigung dieses Standpunktes und das Gewicht der zu seiner Begründung gegebenen Ausführungen ist nicht zu verkennen. Auch ich vertrete die Auffassung, daß hier sehr voneinander abweichende und wesentlich verschiedene Gebilde vorliegen, möchte dieselben aber nicht durchaus als Konvergenzanalogien, sondern mehr im Sinne divergenter Entwickelungsgänge aus kurzem gemeinsamen Anfange auffassen. Daß hierbei bald die Anuren, bald die Reptilien und unter diesen wieder die Testudinata einzelne ähnliche Züge mit den Mammalia in dieser oder jener Richtung erkennen lassen, leugne ich nicht; aber alle diese Aehnlichkeiten sind mit großer Vorsicht zu beurteilen und nicht für nähere genealogische Relationen der Säugetiere zu den Batrachiern oder Schildkröten zu verwerten. Auch hier leuchtet die singuläre Stellung bezw. die ungemein frühe Abzweigung der Säuger von der Wurzel der Tetra- poden ein. Die vorliegenden Ausführungen über die Gehörknochen und ihre Nachbargebilde sollten zeigen, daß die morphologischen Grundlagen dieser komplizierten Frage zu ihrem vollkommenen Ausbau noch vieler Arbeit bedürfen, daß die in der von Reıcherr gegebenen Linie sich bewegende Homologisierung vor anderen Vergleichungen meines Erachtens den Vorzug der größeren Wahrscheinlichkeit hat und daß auf Grund derselben die Säugetiere sowohl den Amphibien als Sauropsiden gegenüber eine recht selb- ständige Stellung einnehmen, welche eine Ableitung von irgend welcher bekannten Form dieser beiden Abteilungen ausschließt. 6. Einige Bemerkungen über sonstige Schädelmerkmale. Dieser Abschnitt soll nur kurze Bemerkungen über einige Schädelmerkmale enthalten, welche in der Literatur mit Vorliebe für die Bestimmung der Verwandtschaften der Mammalia gegenüber den anderen Tetrapoden verwertet worden sind. Eine gründliche Behandlung würde einer eingehenden ver- gleichenden Anatomie des Schädels gleichkommen und einen viel größeren Raum beanspruchen, als hier beabsichtigt ist. Eine seit langer Zeit bekannte Differenz des Schädels der Amphibien und Amnioten besteht in der ungleichen Assimilation von Spinalwirbeln in die Occipitalregion des Cranium. Früher ist dieselbe überhaupt den Amphibien abgesprochen worden (s. namentlich GEGENBAUR), und der Schädel derselben wurde als protometamerer, der der Amnioten (und anderen Tiere mit angegliederten Wirbeln) als auximetamerer Schädel bezeichnet (SAGEMEHL 1883). Der wiederholte Nachweis eines spino-occipi- talen Nerven in der Occipitalregion gewisser Urodelen und Gymnophionen (FÜRBRINGER 1897, PETER 1898, DRÜNER 1900, 1901) macht es wahrscheinlich, daß jene Region auch bei den Amphibien der Wirbelassimilation nicht entbehrt, wobei allerdings die einstmalige Zahl der assimilierten Wirbel — namentlich unter Berücksichtigung der von Chrarusı und SEWERTZOFF gemachten Angaben von der Existenz zweier nervenlosen Myomeren im Occipitalbereiche junger Amphibienembryonen -— nicht festgestellt werden konnte. Howes and SwinxErtoNn treten neuerdings (1901) dafür ein, daß dem Amphibienschädel nur ı, dem Amniotencranium mehrere Wirbel angegliedert seien. Ich halte nach wie vor für unmöglich, auf 624 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 624 Grund der bisher gegebenen Materialien die Wirbelzahl bei Amphibien genau zu bestimmen (auch ein sekundäres Umschließen der spino-occipitalen Nerven durch nach hinten wachsende Teile der autogenen Occipitalregion des Primordialeranium erscheint, wenn auch nicht wahrscheinlich, zunächst nicht ganz ausgeschlossen), kann aber in dem vorliegenden Differentialmerkmal, auch wenn es gesichert vorläge, kein spezifisches Moment erblicken, welches die Säugetiere den Sauropsiden genealogisch näher stellt als den Amphibien, sondern nur ein Kennzeichen des höheren Entwickelungshorizontes der beiden ersten gegenüber den letzten. Es handelt sich hierbei also nur um eine zwischen Sauropsiden und Mammaliern bestehende Isotimie. Auf ein besonderes Differentialmoment zwischen Sauropsiden und Säugern im Bereiche der Labyrinthregion hat bekanntlich Huxrey (1871, 1873) aufmerksam gemacht, indem er bei letzteren eine anderen Knochenverbindungen vorausgehende Verschmelzung des Prooticum mit Epioticum und Opisthoticum, bei ersteren dagegen ein Separatbleiben des Prooticum oder eine erst anderen Ver- bindungen des Epioticum und Opisthoticum nachfolgende Synostose des Prooticum mit seinen beiden Nachbarn fand. Wie sehr ich auch von meinem genealogischen Standpunkte dieses Differentialmerkmal begrüßen möchte, so kann ich ihm doch keine genealogische Beweiskraft zuerkennen. Einmal besitzen solche Heterochronien in den Knochenverbindungen allgemein keine größere Tragweite, dann aber hat durch die von VroLık (1872) und Baur (1889) gegebenen Einwände die Bedeutung dieser Knochen für das Gehörorgan, ja selbst zum Teil ihre Existenz (Epioticum) sehr verloren, und das ganze bezügliche Differentialmerkmal ist hinfällig geworden. — Eindrucksvoller ist die namentlich von Gaupp (1901, 1903) hervorgehobene Differenz in der Lagerung des Labyrinthes, bei Amphibien und Reptilien annähernd in der ganzen Höhe des Schädels, bei Säugetieren an der Basis desselben. Ein spezifisches genealogisches Differentialmerkmal zwischen Mammalia und Non-Mammalia ist indessen damit nicht ge- geben, da dasselbe, wie Hasse (s. oben S. 622) und Gaurr selbst ganz richtig hervorheben, eine An- passung an die voluminösere Entwickelung des Großhirns ist und aus diesem Grunde auch bei den den Mammaliern genealogisch fernstehenden, aber in ihrem Entwickelungsniveau ihnen näher kommenden Vögeln sich angebahnt findet. Das sonstige Verhalten des Labyrinthes soll weiter unten (sub Ab- schnitt VII, 3) zur Sprache kommen. Betreffend die Temporalgegend des Schädels verweise ich auf Abschnitt II, 2 (S. 579—582). Außer den dort genannten Autoren hat namentlich auch SEELEY (1894, 95) die Aehnlichkeit des Schläfen- bogens der Anomodontia (insbesondere Cynodontia und Gomphodontia) mit demjenigen der Mammalia hervorgehoben, ist dabei aber auf die Frage der An- oder Abwesenheit des Postorbitale und Quadrato- jugale nicht näher eingegangen. Wie Baur und Ossorn hält er offen, ob der einfache Bogen (monozygokrotaphe, synapside Schädel) durch Verschmelzung von zwei Bogen (dizygokrotapher, diapsider Schädel) oder ob umgekehrt die letzteren durch Sonderung aus dem einfachen hervorgegangen sind. Case, schon 1898 der ersten Alternative zugeneigt, entscheidet sich 1903 mit Bestimmtheit für dieselbe und leitet danach die Gomphodontia als Endglieder der Reihe von primitiven Pelycosauriern und rhynchocephalier-artigen Vorfahren ab; damit ist die namentlich von OssBorn gegebene Scheidung der Reptilien in Diapsida und Synapsida verwischt. Nicht minder sei auf die beiden erst während des Druckes vorliegender Abhandlung mir zugekommenen Arbeiten von JAEREL (1904) und Wiırrısron (1904) verwiesen, welche Ostorn gleichfalls nicht ganz zustimmen. Auch Jarkers Veröffentlichung über Gephyrostegus (1902) sei nicht unerwähnt gelassen. — Auf die große Aehnlichkeit des Descen- ding process des Malare (Jugale) von Cynognathus mit dem verschiedener fossiler Mammalia, sowie Marsupialia und Edentata haben Ossorn und BEppAarD hingewiesen; namentlich letzterer erblickt 625 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. S 625 darin einen gemeinsamen Charakter von tieferer Bedeutung, der nicht durch die Annahme einer bloßen Konvergenz zu erklären sei. Ich taxiere den genealogischen Wert dieses Merkmals erheblich geringer. — Die hohe Entfaltung des Squamosum bei Theriodontia und Mammalia, insbesondere seines nach unten steigenden und das Quadratum deckenden Teiles ist namentlich von Ossorn als verwandtschaft- licher Charakter hervorgehoben worden. Bereits S. 587—588 habe ich ausgeführt, daß ich der Homo- logisierung des Quadratum mit dem Gelenkteil des Squamosum nicht zustimmen kann; demnach hat die betreffende Ausbildung des Squamosum der Theriodontier für mich keine beweisende Kraft zu Gunsten einer spezielleren Verwandtschaft mit den Säugetieren. Dazu kommt noch, daß auch andere, z. T. weit entfernte Reptilien, wie z. B. nach Marsn (1898) die Dinosaurier, ein entsprechend umfangreich ausgebildetes Squamosum besitzen. Hier liegen nur analoge Charaktere vor. — Gleichfalls wegen ab- weichender Homologisierung kann ich der von SEELEY (1898, 1900) und zuerst van BEMMELEN (vor- läufige Mitteilung, 1898, 99) gegebenen Vergleichung des Canalis temporalis der Monotremen mit dem Foramen supraarticulare von Pareiosaurus, Sphenodon und Ichthyosaurus und den daraus gezogenen genealogischen Schlüssen nicht zustimmen. Van BEMMELEN hat bekanntlich in der ausführlichen Unter- suchung ı901 gegenüber SEELEY die richtige Auffassung vertreten (vergl. auch oben S. 582). In der Orbitalregion haben Lacrymale, Praefrontale und Postorbitale bezw. Post- frontale bis auf den heutigen Tag bei verschiedenen Autoren (SEELEY, OSBORN u. A.) eine gewisse Rolle gespielt. Namentlich die zuletzt erwähnten Knochen wurden als Differentialmerkmale der Anom- odontia gegenüber den Mammalia hervorgehoben, zugleich aber versuchte man, die Differenz durch die Annahme einer Verschmelzung mit den Nachbarknochen bei den Säugetieren zu beseitigen oder wenigstens abzuschwächen. SEELEY (1898) gab von einem jungen Ornithorhynchus-Schädel die separate Existenz beider Knochen an, während van BEMMELEN (1901) bei einem noch jüngeren Exemplare, wie bei mehreren älteren kein Praefrontale und an Stelle der Postorbitale nur einen Knochenkern von recht zweifelhafter Homologie finden konnte. Auch von anderen Autoren — von neueren sei insbesondere an V. BARDELEBEN (1896), MaGGı (1897, 98, 1902) und CUNNINGHAM (1899) erinnert — haben separate Knochenkerne am Schädel des Menschen und anderer Säugetiere als gelegentliches und zum Teil gar nicht seltenes Vorkommen Erwähnung gefunden, welche sie als Praefrontalia, Supraorbitalia, Postfrontalia, Post; orbitalia etc. bezeichneten und mit den gleichgenannten Knochen der übrigen Gnathostomen verglichen. Doch erscheinen diese Homologien keineswegs gesichert, bisher auch nicht genügend geprüft; namentlich die sogenannten Postfrontalia oder Postorbitalia der Mammalia weichen erheblich von den echten, die Augenhöhle von der Schläfengrube trennenden Postorbitalia (Postfrontalia) der Sauropsiden ab (vergl. auch Fıcarer 1890). (rerade das Postorbitale resp. Postfrontale gibt dem Reptilienschädel eine wesentliche Differenz gegenüber dem Säugetierschädel, bei dessen primitiven Formen Augen- und Schläfenhöhle nur durch Weichteile getrennt sind, während die Scheidung durch Hartgebilde erst bei den höheren Ver- tretern und in anderer Weise als bei den Reptilien, namentlich durch das Jugale und Sphenoid zu stande kommt. Ich halte bis auf weitere Nachweise die genannten variabeln Skelettelemente der Mam- malıa für Schaltknochen von keiner tieferen Bedeutung, könnte aber, selbst wenn die behaupteten Homo- logien gesichert wären, in ihrer Existenz bei den Säugetieren kein Moment erblicken, welches für nähere Relationen derselben zu den Anomodontia spräche, da dıe genannten Knochen bei Teleostiern, Amphi- bien und Sauropsiden eine weite und recht mannigfaltige Verbreitung zeigen. Aehnlich verhält es sich mit anderen kleineren Knochen in jener Gegend, auf die weiter einzugehen ich für unnötig halte. Bedeutsamer erscheint eine schon seit langer Zeit gesehene, aber nicht weiter beachtete und erst durch Gaupp (1900, 1903) klar erkannte und hervorgehobene Besonderheit der orbitalen und Jenaische Denkschriften XI. 79 Festschrift Ernst Haeckel. 626 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 626 ethmoidalen Schädelregien, welche Amphibien und Amnioten in ziemlich scharfen Gegensatz bringt. Bei ersteren beeinflussen die wenig voluminösen Augen die Schädelhöhle nur in geringem Grade, so daß diese im orbitalen und ethmoidalen Bereiche in gleicher Flucht und wenig eingeengt nach vorn verläuft (platybasischer oder homalobasischer Schädel Gauprs). ‘Bei letzteren hingegen wird durch die mächtige Entwickelung der Augen eine von unten und lateral stattfindende Einengung und damit dorsale Erhebung der vorderen Schädelhöhle bewirkt, die namentlich bei den Sauropsiden sehr erheblich ist, zur Bildung eines Septum interorbitale führt und den im vorderen Schädelbereiche befind- lichen Teilen nur einen schmalen Raum gestattet (tropidobasischer Schädel GAuprs); wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei den Sauropsiden, fehlt auch den Mammalia die Tropidobasie des Schädels und das Septum interorbitale nicht und ist bei Embryonen derselben noch besser erkennbar, als bei ausgebildeten Tieren (E. FISCHER 1902, 1903, GAUPP 1903). Hier liegt gewiß eine tiefgreifende Differenz vor, die ich am wenigsten unterschätze. Sie ist aber keine ausschließliche Besonderheit der Amnioten, denn ähnliche Beeinflussungen der vorderen Schädelhöhle durch die Augenentwickelung kommen auch bei Fischen hervor. Dann aber ist nicht zu übersehen, daß die Tropidobasie der Sauropsida sich nicht unwesentlich von derjenigen der Mammalia unterscheidet: bei Sauropsiden ein weit ausgedehntes Septum interorbitale, während dasselbe bei den Säugetieren von vornherein beschränkt und durch die hohe Ausbildung des vorn eingreifenden Geruchsorgans noch weiter beeinträchtigt worden ist; bei ersteren grenzen beide Orbitae recht nahe aneinander, und der vordere Hirnteil (Tractus olfactorius) ist sehr verengt; bei letzteren liegen sie dagegen ziemlich weit auseinander, indem das Geruchsorgan sich ausgedehnt zwischen sie einlagert, und die Verschmälerung der olfaktorischen Region der Schädelhöhle ist eine geringere. Ich erblicke in diesen Verhältnissen Kennzeichen der benachbarten Entwickelungs- bahnen der Sauropsiden und Mammalier, aber keine Beweise für die Abstammung der letzteren von den ersteren. — Nicht unerwähnt bleibe an dieser Stelle die von OsBorn (1903) mitgeteilte Beobachtung, wonach die synapsiden Reptilien typisch und primitiv ein relativ verlängerter Gehirnschädel und ein relativ verkürzter Gesichtsschädel, die diapsiden Reptilien dagegen ein verkürzter Gehirn- und ein verlängerter Gesichtsschädel kennzeichnet. Diese Unterscheidung zeigt manche Ausnahmen, die ich nicht bloß als sekundäre Differenzierungen beurteilen möchte, im großen und ganzen aber hat sie eine gesunde Grundlage. Hier spielen natürlich viele Momente, in hervorragendem Grade namentlich die Entwickelung des Kiefergaumenapparates mit; aber auch die oben hervorgehobene Differenz der saur- opsiden und mammalen Tropidobasie bildet dabei einen Faktor, der wieder andeutet, daß die den Säugern relativ noch am wenigsten fern stehenden Ordnungen der Reptilien durch die Testudinata und Anom- odontia repräsentiert werden. Nicht minder hat die Ethmoidalregion s. str. sich für die Frage der Stellung der Mammalia fruchtbar erwiesen. SEELEY (1895) und ÖsBoRN (1898) haben hervorgehoben, daß den Theriodontia und den untereocänen Mammalia terminale vordere Nasenöffnungen zukommen und daß bei beiden Abteilungen die Ossa nasalia vorn schmal und hinten verbreitert sind. Beide Merkmale scheinen mir keine scharf ausgeprägten, keine ausschließlichen und keine bei beiden Abteilungen aus- nahmslos vorkommenden zu sein. — Andererseits findet Gaupp (1903) gerade in der Ethmoidalregion der Säugetiere zwei Bildungen, die Lamina ceribrosa (die indessen bei Ornithorhynchus nur durch eine einfache Durchbrechung wie bei Amphibien und Sauropsiden repräsentiert wird) und die größere Anzahl von Nasenmuscheln, wodurch diese sich von allen anderen Amnioten wesentlich unterscheiden. Auch FLEISCHMANN, BEECKER und BLENDINGER haben neuerdings (1903, 1904) über diese Verhältnisse bei Am- nioten gearbeitet. Weiter unten (sub Abschnitt VII, 5) soll die Frage der Muschelbildungen noch weiter berührt werden. 62 7 Zuı Frage der Abstammung der Säugetiere. 62 7 Auch die beiden Deckknochen an der Schädelbasis, Parasphenoid und Vomer, sind für die ver- wandtschaftlichen Beziehungen der Mammalia herangezogen worden. Die Existenz und Nichtexistenz des Parasphenoids hat zuerst Huxrev (1871, 1873) als Differentialmerkmal für die Ichthyopsida (Fische und Amphibien) einerseits und die Sauropsiden und Mammalia andererseits hervorgehoben; viele Autoren, vor nicht zu langer Zeit auch FLowEr and LvDERKER (1891), sind ihm darin gefolgt. Diese zu Hux- LEys Zeiten und von den genannten Autoren angenommene Scheidewand ist aber im Laufe der Jahre mehrfach durchlöchert worden: PARKER (1876, 1877) und Andere (insbesondere auch SuscHkın 1899) haben ausgedehnte parasphenoidale Reste bei Vögeln (Rostrum, Basitemporalia) nachgewiesen; man hat solche bei Sphenodon gefunden (Frırsch 1885, Baur 1889, Howes and SWINNERTON 1900, SCHAUMS- LAND 1903); bei Sauropterygiern und anderen Reptilien sind gewisse Skelettelemente als Parasphenoide angesprochen worden; endlich zeigt der Vomer der Monotremen, namentlich von Ornithorhynchus, eine so weite Ausdehnung nach hinten (bis zum Basioceipitale bei Ornithorhynchus), daß er — sowie überhaupt der Vomer der älteren Mammalia — von Broom (1901, 1903) dem Parasphenoid der Anamnier und Reptilien homologisiert wird. Somit bei Diapsiden und Synapsiden (Reptilien, Vögeln und Säugetieren) Gebilde, welche zum Teil sicher, zum Teil mit mehr oder minder großer Wahrscheinlichkeit die Brücke zwischen Amnioten und Anamniern bilden. Sicher werden weitere Untersuchungen hier noch manche Lücke ausfüllen. Schon jetzt aber darf man das Parasphenoid nicht als Scheidemerkmal, sondern viel- mehr als Bindeglied und Beweisstück für die Abstammung der Sauropsiden und Mammalier von früheren amphibienartigen Zuständen betrachten, und aus den recht wahrscheinlichen Ausführungen Broons folgt zugleich, daß auch hier die Mammalia den Testudinata und Anomodontia verhältnismäßig am wenigsten fernstehen. — Vor dem Parasphenoid befindet sich weitverbreitet in der Wirbeltierreihe der meist paarige „Vomer“ vor diesem bei Ornithorhynchus der trotz zahlreicher Arbeiten (vergl. namentlich die von Van BEMMELEN 1901 gegebene Uebersicht) in seiner vergleichend-anatomischen Bedeutung noch nicht vollkommen aufgeklärte „Praevomer“ Namentlich TuURNER (1885), SyminGron (1891, 96), Wırson (1893, 94, 1900—02), BROOM (1895, 96, 1900—03) und Van BEMMELEN (1901) verdanken wir hierüber ausführliche und schätzenswerte Mitteilungen; Broom hat die Frage auch auf die Reptilien ausgedehnt und ist, unter wesentlicher Abweichung von den bisher gebräuchlichen Deutungen (Vomer der meisten Reptilien wird von ihm mit Praevomer der Monotremen, Parasphenoid der Reptilien mit dem ursprünglichen Vomer der Mammalier homologisiert), zu bemerkenswerten, auch von OsBORN (1903) über- nommenen genealogischen Relationen gelangt, welche wiederum von den Reptilien die Testudinata, Dicyn- odontia und Theriodontia relativ am wenigsten weitabstellen. Des näheren sei auf die Abhandlungen von BRooMm und OsBorn verwiesen. Die genauere Entwickelungsgeschichte des Schädels der Monotremen wird hoffentlich in die noch bestehenden Differenzen der morphologischen Auffassungen Klärung bringen. Auf den Kiefergaumenapparat, namentlich auf die Bildung des Gaumens und der Choanen haben namentlich Serrey und Ossorn als auf ein Merkmal hingewiesen, welches Anomodontia und Mammalia verbindet: bei beiden Abteilungen wurden durch den Zusammentritt der Supramaxillaria und Palatina beider Seiten zu stande gekommene Gaumenbildungen beobachtet. Auch hier ist Vorsicht in der genealogischen Verwertung geraten. Einmal beschränkt sich die ausgedehnte Gaumenbildung keineswegs bloß auf die Anomodontier und Säuger, sondern findet sich auch bei anderen von den Mammalia weitab stehenden diapsiden Sauropsiden, z. B. Crocodiliern und Vögeln, in einem zum Teil noch höheren Grade (Verwendung der Pterygoide für die Gaumenbildung bei den Crocodiliern ähnlich wie bei Edentaten und Cetaceen). Dann aber zeigen die verschiedenen Unterordnungen der Anomodontia sehr weitgehende Differenzen ın ihren Gaumenbildungen von den ersten Anfängen bis zu den End- 795 628 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 628 stadien der Entwickelung (namentlich sei auch auf Scylacosaurus als Vertreter der primitiven T'hero- cephalia, cf. BRooMm 1903, verwiesen), und gerade diejenigen Abteilungen, welche von den Befür- wortern theromorpher Relationen der Mammalia als die relativ nächsten Verwandten der Säugetiere angesehen werden, die Cynodontia und Gomphodontia (zu SEELEvs Therosuchia gehörig), zeigen nach SEELEys und OsBorns Nachweisen in dem lateral und ventral vorspringenden, unter Beteiligung des Palatinum und Transversum erfolgenden hinteren und seitlichen Abschlusse des Gaumens eine An- ordnung, die sich der Gaumenbildung gewisser Diapsiden annähert, aber von der mammalen Gaumen- bildung weit mehr entfernt als diejenige der im übrigen recht einseitig und als Endausläufer entwickelten Dicynodontia (Therochelonia SEELEYS). Endlich kommt noch dazu die Differenz betreffend das Trans- versum (Ektopterygoid), das in dem Kiefergaumenapparat der meisten Reptilien eine recht wesentliche Rolle spielt und gerade bei den Anomodontia sehr gut entwickelt ist, während es bei den Mammalia ohne jede Andeutung eines einstmaligen Vorkommens fehlt; bei den Testudinata weist wenigstens der Proc. ectopterygoideus des Pterygoides von BOULENGER auf seine Existenz mit einiger Wahrscheinlichkeit hin (SIEBENROcK). Wenn ich auch auf die letzterwähnte Differenz keinen großen Wert legen will, so kann ich doch dem Gaumenmerkmal keine höhere genealogische Bedeutung beimessen. Im wesent- lichen handelt es sich hierbei um analoge Bildungsgänge, um Parallelen, ja selbst, wie die Dieynodontia zeigen, um Konvergenzen. Auch Dorro (1892) ist bekanntlich für eine polyphyletische Entstehung der Gaumenbildungen in der Reihe der höheren Wirbeltiere eingetreten, indem er sie entweder mit einer höheren Entfaltung der Kaufunktion (Testudinata, — die Anomodontia erwähnt er nicht), oder mit der Anpassung an das Wasserleben (Champsosaurus, Crocodilia), oder mit der Milchnahrung und dem Sauggeschäft der Jungen (Mammalia) in funktionellen Verband brachte. Aehnlich hat auch HaEckEL (1895) eine Korrelation der Ausbildung des Velum palatinum (und der Epiglottis) der Säugetiere zu den Saugbewegungen der Jungen angenommen. Wenn ich auch gerade diesen Grund für die mammale Gaumenbildung nicht unterstützen möchte, so stimme ich Dorro doch gern darin bei, daß eine mono- phyletische Gaumenbildung bisher nicht erwiesen ist. Auch verschiedene andere, mehr nebensächliche Details des Schädels sind für die vorliegende Frage verwertet worden; ich verzichte auf deren Besprechung und verweise auf die einschlägige Literatur. In Kürze sei nur der bezüglichen Versuche Sıxras gedacht. Dieser Autor hat über das Thema der mammalen und reptilischen Verwandtschaften mehrere Abhandlungen (1899—1901) veröffentlicht, in denen er zahlreiche Angaben aus der Literatur und verschiedene eigene Beobachtungen über den Schädel und andere Körperteile zusammengetragen hat, mit denen er beweisen will, daß die Säugetiere und namentlich die Monotremen den Reptilien, und zwar nicht nur den Anomodontia, sondern namentlich den Lacertiliern (Sauriern) nahestehen; unter Umständen sei die Uebereinstimmung ihrer — in Wirk- lichkeit auf den ersten Blick ganz heterogenen — Bildungen eine so vollkommene, daß selbst ein erfahrener Zoologe die betreffenden Teile bei Monotremen und Sauriern nicht leicht auseinanderhalten könne. Sıxra schlägt daraufhin vor, den Namen Monotremata fallen zu lassen und an seine Stelle die Bezeichnung „Sauromammalia* — die bekanntlich schon für andere Kombinationen von Tiergruppen vergeben ist — zu setzen. Bei aller Anerkennung des großen Fleißes und des guten Willens des Autors liegt hier eine über die verschiedensten Organsysteme sich erstreckende Reihe von Arbeiten vor, denen fast jede sonstige Voraussetzung für nutzbringende Untersuchung, sowohl nach Seite der notwendigen elementaren Kenntnisse als der Befähigung für eine ruhige und nüchterne Beobachtung, zumeist abgeht. Diese Arbeiten sind denn auch schon verschiedentlich (FÜRBRINGER, DENKER, VAN BEMMELEN, GAUPP) streng kritisiert und größtenteils zurückgewiesen worden. 629 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 629 Endlich ist von verschiedenen Autoren, namentlich von SEELEy und Osgorn, das Habitus- bild des ganzen Schädels und seiner Teile als Demonstrationsmittel für die Aehnlichkeit bezw. Ver- wandtschaft der Anomodontia und Mammalia benutzt worden. Schon früher hatte Owen und seinen Nachfolgern der große Eckzahn der Dicynodontia gedient, um auf die habituelle Aehnlichkeit dieser Abteilung der Anomodontier und der Säugetiere hinzuweisen. Zufolge von SEELEys hervorragenden Forschungen sind bekanntlich die genealogischen Beziehungen der Mammalia zu den Dicynodontia mehr in den Hintergrund, dagegen diejenigen zu den Cynodontia und Gomphodontia mehr an erste Stelle gerückt worden. Namentlich die vorderen Schädelabschnitte gewisser Gomphodontia zeigen eine so große Achnlichkeit mit denen gewisser Mammalia, daß auf Grund der vorhandenen Fragmente gewisse Gattungen, wie Tritylodon und Verwandte, den herbivoren Säugetieren zugewiesen und erst infolge von SEELEYS (1894, 1895) genaueren Untersuchungen und Vergleichungen mit ausgedehnter er- haltenen Schädeln gewisser Gomphodontia als Anomodontia erkannt wurden. Aber auch die einseitige Betrachtung des ganzen Schädels kann täuschen. SEELEyY und OsBorn haben angegeben, und man kann sich sehr leicht von der Richtigkeit dieser Beobachtung überzeugen, daß z. B. der Schädel des cynodonten Cynognathus in der Seitenansicht einem carnıvoren Säugetier gleicht (ÖsBorn führt speziell den creodonten Dissacus und den marsupialen Thylacinus an), in der Ansicht von oben dagegen einem spezifischen Reptil (und zwar nach SEELEY einer Zwischenform zwischen dem phytosauren Belodon und dem crocodilen Teleosaurus),. Es bedarf keiner besonderen Ausführung, daß solchen partiellen Ansichts- ähnlichkeiten, denen bei anderer Ansicht und nun gar bei genauerem Studium eine Fülle von tief- gehenden Differenzen gegenübersteht, nicht die mindeste genealogische Bedeutung zukommt. Auch glaube ich nicht, daß SEELEy und OsBorn im Ernste daran gedacht haben, damit die genealogischen Relationen zwischen Anomodontia und Mammalia zu stützen; leicht aber können in diesem Punkte ihre Mitteilungen mißverstanden werden. In alledem handelt es sich lediglich um den ganz einseitigen Ausdruck oberflächlicher Konvergenzen, und immer wieder resultiert aus diesen Fällen die Mahnung zu einer möglichst viele Instanzen berücksichtigenden Untersuchung. Aehnlich wurden z. B. an dem Monotremenschädel auf Grund seiner ersten Beobachtungen (1898/99) von VAN BEMMELEN gewisse reptilische Affinitäten behauptet, die er zufolge seiner darauf folgenden intensiveren Untersuchungen (1901) nicht mehr festhielt, und ein Jeder kann sich überzeugen, daß von der durch Sıxra behaupteten typischen Ausprägung von Lacertilier-Charakteren im Schädel von Ornithorhynchus keine Rede sein kann. Auch aus dem in diesem Abschnitt Mitgeteilten dürfte hervorgehen, daß Mammalia und Reptilia, und namentlich deren synapside Abteilungen, in ihrer Schädelbildung viele Aehnlichkeiten darbieten, welche zum Teil bloße Konvergenzen sind, zum Teil aber als Parallelitäten auf der Grundlage einer gewissen, obschon recht entfernten Verwandtschaft aufgefaßt werden können. Insbesondere finden sich solche Aehnlichkeiten bei den beiden theriodonten Abteilungen der Cynodontia und vornehmlich Gomph- odontia, hier aber zugleich mit so fundamentalen Abweichungen gepaart, daß eine direkte Ableitung der Mammalia von primitiven Verwandten dieser beiden theriodonten Familien mir ausgeschlossen erscheint. Alles weist darauf hin, daß Mammalıa und Reptilia als benachbarte, aber doch separate Zweige (Stämme) von einer gemeinsamen Wurzel von der Entwickelungshöhle primitiver amphibienartiger Tiere ent- sprossen sind. 630 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 630 III. Gliedmassenskelett. Die folgenden Seiten geben nur eine ganz zusammengedrängte Darstellung der bezüglichen Ver- hältnisse lediglich mit Rücksicht auf die eventuelle Abstammung der Säugetiere von anderen Wirbel- tieren. Von allen den mannigfachen Differenzierungen und Ableitungen innerhalb der Mammalia ist hier abgesehen, doch sei die auch die ausgestorbenen Säuger berücksichtigende Zusammenstellung der Verhältnisse bei den einzelnen Säugetierstämmen von SCHLOSSER (1890) der Lektüre empfohlen. 