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Der Born Judas
Legenden, Maͤrchen und Erzaͤhlungen
Geſammelt von (M. J. bin Gorion)
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Sechs Bände
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Dritter Band
Maͤren und Lehren
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http://www.archive.org/details/derbornjudaslege03berd
Inhalt Vorbemerkungen 5 a a N
Bibliſche Mären Vom Propheten Mofe
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Der Prophet und der Betrüger -» - en 17
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D 20 2, 2 A EN ee 25 Vom weifen König Salomo
Der Auerhahn und die Königin von Saba... . - - 28
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ae Salome - . -. :: » . 2... LER BE Die Ameiſe und der ſeltſame Palaſ t.. 37 Salomo und Asmodaͤus
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Salomo und die Greiſ inn 50
S . 2 28 e Bu. Der Roman von Salomo und Naama » © - nn 54 Die drei Könige Iſraels als Richter
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Der Erbe und der Knecht. — 61
Das geliehene ei 10 €
ao 67 Von Benaja und Salomo
Der Streit der Gliedern 71
Der Erbe mit den zwei Koͤpfen. 73
ht 77
4 Der Born Judas
Die Schlange und der Menſ ee Zwei Spruͤche Der Pfalmen vers VO Ein Wort des Predigerr s Vor den Augen des Gemahls Von keuſchen und boͤſen Frauen Der Dieb verrät ſich ſelbſdꝶtetee.. Der gute Rat :. 2.2.20 2 nen Der Freund Salomos Die Genoſſin des Meiſter - » -» - 2 20 m 0.
Aus dem Alphabetbuche ben Sirachs Der ſiebenjaͤhrige ben Siraaaaa hh Die Horniſſe 000% A Der Rabe und der Ochht e
Aus Tierbuͤchern Der Froſ h de Die Ohnmacht der Großen gegen die Kleinen. .. Der ruhmredige Vogel Dee
g Von Alexander Die Orakel ;
Die Herkunft Alexanders Der Traum Philipps Der aͤgyptiſche Zauberer SER Alexander und feine Brüder .. nu ne Alexanders oocbbb. Abulon und Ammon . nn a FVV eee Die heilige Hoͤhrrte . EEE Die Fahrten Alexanders In den Lüften und im Meerrtre Wilde Menſchen und Tiere . . ere Seltfame Pflanzen RE Die eingefchloffenen WildendNXNKXU. Die ſprechenden Baͤrrdn » : : 2: rennen
Inhalt 5
Alexander und Menahem
Das Grab des Althemene s. 142 ite 148 Die Gebeine Jeremias Nen D RE nee Im Lande der Söhne Jonadabts RE LE Von dem Lebenswaflr - - - » - >22 2 20 1566158 Vor den Toren des Paradieſ . » >: 2 nn 154 Begegnungen und die Weiſen 14857 Der ſeltſame Rechts fall. Ln Der Letzte feines Geſchlechts.·⁊ 162 Briefe eines Brahmanenprieſter . 163 Alexander als Herrſchee - % RIO VAR 177 Alexander-Anekdoten Danese 184 In der Wuͤſte S . . 184 Der Seeraͤubeee er e 185 S 186 Alexanders Tod , ER ee * 1 18 e Nutter 191 een e Das Troſtſchreiben Alexanders an feine Mutter. .. 196
Hellas und Rom Vom Lehrmeiſter Alexanders
Ariſtoteles' Jugendjahre 202 r EN es. 204 rng 207 eee 210
Ariſtoteles auf dem Sterbebette. ac ar 4
6 Der Born Judas
Die vier Lehrer Pythagoras Sokrates Weiteres von Sokrates. Plato. Von Diogenes A Auf dem Pfade der Weisheit Ptolemaͤus .. Virgil. eee h Die Geſchichte vom 8 Jukos a Aus einem roͤmiſch-juͤdiſchen Leſebuche Lykurgus . 8 Der Abgeſandte .. Damon und Phintias Die verſoͤhnten Feinde . Pyrrhus und fein Arzte. Die Laſt der Krone . Das Schwert des Damokles on
Die treuloſe Witwe Ergänzungen Zu Moſe Moſe und das Zick lein
Die Legende von Moſes und dem Habicht Das Motiv der Geſchichte: Am Brunnen Zur Geſchichte: Das Bildnis . ..
Salomo und die Dämonen Aus Joſephuns . . Aus dem Tierbuche
Die Sprüche der Daͤmonen ..
Arabiſches Die Königin von Saba. .
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Inhalt
r Das Geſchenk der Ameiſe ... r Salomon und der Eremit... Zum ‚feltfamen Recytsfall‘. . ...
Verſionen
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Zur Geſchichte: Der Erbe und der Knecht. . ..
Die urſpruͤngliche Faſſung der Geſchichte: Der Erbe mit
den zwei Koͤpfen
Die Einfalt als Retterin Der Rangſtreit der Organe. Zur Geſchichte: Die mildtaͤtige Frau
Zu Alexander
Der Judaͤer Papasss
Alexander ruft den einigen Gott aus..
Alexander in TZadmor. r
Die Wunderſteine
Der Stein der Perle Der Stein aus dem Wellen. -. nnn. Der Stein Apolokos D
Fragmente
Sog und Magoao g
Alexanders Gewohnheiten..
Der ſchlimmere Feind..
Von Ariſtoteles
Ariſtoteles und Alexander..
Ariſtoteles der Benjaminiter
Ariſtoteles und der ewige Frieden ..
Quellenangaben Bere Bibliographiſche Notizen -
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17
Vorbemerkungen
Die bibliſchen Maͤren find die letzten Ausläufer der Sage und bilden zugleich einen Teil der Weisheitsge— ſchichten. Wir finden in ihnen noch viel mythiſche Nach— klaͤnge, das Ziel iſt aber mehr die Erheiterung; der Le— ſer ſoll den Wert der Klugheit und der ſich zur Wehr ſetzenden Gerechtigkeit erkennen. Die Ereigniffe des Le— bens ſind Glieder der langen Schickſalskette; die Vor— ſehung bindet alle Geſchehniſſe, aber es bleibt immer noch viel Spielraum fuͤr den einzelnen. Was der ge— ſcheite Menſch vermag, vermag nicht der dumme, und der, der den geraden Weg geht, ſiegt uͤber den, der den ungeraden gewaͤhlt hat.
In der Maͤre hat auch Moſes, der Prophet, ſeinen Platz; die Herrſchaft in ihr gehoͤrt aber dem weiſen Koͤnig Salomo. Das Judentum aß zur Genuͤge vom Brot der Askeſe, es ſchielte aber nichtsdeſtoweniger nach dem Reiche der Schoͤnheit und Pracht; daher wurde neben David auch Salomo ſein Liebling. Das reiche Leben Sa— lomos bot der Phantaſie vieles und befruchtete ſie immer von neuem. Er war aber ein Friedensfuͤrſt; ſeine Reiſen dehnten ſich nicht auf andere Weltteile aus, und ſo ſuchte ſich die Maͤre neue Gebiete. Der Mazedonierkoͤnig Aler-
10 Der Born Judas
ander wurde der Nachfolger Salomos im Reiche der Er- zaͤhlung. Der Unterſchied zwiſchen Hellas und Juda ver— ſchwand. Das Volk, das ſich an den Geſchichten des Tal— mud erbaut hatte, ſchenkte auch den Weiſen Griechen— lands Gehoͤr.
Die bibliſchen Maͤren gehören bis auf die Asmodaͤus— geſchichten einer ſpaͤteren Zeit an. Faſt alle ſind in he— braͤiſcher Sprache niedergeſchrieben worden. Nur ein Stuͤck iſt aramaͤiſch abgefaßt; es gibt auch einige, die im juͤdiſch-deutſchen Dialekt ihren Ausdruck gefunden haben. Die Alexander-Geſchichten teilen ſich in vier Gat— tungen. In erſter Reihe ſind die Sagen im Joſephus vom Erſcheinen Alexanders in Jeruſalem zu nennen. Die zweite Gattung umfaßt die Fragmente, die im Talmud und Midras zerſtreut find. Davon find in unſere Samm- lung nur die fpäteren Umdichtungen aufgenommen wor— den. Die dritte Gattung bilden die hebraͤiſchen Bearbei— tungen der Alexander-Romane. Von dieſen ſind verſchie— dene Kapitel, nach beſtimmten Geſichtspunkten geordnet, gegeben worden. Die Geſchichten vom Beſuch Alexanders bei den zehn Staͤmmen gehoͤren wieder der Sage an. Die letzte Gattung ſetzt ſich aus Erzaͤhlungen zuſammen, die in juͤdiſch-arabiſchen Moralſchriften neben Sentenzen von Philoſophen und Weiſen zu finden ſind.
Die Eroberungszuͤge Alexanders führten ihn nach In—
Vorbemerkungen 11
dien. Der Wille zur Macht erreichte die hoͤchſte Steige— rung. Da traf er mit den brahmaniſchen Weiſen zuſam— men, und die Anſchauungen von der Lebensverneinung blieben nicht ohne Eindruck auf den Giganten. In den Maͤren und Legenden zeigt ſich von nun an der Einfluß der indiſchen Weisheit. Bisher wußte man nur von Offenbarung und inſpirierten Lehren; doch nun wurde es dem Menſchen kund, daß er auch durch Einſicht und Gemuͤtslaͤuterung den richtigen Pfad finden kann.
Wer ſich mit dieſem Zweig des juͤdiſchen Schrifttums beſchaͤftigt, muß ſich der bibliographiſchen Arbeiten Moritz Steinſchneiders bedienen. Keiner vor ihm hat die Kennt— nis der juͤdiſchen mittelalterlichen Literatur in ſolchem Maße gefoͤrdert wie er. So ſei denn dieſer Teil dem An— denken dieſes Mannes gewidmet.
Friedenau, Fruͤhjahr 1918.
75
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Vom Propheten Moſe Der weiße Wolf
ufer Lehrer Moſe, Friede ſei mit ihm, weidete einſt
die Schafe feines Schwaͤhers in der Wuͤſte. Da er⸗ ſchien ihm eines Tages ein Engel in der Geſtalt eines weißen Wolfes. Der Wolf ſprach zu Moſe: Friede mit dir, du Mann Gottes. Mofe erfchraf vor der Erſcheinung. Das ſah der Wolf dem Propheten an und ſagte: Ich bitte dich, mein Herr, gib mir ein Schaf von deiner Herde, daß ich es freſſe und meinen Hunger ſtille. Moſe ant- wortete: Sind denn die Tiere der Sprache maͤchtig? Darauf ſagte der Wolf: Du, durch den die Schrift in der Wuͤſte Sinai gegeben werden ſoll, du, der du das goldene Kalb wirſt ſprechen hoͤren und die Geſchichte von der Eſelin Bileams niederſchreiben wirſt, du ſprichſt zu mir in dieſer Weiſe? Gib mir ein Schaͤflein von deiner Her— de, dann will ich weiterrennen und den Willen meines Schoͤpfers erfuͤllen. Da entgegnete Moſe: Sieh, die Herden ſind nicht mein, ſie gehoͤren meinem Schwaͤher Jethro an, und das Geſetz lehrt: Seid rein vor Gott und vor Iſrael.“ Ich bin nichts mehr denn ein Tageloͤhner gleichwie der Erzvater Jakob, der Labans Habe treu huͤ⸗ tete und am Tage die Hitze, in der Nacht den Froſt er— tragen mußte. Sagten doch die Altvordern: Die treu * Viertes Buch Moſes XXXII 22.
Der Prophet und der Betrüger 17
ſind, haben im Eden ein Gehege, deſſen Herrlichkeit die andern nicht ſchauen koͤnnen. Hierauf ſprach der Wolf: Ich bin nicht gekommen, um dir zuzuhoͤren. Geh zu deinem Schwaͤher und frage ihn, ob du ein Schaf von deiner Herde mir geben darfſt. Der Prophet antwortete: Wenn ich dir folge und von hier gehe, wer wird die Herde ſo lange behuͤten und ſie vor den Tieren der Wuͤſte, den Woͤlfen und Panthern, beſchuͤtzen? Biſt du doch ſelber einer aus der Wildnis; wie mögen erſt die andern Raub— tiere ſein? Der Wolf ſagte darauf: Laͤßt du mich hier, ſo will ich die Schafe huͤten; ich will keines von ihnen verletzen und, ich ſchwoͤre beim Himmel, keines eſſen. Verzehre ich eines, ſo nenne mich einen aus dem zehn— ten Geſchlecht, aus dem Geſchlecht, das ſchlimmer iſt als das der Flut und das des Turmbaues.
Alſo ging Moſe zu ſeinem Schwaͤher und erzaͤhlte ihm von dem ſeltſamen Begegnis. Jethro ſpach: Gib dem Wolf ein Stuͤck von den Beſten meiner Herde; deine Hand ſei hierin wie die meinige. Da kehrte Moſe zu den Schafen zuruͤck und fand den Wolf bei der Herde liegen, den Kopf auf die Vorderbeine geſenkt. Er fragte den Daher— kommenden: Was hat dein Schwaͤher geſprochen? Der Prophet antwortete: Er laͤßt mich ſagen, du ſolleſt dir das Beſte ſeiner Schafe ausſuchen. Und Moſe erhob ſeine Augen zum Wolf, aber der ward nicht mehr gefehen.
Der Prophet und der Betruͤger
Als Moſe ſich auf dem Wege nach dem Berge Horeb befand und ſeinen Stab in der Hand fuͤhrte, begegnete
18 Der Born Judas
ihm in der Wuͤſte an einem Scheidewege ein alter Mann. Der gruͤßte und ſprach: Friede mit dir, Meiſter! Moſe erwiderte den Gruß und fragte: Wo willſt du hin? Der Wanderer antwortete: Ich ſchweife im Lande umher. Da ſprach der Prophet: Haſt du auch Brot zu eſſen mit? Denn in der Wuͤſte iſt nichts geſaͤt, und kein Weinberg und Feigenbaum iſt zu finden. Daß du nicht allzubald matt und durſtig werdeſt! Der alte Mann entgegnete: Ich habe zwei Brote in meinem Sacke. Darauf ſprach Moſe: Ich trage drei Brote mit mir. Wir wollen nun meine und deine zuſammenlegen, und ſie ſollen uns ge— meinſchaftliche Zehrung fuͤr den Weg ſein. Und beide zogen ihre Brote hervor, zeigten ſie einander, worauf ſie der Alte in ſeinen Sack tat und dieſen auf ſeine Schulter nahm. Moſe aber ſagte: Gib acht auf das Buͤndel, daß du es nicht verlierſt.
Als ſie eine laͤngere Strecke zuſammen gegangen waren, ſprach einer zum andern: Wir wollen ein jeder ein Brot eſſen und uns ſtaͤrken. Alſo wurden dem Sacke zwei Brote entnommen und verzehrt, und drei waren ſomit in dem Reiſebeutel des Alten verblieben. Nachdem die Wan- derer wieder ein großes Stuͤck Weges zuruͤckgelegt hat— ten, verſpuͤrten ſie Hunger und ſprachen zueinander: Wir wollen uns abermals mit Brot laben. Und ſie aßen ein jeder ein Brot, und ſo war nur noch eins uͤbrig— geblieben.
Die beiden Maͤnner wanderten nun weiter einen hal— ben Tag. Hierauf ſprach Moſe zu ſeinem Reiſegefaͤhrten: Laß uns noch das letzte Brot miteinander verzehren. Da
Der Prophet und der Betruͤger 19
leugnete der alte Mann und ſchwur, ſie haͤtten nur vier Brote zuſammen gehabt. Wie ſie nun weiter ihres Weges gingen, ſahen ſie zwei Hirſche rennen; die waren aber von Gott geſandt. Moſe ſprach zu ſeinem Begleiter: Fange eins von den beiden Tieren. Der alte Mann ent⸗ gegnete: Bin ich denn naͤrriſch, daß ich einem Hirſch nach⸗ laufen ſoll? Was iſt denn behender im Rennen als ein Hirſch? Der Prophet ſprach: Nimm meinen Stab und ſchwinge ihn vor den Tieren. Das tat der Alte, und die zwei Hirſche blieben ſtehen und konnten ſich nicht von der Stelle ruͤhren. Und Moſe ſchlachtete das Wild und briet das Fleiſch. Er ſprach zu dem alten Manne: Gib acht, daß du die Knochen der Tiere ganz laͤßt und nichts entzweibrichſt. Nachdem das Fleiſch verzehrt worden war, legte Moſe die Knochen der Hirſche zu zwei Gerippen zuſammen, fuhr daruͤber mit ſeinem Stabe und betete inniglich zu ſeinem Schoͤpfer. Da ließ der Herr die Tiere lebendig werden, und ſie konnten wieder aufſtehen. Hier— auf ſprach Moſe zu ſeinem Genoſſen: Ich beſchwoͤre dich bei dem Namen deſſen, der die zwei Hirſche lebendig ge— macht hat, welche doch weder Fleiſch noch Sehnen hatten, mir zu ſagen, ob du mich mit dem letzten Brote nicht be⸗ trogen haſt? Da ſchwur der Alte, daß er es nicht verzehrt und es auch nicht entwendet habe.
Nachdem die beiden wieder eine Zeitlang geſchritten waren, empfanden ſie Durſt. Da ſchlug Moſe mit ſeinem Stabe gegen einen Felſen, und Waſſer entquoll dem Stein. Die Wanderer tranken und erquickten ſich. Moſe ſprach abermals zu ſeinem Wegegenoſſen: Ich beſchwoͤre dich
20 Der Born Judas
bei dem, der das Waſſer aus dem Felſen ſpringen ließ, zu bekennen, ob du dich an dem Brote nicht vergriffen haſt. Und der Alte gab wie das erſtemal einen Eid dar— uͤber ab, daß weder ſeine Hand noch ſein Mund an dem Verſchwinden des Brotes ſchuld ſeien. Da ſagte Moſe: So wollen wir denn weiterreiſen!
Und ſie ſetzten ihre Reiſe fort und kamen bis an eine Siedelung. Hier fanden ſie die Einwohner betruͤbt und weinend. Der Prophet fragte: Warum ſeuffzt ihr alle? Die Leute antworteten: Unſer Alteſter iſt verſchieden, und der war uns allen ein Vater. Wir wuͤrden unſere Seelen fuͤr die ſeinige hingeben. Da erbarmte ſich Moſe der Trauernden. Er ließ ſich zu dem Verſtorbenen fuͤhren, betete fuͤr ihn zu Gott und legte ſeinen Stab auf die Leiche. Da erzitterte der Tote und ward lebendig. Und wieder ſprach Moſe zu ſeinem Reiſegefaͤhrten: Ich be— ſchwoͤre dich bei dem, der den entſeelten Leichnam er- weckt hat, ſage mir, wo das fuͤnfte Brot hingekommen iſt. Und der ungetreue Alte gab zum drittenmal einen Schwur daruͤber ab, daß er von dem Verbleib des Brotes nichts wiſſe. Da ſprach Moſe bei ſich: Das iſt doch wohl einer aus dem zehnten Geſchlecht.
Und ſie zogen weiter und befanden ſich wieder in der Wuͤſte. Moſe ſprach zu ſeinem Mitwanderer: Ich will mich entfernen und will einen Brunnen hier auffinden, damit ich meinen Leib reinige. Behalte nun meinen Stab ſo lange in deiner Hand. Wie aber Moſe vom Wege abgebogen war, ſprach der alte Mann bei ſich. Das iſt der Stab, mit dem mein Gefaͤhrte all die Wunder voll—
Der Prophet und der Betruͤger 21
bracht hat; ich will mir ihn aneignen und mit ihm gleich— falls die Toten zum Leben erwecken. Und er behielt den Wunderſtab in ſeiner Hand und ging mit ihm davon. Da ſtieß er nach einer Zeit auf ein Anweſen. Deſſen Ein— wohner beſaßen einen Schatz, der ſtets von einem Knaben bewacht wurde. Da nahm der Alte das Geld weg und toͤ— tete den Knaben. Hernach legte er den Stab des Pro— pheten auf den Erwuͤrgten und gedachte es Moſe gleichzu— tun; aber nicht umſonſt heißt es: Es iſt nicht allen Ge— ſchoͤpfen gegeben, Wunder zu wirken. Waͤhrend das alles vor ſich ging, kehrte Moſe vom Brunnen zuruͤck und ſah, daß ſein Begleiter mit dem Stabe davongegangen war. Er eilte ihm nach und fand ihn dabei, wie er um den toten Knaben vergeblich bemuͤht war. Die Einwohner des Dorfes draͤngten ſich um den uͤbeltaͤter und wollten ihn umbringen, wie es in der Schrift heißt: Die Seele des Moͤrders für die Seele des Getöteten!*
Da betete Moſe zu Gott, und der Knabe ward leben— dig. So hatte der Prophet ſeinen Gefaͤhrten vor der Rache der Dorfleute gerettet. Unſere Altvordern ſprachen: Zwei, die nur vier Ellen miteinander gegangen ſind — mit ſolchen rechtet nicht Gott. Moſe aber und der alte Mann traten wieder die Wanderſchaft an. Sie kamen an einen Bach, und Moſe ſchuͤttete am Ufer drei Haͤuf— lein Erde auf. Er betete zu Gott, und der Staub ward in Gold verwandelt. Da ſprach er zu ſeinem Mitwan— derer: Sieh, was der Herr zu tun vermag. Dieſer aber fragte: Wem ſoll das Gold gehoͤren? Der Prophet er— »Bundesbuch, zweites Buch Moſes XXI 23.
22 Der Born Judas
widerte: Wer das fuͤnfte Brot gegeſſen hat, ſoll zwei Goldklumpen bekommen, der es nicht genoſſen hat, er- haͤlt einen. Da ſprach der von Gier Getriebene: Ich bin es, der das Brot verzehrt hat. Darauf ſagte Moſe: So magſt du nun alle drei Haufen an dich nehmen. Und unſer Lehrer ſchied von ſeinem Gefaͤhrten, und dieſer wußte nicht, wohin er ſich gewandt hatte.
Nun gab ſich der Betruͤger Muͤhe, das Gold von der Stelle fortzuſchaffen. Da ſah er Leute mit Kamelen daher— kommen. Er ſprach zu ihnen: Helft mir den Schatz he— ben; ihr ſollt ein Drittel davon haben. Die Reiſenden erwiderten: Wir ſind hungrig, hole uns zuerſt Brot aus der Stadt; danach wollen wir das Gold auf die Kamele laden.
Der Übles Sinnende ging weg und uͤberlegte, wie er das Brot, das er den Wanderern bringen wollte, ver— giften koͤnnte. Dieſe wiederum beſchloſſen untereinander, den Finder des Goldes umzubringen, wenn er kaͤme. Wie nun der Frevler mit dem Brot erſchien, hieben ihm die Kamelreiter den Kopf ab. Darauf aßen fie das ver- giftete Brot und fielen ſelbſt tot hin. Und ſo blieb das Gold ungehoben bis auf den heutigen Tag.
Du aber, der du die Geſchichte geleſen haſt, wiſſe, daß es ein boͤſes Geſchlecht iſt, das das zehnte genannt wird. Die ihm zugehoͤren, veruntreuen, was man ihnen gibt; ſie ſind Luͤgner, Meineidige, Betruͤger und alle gottlos.
Am Brunnen
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Am Brunnen Juͤdiſch-deutſch)
Unſer Lehrer Moſe hatte zur Gepflogenheit, einſame Staͤtten aufzuſuchen, wo er mit ſich ſelbſt Zwieſprache hielt, und wo der Geiſt Gottes über ihn kam. Eines Ta- ges ruhte er unter einem Baume, von dem in einiger Ent: fernung ſich eine Quelle befand, und gab ſich ſeinen Ge— danken hin. Da ſah er einen Mann an den Brunnen kommen und Waſſer trinken und danach wieder ſeine Straße ziehen. Dem Manne aber war ein Beutel ent— fallen, und er hatte es nicht gemerkt. Nach einer Weile kam ein anderer Mann an den Brunnen, trank gleichfalls Waſſer und ſah den Beutel liegen. Er hob ihn freudig auf und ſetzte feinen Weg fort. Nach ihm machte ein dritter Wanderer Raſt vor der Quelle, und der verweilte an der Stätte längere Zeit.
Unterdeſſen ward der erſte Mann des Verluſtes ge- wahr und ſprach bei ſich: Gewiß habe ich den Beutel am Brunnen fallen laſſen, als ich mich buͤckte und Waſſer trank. Und er lief behend zuruͤck und ſah da einen Mann raſten. Er fragte ihn: Was machſt du hier? Der Ange— ſprochene erwiderte: Ich bin muͤde und ruhe hier ein wenig; ich habe hier etwas gegeſſen und getrunken, und nun will ich meine Straße weiterziehen. Da ſprach der Mann, der das Geld verloren hatte: So haſt du wohl meinen Beutel gefunden, den ich hier habe liegen laſſen; es kann kein anderer geweſen ſein als du, denn es iſt erſt eine Weile her, daß ich ihn verloren habe. Der Beſchul—
24 Der Born Judas
digte antwortete: Freund, ich habe fürwahr deine Boͤrſe nicht bei mir; zeihe mich nicht zu Unrecht des Raubes. Iſt es erſt kurze Zeit, daß dir dein Geld abhanden ge— kommen iſt, ſo kann es nicht hier geweſen ſein; ſuche es alſo anderswo. Oder du haſt am Ende gar nichts verloren, dann geh weiter, wo du hin willſt. Und die beiden Maͤn— ner zankten miteinander und hieben aufeinander ein. Da erhob ſich der Prophet und wollte ſie trennen; ehe er aber hinzugekommen war, hatte der Mann, der das Geld verloren, den andern erſchlagen und war davongelaufen.
Da ward Moſe voll Barmherzigkeit uͤber den, der ohne Schuld den Tod erlitten hatte, und es nahm ihn wunder, daß unſer Herrgott ſolche Dinge geſchehen läßt. Er ſprach: Herr, von dreierlei ungerechten Taten war ich eben Zeuge. Du haſt fuͤrs erſte zugegeben, daß einer um ſeine Habe gekommen iſt; du haſt fuͤrs zweite zugelaſſen, daß einer, dem ſie nicht gehoͤrte, ſich an ihr erfreut hat und von nie— mand in ihrem Beſitz geſtoͤrt wurde; du haft fürs dritte nicht verhindert, daß einer, der nichts verbrochen hat, ge— toͤtet worden iſt. Und deſſen nicht genug, mußte noch der Mann, der den Verluſt erlitten hat, zu einem Moͤrder werden. So klaͤre mich denn auf, Allmaͤchtiger Gott, wie die Geſchehniſſe zu verſtehen ſind. Da erwiderte der Herr ſeinem Diener Moſe und ſprach: Du waͤhnſt, mein Han— deln ſei verkehrt, und fo duͤnkt manches, was ich tue, den Menſchen wunderlich, denn er weiß nicht, daß alles ſei— nen Grund und ſeine Richtigkeit hat. Du ſollſt nunmehr erfahren, daß der, der den Beutel verloren hat, wohl ſel— ber redlich war, daß ſein Vater aber dieſes Geld geraubt
Das Bildnis 25
hatte. Der damals Beſtohlene wiederum war der Vater des Mannes, der den Beutel gefunden hat. Alſo fuͤgte ich, daß der Sohn des Eigentuͤmers zu ſeinem rechtmaͤßigen Erbe gelangte. Von dem, der erwuͤrgt worden iſt, ſoll dir offenbart werden, daß er des Diebſtahls zwar nicht ſchuldig war, daß er aber einſt, es iſt lange her, den Bru— der des Mannes, der ihn jetzt umgebracht, erſchlagen hatte. Die Mordtat hatte keine Zeugen gehabt, und das Blut des Getoͤteten blieb ungeraͤcht. Alſo ließ ich es geſchehen, daß der Moͤrder von dem Bruder ſeines Opfers ver— daͤchtigt und totgeſchlagen worden iſt. Und ſo laſſe ich manches in der Welt ſich zutragen, was der Menſch nim— mer verſtehen kann. Keiner kann meine Wege erforſchen, und ihr moͤgt oftmal nicht begreifen, warum es zuzeiten dem Frevler wohl, dem Gerechten aber uͤbel ergeht.
Dieſe Erzählung ſteht im ‚Buche der Gefchichten‘ ge— ſchrieben.
Das Bildnis
Als Moſe Iſrael aus dem Lande Agypten geführt hatte und die Kunde davon zu den Voͤlkern gedrungen war, er- faßte ſie Furcht und Staunen, und ſie verwunderten ſich baß uͤber den Mann, der ſolche Heldentaten voll— bracht hatte. Ein arabiſcher Koͤnig aber begehrte ſehn— lich, den Sohn Amrams zu ſehen, und ſandte einen er— leſenen Maler in das Lager der Ebraͤer mit dem Auf— trage, ihm von dem Fuͤhrer der Staͤmme Jakobs ein Bild— nis zu verfertigen. Der Kuͤnſtler ging hin, bildete die Geſtalt Moſes ab und brachte die Leinwand ſeinem Für—
26 Der Born Judas
ſten. Da ließ der Koͤnig die Weiſen kommen und gab ihnen auf, aus dem Bilde das innere Weſen und den Charakter des Dargeſtellten herauszuleſen und das Ge— heimnis ſeiner Kraft aus ſeinen Zuͤgen zu ergruͤnden. Die Weiſen beſchauten das Bildnis und gaben dem König einſtimmig folgende Antwort: Nach dem, was wir ſehen, zu urteilen, muß der beruͤhmte Mann, das wollen wir unſerm Herrn geſtehen, ein Menſch von boͤſer Veran— lagung, voll Hochmut, Habgier und heftiger Triebe ſein, einer, in dem man alle Laſter, die die menſchliche Seele herabwuͤrdigen, vermuten kann. Da ergrimmte der Koͤnig und ſprach: Ihr verhoͤhnt mich wohl von uͤberallher höre ich nichts als Ruhmvolles uͤber den herrlichen Mann.
tun erſchraken die Untergebenen, die Geſichtsforſcher und der Kuͤnſtler, und ſuchten ſich mit demuͤtiger Stimme zu rechtfertigen. Die Weiſen gaben dem Maler die Schuld und ſagten, daß die Zeichnung falſch ſei; der Kuͤnſtler wiederum ſchob die Schuld auf die Beurteiler, die das Bild nicht zu deuten verſtuͤnden.
Da nun der Koͤnig die Wahrheit wiſſen wollte, begab er ſich in eigener Perſon mit feinen Reitern in das La— ger Iſraels. Er kam und ſah noch von der Ferne das Angeſicht Moſes, des Mannes Gottes. Er holte das Bildnis hervor und verglich es mit der lebendigen Er— ſcheinung, und ſiehe, das ſtimmte mit dieſer uͤberein. Deſ— ſen verwunderte ſich der Fuͤrſt ohne Maßen. Er ſuchte das Zelt des Propheten auf, buͤckte ſich und fiel vor ihm auf ſein Angeſicht und erzaͤhlte, was ihm mit dem Werke des Kuͤnſtlers widerfahren war. Er ſprach: Sei mir
Das Bildnis 27
gnaͤdig, du Mann Gottes! Ehe ich dein Antlitz geſchaut hatte, glaubte ich, daß die Arbeit des Malers mißlungen waͤre; nun ich dich von Angeſicht ſchaue, ſehe ich, daß die Geſichtsdeuter, die an meinem Tiſche ſpeiſen, mich betrogen haben, und daß das, was ſie treiben, After— kunſt iſt.
Da erwiderte Moſe dem Fuͤrſten und ſprach: Nicht ſo, mein Herr; ſowohl deinem Bildner als deinen Weiſen iſt recht zu geben. Waͤre ich nicht von Natur, wie mich dir die Nachdenklichen ſchilderten, ich gliche einem verdorr- ten Stuͤcke Holz, von dem man gleichfalls ſagen kann, daß es von Untugenden frei iſt. Jawohl, mein Herr, ich ſtehe nicht an, dir zu bekennen, daß all die Fehler, die die Geſichtsdeuter aus meinem Bilde herausgeleſen ha— ben, und noch viele andere, in mir vorhanden ſind, daß ich aber durch die Kraft meines Willens ihrer Herr ge— worden bin, ſo daß das Gegenteil davon nunmehr meine zweite Natur ausmacht. Das iſt der Grund dafuͤr, daß ich ſolchen Namen errungen habe, und daß ich verherr— licht werde im Himmel da oben und auf der Erde da unten. |
Vom weiſen König Salomo
Der Auerhahn und die Koͤnigin von Saba
ach dem Tode Davids ward ſein Sohn Salomo
Koͤnig an ſeiner Statt. Dieſem verlieh Gott die Herrſchaft uͤber die Tiere des Feldes, uͤber die Voͤgel des Himmels und uͤber alles, was auf Erden kreucht. Aber auch die Geiſter, die Daͤmonen und die Kobolde unter— ſtanden ſeiner Gewalt. Eines jeglichen Geſchoͤpfes Zunge war Salomo verſtaͤndlich, und die Tiere ihrerſeits konnten ſeine Sprache verſtehen. Heißt es doch von ihm in der Schrift: Er redete von den Baͤumen.
Wenn Salomos Herz vom Wein froͤhlich wurde, ließ er die Könige der benachbarten Länder rufen, und fie nahmen Wohnung in ſeinem Palaſt. Darauf befahl er, die Geigen, Zimbeln, Pauken und Harfen, auf denen ſein Vater David zu ſpielen pflegte, ertoͤnen zu laſſen. Eines Tages, als ihn der Rebenſaft heiter gemacht hatte, hieß Salomo alle Tier-, Vogel- und Wurmarten ſowie die Geiſter um ſich verſammeln, damit ſie Taͤnze auf— fuͤhrten und ſeine Groͤße den geladenen Gaͤſten offenbar werde. Die fuͤrſtlichen Schreiber riefen die Tiere bei ihren Namen, und ſie nahten dem Herrſcher, ohne mit Stricken gebunden oder in Ketten gefeſſelt oder von Menſchen mit Gewalt gefuͤhrt zu ſein. Der Koͤnig ſchaute ſich in der Schar der Voͤgel um und fand den Auerhahn nicht unter ihnen. Daruͤber ward er erboſt und befahl, dieſen Vogel zu fangen und zu ſtrafen. Aber der flog bald von ſelber herbei und ſprach zu Salomo: Mein
Der Auerhahn und die Königin von Saba 29
Herr und Koͤnig aller Welt moͤge mich anhoͤren und ſein Ohr meiner Rede neigen. Heute vor drei Monaten habe ich einen Beſchluß gefaßt, uͤber den ich mit mir zu Rate gegangen bin. Ich aß kein Brot und trank kein Waſſer, denn ich hatte mir vorgenommen, alle Lande zu durch— fliegen und zu ſehen, ob es nicht einen Erdſtrich gibt, deſſen Bewohner von meinem Herrn und Koͤnig nicht ge— hoͤrt haben. Und da fand ich ein Reich, deſſen Hauptſtadt Kitor, die Weihrauchſtadt, benannt wird, und das im Morgenlande liegt. Der Boden dieſes Landes iſt pures Gold, und das Silber liegt in den Straßen unbeachtet gleich dem Miſt. Die Baͤume daſelbſt ſtammen noch aus der Schoͤpfungszeit und werden aus den Waſſern des Paradieſes getraͤnkt. Ein zahlreiches Volk, das gekroͤnt einhergeht, bewohnt das Land. Die Leute kennen keinen Krieg und verſtehen den Bogen nicht zu ſpannen. Die aber das Reich beherrſcht, iſt ein Weib; die Koͤnigin von Saba wird ſie geheißen. Und der Auerhahn fuhr fort und ſprach weiter vor Salomo: Iſt es meinem Koͤnige recht, ſo will ich wie ein Held meine Lenden guͤrten und nach der Stadt Kitor im Lande Saba fliegen. Ich will die Fuͤrſten daſelbſt in Ketten legen und die Maͤchtigen feſſeln und ſie vor meinen Herrn bringen. Dieſer Rat des Vogels gefiel Salomo wohl. Die Schreiber des Koͤnigs wurden gerufen, ſie fertigten einen Brief aus und banden ihn an den einen Fluͤgel des Auerhahnes. Und der Vogel reckte ſeine Schwingen und ſtieg hoch zum Himmel empor. Im Fluge aber zog er auch die andern Voͤgel mit ſich, und ſie flogen mit ihm nach der Stadt Kitor im Sabaͤerlande.
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Es begab ſich nun an einem Morgen in der Fruͤhe, daß die Koͤnigin von Saba aus ihrem Palaſt ging, um die Sonne anzubeten. Aber ſiehe da, das große Geſtirn war verfinſtert von einem Schwarme Voͤgel. Da zerriß die Koͤnigin ihre Kleider und ward wie verſtoͤrt. Wie ſie ſo daſtand, ließ ſich der Auerhahn zu ihr herab, und ſie ſah den Brief, der an ſeinem Fittich befeſtigt war. Sie brach das Schreiben auf und las darin folgendes: „Von mir, dem König Salomo, der der Koͤnigin von Saba und ihren Fuͤrſten den Friedensgruß entbietet. Es wird dir wohl bekannt ſein, daß mich Gott zum Herrſcher uͤber das Vieh des Feldes, die Voͤgel des Himmels und uͤber die Geiſter gemacht hat, und daß die Koͤnige des Morgen— und Abendlandes, der Mittag- und der Mitternachtzonen zu mir kommen und mir ihre Aufwartung machen. So ihr nun gewillt ſeid, mich gleichfalls zu begruͤßen, ſo will ich euch Ehren erweiſen, wie ich ſie vor euch keinem er— wieſen habe. Wo ihr euch aber das zu tun weigert, mei- nem Wunſche trotzen und nach meinem Befinden nicht ſehen wollt, fo will ich euch von meinen Mächtigen, mei- nen Heeren und Reitern heimſuchen laſſen. Fragt ihr aber: Wer ſind wohl die Maͤchtigen, die Heere und die Reiter des Koͤnigs Salomo? ſo moͤgt ihr wiſſen: Die wilden Tiere, das ſind ſeine Maͤchtigen, die Voͤgel ſeine Reiter, die Daͤmonen ſeine Heere. Die Geiſter werden euch auf euren Lagern erwuͤrgen, das Wild wird euch auf dem Felde zerreißen, und die Voͤgel werden euer Fleiſch freſſen.“ 0
Als die Koͤnigin dieſes Schreiben geleſen hatte, griff
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ſie zum zweiten Male mit der Hand nach ihren Kleidern und zerriß fie. Sie ließ alſobald ihre Alteſten und Rat⸗ geber kommen und ſprach zu ihnen: Erfahrt, was der Koͤnig Salomo mir ſchreibt. Die Hofleute antworteten alle zuſammen: Wir kennen einen Koͤnig namens Salomo nicht, und ſeine Herrſchaft duͤnkt uns nicht groß. Allein die Fuͤrſtin achtete nicht der Worte ihrer Mannen. Sie rief die Seeleute ihres Landes zuſammen und befahl ihnen, Schiffe mit Tannenholz und koſtbaren Perlen zu laden. Danach ſuchte ſie ſechstauſend Kinder, Knaben und Maͤdchen, aus, die alle gleich von Wuchs und Geſtalt waren und auf das Jahr, den Monat, den Tag und die Stunde dasſelbe Alter zählten. Sie ließ ſie in Purpur— kleider huͤllen und gab ihnen einen Brief fuͤr Koͤnig Sa⸗ lomo mit, in dem es hieß: Von der Stadt Kitor bis zum Lande Sfrael iſt ein Weg von ſieben Jahren. Deinem Gebet aber, das zu entſenden ich dich bitte, wird es ge— lingen, mich in drei Jahren zu dir zu bringen.
Nach Ablauf der drei Jahre kam die Koͤnigin von Saba nach Jeruſalem zu dem Koͤnig Salomo. Und Sa— lomo ſchickte ſeinen Feldherrn Benaja ben Jojada voraus, damit er die Fuͤrſtin empfange. Benaja aber war von großer Schoͤnheit, und ſein Angeſicht glich der Morgen— roͤte und dem Planeten Venus, der heller als die andern Sterne leuchtet; auch konnte man es mit einer Roſe ver- gleichen. Als die Koͤnigin von Saba den Feldherrn Sa— lomos erblickte, ſtieg ſie aus ihrem Wagen. Da fragte der Sohn Jojadas: Warum verlaͤßt du dein Gefaͤhrt? Die Koͤnigin erwiderte: Biſt du denn nicht der Koͤnig
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Salomo? Darauf ſagte der Feldherr: Ich bin nicht der Koͤnig Salomo, ich bin nur einer ſeiner Diener, die um ihn ſitzen. Da wandte ſie ſich um und ſprach in Gleich— nisrede zu ihren Begleitern: Ihr habt den Löwen noch nicht geſchaut, wohl aber den, an den er ſich lehnt.
Hierauf fuͤhrte Benaja die fremde Koͤnigin zu Salomo. Der Sohn Davids aber verließ, als die Koͤnigin kommen ſollte, das Schloß, in dem er ſich aufgehalten hatte, und ſtieg in ſeinen Glaspalaſt, um dort die Sabaͤerfuͤrſtin zu erwarten. Die Koͤnigin betrat das Gemach und waͤhnte, Salomo ſitze im Waſſer. Alſo hob ſie den Saum ihres Kleides und entbloͤßte ihre Beine; dieſe aber waren be— haart. Salomo ſprach: Deine Schoͤnheit iſt wie der Frauen Schoͤnheit, allein die Behaarung ſteht eher einem Manne als einem Weibe an.
Die Königin von Saba ſprach: Mein Herr und König! Ich will dir drei Rätfel aufgeben; loͤſeſt du fie, fo weiß ich, daß du weiſe biſt, wo nicht, ſo biſt du wie die andern Menſchen. Und fie hub an und fragte: Aus einem höl- zernen Brunnen ſchoͤpft ein eiſerner Eimer Steine, wor- auf ein Waſſer fließt. Salomo entgegnete: Das iſt das Schmuckrohr, dem man mit einem eifernen Loͤffel die harten Steinchen der Augenſchminke entnimmt; reibt man die Lider damit ein, ſo traͤnen die Augen. Da ſprach die Koͤnigin von Saba weiter: Was iſt das? Es ſtammt von der Erde, frißt Staub, iſt fluͤſſig und ſchaut ins Haus. Salomo antwortete: Das iſt das Erdharz, wo— mit man die Haͤuſer beim Bauen verpicht. Und nun fragte die Koͤnigin von Saba zum dritten Male: Im
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Sturme bewegt es ſich und erhebt ein großes und bitteres Geſchrei. Gleich dem Schilf laͤßt es den Kopf haͤngen; es iſt ein Ruhm fuͤr die Reichen, ein Spott fuͤr die Armen, eine Zierde fuͤr die Toten, ein Schmerz fuͤr die Lebenden, eine Freude den Voͤgeln, ein Arger den Fiſchen. Das iſt der Lein, erriet Salomo. Die Ahren auf dem Felde ſenken ihr Haupt. Als Segel brauſt er im Sturme auf dem Meere. Er iſt ein Ruhm fuͤr die Großen, die Byſſus tra— gen, ein Spott fuͤr die Armen, die in Lumpen einher— gehen, eine Zierde fuͤr die Verſtorbenen, die in das lei— nene Totengewand gehuͤllt werden, ein Schmerz fuͤr die Lebenden, wenn ſie an den Galgenſtrick denken, eine Freude den Voͤgeln, die den Flachsſamen picken, ein Arger den Fiſchen, die in Garnnetzen gefangen werden. Da ſprach die Koͤnigin von Saba: Mir iſt noch nicht die Haͤlfte von deiner Weisheit geſchildert worden. Du haſt Einſicht und großen Ruhm gewonnen; ſelig dein Volk und ſelig deine Diener!
Danach fuͤhrte Salomo die Sabaͤerkoͤnigin in ſeinen Wohnpalaſt. Als die fremde Fuͤrſtin die große Pracht, die Salomo umgab, gewahrte, ließ ſie Dank und Preis dem zukommen, der den Koͤnig erſchaffen hatte, und ſprach: Gelobt ſei der Herr, dein Gott, der an dir Ge— fallen gefunden und dir den Herrſcherthron verliehen hat, auf daß du Recht und Gerechtigkeit uͤbeſt! Und ſie beſchenkte den Koͤnig mit Gold und Silber. Auch der Koͤnig gab der Fuͤrſtin alles, was ſie nur begehrte.
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Die Raͤtſel
Ein Midras erzaͤhlt:
Der Ruf von Salomos Weisheit drang zu der Koͤ— nigin von Saba, und ſie ſprach: Ich will hingehen und ſehen, ob er in Wahrheit ſo weiſe iſt. Und ſie reiſte nach Jeruſalem, erſchien vor Salomo und redete mit ihm in Raͤtſeln, um ſich von ſeiner Weisheit zu uͤberzeugen. Sie ſprach: Biſt du Salomo, von deſſen Macht und Verſtandes⸗ ſchaͤrfe ich gehoͤrt habe? Salomo erwiderte: Ich bin es. Sie ſprach weiter: Du ſollſt ſehr weiſe ſein. Wenn ich dir nun etwas zum Erraten aufgebe, wirſt du die richtige Antwort finden? Salomo entgegnete: Der Herr gibt Weisheit, und aus ſeinem Munde kommt Einſicht und Verſtand.“ Da ſprach die Königin: So rate nun: Sieben hoͤren auf, neun heben an, zwei ſchenken ein, einer trinkt. Salomo gab zur Antwort: Die ſieben, das ſind die Rei— nigungstage, die neun, das ſind die Schwangerſchafts— monde, zwei Bruͤſte ſpenden Milch, und das Kind trinkt. Da ſprach die fremde Koͤnigin: Du biſt in Wahrheit weiſe; wenn ich dir nun wieder ein Raͤtſel aufgebe, willſt du es loͤſen? Salomo antwortete wie das erſtemal. Die Koͤnigin ſprach: Eine Mutter ſagte einſt zu ihrem Sohne: Dein Vater iſt auch mein Vater, dein Großvater iſt mein Eheherr, du biſt mein Sohn, und ich bin deine Schweſter. Wer kann das geweſen ſein? Salomo gab zur Antwort: Das war eine der beiden Toͤchter Lots.
Aber die Sabaͤerkoͤnigin ſtellte noch einen dritten Vers
„ Spruͤche II 6.
Die Rätfel 35
ſuch mit Salomo an. Sie führte eine Schar kleiner Kinder herbei, die gleich von Wuchs und gleich gekleidet waren, und ſagte zu ihm: Sondere die Knaben von den Maͤgdlein aus. Da winkte Salomo ſeinen Kaͤmmerern, und ſie ſtreuten vor die Kleinen Nuͤſſe und geroͤſtete Koͤrner. Die Knaben, die nicht ſchamhaft ſind, hoben die Kleider und taten die aufgeleſenen Fruͤchte darein, die Maͤdchen aber ſammelten ſie in ihre Tuͤcher ein. Die Koͤnigin von Saba ſprach darauf: Deine Weisheit iſt uͤberaus groß.
Die letzte Probe, die die Koͤnigin anſtellte, war fol— gende: ſie ließ eine Reihe Maͤnner, beſchnittene und unbeſchnittene, vor Salomo erſcheinen und ſprach: Er— kenne, welche darunter das Zeichen des Abrahambundes tragen. Salomo gab dem Hoheprieſter einen Wink, und der oͤffnete die Bundeslade. Die beſchnittenen Maͤnner blieben aufrecht ſtehen, und auf ihr Geſicht fiel ein Schein von der Herrlichkeit Gottes, die Unbeſchnittenen hin— gegen fielen mit ihrem Angeſicht zur Erde. Nun wußte Salomo Beſcheid und ſagte es der Koͤnigin. Da fragte ſie: Wie konnteſt du im voraus wiſſen, daß die Heiden hinfallen werden? Er antwortete: Das Beiſpiel Bileams belehrte mich darin: er fiel auf die Erde, als er des All— mächtigen Offenbarung ſchaute.“ Hierauf ſprach die Koͤnigin von Saba: Ich habe es nicht glauben wollen, bis ich gekommen bin und es mit meinen Augen geſehen habe.
»Viertes Buch Moſes XXIV 4.