1. Brustschulterapparat. Die ausdrucksvolle Struktur des Schultergürtels ist seit alter Zeit als Merkmal für die Ab- stammung und die Verwandtschaft der Säugetiere verwertet worden; aber die Schlüsse gehen sehr aus- einander. Huxrey (1879) und seine Nachfolger fanden ihn mehr amphibisch als reptilisch; CopE (1880), Koren (1893), Kınsstey and Ruppick (1899) heben gleicherweise amphibische (urodele und stegocephale) und reptilische (theromorphe) Züge hervor, wobei auf die Synostosierung von Scapula und Coracoid der Schwerpunkt gelegt wurde; CorE (1878, namentlich aber 1884 und 1892), Howes (1886), FLowEr and LyDERKER (1891), SEELEY (1894, 1895), OsBORN (1898, 1898/99), BRoom (1901) und BEDDARD (1902) stellten die anomodonten (theromorphen) Aehnlichkeiten in den Vordergrund, wobei die Bildungen der Monotremen (Prototheria) einerseits und der Marsupialia (Metatheria) und Placentalia (Eutheria) andererseits bald dieser, bald jener Abteilung der Anomodontia verglichen wurden (hinsichtlich des Ge- naueren sei auf die Literatur verwiesen); GEGENBAUR (1898) erblickte manche Uebereinstimmungen mit Reptilien, „welche jedoch bei näherer allseitiger Prüfung einen direkten Anschluß an jene nicht zur vollen Begründung gelangen lassen“; Sıxra (1899) fand eine so vollkommene Uebereinstimmung des Schultergürtels der Monotremen (Ornithorhynchus) und Lacertilier (Uromastix), „daß selbst ein erfahrener Zoologe den Schultergürtel von Ornithorhynchus für den einer Eidechse halten könnte und daß Orni- thorhynchus dem Schultergürtel nach eine Eidechse ist“. Einige unter den genannten Autoren betonten zugleich die große Differenz in den Schultergürtelbildungen der Monotremen gegenüber den übrigen Mammalia und erblickten darin selbst den Ausdruck einer diphyletischen Entstehung der Mammalia (z. B. BEpparD 1902). Gapow (1902) vertrat einen mehr negativen Standpunkt, indem er den Schulter- gürtel für indifferent zur Bestimmung mammaler Verwandtschaften erklärte. Die Beurteilung dieser recht verschiedenartigen Ergebnisse macht eine etwas genauere, wenn auch hier nur in kurzen Zügen wiedergegebene Betrachtung nötig. Der Schultergürtel der Mammalia besteht bekanntlich aus den beiden Abteilungen des sog. primären Schultergürtels, der sich aus einem scapularen und coracoidalen Abschnitt zusammensetzt und zu dem Sternum nähere oder fernere Beziehungen aufweist, und des sog. sekundären Schultergürtels, der durch die Clavicula repräsentiert wird und mit dem Episternum in Verband steht. Beide Abteilungen zeigen bei den Monotremen und bei den übrigen höheren Säugetieren (Marsupialia und Placentalia) er- hebliche Verschiedenheit. Der sogen. primäre Schultergürtel bildete bei den Monotremen (Prototheria) in seinem coracoidalen Abschnitte eine breite ventrale Platte, die in ihrem vorderen, separat ossifizierenden Bereiche (Epicoracoid Cuviers und der meisten Autoren, Procoracoid BRooms) medial mit der der Gegenseite sich kreuzt, in ihrem hinteren (Coracoid s. str, Metacoracoid) mit dem Sternum artikuliert; der scapulare, etwas größere und in descendenter Richtung an der Seitenwand des Rumpfes befindliche 631 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 631 Teil schließt vorn (rostral) mit einer Spina ab, die sich ventral zu dem Acromion erhebt. Das bei Örnithorhynchus sehr ansehnliche, bei Echidna bereits kleinere Epicoracoid dient mit seiner Außenfläche im wesentlichen dem Ursprunge des Musc. supracoracoideus, ist von der Scapula durch die große Inceisura coraco-scapularis getrennt und befindet sich auch weit entfernt und außer jeder Beziehung zu der Gelenkfläche für den Humerus; das Coracoid s. str. seu Metacoracoid bietet den Mm. coraco-scapularis und biceps brachii Ursprungsflächen dar und bildet mit der Scapula die Cavitas glenoidalis pro humero. Bei den höheren Mammalia (Marsupialia s. Metatheria und Placentalia s. Eutheria s. Epitheria) ist die bei Echidna schon begonnene Reduktion des coracoidalen Abschnittes erheblich weiter geschritten und kennzeichnet sich dadurch, daß von demselben nur der den Mm. coraco-brachialis und biceps Ur- sprung gebende Teil, also das Coracoid s. str. (Metacoracoid), erhalten geblieben ist, und auch dieses hat sich erheblich verkürzt und bildet einen bloßen Anhang (Processus coracoides) der Scapula, der außer Zusammenhang mit dem Sternum getreten ist. Brooms Beobachtungen (1897, 1899, 1902) an embryonalen Beuteltieren, wo der Proc. coracoides noch mit dem Sternum artikuliert und sich auch dadurch als echtes Metacoracoid dokumentiert, haben uns gezeigt, wie diese successive Verkleinerung des Metacoracoids und seine Entfernung vom Sternum noch ontogenetisch nachgewiesen werden kann. Das Epicoracoid ist in der Regel vollständig in Schwund getreten; die bei einzelnen Insectivora, Chiroptera und Rodentia dem Sternum und den ersten Rippen angelagerten und von W. K. Parker (1868) als epicoracoidale Rudimente gedeuteten kleinen Skelettelemente erscheinen in ihrer Beziehung zu dem Epicoracoid recht zweifelhaft. Dagegen ist außer dem coracoidalen Hauptkern der höheren Mammalia noch ein — den Anthropotomen seit lange bekannter -— kleinerer, in dem ventralen Bereiche der Cavitas articularis pro humero befindlicher Nebenkern (Punctum subcoracoideum s. bicipitale der Aut.) von verschiedenen Autoren (insbesondere SaBATIER 1880, Howes 1886, 93 und Nachfolgern) als wichtiger coracoidaler Bestandteil, und zwar als Coracoid s. str. seu Metacoracoid, der Proc. coracoides dagegen als Procoracoid (SaBATIER) oder Epicoracoid (Howes) angesprochen worden; auch LyDEKKER (1893) hat die Homologie des Proc. coracoides mit dem Epicoracoid der Monotremen vertreten. Namentlich Eister (1895) und Broom (1899) haben diese Homologie bezweifelt; GEGENBAUR (1898) steht ihr gleichfalls skeptisch gegenüber. Ich vermag sie auch nicht anzunehmen und erblicke in dem artikularen, recht spät auftretenden und auch in seiner Existenz recht variabeln Nebenkern, ähnlich wie Broom, einen sekundären Epiphysenkern ‚ dessen Auftreten mit der speziellen Differenzierung des von ihm entspringenden Caput longum musc. bicipitis zusammenhängt, während, wie schon angegeben, ich den Proc. coracoides nur mit dem Metacoracoid der Monotremen vergleichen kann. Ist somit das Coracoid der höheren Mammalia gegenüber dem der Monotremen in weitgehende Rückbildung getreten, so hat andererseits die Scapula durch Ausbildung einer vor der Spina scapulae gelegenen Partie, der Fossa supraspinata, eine neue Ausdehnung gewonnen, welche für den verlorenen epicoracoidalen Ab- schnitt des Coracoids einen gewissen funktionellen Ersatz bildet, auch einem nahen Verwandten des mit dem Epicoracoid abhanden gekommenen Musc. supracoracoideus, d. i. dem Musc. supraspinatus Ur- sprungsfläche darbietet. In dieser Weise bietet der primäre Schultergürtel der beiden Hauptabteilungen der Säugetiere erhebliche Differenzen dar, welche durch Brooms ontogenetische Beobachtungen zum Teil überbrückt werden und dereinst durch zwischen Prototheria und Metatheria + Eutheria stehende Zwischenformen vermittelt worden sein mögen; doch sind von diesen vermutlich in der Sekundärzeit lebenden Zwischenformen bei unseren höchst dürftigen paläontologischen Kenntnissen bisher noch keine fossilen Reste bekannt geworden. Bei der eben dargelegten Homologisierung tritt die Frage nach dem Anschluß des sogenannten 632 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 632 primären Schultergürtels der Mammalia an eventuelle Vorfahren derselben in eine zum Teil neue Be- leuchtung. Von den Anhängern speziell anomodonter genealogischer Relationen ist der primäre Schulter- gürtel der Monotremen mit dem von Pareiasaurus, Procolophon und Keirognathus (Cirognathus), der- jenige der höheren Säugetiere mit dem von Cynognathus und Ptychosiagum verglichen worden (SEELEY, Ossorn u. A.), und in der Tat scheinen hier bei diesen durch SEELEys ausgezeichnete Untersuchungen uns erschlossenen Bildungen beim ersten Anblicke überraschende Aehnlichkeiten zu bestehen. Auf- fallend ist hierbei, daß die namentlich als ähnlich angesprochenen anomodonten Bildungen zu teilweise außerordentlich divergenten Abteilungen gehören: Pareiasaurus ist als Cotylosaurier, Procolophon wahrscheinlich als Angehöriger der weitab stehenden Diaptosaurier, Keirognathus vielleicht als Dieyn- odontier, Cynognathus als Cynodontier und Ptychosiagum wohl als Dieynodontier angesprochen worden. Also eine erhebliche Dysharmonie betreffs der morphologischen Bildung und der systematischen Stellung, welche natürlich zu neuen Untersuchungen hinsichtlich dieser beiden Beziehungen auffordern muß, im günstigsten Falle aber die Aehnlichkeiten nur als Parallelen bezw. Konvergenzanalogien beurteilen läßt. Dann aber läßt die genauere Vergleichung der beiderlei Bildungen die auf den ersten Blick so auf- fallenden Aehnlichkeiten als recht oberflächliche erkennen: bei dem am genauesten bekannten Brust- gürtel der ersten Gruppe, dem von Pareiasaurus, ist ein wohlentwickeltes, lateral mit der Scapula ver- bundenes Procoracoid vorhanden, während die Monotremen wohl ein Epicoracoid, aber kein Procoracoid haben; ferner repräsentieren bei Cynocephalus und Ptychosiagum (wie auch bei den pelycosauren Deuterosaurus und Rhopalodon) die beiden coracoidalen Komponenten ein Procoracoıd und ein Coracoid s. str. (Metacoracoid), während das Coracoid der höheren Mammalia nur ein Metacoracoid ist, zu dem sich noch ein accessorischer sekundärer, bei den Reptilien bisher vermißter Epiphysenkern zugesellen kann; allen bekannten Cynodontiern und Dicynodontiern geht aber auch die Fossa supraspinata ab, welche der Scapula der höheren Mammalia ihr charakteristisches Gepräge verleiht. Was sonst noch an Schultergürtelbildungen anderer Anomodontia (z. B. verschiedener (GGomphodontier, sowie Iycosaurier) vorliegt, ist zu fragmentarisch erhalten, um weitergehende Schlüsse zu gestatten; soweit man sehen kann, sind aber auch hier die Differenzen gegenüber den mammalen Bildungen nicht unwesentliche. Die behauptete große Uebereinstimmung des Schultergürtels der höheren Mammalia mit dem der Cyn- odontia hat somit bei genauerer Betrachtung nicht einmal als Analogie Bestand. Beiden ist nur gemein, daß die ventralen Abschnitte ihrer Schultergürtel in Reduktion traten; diese Reduktion erfolgte aber bei beiden in sehr verschiedener Weise. Ob die Monotremen mit ihrem separat ossifizierenden Epi- coracoid von Vorfahren abstammen, welche ein separat ossifizierendes, hoch entwickeltes und lateral bis zum scapularen Vorderrande erstrecktes Procoracoid besaßen, von welchem ihr Epicoracoıd das übrig gebliebene mediale Relikt darstellen würde, dafür fehlt bisher jeder Nachweis; die Untersuchung mittel- alter Beuteljungen von Echidna zeigte die noch knorpelige epicoracoidale Region in der gleichen Weise wie bei den erwachsenen Tieren durch eine tiefe Incisura coraco-scapularis von der Scapula getrennt. Aber die Frage ist diskutierbar, da die Vertreter der — auf Grund der in den vorhergehenden Ab- schnitten gegebenen Erörterungen — den Mammalia minder fernstehenden synapsiden Reptilien, d. h. der Cotylosaurier, Anomodontier, Testudinaten und Sauropterygier, sämtlich (aber, wie es scheint, nicht ausschließlich, denn auch bei Pelycosauriern und Procolophoniern wird das Gleiche angegeben), durch ein separat ossifizierendes Procoracoid gekennzeichnet sind, und fordert zu weiteren Untersuchungen, namentlich auch an jungen Monotremen-Embryonen, auf. Auch der rostralwärts sich erstreckende mediane Haken des Coracoids, den GörrE (1877) bei einem Testudinaten Embryo (Podocnemis?) be- obachtet, ist hier zu erwähnen. Unter den ferner stehenden diapsiden Reptilien existieren aber gewisse 633 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 633 Coracoide (z. B. bei jungen Embryonen von Sphenodon, cf. ScCHAUINSLAND 1903 und BrAaus 1904, namentlich aber bei Ichthyosauriern und Phytosauriern), bei denen die vorhandene Incisura coraco- scapularis eine ziemlich große Aehnlichkeit in der Konfiguration mit den Monotremen aufweist, der separate epicoracoidale Knochenkern derselben dagegen fehlt. Aber gerade Ichthyosaurier und Phytosaurier stehen auf Grund ihres sonstigen Baues den Mammaliern möglichst fern. So befinden wir uns hier erst vor dem eigentlichen Beginne der Frage, die manchem vielleicht schon beantwortet erschien, die aber erst auf Grund eines weit reichlicheren paläontologischen Materiales, als wir zur Zeit besitzen, mit Erfolg an- gegriffen werden dürfte. Die Behauptung, daß der Schultergürtel von Uromastix dem von Ornithorhyn- chus gleiche, widerlegt der erste Anblick der beiderlei Gebilde — Auch zu dem sogen. primären Schultergürtel der lebenden Amphibien bestehen nur ganz entfernte Relationen. Theoretisch kann man von zwischen Urodelen und Anuren stehenden Formen ausgehen, doch fehlt hier jede bestimmte Grund- lage. Die primären Schultergürtel der heterogenen Sammelgruppe der Stegocephalen sind uns nur ganz fragmentarisch bekannt, da sie zu einem wesentlichen Teile aus Knorpel bestanden. Der sogen. sekundäre Brustschultergürtel der Monotremen besteht in der be- kannten Weise aus dem T-förmigen, hinten (kaudal) dem Sternum aufsitzenden Episternum (Interelavicula), mit dessen Seitenästen die beiden Claviculae durch Sutur oder Synostose verbunden sind; mit den lateralen Enden reichen die Claviculae zur Spina scapulae resp. dem Acromion. Bei den höheren Mammalia bilden die Claviculae sehr variable Elemente in den verschiedensten Graden von guter Ausbildung bis zum vollkommenen Schwunde; das Episternum ist mehr oder minder weit in Rück- bildung getreten, bietet mediale und laterale Rudimente dar, die zum Teil eine recht verschiedene Be- urteilung gefunden haben, vergl. u. A. GEGENBAUR 1864, 65, 98, RuGE 1880, PATERSON 1900, IQOI, EGGELING 1903, 1904, BRAUS 1904), und ist damit für das Aufsuchen von Anschlüssen an tiefer stehende Wirbeltiere unbrauchbar geworden. In der Ossifikation des Episternum und der Clavicula der Säuge- tiere bestehen Besonderheiten (Knorpeleinschlüsse u. a. cf. GEGENBAUR 1864, 65, 98, PARKER 1868, GÖörTE 1877, HOFFMANN 1879), welche noch lange nicht ausreichend untersucht sind, jedenfalls aber die Bezeichnung als „sekundärer Schultergürtel“ und die spezielle Homologisierung mit den Claviculae der Amphibien und Sauropsiden mit Vorsicht beurteilen lassen. — Ein T-förmiges Episternum mit ihm seitlich verbundenen Clavikeln findet sich bei den Reptilien in weiter Verbreitung, soweit bekannt aber lediglich als Deckknochenbildung ohne knorpelige Einschlüsse; Vertreter der Synapsida (Cotylosauria, gewisse Anomodontia, einzelne Sauropterygia, viele Testudinata) wie der Diapsida (zahlreiche Diaptosauria, Ichthyosauria, viele Lacertilia), sowie die in ihrer Stellung noch nicht gesicherten Procolophonia weisen diese Gebilde zum Teil in ziemlich großer Aehnlichkeit mit den Monotremen auf, wobei indessen bei den fossilen Formen die Beziehungen zu dem zumeist knorpeligen und darum nicht oder nur ganz un- vollkommen erhaltenen Sternum dubiöse sind. — Auch von verschiedenen Vertretern der Stegocephalia (z. B. den mikrosauren Petrobates und Hylonomus und der stereospondylen Stereorhachis) wurden Epi- sterna nach dem Typus von Palaeohatteria und vielen anderen Diaptosauriern und ziemlich schlanke, gebogene Claviculae (diese namentlich auch bei Seeleya) gefunden, so daß hier zum Teil Zweifel ent- stehen kann, ob amphibische oder reptilische Bildungen vorliegen. — Bei solcher allgemeinen Verbreitung lassen sich spezielle Genealogien nicht begründen. Eine direkte Beziehung zu den Mammalia wird aber auch, wie schon angedeutet, durch die den Reptilien fehlenden, den Säugetieren aber zukommenden Knorpelelemente in der Clavicula erschwert. Für den sekundären Brustgürtel — nicht aber für den primären, der ein ziemlich feines taxonomisches Reagens ist — gilt somit auch meines Erachtens Gapows oben (S. 630) angeführte Behauptung. Dazu kommen noch Besonderheiten der Autoren in der Jenaische Denkschriften XI. 80 Festschrift Ernst Haeckel. 634 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 634 Deutung dieser Knochen (vergl. u. A. namentlich Core, der 1895 bei Cotylosauriern Interclavicula und Episternum unterscheidet). — Von besonderem Interesse für die Phylogenese des reptilischen sekun- dären Brustschultergürtels hat sich SEELEys Entdeckung einer separaten „Epiclavicula“ bei Pareiasaurus (1892) erwiesen; u. A. haben auch BRoom (1899) und ich (1900) auf diesen letzten Rest eines Cleithrum hingewiesen, welcher gleichfalls zwischen den tiefstehenden Cotylosauriern und den Stegocephalen ge- wisse Beziehungen knüpft. SEELEy und Broom haben zugleich, der letztere auf Grund von ontogene- tischen Beobachtungen, Rudimente dieses Cleithrum im Bereiche der Spina scapulae der Säugetiere zu finden geglaubt. Braus (1904), auf dessen zusammenfassende kritische Darstellung des besonderen verwiesen sei, und ich vermissen dafür indessen die sicheren Begründungen; für genealogische Schluß- folgerungen betreffend die Mammalia scheint mir diese Frage noch nicht reif zu sein. Der Brustschulterapparat weder der Monotremen noch der höheren Mammalia erlaubt somit direkte Anschlüsse an irgend eine genauer bekannte Abteilung der Amphibien oder Reptilien, sondern gestattet nur den Schluß, daß sich die Säugetiere sehr früh von noch nicht specialisierten Vorfahren der Reptilien und Amphibien (Proreptilia, Proamphibia) abgelöst haben, und zwar ın der Nähe des Stammes der Cotylosauria, d. h. der primitivsten Gruppe der synapsiden Reptilien überhaupt. Was bei den höheren Anomodontia (insbesondere den Cynodontia) als essentielle Uebereinstimmung mit mammalen Bildungen angesprochen und damit als Beweis für eine Abstammung oder nahe Verwandtschaft mit dieser Ab- teilung verwertet worden, ist höchstens als oberflächliche Konvergenzanalogie zu beurteilen. 2. Beckengürtel. Wie bei dem Brustschulterapparat sind auch auf Grund des Beckengürtels bald nähere Ver- wandtschaften der Säugetiere zu den Amphibien, insbesondere Urodelen (HuxrEy 1879), bald solche zu den Anomodontiern (ÖwEn 1862, 66, COPE 1878, 80, SEELEY 1888, 92, 95, 98/99, FLOWER-LYDEKKER I8QI, Howes 1893, OsBORN 1898, BRooMm 1901 u. A.) behauptet worden; andere Autoren (z. B. KokEn 1893, GEGENBAUR 1898, Kınsstev and Ruppick 1899) erkannten die morphologischen Aehnlichkeiten an, warnten aber vor tiefergehenden genealogischen Schlüssen, resp. ließen die Möglichkeit einer Er- klärung durch Konvergenz zu. HarckEL deutete die Aehnlichkeiten 1895 im Sinne von Konvergenzen, 1903 hob er mehr die relativ nahen Beziehungen der Theriodontier hervor. Insbesondere haben die Art der Verbindung der einzelnen Knochenteile des Beckengürtels, der Verband des Os ilei mit dem Sacrum, seine Neigung, das Verhalten des Acetabulum, sowie des Foramen obturatum, endlich auch die Bildungen des Epipubis resp. der Ossa marsupialia in diesen genealogischen Bestrebungen eine wesentliche Rolle gespielt. Die knöcherne Verwachsung (Synostose) der drei Komponenten des Beckens (Os ilei, Os pubis und Os ischii) zu einem einheitlichen Stücke (Os coxae) kommt der Mehrzahl der Cotylosauria und Anomodontia ebenso wie den Mammalia zu, während bei den meisten anderen Reptilien wie bei Amphibien in der Regel mehr oder minder ausgedehnte Suturen oder knorpelige Strecken die drei genannten Knochenteile sondern. Doch ist dieses Differentialmerkmal weder ein durchgreifendes (ver- einzelte Anomodontia haben mit Suturen versehene Beckengürtel, gewisse Sauropsida, namentlich die Vögel ein einheitlich gewordenes Os coxae), noch ein solches, welches eine besondere Qualität bekundete; der nicht suturöse, einheitliche Coxalknochen ist lediglich ein älteres Entwickelungsstadium, zu dem u. a. gewisse Anomodontia und einzelne andere Reptilien, Aves und Mammalia, vermutlich Hand in Hand mit einer höheren funktionellen Inanspruchnahme desselben, gelangten. Selbst Koken, der dieses Merkmal 63 iS Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 635 zu den bemerkenswertesten stellt, läßt die Möglichkeit einer bloßen Konvergenzerscheinung offen. Für mich ist nicht zweifelhaft, daß es sich hier, wie überhaupt in den weitaus meisten Fällen niederer und höherer Grade von Knochenkernverbänden, nicht um Homogenien, die genealogische Verbände an- zeigen, sondern nur um Isotimien handelt. Auch der Verband des Os ilei mit der Wirbelsäule ist nach dem Vorausgange von Owen (1862) von einigen Autoren in den Vordergrund gestellt worden. Gewisse Cotylosauria (z. B. Pareiasaurus) und Anomodontia (namentlich die Dieynodontia) haben wie die Mammalia ein aus mehreren Wirbeln zusammengesetztes Sacrum, mit welchem das Os ileı in ausgedehnterem Verbande steht. Auch diese Bildung ist weder eine durchgreifende noch für die genannten Wirbeltiere spezifische. Andere Cotylosaurier (z. B. Empedias) besitzen ein nur aus 2 Wirbeln bestehendes Sacrum und einen kurzen Verband desselben mit dem Ileum; viele andere Sauropsiden (namentlich Dinosaurier, Pterosaurier, Vögel) zeigen aber eine Ausdehnung des Sacrum und seiner Verbindung mit dem Ileum, welche diejenige der Anomodontia und Mammalia erreicht oder erheblich übertreffen kann. SEELEY und OsBorn, im übrigen lebhafte Befürworter dieser Verwandtschaft, vermochten daher auch diesem Merkmale keine ausschlaggebende Bedeutung zuzuerkennen. Ich halte es für eine in mehreren Endzipfeln auslaufende Konvergenzerscheinung von genealogisch zum Teil recht entfernt stehenden Tieren, welche, wie es den Anschein hat, mit der beginnenden oder ausgebildeten Möglichkeit einer Erhebung des Vorderkörpers vom Boden und der allmählichen Entwickelung der Balance des Rumpfes auf den hinteren Extremitäten koinzidiert. Eindrucksvoller und wichtiger ist die Beckenneigung bezw. die Richtung der Achse des Os ileı zu der Wirbelsäule Namentlich Owen (1862), GEGENBAUR (1871), Huxrey (1879), SEELEY (1888) und Howes (1893) haben auf dieses Merkmal aufmerksam gemacht. Bekanntlich zeigt das Os ilei bei der Mehrzahl der Amphibien und Sauropsiden eine ascendente, d. h. von dem Sacrum ausgehend eine nach vorn und unten (vento-rostral) gerichtete Neigung; da, wo diese Verhältnisse bei ausgewachsenen Tieren mit verbreitertem lleum (z. B. Crocodilia, gewisse Dinosauria, Aves) nicht so klar liegen, klärt die genauere Untersuchung und insbesondere die Ontogenese über die bestehende Ascendenz der Achse des Ileum auf. Im Gegensatze dazu zeigt das Becken der Anuren, Cotylosaurier, Anomodontier und Säugetiere eine descendente, d. h. nach hinten und unten (ventro-caudal) gerichtete Achse des Os ileı. Und unter den Mammalia hat Ornithorhynchus eine geringe, der transversalen Richtung nahekommende, die anderen Vertreter derselben (incl. Echidna) dagegen eine sehr ausgesprochene Descendenz der Beckenachse. Huxrey hat denn auch Ornithorhynchus als Ausgangsform für die mammale Descendenz angesehen, während spätere genauere Untersuchungen von Howes (1893) zeigten, daß junge Schnabel- tiere eine größere Descendenz besitzen als ältere, daß somit die Entstehung der mammalen Descendenz älteren Datums ist, als es nach den ersten Beobachtungen Huxreys schien. Auch bei den Anomodontia wechseln die Grade der Beckendescendenz nicht unerheblich, und die bald zu ihnen, bald zu den Diapto- sauriern gerechneten Procolophonia scheinen eine transversale bis ascendente Beckenachse zu besitzen. Im großen und ganzen aber ist die Differenz des ascendenten und descendenten Beckens bei den Tetrapoden eine durchgreifende; augenscheinlich, wie namentlich die Anuren dies dartuen, auf funktionellem Wege erworben, bildet sie doch ein nicht zn unterschätzendes taxonomisches Merkmal. Vermittelnde Formen zwischen ausgesprochener Ascendenz und Descendenz der Beckenachse finden sich bei Testudinata und Sauropterygia, bei denen die Ascendenz eine der transversalen nahekommende Richtung zeigt, also bei zwei synapsiden Ordnungen, die schon aus vielen anderen morphologischen Gründen zu Cotylo- sauriern und Anomodontiern gewisse nicht zu ferne Beziehungen aufwiesen. 80* 636 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 636 Einige Autoren haben auch das Verhalten des Acetabulum, ob eine geschlossene (meiste Anomodontia und meiste Mammalia) oder perforierte Pfanne (zahlreiche Sauropsiden, Echidna etc.) bildend, hervorgehoben. Die vielen Ausnahmen setzen dieses Merkmal bis zur Unbrauchbarkeit herab. Ebenso kann ich dem Foramen obturatum, das bei der Mehrzahl der Amphibien und bei vielen Anomodontia fehlt, bei einzelnen Stegocephalen (z. B. Eryops), gewissen Anomodontia, gewissen anderen Reptilien (z. B. Sphenodon, vielen Testudinata und wohl auch Sauropterygia), den Vögeln und den Säugetieren in paariger Ausbildung vorhanden ist, bei einigen höheren Stegocephalen (z. B. dem temnospondylen Chelidosaurus und dem stereospondylen Macromerion) und der Mehrzahl der Reptilien aber eine unpaare Oeffnung darstellt oder nur durch einen medianen nicht verknöcherten Skelettstreifen von dem der Gegenseite abgegrenzt ist, einen größeren taxonomischen Wert nicht zuerkennen. Schon die eben gegebene, die systematischen Grenzen nicht achtende Verteilung bezeugt die ziemlich geringe Bedeutung dieses Merkmales. Doch seien auch hier die paarigen Foramina obturata vieler Testudinata und Sauropterygia, ebenso, worauf namentlich Howes (1893) hingewiesen, die Aehnlichkeit der kleinen For. obturata von Platypodosaurus und Ornithorhynchus juv. wenigstens erwähnt. Endlich haben zahlreiche Autoren auf die Bildungen des Epipubis der Urodelen und der Ossa marsupialia der Monotremen und Marsupialier Gewicht gelegt. Beide Gebilde sind bekanntlich zuerst von Dusks (1835) miteinander verglichen worden und haben danach eingehende und in ihren Auffassungen recht wechselnde Bearbeitungen und Vergleichungen gefunden, wobei sich u. A. CuviEr (1836), Huxıev (1879), LecHE (1883, 91), MEHNERT (1890), BauUR (1891), WIEDERSHEIM (1892) und PArsons (1903) als Anhänger, HyrıL (1865), BunGeE (1880), SABAIIER (1880), GEGENBAUR (1898) als (Gregner der erwähnten Hombologisierung erwiesen. Auch bei verschiedenen Sauropsiden sind gewisse rudimentäre Gebilde und Anlagen solcher als hierher gehörig angesprochen worden (s. besonders C. K. Horrmann 1876, MEHNERT, BAUR, WIEDERSHEIM, PARSoNS); eine speziellere Darstellung der marsupialen Skelettteile der Mammalia verdanken wir neben Huxrev (1880) neuerdings namentlich Carrs- son (1903) und WEBER (1904). Die vergleichende Beurteilung aller dieser Gebilde bedarf noch einer besseren Sicherung der ontogenetischen Grundlagen. Aehnlich Braus (1904) stehe ich den behaupteten Hombologisierungen nicht so abweichend gegenüber, wie z. B. GEGENBAUR, kann dieselben aber als be- bewiesen noch nicht ansehen. Somit steht für mich die daraufhin behauptete nähere Beziehung der Mammalia zu den Amphibien noch auf schwachen Füßen. Epipubis und marsupiale Skelettteile können auch diphyletisch entstanden sein. Der Kausalnexus der letzteren zur Brutpflege der Monotremen und Marsupialier ist gleichfalls noch offene Frage; gerade bei Echidna hat RusE (1895) einen engeren Ver- band zwischen Brutbeutel und Beutelknochen vermißt. Bei den Anomodontia ist bisher, was auch SEELEY hervorhebt, noch kein hierher gehörendes Gebilde gefunden worden, womit natürlich nicht gesagt ist, daß sie nicht noch gefunden werden können. ÖsBoRN (1898) hält nach der Konfiguration des vorderen Pubisrandes von Cynognathus für möglich, daß hier entsprechende Skelettelemente ansaßen. Ob das sachlich berechtigt ist, kann ich nicht beurteilen, da ich die originalen Fossilien nicht untersucht habe; angesichts der erwähnten Angabe von SEELEY stehe ich aber der Behauptung von OsBoRN skeptisch gegenüber. Der Beckengürtel der Mammalia ist sonach eine Bildung, welche durch das eine oder das andere Merkmal mancherlei Aehnlichkeiten mit dieser oder jener Abteilung der Amphibien und Reptilien dar- bietet, aber auf keine direkt bezogen werden kann. Die Mehrzahl der bedeutungsvolleren Merkmale weist auf gewisse Vertreter der stegocephalen Amphibien und der synapsiden Reptilien, und unter letzteren 637 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 6 [@5) SI namentlich auf die Cotylosaurier und Anomodontier hin; doch ist eine direkte Ableitung der Säugetiere von allen diesen, sowie auch nur eine nähere Verwandtschaft zu ihnen fürs erste ausgeschlossen. 3. Vordere Extremität. Wie die beiden Gliedmaßengürtel hat die vordere Extremität nach verschiedenen Seiten hin als Merkmal für die Ableitung der Säugetiere gedient; auch hier stehen sich die beiden Richtungen gegen- über, welche nähere Beziehungen der Mammalia einerseits zu den Amphibien (GEGENBAUR 1864, Huxrev 1879, in gewissem Sinne auch EistEr 1895), andererseits zu den Reptilien und unter diesen namentlich zu den Anomodontia (vor Allen OwEn 1876, CoPpE 1878—95, BAUR 1887, SEELEY 1888—1900, FLOWER- LYDEKKER 1891, OSBORN 1898, BROOM 1901) befürworten. GEGENBAUR hat später (1898) hervor- gehoben, daß neben den Amphibien auch gewisse lebende Reptilien, insbesondere Sphenodon und die Testudinata, Anklänge an die Mammalia darbieten. Andere Reptilien kommen weniger in Betracht. Namentlich Humerus und Hand sind für die Vergleichung verwertet worden. Die Aehnlichkeit des Humerus der Anomodontia und Mammalia wurde von zahlreichen Autoren hervorgehoben; insbesondere sind sein allgemeiner Habitus, das Verhalten des Processus lateralis (Deltoid crest, Deltopectoral crest der englischen und amerikanischen Autoren), die Konfiguration der Epicondylen und das Foramen entepicondyloideum als Unterlage für die Verwandtschaft beider Abteilungen benutzt worden. Unschwer kann man aus dem vorhandenen Materiale Oberarmknochen dieses oder jenes Anom- odontiers auslesen, welche in der Ausbildung der Muskelfortsätze und damit zusammenhängend im allgemeinen Habitus mit dem Humerus des einen oder anderen Säugetieres eine mehr oder minder große Aehnlichkeit darbieten. So hob, um nur einige Beispiele anzuführen, schon Owen in dieser Hin- sicht die Aehnlichkeit des theriodonten Cynodraco mit den Mammalia hervor; andere Theriodonten führten SEELEv und OsBorn an; Cope verglich den Humerus der Monotremen mit dem der Anomodontier und damals von ihm zu den Theromorphen gerechneten Pelycosaurier (Dimetrodon); SEELEY (1900) be- tonte die trotz gewisser Abweichungen sehr große Aehnlichkeit des von ihm auch den Anomodontia zugezählten Procolophoniers Aristodesmus mit Echidna; namentlich der theriodonte Theriodesmus hat hierbei eine interessante Rolle gespielt, indem er auf Grund seiner vorderen Extremität von SEELEY zuerst (1887) als einem Säugetier zugehörig angesprochen, dann von v. BARDELEBEN (1889) auf Grund des daneben befindlichen Carpus für ein Zwischenglied zwischen Reptilien und Säugetieren erklärt und endlich von Serrev (1894, 98) als Anomodontier erkannt wurde. Diese kurze Zusammenstellung zeigt bereits, daß hier neben echten Anomodontiern auch Pelycosaurier und Procolophonier, die neueren Untersuchungen zufolge wahrscheinlich nicht einmal zu den Synapsida, sondern zu den Diaptosauriern gehören, zum Vergleiche mit den Mammalia herangezogen wurden, und eine weitere Durchmusterung des fossilen Materiales ergiebt nicht nur für die genannten Abteilungen, sondern auch für gewisse Rhynchocephalier und selbst Dinosaurier, sowie gewisse Stegocephalen, recht bemerkenswerte Aehnlich- keiten mit diesem oder jenem Säugetier. Auf diejenigen zwischen Stegocephalen und Mammaliern haben schon Core und FrowEr-LyDEkker hingewiesen. Die kräftigen Formen unter den Humeri der Amphi- bien und Reptilien ähneln z. B. mehr denen der muskelstarken Monotremen, sowie gewisser Vertreter der Xenarthra und Insectivora, die schlankeren mehr denjenigen der Säugetiere mit muskelschwächeren vorderen Extremitäten. Aber die genauere Untersuchung zeigt, daß alle diese Achnlichkeiten, von denen ich diejenigen der Anomodontia gern in den Vordergrund stelle, keine tiefgreifenden sind. Die jeweilige Funktion, ob vorwiegend dem Schreiten oder dem Graben oder anderen Verrichtungen dienend, be- 638 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 638 herrscht die Formen; die Aehnlichkeiten sind in der Hauptsache durch ähnliche Muskelwirkungen herangezüchtete Analogien, die auf gewisse Uebereinstimmungen in der Lebensweise dieser oder jener Anomodontia und Mammalia, aber nicht auf nähere spezielle genealogische Relationen schließen lassen. Daß z. B. die Humeri von Platypodosaurus unter den Anomodontiern oder von ÖOrnithorhynchus und Echidna unter den Säugetieren sich im großen und ganzen von den einfacheren Urformen weiter ent- fernt haben, als manche schwächeren und weniger ausgearbeiteten Humeri anderer übrigens höher stehender Vertreter dieser Abteilungen, leuchtet ein. Die Vergleichung wählt somit hier mit Vorliebe einseitig angepaßte und extrem differenzierte Endstadien aus und weicht damit so viel als möglich von der rationellen Methode der komparativen Anatomie ab, welche gerade die morphologischen Anfangs- stadien (Urformen) miteinander in Vergleichung bringen soll. Mit dieser Bemerkung möchte ich übrigens nicht mißverstanden werden. Ich behaupte mit derselben keineswegs, daß nun gerade die einfachst gebauten und mit möglichst schwachen Muskelfortsätzen versehenen Humeri den wirklichen Urformen des mammalen Oberarmknochens am meisten entsprechen; bei solchen schlanken und schwachen Humeri ist vielmehr auch mit einer sekundären Rückbildung früher stärkerer Humeri und besser ent- wickelter Fortsätze, also mit einem Schlanker- und Schmälerwerden mit successiver Aenderung der Lebens- geewohnheiten, die bei den Promammalia wohl vorwiegend erdlebende waren, zu rechnen. Eine mittlere und nicht unansehnliche Stärke bildete den Ausgang. Von etwas größerer Bedeutung erscheint das Foramen entepicondyloideum (Canalis nervi mediani). Bekanntlich weist der Humerus vieler Amnioten in seinem distalen Bereiche