36 Der Born Judas
Der Knabe Salomo
Als Salomo noch ein Knabe war, zog David in einen Krieg. Der Prinz genoß waͤhrenddeſſen Unterricht von einem bedeutſamen Kenner der Wiſſenſchaften, und ſo fragte er eines Tages ſeinen Lehrer: Kannſt du mir in deiner großen Weisheit ſagen, ob mein Vater den Krieg gewinnen und unverletzt heimkehren wird? Der Weiſe antwortete: Das liegt fern, denn der Feind iſt ſtark. Von dem Augenblick an tat Salomo alles, um in den Beſitz beſonderer Kraͤfte zu gelangen. Und es geſchah, daß, als nur eine Haarbreite David von dem Tode trennte, die Schlacht eine Wendung nahm und der feindliche König tot hinfiel. Im Sterben aber rief er aus: Salomo hat mich getoͤtet! Es iſt Salomo, von dem der Tod uͤber mich kommt! Das erfuhr der Lehrer des Koͤnigsſohnes, und ihm ward die Groͤße der Gaben offenbar, die ſein prinzlicher Schuͤler beſaß. Als nach beendetem Kriege David zuruͤckkehrte, wandte er Salomo ſeine ganze Vater— liebe zu.
Die Ameife und der feltfame Palaft
We hat ſich mit dem Koͤnig Salomo nicht alles er— eignet! Gott hatte ihm große Weisheit verliehen und ihn zum Herrſcher gemacht uͤber alle Geſchoͤpfe der Welt, die Tiere ſowohl als die Menſchen. Und Salomo ſaß auf einem rieſengroßen Teppich, ſechzig Meilen lang und ſechzig Meilen breit, der aus gruͤner Seide und lauterem Golde gewirkt war, und auf dem allerlei herrliche Bilder gemalt waren. Auf dieſem Teppich trug der Wind den Koͤnig durch die Luͤfte, und er nahm ſein Morgenmahl in Damaskus ein, die Abendmahl— zeit aber im Lande Medien; bald war er im Oſten, bald im Weſten. Vier Fuͤrſten ſtanden in ſeinen Dienſten; der eine war aus dem Geſchlechte der Menſchen und hieß Aſaph, der Sohn Berachias, der andere war ein Geiſt und hieß Remirat, der dritte Fuͤrſt war der Loͤwe, der Koͤnig der Tiere, der vierte aber der Seeadler. Eines Tages war Salomo von einem ſtolzen Gefuͤhl durchdrungen und ſprach von ſich: Es gibt keinen Herr— ſcher, dem Gott wie mir Weisheit, Einſicht und Wiſſen gegeben hat, und den er zum Fuͤrſten uͤber alles von ihm Geſchaffene gemacht hat. In dieſem Augenblick wider— ſetzte ſich der Wind der Luftfahrt Salomos, und vierzig— tauſend Mann aus ſeiner Gefolgſchaft fielen vom Tep— pich auf die Erde. Als Salomo das geſchehen ſah, ſchalt er und rief: Halt ſtille, Wind! Allein der Sturm ant— wortete: Halte du ſtille vor deinem Gott und uͤberhebe
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dich nicht, ſo will auch ich dich weitertragen. Da ward Salomo von den Worten des Windes beſchaͤmt. Wiederum eines Tages geſchah es, daß Salomo an einem Tal vorbeifuhr, das von Ameiſen bewohnt war, und eine Ameiſe zu den andern ſprechen hoͤrte: Kriecht in eure Loͤcher, damit ihr von den Heeren Salomos nicht zertreten werdet. Darob erzuͤrnte der Sohn Davids, und er ſprach zu dem Winde: Fahr auf die Erde hinab. Da lenkte der Wind den Hoͤhenteppich niederwaͤrts. Und Salomo ließ die Ameiſen kommen und ſprach zu ihnen: Welche war es von euch, die den andern riet, die Wohn— ſtaͤtten aufzuſuchen, damit Salomos Streiter ſie nicht verderbten? Die Ameiſe, die die Worte geſprochen hatte, bekannte ſich dazu und ſagte: Ich war es, die den Rat gegeben hat. Da fragte Salomo: Warum haſt du ſo geredet? Die Ameiſe erwiderte: Ich fuͤrchtete, daß meine Schweſtern beim Anblick deiner Heere vom Lobe des Herrn laſſen wuͤrden und der Allmaͤchtige uͤber uns ergrimmen wuͤrde. Salomo ſprach: Warum hat von allen Ameiſen keine außer dir die Mahnung ausge— ſprochen? Die Ameiſe antwortete: Weil ich ihre Koͤ— nigin bin. Salomo fragte: Wie iſt dein Name? Die Ameiſenkoͤnigin erwiderte: Ich heiße Mahaſama. Da ſprach Salomo: Ich will an dich eine Frage richten. Die Ameiſe antwortete: Es ziemt ſich nicht, daß der Fragende oben ſitze und der Gefragte unten bleibe. Da hob ſie Salomo von der Erde und ſtreifte ſie auf einer Stufe ſeines Thrones von den Fingern ab. Aber die Ameiſe ſprach: Es ziemt ſich nicht, daß der Gefragte
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ſich unter dem Fragenden befinde; du haſt mich auf deiner Hand zu dir hochzuheben, und dann will ich dir Antwort geben. Das tat der Koͤnig, und die Ameiſe ſtand ſeinem Angeſicht gegenuͤber. Sie ſprach: Nun bringe deine Fragen vor. Salomo ſagte: Kennſt du jemand, der erhabener waͤre als ich? Die Ameiſe antwortete: Jawohl. Der Koͤnig fragte: Wer kann das nur ſein? Die Ameiſe entgegnete: Das bin ich. Da ſprach Salomo: Wie kannſt du dich groͤßer duͤnken als mich? Die Ameiſe antwortete: Waͤre ich dir nicht uͤberlegen, der Herr haͤtte dich nicht geſandt, um mich hochzuheben. Da ward Salomo voll Zorn uͤber dieſe Worte, und er warf die Ameiſe auf die Erde. Er ſprach: Du Kerbtier, du weißt nicht, mit wem du ſprichſt. Ich bin Salomo, der Sohn des Koͤnigs David. Darauf verſetzte die Ameiſe: Wiſſe, daß auch du nur von menſchlichem Samen entſtanden biſt und keinen Grund zur Überhebung haft. Da fiel Salomo auf fein Ange— ſicht und ward gedemuͤtigt von den Worten der Ameiſe.
Danach ſprach Salomo zu dem Wind: Heb den Tep— pich von hinnen, und wir wollen weiterfahren. Der Wind wehte den Fahrteppich des Koͤnigs in die Hoͤhe und trug ihn davon. Die Ameiſe rief Salomo nach: Zieh fort, vergiß aber nicht den Namen des Allgelobten und hege keinen Hochmut.
Der Teppich Salomos fuhr, vom Winde getrieben, zwiſchen dem Himmel und der Erde und blieb zehn Tage und zehn Naͤchte in der Luft ſchweben. Am letzten Tage
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ſah Salomo von oben einen herrlichen Palaſt ganz in Gold gebaut auf der Erde ſtehen. Er ſprach zu ſeinen Fuͤrſten: Ich habe mein Lebtag ſolch praͤchtiges Schloß nicht geſchaut. Und er befahl dem Winde, den Teppich landen zu laſſen. Das Fahrzeug ließ ſich herunter, und Salomo ſtieg mit Aſaph ben Berachia daraus. Sie gingen beide rund um den Palaſt und ſogen den Duft der Graͤſer ein, der an den Duft des Gartens Eden ge— mahnte. Sie konnten aber keinen Eingang zu dem wunderbaren Bau finden und wollten gern ſein Inneres betreten. Da ſie miteinander daruͤber ſprachen, erſchien der Fuͤrſt der Geiſter vor dem Koͤnig und fragte ihn: Mein Herr, weshalb biſt du ſo betruͤbt? Salomo er— widerte: Mich bekuͤmmert es, daß ich kein Tor zu dem Schloſſe ſehe, und ich weiß nicht, wie ich hinein ſoll. Darauf ſagte der Oberſte der Daͤmonen: Mein Herr und Koͤnig, ich will denen, die mir unterſtehen, Befehl geben, auf das Dach des Palaſtes zu ſteigen und Umſchau zu halten; vielleicht iſt da oben ein Menſch oder ein Vogel oder ſonſt ein Geſchoͤpf zu finden. Und er tat einen wilden Schrei und rief den Geiſtern: Beeilt euch und fahrt hinauf; vielleicht begegnet euch da oben ein leben— des Weſen. Die Teufel ſprangen behend auf das Dach. Bald kamen ſie herunter und ſprachen zu ihrem Fuͤrſten: Herr, es iſt niemand in der Hoͤhe zu ſehen außer einem alten Adler, der auf ſeinen Fittichen ſitzt. Da befahl Salomo ſeinem Seeadler, den Bewohner des Daches herunterzuholen. Der greife Vogel erſchien vor Salo— mo; er oͤffnete ſeinen Mund zum Lobe des Herrn und
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bot ſodann dem Koͤnig den Friedensgruß. Salomo fragte den Vogel: Wie iſt dein Name? Der Adler er— widerte: Ich heiße Alenad. Salomo fragte weiter: Wieviel Jahre zaͤhlſt du? Der Vogel antwortete: Ich bin ſiebenhundert Jahre alt. Der Koͤnig ſprach: Weißt du es oder haſt du es vielleicht gehoͤrt, ob es einen Ein— gang zu dieſem Hauſe gibt? Der Adler entgegnete: Mein Herr, bei deinem Haupte, ich weiß es nicht, aber ich habe einen Bruder, der zweihundert Sahre Älter iſt als ich, und der über mir horſtet; der wird dir darüber ausſagen koͤnnen. Da ſprach Salomo zum Fuͤrſten der Voͤgel: Geleite dieſen hier nach ſeinem Neſt und bringe ſeinen aͤltern Bruder hierher. Und bald ward der Vogel nicht mehr geſehen. Nach einer Stunde erſchien ſein Genoſſe, ein neunhundertjaͤhriger Aar mit Namen Aléuph. Auch dieſer Vogel fang dem Herrn Loblieder und begruͤßte ſodann den Koͤnig. Auf die Frage aber nach dem Zugang zu dem Palaſt wußte er keine Ant— wort zu geben und verwies auf ſeinen noch aͤltern Bru— der, der in der oberſten Hoͤhe niſtete. Darauf befahl Salomo, den neunhundertjaͤhrigen Adler heimzufuͤhren und den alleraͤlteſten zu holen. Nun wurde ein uralter Vogel, der ſeine Schwingen nicht mehr regen konnte, von den Voͤgeln, die in Salomos Dienſte ſtanden, auf ihren Fluͤgeln getragen gebracht, und dieſer lobte gleich— falls den Schöpfer und gruͤßte den König. Auf feine Fragen antwortete er Salomo, daß er Altemor heiße und dreizehnhundert Jahre alt ſei. Nach dem Schloßtor befragt, erwiderte der Adler: Bei deinem Leben, mein
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Herr, ich ſelbſt habe das Schloß ohne Tor vorgefunden, aber mein Vater erzaͤhlte mir, daß zu der weſtlichen Seite ſich ein Zugang befinde, der aber von Staub und Schutt verdeckt ſei. Iſt es dein Wille, fo befiehl dem Winde, daß er die Erde wegfege, und das Tor wird ſichtbar werden. Alsbald ließ Salomo den Wind um das Schloß herum brauſen. Die Erde wurde weggekehrt, und ein maͤchtiges Tor aus Gußeiſen, auf dem die vielen Jahrhunderte gleichſam aufgezeichnet waren, und auf das der Roſt Brandflecke gebildet hatte, zeigte ſich den Blicken Salomos.
Am Tor hing ein Schloß, und darauf ſtanden fol— gende Saͤtze geſchrieben: Wißt, ihr Menſchenkinder, daß dieſes Prachtgebaͤude von uns bewohnt geweſen iſt; wir lebten darin Jahre hindurch froh und froͤhlich, bis der Hunger uns heimſuchte. Dann zermahlten wir unſere Perlen anſtatt Weizen, es half uns aber nichts. Alſo uͤberließen wir unſern Palaſt den Adlern und leg- ten uns platt auf die Erde. Den Voͤgeln aber ſagten wir: Wer euch nach dieſer Burg fragt, dem antwortet, daß ihr ſie erbaut vorgefunden habt. Und noch folgen— des war auf dem Schließgeraͤt eingeſchnitten: Es be— trete kein Sterblicher das Innere dieſes Hauſes, er ſei denn ein Prophet oder ein Koͤnig. Er ſchaufle die Erde an der rechten Seite der Tuͤr weg; daſelbſt wird er einen glaͤſernen Schrank finden, dieſen zerbreche er und nehme die Schluͤſſel heraus.
Das tat Salomo alles; er fand die Schluͤſſel und ſchloß das Tor auf. Da erblickte er ein zweites Tor,
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das ganz aus Gold war. Er oͤffnete dieſes und ſah ſich wieder einem Tor gegenuͤber. Das tat er auf und ſah ein viertes Tor vor ſich. Er riegelte es auf, und eine herrliche Halle, die in Rubinen, Topaſen, Smarag⸗ den und Perlen ſchillerte, empfing den Koͤnig. Die Halle lief in einen Alkoven aus, der gleichfalls mit Edelſteinen gepflaſtert war, und aus dem man, weitergehend, durch prachtvolle Gemaͤcher und Hoͤfe ſchritt, deren Boden aus aneinander gefuͤgten Gold- und Silberſteinen beſtand. In einem Gemach ſah Salomo einen ſilbernen Skorpion auf der Erde liegen. Er ſchob ihn hinweg und fand eine Tuͤr, die zu einem unterirdiſchen Gange fuͤhrte. Salomo ſtieg hinab und kam in einen Raum, in dem Unmengen von Gold, Silber und Perlen aufgehaͤuft lagen. Hier ſtieß er wieder auf eine Tuͤr, und an der hing ein Schloß, das folgende Inſchrift trug: Der dieſen Palaſt bewohnt hat, war ehemals maͤchtig und groß. Loͤwen und Baͤren hatten vor ihm Furcht. Er genoß der Freuden und thronte auf ſeinem Stuhl. Aber lange vor der Zeit ward ihm beſchieden zu ſterben, und er fuhr dahin, und die Herrſcherkrone fiel von ſeinem Haupte. Wanderer, betritt die Halle, und du wirſt Wunder ſchauen! Sa— lomo machte die Tuͤr auf und ſtieß wieder auf eine Tuͤr. Auch dieſe war beſchrieben, und es war darauf zu leſen, daß die Einwohner des Schloſſes in Reichtum und Ehren ihre Tage zugebracht haͤtten. Die Schaͤtze allein ſeien von ihnen uͤbriggeblieben, die Menſchen ſelbſt ſeien hin— weggerafft worden. Sie haͤtten grauſame Zeiten geſehen und ſeien zuletzt in ihre Graͤber eingezogen; auch nicht
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eine Fußſpur ſei von ihnen auf der Erde zuruͤckgeblieben. Salomo druͤckte das Schloß auf und kam in einen Saal, der von edlem Geſtein glaͤnzte. Auf einer Wand ſtand geſchrieben: Was hab ich, der ich hier gewohnt habe, nicht alles an Macht beſeſſen, was hab ich nicht fuͤr Schriften geleſen, fuͤr Speiſen und Getraͤnke genoſſen, fuͤr Gewaͤnder getragen; wie bin ich gefuͤrchtet worden, was hab ich aber auch ſelbſt fuͤrchten muͤſſen! Und weiter kam Salomo in ein prunkvolles Gemach, das drei Ausgaͤnge hatte. Auf der einen Tuͤr ſtanden fol— gende Zeilen: Menſchenſohn, die Zeit wird ſich durch dich nicht taͤuſchen laſſen; auch du wirſt welk werden, wirſt deinen Platz raͤumen muͤſſen und wirſt zu guter Letzt unter der Erde ausgeſtreckt liegen. Die zweite Tuͤr enthielt den Spruch: Sei nicht uͤbereilig, gar winzig iſt dein Teil; die Welt geht von einem auf den andern uͤber. Auch die dritte Tuͤr war beſchrieben; der Lehrſatz lautete: Nimm dir Zehrung mit auf den Weg; ver— ſieh dich mit Brot, ſolange Tag iſt. Deines Bleibens auf Erden iſt nicht lange, und der Tag deiner Heimfahrt iſt verborgen.
Salomo uͤberſchritt eine Schwelle und ſah in dem neuen Raume das Bildnis eines Menſchen in ſitzen— der Stellung, das einen lebendig duͤnkte. Rings um dieſen ſtanden viele Goͤtzenbilder. Der Koͤnig trat nahe an das große Bild, und da ruͤhrte es ſich und ſchrie mit lauter Stimme: Zu Hilfe, ihr Satanskinder! Seht, Salomo iſt gekommen und will euch vernichten! Und Feuer und Rauch entſtiegen den Naſenloͤchern der Bild—
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faule. Es erhob ſich ein Getuͤmmel unter den Teufeln; ſie tobten und laͤrmten. Da fuhr Salomo ſie an und ſprach: Ihr wollt mir Furcht einjagen? Wißt ihr denn nicht, daß ich der Koͤnig Salomo bin, dem alle Geſchoͤpfe der Welt untertan ſind? Ich will euch ſtrafen dafuͤr, daß ihr euch wider mich auflehnt. Und Salomo ſprach den unverſtellten Namen Gottes aus. Da verſtummten die Geiſter mit einem Male, und keiner konnte ein Wort herausbringen. Die Goͤtzenbilder fielen alle um, die Satanskinder aber flohen und warfen ſich in die Fluten des Ozeans, um nicht in die Hand des Sohnes Davids zu geraten.
Alsdann naͤherte ſich Salomo abermals dem gegoſſe— nen Bildnis, ſteckte die Hand in deſſen Mund und ent— nahm ihm ein ſilbernes Taͤfelchen. Darauf waren aber Worte eingeritzt, die Salomo nicht zu leſen verſtand. Daruͤber graͤmte er ſich ſehr und ſprach zu ſeinen Be— gleitern: Ihr wißt, wieviel Muͤhſal ich zu uͤberwinden hatte, bis ich an dieſes Bildnis gelangt bin. Nun kann ich den Sinn der Inſchrift nicht herausfinden. Da ſah Salomo auf einmal einen Juͤngling eintreten; der war aus der Wuͤſte gekommen. Er buͤckte ſich vor dem Koͤnig und fragte: Weswegen biſt du ſo betruͤbt, du Sohn Davids? Salomo erwiderte: Es iſt dieſes Schildchens wegen, deſſen Inſchrift mir dunkel iſt. Der Juͤngling ſagte darauf: Laß mich die Tafel ſehen, und ich werde dir ſagen, was auf ihr geſchrieben ſteht. Ich weilte auf meinem Platze, aber der Herr ſah, daß du bekuͤmmert warſt, und ſchickte mich, daß ich dir das Verborgene auf—
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helle. Salomo gab dem Knaben das Täfelchen, und dieſer beſah es; ſein Geſicht druͤckte Staunen aus, und er begann zu weinen. Er ſprach: Salomo, die In— ſchrift iſt in griechiſcher Sprache, und ſie beſagt: Ich, Sedeod, der Sohn Eods, war König uͤber zehntauſend Reiche, ich ritt auf zehntauſend Roſſen, und Zehntauſen— de von Fuͤrſten unterſtanden meiner Gewalt. Ich habe der Helden Zehntauſende geſchlagen, als aber der To— desengel bei mir eintraf, war ich ihm gegenuͤber ohn— maͤchtig. Und noch ſtand auf dem Schildchen geſchrieben: Wer dieſe Worte lieſt, der plage ſich nicht allzuviel in dieſer Welt, denn des Menſchen letztes Ende iſt der Tod, und nichts bleibt beſtehen als nur der gute Name, Das alles hat Salomo erlebt.
*
Aber auch von David wird erzählt, daß er in der Philiſterſtadt Ziklag das Grab eines Koͤnigs geſehen habe, auf dem folgende Inſchrift eingemeißelt war: Ich, Koͤnig des und des Landes, habe tauſend Jahre regiert, tauſend Reiche zerſtoͤrt und zehntauſend Heere uͤber— waͤltigt. Tauſend zarte Koͤnigstoͤchter waren meine Beiſchlaͤferinnen. Was von mir aber uͤbriggeblieben iſt, iſt das, was ihr ſeht. Staub und Erde iſt mein Lager, Holz und Stein iſt mein Kopffiffen. Wer hier vorbei— geht, moͤge ſich vom Leben nicht verlocken laſſen.
Salomo und Asmodäus*
Der Sturz
< er Weiſe duͤnke ſich nicht groß wegen feiner Weis—
heit.** Ein ſolcher Weiſer war Salomo, der Sohn Davids. Als er ſeinen Herrſcherthron innehatte, uͤber— hob er ſich und ward ſtolz. Er ſprach von ſich: Keiner gleicht mir in der ganzen Welt! Und er uͤbertrat das Gebot der Schrift, das da befiehlt: Der Koͤnig ſoll nicht viel Weiber nehmen.“
Das verletzte Gebot aber erhob vor dem Herrn An— klage und ſprach: Herr der Welt! Gibt es einen Satz in deiner Schrift, der unnuͤtz niedergeſchrieben wäre? Gott antwortete: Es iſt kein Satz uͤberfluͤſſig. Da ſprach das Gebot: Und ſiehe, der Koͤnig Salomo ſetzt ſich uͤber mich hinweg und hat ſiebenhundert Weiber und drei— hundert Kebsweiber. Darauf erwiderte der Herr: Dein Streit ſoll von mir ausgefochten werden.
Und Gott wandte ſich alſobald an Asmodaͤus, den Fuͤrſten der Geiſter, und ſprach zu ihm: Steig hinunter in das Schloß Salomos, zieh dem König feinen Siegel ring von der Hand, nimm ſeine Geſtalt an und ſetz dich auf ſeinen Thron. Das tat der Boͤſe und fuͤllte den Platz des Koͤnigs aus. Alſo hielt ganz Iſrael Asmo— daͤus fuͤr ſeinen Herrſcher. Salomo aber irrte durch Staͤdte und Doͤrfer und ſchrie uͤberall: Ich bin Salomo, der Sohn Davids! Ich, der Prediger, war Koͤnig uͤber * Siehe Band Seite 320, 21. — * Jeremia XI 22. — * * Deute⸗ ronomiſches Geſetz.
48 Der Born Judas
Iſrael in Jeruſalem. Und im Volke ſprach einer zum andern: Seht den Wahnſinnigen! Der Koͤnig ſitzt auf ſeinem Throne, und dieſer ſpricht von ſich, er ſei, der das Buch Koheleth geſchrieben habe. Drei Jahre war Salomo unſtet und fluͤchtig, bis der Herr ſprach: Dein Vergehen gegen mein Gebot iſt geſuͤhnt.
Was hatte aber Asmodaͤus in den drei Jahren getrie— ben? Er wohnte allen Frauen Salomos bei und kam zu einer, die ihrer Reinigungstage halber ſich abſeits hielt. Als ſie ihn eintreten ſah, ſprach ſie: Salomo, warum verfaͤhrſt du mit uns jetzt anders, als deine Sitte war? Darauf ſchwieg der Daͤmon. Nunmehr ſprach das Weib: Du kannſt nicht Salomo fein. Und der Ruch— loſe verlangte ſelbſt von der Mutter Salomos Uner— laubtes. Er ſagte zu ihr: Mutter, du ſollſt mir zu Willen ſein. Da verſetzte die alte Koͤnigin: An der, die dich geboren hat, willſt du deine Luſt haben? Du biſt im Leben nicht mein Sohn. Und ſie ging ſtracks zu dem Feldherrn Benaja und ſprach zu ihm: Benaja, das und das Anſinnen hat der Throninhaber an mich geſtellt. Da erzitterte der Ratgeber Salomos; er zerriß ſeine Kleider, raufte ſich die Haare und ſagte: Dieſer kann unmoͤglich der Sohn Davids ſein; das iſt gewißlich Asmodaͤus. Der Juͤngling aber, der im Lande umher— ſtreift und ruft: Ich bin der Prediger — dieſer wird unſer Koͤnig ſein.
Und Benaja ließ ſogleich den Einfaͤltigen holen und ſprach zu ihm: Mein Sohn, ſage mir, wer biſt du? Der Juͤngling erwiderte: Ich bin Salomo, der Sohn Davids.
Der Sturz 49
Benaja fragte weiter: Wie iſt dein Sturz erfolgt? Salomo antwortete: Eines Tages ſaß ich wie immer auf meinem Throne, da wurde ich wie von einem Winde erfaßt und aus dem Schloſſe geworfen. Von dem Tage ab ward mein Sinn verſtoͤrt, und ich wanderte ziellos umher. Der Sohn Jojadas ſprach: Kannſt du auch irgendein Zeichen angeben, daß es ſich in Wahrheit ſo mit dir verhaͤlt? Der ehemalige Koͤnig entgegnete: Das kann ich wohl. In der Stunde, da ich zum Herrſcher ernannt ward, legte mein Vater David die eine Hand in die deinige und die andere in die Hand des Pro— pheten Nathan. Meine Mutter aber ſtand obenan.
Als Benaja dieſe Worte vernahm, rief er den Hohen Rat zuſammen und ſprach zu den Alteſten: Ein jeder ſchreibe den unverſtellten Namen des Herrn auf ein Schild und hefte dieſes auf ſein Herz. Das befolgten die Alteſten. Sie ſprachen aber zu Benaja: Wir fuͤrchten uns vor dem Namen des Allmaͤchtigen, den Asmodaͤus an feiner Bruſt traͤgt. Da ſagte Benaja: Siebzig ſollen ſich vor einem fuͤrchten? Ihr ſeid wohl nicht die von Gott Begnadeten! Und der Feldherr begab ſich ſelbſt zu Asmodaͤus, reckte feinen Arm und verſetzte ihm einen Hieb; danach entriß er ihm den Siegelring und wollte ihn erwuͤrgen. Aber da erſcholl eine Stimme und rief: Halt ein, toͤte ihn nicht! Von mir iſt die Sache aus— gegangen, weil Salomo mein Gebot geringgeachtet hat. Nun haͤndigte Benaja den Siegelring Salomo aus, und dem Entthronten ward wieder ſeine fruͤhere Ge— ſtalt und Herrlichkeit.
50 Der Born Judas
Nachdem Salomo dieſen Wandel in ſeinem Geſchick erfahren hatte, ſprach er: Was iſt mein Koͤnigtum, was iſt meine Herrſchaft wert? Sie haben mir in den drei Wanderjahren nicht genuͤtzt. Nur den, der ſich ſel⸗ ber erniedrigt, erhoͤht der Herr. Es iſt keine Tugend ſo hoch zu preiſen als Beſcheidenheit und Demut.
Salomo und die Greiſin
Ein Daͤmon, der die Geſtalt Salomos trug, fuhr her— nieder, entſetzte den Koͤnig ſeiner Wuͤrden und beſtieg ſelbſt ſeinen Thron. Der wahre Herrſcher aber lief von Haus zu Haus und rief laut: Ich bin Salomo, der Sohn Davids! Und die Menſchen verhoͤhnten ihn und ſagten: Unſer Koͤnig thront in Jeruſalem, und der Bloͤd— ſinnige will Salomo ſein. Sie ſchlugen ihn mit einem Schilfrohr, und wenn ſie ihm zu eſſen gaben, ſo war es ein Napf Gruͤtze.
Nach drei Jahren Umherirrens kam Salomo in das Haus einer Greiſin zur Nacht, und er weinte vom Abend bis zum Morgen. Die mitleidige Wirtin fragte ihren Gaſt: Weswegen vergießt du Traͤnen? Der Wanderer erwiderte: Ich ſchaͤme mich, es dir zu ſagen; du wirſt mir doch nicht recht geben. Die Greiſin ſprach: Schuͤtte vor mir dein Herz aus. Da ſagte der Entthronte: Ich bin Salomo, der König von Iſrael. Die alte Frau ſprach: Wie biſt du um deine Groͤße gekommen? Salomo erzählte: Eines Tages ſpielte ich mit meinem Siegel- ring, und da kam der Oberſte aller Teufel, riß ihn mir aus der Hand und warf ihn ins Meer. Da ſiel die
Salomo und die Greifin 51
Greiſin ein: Es traf ſich, daß ich geſtern einen großen Fiſch kaufte; ich ſchnitt ihn auf und fand einen Ring in ſeinem Bauche. Und ſie fragte: Willſt du den Zierat ſehen? Vielleicht iſt es dein Ring. Salomo entgegnete: Den erkenne ich ſogleich. Die Greiſin holte den gefun— denen Ring hervor, und ſiehe, das Zimmer ward hell von ſeinem Leuchten. Als aber Salomo ſeinen Ring gewahrte, erhob er von neuem ſeine Stimme und weinte. Die alte Frau legte ihm den Siegelring an den Finger, und in dieſem Augenblick erſchien ein Engel und brachte Salomo vor die Tore Jeruſalems.
Alsbald ließ der geweſene Koͤnig ſeinen einſtigen Rat— geber Benaja rufen und ſprach zu ihm: Ich bitte dich, nimm dich meiner an. Es ſind drei Jahre her, daß ich als Bett— ler umherziehe, und ich bin nackend und bloß. Gedenke unſerer letzten gemeinſamen Sitzung, da wir beide mit— einander Rat hielten. Damit weiſe ich mich vor dir aus. Willſt du aber wiſſen, wer der iſt, der meinen Thron jetzt einnimmt, ſo frage die Koͤnigsweiber nach ihm.
Benaja eilte zu den Alteſten des Hohen Rates, und ſie verhaͤngten ein Faſten und ein Beten. Danach ließen fie bei den Frauen Salomos fragen, wie der König ſich zu ihnen verhalte. Die Weiber antworteten: Unſer König zeichnete uns früher nacheinander mit ſeiner Gunſt aus, jetzt aber ſucht er uns alle tauſend in einer Nacht auf.
Hierauf ſprach Benaja den echten Namen Gottes aus und ſtuͤrzte den Eindringling vom Throne. Salomo
52 Der Born Judas
aber wurde von dem Boten Gottes erfaßt und wieder auf ſeinen Stuhl geſetzt.
Salomo als Bettler
König Salomo hat den Spruch geprägt: Es iſt beffer ein Gericht Kraut mit Liebe denn ein gemaͤſteter Ochſe mit Haß.“ Wann iſt Salomo dieſe Einſicht geworden? Ein Talmudlehrer fuͤhrte das aus und erzaͤhlte: Als der weiſe Koͤnig um ſeinen Thron gebracht worden war und an die Tuͤren der Haͤuſer klopfen mußte, um ſein taͤgliches Brot zu gewinnen, traf er mit einem reichen
kanne zuſammen, den er um eine Gabe bat. Diefer ſagte: Mein Herr, iſt es dein Wille, ſo kehre fuͤr heute bei mir ein. Salomo ließ ſich fuͤhren, und der Reiche brachte ihn in das obere Stockwerk ſeines Hauſes, bereitete einen ganzen Ochſen fuͤr ſeinen Gaſt und ſetzte ihm außerdem viele Speiſen vor. Darauf aber begann der Gaſtgeber von den verfloffenen herrlichen Zeiten Salomos zu erzählen und fragte immerzu: Erinnerſt du dich noch der und der Taten, die du, als du Koͤnig warſt, vollbracht haſt? Da nun dem Entthronten ſeine geweſene Groͤße vor Augen gefuͤhrt ward, fing er zu weinen und zu heulen an. Und das ganze Mahl wurde von den Schilderungen des Wirtes und dem Jammern des Gaſtes begleitet, bis letzterer mit Traͤnen davonging.
Des andern Tages begegnete Salomo einem armen Manne, bettelte auch ihn an, und dieſer ſprach zu ihm: Mein Herr, gefaͤllt es dir, ſo nimm bei mir Herberge *Spruͤche XV 17.
Salomo als Bettler 53
fuͤr den heutigen Tag. Da antwortete Salomo: Willſt auch du mich kraͤnken, wie es dein Genoſſe geſtern mit mir gemacht hat? Der Freundliche erwiderte: Ich bin ein armer Mann und kann, wenn du mich beſuchſt, dir nur ein Gericht Kraut anbieten. Iſt es dir recht, ſo tritt in mein Haus. Da willigte Salomo ein und ging mit dem Manne nach ſeiner Wohnung. Als die beiden drinnen waren, wuſch der Wirt ſeinem Gaſt Geſicht, Haͤnde und Fuͤße und ſtellte auf den Tiſch einen Teller Kraut hin. Aber er troͤſtete den einſt Maͤchtigen und ſprach zu ihm: Mein Herr, der Allguͤtige hat deinem Vater einen wahren Eid geſchworen, davon wird er ſich nicht wenden: Ich will dir auf den Stuhl ſetzen die Frucht deines Leibes. Alfo wird die Herrſchaft dem Samen Davids nicht genommen werden. Das ſind aber von jeher des Herrn Wege: er weiſt zurecht und zuͤchtigt und laßt dann wieder Gnade walten. Heißt es doch: Wen Gott liebhat, den ſtraft er, und hat doch Wohl— gefallen an ihm wie ein Vater am Sohn.“ Alſo wird er auch dir dein Koͤnigreich wiedergeben. Als Salomo dieſe Rede vernahm, ward er wieder frohgemut.
* Pſalmen CXXXI 11. — * Sprüche III 12.
Der Roman von Salomo und Naama
Jem Koͤnig Salomo war die Gabe zuteil, in den
Luͤften zu ſchweifen; er bewegte ſich ohne Furcht und Angſt in den oberſten Regionen und durfte aus dem Munde der gefallenen Engel, Aza und Azael, Geheim— niſſe empfangen. Die himmliſchen Heerſcharen beugten ſich und knieten vor dem Herrn und prieſen ihn hoch, daß er Iſrael einen ſolchen König gegeben hatte. Sie erfuͤllten Salomo jedweden Wunſch, und er war ſomit Herrſcher uͤber die Bewohner des Himmels und die der Erde. Auf ſeinen Befehl wurden die Steine und alles zum Bau des Tempels Gehoͤrige herbeigeſchafft. Als er aber den Wurm Samir, der die Felſen ſprengt, ſich dienſt— bar machen wollte, ward, um dazu zu verhelfen, Asmo— daͤus, der Koͤnig der Geiſter, zu Salomo gebracht und in eiſerne Ketten gelegt. Ein Reif, auf dem der wahr— hafte Name Gottes eingeritzt war, bildete den Verſchluß der Feſſeln. So wurde Asmodaͤus ein Gefangener Sa— lomos und verblieb es lange Zeit auch nach der Voll— endung des Tempels.
Allein Salomo ward fuͤr ſeine Suͤnden eine Pruͤfung beſchieden, und ſo geſchah es, daß ihn Asmodaͤus bat, feine Ketten zu loͤſen, wofür er ihm ein gewaltiges, über- aus furchtbares Geheimnis zu offenbaren verſprach. Und Salomo glaubte den Worten des Tuͤckiſchen und befreite ihn von den Feſſeln. Da ergriff der Daͤmonenfuͤrſt den Ring mit dem eingeritzten heiligen Namen und warf ihn ins Meer, wo das Schmuckſtuͤck alsbald von einem großen
Der Roman von Salomo und Naama 55
Fiſche verſchlungen wurde. Danach faßte Asmodaͤus den Koͤnig und ſchleuderte ihn vierhundert Meilen fort vom Lande Iſrael. In einem Augenblick ward Salomo feiner Herrſchaft und all ſeiner Pracht beraubt.
Drei Jahre waͤhrte das Elend Salomos. Da erbarmte ſich ſeiner der Herr um ſeines Vaters David willen und weil es ſein Ratſchluß war, daß der Ammoniterin Naama der Meſſias entſprießen ſollte. So fügte er es, daß Sa— lomo nach dem Lande Ammon kam, nach der Hauptſtadt des Landes, die den Namen Meſichmem trug. Hier ſtand der geweſene König Iſraels auf der Straße, als der Kuͤchenmeiſter des Koͤnigs von Ammon, dem die Her— richtung der fuͤrſtlichen Mahlzeiten oblag, vorbeiging. Er ſah den tatenlos Daſtehenden und nahm ihn in Fron. Der Juͤngling ſollte ihm die Koͤrbe mit den Lebensmitteln tragen und ſonſtige Handreichungen machen. Salomo verrichtete alles. Nach einigen Tagen bat er den Haus— halter, daß er ihm das Kochen fuͤr den Koͤnig uͤberlaſſe, denn er ſei in dem Geſchaͤft wohlbewandert. Der Haus— halter willigte darein, und von nun an bereitete Salomo die Speiſen fuͤr den Koͤnig.
Als nun der Herrſcher von Ammon das von Salomo Gekochte genoß, fragte er den Kuͤchenmeiſter: Wer hat dieſe Gerichte gemacht? Du haſt mir bisher nichts Ahn⸗ liches vorgeſetzt. Da erzaͤhlte der Koch von ſeiner Be— gegnung mit dem fremden Juͤngling und daß dieſer den Herd verſehe. Der Koͤnig ließ den Gehilfen des Haus— halters rufen und ſprach zu ihm: Willſt du von heute ab mein Tafelmeiſter ſein? Salomo erwiderte: Ich willfahre
56 Der Born Judas
dem gern. Hierauf entließ der Koͤnig ſeinen bisherigen Koch und uͤbertrug das Amt Salomo.
Eines Tages ſah die Tochter des Koͤnigs von Ammon, die Naama hieß, den neuen Kuͤchenmeiſter und ſagte ihrer Mutter, daß ſie an ihm Gefallen gefunden habe. Da ſchalt die Königin über fie und ſprach: In dem Reiche deines Vaters gibt es ehrſamer und angeſehener Fuͤrſten genug, daß du von ihnen einen wählen koͤnnteſt. Naama aber antwortete: Ich will nur dieſen Koch zum Gemahl haben. Da verſuchte die Mutter, ihr dieſe Wahl aus— zureden, allein die Prinzeſſin beharrte auf ihrem Wunſch. Sie ſprach: Ich will keines andern Weib werden. So ſah ſich die Koͤnigin gezwungen, ihrem Eheherrn von der Neigung der Tochter zu dem Koch zu erzaͤhlen. Als der Koͤnig dieſe Nachricht vernahm, geriet er in großen Zorn und beſchloß, die beiden Liebenden zu toͤten. Es war aber nicht der Wille des Herrn, daß Salomo und Naama ver⸗ derben ſollten, und ſo ließ er den Koͤnig Mitleid empfinden und vor dem Vergießen unſchuldigen Blutes zuruͤck— ſchrecken. Der Fuͤrſt rief einen ſeiner Knechte und befahl ihm, ſeine Tochter und den Koch in die oͤde Wuͤſte zu führen, damit ſie dort von ſelbſt umfämen. Der Kaͤmmerer tat, wie ihm befohlen worden war, uͤberließ das Paar feinem Geſchick und kehrte zu feinem Herrn zuruͤck.
Salomo aber und Naama erhoben ſich von dannen und zogen weiter, um Nahrung zu ſuchen. So kamen ſie in eine Stadt, die am Meeresſtrande gelegen war. Hier ſah Salomo Fiſcher ihren Fang an die Bevoͤlkerung aus— bieten. Er kaufte einen Fiſch und gab ihn der Prinzeſſin,
Der Roman von Salomo und Naama 57
damit ſie ihn bereite. Naama ſchnitt den Fiſch auf und fand in ſeinem Innern einen Ring, auf dem der echte Gottesname eingeſchnitten war. Sie uͤberreichte den Reif Salomo, und der erkannte ihn als den, der ihm einſt ge⸗ hoͤrt hatte. Er legte den Ring an ſeinen Finger, und alsbald erſtarkte ſein Sinn, und der Herrſchergeiſt geriet uͤber ihn. Er fuhr nach Jeruſalem hinauf, verjagte den Asmodaͤus, beſtieg wieder ſeinen Thron und ſetzte ſich von neuem die Krone auf das Haupt. Danach lud er Abia, den Koͤnig von Ammon, zu ſich ein und ſprach zu ihm: Warum haſt du zwei Seelen ohne Grund umge— bracht? Daruͤber erſchrak der koͤnigliche Gaſt und er— widerte: Bewahre und behuͤte! Ich habe die zwei Men— ſchen nicht getoͤtet, ſondern ſie nach der Wuͤſte verjagt, und ich weiß nicht, was aus ihnen geworden iſt. Da ſagte Salomo: Wenn du ſie ſaͤheſt, wuͤrdeſt du fie er- kennen? Wiſſe, ich bin der Koch, der in deinem Dienſte geſtanden hat, deine Tochter aber iſt meine Gemahlin. Und er ließ Naama rufen, und dieſe kam und kuͤßte die Haͤnde ihres Vaters. Da war die Freude groß, und der König von Ammon kehrte begluͤckt in fein Reich zuruͤck.
Die drei Könige Sfraels als Richter
Das verwahrte Gut
aͤhrend der Regierungszeit Koͤnig Sauls lebte in
einer der Provinzen Palaͤſtinas ein bejahrter Mann, der eine junge, aus reichem Hauſe ſtammende Frau zur Gemahlin hatte. Nun verſchied dieſer Mann und fuhr heim nach der ewigen Wohnſtaͤtte. Der Statt— halter der Landſchaft hatte inzwiſchen ein Auge auf das liebliche Weib geworfen und wollte ſie mit Gewalt in ſein Haus bringen. Allein das Weib mochte fuͤr nichts ihm zu Willen ſein. Da ſie ſich aber vor dem Maͤchtigen fuͤrchtete, beſchloß ſie, aus dem Lande zu fliehen. Sie nahm ihr ganzes Gold, das ſie beſaß, und tat es in ir— dene Kruͤge, fuͤllte aber die Gefaͤße nicht bis an den Rand, ſondern legte von oben eine Schicht Honig auf. Die Toͤpfe gab ſie einem Freunde ihres verſtorbenen Mannes im Beiſein von Zeugen in Verwahrung und verließ die Gegend.
Nach einiger Zeit ſtarb der Statthalter, und das junge Weib kehrte in ihre Heimat zuruͤck. Während ihrer Ab- weſenheit aber begab es ſich, daß der Mann, bei dem ſie ihr Vermoͤgen zuruͤckgelaſſen hatte, das Verlobungsfeſt ſeines Sohnes feierte und Honig benoͤtigte. Er ſtieg in den Keller und entdeckte die Toͤpfe der Witwe. Er hob die Deckel ab und fand die Gefaͤße bis an den Rand mit Honig gefüllt. Als er aber die Honigſchicht entfernte, ſah er das darunter befindliche Gold leuchten, und den— ſelben Inhalt wieſen auch die uͤbrigen Kruͤge auf. Da
Das verwahrte Gut 59
ſchuͤttete der Mann das Gold aus beſchaffte ſich des an dern Tages Honig und füllte damit alle Töpfe der reichen Frau.
Als dieſe nach ihrer Ruͤckkehr ihn aufſuchte und ihr Pfand zuruͤckverlangte, ſagte der Ungetreue: Hole die Zeugen, in deren Gegenwart du mir den Honig in Ver— wahrung gabſt, und nimm deine Toͤpfe zuruͤck. Das Weib kam mit den Zeugen wieder, und der Freund ihres Mannes haͤndigte ihr vor den Augen der Begleiter die Kruͤge aus. Zu Hauſe angelangt, fand die Witwe die Toͤpfe nur mit Honig gefuͤllt. Da fing ſie zu ſchreien und zu jammern an. Sie ging zum oberſten Richter und klagte ihm ihr Leid. Der Richter fragte: Haſt du Zeugen dafuͤr, daß du dem Manne Gold in Verwahrung gegeben haſt? Das Weib antwortete: Davon weiß niemand. Da ſagte der Geſetzesmann: Tochter, wie ſoll ich da Rat ſchaffen? Mache dich auf und geh zum Koͤnig Saul, vielleicht verhilft dir der zu deinem Rechte.
Alſo begab ſich die Frau zum Koͤnig, dieſer aber ver— wies ſie auf das Hohe Gericht. Allein auch der Hohe Rat fragte die Witwe, ob ſie Zeugen dafuͤr habe, daß die Toͤpfe Gold enthielten. Sie erwiderte: Ich habe davon zu niemand geſprochen, das ſollte nicht offenkundig ſein. Da ſagten die weiſen Maͤnner: Wir duͤrfen nur rich— ten, nachdem wir Zeugenausſagen vernommen haben. Dinge, die ohne Mitwiſſer vor ſich gehen, koͤnnen wir nicht beurteilen.
Alſo ging das Weib verzagten Herzens davon und gedachte heimzukehren. Da traf ſie unterwegs David,
60 Der Born Judas
den kuͤnftigen König Iſraels, der zu der Zeit noch ein Hirtenknabe war und draußen mit den Kindern Spiel trieb. Sie hielt mit ihrem Schmerz ſelbſt vor der Jugend nicht zuruͤck und ſagte: Der Hohe Rat hat meiner Klage über den Mann, der mich betrogen hat, kein Gehör ge— ſchenkt. Laßt ihr euch die Sache erzaͤhlen und ſprecht Recht in eurer Guͤte. Da ſagte David: Bitte den Koͤnig, daß er mir geſtattet, hier zu richten, und ich will in der Ange— legenheit Klarheit ſchaffen. Die Frau ging darauf wieder zum Koͤnig Saul und ſprach vor ihm: Mein Herr, ich bin einem Knaben unterwegs begegnet, der, wie er be— hauptet, meine Rechtsſache entwirren kann. Saul ant⸗ wortete: Fuͤhre den Knaben vor mich. Das Weib holte den Hirtenknaben, und der Koͤnig ſprach zu ihm: Iſts wahr, daß du die Wahrheit an den Tag bringen kannſt? David erwiderte: Wenn ich deine Erlaubnis dazu habe, ſo will ich es, auf Gott vertrauend, verſuchen. Da ſprach Saul: Ich geſtatte es dir. Und die beiden gingen davon. Hierauf ſagte David zu der Klaͤgerin: Zeige mir die Kruͤge, die du dem Manne in Verwahrung gegeben haſt. Die Frau holte das Geſchirr und ließ es David ſehen. Der junge Richter fragte: Sind es in Wahrheit die Toͤpfe, die du damals bei dem Manne zuruͤckgelaſſen haſt? Das Weib antwortete: Das ſind ſie. Nun wandte ſich David an den der Untreue beſchuldigten Mann und fragte ihn gleichfalls, ob er die Toͤpfe als die, die in ſeinem Keller geſtanden hatten, erkenne, und auch der Mann bejahte die Frage. Da ſprach David zu der Witwe: Bringe andere leere Toͤpfe her. Das tat ſie, und David
Der Erbe und der Knecht 61
befahl ihr, den Inhalt aus den erften Toͤpfen in die neuen zu ſchuͤtten. Danach hob David die geleerten Gefaͤße und zerbrach ſie vor den Augen aller Anweſenden. Nun unterſuchte er die Scherben und fand an der inne— ren Wand eines Topfes zwei Goldſtuͤcke kleben, die durch den Honig haften geblieben waren. Alsbald ſprach David zu dem, der das Pfand angenommen hatte: Auf und erſtatte der Frau ihr Gold, das ſie dir anvertraut hat! Und Saul und ganz Iſrael erfuhren von der Geſchichte und waren voll großer Verwunderung. Nun wußten alle, daß der Geiſt Gottes mit dem Sohne Iſais war.
Der Erbe und der Knecht“
Zur Zeit, als David Koͤnig uͤber Iſrael war, lebte in einer Stadt ein ſehr reicher Mann, der Knechte und Maͤgde und große Guͤter beſaß. An Kindern hatte er nur einen einzigen Sohn. Eines Tages kaufte der Reiche viel Ware und gab ſie ſeinem Sohne, damit der einen Handel anfange. Der Juͤngling lud die Ware auf ein Schiff, ſtach in See und reiſte nach Afrika, woſelbſt er mehrere Jahre verblieb. Waͤhrend dieſer Zeit ver— ſchied daheim ſein alter Vater, und die ganze Habe ging auf den oberſten Knecht, der die Schaͤtze verwaltete, uͤber. Der Knecht aber fing an, das Geſinde zu bedruͤcken und dermaßen zu plagen, daß die Diener davongingen. Alſo ward der fruͤhere Sklave alleiniger Beſitzer des Vermoͤ— gens, das ſein Herr hinterlaſſen hatte. Er ließ es ſich an nichts fehlen und ſchwelgte im Genuß des Geldes. Vgl. Born Judas II die Geſchichte: Der wahre Sohn.
62 Der Born Judas
Nach einiger Zeit kehrte der Sohn aus dem fernen Lande zuruͤck. Er trat in das Haus ſeines Vaters ein, fand aber ſeinen Erzeuger nicht mehr, denn der war von dan— nen geſchieden. Wie nun der Erbe die inneren Gemaͤcher oͤffnen wollte, erſchien der Knecht, verſetzte ihm einen Stoß und rief: Was willſt du in meinem Haufe, Frech— ling? Da erhob der Juͤngling ſeinen Stock, ſchlug damit den Knecht und ſprach: Nichtswuͤrdiger Sklave, du haſt das von meinem Vater und mir mit Muͤhe Erworbene eingeheimſt und lebſt in Freuden von unſerem Beſitze. So entſpann ſich ein Streit zwiſchen den beiden, und es war niemand da, der ihn ſchlichten koͤnnte. Zuletzt lief der Sohn des Verſtorbenen zum König David, klagte vor ihm und ſprach: Der Koͤnig lebe ewig! Der und der Sklave hat das ganze Vermoͤgen meines Vaters an ſich geriſſen und ſagt zu mir: Nicht du biſt der Eigentümer, ſondern ich bin es. Da fragte David: Haſt du Zeugen, daß dem ſo iſt? Der Erbe erwiderte: Die habe ich nicht. Darauf wurde der Knecht vor den Herrſcher beſchieden und ebenfalls gefragt, ob er Zeugen habe, und auch der gab zur Antwort, daß niemand uͤber den Fall ausſagen koͤnne. Da ſprach der Koͤnig zu dem Knecht: Zieh ab, du biſt dieſem hier nichts ſchuldig. Als der Sohn des Heimgegangenen dieſes Urteil vernahm, gab er ſeinem Verdruß laut Ausdruck und klagte aber und aber uͤber das Unrecht vor dem Koͤnig, bis David erzuͤrnte und ſagte: Wenn du noch weiterjammerſt, will ich dich beſtrafen. Haͤtteſt du Zeugen, ſo koͤnnte ich Recht ſprechen; ohne Zeugen aber, was kann ich tun?
Der Erbe und der Knecht 63
Aber der junge Prinz Salomo ſah den Abgewieſe— nen weinen, und er ſprach zu ihm: Tritt noch einmal vor den Koͤnig; wird er wieder zornig, ſo ſage: Mein Herr und Koͤnig, willſt du mir nicht recht geben, ſo uͤber— laſſe es deinem Sohne Salomo, das Urteil zu ſprechen. Das befolgte der Juͤngling, und David uͤbergab den Fall Salomo zur Entſcheidung. Da fragte Salomo den Klaͤ— ger: Kennſt du das Grab deines Vaters? Der Sohn antwortete: Ich kenne es nicht. Hierauf fragte Salo— mo den Knecht: Wirſt du das Grab des Verſtorbenen finden? Der Knecht erwiderte: Das kann ich wohl. Nun— mehr ſprach Salomo: So geh und bringe mir einen Arm von dem Beſtatteten. Der Knecht ging auf den Friedhof, hieb von der Leiche ſeines Herrn einen Arm ab und brachte ihn Salomo. Da ſprach Salomo zu den beiden Strei— tenden: Ein jeder von euch laſſe ſich zur Ader und nehme das Blut in einem Gefaͤß auf. Nachdem die Rechten— den das vollbracht hatten, ſagte Salomo zu dem Knecht: Tauche den toten Arm in dein Blut. Das tat der Knecht, und der Knochen behielt ſein Ausſehen. Danach befahl Salomo dem Sohne des Verſtorbenen, das abgeſchnittene Glied in fein Blut zu tunken, und ſiehe, der Knochen ver- faͤrbte ſich und wurde rot. Da zeigte Salomo den Arm dem verſammelten Volke und ſprach: Seht, das iſt ein Blut und ein Fleiſch. So mußte der Knecht die ganze Habe, die er ſich widerrechtlich angeeignet hatte, dem wahren Erben zuruͤckgeben. Ganz Iſrael aber ſtaunte uͤber das, wo— von es Zeuge geweſen war. Nicht umſonſt heißt es von Sa⸗ lomo, daß ſeine Weisheit die aller Menſchen uͤbertraf.
64 Der Born Judas
Das geliehene Ei
Einſt hielten die Knappen Davids gemeinſchaftlich ihre Mahlzeit ab, und es wurden ihnen gekochte Eier aufge— tragen. Einer der Juͤnglinge war hungriger als die an— dern und verzehrte ſeinen Teil vor ihnen. Als dann die uͤbrigen zu eſſen begannen, ſchaͤmte er ſich, daß ſeine Schuͤſſel leer war, und ſprach zu ſeinem Nebenmann: Borge mir ein Ei. Der Kamerad antwortete: Ich will es gerne tun, wenn du mir vor Zeugen verſprichſt, mir das Ei zu der Zeit, wann ich es verlangen werde, zuruͤck— zuerſtatten ſamt dem vollen Ertrag, den es mir bis dahin eingebracht haben wuͤrde. Der Knabe verpflichtete ſich vor allen Tiſchgenoſſen, das zu erfuͤllen. Nach langer Zeit erinnerte ihn der Freund an die Schuld. Der Juͤng⸗ ling antwortete: Das Darlehn beſtand nur in einem Ei. Der Freund aber verlangte viel mehr, und ſo gingen ſie beide zum Koͤnig David. Vor dem Tore zum Palaſt ſa⸗ hen ſie Salomo, den Sohn des Koͤnigs, ſitzen. Er hatte es zur Gewohnheit, alle, die zu David in einer Angele— genheit kamen, nach dem, was ſie hierhergebracht haͤtte, zu fragen. Als nun die zwei Knaben erſchienen, wollte er gleichfalls den Grund wiſſen, weshalb ſie gekommen feien. Die Juͤnglinge erzählten ihm ihren Fall. Da ſprach Salomo: Tragt meinem Vater den Zwiſt vor; wenn ihr zuruͤckkehrt, ſagt mir, wie er euch beſchieden hat.
Alſo ließen ſich die Knappen vom Koͤnig David ver— nehmen, und der Klaͤger ſtuͤtzte ſich auf die Ausſagen der
Das geliehene Ei 65
Zeugen und erzählte von der Bedingung, unter der der Borg geſchehen war. Danach haͤtte der, der das Ei er- halten habe, dem, der es gegeben habe, allen Gewinn zu zahlen, den man von einem Ei in ſolch einer langen Zeit habe. Darauf ſprach Koͤnig David zu dem Ange— klagten: Du haſt deine Schuld zu tilgen. Da ſagte der Juͤngling: Ich weiß nicht, wieviel ich zu zahlen habe. Der Freund ſtellte nun vor dem Koͤnig eine Rechnung auf und fuͤhrte folgendes aus: In einem Jahre wird aus einem Ei ein Kuͤchlein; das Jahr darauf bringt dieſes Huhn achtzehn Kuͤchlein; im dritten Jahre erzeugen die achtzehn gleichfalls je achtzehn, und ſo weiter jedes Jahr. Alſo war die winzige Schuld zu einer Rieſen— forderung angewachſen, und der Knabe verließ den Ge— richtsſaal des Koͤnigs voll Bangigkeit. Am Schloßtor ſprach ihn wieder Salomo an und fragte: Wie war das Urteil des Koͤnigs? Der Juͤngling erwiderte: Ich werde genötigt, für alles aufzukommen, was mein Freund, wie er ſagt, an dem Ei verloren hat, und ſiehe, das macht eine große Summe aus. Da ſagte Salomo: Hoͤre auf meine Stimme; ich will dir einen guten Rat geben. Der Juͤngling antwortete: Moͤgeſt du lange leben! Salomo ſprach: Geh aufs Feld hinaus und mache dir an einem gepfluͤgten Acker zu ſchaffen, an dem die Regimenter des Koͤnigs taͤglich vorbeiziehen. Nimm ein Maß gekochter Bohnen mit und wirf, wenn du die Streiter kommen ſiehſt, eine Handvoll davon in die Erde. Wer dich nun fragt, was du tuſt, dem ſage: Ich ſaͤe gekochte Bohnen. Fragt man dich dann: Wer hat denn je geſehen, daß
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man gekochte Fruͤchte als Saat verwende, — dem ant⸗ worte: Wer hat je geſehen, daß aus einem gekochten Ei ein Kuͤchlein werde?
Der Juͤngling ſaͤumte nicht, dieſe Weiſung zu befol- gen, ſtellte ſich an den bezeichneten Ort und ſtreute den wunderlichen Samen in die Erdfurchen. Als die Soͤld— ner vorbeizogen, fragten ſie den Knaben: Was machſt du hier? Er antwortete: Ich will gekochte Bohnen zum Keimen bringen. Da meinten die Streiter: Hat man je gehoͤrt, daß Gekochtes weiterſprieße? Der Juͤngling entgegnete: Hat man je gehoͤrt, daß ein geſottenes Ei ſich zu einem Kuͤchlein verwandle? Und jede vorbeizie— hende Truppe ſtellte dieſelbe Frage und erhielt dieſelbe Antwort, bis die Geſchichte zu den Ohren des Koͤnigs drang. Da ließ David den Juͤngling abermals vor ſich kommen und fragte ihn: Wer hat dir eingegeben, ſo zu verfahren? Der Knabe antwortete: Ich bin ſelbſt auf den Ausweg verfallen. David aber ſprach: Ich erkenne die Hand Salomos in dieſem Treiben. Da geſtand der Juͤngling die Wahrheit und ſagte: Bei deinem Leben, mein Herr und Koͤnig, dein Sohn Salomo hat dieſen Rat erſonnen von Anfang bis zu Ende. Nunmehr ließ Da- vid den Prinzen rufen und ſprach zu ihm: Wie fällt dein Urteil in dieſer Sache aus? Salomo gab zur Antwort: Wie ſoll der Juͤngling fuͤr Dinge einſtehen, die man als vorhanden nicht anſehen kann? Ein Ei, das in fochen- dem Waſſer gar geworden iſt, kann nicht als ein fünfti- ges Kuͤchlein betrachtet werden. Hierauf ſprach David zu dem Juͤngling: Gib deinem Glaͤubiger nur ein Ei zu—
Die mildtätige Frau 67
ruͤck. Daher heißt es: Herr, gib dein Gericht dem Könige und deine Gerechtigkeit des Koͤnigs Sohne.“
Die mildtätige Frau Folgende bedeutungsvolle Geſchichte trug ſich in den Tagen Koͤnig Salomos, Friede ſei mit ihm, zu.
Es lebte in einem Orte eine fromme Frau, die ſtets bemuͤht war, Gutes zu tun. Obgleich ſie ſelber nicht reich war, gab fie von dem Ihrigen andern ab. Sie buk täg- lich drei Brote und verſchenkte zwei davon an Arme; das dritte war ihre Tagesſpeiſe. Einmal pochte an ihre Tuͤr ein Mann und ſprach: Herrin, ich fuhr mit meiner Habe auf einem Schiffe, aber das Fahrzeug zerbrach, und alle ſeine Inſaſſen wie der Steuermann ſind umgekommen; nur mich allein haben die Wellen an den Strand geſpuͤlt, und ich bin dem Tode entronnen. Jedoch was nuͤtzt mir das, meine Sinne ſind ſchier vergangen, denn es ſind drei Tage her, daß ich nichts genoſſen, da ich durch un— wirtliche Gegenden getrieben worden bin. Alsbald holte das Weib ein Brot herbei und gab es dem Hungernden. Danach ſetzte ſie ſich hin und wollte das zweite Brot ver— zehren, als wieder ein Armer an ihrer Schwelle erſchien, ſeine Stimme erhob und flehentlich bat: Gnaͤdigſte, er— barme dich meiner und gib mir Brot, daß mein Geiſt wieder auflebe. Ich wurde von Feinden gefangengehal— ten, und es ſind drei Tage her, daß ich geflohen bin und auf der Flucht nichts gegeſſen habe. Da reichte ihm die Mitleidige das zweite Brot und rief: Gelobt ſei der Pſalmen LXXII I.
68 Der Born Judas
Herr, daß er mir Gutes zu tun gegeben hat; ſeiner Hilfe ſei Dank, mein Teil iſt lauter. Nun zog ſie das dritte Brot hervor, um es zu verſpeiſen, aber da betrat ein dritter Bettler ihr Haus und ſprach: Guͤtigſte, ich bin unterwegs von Raͤubern, die mir auflauerten, uͤberfallen worden und mußte mich in den Wald fluͤchten. Alſo naͤhre ich mich ſchon ſeit vielen Tagen von Kraͤutern und habe bald vergeſſen, wie ein Stuͤck Brot mundet. Erquicke mich nun mit etwas Backwerk, wodurch ein Schmachtender geſaͤttigt wird. Das gutherzige Weib gab ihr letztes Brot hin und verblieb ſelbſt ohne Speiſe. Da ſprach ſie bei ſich: Ich will ſehen, ob ich noch Mehl in meinem Sacke habe; das will ich zu einem Teig ruͤhren und daraus ein Brot backen. Und ſie oͤffnete den Sack, aber der enthielt nichts mehr. Alſo ſprach das Weib: Ich will Weizen⸗ koͤrner ſammeln, ſie zu Mehl vermahlen und meine Seele laben. Und ſie ging aufs Feld, las ein paar Handvoll Getreide auf, trug es nach der Muͤhle und mahlte die Koͤrner fein. Sie legte ſich das Saͤcklein auf den Kopf und trat den Heimweg an. Aber da erhob ſich vom Meere ein wehender Sturm, riß es ihr vom Haupte und ſchleu— derte es weit weg. Alſo ward die Arme um ihre Hoff— nung gebracht. Sie fing bitter zu weinen an und rief: Womit mag ich mich vor dem Herrn verſuͤndigt haben, daß mir ſolches widerfahren iſt? Und ſie ging zum Koͤnig Salomo. An dem Tage war um ihn der Hohe Rat ver— ſammelt. Sie ſprach: Sagt an, ihr Gerechten, was kann der Grund ſein dafuͤr, daß ich heute auch nicht eines trockenen Stuͤckes Brot teilhaftig geworden bin? Da ſie
Die mildtätige Frau 69
noch redete, betraten den Saal drei Handelsleute, die mit ihrem Schiffe gelandet waren, und ſprachen: Unſer Herr und Koͤnig, nimm die ſiebentauſend Goldſtuͤcke an dich, ſie ſollen ein Weihegut fuͤr edle Arme ſein. Salomo fragte: Was iſt geſchehen, daß ihr ſo viel Geld gutwillig opfert? Da erzaͤhlten die Kaufherren: Wir fuhren auf unſerm Schiffe, das koſtbare Ladung trug, und waren unweit des Ufers, als es ein Leck bekam. Das ſuchten wir zu verſtopfen, allein es gelang uns nicht, und das Schiff war nahe daran, mit allem, was darauf war, zu verſin— ken. Da riefen wir: Gebieter der Welt! Erreichen wir das Feſtland, ſo ſoll der zehnte Teil von dem, was das Schiff birgt, den Armen gehoͤren, und wir ſelbſt wollen Buße tun. Und wir fielen mit dem Angeſicht zur Erde, auf daß einer nicht das Sterben ſeines Gefaͤhrten ſehe. Und ſo groß war unſere Angſt, daß die Sinne ver— wirrt wurden. Wir merkten es nicht, daß wir die Kuͤſte erreicht hatten und uns bereits auf dem Feſtlande befan— den. Wir rechneten den Wert unſerer Waren zuſammen, und der Zehnte davon machte ſiebentauſend Goldſtuͤcke aus, die wir unſerm Geluͤbde gemaͤß hiermit darbringen. Da ſprach Koͤnig Salomo zu den Kauffahrern: Wißt ihr, an welcher Stelle das Loch ſich befand und wodurch es geſchloſſen worden iſt? Die Handelsleute erwiderten: Das wiſſen wir nicht. Salomo ſprach: So ſeht euch euer Fahrzeug an. Die Kaufherren gingen hin und fan— den, daß das Leck von einem Sacke Mehl geſchloſſen wor— den war. Den zogen ſie heraus und brachten ihn dem Koͤnig. Da ſprach Salomo zu dem frommen Weibe: Er—
70 Der Born Judas
kennſt du den Sack an ſeinen Merkmalen und ſeinem Siegel? Die Frau entgegnete: Ich erkenne ihn wohl, das iſt mein Mehlſack. Darauf ſagte Salomo: Deinet⸗ wegen hat es der Herr vollbracht; wer in Gottes Wegen wandelt, mit dem iſt Gott.
Und alle Anweſenden wie der Hohe Rat ſtaunten ob der Weisheit Salomos.
Von Benaja und Salomo
Der Streit der Glieder
s gab einſt einen Koͤnig im Perſerlande, der litt an
Auszehrung und war dem Sterben nahe. Da ſagten die Arzte, die ſeine Krankheit behandelten: Nur eins koͤnnte dem Koͤnig helfen. Wenn er Loͤwenmilch zu trinken bekaͤme, wuͤrde er geneſen. Darauf ſchickte der Herrſcher ſeinen Leibarzt zu Salomo, dem Sohne Davids, daß der ihm Loͤwenmilch zu finden verhelfe. Als der Arzt bei Sa⸗ lomo eintraf, ließ dieſer den Feldherrn Benaja ben Jo— jada holen und fragte ihn: Wie koͤnnte man Loͤwenmilch beſchaffen? Benaja antwortete: Laß mich zehn Zicklein mitnehmen, und ich will eine Loͤwin melken. Und er be- gab ſich mit einigen Dienern außerhalb Jeruſalems, wo er eine Loͤwenhoͤhle wußte. Er ſtellte ſich von ferne hin und ſah die Loͤwin ihre Jungen ſaͤugen. Da warf er ihr ein Zicklein zu, und ſie fraß es. Den zweiten Tag trat Benaja etwas naͤher an die Hoͤhle und warf der Loͤwin wieder ein Zicklein zu. So kam er jeden Tag naͤher an die Grube, bis er am zehnten Tag mit der Loͤwin ſpielen konnte. Er zog einen Augenblick an ihren Zitzen, entnahm den Eutern Milch und ging davon. Nun kehrte er zu Salomo zuruͤck, gab die Loͤbenmilch dem fremden Arzt und ließ ihn mit Frieden zu ſeinem Herrn gehen.
Als der Heiler ſich in der Mitte des Weges befand, ſchlief er ein und ſah im Traum die menſchlichen Koͤr— perteile miteinander rechten. Die Fuͤße ſprachen: Kein Glied iſt ſo wichtig wie wir; waͤren wir nicht zum Koͤnig
72 —— Der Born Judas
Salomo geeilt, die Milch haͤtte nicht herbeigeholt werden koͤnnen. Darauf ſagten die Haͤnde: Keines der Glieder iſt wie wir. Haͤtten die Haͤnde Benajas die Milch den Bruͤſten nicht entnommen, ſie waͤre nicht da. Die Augen meinten: Wir find obenan z hätten wir den Weg zur Höhle nicht gewieſen, nichts waͤre erreicht. Das Herz aber ſprach: Ich bin als das erſte Glied zu nennen. Haͤtte ich den Rat nicht erſonnen, eure Hilfe wäre unnuͤtz. Nun fiel die Zunge ein: Ich bin das Hauptglied. Gaͤb es keine Sprache, was vermoͤchtet ihr alle miteinander? Aber da ſchalten alle Glieder die Zunge und riefen: Wie wagſt du es, dich uns gleichzuſtellen, die du im Finſtern wohnſt und Fleiſch ohne Knochen biſt. Die Zunge aber antwortete: Ihr ſollt es heute noch erfahren, daß ich euer Herr bin.
Als der Arzt von ſeinem Schlaf erwachte, behielt er den Traum in ſeinem Herzen; er zog aber ſeine Straße weiter. Er kam vor den kranken Koͤnig, und ſeine Zunge ſtammelte die Worte: Hier iſt die Hundemilch, die wir fuͤr dich ausfindig gemacht haben. Trinke davon. Da erzuͤrnte der Koͤnig uͤber den Heilkuͤnſtler und befahl, ihn zu henken. Als man ihn an den Galgen fuͤhrte, überftel ein Zittern alle Glieder des Verurteilten. Da ſprach die Zunge zu den uͤbrigen Koͤrperteilen: Heute ſagte ich es euch, daß ihr alle nicht wichtig ſeid. Wenn ich euch nun rette, wollt ihr da bekennen, daß ich eure Herrſcherin bin? Die Glieder antworteten: Das werden wir zugeben. Da wandte ſich die Zunge an die Henker und ſprach: Bringt mich noch einmal vor den Koͤnig. Das befolgten die
Der Erbe mit den zwei Köpfen 73
Strafvollzieher. Da fragte der Arzt den Fuͤrſten: Warum haſt du mich zu toͤten befohlen? Der Koͤnig antwortete: Weil du mir Hundemilch gebracht haſt. Der Arzt ſprach: Was verſchlaͤgts? Wenn ſie nur eine gute Arznei iſt. Aber auch eine Loͤwin nennen wir Huͤndin. Darauf trank der Koͤnig von der Milch und ward geſund. Es war aber auch Loͤwenmilch, was er genoſſen hatte. Alſo entließ er den Arzt in Frieden. Da ſprachen die Glieder zu der Zunge: Nun ſehen wir, daß du in Wahrheit Herrin aller Glieder biſt. Daher ſagt auch die Schrift: Tod und Leben ſteht in der Zunge Gewalt.“
Der Erbe mit den zwei Köpfen Folgende Geſchichte ſpielte ſich zur Zeit Koͤnig Salomos ab. Es kam zu ihm einſt Asmodaͤus und ſprach zu ihm: Biſt du, von dem es heißt: Er iſt weiſer denn alle Men- ſchen? Salomo erwiderte: So hat mir der Herr verſichert. Da ſprach Asmodaͤus: Iſt es dein Wunſch, ſo zeige ich dir ein ſonderbares Geſchoͤpf, wie du es dein Lebtag nicht geſehen haſt. Salomo antwortete: Das will ich gern ſchauen. Alsbald ſtreckte Asmodaͤus ſeinen Arm nach unten aus und zog aus der Unterwelt Tebel einen Men— ſchen hervor, der zwei Koͤpfe und vier Augen hatte. Da erbebte und entſetzte ſich Salomo. Er ſprach aber: Fuͤhre das Ungeheuer in mein Gemach. Danach ließ der Koͤnig ſeinen Feldherrn Benaja rufen und ſprach zu ihm: Weißt du, daß es auch in den Regionen, die unter uns ſind, Menſchenkinder gibt? Der Feldherr erwiderte: Ich »Spruͤche XVIII 21.
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Der Erde mit den zwei Köpfen 75
Wunſch, nach deiner Heimat zurückzukehren? Der Zwei⸗ koͤpſige erwiderte: Tut es in eurer Güte und bringt mich in mein Land zuruck. Da ließ Salomo As modaͤus kom⸗ men und bat ihn, das fremde Weſen nach dem Weltteil Tebel zuruͤckzufuͤhren. Allein der Daͤmonenfuͤrſt antwer⸗ tete: Das iſt fuͤr alle Ewigkeit nicht mehr moͤglich. Alſo blieb der Zweikoͤpſtge im Lande Iſrael wohnen. Er erwarb einen Acker, pfluͤgte das Feld und ſchnitt das Getreide und ward ſehr reich. Er ehelichte ein Weib und zeugte mit ihr ſieben Soͤhne. Davon gerieten ſechs der Mutter nach, einer aber ward wie der Vater und kam mit zwei Koͤpfen auf die Welt. Hernach ſtarb der Fremd⸗ ling und hinterließ ſeinen Soͤhnen ein großes Vermögen. Die ſechs mutteraͤhnlichen Söhne ſprachen: Wir find unſer fieben Erben. Der Zweikoͤpſtge aber ſprach: Wir ſind unſer acht, und auf mich entfallen zwei Teile von der - Kinterlaffenjhaft. Und ſie gingen zum König Salomo, daß der in ihrem Erbſchaftsſtreit richte. Die ſechs feru- 8
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chen: Unſer Herr und König! Wir jind ſteben Brüder, der aber unter uns, der zwei Köpfe bat, behauptet, er muͤſſe f zwei Teile bekommen, und will das vaͤterliche Erde in acht Teile teilen. In dieſem Augenblick verſiegte die Weisheit Salomos. Er ließ die Sache vor den Hohen Nat bringen, aber auch die Geſamtheit der Richter ver⸗ mochte nicht, den Streit zu ſchlichten. Sie ſprachen: Sollen wir jagen, daß der Seltſame nur ein Weſen iſt. vielleicht ſtellt er dennoch zwei Menſchen dar? Und ſie enthielten ſich des Urteils. Da ſagte Salomo: Der Mor: gen wird Recht ſprechen.
76 Der Born Judas
Als es Mitternacht wurde, begab ſich der Koͤnig in den Tempel, ſtellte ſich zu einem Gebet hin und rief: Herr der Welt! Als du mir in Gibeon erſchienſt, ſprachſt du zu deinem Knechte: Verlange von mir, was du willſt, du ſollſt es haben! Ich ging dich damals weder um Gold noch um Silber an und bat dich nur, mich der Weisheit teilhaftig werden zu laſſen, damit ich die Menſchenkinder gerecht richte. Da erwiderte der Herr: Du ſollſt am Morgen erleuchtet werden.
Des andern Tages rief Salomo abermals feinen Ge— richtshof zuſammen und ſagte: Laßt den Zweikoͤpfigen vor uns erſcheinen. ö
Alsbald wurde dieſer Erbe geholt, und Salomo ſprach: Schaut zu; ich will mit dieſem Mann einen Verſuch machen. Und der Koͤnig befahl, heißes Waſſer, alten Wein und ein Leintuch herzubringen. Als das geſchehen war, vermengte er den Wein mit dem Waſſer, tauchte das Tuch darein und warf es an den einen Kopf des Rechthaberiſchen. Da riefen beide Koͤpfe: Unſer Herr und Koͤnig, wir muͤſſen ſterben, das iſt unſer Ende, wir ſind ein Menſch und nicht zwei. Die Verſammelten ſagten hierauf: Habt ihr nicht beteuert, daß ihr zwei ſeiet? Hierauf wurden die Streitenden entlaſſen, und der Koͤnig befahl, das Erbe in ſieben gleiche Teile zu teilen.
Da nun Sfrael Salomos Urteil hörte, ward es voll Verwunderung und Furcht.
Das Schachſpiel 77
Das Schachſpiel (Juͤdiſch-deutſch) Eine der liebſten Unterhaltungen Koͤnig Salomos war das Schachſpiel, welches, wie jedermann weiß, er auch erfunden hat.
Eines Tages ſaß er wie taͤglich mit ſeinem oberſten Ratmann Benaja bei dieſem Spiel, und letzterer befand ſich in arger Bedraͤngnis. Denn dem Koͤnig, als dem Erfinder der Kunſt, konnte niemand darin beikommen. Waͤhrend nun Benaja ſich keinen Rat wußte, drang von der Straße ein Laͤrm in den Saal. Zwei Maͤnner zankten und rauften miteinander vor dem Schloſſe. Der Koͤnig ſtand auf und ſchaute zum Fenſter hinaus. Dieſen Augen- blick benutzte Benaja, um von den Steinen des Koͤnigs ei— nen zur Seite zu ſchaffen. Salomo ſetzte ſich wieder an den Spieltiſch, hatte aber das Verſchwinden des Steines nicht bemerkt. Und nun wurde ſeine Hand matt, und es gelang ihm nicht mehr, das Spiel zu ſeinem Vorteil zu wenden. Alſo wurde der bisher ſtets Beſiegte einmal zum Sieger.
Den Koͤnig aber verdroß es, daß ſeine Weisheit dieſes Mal verſagt hatte, und er wußte doch ſo wohl, daß ſich keiner ruͤhmen konnte, die Kunſt wie er zu beherrſchen. So beſchloß er denn, der Urſache ſeiner Niederlage nach— zugehen. Er ſtellte die Figuren noch einmal in ihrer ur— ſpruͤnglichen Ordnung auf und ſchob ſie bald hin und bald her. So fand er heraus, daß einer von den Steinen fehlte. Er ſprach bei ſich: Gewißlich hat mich Benaja hintergangen, als ich zum Fenſter hinausguckte. Er hat
78 Der Born Judas
ſodann den Stein entfernt und ſo das Spiel gewonnen.
Ich will ihm aber nicht die Schande ins Geſicht ſagen, ſondern es ſo anſtellen, daß er von ſelbſt die Wahrheit bekennt und geſteht, daß er mich betrogen hat, um mich um den Sieg zu bringen.
Nun verhielt ſich Salomo ſtill und ließ es Benaja nicht merken, daß er an das Geheimnis irgendwie dachte. Eines Tages vor Abend lehnte ſich der Koͤnig zum Fen— ſter hinaus und ſah auf der Straße zwei Maͤnner mit Saͤcken auf den Schultern leiſe gehen und fluͤſtern. Aus ihren Gebärden erkannte er, daß fie auf Raubzuͤge aus— gegangen waren und ihre Beute in die Saͤcke tun wollten. Da zog ſich Salomo raſch ins Zimmer zuruͤck, warf ſein koͤnigliches Gewand ab, ſteckte ſich in ein Dienerkleid und eilte auf die Straße zu den zwei Maͤnnern. Er gruͤßte ſie und ſprach zu ihnen: Seid geſegnet, ihr lieben Freunde! Auch meine Finger haben euer Handwerk ge— lernt. Seht, ich halte in der Hand die Schluͤſſel zu den Gemaͤchern des Koͤnigs, wo ich ſeine Schaͤtze verborgen weiß. Schon lange ſinne ich auf Wege, meinen Plan auszufuͤhren; nun habe ich alles wohl durchdacht, ich mag aber nicht allein das Wagnis unternehmen. Gefaͤllt es euch, ſo kommt mit, wir wollen gemeinſame Sache machen. Da willigten die Geſellen ein, denn ſie erkannten den Koͤnig nicht, und ſagten: Du gib uns an, was wir zu tun haben, und fuͤhre uns den Weg; die Arbeit ſelbſt wollen wir mit unſerm Werkzeug vollbringen. Salomo antwortete: Es iſt aber noch zu hell; warten wir, bis es Nacht iſt und Jeruſalem im Schlafe liegt.
Das Schachſpiel 79
Als es Mitternacht wurde, ſprach der Koͤnig zu den zwei Schelmen: Macht euch auf, jetzt iſt die Zeit ge— kommen. Und er fuͤhrte ſie in den Palaſt und brachte ſie in ein Zimmer, in dem ſich viele Koſtbarkeiten befanden. Die Diebe griffen danach, er aber ſprach zu ihnen: Faßt hier nichts an, ihr findet Beſſeres, und das ſollt ihr euch nehmen. Dann kam er mit ihnen in einen andern Raum, der gleichfalls voll prachtvoller Gegenſtaͤnde war. Aber auch hier ließ er ſie die Haͤnde nach nichts ausſtrecken, indem er ihnen anderes in Aus ſicht ſtellte, das nicht ſchwer zu tragen ſein wuͤrde. Zuletzt brachte Salomo die Diebe in eine Kammer, in der ſeine Edelſteine aufbewahrt lagen. Hier ſprach er zu ihnen: Greift zu und nehmt, ſoviel ihr haben wollt. Waͤhrend ihr eure Taſchen fuͤllt, will ich hinausgehen und uns den Ruͤckweg ſichern. Unſre Spuren ſollen hier unbemerkt bleiben, und wir ſollen gluͤcklich hinausgelangen. Die Toren glaubten der glatten Rede ihres Verfuͤhrers, nicht ahnend, daß dieſer der Koͤnig ſelbſt war, und gingen ans Werk, ohne zu wiſſen, daß ſie ihr Verderben bereiteten. Salomo aber entfernte ſich und ſchloß die Tuͤr des Gemaches ab; nunmehr waren die Raubluſtigen wie in einem Netze gefangen. Hierauf zog Salomo ſeine koͤniglichen Kleider an, rief ſeine Diener und ſagte: In meine Schatzkammer ſind Diebe eingedrungen. Gebt Obacht, daß keiner von ihnen ent— rinnt; ſonſt ſeid ihr des Todes. Da wurden die Geſellen auf das ſtrengſte bewacht.
Des Morgens ließ der Koͤnig ſeinen Gerichtshof zu— ſammentreten. Der oberſte Ratmann Benaja follte gleich—
80 Der Born Judas
falls zugegen ſein. Salomo ſetzte ſich obenan und ſtellte die Frage: Ihr wahrheitsliebenden, geſetzeskundigen Maͤnner, ſagt an, wie ſoll ein Dieb beſtraft werden, der bei der Tat ertappt worden iſt und noch dazu ein Dieb, der den Koͤnig beſtohlen hat? Als Benaja dieſe Worte vernahm, wurde ſein Herz zage, und ſeine Glieder be— gannen zu zittern, denn er dachte bei ſich: Nun hat mein Herr die Sache mit dem Stein entdeckt und will mich von dem Hohen Gerichtshof verurteilen laſſen. Schweige ich jetzt und warte, bis der Richterſpruch gefallen iſt, ſo werde ich als ein uͤbeltaͤter doppelt beſtraft. So iſt es wohl beſſer, ich geſtehe dem Koͤnig mein Vergehen ein, rechtfertige mich vor ihm und bitte ihn um Ver— zeihung; vielleicht wird er mir wieder geneigt und ver— gibt mir meinen unbedachten Schritt. Und Benaja ſaͤumte nicht mit dem, was er ſich vorgenommen hatte; er ſiel vor dem Koͤnig mit ſeinem Angeſicht zur Erde, flehte ihn an und ſprach: Ich, mein Herr und Koͤnig, ich bin der Dieb. Bei unſerm letzten Schachſpiel, als meines Herrn Auge den Vorgang auf der Straße beobachtete, habe ich mich erdreiſtet und einen Stein entwendet, wodurch ich damals gewann. Und nun, mein Herr und Koͤnig, ich habe mich vor dir und vor den Richtern laut zu meiner Schuld bekannt, ſo ſieh denn daruͤber hinweg und befreie mich von der ſchweren Strafe. Salomo hoͤrte das Geſtaͤndnis ſeines Feldherrn an, lachte und ſprach: Sei ruhig, Freund Benaja, nicht deinetwegen habe ich den Gerichtsrat zu— ſammengerufen. Ich habe den kleinen Vorfall laͤngſt vergeſſen und dir auch verziehen. Ich ließ die Richter
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Das Schachſpiel 81
zuſammentreten, weil ich in dieſer Nacht zwei Schelme abgefaßt habe, die meine Schaͤtze ausraͤumen wollten. Alſo, ihr Herren Richter, ſprecht euer Urteil. Der Ge— richtshof pruͤfte den Fall und verhaͤngte uͤber die Diebe den Tod durch den Strang.
Salomo aber freute ſich ſehr, daß es ihm gelungen war, durch die Überfuͤhrung der Diebe Benaja in einen grundloſen Schreck zu verſetzen und ihm ſo das Bekennt— nis zu entlocken. Nun wußte er, daß die Urſache des verlorenen Spieles nicht im verminderten Koͤnnen zu ſuchen war, und daß ſein Geiſt ihn nicht verlaſſen hatte.
Die Schlange und der Menſch
r wird dir den Kopf zertreten, und du wirſt ihn in die Ferſe ſtechen, ſo ſprach der Herr zur Schlange,
als er ſie verfluchte.“ ö Ein Mann, der einen Krug Milch in der Hand trug, ging durch das Feld. Da ſah er eine Schlange auf der Erde liegen, die ſchrie vor Durſt. Der Mann fragte das Tier: Weswegen rufſt du laut? Die Schlange ant— wortete: Weil ich uͤberaus durſtig bin. Und ſie fragte den Mann: Was traͤgſt du mit dir? Er antwortete: Es iſt Milch, was ich im Kruge habe. Da ſprach die Schlange: Laß mich davon trinken, ich will dir einen großen Schatz zeigen, von dem du reich werden wirſt. Da gab der Mitleidige der Schlange zu trinken. Nach— dem ſie ihren Durſt geſtillt hatte, ſagte der Mann: Laß mich den Schatz ſehen, von dem du geſprochen haſt. Die Schlange ſagte: Komm mit mir. Und ſie gingen zu— ſammen, bis ſie an einen Ort gelangten, wo ein großer Stein lag. Da ſprach die Schlange: Hier unter dieſem Felſen befindet ſich das Gold. Der Mann hob den Stein auf, grub an der Stelle und fand den Schatz. Er nahm ihn und wollte ihn nach Hauſe tragen. Da ſprang die Schlange auf und wickelte ſich feſt um den Hals ihres Wohltaͤters. Er fragte erſchrocken: Was ſtellſt du mit mir an? Die Schlange antwortete: Ich will dich toͤten, weil du mir meinen ganzen Reichtum genommen haſt. Da ſprach der Mann: So komm mit mir vor den Ge—
. Erſtes Buch Moſes III 15.
Die Schlange und der Menſch 83
richtshof des Koͤnigs Salomo. Und ſie begaben ſich beide zum Koͤnig, die Schlange aber ſaß noch immer auf dem Nacken des Mannes. Der Gequälte beklagte ſich vor Salomo. Darauf ſagte der Koͤnig zu der Schlange: Was willſt du von dieſem Manne haben? Die Schlange er— widerte: Ich will ihn erwuͤrgen, denn die Schrift befiehlt mir, den Menſchen zu beißen. Salomo aber ſprach zu ihr: Vor allem mußt du hinuntergleiten. Ihr ſteht jetzt beide vor Gericht, und es darf nicht ſein, daß ein Rech— tender den andern feſthaͤlt, bevor das Urteil gefällt wor- den iſt. Alſo ließ die Schlange vom Manne ab. Als ſie auf der Erde lag, ſprach Salomo zu ihr: Bringe nun deine Klage vor. Da ſagte die Schlange wieder: Mir liegt es ob, die Menſchen zu töten, wie es mich die Schrift ge— heißen hat. Da ſprach der Koͤnig den Mann an und ſagte: Dir aber hat der Herr befohlen, ihr den Kopf zu zer— treten. Nun hob der Mann ſeinen Fuß und zerquetſchte den Kopf des Reptils. Unſere Weiſen ſprachen: Auch die beſte Schlange verdient, zertreten zu werden.
Nach dem ‚Buche der Gefchichten‘ hat ſich die Be— gebenheit zwiſchen der Schlange und dem Manne noch zur Regierungszeit Koͤnig Davids zugetragen.
An einem Wintertage ging ein alter Mann von einer Stadt in die andere und ſah auf dem Wege eine Schlange liegen, die vor Kaͤlte halb erſtarrt war. Da gedachte der Greis des Verſes: Seine Barmherzigkeit erſtreckt ſich auf alle Gefchöpfe.* Und er nahm die Pſalmen CXLV 9.
84 Der Born Judas
Schlange und waͤrmte ſie an ſeinem Buſen, bis ihr Geiſt wieder lebendig ward. Wie ſie aber zu ſich kam, ſchlang ſie ſich um den Koͤrper ihres Lebensretters und wollte ihn erdroſſeln. Da rief der alte Mann: Boͤſes Geſchoͤpf, du willſt mich gar toͤten! Waͤre ich nicht, du waͤreſt vor Kaͤlte erfroren. Komm, wir wollen zuſammen vor den Richter gehen. Die Schlange antwortete: Das will ich gerne tun, aber vor wem wollen wir unſern Streit aus— tragen? Der Greis ſagte: Vor dem erſten, der uns be— gegnet. Bald vertrat ihnen den Weg ein Ochſe. Den ſprach der Alte an und rief ihm: Bleib ſtehen! Und er erzählte ihm, was vorgefallen war. Die Schlange fuhr dazwiſchen und ſagte: Ich handle ſo mit Recht, denn es heißt in der Schrift: Ich will Feindſchaft ſaͤen zwiſchen dem Menſchen und der Schlange. Da ſprach der Ochſe: Die Schlange iſt in ihrem Rechte. Und haſt du ihr Gu— tes erwieſen, ſo darf ſie es dir mit Boͤſem vergelten. Das iſt der Welt Ordnung. Auch mein Herr verfaͤhrt mit mir nicht anders. Ich arbeite fuͤr ihn und pfluͤge den Acker Tag und Nacht, und wenn die Eſſenszeit kommt, nimmt er ſich das Beſte und gibt mir bloß Stroh; auch ſchlaͤft er in einem Bette, mich aber laͤßt er im Hofe draußen liegen. Da verdroſſen die Worte des Ochſen den alten Mann, und er ging mit der Schlange weiter. Bald begegnete ihnen ein Eſel. Nun trugen ſie dieſem ihr Anliegen vor. Aber der Eſel gab wie der Ochſe der Schlange recht. Zu der Zeit war David, der Sohn Iſais, Koͤnig in Juda, und der alte Mann beſchloß, mit der Schlange vor ihn zu kommen. Aber auch David entſchied
Die Schlange und der Menfch 85
nicht zugunſten des alten Mannes. Er ſprach: Schon feit altersher beſteht die Feindſchaft zwiſchen dem Men- ſchen und der Schlange, wie es die Schrift bekundet. Was kann ich hiergegen tun? Alſo ging der Greis mit weinenden Augen vom Koͤnig David und ſah deſſen Sohn Salomo vor dem Brunnen des Hofes ſtehen. Der war dazumal noch ein Knabe. Der Stock ſeines Vaters David war in den Brunnen gefallen; da befahl Salomo rund um den Brunnen die Erde zu graben, damit ſich das Waſſer ausbreite und der Stock heraufſchwimme. Als das der Greis ſah, ſprach er bei ſich: Das iſt ein weiſer Knabe, ich will ihm mein Leid klagen; vielleicht daß er mir recht gibt vor der Schlange. Und er erzaͤhlte, wie boͤſe die Schlange an ihm gehandelt hatte. Da ſprach Salomo: Habt ihr denn meinem Vater nicht euren Ha— der vorgetragen? Der Greis antwortete: Jawohl, aber der Koͤnig meinte, daß mir nicht zu helfen ſei. Da ſagte Salomo: Kommt mit mir zuſammen noch einmal zu meinem Vater. Alſo gingen die drei zum Koͤnig David, und Salomo hielt den Stab in der Hand, der ſoeben aus dem Brunnen gezogen worden war. Salomo ſprach zum Koͤnig: Warum haſt du nicht richten wollen zwiſchen dem Mann und der Schlange? David entgegnete: Es geſchah ihm recht, weil er die Worte der Schrift außer acht gelaſſen hat. Da ſagte Salomo: Geliebter Vater, laß mich in dieſem Falle das Urteil ſprechen. David ant— wortete: Geliebter Sohn, dies ſei dir hiermit verſtattet.
Salomo wandte ſich an die Schlange und fragte: Warum willſt du einem, der dir Gutes getan hat, Boͤſes
86 Der Born Judas
zufuͤgen? Die Schlange erwiderte: So hat mir Gott zu tun geboten. Darauf ſprach Salomo: Willſt du alles, was in der Schrift ſteht, befolgen? Die Schlange ant- wortete: Jawohl. Da ſprach Salomo: So haft du zu— allererſt den Leib des Mannes zu verlaſſen und dich auf— recht hinzuſtellen, denn ſo heißt es im Geſetz: Zwei, die einen Streit miteinander haben, ſollen ſich vor dem Richter aufſtellen. Die Schlange antwortete: Das will ich erfuͤllen. Und ſie rutſchte vom Koͤrper des Mannes hinunter. Darauf wandte ſich Salomo an den Klaͤger und ſprach zu ihm: Die Schrift ſagt: Du wirſt ihr den Kopf zerreiben. So tu nun, wie es befohlen iſt. Da erhob der Greis ſeinen Wanderſtab und toͤtete mit ihm die Schlange.
*Fuͤnftes Buch Moſes XIX 17.
Zwei Spruͤche
Der Pſalmenvers
ls der Feldherr Davids Joab ſeinen Koͤnig den Vers
dichten hoͤrte: Wie ſich ein Vater ſeiner Kinder er— barmt* — verwunderte er ſich und ſprach: Muß denn die Barmherzigkeit eines Vaters als Gleichnis angefuͤhrt werden? Iſt es nicht vielmehr die Mutter, die ſich ihrer Kinder am meiſten annimmt, ſie wartet und pflegt und großzieht? Wie kann mein Herr einen ſolchen Spruch getan haben? Ich will mich aufmachen und will unter den Menſchenkindern Umſchau halten, um zu erfahren, ob die Worte des Koͤnigs zutreffend ſind.
Und Joab ſchweifte im Lande Sfrael umher. So kam er an einen Ort, wo er einen alten Mann fand, der zwoͤlf Kinder hatte. Dieſer Mann verrichtete den ganzen Tag ſchwere Arbeit im Felde; wenn es Abend wurde, kaufte er fuͤr ſeinen Lohn einen Laib Brot und ernaͤhrte ſo duͤrftig ſich und die Seinigen. Wiewohl der Mann alt und gebrechlich war, brauchte keines ſeiner Kinder zu arbeiten, denn er muͤhte ſich fuͤr ſie und verſorgte ſie mit Nahrung. Er ſchnitt das Brot jeden Abend in vier— zehn Stuͤcke, gab jedem ſeiner Kinder wie ſeiner Frau ein Stuͤck und aß ſelbſt ſeinen Teil.
Wie Joab das Treiben dieſes Mannes beobachtete, ſprach er bei ſich: Ich kann nur mit dieſem meinen Verſuch machen. Als der fuͤrſorgliche Alte am Morgen ſeine Arbeit im Felde antrat, ſprach ihn Joab an und Pſalmen CIII 14.
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ſagte: Wie ſeltſam iſt dein Tun! Du biſt ein alter Mann und arbeiteſt ſchwer den ganzen Tag, um deine Kinder ſatt zu machen. Waͤre es nicht beſſer fuͤr dich, wenn ſie ſich muͤhten und du von ihrer Muͤhe lebteſt? Wollteſt du auf das Angebot meines Koͤnigs eingehen, du verkaufteſt ihm einen deiner Soͤhne; von dem Gelde, das du erhielteſt, koͤnnteſt du dich und deine uͤbrigen Hausgenoſſen ſehr wohl ernaͤhren. Als der alte Mann dieſes Anſinnen vernahm, fuhr er den Feldherrn Davids jaͤhzornig an, daß dieſer davonging.
Nun gedachte Joab, der Mutter der Kinder denſelben Antrag zu machen. Er ſuchte ſie auf und redete zu ihr in folgender Weiſe: Du und dein Mann, ihr ſeid beide alt und habt zwoͤlf Kinder großgezogen. Ihr arbeitet, und fie leben von eurer Mühe. Die alte Frau ant— wortete: Das iſt ſeit jeher der Welt Ordnung, daß Eltern fuͤr ihre Kinder ſorgen. Da ſprach Joab: Warum ſoll aber euer Leben in Muͤhe und Arbeit dahingehen? Ihr muͤßtet danach trachten, eure Kinder ohne Kummer und Anſtrengung am Leben zu erhalten. Das Weib fragte: Wie ſollen wir es anſtellen? Joab antwortete: Verkauft mir einen eurer Soͤhne, und ihr koͤnnt dann mit den uͤbrigen Kindern herrlich und in Freuden leben. Die Frau ſagte darauf: Ich will die Sache meinem Manne vortragen; vielleicht iſt er willens, das zu tun. Joab ſprach: Nun wohl, ſo rede mit ihm. Das Weib wendete ein: Wie aber, wenn mein Gemahl das ablehnt? Der Feldherr erwiderte: So tu es eigenmaͤchtig, dein Mann wird es bei ſo vielen Kindern nicht gewahr werden. Die
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Der Pſalmenvers 89
Frau ſprach: Wenn er es dennoch bemerkt und ich ihm den Sohn nicht zuruͤckbringen kann, ſo toͤtet er mich. Joab ſagte: Überlaß mir den Knaben; ich gebe dir für ihn hundert Golddinare. Zuͤrnt dein Mann, ſo ſoll er ſeinen Sohn wiederhaben. Alſo nahm das Weib das Geld aus der Hand des Feldherrn und fuͤhrte einen ihrer Soͤhne zu ihm heraus. Joab begab ſich mit dem Knaben außerhalb des Ortes, um zu ſehen, was nun geſchehen wuͤrde.