zwei Löcher oder Kanäle auf, die bald zusammen, bald nur das eine oder das andere vorkommen und dem Durchtritte von Nerven und Gefäßen dienen. Das medial gelegene ist das For. entepicondyloideum (Can. nervi medianı), das lateral befindliche repräsentiert das For. ectepicondyloideum (Can. nervi radialis). Eine reiche Literatur, aus welcher nur die Veröffentlichungen von H. v. MEvER (1847—55), GRUBER (1856), OwEn (1876), LEeBouco (1877), CorE (1880 und folgende Jahre), Dorro (1884), RucE (1884), FÜRBRINGER (1886, 88, 1900), BAUR (1886/87), SEELEY (besonders 1895), OSBORN (1898, 1903), STROMER (1902), FRASSETTO (1902), WEBER (1904), BRAaUs (1904) und DwisHr (1904), die auch z. T. ausführliche Literatur- berichte enthalten, namhaft gemacht seien, knüpft sich an diese Gebilde. Zuerst in ihrer systematischen Bedeutung überschätzt, sind sie später von einzelnen Autoren (z. B. Kımssrey and RuppIk 1899, 1900, Gapow 1902) wohl etwas zu gering bewertet worden, Auch mir (1900) erschien ihre Bedeutung bei dem bedeutenden Wechsel ihres Vorkommens bei den Rhynchocephalia s. lat. (in der Hauptsache zu den Diaptosauria gehörend), der zum Teil wohl auch auf eine nicht ausreichend genaue Kenntnis zurück- zuführen ist, als eine mit Vorsicht zu beurteilende. Der Canalis n. radialis ist ein bei Rhynchocephaliern 5. lat, Lacertiliern und Testudinaten weit, aber nicht allgemein verbreitetes Gebilde und findet sich, zum Teil nur durch eine Furche vertreten, auch bei gewissen Pelycosauriern, Nothosauriern, Phyto- sauriern, einzelnen Vögeln und einzelnen Säugetieren. Der Canalıs n. mediani existiert häufig bei Rhynchocephaliern s. lat, Procolophoniern, Pelycosauriern, Cotylosauriern, Anomodontiern, Mesosauriern, und Mammaliern, wobei innerhalb der verschiedenen Abteilungen auch ein großer Wechsel hinsichtlich der Existenz und Bildung beobachtet wird. Beide Kanäle ko£xistieren bei einzelnen Rhynchocephaliern s. lat, Pelycosauriern, Anomodontiern und Säugetieren, wobei der radiale Kanal auch durch eine Furche repräsentiert sein kann. Hinsichtlich des spezielleren Vorkommens verweise ich auf die oben gegebene Literatur. Von einzelnen Autoren (WIEDERSHEIM 1892, OsawA 1898) ist diesen Kanälen, als Kenn- zeichen einer Verwachsung des Humerus aus einst getrennten Strahlen, eine fundamentale morpho- logische Bedeutung zuerteilt worden. Diese Anschauung hat wenig Beifall gefunden. Ruce (1884), 639 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 639 ich (1900), Eimer (1901), Bravs (1904) sind für eine mit der zunehmenden Verbreiterung des Humerus sich ausbildende Umwachsung der genannten Nerven und der im Verlaufe ihnen entsprechenden Gefäße eingetreten. Diese Umwachsung wird in vielen Fällen in früher Zeit erfolgt sein, wofür die z. B. bei Sphenodon (Howes and Swinxerron 1901), Lacerta (MorLier 1895), Echidna (eigene Untersuchung) bereits im Knorpel- und selbst Vorknorpelstadium beobachtete Anlage der Kanäle spricht; in anderen Fällen (z. B. der Sulcus radialis bei Vögeln und gewissen Säugetieren, namentlich Xenarthra) ist sie erst spät, im Knochenstadium zur Ausbildung gekommen. Die phylogenetische Parallele ist nicht schwer zu ziehen. Recht instruktiv ist die Vergleichung des Humerus des pelycosauren Dimetrodon (Baur and CAasE 1899) mit dem von Sphenodon (FÜRBRINGER 1900), Umgekehrt, z. B. bei sekundärer Ver- schmälerung des Humerus, aber auch noch aus anderen noch nicht genügend aufgeklärten Gründen, können die Kanäle sich zu Furchen öffnen, verflachen und ganz schwinden. Bei den älteren und tiefer stehenden Mammalıa ist das Foramen entepicondyloideum weit mehr verbreitet als bei den jüngeren und höher stehenden; man wird daher bei diesen (den Säugetieren) der Hypothese einer sehr frühen Aus- bildung bei den Vorfahren bezw. einer Vererbung von reptilischen oder amphibischen Ancestralen (Rusr) den Vorzug geben, wobei natürlich in gewissen einzelnen Fällen eine sekundäre Neubildung des Kanales nicht ausgeschlossen ist. Dem von manchem Vertreter anomodonter Verwandtschaften gezogenen Schlusse, daß die häufige Existenz der Can. entepicondylei bei Anomodontia und Mammalia ein Zeugnis für die Abstammung der letzteren von ersteren sei, kann indessen nicht beigestimmt werden; mit dem gleichen Rechte könnte man die Mammalia direkt von Sphenodon ableiten. Aber wohl darf man sie als Gebilde paralleler Entwickelungsgänge auffassen, welche einer ihnen benachbarten Abzweigung der Rhynchocephalia, Pelycosauria, Cotylosauria und Anomodontia von der gemeinsamen Wurzel das Wort reden. Die Testudinata treten in diesem Falle außer Konkurrenz; über die eventuelle Existenz der Kanäle bei den Stegocephala weiß man nichts Sicheres; sie scheinen hier zu fehlen. Auch die Konfiguration der Vorderarmknochen ist für nähere Verwandtschaften zwischen Anomodontia und Mammalia benutzt worden; namentlich wurde die ähnliche Bildung des Olekranon bei Vertretern beider Abteilungen hervorgehoben. Hier ist große Vorsicht geboten. Entsprechende Aehnlichkeiten finden sich auch zwischen Säugetieren und anderen ganz fernstehenden Sauropsiden und sind in der Hauptsache als Konvergenzen zu beurteilen. Eine bedeutsamere Rolle in diesen genealogischen Fragen spielt das Handskelett (Vorderfuß- skelett), wobei namentlich Carpus und Phalangenzahlen in den Vordergrund treten. Der Carpus der Mammalia zeigt mit seinen zahlreichen separierten, kanonischen (BRAus 1904) Elementen, von denen nur c‘ und c’ in der Regel verschmolzen sind, ein relativ primitives Verhalten und stellt sich, wie schon GEGENBAUR (1864) und Huxıry (1879) hervorgehoben, in Gegensatz zu den bereits in einseitiger Weise differenzierten carpalen Bildungen der Anuren und meisten Sauropsiden ; nur Urodelen und Testudinaten konnten von beiden Autoren (wie auch von FLOwER 1870) als in dieser Hinsicht noch primitivere Formen angeführt werden. Gewisse einseitige Differenzierungen mammaler Carpi, wie sie z. B. bei Monotremen, Pholidota, Xenarthra, Cetacea u. a. beobachtet werden, verlaufen gleichfalls in anderer Weise als diejenigen der meisten Sauropsiden. Den Urodelen und Testudinaten hat die seitdem erweiterte Kenntnis noch die Stegocephala, Proganosauria, Rhynchocephalia s. lat., Pelycosauria, Procolophonia, Cotylosauria, sowie die in anderer Weise sehr umgebildeten Ichthyosauria und Sauropterygia zufügen lassen; der anomodonte Carpus ist nur. in wenigen sehr divergenten Typen bekannt (Udenodon nach Broom von sehr primitiver Bildung, Cynognathus, soweit bekannt, von ziemlich einseitiger Differenzierung). Die bei diesen Vergleichungen bedeutungsvolle Frage der Centralia (1—3) Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 640 640 ist noch nicht einheitlich entschieden. Jedenfalls aber tut der Carpus der Mammalia dar, daß seine Wurzeln in großer Tiefe zwischen den Anfängen der Amphibien sowie der primitivsten Reptilien zu suchen sind, während eine direkte Ableitung von einer spezieller bekannten Reptilienabteilung nicht ohne Zwang geschehen kann. Auch die Phalangenzahl ist durch Owen (1876), der für Theriodontia und Mammalia die gleichen Zahlen 2.3.3.3.3 erkannte, zu einem bemerkenswerten Merkmal erhoben worden; SEELEY (1900) und Osporn (1903) haben gleichfalls Nachdruck darauf gelegt. Letzterer namentlich hat der betreffenden Frage Erweiterung und Vertiefung gegeben, indem er auf Grund umfassender Zusammen- stellungen für die Synapsida 2.3.3.3.3, für die Diapsida 2.3.4.5.3-4 als ursprüngliche Phalangen- formel der Hand (des Vorderfußes) angab, somit für die ersteren Zahlen, welche mit denen der Mammalia übereinstimmen und von denen der Stegocephalen (2.2.3.3-4.2-3) sich nicht sehr weit entfernen. Diese Formeln erleiden bekanntlich bei den Urodelen (1-2.2.1-3. 1-2) und bei zahlreichen Testudinata (2.2-3.2-3.2-3.1-3) Reduktionen (Perophalangie),, bei den an das Meer- leben angepaßten Sauropterygiern und Cetaceen mehr oder minder erhebliche Vermehrungen (Hyper- phalangie), auch erscheint bei den Cotylosauriern eine Vierzahl der Phalangen an diesem oder jenem Finger (Zehe) nicht ausgeschlossen, — aber im großen und ganzen kann man der synapsiden Phalangen- formel von OsBorn zustimmen und darin wieder den Ausdruck gewisser verwandtschaftlicher Beziehungen der Mammalia zu den synapsiden Reptilien wie den primitiven Amphibien (von denen die Urodelen rücksichtlich ihrer Phalangenzahl bereits abgewichen sind) erblicken. Daß bei diesen Kongruenzen neben der Verwandtschaft auch Parallel- und selbst Konvergenzanalogien mitspielten, ist sehr wahrscheinlich; die Zweizahl der Phalangen an der 1. die Dreizahl an den übrigen Fingern (Zehen) scheint mir kein ursprüngliches Verhalten, sondern eine gewisse Etappe in der Reduktionsreihe aus einstmals phalangen- reicheren Zuständen zu repräsentieren. Auch für die freie vordere Extremität kommen sonach primitive Reptilien aus der diapsiden, namentlich aber der synapsiden Reihe (Diaptosaurier, namentlich aber Cotylosaurier und Anomodontier) als Verwandte der Säugetiere in Betracht; diese Verwandtschaft ist aber keine intime und wegen Un- kenntnis der Urformen nicht einwandsfrei zu demonstrieren. Allenthalben drängen sich neben echten genealogischen Relationen bloße parallele Entwickelungsgänge und Konvergenzanalogien hervor, nicht selten verwandtschaftliche Beziehungen vortäuschend. 4. Hintere Extremität. Aehnliches wie für die vordere Extremität gilt auch für die hintere. Auch hier hob HarcKEL (1895, 1903) die Aehnlichkeiten mit den Theriodontiern hervor und gab ihnen die schon oben sub 2 (S. 634) gegebenen Auffassungen. Femur, Tibia und Fibula des einen oder anderen Säugetieres sind mit bezüglichen Bildungen der Cotylosauria, Lycosauria, Cynodontia, Gomphodontia, Dicynodontia, wie auch Procolophonia ver- glichen worden, und auch hier ist es gelungen, bald diese, bald jene Aehnlichkeit zwischen den ent- sprechenden Mammaliern (insbesondere den Monotremen) und den genannten Reptilien aufzufinden. Namentlich SEELEYy, sowie Osbsorn und Broom haben in dieser Hinsicht manche Parallele gefördert. So ergab sich das Femur von Procolophon als Typus zwischen dem der Testudinaten und Mono- tremen; dasjenige von Aristodesmus näherte sich da, wo es sich von Procolophon und Pareiasaurus entfernte, mehr Echidna; dasjenige von Dicynodon ähnelte mehr dem eines Edentaten; die Tibia von 641 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 641 Eurycarpus war wie bei zahlreichen Säugetieren etwa dreimal dicker als die Fibula; der dem Olekranon homodyname proximale Fortsatz der Fibula (Peronekranon) von Udenodon zeigte eine gewisse Aehn- lichkeit mit dem der Monotremen etc. etc. Andererseits wurden auch größere Abweichungen in der Bildung der Femora beobachtet (z. B. bei Cynognathus), während die Humeri mehr Annäherungen an die Säugetiere ergaben. Alle diese Aehnlichkeiten beurteile ich im wesentlichen als Parallel- und Kon- vergenzanalogien, wobei natürlich eine gewisse verwandtschaftliche Grundlage nicht ganz ausgeschlossen ist. Auch Core (1880) und Ossorn (1898) haben hier schon auf die Heranzüchtung der morphologischen Aehnlichkeiten durch die entsprechende Art der Ortsbewegung und Körperstellung auf den Extremitäten hingewiesen. Sıxra (1901) andererseits hat auf die ähnliche Beinstellung der Monotremen und Lacer- tilier als Zeichen der nahen Verwandtschaft beider aufmerksam gemacht; ich kann dieser Beobachtung nur bedingt, der Schlußfolgerung aber gar nicht beistimmen. Für den Tarsus gilt fast mehr noch wie für den Carpus die sehr erhebliche Differenz der mammalen Bildungen von denen der Anuren und meisten Sauropsiden, so daß von lebenden Formen nur die Urodelen und Testudinaten für die Vergleichung übrig blieben. Auch dies ist von GEGENBAUR bereits 1864 auf das überzeugendste auseinandergesetzt worden, hat ausgedehnte Nachfolge (Huxrey, Frower u. v. A.) und durch viele spätere, auch ontogenetische Untersuchungen Bestätigung gefunden. Unter den Rhynchocephalia s. lat. stellen sich die jüngeren Rhynchocephalia s. str. (vor allen der noch lebende Sphenodon) mit ihrem bereits einseitig differenzierten Tarsus den Mammalia gegenüber, während die älteren (Palaeohatteria, Proterosaurus, Kadaliosaurus, Stereosternum), wie auch die verwandten Pelyco- sauria, sowie die Procolophonia, die Anomodontia und die Stegocephala mit ihren zahlreichen, getrennt gebliebenen tarsalen Elementen mehr Achnlichkeit mit den Säugetieren darbieten (vergl. auch Core 1878, 80, 84, SEELEy, OSBORN, BRoom). Doch bestehen im Detail mancherlei Differenzen (z. B. das abweichende Verhalten des Talus, sowie des Calcaneus, dem bei den Amphibien und Reptilien noch das Tuber abgeht). Huxıey (1879) hat das Calcar von Rana auch nach seiner Genese mit dem Sporn der Monotremen verglichen, hat aber damit geirrt, indem die ontogenetische Untersuchung (EmErY 1901) die monotreme Bildung als Hautknochen nachwies. — Eine weitere bedeutsame Differenz zwischen Säuge- tieren und lebenden Sauropsiden haben gleichfalls die Untersuchungen GEGENBAURS (1863, 64) dar- getan, indem das Hauptgelenk des Fußes bei den ersteren zwischen Unterschenkel und proximaler Reihe des Tarsus (Articulatio cruro-tarsalis s. tibio-tarsalis), bei letzteren dagegen, und zwar ausnahmslos bei den lebenden Formen, zwischen proximaler und distaler Reihe des Tarsus (Art. intertarsalis) sich befindet; namentlich Huxrey, MarsnH (1898), KinGstev (1899, 1901), GADow (1902) sind ihm darin gefolgt. Auch wird bei verschiedenen fossilen Reptilien, so namentlich bei Dinosauriern, das intertarsale Hauptgelenk auf das deutlichste erkannt. Minder sicher steht es in dieser Hinsicht mit anderen fossilen Reptilien, z. B. Rhynchocephalia s. lat, Pelycosauria, Cotylosauria, Anomodontia. Hier ist die Ent- scheidung erst von glücklichen, unzweideutigen Funden zu erwarten. Hinsichtlich der Stegocephalen und Urodelen gehen gleichfalls die Angaben auseinander; hier scheinen mehr indifferente Zustände vor- zuliegen. Die vorsichtige Vergleichung läßt an die Ableitung des mammalen Tarsus von demjenigen primitiver Amphibien denken; hinsichtlich der Beziehungen zu Tarsen primitiver Reptilien (Diaptosaurier, Cotylosaurier, Anomodontier) wartet sie noch eine Vermehrung des tatsächlichen Materiales ab. Auch für die Formel der Phalangen des Fußes (Hinterfußes) gilt in der Hauptsache das Gleiche wie für die Hand (Vorderfuß). Wie namentlich Owen und OsporNn gezeigt, ist die primitive Formel für die Synapsida und Mammalia 2.3.3.3.3, für die Diapsida und Aves 2.3.4.5.4, also keine große Differenz der ersteren von den daraufhin genauer bekannten Stegocephala (mit der Jenaische Denkschriften XI. 81 Festschrift Ernst Haeckel. 642 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 642 Formel 2.2.3.4.3, die zugleich hinsichtlich der Zahl der Phalangen der 4. Zehe eine Zwischenstellung zwischen Synapsida und Diapsida einnimmt). Bezüglich der auch hier beobachteten zahlreichen Ab- weichungen durch Perophalangie und Hyperphalangie sei auf die Literatur verwiesen. Die aus alledem zu ziehenden Schlüsse sind ın der Hauptsache die gleichen wie bei der vorderen Extremität (s. oben S. 640). Damit sei die Besprechung des Skelettsystems geschlossen, desjenigen Organsystems, welches der Vergleichung der Säugetiere mit den anderen tetrapoden Wirbeltieren das relativ ausgebreitetste, weıl auch die paläontologischen Formen berücksichtigende Material darbietet und zugleich einen weiten und tiefen Einblick in die Vorgeschichte der jetzt entwickelten Tierwelt gestattet. Selbstverständlich ist denn auch in allen bezüglichen genealogischen Arbeiten auf das morphologische und phylogenetische Verständnis des Skelettsystems das Hauptgewicht gelegt worden; an allen hat die Paläontologie einen hervorragenden Anteil, und eine sie außer Acht lassende Untersuchung beraubt sich eines ihrer besten Hilfsmittel und ist als eine durchaus lückenhafte und einseitige anzusehen. Indessen — und das ist schon zu wiederholten Malen von HarEcReEL und zahlreichen anderen Autoren gesagt und dennoch immer und immer wieder ungenügend berücksichtigt worden — darf die Beweiskraft unserer jetzigen palä- ontologischen Kenntnisse nicht überschätzt worden. Selbst von den verhältnismäßig hochstehenden Wirbeltieren, welche für die genealogische Ableitung der Säugetiere in Betracht kommen, verfügen wir nur über einen ganz geringen Bruchteil von unvollkommenen Relikten. Nicht allzu viele von diesen Skeletten sind in allen ihren Abschnitten vollständig erhalten und genau bekannt — manche Teile des Skelettsystems widerstehen bei ihrer Kleinheit, Zartheit und besonderen chemisch-physikalischen Kon- stitution (z. B. Knorpelgewebe) nicht oder nur ganz mangelhaft dem zerstörenden FEinflusse der Zeit — und zumeist sind das solche Formen, welche in ihrer voluminösen und einseitigen Ausbildung jenseits der Abstammungslinie der Mammalia, zum Teil weit entfernt von ihr, stehen. Die kleineren, in die Abstammungslinie sich einfügenden Formen dagegen, welche eine verständige morphologische Unter- suchung der lebenden Tiere mit annähernder Wahrscheinlichkeit konstruieren läßt und über deren einst- malige Existenz gar kein vernünftiger Zweifel bestehen kann, sind uns entweder gar nicht oder nur in so vereinzelten, mangelhaften und unvollkommenen Bruchstücken erhalten, daß sie der Untersuchung neue Rätsel auferlegen und für eine sichere und rationelle genealogische Forschung sich noch ganz un- genügend erweisen. Von dieser unausgesetzten Rätselarbeit gibt die Geschichte der paläontologischen Wissenschaft allenthalben Kunde. Wie hat z. B. die Stellung und Systematik derjenigen Tiere, welche für die Genealogie der Mammalia in erster Linie in Betracht gezogen wurden, der Stegocephala und der Anomodontia im weitesten Sinne des Wortes, gewechselt, wie wechselt sie noch heutzutage, und wie wenig sicher sind wir jetzt, daß nun endlich beständigere Anschauungen eingetreten sind! Ich bringe der paläontologischen Forschung meine vollste Wertschätzung entgegen, ich be- wundere im höchsten Maße die unsägliche Mühe, die Fülle von Energie, Gedankenarbeit, Sinnestätigkeit und manueller Leistung, die sich an jeden neuen Fund und sein Verständnis knüpft. Aber bei alledem sind die paläontologisch-genealogischen Schlüsse oft zu schnell und gewaltsam gezogen worden. Sie haben gar oft unter den ihnen bisher zur Verfügung stehenden Materialien nicht vorsichtig genug aus- gewählt, sondern haben für die Frage der Abstammung der Säugetiere wiederholt Formen benutzt und Entwickelungsreihen aus ihnen konstruiert, die künstlich und zwangsweise zusammengeschweißt waren, und namentlich haben sie sich nicht immer genugsam daran erinnert, daß das Material für die wirk- 6 43 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 643 lichen, natürlichen Entwickelungsreihen, soweit es überhaupt noch erhalten ist, größtenteils noch im Schoße der Erde liegt (vergl. auch oben S. 580, 586, 587), Für eine definitive Beantwortung der Frage reicht unsere bisherige Kenntnis des Skelettsystems nicht aus. Die in den folgenden Abschnitten zu besprechenden Organsysteme bilden in der Hauptsache die Weichteile des Körpers. Unter ihnen finden sich auch Hartgebilde, wie die Verkalkungen und Verknöcherungen der Haut und die Zähne, die vom Integumente aus in den Dienst des Digestions- systems getreten sind und auch dort behandelt werden sollen, ferner gewisse Knochenplatten der Sklera, Skelettgebilde des Respirationssystems etc., welche auch bei fossilen Tieren zum Teil erhalten geblieben sind und, vor allem die Zähne, eine exakte paläontologische Vergleichung zulassen. Ferner gestattet die besondere Ausbildung der Muskelfortsätze des Skelettes gewisse Schlüsse auf die Anordnung und Größe gewisser Muskeln; Ausgüsse .der Schädelhöhle und der Höhlen, in denen einstmals der Gehörapparat lag, geben einige Anschauung über die allgemeine Form des Gehirns und des Labyrinths; das Vor- kommen und die Beschaffenheit der Parietallöcher, die Größe der Augenhöhlen, die Anordnung der Nasenmuscheln, diese und jene Furchen, Einschnitte, Gruben, Löcher und Kanäle am Skelett und den integumentalen Platten (Knochenschuppen) gewähren in günstigen Fällen eine ungefähre Idee von den hier befindlichen Sinnesorganen, Nerven, Gefäßen, Haaren und sonstigen Weichteilen, — aber alle diese paläontologische Kenntnis ist eine ganz oberflächliche, ungenaue und mit zahlreichen Fehlerquellen be- haftete.e. Nur durch die vorsichtige Vergleichung mit noch lebenden verwandten Formen wird sie erst brauchbar als ein mit großer Reserve zu benutzendes Material. Eine rationelle Paläontologie ist über- haupt ohne genauere Kenntnis der vergleichenden Morphologie der recenten Formen nicht möglich. Von den Zahnbildungen abgesehen, verbleibt somit bei den in der Folge zu behandelnden Organsystemen der vergleichenden Anatomie und Ontogenie der recenten Formen die wesentliche Arbeit, und deren Schlüsse haben naturgemäß wegen des Mangels der phylogenetischen demonstratio ad oculos, wie sie unter günstigen Verhältnissen die Paläontologie gewähren kann, nicht das Zwingende und einen Jeden auf den ersten Blick Ueberzeugende, wie glückliche paläontologische Tatsachen und Objekte. Der nachdenkende Untersucher findet aber auch hier ein reiches Material, welches zufolge der durch das Skelettsystem zu einem guten Teile erschlossenen verwandtschaftlichen Relationen der fossilen und der lebenden Formen weitergehende genealogische Schlüsse zu ziehen gestattet. Da aber auch die vergleichende Morphologie der lebenden Formen in zahlreichen Kapiteln noch nicht so weit ausgearbeitet ist, daß sie umfangreichere und in allen Teilen leidlich gesicherte genealogische Vergleichungen ermöglichte, so wird die in den, meisten folgenden Abschnitten zu gebende Auswahl eine noch beschränktere als in den vorhergehenden sein. IV. Integumentsystem. Das Integument tritt in systematischer Beziehung vor allen anderen Weichteilen des Körpers in den Vordergrund. Zufolge seiner oberflächlichen, der Beobachtung besonders leicht zugänglichen Lage hat sich die zoologische Systematik lange vor dem Skelettsystem mit ihm beschäftigt, und speziell bei den Säugetieren ist die hohe Bedeutung ihrer Körperbedeckung seit früher Zeit erkannt worden. Die alten und bis auf den heutigen Tag noch gültigen Termini „Haartiere, Pilosa, Säugetiere, Milchtiere, Mammalia, Mammifera“ bezeichnen mit dem Integment zusammenhängende Merkmale, durch welche 81* 644 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 644 sich diese Abteilung in charakteristischer Weise scharf von allen anderen Wirbeltieren unterscheidet und vor ihnen hervorhebt. Hier sind Differentialmerkmale ersten Ranges gegeben, welche über die separate Stellung der Mammalia keinen Zweifel entstehen lassen, von zahlreichen Morphologen und Systematikern (unter denen in erster Linie Huxıry, HAaEckEeL und GEGENBAUR genannt seien) ganz in den Vordergrund gestellt wurden und welche zugleich allen Versuchen einer direkten Anknüpfung der- selben an die übrigen Vertebratenklassen erhebliche Schwierigkeiten entgegensetzen. In dem Integument der Säugetiere haben vornehmlich die Schuppen und die Haare, sowie die Drüsen und von diesen insbesondere die Mammardrüsen taxonomische Bedeutung gewonnen; auch den Sinnesorganen, Nagelbildungen, den Verknöcherungen und harten Auswüchsen der Haut, sowie den mammaren und marsupialen Faltenbildungen ist eine mehr oder minder eingehende Behandlung in systematischer Hinsicht zu teil geworden. In der Folge soll einiges davon, ohne Rücksicht auf morphologische Reihenfolge, mitgeteilt werden. ı. Schuppen. Auf die Schuppenbildungen als Relikte einer früheren ausgedehnteren Beschuppung des Säuge- tierkörpers hat vor Allen M. WEBER (1886, 92—94, 1904) hingewiesen; zahlreiche Autoren, von denen hier nur RÖMER (1892—98), Howes (1893), EMERY (1893), REH (1894, 95), DE MEIERE (1894), SCHWALBE (1894), HAECKEL (1895, 1903) hervorgehoben seien (des näheren vergl. Krızers eingehendes Referat 1896 und W. Krauses Zusammenfassung 1903), haben sich weiterhin mit dieser Frage beschäftigt. Diese Schuppenbildungen finden sich namentlich bei Marsupialiern, Edentaten (Pholidota und Xenarthra), Rodentia und Insectivoren, seltener und weniger ausgebreitet bei anderen Abteilungen (z. B. Odontoceten, Carnivoren und Prosimiern), bald über den ganzen Körper verbreitet (Pholidota), bald an bestimmten Lokalitäten desselben, von denen Schwanz, Rücken und Extremitäten in mannıgfachem Wechsel bevorzugt sind. Meist sind sie einfache Hornschuppen (Pholides Harcker), bei Edentaten und einigen Odontoceten zeigen sie auch Verknöcherungen (Lepides Harcker). Bei den Monotremen kommen sie nur nöch in frühen Jugendstadien in rudimentärem Zustande vor. Auch legen sie sich ontogenetisch in der Regel später als die Haare an. Die von einzelnen Autoren darauf gegründete Auffassung, daß sie neue, spätere Erwerbungen der Mammalia seien, erscheint nicht berechtigt; wie viel von diesen Ge- bilden auch sekundär modifiziert und einseitig weitergebildet ist, in ihren Grundlagen repräsentieren sie alte Erbstücke, deren ontogenetische Retardation zum Teil als cänogenetischer Heterochronis- mus, wie bei so vielen in Reduktion befindlichen Gebilden, sich darstellt, zum Teil nur aussagt, daß sie nicht ältere Bildungen als die Haare sind. Harcker (1895) gibt an, daß die Haare sich unter dem Schutze der Schuppen phylogenetisch entwickelt hätten. Die rudimentäre Beschaffenheit bei den primitivsten Formen erlaubt die Annahme, daß die ältesten Säugetiere die Schuppen nicht als hochentwickelte und stark definierte, sondern als noch einigermaßen flüssige Gebilde von ihren Vor- fahren ererbten; anderenfalls wären sie wohl bei den alten Prototheria nicht so leicht in Rück- bildung getreten. Das wirft auch einiges Licht auf ihre phylogenetische Ableitung. Der Versuch, auf Grund dieser Schuppen die Mammalia gerade von den Reptilien oder gar von einer bestimmten Ab- teilung derselben abzuleiten, ist meines Erachtens noch nicht geglückt und begründet. Keine bestimmte reptilische Schuppenbildung konnte bisher mit den mammalen identifiziert oder in näheren genetischen Verband gebracht werden. Schuppenbildungen kamen aber auch den alten Amphibien (Stegocephalen) in ausgedehntem Maße zu und sind auch noch bei lebenden Formen (Gymnophionen) vorhanden. Natürlich existiert ein gewisser Unterschied zwischen feuchtlebenden Tieren, wie die Amphibien, und 645 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 645 trockenlebenden, wie die Ausgangsformen und die Mehrzahl der Sauropsiden und Säugetiere, aber hier handelt es sich um rein sekundäre Anpassungen an das veränderte Medium, also um Umbildungen, welche keine Schlüsse auf die primitiven, ausganggebenden Verhältnisse gestatten. Wie diese sich ver- hielten, kann vielleicht durch sehr genaue und umfassende Untersuchungen noch erkannt werden; zur Zeit aber existiert kein grundlegendes Kriterium, welches mit Sicherheit der Reptilienschuppe den Vor- rang vor der Amphibienschuppe als des direkten Vorgängers der Säugetierschuppe gäbe. Auch den Schuppen implantierte Sinnesorgane sind bei Amphibien wie bei Reptilien teils nach- gewiesen, teils wahrscheinlich gemacht; die spezifischen Arten (Qualitäten) derselben — und gerade auf diese kommt es an — sind aber zur Zeit noch nicht hinreichend ergründet und unterschieden, um daraus auch unter Berücksichtigung der ausgestorbenen Tiere sichere genealogische Schlüsse zu folgern. Ob den primitivsten Reptilien auch noch Reste der bei den Anamniern verbreiteten und sich hier auch bei fossilen Formen durch bestimmte Skulpturierungen an den Schädelknochen noch kennzeichnenden Sinneskanäle (sog. Schleimkanäle) zukamen, wird von SEELEY (1888), und ihm folgend von Case (1898) und Kıncsrey (1899), auf Grund der Beobachtung von gewissen Rinnenbildungen am Kopfe des cotylosauren Pareiasaurus für wahrscheinlich gehalten. Wenn auch gegen die allgemeine Ueberlegung, daß Sauropsiden und Mammalia in ihren ersten amphibienartigen Anfängen jene an das Wasserleben ge- bundenen Sinnesorgane noch besaßen, um sie erst weiterhin zu verlieren, nichts einzuwenden ist, so kann ich fürs erste in der angegebenen Beobachtung bei Pareiasaurus keine tatsächliche Unterstützung dieser Hypothese erblicken, denn die betreffenden Skulpturen von Pareiasaurus gleichen wenig denjenigen der echten Sinneskanäle, wie sie u. a. auch bei verschiedenen Stegocephalen sicher erkannt worden sind. 2. Haare, Hautsinnesknospen. Weit komplizierter liegt die Frage betreffend die Haarbildungen, indem selbst die morpho- logische Bedeutung derselben in sehr divergenter Weise beurteilt wird. Daß die Haare eigenartige, den Schuppen und Federn nicht vollkommen entsprechende Gebilde der Säugetiere repräsentieren, wird heutigen Tages wohl von den meisten Autoren zugegeben; ob sie aber den Schuppen verwandt oder nicht verwandt sind, von welchen Bildungen der Nichtsäugetiere sie sonst abzuleiten sind, darüber gehen die Auffassungen bisher sehr auseinander. Hinsichtlich des Genaueren verweise ich auf die einschlägige Literatur, insbesondere auch auf Maurers Hauptwerk (1895) und seine folgenden Arbeiten (1898, 1904), sowie auf die eingehenden Referate und Darstellungen von KEızEeL (1896), RÖMER (1898), BRAnDr (1900), W. Krause (1903) und WEBER (1904). Bekanntlich ist die Mehrzahl der älteren und neueren Autoren bis in die neueste Zeit einer Ver- wandtschaft der Schuppen und Haare zugeneigt, wobei im einzelnen die Ansichten variieren (Ab- leitung der Haare von Schuppen, Ableitung der Haare, Schuppen und Federn von gemeinsamen primi- tiven Ausgangsgebilden, weitere oder engere Homologie zwischen den beiderlei Gebilden etc), Die meisten älteren Autoren, ferner auch Huxrey (1864, 69), KERBERT (1877), BEARD (1889), Davies (1889), Howss (1893), Povrron (1894), Ren (1894/95), GörTE (1902), Krause (1903) u. A. traten für eine Homologie der Haare mit ganzen Schuppen ein, während DE MEYERE (1893, 1895, in freier Alter- native), SCHWALBE (1894), KEiBEL (1896), WIEDERSHEIM (1898), Pıncus (1904) u. A. die Haare nur als Teilgebilde der Schuppen beurteilten. Hierbei wird zumeist, soweit überhaupt die genealogische Frage zur Behandlung kommt, einer Ableitung oder näheren Beziehungen der Säugetierhaare zu den Reptilien- schuppen der Vorzug gegeben; Rem betont stegocephale Ausgänge. — Zu dieser morphologischen Theorie steht eine andere in einer gewissen Verwandtschaft, die auf die schuppen- oder zahnartigen 646 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 646 Hartgebilde der Haut der Anamnier, insbesondere die Hautzähne der Selachier zurückgreift und überhaupt Haare und Zähne hombologisiert. Auf die mancherlei Parallelen zwischen beiden Gebilden haben bereits vereinzelte ältere Autoren (z. B. Gurtr 1835, OwEN 1868), sowie mehrere Embryologen (KÖLLIKER 1879, HerıwiıG 1886, BEarD 1889 u. A.) hingewiesen und zum Teil die Haare als Ersatz- gebilde für die Fischschuppen (BEARD) betrachtet. Die Idee einer wirklichen Homologisierung findet sich in einer vergessenen Jugendarbeit von Huxıry (1858), wurde später von EwEry (1893) als Arbeits- hypothese aufgestellt und namentlich von Branpr (1900), der u. a. die Dreihaargruppen den drei Spitzen der Haifischzähne vergleicht, eingehender