Als des Abends der alte Mann ſich an den Tiſch ſetzte, nahm er das Brot und ſchnitt es wie taͤglich in vierzehn Teile. Da ſah er, daß ein Stuͤck uͤbriggeblieben war. Er ſchrie laut und fragte nach dem abweſenden Sohne. Die Mutter fluͤſterte beguͤtigend: Er iſt bei ſeinem Freunde. Da ſprach der Alte: So hole ihn gleich; ich eſſe nicht eher, als bis er zuruͤck iſt. Die Fran bat: Wir wollen erſt unſere Mahlzeit abhalten, ich rufe dann den Knaben zuruͤck. Der Mann aber ſagte: Wir nehmen keinen Biſſen in den Mund, bevor er wieder hier iſt. Da ſagte das Weib: Warum ſoll ich es vor dir verheh— len? Ich habe ihn dem fremden Manne verkauft, der bei uns vorgeſprochen hat. Hier haſt du die hundert Dinare, die ich bekommen habe. Ich tat es, damit du fuͤr unſern Unterhalt nicht mehr zu ſorgen brauchteſt.
Wie das der Vater erfuhr, wollte er nichts eſſen und nichts trinken die ganze Nacht. Des Morgens machte er ſich auf, den Fremden zu ſuchen. Er hatte die hundert Dinare und eine Waffe mitgenommen und ge— dachte den Kaͤufer, falls der ſich weigern ſollte, das Kind
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herauszugeben, zu toͤten. Joab aber ſtand draußen auf dem Wege und wartete auf das, was nun kommen ſollte. Der Alte lief auf ihn zu und ſagte: Hier haſt du dein Gold, gib mir meinen Sohn wieder. Joab antwortete: Seine Mutter hat ihn mir verkauft. Hat ſie nicht gleichen Teil an ihm wie du? Ihr habt zuſammen zwoͤlf Kinder; einem jeden von euch gehoͤrt aber nur die Haͤlfte eines jeden Kindes. Hat mir dein Eheweib das eine Kind verkauft, fo ſoll dafür dir ein Kind gleichfalls ganz ge- hoͤren. Der ergrimmte Vater aber ſprach: Ich mag dar— uͤber nicht mehr Worte mit dir wechſeln. Gibſt du mir meinen Sohn nicht wieder, ſo toͤte ich dich, oder ich laſſe mich von dir toͤten. Da Joab dieſe Worte hoͤrte, lachte er auf. Er nahm das Geld aus der Hand des Alten und gab ihm ſeinen Sohn zuruͤck.
Nun rief der Feldherr aus: Wie richtig hat doch David ſeinen Spruch abgefaßt: Gleichwie ſich ein Vater ſeiner Kinder erbarmt, ſo erbarmſt du dich unſer, o Herr! Er ſagte nicht, gleichwie ſich eine Mutter ihrer Kinder erbarmt. Eben hat ein Weib ihren Sohn verkauft, wo ſie ſich fuͤr ſeinen Unterhalt nicht zu plagen brauchte. Der Vater aber, dem dieſe Sorge oblag, war bereit, mit ſeinem Leben fuͤr ſein Kind einzuſtehen.
Ein Wort des Predigers Schau, das habe ich gefunden, ſpricht der Prediger, als ich ein Erlebnis zum andern tat, um Einſicht zu ge— winnen. Und meine Seele ſucht noch und hats nicht gefunden: unter tauſend habe ich einen Mann gefun⸗
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den, aber ein Weib hab ich unter den allen nicht ge— funden.“
Als der Hohe Rat und Iſrael den Koͤnig Salomo ſo ſprechen hoͤrten, waren ſie voll Verwunderung. Darauf ſagte der Koͤnig: Gefaͤllt es euch, ſo will ich einen Be— weis erbringen. Das Volk und die Alteſten ſprachen: Tu es, o Koͤnig. Da ſprach Salomo: Wohlan, ſo nennt mir ein rechtſchaffenes Weib in Jeruſalem, das einen rechtfchaffenen Mann zum Gemahl hat. Die Alteſten hielten Umſchau in der Stadt und machten ein ſolches Paar ausfindig. Da ließ Salomo vorerſt den Gatten kommen und ſprach zu ihm: Ich gedenke dir Ehrungen zu erweiſen und dich zum Aufſeher meines Palaſtes zu ernennen. Der Buͤrger erwiderte: Ich bin dein Unter— tan und will dir dienen. Salomo ſagte: Du muͤßteſt noch in dieſer Nacht deine Frau toͤten und mir ihren Kopf bringen. Ich werde dich dann zu meinem Eidam und zu einem Hauptmann in Iſrael machen. Der Gehorſame antwortete: Ich will deinen Willen befolgen.
Als der Mann ſich aber draußen befand und uͤber den Befehl des Koͤnigs nachdachte, fing er zu weinen und zu klagen an. Sein Weib war ſchoͤn und lieblich und war Mutter ſeiner kleinen Kinder. Unweit der Wohnung trat ihm die Frau entgegen und fragte: Mein Herr, was iſt dir, daß du ſo betruͤbt dreinſchauſt? Der Verſtoͤrte antwortete: Laß ab von mir, ich trage einen Kummer in meinem Herzen. So betraten ſie das Haus. Das Weib ſetzte ihrem Manne Speiſe und Trank vor, allein er Prediger VII 27, 28.
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mochte nichts anruͤhren. Er ging ſeinen Gedanken nach und uͤberlegte: Was ſoll ich anfangen? Soll ich mein Weib toͤten, das mir Kinder geboren hat? Und er ſagte zu der Frau: Lege dich mit den Kleinen ſchlafen.
Als das Weib eingeſchlummert war, ſtand der Mann auf und entbloͤßte ſein Schwert, um ſie zu toͤten. Wie er aber an das Lager trat, ſah er den einen Knaben auf dem Buſen ſeiner Mutter liegen, den andern daneben zuſammengekauert ſchlafen. In dieſer Stunde rief er aus: Der Satan hat ſich wohl in Salomos Herz einge— ſchlichen. Weh! Weh! Was ſoll ich tun? Toͤte ich mein Weib, ſo kommen auch dieſe Kindlein um. Und er ſteckte das Schwert zuruͤck in die Scheide und ſprach: Gott ſchelte dich, du Satan! Bald aber ſtellte er ſich wieder vor das Bett und ſagte: Ich erſchlage ſie doch, und mor— gen gibt mir der Koͤnig ſeine Tochter und verleiht mir großen Reichtum. Und er zog abermals das Schwert hervor. Da ſah er, wie das Haar des Weibes die Ge— ſichter der Kinder bedeckte. Es erfaßte ihn Mitleid, und er ſprach: Und wenn mir der Koͤnig ſein Schloß und alle ſeine Schaͤtze beſchert, ich toͤte meine Frau nicht. Und er tat das Schwert in den Behaͤlter, legte ſich zu ſeiner Frau und ſchlief bis zum Morgen.
Des andern Tages erſchienen die Boten Salomos und fuͤhrten den Buͤrger zu ihrem Koͤnig. Salomo fragte den Mann: Wie war es mit dir? Haft du meinen Befehl er⸗ fuͤllt? Der Rechtſchaffene erwiderte: Ich will meinen Herrn bitten, von dem Anſinnen zu laſſen. Ich verſuchte es ein und das andre Mal, allein mein Herz ließ es nicht
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zu. Da ſagte Salomo: Nun habe ich einen Mann unter tauſend gefunden! Und der Ehemann des Weibes zog ab.
Wie dreißig Tage vergangen waren, ſchickte der Koͤnig im geheimen zu der Frau dieſes Mannes und ließ ſie kommen. Er fragte ſie: Haſt du einen guten Ehegatten? Das Weib erwiderte: Jawohl. Darauf ſprach Salomo: Ich habe von deiner Schoͤnheit und von dem Leuchten deines Antlitzes gehört und habe dich liebgewonnen. Ich will dich zum Weibe nehmen, dich uͤber alle Fuͤr— ſtinnen und Koͤniginnen erheben und dich von Kopf bis zu Fuͤßen in Gold kleiden. Da antwortete das Weib: Was du nur begehrſt, will ich tun. Salomo ſprach: Ein Umſtand jedoch iſt uns im Wege, und der laͤßt mich mein Vorhaben nicht ausfuͤhren; das iſt, daß du ver— ehelicht biſt. Dagegen ſprach das Weib: Was ſoll nun geſchehen? Salomo erwiderte: Toͤte deinen Mann, ſo will ich dich nachher meine Frau werden laſſen. Das Weib ſagte: Das will ich vollbringen. Darauf ſprach Salomo in ſeinem Herzen: Dieſes Weib gedenkt im Ernſt ihren Mann zu verderben; wir wollen nun irgendeine Maßnahme treffen, daß der Verſuch kein Unheil zur Folge hat. Und er gab der Frau ein Schwert aus Zinn, das aber wie ein echtes blitzte. Salomo ſprach: Mit dieſer Waffe hau deinem Manne den Kopf ab.
Das Weib nahm das Schwert aus der Hand des Koͤnigs und kehrte heim. Als ihr Mann des Abends kam, kuͤßte und umarmte ſie ihn und ſprach: Setz dich, mein Herr, du Krone meines Hauptes! Der Mann freute ſich uͤber den Empfang, und ſein Herz hegte keinen
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Argwohn. Das Weib trug den Tiſch herein, und die beiden aßen und tranken miteinander. Der Mann ſagte: Weib, wie biſt du heute ſo munter! Sie entgegnete: Ich will mit dir froͤhlich ſein und will dich einmal trunken ſehen. Da lachte der Gatte und trank viel Wein, bis er verwirrt wurde und in Schlaf verſank. Wie das das Weib ſah, ſtand ſie auf, ſprach ſich Mut zu und holte das Schwert hervor, das ihr der Koͤnig mitgegeben hatte. Sie erhob es und ließ es auf den Nacken ihres Mannes fallen. Da erwachte der Schlafende, und ſiehe, ſein Weib ſtand mit gezuͤcktem Schwerte vor ihm. Er fragte: Was iſt geſchehen? Wie kommſt du zu dieſer Waffe? Bekennſt du mir nicht die Wahrheit, fo haue ich dich in Stuͤcke. Da geſtand die Frau alles und ſagte: Das und das hat mir Koͤnig Salomo zu tun befohlen. Ihr Gemahl ſagte darauf: Fuͤrchte dich nicht.
Als des andern Morgens der Mann erwachte, ſah er die Boten des Koͤnigs ſeinetwegen kommen. Er ließ ſich mit ſeiner Frau zu Salomo fuͤhren. Der Koͤnig ſaß da, von ſeinem Hohen Rat umgeben, und ſprach, als er die beiden Ehegatten ſah: Erzaͤhlt mir, was alles zwi— ſchen euch vorgefallen iſt. Da fing der Mann an und ſagte: Ich erwachte dieſe Nacht und ſah mein Weib vor mir ſtehen im Begriff, mich zu töten. Wäre das Schwert nicht aus Zinn, ich waͤre nicht mehr am Leben. Ich hatte mich ihrer, als der König mir fie zu töten befahl, erbarmt, ſie aber empfand kein Mitleid. Darauf ſprach Salomo: Ich wußte, daß die Frauen das Erbarmen nicht kennen, und gab ihr deshalb ein zinnernes Schwert. Als die
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Alteſten das alles angehoͤrt hatten, ſagten fie: Es ift wahr, was der Koͤnig geſprochen hat: Ein Weib iſt unter Tauſen den nicht zu finden.
Vor den Augen des Gemahls Noch eine Geſchichte ſoll ſich zur Zeit Salomos zuge— tragen haben, und dieſe gab ihm ebenfalls Grund, den obigen Ausſpruch zu tun.
Ein Juͤngling aus der Stadt Tiberias kam nach der Stadt Bittera, um hier in der Schrift unterwieſen zu werden. Er war von ſehr ſchoͤner Geſtalt. Da gefiel er einem Maͤdchen, und ſie ſprach zu ihrem Vater: Ich flehe dich an, gib mir dieſen Juͤngling zum Manne. Der Vater eilte zu dem Juͤngling und ſagte zu ihm: Iſt es dein Wunſch, ein Weib zu freien, ſo will ich dir meine Toch— ter antrauen. Der Juͤngling erwiderte: Es iſt mir recht. Und er heiligte die Jungfrau und fuhr mit ihr nach dem Hauſe ſeines Vaters. Daſelbſt verblieb er ein ganzes Jahr und war froͤhlich.
Als das Jahr um war, ſprach das Weib zu ihrem Ge— mahl: Nun bitte ich dich, mich zu meinen Eltern zu fuͤh— ren, damit ich ſie wiederſehe. Da ſattelte der junge Mann Pferde, belud ſie mit Speiſe und Trank und aller— lei Koſtbarkeiten und machte ſich mit ſeiner Gefaͤhrtin auf den Weg nach Bittera. Als ſie aber eine Strecke ge— fahren waren, trat ihnen ein bewaffneter Raͤuber ent— gegen, und wie das Weib dieſen erblickte, kam in ihr Herz eine Liebe zu ihm, und bald hielt fie es zu dem Buben gegen ihren Eheherrn. Der Juͤngling wurde mit Stricken
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gebunden, und der Raͤuber näherte ſich in unflaͤti⸗ ger Weiſe dem Weibe. Danach ſetzte er ſich hin und aß und trank mit der Suͤnderin. Und der an den Baum Gebundene mußte dem allem zuſehen.
Nachdem die Mahlzeit beendet war, legte ſich der Un— hold mit dem Weibe ſchlafen; vorher aber nahm er einen Krug Wein und ſtellte ſich ihn zu Haͤupten. Waͤhrend nun die beiden umnebelt dalagen, kroch eine Schlange herbei, trank von dem Wein und ſpie ihr Gift in den Krug. Der Raͤuber erwachte, griff nach der Kanne und tat einen Schluck. Er war alſobald tot. Da ſah der junge Mann das Wunder, das ihm widerfahren war, und ſagte zu dem Weibe: Ich bitte dich, ſchneide die Stricke auf und befreie mich. Das Weib antwortete: Ich fuͤrchte mich, daß du mich toͤten wirſt. Er aber ſagte: Ich ſchwoͤre dir, daß ich dir nichts tun werde. Das ungetreue Weib ſchaute nach dem Raͤuber, und ſiehe, der lag da wie ein Stuͤck duͤrres Holz. Da erhob ſie ſich, zerſchnitt die Schnur und machte den Juͤngling frei. Nunmehr ſetzten ſie den Weg fort und kamen nach Bittera in das Elternhaus desWeibes.
Die alten Leute freuten ſich der Ankunft ihrer Tochter und bereiteten den Angekommenen ein Mahl. Da ſagte der Eidam: Ich genieße nichts, als bis ich uͤber das, was ſich unterwegs begeben hat, geſprochen habe. Und er erzaͤhlte den Vorfall im Walde. Was tat der Vater des Weibes? Er ſtand auf und toͤtete die gottloſe Tochter.
Nun durfte wohl Salomo in feiner Weisheit ſagen: Ich habe kein redliches Weib unter tauſend gefunden!
Von keuſchen und böfen Frauen
Der Dieb verraͤt ſich ſelbſt
nfere Lehrer erzählen: Drei Männer wanderten am
Ruͤſttage zum Sabbat miteinander, und der heilige Tag ſollte bald anbrechen. Da ſprach einer zum andern: Wir wollen Raſt machen und unfer Geld an einem ſichern Orte verwahren. Und ſie taten ſo. Als es Mitternacht wurde, ſtand einer der Maͤnner auf, nahm die Beutel aus dem Verſteck heraus und vergrub ſie an einer andern Stelle. Nach Sabbatausgang wollten die Wanderer ihren Weg fortſetzen und ſuchten erſt den Platz auf, wo ſich das Geld befinden ſollte. Das war aber nicht mehr vorhanden. Da begannen ſie einander des Diebſtahls zu beſchuldigen. Der eine ſprach: Du haſt es geſtohlen. Der andere ſprach: Du haſt es weggenommen. Und ſie gingen zum Koͤnig Salomo und legten ihm ihren Streit dar.
Als Salomo die gegenſeitigen Bezichtigungen ange— hoͤrt hatte, ward ihm bange, und er ſprach bei ſich: Wenn ich hier kein richtiges Urteil fälle und das Geld nicht zu— tage foͤrdere, ſo werden die Menſchen von mir denken, daß meine Weisheit dahin ſei. Und der Koͤnig ſaß da und uͤberlegte und ſann, was er den Maͤnnern antworten und wie er den Dieb bloßſtellen ſollte. So ſagte er zunaͤchſt: Zieht ab, ihr Wanderer, kommt mit eurem Anliegen morgen wieder.
Als die drei Maͤnner am naͤchſten Tag erſchienen, ſprach Salomo: Ihr ſeid Handelsleute und habt ferne
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Laͤnder kennen gelernt, ſo wird es euch an Witz und Scharfſinn nicht mangeln. Der Kaiſer von Rom hat mich wegen einer Begebenheit, die ſich in ſeinem Lande ereignet hat, um Rat gefragt, und von dieſer moͤchte ich euch hier berichten. Vielleicht iſt euch ein aͤhnlicher Fall ſchon begegnet, und ihr werdet mir Beſcheid geben koͤnnen. Alle drei Männer antworteten: Sprich, o König. Sa- lomo fing an und erzaͤhlte:
Ein Juͤngling und eine Jungfrau wohnten in einer Stadt und hatten einander lieb. Der Knabe ſprach zu dem Maͤdchen: Verſprich mir, daß du mein ſein wirſt; ſollte ich dich aber nicht ehelichen koͤnnen, ſo ſchwoͤre mir, nicht eher eines andern Weib zu werden, als bis du meine Erlaubnis eingeholt haft. Das Mädchen gab dar- uͤber einen Schwur ab. Es geſchah aber nach Jahren, daß ſie ſich mit einem andern Freier verlobte. Als der Braͤutigam ihr nahen wollte, ſprach ſie: Ich kann dir erſt dann zu Willen ſein, wenn mich der und der Juͤngling freigibt. Der hat mich einſt durch einen Eid gebunden. Was tat ihr Gefaͤhrte? Er machte ſich mit dem Maͤdchen auf den Weg zu jenem Juͤngling. Er nahm Gold, Silber und koſtbare Kleider mit und gedachte durch Geſchenke ſeine Braut loszukaufen. Als ſie den Ort erreichten, begab ſich das Maͤdchen allein zu dem Juͤngling und ſprach: Ich gedenke des Eides, den ich dir einſt gegeben habe, und bitte dich, dieſe Koſtbarkeiten zu nehmen und mich freizugeben, daß ich meinem Gemahl gehoͤren darf. Der junge Mann antwortete: Da du deinen Schwur gehalten haſt, ſo will ich dich ohne jede Gabe von deinem
Der Dieb verrät ſich ſelbſt 99
Worte entbinden. Du biſt fortan frei, und freue dich deines Teiles. Das Maͤdchen holte ihren Braͤutigam, und ſie traten beide den Ruͤckweg an. Da wurden ſie auf der Landſtraße von einem alten Raͤuber uͤberfallen. Der nahm dem Juͤngling alles Geld ab und ſchleppte das Maͤdchen fort. Da ſprach die Geaͤngſtigte: Nimm auch das, was ich bei mir habe, allein tu mir nichts an. Laß mich mit meinem Gemahl heimziehen. Und ſie erzaͤhlte dem Räuber ihre ganze Geſchichte. Sie ſprach: Wenn mein fruͤherer Verlobter, der doch ein Juͤngling im beſten Alter war, ſich bezwungen und mich freigegeben hat, um wieviel leichter muͤßte es dir fallen, der du doch bejahrt biſt, mich unberuͤhrt davongehen zu laſſen. Als der Raͤuber die Worte des Mädchens vernahm, wurde er milderen Sinnes; er ließ ſie ziehen und gab ihr alles zuruͤck, was er ihrem Braͤutigam abgenommen hatte. Sie fand noch ihren Gefaͤhrten, und ſie zogen beide in Frieden heim.
Und nun, ſetzte Koͤnig Salomo ſeine Erzaͤhlung fort, laͤßt mich der roͤmiſche Kaiſer fragen, wer von den dreien: das Maͤdchen, ihr fruͤherer Verlobter oder der Räuber für fein Handeln am meiſten zu loben ſei? Aber antwortet ihr und ſagt, wer euch von allen als der lobens— werteſte erſcheint!
Da nahm der eine von den ſtreitenden Maͤnnern das Wort und ſprach: Ich preiſe die Jungfrau, weil ſie ihren Schwur treu gehalten hat. Der zweite Mann ſagte: Ich ruͤhme den Juͤngling, der ſich ſeiner Rechte begab und dem Maͤdchen entſagte. Der dritte von den drei Maͤnnern
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endlich ſprach: Nicht die Jungfrau und nicht den Juͤng—
ling bewundere ich. Staunen aber muß ich uͤber den Raͤuber, daß er nicht nur das Maͤdchen unberuͤhrt ziehen ließ, ſondern ihr noch das geraubte Geld zuruͤckgab. Fuͤr dieſe Tat erſcheint er mir als der ruͤhmenswerteſte von allen.
Da wandte ſich der weiſe Koͤnig Salomo an den letzten Sprecher und ſagte: Du biſt der Miſſetaͤter! Wenn du nach dem Gelde, das du nicht geſehen haſt und von dem du nur erzaͤhlen hoͤrteſt, ſolches Verlangen traͤgſt, um wieviel mehr wirſt du das Geld deiner Gefaͤhrten, deſſen Verſteck dir bekannt war, an dich zu reißen ſuchen. Und der König befahl, dieſen Mann zu feſſeln und zu zuͤch— tigen. Da geſtand der Dieb, daß er das Geld entwendet hatte, und gab den Ort an, wo es ſich befand. So er— hielten die rechtmaͤßigen Beſitzer ein jeder ſeinen Teil.
Der gute Rat
Drei Bruͤder begaben ſich einſt nach Jeruſalem zum Koͤnig Salomo, um von ihm Weisheit zu lernen. Der Koͤnig ſprach zu ihnen: Bleibt hier und ſeid um mich; ich will euch zu weiſen Maͤnnern machen. Und er gab ihnen hohe Amter an ſeinem Hofe. Alſo verblieben die Bruͤder in der Koͤnigsſtadt dreizehn Jahre. Eines Tages ſprachen ſie zueinander: Was treiben wir hier? Wir haben unſere Haͤuſer verlaffen und find hierhergekommen, um Weisheit zu gewinnen. Wir haben aber nur dem Koͤnig all die Jahre gedient und fuͤr uns nichts errungen. Wollen wir Erlaubnis nehmen und in unſere Heimat
Der gute Rat 101
zuruͤckkehren. Und fie traten vor den König und ſprachen zu ihm: Herr, es ſind dreizehn Jahre her, daß wir uns von den Unſrigen getrennt haben; verſtatte uns heim— zukehren und ſie wiederzuſehen. Da ließ Salomo ſeinen Schatzmeiſter dreihundert Goldſtuͤcke bringen und ſagte zu den Bruͤdern: Waͤhlt eines von beiden: ein jeder be⸗ kommt hundert Goldſtuͤcke, oder er lernt von mir drei wertvolle Lebensregeln. Die Brüder kamen dahin über- ein, lieber das Gold zu nehmen und nach Hauſe zu reiſen. Als ſie ſich vier Meilen von Jeruſalem entfernt hatten, ſprach der juͤngſte von ihnen: Was haben wir getan? Waren wir denn zu Salomo gekommen, um reich zu werden? Wollt ihr auf meinen Rat hoͤren, ſo geben wir dem Koͤnig das Geld zuruͤck und laſſen uns von ihm unterrichten. Die zwei Bruͤder antworteten aber: Willſt du die Goldſtuͤcke um drei Spruͤche vertauſchen, ſo geh hin und tu es. Wir geben unſeren Gewinn fuͤr Weis— heit nicht her.
Alſo trat der juͤngſte Bruder allein den Ruͤckweg an. Er kam vor den Koͤnig Salomo und ſprach zu ihm: Herr, als ich vor dreizehn Jahren nach Jeruſalem kam, ſo ge— ſchah es nicht des Goldes, ſondern der Weisheit wegen. So nimm denn, ich bitte darum, meine hundert Gold— ſtuͤcke zuruͤck und laß mich die drei Leitſaͤtze von dir emp- fangen.
Der Koͤnig willigte darein und begann den Juͤngling zu unterweiſen. Er ſprach zu ihm: Mein Sohn, die erſte Lehre lautet: Wenn du eine Reiſe unternimmſt, ſo ſei beſtrebt, ſie anzutreten, ſobald du die Sonne aufgehen
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ſiehſt. Als zweites rate ich dir an, nicht den Abend ab zuwarten, ſondern Raſt zu machen, ſolange noch Tag iſt. Suche auch nie einen Strom zu uͤberſchreiten, wenn Hochwaſſer iſt, ſondern warte ab, bis die uͤberſchwem— mung vorbei iſt. Als dritten Grundſatz endlich merke dir, ein Geheimnis nie einer Frau anzuvertrauen, und waͤre ſie deine eigene Ehegefaͤhrtin.
Nachdem der Juͤngling die drei Regeln vernommen hatte, beſtieg er ſein Roß und ritt ſeinen Bruͤdern nach. Er ereilte die beiden, und ſie fragten ihn: Was haſt du Nuͤtzliches vom Koͤnig zu hoͤren bekommen? Er antwor— tete: Was ich gelehrt worden bin, das behalte ich fuͤr mich. Alſo wanderten ſie gemeinſam. Wie einige Stun— den vergangen waren, langten ſie an einem Orte an, der ſchoͤn zum Ruhen war. Da ſprach der juͤngſte: Hier koͤnnten wir gut Raſt machen; hier finden wir Waſſer und Baͤume und einen Weideplatz fuͤr unſere Tiere. Wollen wir hier uͤbernachten und morgen, ſobald Tag iſt, weiterwandern, wenn uns Gott das Leben laͤßt. Die Bruͤder antworteten darauf: Du biſt toͤricht. Als du das Gold dem Koͤnig zuruͤcktrugſt, um dafuͤr Weis— heit zu holen, da erkannten wir, daß du einer ohne Ver— ſtand biſt. Wir koͤnnen jetzt noch einige Meilen zuruͤck— legen, und du raͤtſt uns, hier uͤber Nacht zu bleiben. Der Juͤngling ſagte: Tut nach eurem Willen; ich fuͤr mein Teil ruͤhre mich nicht von hinnen.
Alſo zogen die zwei aͤlteſten Bruͤder weiter, und der juͤngſte ſtieg vom Pferde herunter. Er hieb einige Baͤume ab, legte ein Feuer an und uͤberdachte den Platz,
Der gute Rat 103
auf dem er mit ſeinem Pferde lagern wollte. Er ließ das Tier, ſolange es hell war, im Graſe weiden. Des Abends gab er ihm Hafer zu freſſen, nahm ſelbſt ſein Mahl ein und ſchlief wohlgemut ein.
Seine Bruͤder waren inzwiſchen weitergeritten, aber es wurde Abend, und ſie konnten keine Weide fuͤr ihre Pferde finden; auch ſahen ſie keine Baͤume und hatten kein Holz, um ein Feuer zu machen. In der Nacht fiel ein dichter Schnee vom Himmel, und die zwei Maͤnner erſtarrten vor Kaͤlte. Dem Juͤngling aber war in ſeiner
geſchuͤtzten Lage nichts zugeſtoßen. Als es Morgen wurde, machte er ſich auf und ritt in der Richtung, in der ſeine Bruͤder ihm geſtern entſchwunden waren. Da fand er ſie beide tot auf dem Wege liegen. Er brach in ein lautes Weinen aus, beſtattete die Umgekommenen auf dem Felde, nahm die zuruͤckgelaſſene Habe mit ſich und ritt weiter. Bald kam er an einen Fluß, den er zu uͤberſchreiten hatte. Die Morgenſonne hatte aber den naͤchtlichen Schnee zum Schmelzen gebracht, und ſo war der Bach aus den Ufern getreten. Alſo ſtieg der Juͤngling von ſeinem Roſſe und wollte warten, bis das Waſſer gefallen waͤre. Als er ſo daſtand, kamen zwei Diener des Koͤnigs mit Kamelen, die mit Gold beladen waren, und wollten den Fluß hinuͤberfahren. Sie frag— ten ihn: Magſt du nicht mit uns hinuͤber? Er antwor— tete: Das Waſſer iſt zu hoch, um eine Fahrt zu wagen. Die Knechte achteten der Warnung nicht und wateten durch den Strom. Als ſie aber bis zur Mitte kamen, wurden ſie von der Stroͤmung erfaßt und ertranken. Der
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Juͤngling wartete, bis Ebbe eingetreten war, uͤberſchritt den Bach und hob das Gold der ertrunkenen Knechte auf. Er zog davon und langte wohlbehalten in ſeinem Hauſe an.
Als die Frauen der zwei aͤlteren Bruͤder den juͤngſten allein ankommen ſahen, fragten ſie ihn nach ihren Maͤn⸗ nern. Er antwortete: Sie ſind in Jeruſalem geblieben. Und der Heimgekehrte kaufte Felder und Weinberge, baute einen Palaſt und ſchaffte ſich viel Vieh an. Seine Ehefrau fragte ihn: Mein Herr, ſage mir, wie biſt du zu dieſem Reichtum gekommen? Daruͤber geriet er in heftigen Zorn und antwortete: Du haſt mich darum nicht zu fragen. Das Weib aber bedraͤngte ihn ſo lange, bis er ihr alles geſtand. Als es darauf einmal zu Strei- tigkeiten zwiſchen ihnen kam und er ſie taͤtlich angriff, ſchrie ſie laut und rief: Nicht genug, daß du deine zwei Bruͤder getoͤtet haſt, willſt du auch mich umbringen.
Da nun die zwei Schwaͤgerinnen dieſes vernahmen, machten ſie ſich nach Jeruſalem auf und verklagten den Bruder ihrer Maͤnner vor dem Koͤnig. Salomo befahl, den Miſſetaͤter zu koͤpfen. Als der junge Mann hinge— richtet werden ſollte, bat er ſich aus, ein Wort dem Koͤnig ſagen zu duͤrfen. Er wurde vor Salomo gebracht, fiel auf ſein Angeſicht vor ihm und ſprach: Mein Herr, ich bin einer von den drei Bruͤdern, die dir dreizehn Jahre gedient haben. Und ich bin der juͤngſte, der dir beim Abſchied die Goldſtuͤcke zuruͤckgegeben hat, um deiner Weisheit teilhaftig zu werden. Und die Lehren, die du mir gegeben haſt, haben mich fuͤrwahr beſchuͤtzt. Und
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er erzählte alles, wie es ſich zugetragen hatte. Da er- kannte der Koͤnig den Juͤngling und ſah, daß er die Wahrheit geſprochen hatte. Er ſagte: Fuͤrchte dich nicht. Deine Weisheit iſt es, die dich deine Bruͤder hat uͤber— leben laſſen. Du haſt ſie und meine unbedachtſamen Knechte mit Recht beerbt. Geh, freue dich deiner Habe!
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Koͤnig Salomo hatte einen Freund, der fern von ihm wohnte und ihn alljaͤhrlich zu beſuchen pflegte. Wenn der Mann dann wieder in ſeine Heimat reiſte, gab ihm der Koͤnig Geſchenke fuͤr ihn und ſeine Angehoͤrigen mit. Einmal aber brachte der Freund dem Herrſcher eine koſtbare Gabe dar. Als er nun von Salomo Abſchied nehmen ſollte, wollte ihm der König gleichfalls ein Ge— ſchenk verehren, allein der Mann weigerte ſich, irgend- einen Gegenſtand anzunehmen. Er ſprach: Mein Herrund Koͤnig, ich trage kein Verlangen nach Reichtuͤmern, denn, dem Allmaͤchtigen und deiner Guͤte ſei Dank, ich habe alles, weſſen ein Menſch bedarf, und es gebricht mir an nichts. Wenn aber mein Herr ſeinem Knechte eine be— ſondere Gnade will zuteil werden laſſen, ſo moͤge er ihn die Sprache der Tiere und der Voͤgel verſtehen lehren. Darauf erwiderte der Koͤnig: Sei es gewiß, Bruder, daß ich dir deine Bitte nicht verſagen moͤchte und deinen Wunſch zu erfuͤllen nicht zoͤgern wuͤrde. Allein wiſſe, daß dieſe Kunſt eine Gefahr in ſich birgt, und daß ſie ein tiefes Geheimnis bleiben will. Verraͤtſt du nur ein Wort von dem, was du gehoͤrt haſt, ſo biſt du alſobald des
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Todes, keine Suͤhne vermag das Urteil zu wenden. Da ſprach der Wißbegierige: Wenn ich nur einen Teil deiner Weisheit erlange, will ich damit umgehen, wie du es mir befiehlſt. Als nun Salomo ſah, wie groß der Drang ſeines Freundes war, ſtillte er ſein Verlangen, brachte ihm die Tierſprache bei, und der fuhr freudig heim.
Da begab es ſich eines Tages, daß der Mann mit ſeiner Frau vor dem Hauſe ſaß, als ſein Ochſe von der Feld— arbeit zuruͤckkam. Man band ihn an die mit Futter ge— fuͤllte Raufe, und er kam neben den Eſel zu ſtehen, der an dieſem Tage daheim geblieben war, weil er ſich krank geſtellt hatte. Da fragte der Eſel den Ochſen: Freund, wie ergeht es dir in dieſem Hauſe? Der Ochſe erwiderte: Ach Bruder, ich kenne nichts als Muͤhe und ſchwere Arbeit bei Tag und bei Nacht. Da ſagte der Eſel: Ich wuͤnſche dir Ruhe und will dir einen guten Rat geben, wie du deine Plage loswerden koͤnnteſt. Der Ochſe antwortete: Bruder, du erbarmſt dich meiner! Ach, daß dein Herz ſtets bei mir bliebe! Ich will deinen Worten in allem folgen. Der Eſel ſagte: Gott weiß, daß ich nur aus reinem Herzen und treuer Abſicht zu dir rede; mein Ge— danke waͤre, daß du die Nacht uͤber kein Stroh und kein Futter zu dir naͤhmeſt. Wenn nun unſer Herr ſieht, daß du nichts gefreſſen haſt, wird er dich fuͤr krank halten und von der Laſt der Arbeit befreien. Du wirſt nun wie ich von deinem Joche ausruhen. Der Rat gefiel dem Ochſen wohl, und er tat in allem, wie der Eſel geſprochen hatte.
Bevor es Tag wurde, ſtand der Beſitzer des Hofes
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auf und ſah den Eſel das Futter des Ochſen verzehren, waͤhrend jener ſchlief. Da gedachte er deſſen, was er die zwei Tiere ſprechen gehoͤrt hatte, und begriff die Liſt des Eſels. Daruͤber mußte der Mann laut auflachen, daß es ſchallte. Sein Weib hoͤrte das Gelaͤchter und fragte ihn, als er wieder in die Stube eintrat: Warum haſt du eben ſo laut gelacht, du grauſamer Spoͤtter? Er antwortete: Ich erinnerte mich eines ſpaßhaften Vor— falls, den ich einſt erlebt hatte, und mußte daruͤber lachen.
Des Morgens ſah der Hausherr nach der Krippe des Tieres und ſprach zu dem Stalljungen: Der Ochſe ſoll heute keine Arbeit tun; ſpanne ſtatt ſeiner den Eſel ein; der ſoll fuͤr ſich und fuͤr den Ochſen arbeiten. Als es Abend wurde, kam der Eſel zuruͤck in den Stall, muͤde und ſchwach. Der Ochſe fragte ihn: Bruder, haſt du die herzloſen Menſchenkinder nicht von mir ſprechen hoͤren? Der Eſel antwortete: Ich hoͤrte ſie ſagen: Frißt der Ochſe weiter kein Futter, ſo wollen wir ihn ſchlach— ten und das Fleiſch verſpeiſen. Als das der Ochſe ver— nahm, erbebte er vor Schreck. Er warf ſich auf die Krippe wie ein Loͤwe auf ſeine Beute und hob den Kopf nicht eher auf, als bis er das ganze Futter ausgefreſſen hatte. Und der Hausherr hoͤrte nun wieder die Unter— redung der Tiere und die luſtigen Einfaͤlle des Eſels und brach wieder in ein unbaͤndiges Gelaͤchter aus. Da rief ſeine Ehefrau: Schon geſtern lachteſt du ſo hoͤhniſch; da dachte ich, es waͤre Zufall. Nun hebſt du wieder ein Gelaͤchter an, und es weilt doch kein Fremder mit uns,
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der dazu einen Anlaß gegeben haͤtte; du ſpotteſt wohl meiner, denn du ſiehſt an mir Unſchickliches. Ich ſchwoͤre bei Gott, daß du dich mir nicht eher nahen darfſt, als bis du mir den Grund deiner Heiterkeit geſagt haſt. Da ſprach der Mann bittend und flehentlich, voll Liebe und Ehrfurcht: Sei ſtille, Schweſter, es iſt mir verboten, das Geheimnis zu verraten. Die Frau aber ſprach: Ich habe im Ernſt einen Schwur daruͤber abgegeben, daß du mein Angeſicht nicht ſehen wirſt, es ſei denn, du ſagſt mir die Wahrheit. Der Mann ſagte: Ich weiß es, daß, wenn ich das Geheimnis preisgebe, ich verloren und vernichtet bin. Das Weib wiederholte: Ich habe gelobt, nicht zu eſſen und nicht zu trinken, als bis ich dich uͤberredet habe. Da ſprach der Mann: Ich will meine Seele darum geben, um dich am Leben zu erhalten; ich waͤhle lieber den Tod, als daß dir ein Haar gekruͤmmt werde, denn was iſt mein Leben, wenn ich dich nicht mehr habe. Laß nun jetzt von mir ab, ich will meine letzten Beſtimmungen treffen, dann will ich dir, was du wiſſen willſt, offen⸗ baren. Und er ließ bereits ſeine Freunde rufen, um ihnen ſeinen Willen kundzutun.
Der Ungluͤckliche hatte einen Hund, und dieſer lief im Hofe traurig umher, ließ ſein Brot und ein Stuͤck fettes Fleiſch, das man für ihn hingelegt hatte, unbe— ruͤhrt liegen, denn er graͤmte ſich darum, daß ſein Herr ſterben ſollte. Da kam der Hahn daher, pickte das Brot und das Fleiſch auf und verzehrte es voll Behagen mit ſeinen Frauen. Nun fiel der Hund erboſt uͤber den Hahn her und bellte: Du gottloſer Wicht, wie groß iſt deine Gier
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und wie gering deine Demut. Dein Herr ſchwebt wie ein Suͤnder zwiſchen Leben und Tod, und du frißt und gehabſt dich wohl in ſeinen vier Pfaͤhlen und kuͤmmerſt dich nicht um ihn. Da erwiderte der Hahn: Wenn dein Herr einfaͤltig und unverſtaͤndig iſt, was kann ich da- gegen tun? Sieh, ich habe zehn Frauen und herrſche uͤber ſie alle; keine tut, was nicht nach meinem Sinne iſt. Dein Herr aber hat nur eine Gefaͤhrtin und kann uͤber fie nicht re- gieren und ſie nicht zurechtweiſen und ſtrafen. Und der Hahn ſperrte ſeinen Schnabel auf und rief laut: In einem Netze von ſeiner Frau gefangen zu ſein: gibts ein uͤbel, das groͤßer waͤre als dieſes? Spitze dein Ohr und lerne weiſe ſein aus dem Munde eines Hahnes. Dar— auf fragte der Hund: Wie ſoll es unſer Herr anſtellen mit ſeiner Frau? Der Hahn erwiderte: Er nehme einen dicken Knuͤppel und ſtreiche ihr damit gehoͤrig das Fell; ich will Buͤrge ſein dafuͤr, daß ſie um Gnade bitten wird und er ihr nie wird Rede ſtehen muͤſſen.
Der Mann, der nun nahe an ſeinem Ende war, hoͤrte die Rede des Hahnes, tat nach ſeinem Rat und entrann ſo dem Verderben.
Dieſes iſt eine der Geſchichten, die im Buche vom „Prinzen und Derwiſch' geſchrieben ſtehen.
Die Genoſſin des Meiſters Aber auch einer treuen Frau ſoll Salomo einſt begegnet ſein, und von dieſer erzaͤhlt uns die folgende Geſchichte. Als der Koͤnig Salomo daranging, den Tempel zu erbauen, ſandte er Briefe an die Koͤnige und Fuͤrſten
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aller Laͤnder, daß ſie ihre geſchickteſten Kuͤnſtler nach Jeruſalem kommen ließen. Hier ſollten dieſe gegen Lohn ihre Arbeit verrichten. Die Fuͤrſten kamen dieſer Bitte nach, denn dem Koͤnig Salomo ſchenkte man uͤberall Gehoͤr.
Allein in einer Landſchaft lebte ein beruͤhmter Meiſter, der ſeine Kunſt außerhalb ſeines Ortes nicht ausuͤben mochte, auch wenn man ihm den hoͤchſten Lohn bot. Er hatte naͤmlich eine uͤberaus ſchoͤne und anmutige Frau, wie es ihresgleichen nicht gab, und wollte ſie nicht allein laſſen in der Furcht, es koͤnnten frevle Männer kommen und ſie in ihrer Tugend beirren.
Als nun das Schreiben Salomos in dieſer Stadt eintraf, ließ der Fuͤrſt den Kuͤnſtler vor ſich bringen. Er kam, buͤckte ſich vor dem Herrſcher und ſprach: Was be- fiehlt mein Herr und Koͤnig ſeinem Knecht? Der Fuͤrſt antwortete: Mein Wille iſt, daß du dich aufmachſt und nach Jeruſalem ziehſt; daſelbſt ſollſt du an dem Tempel, den Salomo baut, mitwirken; denn das iſt ein maͤchti— ger, gar herrlicher Fuͤrſt, und ich darf ſein Wort nicht auf die Erde fallen laſſen.
Alſo verließ der Kuͤnſtler ſeinen Koͤnig betruͤbten Her— zens und kam verſtoͤrt nach Hauſe. Sein Weib fragte ihn nach der Urſache des Kummers, und da erzaͤhlte er ihr von dem vom Herrſcher verhaͤngten Geheiß. Darauf ſprach das Weib: Bin ich es, um derentwillen du dich zu gehen weigerſt, ſo laß allen Zweifel aus deinem Her— zen. Ich will dir einen Talisman auf die Reiſe mit— geben, der, ſolange er unveraͤndert bleibt, dir als ein
Die Genoſſin des Meiſters 111
Zeichen meiner Unſchuld gelten fol. Laß den Befehl un— ſers Koͤnigs nicht umſonſt verklingen und mache getroſt den Weg nach Jeruſalem mit den andern Kuͤnſtlern. Sei ohne Sorge und verharre in der Gewißheit, daß ich rein bleiben werde. Da ward der Meiſter ruhigen Sinnes, er ließ ſich Speiſe und Trank reichen und freute ſich mit ſeiner Gefaͤhrtin.
Des Morgens ſtand er auf und machte ſich bereit, nach Jeruſalem zu reiſen. Da gab ihm ſeine Genoſſin eine Glaskapſel, in der ſich ein Stuͤckchen Werg und eine winzige leicht glimmende Kohle befand. Sie ſprach zu ihm: Dieſes kleine Gehaͤuſe ſollſt du an deinem Halſe tragen; ſolange ſich das Laͤppchen an dem Feuer nicht entzuͤndet, kannſt du ſicher ſein, daß die Flamme der ſuͤndigen Triebe mich nicht erfaßt hat. Der Meiſter haͤngte die Kapſel um ſeinen Hals, hob ſeine Fuͤße auf und zog gen Jeruſalem. In der heiligen Stadt ange— kommen, ging er an ſeine Arbeit und half den Bau herrlich geſtalten.
Der Koͤnig Salomo erſchien taͤglich an der Arbeits— ſtaͤtte, ſah, wie weit das Werk durch die Kuͤnſtler ge— diehen war, und verſprach, ihren Lohn zu verdoppeln. Eines Tages hob er ſeine Augen auf und erblickte das Glasbuͤchschen am Halſe unſers Meiſters. Er wun— derte ſich daruͤber und fragte den Kuͤnſtler nach der Bedeutung des ſeltſamen Gegenſtandes. Da erzaͤhlte dieſer, warum er die Kapſel trage.
Was ſtellte Salomo an? Er ließ zwei Juͤnglinge von reizender Geſtalt und freundlichem Blick zu ſich beſchei—
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den und gab ihnen auf, nach der Stadt des Kuͤnſtlers zu gehen, in ſeinem Hauſe Herberge zu nehmen und ſeine Frau zu verfuͤhren. Die Juͤnglinge taten nach dem Befehl des Koͤnigs und begaben ſich nach dem fernen Lande, in dem der Kuͤnſtler wohnte. Hier an— gelangt, kehrten ſie in dem Hauſe ein, das dem Meiſter gehoͤrte. Die Hauswirtin empfing ſie freundlich und ließ ſie an ihrem Tiſche ſpeiſen. Als ſie ihnen aber abends ein Nachtlager zugewieſen hatte, ſchloß ſie die Tuͤr der Kammer ab und hielt die Geſellen einen Monat lang gefangen.
Und der Koͤnig Salomo ſchaute taͤglich auf die Kapſel des bei ihm arbeitenden Kuͤnſtlers, und ſiehe, das Woll— laͤppchen blieb unverſengt. Da ſprach er bei ſich: Nun will ich mich aufmachen, will ſelbſt nach jener Stadt gehen und das Weib in Verſuchung bringen. Und er verkleidete ſich, damit man ihn nicht erkenne, nahm zwei Diener mit und fuhr in die Heimat des Kuͤnſtlers. Er ſtieg in der Wohnung der keuſchen Frau ab. Dieſe bereitete ihm einen ehrenvollen Empfang und ließ fuͤr ihn ein Mahl ruͤſten, das eines Koͤnigs wuͤrdig war. Denn ſie erkannte in ihrer Weisheit, daß ihr Gaſt kein anderer als Koͤnig Salomo war. Als letztes Gericht ließ ſie eine Schuͤſſel gekochter Eier reichen, von denen jedes mit einer andern Farbe bemalt war, und ſprach: Iß davon, mein Herr und Koͤnig. Da ſagte Salomo: Wen nennſt du hier einen Koͤnig? Das Weib erwiderte: Aus deinen Augen ſpricht die koͤnigliche Wuͤrde, und ich bin deine Magd, die dich bittet, von jedem dieſer Eier etwas
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zu koſten, damit du ihren Geſchmack erfahreſt. Alſo aß Salomo ein wenig von jedem Ei und ſagte: Die Eier ſchmecken eines wie das andere, wenn ſie ſich auch in der Faͤrbung der Schalen voneinander unterſcheiden. Da entgegnete die Frau: Wie dieſe Eier hier, ſo ſind auch wir Frauen: im Äußeren verſchieden, für die Luft alle gleich. Und ſo hat es ſich der Muͤhe nicht verlohnt, eines glatten Geſichtes wegen ſo viele Meilen zuruͤckzu— legen. Ich bin nicht mehr denn eine deiner Maͤgde, und du kannſt mit mir tun, was dir recht iſt. Allein du biſt der Weiſeſten einer und wirſt es wiſſen, daß alles ir— diſche Begehren nur eitel und ſuͤndig iſt.
Als nun Salomo die liebreizende Rede des Weibes vernahm, rief er aus: Geſegnet ſeiſt du dem Herrn und geſegnet dein edler Sinn! Und er bat ſie, ihm wie eine Schweſter zu fein. Darauf gab er ihr ein koſtbares Ge- ſchenk und kehrte nach Jeruſalem zuruͤck. Hier erzaͤhlte er dem Manne der ſtolzen Frau, was ihm mit ihr be— gegnet war, und entließ ihn in Frieden. Er zahlte ihm einen zehnfachen Lohn und ſagte zu ihm: Zieh heim, er— freue dich an dem, was du dein Eigen nennſt.
Da reiſte der Kuͤnſtler nach ſeinem Heimatlande zu— ruͤck. Nun beichtete ihm auch ſeine Genoſſin, was ihr mit den Juͤnglingen, die von dem Koͤnig geſandt worden waren, und mit dem Koͤnige ſelbſt widerfahren war. Er kuͤßte fie auf das Haupt und hielt fie von nun an in Eh⸗ ren noch mehr als vorher. Und ewige Freundſchaft ver— band ſeit der Zeit die Ehegatten mit dem Koͤnig Salomo.