durchgearbeitet. Genealogische Schlüsse, die zu einer Ableitung von tiefstehenden Anamniern führen würden, wurden meines Wissens aus diesen Hypothesen nicht gezogen. In antidiametraler Richtung bewegt sich eine andere, namentlich von GEGENBAUR (1870) be- gründete Theorie, welche den scharfen Gegensatz in der ersten ontogenetischen Entwickelung einerseits von Schuppe und Feder, andererseits von Haar hervorhebt. Danach sind die beiderlei Gebilde nicht homolog, und diese Anschauung wurde von verschiedenen Autoren, von welchen namentlich Levoıc, EmERY, BEDDARD (1902) genannt seien, geteilt. Damit ergab sich auch eine erhebliche genea- logische Differenz zwischen Sauropsiden und Säugetieren; über die ersten phylogenetischen Anfänge des Haares wurde nichts angegeben. GÖöTTE (1868) vertrat auf Grund von Untersuchungen die Auffassung, daß das Haar eine den Säugern spezifische Neubildung sui generis sei, scheint dieselbe aber wieder verlassen zu haben (s. o.), während sie, wenn ich recht verstehe, neuerdings wieder von Gapow (1902) aufgenommen wurde. Die von GörtE und GEGENBAUR hervorgehobene Differenz in der ontogenetischen Entwickelung von Schuppe und Haar bildete den Ausgang für MAuRERs bewunderungswürdig durchgearbeitete Theorie (1892, 93, 95, 98, 99, 1904), welche bezüglich der Genese der Haarbildungen an die Haut- sinnesknospen der Anamnier anknüpfte, beiderlei Gebilde unter Benutzung eines reichen, über alle Wirbeltierabteilungen sich erstreckenden Materiales und unter umfassender Berücksichtigung aller hier irgend in Frage kommenden Gebilde nach Bau, Entwickelung und topographischer Anordnung bis in das (hier nicht wiederzugebende) Detail verglich und die phylogenetische Umbildung jener Haut- sinnesorgane bei dem Uebergange vom Wasserleben zum Landleben (Luftleben) in ausführlicher Weise begründete. Als im wesentlichen in ihrer Funktion an das Wasserleben geknüpfte Sinnesorgane mußten sie bei jenem Wechsel des Mediums nervös und sensorisch zum großen Teile veröden “und unterlagen zugleich einem ausgedehnten Verhornungsprozesse, der bei den Mammalia zu ihrer Umwandlung in Haare führte. Bei den durch eine höher entfaltete und in ihrer Entwickelung wohl auch früher ein- setzende Schuppenbildung gekennzeichneten Sauropsiden dagegen kam es nicht zu jener Metamorphose, sondern zu einem, zwar auch größtenteils reduktiven, aber in anderer Richtung erfolgenden Bildungs- gange, welcher Haare nicht zur Entwickelung kommen ließ, aber (nach MaurErR) deren Tastilecke als ihre Rudimente beurteilen läßt. — Maurers Theorie hat Anhänger gefunden, vor Allen GEGENBAUR (1898), dann auch HacckEL (1895, 98, 1903),” HUBRECHT (1895, 96), SEYDEL (1896), RÖMER (1898) KinsstEv and Ruppick (1899), HALLER (1904) u. A.; auch ich habe sie lebhaft begrüßt (1899); \VEBER (1893, 1904) enthält sich einer definitiven Entscheidung; andere, so namentlich Levvıc (1893), DE MEIERE (1893 bis 1895, 99), KEiBEL (1896), Krause (1903) und Pmcus (1903, 04) haben sie abweisend ‚beurteilt. MAURER hat seinen Gegnern Rede gestanden und seine Theorie, wie ich meine, recht wirksam verteidigt. In neuerer Zeit ist ihr gerade von dem früheren Gegner Levnıc (1898), sowie von BOTEZAT (1903) eine gewisse Unterstützung zu teil geworden, indem von diesen Autoren die EımErschen Organe der Säuge- 647 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 647 tiere sowie die ihnen verwandten Gebilde in näheren Verband mit den Haaren gebracht wurden. Pincus dagegen fand in seinen „Haarscheiben* der Mammalia nervöse Organe, die er den Tastflecken der Reptilien vergleicht, womit für ihn die Maurersche Homologisierung unannehmbar wurde. Eine Ableitung in veränderter Richtung wurde von Emery (1894) und OPpENHEIMER (1895) ge- geben, indem diese Autoren die Haare der Säugetiere von den Tastflecken der Reptilien ab- zuleiten versuchten. Levoic endlich hat früher eine Abstammung der Haare von den Perlorganen der Anamnier (1859, 1892), danach von den Schenkelporen der Lacertilier (1893) betont, beide Anschauungen aber später (1898) zu Gunsten von Maurers Theorie verlassen. Die vergleichende Beurteilung aller dieser Theorien und Anschauungen läßt mich auch jetzt der Theorie MAuRERs weitaus den Vorzug vor allen anderen geben. Ich begreife manche gegen sie erhobenen Einwände, kann aber keinen als durchschlagend anerkennen. Ich finde selbst, daß an ihr diese oder jene Einzelheit (namentlich habe ich auch die speziellere Vergleichung der verschiedenen Haut- sinnesorgane der Amnioten im Auge) noch überzeugender fundiert werden dürfte; in ihrer Hauptsache aber bedeutet sie für mich einen der größten Fortschritte in der Lehre vom Integumente und eine gesunde Basis, auf der die systematische Zoologie weiterbauen kann. Von ihr ausgehend, gestalten sich die genealogischen Beziehungen der Mammalia derart, daß von einer Ableitung derselben von irgend welchen bekannten Reptilienabteilungen abzusehen ist, daß aber für eine Abstammung von primitiven, streptostylen, beschuppten Amphibien große Wahrscheinlich- keiten bestehen. Derartige Amphibien haben sowohl Sauropsiden wie Säugetieren Ursprung gegeben. Während aber die Sauropsiden sich früher dem Landleben (Luftleben) anpaßten (wobei selbstverständ- lich für gewisse Abteilungen derselben eine Rückkehr zum Wasserleben unter veränderten Lebens- bedingungen nicht ausgeschlossen war) und unter schnellerer Rückbildung der Hautsinnesknospen resp. tieferer Einsenkung von Relikten derselben in die Haut das Schuppenkleid zur hohen Ausbildung brachten, mögen die Promammalia noch eine Zeitlang unter Erhaltung ihrer alten Sinnesorgane ein verborgenes Leben im Feuchten geführt und erst allmählich jene Anpassung an das reine Luftleben vollzogen haben, welche die alten Sinnesorgane unter Schwund ihrer nun unbrauchbar gewordenen spezifisch empfindenden Teile und unter Vermehrung und Verhornung ihrer mehr stützenden Zellen sich zu Haaren gestalten ließ, während das alte Schuppenkleid, von bekannten Ausnahmen abgesehen, mehr in Rückbildung trat. ' Mit der Vermehrung und höheren Ausbildung des Haarkleides vollzog sich dann der nötige Wärmeschutz, ein wichtiger Faktor für die inzwischen mit den höheren vitalen Leistungen der Mammalier sich mehr und mehr ausbildende Homöothermie. Zu ähnlichen thermischen Ver- hältnissen gelangten auch die frühzeitig von dem Stamme der Sauropsiden sich abzweigenden Vögel; hier aber übernahm die von der Reptilienschuppe ableitbare Feder die wärmeschützende Rolle. 3. Sonstige Horn- und Hartgebilde. Auch anderen Horn- und Hartgebilden der Haut ist eine gewisse Berücksichtigung mit Bezug auf die genealogischen Verhältnisse zu teil geworden. Verkalkungen und Verknöcherungen des Corium finden sich bei den Säugetieren in der mannigfachsten Weise verbreitet, sei es als horn- oder geweihartige Vorragungen, sei es als den Körper bedeckende Knochenschuppen (Lepides HaerckeEr) und aus ihnen hervorgegangene Knochen- 6 4 8 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 6 4 8 gürtel. Beiderlei Gebilde existieren auch bei den Amphibien und Reptilien. Die ersteren finden sich bei gewissen Anuren, weit verbreitet bei Reptilien (vor allen bei gewissen Lacertiliern, Cotylosauriern und Dinosauriern) und bei den Säugetieren (namentlich bei Ungulaten); die letzteren sind beobachtet bei den Stegocephalen (Dissorhophus, Zatrachys), bei den reptilischen Cotylosauriern (Otocoelidae), Testu- dinaten, Phytosauriern (A&tosaurus) und bei den mammalen Xenarthra (Dasypodidae, Glyptodontidae, Peltephilidae) und Cetacea (Zeuglodontidae und in Rudimenten noch bei anderen lebenden Odontoceten). Durchweg repräsentieren sie sekundäre Differenzierungen, die sie für weitere genealogische Zwecke ungeeignet erscheinen und nur als Analogien oder ganz ferne Parallelen beurteilen lassen. Ein etwas höherer taxonomischer Wert kommt den Krallen- und Nagelbildungen zu, in deren Entwickelung uns Boas’ Untersuchungen (1894) wichtige Differenzen zwischen einerseits Testu- dinaten, Krokodiliern und Vögeln, andererseits Säugetieren gezeigt haben. Die Lacertilier schließen sich nach diesem Autor näher an die Mammalier an. Boas erblickt darin eine bloße Analogie in Anpassung an die gleiche Kletterfunktion. Man kann auch zufolge der primitiven Stellung der Lacertilier an die Erhaltung gewisser Uebergangsbildungen denken. Jedenfalls ist in der Benutzung dieses Merkmales Vorsicht geboten; zugleich erscheint es aber einer weiteren Bearbeitung mit spezieller Rücksicht auf genealogische Zwecke wert. HarckEL (1903) gibt an, daß die Mammalier ihre Krallen von den Toco- sauriern (Rhynchocephaliern s. lat.) geerbt hätten. 4. Hautdrüsen, Mammarorgane, Beuteltaschen. Von größerer Bedeutung erweisen sich die Drüsenbildungen der Haut, hinsichtlich welcher ich des näheren namentlich auf Leypıs, Ranvier (1887), MAURER, GEGENBAUR, EGGELING (1900, 1901, 1904) und WEBER verweise. Bekanntlich existieren bei den Säugetieren zweierlei Hauptformen: ı) tubulöse Drüsen (Schweißdrüsen), im Detail recht mannigfach gestaltet und verschiedenartig bezeichnet, Schweiß, aber auch andere, selbst fettige Sekrete liefernd, merokrin, vital secernierend, permanent kanalisiert, mit dem Drüsenepithel direkt auflagernden und nach den mehr oder minder bestimmten (übrigens nicht unbe- strittenen, cf. KRAUSE 1881, 1903) Angaben verschiedener Autoren (LEyDIG 1873, 1883, KÖLLIKER 1889, MAURER 1895, v. BRUNN 1897 u. A.) von dem Drüsenepithel ableitbaren resp. zu ihm gehörenden glatten Muskelzellen versehen, und 2) alveoläre Drüsen (lalgdrüsen), ein fettiges Sekret produ- zierend, holokrin, nekrobiotisch secernierend, temporär kanalisiert, ohne Muskelbelag des Drüsenepithels. Die tubulösen Drüsen entwickeln sich ontogenetisch früher als die alveolären, können zu den Haaren in einem gewissen Verband stehen, der zunächst wohl nur ein topographischer war, sich aber sekundär zum phylogenetischen herausgebildet hat (MAURER 1904), kommen aber auch an von Anfang an haarlosen Stellen vor; die alveolären Drüsen sind dagegen in ihrer Genese an die Haare gebunden, stellen An- hangsgebilde derselben dar und finden sich nur bei sekundärer Rückbildung der Haare an haarlos gewordenen Stellen des Körpers. Das Vorkommen beider Drüsen wechselt erheblich: die drüsenreiche Haut bildet den Ausgang, aber selbst die bedeutsamen tubulösen Drüsen können bei sehr vielen Säuge- tieren, auch bei den Monotremen, mehr oder minder rückgebildet bezw. auf bestimmte Körperregionen lokalisiert sein. Bei den lebenden Sauropsiden ist die Haut durchweg drüsenarm bis drüsenlos; nur an gewissen Lokalitäten sind bei einzelnen Abteilungen bestimmte Drüsen oder drüsenähnliche Gebilde (Schenkel- organe der Lacertilier, deren Drüsennatur überhaupt höchst zweifelhaft ist; sog. Moschusdrüsen der Krokodilier und Testudinaten; Bürzeldrüsen der Vögel) gefunden worden, die von den tubulösen Drüsen 6 49 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 6 49 der Säugetiere gänzlich abweichen und mit den alveolären nur sehr bedingte Aehnlichkeiten zeigen. Einzelne Autoren (z. B. Gapow 1902) betrachten sie den alveolären Drüsen der Mammalier verwandt, andere (so namentlich Maurer und GEGENBAUR) leugnen auch hier nähere genetische Beziehungen und halten die alveolären Drüsen der Mammalia erst für Neuerwerbungen dieser Tiere. Um so drüsen- reicher ist die Haut der Amphibien, sowohl der nackten wie der beschuppten (Gymnophionen, von denen sich auch auf Grund sonstiger Uebereinstimmungen Schlüsse auf das Verhalten bei den Stego- cephalen ziehen lassen), und damit treten auch hier Amphibien und Säugetiere in nähere Relationen. Die herrschende Drüsenformation der Amphibien, obwohl in der Regel nicht von tubulöser Gestalt, schließt sich doch, wie Levoıs (1876) und Maurer eingehend dargetan haben, in der Art ihrer Sekretion und namentlich in ihrem auch von dem Drüsenepithel differenzierten (LevniG, SEECK 189r, FIEIDENHAIN 1893, MAURER, AncEL 1901) Muskelbelag eng den tubulösen Drüsen der Säugetiere an; letztere werden daher auch von MAURER, GEGENBAUR und zahlreichen Autoren (nicht von Ganow 1902, der die Schweißdrüsen als spezifisch mammale Gebilde auffaßt) von den Amphibiendrüsen abgeleitet. Ich halte diese Angaben Maurers für hinreichend begründet, um auch auf Grund der Drüsenbildungen für nähere genealogische Beziehungen der Mammalia zu den Amphibien als zu den Reptilien einzu- treten; aber selbstverständlich ist die Wegstrecke von alten Säugetiervorfahren mit amphibienartigen Drüsen bis zu den ausgebildeten Formen der Mammalia der Jetztzeit eine sehr lange. — Vergleiche, wie sie z. B. von SPpicEer (1876) und Sıxra (1901) zwischen den Schenkelorganen der Lacertilier und der Schenkeldrüse des Ornithorhynchus gezogen und für intime Verwandtschaften der Lacertilier und Monotremen verwertet worden, sind in jeder Hinsicht unzulässig: die Schenkelorgane der Lacertilier sind den eigentlichen Drüsen überhaupt nicht zuzuzählen, liegen und münden am Oberschenkel, während die monotreme Drüse zu den echten tubulösen Drüsen gehört und im Bereiche des Tarsus mündet, — und das behauptete Tertium comparationis, die vermeintliche giftige Eigenschaft beider Organe, beruht zum Teil auf irrigen Vermutungen und kann, selbst wenn sie sicher erwiesen wäre, selbstverständlich nicht als Grundlage für morphologische Vergleiche dienen. — Daß die Schweißdrüsen der lebenden Säuge- tiere zugleich als Organe für die Wärmeregulation dienen, ist an sich von keiner morphologischen Be- deutung, bildet aber eine Ergänzung zu der Funktion der Haare als Wärmeschützer. Die Drüsenformation der Haut der Säugetiere hat zugleich an gewissen ventralen Körperstellen eine höhere Entfaltung genommen, welche zur Ausbildung von Milchdrüsen geführt hat, deren nahr- haftes Sekret namentlich beim weiblichen Geschlechte zur Zeit der Entwickelung der Jungen in abun- danter Weise produziert wird und diesen zum Aufsäugen per os dient. Damit ist eine ganz spezifische Einrichtung in Erscheinung getreten, welche keinem Säugetiere fehlt, nur den Säugetieren zukommt und zugleich seit alter Zeit als eines der vornehmsten Differentialmerkmale der Mammalia gegenüber allen anderen Wirbeltieren aufgestellt worden ist. Im weitesten Sinne des Wortes analoge Formen der Brut- pflege finden sich auch bei Anamniern; keine aber nähert sich derjenigen der Mammalier. Bei den Monotremen hat GEGENBAUR (1886) die Ableitung der Milchdrüsen (Mammardrüsen) von tubulösen Drüsen dargetan; EGGELING (1899— 1901) hat diese Verhältnisse namentlich auch ontogenetisch eingehender untersucht und GEGENBAURS Angaben bestätigt. Bei den Marsupialiern und Placentaliern wurde von der herrschenden Anschauung seit alters eine Abstammung: der Milchdrüsen von alveolären Drüsen (Talgdrüsen) vertreten, womit eine sehr wesentliche Differenz zwischen höheren Säugetieren und Monotremen gegeben war, welche verschiedenen Autoren (so namentlich Hugrechr 1895) als Grundlage für eine diphyletische Entstehung dieser beiden Säugetier-Abteilungen diente und von GEGENBAUR (1886, 1898) und Haacke (1888) durch die Annahme zu überbrücken versucht wurde, daß die Entstehung der Jenaische Denkschritten XI. 82 Festschrift Ernst Haeckel. 650 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 650 Milchdrüsen aus tubulösen Drüsen auch bei den höheren Mammaliern den Ausgang gebildet habe, daß aber dazu noch eine zweite von alveolären Drüsen abzuleitende Milchdrüsengeneration gekommen sei, welche die ältere tubulöse Generation successive abgelöst habe und bei den höheren Säugern zur Allein- herrschaft gekommen sei. Weitere histologische und histogenetische Untersuchungen, die insbesondere auf KraarscH (1892), BEnDA (1893) und Lacrorx (1894) zurückreichen und in neuerer Zeit namentlich von EGGELING (1901, 04) und BreEssLaU (1902) durchgeführt wurden, haben aber auch bei den Milch- drüsen gewisser Ungulaten tubulöse Formen erkennen und speziell den für die tubulösen Drüsen charakteristischen Muskelzellenbelag nachweisen lassen. Danach ist es sehr wahrscheinlich, daß auch die Milchdrüsen der höheren Mammalia, wie sehr auch sonst in ihrer Form und Beschaffenheit umgewandelt, auf tubulöse Drüsen zurückführbar sind, daß somit auch die Milchdrüsenformation bei allen Säugetieren ein einheitliches Bild und eine monophyletische Ausbildung aufweist. Diese neuere Lehre wird u. a. auch von EBNER (1902) vertreten; die meisten Autoren sind ıhr zur Zeit noch abgeneigt. Einzelne (z. B. Krause 1903 und namentlich Ganpow 1902) bezweifeln selbst die tubulöse Natur der Mammar- drüsen der Monotremen und kommen damit zu einer anderen Einheit, d. h. zu der Zurückführung aller Mammardrüsen auf alveoläre Drüsen; das dürfte ein unberechtigter Skeptizismus gegenüber GEGENBAURS und EGGELINGS zuverlässigen Untersuchungen sein. Mir erscheint die Ableitung des Milchdrüsenapparates von tubulösen Formen als gesichert und damit ein Zurückführen der ersten Anfänge desselben auf Vorkommnisse bei Reptilien ausgeschlossen. Wenn daran gedacht wird, daß bei der Anomodontia eventuell an das Säugegeschäft erinnernde Skelett- gebilde (Ossa marsupialia) vorhanden gewesen sein können (OsBORN 1898, s. oben S. 636), oder eine Ableitung der Milchdrüsen von den Schenkel- und Präanalporen der Lacertilier für möglich gehalten wird (GADOWw 1902), so kann ich diesen reeller Begründung entbehrenden Gedankengängen nicht zu- stimmen. Eventuelle Anknüpfungen dürften meiner Ansicht nur in der Richtung nach den Stegocephalen zu gesucht werden. Doch halte ich es für rationeller, auf solche Anknüpfungsversuche von vornherein zu verzichten und sich damit zu begnügen, die Milchdrüsen, wie die Aufsäugung der Jungen als etwas spezifisch Mammales, also erst innerhalb des Entwickelungsganges der Säugetiere zur Ausbildung Ge- kommenes aufzufassen. Dazu scheint mir auch die besondere Umbildung des mammalen Unterkiefers in Korrelation zu stehen, worauf ich schon oben (S. 604) hingewiesen habe. Wie schon erwähnt, sind die Milchdrüsen auf besondere Körperregionen lokalisiert. Sie bilden hier Drüsenpackete, die bald in Gruben oder Taschen (Mammartaschen) liegen (Monotremen), bald in besonderer Weise mehr solide oder von einem zentralen Kanale durchsetzte Erhebungen (Mammae, Papillae) bilden (Marsupialier und Placentalier), Ueber die Zahl, Entwickelung, Ableitung, gegenseitige Vergleichung und Deutung dieser Gebilde, welche auf die Abstammung der Säugetierklasse kein Licht werfen, aber für die Genealogie der einzelnen Abteilungen der Mammalier von Bedeutung sind, ist vielfach gearbeitet worden, so namentlich von GEGENBAUR und Kraarsch, sowie Bonner, Rey (1882) und Pror£ (1898), wobei die Resultate noch keine einheitlichen sind (des näheren sei auf die vortreff- lichen Referate von BonnEr 1893, 1898 verwiesen). Im Anschlusse an die zuerst in der Bauchgegend zur Entfaltung gekommenen Milchdrüsen und die durch sie gewährleistete Brutpflege der Jungen haben sich bei den Säugetieren Hautfalten in jener Gegend zu Brutbeuteln (Marsupialtaschen) für die Bergung der säugenden Jungen ausgebildet. Diese Marsupialtaschen schließen in sich die paarigen Drüsentaschen (Mammartaschen) ein und entstehen unabhängig von diesen in unpaarer Anlage (RugE 1895 contra Kraarsch 1891, 1895 und SEMON 1894, welcher letztere aber RuGE später zustimmte). Beide Gebilde stellen alte Errungenschaften des Säuge- 65 I Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 651 tierstammes dar und mögen in früherer paläontologischer Zeit wohl eine ziemlich allgemeine Verbreitung besessen haben; ob hierbei die Beuteltaschen oder die Drüsentaschen die phylogenetisch älteren Gebilde sind, ist verschieden beurteilt worden und mit den bisher vorliegenden Materialien wohl kaum sicher zu entscheiden. Das Vorausgehen der Anlagen der Beuteltaschen (Ruce, Bonner), in deren Wärme die Echidnaeier ausgebrütet werden und in deren Schutze die Jungen ihre mehr und mehr sich vervoll- kommnende Milchnahrung einnehmen, hat, auch wegen ihrer früheren ontogenetischen Anlage, die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Hwuxıey (1880) hat bekanntlich an das frühe Auftreten der marsupialen Bildungen seine Hypothese von dem Baumleben der Vorfahren der Marsupialier geknüpft und auch in der Bildung der Gliedmaßen Bestätigung dafür gewonnen; Andere (z. B. Dorro 1899, BENsLEy 1901) sind ihm darin, zum Teile mit neuen Gründen, gefolgt. Mit der höheren Ausbildung dieser Beutel bei Monotremen und Marsupialiern kam es auch zur Differenzierung besonderer hierher gehöriger Muskel- apparate und zu Verbänden mit den sog. Ossa marsupialia, wobei aber die genetischen Beziehungen trotz höchst dankenswerter und sehr genauer Untersuchungen darüber (namentlich von RucE) noch nicht vollkommen aufgeklärt sind (s. auch oben S. 636), Nach und nach trat dieser marsupiale Apparat (Brutbeutel, Muskulatur, Stützgebilde) nach dieser oder jener Richtung hin in mehr oder minder weit- gehende Rückbildung, so schon bei Monotremen (Ornithorhynchus, vergl. SEmoN 1894 jund RusE 1895, während Kraatsch 1895 hier einen beutellosen Anfang annimmt), ferner bei gewissen Marsupialiern (Thylacinus, Notoryctes, Petaurus) und endlich in weitester Verbreitung bei den Placentaliern (unter denen aber noch gewisse Insectivoren, Carnivoren, Prosimier, Simier, cf. u. A. Huxrey 1880, Kraatsch 1890, 93, RUGE 1892, CARLSSON 1903, diesen oder jenen Rest davon noch erkennen lassen). Auch die Milchlinie der Placentalier wurde, im Detail in etwas verschiedener Weise, auf marsupiale Rudi- mente zurückzuführen gesucht (Kraarsch 1893, Bresstau 1902); doch sind andere Autoren (so namentlich BEARD 1897, Bonner 1898 und PROFE 1898) den Anschauungen von KraarscH entgegen- getreten. Auch hinsichtlich aller dieser Fragen sei auf Bonners Referate, sowie auf GEGENBAUR (1898) und WEBER (1904) des näheren verwiesen. Auch wenn man alle noch kontroversen Punkte ausschaltet, so scheinen mir genügende Instanzen zu existieren, um einer monophyletischen Entstehung und einer früher weiteren Verbreitung der marsupialen Bildungen das Wort zu reden. Anders lautende An- schauungen gehen dahin, eine polyphyletische Entstehung der verschiedenen Brutbeutel anzunehmen (PauL 1884), sowie die marsupialen Mammalia umgekehrt von Placentaliern abzuleiten (Wırson and Hırr 1897, Hırr 1897, Huprecnhr 1898, Dorro 1899 u. A.). Diesen Anschauungen kann ich ebensowenig wie BENSLEY (1901) zustimmen. Am Schluß der Abhandlung wird noch weiter darüber zu sprechen sein. — In welcher geologischen Zeit Milchdrüsen und Brutbeutel von den Mammalia und damit deren spezi- fische Eigenschaften als „Säugetiere“ erworben worden sein mögen, läßt sich zur Zeit nicht sagen. V. Muskelsystem. Die Muskulatur ist zu einem großen Teile der aktive Modellierer des Skelettes; ganze Abschnitte desselben werden erst durch die lebende Tätigkeit der mit ihm verbundenen Muskeln verständlich. So bildet das Muskelsystem eine notwendige Ergänzung des _Skelettsystems und zugleich ein ungemein feines Reagens auf die zahlreichen äußeren Reize und die durch sie herangezüchteten Anpassungen, denen der Tierkörper unterworfen ist. Insofern ist es in doppelter Richtung zu verwerten, einerseits zur Demonstration der mancherlei Analogien, welche durch gleiche oder ähnliche Einflüsse auf ver- schiedene Tiere zur Ausbildung kommen, andererseits zur Erkenntnis wirklicher Verwandtschaften und 82* 652 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 652 zur Bestimmung des tieferen oder höheren genealogischen Ranges, welcher durch die Züchtung von außen erlangt wurde. Ob im gegebenen Falle die eine oder die andere Richtung vorliege oder — bei Kombination beider — vorwiege, ist oft schwer zu entscheiden; die Untersuchung eines umfassenden Materiales und die hierbei mitarbeitende kritische Vergleichung lehrt das erstere Moment auszuscheiden und das letztere, das wichtigste für Fragen der Abstammung und Genealogie, zur Geltung zu bringen. Die Arbeiten von GARRoD und Forges auf dem Gebiete der Vogelanatomie haben die Bedeutung der systematischen myologischen Untersuchung für Zwecke der Taxonomie erwiesen. Ich konnte mich durch weiter ausgedehnte Untersuchungen (1888, 1900, 1902) von dem hohen Werte und der vor- tretenden Brauchbarkeit dieser Werkzeuge für die Systematik und Genealogie der Vögel und Reptilien überzeugen. Namentlich für die Scheidung und Rangabschätzung der Unterabteilungen in den einzelnen Klassen, da, wo das Skelettsystem oft versagt, können sich die Muskeln bei der rechten Auswahl als vom ersten Range erweisen. Nicht selten verraten sie viel mehr von den Blutsverwandtschaften und den Entwickelungsgängen der Tiere, als die Strukturen der benachbarten Skelettteile ahnen lassen. Auch für die Taxonomie der einzelnen Säugetierabteilungen trifft das zu und soll bei einer späteren Gelegen- heit ausführlicher demonstriert werden. Hier in dieser Abhandlung handelt es sich um die ganze Klasse der Säugetiere und die Aufhellung ihrer genealogischen Beziehungen zu den anderen Tetrapoden. Daß auch hierfür die Muskulatur sehr brauchbar ist, mögen — an Stelle einer breiteren und eingehenderen Behandlung, für die hier kein Raum ist — einige ausgewählte Beispiele zeigen. 1. Musc. depressor (abductor) mandibulae und M. digastricus mandibulae. Ueber diese beiden, vom Nervus facialis versorgten Muskeln habe ich mich schon oben (S. 598 f. und 620) geäußert. Der M. depressor mandibulae findet sich bei Fischen, Dipnoern, Amphibien und Sauropsiden als ein kräftiger, in verschiedener Ausdehnung vom hinteren Bereiche des Schädels und dem Anfange des Rumpfes (Halses) entspringender und am hinteren Teile der Mandibula inserierender Muskel. Aus der zahlreichen darüber handelnden Literatur sei vor allem Ruses bedeutsame und über alle Wirbeltierabteilungen erstreckte Darstellung (1897, C;md), sowie GEGENBAUR (1898) und CHame (1900— 1903) hervorgehoben. Bei den Säugetieren fehlt eine diesem Muskel genau entsprechende und am hinteren Unterkieferende inserierende Bildung durchaus (die von CHamE behauptete Homologie des „M. mandibulo-auriculaire“ oder des „Lig. accessoire de l’articulation temporo-maxillaire* mit dem M. depressor halte ich nicht für erwiesen). Diese Besonderheit fand bei verschiedenen Autoren, RuGE und mir seine Erklärung darin, daß der Unterkiefer der Säugetiere dem der Nicht-Säugetiere nicht homolog ist und daß insbesondere der dem M. depressor mandibulae Insertion gebende Teil von der mammalen Mandibula (Dentale) sich abgelöst hat und einen Bestandteil des Hammers bilde. An dem Hammer ist bisher aber auch kein einem M. depressor mandibulae entsprechendes Rudiment gefunden worden. Man kann daraus schließen, entweder, daß der Muskel bei den Mammalıa vollkommen geschwunden ist (falls nicht noch bezügliche mit dem Hammer verbundene Rudimente bei Embryonen gefunden werden), oder, daß er bezw. Teile von ihm zufolge der bei den Säugern erfolgten partiellen Einbeziehung des Kieferapparates in den Dienst des Gehörorgans neue aberrative Insertion gefunden haben. Letzteres ist Ruczs Auffassung, der das Homologon des M. depressor mandibulae in dem hinteren von dem N. facialis innervierten Bauch des M. digastricus mandibulae, sowie in dem Platysma myoides wiederfindet und dafür auch gute Gründe anführt. Wie interessant und bedeutsam ich auch die Ausführungen des hervorragenden Forschers auf diesem Gebiete finde, so kann ich mich ihnen doch nicht ohne Bedenken anschließen, weil mir die Annahme einer so hochgradigen Aberration der Insertion 653 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 653 bei einem gerade in seiner mandibularen Anheftung seit alter Zeit fixierten Muskel Schwierigkeit macht. Ich bin daher mehr geneigt, der ersteren Alternative — d. h. einer eventuellen völligen Reduktion des M. depressor mandibulae — zuzustimmen und den hinteren Bauch des M. digastricus der Mammalia zusammen mit dem ihn umgreifenden M. stylo-hyoideus von dem Hyoidteil der betreffenden Gruppe (C,h) abzuleiten und den dem M. depressor mandibulae sehr ähnlichen Ursprung des hinteren Digastricus- Bauches auf eine imitatorische Besitzergreifung der durch die Reduktion des M. depressor frei gewordenen Schädelregion zurückzuführen. Selbstverständlich liegt es mir fern, in dieser schwierigen, wegen der vielfach wechselnden Reduktionen — bei gewissen Mammalia kann nicht nur der M. stylo-hyoideus, sondern selbst der ganze Facialis-Digastricus fehlen und topographisch-imitatorisch von dem Trigeminus- Digastricus ersetzt werden — sehr komplizierten und noch viel Arbeit verlangenden Frage mit dieser meiner Auffassung eine Entscheidung zu geben; sie soll nur zu weiteren Untersuchungen anregen. CHames Vergleichungen leiden leider an dem Mangel, daß dieser Autor größtenteils von der Art der Innervation der betreffenden Muskeln absieht. Welches Endresultat sich aber auch ergeben möge, auf jeden Fall ist mit dem Faktum der isolierten Stellung der Säugetiere gegenüber den Nichtsäugern hin- sichtlich dieser Muskelgruppe zu rechnen. Eine Ableitung von irgend welcher bekannten Reptiliengruppe erscheint mir ausgeschlossen; mit mehr Wahrscheinlichkeit ist an primitivere, mit noch flüssigeren Organ- teilen versehene amphibienartige oder noch tiefere Formen zu denken (vergl. S. 599). 2. Vom N. facialis versorgte Haut- und Gesichtsmuskulatur ete. Auch auf diesem Gebiete haben die Untersuchungen von Ruck (1886 —1897) eine unvergängliche Basis geschaffen, welche bedeutsame genealogische Schlüsse innerhalb der Säugetiere zu ziehen gestattet. Hier sei nur einiges von den Resultaten mitgeteilt, zu denen Ruse bei der Zusammenfassung der Um- bildungen der dorso-ventral durchlaufenden Bündel des Facialis-Constrictors (G,dv) bei den Säugetieren gelangte. In ihm, sowie dem Platysma (s. o.) spielt sich innerhalb der Säugetiere die ganze Entwicke- lungsreihe der Gesichtsmuskulatur ab. Bei Ornithorhynchus ist nur ein aus querlaufenden Bündeln bestehender Sphincter colli gebildet, der sich im wesentlichen wenig über die einfachen Verhältnisse bei Amphibien und Reptilien erhebt und den Mundwinkel nach vorn nicht überschreitet. Bei Echidna existiert gleichfalls ein regelmäßig angeordneter Sphincter; derselbe zeigt aber in der ventralen medianen Bündelkreuzung vorwiegend schrägen Verlauf, hat einen primitiven M. buccinatorius abgegliedert und zugleich Aberrationen an die Ohrmuscheln entfaltet. Damit sind in dreifacher Weise die Anfänge zu den Bahnen gegeben, welche zusammen mit dem Platysma bei den übrigen Säugetieren in immer mehr sich vervollkommnender Weise zu den hohen Differenzierungen der oberflächlichen Hals- und Gesichts- muskulatur geführt haben. Hinsichtlich aller Details ist auf Ruces Originalarbeiten (wie auch auf KOoHLBRÜGGES, 1898, die mannigfachen Verschiebungen des Facialis- und Cervikalnerven-Gebietes doku- mentierende Befunde) zu verweisen. Hier liegt eine Entwickelungsreihe vor, welche den ungemein regen Bildungsgang demonstriert, der dieses auch bei den höchsten Sauropsiden auf niederer Stufe verbleibende System zu einer Höhe der Entwickelung und psychischen Ausdrucksfähigkeit führt, die ein ganz besonderer Erwerb der Mammalia ist und bei der Anknüpfung an bereits fester fixierte Formen niemals in dieser Weise sich hätte entfalten können. Hier ist der Beginn nur bei ganz jugendlichen, flüssigen Formen zu suchen; spezieller ausgeprägte Anomodontier, wie die Cynodontia und Gomphodontia, hätten dieser Entwickelung nie als Ausgang dienen können. Auch die sonstige Hautmuskulatur der Mammalia (s. namentlich die verschiedenen Arbeiten Ruses) erweist sich gegenüber allen Non-Mammalia als etwas ganz Unvergleichliches. Die bei den 654 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 654 Vögeln zur Ausbildung gekommenen Aberrationen der Muskeln an die Haut (FÜRBRINGER 1888, 1902) sind vollständig andere Bahnen gegangen und stehen denen der Säugetiere so fern als möglich. 3. Mm. serrati postici. Ein nur bei den Säugetieren ausgebildetes spino-costales System der Rückenmuskeln, dessen Innervation durch ventrale Aeste der Spinalnerven beweist, daß es der Rückenmuskulatur ursprünglich fremd war und erst durch dorsal gehende Wanderung aus dem ventralen Rumpfgebiete hierher gelangte, GEGENBAUR (1898) ist geneigt, es von einem M. obliquus abdominis superficialis abzuleiten, über dessen Vorkommen bei Amphibien und Reptilien Gapows (1881) und MAUrERS (1891, 94, 96) genaue Arbeiten uns die genügende Kenntnis gegeben haben. Das System der Mm. serrati postici findet sich in großer Verbreitung und mannigfachem Wechsel bei den Marsupialia und Placentalia, worüber MEckEL (1828), CuVIER-LAURILLARD (1850 — 56) und SEYDEL (1892) eingehende Angaben machen; bei den Monotremen ist es bisher, zufolge der über diese Muskeln handelnden Literatur, noch nicht gefunden worden. Es hat den Anschein, als ob es bei diesen in Reduktion getreten wäre; doch ist dies noch zu begründen. Jedenfalls tritt uns auch hier eine Errungenschaft der Mammalia gegenüber, welche Kunde gibt, wie selbst in einem sonst mehr konservative Eigenschaften zeigenden Muskelgebiete ein neuer Ent- wickelungsstrom durchbrach, der an keine bekannte Bildung der Amphibien oder Reptilien spezielle An- knüpfungen erlaubt und namentlich mit den letzteren kaum Berührungspunkte aufweist. 4. M. diaphragmaticus der Mammalıa. Bekanntlich bildet sich bei den Wirbeltieren die Scheidung der Pericardialhöhle (Kopfeölom) und Pleuro-Peritonealhöhle (Rumpfcölom) und danach die Sonderung des Rumpfcöloms in die Pleurahöhle und Peritonealhöhle in einer Weise, welche sowohl durch die Ontogenese wie durch die vergleichende Anatomie in einer gewissen Parallelität illustriert wird und besonders durch die ontogenetischen Unter- suchungen von KÖLLIKER (1879), 'Hıs (1881) Uskow (1883), Ravn (1887—-96), BRACHEr (1895 —97), Swarn (1897), BROMAN (1902, 1904), sowie die vergleichend-anatomischen Arbeiten von HocHsTErTER (1899) und Broman (1904) Aufklärung gewonnen hat (vergl. namentlich auch ©. Herrwıss Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere, 1902, und Bromans großes Werk, 1904, welches vornehmlich die Entwickelung und vergleichende Morphologie der Bursa omentalis im Auge hat, aber die ganze bezügliche Frage im weitesten Sinne berücksichtigt). In diesen Untersuchungen und Arbeiten handelt es sich in erster Linie um die Bildung der Recessus und der bindegewebigen Scheidewände, von denen die pericardiale (Septum transversum) schon innerhalb der Anamnier zu stande kommt, während die Scheidung von Brust- und Bauchhöhle (Diaphragma pleuro-peritoneale) erst bei den Amnioten sich vollzieht, bei niedrigen Reptilien noch in unvollkommener Weise, bei den höheren Reptilien, den Vögeln und den Säugetieren in vollkommenerem Grade. HocHsrerrer verdanken wir namentlich den Nachweis, daß dieser Scheidungsprozeß bei den verschiedenen Vertretern der Amnioten im wesentlichen in der gleichen Richtung zur Ausbildung ge- langt. In dieser Hinsicht bieten somit die Mammalia gegenüber den Reptilien wohl graduelle Dit- ferenzen, aber im großen und ganzen keine qualitativen Divergenzen dar. Anders verhält es sich mit der Muskularisierung des Diaphragmas. Ueber diese finden sich für die Säugetiere nur wenige und auch nicht übereinstimmende ontogenetische Untersuchungen. Ein, namentlich auch von Harckkr (1895, 98, 1903) vertretener, Untersuchungsbefund behauptet das Verwachsen aus einem älteren ventralen Abkömmling des M. transversus abdominis und einem jüngeren 6 55 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 65 [971 (erst bei den Reptilien auftretenden) dorsalen Muskelteil (Mm. subvertebrales). Abweichend davon gibt Korrmann (1898) ein von zwei durch den Nerv. phrenicus versorgten Halsmyotomen her erfolgendes Einwachsen ventraler muskulöser Elemente in die bindegewebige Scheidewand zwischen Leberanlage und Pericard an. Letztere Angabe ist vereinbar mit den vergleichend-anatomischen Befunden , welche in der Innervation des Musc. diaphragmaticus (der bereits bei den Monotremen in voller Ausbildung auftritt) durch den von Halsnerven gebildeten Nerv. phrenicus dem muskulösen Zwerchfell einen Aus- gang vom Halse zuweisen und zugleich in dem Verlaufe dieses Nerven durch das ventrale Mediastinum und durch sein vorwiegend ventrales Eintreten in den von ihm versorgten Muskel nähere Beziehungen desselben zu dem Rectussystem des Halses (infrahyoidale Muskulatur) erschließen lassen. GEGENBAUR (1898) und KoHrBrÜüscE (1898) haben das begründet, und eine vortreffliche und eingehende Arbeit von v. Gössnetz (1901) hat!den Aufbau des muskulösen Diaphragmas aus zwei von dem 3. und 4. sowie dem 5. Cervikalnerven versorgten Partien und die relativ nahen Beziehungen desselben zu dem infrahyoidalen Halsrectus und dem Musc. subclavius dargetan. In dieser Arbeit wurden zugleich die zahlreichen An- gaben von einer partiellen Versorgung des M. diaphragmaticus durch von hinten (dorsal) her eintretende Intercostalzweige geprüft und zurückgewiesen: diese Nerven sind lediglich die Muskulatur durch- setzende sensible Nerven, das muskulöse Diaphragma der Mammalia dagegen wird allein vom N. phrenicus innerviert, entstammt also allein der ventralen Muskelgruppe des Halses. Das gilt auch für die häufigen und mannigfachen dem Centrum tendineum aufgelagerten Muskelbildungen, über die, nach dem Vor- gange vieler Autoren, neuerdings namentlich von DER HEILEN (1903) in einer fleißigen, zahlreiche eigene Untersuchungen enthaltenden Arbeit berichtet. Die Angabe einer Ontogenese des Diaphragmas aus einer ventralen und dorsalen Muskelquelle bedarf somit einer Nachuntersuchung. — Ganz anders bei den Sauropsiden. Auch hier finden sich, wie man seit langer Zeit weiß, bei den höheren Ver- tretern derselben, insbesondere bei Crocodiliern und Vögeln, Muskelzüge im Diaphragma, Mm. subperi- toneales. Dieselben werden aber von Nerven versorgt, welche dem thorakalen Gebiete an der Grenze von Brust- und Bauchhöhle entstammen und von hinten (dorsal) her in das Diaphragma eintreten (Nuss- BAUM 1896, v. (GössNnItz 1901), somit, wie diese Autoren und GEGENBAUR (1898) schon hervorhoben, nicht das mindeste mit dem mammalen M. diaphragmaticus zu tun haben und, wenn auch physiologisch ähnlich wirkend, morphologisch einem gänzlich heterogenen Systeme angehören. Bei den Testudinaten existiert ein den älteren Autoren bekannter und von ihnen zumeist einem M. serratus anticus oder M. pectoralis minor verglichener Muskel, den ich (1874) unter dem Namen M. testo-coracoideus nach Lage und Innervation genauer beschrieb und als ein den genannten Muskeln unvergleichbares Gebilde angab. Dieser Muskel wirkt physiologisch einem M. diaphragmaticus ähnlich, hat aber ganz andere Insertionen als derselbe, nämlich am Schultergürtel, und wird von einem ventralen, dem N. phrenicus vielleicht homodynamen, aus dem Anfangsteile des Plexus brachialis (vom 7. Spinalnerven) stammenden Nerven versorgt. Auch in dieser, in der Hauptsache noch gar nicht aufgeklärten und sehr wahr- scheinlich ganz umgebildeten, Muskelverbreitung liegen nur ganz entfernte Beziehungen zu dem musku- lösen Diaphragma der Säugetiere vor, aber nicht so total heterogene wie diejenigen der Mm. subperi- toneales der Krokodilier und Vögel. — Unter den Amphibien wurden insbesondere von GreLıo-Tos (1894) und Nusspaum (1896) gewisse in der Brustbauchhöhle befindliche, mit der inneren Bauch- muskulatur (Mm. transversus, obliquus internus und rectus) in einem gewissen Verband stehende und von dem Brachialplexus und von Intercostalnerven versorgte Muskelzüge der Anuren zu dem mammalen M. dia- phragmaticus in Beziehung gebracht. Auch hier sind die Relationen, wie bereits von v. GössnILZ hervorgehoben, ganz entfernte und noch genauer zu prüfende; die Funktion ist gleichfalls eine abweichende. 656 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 6 56 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das muskulöse Zwerchfell der Mammalia eine bereits bei den tiefsten bekannten Vertretern derselben vollkommen entwickelte Bildung sui generis ist, welche an kein anderes Wirbeltier direkten Anschluß oder Ableitung von ihm gestattet. Zu den zum Teil ähnlich funktionierenden Gebilden der höheren Diapsida (Krokodilier, Vögel) bestehen gar keine morphologischen Beziehungen, zu denen der synapsiden Testudinata wie der anuren Amphibien nur ganz entfernte und in der Hauptsache erst noch aufzuklärende. 5. Mm. trapezius und sterno-cleido-mastoideus. Diese beiden zusammengehörenden Muskeln, welche bei den meisten tiefer stehenden Formen der einzelnen Abteilungen der Wirbeltiere noch einen einheitlichen Muskel bilden, haben bekanntlich einen Entwickelungsgang genommen, der sie von einstmaligen zum Visceralmuskelsystem gehörigen Ge- bilden mehr und mehr in das Gebiet der spinalen Muskulatur übergeführt hat (FÜRBRINGER 1872 bis 1902). Wie von mir ausführlicher mitgeteilt worden, werden sie bei den Anamniern lediglich von dem Ramus posterior s. externus nervi vago-accessorii') innerviert, während ihnen bei den Amnioten, Hand in Hand mit der Wanderung des Schultergürtels nach hinten (kaudalwärts), per appositionem ein Zuwachs von Muskelbündeln zu teil wurde, die in wechselnder Weise von vorderen und mittleren Cer- vikalnerven versorgt werden. Hierbei konnte zugleich eine successive Abnahme der alten visceralen und eine Zunahme der neuen spinalen (cervikalen) Muskelelemente bei den Sauropsiden nachgewiesen werden, derart, daß bei den primitiveren Formen derselben (Sphenodon, einzelne tiefer stehende Lacertilier, Testudinaten) der von dem R. accessorius externus versorgte Anteil zwar den spinalen an Volumen nicht mehr erreichte, aber relativ nicht gerade unansehnlich war, bei den etwas höher stehenden (meiste Lacer- tilier, Krokodilier) erheblich gegen den spinalen zurücktrat und bei den höchsten Typen (den Vögeln, sowie auch den einseitig differenzierten Chamäleontiden) nur noch einen geringfügigen Teil des vorwiegend spinalen Muskels bildete. Hierbei kommt es innerhalb der einzelnen Ordnungen zu den mannigfachsten Differenzierungen des ursprünglich einheitlichen Muskels (hinsichtlich welcher die zitierten Arbeiten ein- zusehen sind); aber ausnahmslos, soweit bisher untersucht, repräsentierte der viscerale Anteil den Anfang (rostralen Abschnitt) des Muskels. Bei den Mammalia (vergl. für diese u. A. auch KonLsrücgE 1898) bietet der gleichfalls bei zahlreichen tiefer stehenden Vertretern einheitliche, bei den anderen in seine beiden Teile (Trapezius und Sterno-cleido-mastoideus) differenzierte Muskel eine Parallele zu dem der Sauropsiden; bei oberflächlicher Betrachtung könnte man geneigt sein, speziellere Vergleiche zwischen den verschiedenen Abteilungen der Lacertilier und Mammalier zu ziehen. Die Berücksichtigung der Innervation lehrt anderes: hier tritt der vom R. accessorius externus versorgte Anteil weit weniger vor dem spinalen zurück als bei den Sauropsiden; meist ist er voluminöser, mitunter selbst erheblich um- fangreicher als der letztere, und die genauere Untersuchung lehrt zugleich, daß der Kopfnerv in der Regel nicht nur die vorderen Partien des Muskels innerviert, sondern auch an der Versorgung der hinteren, von den Rückenwirbeln entspringenden mehr oder minder erheblichen Anteil nimmt. Zugleich werden hier mannigfache Verkreuzungen des R. accessorius externus und der bezüglichen Cervikal- nerven beobachtet, so daß in der Regel — von einigen als sekundär zu beurteilenden Ausnahmen ab- gesehen — M. sterno-cleido-mastoideus und M. trapezius von beiden Nerven versorgt werden. r) Ich wende hier durchgehends die von mir in den angegebenen Arbeiten gebrauchte Nomenklatur an. LUBOScH hat in zwei jüngeren verdienstlichen Abhandlungen (1899, 1901) etwas andere Vorschläge gemacht, auf welche bei anderer Gelegenheit, nicht aber in dieser lediglich taxonomischen Fragen dienenden Arbeit einzugehen ist. 657 s Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 6 57 Damit nehmen die Säugetiere von ihren Anfängen an einen besonderen Platz ein. Sie stellen sich jenseits der Sauropsiden, in gewissem Sinne zwischen diese und die Amphibien, wobei die primi- tiven Verhältnisse der letzteren (reine Versorgung des Muskels durch den R. accessorius externus) wohl eine Ableitung des mammalen Muskels (Muskeln) von ihnen als möglich erscheinen lassen, während die- selbe von den bereits in anderer Richtung differenzierten Reptilien ausgeschlossen ist. 6. M. pectoralis. Der M. pectoralis der tetrapoden Wirbeltiere (des näheren vergl. ebenfalls die sub 5 zitierten Abhandlungen von 1872—-1902) ist eine von der Bauchmuskulatur abstammende Differenzierung, die bei den Urodelen größtenteils von ihr ausgeht (Pars abdominalis m. pectoralis), aber durch rostral- wärts gehendes Weitergreifen auch bescheidene und noch nicht überall vorhandene sternale Ursprünge gewinnt (P. sternalis m. pectoralis. Bei Anuren führt diese nach vorn (rostralwärts) weitergreifende Ausbreitung zu einer weiteren Ausdehnung des Ursprungs auf das Epicoracoid, so daß den Anuren gemeinhin eine P. abdominalis, sternalis und epicoracoidea des Pectoralmuskels zukommt. Alle diese pectoralen Bildungen der Amphibien werden von einem ventral-postzonal, d. h. kaudal hinter dem Cora- _ coid verlaufenden Nerv. pectoralis s. thoracicus anterior versorgt. Außerdem aber existiert bei den Anuren ein rostral vor dem M. pectoralis liegender und ziemlich weit von ihm entfernter M. episterno- (omosterno)-cleido-acromio-humeralis, der zum größeren Teile von dem ventral-prozonalen resp. diazonalen, d. h. rostral vor dem Coracoid oder durch dasselbe verlaufenden N. supracoracoideus, zum kleineren Teile von dem dorsal-postzonalen, d. h. kaudal hinter der Scapula zu seinem Muskel ziehenden N. dorsalis scapulae versorgt wird. — Bei den Sauropsiden ist die ursprüngliche P. abdominalis des M. pecto- ralis noch nachweisbar, bei vielen in guter Ausbildung, bei den meisten jedoch als mehr oder minder zurücktretende und in gewissen Fällen selbst gänzlich schwindende Partie; die P. sternalis bildet, zum Teil unter Weitergreifen auf die sternalen Rippenenden (P. sterno-costalis), den Schwerpunkt des Muskels; außerdem kommt es — in vikariierendem Ersatze für die epicoracoidale Portion der Anuren — zu einer mehr oder minder entfalteten P. episternalis (omosternalis), von der schließlich auch ein Ueber- greifen auf die Clavicula stattfinden kann (P. clavicularis). Die Lacertilier bieten alle möglichen Ent- wickelungsstadien (zum Teil auch Rückbildungsstadien) in diesem Wachstumsprozesse dar, wobei aber der claviculare Ursprung erst bei einigen höheren Lacertiliern zur Entfaltung gelangt; bei den Testu- dinaten kommt es zufolge der besonderen Ausbildung des Plastron (inkl. Episternum und Parasternalia) und der Rückbildung des Sternum zu neuen sekundären Beziehungen, die sich aber ebenso wie die minder abweichenden der Rhynchocephalier und Krokodilier unschwer auf die ursprünglicheren Ver- hältnisse zurückführen lassen; bei den Vögeln überwiegt ‚der sternale (inkl. cristale) und claviculare Ur- sprung bei weitem und führt, auch auf die Nachbarteile (insbesondere Fascien) übergreifend, zu der hohen Entfaltung des gewaltigen, mannigfache weitere Differenzierungen darbietenden M. pectoralis thoracicus (Pectoralis I. d. Aut.) der Carinaten, während der M. pectoralis abdominalis nur noch in einem un- bedeutenden Muskelstreif erhalten oder ganz zurückgebildet ist. Die nervöse Versorgung des M. pecto- ralis der Sauropsiden geschieht ausnahmslos durch den ventral-postzonalen N. thoracicus anterior; etwas dem M. episterno(omosterno)-cleido-acromio-humeralis der _Anuren direkt vergleichbares fehlt allen Sauropsiden. — Bei den Säugetieren tritt der M. pectoralis bereits bei den primitiven Abteilungen in ansehnlicher Ausdehnung auf und läßt eine kleinere hintere Partie (P. abdominalis) und eine größere vordere Portion (P. sterno-costo-episterno-claviculo-acromialis) unterscheiden, welche letztere vom Sternum, mehreren Sternocostalien, Episternum, Clavicula und selbst vom angrenzenden Ende des Akromion (z. B. Jenaische Denkschriften XI. 83 Festschrift Ernst Haeckel. 658 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 658 bei den Monotremen) entspringt. Der akromiale Ursprung fehlt meistens, und die bei den Metatheria und Eutheria erfolgte Reduktion des Episternums läßt auch den vom Episternum kommenden Teil ganz zurücktreten oder völlig verschwinden, so daß bei den höheren Mammalia in der Regel nur die P. ab- dominalis, P. sterno-costalis und P. clavicularis (bei sekundärer Rückbildung der Clavicula auch diese umgebildet) in deutlicher Ausbildung existieren. Dazu kommen noch mancherlei andere Differenzierungen, Sonderungen etc, auf die aber hier nicht einzugehen ist. Der Muskel der Mammalia scheint somit, wenn man lediglich seine Ausdehnung in Betracht zieht, zwischen Lacertiliern und Vögeln zu stehen. Anders, wenn die genauere Untersuchung auch die Innervation berücksichtigt. Bei den Sauropsiden wird, wie schon erwähnt, der M. pectoralis auch in den Fällen seiner gewaltigsten Ausbreitung nur von einem, den mittleren bezw. auch hinteren (kaudalen) Plexuswurzeln entstammenden und ventral-postzonalen N. thoracicus anterior (pectoralis) versorgt, der von hinten (caudal), her in seinen Muskel eintritt und, wie es die successive Ausbreitung desselben nach vorn (rostralwärts) erwarten ließ, bis zum vorderen (rostralen) Muskelende verläuft, auf diesem Wege zahlreiche Muskeläste abgebend. Auch ein ventral- prozonaler resp. diazonaler Nerv tritt bei vielen Sauropsiden in Beziehung zu dem M. pectoralis; die- selbe ist aber nur eine ganz oberflächliche topographische, indem dieser Nerv als reiner Hautnerv, am vorderen Rande des Pectoralmuskels vorbeilaufend, zu der hier befindlichen Hautstrecke sich begibt. Ganz abweichend verhalten sich de Monotremen. Hier wird — wir verdanken v. Gössnırz (1901) diese wichtige Beobachtung, die ich durch eigene Untersuchung bestätigen kann —- der M. pectoralis von zwei getrennten Nerven versorgt, einem stärkeren ventral-postzonalen, der sich im großen und ganzen wie der N. thoracicus anterior der Urodelen und Sauropsiden verhält und den größeren hinteren (kaudalen) Teil des Muskels innerviert, und einem ventral-prozonal verlaufenden, welcher den vorderen (rostralen) Plexuswurzeln entstammt und in der Nachbarschaft des N. supracoracoideus und des oben erwähnten (hier bei den Monotremen auch vorhandenen und den vorderen Teil des M. pectoralis durch- bohrenden) prozonalen Hautastes resp. gemeinsam mit ihm entspringt. Den Monotremen kommen so- nach zwei ganz verschieden verlaufende Nn. thoracici anteriores (pectorales) und damit zwei verschiedenen Quellen entstammende Portionen ihres M. pectoralis zu: ı) der allen Tetrapoden gemeinsame postzonale Pectoralis, 2) der den Sauropsiden vollständig fehlende prozonale Pectoralis, der aber in dem M. epi- sterno(omosterno)-cleido-acromio-humeralis der Anuren eine ihm zwar nicht identische, aber wohl im alleemeinen vergleichbare Bildung besitzt. Auch gewisse Variierungen der Innervation zeigen eine weitere Paralelle: wie der Muskel der Anuren kann auch der Muskel der Monotremen in gewissen Fällen (WestumG 1889 bei Echidna, eigene Beobachtung bei Ornithorhynchus) nicht nur vom ventral- prozonalen N. thoracicus anterior, sondern auch zum Teil von dem dorsal-postzonal verlaufenden N. axillaris versorgt werden; ja vikariierend kann selbst ein lediglich von letzterem Nerven innervierter und wohl dem M. deltoides entstammender Muskelabschnitt eintreten. Bei den Marsupialıa und Placentalia ist der prozonale und postzonale Verlauf der den M. pectoralis versorgenden Nerven wegen der Reduktion der Coracoides zu dem kurzen Proc. coracoides nicht scharf zu scheiden (auch die mir zu Gebote stehenden nicht sehr jungen Beuteljungen von Marsupialiern zeigten ein bereits er- heblich rückgebildetes Coracoid); in der Regel aber finden sich, soweit genauere Beobachtungen hier- über vorliegen (v. Gössnrız, eigene Untersuchung), zwei, mitunter drei Nn. thoracici anteriores (pectorales), ein vorderer (rostraler), von mehr vorderen Plexuswurzeln ausgehender und den vorderen Abschnitt des M. pectoralis innervierender, und ein bis zwei hintere (kaudale), welche mittleren bezw. mehr hinteren Plexuswurzeln entstammen und den hinteren größeren Abschnitt des Muskels versorgen; den vorderen Nerven wird man mit v. Gössnirz dem prozonalen, den (die) hinteren dem postzonalen Nerven der Monotremen vergleichen. 659 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 659 Auch durch dieses Verhalten nehmen die Säugetiere gegenüber den Amphibien und Sauropsiden eine singuläre Stellung ein, die eine Neubildung des prozonalen Pectoralisabschnittes auf Grundlage der fixierten Verhältnisse der Reptilien nicht gestattet, aber durch die Annahme eines von Anfang an von dem der Sauropsiden gesonderten Entwickelungsganges der Mammalier eine befriedigende Interpretation findet. Das primordiale Baumaterial für diesen prozonalen Pectoralisabschnitt mag aber bereits in amphi- bischen resp. proamphibischen Vorfahrenstadien vorhanden gewesen sein; hierfür gibt auch die Existenz des — natürlich eine zum Teil ganz einseitige Weiterbildung ausdrückenden — M. episterno(omosterno)- cleido-acromio-humeralis der Anuren einen Fingerzeig. Nicht minder verdient die Variabilität der vorderen Pectoralisportion nach Ausdehnung und Innervation Beachtung. 7. Mm. supracoracoideus, procoraco-humeralis, episterno(omosterno)-cleido-acromio- humeralis, supraspinatus und infraspinatus. Unter diesen Namen hatte ich in den oben zitierten myologischen Schriften eine Anzahl von den Autoren sehr verschiedenartig bezeichneter und gedeuteter Muskeln zusammengefaßt, welche, vor- nehmlich vom vorderen Bereiche des Schultergürtels entspringend und am proximalen Teil des Processus lateralis humeri inserierend, ausschließlich oder zum Teil von dem prozonalen (resp. diazonalen) System des N. supracoracoscapularis (N. supracoracoideus + N. suprascapularis) versorgt werden; bei nur partieller Innervation durch dieses Nervengebiet kann sich auch der dorsal-postzonale N. dorsalis scapulae (axillarıs) an der Versorgung der dorsalen Partien bezw. Individuen dieser Muskulatur beteiligen (vergl. hinsichtlich des Details die ausführlicheren Darstellungen 1872—1902). Die vergleichende Anatomie dieser Muskelgruppe stellt sich unter Berücksichtigung der Ver- hältnisse der Säugetiere im großen und ganzen folgendermaßen. Bei den Urodelen existiert ein von dem größeren Teil der Außenfläche des Coracoids rostral von den Mm. coraco-brachiales entspringen- der M. supracoracoideus, der von dem gleichnamigen Nerven versorgt wird, und ein mehr vorn liegender von der Außenfläche des Procoracoids kommender M. procoraco-humeralis, der diploneur von mehr dorsalen Nervenfasern des N. supracoracoideus (supracoracoscapularıs) und von dem N. dorsalis scapulae innerviert wird. Außerdem besitzen die Urodelen noch einen dem M. supracoracoideus verbundenen und gleichfalls von dem N. supracoracoideus innervierten M. coraco-radialis proprius. Bei gewissen Urodelen (Menopoma) fand Eıster (1895) eine weitere Sonderung des M. supracoracoideus. Bei den Anuren finden sich die vom N. supracoracoideus versorgten Mm. supracoracoideus und coraco- radialis proprius im großen und ganzen in entsprechender Weise wie bei den Urodelen; doch ist hier der M. coraco-radialis proprius mehr in den Vordergrund getreten, während der verschiedenartig differenzierte M. supracoracoideus auch fehlen kann. An Stelle des M. procoraco-humeralis der Urodelen existiert, entsprechend der höheren Ausbildung des vorderen Randes des Schultergürtels, der höher entwickelte M. episterno(omosterno)-cleido-acromio-humeralis resp. M. cleido-acromio-humeralis, der zum Teil von dorsalen Fasern des N. supracoracoideus resp. supracoracoscapularıs (die vom Omo- sternum und der Clavicula kommenden Teile, sowie einzelne Fasern des Acromio-humeralis), zum Teil von dem N. dorsalis scapulae (Hauptteil oder ganzer Acromio-humeralis, variable Partien des Episterno- cleido-humeralis) innerviert wird; hierbei hat der Ursprung der Pars acromio-humeralis auch auf die Innenfläche des Acromion weitergegriffen. In diesem M. episterno(omosterno)-cleido-acromio-humeralis resp. M. cleido-humeralis sind zugleich die teilweisen (inkompletten) Homologa des prozonalen Anteiles des M. pectoralis der Mammalia gegeben (s. oben S. 657, 658). — Bei den Sauropsiden ist nur der M. supracoracoideus als ein kräftiger, rostral vor dem M. coraco-brachialis von der Außenfläche des 83* 660 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 660 Coracoids entspringender und durchweg und ausschließlich vom N. supracoracoideus versorgter Muskel vorhanden. Bei kionokranen Lacertiliern und bei Sphenodon offenbart er sich als einheitliche und auf das Coracoid beschränkte Bildung; bei Chamäleontiden und Krokodiliern hat er sich dorsalwärts auf die benachbarte Gegend der Scapula (Acromion) ausgedehnt (M. supracoracoideus und M. suprascapu- laris der Chamäleontiden, M. supracoracoscapularis der Krokodilier); bei Testudinaten lokalisiert er sich in ziemlich komplizierter Differenzierung (M. supraprocoracoideus und M. supracoracoideus resp. M. plastro-procoraco-humeralis e. p. und M. supracoracoideus), aber in alleiniger Versorgung durch den N. supracoracoideus, auf den ventralen Teil des Schultergürtels (Procoracoid und Coracoid), hat aber bei gewissen Vertretern derselben auch sekundären Ursprung vom Plastron gewonnen und sich von dem Muskelgebiete des N. dorsalis scapulae nicht so rein gesondert, wie bei der Mehrzahl der Saur- opsiden; bei den Vögeln endlich bildet er gleichfalls einen rein ventralen Muskel, der bei den Carinaten mehr oder minder ausgedehnt auf das Sternum übergegriffen hat (Pectoralis II der Autoren), aber durch seine Innervation durch den N. supracoracoideus seine wahre Natur deutlich verrät; auch hier bei den Vögeln bestehen Verbände mit dem von dem N. axillarıs versorgten M. deltoides minor. — In anderer Weise geht die Differenzierung bei den Säugetieren. Bei den Monotremen existiert ein ventrale und dorsale Elemente enthaltender N. supracoracoscapularis, dessen ventraler Ast den N. supracora- coideus, dessen dorsaler den N. suprascapularis repräsentiert. Hier findet sich im ventralen (coracoi- dalen resp. epicoracoidalen) Bereiche des Schultergürtels ein ansehnlicher, von dem N. supracoracoideus versorgter M. supracoracoideus, der ähnlich wie der gleichnamige Muskel der Amphibien, Lacertilier und Rhynchocephalier sich verhält, außerdem aber ein sehr unbedeutender M. supraspinatus und ein ansehnlicherer M. infraspinatus, welche von dem dorsalen (scapularen) Bereiche des Schultergürtels Aus- gang nehmen und teils von dem N. suprascapularis, teils von dem N. axillaris in großem, auch in- dividuellem Wechsel (M. supraspinatus allein vom N. suprascapularis oder von den Nn. suprascapularis und axillaris oder allein vom N. axillaris innerviert, ebenso M. infraspinatus, bei welchem aber die Innervation durch den N. axillaris überwiegt, vergl. WESTLING 1884, 1889, sowie eigene Untersuchung) versorgt werden, — somit Verhältnisse, welche den bei Sauropsiden beobachteten fernstehen, aber mit denjenigen der Amphibien, namentlich Anuren manche Uebereinstimmung darbieten. Bei den Marsu- pialiern und Placentaliern ist der M. supracoracoideus und sein Nerv, ebenso wie das Epicoracoid, in Rückbildung getreten; auch Untersuchungen an (allerdings älteren) Beuteljungen von Marsupialiern zeigten nichts ihm Entsprechendes mehr. Es existieren hier nur noch die vom dorsalen N. supra- scapularis versorgten Mm. supraspinatus und infraspinatus, der erstere in ansehnlicher Entfaltung, womit die Ausbildung der Fossa supraspinata koincidiert, und lediglich vom N. suprascapularis innerviert, der letztere noch ansehnlicher, bald von dem N. suprascapularis allein, bald von ihm und dem N. axillarıs gemeinschaftlich versorgt. Damit repräsentieren die höheren Säugetiere gerade so einerseits das Extrem einer ausschließlich dorsalen Entwickelung dieses Muskelsystems, wie die kionokranen Lacertilier, Rhynchocephalier und Vögel andererseits das Extrem einer ausschließlich ventralen Entfaltung desselben. Ableitungen der mammalen Bildungen von irgend welchen Sauropsiden sind völlig ausgeschlossen, während die An- knüpfung an Ausgangsformen für die Amphibien mit ihren mehr dorsal entwickelten Teilen dieses Systems möglich erscheint. Bei Amphibien und Säugetieren existiert auch die gleiche Flüssigkeit im Wechsel zwischen prozonal (diazonal) und postzonal innervierten Partien '). 