Aus dem Alphabetbuch ben Sirachs
Der ſiebenjaͤhrige ben Sirach
taunt ob der Weisheit des Sohnes Sirachs! Der brauchte ein Maß Weizen nur anzuſehen und wußte die Zahl der Koͤrner genau zu nennen. Alſo ward ſein Ruhm in der ganzen Welt laut, und der Koͤnig von Babylon, Nebukadnezar, erfuhr von der Verſtandeshelle des Knaben. Als aber auch die Weiſen des Koͤnigs von ben Sirachs Begabung Kunde erhielten, ſprachen ſie: Wehe uns, nun wird uns Nebukadnezar verderben. Wir wollen aber den Hebraͤer vor dem Koͤnig verleumden und ihn bewegen, daß er den Knaben herkommen laſſe. Dann wollen wir dieſem eine ſchwere Frage zur Beant— wortung aufgeben, und weiß er darauf nichts zu ſagen, fo töten wir ihn. Und fie taten fo und übermittelten dem König ihren Wunſch. Da ſprach Nebukadnezar: Worüber wollt ihr den Juͤngling fragen? Die Weiſen erwiderten: Er ſoll uns daruͤber Rede ſtehen, was Ach und Weh be— deutet. Alsbald wurden tauſend Reiter entſandt, welchen allen eine Fußzehe fehlte und welche Baͤume mit der Wurzel ausreißen konnten, den Sohn Sirachs zu holen. So kam der kluge Knabe, er war zu der Zeit ſieben Jahre alt, vor den Koͤnig Nebukadnezar. Die Weiſen Vabels verſammelten ſich um ihn und fragten ihn: Sag an, was iſt Ach und was iſt Weh? Darauf verließ Jeſus ben Sirach den Raum und fing draußen drei Schlangen und drei Skorpione. Er hatte einen zweiteiligen Korb mit zwei Offnungen mit und ließ die Schlangen durch
Die Horniſſe 115
das eine Loch und die Skorpione durch das andere Loch
in den Korb ſchluͤpfen. Danach ſchloß er die Offnungen und kehrte zu den Weiſen Nebukadnezars zuruͤck. Dieſe fragten: Was haft du in dem Korbe? Ben Sirach ant- wortete: Schaut ſelbſt hinein. Da ſteckte der eine Weiſe ſeine Hand in den Korb und ſtieß auf die Schlangen. Er ſchrie laut auf: Ach, was bringſt du her? Darauf ſteckte er die Hand in das andere Loch und fuͤhlte die Skorpione. Er rief entſetzt: Ach und weh! Da ſagte ben Sirach: Nun wißt ihr, was Ach und Weh iſt.
Als die Weiſen Babylons merkten, was der Knabe mit ihnen angeſtellt hatte, wurden ſie voll Angſt; ſie er— zitterten und erbebten und fielen auf ihr Angeſicht. Ne- bukadnezar aber ſprach zu ihnen: Ihr hattet mit mir ausgemacht, daß ihr den Knaben, falls er euch nicht zu antworten wüßte, töten würdet. Nun er aber eine Loͤ⸗ ſung gefunden hat, muß die Strafe, die ihr ihm zugedacht habt, auf euch angewendet werden. Darauf erwiderten die Weiſen: Der Herr tue an ſeinen Knechten, was ſein Wille iſt. Nebukadnezar uͤberantwortete die Unter— legenen dem Sohne Sirachs, und dieſer ſagte: Ihr habt mich nur des Ach und Weh wegen hierhergebracht; nun wohl. Und er ließ ſie in eine Loͤbengrube werfen, wo ſie mit Ach und Weh umkamen.
Die Horniſſe Nebukadnezar, der Koͤnig von Babylon, fragte einſt den Weiſen Jeſus, den Sohn Sirachs: Weswegen hat Gott die Horniſſe und die Spinne erſchaffen, welche beide
116 Der Born Judas
Inſekten nur ſchaͤdlich find und niemand frommen? Dar— auf erzaͤhlte der Weiſe: Eines Tages ſaß Koͤnig David in feinem Garten und ſah eine Horniſſe eine Spinne verzehren; ein bloͤder Junge aber rannte hin und her mit einem Stock in der Hand und ſuchte die Inſekten zu vertreiben. Da ſprach David vor Gott: Herr der Welt! Wem nuͤtzen dieſe drei Weſen? Die Horniſſe ſaugt den Honig, und ihr Stachel bereitet Schmerzen; die Spinne webt immerzu, und das Gewebe dient nicht ein— mal zu ihrer eigenen Bekleidung, der Narr endlich richtet nur Unheil an und weiß nichts von deiner Groͤße und Einigkeit. Da erwiderte der Herr: David, du verhoͤhnſt meine Geſchoͤpfe. Es wird ein Tag kommen, da du ihrer beduͤrfen wirſt und ſo erfahren wirſt, wozu ſie erſchaffen worden ſind.
Als viele Tage danach David vor Sauls Nachſtellungen ſich in einer Hoͤhle verſteckte, ſchickte Gott eine Spinne, und die breitete ein Netz aus über den Eingang zur Höhle. Saul kam hintennach, ſah das Gewebe uͤber dem Loch und ſprach bei ſich: Hierein kann niemand geſchluͤpft ſein, denn er haͤtte die Spinnfaͤden zerreißen muͤſſen. Und er ſah in der Grube nicht nach und ſchritt weiter. David aber ſtieg aus dem Verſteck, kuͤßte die Spinne und ſprach: Geſegnet ſeiſt du, und gelobt ſei dein Schoͤpfer! Und zu Gott ſprach er: Wer gleicht dir in deiner All— macht, und wer bringt ſolches zuwege?
Es waͤhrte nicht lange, und David kam auf ſeiner Flucht zu Achis, dem Koͤnige von Gath. Hier drohte ihm Rache fuͤr die Toͤtung Goliaths, und ſo ſtellte er
Die Horniſſe 117
ſich wahnſinnig vor dem Koͤnig und ſeinen Hof— leuten. Achis aber hatte eine Tochter, deren Verſtand verkehrt war. Als ihm David vorgefuͤhrt wurde, ſprach er zu ſeinen Dienern: Ihr treibt wohl Spott mit mir? Weil ich eine irrſinnige Tochter habe, bringt ihr mir noch dieſen Narren her? Oder fehlt es mir gar an Wirr- koͤpfen? Alſo wurde David in Ruhe gelaſſen; er konnte fliehen und dankte Gott fuͤr den Einfall, den er ihm ge— geben hatte.
Er ſollte aber auch noch einer Horniſſe dankbar ge— denken. Er kam in die Wuͤſte Siph, an die Staͤtte, an der Saul mit ſeinem Feldhauptmann Abner lagerte. Abner beſchuͤtzte das Haupt ſeines Koͤnigs und lag vor ihm auf dem Ruͤcken mit gebeugten Beinen. Da ſchlich ſich David heran und langte unter den Knien Abners nach einem Kruge Waſſer, der neben Saul ſtand. In dieſem Augenblick aber ſtreckte der Feldhauptmann feine Fuͤße aus, und David wurde wie von zwei ſchweren Saͤulen gedruͤckt. Er bat den Herrn um Erbarmen und rief: Mein Gott, mein Gott, warum haſt du mich ver— laſſen? Da ließ ihm der Herr ein Wunder widerfahren und ſandte eine Horniſſe, die Abner in den einen Fuß ſtach. Nun zog der Hauptmann ſeine Beine wieder hoch, und David entwich und lobte den Herrn.
Es ziemt ſich nicht, daß der Menſch an Gottes Wer— ken Tadel uͤbe.
* Pſalmen XXII 2.
118 Der Born Judas Der Rabe und der Ochſe
Der Koͤnig Nebukadnezar fragte den Sohn Sirachs: Warum huͤpft der Rabe, wenn er ſich auf der Erde fort⸗ bewegt? Der Weiſe antwortete: Einſt ſah der Rabe eine Taube auf einem Hofe einhergehen, und ihr Gang gefiel ihm beſſer als der aller Voͤgel. Da ſprach er bei ſich: Ich will mir dieſe Gangart aneignen — und er zer⸗ brach ſich bald die Glieder, um es nur der Taube aͤhnlich zu machen. Aber da verhoͤhnten ihn die andern Voͤgel. Nun ſchaͤmte er ſich vor ihnen und wollte zu ſeinem fruͤheren Gang zuruͤckkehren. Aber das gelang ihm nicht mehr, denn er hatte es verlernt, ſich fortzubewegen, wie einſt ſeine Art war, den Gang der Taube aber konnte er ſich nicht angewoͤhnen; alſo blieb er ein Huͤpfer ſein Lebelang. Auf ihn iſt der Spruch anzuwenden: Wer nach vielem ſtrebt, verliert auch das wenige.
Und noch eine Frage ſtellte Nebukadnezar an den Sohn Sirachs: Warum iſt die Schnauze des Ochſen unbehaart? Der Weiſe erwiderte: Als Iſrael unter der Fuͤhrung Joſuas die Stadt Jericho erobern ſollte, konnte ſich der Sohn Nuns einer großen Koͤrperkraft ruͤhmen. Man fuͤhrte ihm ein Pferd, einen Eſel und ein Maultier zum Reiten zu, und alle dieſe Tiere brachen unter dem Helden zuſammen. Alsdann ließ man ihn einen Ochſen beſteigen, und dieſer trug den Gewaltigen auf ſeinem Ruͤcken. Wie Joſua ſah, was er an dem Stier gewonnen hatte, kuͤßte er ihn auf die Schnauze, und ſeit der Zeit wachſen an dieſer Stelle keine Haare.
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Aus Tierbuͤchern
Der Froſch
nfere Altvordern, ihr Andenken ſei geſegnet, erzählen
folgendes vom Koͤnig David: Als er das Buch der Pfalmen beendet hatte, ward ſein Sinn uͤbermuͤtig, und er ſprach vor Gott: Herr der Welt! Gibt es unter den Geſchoͤpfen, die du gebildet haſt, noch eins, das dich ſo verherrlicht und geprieſen haͤtte? In dieſem Augenblick erſchien vor ihm ein Froſch und ſagte: David, duͤnke dich nicht groß, denn auch ich ſinge dem Herrn Lieder und Lobeshymnen, und die uͤbertreffen die deinigen. Und auf jedes meiner Lieder kann man dreitauſend Gleichniſſe machen. Aber noch außerdem erfülle ich ein hochwichtiges Gebot. Es lebt naͤmlich am Meeresſtrande ein Geſchoͤpf, das ſich nur von Waſſertieren naͤhrt. Wenn es nun Hunger verſpuͤrt, diene ich ihm als Speiſe.
*
Als einſt zwifchen den Menſchen und den Tieren ein Rechtsſtreit ausgetragen werden ſollte und es ſich darum handelte, einen Fuͤrſprecher zu ſenden, ſprach der Wal— fiſch: Der Froſch iſt von allen der geeignetſte, denn er iſt weiſe, ſanft und geduldig. Bei Tag und bei Nacht, morgens, mittags und abends laͤßt er am Waſſer ſeinem Gott Lieder erſchallen. Er ſucht die Wohnſitze der Mens ſchen auf, und das Volk Iſrael hat ihn zweier Taten wegen, die er einſt vollbracht hat, hoch zu ehren. Die eine
120 Der Born Judas
war, daß er, als Abraham, der Freund Gottes, von Nim⸗ rod dem Gewaltigen in den Kalkofen geworfen ward, den Mund voll Waſſer nahm und es auf die Flammen ſpie, daß ſie erloſchen. Sein zweites Werk war, daß er in den Tagen Moſes, des wahrhaften Propheten, zum Verderben Pharaos beigetragen hat. Des Froſches Zunge iſt rein; er gebraucht ſie nur zum Lobe des Herrn. Er iſt eins von den Tieren, das im Waſſer ſowohl als auch im Graſe leben kann. Sein Gang iſt gefaͤllig und ſeine Stimme ſuͤß. Er hat einen runden Kopf und ſtrahlende Augen, zwei Arme und zwei Fuͤße, und ſein Gehen iſt ein Huͤpfen. Er iſt bei den Menſchenkindern gern ge- ſehen, er fuͤrchtet ſie nicht, und ſie fuͤrchten ihn nicht.
Die Ohnmacht der Großen gegen die Kleinen
Auch die Grille fuͤhrte ſcharfe Rede gegen die Menſchen⸗ kinder und tadelte an ihnen, daß ſie ſich vor den andern Geſchoͤpfen ihrer Koͤnige und Fuͤrſten ruͤhmten und nicht bedaͤchten, daß auch dieſe oft machtlos ſeien gegen die kleinſten aus dem Reiche der Tiere. So hat der Schöpfer vielfach Helden und Maͤchtige, die ſich gegen ihn auf— lehnten, durch winzige Tierlein verderben laſſen. Der Boͤſewicht Titus buͤßte ſein Leben ein durch eine Muͤcke, die er nach vollendetem Siegeszuge gegen Judaͤa auf ſeiner uͤbermuͤtigen Ruͤckfahrt nach Rom mit der Luft einge— atmet hatte. Ein Heer von Froͤſchen und Ungeziefer ward gegen Pharao ausgeſandt. Aber auch die Herr—
Der ruhmredige Vogel N 121
lichkeit Salomos nahm durch das Einwirken eines klei— nen Geſchoͤpfes ein Ende. Dieſem Fuͤrſten ward die Prophetengabe verliehen; er bezwang alle Koͤnige der Erde und auch die Geiſter. Die Dämonen murrten ge- gen ſeine Herrſchaft und glaubten, ſie ſei nur eine Folge ſeiner Liſt und Gewaltſucht. Er aber beteuerte, daß ſeine Groͤße von der Gnade Gottes herruͤhre. Indeſſen die Genien hegten weiter Zweifel an ſeinem Recht und ließen ſich dieſen Zweifel nicht ausreden. Da ſchickte der Herr einen kleinen Wurm, und dieſer zerfraß das Zauberwerk Salomos. Alsbald fiel das Anſehen des Koͤnigs, und er ſtarb. Sein Tod aber ſollte allen Gro— ßen dieſer Welt zur Lehre dienen.
Der ruhmredige Vogel
Einſt ſaß Koͤnig Salomo auf der Burg Zion und hoͤrte zwei Voͤgel miteinander zwitſchern. Salomo aber ver— ſtand die Sprache der Tiere, und ſo wußte er, woruͤber ſich die Voͤgel unterhielten. Der eine ſprach zum andern: Willſt du, ſo zerſtoͤre ich den Bau, auf dem der Koͤnig mit ſeinen Fuͤßen ſteht. Als das Salomo vernahm, wunderte er ſich und ſprach bei ſich: Vermag ein Vogel ein ſolches Werk zu vollbringen? Und er befahl, ein Netz auszubreiten und den Saͤnger zu fangen. Nachdem man ſeiner habhaft geworden war, brachte man ihn zum Koͤ— nig. Da ſprach Salomo zu dem Flatternden: Wie willſt du, ſchwaches Geſchoͤpf, die Burg zerſtoͤren, auf der ich mich aufhalte? Darauf erwiderte der Vogel: Salomo,
122 Der Born Judas
iſt das deine Weisheit? Iſt es dir verborgen, daß es der liebenden Maͤnnchen Art iſt, Wunderdinge zu erzaͤhlen und im Ausdruck zu uͤbertreiben, um die Umworbene für ſich zu gewinnen? Alſo ſuchte auch ich meine Ge- liebte zu blenden und ihr Gefallen zu erregen.
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Von Alexander
CESSITTTTTRTT I
Die Orakel
Die Herkunft Alexanders“
lerander der Mazedonier wurde im Jahre vier— hundertdreiundzwanzig des vierten Jahrtauſends nach der Erſchaffung der Welt geboren. Vor ſeiner Geburt wurde am Himmel ein großer ſeltſamer Stern ſichtbar. Es war der vierte Tag des Monats Ijar, und die Sonne war eben aufgegangen, als Alexander auf die Welt kam. Sein Tod erfolgte ebenfalls am vierten Tage des Monats Ijar bei Sonnenuntergang. Zweiunddreißig Jahre waͤhrte das Leben Alexanders, und zwoͤlf Jahre hatte ſeine Regierungszeit gedauert, denn er war mit zwanzig Jahren Koͤnig geworden. Man ſagt von ihm, daß er vaͤterlicherſeits von dem Helden Herakles, muͤtterlicherſeits von Achilles ab— ſtammte. Er ward geboren an dem Tage, da der Tempel Dianas verbrannt wurde, welches Heiligtum eines der ſieben Wunder der Welt war. Das Feuer hatte ein Grieche, namens Heroſtrates, angezuͤndet, der ein Verlangen danach trug, ſeinen Namen in der Geſchichte verewigt zu wiſſen. Sein Wunſch aber ging nicht in Erfuͤllung, denn ein Geſetz verbot es, ſeinen Namen mit dem Brand in Zuſammenhang zu bringen.
* Siehe Band I, Seite 72—86.
Der Traum Philipps 125
Alexander beherrſchte alle ſieben Wiſſenſchaften. Er liebte und ehrte die weiſen Maͤnner und ſorgte fuͤr ihren Unterhalt. Er war ein milder Herrſcher, uͤbte Gerechtigkeit und hatte eine Achtung fuͤr das Volk Iſrael. Seine Gemahlin war Ruſan, die Tochter des Königs Darius. Sie gebar nach dem Tode Aler- anders einen Sohn, der nach ſeinem Vater gleichfalls Alexander benannt wurde.
Der Traum Philipps
Der Koͤnig von Peluſia, einem Mazedonien benach— barten Lande, war Freund und Verbuͤndeter des Koͤnigs Philipp und ſchickte ihm einſt als Geſchenk ein Pferd, das Buzephal genannt wurde. Das war aber ein Roß, wie man es ſchoͤner und wilder nie geſehen hat. Der Zorn und die Hitze des Pferdes waren ſo groß, daß kein Reiter es zu beſteigen wagte. Es trat jeden nieder, der ihm nahte. Da befahl Philipp, fuͤr das Roß einen eiſernen Zwinger zu bauen, und alle vor dem Koͤnige Schuldigen und zum Tode Verurteilten wurden da hineingeworfen.
Zu der Zeit befragte der Koͤnig Philipp ſeine Goͤtzen darum, wer wohl nach ihm den Thron Maze— doniens einnehmen werde. Da erſchien ihm einer der Goͤtter im Traume und ſprach: Welcher dem Pferde aufſitzt, das jetzt im Zwinger gehalten wird, der wird dein Thronerbe ſein. Da behielt Philipp dieſe Worte in ſeinem Herzen und offenbarte ſie keinem ſeiner Diener.
126 Der Born Judas
Inzwiſchen wurde Alexander fuͤnfzehn Jahre alt und erwarb Kenntniſſe in allen Wiſſenſchaften. In der Morallehre unterrichtete ihn Kalliſthenes, die Waffenkunſt brachte ihm Kaſtanes bei, und in der Philoſophie war Ariſtoteles ſein Lehrmeiſter. Der Prinz kannte ſich auch in ſtaatlichen Dingen aus, und man ſprach von ihm in ganz Mazedonien. Eines Tages ging Alexander an dem Kaͤfig voruͤber, in dem Buzephal eingeſchloſſen war, und ſah durch das Gitter Haufen von Menſchenknochen zwiſchen den Fuͤßen des Pferdes liegen. Das verdroß ihn ſehr, er ſteckte ſeine Hand zwiſchen die Eiſenſtaͤbe des Kaͤfigs und griff an die Halskette des Pferdes. Und ſiehe da, das wilde Roß ließ es gewaͤhren und leckte mit der Zunge die Hand Alexanders. Darauf befahl der Koͤnigs— ſohn, den Zwinger zu oͤffnen; er naͤherte ſich dem Pferde und faßte es beim Nacken, wobei das Tier ſich weder hin noch her wandte. Er ſchwang ſich auf Buzephal und ritt auf ihm ohne Sattel.
Als Philipp das ſah, freute er ſich ſeines Sohnes und ſprach: Nun iſt die Weisſagung der Gottheit uͤber dich in Erfuͤllung gegangen. Und er erzaͤhlte Alexander von ſeinem naͤchtlichen Traumgeſicht.
Der aͤgyptiſche Zauberer Eines Tages hielt ſich der Knabe Alexander, von den Hoͤflingen umgeben, im Schloßgarten ſeines Vaters auf, als ein weiſer Mann, einer von den Zauberern Agyp⸗ tens, vorbeiging. Wie dieſer den Prinzen erblickte,
Alexander und feine Brüder 127
wurde er erſchuͤttert und fiel mit dem Angeſicht zur Erde nieder, dem Knaben Ehrfurcht bezeugend. Da ſprach Alexander: Was iſt der Grund, und was iſt die Urſache, daß du vor mir in die Knie ſinkſt? Der Weisſager antwortete: Ich ſehe, daß du dereinſt die ganze Welt erobern wirſt; gar viele werden durch dich erſchlagen werden; du wirſt in ferne Laͤnder kommen, wirſt in die Meerestiefen hinabfahren und wirſt hoch zwiſchen den Sternen dein Neſt errichten. Du wirſt noch zu deinen Lebzeiten an die Staͤtte ge— langen, wo die Gottesfuͤrchtigen weilen. Da freute ſich der Knabe der Weisſagung und ſprach zu dem Zauberer: Sollten deine Worte wahr ſein, ſo will ich dich und das ganze Geſchlecht deines Vaters und deiner Mutter zu freien Bürgern machen; du aber ſollſt außer⸗ dem mein Vizekoͤnig werden. Darauf buͤckte ſich der Seher abermals und gab dem Prinzen koſtbare Ge— ſchenke, die als eine Erinnerung an die Begegnung gelten ſollten.
Alexander und feine Brüder Der Koͤnig Philipp ward alt und verfiel dem Leiden, an dem er ſterben ſollte. Da verſammelte er alle Wei— ſen und Zauberer Agyptens um ſich und bat ſie, ihm die Wahrheit zu ſagen, wer nach ihm Mazedoniens Fuͤrſt ſein werde. Die Weisſager erwiderten: Laß uns Bedenkzeit bis zum Morgen, dann wollen wir unſerm Koͤnig Antwort geben. Dem willfahrte Philipp. Am Morgen erſchienen die Zauberer und Sternſeher
128 Der Born Judas
in ihrer Geſamtheit, und fie ſprachen alle eines Mun⸗ des: Es iſt der Knabe Alexander, der nach dir regieren wird; ſein Thron wird hoͤher ſein als der deinige, unſer Herr und Koͤnig, und was er nur unternehmen wird, wird ihm gelingen. Da ward der Koͤnig ſehr betruͤbt und weinte, denn er hatte viele Soͤhne, und von dieſen ſollte keinem die Herrſchaft zufallen. Von Alexander aber wußte er, daß er nicht ſeinen Lenden entſproſſen war.
Alſo rief Philipp ſeine Soͤhne zuſammen und ſprach zu ihnen: Hoͤrt mich an, meine Kinder! Wie ihr von den Weiſen vernommen habt, iſt der Thron nach meinem Tode allein Alexander zugedacht worden; ſo gehorcht denn meinem Rate und hebt keinen Streit an mit dem, der nach mir Koͤnig wird. Die Sache iſt von Gott aus— gegangen; laßt es euch nicht leid tun und hegt keinen Groll; ſucht nicht das Joch eures Bruders von eurem Halſe abzuwerfen. Die Empoͤrung kann euch nur zum Boͤſen ausſchlagen, denn Macht und Herrſchaft ſind in den Haͤnden des Koͤnigs uͤber alle Koͤnige. Er ver— leiht die Herrſcherwuͤrde und entreißt ſie, und in ſeiner Gewalt iſt es, zu erheben und ſtark zu machen.
Als darauf Philipp ſtarb, gedachten ſeine Soͤhne, Alexander durch Gift umzubringen. Da ſprach der Thronerbe zu feinen Brüdern: Was hab ich geſuͤndigt, was habe ich gefehlt, daß ihr mich erwuͤrgen wollt und unſchuldiges Blut zu vergießen gedenkt? Ihr wißt es doch und habt es gehoͤrt, daß das Koͤnigtum mir vom Himmel zugewieſen worden iſt. Hat euch doch auch
Alexanders Lob 129
der Koͤnig befohlen, mir den Thron zu uͤberlaſſen. Als nun die Bruͤder vernahmen, daß Alexander von ihrem Anſchlag erfahren hatte, ſprachen ſie zueinander: All unſer Muͤhen iſt vergeblich, denn wie die Sternſeher vorausgeſagt haben, ſoll er nach unſerm Vater Koͤnig ſein. Machen wir ihn nun zum Herrſcher, ſo wird er an uns Gutes tun, denn er iſt unſer Fleiſch; wo wir uns aber gegen ihn ſteifnackig zeigen, wird er, wenn feine Kraft erſtarkt, uns alle töten. Und die Söhne Philipps ließen alle Fuͤrſten des Landes kommen und ſprachen zu ihnen wie zu den Weiſen, den Alteſten und Sternkundigen folgendermaßen: Ihr wißt, daß unſer Vater befohlen hat, Alexander zum Regenten auszurufen. Warum ſaͤumt ihr denn mit der Ausfuͤhrung dieſes Befehls? Iſt ihm doch von Gott die Krone beſchieden. Darauf erwiderten die Vornehmen: Es iſt in Wahrheit ſo, wie ihr ſprecht. Nur aus Furcht vor euch haben wir bisher Alexander nicht zum Koͤnig gemacht. Da wir nun ſehen, daß ihr ihn zum Herrſcher haben moͤgt, ſo wollen wir feine Thronbeſteigung nicht mehr aufſchieben. Alsbald wurde das ganze Volk des Landes zuſammen— gerufen und Alexander zum Fuͤrſten erhoben. Die Mazedonier riefen: Es lebe der Koͤnig!
. Alexanders Lob Der Koͤnig Alexander durchzog die Lande Kleinaſiens und wurde überall, wo er hinkam, mit Gaben empfangen. So kam er auch einſt in den Sonnentempel und brachte dem Gotte, der daſelbſt angebetet wurde, Opfer
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130 Der Born Judas
dar und goß vor ihm Ol. Und die Prieſter des Tem- pels, welche Koͤnigsſoͤhne waren, ſtanden vor Alexander mit ſilbernen Becken und raͤucherten vor ihm Weihrauch. Das war ihre Sitte und huldvolle Gepflogenheit Koͤ— nigen gegenuͤber. |
Von da zog Alexander weiter und kam an den Strom Samondro in dem Lande Trabaras. Hier gingen ihm die angeſehenen Buͤrger entgegen und uͤberreichten ihm ein Geſchenk. Alexander erwies ihnen gleichfalls Ehren, lobte fie und ſprach: Fuͤrwahr, ihr ſeid das Volk und die Vornehmen, von denen der Dichter Homer in ſeinen Geſaͤngen erzaͤhlt hat. Darauf erwiderte Cletomandus, einer der erſten Philoſophen des Landes: Unſer Herr und Koͤnig! Lebte Homer noch heute, ihm waͤre keine Zeit uͤbriggeblieben, Laͤnder und Helden zu beſingen, denn er haͤtte ſeines ganzen Lebens bedurft, um dich zu verherrlichen, und haͤtte das Lob doch nicht ausgeſchoͤpft.
Abulon und Amm on Auf einem ſeiner Feldzuͤge trug es ſich zu, daß Alex⸗ ander nach dem Orte Tragakantes kam, woſelbſt eine Opferhoͤhe dem großen Abgotte Abulon errichtet war. Dieſer Goͤtze wurde zu der Zeit von den Griechen hoch geachtet. Da gedachte Alexander, dem Abulon ein Schlachtopfer darzubringen nach den Braͤuchen, wie ſie die naſiraͤiſchen Prieſter, die damals im Tempel herrſch⸗ ten, feſtgeſetzt hatten. Es ſprach aber die Prieſterin Zakora zu Alexander: Mein Herr und Koͤnig, die Stunde iſt dem Opfer nicht guͤnſtig, und Abulon wird es nicht
Abulon und Ammon 131
geneigt aufnehmen, denn die Sonne hat fich bereits ge- ſenkt, der Tag ift dahin, und die Abendſchatten breiten ſich aus. Alexander gehorchte den Worten der Prieſterin und wartete bis zum naͤchſten Tag. Am Morgen, ſobald die Sonne aufgegangen war, brachte der Koͤnig die Opfergabe dar. Da rief Abulon: Koͤnig Herkules, was iſt dein Vorhaben? Dieſe Anrede mißfiel Alexander, und er ſprach zu dem Abgott: Warum nennſt du mich nicht bei meinem Namen? Nun weiß ich, daß dir zu opfern nutzlos iſt, und daß die Gaben, die man dir darbringt, nichts erwirken. Und er verließ die Opferhoͤhe und zog mit ſeinem Heere nach dem Lande Illyrien.
Nachdem Alexander mit den Roͤmern den Friedens— bund geſchloſſen hatte, zog er uͤber See nach Afrika nach dem Lande der Philiſter. Er erklaͤrte den Voͤlkern daſelbſt den Krieg und unterjochte ihre Reiche. Danach hielt er ſich auf den Pharanitiſchen Inſeln auf und wollte den Tempel aufſuchen, in dem der Gott Ammon ange— betet wurde. Auf dem Wege dahin rannte ein Hirſch an den Heeren Alexanders voruͤber, und die Schuͤtzen zielten mit Pfeilen nach dem Tier, konnten es aber nicht treffen. Da nahm Alexander ſeinen Bogen zur Hand, ſpannte ihn und entſandte einen Pfeil, wodurch der Hirſch toͤdlich getroffen ward. Daruͤber ward Alexan— der voll Freude, denn er hatte ſich vorher Zeichen ge— macht nach Art der Wahrſager. Er nannte den Ort die Pfeilftätte, welcher Name bis auf den heutigen Tag geblieben iſt. Danach erreichte er den Tempel Am-
132 Der Born Judas
mons, brachte dem Goͤtzen ein Opfer dar und raͤucherte vor ihm.
Serapis In einem Orte, der Taphoris benannt wurde, kam Alexander vor einen Berg, an deſſen Fuße zwoͤlf Kaͤhne in die Erde eingelaſſen waren. Die Boͤden der Kaͤhne hatten je zwoͤlf Loͤcher, und durch jedes Loch ſchoß in die Hoͤhe ein Waſſerſtrahl. An der Spitze des Berges aber ſtand ein Tempel von wunderbarer Bauart. Die Tore des Heiligtums waren verſchloſſen, und man wußte nicht, welchem Gotte es geweiht war. Alexander ſchlachtete an der Staͤtte viele Opfer und raͤucherte nun den Goͤttern, ohne eines beſtimmten Abgottes Namen zu nennen. Da geſchah es, daß ihm in der Nacht der Gott Serapis erſchien und zu ihm ſprach: Alexander, koͤnnteſt du dieſen Berg aus der Erde reißen und ihn auf deiner Schulter tragen? Alexander entgegnete: Dieſe Kraft beſitze ich nicht; haͤtte ich ſie, ich vollbraͤchte das Werk. Darauf ſprach Serapis: Wie es keinem Menſchen moͤglich iſt, den Berg zu verſetzen, ſo iſt es nicht moͤglich, mich zu verkennen. Als Alexander dieſe Worte vernahm, buͤckte er ſich bis zur Erde und ſprach zu Serapis: Ich flehe dich an, mein Herr, ſage mir, wann mir zu ſterben beſchieden iſt, und auf welche Weiſe der Tod über mich kommen wird? Serapis antwor- tete: Schwer iſt deine Frage. Deiner Ehre und deines An— ſehens wegen jedoch will ich dir offenbaren, daß du in deiner Jugend verſcheiden wirſt. Dein Tod wird durch
Die heilige Höhle 133
ein Gift erfolgen, das man dir in einem Becher reichen wird. Hierauf erwachte Alexander aus ſeinem Schlaf und war ſehr betruͤbt, er offenbarte aberkeinem Menſchen etwas von dem Traume.
Die heilige Hoͤhle
Einſt uͤbernachteten Alexander und ſeine Getreuen in einer Erdhoͤhle, und die Koͤnigin Kandakis ſprach zu Alexander: Von dieſer Hoͤhle erzaͤhlen unſere Weiſen, daß hierher die Gottheit niederſteigt, um zu ſpeiſen; es iſt eine lautere Staͤtte, und wer hier betet, deſſen Flehen wird erhoͤrt. Da drang Alexander in das Innere der Hoͤhle. Dunkel und Wolken waren um ihn her, und zwiſchendurch funkelten Sterne. Er ſah auch Engel ſchweben, und unter dieſen war einer gewaltig groß, und ſeine Augen leuchteten wie die Strahlen der Sonne. Da erbebte Alexander vor dieſem Anblick. Der Engel aber ſprach zu dem Koͤnig: Friede mit dir, Alexander! Alexander fragte: Wer biſt du, Herr? Der Engel er— widerte: Ich bin Seſonchoſis, der uͤber die Erdgrenze der Welt regiert. Ich war mit dir, als du deine ſieg— reichen Kriege fuͤhrteſt und die Koͤnige, die dir gegen— uͤberſtanden, beſiegteſt. Auch war ich dir behilflich, als du die Stadt bauteſt, die du mit deinem Namen benannteſt.
Danach erſchien dem Koͤnig Alexander an derſelben Staͤtte ein anderer Engel; der ſaß auf einem Throne, und ſein Angeſicht war furchterregend. Alexander fragte ihn: Was biſt du fuͤr ein Gott? Der Engel entgegnete: Ich bin Serapis, aller Goͤtter Urſprung. Mich beten
134 Der Born Judas
alle Gottheiten an, und alle Gefchöpfe haben an mir ihren Halt. Ich war es, der dir im Lande Libyen beigeſtanden hat und der dir ſchon einmal erſchienen iſt. Da ſprach Alexander: Ich flehe dich an, tu mir den Tag meines Todes kund. Der Engel ſagte darauf: Es darf kein Menſch ſeinen Todestag erfahren, damit er ſein Tageswerk nicht einſtelle. Nur ſo viel will ich dir ſagen, daß die Stadt Alexandria, die du angelegt haſt, eine der befeſtigtſten Städte der Welt fein wird. Es wer- den viele Koͤnige um ſie ſtreiten, und dieſer Ort wird deine Grabſtaͤtte ſein. Als der Engel die Worte aus— geſprochen hatte, ſtiegen die Wolken Anan und Arapel auf, und das Geſicht, das Alexander geſchaut hatte, verfchwand,
Die Fahrten Alexanders
In den Luͤften und im Meere
Ulexander ſprach einſt bei ſich: Was ich bisher voll—
bracht habe, genuͤgt mir nicht. Und er ſagte zu ſeinen Helden: Bringt mir vier große und maͤchtige Adler her. Die Getreuen erfuͤllten den Wunſch des Koͤnigs, und er befahl, die Voͤgel drei Tage hungern zu laſſen. Am dritten Tage nahm der Koͤnig eine große Holzplatte und ließ die Adler mit den Fuͤßen daran binden. Darauf wurden vier Pfloͤcke in die Ecken der Holzplatte getrieben, und an dieſen wurde oben je ein Stuͤck rohes Fleiſch befeſtigt. Alexander ſelbſt ſetzte ſich gleichfalls auf die Platte. Die ausgehungerten Adler ſahen das haͤngende Fleiſch und ſchwangen ihre Fluͤgel, um es zu erreichen. Da ſie aber an die Platte gebunden waren, hoben ſie dieſe mit ſich, und ſo ſtieg das ſeltſame Fahrzeug mit dem Koͤnig immer hoͤher und hoͤher, bis es die Wolken erreichte. Da oben aber konnte Alexander die Luft nicht ertragen. So zog er raſch die Pfloͤcke aus der Platte, drehte ſie um und befeſtigte ſie an der Holz— fläche mit dem Fleiſch nach unten. Nun ſahen die Adler die Fleiſchſtuͤcke unten haͤngen und flogen abwaͤrts, um ſie zu freſſen. Alſo kam die Platte mit dem Koͤnig auf die Erde hinunter.
Alexander ſprach: Als ich zwiſchen Himmel und Erde ſchwebte, ſah ich das Weltall um mich, und die Erde nahm ſich aus wie ein Becher, der auf dem Ozean ſchwimmt.
136 Der Born Judas
Danach hatte der Koͤnig wieder einen Gedanken, und er ſprach zu ſeinen Weiſen: Stellt mir eine große hohle Kugel aus weißem Glas her. Mir reicht nicht aus, was ich in den Hoͤhen geſehen habe; ich will noch in die Tiefe des Meeres dringen und will erfahren, was unter der Erde iſt. Alſobald wurde des Koͤnigs Befehl ausgefuͤhrt. Alexander ſetzte ſich in die Glaskugel, nahm einen leuch— tenden Stein und einen lebendigen Hahn mit hinein und ſagte zu ſeinen Begleitern: Laßt mich in die Tiefe hinab. Harrt meiner ein volles Jahr; ſteige ich im Laufe des Jahres nicht aus dem Waſſer, ſo kehrt allein in eure Huͤtten zuruͤck. Hierauf verſenkten die Ratmannen Alex⸗ anders die Kugel mit ihrem Koͤnig ins Meer. Das glaͤſerne Tauchgeraͤt glitt durch die Gewaͤſſer und fuhr bis auf den Meeresgrund hinab; alſo ſchaute Alexander alles, was im Meere lebt, das Kleinſte ſowohl als das Groͤßte. Nach drei Monaten ſeines Aufenthaltes im Ozean ward Alexanders Verlangen geſtillt. Er ſchlach⸗ tete den Hahn, den er mithatte, und vergoß ſein Blut. Das große Meer aber kann keinen Blutstropfen in ſich aufnehmen, und ſo ſpie es die Kugel mit dem Koͤnig aus und ließ ſie ſtranden. Alexander wurde an eine ferne Kuͤſte geworfen und kam unter ein Volk, deſſen Zunge ihm unverſtaͤndlich war. Die Bewohner dieſer Inſel waren Menſchen von abſonderlichem Ausſehen. Sie hatten nur ein Auge in der Mitte der Stirn; ihre Geſichter waren zwei Ellen breit; auch ihre Fuͤße waren uͤber alle Maßen groß. Als ſie aber Alexanders anſichtig wurden, uͤberfiel fie eine Furcht, und ſie buͤckten ſich vor ihm bis zur Erde.
Wilde Menfchen und Tiere 137
Wilde Menſchen und Tiere
Auf einem ſeiner Streifzuͤge gelangte Alexander mit ſeinem Heere an eine uͤberaus tiefe Schlucht. Er durch— maß ſie in fuͤnf Tagen und bekam da fremdartige Tiere zu ſehen, auch apfelbaumaͤhnliche Pflanzen und Men⸗ ſchen, die die Griechen Pitheken nennen; die hatten einen ſehr langen Hals, und ihre Haͤnde und Arme er— innerten an Saͤgen. Er befahl, einige von dieſen Zwei— füßigen zu fangen; dieſe flohen, aber Alexanders Strei- ter toͤteten von ihnen hundertzweiundachtzig Mann. Sie aßen von den Fruͤchten und uͤbernachteten in der Schlucht. Danach zog Alexander weiter nach dem Lande Alſelnaim und fand hier Menſchen, die wie Rieſen groß waren, rote, loͤwenaͤhnliche Geſichter hatten und lederne Guͤrtel um die Lenden trugen. Das waren Hel— den, die ohne Waffe Streit fuͤhrten, aber Alexanders Soͤldner toͤteten auch von ihnen hundertachtzig Mann. Danach befahl Alexander, einen Brand im Walde zu entfachen, und die Wilden flohen vor dem Anblick des Feuers.
Am andern Tage ſuchte Alexander die Hoͤhlen der Wilden auf und fand große Tiere, die Hunden aͤhnlich ſahen, am Eingang zu den Erdloͤchern angebunden. Die Koͤrper der Tiere waren vier Ellen hoch; ſie hatten ein weißgeflecktes Fell und je drei Augen im Kopfe. Außerdem ſah Alexander dort Floͤhe wie Tauben groß. Er ging weiter und ſtieß auf einen Menſchen, der ganz behaart war. Er wollte ihn ergreifen, konnte aber ſeiner
138 Der Born Judas
nicht habhaft werden. Da befahl der Koͤnig, dem Rauhen ein nacktes Weib zuzufuͤhren im Glauben, ihn durch die Luſt zu feſſeln, allein dieſer faßte das Weib und ver— zehrte es. Nun ſuchten die Helden Alexanders ihm durch Gewalt beizukommen, da ſtieß der Fremde einige Laute in ſeiner Sprache aus, und darauf kamen aus dem Walde unzaͤhlige ihm aͤhnliche Geſtalten herbeigerannt. Alexander ließ auch diesmal ein Feuer anzuͤnden und fing auf dieſe Weiſe fuͤnfhundert der ſonderbaren Ge— ſchoͤpfe. Das waren Weſen ohne Verſtand, die bellten wie Hunde. Seltſame Pflanzen
Alexander kam auf feinen Fahrten bei Sonnenunter- gang in ein Land, das weit ausgedehnt war, und lagerte daſelbſt mit ſeinem Heere. Des andern Tags in der Frühe, ſobald die Sonne aufgegangen war, ſah Alexan⸗ der Baͤume und Pflanzen aus der Erde hervorkommen, und die zeugten Fruͤchte bis zur Stunde, da die Sonne im Mittag ſtand. Von dem Augenblick ab ſetzten ſie keine neuen Triebe an und wurden immer kleiner, bis ſie unter der Erde verſchwanden; mit dem anbrechenden Tage gelangten ſie wieder an die Oberflaͤche der Erde. Die Fruͤchte, die die Baͤume trugen, waren ſehr ſchoͤn und von herrlichem Wohlgeruch. Einige von Alexanders Reitern wollten die Fruͤchte aufſammeln und naͤherten ſich einem Baume, fie fielen aber tot nieder. Und Alex— ander vernahm eine Stimme, die ſprach: Es verſuche kein Menſch, die Pflanzen aufzuheben, damit er nicht ſterbe.
Man erzaͤhlt, daß den ſeltſamen Baͤumen auch ein
Die eingefchloffenen Wilden 139
duftendes Harz entquoll, mit dem die perſiſchen Prie— ſter vor ihren Goͤtzen raͤucherten. Alexanders Mannen wuͤnſchten von dem feſtgewordenen Saft einige Stuͤcke loszuloͤſen, aber da wurden ſie von Daͤmonen mit Ruten gepeitſcht, und es war kein Arm zu ſehen, der die Streiche verſetzte. Nur eine Stimme war zu hoͤren, die rief: Be— ruͤhrt nicht die Baͤume und ſammelt kein Harz, denn ihr ſeid des Todes.
Die eingeſchloſſenen Wilden
Alexander ſtieß auf ſeinen Eroberungszuͤgen auf einen Volksſtamm, deſſen Außeres Grauen und Entſetzen er— weckte. Das waren Menſchen, denen alles Lebendige als Speiſe diente: ſo aßen ſie Fliegen und Maͤuſe und allerlei Gewuͤrm, und ſtarb einer von ihnen, ſo wurde die Leiche nicht verſcharrt, ſondern gleichfalls verzehrt. Alexander gedachte die ſchreckliche Menſchengattung durch ſein Schwert auszurotten, aber er ging mit ſich zu Rate und uͤberlegte, daß Reſte ſich doch noch immer retten koͤnnten und der Stamm alſo nicht ganz vertilgt wuͤrde. So trieb er ſie aus dem Lande, in dem ſie wohn— ten, nordwaͤrts nach einem entlegenen Weltwinkel und brachte ſie in ein weites Tal, das ſich zwiſchen zwei Bergen, Promunktorium und Boreum, befand. Und Alexander betete zu Gott und ſprach: Vernimm mein Flehen, o Herr, und ſchließe dies Volk hier ein, auf daß es die Welt nicht verderbe. Da erhoͤrte Gott das Gebet und ließ die zwei Berge nahe aneinanderruͤcken, ſo daß nur ein Durchgang von zwoͤlf Handbreit uͤbrigblieb.
140 Der Born Judas
Alexander aber befahl, Eiſen, Blei und Kupfer zur ſammenzutragen und mit dem geſchmolzenen Metall den Ritz bis oben hinauf auszufuͤllen. Alſo wurden die Berge durch eine Maſſe verbunden, die keine Flamme zu ſprengen vermochte und kein Feuer weich machen konnte; und die ſeltſame Menſchenart wurde fuͤr ewig eingeſperrt.
Bis auf den heutigen Tag ſtehen die zuſammenge— wachſenen Berge da; man nennt ſie den Alexander— felſenz es kann kein Menſch da hinein, und es kommt keiner von da heraus.
Die ſprechenden Baͤume
In einem Briefe, den Alexander an ſeinen Lehrmeiſter Ariſtoteles aus Indien geſchrieben hat, teilt er ihm fol— gende Begebenheit mit.
Als wir in das Land Kaphſiakon einzogen, es war die neunte Tagesſtunde, da wehte ein heftiger, alles niederbeugender Wind, ſo daß wir uns auf unſern Fuͤßen nicht halten konnten. Wir legten uns platt auf die Erde und warteten ab, bis der Sturm aufgehoͤrt hatte. Ich unterwarf das Land Kaphſtakon, welches eine Landſchaft des indiſchen Reiches iſt. Die Einwohner ſagten zu mir: Wir haben dir etwas zu zeigen, was wunderbar und außerordentlich merkwuͤrdig iſt und was von dir geſchaut zu werden verdient. Komm mit uns, wir wollen dich Baͤume ſehen laſſen, die wie Menſchen der Rede mächtig find. Und die Leute führten mich in einen Gar- ten, und ich erblickte daſelbſt zwei Baͤume, die Fruͤchte trugen, wie ſie in Agypten unter dem Namen Morbithon
—
Die ſprechenden Baͤume 141
bekannt ſind. Auf dem Stamme des einen Baumes war die Sonne abgebildet, und das war ein maͤnnlicher Baum; auf dem Stamme des zweiten Baumes war der Mond abgebildet, und das war ein weiblicher Baum. Der männliche Baum wurde Semes benannt, den weib- lichen nannte man Jareah. Als ich den Garten be— trat, riefen die Buͤume: Tod, Tod! Eine Furcht tut ſich kund! Hernach ertoͤnten aus dem Sonnenbaume Worte in indiſcher Sprache, und die Einwohner mochten mir die Rede nicht deuten, da ſie vor mir Angſt hatten. Ich ſchwur ihnen aber, daß ich ihnen nichts Boͤſes tun wuͤrde, und ſie ſagten zu mir: Der Baum verkuͤndet dir, Alex— ander, daß du in Baͤlde von der Hand deiner Mannen und Freunde fallen wirſt. Da ward der Mond ſichtbar, ich kniete vor den Baͤumen nieder, betete und fragte, ob es mir noch beſchieden ſei, meine Mutter und meine Anverwandten in Mazedonien wiederzuſehen? Darauf kam aus dem weiblichen Baume eine Stimme, die in griechiſcher Sprache ſagte: Dir ſei hiermit kund, daß du in Babel von der Hand eines dir Befreundeten den Tod empfangen und weder deine Mutter noch dein Heimatland je wiederſehen wirſt. Des andern Tages, als die Sonne aufging, kam ich wieder an dieſelbe Staͤtte, betete und fragte, ob denn die Tage meines Lebens zu Ende ſeien? Hierauf antworteten beide Baͤume: Deine Jahre ſind abgelaufen, und deine Tage ſind vollendet; du wirſt in Babel den Tod erleiden, und nach deinem Tode wird dein Geſchlecht erloͤſchen. Frage nicht weiter, denn dir wird keine Antwort.
Alexander und Menahem
Das Grab des Althemenes
lexander ruͤſtete ſich zu ſeinem erſten Feldzug. Er
ſammelte feine Heeresmacht, ließ viel eiſerne Kriegs— wagen bauen und ſtellte ſich mit einer Fahne in der Hand an die Spitze ſeiner Streiter. Er kam mit ihnen in einen dichten Wald, und durch dieſen zogen die Truppen neuns undzwanzig Tage lang. Am Vorabend des letzten Tages ſahen ſie ſich vor einem uͤberaus hohen Berge ſtehen, auf dem ein praͤchtiger Palaſt erbaut war. Alexander ſprach zu feinen Mannen: Wer will mit mir den Berg beftei- gen? Da meldeten ſich zweihundert Soͤldner und ſagten: Wir wollen die Hoͤhe erklettern. Alſo ſtiegen Alexander und ſeine Begleiter den Berg hinauf, und ſie kamen vor ein großes maͤchtiges Tor. Hier ſaß ein alter Mann. Wie dieſer den Koͤnig erblickte, lief er auf ihn zu und wollte ihn umarmen. Allein die Helden Alexanders ver— traten ihm den Weg und ließen ihn nicht an den Koͤnig heran. Da rief der Greis: Warum wehrt ihr mir, Aler- ander, meinen Herrn und Koͤnig, zu begruͤßen? Darob ſtaunten die Krieger und ſprachen: Wer hat dir geſagt, daß unſer Fuͤhrer der Koͤnig Alexander iſt? Der Greis erwiderte: Sein Name und ſein Antlitz ſind auf der Mauer des Palaſtes eingemeißelt, den ich ſeit vielen Jahren und Tagen bewache. Die Mannen fragten: Worin beſteht deine Kraft und deine Staͤrke, daß du hier ganz allein weilſt? Siehe, wir, eine kleine Zahl von Maͤnnern, halten dich feſt. Da entbrannte der Zorn des
Das Grab des Althemenes 143
alten Mannes, und er ſprach: Ihr glaubt uͤber mich geſiegt zu haben? Hielte mich nicht die Ehrfurcht ab, die ich dem Koͤnig ſchulde, ich achtete euer nicht. Allein mir iſt es zum Gebot gemacht worden, nichts zu tun, was gegen den Koͤnig iſt. Darauf ſagten die Streiter Alexanders: Haben wir Gnade in deinen Augen ge— funden, ſo laß uns deine Kraft ſehen. Der Greis ant— wortete: Wenn es der Koͤnig geſtattet, ſo will ich euch meine Staͤrke zeigen. Alexander ſagte: Die Erlaubnis iſt dir hiermit gegeben.
Als der Schloßwaͤchter dieſes Wort des Koͤnigs ver— nahm, fing er dermaßen laut zu bruͤllen an, daß die Mannen Alexanders nicht mehr ſtehen bleiben konnten und auf ihr Angeſicht fielen. Selbſt Alexander ſtuͤrzte um. Er rief dem Greis zu: Halt ein und fahr nicht fort, denn weder ich noch meine Mannen koͤnnen deine Stimme ertragen. Der Seltſame ſprach: Wohlan, kommt, du und deine Helden, mit mir; ich will euch die Herrlich— keiten des Palaſtes zeigen; der iſt wunderbar und rei— zend zum Anſchauen. Darauf ſagte Alexander: Iſt es dir recht, ſo ſteigt einer von meinen Begleitern hinunter und holt einen Schreiber, damit dieſer alles verzeichne, was er auf dem Berge ſehe. Der Greis antwortete: Das mag geſchehen. Alsbald fuhr einer von den Mannen hinunter und kam zuruͤck mit dem oberſten Schreiber Alexanders, dem Judaͤer Menahem.
Nun betrat der Koͤnig mit ſeinem Gefolge das Schloß. Sie kamen zuerſt in ein hohes und weites Gemach, das ganz aus rotem Glas beſtand, und in dem ſich fünfund-
144 Der Born Judas
neunzig Fenſter befanden. Und innen vor den Fenſtern flatterten viele Arten von Voͤgeln und ließen ihr Gezwit— ſcher weithin erſchallen. Im oberſten Fenſter aber ſaß ein alter Mohr, und dieſer faͤchelte beim Eintritt des Koͤnigs mit einem Tuche uͤber den Voͤgeln. Da verſtummten ſie alle auf einmal und gaben keinen Laut von ſich. Danach ver⸗ ließen Alexander und die Begleitung den Raum und kamen in eine andere Halle. Dieſe war aus gruͤnem Glaſe, und vielerlei Tiere, reine und unreine, kauerten auf dem Boden. Unter den Tieren war eins, das ein abſonder— liches Ausſehen hatte. Der Koͤrper des Tieres war von unten bis oben glatt und unbehaart; ſeine Fuͤße glichen Loͤwenfuͤßen, das Geſicht war das eines Vogels, die Augen waren zwei Ellen groß und weit, die Zaͤhne an— derthalb Ellen lang, und die Hoͤhe des Tieres betrug fuͤnf Ellen. Alexander war voll Verwunderung uͤber dieſen Anblick. Da ſprach der Greis: Staune nicht, ich will dich noch Wunderbareres ſehen laſſen. Er entfernte ſich und kam bald mit einem Halme zuruͤck, den er dem Tiere in das Maul ſteckte. Alsbald kam aus dem Schoße des ſchrecklichen Geſchoͤpfes ein anderes Tier, das gleichfalls abſonderlich war. Dieſes war ganz mit weißen Haaren bedeckt, hatte eine menſchliche Stimme, und ſeine Zaͤhne waren gruͤn. Der alte Mann ſprach: Ein Haar von dieſem Tier iſt ein Mittel, Siege zu er— ringen. Wer ein ſolches Haar bei ſich traͤgt, vor dem fallen die Feinde haufenweiſe nieder. Da ſpottete Alex— ander dieſer Worte des Greiſes. Aber der Alte er— grimmte und ſprach zu dem Koͤnig: Wie wagſt du es,
Das Grab des Althemenes 145
meiner Rede mit Hohn zu begegnen? Wiſſe, daß dein Ende bitter ſein wird. Da nun Alexander ſah, daß der alte Mann gekraͤnkt war, fing er an, mit ihm ſanft zu reden, und ſuchte ſeinen Zorn zu beſchwichtigen. Er ſprach zu ihm: Habe ich etwas geſagt, was unſchicklich war, ſo vergib mir im Hinblick auf meine koͤnigliche Wuͤrde. Der Alte erwiderte: Ich will dir darin gehorchen, aber fahre in der vorigen Weiſe nicht fort. Nunmehr ſprach Alexander zu dem Greis: Willſt du mir Gunſt erweiſen, ſo zeige mir weiter die Schoͤnheiten der Burg. Der alte Vogt ſagte: Komm mit mir. Und er fuͤhrte den Koͤnig in ein ſchoͤnes Gemach, das ganz in rotem Marmor ge— baut war und das nach allerlei Gewuͤrzen duftete. Der Geruch drang in die Naſe Alexanders, und er fuͤhlte feine Kraft größer werden. Er ſchaute ſich um und er- blickte einen Marmorſockel, auf dem ein Gefaͤß aus rotem Glaſe ſtand. Er fragte ſeinen Fuͤhrer: Was enthaͤlt dieſes Glas? Der Burgvogt erwiderte: Darin iſt das Ol Jerichos, der Palmenſtadt, eingeſammelt.
Danach gewahrte Alexander einen Block aus gruͤnem Marmor, der wie eine koͤnigliche Gruft ausſah. Er fragte den Greis: Wer liegt hier begraben? Der antwortete: Unter dieſem Stein ruht der Koͤnig Althemenes; ſein Koͤrper iſt mit Balſamoͤl eingeſalbt worden und iſt bis auf heute friſch geblieben. Alexander fragte: Weißt du denn, wie lange es her iſt, daß dieſer Koͤnig hier beige— ſetzt worden iſt? Der Greis ſagte darauf: Ich will die Inſchrift leſen, die auf dem Stein eingegraben iſt. Und er las die eingemeißelten Worte und ſagte: Es ſind zwei—
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hundertfuͤnfundachtzig Jahre her. Alexander ſprach: Willſt du mir gnaͤdig ſein, ſo zeige mir auch den Koͤrper des eingeſalbten Fuͤrſten, damit ich ſehe, ob deine Worte wahr ſind. Der Greis ſagte: Ich will deinem Wunſche willfahren, allein ſei gewarnt und huͤte dich, den Leich— nam zu beruͤhren, wenn du dieſe Nacht bei einem Weibe geruht haſt. Alexander antwortete: Das war nicht der Fall. Die Worte des Koͤnigs entſprachen aber nicht der Wahrheit. Der Waͤchter ſprach: Sage auch deinen Man⸗ nen, daß ſie den Koͤrper des Toten nicht beruͤhren ſollen, wenn ſie ſich vom Beiſchlaf nicht gereinigt haben. Alex⸗ ander rief aus: Wer den Leib des Herrſchers anfaßt, iſt des Todes.
Hierauf waͤlzte der Burgvogt den Stein von der Grabſtaͤtte und zog die Decke zuruͤck, die den Toten ver⸗ huͤllte. Da ward dem Koͤnig und ſeinen Helden das Antlitz des Entſchlafenen ſichtbar, und ſie erſtaunten uͤber den Anblick. Alexander fragte den alten Mann: Soll ich das Fleiſch des Toten beruͤhren? Dieſer er— widerte: Tu das nicht. Allein Alexander befuͤhlte die Leiche. Er fiel alſobald ruͤcklings nieder, ſein Angeſicht ward von Schweiß bedeckt, und ſein Ausſehen hatte ſich veraͤndert. Da erhoben die Krieger ein lautes Geſchrei. Sie knieten vor dem alten Vogt nieder, flehten ihn an und ſprachen: Herr, ſei uns gnaͤdig, was iſt mit unſerm Koͤnig geſchehen? Der Greis ſprach: Sagte ich euch nicht, daß ihr an die Leiche nicht nahe herankommen ſolltet? Die Mannen Alexanders fuhren fort zu weinen und baten den Greis um Erbarmen. Da ſprach dieſer:
Das Grab des Althemenes 147
Haͤtte ich nicht Achtung vor euch, ich kuͤmmerte mich nicht um euren Koͤnig. Nun aber ſeht, was ich mit ihm vornehmen werde. Die Mannen ſprachen: Wir ſind hier und wollen alles tun, was du uns befiehlſt. Der Burgwaͤchter ſagte: Fuͤrchtet euch nicht, es iſt Hoffnung da, den Koͤnig zu retten. Und er holte ein ſchwarzes Horn, tat ziſchende Kohlen darein und beruͤhrte damit die Stirn Alexanders.
Alsbald richtete ſich der Koͤnig auf, aber er war ſtumm und konnte kein Wort herausbringen. Als das die Helden ſahen, ward ihre Freude uͤber das Erwachen des Koͤnigs in Trauer verwandelt. Der Greis aber ſprach: Seid ohne Sorge. Und er hob ein Gras auf und ſteckte es dem Fuͤrſten in das linke Ohr. Hierauf oͤffnete Alexander den Mund und ſprach ſeine Mannen an. Da wurden ſie voll großer Freude.
Der Hauswart fragte den Koͤnig: Wie ſcheuteſt du dich nicht, dem Leichnam Althemenes' zu nahen? Riet ich dir doch, dich davor in acht zu nehmen. Alexander ent⸗ gegnete: Was ſoll ich dir antworten? Des Narren Unver— ſtand ſchadet ihm ſelbſt. Und er ſprach zu dem Greis: Mein Herr, ich bitte dich, miß den Koͤrper des Althemenes. Das befolgte der alte Mann. Er maß die Leiche und fand, daß ſie neunzig Ellen lang war. Da ſtaunten der Koͤnig und ſeine Krieger. Alexander ſprach zu dem Greis: Und nun breite die Decke uͤber den Toten aus. Der Greis erfuͤllte den Befehl.
Die Geſchichte ſpinnt ſich noch weiter.
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Der Loͤwe als Reittier
Es begab ſich einſt, daß Alexander aus einem Orte floh, in dem Wilde hauſten, und die Verbindung mit ſeinem Heere verlor. Er wanderte neun Monate lang, um ſeine Streiter wiederzufinden, und es zehrte an ihm bei Tage die Hitze und bei Nacht der Froſt. Der neunte Monat des Herumirrens ging zu Ende, als Alexander in einem Walde einem Loͤwen begegnete. Er wandte ſich um und ergriff die Flucht vor dem Raubtier, allein dieſes lief ihm nach und erfaßte einen Zipfel ſeines Kleides. Sodann legte es ſich zu den Fuͤßen des Koͤnigs. Da ſetzte ſich Alexander rittlings auf den Loͤben und ließ ſich von ihm tragen, und der Loͤwe brachte ihn, ohne daß es Alexander wollte, in eine Hoͤhle. Hier ſah der Mazedonierfuͤrſt wieder einen Greis ſitzen und bot ihm den Friedensgruß. Der Alte ſprach: Biſt du mein Herr Alexander? Da ſtaunte der Koͤnig und fragte: Wer ſagte es dir, daß mein Name Alexander iſt? Der Greis entgegnete: Ich ſah dich in Jeruſalem einziehen, als du die Stadt verderben wollteſt. Alexander ſprach zu dem Greis: Wer biſt du? Wie iſt dein Name? Welches Stammes biſt du? Der Alte erwiderte: Wozu fragſt du nach meinem Namen? Ich will von mir nichts ver— raten. Schwoͤrſt du mir aber, daß du den Judaͤern nichts Boͤſes zufuͤgen wirſt, ſo will ich dich zu deinem Heere bringen. Und er fuͤhrte den Koͤnig in einen andern Raum, in dem ein herrliches Roß ſtand. Er ſprach zu Alexander: Beſteige das Roß, ich will hinter dir ziehen.
Die Gebeine Jeremias 149
Und ſo wanderten Alexander und der Greis zuſammen, und ſie gelangten nach ſechs Monaten an das Lager der Krieger. Da nun die Streiter ihres Feldherrn anſichtig wurden, wurden ſie voll großer Freude und blieſen die Poſaune, daß die Erde erdroͤhnte. Und Alexander er— zählte feinen Mannen alles, was ihm widerfahren war, und befahl dem Schreiber Menahem das von ihm Er— lebte getreulich zu verzeichnen. Danach ſprach der Koͤ— nig: Wo iſt der Greis, der mich zu euch gebracht hat? Die Menge ſchaute ſich nach dem alten Mann um, der war aber nicht zu ſehen. Da graͤmte ſich der Koͤnig uͤber die Maßen und befahl alle Ortſchaften zu durchſuchen, allein der Greis war nirgends zu finden.
Die Gebeine Jeremias Damit das Andenken an ihn der Nachwelt bleibe, be— ſchloß Alexander, eine Stadt zu erbauen und ſie mit ſei— nem Namen zu benennen. Als aber die Baumeiſter an die Arbeit gingen und die Stuͤtzpfeiler der Mauern er— richteten, kamen Scharen von Voͤgeln geflogen und niſteten ſich rund um die Pfeiler ein. Nach dieſen flogen andere Voͤgel heran, und die Hinzugekommenen fraßen die bereits Anſaͤſſigen auf. Dieſe Erſcheinung erregte das Bedenken Alexanders, und er dachte bei ſich, von dem Bau zu laſſen. Er ſprach: Vielleicht iſt dies ein boͤſes Vorzeichen und eine Weisſagung, daß der Stadt Verwuͤſtung drohe und ſie nicht lange werde beſtehen bleiben? Wozu ſoll ich das Werk unternehmen? Dar— auf verſammelten ſich die Weiſen Agyptens, die Prie—
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ſter und die Kalenderkundigen; ſie traten vor Alex⸗ ander und ſprachen: Die Begebenheit mache dich in deinem Vorhaben nicht ſchwankend, gib den Bau der Stadt nicht auf. Sie iſt vielmehr ein Zeichen dafuͤr, daß der Ort eine Zufluchtsſtaͤtte fuͤr Fremde aller Laͤnder ſein wird, daß man von ihm aus die andern Reiche kennenlernen wird, daß man von weither ihn aufſuchen wird, und daß viel Handel hier getrieben werden wird. Da nun Alexander dieſe Auslegung vernahm, gab er Befehl, mit dem Bau fortzufahren. Alſo ward die Stadt Alexandria errichtet.
Danach hieß Alexander die Weiſen im Lande Agyp⸗ ten Umſchau halten und das Grab des Propheten Jeremia finden. Seine Gebeine ſollten ausgegraben werden und danach verteilt in den vier Enden der neu— erbauten Stadt beigeſetzt werden, damit dieſe fuͤr alle Zukunft von Schlangen, Ottern, Kroͤten und boͤſen Tieren verfchont bleibe. Dieſer Befehl des Königs wurde ausgeführt, und wirklich wird bis auf den heu— tigen Tag in Alexandria kein Raubtier und kein Ge— wuͤrm geſehen. Alſo ging in Erfuͤllung, was Alexander ſeiner Stadt zugedacht hatte.
Manna Alexander und ſeine Krieger lenkten ihre Schritte nach Sidonien, von welchem Lande der Koͤnig gehoͤrt hatte, daß daſelbſt Manna vom Himmel falle. Fuͤnfundſiebzig Tage zogen die Heere durch eine Wuͤſte, danach fuhren ſie uͤber das Meer und gelangten in das Land Sidonien.
Im Lande der Söhne Jonadabs 151
Hier ſahen fie hochragende Berge, und auf dem Ruͤcken der Berge lag es wie weißer Schnee. Alexander beſtieg mit ſeinen Helden einen Berg und ſah da oben Manna liegen. Der Koͤnig koſtete etwas von dem Manna, aber er mußte ſich erbrechen, denn die Speiſe war uͤberaus ſuͤß. Da erſchien vor Alexander ein Mann von langer Geſtalt, und der ſprach zu ihm: Was iſt dir, daß es dir ſo uͤbel ergeht? Der Koͤnig erwiderte: Ich bin von der Suͤße des Manna krank geworden. Darauf ſagte der Einge— borene: Dort, wo das Manna niedergeht, da waͤchſt auch ein bitteres Kraut; tu von dem Kraut etwas zu dem Manna, und du wirſt keinen Schaden erfahren. Der Koͤnig befolgte dieſen Rat, und die Speiſe ſchmeckte ſodann wie Honig. Hierauf laſen Alexander und ſeine Getreuen viel von dem Manna und dem Kraut auf und brachten die Frucht dem uͤbrigen Heere. Die Soͤld— ner aßen davon, und es mundete ihnen lieblich. Dreißig Tage verblieb Alexander mit ſeinen Streitern in Sido— nien, denn das Land duͤnkte ihn fett und geſund.
Im Lande der Söhne Jonadabs“
Alexander durchſtreifte einſt ein oͤdes Land und gelangte bis an das Meer; er ſah kein Tier laufen und keinen Vogel fliegen; nur Himmel und Erde waren vor ſeinen Augen. Da hoͤrte er Menſchen in griechiſcher Sprache reden, er konnte aber keinen Sprechenden zu Geſicht be— kommen. Er ſchickte eine Anzahl ſeiner Mannen nach der Inſel, von der die Stimmen zu kommen ſchienen, Siehe Jeremia XXXI.
152 Der Born Judas
aber ein großer Krebs fiel uͤber die Getreuen her, und es wurden ihrer fuͤnfundvierzig Mann weniger.
Da floh Alexander von der Staͤtte und lief zwei Tage lang, bis er an einen Ort kam, an dem die Sonne nicht ſchien. Nun gedachte er das Land aufzuſuchen, das hinter den finſtern Bergen lag, und in dem die Kinder Jonadabs, des Sohnes Rechabs, wohnten. Er kam mit ſeinen Ratmannen dahin uͤberein, ſich von tauſend⸗ dreihundert Helden begleiten zu laſſen. Damit er aber den Ruͤckweg faͤnde, band er das Junge einer ſaͤugenden Eſelin an der Staͤtte feſt, von der aus er die Reiſe unternahm, und fuͤhrte die Mutter mit ſich. Er erreichte auch das Land, aber ſiehe, die Gegend war ganz in Nebel und Dunkel gehuͤllt, daß ein Menſch den andern nicht ſehen konnte, und die Erde war lehmig und feucht. Alexander ſah hier Voͤgel fliegen, die menſchliche Ge— ſichter hatten. Sie redeten den Ankoͤmmling in grie— chiſcher Sprache an und ſagten: Alexander, wozu dringſt du in das Land der Goͤtter? Dir iſt es nicht gegeben, in das Haus Gottes und in das ſeiner Knechte zu ge— langen; auch darfſt du die Inſeln nicht betreten, auf denen die Heiligen vom Samen Abrahams des Gottes— knechtes weilen. Du darfſt es nicht wagen, die himm— liſchen Hoͤhen zu beſteigen.
Da erbebte Alexander. Einer von den Voͤgeln nahte ihm und ſprach: Wiſſe, Alexander, daß du das Inder— land einnehmen und den Koͤnig Porus umbringen wirſt. Hierauf verſchwand der Vogel und ſeine Ge— faͤhrten. Nach zwanzig Tagen verließ Alexander die
Von dem Lebenswaſſer 153
Ortſchaft und kehrte zu ſeinem Heere zuruͤck, an die Staͤtte, wo er es verlaſſen hatte. Er ließ hier ein Tor errichten und verſchloß den Eingang. Danach ver— zeichnete er auf Steinen alles, was er geſehen hatte.
Von dem Lebenswaſſer
In raſtloſem Vorwaͤrtsdraͤngen kam Alexander auch in das Land der Bleigruben. Hier gab es einen Fluß, deſſen Waſſer nicht trinkbar zu ſein ſchien, und wie— wohl Alexander und ſeine Streiter großen Durſt hatten, ſchoͤpften ſie nicht davon. Der Koͤnig befahl rund um den Fluß die Erde zu graben, und gute Quellen kamen zum Vorſchein. Alſo labten ſich Alexander und ſein Heer ſowie das Vieh. Der Koͤnig ſprach zu ſeinen Mannen: Wir wollen hier am Waſſer einige Zeit lagern, denn ich merke es am Geruch, daß die Quellen heilſam ſind. Alſo ließen ſich die Truppen zur Raſt nieder. Am zehnten Tage begab es ſich, daß einer von den Jaͤgern des Koͤnigs etliche Voͤgel abſchoß und ſie danach in dem Fluß waſchen wollte. Wie er ſie aber eintauchte, wurden die Voͤgel lebendig und flogen da— von. Da der Diener des Koͤnigs dieſes ſah, trank er von dem Waſſer, von dem zu genießen die Heere vorhin ſich geſcheut hatten, und lief eilends zum Koͤnig, um ihm davon zu erzaͤhlen. Alexander ſagte darauf: Dieſes iſt gewißlich Paradieſeswaſſer; wer davon trinkt, lebt ewig; auf und hole auch mir etwas davon, daß ich mich daran erquicke. Alſo nahm der Jaͤger eine Schale, um ſie mit dem koͤſtlichen Waſſer zu fuͤllen, allein der
454 Der Born Judas
Fluß war nicht mehr zu ſehen. Er kehrte zum Koͤnig zuruͤck und ſprach: Ich habe den Strom nicht mehr finden koͤnnen; Gott hat ihn vor mir verborgen. Da geriet Alexander in Zorn; er erhob ſein Schwert und hieb den Kopf des Knechtes ab. Und ſiehe da, der Enthauptete entfernte ſich und lief die Straße, die zum großen Meere fuͤhrte. — Auf dieſes Ereignis hinweiſend, ſpricht der Schreiber Menahem in ſeinem Buche: Unſere Weiſen erzaͤhlen, daß im Meere Menſchen ohne Kopf leben, welche die Schiffe zum Sinken bringen. Sagen aber die Seefahrer: Fliehe davon, dein Herr Alexander ſitzt auf dem Schiffe! — ſo macht der ohne Kopf kehrt, und das Fahrzeug iſt gerettet.
Vor den Toren des Paradieſes
Nach dieſer Begebenheit ſagte Alexander zu ſeinem Gefolge: Bringt mir das Abbild meiner Geſtalt. Als der Befehl erfuͤllt war, ſchwur Alexander bei ſeinem Bildnis, daß er ſeine Wanderung nicht eher einſtellen werde, als bis er einen Ort faͤnde, von dem kein Weg nach rechts, links oder geradeaus fuͤhre. Danach machte er ſich mit ſeinem Heere auf und uͤberſchritt das Waſſer. Nun kam er vor ein Tor, das dreißig Ellen hoch war. Auf dem Tore aber war eine Inſchrift eingeſchnitten, und Alexander rief den Schreiber Menahem, daß er ſie leſe. Menahem fand folgenden Wortlaut: Macht die Tore weit und die Tuͤren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe!*
*Pſalmen XXIV 7.
Vor den Toren des Paradieſes 155
Hierauf zog Alexander weiter mit ſeiner Streitmacht, und der Weg fuͤhrte ihn diesmal durch ein Gebirge. Sechs Monate waͤhrte der Gang durch die felfige Ge— gend, und nach Ablauf dieſer Zeit fanden ſich die Wan— dernden vor einer Ebene. Hier ſahen ſie ein Tor ragen, deſſen Hoͤhe mit dem Auge nicht zu uͤberſchauen war. Das Tor aber trug gleichfalls eine Inſchrift in großen, herrlichen Zeichen. Auch dieſe wurde von Menahem ge— leſen und die einzelnen Buchſtaben zerlegt und gedeutet. Sie lautete: Dieſes iſt das Tor Gottes, Gerechte duͤrfen hier eintreten.“ Da ſprach Alexander: Das ſind wohl die Tore des Paradieſes. Und er rief: Wer mag daruͤber befohlen ſein? Da antwortete eine Stimme: Dieſes iſt die Pforte des Gartens Eden, und ein Unbe— ſchnittener darf nicht hinein. In der Nacht darauf hieb Alexander die Vorhaut ſeines Fleiſches ab, und die Arzte des Koͤnigs brachten durch Kraͤuter die Wunde zur Heilung. Das Geſchehnis blieb dem Heere verborgen, denn Alexander hatte den Arzten Schweigen geboten. Des andern Morgens rief der Koͤnig den Waͤchtern der Tore: Gebt mir einen Zins, und ich will meiner Wege gehen. Da wurde ihm ein Kaͤſtchen auf die Erde ge— ſtellt, in dem ein menſchliches Auge lag. Alexander ſtreckte ſeine Hand danach aus, um das Kaͤſtchen zu erheben, allein dieſes war zu ſchwer. Da fragte der Koͤnig: Was iſt denn das, was ihr mir gegeben habt? Die Wachen erwiderten: Das iſt eines Menſchen Auge. Alexander ſprach: Was ſoll mir dieſe Gabe? Er erhielt Pſalmen CXVIII 20.
156 Der Born Judas
die Antwort: Dieſes dir zum Zeichen, daß dein Auge des Reichtums nicht ſatt wird, und daß deine Seele des Wanderns nimmer muͤde wird. Alexander ſprach: Was tue ich, daß ich die Lade vom Boden erhebe? Die Waͤch⸗ ter des Edens entgegneten: Lege darauf etwas Erden- ſtaub, und du wirſt ſie leicht tragen koͤnnen. Dies iſt ein Wahrzeichen dafuͤr, daß deiner Augen Luſt erſt ge— ſtillt ſein wird, wenn du in die Erde zuruͤckfaͤhrſt, von der du genommen biſt. Da tat Alexander ſo, und ſiehe, das Kaͤſtchen ließ ſich hochheben. Er tat es zu ſeinen Schaͤtzen und bewahrte es auf zum Andenken daran, daß es ein Zins aus dem Garten Eden war.
Begegnungen
Der König und die Weifen
uf einem Feldzuge nach Indien wollte Alexander
die Landſchaft Okaphardikus aufſuchen, deren Ein- wohner durch ihre Weisheit berühmt waren. Man wußte von ihnen, daß ſie unbekleidet umhergingen und in Huͤtten und Erdhoͤhlen wohnten. Als dieſer Stamm von Alexanders Abſicht erfuhr, ſchickten die Alteſten zu dem Koͤnige Abgeſandte mit Briefen, in denen folgendes ſtand: Es iſt fuͤr dich zwecklos, uns zu bekriegen, denn du wirſt bei uns keine Beute machen. Wo du aber unſere Weisheit kennenlernen willſt, ſo erſcheine ohne Soͤldner und ohne eine Streitmacht und fuͤhre mit uns eine ſanfte Sprache. Dein Reich iſt der Krieg, unſeres aber die Wahrheit.
Alſo kam Alexander zu dem ſeltſamen Volke, und ſiehe, es lief nackend umher, und Frauen und Kinder lagerten gleich Schafen auf den Wieſen. Der Koͤnig fing mit einem Voruͤbergehenden ein Geſpraͤch an und fragte: Habt ihr keine Graͤber fuͤr eure Toten? Der Angeredete erwiderte: Da wo ich wohne, werde ich auch beſtattet. Darauf hielt Alexander einen anderen an und fragte ihn: Welche Zahl iſt groͤßer, die der To— ten oder die der Lebenden? Der weiſe Mann entgeg— nete: Der Toten und der Armen ſind ſtets mehr denn der Lebenden und der Reichen. Nun wandte ſich Aleran- der an einen dritten und fragte: Wer übertrifft den an- dern an Klugheit und Liſt: Der Menſch oder das Tier?
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Der Gefragte antwortete: Der Menſch iſt von allen Ge— ſchoͤpfen das liſtigſte. An einen vierten ſtellte Alexander die Frage: Was iſt aͤlter: der Tag oder die Nacht? Und er erhielt die Antwort: Die Nacht iſt aͤlter; das Kind im Mutterleibe weilt im Finſtern. Alexander fragte den naͤchſten, dem er begegnet war: Worin be— ſteht die Herrſchaft der Fuͤrſten? Ihm wurde geant- wortet: In Raub und Gewalt. Wieder einen fragte Alexander: Welcher iſt es, der nimmer luͤgt? Die Ant- wort lautete: Die Wahrheit iſt allein bei Gott. Und noch einen pruͤfte der große Koͤnig auf ſeine Weisheit und fragte ihn: Welcher Seite iſt der Vorzug zu geben: der rechten oder der linken? Der aus dem ſtolzen Volke beſchied Alexander: Die linke Seite iſt der Sitz des Her— zens, das die Wurzel alles Lebens iſt; und deshalb ift fie die wichtigere. Auch läßt eine Frau ihr Kind zu⸗ erſt an der linken Bruſt ſaugen, und die Fuͤrſten tragen ihren Herrſcherſtab in der linken Hand.
Nachdem Alexander in dieſer Weiſe viele Fragen ge— ſtellt hatte, ſprach er zu den weiſen Buͤrgern: Bittet auch mich, daß ich euch etwas gebe. Da ſchrie das Volk und rief: Verleih uns ewiges Leben! Alexander er— widerte: Das ſteht nicht in meiner Macht. Nun fragten die Maͤnner: Wozu entfachſt du alſo Kriege, raubſt und eroberſt Laͤnder und ſuchſt die Welt zu bezwingen, wenn du nicht weißt, wem nach deinem Tode deine Herrlich— keit zufallen wird? Darauf erwiderte der Mazedonier— fuͤrſt: Das wirken die himmliſchen Maͤchte; ſie befehlen uns, denen zu dienen, die nach uns kommen werden,
In 44
Der ſeltſame Rechtsfall 159
denn dazu haben fie uns erſchaffen. Wie die Meeres- wellen nur durch den Sturm kommen, wie die Baͤume nur im Winde ihre Zweige bewegen, ſo wird der Menſch in ſeinem Tun von einer uͤber ihm ſtehenden Macht ge— trieben. Auch mein Wille wäre es, ein geruhſames Le— ben zu fuͤhren, allein der Herr alles Seins, in deſſen Hand die Seele der Lebenden iſt, gebeut mir anders.
Und mit dieſen Worten verließ Alexander das Land und ſetzte ſeinen Eroberungszug fort.
Der ſeltſame Rechtsfall Mit Hilfe einer Zauberperle, die ihm auf dem Wege leuchtete, verließ Alexander das Gebiet der finſtern Berge und kam in ein anderes Reich. Der Fuͤrſt dieſes Reiches ging dem Koͤnig von Mazedonien entgegen, empfing ihn mit großen Ehren und fuͤgte ſich in allem ſeinen Wuͤnſchen.
Eines Tages ſaßen die beiden Herrſcher beiſammen, die Haͤupter mit Kronen geſchmuͤckt, als zwei Maͤnner erſchienen, die miteinander einen Rechtsſtreit hatten. Dieſen wollten ſie ihrem Fuͤrſten darlegen. Der eine ſprach: Sei mir gnaͤdig, mein Herr. Ich habe von dem Manne, der hier ſteht, ein Stuͤck Land erworben. Dar- auf wollte ich ein Haus bauen; als ich aber die Erde zu graben anfing, fand ich einen Schatz von hohem Werte. Da ſagte ich zu dem Manne: Nimm dir das Gold; ich habe von dir ein Grundſtuͤck gekauft und keine Koftbar- keiten. Hierauf ſprach der andere Mann vor dem Koͤnig: Mein Herr, zuͤrne mir nicht; als ich dieſem hier das Feld
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verkaufte, gab ich es ihm ab mit allem, was auf und darin war, von ſeinem tiefſten Grunde an gerechnet und den Luftraum einbegriffen, der daruͤber bis zum Him— mel reicht. Gleichwie aber mein Nachbar das ver— ſchmaͤht, was nicht ſein iſt, ſo will auch ich mir fremdes Gut nicht aneignen. Da wandte ſich der Landesherr an einen der Rechtenden und fragte: Haſt du einen Sohn? Der Gefragte erwiderte: Jawohl, mein Herr. Darauf fragte der Koͤnig den andern Mann: Haſt du eine Toch⸗ ter? Und auch dieſer bejahte die Frage. Nunmehr ſprach der Fuͤrſt zu dem, der einen Knaben hatte: So laß deinen Sohn die Tochter deines Nachbarn freien, und als Mitgift gebt ihnen beiden den gefundenen Schatz. Deſſen waren die beiden Maͤnner zufrieden.
Als Alexander das alles angehoͤrt hatte, lachte er laut auf. Da fragte ihn der koͤnigliche Richter verwundert: Hab ich nicht wohl geurteilt und einen guten Ausweg gefunden? Alexander erwiderte: Du haſt ein gerechtes Urteil gefaͤllt und den Streit fein geſchlichtet, allein ich waͤre in meinem Machtgebiete anders verfahren. Der Fuͤrſt fragte: Wie haͤtteſt du der Fehde ein Ende ge— macht? Alexander gab zur Antwort: Wenn man in mei- nem Reiche dem Koͤnig einen ſolchen Hader unterbreitet hätte, er haͤtte kurzerhand die Rechtenden erſchlagen und den Schatz an ſich genommen. Darob ſtaunte der Fuͤrſt und fragte: Scheint denn die Sonne in eurem Lande? Alexander antwortete: Sie ſcheint bei uns wie uͤberall. Der Fuͤrſt fragte weiter: Faͤllt der Tau bei euch nieder? Alexander erwiderte: Der Himmel ſpendet uns wie euch
Der ſeltſame Rechtsfall 161
ſeinen Tau. Der Fuͤrſt fragte: Seid auch ihr mit Haus—
tieren beſchenkt worden? Alexander entgegnete: Auch
das haben wir. Da ſprach der Fuͤrſt: So ſind es wohl
die Tiere, um derentwillen euch Leben und Unterhalt ge—
waͤhrt werden, denn ihr ſelbſt ſeid der Gnade nicht wert. *
Nach einem andern Buche ſoll ſich der ſeltſame Rechts— fall in einem Weiberreiche zugetragen haben, mit dem Alexander Krieg zu fuͤhren gedachte. Als er in das Land drang, ſprachen die Frauen: Weswegen hebſt du mit uns einen Streit an? Gehſt du als Sieger aus, fo ern- teſt du keinen Ruhm, ſiegen wir aber uͤber dich, ſo wird es allenthalben heißen: Wehe dem Koͤnig, der von Wei— bern beſiegt worden iſt! Darauf ſagte Alexander: Gebt mir Brot zu eſſen. Die Weiber reichten ihm ein gol— denes Brot. Da ſprach Alexander: Dient denn Gold dem Menſchen als Speiſe? Die Frauen antworteten: Gab es kein Brot in deinem Lande, daß du unſer Brot verzehren willſt? Nunmehr ſprach Alexander: Ich bin nicht eurer Habe wegen zu euch gekommen, ſondern um eure Gerichtsbarkeit kennenzulernen. Da ließen ihn die Frauen bei dem Rechtsſtreit der zwei Maͤnner zu— gegen ſein, von denen ein jeder den gefundenen Schatz von ſich wies. Nachdem der Spruch gefaͤllt worden war, daß der Schatz den Kindern der beiden Streitenden an— gehoͤren ſollte, verließ Alexander den Ort und ſchrieb auf die Pfoſten des Stadttores: Ich, Alexander von Mazedonien, war ein Tor, bis ich in das Reich der Weiber kam und von ihnen Weisheit und Einſicht lernte.
162 Der Born Judas
Der Letzte ſeines Geſchlechts
Alexander kam einft in ein Reich, deſſen Herrſcherge⸗ ſchlecht vertilgt worden war. Er fragte die Einwohner, ob von dem Stamme der Koͤnige kein Mitglied mehr am Leben waͤre. Sie antworteten: Jawohl, ein Sproß des Hauſes iſt uͤbriggeblieben. Alexander ſagte: Laßt mich ihn ſehen. Die Leute entgegneten: Er haͤlt ſich ſtets am Totenacker auf. Da befahl der Koͤnig, ihm den hohen Sproͤßling vorzufuͤhren. Dieſer kam, und Alexander fragte ihn: Warum wohnſt du in einer Grabſtaͤtte? Der Seltſame erwiderte: Ich wollte die Gebeine der Koͤnige von den Gebeinen der Knechte ſcheiden, aber ſiehe, ſie gleichen einander in allem. Alexander ſprach wieder: Iſt es dein Wunſch, mir zu folgen? Ich will dich erheben und deinem Stamme zu neuer Groͤße ver⸗ helfen. Darauf ſchwieg der Juͤngling. Da fragte Alexander: Was waͤre ſonſt dein Begehren? Der aus dem Hauſe der Koͤnige antwortete: Ich wuͤnſche mir Le⸗ ben ohne Tod, Jugend ohne Alter, Reichtum ohne Man⸗ gel, Freude ohne Kummer, Wohlbefinden ohne Krank— heit. Da ſprach der Mazedonierfuͤrſt: Ich habe mein Lebtag keinen geſehen, der fo waͤre wie dieſer. Der Koͤ⸗ nigsſohn aber ſchied von Alexander und verließ nie mehr die Grabſtaͤtten der Toten.
Briefe eines Brahmanenprieſters
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lexander gelangte auf ſeinen Reiſen an das Ufer des
Fluſſes Piſon, von dem ſich der große aͤgyptiſche Strom Nilus abzweigt. Der Piſon war ſo breit, daß es eines ganzen Jahres bedurfte, um das jenſeitige Ufer zu erreichen. Und da druͤben wohnte ein Volk, das durch ſein ſchoͤnes Ausſehen bekannt war; das Antlitz ſeiner Soͤhne ſtrahlte vor Weisheit. Alexander befahl denen aus ſeiner Gefolgſchaft, die der indiſchen Sprache maͤchtig waren, in Erfahrung zu bringen, zu welchem Stamme die Bevoͤlkerung des jenſeitigen Ufers zu zaͤhlen ſei, und welches ihr Recht und ihre Fuͤhrungsweiſe ſeien. Er er— hielt den Beſcheid, daß das Volk das der Brahmanen genannt werde. Alexander verlangte es aber, die Ein— richtungen der Bewohner kennenzulernen. Da er wußte, daß es ihnen allein zuſtand, den Strom in kurzer Zeit zu uͤberſchreiten, ließ er aus ihrer Mitte einen Boten in einem kleinen Kahn zu ſich heruͤberkommen und gab die— ſem, als er erſchien, ein Schreiben an den Koͤnig der Brahmanen.
Und dieſes war der Inhalt des Briefes:
Von Alexander, dem Sohne des Gottes Ammon und der Koͤnigin Nebiras, an Didimus, den Fuͤrſten der Brahmanen, mit Friedensgruß! Seit jeher hege ich den Wunſch, mich euch anzuſchließen, da ich von der lauteren Lehre und Anſchauungsweiſe, auf die ihr euch ſtuͤtzt, ver⸗ nommen habe. Ich weiß, daß ihr keine Sucht habt, Reich⸗
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tuͤmer und Schaͤtze anzuhaͤufen, und daß ihr euch mit wenigem begnuͤgt. Ihr verſchmaͤht es, euch mit irgend— einer Sache beſonders zu befaſſen, und vermeidet es, die Tiere fuͤr eure Nahrung zu gebrauchen. Ich begehre zu erfahren, welches die Gruͤnde waren, die euch bewogen haben, dieſe Lebensweiſe zu waͤhlen und dieſe Bahn zu betreten. Denn ich bin in der Liebe zur Weisheit er— zogen und war immer von dem Drang erfuͤllt, ihre Ge— heimniſſe zu ergruͤnden. Mein Beſtreben iſt ſeit jeher, mir jede gute Sitte anzueignen. Ich bekannte mich aber nie zu einer Meinung, wenn kein uͤberzeugender Beweis fuͤr ihre Richtigkeit ſprach.
Die Weiſen ſagten: Es geziemt dem Menſchen, eine Lehre anzunehmen, deren Anhaͤnger viele ſind, und die von ihnen geprieſen wird. Da ſagte ich mir, vielleicht iſt es eure Lehre, die wahr iſt. Wolltet ihr mir ihre Grundlagen erklaͤren und ihre Ziele offenbaren, ihr verhuͤlfet mir und meinem Volke zu ihr. Ihr wißt, daß die Weisheit einem Licht zu vergleichen iſt. Man kann an einem Lichte viele andere anzuͤnden, und ſeine Leucht⸗ kraft bleibt unvermindert. So bitte ich euch denn, mit der Antwort an mich nicht zu faumen und mir die Dinge, um die ich euch frage, deutlich auseinanderzuſetzen.
2 Und der Koͤnig Didimus las das Schreiben Alexan— ders durch und antwortete darauf mit einem Briefe, in dem folgendes ſtand: Von Didimus, dem Prieſter der Brahmanen, an
Briefe eines Brahmanenprieſters 165
Alexander, der der Koͤnig aller Koͤnige genannt wird, mit Friedensgruß! Aus deinen Worten iſt zu entnehmen, daß du nach Vervollkommnung der Sitten ſtrebſt und die Regeln der Weisheit kennenlernen willſt. Solches gefaͤllt uns wohl; wir preiſen und ruͤhmen dich deswegen und erkennen, daß du vor allen andern Fuͤrſten zu herr⸗ ſchen berufen biſt. Denn die Herrſchaft ſteht nicht einem zu, dem es an Einſicht gebricht. Dir gebuͤhrt Lob, daß du Wiſſen und Gerechtigkeit gewinnen willſt. Und kommſt du auch nicht ſo weit, daß du unſerer Lebens— weiſe in allem folgſt, ſo koͤnnen wir dich nicht beſchul— digen, denn vielleicht iſt dein Weſen anders als das des Brahmanenvolkes. Ihr geht in eurem Tun und Laſſen von den Befehlen eurer Goͤtter und Propheten aus, und die Prieſter, die euch zwingen, ſo und nicht anders zu handeln, uͤben ihre Herrſchaft aus, indem ſie von ſich ſagen, daß ſie zu eurer Ermahnung von den Goͤttern geſandt worden ſeien. Wir aber ſtuͤtzen uns in unſerer Art zu leben auf keinen Seher und keinen Abgott, ſondern allein auf das, was wir von ſelbſt erkennen, und was ſich fuͤr uns aus der Wiſſenſchaft ergibt; daher iſt unſer Weg von dem eurigen verſchieden. Dir einzelnes dar— zulegen, iſt ein ſchweres Beginnen, denn du als einer, der in Schoͤnheit prangt, und der der Macht und Herr— ſchaft nachjagt, wirft es wohl verſchmaͤhen, auf unſer Bekenntnis naͤher einzugehen. Dann werden unſere Worte vergeblich geweſen ſein. Dennoch wollen wir dir einiges von dem, was uns leitet, ſagen.
So vernimm es denn, Alexander. Wir ſuͤndigen und
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fehlen nicht, weil wir von dieſer Welt nichts haben wollen, was uns nicht zukommt. Wir verlangen nur das, was zu unſerm Fortbeſtand notwendig iſt, und was das taͤgliche Maß ausmacht. Uns geluͤſtet es nicht nach uͤber⸗ fluß. Wir zwingen nicht das Vieh, die Erde zu pfluͤgen, um ſie nachher zu beſaͤen. Denn auch das Vieh ſoll nur um ſein eigenes Futter bemuͤht ſein. So werfen wir auch keine Netze aus fuͤr die Voͤgel des Himmels und fuͤr die Fiſche des Meeres und halten die Hunde nicht dazu an, das Wild der Heide zu hetzen. All dies liegt uns fern; wir wollen uns nur von dem ernaͤhren, was die Erde von ſelbſt hervorbringt, ohne menſchliche Arbeit und Hinzutun.
Und dieſe Lebensweiſe pflegend, ſind wir den Krank— heiten und Schmerzen entronnen, denen ihr ausgeſetzt ſeid; wir bleiben geſund und unverſehrt. Wir beduͤrfen keiner Heilmittel und keiner Arzte wie ihr; unſer Leben wird nie abgekuͤrzt, und alle erreichen wir dasſelbe Alter. Es iſt ein Fall, der bei uns nur ſelten vorkommt, daß ein Juͤngling vor der Zeit dahingerafft wird, und daß einer nicht ſtirbt, alt und des Lebens muͤde.
Es gibt unter uns keinen, den die Kaͤlte zwaͤnge, ſich zu erwaͤrmen, und keinen, der vor der Hitze Kuͤhlung ſuchte. Sommer und Winter genuͤgt uns die Huͤlle, die vom Schoͤpfer ſelbſt zum Bedecken der Bloͤße beſtimmt worden iſt: das iſt ein Guͤrtel aus Feigenblaͤttern. Wir tragen nichts daruͤber in der kalten Jahreszeit und legen ihn nicht ab, wenn es heiß iſt. Wir geſellen uns zu den Frauen nicht aus Luſt und vermeiden es, uns ihnen zu
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naͤhern in den Jahreszeiten, die der Fortpflanzung nicht guͤnſtig ſind. So fuͤhren wir ein Leben der Ruhe, und alle unſere Tage loben wir den Schoͤpfer und ſuchen ſeine Allmacht und ſein Wirken zu begreifen. Wir haben keinen Gefallen daran, Raͤtſel zu raten, wenn nicht eine nutzbringende Weisheit in ihnen enthalten iſt. Daher iſt unſere Rede karg. Wir kennen keinen Zank, denn eines jeden Herz neigt von ſelbſt dem zu, was recht iſt. Und mag einen der Wahn verleitet haben, das zu begehren, was ihm nicht zukommt, er laͤßt davon, ſobald er erfaͤhrt, daß er im Unrecht iſt. Was uͤber das Maß hinausgeht, iſt nie von Nutzen, wer aber dem Nutzloſen nachjagt, hat nicht gewonnen, ſondern verloren. Es gibt bei uns keine Richter und keine Aufſeher, weil keine Vergehen vor— kommen, derentwegen es der Geſetzeshuͤter beduͤrfte. Weil uns das genuͤgt, was die Erde erzeugt, iſt der Neid von uns gewichen; keiner traͤgt Verlangen nach dem, was der andere beſitzt, und Friede und Eintracht herr— ſchen unter uns.
Koͤnnteſt du, Alexander, deinen Trieb im Zaume hal— ten, wie wir es zu tun gewoͤhnt ſind, du ſtrebteſt nicht nach Macht und Herrſchaft; und gingeſt du gegen den Feind vor, der zwiſchen deinen Rippen wohnt, du ſuchteſt nicht mit denen zu hadern, die außerhalb ſind. Allein ſolches fiele dir ſchwer, und wir wollen dir nicht aufer— legen, was uͤber deine Kraft geht.
So habe ich dir, Alexander, unſere Lehre in ihren Hauptzuͤgen dargelegt. Eins aber iſt geblieben, das wir dir gleichfalls mitteilen moͤchten, wenn wir auch wiſſen,
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daß du es geringachten wirſt. Es hat ſich noch nicht be— geben, daß unſer oberſter Leiter von uns Suͤhne ver— langte, weil es noch nie der Fall war, daß einer eine Tat begangen haͤtte, fuͤr die er um Vergebung bitten muͤßte. So hat auch keiner ſeinem Naͤchſten gegenuͤber etwas getan, worauf ihm eine Buße auferlegt werden muͤßte. Wir wiſſen nichts von der Sitte, Armenſpenden zu geben, um dadurch eine Schuld abzutragen. Auch iſt bei uns nie die Todesſtrafe verhaͤngt worden, aus dem einfachen Grunde, weil es nie geſchehen iſt, daß jemand etwas verbrochen haͤtte, wofuͤr er den Tod verdiente.