1) Auf diese Differenz zwischen prozonal (diazonal) und postzonal lege ich trotz mancher Einsprache (z. B. von Eister 1895, 1896, dessen Anschauungen sonst in vielen Punkten den meinigen begegnen) nach wie vor großes Gewicht 661 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 661 Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um die große systematische und genealogische Brauch- barkeit einer rationellen Anwendung myologischer Merkmale für die vorliegende Frage zu bezeugen. Leicht könnten sie beträchtlich vermehrt werden, wie überhaupt die ganze vergleichende Myologie bald leiser, bald vernehmlicher in ungezählten Zügen sowohl von dem besonderen Charakter der Säugetier- klasse gegenüber den anderen Tetrapoden, als auch namentlich von ihrer Vorgeschichte, Phylogenese und Abstammung erzählt. Manche Aehnlichkeit der Züge zeigen bei oberflächlicher Untersuchung die tiefer stehenden Familien der Lacertilier, weil deren Muskelsystem z. B. im Brustschulterbereich unter den Sauropsiden eine besonders primitive Bildung zeigt, die sie zum Teil selbst unter Sphenodon stellt (FÜRBRINGER 1900). Aber nirgends offenbart sich die Möglichkeit einer direkten Ableitung mammaler Muskelbildungen von reptilischen; beide haben von Anfang an selbständige, voneinander unabhängige Entwickelungsbahnen eingeschlagen, die selbst in auffallenden Zügen von Aehnlichkeit höchstens einen parallelen Verlauf, meist aber doch eine ausgesprochene Divergenz zeigen. Wo Konvergenzen vorzuliegen scheinen, handelt es sich, soweit ich in diesem Organgebiete orientiert bin, um Konvergenzanalogien. Eingefleischte Anhänger der Abstammung der Mammalia von den Anomodontia können aller- dings erwidern, daß alle diese an lebenden Reptilien (Lacertiliern, Sphenodon, Testudinaten und Kroko- diliern) gewonnenen Ergebnisse nicht das Mindeste gegen die Verwandtschaft der Säugetiere mit den ausgestorbenen Anomodontiern, deren Muskulatur ja gänzlich unbekannt sei, beweisen. Gewiß kann dieser Einwand erhoben werden; Wahrscheinlichkeiten für die behauptete Verwandtschaft gewährt er aber nicht. Unsere Kenntnis des Skelettsystemes der Anomodontier ist keine vollkommene, aber doch eine ausreichende, um von da aus entsprechende Schlüsse auf die Beschaffenheit des Muskelsystems zu ziehen, wobei die den Anomodontiern verwandten Testudinaten mit ihrer Muskulatur weitere Anhalte gewähren. Das Skelettsystem der Anomodontier ist ein typisch reptilisches und läßt damit auch mit großer Wahr- scheinlichkeit auf eine Muskulatur schließen, welche nahen Relationen zwischen ihnen und den Säuge- tieren nichts weniger als günstig ist. Eindringlicher sprechen zahlreiche myologische Tatsachen für gewisse Anschlüsse bezw. An- näherungen an primitive Amphibien, wobei selbstverständlich nicht zu übersehen ist, daß die lebenden Am- phibien von dem Urbilde der Proamphibien, welche ihnen, den Prosauropsiden und Promammaliern Ausgang gaben, schon erheblich abgewichen sind. Viele Züge erzählen von dieser selbständigen Entwickelung des mammalen Muskelsystems, das in der Nähe der Wurzel der jetzigen Amphibien aus- ging und in raschem Entwickelungsgange zu der hohen Entfaltung der Muskulatur der lebenden Säuge- tiere gelangte, wobei aber vieles Flüssige in den Bildungen noch an die Ausgang gebenden Verhältnisse erinnert. VI. Nervensystem. Die in dem vorhergehenden Abschnitte behandelten myologischen Einzelfragen sind zugleich solche der bezüglichen motorischen Nerven. Sie mögen zugleich als Beispiele für das Verhalten des peripherischen Nervensystems dienen. Die vergleichende Anatomie des zentralen Nortensysieme der Wirbeltiere hat namentlich und finde auch in den breit angelegten Untersuchungen u. A. von RUGE und Braus dafür neues Beweismaterial. Ein näheres Eingehen in diese morphologische Frage gehört indessen nicht in diese genealogischen Aufgaben dienende Abhand- lung. Spätere Veröffentlichungen sollen dazu Gelegenheit geben. 662 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 662 dank den großen Fortschritten in den Untersuchungsmethoden in den letzten Decennien eine Durch- arbeitung gefunden, durch welche unsere Kenntnisse in früher ungeahntem Maße erweitert und vertieft wurden. Insbesondere enthalten die neueren Arbeiten von BECHTEREW, BURCKHARDT, EDINGER und Schülern, Gaupp, Gorsı und Schülern, GRÖNBERG, HALLER, C. JuDsoN HERRICK, C. L. HERRICK, JOHNSTON, KÖLLIKER, KÖPppeEn, v. KUPFFER, F. Mayer, OsBorn, RAaBL-RÜCKHARDT, R. und S. Ramon y CajJar, G. Rerzıus, SCHAPER, ELLior SMITH, STRONG, STUDNICKA, SYMINGTON, VAN GEHUCHTEN, VOGT, ZIEHEN, ZUCKERKANDL und vielen Anderen, um aus einer großen Reihe bedeutungsvoller Veröffentlichungen nur einige hervorzuheben, eine Fülle von Befunden und Ausblicken auf dem Gebiete des Gehirns und Rückenmarks der Amphibien, Sauropsiden und Säugetiere, welche nicht nur in Einzeluntersuchungen zur Entwirrung der verschlungenen Nervenbahnen wesentlich beigetragen, sondern auch die ontogenetische und phylogenetische Seite der Frage erheblich gefördert haben. (ierade hinsichtlich der Phylogenese und Systematik der Wirbeltiere nehmen die zusammenfassenden monographischen Untersuchungen und Vorlesungen EpinGers einen ersten Platz ein. Wie Hervorragendes und Bewunderungswürdiges aber auch auf diesem Gebiete gearbeitet worden, so ist doch zur Zeit der sichere Besitz dessen, was wir für die Beantwortung der genealogischen Frage der Säugetiere nötig haben, noch nicht ausreichend, um eine bestimmte und abschließende Lösung zu versprechen. Allenthalben hindern zahlreiche Fragezeichen und Differenzen der Angaben, welche noch zwischen die positiven Erkenntnisse eingeschaltet sind. Auch ist ganz offenbar, daß hier sehr viele Parallelen und Konvergenzen in den Entwickelungsgängen existieren, die genau zu erkennen und von den echten Homogenien zu trennen, noch vieler Arbeit bedürfen wird. Dementsprechend sind auch die Antworten der Untersucher, wo sie sich auf das genealogische Gebiet begaben, mitunter den Tat- sachen vorausgeeilt, subjektiv und recht verschiedenartig ausgefallen. Die Mehrzahl der Forscher knüpft an die Reptilien oder Sauropsiden an, wobei von einigen (z. B. E. Surmm 1894) auf die Uebergänge, welche die Monotremen zwischen die anderen Mammalia und die Sauropsiden stellen und welche ihre nahe Verwandtschaft zu den letzteren bekunden sollen, hingewiesen wird; später (1899) hat SmirHn dies einigermaßen modifiziert, aber doch noch gewisse sauropside, speziell lacertilische Züge im Gehirn der Monotremen hervorgehoben. Smxra (1901) hat namentlich in diesen Befunden SmerHhs ein wichtiges Beweismaterial dafür gefunden, daß die Monotremen als „Sauromammalia“ eine Zwischenform zwischen Säugetieren und Reptilien (Lacertiliern) bilden. Auch Hırr and Marrın (1894), HaeEckeL (1895), EDINGER (1896), ZIEHEN (1897), HALLER (1900) und GRön- BERG (1901) haben die Verwandtschaft der Säugetiere mit den Reptilien in den Vordergrund gestellt, ZIEHEN in dem Maße, daß er das Peramelesgehirn dem Anthropoidengehirn nicht ähnlicher findet als manchen Reptiliengehirnen. Für ZıEHEn kommen die Gehirne der polyprotodonten Marsupialier als primitivste Formen in erster Linie für den Vergleich mit den Reptilien in Frage; unter letzteren erblickt er bei keiner lebenden Ordnung eine geradlinige Verwandtschaft zu den Polyprotodontiern, doch besitzen die Lacertilier noch die größte Summe von Aehnlichkeiten. Auch Hırr and Marrın wiesen schon zuvor auf die Lacertilier hin, während GRÖNBERG einzelne Aehnlichkeiten mit Testudinaten und Kroko- diliern angiebt. Harrer ist ebensowenig wie ZIEHEN im stande, das Mammaliergehirn von einer bekannten Reptilienabteilung abzuleiten; er weist auf alte ausgestorbene Reptilien als Ausgangsiormen für die lebenden Sauropsiden und Mammalier hin. Hacker schließt die Gehirne der ältesten und niedrigsten Säugetiere als wenig modifizierte Erbstücke an diejenigen der gemeinsamen Proreptilier--Ahnen an und läßt die hohe Ausbildung des Mammaliergehirnes erst in der Tertiärzeit vor sich gehen. Auch gewisse Beziehungen zu den Vögeln sind, unter gleichzeitiger Hervorhebung der Abweichungen, von 663 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 663 einigen Autoren angegeben worden; doch scheint es sich hier, auch nach der Auffassung der betreffenden Gewährsmänner, in der Hauptsache um Konvergenzen oder Isotimien zu handeln. — Andere Unter- sucher ziehen auch die Amphibien in Betracht. So weist Ossorn in einer früheren Abhandlung (1886) bei Besprechung der Großhirnkommissuren auf die Amphibien und Testudinaten hin. GEGENBAUR (1898) findet neben Aehnlichkeiten mit Amphibien und Reptilien mehrfache, von den Sauropsiden abweichende Entwickelungsgänge und betont gleich im Anfange seiner bezüglichen Schilderung, daß die bei Dipnoern und Amphibien hervorgetretene Ausbildung des Vorderhirns bei den Säugetieren zu anderen Strukturen führe, als sie bei den Sauropsiden sich kundgeben. EpinGEr (1900) knüpft in seiner zusammenfassenden Darstellung vorwiegend an die Reptilien an, hebt aber wiederholt das primitive, für Sauropsiden und Mammalier Ausgang gebende Verhalten des Amphibiengehirnes hervor. — Daß auch die am tiefsten stehenden Gehirne primitiver Säuger (Ornithorhynchus, polyprotodonte Marsupialier, Insectivoren) sich in dem Grade der Entwickelung ihres Telencephalon über die höchsten Gehirne der anderen Wirbel- tiere erheben, darüber besteht wohl bei keinem Untersucher ein Zweifel. Auch durch das Studium von Schädelausgüssen fossiler Reptilien und Säugetiere hat man versucht, die Hirnformationen derselben und ihre gegenseitigen Verwandtschaften kennen zu lernen und aufzuklären. Namentlich SeErEv (1898/99) beklagt, daß es bisher nicht möglich gewesen sei, von Anomodontiern einen solchen Ausguß zu erhalten. Doch existieren solche von anderen Reptilien. Unter diesen kommen selbstverständlich die von Marst, Cope u. A. abgebildeten von Phytosauriern, Dino- sauriern und Pterosauriern nicht in Betracht; es kann sich hier nur um die von CopE (1886, 88) gegebenen Ausgüsse der cotylosauren Diadectes und Empedias handeln, von denen dieser Autor die große Breite der Lobi olfactorii und das amphibische Cerebellum hervorhebt. Gehirnausgüsse fossiler Mammalıa (Marsh 1874, 76, 77, CoPE 1882, 83, BRucE 1883, Scorr and OsporNn 1889, Scorr 1893, Eır. Smitn 1903; einzelne Kopien der Originalabbildungen finden sich auch bei GEGENBAUR, WIEDERS- HEIM, ZITEL und WEBER) betreffen tertiäre, also bereits ziemlich späte Säugetiere; auch der Ausguß des frühesten (von dem untereocänen Phenacodus) ist typisch mammal und unterscheidet sich von den lebenden Formen im wesentlichen nur durch seine geringere Größe gegenüber dem Schädelumfang und seine schwächere Ausbildung des Telencephalon, die aber hinter derjenigen der niedrigsten lebenden Formen auch nur wenig zurücksteht. Immerhin ist bei solchen Ausgüssen von Tieren, welche von lebenden Formen weiter abstehen, Vorsicht geboten, weil der Ausguß auch Schädelräume ausfüllt, welche nicht von dem Gehirn selbst eingenommen sind. So besteht für mich kein Zweifel, daß Cores Ausguß von Diadectes kein reines Gehirnbild wiedergibt und daß namentlich die von diesem Autor behauptete große Breite der Lobi olfactori zum Teil auf ein Plus von extracerebraler Füllmasse zurück- zuführen ist. Einige wenige Punkte aus dem Hirnbau der Säuger mögen mit Rücksicht auf die genea- logischen Relationen derselben in den Umrissen und in möglichst elementarer Darstellung heraus- gehoben werden. Das Gehirn der Mammalia ist im Vergleiche mit den non-mammalen Gehirnen, wie bekannt, vornehmlich gekennzeichnet durch die hohe Entwickelung der Lobi olfactorii und der Großhirnrinde nebst den zu ihr gehörigen Nervenbahnen, durch die relativ gute Entfaltung der Großhirn- und Zwischenhirnverbände des Tractus opticus und das Zurücktreten des Parietalorgans, die gute Entwicke- lung der hinteren Vierhügel und der zentralen Acusticusbahnen, sowie die ansehnliche Ausbildung der Hemisphären des Cerebellum und der mit ihnen verbundenen Bahnen. Mit der hohen und voluminösen Entfaltung des Großhirns ging die erhebliche Vergrößerung 664 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 664 der Schädelhöhle und die leichtere Gestaltung der Temporalbogen Hand in Hand, wodurch zugleich erhebliche Umgestaltungen der Schädelwand zu stande kamen, über die bereits oben (S. 602 und 624) kurz Mitteilung gemacht wurde. ı. Lobi olfactorii. Die Lobi olfactorii bilden den sich äußerlich abhebenden Teil des Rhinencephalon und zeigen bei den Mammalia, falls nicht sekundäre Reduktionen vorliegen (Ornithorhynchus und andere mikrosmatische Säugetiere), eine bedeutende Entwickelung als voluminöse Lappen von mäßiger Länge, die von dem vorderen (frontalen) Ende der Hirnbasis ausgehen und bei hoher Ausbildung der Frontallappen des Telencephalon mehr oder minder ausgedehnt von diesen überlagert werden; bei mäßiger Entfaltung der Frontallappen überragen sie diese und liegen zum großen Teil oder ganz vor denselben (niedrige Marsupialier, tiefstehende Placentalier, Phenacodus und andere früh-tertiäre Säugetiere). Stets heben sie sich durch eine deutliche Furche (Fovea limbica) von dem übrigen Großhirn ab. Ihr ausgedehnter Verband mit der Rindenformation des Großhirns (vor allem Hippocampus) und mit Mark und Zentral- kernen der folgenden Hirnabschnitte (Epistriatum, Corpora mamillaria, Epithalamus, von den Corpora mamillaria ausgehende Tractus etc.), sowie ihre vergleichende Anatomie und Entwickelung lassen sie als EDinGER, 1896, 1900) fassen bekanntlich das Riechgehirn und die an dasselbe gebundene Riechfunktion als den ausganggebenden Faktor für den Aufbau des Großhirns auf. Daß der Riechapparat hierbei eine sehr bedeutsame Rolle gespielt, ist auch meine Ansicht; doch möchte ich dieselbe nicht über- schätzen und nicht als eine ausschließliche oder zu sehr vortretende auffassen (vergl. auch Vocr). Bei Sauropsiden und Amphibien liegen ähnliche, allerdings erst zum Teil sicher erkannte Ver- hältnisse vor; im allgemeinen zeigen dieselben aber eine minder ausgebildete Entwickelung der Verbände und des Geruchsvermögens. Unter den Sauropsiden kennzeichnet die Vögel ein ganz erhebliches Zurücktreten des zentralen Riechapparates, während weitaus die meisten lebenden Reptilien durch ihre schlanken, gleichfalls von keinem großen Riechvermögen Kunde gebenden Bulbi olfactorii sich so wesentlich von den Säugetieren unterscheiden, daß eine Ableitung dieser letzteren z. B. von den Rhyncho- cephaliern und .Lacertiliern unmöglich erscheint; nur das Gehirn der Testudinaten kennzeichnet sich durch kürzere und gedrungenere Lobi olfactorii, die äußerlich eine etwas größere Aehnlichkeit mit den Verhältnissen bei den Mammaliern darbieten, in ihrem sonstigen Bau aber so viel Abweichendes zeigen (Epinger), daß auch hier nähere Relationen zu den Säugern auszuschließen sind. Auch die Lobi olfactorii des cotylosauren Diadectes zeigen, wenn man das Plus von nicht zum Gehirn gehöriger Ausgußmasse abzieht (vergl. auch oben S. 663), eine relativ schlanke Form, die sich dem Verhalten von Sphenodon weit mehr annähert als dem der Säugetiere. Bei den Amphibien, und zwar bei allen lebenden Abteilungen (Gymnophionen, Urodelen, Anuren), bietet das sehr primitive Gehirn eine Aus- bildung der Lobi olfactorii dar, welche, abgesehen von einigen Zügen spezifischer Ausbildung, den Verhältnissen bei den Mammaliern weit eher zum Ausgang dienen kann als das Reptiliengehirn ; namentlich die mächtigen Bulbi der Gymnophionen mit ihren endständig abgehenden Riechnerven sind hier sehr bemerkenswert. Vom Gehirn der Stegocephalen ist nichts Sicheres bekannt. sehr alte und integrierende Bestandteile des Gehirns erkennen. Verschiedene Autoren (vor Allen 2. Grosshirn. Die nach Abzug des Riechhirns übrigbleibenden Abschnitte des Telencephalon sind bekanntlich in die Region des Stammganglion (Corpus striatum mit seinen verschiedenen Abteilungen) und die Region des 665 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 665 Mantels (Pallium) unterschieden worden; beide sind aufeinander beziehbar und in ihren überwiegenden Teilen von einer ursprünglichen Rindenformation ableitbar, die im Pallium ihre höchste Entfaltung fand. Mehr oder minder mächtige Markmassen, welche die einzelnen Teile jeder Hemisphäre (Associations- bahnen), dann die rechte und linke Hemisphäre untereinander (Kommissuren) und endlich das Tel encephalon mit den folgenden Abschnitten des zentralen Nervensystems (Stabkranzfaserung etc.) verbinden, dienen dem Zusammenwirken aller in Betracht kommenden Abschnitte. Bei den Amphibien noch in ziemlich primitiver Entwickelung stehen geblieben, bei den Reptilien und namentlich den Vögeln bedeut- samer ausgebildet und bei den Säugetieren endlich als Großhirn die höchste Entfaltung darbietend, zeigt das Telencephalon eine Bildsamkeit und Entwickelungsfähigkeit, die es seit alter Zeit zum Gradmesser der tieferen und höheren Stellung, der geringeren und größeren Leistungsfähigkeit der genannten Tiere gemacht hat. Seine Größe und Differenzierung bildet einen bestimmenden Faktor für das Bestehen und Vergehen im Kampfe ums Dasein. Die Amphibien zeigen relativ indifferente Verhältnisse; bei den Sauropsiden, namentlich den Testudinaten und Vögeln, tritt die Striatum-Formation in den Vordergrund; bei den Säugetieren dagegen gelangt die Region des Pallum zur herrschenden Entfaltung, und zugleich kommt es bei ihnen, in aufsteigendem phylogenetischen Entwickelungsgange, zu jener mächtigen Ausbildung der Großhirnrinde mit ihren Lappen und Windungen, sowie ihren vielen Nervenbahnen (namentlich Associationen, Kommissuralsystem des Corpus callosum, der Commissura anterior und des Fornix, Tractus cortico- pontini, cortico-bulbares, cortico-spinales und den entsprechenden aufsteigenden Bahnen etc. etc.), welche dem Großhirn der höheren Säuger seinen hohen und herrschenden Charakter verleihen. Auf den ersten Blick scheinen die primitiven und schmalen Endhirne der Amphibien weit mehr von den hochstehenden und voluminösen Großhirnen der Mammalia abzuweichen, als die minder tief- stehenden und zu mittlerer Entwickelung gelangten Endhirne der Reptilien, die zudem verschiedene, besonders von E. Surtun und ZıeHEn namhaft gemachte Züge mit den Säugern teilen. Im Range, in der graduellen Ausbildung und Leistungsfähigkeit ihrer Endhirne stehen Säugetiere und Sauropsiden einander jedenfalls näher als Säugetiere und Amphibien. Damit aber verbinden sich Konfigurationen der Sauropsiden und Säuger, welche beiden Abteilungen ein recht verschiedenes Quale der Differen- zierung zuerteilen und eine Ableitung der letzteren von den ersteren unmöglich machen. Selbst die primitivsten Reptiliengehirne (Sphenodon, Lacertilier) erzählen schon von besonderen Entwickelungs- gängen, welche jenseits der Entwickelungsbahnen der Mammalier verlaufen sind. Auch die bekannten Endhirne der Amphibien können nicht als direkte Vorstufen der Großhirne der Säugetiere angesehen werden; sie stehen aber jenen konstruierbaren primitiven Ausgangsformen, welche den bekannten Amphibien, Reptilien und Säugern Ausgang gaben, näher als irgend ein Endhirn der Reptilien. Nach diesen Gesichtspunkten möchte ich auch die oben erwähnten Angaben der Autoren hinsichtlich der Stellung des Mammaliergehirns zu dem der Reptilien beurteilen. Auch in der embryonalen Längs- furche am Corpus striatum der Säugetiere, welche der bleibenden der Testudinaten gleicht (GRÖNBERG), kann ich kein Anzeichen eines tieferen genetischen Zusammenhanges beider Abteilungen erblicken. In der Hauptsache sind das auch nur periphere Dinge, welche über die wahren zentralen Verhältnisse keinen Aufschluß geben. Diese zu erkennen und an der Hand dieser Erkenntnis Analogien, Isotimien und Homogenien zu scheiden und damit die genealogischen Zusammenhänge und phylogenetischen Entwickelungsbahnen zu ergründen, wird einer noch größeren Summe Arbeit bedürfen, als bisher getan worden. Jenaische Denkschriften XI. 84 Festschrift Ernst Haeckel. 666 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere, 666 3. Sehregion. Die Sehregion des Gehirns der Wirbeltiere liest im Diencephalon und Mesencephalon; die Decke des ersteren entspricht dem primitiven dorsalen Parietalorgan nebst Epiphysis, seine Seitenteile und der Hauptbereich des Mesencephalon den höher entwickelten lateralen Augen. Das dorsale Parietalorgan (Parietalauge) und die gleich darauf folgende Epiphysis sind Entwickelungsprodukte des kaudalen Bereiches der Decke des Zwischenhirns und Bildungen einer früheren Zeit, die jetzt nur noch in reduziertem Zustande auftreten. Das Parietalorgan war, nach den be- obachteten Parietallöchern zu schließen (vergl. u. A. die Zusammenstellung JAEKELS 1903), unter den Amphibien bei den Stegocephalen entwickelt, vielleicht, obschon nicht gesichert (bei Trimerrhachys z. B. wurde ein Foramen parietale nicht gesehen), bei allen, ist aber bei keinem lebenden Amphibium mehr gefunden worden. Bei den Sauropsiden zeigt es eine größere, aber keineswegs gleichmäßige Verbreitung, indem es unter den Synapsiden auf Grund des Vorkommens der Parietallöcher bei den ausgestorbenen Cotylosauriern (hier nach Größe der Foramina zum Teil sehr voluminös), Anomodontiern und Sauropterygiern sich findet, bei den bekannten Testudinaten aber fehlt, und ferner unter den Diapsiden bei der Mehrzahl der Diaptosaurier nebst den Procolophoniern, den Ichthyosauriern, Mosa- sauriern und vielen Lacertiliern existiert, bei den Ophidiern, Phytosauriern, Krokodiliern, Dinosauriern (von zweifelhaften Fällen [Ceratopsia] abgesehen) und Pterosauriern, sowie den Vögeln nicht mehr vor- handen ist. Unschwer ist hierbei zu sehen, daß nicht bloß die primitivere Stellung, sondern auch das höhere geologische Alter für sein Vorkommen entscheidend ist. Auch bei den jüngeren ontogenetischen Stadien ist es besser entwickelt als bei älteren (Stegocephalen, verschiedene Reptilien). Bei den lebenden Säugetieren, auch bei denjenigen mit mäßig nach hinten erstrecktem und daher eine eventuelle Funktion des Parietalorgans gestattendem Großhirn fehlt es durchweg, und kein bekannter fossiler Säuge- tierschädel weist ein Foramen parietale auf. Es dürfte sonach hier schon in sehr früher Zeit zurück- gebildet sein, was zwar keinen bindenden genealogischen Schluß, aber immerhin eine nähere Parallele zu den Amphibien ergibt, während diejenigen Reptilien, welche für die Ableitung der Mammalia ge- wöhnlich in Anspruch genommen werden (Cotylosauria, Anomodontia, Diaptosauria), gerade durch recht ansehnliche und beständige Parietallöcher und Parietalorgane (Sphenodon) sich kennzeichnen. — Die Epiphyse, die, obwohl anderen Funktionen dienend, doch wegen ihrer nachbarlichen Lage zum Parie- talorgan hier angeschlossen werden möge, zeigt eine viel ausgedehntere Verbreitung, indem sie bei der überwiegenden Mehrzahl der Amphibien, Sauropsiden und Säugetiere, wenn auch in den verschiedensten, oft weitgehenden Reduktionsgraden (bei den lebenden Krokodiliern nicht einmal mehr ontogenetisch angelegt, cf. VoeLrzkow 1903) und Umbildungen, gefunden wurde. Aus einem so weiten Vorkommen (hinsichtlich des Details sei auf die bezügliche Literatur verwiesen) sind bei unserer jetzigen Kenntnis keine genea- logischen Schlüsse zu ziehen. Die paarigen Augen entstammten ursprünglich auch dem Diencephalon, gewannen aber früh- zeitig ausgedehnte Beziehungen zu dem Mesencephalon, die bei den Amphibien und Sauropsiden in den Vordergrund treten. Namentlich bei den Sauropsiden ist der Verband des Tractus opticus mit dem Tectum opticum des Mittelhirns der weitaus bedeutendste, und die voluminöse Gestaltung des Mittelhirndaches steht hier zu der hohen Entwickelung der Augen in direkter Korrelation; ihr gegen- über stehen die Zwischenhirnverbände erst in zweiter Linie. Etwas anders liegen die Verhältnisse bei den Amphibien, wo das Tectum opticum zwar auch den Hauptteil des Opticus aufnimmt, wo aber die Verbände mit dem Diencephalon (Corpus geniculatum thalamicum und Corp. genic. internum 667 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 667 Berroncıs) relativ nicht unbeträchtliche sind. Bei den Mammalia ist der Zusammenhang mit dem Mesencephalon (Corp. quadrigeminum anterius) gleichfalls ein sehr ansehnlicher und wesentlicher, ge- winnt aber nicht die voluminöse Entfaltung wie bei den Sauropsiden. Dagegen tritt hier bei den Säuge- tieren der Verband mit dem Zwischenhirn in zunehmendem Maße in den Vordergrund und charakterisiert sich (nebst den im Lobus occipitalis des Großhirns einmündenden Sehstrahlungen) als die stärkere und höher qualifizierte Opticusbahn. Leiten sich somit die Mammalia von Vorfahren ab, welche in ihrem an das Mesencephalon gebundenen mehr unmittelbaren Sehvermögen nicht die bedeutende Entwickelung, wie die Sauropsiden sie zeigen, besessen haben mögen, so haben sie dies im Laufe der Zeit durch die weitere Ausbildung der mit den höheren Hirnzentren verbundenen und mit höheren psychischen Empfin- dungen gepaarten Sehbahnen ergänzt. Von bescheidenen amphibienartigen Ausgängen beginnend, haben sie schließlich auch in ihrem Sehvermögen die intellektuelle Oberherrschaft über die ursprünglich optisch besser beanlagten Sauropsiden, die geborenen Sehtiere, gewonnen. 4. Hörbahn. Auch in ihrer zentralen Hörbahn bieten die Säugetiere gegenüber den anderen Tetrapoden besondere Verhältnisse dar, die sich vor allem in der hohen Entwickelung der spezifischen, mit dem Nervus cochlearis beginnenden Hörbahn dokumentieren. Bereits die am tiefsten stehenden Mammalia zeigen diese ansehnlicher differenziert als die höchsten Sauropsiden, bei denen zum Teil die alte vesti- bulare, auch dem Gleichgewichte dienende Bahn mehr hervortritt. Dem entspricht die gute Ausbildung des Nucl. acusticus ventralis und des Tuberculum acusticum (das bei den Monotremen noch mangel- haft entwickelt zu sein scheint, von KÖLLIKER 1901 selbst vermißt wurde), sowie die komplizierte Aus- bildung des daran anschließenden zentralen Hörbahnkomplexes (obere Olive, Nucl. lemnisci lateralis, Corpora quadrigemina posteriora und Corpus geniculatum mediale, temporale Hörstrahlung), wodurch wieder die gute Ausbildung und äußere Prominenz der hinteren Vierhügel bedingt wird. Bei den Amphibien und Reptilien fehlen entsprechende Nervenzüge und Ganglienzellengruppen auch nicht, sie sind aber weit schwächer entwickelt, und von einer voluminöseren, äußerlich vorspringenden Aus- bildung der hinteren Vierhügel ist hier keine Rede; dieselben finden sich versteckt und überragt von der bei den Reptilien so mächtigen Sehregion des Mittelhirndaches, und erst Tängsschnitte lassen ihre Existenz deutlicher erkennen (bei Anuren besser als bei Reptilien). Läßt sich bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnis mit Rücksicht auf die Hörbahn auch kein sicherer Schluß auf den Beginn der Mammalier ziehen, so treten dieselben doch von ihren uns bekannten Anfängen ab als spezifische Hörtiere den Amphibien und Reptilien gegenüber, und die besondere und hohe Entfaltung der betreffenden Bahnen legt nahe, eine besondere, jedenfalls nicht von Reptilien Aus- gang nehmende Entwickelung anzunehmen. 5. Kleinhirn. Endlich sei noch kurz des Kleinhirns gedacht. Das Kleinhirn dr Mammalia ist vor- nehmlich durch eine voluminöse und komplizierte Entwickelung seiner lateralen Hemisphären und eine mehr oder minder gute Ausbildung seiner cortico-pontino-cerebellaren Bahnen vor allen anderen Wirbeltieren charakterisiert. Die Kleinhirnhemisphären sind bereits bei den primitivsten Säugern recht gut ausgebildet, und bei der Mehrzahl der Mammalia übertreffen sie den medianen Wurm erheblich an Masse. In gleicher Weise findet sich eine bereits bei den Monotremen gut aus- 84* 668 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 668 gebildete, bei den Marsupialiern und namentlich Placentaliern in zunehmendem Maße voluminös gestaltete Ponsformation, die bekanntlich durch Mittel der Ponskerne die Großhirnrinde mit der Rinde der cerebellaren Hemisphären verbindet. Abweichend verhalten sich die Sauropsiden, bei denen das in den höheren Abteilungen auch ansehnlich entwickelte Kleinhirn gerade in seinem medianen Bereiche seine Hauptausbildung zeigt, so daß viele Autoren geneigt sind, es vorwiegend oder selbst ausschließlich als Wurm zu deuten und höchstens für die unbedeutenden seitlichen Anhänge eine bedingte Vergleichung mit den Hemisphären des mammalen Cerebellum als zulässig zu erachten. Eine Ponsformation wurde aber bei keinem Reptil beobachtet, und auch für die bei Vögeln als solche an- gesprochenen Faserzüge fehlt der wirkliche Nachweis einer Homologie beider Tractus durchaus. So repräsentieren die Hinterhirne der Sauropsiden und Säuger recht differente Gebilde. Bei den Amphibien (Gymnophionen, Urodelen und Anuren) nimmt das Cerebellum eine ungleich tiefere Stufe als bei Mam- maliern und Sauropsiden ein, indem es lediglich als einfache schmale Querlamelle auftritt; von irgend welcher Ponsfaserung ist nichts zu bemerken. Durch sein primitives Verhalten kann es sowohl Sauropsiden wie Säugetieren als Ausgang dienen; zugleich bietet es aber, namentlich bei Urodelen, die besondere Formation dar, daß es in der Mitte am schmälsten, in den Seitenteilen aber ein wenig kräftiger ent- wickelt ist, ein Verhalten, das durchaus von dem der Sauropsiden abweicht, dagegen eher eine Ver- gleichung mit dem Kleinhirn der Mammalia gestattet, insofern bei diesen im embryonalen Zustande die Seitenteile von Anfang an stärker vortreten als die Mitte (s. u. A. die Abbildungen von Rerzıus und GRÖNBERG). Auf Grund der Bildung des Metencephalon wird man sonach die Mammalia von amphibien- artigen Vorfahren eher ableiten können, als von reptilienartigen, da sämtliche bekannte Reptilien hier einen funditus abweichenden Entwickelungsgang aufweisen. Diese geringe Auswahl aus der reichen Konfiguration des Gehirns dürfte jschon zeigen, daß die Säugetiere, von denen die Monotremen auch auf Grund ihres Hirnbaues nicht abgetrennt werden können, zahlreiche Besonderheiten aufweisen, welche mit der hohen, alle anderen Wirbeltiere weit überragenden Ausbildung ihrer Gehirne zusammenhängen, ferner, daß die mannigfachen Aehnlichkeiten mit den Saur- opsidengehirnen zum Teile auf gemeinsame Ursprünge hinweisen, überwiegend aber als Parallelbildungen zu beurteilen sind, und endlich, daß die zunächst nicht so auffallenden Berührungspunkte mit den — tiefstehenden und damit hinsichtlich der Höhe ihres Entwickelungsniveaus von den Mammaliergehirnen weit entfernten — Amphibiengehirnen doch zu einem wesentlichen Teile auf verwandtschaftlicher Grund- lage beruhen. Kein bekanntes Gehirn der Amphibien und Reptilien bildet die genetische Grund- lage für das Gehirn der Säugetiere; dasjenige der primitiven Amphibien steht aber der gemeinsamen Ausgangsstelle näher als dasjenige der primitiven Reptilien. VII. Sinnesorgane. In den Abschnitten über das Skelettsystem, Integument und Nervensystem wurde bereits ge- wisser Teile des Sinnesapparates gedacht. Hier sollen noch einige nur in den Umrissen und in gedrängter Kürze gehaltene Bemerkungen zugefügt werden. 669 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 669 ı. Hautsinnesorgane. Ueber die Beziehungen der knospenförmigen Hautsinnesorgane der Anamnier zu den Haaren der Säugetiere habe ich mich unter Abschnitt IV, 2 (S. 645 f.) geäußert und dort auch anderer Haut- sinnesorgane (Tastflecke, Enversche Organe) kurz gedacht. Dem dort Gesagten, welches auf direktere Beziehungen der Mammalia zu den Amphibien als zu den Sauropsiden hinwies, habe ich hier nichts hinzuzufügen. 2. Geschmacksorgane. Die bekanntlich auf die Hautsinnesknospen der Anamnier zurückführbaren Geschmacksknospen, die dem ektodermalen Bereiche der Mundhöhle zugehören und von da sich auch noch weiter in entodermales Gebiet vorgeschoben haben können, finden sich in einer in den Hauptzügen übereinstimmenden Weise bei Amphibien, Sauropsiden und Säugetieren. Dabei weisen sie in Verbreitung und Bau zahlreiche Modifikationen auf, können auch — zufolge völliger Rückbildung bei gleichzeitiger ausgedehnter Ver- hornung der Mundhöhlenschleimhaut — fehlen (viele Sauropsiden, namentlich Vögel). Bei den Säugetieren sind sie in der Regel gut entwickelt; hier haben namentlich Pourron (1883) und Opper (1899) viel zu ihrer genaueren Kenntnis beigetragen. Weitergehende genealogische Schlüsse, die Pourron mit Rücksicht auf die Stellung der Mono- tremen gegenüber den anderen Mammalıa darauf gründete, hat OrpEr meines Erachtens mit guten Gründen zurückgewiesen. Auch halte ich unsere jetzigen Kenntnisse noch nicht für geeignet, um aus ihnen speziellere Konsequenzen über die Stellung der Säuger zu den Amphibien oder Sauropsiden zu ziehen. 3. Gehörorgan. Ein höherer genealogischer Wert kommt dem Gehörorgan zu. Ueber die Verhältnisse des Mittelohrs, insbesondere der Gehörknochen, ihrer Muskeln und sonstiger einschlägiger Verhältnisse wurde schon unter Abschnitt II, 5 (S. 605—623) gehandelt und die wichtige systematische Bedeutung der- selben für die Frage der Abstammung der Säugetiere hervorgehoben. Ebenso gab Abschnitt VI, 4 (S. 667) einige Notizen über die zentrale Hörbahn. Hier sollen nur einige kurze Bemerkungen über das innere und äußere Ohr mitgeteilt werden. Das innere Gehörorgan, dessen umfassendere Kenntnis wir namentlich den hervorragenden Untersuchungen von C. Hasse und seinen Schülern (1867—73) und G. Rerzıus (1881, 1884) ver- danken, ist bekanntlich schon seit langer Zeit als Gradmesser für die Entwickelungshöhe der ver- schiedenen Wirbeltierabteilungen verwendet worden. Auch in systematischer Hinsicht erweist es sich brauchbar. Der obere, aus Utriculus und den Canales semicirculares bestehende Teil des häutigen Labyrinthes dient bekanntlich den primitiveren Gehörleistungen und dem Gleichgewichte, der untere, bei den niederen Wirbeltieren im wesentlichen aus dem Sacculus gebildete, bei den höheren aber in zu- nehmendem Maße die Lagena resp. die Cochlea produzierende Abschnitt gewinnt damit allmählich eine höhere Empfindung für die verschiedenen Tonqualitäten. Wie namentlich von Harcker (1895) betont worden, ist für diese höhere, bei den Amnioten sich vollziehende Entfaltung der Wechsel des Mediums (Uebergang von dem Wasserleben zu dem Landleben) von Bedeutung. Utriculus und Canales semicirculares zeigen bekanntlich nicht nur bei Amphibien, Sauropsiden und Säugetieren, sondern auch bei sämtlichen Gmathostomen in den wesentlichen Grund- zügen einen entsprechenden Bau; auch ihre Nervenversorgung (Macula acustica utriculi und die drei 670 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 670 Cristae acust. der Ampullen, zu denen bei Gymnophionen noch eine Macula acust. fundi utriculi Sarasın hinzukommt) ergibt in der Hauptsache den gleichen Typus. Immerhin finden sich bei den drei ge- nannten Klassen der Tetrapoden bekanntlich gewisse Differentialcharaktere. Dieselben betreffen einmal die Höhe der gesamten Pars superior (Verhältnis der Höhe zur Breite), welche sehr gering bei Uro- delen, ein wenig höher bei Gymnophionen, Anuren, Testudinaten, Ophidiern und verschiedenen Lacer- tiliern, von mittlerer Höhe bei Sphenodon und den meisten Lacertiliern, noch mehr ansteigend bei einzelnen Lacertiliern (z. B. Iguana), den Krokodiliern und Säugetieren sich verhält und endlich bei den Vögeln ganz unvermittelt erhebliche Werte erreicht; es ist ersichtlich, daß diese Reihe vorwiegend durch die Art des Lebens (träge und schnelle Bewegung, Leben auf der Erde, auf Bäumen und in der Luft) bestimmt wird und genealogische Beziehungen nur untergeordnet und sehr bedingungs- weise zum Ausdruck bringt. Ferner bietet die Art der Krümmung der Bogen merkbare Differenzen dar, indem dieselben bei Urodelen und den meisten Reptilien sehr wenig konvex (in der Mitte fast geradlinig und hier vereinzelt selbst etwas konkav nach außen), bei Gymnophionen, Anuren und einigen Lacertiliern nur mäßig gerundet, bei starken Baumkletterern unter den Lacertiliern (Iguana) und den Säugetieren (inkl. Monotremen) gut gerundet und bei den Vögeln extrem konvex verlaufen; auch hier ist die Art der Bewegung der bedingende Hauptfaktor. Die von GEGENBAUR (1898) her- vorgehobene Differenz in der relativen Größe der beiden vertikalen Bogengänge (Ueberwiegen des vorderen über den hinteren bei Amphibien und Sauropsiden, Zurücktreten desselben bei Mammaliern) ist jedoch durch DENKERS genauere Untersuchung des Gehörorgans der Monotremen (1901) hinfällig geworden, indem bei diesen, abweichend von den übrigen Säugetieren, der vordere Kanal den hinteren in seiner Zirkumferenz übertrifft. Endlich wurde bereits von Hasse und Rerzıus die Differenz der Achsenrichtung hervorgehoben: bei Amphibien und Sauropsiden entspricht diese in der Hauptsache der vertikalen, während sie bei den Säugetieren zufolge der beträchtlichen, das Gehörorgan überlagernden Entwickelung des Großhirns in eine schräge, von unten und innen (medial) nach oben und außen (lateral) aufsteigende Stellung umgewandelt wurde; hier wird die Differenz durch einen vom Gehörorgan unab- hängigen Faktor bedingt. — Die rein auf taxonomische Relationen beziehbare Ausbeute aus der Kon- figuration des oberen Labyrinthteiles ist somit nicht groß. Für den unteren Abschnitt des häutigen Labyrinthes bildet der Sacculus den Ausgang; bei Fischen und Dipnoern mehr oder minder einheitlich, aber bereits mit drei Nervenendstellen (der primi- tiven größeren Macula acustica sacculi, der kleineren Mac. acust. neglecta, deren Entstehung noch unklar ist, und der Papilla acust. lagenae, die als Abschnürung von der Mac. acust. sacculi sich bildet) ver- sehen, treibt er bei den Amphibien die anfangs noch unbedeutende Lagena mit ihrer Papille als be- sondere Ausstülpung hervor, und von dieser beginnt bei den höheren Urodelen, Gymnophionen und Anuren die Papilla acust. basilaris sich noch zu sondern. Damit sind die Elemente gegeben, welche bei den Amnioten in weiterer Entwickelung (Rückbildung und höhere Ausbildung) zu der mehr oder minder komplizierten Ausbildung der Pars inferior des Labyrinthes führen: Sacculus und seine Macula zeigen bei allen Variierungen im Detail doch im großen und ganzen ein mehr stationäres Verhalten; die Macula neglecta befindet sich bei den Sauropsiden in langsamer, bei den Säugetieren in schnellerer Reduktion (bei Monotremen noch leidlich erhalten, bei den meisten höheren Mammaliern gänzlich ver- schwunden), und ähnlich verhält es sich mit der Papilla lagenae, die bei niederen Reptilien noch ganz ansehnlich geblieben, bei solchen von mittlerer Entwickelungshöhe und den Monotremen kleiner ge- worden, bei den höheren Sauropsiden erheblich reduziert und bei den meisten Säugetieren völlig ge- schwunden ist; die Papilla basilaris dagegen zeigt einen aufsteigenden Entwickelungsgang, erreicht bei 671 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 671 / den Krokodiliern und Vögeln Dimensionen, welche die Papilla lagenae erheblich übertreffen, und tritt endlich bei den Mammalia in zunehmendem Maße in den höchsten Grad der Entfaltung, als die aus- gedehnte, hoch differenzierte Nervenendigung der Cochlea der Säugetiere (Rerzıus spricht bezüglich des mikroskopischen Baues mit gutem Grunde von einer „Veredelung der Papilla basilaris‘ der Säuger). Hasse und Rerzıus, sowie die Untersucher des Gehörorgans der Monotremen (PRITCHARD 1880, DENKER 1901, ALEXANDER 1904) nehmen eine Entwickelungsreihe an, welche von den Amphibien durch die Reptilien zu den Vögeln und von diesen zu den Säugetieren ansteigt, wobei die Monotremen sich gewissermaßen zwischen Vögel und höhere Säugetiere, aber in größere Nähe zu den letzteren, stellen. Dem kann man im großen und ganzen beistimmen, jedoch unter dem ausdrücklichen Hervorheben, daß die Schnecke der Monotremen eine typische Säugetierschnecke ist, die in ihrem gröberen und feineren Bau sich eng an die windungsreicheren Cochleae der höheren Mammalia — gewissen embryonalen Stadien derselben gleichend — anschließt, dagegen von der Lagena der Krokodilier und Vögel im Quantum und Quale der Ausbildung erheblich entfernt. Die oben von den Autoren aufgestellte Reihe ist eine physiologische, die verschiedenen Stufen der Leistungsfähigkeit der Schnecke und ihrer Vor- stadien wiedergebende, entspricht aber nur zum Teil der morphologisch-genealogischen Entwickelungs- reihe. Dazu kommt noch die schon erwähnte Divergenz in der Bildung der Pars superior des Labyrinthes. — Das innere Ohr auch der tiefsten Säugetiere erhebt sich weit über dasjenige der höchsten Sauropsiden, so daß bei der jetzigen Kenntnis die vergleichende Anatomie nicht im stande ist, die genealogischen Anfänge des Labyrinthes der Mammalier zu bestimmen. Aber auch die ontogenetische Ausbildung desselben (ALExanDER) zeigt von Beginn an Züge, welche auf einen von den höheren Sauropsiden gesonderten Entwickelungsgang schließen lassen. Analoge und parallele Charaktere ver- binden sich mit Kennzeichen der Homogenie, die aber tief in die ersten, wohl noch amphibienartigen Anfänge der Sauropsiden hinabführt. Der von CorE (1886, 88) mitgeteilte Ausguß des Labyrinthes von Diadectes läßt nichts Deutliches erkennen und ist für die genealogische Erkenntnis unbrauchbar. — Hinsichtlich der genaueren Grundlagen für die mitgeteilten Schlüsse sei auf das Studium der angeführten Literatur verwiesen, der noch die zusammenfassende Arbeit von R. Krause (1903) ange- reiht sei. Auch das äußere Ohr der Säugetiere nimmt gegenüber den Amphibien und Sauropsiden eine besondere und unvergleichlich höhere Stellung ein. Während die den äußeren Gehörgang umgebenden Faltenbildungen der Reptilien und Vögel in der Hauptsache nur integumentale Gebilde darstellen, auch wenn sie (wie bei den Krokodiliern) sekundär entstandene Skelettelemente enthalten, besitzen der äußere Gehörgang und die Ohrmuschel der Mammalia eine knorpelige Grundlage, die nach RuczEs bedeutungs- vollen Befunden bei Monotremen (1897) von dem Hyoidbogen ableitbar ist; ausgehend von den ein- fachen Anfängen eines knorpeligen Gehörganges, von denen aber die divergenten Gehörgänge der beiden monotremen Genera sich bereits einseitig weit entfernt haben, hat sich dann nach und nach die in ihrem Vorkommen und ihrer Bildung recht variable äußere Ohrmuschel der Marsupialier und Placentalier ent- wickelt (vergl. auch GEGENBAUR 1898). Mit diesen Ergebnissen der vergleichenden Anatomie stehen allerdings die bekannten onto- genetischen Befunde, welche die Ohrmuschel aus ursprünglich getrennten, teils dem Mandibularbogen, teils dem Hyoidbogen entstammenden Knorpelhöckern aufbauen lassen, sehr wenig im Einklang, und es bedarf hier weiterer Arbeiten, um die Differenz zwischen den Resultaten beider Forschungsmethoden zu erklären und auszugleichen. Für mich hat die homogene Entstehung der mammalen Ohrmuschel (von einem Visceralbogen aus) eine größere Wahrscheinlichkeit als die heterogene (von zwei verschiedenen 67 2 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 672 Visceralbogen her erfolgende); die ontogenetischen Beobachtungen scheinen mir nicht die reine Re- kapitulation der Phylogenese darzustellen, sondern lediglich der Ausdruck des abgeschlossenen topo- graphischen Verhaltens zu sein. — Eine sichere Anknüpfung des mammalen Knorpelohrs nach unten fehlt noch durchaus. Die Knorpelumrahmung des Trommelfelles der Anuren entstammt wahr- scheinlich dem mandibularen Bogen, kommt somit zunächst nicht in Betracht. Die von VErsLuys (1898) bei niederen Lacertiliern (Geckonidae) aufgefundenen Beziehungen des Zungenbeinbogens zum Trommelfell werden von diesem selbst nur als Parallelen zu dem Verhalten bei den Säugetieren be- zeichnet; doch kann bei der tiefen Stellung der Geckonidae auch an Relikte primitiver Homologien mit sofortiger divergenter Entwickelung gedacht werden. Die eigentliche Untersuchung ist aber hier erst noch zu tun. Aus diesen kurzen Bemerkungen über das Gehörorgan, im Verband mit den früheren Mitteilungen über das Mittelohr und die zentralen Hörbahnen (S. 605 ff. u. 667), ergibt sich die selbständige und un- gemein hohe Stellung der Mammalia als von Anfang an in ihren akustischen Leistungen und Em- pfindungen besonders begünstigter Tiere. Diese Höhe der Entwickelung bei den bekannten Formen erschwert auch die Ableitung von primitiveren Typen; doch läßt sich mit hinreichender Sicherheit erkennen, daß die Anknüpfungen nicht bei den höheren Sauropsiden, sondern bei realiter noch unbe- kannten niederen Typen, welche auch den bekannten Amphibien und Reptilien Ausgang gaben, zu suchen sind. 4. Sehorgan. Ungleich dem Hör- und Riechorgan wird das Auge der Mammalia, wie schon bei der Be- sprechung der Sehregion des Gehirnes (Abschnitt VI, 3 S. 666 f.) angegeben, nicht durch eine höhere Differenzierung gegenüber den Sauropsiden gekennzeichnet; viele Züge seines Baues weisen ihm eine ursprünglich tiefere Entwickelungstufe an, die nach und nach durch eine höhere Entfaltung der Seh- region des Gehirnes, namentlich des Großhirnes, zum Teil kompensiert wurde. Schon in dem bloßen Volumen spricht sich das aus. Bekanntlich legt sich das Auge der Sauropsiden als ‚eine mächtige, einen erheblichen Teil des Kopfes ausmachende Bildung an, während seine ontogenetische Entwickelung bei den Säugetieren in minder umfangreicher Ausdehnung beginnt. Aber auch die Größe der ausgebildeten Augen ist bei den lebenden und, nach dem Umfang der Orbitae zu schließen, den ausgestorbenen Sauropsiden im großen und ganzen eine ansehnlichere als bei den Säugetieren, wenn hierbei auch mit mancherlei Ausnahmen zu rechnen ist, die aber in der Haupt- sache als sekundäre Verkleinerungen bei Sauropsiden (z. B. die verschiedenen Fälle von mehr oder minder weitgehenden Reduktionen bei in der Erde lebenden und grabenden Lacertiliern und Ophidiern, bei Apteryx etc.) oder Vergrößerungen bei Mammaliern (z. B. die größeren Augen von Cetaceen, Ungulaten, springenden Rodentia, gewissen Prosimiern und Primaten, die ein bewegungsreiches Leben im Dunkel führen) die allgemeine Regel nicht aufheben. Bei den Amphibien sind die Augen bei großen Schwankungen im Detail und im allgemeinen von mittlerer Größe. — Man wird sonach, mit Rücksicht auf dieses Verhalten, die Säugetiere nicht von Reptilien ableiten, sondern mit größerer Wahr- scheinlichkeit an primitive amphibienartige Vorfahren mit mäßigem Sehvermögen denken, welche ein mehr verborgenes und verstecktes Leben in der Erde oder in der Nähe derselben verbrachten und sich dadurch auch ihren großen Feinden, den gewaltigen Reptilien der Sekundärzeit, leichter entzogen. Auch die einzelnen Teile des Auges gewähren manche Direktiven in genealogischer Hinsicht; 673 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 673 aber das Bild ist kein reines. Nicht viele Organe des Körpers zeigen eine derartige Anpassungsfähig- keit an die Lebensbedingungen wie das Auge. So können bekanntlich einerseits recht entfernt stehende, aber ähnlich lebende Tiere zufolge von Konvergenzanalogien große Achnlichkeiten in ihrem Bau dar- bieten, und andererseits können nahe Verwandte, die abweichenden Lebensbedingungen unterworfen sind, in ihrem morphologischen Verhalten recht weit differieren. Ragrs genaue und sorgfältige Untersuchungen an der Linse (1898, 99) haben gezeigt, wie sehr dieses Organ die ganze Lebensweise des Tieres wider- spiegelt, LAUBER (1901) hat dargetan, wie gewisse gemeinsame morphologische Merkmale am vorderen Abschnitte des Auges der Ausdruck physiologischer Vorgänge gleicher Art sind, Pürter (1902) hat bemerkenswerte Konvergenzerscheinungen infolge des Wasserlebens bei Tieren verschiedener genetischer Abkunft nachgewiesen, und CARRIERE (1885) ist selbst so weit gegangen, weitaus die meisten morpho- logischen Uebereinstimmungen nicht als homogene, sondern als konvergente Bildungen zu beurteilen und damit die Brauchbarkeit des Sehorgans zur Bestimmung verwandtschaftlicher Beziehungen zu bezweifeln. Den Pessimismus des letztgenannten Autors kann ich nicht teilen, aber große Vorsicht in der Beurteilung aller Befunde halte auch ich namentlich hier für geboten; wie viel auch in morphologischer und physiologischer Hinsicht gerade auf dem Gebiete des Auges gearbeitet worden, so läßt doch die Mehrzahl der Veröffentlichungen eine systematische Verwertung der Befunde vermissen, sei es aus mangelndem Interesse für diesen Zweig der Forschung, sei es aus der richtigen Erkenntnis, daß die bisher erlangten Resultate jnoch nicht genügen, um zwischen Homogenien und Konvergenzanalogien ausreichend zu scheiden und auf dieser Grundlage zu sicheren genealogischen Ergebnissen zu gelangen. Aus der Fülle des Details hebe ich nur einiges hervor, wobei ich hinsichtlich des Näheren namentlich auf R. LEuUCKART (1876), CARRIERE (1885), SCHWALBE (1887), GEGENBAUR (1898), v. EBNER (1899— 1902), H. VırcHow (1901), Karzıvs’ treffliche Referate (1899, 1902, 03) und die einschlägigen Arbeiten von GREEF, LEBER und Nussbaum in v. GRAEFE und Sarmischs Handbuch der ges. Augen- heilkunde, 2. Aufl. (T900—04) verweise. Ueber den Bau des Nervus opticus ist in neuerer Zeit besonders von Deyı (1895) und STUDNICKA (1897) gearbeitet worden (vergl. auch GREEF 1900); namentlich des letzten Autors Unter- suchungen zeichnen sich durch Genauigkeit aus. Die erhaltenen Befunde erweisen sich aber zur Zeit noch nicht als systematisch brauchbar für größere Abteilungen. Wenn sich zeigt, daß der rinnenförmige Nervus opticus der Testudinaten dem der Ganoiden und der der Vögel dem der Teleostier ähnelt, daß dagegen Testudinaten, Lacertilier und Ophidier erheblich untereinander differieren, so ist klar, daß es hier bisher noch nicht gelungen ist, die bezeichnenden genealogischen Merkmale zu finden. Ueber Pigmentepithel und Retina liegt ein großer Reichtum von Untersuchungen vor. Pigmentkristalle des Tapetum hat GREEF (1900) von verschiedenen Wirbeltieren abgebildet. Die- selben sind bei Rana spindelförmig, bei Lacerta kurz- und bei Vögeln lang-stäbchenförmig, bei Ratte und Mensch oval, bei allen 3 bis 4 Typen sonach leicht unterscheidbar. Durch Verdickung und Ver- kürzung der Spindeln des Frosches kann man leichter zu den Säugern gelangen, als von den Formen der Sauropsiden, welche einer anderen Entwickelungslinie angehören; das vorliegende Beobachtungs- material muß aber vermehrt werden, da die wenigen bisher bekannten Glieder nicht als ausreichende Differentialfaktoren gelten können. — Die epithelialen Elemente der Retina, die Zapfen und Stäbchen, sind seit alter bis in die neueste Zeit mit Vorliebe auf ihr Vorkommen, ihre Formen und ihren feineren Bau untersucht worden. Bezüglich ihres Vorkommens ist im großen und ganzen kennzeichnend für Amphibien und Säugetiere das erhebliche Ueberwiegen der Stäbchen, für Sauropsiden das bedeutende Jenaische Denkschriften XI 85 Festschrift Ernst Haeckel. 67 4 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 67 Ai Hervortreten der Zapfen; für gewisse Reptilien wird selbst ein ausschließliches Vorkommen der Coni angegeben, und bei Sphenodon, wo OsawA (1898) die Stäbchen als dominierendes Element angab, wies VIRcHOw (1901) eine Zusammensetzung aus schlanken Zapfen nach. Darin offenbaren sich sonach Beziehungen, welche einerseits die Mammalier den Amphibien näher als den Sauropsiden stellen, anderer- seits die höhere optische Leistungsfähigkeit der sauropsiden Retina bekunden. Doch erleiden diese systematischen Relationen gewisse Ausnahmen, indem bei mehr im Dunkeln lebenden Tieren sowohl bei Sauropsiden (Geckonidae, Strigidae) wie bei Säugetieren (Erinaceus, Talpa, Chiropteren, Nyctipithecus, den Wassersäugetieren) die Stäbchen ganz überwiegend oder selbst ausschließlich den Epithelteil der Retina zusammensetzen; hier handelt es sich um sekundäre Anpassungen, welche zugleich die allgemeine Regel bestätigen, daß die Sauropsiden ursprünglich und vorwiegend als Freilichttiere, die Mammalier mehr als Helldunkeltiere zur Ausbildung gelangten. In der Form der Stäbchen, insbesondere ihrer Innenglieder, sind gleichfalls verschiedene Kategorien unterschieden, nach denen Amphibien, Sauropsiden und Säugetiere voneinander differieren, wobei eine Ableitung der mammalen Formationen von am- phibienartigen leichter fällt als von sauropsiden. Doch ist hier nicht zu vergessen, daß Quellungen und Schrumpfungen bei Behandlung mit verschiedenen Reagentien leicht Trugbilder erzeugen. Der weitere feinere Bau und die sonstigen Einschlüsse der Coni und Bacilli scheinen mehr: von ihren physiologischen Leistungen als von der taxonomischen Stellung beherrscht zu sein. Von systematischer Bedeutung erwiesen sich die gefäßhaltigen, von dem Eintritt des Nervus opticus in die Bulbuswand ausgehenden und in den Glaskörper einragenden Fortsätze, welche bei Reptilien als Zapfen oder Polster (Proc. falciformis), bei den Vögeln als Fächer oder Kamm (Pecten) bezeichnet worden sind und vielleicht zu den Proc. falciformes der Fische im Verhältnis einer allegemeineren Homologie stehen, möglicherweise aber auch eine neue Parallelbildung zu denselben repräsentieren. Ueber dieselben haben unter den Neueren namentlich GEGENBAUR (1898) und VIRCHOW (1901) auf Grund früherer und eigener Untersuchungen zusammenfassend gehandelt. Bei Sphenodon fehlend oder nur durch einen nahtartigen Streifen zweifelhaft angedeutet, gewinnt der Zapfen bei Lacer- tiliern, vor allen bei Iguana, eine ziemlich mannigfaltige Ausbildung, während er bei den Ophidiern, Krokodiliern und Testudinaten ein minder entwickeltes, zum Teil auch der Gefäße entbehrendes resp. unpigmentiertes Polster bildet, dessen Bedeutung als reduktives oder abortives Gebilde noch nicht aus- reichend geklärt ist; bei gewissen Ophidiern ist seine sekundäre Reduktion wahrscheinlich. Bei den Vögeln hat sich der Zapfen zu dem hochdifferenzierten Pecten entfaltet. Den Amphibien fehlt, soweit bekannt, jede Spur dieses Gebildes, ebenso den Säugetieren, falls man nicht (was z. B. VırcHow andeutet, ohne aber dafür einzutreten) in dem bei verschiedenen Säugern vorhandenen zentralen gefäß- haltigen Strange in dem Glaskörper eine Reminiszenz des Zapfens der Reptilien erblicken will. JoHn- son (1901) hat bei mehreren Marsupiala und einzelnen Rodentia Gebilde gefunden, die von ihm und LEBER (1903) zu dem Zapfen der Reptilien in nähere Beziehung gebracht werden. Mir scheint die Frage der Homologie aller dieser Gebilde der Tetrapoden noch nicht spruchreif zu sein. Es kann sich hierbei um homogene Bildungen handeln, die einer gemeinsamen protamnioten Grundlage entstammen; mit der gleichen Wahrscheinlichkeit kann man aber bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnis die Möglichkeit bloßer Paralleleinrichtungen zur besseren Absonderung der Augenflüssigkeit bei den beiden Abteilungen vertreten. Für die genealogische Verwertung bedarf es somit hier noch festerer und breiterer morphologischer Grundlagen. Ueber den Accommodationsapparat der Wirbeltiere haben in neuerer Zeit namentlich BEER (1892, 98, 99), HEmE (1898) und HERzoG (1902) gearbeitet. Die weitgreifenden Untersuchungen 67 5 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 67 5 und Versuche BEERS haben bekanntlich ergeben, daß die Accommodation des im Ruhezustande auf die Ferne eingestellten Auges der Amphibien, Sauropsiden und Säugetiere durch einen Muskel geschieht, der entweder die Linse nach vorn drängt und von der Netzhaut entfernt (Amphibien, viele Ophidier) oder ihre Verdickung durch Entspannung derselben gestattet (meiste Reptilien [auch Tropidonotus kann außer dem Nachvorndrängen der Linse dieselbe verdicken], Vögel, Mammalier). Hierbei ist die Accom- modationsbreite eine sehr verschiedene: im allgemeinen sehr entwickelt bei den amphibiotischen Testu- dinata, den Vögeln und Säugetieren, schwach bei den Amphibien und Crocodilinen, sie kann endlich, namentlich bei im Dunkel lebenden Tieren (vielen Amphibien, Geckoniden, gewissen Schlangen und Alligatoren, verschiedenen Insectivoren und Nagern) mit der Accommodationsmuskulatur nahezu oder ganz fehlen. Hierbei kommen verschiedene Muskeln zur Verwendung, bei Ophidiern namentlich ein der Iris hinten eingelagerter quergestreifter Ringmuskel, bei den meisten anderen Tieren, wie seit alters bekannt, ein Muse. ciliarıs, der bei den Sauropsiden zu einem quergestreiften Muskel (Crampronscher Muskel) entwickelt ist und damit wieder die hohe Stellung bekundet, welche dieselben auch hinsichtlich dieses Verhaltens gegenüber den Amphibien und Mammaliern einnehmen. Die Verhältnisse der Accom- modation zeigen gewisse Parallelen und Konvergenzen, zugleich auch gewisse genealogische Relationen, welche verbieten, die Mammalia von den Sauropsiden abzuleiten. Auch die beiden Irismuskeln, über deren von der Pars iridica retinae abkömmliche Genese und Vorkommen wir namentlich den neueren Arbeiten von GRYNFELTT (1898), Nussbaum (1900), Szırı (1901, 02), Herzoc (1902), W. H. Corzın (1903), LABRAM (1903), Lewis (1903) u. A. wichtige Auf- schlüsse verdanken, sind bei Amphibien (sicher der Sphincter iridis), Sauropsiden und Mammaliern ent- wickelt, wobei auch quergestreifte Elemente des (bei Vögeln sehr starken) Sphincters der Sauropsiden “zur Beobachtung kommen, während bei den Säugetieren diese, oft auch recht kräftig entwickelte Musku- latur (namentlich der Dilatator pupillae der wasserlebenden Carnivoren inkl. Pinnipedier, vergl. u. A. VIRCHOw 1895 auf Grund von Dostojewskys Präparaten) nur aus glatten Muskelzellen besteht. In der Sclera haben die Knorpel- und Knochengebilde seit alter Zeit Interesse erregt, erstere als Reste eines bei den niederen Wirbeltieren ausgebreiteten primordialen Vorkommens, letztere als be- sondere Bildungen gewisser Abteilungen. Die Knorpelgebilde zeigen bei den Amphibien noch eine größere Ausdehnung, bei den Sauropsiden und niederen Mammaliern (Monotremen) sind sie noch als mehr oder minder rudimentäre Schalen an der hinteren Zirkumferenz des Bulbus vorhanden, um bei der Mehrzahl der Säugetiere vollkommen zu verschwinden. — Ein größeres systematisches Interesse hat sich an die vorwiegend den vorderen Bereich der Sclera einnehmenden knöchernen Skleralplatten geknüpft, die, bei Fischen noch in geringer Anzahl vorkommend, bei den fossilen Amphibien in größerer Menge, den knöcheren Skleralring derselben zusammensetzend, vorhanden sind. Dieselben sind bei vielen, aber nicht bei allen Stegocephalen nachgewiesen; bei den lebenden Amphibien hat man ver- geblich nach ihnen gesucht. Auch bei den Sauropsiden finden sich die aus Knochenplatten be- stehenden Skleralringe in weiter Verbreitung bei fossilen und lebenden Abteilungen (bei allen synapsiden Reptilienklassen inkl. den anomodonten Ptychognathus, sowie der Mehrzahl der diapsiden Reptilien und den Vögeln), wurden aber bei einigen Abteilungen (insbesondere Ophidiern, Phytosauriern, Krokodiliern und Dinosauriern) bisher vermißt, wobei selbstverständlich die Angaben eines Mangels bei fossilen Tieren mit Vorsicht zu beurteilen sind. Bei den Säugetieren konnten dagegen bis jetzt keine hierher ge- hörigen Bildungen, auch nicht in Spuren, nachgewiesen werden. Es steht natürlich zur Diskussion, ob und in welcher Verbreitung dieser Mangel bei den genannten Abteilungen ein primäres Verhalten oder eine sekundäre Reduktionserscheinung bildet; für die letztere Alternative hat die Ontogenese bisher noch 85* 676 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 676 keine Unterstützung gebracht. Handelt es sich um ein primäres Verhalten, so würde auch in dieser Hinsicht den Mammalia eine besondere Stellung gegenüber den älteren und !primitiveren Reptilien, namentlich auch den Anomodontiern, zukommen. Der Mangel der Skleralplatten bei den oben er- wähnten, den Säugetieren ganz fernstehenden diapsiden Reptilien begründet selbstverständlich keine näheren Relationen. Eine größere taxonomische Bedeutung kommt übrigens, namentlich auch bei der noch ungenügenden Entscheidung der eben gestellten Frage, meines Erachtens den Skleralplatter nicht zu. Für die Ontogenese der Linse der Säugetiere hat Rapr (1898, 99) hervorgehoben, daß dieselbe sich in mehreren Punkten nicht unerheblich von der Entwickelung der Linse der Non-Mammalia unter- scheide; namentlich macht er auf das frühe Auftreten einer Schicht von Mesodermzellen zwischen Außenfläche der Augenblase und Ektoderm aufmerksam. Es ist möglich, daß dieses Verhalten nicht bloß eine physiologische Anpassung ist, sondern daß ihm auch eine durchgreifende taxonomische Be- deutung zukommt. Auch die Form der Linse, das Verhalten des Ringwulstes und andere von diesem Untersucher angegebene Verhältnisse sind bedeutungsvoll, jedoch schwer hinsichtlich ihrer funktionellen Adaption oder genealogischen Vererbung zu sondern. Rasr selbst stellt hinsichtlich des Baues 4 Typen der Linse auf: r) bei Fischen und wasserlebenden Amphibien, 2) bei luftlebenden Amphibien, Mam- maliern und einzelnen Ophidiern (Eryx), 3) bei Sauropsiden mit Ausnahme der Ophidier, 4) bei den Nattern und Vipern. In dieser Uebersicht kommt gleichfalls eine Verbindung taxonomischer Stellung mit physiologischen Anpassungen zur Geltung: Amphibien und Säugetiere stellen sich den Sauropsiden gegenüber, aber unter diesen zeigt die Ordnung der Ophidier 3 verschiedene Typen. Ueber den Glaskörper und die dahin gehörenden Bildungen liegen viele Untersuchungen vor, von denen namentlich die von VırcHow (1882, 85, 1901) an erster Stelle zu erwähnen sind. Zur Zeit ist es aber unmöglich, aus ihnen taxonomische Resultate, die für die vorliegende Frage von höherer Bedeutung sind, zu gewinnen. Auch der Zirkulationsapparat des Auges mit seinem inneren Sehnerven- und Netzhaut- system und seinem äußeren Ciliar- oder Aderhautsystem ist eingehend untersucht worden, wobei namentlich die Arbeiten von LEBER, Jomnson und VırcHow die betreffende Kenntnis wesentlich ge- fördert haben. LEBER (1903) hat neuerlich in einer umfangreichen Monographie über diese Verhältnisse gehandelt. Die Säugetiere haben in der Blutversorgung ihrer Retina ungemein wechselnde Verhältnisse von gefäßlosen bis gefäßreichen Netzhäuten, bei Amphibien und Sauropsiden überwiegt mit wenigen Ausnahmen die Gefäßlosigkeit; das Verhalten der Gefäße des Sehnerven zeigt gleichfalls Differenzen der Mammalia gegenüber den Non-Mammalia. Auch der ciliare Kreislauf ist nicht gleich gebildet. Doch heben sich, wie überhaupt meistens bei Gefäßbildungen, die Typen der Amphibien, Sauropsiden und Mammalier nicht ausdrucksvoll und scharf genug hervor, um daraufhin genealogische Folgerungen zu gründen. Von den accessorischen Teilen des Sehorgans treten Lidapparat und Muskulatur mehr in den Vordergrund, als die hier in Frage kommenden Drüsen. Von den Drüsen scheint die mediale Gruppe die phylogenetisch ältere zu sein, insofern sie bereits bei Amphibien (Gymnophionen) auftritt; bei den Amnioten sind die mediale (Harpersche Drüse und Nickhautdrüse) und die laterale (Tränen- drüse) vorhanden, in großem Wechsel bezüglich ihres Vorkommens und Baues, wobei auch ausgedehnte Rückbildungen zur Beobachtung kommen, ohne daß es gelänge, daraus bestimmtere Schlüsse auf die genealogische Stellung zu ziehen. — Der Lidapparat der Amphibien, Sauropsiden und Säuge- tiere zeigt zum Teil sehr flüssige Verhältnisse, die gleichfalls einer taxonomischen Verwertung Hinder- nisse entgegensetzen. Ausgang geben bei allen ein oberes und ein unteres Augenlid, von denen bald 677 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 677 das erstere (Mammalia, auch Krokodilier), bald das letztere (Anuren, meiste Sauropsiden) an Bedeutung überwiegt; bei gewissen Urodelen und wohl auch Gymnophionen, einigen Lacertiliern (meiste Geckonidae, Uroplatidae) und den Ophidiern scheinen dieselben zu einer Ringfalte umgebildet (Chamaeleontidae) oder unter partieller oder totaler Transparenz des unteren Augenlides (gewisse wüstenbewohnende Scincidae und Lacertidae) miteinander verwachsen (Näheres über diese Verhältnisse siehe bei Gapow 1901). Dazu kommt bei Anuren, Sauropsiden und Mammaliern noch eine transparente Nickhaut, die aber bei den ersteren und bei den beiden letzteren nicht die gleiche Bildung ist. Bei den Anuren gehört sie zu dem unteren Augenlide und wird von dem Muse. retractor bulbi aus bewegt; bei den Sauropsiden repräsen- tiert sie ein drittes, inneres (mediales) Augenlid, das hier eine hohe Entwickelung und Beweglichkeit durch einen besonderen, mannigfach ausgebildeten