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Ihr Soͤhne des Hellenenvolkes wie die uͤbrigen Voͤlker, die wenigen Einſichtigen, die unter euch ſein moͤgen, aus— genommen, ſo fuhr der Brahmanenprieſter fort, befindet euch in einem Irrtum. Die einzelnen unter euch, die auf der Bahn Gottes wandeln, die fuͤhren bei euch ein Leben wie Gefangene. Aber gleichwie euch unſere Lehre unverſtändlich iſt, fo find uns eure Sitten fremd. Unſere Maͤnner ſchmuͤcken ſich nicht mit Waffen, wie ihr es zu tun gewohnt ſeid, und unſere Frauen ſuchen ſich nicht anmutig zu machen, um unſern Gefallen zu erregen, denn wir haͤngen an ihnen nicht aus Begierde. Wir errichten keine Badehaͤuſer, um uns darin zu vergnuͤgen und den Koͤrper zu verweichlichen. Der Tau der Nacht erfriſcht unſere Leiber, die Strahlen der Sonne geben uns die Waͤrme. Wir brennen keine Ziegel und bereiten keinen Kalk, um dann Haͤuſer zu bauen, denn uns genuͤgen als
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Wohnfise die Höhlen, die von Gott in der Erde gemacht worden ſind. Wir laſſen uns keinen Hausrat anfertigen, denn als Ruheſtatt dient uns die Erde, auf der wir auch dereinſt ſchlafen werden. Es iſt bei uns keiner auf die Arbeit des andern angewieſen, und keiner braucht ſich fuͤr ſeinen Genoſſen zu bemuͤhen. Denn es ziemt ſich nicht fuͤr einen Weiſen, ſich von ſeinesgleichen bedienen zu laſſen. Hat doch alle Menſchen ein Gott erſchaffen. Als Geſchoͤpfe ſind die Menſchen einander gleich; wo— durch ſie ſich unterſcheiden, iſt allein die Weisheit.
Ihr, die ihr auf die Guͤter dieſer Welt aus ſeid, habt es noͤtig, die Redekunſt zu erlernen und euch ſchoͤner Ausdruͤcke zu befleißigen, um vor den andern damit zu glaͤnzen. Wir aber ſchaͤtzen einen glatten Redefluß nicht hoch. Uns kommt es auf den Inhalt des Geſproche— nen an. Wir pflegen nur die Wiſſenſchaften, deren Be— hauptungen bewieſen werden, und deren Leitſaͤtze nicht falſch gedeutet werden koͤnnen. Wir ſuchen uns nicht durch Geſang und Luſtwandeln in den Gaͤrten zu zer— ſtreuen. Will einer von uns Freude haben, ſo greift er zu den Spruͤchen der Alten und zu den Geſchichten der Heroen. Will er ſich am Schoͤnen ergoͤtzen, ſo richtet er die Augen gen Himmel und bewundert die leuchtenden Sternbilder; er blickt zur Sonne empor, die ihre Strah— len uͤberall ausſendet, oder er ſchaut auf das gruͤne Meer, das bei uns niemals tobt und brandet und aus den Ufern tritt, wie die Meere, die eure Lande umſpuͤlen. Wir ziehen es vor, die Dinge der Natur zu betrachten, als die Gebaͤude anzuſtaunen, die ihr errichtet, und die
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Gaͤrten zu loben, die ihr anlegen laßt, wozu ihr Menſchen, die euch aͤhnlich ſind, in Fron nehmt. Ihr bemuͤht euch, Schall- und Klanggeraͤte herzuſtellen; wir lauſchen dem Geſange der Voͤgel, und ihr Zwitſchern duͤnkt uns lieb— licher als das Spiel eurer Tonwerkzeuge.
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Alexander, ich weiß wohl, ſo fuhr weiter das Ober— haupt der Brahmanen fort, daß du alles, was ich dir vortrage, zu befolgen nicht vermagſt. Wie ſollte denn auch einer, der unter einem andern Himmelsſtrich ge— boren und aufgewachſen iſt, es uns gleichtun koͤnnen? Einer, der, als er in den Krieg zog, die Erde mit ſeinen Heeren zu uͤberfluten gedachte? Einer, der, weil er uͤber eine Schar Gewalt gewonnen hat und zur Herrſcherwuͤrde gelangt iſt, ein hoͤherer Menſch genannt wird? Ihr ſeid mit euren Streitern bis an den großen Teich, den man den Ozean nennt, gedrungen. Das genuͤgte euch aber nicht; ihr machtet Jagd auf die Voͤgel des Himmels und unterwarft euch das freie Wild.
Von dem Planeten Jupiter, welcher einer eurer Goͤtter iſt, denkt ihr, daß er Handel und Gewinn liebt, und des— halb iſt er euch recht. Von zwei andern Goͤttern behaup⸗ tet ihr, daß ſie Ehebruch und Unzucht beguͤnſtigen. Ihr fuͤllt eure Baͤuche mit dem Fleiſch lebendiger Tiere und mit verſchiedenartig zubereiteten Speiſen. Und faſtet ihr im Jahre einen Tag oder zwei, ſo glaubt ihr damit alle eure Vergehen geſuͤhnt zu haben. Ihr nehmt nicht anders an, als daß es euch die Goͤtter geboten haben,
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Tiere zu toͤten und ſie ihnen als Schlachtopfer darzu— bringen, damit ſie euch geneigt ſeien. Verhaͤlt es ſich aber in Wahrheit ſo, ſo taͤtet ihr beſſer, euch ſelbſt ihnen zu opfern. Das Haſchen nach den Freuden des Dies— ſeits fuͤhrt nur zur Feindſchaft zwiſchen den Menſchen; manche ſtiften auch noch Zwietracht unter den Fuͤrſten und hetzen ſo lange, bis ein Krieg entbrennt.
Ihr ernennt die einen zu Herren, die andern zu Knechten und ſeid doch vom Schoͤpfer alle nach einem Gleichnis gebildet und aus demſelben Tone geknetet. Ihr zwingt eure Richter, die Faͤlle zu entſcheiden, wie es eurem Willen entſpricht, und wie es die von euch vor— geſchriebenen Geſetze vorſchreiben. Dem Großen wird ſtets recht gegeben, ob er in ſeinem Rechte iſt oder nicht. Ihr laßt nicht eher von den Geſchoͤpfen, die Gott als freie Weſen erſchaffen hat, als bis ihr ſie zu euren Zwek— ken dienſtbar gemacht habt.
Und dieſes Treiben, in dem ihr gleichſam ertrinkt, bringt euch dazu, alles Schlimme und alle Greuel der Welt zu uͤben. Dadurch, daß ihr eurer Eßluſt und Putzſucht froͤnt, verſaͤumt ihr es, nach dem Recht zu fragen, und das einem jeden zugemeſſene Teil reicht euch nicht aus. Wißt ihr denn nicht, daß der Stein euer Vater und die Erde, des Steines Mutter, auch eure Mutter iſt? Es iſt alles von der Erde gekommen. Wie wagt ihr es da, den Stein zu eurem Schutze zu verwenden, wenn die Erde, eure Mutter, Gewalt hat uͤber eure Leiber?
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Was an eurem Tun das Verwunderliche iſt, ſchrieb der Brahmanenprieſter, iſt der Glaube, daß es Gott, der alles Lebende erſchaffen hat, Freude macht, wenn ihr ſeinetwegen Tiere ſchlachtet und ſie ihm weiht. Ihr wollt ihn euch dadurch geneigt machen, daß ihr ihm Tempel errichtet und Bilder da hineinſtellt. Wißt ihr denn nicht, daß Gott das Blut der Kaͤlber, der Schafe und Boͤcke nicht mag, und daß man vor ihm nicht mit Gold- und Silbergeraͤten Dienſt zu tun hat? Nur der, der ihm ein Herz voll Weisheit und Einſicht darbringt und ihn bei ſeinem vollen heiligen Namen anruft, iſt ihm nahe. Denn Gott iſt rein und heilig, und er liebt die Reinen und die Heiligen, die, die die Welt von dem Un— flat zu ſaͤubern ſuchen, die das unreine Waſſer irdiſchen Tuns von ſich abſchuͤtteln, und die ihren Geiſt von dem Streben nach uͤberfluͤſſigem befreien. Das ſeid ihr nicht, ihr, von denen die Luͤge Beſitz ergriffen hat, und die ihr an der Krankheit, der ihr verfallen ſeid, ſterben werdet.
Wir ſehen euch als Narren an, die ſich der ihnen ge— gebenen Stuͤtze nicht zu bedienen wiſſen. Unſer Leben iſt fleckenlos, und unſer Wandel iſt heilig und mit dem Wandel der Engel zu vergleichen. Ihr aber ſeid vom rechten Wege abgewichen und habt euch beſudelt mit Unzucht, Bosheit, Mord an Tieren und Goͤtzendienſt. Eure Leiber ſind unrein, da ihr noch am Leben ſeid, wie ſind ſie erſt unrein nach eurem Tode! Ihr ſeid bei euren Lebzeiten zu den Toten zu zaͤhlen, und euer Sterben iſt
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ein Eingehen fuͤr ewig. Wir aber leben ein ewiges Leben.
Ihr dient nicht dem einigen Gotte, ſondern geſellt ihm viele andere zu, und die Zahl eurer Goͤtter iſt faſt ſo groß wie die Zahl eurer Adern und Sehnen. uͤber jedes Glied eures Koͤrpers herrſcht bald ein andrer Gott. Ihr duͤnkt mich mit eurer Lehre einfaͤltig. Ihr glaubt, daß Minerva, die Selbſtgebaͤrende, dem Haupte Jupiters entſproſſen iſt, und deshalb ſchreibt ihr dieſer Goͤttin die Herrſchaft uͤber das Gehirn, den Sitz aller Weisheit, zu. Ihr glaubt, daß die Prieſterin Juno aus dem Leibe Jupiters gebildet worden iſt, und daß Mars der Kriegs— gott iſt, der als ſolcher die Leidenſchaften entfacht. Auch nehmt ihr an, daß Merkur auf Erden der erſte Weiſe war, und daß er, ſeitdem er in den Himmel geſtiegen, uͤber die Redekunſt waltet. Die Venus ſoll hienieden der Hurerei hold geweſen ſein und iſt daher als Stern die Goͤttin der Luſt.
Ihr ordnet die Dinge der Natur und die Tiere nach eurem Gutduͤnken ein und habt fuͤr jeden Gott eine andere Gabe erſonnen. So habt ihr feſtgeſetzt, daß man dem Mars das Schwein opfere und vor ihm das Blut des Tieres gieße. Dem Saturn weiht ihr die Boͤcke, dem Jupiter die Ochſen, der Venus die Tauben, der Juno die Fittiche der Voͤgel und Weihrauch, der Minerva die Zicklein, der Athene die Laͤmmer. Auch iſt es euer Wahn, daß euch Herkules befohlen hat, ihm die Altaͤre auf Bergen und Hoͤhen zu bauen und mit Feigenblaͤttern zu ſchmuͤcken. Den Altar des Kupido ſchmuͤckt ihr mit Roſen.
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Ihr macht die Sterne und die Engel gleichſam zu Schlaͤch⸗ tern, die ſich durch Blut und Fleiſch erweichen laſſen, oder ihr denkt ſie euch als Weſen, die an Spiel Freude haben. Wehe euch, die ihr von euren Goͤttern boͤſe denkt und ſie entehrt.
Fuͤrwahr, eure Vorſtellungen find falſch; was ihr ern- tet, iſt nichtig und wertlos. Die Sterne und ihr Schoͤpfer ſind euch gram. Schaͤmen ſolltet ihr euch! Euer Handeln zeugt von eurem Denken! Die Wahrheit wird bei euch verfolgt, die Luͤge geliebt. Wir verdienten es, eure Herren zu heißen. Wir ſind das Ziel, das Gott vor Augen hatte, als er den Menſchen ſchuf. Von euch, den Verirrten, kann man das nicht ſagen. Der Herr moͤge euch eure Torheit vergeben und uns euretwegen nicht zuͤrnen.
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Nun aber entbrannte der Zorn Alexanders beim Leſen des letzten Briefes, welcher feine Götter und ihre Be- kenner ſchmaͤhte, und er befahl, darauf mit einem Schrei⸗ ben zu antworten, das dem Stolz und der Überhebung des Brahmanenprieſters begegnen und feine Behaup⸗ tungen widerlegen ſollte.
Waͤre dieſes nicht der Wille Gottes, gelobt ſei er — ſchrieb Alexander —, er haͤtte in ſeiner Welt die Dinge nicht erſchaffen, die ihr als uͤberfluͤſſig bezeichnet. Oder ſollten Geſchicklichkeit und Kunſtfertigkeit, die er dem Men⸗ ſchen verliehen hat, unnuͤtze Gaben ſein? Das iſt vielmehr des Menſchen Ruhm und Vorzug, daß er, was ihm an
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natürlicher und ſchoͤpferiſcher Kraft gegeben iſt, zu ver- vollkommnen ſucht. Gott hat die Welt abwechflungsreich geſtaltet, damit jeder Menſch das ihm Zuſagende finde und zu jeder Zeit das Schickliche tue. Die Verſtaͤndigen machen von allem Gebrauch und geben jeder Sache ihre Norm. Wie die Himmelskoͤrper ſich im Kreiſe bewegen, einmal ſcheinen und einmal unſichtbar ſind, ſo verſchieben ſich auch die Dinge des Lebens; ſie ſind bald ſo, bald anders. Der Menſch hat zu waͤhlen, was ſeiner Art angemeſſen iſt und was ſeinem Alter jeweils entſpricht. Wer das Erbe nicht antritt, das ihm in der Welt von Gott angewieſen iſt, der erniedrigt ſich ſelbſt und macht aus ſich ein Zerrbild.
Darauf erwiderte der Brahmanenkoͤnig mit einem Briefe, der folgendes enthielt: Du haſt dich in deinem Schreiben weit ausgelaſſen, Alexander. Wiſſe aber, daß wir dieſe Welt nicht als einen beſtaͤndigen Aufenthalts— ort betrachten, ſondern als ein fluͤchtiges Zelt und eine Bruͤcke zur ewigen Wohnſtaͤtte. Es ziemt ſich nicht, dieſe Welt mit Suͤnden und Vergehen beladen zu verlaſſen, ſonſt faͤllt der Weg ins Jenſeits beſchwerlich. Dein Satz, daß Gott die Welt verſchiedenartig geſtaltet hat, iſt wohl richtig, es lag aber nicht in der Abſicht des Schoͤpfers, dem Menſchen die Dinge wahllos zu uͤberlaſſen. Die Gegenſaͤtze find dazu da, daß der Menſch das Gute er- greife und das Boͤſe meide.
Alexander beantwortete auch dieſen Brief des Prieſters auf ſeine Art und Weiſe. Danach befahl er, am Ufer des Stromes Piſon eine Standſaͤule von zwanzig Ellen
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Hoͤhe zu errichten und darauf folgende Inſchrift einzu— meißeln: Ich, der Koͤnig Alexander, bin bis zu dieſem Orte gekommen und habe zum Andenken daran dieſen Stein geſetzt.
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Alexander als Herrſcher
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lexander, der Sohn Philippos' aus Mazedonien, A wurde der Koͤnig mit den Hoͤrnern genannt. Er trug dieſen Beinamen, weil ſich ſein Reich vom Oſten bis zum Weſten zog, welche zwei Seiten die Hoͤrner der Welt ſind. Andere wiederum behaupten, daß Alexander an ſeiner Stirn zwei Hoͤrner gehabt haͤtte, und daß der Name davon herruͤhre.
Alexander hoͤrte einſt von ſeinem Lehrer Ariſtoteles, daß der Kummer das Herz des Menſchen kleiner werden laſſe und es zum Schwinden bringe. Er wollte ſich von der Richtigkeit dieſer Meinung uͤberzeugen und ſtellte einen Verſuch an mit einem Tiere, das ſeiner Natur nach dem Menſchen am aͤhnlichſten war. Dieſes ſperrte er fuͤr einige Tage in einen finſtern Raum ein und ließ es nur duͤrftig ernaͤhren. Danach ſchlachtete er das Tier und fand, daß das Herz eingeſchrumpft war. Nun ſah er, daß Ariſtoteles' Behauptung der Wahrheit entſprach.
Alexander pflegte ſeine Diener zu ermahnen: Kommt nicht in meine Naͤhe, wenn ich mit ſtaatlichen Dingen beſchaͤftigt bin. Das Meer, ſagte er, rettet den Reiter auch nicht dann, wenn es ruhig iſt, um ſo weniger, wenn es ſtuͤrmt und Wellen ſchlaͤgt.
Alexander ſprach einſt zu ſeinem Lehrmeiſter Ariſto— teles: Steh mir mit Rat in allen meinen Geſchaͤften bei und ſage mir, wie ich meine Staatsmaͤnner zu waͤhlen habe. Ariſtoteles gab zur Antwort: Einen, der Knechte
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hat und mit ihnen umzugehen verſteht, mache zum Haupt⸗ mann der Heere; einen, der ein Feld hat und es wohl bebaut, mache zum Aufſeher über Arbeiter. Hingegen ſtellte Ariſtoteles an Alexander die Frage: Was freut dich am meiſten an deiner Herrſchaft? Alexander er- widerte: Meine groͤßte Freude iſt, wenn ich einem, der mir Gutes getan hat, es mit viel Beſſerem vergelten kann.
Alexander tat folgende Ausſpruͤche: Ein Mann von Zucht wird geachtet, auch wenn er arm iſt, gleichwie ein Loͤwe gefuͤrchtet wird, auch wenn er ruhig daliegt; einer, der keine Zucht hat, wird verachtet, mag er auch reich ſein; achtet man doch einen Hund nicht hoch, nur weil er eine goldene Halskette umhat. Wer einem Unverſtaͤndi⸗ gen predigt, gleicht einem, der einen verdorrten Baum traͤnkt. Der Menſch hat ſich zu ſchaͤmen, Unflaͤtiges zu tun; er ſchaͤme ſich in feinem Kaufe vor feinen Haus⸗ genoſſen, er ſchaͤme ſich, wenn er außerhalb iſt, vor de- nen, die ihm begegnen und ihm bekannt ſind; trifft er nicht mit Bekannten zuſammen, ſo ſchaͤme er ſich vor ſich ſelbſt; empfindet er vor ſich ſelbſt keine Scham, ſo ſchaͤme er ſich vor dem Schoͤpfer, geſegnet ſei ſein Name.
Zwei Maͤnner, ein armer und ein reicher, warben um die Tochter eines angeſehenen Buͤrgers, mit Namen Rominus. Dieſer verſagte ſie dem Reichen und gab ſie dem Armen. Da fragte ihn Alexander, warum er ſo gehandelt habe. Rominus erwiderte: Mein Herr und Koͤnig, ich zog den Armen vor, weil der Reiche ein Menſch ohne Verſtand und ohne Zucht war; alfo hätte
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er den Reichtum nicht halten koͤnnen. Der Arme hin— gegen war ein Mann von ſtrenger Zucht und verſtaͤndig, und ſo darf man von ihm hoffen, daß er noch reich wird.
Ein Ratmann Alexanders ſprach einſt zu ihm: Mein Herr und Koͤnig, wir haben viele Gefangene, und die ſind dir feindlich geſinnt. Gott hat dir uͤber ſie die Herrſchaft gegeben; warum benutzt dur fie nicht zu Fron⸗ dienſten? Darauf antwortete Alexander: Ich will nicht Koͤnig ſein uͤber Sklaven, ich will uͤber freie Menſchen herrſchen.
Alexander fuͤhrte folgendes uͤber das Schreibrohr aus: Ohne den Griffel koͤnnte die Welt nicht beſtehen, und keine Herrſchaft koͤnnte ausgeuͤbt werden. Alles, was Vernunft und Sprache, dieſe zwei Richter und Ver— kuͤnder der Dinge, hervorbringen, kommt durch die Schrift zur Geltung und an den Tag. Das Schreib- rohr iſt ſomit der Bote des Verſtandes; daher muß man, wenn man ſich ſeiner bedient, auf die Folgen wohl bedacht ſein; hat es aber Unheil angerichtet, ſo muß der Irrtum gleich gutgemacht werden. Ein Abgeſandter, deſſen Fuß fehltritt, ſchaͤdigt ſeinen Herrn. Sagt doch ein alter Spruch: Ein ungetreuer Bote macht den Rat zunichte.
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Alexander fragte einſt den Philoſophen Plato: Worauf hat ein Herrſcher ſein Hauptaugenmerk zu richten? Plato gab zur Antwort: Er hat Tag und Nacht fuͤr die Wohl— fahrt ſeines Volkes zu ſorgen.
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Alexander ſah einſt zwei Maͤnner, die miteinander zankten. Dieſelben Maͤnner aber waren fruͤher be— freundet. Da wandte ſich Alexander an die ihn Um- gebenden und ſagte: Hat einer einen Freund gefunden, ſo vermeide er es, ſtets in ſeiner Geſellſchaft zu bleiben, und huͤte ſich davor, ſich ganz an ihn zu ketten.
Einſt kam vor Alexander ein Mann in abgetragenen Kleidern. Er fuͤhrte aber eine verſtaͤndige Rede und gab auf alles, worum ihn der Koͤnig fragte, wohlgeziemende Antwort. Da ſagte zu ihm Alexander: Waͤre deine Huͤlle, wie deine Sprache iſt, man koͤnnte von dir ſagen, du ſchmuͤckeſt deinen Koͤrper, wie du deinen Geiſt zu ſchmuͤcken ſuchteſt. Darauf entgegnete der kluge Mann: Mein Herr und Koͤnig! Es ſtand wohl in meiner Macht, mir meine Zunge zu bilden; meinen Körper ſchoͤn zu be⸗ kleiden, das ſteht in deiner Macht. Alsbald gab Alexan⸗ der Befehl, den Mann mit Kleidern auszuſtatten, und ließ ihm auch ſonſt Gutes zukommen.
Zwei Maͤnner, die miteinander ſtritten, baten den Koͤnig, daß er zwiſchen ihnen richte. Da ſagte Alexander: Spreche ich dem einen recht, fo zuͤrnt der andere; vergleicht euch alſo untereinander und werdet wieder Freunde. Alexander verſetzte einen ſeiner Diener aus einem hoͤheren Amt in ein niedrigeres. Als der Mann danach zu dem König kam, fragte ihn dieſer: Wie gefällt dir der Dienſt, den du jetzt zu verrichten haſt? Der Ge— fragte erwiderte: Mein Herr und Koͤnig! Es iſt nicht das Amt, das den Menſchen gut macht; es iſt vielmehr der Menſch, der durch ſeinen Gerechtigkeitsſinn auch das
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kleine Amt veredelt. Dieſe Worte gefielen Alexander wohl, und er verlieh dem Amtmann eine hoͤhere Wuͤrde.
Alexander befahl ſeinem Feldherrn, mit dem tapfern Feinde ritterlich umzugehen. Der Feldherr verſprach, dem zu willfahren. Alexander fragte: Wie willſt du nun handeln? Der Feldherr erwiderte: Mit den Geg— nern, die ſich zum Kampfe ſtellen, will ich mutig ſtreiten, denen aber, die fliehen, jage ich nicht nach.
Als Alexander einſt vom loſen Volke umjubelt wurde, ſprach er zu feinem Knaben: Ich habe wohl etwas Un— ſchickliches begangen, deshalb habe ich verdient, von dieſen gelobt zu werden.
Ariſtoteles ſchrieb an Alexander, nachdem dieſer viele Laͤnder erobert hatte, folgendes: Beherrſche die Voͤlker durch Guͤte, und du wirſt ihre Liebe gewinnen. Du er— wirbſt dir ihre Neigung viel eher durch Milde als da— durch, daß du ſie dein Joch fuͤhlen laͤßt. Die menſch— lichen Herzen erobert man nur durch Gerechtigkeit und Gnade. Und weiter ſchrieb Ariſtoteles: Du biſt Koͤnig uͤber die Vornehmen, und dir iſt die Herrſcher— gewalt zuteil worden. Am hoͤchſten aber ſteigert ſich der Wert deiner Macht, wenn es dir gelingt, dein Volk zu veredeln, ſo daß du Fuͤrſt biſt uͤber Hohe und nicht uͤber Geringe.
In einem Weisheitsbuche wird erzaͤhlt, daß Ariſto— teles Alexander folgende Lehre erteilt habe: Wenn du deine Herrſcherpflichten ausuͤbſt, fo geh mit den Frei—
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geborenen ehrfürchtig um, die Gemeinen aber behandle hart. Denn der Edle wird, wenn man ihm Achtung ent- gegenbringt, nur edler, das rohe Volk aber kann nur durch Strenge und Mißachtung im Zaume gehalten werden. 3 Die Weiſen erzaͤhlen, daß, als Alexander das erſtemal die Buͤhne beſtieg, um zu den Alteſten der Gemeinde zu ſprechen, waͤhrend welcher Stunde ſein Lehrer Ariſtoteles zu ſeiner Rechten ſtand, er den Mund auf— tat und folgendes ſagte: Ihr Knechte Gottes! Be— trachtet euch als Fremdlinge und nur voruͤbergehend Weilende auf dieſer Welt. Wo iſt Adam, der Vater der erſten und der letzten Geſchlechter? Wo iſt Noah, der erſte Sendbote? Wo iſt Henoch, der mit Gott gewandelt iſt? Wo iſt Abraham, der Goͤtzenſtuͤrmer? Wo iſt Moſe, das Haupt der Propheten? Wo ſind die alten Voͤlker? Wo ſind die heimgegangenen Koͤnige? Wo ſind die, die goldene Ketten ſich um den Hals legten, die prunkvolle Kronen ſich auf den Kopf ſetzten? Wo ſind die, die Heere eigener und fremder Streiter in Bewegung brachten? Wo ſind die, die alles einſammelten, was zwiſchen Mor— genland und Abendland lag? Alle ſind dahingefahren; es half ihnen nichts, was fie erobert und errungen hatten, und es rettete ſie nicht, was ſie erworben und errafft hatten. *
Die Anhänger des Philoſophen Demokritos ſprachen
einſt zu Alexander: Der Himmel laſſe dich von dieſer
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Welt mehr Beſitz ergreifen, als er je einen Koͤnig hat Beſitz ergreifen laſſen. Darauf erwiderte Alexander: Ihr ſprecht die Worte ſo aus, als hieltet ihr mich fuͤr einen, der an eine andere Welt außer dieſer, in der wir leben, nicht glaubt. Ihr ſeid im Unrecht. 5
Alexander ſprach:
Drei Dinge machen einen Fuͤrſten groß: wenn er Anhaͤnger zu gewinnen verſteht, wenn er ſich ſeiner Naͤchſten erbarmt und der Untaten ſeiner Feinde nicht gedenkt.
Und weiter ſprach Alexander: Gib den andern, und ſie werden dir geben. Willſt du aber den Wert deiner Gabe erhoͤhen, ſo gib ſchnell, denn ſchnelle Hilfe iſt doppelte Hilfe.
Die Nacht, pflegte Alexander zu ſagen, iſt erſchaffen worden zum Nachdenken uͤber das, was man am Tage vollbracht hat.
Alerander- Anekdoten
Der mutige Juͤngling
D. Alten erzaͤhlen, daß, als Alexander zum Herrſcher ausgerufen ward, die Weiſen des Landes vor ihm erſchienen waͤren, um ihrer beſonderen Begabung ge— maͤß Reden und Dispute abzuhalten. Als fie in dem Tempel vollzaͤhlig beiſammen waren, ſagte der Koͤnig: Waͤhlt einen von euch, den wollen wir anhoͤren. Da erhob ſich aus der Menge ein Juͤngling, ein Kind noch faſt zu nennen, und ſchickte ſich an, vor den Verſammel⸗ ten zu ſprechen. Alexander rief: Du guter Knabe, kehre auf deinen Platz zuruͤck; es moͤge einer reden, der reiferen Alters iſt. Hierauf erwiderte der Juͤngling: Gott laſſe dir alles gelingen, mein Herr und Koͤnig; des Menſchen Weſen machen ſein Herz und ſeine Zunge aus. Hat einem der Allgelobte der Rede Kraft verliehen und ihm ein Herz, wie es ſein ſoll, gegeben, ſo geziemt ihm wohl, zu ſprechen und mit Staͤrke aufzutreten. Wuͤrde man einen Fuͤrſten nach dem Alter waͤhlen, man fände unter dem Volke manchen, dem feinen Jahren nach die Herrſchaft eher zufäme als dir. Da rief die Menge: Du haſt recht geſprochen, trefflicher Juͤngling.
In der Wuͤſte
Alexander von Mazedonien zog einſt mit ſeinem Heere durch die Wuͤſte Babel. Da aber der Gang lange dauerte, war den Kriegsleuten die Zehrung ausge—
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Der Seeräuber 185
gangen, und weit und breit war fein Brot zu finden. Viele von den Männern hatte bereits der Tod hinge— rafft, als ein Reiter auf dem Felde eine Honigwabe fand. Er uͤberreichte ſie ſeinem Koͤnig. Allein Alexan— der nahm die Wabe und warf ſie ins Waſſer. Er ſprach: Das ſei ferne von mir, daß ich nur mein Leben zu er— halten ſuchte und die Leute um mich ſterben ſaͤhe. Dar— auf ſtuͤrzten ſich viele Streiter in den Fluß, um die Honigſcheibe zu ergreifen, und einige ertranken vor allzugroßer Schwaͤche. Es waͤhrte aber nicht lange, und das Heer erreichte einen bewohnten Ort. Hier fan— den Alexander und ſeine Mannen alles, was zu ihrer Notdurft gehoͤrte; ſie ſtillten ihren Hunger und Durft, und ihr Geiſt lebte wieder auf. Die aber ihre Gier uͤbereilig hatten befriedigen wollen, waren eines angſt— vollen Todes geſtorben.
Der Seeraͤuber
In einer roͤmiſchen Chronik wird folgende Begeben— heit erzaͤhlt: Zur Zeit Alexanders des Großen wurde ein Seeraͤuber gefangengenommen und vor den Koͤnig gebracht. Da fragte ihn dieſer, warum er denn uͤber die Meere fahre und Raub und Gewalt uͤbe? Der Pirat erwiderte: Du, der du von Heeren begleitet deine Raubzuͤge machſt, wirſt ein Koͤnig genannt; ich aber, der ich allein auf einem Kahn durch das Meer ziehe, werde als ein Räuber bezeichnet. Haͤtteſt du kein Ge— folge um dich, du waͤreſt ein ſchlimmerer Freibeuter
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als ich, denn ich ſuche meinen Feinden zu entfliehen, du aber verfolgſt die deinigen. Armut und Enge brachten mich dazu, daß ich ein Raͤuber wurde; dich aber bewog zu deinem Treiben allein die Herrſchſucht und die über: große Gier. Alſo uͤbertriffſt du mich im uͤblen Tun. Je groͤßer dein Gluͤck, um ſo groͤßer dein Stolz, und um ſo ſicherer ſchreiteſt du von Miſſetat zu Miſſetat. Ich aber, koͤnnte ich Ruhe und Sorgloſigkeit erlangen, wuͤrde mich beſſern und nicht mehr rauben.
Als Alexander den weiten Blick des Piraten erkannte, wurde er von Mitleid ergriffen. Er ließ ihn nicht toͤten, ſondern begnadigte ihn und machte ihn zu einem ſeiner Hauptleute.
Die Gabe
Es wird erzählt, daß einſt ein armer Mann vor den Koͤnig Alexander kam und ihn um eine Gabe anging. Da ſchenkte der Koͤnig dem Bittenden eine ganze Stadt. Darauf ſprach der Arme: O mein Herr und Koͤnig, ſolch ein Geſchenk kommt mir nicht zu. Alexander aber erwiderte: O mein Bruder, mir ſteht es nicht wohl an, dich mit einer kleinen Gabe zu bedenken; ich richte mich nicht danach, was dir zu empfangen geziemt, ſondern danach, was mir zu ſchenken ziemt.
Als einſt Alexander zuſammen mit Ariſtoteles durch das Land Mazedonien ging, liefen Diener ihnen voran und riefen: Macht die Straße frei für den König Aler- ander! Inmitten des Weges aber ſaß auf einem Stein
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ein Narr, und der wollte feinen Platz nicht verlaſſen. Da nahte ihm ein Kaͤmmerer des Koͤnigs und wollte ihn zur Seite ſtoßen. Allein Ariſtoteles rief dem Diener zu: Wirf den Stein vom Steine nicht hinunter! Ein Dummer iſt nicht als ein Menſch anzuſehen.
Aleranders Tod
Die Vorzeichen E begab ſich auf eine Nacht, als der Koͤnig Alexander aus dem Lande Sidonien zuruͤckkehrte, daß er ſeine Augen zum Himmel erhob und zwei Sterne erblickte, die miteinander ſtritten. Und ſiehe, der eine ſiegte uͤber den andern und warf ihn von den Hoͤhen hinunter. Da erdroͤhnte laut die ganze Erde. Daruͤber entſetzte ſich der Koͤnig uͤber die Maßen. Er ließ ſeine Weiſen und Sternſeher rufen und erzaͤhlte ihnen, was er geſchaut hatte. Nun wurden die Wahrſager von einer Furcht er— faßt. Sie rangen die Haͤnde, gingen betruͤbt einher und weinten ſehr. Da ſprach Alexander: Was iſt der Grund, daß ihr ſo verzagt? Die Weiſen erwiderten: Unſer Herr und Koͤnig, wir trauern, denn dein Ende iſt gekommen. Es iſt keinem Menſchen gegeben, einen Kampf der Ge— ſtirne zu ſchauen, als allein einem Koͤnig auf ſeines Le— bens Neige. Alexander hoͤrte das an und weinte. Er ſprach: Was Gott wohlgefaͤllt, moͤge er geſchehen laſſen!
Als Alexander in Babel war, brachte daſelbſt eine Frau ein ſonderbares Weſen zur Welt. Man huͤllte es in ein Tuch und trug es zum Koͤnige. Vom Kopf bis zu den Huͤften hatte das Kind eine menſchliche Geſtalt; ſein Unterkoͤrper hingegen glich dem eines Tieres. Waͤhrend aber die obere Haͤlfte kraftlos und wie tot, ohne jede Bewegung war, wies der untere Teil Leben
Der tödliche Trank 189
und Geſundheit auf. Alexander rief ſeine Weiſen und Prieſter zuſammen und zeigte ihnen das Geſchoͤpf. Da ſchrie der Alteſte der Wahrſager bitter auf und ſprach: Fuͤrwahr, mein Herr und Koͤnig, dein Ende iſt ge— kommen. Alexander fragte: Wie iſt dir dieſes zur Ge- wißheit geworden? Der Seher antwortete: Die obere Koͤrperhaͤlfte des Kindes, die richtig gebaut, aber ſtarr iſt, die iſt ein Sinnbild deiner Herrſchaft, die nach menſchlichen Grundſaͤtzen geleitet wird, und deren Kraft nun bald dahin ſein wird; die untere tieriſche Haͤlfte wiederum deutet auf deine Nachfolger und ihr Tun hin. Als Alexander dieſe Worte vernahm, ließen ſeine Augen Traͤnen fallen, und er rief: O Jupiter, wie taͤteſt du wohl, wenn du meine Tage verlaͤngerteſt und mir noch ſo viel Leben verlieheſt, daß ich das von mir angefangene Werk vollenden koͤnnte. Nun mir aber mein Scheiden von hinnen verkuͤndigt worden iſt, flehe ich dich an, mir einen ſanften und raſchen Tod zu be- reiten.
Der toͤdliche Trank
Es gab unter den Vornehmen Athens einen Mann mit Namen Antipatrus, der trachtete Alexander nach dem Leben. Dieſer Antipatrus hatte zwei Soͤhne, welche beide in Alexanders Dienſten ſtanden. Der aͤltere Jobas war Mundſchenk des Koͤnigs, der juͤngere Jolus war ſein Baͤcker. Nun kaufte Antipatrus von einem mazedoniſchen Arzte eine giftige Arznei, tat dieſe in ein eiſernes Gefaͤß und verſiegelte den Behaͤlter. Durch
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ſeinen Bruder Kaſſander ſchickte er dann das Gift an ſeinen Sohn Jobas, und dieſer verwahrte es wohl.
Da traͤumte Alexander in einer Nacht, daß Antipatrus gegen ihn das Schwert zuͤckte. Des Morgens ließ der Koͤnig ſeine Wahrſager rufen und erzaͤhlte ihnen das Geſicht. Da ſprach einer der Traumdeuter: Des Anti⸗ patrus Sinn duͤnkt mich nicht rein; er gedenkt, ſeine Hand gegen dich zu erheben. Allein Alexander be— achtete die Worte des Weiſen nicht.
In der Nacht darauf verleumdete einer von den Knechten des Koͤnigs den Mundſchenk Jobas und be— zichtigte ihn eines Vergehens. Alexander befahl, Jobas Streiche zu verabfolgen. Da wurde dieſer von einem Zorn erfaßt, daß er unſchuldig eine Strafe erfahren ſollte, und er ſetzte dem Koͤnig den giftigen Trank vor. Alexander nahm einen Schluck, und alsbald veraͤnderte ſich fein Geſicht, und es befielen ihn heftige Schmerzen. Er erkrankte ſehr und mußte ſein Lager aufſuchen. In dem Zimmer aber, wo ſein Bett ſtand, ſchauten die Fenſter auf den Euphrat hinaus. Da befahl Alexander, ſie zu oͤffnen, denn er wollte ſich aus ihnen in den Strom ſtuͤrzen. Allein feine Gemahlin Ruſan, die um ihn war, umarmte ihn und bat ihn, davon zu laſſen. Sie weinte und ſprach: O König, wie willſt du deine Seele verderben, wo ſind dein Eifer und deine Kraft hin? Alexander aber erwiderte: Ruſan, du Freundin meines Herzens, du liebliche Hindin, laß ab von mir; ich will ins Wafferff ſpringen, und es mag kein Menſch von meinem Tod erfahren. Da fiel die Koͤnigin zu den Fuͤßen ihres Ge
Die Klage der Mutter 191
mahls, vergoß Tränen und fuchte ihn von dem Gedanken abzubringen. Sie ſprach: Wie willſt du dich toͤten, du Koͤnig aller Koͤnige, wie willſt du deine Getreuen dem Dunkel uͤberliefern und ſie verlaſſen, ohne einen zu nennen, der nach dir das Reich verwalte?
Da aͤnderte Alexander ſeinen Sinn und gehorchte der Koͤnigin. Er beſchied ſeinen Schreiber Simeon zu ſich und befahl ihm, ein Schriftſtuͤck an ſeinen Lehrer Ariſtoteles aufzuſetzen. Darin traf er Beſtimmungen uͤber die Teilung ſeines Reiches und bezeichnete die Fuͤrſten, die die einzelnen Laͤnder zu regieren haͤtten. Er befahl auch, aus ſeinem Schatze viele Talente Gold zu entnehmen und ſie den Prieſtern zu geben, damit ſie einen Tempel auf ſeinem Grabe errichteten.
Nachdem das Teſtament Alexanders niedergeſchrieben war, erbebte die Himmelsfeſte, Blitze durchzuckten die Luft, und das ganze Land Babel wurde erſchuͤttert.
Die Klage der Mutter
Nachdem Alexander in Babylon entſchlafen war, wurde der goldene Schrein mit ſeiner Leiche nach der Stadt Alexandria, im Lande No Amon, woſelbſt ſeine Mutter weilte, gebracht. Als der Sarg vor die Köni- gin niedergeſtellt wurde, deckte ſie das Antlitz des Toten auf und ſprach: Staunt des Anblickes! Einer, deſſen Weisheit bis zum Himmel drang, deſſen Herrſchaft ſich auf die entlegenſten Teile der Erde erſtreckte, dem alle Könige aus Furcht die Hand reichten, liegt jetzt in Schlaf verſunken, und ihm iſt kein Erwachen; er ſchweigt
192 Der Born Judas
und ſpricht nimmer, und es tragen ihn auf ihren Haͤn⸗ den, die ihn bei ſeinen Lebzeiten nicht haͤtten ſehen duͤr⸗ fen. Wer wird mich nun zurechtweiſen, daß ich zurecht⸗ gewieſen werde, wer wird mich mit Worten zuͤchtigen, daß ich gezuͤchtigt werde, wer wird mich troͤſten, daß ich getroͤſtet werde, wer wird mich beruhigen, daß ich beruhigt werde, wer wird mich ermahnen, daß ich er— mahnt werde, wer wird mich belehren, daß ich belehrt werde? Aber wuͤßte ich nicht, daß ich ihm auf dem Wege, den er gegangen iſt, bald folgen werde, ich wuͤrde wei— nen und ein Jammergeſchrei erheben. So moͤge denn Friede ſein mit dir, Alexander; mit dir, der du gelebt haſt und nun tot biſt! Du warſt von den Lebenden der Beſte und biſt von den Toten der Trefflichſte. Bei dieſen Worten der Koͤnigin weinten die Klageweiber, die ſie umſtanden. Die eine ſprach: Nun ruht Alexander fuͤr immer, und das bringt unſer Inneres in Bewegung. Ein zweites Klageweib rief: Der Koͤnig iſt verſtummt; ſo oͤffnen ſich unſere Lippen zur Klage. Eine dritte ſagte: Ein großer Lehrmeiſter war Alexander, als er noch lebte; nun redet er durch ſeinen Tod lauter denn je. Eine vierte ſprach: Es iſt genug des Ungluͤcks! Geſtern noch reichte deine Macht, Alexander, bis an das Weltende hin, und heute wird dein Befehl nicht mehr gehoͤrt.
Die Trauerreden
Als Alexander verſchied, trugen die Vornehmen des Volkes, die Fuͤrſten und Hauptleute den Sarg des Koͤ— nigs auf ihren Schultern nach Alexandria. Hier
Die Trauerreden 193
bahrten ſie die Lade mit dem toten Koͤnig vor den Augen der hohen Staatsmaͤnner und der Weiſen auf, damit dieſe in Worten, die auf die Nachkommen uͤber⸗ gingen und als Belehrung und Ermahnung dienen ſollten, uͤber den Heimgegangenen ſpraͤchen. Danach umringten die Anverwandten den Schrein, und der ältefte unter ihnen ſprach: Ein Tag iſt gekommen, an dem der Angſte viele wurden, an dem das Koͤnigtum ſeines Zaubers beraubt wurde, an dem das Boͤſe, das bislang verdraͤngt war, wieder hervortritt und das Gute wieder verdraͤngt wird. Wer nun um den Koͤnig weint, weint uͤber das uͤble, das ſein Tod zur Folge hatte. Wer vom Staunen ergriffen iſt, ſtaunt gleichſam der Veraͤnderung, die des Koͤnigs Hinſcheiden mit ſich gebracht hat. Darauf wandte ſich der Redner an die Philoſophen und ſagte: Ein jeder von euch ſpreche Worte des Troſtes für die vornehmen und Worte der Belehrung fuͤr das Volk. Und die Weiſen ſagten ein jeder ſeinen Spruch uͤber Alexander her.
Raſtuk, die Tochter Darius', die Gemahlin Alexan— ders, ſprach: Ich dachte nimmer, daß der, der Darius vernichtet hat, ſelbſt getoͤtet wuͤrde. Es iſt wohl Maß fuͤr Maß. Der Haushalter Alexanders ſprach: Du ge— boteſt uns ſtets, zu ſparen und zu bewahren. In weſſen Hand ſollen wir nun deine Schaͤtze legen? Der Tafel: meiſter ſprach: Dem ich bisher die Speiſen bereitet habe, iſt ſelbſt der Erde Speiſe. Der Schatzmeiſter ſprach: Hier find die Schluͤſſel zu deinen Schatzkammern. Haͤt—
194 Der Born Judas
teſt du mir doch dieſe Schluͤſſel abgenommen, bevor ich zu Unrecht der Veruntreuung beſchuldigt worden bin. Der erſte Kanzler ſprach: Ich ließ weder den Vornehmen noch den gemeinen Mann an dich heran, und ich wies von den Pforten deines Hauſes die zuruͤck, denen du den Eintritt nicht geſtattet haft. Und nun ſind unbehindert die Todbrin- ger eingedrungen, und aus einer unbekannten Stätte iſt der Wuͤrger gekommen. Ahnlich ſprach auch der Torwaͤch— ter. Der zweite Kanzler ſprach: Genommen iſt mir die Macht, zu ſpenden und zu verſagen, und die Befugnis, Befehle zu erteilen. Ich ſitze, nachdem ich geſtanden habe, und ſchweige, nachdem ich geſprochen habe. Der Hauptmann der Leibwache ſprach: Warum iſt das Schwert deiner Rache in die Scheide zuruͤckgeſteckt wor⸗ den, und wie kam es, daß das Schwert des Verderbens dich ſelbſt getroffen hat? Wo iſt dein Grimm, der ſo heftig war? Wo iſt dein Wille, der ſich ſo fuͤhlbar machte? Wo iſt dein Gebot, das ſo befolgt wurde? Nun liegt dein Leichnam in deiner Freunde Mitte, ein ſtummer Stein in deiner Lieben Kreiſe. Deine Stimme wird nicht mehr gehoͤrt und deine Rede nicht mehr vernommen. Der Geheimſchreiber des Koͤnigs ſprach: Wir kommen in die Welt; ſolange wir leben, ſind wir laͤſſig und traͤge, ſcheiden aber von hinnen nur gezwungenerweiſe.
Man erzaͤhlt, daß, als die Vornehmen mit dem Sarge Alexanders der Stadt Alexandria nahten, ſie die Wei— ſen im Volke beauftragten, der Mutter Alexanders die Trauerbotſchaft zu uͤberbringen. Darauf kam die Koͤ— nigin der Schar, die die Lade trug, entgegen, und als ſie
Die Trauerreden 195
ihren toten Sohn erblickte, neigte fie ſich über ihn, um— armte ihn und rief: O des Tages, an dem die Zeichen der Herrſchaft Alexander genommen wurden! Nun hoffen die ſeine Macht zu erlangen, die bisher dieſe Hoff— nung nicht hegen konnten. Um ſo groͤßer unſer Schmerz, um ſo geringer unſer Troſt! Da weinten alle Frauen umher, und die Koͤnigin weinte mit und ſprach: Und doch iſt mir Troſt ſchon zuteil worden, als du mir deinen Tod, noch ehe er eintrat, verkuͤndeteſt. Du befahlſt mir, Faſſung zu bewahren, als du noch am Leben warſt. Vor Gott will ich ſchreien und von ihm Troſt erbitten. Wir ſind von ihm gekommen, und morgen kehren wir zu ihm zuruͤck!
Das Troſtſchreiben Alexanders an feine Mutter
We. kommen uͤber Kummer am beſten hinweg, wenn wir der Leiden gedenken, die wir in fruͤherer Zeit zu uͤberſtehen hatten, und uns deſſen entſinnen, daß wir auch damals aufgerichtet worden ſind. Auch die Men— ſchen um uns haben Schlimmes durchmachen muͤſſen, ſie haben es verwunden und ſind wieder froh geworden. In dieſem Sinne troͤſtete Alexander, der König von Ma⸗ zedonien, ſeine Mutter, als der Tag ſeines Sterbens herannahte. Er ſchrieb ihr einen Brief, der folgender— maßen lautete:
Mutter, denke daran, daß alles, was dem Sein und Nichtſein unterworfen iſt, vergaͤnglich iſt. Deines Sohnes Art war nie die Art der kleinen Geiſter unter den Koͤnigen, und ſo moͤgeſt auch du nach ſeinem Tode nicht das Gebaren der kleinmuͤtigen Fuͤrſtinnen fuͤr dich wählen. An dem Tage, da du von meinem Ab- leben ſichere Kunde erhaͤltſt, laß einen Bau errichten und lade alle Großen des Landes auf einen beſtimmten Tag zu einem Feſte ein. Dieſer Tag möge ein Freuden- tag im ganzen Reiche ſein. Den Gaͤſten aber laß ſagen, daß ſie nur dann zum Mahle erſcheinen duͤrfen, wenn ihnen niemals Boͤſes begegnet iſt und ſie nie ein Ungluͤck erlebt haben, damit die Freude keine Truͤbung erfahre und in den Jubel kein Mißton falle. Handle nicht wie die uͤbrigen Menſchenkinder, die nach einem Toten
Das Troſtſchreiben Alexanders an feine Mutter 197
trauern und leidtragen. Laß es vielmehr froͤhlich und ohne jede Beklemmung auf dem Feſte hergehen.