Muskelapparat, der wohl von dem M. retractor bulbi ableitbar, aber nicht identisch mit ıhm ist, zeigt und bei Geckonidae und verwandten Lacertiliern, sowie Ophidiern auch zu einer unbeweglichen durchsichtigen Augendecke umgebildet wurde; bei den Säuge- tieren entspricht die in Rückbildung befindliche Nickhaut nach Lage derjenigen der Sauropsiden, besitzt keinen besonderen Muskelapparat, wird aber mittelbar von dem M. retractor bulbi beherrscht. So stellt sich die mammale ziemlich primitive Bildung an den Ausgang der höheren sauropsiden Differenzierungen, ihnen genähert, aber nach unserer jetzigen Kenntnis nicht von ihnen ableitbar, da bisher kein Anzeichen eines bei den Mammaliern früheren bestandenen besonderen Nickhaut-Muskelapparates gefunden werden konnte. — Von den extrabulbären Augenmuskeln zeigen die 4 Recti und 2 Obliqui, abgesehen von den Fällen sekundärer Reduktionen, bekanntlich eine weite Verbreitung bei den kranioten Wirbel- tieren (außer der älteren Literatur vergl. namentlich CornınG 1900). Von ihnen gewinnt der M. obliquus superior die Verlängerung und Uebertragung seines Ursprunges nach dem Hintergrunde der Orbita erst innerhalb der Säugetiere bei den Monotremen (GÖPPERT 1894). Aberrationen der Mm. recti nach dem oberen und unteren Augenlid kommen bei Sauropsiden und Mammaliern vor, wobei bei ersteren beide Augenlider, bei letzteren das obere Augenlid bevorzugt wird. Von Bedeutung erweist sich auch der schon oben erwähnte, zu dem Abducenssystem gehörige M. retractor bulbi, der bei Amphibien und Säugetieren einfachere Verhältnisse, bei den Sauropsiden größere Komplikationen (wahrscheinliche Dif- ferenzierung der Nickhaut-Muskulatur ete.) darbietet; doch bedarf es hier noch mehr gesicherter morpho- logischer Fundierungen, ehe sichere systematische Schlüsse zu ziehen sind. Nach Ausscheidung der zahlreichen Konvergenzanalogien und parallelen Anpassungen an die entsprechende Funktion, sowie der morphologisch noch nicht genügend aufgeklärten Verhältnisse bleibt in der Bildung des Sehorgans doch noch ein ansehnlicher für genealogische Folgerungen verwertbarer Besitz. Derselbe weist dem Auge der Säugetiere eine tiefere Stellung als demjenigen der Sauropsiden zu und gestattet keine Ableitung von irgend welcher genauer bekannten reptilischen Bildung. Indessen bestehen auch zu den bekannten Amphibien keine direkten Beziehungen. Vieles im Bau des mammalen Sehorgans läßt eher an eine Anknüpfung an ganz primitive Reptilienvorfahren (Prosauropsiden) denken, die noch in der Entwickelungshöhe von Amphibien sich befanden, aber in ihren Resten nicht mehr erhalten oder uns wenigstens noch unbekannt sind. 5. Geruchsorgan. Wie das Gehörorgan ist auch das Geruchsorgan der Säugetiere — hinsichtlich dessen ein- gehenderer Kenntnis und vergleichender Morphologie vornehmlich auf H. ArLren, BEaRD, Born, BRooM, 678 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 678 R. BurckHarodt, E. FiscHER, FLEISCHMANN und seine Schüler BEECKER und PBLENDINGER, GAUPP, GEGENBAUR, HINSBERG, HOCHSTETTER, KEißeL, Kırııan, LEGAL, MERKEL, v. MrHarkovics, PAULLI, PETER, SCHOENEMANN, SCHWALBE, SEYDEL, ELrL. SMITH, SOLGER, SYMINGTON, M. WEBER, WIEDERSHEIM und ZUCKERKANDL verwiesen sei (Literaturnachweise s. namentlich bei SEyDEL 1899, PETER 1903, WEBER 1904 und FLEISCHMANN 1904) — quantitativ und qualitativ zu einer Höhe der Ausbildung gelangt, welche dieselben in dieser Hinsicht weit über die höchsten Sauropsiden stell. Das wurde schon bei der Riechregion des Gehirns, welche als Ausgang gebender Faktor einen sehr wesentlichen Anteil an dem gewaltigen Aufbau des Großhirns nimmt (s. oben S. 664), hervorgehoben. Das Geruchsorgan bildet, wie insbesondere GEGENBAUR (1898) betont, bei den Säugetieren den Hauptvermittler mit der Außenwelt, und die Vergleichung mit dem Gehörorgan gibt ihm zugleich in der phylogenetischen Ent- wickelung auch den Vortritt. Es gelangte früher zu seiner hohen Ausbildung als jenes und gestattet damit weitere Schlüsse auf die, wohl vorwiegend an die nähere Nachbarschaft mit der Erde gebundene Lebensweise der Promammalia und ihren weiteren Entwickelungsgang (s. auch S. 672). Auch HarckerL (1895) weist des besonderen auf die hohe Ausbildung des mammalen Geruchsorgans hin. Wieder seien nur einige Einzelheiten aus der Kenntnis des Geruchsorgans mit Rücksicht auf deren taxonomische Verwertung hervorgehoben. Zur Vergrößerung der olfaktorischen und respiratorischen Fläche haben sich bekanntlich infolge von Einstülpungen der Nasenschleimhaut von der Nasenhöhlenwand in das Lumen vorspringende Wülste, zum Teil auch Muscheln genannt, gebildet, welche in ihrer vollständigsten Entfaltung bei den Mam- malia gemeinhin als ventrales Maxilloturbinale (untere Muschel der Säugetiere, eigentliche Muschel s. Concha der Amnioten), vorderes dorsales Nasoturbinale (Rhachis Freischmann) und mittlere und hintere Ethmoturbinalia (Turbinalia des Cribrum Freıschmann) unterschieden werden. Das die weiteste Verbreitung besitzende Maxilloturbinale gehört zum größten Teil oder (bei den höheren Wirbeltieren) ausschließlich der respiratorischen Nasenhöhle an; das Nasoturbinale dient meist nur mit seinem hinteren Abschnitte der Riechempfindung; die Ethmoturbinalia der Mammalia sind die eigent- lichen Träger der Geruchsschleimhaut, können aber auch in zunehmendem Maße durch Rückbildung diese Funktion verlieren und dann in mehr oder minder großer Ausdehnung jnur von indifferentem respiratorischen Epithel bekleidet sein. Namentlich die Ethmoturbinalia verleihen dem mammalen Ge- ruchsorgan sein typisches Gepräge, können in Zahl und Anordnung eine ungemein reiche Differenzie- rung darbieten (Endoturbinalia, Hauptmuscheln, Ektoturbinalia, Nebenmuscheln, Conchae obtectae etc.; Genaueres s. bei ZUCKERKANDL, PAULLI, PETER, BLENDINGER, FLEISCHMANN) und haben eine sehr ver- schiedene systematische Beurteilung gefunden, die für die systematischen Verhältnisse innerhalb der Säugetiere von Bedeutung, hier aber ebensowenig wie die mannigfachen Ausbildungs- und Rück- bildungsgrade des Geruchsvermögens (makrosmotische, mikrosmotische, hemianosmotische, anosmo- tische etc. Tiere) nicht weiter zu erörtern ist. Viele dieser Bildungen, namentlich im Bereiche der Ethmoturbinalia, sind erst innerhalb des Säugetierstammes erworben und sonach nicht ohne weiteres mit den Verhältnissen bei den niedriger stehenden Wirbeltieren zu vergleichen. Um hier die Anknüpfungen zu finden, gilt es, von tiefer stehen- den Anfangsformen der Säuger auszugehen, als die bis jetzt der Untersuchung verfügbaren Formen sie darbieten; denn gerade die beiden lebenden Vertreter der Monotremen kennzeichnet einerseits eine sehr hohe Ausbildung des Maxilloturbinale und eine weitgehende Reduktion des Cribrum (Ornithorhynchus), andererseits eine geringe Entwickelung des Maxilloturbinale und eine ungemein hohe und komplizierte Entfaltung der Ethmoturbinalia (Echidna). Wir sind daher zur Zeit auf Konstruktionen angewiesen, für 679 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 679 welche die Ontogenese vielleicht einigen Anhalt gewähren könnte; aber gerade hier differieren die Unter- suchungsbefunde und die Deutungen der Autoren recht erheblich, so daß die für genealogische Schlüsse nötige Grundlage noch vermißt wird. Die einen Autoren ziehen Vergleiche, welche die anderen un- zulässig erklären; manche finden nahe und bedeutungsvolle Relationen zu gewissen Reptilien (namentlich Lacertiliern), welche andere in der Hauptsache nur als Konvergenzanalogien auffassen (vergl. namentlich GEGENBAUR, SEYDEL, PETER, FLEISCHMANN mit Schülern und die englischen Autoren). Unter den Sauropsiden ist (vornehmlich nach GEGENBAURS Nachweise) die bei den Testudi- nata nur schwach angedeutete, bei den Lacertilia und Ophidia besser ausgebildete und bei den Croco- dilia und Aves noch höher (bei beiden in ziemlich differenter Weise) entwickelte Muschel (Concha) des Cavum narium dem Maxilloturbinale der Säuger zu vergleichen; hier befindet sich auch eine laterale Drüse (Drüsenkomplex) bei Sauropsiden und Mammaliern in entsprechender Lage. Die dorsal von der Muschel befindliche Region dient vorwiegend dem Riechen, und hier erhebt sich auch bei den höchsten Sauropsiden, den Krokodiliern und Vögeln, dorsokaudal oder dorsal von der Muschel ein Riechwulst (Riechhügel), der sehr im allgemeinen die Stelle andeutet, wo in ungleich höherer Entfaltung die Riech- wülste und das Nasoturbinale der Säuger zur Entwickelung kommen; eine spezielle Homologisierung dieser Gebilde wird durch die Ontogenese nicht gestützt, ist auch bei der ganz heterogenen phylogene- tischen Entwickelung der Mammalier gegenüber den Krokodiliern und Vögeln bei der nicht nahen Stellung der beiden letzteren Sauropsidenabteilungen zueinander nicht zu erwarten. So ist es auch offene Frage, ob dieser Riechhügel resp. die ihm in der Lage entsprechende Stelle der tiefer stehenden Reptilien dem Nasoturbinale der Säuger oder deren Ethmoturbinalia oder beiden zusammen entspricht; die darüber handelnden Autoren (insbesondere SEyDEL und FLEISCHMANN) differieren in ihren bezüg- lichen Ergebnissen erheblich. Eine völlige Neubildung der mammalen Ethmoturbinalia ist nicht wahr- scheinlich; eher ist anzunehmen, daß das bei den Sauropsiden in bescheidenem Umfange verbliebene hintere Ende der Riechregion bei den Säugetieren zu jener großartigen Entfaltung gelangte, die sich in der Ausbildung der zahlreichen und komplizierten Riechwülste ausspricht. In der gegenseitigen Lage der Pars respiratoria und Pars olfactoria zeigen die Testudinata noch am ehesten Anklänge an die Mam- malia. — Das Vestibulum narıum ist bei den Testudinaten, gleichfalls in einiger Aehnlichkeit mit den Säugetieren, am wenigsten gegen das Cavum narium gesondert; bei Lacertiliern und Ophidiern trennt eine Falte diese beiden Abschnitte der Nasenhöhle; bei den Vögeln ist eine besondere vestibulare, ihnen eigentümliche Muschel zur Entwickelung gekommen. — Alle diese Konfigurationen, die leicht noch ver- mehrt werden könnten, schließen eine Ableitung der Verhältnisse der Mammalia von denen der meisten Ordnungen der Sauropsiden vollständig aus; höchstens die Testudinaten erweisen sich als relativ primi- tive, wenn auch in vielfacher Hinsicht sehr abweichend weitergebildete Parallelformen, deren Wurzel von derjenigen der Säugetiere vielleicht nicht ganz fernstand. — Hinsichtlich der sekundären Gaumen- bildung etc. verweise ich auf die kurzen Bemerkungen in Abschnitt II, 6 (S. 627 f.); die Säugetiere rangieren in dieser Hinsicht mit den höheren Sauropsiden; selbstverständlich handelt es sich hier nur um Parallelanalogien und Isotimien. Bei den Amphibien zeigt das Geruchsorgan eine so geringe Größe und so primitive Ver- hältnisse, daß eine spezielle Anknüpfung der Säugetiere an dieselben zunächst nicht durchführbar ist; nicht einmal die Homologie der sog. Muschel derselben ist gesichert (Perer). Doch gewährt die Epithel- . verteilung in der Nasenhöhle (höheres Sinnesepithel im medialen und dorsalen, niedrigeres Epithel im lateralen Bereiche) eine gewisse Aehnlichkeit mit den embryonalen Verhältnissen der Mammalia, bei denen das Riechepithel der Ethmoturbinalia in der Hauptsache auch dem. dorsalen und medialen Be- reiche der Nasenhöhle entstammt. 680 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 680 Die erhebliche Erstreckung der Nasenhöhle der Amnioten nach hinten beeinflußt im Verband mit der höheren Entfaltung des Endhirnes und der Augen derselben die Konfiguration des vorderen Schädelabschnittes in sehr merkbarer Weise und hat Gaupr zu der Unterscheidung des tropıdo- basischen und platybasischen Schädels als eines wichtigen Differentialmerkmales zwischen Amnioten und Anamniern geführt. Bereits oben (sub Abschnitt II, 6, S. 626) habe ich mich darüber geäußert. Die Differenz ist nicht zu bezweifeln: sie begründet aber meines Erachtens nicht ohne weiteres einen näheren genealogischen Zusammenhang der Sauropsiden und Mammalier gegenüber den Amphibien, sondern gibt sich zugleich als Gradmesser der höheren oder tieferen Entwickelungsstufe zu erkennen, welche Sauropsiden wie Mammalier in parallelem Bildungsgange von primitiven, amphibienartigen, platy- basischen Zuständen aus erworben haben. Auch hier sind die Testudinaten diejenigen Reptilien, welche unter allen lebenden Sauropsiden den Säugetieren relativ am wenigsten fernstehen. Auch das Jacogsounsche Organ ist eine besonders oft — außer den oben (S. 677/78) angeführten Autoren sei namentlich noch auf Howes, MEER, RösE, SCHIEFFERDECKER und SLUITER verwiesen — untersuchte Bildung, der ein nicht zu unterschätzender taxonomischer Wert zukommt. Auch hier gehen die morphologischen Anschauungen auseinander; so ziehen die meisten Autoren und unter diesen namentlich SevpEL und GEGENBAUR nähere Vergleichungen zwischen den entsprechenden Gebilden der Amphibien Jund Amnioten, während PErER auf Grund der Ontogenese die Existenz eines wirklichen Jacossonschen Organs bei den Amphibien noch nicht für gesichert erachtet. Ich teile hinsichtlich der allgemeinen Homologie des betreffenden Organs der Amphibien und Amnioten, wenn ich beide auch nicht direkt identifiziere, doch nicht die Bedenken von PErEer und schließe mich mehr den von SEYDEL vertretenen und nicht unbegründet gelassenen Anschauungen an. Danach ist das Jacorsonsche Organ ein aus dem ventralen Teile der Riechwand hervorgehender Abschnitt des Geruchsorgans, der erst bei den Amphibien innerhalb der Urodelen zur Bildung gelangt und bei höheren Vertretern derselben, sowie den Anuren und Gymnophionen mannigfache Differenzierungen aufweist, die namentlich bei den Gymnophionen zu einer gewissen Selbständigkeit des Organs gegenüber der übrigen Nasenhöhle führten. Bei den Sauropsiden ist diese Sonderung noch fortgeschritten, am wenigsten weit bei den Testudi- naten, wo das Organ noch einen Teil der Nasenhöhle bildet, weiter bei Sphenodon, wo gewisse An- klänge an die Säugetiere existieren (Sevper), noch mehr bei den Lacertiliern und Ophidiern, wo es gegenüber der Nasenhöhle eine große Selbständigkeit gewonnen hat und sich nun als ein von ihr ab- geschnürtes und direkt mit dem Gaumen kommunizierendes Organ darstellt; bei Krokodiliern und Vögeln liegen Rückbildungen vor, welche genealogischen Anknüpfungen nicht günstig sind. Bei den Mammalia hat sich das Organ besser erhalten und repräsentiert bei den meisten ein am Boden der Nasenhöhle liegendes Gebilde, das in den Kommunikationsgang zwischen Nasenhöhle und sekundärer Mundhöhle (Stensonscher Gang) einmündet und damit Beziehungen sowohl zur Nasenhöhle als auch zum Gaumen aufweist. Dem Jacopsonschen Organ der Monotremen ist von verschiedenen Unter- suchern (SyminGron 1891, W. K. Parker 1894, BRoom 1896) eine besondere Stellung gegenüber den anderen Säugern und eine gewisse Annäherung an die Bildungen bei Reptilien (insbesondere Lacertiliern und Ophidiern) zuerteilt worden; SevpeL (1899) dagegen hat morphologisch und ontogenetisch den rein mammalen Charakter desselben und die wesentliche Differenz gegenüber den Lacertiliern nachgewiesen Es bleiben somit nur mit Sphenodon und mit Testudinaten (hier mit erheblichen Divergenzen gepaart) gewisse Berührungspunkte bestehen. Auch dem Jacogsonschen resp. dem paraseptalen Knorpel kommen hierbei bedeutsame Momente zu, auf die hier jedoch nicht eingegangen werden kann. Mit SeypEr darf man bezüglich der Ausbildung des Jacogsonschen Organs drei divergente Entwickelungsbahnen, ı) Testu- 681 Zur Frage der Abstammung der Säugetiere. 681 dinaten, 2) Lacertilier und Ophidier, 3) Mammalier, annehmen, die von Zuständen ausgingen, welchen das primitive Organ der Amphibien nicht so fernsteht; die Rhynchocephalier mögen dabei eine vierte, zwischen Mammaliern und Lacertiliern verlaufende Differenzierungsreihe ausmachen. Bei den Mammalia ist von den Monotremen aus ein retrograder Entwickelungsgang zu den Metatheria und Eutheria nachgewiesen; auch hat sich die Ausbildung des Jacogsonschen Organs hier als ein ziemlich feines Differentialmerkmal für die einzelnen Abteilungen der Säuger erwiesen (vergl. namentlich Brooms Arbeit von 1897, wo auch die monotremen Verhältnisse zwar mit denen der Lacertilier verglichen, aber voll- ständig im Verbande der Mammalia behandelt werden). — Auf die durch ihre Mächtigkeit an Amphibien erinnernde septale Anlage der Mammalia macht GEGENBAUR (1898) aufmerksam. Kurz sei noch des Eintrittes des Nervus olfactorius in die Nasenhöhle gedacht. Bei Amphibien und Sauropsiden tritt er als geschlossener Nerv aus der Schädelhöhle durch das Ethmoid: bei den Mammalıa ist er in der Regel (mit Ausnahme von ÖOrnithorhynchus) in mehr oder minder zahlreiche Fila olfactoria zerteilt, welche, in getrenntem Verlaufe die Lamina cribrosa des Ethmoids durchsetzend, zu ihrem Endgebiete gelangen. Letzteres Verhalten steht zu der hohen Entfaltung und weiten Ausbreitung des Cribrum (Ethmoturbinale) in Korrelation; ob der einheitliche Nerv von Ornitho- rhynchus eine wirklich primitive Erscheinung darstellt oder erst durch Reduktion vereinfacht wurde, ist noch zu entscheiden. Von dieser Entscheidung wird abhängen, ob das Merkmal des einheitlichen oder gesonderten Durchtrittes des Riechnerven einen bedeutsamen Differentialcharakter der Mammalia gegen- über den Non-Mammalia bildet. Das Riechorgan der Mammalia stellt sich namentlich durch die gewaltige Entfaltung seiner Riechregion (Ethmoturbinalia, Cribrum) dem der Amphibien und Sauropsiden gegenüber und zeigt hier bereits bei den tiefsten bekannten Säugetieren, soweit nicht sekundäre Rückbildungen vorliegen, eine unvermittelt hohe Entwickelung, welche direkte Anknüpfungen an die viel primitiveren Zustände der tetrapoden Non-Mammalia nicht erlaubt. Auch sonst bietet die mammale Nasenhöhle mit ihren Annexen viele Besonderheiten dar, welche einer Ableitung von bestimmten Abteilungen der Amphibien und Sauropsiden nicht günstig sind; höchstens mit Testudinaten und Rhynchocephaliern dürften einige, immerhin als entfernt zu beurteilende Relationen vorhanden sein. Alle untersuchten Verhältnisse ge- statten nur den Schluß, daß die Mammalia auf Grund ihres Geruchsorgans von primitiven Formen ab- stammen, welche bereits im amphibienartigen Zustande gegenüber den Vorfahren der bekannten lebenden Amphibien und Sauropsiden einen gesonderten (von den Rhynochocephaliern und Testudinaten relativ am wenigsten divergierenden) Entwickelungsgang einschlugen und auf diesem in schneller Folge zu der hohen Stufe gelangten, welche sie so weit über alle anderen Tetrapoden erhebt. Dritter und letzter Teil folgt. (7 en accord ao } afın cR ’H ’g 44 D Jenaische Denkschriften XI. 86 Festschrift Ernst Haeckel. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 2780 Verlag von Gustav Fischer in Jena. — Semon, Dr. Richard, Professor, Zoologiseche Forsehungsreisen in Australien und dem Malayischen Bisher erschienen. Archipel. Mit Unterstützung des Herrn Dr. Paul von Ritter ausgeführt in den Jahren 1891—93 Er ss Dr. Richard Semon. (Denkschriften der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Erster Band: Ceratodus. 3 Lieferungen. Mit 17 lithogr. Tafeln und 9 Abbildungen im Text. 1894, 1898, 1901. Preis: 88 Mark. : Inhalt: Ernst Haeckel, Systematische Einleitung: Zur Phylogenie der Australischen Fauna. — Richard Semon, Reisebericht und Plan des Werkes. — Richard Semon, Verbreitung, Lebensverhältnisse des Ceratodus Forsteri. — Richard Semon, Die äussere Entwickelung; des Ceratodus Forster. — Baldwin Spencer, Der Bau der Lungen von Ceratodus und Protopterus,. — Richard Semon, Die Entwickelung der paarigen Flossen von Ceratodus Forster. — Richard Semon, Die Zahnentwickelung des Ceratodus Forsteri. — Hermann Braus, Die Muskeln und Nerven der Ceratodusflosse. — Richard Semon, Die Furchung und Entwickelung der Keimblätter bei Ceratodus Forsteri. Zweiter Band: Monotremen und Marsupialier. 5 Lieferungen (vollständig). Mit 39 lithogr. Tafeln und 90 Abbildungen im Text. 1895, 1896, 1897. Preis: 97 Mark. Inhalt: Richard Semon, Beobachtungen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen nebst Notizen über ihre Körpertemperatur. — Richard Semon, Die Embryonalhüllen der Monotremen und Marsupialier. — Richard Semon, Zur Entwickelungsgeschichte der Monotremen. — Georg Ruge, Die Hautmuskulatur der Monotremen und ihre Beziehungen zu dem Marsupial- und Mammarapparate — Hermann Klaatsch, Studien zur Geschichte der Mammarorgane. I. Teil: Die Taschen- und Beutelbildungen am Drüsen- feld der Monotremen. — F. Hochstetter, Beiträge zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Blutgefäss- systems der Monotremen. — Albert Narath, Die Entwickelung der Lunge von Echidna aculeata. — Albert Oppel, Ueber den Magen der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. — Hermann Braus, Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbeltiere. — C. Emery, Beiträge zur Entwicke- lungsgeschiehte und Morphologie des Hand- und Fussskeletts der Marsupialier. — Albert Oppel, Ueber den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. Dritter Band: Monotremen und Marsupialier II. 4 Lieferungen. Mit 32 lithogr. Tafeln und 236 Ab- bildungen im Text. 1897, 1898, 1899, 1901. Preis: 111 Mark. Inhalt: Th. Ziehen, Das Centralnervensystem der Monotremen und Marsupialier. I. Teil: Makro- skopische Anatomie. — Fritz Römer, Studien über das Integument der Säugetiere. II. Das Integument der Monotremen. — Theodor Dependorf, Zur Entwickelungsgeschichte des Zahnsystems der Marsupialier. — F. Maurer, Schilddrüse, Thymus und sonstige Schlundspaltenderivate bei Echidna und ihre Beziehungen zu den gleichen Organen bei anderen Wirbeltieren. — Otto Seydel, Ueber Entwickelungsvorgänge an der Nasenhöhle und am Mundhöhlendache von Echidna nebst Beiträgen zur Morphologie des peripheren Geruchs- organs und des Gaumens der Wirbeltiere. — Ernst Göppert, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Kehlkopfes und seiner Umgebung mit besonderer Berücksichtigung der Monotremen. — Alfred Denker, Zur Anatomie des Gehörorgans der Monotremata. — C. Emery, Hand und Fussskelett von Echidna hystrix. — Th. Ziehen, Das Centralnervensystem der Monotremen und Marsupialier. Ein Beitrag zur vergleichenden makroskopischen und mikroskopischen Anatomie und zur vergleichenden Entwicke- lungsgeschichte des Wirbeltiergehirns. — J. F. van Bemmelen, Der Schädelbau der Monotremen. Vierter Banl: Morphologie verschiedener Wirbeltiere. 3 Lieferungen. Mit 14 lithogr. Tafeln und 50 Abbildungen im Text. 1897, 1899, 1901. Preis: 48 Mark. Inhalt: W. Kükenthal, Vergleichend-anatomische und entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen an Sirenen. — H. Esgeling, Ueber die Stellung der Milchdrüsen zu den übrigen Hautdrüsen. I. Mit- teilung: Die ausgebildeten Mammardrüsen der Monotremen und die Milchdrüsen der Edentaten nebst Be- obachtungen über die Speicheldrüsen der letzteren. — Albert Oppel, Ueber die Zunge der Monotremen, einiger Marsupialier und von Manis javanica. — H. Esgeling, Ueber die Stellung der Milchdrüsen zu den übrigen Hautdrüsen. II. Die Entwickelung der Mammardrüsen, Entwickelung und Bau der übrigen Hautdrüsen der Monotremen. — Wolff v. Gössnitz, Beitrag zur Diaphragmafrage. Fünfter Band: Systematik, Tiergeographie, Anatomie wirbelloser Tiere. 6 Lieferungen. Mit 67 lithogr. Tafeln und 19 Abbildungen im Text. 1894, 1895, 1896, 1898, 1900, 1903. Preis: 148 Mark 40 Pf. Inhalt: A. Ortmann, Crustaceen. — E. v. Martens, Mollusken. — W. Michaelsen, Lumbri- eiden. — C. Ph. Sluiter, Holothurien. — O. Boettger, Lurche (Batrachia). — O. Boettger, Schlangen. — J. Th. Oudemans, Eidechsen und Schildkröten. — A. Reichenow, Liste der Vögel. — EF. Römer, Monotremata und Marsupialia. — C. Ph. Sluiter, Tunicaten. — B. Haller, Beiträge zur Kenntnis der Morphologie von Nautilus pompilius. — Arnold Pagenstecher, Lepidoptera Heteroceraa — Max Für- bringer, Lepidoptera Rhopaloceraa — Max Weber, Fische von Ambon, Java, Thursday Island, dem Burnett-Fluss und von der Süd-Küste von Neu-Guinea. — L. Döderlein, Bericht über die von Herrn Professor Semon bei Amboina und Thursday Island gesammelten Ophiuroidea. — L. Döderlein, Bericht über die von Herrn Professor Semon bei Amboina und Thursday Island gesammelten Asteroidea. — C. Ph. Sluiter, Nachtrag zu den Tunieaten. — Marianne Plehn, Polycladen von Ambon. — W. Fischer, Gephyreen. — E. Simon, Liste der Arachniden der Semon’schen Sammlung, in Australien und dem Malayischen Archipel. — J. C. H. de Meijere, Die Dipteren der Semon’schen Sammlung. — F. Zschokke, Die Cestoden der Mar- supialia und Monotremata. — L. L. Breitfuss, Amphoriscus semoni, ein neuer heterocöler Kalkschwamn. — Casimir R. Kwietniewski, Actiniaria von Ambon und Thursday Island. — Eugen Burchardt, Aleyonaceen von Thursday Island (Torres-Strasse) und von Amboina. — L. S. Schultze, Rhizostomen von Ambon. — v. Linstow, Nemathelminthen. Von Herrn Richard Semon in Australien gesammelt. — L. Döder- lein, Bericht über die von Herrn Professor Semon bei Amboina und Thursday Island gesammelten Crinoidea. — L. Döderlein, Ueber einige epizoisch lebende Ophiuroidea. — L. Döderlein, Ueber „Krystallkörper“ bei Seesternen und über die Wachstumserscheinungen und Verwandtschaftsbeziehungen von Goniodiscus sebae. — Carl Graf Attems, Myriopoden. — W. Weltner, Süsswasser-Schwämme. — Ernst Schulz, die Hornschwämme von Thursday Island und Amboina. — Oswald Kieschnick, Kieselschwämme von Amboina. — W. Weltner, Hydroiden von Amboina und Thursday Island. — Johann Staub, Neue Nemertinen aus Amboina. — K. M. Heller, Systematische Aufzählung der Coleopteren. — G. Horyäth, Hemiptera, — Ernst Hentschel, Gorgonacea von Amboina und Thursday Island. — Bugen Burchardt, Alcyonaceen von Thursday Island (Torres-Strasse) und von Amboina. II. — L. Döderlein, Bericht über die von Herrn Professor Semon bei Amboina und Thursday Island gesammelten Eehinoidea. — Maximilian Meissner, Liste der von Herrn Professor Semon bei Amboina und Thursday Island gesammelten Bryozoen. — Johannes Thiele, Proneomenia amboinensis n. sp. — Ant. Oollin, Verzeichnis der von Professor R. Semon bei Amboina und Thursday Island gesammelten Polychäten. — Hermann August Krauss, Orthopteren aus Australien und dem Malayischen Archipel, gesammelt von Professor Dr, Richard Semon. — Paul Matschie, Die Chiropteren, Insectivoren und Muriden der Semon’schen Forschungsreise. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Wissensehaftliche Brechnisse der Deutschen Tiefsee-Expedition auf dem Dampfer „Valdivia“ 1898-1899 Im Auftrage des Reichsamts des Innern herausgegeben von Carl Chun Professor der Zoologie in Leipzig, Leiter der Expedition. Bisher liegt vor: Band I. Vollständig. Inhalt: Oceanographie und maritime Meteorologie. Im Auftrage des Reichs-Marine-Amts bearbeitet von Dr. Gerhard Schott, Assistent bei der deutschen Seewarte in Hamburg, Mitglied der Expedition. Mit einem Atlas von 4o Tafeln (Karten, Profilen, Maschinenzeichnungen u. s. w.), 26 Tafeln (Temperatur-Diagrammen) und mit 35 Figuren im Text. Preis für Text und Atlas: ı2o Mark. Band III. Vollständig. Inhalt: Lfg. 1. Prof. Dr. Ernst Vanhöffen, Die acraspeden Medusen der deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. Mit Tafel I-VIll. — Die craspedoten Medusen der deutschen Tiefsee-Expedition 1898-1899. I. Trachymedusen. Mit Tafel IX—Xll. Einzelpreis: 32,— M., Vorzugspreis f. Abnehmer des ganzen Werkes: 25,— M. „ 2. Dr. phil. L. S. Schultze, Die Antipatharien der deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. Mit Tafel XIll und XIV und 4 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 5,— M., Vorzugspreis: 4,— M. „ 3. Dr. phil. Paul Schacht, Beiträge zur Kenntnis der auf den Seychellen lebenden Elefanten-Schildkröten. Mit Tafel XV—-XXl. Einzelpreis: ı6,— M., Vorzugspreis: 13,— M. „ 4. Dr. W. Michaelsen, Die Oligochäten der deutschen Tiefsee-Expedition nebst Erörterung der Terricolenfauna oceanischer Inseln, insbesondere der Inseln des subantarktischen Meeres. Mit Tafel XXlI und 1 geo- graphischen Skizze. Einzelpreis: 4,— M., Vorzugspreis: 3,50 M. Joh. Thiele, Proneomenia Valdiviae n. sp. Mit Tafel XXIll. Einzelpreis: 3, — M., Vorzugspreis: 2,50 M. K. Möbius, Die Pantopoden der deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. Mit Tafel XXIV—XXX. Einzel- preis: 16,— M., Vorzugspreis: 12,50 M „ 7. Dr. Günther Enderlein, Die Landarthropoden der von der Tiefsee-Expedition besuchten antarktischen Ba Inseln. I. Die Insekten und Arachnoideen der Kerguelen. Il. Die Landarthropoden der antarktischen Inseln St. Paul und Neu-Amsterdam. Mit 10 Tafeln u. 6 Abbildungen im Text. Einzelpreis: ı7 M., Vorzugs- preis: ı5 M. Band IV. Vollständig. Inhalt: Hexactinellida. Bearbeitet von Fr. E. Schulze, Professor in Berlin. Mit einem Atlas von 52 Tafeln. Preis: ı20 Mark. Von Band V liest vor: Lfg. 1. Johannes Wagner, Anatomie des Palaeopneustes niasicus. Mit 8 Tafeln und 8 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 20 M., Vorzugspreis: ı7 M. Band VI. Vollständig. Inhalt: Brachyura. Bearbeitet von Dr. Franz Doflein, Privatdozent an der Universität München, Il. Konservator der zoologischen Staatssammlung. Mit 58 Tafeln, einer Texttafel und 68 Figuren und Karten im Text. Preis: 120 Mark. Band VII. Vollständig. Inhalt: Lfg. il. v. Martens und Thiele, Die beschalten Gastropoden der deutschen Tiefsee-Expedition 1898 —1899. A. Systematisch-geographischer Teil. Von Prof. v. Martens. B. Anatomisch-systematische Untersuchungen einiger Gastropoden. Von Joh. Thiele. Mit 9 Tafeln und 1 Abbildung im Text. Einzelpreis: 32 M., Vorzugspreis: 26 M. „2. Dr. W. Michaelsen, Die stolidobranchiaten Aseidien der deutschen Tiefsee-Expedition. Mit 4 Tafeln. Einzelpreis: ı3 M., Vorzugspreis: ıı „ 3. Dr. Emil von Marenzeller, Steinkorallen. Mit 5 Tafeln. Einzelpreis: 16 M., Vorzugspreis: ı2 M. „ 4. Franz Ulrich, Zur Kenntnis der Luftsäcke bei Diomedea exulans und Diomedea fuliginosa. Mit 4 Tafeln. Einzelpreis: 9 M., Vorzugspreis: 7,50 M. „ 5. Ant. Reichenow, Uebersicht der auf der deutschen Tiefsee-Expedition gesammelten Vögel. Mit 2 Tafeln. Preis: für Abnehmer des ganzen Werkes: 4 M. „ 6. Bruno Jurich, Die Stomatopoden der deutschen Tiefsee-Expedition. Mit 6 Tafeln. Preis: ı3 Mark. Von Band VIII liegt vor: Lief. 1. Joh. Thiele, Die Leptostraken. Mit 4 Tafeln. Preis für Abnehmer des ganzen Werkes: 8 M. 50 Pf. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 2780 rt je SEZUFFRRISTE: Ban x. ar un nn A ee er de Y Y“ r ... ae ee nr Reigen ae 5 Aue Fre Farıge ne me ee Kerpen x we eure, er ee re : n - . J Kresian we ; De - he a ne TRETEN EN \ « ’ een rar ee ee tan . ' ß £ 7 Ben kenn? r £ e > Bere En 2 : 2 Te er 4 ; 3 ee are Ah er WazZ er = Eupen Bas anabea ran emailen ” ft aa an ere hram 3 # KEBT Ö Tree a ar per Sr : Y Peg r ee er ei wen! 2 ! i de EEE NT Tr Baker %: nlaraaet e er j Te > rer, nn, e- N r 5 ’ rt $ E Biset f Fe 5 2 ee Yen hir - > re wi a u. 2 + Ve ee ee rern ARTE erlngern ae RR “ E wc n ae Feten 3 - - : an ; ö b netz : } Be ER u er Dre Street en ‘ Im. 'e H '. Dax E { RESEES ei > Braten area : BGHI Er BREI : wir LEN, e : ei ö ar erlegen ee 2 wie, Y allen ea ee f . B n = Fe erde weten : ’ b la arten . 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