Als nun die Mutter Alexanders die Nachricht von dem Hinſcheiden ihres Sohnes empfing, tat ſie, wie Alexander ihr befohlen hatte. Sie richtete alles her, was zu einem Feſte noͤtig war, und lud die Fuͤrſten des Landes ein. Es kam aber der Tag, fuͤr den die Feier an⸗ geſetzt worden war, und von den geladenen Gaͤſten er— ſchien auch nicht ein einziger. Da fragte die hohe Frau: Warum iſt keiner von den hierher Beſchiedenen gekom— men? Ihr wurde geantwortet: Weil du geſagt haſt, daß nur ſolche an der Feier teilnehmen ſollen, denen nie Arges zugeſtoßen iſt. Alle Menſchen aber haben in ihrem Leben Schmerzliches und Schweres erleiden muͤſſen; es iſt keiner verfchont geblieben. Alſo konnte niemand herkommen. Da erhob die Koͤnigin ihre Stimme und rief: Mein Sohn Alexander! Wie war doch deine Weisheit groß vom Anfang bis zum Ende. Du haft mir vollkommenen Troſt verſchaffen wollen, in⸗ dem du mich ſehen ließeſt, daß Jammer nichts Abſonder— liches iſt, und daß es kein Ungluͤck gibt, von dem nur einer bedroht waͤre; vielmehr ſind darin alle Menſchen gleich. Es hat noch keinen gegeben, den Kummer, Grimm und Bedraͤngnis nicht heimgeſucht haͤtten.
Aber noch ein zweites Schreiben ſandte Alexander an ſeine Mutter vor dem Tode. Dieſes enthielt folgen— des:
Mutter, lies dieſes Blatt, nimm meine Worte zu
198 N Der Born Judas
Herzen und laß dir Mut und Troſt zuſprechen. Sei erhaben uͤber die andern Frauen und gleiche nicht denen, die in ihrem Schmerz verzagen, und die die Angſt muͤde macht. Auch dein Sohn ſuchte ſtets die uͤbrigen Men— ſchen an Tugenden zu uͤberragen. Gar vieles, wonach ſie ſtrebten, duͤnkte ihn eitel und nichtig. Mutter, du weißt, daß keine Herrſchaft ewig waͤhrt und kein Ding ewig beſteht. Du ſiehſt einen Baum in ſeiner Bluͤte, und du ſiehſt ihn welk werden und feine Zweige im Sturme brechen. Das Gras iſt am Morgen taufriſch, nachmit⸗ tags aber trocken. Der Mond erreicht ſeine volle Geſtalt, um dann wieder kleiner zu werden. Die Sterne leuchten am nächtlichen Himmel, und bald wird ihr Glanz vom Nebel verdunkelt. Des Feuers Schein brennt lichterloh und erloͤſcht alſobald. Und was iſt der Menſch, und was iſt ſein Leben? Wie ein Schatten huſchen die Tage voruͤber und verfliegen wie ein Traum. Taͤglich und ſtuͤndlich wird des Menſchen Licht kleiner. Darum, Mutter, halte deine Augen von Traͤnen rein und wiſſe, daß der Ort, dahin ich fahre, beſſer iſt als der, an dem ich geweilt habe. Bleibe frei von Truͤbſal und von Seuf— zen und bereite dich fuͤr unſer einſtiges Beiſammenſein.
Außer dieſen zwei Briefen ging der Mutter Aler- anders auch ein Schreiben von Ariſtoteles, dem Lehrer ihres Sohnes, zu. Der große Weiſe troͤſtete ſie folgen— dermaßen:
O Mutter des ruhmreichen Fuͤrſten! Allbekannt iſt, was Gott ſeit jeher uͤber alle Geſchoͤpfe verhaͤngt hat.
Das Troſtſchreiben Alexanders an feine Mutter 199
Was er heute uͤber deinen Sohn hat kommen laſſen, das iſt allen Menſchen beſchieden, den Koͤnigen ſowohl als den Knechten, den Reichen wie den Armen. Es gibt kein Entrinnen davor. Der Tote ruht in Frieden, der Hinterbliebene hat die Muͤhe und die Plage. Traͤge zieht der Wanderer ſeine Straße. Wer aber ſein Ohr der Ermahnung hinneigt und ſich Zehrung fuͤr den Weg bereitet, dem gluͤckt es. Wer ſeinem Leib nur ſo viel zukommen laͤßt, daß die Seele dabei Frieden erlangt, der iſt zu preiſen.
Du Mutter Alexanders, ſage Gott Dank, daß er deinen Sohn einen Koͤnig werden ließ und ihn allezeit wohlberaten hat. Als einen ruhmbekraͤnzten Herrſcher und ſeinen geliebten Knecht hat er ihn von hinnen ab— berufen und dorthin ziehen laſſen, wo der Schoͤpfer ſeiner Seele wohnt, und wo auch du dereinſt hinfahren wirſt. Sei getroͤſtet und freue dich deines Sohnes wie zur Zeit, da er noch am Leben war. Gewaͤhre deiner Seele Troſt und Frieden!
*
Auch auf das Troſtſchreiben Ariſtoteles' antwortete die Mutter Alexanders mit einem Briefe und ſchloß folgendermaßen: Ich ſehe meinen Tod kommen, und mein Herz iſt ruhig; ich harre des Tages, an dem ich meinem Sohne folgen werde. Deshalb kann ich alles in mir tragen und fuͤhle mich ſtark. Preis dem Herrn und dir, du großer Weiſer, fuͤr deinen Rat, deine Er—
mahnungen und deinen Troſt.
* * *
SSOSSOSOI:SO:SS:ISSIOS
Vom Lehrmeiſter Alexanders
Ariſtoteles' Jugendjahre
. der große Lehrer, ward von einem Koͤnig be—
auftragt, feinen Erben in der Philoſophie zu unter— weiſen. Eine herrliche Halle, mit Teppichen geſchmuͤckt, wurde von dem Koͤnig fuͤr den Unterricht beſtimmt. Zu der Zeit ſtand in Platos Dienſten ein Waiſenknabe mit Namen Ariſtoteles. Der Koͤnigsſohn jedoch war ein einfaͤltiger Juͤngling von geringem Verſtand und ſchwer von Begriff, und er vergaß alſobald, was er gelehrt worden war. Hingegen war Ariſtoteles ein aufgeweck— ter Burſche, beherzt und ſcharfſinnig. Plato ſuchte den Prinzen in die Weisheit und in die Morallehren einzu— führen, aber dem Zoͤgling entftelen ſchon am Morgen die Regeln, die er den Abend zuvor gehoͤrt hatte, und nichts blieb in ihm haften. Indeſſen las Ariſtoteles die Worte Platos unbemerkt auf und behielt ſie in ſeinem Herzen. Der Meiſter aber wußte nichts von dem, was in dem Knaben, der ihn bediente, vorging. Da kam der Tag, an dem der Koͤnigsſohn die Weisheit, die er empfangen hatte, bekunden ſollte. Die Prüfung fand in einem gol- denen Saale ſtatt, und der Prinz wurde in goldgeſtickte Kleider gehuͤllt. Es erſchien der König mit feinem Hof— ſtaat, und Plato kam in Begleitung ſeiner Juͤnger. Nachdem ein Gebet geſprochen worden war, betrat
Ariſtoteles Jugendjahre 203
Plato mit ſeinem koͤniglichen Schuͤler die Rednerbuͤhne, und der Prinz ſollte vor der hohen Verſammlung Worte der Weisheit vortragen. Allein die Zunge des Knaben blieb am Gaumen kleben, und er konnte keinen Satz ſagen. Da geriet Plato in Bedraͤngnis und verteidigte ſich vor den Anweſenden, daß er den Juͤngling auf ſeine Kenntniſſe bislang nicht gepruͤft habe und ihn be— gabt waͤhnte. Hernach wandte er ſich an ſeine Juͤnger und ſprach zu ihnen: Ihr ſeid meine eifrigen Schuͤler. Iſt einer unter euch, der weiß, was ich gelehrt habe, und der an des Prinzen Statt die Rede halten koͤnnte? Alsbald erhob ſich Ariſtoteles und ſagte: Ich, mein Herr und Meiſter, will vortragen, was ich von dir ver— nommen habe. Plato aber ſchaͤtzte den Juͤngling gering und gab ihm nicht die Erlaubnis zu ſprechen. Er rich— tete nochmals an ſeine Schuͤler die Frage, ob nicht einer von ihnen die Lehrſaͤtze aufſagen wollte, und abermals meldete ſich Ariſtoteles und ſprach: Ich, mein Herr, möchte das tun. Da ſagte Plato: So komm herauf. Alſo ſtieg Ariſtoteles die Stufen zur Buͤhne in ſeinen aͤrmlichen Kleidern hinauf und zwitſcherte leicht wie ein Vogel die Lehren des Meiſters herunter; er gab alles wieder, was Plato dem Koͤnigsſohne offenbart hatte, ohne einen Satz auszulaſſen. Da wandte ſich Plato an den Koͤnig und ſprach: Das iſt die Weisheit, die ich deinem Sohne beizubringen ſuchte, und die hat dieſer Knabe heimlich abgelauſcht. Was kann ich dagegen, daß Gott den einen mit Gaben bedenkt, ſie dem andern aber vorenthaͤlt?
204 Der Born Judas
Es beſtand die Sitte, daß die Prinzen nach ihrem oͤffent⸗ lichen Auftreten beſondere Ehrungen erfuhren und vom Koͤnig ſelbſt geprieſen wurden. An dieſem Tage aber befahl der König, Ariſtoteles ftatt feines Sohnes auszu- zeichnen. Die Menge verließ den Saal, Ariſtoteles laut ruͤhmend und ſeinen Geiſt bewundernd.
Da nun Plato die Weisheit Ariſtoteles' erkannte, freute er ſich feiner und gewann ihn lieb. Auch der Koͤ— nig befahl dem Weiſen, ſich des Juͤnglings anzunehmen und ihn weiter zu unterrichten. Nun war Plato be— fliſſen, ſeinen Schuͤler alles zu lehren. So eignete ſich Ariſtoteles die zehn Wiſſenſchaften an und ward zu einem Philoſophen, der an umfaſſenden Kenntniſſen alle, die vor ihm waren, uͤberragte.
Man erzaͤhlt von Plato, daß er die Gewohnheit hatte, in der Gemeinde zu ſchweigen. Bat man ihn, das Wort zu ergreifen, ſo ſagte er, daß er warten wolle, bis noch mehr Menſchen kaͤmen. Sobald aber Ariſtoteles erſchien, fing Plato zu reden an, denn nun war ein Menſch ge⸗ kommen.
Der Meiſter
Ariſtoteles war ein Sohn Nikomachos', des Sehers und Weiſen, der aus der Schule Pythagoras' hervorgegangen war. Er war der Lehrer Alexanders und ein Juͤnger Platos. Zwanzig Jahre ſaß er zu den Fuͤßen des Mei⸗ ſters. Plato hielt Ariſtoteles uͤber die Maßen hoch. Er war die Krone ſeiner Schuͤler, und Plato nannte ihn den Verſtand ſelbſt.
Der Meifter 205
Der Weiſe El Meſadi ſprach:
Die Philoſophen der ſpaͤteren Zeit wichen von der Bahn Ariſtoteles' ab und beſchuldigten ihn der Abkehr von der Schule Platos, ſeines Meiſters, wie von der ſeiner Vorgaͤnger. Sie ſprachen von Ariſtoteles, er haͤtte der Philoſophie geſchadet und an ihren Grundſaͤtzen ge— ruͤttelt. Haͤtte aber Gott die Widerſacher dieſes Weiſen erleuchtet und in ihre Seele Liebe zur Wahrheit ver— pflanzt, ſie haͤtten ſagen muͤſſen, daß Ariſtoteles die Mei— nungen der Philoſophen gereinigt, ſie durch das Sieb ſeines Verſtandes hat gehen laſſen und den Weizen von der Spreu geſchieden hat. Er waͤhlte das Beſte von dem, was er vorfand, und tat dazu, was er aus ſich ſelbſt heraus geſchaffen hatte. Außerdem iſt zu erwaͤhnen, daß er an einen Gott glaubte und ſich zu dem bekannte, wozu das reine Wiſſen unbedingt fuͤhrt, und was die ausge— zeichneten Seelen ſchauen.
Er war, man kann es wohl ſagen, der Feldherr der Auserwaͤhlten, und um ihn ſcharten ſich alle Frommen. Es iſt bei dem Herrn nichts Verwunderliches, wenn er die ganze Welt in einem Menſchen vereinigt. Ariſtoteles war der letzte Denker des griechiſchen Volkes, der Herr ſeiner Vorlaͤufer und ſeiner Nachfolger.
*
Alexander aͤußerte ſich uͤber Ariſtoteles folgender— maßen: Ariſtoteles iſt der Mann, dem Gott die Schluͤſſel zu den Schatzkammern des Wiſſens gegeben hat. Er gleicht einem Baume mit maͤchtigem Geaͤſt. Ariſto— teles iſt einer, deſſen Wiſſen das All umfaßt. Es gab
206 Der Born Judas
vor ihm keinen, und es wird nach ihm keinen geben, dem an Weisheit, edler Geſinnung und Vollkommenheit der Seele mehr innegewohnt haͤtte, ſo daß man fuͤglich von ihm ſagen darf, Gott habe nur ſeinetwegen die Menſchengattung erſchaffen, und das allein ſei ſeine Ab— ſicht geweſen. Als Alexander Ariſtoteles' Schuͤler war und es ihm gelungen war, gewiſſe Teile vom Wiſſen Ariſtoteles' zu erfaſſen, ſprach er von ſeinem Meiſter: Ich brauche keinen andern Lehrer zu ſuchen, denn bei Ariſtoteles iſt das letzte Wiſſen zu erlangen; wer aber kann ihn bis zu Ende ergruͤnden?
*
Ariſtoteles iſt der große Anführer, dem die Heere der Weiſen folgen; er iſt die feſte Burg, an die ſich die an⸗ lehnen, die die Wiſſenſchaft von der Natur und der Gott— heit zu erkennen ſuchen. An ſeinen Lehrſaͤtzen iſt nichts geaͤndert worden, und es hat bis heute keinen gegeben, der ihm widerſprochen haͤtte.
*
Einer der Jünger Ariſtoteles' redete Boͤſes über ſei— nen Freund. Da ſagte Ariſtoteles: Willſt du, daß ich deine Worte um den Preis anhoͤre, ſeine Meinung uͤber dich anhoͤren zu duͤrfen? Dem wollte der Schuͤler nicht zuſtimmen. Da ſprach der Meiſter: So laß ab vom Boͤ— ſen, und es wird dich nicht treffen.
Auf dem Stempel Ariſtoteles' waren die Worte ge— praͤgt: Die Luͤge und die Heuchelei haben es zur Folge, daß alles bloßgelegt wird, und daß alle Liebe zerſtoͤrt wird.
Ariſtoteles' Bekehrung 207
Ariſtoteles' Bekehrung
Folgendes Schreiben ſandte der Weiſe Ariſtoteles an ſeinen koͤniglichen Schuͤler Alexander:
Gelobt der Herr, der die Blinden erleuchtet und den Irrenden den Weg weiſt. Preis und Ruhm gebuͤhrt ihm, der an mir Gnade getan und mich von der Tor— heit befreit hat, in der ich mein Leben lang befangen war. Ich trieb die Lehre vom Weſen aller Dinge und waͤhnte alles mit dem Verſtande zu erfaſſen; ohne Zahl ſind die Buͤcher, die ich daruͤber geſchrieben habe, die aber, die darin leſen, muß es ſchuͤtteln. Aber nun traf ich, da ich alt wurde, mit einem Weiſen, einem Sohne Judas, zuſammen, und der lenkte mich mit ſtarker Hand und wies mich auf die Schrift, das Erbteil ſeines Volkes vom Berge Sinai. Er feſſelte mein Herz durch die Worte ſeiner Lehre, indem er mir die wahren Wunder und Zeichen kundtat, die im heiligen Namen vollbracht worden ſind, und die man mit den Sinnen wahrnehmen kann. Ich aber, ein Tor und Nichtswiſſender, ahnte bis— lang nicht, daß die Mehrzahl der Dinge da liegt, wo man mit dem Verſtande nicht mehr hinreicht. Wie ich mich aber beſann und meine Kraft zuſammennahm, um das Geſetz der Juden zu erforſchen, ſah ich, daß es auf feſten Grundlagen ruht, nicht wie die Philoſophie, die viel— geehrte. N
Und nun, mein herzlieber Zoͤgling Alexander, du großer Fuͤrſt, moͤgen meine Schriften dich nicht irre— leiten und auch deine Freunde, die Weiſen, nicht un—
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ſicher machen. Koͤnnte ich alle Buͤcher, die ich verfaßt habe, und die in alle Enden der Welt zerſtreut worden find, beiſammen haben, ich würde fie den Flammen über- geben, auf daß auch nicht eins den Mächtigen zu Geficht kaͤme und durch fie der Verwirrung noch mehr würde. Denn ich weiß, daß ich von Gott ſchwere Strafen zu gewaͤrtigen habe, weil ich gefehlt und anderer Fehl verſchuldet habe.
Alſo will ich dich, mein Sohn Alexander, und alle, die nach mir kommen werden, wiſſen laſſen, daß das, was wir mit der Vernunft begriffen zu haben glauben, truͤglich iſt, und nur die Macht deſſen, der hoͤher iſt als die Hoͤchſten, in Wahrheit beſteht. Mein Ungluͤck wollte es, daß meine Werke im ganzen Abendland Verbreitung fanden. Hiermit verkuͤnde ich aber offen und klar, daß es unrecht iſt, ſie zu leſen und in ihnen zu forſchen, denn die ganze Kunſt des Denkens iſt etwas Suͤndhaftes, und Philoſophie iſt ein leerer Wahn. Nun aber fuͤhle ich mich rein vor Gott, denn ich habe ohne Wiſſen geirrt. Weh jedoch denen, die meinen Lehren nachgehen; ſie be— treten damit den Weg des Verderbens. Wiſſe, Aleran- der, daß nicht nur der erwaͤhnte judaͤiſche Mann mich auf die Gefahren der Philoſophie hingewieſen hat; davon ſpricht ſchon König Salomo in feinen Gleichniſſen. Er ſagte: Daß du nicht gerateſt an ein fremdes Weib — er meinte damit die Afterweisheit. Laß dein Herz nicht weichen auf ihren Weg, denn wer zu ihr einkehrt, kommt nicht heil heraus.“ Wehe den Augen, die Falſches ge— * Spruͤche II 16, VII 25, II 19.
Ariſtoteles' Bekehrung 209
ſchaut haben! Wehe den Ohren, die Falſches gehoͤrt haben! Wehe mir, wehe mir! Ich habe mein Leben mit Dingen zugebracht, die nur ſchaͤdlich ſind und nie— mand frommen, die nur herabziehen und nicht erheben.
Du, Alexander, ſagſt, ich muͤßte mich freuen, daß mein Name als Verfaſſer vieler Werke unter allen Voͤlkern bekannt iſt, und daß meiner in alle Ewigkeit gedacht werden wird. Mir waͤre es aber lieber, im Schrifttum der Juden einen Platz zu haben, als im Schrifttum der Heiden zu glaͤnzen. Ich zoͤge den Tod ſolchem Ruhme vor. Denn wer einen Zipfel der Thora erfaßt hat, geht dem Licht entgegen, wer ſich aber der Philoſophie weiht, faͤhrt in die Grube. Ich habe die Strafe fuͤr alles zu tragen.
Ich habe dir, Alexander, bislang das alles verſchwie— gen, weil ich deinen Grimm fuͤrchtete. Nun aber offen— bare ich's dir, denn ich weiß, daß ich, ehe dieſes Schrei— ben zu dir gelangt, tot in der Erde ruhen werde. Und ſo laſſe ſich Alexander, der große Koͤnig, den Friedens— gruß entbieten von ſeinem Lehrer Ariſtoteles, der in die ewige Heimat zieht.
Obwohl Ariſtoteles die Welt als von jeher beſtehend und nicht durch das Wort Gottes geſchaffen anſah, war er in andern Dingen, die den Glauben betrafen, mit allen Kraͤften beſtrebt, falſche Vorſtellungen zu zer— ſtreuen; das tat er in ſeinen Reden, die er an ver— ſchiedenen Orten hielt. Er glich darin unſerm Vater Abraham, der zu Haran die Bildniſſe der Goͤtter umwarf.
210 Der Born Judas
Ein Weiſer behauptet, daß er in Agypten ein Buch geſehen habe, in dem zu leſen war, daß Ariſtoteles auf der Neige ſeiner Tage allem zugeſtimmt haͤtte, was im Geſetze Moſes geſchrieben ſteht, und daß er ein wahrer Bekenner des juͤdiſchen Glaubens geworden ſei.
Ariſtoteles in Jeruſalem
Der weiſe Koͤnig Salomo lehrte bereits alle Wiſſen— ſchaften. Das tat er kraft des göttlichen Geiſtes und der beſonderen Gaben, die ihm innewohnten. Von uͤber— allher kamen Fremde nach Jeruſalem, um hier Weisheit zu holen und ſie ihren Voͤlkern zu uͤbermitteln; ſelbſt aus Indien fanden ſich welche ein. So ſind alle Grund— lagen und Regeln der Wiſſenſchaften von den Hebraͤern zuerſt auf die Chaldaͤer gekommen. Von dieſen gelangte das Wiſſen zu den Perſern und Medern, von dieſen zu den Griechen und danach zu den Roͤmern. Im Laufe der Zeiten und durch die vielen Vermittlungen geſchah es aber, daß der Hebraͤer als der Urheber der Weisheit nicht mehr gedacht wurde und man die Wiſſenſchaften als von den Griechen und Roͤmern herruͤhrend ausgab.
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Der Grieche Ariſtoteles, dem alle Forſcher folgen, und aus deſſen Schriften ſie alle ſchoͤpfen, war der Er— zieher Alexanders, des Koͤnigs von Mazedonien, welcher die ganze Welt beherrſcht hat. Als Alexander Jeruſalem erobert hatte, machte er ſeinen Lehrer Ariſtoteles zum Aufſeher uͤber den Buͤcherſchatz Salomos. Ariſtoteles
Ariſtoteles auf dem Sterbebette 211
las die Schriften genau durch und ſchrieb ſie ab, fuͤgte aber vieles von ſeinen irrigen Anſchauungen hinzu. Danach verbarg er die Werke Salomos. So gelang es ihm, die Welt glauben zu machen, daß er aus eigener Kraft alle dieſe Schriften verfaßt habe.
*
In den Briefen Ariſtoteles' findet fich eine Stelle, in der er erzaͤhlt, daß er mit Simeon dem Gerechten uͤber die Wiſſenſchaft von Gott geſprochen und Simeons Weis— heit darin bewundert habe. Ariſtoteles bemerkt viel— fach bei ſeinen Aufſtellungen: Das und das hielt mir Simeon entgegen.
Ariſtoteles auf dem Sterbebette
In den alten Zeiten lebte ein beruͤhmter Meiſter, der ſich in allen Wiſſenſchaften auskannte, mit Namen Ariſtoteles. Die großen Maͤnner ſeiner Zeit lauſchten ſeiner Weisheit und waren beſtrebt, von ihm Wiſſen zu erlangen. Da nahte das Ende Ariſtoteles' heran, und er verfiel der Krankheit, von der er nicht mehr aufſtehen ſollte. Seine Juͤnger traten zuſammen, um ihn zu be— ſuchen und nach ihm zu ſehen. Sie fanden ihn ſchwer krank und abgemagert; er wand ſich in Schmerzen, hielt aber in der Hand einen Apfel, an dem er roch. Die Maͤnner erſchraken vor dieſem Anblick. Als ſie aber dicht an das Lager herantraten, ſahen ſie das Antlitz des Kranken leuchten, und er bot ihnen den Friedens— gruß. Sie ſprachen: Unſer Herr und Meiſter, als wir
212 Der Born Judas
dich anfangs ſahen, merkten wir, daß das Fieber dich verzehrte, und daß deine Kraͤfte ſanken; wir waͤhnten deine Seele dem Entſteigen nahe und wurden voll Furcht. Nun wir dich aber froͤhlich werden ſehen, kehrt unſer Geiſt in uns wieder. Da lachte Ariſtoteles und ſprach: Wißt ihr, ich freue mich und bin ſelig, daß ich bald von meinen Schmerzen erloͤſt werde. Meine Krankheit iſt ſchwer; ich weiß, daß ich ſterben werde, und ich habe keine Kraft, dem zu widerftehen. Hätte ich nicht dieſen Apfel, an deſſen Wohlgeruch ich mich er— goͤtze, ich waͤre laͤngſt verſchieden. Die tieriſche Seele, an der wir alle teilhaben, die lockt immer der gute Geruch. Freude und Schmerz druͤckt mein Geſicht aus, denn des Menſchen Inneres iſt eine Welt voll Zwieſpalt.
Und Ariſtoteles ſprach von den vier Elementen, aus denen der Koͤrper des Menſchen beſteht, und von den vier Seelen, die in ihm wohnen. Hernach teilte Ariſto— teles den Juͤngern vieles von ſeinen erhabenen Lehren mit. Wie er aber ausgeredet hatte, fragten die Schuͤ— ler: Unſer Herr und Meiſter, welche iſt die beſondere Wiſſenſchaft, der ſich der Menſch zu befleißigen hat, wenn er weiſe und rechtſchaffen werden will? Ariſtoteles antwortete: Es iſt keine Wiſſenſchaft ſo hoch als die Philoſophie, die dem Menſchen leuchtet und ihn fuͤhrt, daß er fromm und rechtſchaffen in dieſer Welt ſei und das Gute der zukuͤnftigen Welt erfaſſe. Der die Weisheit findet, findet das Leben in beiden Welten.
Und Ariſtoteles endigte ſeine Rede mit folgenden Worten: Wohl der Seele, die ſich mit boͤſen Taten
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Ariſtoteles auf dem Sterbebette 213
nicht befleckt und ihren Schoͤpfer begriffen hat. Froh— gemut kehrt fie in ihre Wohnſtaͤtte zuruͤck. Wehe aber der Seele, die geſuͤndigt hat! Sie hat keine Kraft, in ihren Hort zuruͤckzukehren, denn das Unflaͤtige, das ſie begangen, indem ſie den Luͤſten des Koͤrpers gefroͤnt hat, hindert ſie heimzufahren.
Als Ariſtoteles den letzten Satz geſprochen hatte, wurde ſeine Hand ſchlaff, und der Apfel entfiel ihm. Sein Geſicht wurde ſchwarz, und er ſtarb. Da beugten ſich die Juͤnger uͤber die Leiche und kuͤßten ihren Lehrer. Darauf erhoben ſie ihre Stimme und weinten. Sie ſprachen: Der die Seelen der Weiſen einſammelt, möge auch deine Seele zu ſich nehmen und ſie in ſeinen Schatzkammern aufbewahren. Das gebuͤhrt einem, der wie du rechtſchaffen und fromm war.
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Ariftoteles wurde von vielen Weiſen zu den Prophe— ten gezählt. Es ſteht in einer Chronik von ihm geſchrie— ben, daß Gott zu ihm geſagt habe: Du muͤßteſt eher ein Engel als ein Menſch genannt werden. uͤber das Ableben Ariftoteles’ gehen die Meinungen ausein— ander. Die einen behaupten, er ſei nach aller Menſchen Art geſtorben und habe ein beſtimmtes Grab. Die an— dern wiederum ſagen, er ſei in einer Lichtſaͤule gen Him— mel gefahren.
Die vier Lehrer
Pythagoras
m Ende der Regierungszeit des Könige Sedekia lebte Aber beruͤhmte Philoſoph Pythagoras, der es in allen Wiſſenſchaften zu groͤßter Vollkommenheit gebracht und viele Juͤnger herangezogen hat. Beſonders tat er ſich in der Geſangskunſt, in der Rechenkunſt und in der aͤrztlichen Wiſſenſchaft hervor. Er fand die Geſetze des Gewichtes heraus und baute die erſte Wage. Er vertrat den Glauben, daß die menſchliche Seele nach dem Tode des einen Menſchen in den Koͤrper des andern ſteige, mitunter aber auch in Tieren weiterlebe. Derſelben Über— zeugung waren auch ſeine Schuͤler Plato und Iſokrates. Die uͤberlieferung lehrt, daß Pythagoras ſein Wiſſen von den judaͤiſchen Weiſen empfangen hat, die nach ihrer Verbannung aus Jeruſalem nach Babel und Agypten gezogen ſind.
In einer andern Schrift leſen wir:
Der erſte, der das Geheimnis der Seelenwanderung enthuͤllte, war der Erzvater Abraham. Als er nach Agyp⸗ ten hinabfuhr und daſelbſt wohnte, lernte er dieſe Wiſſen⸗ ſchaft kennen. Von ihm ging ſie auf ſeine Kebskinder uͤber, die er bei ſeinen Lebzeiten nach dem Morgenlande ziehen ließ. Das Morgenland, das iſt das Inderland. Hier verbreiteten die Ketura-Soͤhne den Glauben an die Wanderung der Seelen. Muͤßten doch die Brahmanen eigentlich Abrahamanen heißen, weil ſie die Nach—
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kommen Abrahams ſind. — Nun aber wird dieſe Wiſſen— ſchaft Pythagoras zugeſchrieben, welcher nur das Ver— dienſt hat, ſie erneuert zu haben, nachdem ſie lange Zeit in Vergeſſenheit geraten war.
Nach der Anſicht eines Geſchichtſchreibers hat Pytha— goras das Geheimnis von dem Propheten Heſekiel emp— fangen, welcher ſein Lehrmeiſter war. Ein beruͤhmter Kirchenlehrer behauptet feſt und unumſtoͤßlich in einer ſeiner Epiſteln, daß Pythagoras ein Hebraͤer geweſen iſt. Ein anderer beteuert, daß Pythagoras ſich hat be— ſchneiden laſſen. Alſo iſt es wahr, daß der helleniſche Weiſe ein Hebraͤer war; alles, was er verfaßt hat, hat er der Heiligen Schrift und der juͤdiſchen Überlieferung entnommen.
Von Pythagoras wird erzählt, daß er aus Achtung vor den Seelen, die in den Tieren weiterleben, den Fleiſchgenuß verſchmaͤht habe. Er ernaͤhrte ſich ſelbſt nur von Kraͤutern und von Fruͤchten, denn er waͤre ſich wie ein Mörder vorgekommen, wenn er Tiere geſchlach— tet haͤtte, in denen die Seele eines ſprechenden Weſens gewohnt haben koͤnnte.
Nach dieſer Lehre leben bis auf heute die indiſchen Staͤmme, die zwiſchen den Fluͤſſen Gihon und Indus wohnen. Sie uͤben große Barmherzigkeit mit den Tieren. Viele von ihnen ſuchen die Märkte auf, kaufen den Jaͤ—⸗ gern, die das gefangene Gefluͤgel feilbieten, dieſes ab und laſſen es wieder frei. Es gibt aber unter ihnen Leute von ſolcher Froͤmmigkeit, daß ſie draußen das Ge— ſicht verſchleiert tragen, um nicht mit dem Munde die
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Lebeweſen einzuatmen, die die Luft erfuͤllen, und die man mit dem Auge nicht ſehen kann.
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In einem alten Buche, das einem Weiſen mit Namen Zoroaſter zugeſchrieben wird, iſt folgendes enthalten.
Den Glauben an die Seelenwanderung uͤbernahmen die Inder von den Perſern, die Perſer empfingen ihn von den Agyptern, die Agypter von den Chaldaͤern, die letz teren aber hatten ihn von Abraham, den ſie nachher aus ihrem Lande vertrieben. Dieſen Glauben verfocht auch der Pythagoraͤer Numinus; er dachte von ſich, daß in ihm die Seele Moſes wohne; ſo ſehr war er der Lehre des Propheten ergeben. Er legte ſich, wenn er ſchlafen ging, das Buch des Geſetzes unter das Haupt, und ihm ward ſtets im Traume die Antwort auf ſeine Fragen.
Pythagoras pflegte zu ſagen: Tut deine Hand deinen Augen weh, oder verletzen deine Zaͤhne deine Zunge, ſo uͤbſt du an den Gliedern keine Rache, denn ſie ſind deines Körpers Teile. So haft du aber auch mit deinem Naͤch— ſten zu verfahren.
Man ſagte zu Pythagoras: Sieh, wie der und der Mann ſich zu beherrſchen verſteht. Pythagoras ant— wortete: Deshalb wird ihn ſein Trieb nicht umbringen.
Auf Pythagoras' Siegelring waren die Worte ein— geſchnitten: Boͤſes, das kurz waͤhrt, iſt beſſer als Gutes, das nicht anhaͤlt.
Sokrates 217
Sokrates
Einem Könige, dem der Tod einen Sohn entriſſen hatte, ſchrieb Sokrates einen Brief. Nachdem er in dem Schreiben dem Schoͤpfer Lob gezollt hatte, fuͤhrte er aus: Die Welt hienieden hat Gott zu einer Staͤtte der Muͤhſal gemacht, die Welt da druͤben zu einer Staͤtte der Vergeltung. Er hat es ſo eingerichtet, daß, wer in dieſer Welt gelitten hat, dafür in der andern Welt feinen Lohn empfaͤngt; was Gott aber druͤben dem Menſchen an Gut mehr zukommen laͤßt, laßt er ihm hienieden fehlen. Er nimmt, was er dann zuruͤckgibt; er pruͤft den Menſchen, um ihn ſodann zu erfreuen.
Einem Manne, der ihn darum fragte, weshalb er ihn nie betruͤbt geſehen habe, antwortete Sokrates: Weil ich nichts beſitze, deſſen Verluſt mich ſchmerzen koͤnnte. Darauf ſagte ein Spoͤtter: Was tuſt du, wenn das Faß, das dir gegen Wind und Wetter Schutz bietet, zerbricht? Der Weiſe erwiderte: Mag auch das Faß zerbrechen, der Platz, auf dem es ſteht, verſchwindet nicht. Ein Koöͤnigsſohn ſprach einſt zu Sokrates: Du dauerſt mich. Der Weiſe fragte: Weshalb denn? Der Prinz ſagte: Weil ich dich Armut und Not leiden ſehe. Darauf ſprach Sokrates: Wuͤßteſt du, was Armſein heißt, du beklagteſt die Armut deines Geiſtes.
Als Sokrates von Menſchenhand ſterben ſollte, fragte ihn einer ſeiner Schuͤler: Was befiehlſt du, daß mit deinem Leibe nach deinem Tode geſchehe? Der Weiſe erwiderte: Die Frage bekuͤm mere den, dem meine Leiche
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den Raum wegnimmt. Ein anderer ſagte, als Sokrates ſeinen letzten Gang antrat: Es iſt mir leid um dich, weil du ohne Schuld ſterben mußt. Sokrates antwortete: Waͤre es dir lieber, ich erlitte den Tod fuͤr ein begangenes Unrecht? Der Herrſcher fragte den Weiſen: Man ſagt von dir, du behaupteteſt, daß die Goͤtzen nichts nuͤtzten und nichts ſchadeten. Sokrates entgegnete: Die Wahr- heit zu ſagen, ſo koͤnnen ſie dem Koͤnig und denen, die um ihn ſind, Nutzen und Schaden bringen, Sokrates aber und ſeinen Gefaͤhrten fuͤgen ſie weder Boͤſes noch Gutes zu. Als einer aus dem Volke den Weiſen laut ruͤhmte, weinte Sokrates. Ein Schuͤler fragte ihn: Unſer Herr und Meiſter, weswegen weinſt du? Er erwiderte: Der Mann lobte mich doch nur deshalb, weil er in mir ſeinem Weſen Verwandtes ſah.
Auf dem Siegel Sokrates' waren die Worte einge— ritzt: Weſſen Leidenſchaften uͤber den Verſtand ſiegen, deſſen Schande wird offenbar. Den Guͤrtel des Weiſen ſchmuͤckte die Inſchrift: Weſſen Auge nicht begehrlich iſt, deſſen Herz hat Ruhe. Auf der Wand ſeines Hauſes ſtand geſchrieben: Wenn du deinen Gott fuͤrchteſt und die Bahn des Boͤſen meideſt, wirſt du nimmer ſtraucheln.
Weiteres von Sokrates In einer uralten Schrift, in der alle Philoſophen abge— bildet waren, wird von Sokrates, den man den goͤttlichen Weiſen nennt, erzaͤhlt, daß er der erſte war, der die Be— hauptung vom Vorhandenſein eines Gottes außerhalb der Welt aufſtellte. Das Buch berichtet auch, daß Sokrates
Weiteres von Sokrates 219
die Weisheit von dem Korahiden Aſaph und von Ahito— phel, dem Ratgeber des Koͤnigs David, empfangen habe. *.
Einem Froͤmmler, der Sokrates mit Schilderungen der zukuͤnftigen Welt behelligte, ſagte der Philoſoph: Treffen deine Worte zu, ſo kannſt du dich frei fuͤhlen und biſt ge— rettet. Man ſchließe aber nicht aus dieſer Antwort, daß Sokrates an dem Beſtehen der zukuͤnftigen Welt Zweifel hegte. Er wollte nur die Torheit des Prahlenden ruͤgen.
Sokrates ſprach zum Volke: Eurer Lehre von der Gottheit will ich nicht mit Unglauben begegnen; ich ſage bloß, daß ich ſie nicht kenne. Worin ich Beſcheid weiß, iſt das Gebiet der Menſchenweisheit.
Der goͤttliche Sokrates lehrte ſeine Schuͤler und ſprach: Huͤtet euch vor ſolchen, die euer Herz haßt. Sagt doch auch der weiſe Koͤnig: Wie das Waſſer das Angeſicht des Menſchen ſpiegelt, ſo ſpiegelt ein Herz das andere.“
Man fragte einſt Sokrates: Wie kommt es, daß man dir nie irgendwelchen Kummer anmerkt? Der Weiſe erwiderte: Weil ich nichts beſitze und auch keinen Gegen— ſtand als Pfand hinterlegt habe, um deſſentwillen ich mich zu ſorgen brauchte.
Man erzaͤhlt von Sokrates, daß er ein Menſch von ſtarken Leidenſchaften und heißem Blute war. Allein ſein Geiſt baͤndigte die Sinne; ſein Trieb konnte ihn nicht Gott vergeſſen machen.
* Sprüche XXVII 19.
Der Born Judas
72 S S
Plato
Im Zeitalter Esras lebte der beruͤhmte Philoſoph Plato, der ein Schuͤler Pythagoras' war, und der die Heilkunde und die Philoſophie um vieles weitergebracht hat. Plato war ein Mann von ſchoͤnem Ausſehen, alles Volk reichte ihm nur bis zur Schulter. Er ſtammte vaͤter— licherſeits von Koͤnigen ab, muͤtterlicherſeits war er ein Nachkomme des Weiſen Solon. Plato hat viele Werke auf dem Gebiete der Wiſſenſchaften verfaßt; die zeugen von ſeiner alles uͤberragenden Weisheit. Er behauptete, daß die Welt ſechstauſend Jahre nach ihrer Erſchaffung durch eine Waſſer- oder Feuerflut vernichtet werden, daß ſie aber tauſend Jahre darauf wieder aufgebaut werden wuͤrde und dieſelben Menſchen, die ſie fruͤher bewohnt haͤtten, wiederkehren wuͤrden.
Man erzaͤhlt von Plato, daß ſich, als er noch ein Kind war, ein Schwarm Bienen auf ſeinen Mund ſetzte, ihm aber dadurch nichts geſchehen ſei. Dies legten die Wahr— ſager ſo aus, daß der Knabe dereinſt ein großer Weiſer ſein werde.
Plato iſt in ſeinem Denken vielfach den Weg der juͤdiſchen Geſetzeslehrer gegangen. Es iſt mit Sicherheit anzunehmen, daß er die Schriften der Juden gekannt hat, denn fie lagen ſchon Alexander und den Koͤnigen Perſiens in uͤberſetzungen vor.
Eine andere Überlieferung lautet folgendermaßen: Plato erzaͤhlt von ſich ſelbſt: Ich war zuſammen mit Jeremia in Agypten. Anfangs ſpottete ich ſeiner und
Plato 221
deſſen, was er ſprach. Nach und nach gewann ich aber die Einſicht, daß ſeine Worte die Worte eines lebendigen Gottes waren. Da ſagte ich mir, daß er ein Weiſer und
ein Prophet war. *
Der beruͤhmte Weiſe Griechenlands Plato ſah einſt, wie ein Juͤnger alles, was er von ihm hoͤrte, auf einer Schriftrolle verzeichnete. Da befahl ihm der Meiſter, die Rolle zu verbrennen, und ſprach zu ihm: Schreib alles, was du von mir hoͤrſt, auf die Tafel deines Her— zens nieder und verlaß dich nicht auf das Blatt; es kann dir abhanden kommen, und du findeſt es nicht, wenn du es brauchſt. Es iſt keine Weisheit von Be— ſtand, die ihrem Herrn nicht innewohnt.
So hat auch Timaͤus Sokrates einſt gefragt: War— um laͤßt du mich nicht aufzeichnen, was ich von dir emp⸗ fange? Der Weiſe entgegnete: Warum vertrauſt du dem toten Fell mehr als deinen lebenden Sinnen?
Plato ſah einen Mann, der viel redete und wenig zuhoͤrte. Er ſprach zu ihm: Zahle lieber die Schuld an deine Ohren als an deinen Mund. Der Schoͤpfer hat dem Menſchen zwei Ohren und nur eine Zunge gegeben, damit er mehr hoͤre und weniger ſpreche.
Plato pflegte zu ſagen: Gewohnheit iſt aller Dinge Herr. Boͤſe Sitten verderben, was der Menſch Gutes tut, gleichwie Wermut den Honig bitter macht. Das Herz iſt das Licht, der Kummer iſt das Dunkel. Die Schatten verdunkeln das Licht, das Licht zerſtreut die Schatten. Auf den Kummer folgt die Freude wie der Tag
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auf die Nacht. Der groͤßte Nutzen, den ich von meiner Weisheit habe, iſt das Wiſſen, daß ich gar nichts weiß. Das Feuer wird nicht minder, wenn man davon nimmt, ebenſo wird das Wiſſen nicht geringer, wenn man da— von andern gibt. So ſei denn nicht geizig im Lehren— erteilen. Der Verſtand laͤutert, die Dummheit truͤbt. Flieht der Weiſe die Menſchen, ſo laufen ſie ihm nach; geſellt er ſich zu ihnen, ſo fliehen ſie ſeine Gemeinſchaft.
Der Siegelring Platos trug den Spruch: Es iſt leich— ter, Ruhendes in Bewegung zu ſetzen, als in Bewegung Befindliches zum Stillſtehen zu bringen.
Plato erzaͤhlt von einem Propheten, der zur Zeit des Königs Marianus gelebt hat. Dieſer ſprach zu einem Wei- ſen, der ſich mit philoſophiſchen Dingen beſchaͤftigte: Auf dem Wege, den du gehſt, wirſt du Gott nicht ſchauen.
Von Diogenes Der Weiſe Diogenes verachtete alle Freuden des Lei— bes. Er nahm nur ſo viel Speiſe und Trank zu ſich, als unumgaͤnglich notwendig war, und all ſein Streben war auf die Lehre gerichtet. Man erzaͤhlt, daß er viele Schmaͤhreden gegen die Verſchwendungsſucht der Men— ſchen gehalten habe.
Eine Tonne, mit dem Boden nach oben gerichtet, diente Diogenes als Obdach. Sie war ſein Schutz vor der Kaͤlte des Winters und vor der Hitze des Sommers. Er er—
Von Diogenes 223
naͤhrte ſich von den Gaben der an ihm Vorbeiziehenden und beſaß an Geraͤten nur eine Schale. Eines Tages aber ſah er einen Knaben, der aus der hohlen Hand das Waſſer trank. Alsbald warf er ſeine Schale fort.
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Einſt zog Diogenes mit einem reichen Manne nach einem fernen Orte. Da ſahen die Wanderer Raͤuber ihnen entgegengehen. Der reiche Mann rief: Wehe mir, wenn ſie mich erkennen! Diogenes aber ſprach: Wehe mir, wenn ſie mich nicht erkennen!
Von einem, der ſchoͤn von Ausſehen war, aber viel log, ſagte Diogenes: Das Haus iſt anſehnlich, aber ſein Bewohner iſt haͤßlich.
Ein boͤswilliger Knabe, deſſen Mutter eine Hure war, warf mit Steinen nach den Voruͤbergehenden. Da ſagte Diogenes zu ihm: Laß ab davon, du koͤnnteſt noch dei- nen Vater treffen.
Als man Diogenes fragte, wie er über den Tod denke, antwortete er: Der Tod iſt der Schrecken der Reichen und eine Wohltat den Armen.
Diogenes ſprach: Tugendhaft iſt der, deſſen Verſtand uͤber die Leidenſchaft ſiegt; laſterhaft der, deſſen Leiden— ſchaften uͤber den Verſtand ſiegen.
Diogenes wurde gefragt: Was heißt Reichtum? Er erwiderte: Freiſein von Leidenſchaften.
Einem Spottluſtigen, der Diogenes' Lebensweiſe verhöhnte, ſagte der Weife: Wollte ich wie du leben,
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ich vermoͤchte es wohl; du aber koͤnnteſt nimmer es mir darin gleichtun.
Man fragte Diogenes: Warum pochen die Weiſen an die Tuͤren der Reichen, die Reichen aber nicht an die Tuͤren der Weiſen? Der Philoſoph erwiderte: Weil die Weiſen den Reichtum zu ſchaͤtzen wiſſen, die Rei— chen aber die Weisheit nicht zu wuͤrdigen verſtehen.
Diogenes ſprach: Tuſt du Gutes, nur damit man dich lobe, ſo biſt du nicht uͤber den zu ſtellen, der Boͤſes tut, damit man von ihm ſpreche.
Rede nicht eher mit einem andern, als bis du ſeine Rede vernommen und wohl uͤberlegt haſt, was du an Vorzuͤgen ihm gegenuͤber aufzuweiſen haſt. Schweige und merke dir das, was du von ihm gelernt haſt. Hat er Tugenden, die dir fehlen, ſo ſuche ſie dir anzueignen.
Und noch folgendes war Diogenes' Leitſatz: Wirſt du von einem geringen Menſchen verunglimpft, ſo ver— halte dich ſtill. Denn wer eine Beleidigung mit Glei— chem beantwortet, ſtellt ſich unter den Schmaͤher, wer ſie aber ſtill hinnimmt, ſteht uͤber ihm.
Auf dem Siegel Diogenes' ſtand der Merkſpruch: Murre nicht uͤber das, was dich getroffen hat, wenn du es ſelbſt verſchuldet haſt. Auf dem Guͤrtel war folgender Spruch aufgezeichnet: Wer deine Freundſchaft einer Sache wegen ſucht, wendet ſich von dir ab, wenn die Sache aufgebraucht iſt.
Diogenes befahl vor ſeinem Verſcheiden, daß man ſei— nen Leichnam aufs Feld werfe und da liegen laſſe. Als
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man ihm darauf ſagte, daß die Geier ſein Fleiſch freſſen wuͤrden, antwortete der Philoſoph: So gebt mir einen Stab in die Hand, damit ich die Voͤgel verjagen kann. Die Leute ſagten: Du merkſt doch nichts, wenn du tot biſt, wie kannſt du ſie da vertreiben? Da lachte Dio— genes und ſprach: Wenn ich nichts ſpuͤren kann, was ſchert es mich, ob mein Fleiſch Ruhe hat, und was macht es mir aus, ob es von Voͤgeln oder von Wuͤrmern gefreſſen wird?
Auf dem Pfade der Weisheit
Ptolemaͤus
1 5 aus Alexandria war Philoſoph, Aſtronom und Herrſcher. Er hat die Wiſſenſchaft der Stern— kunde um vieles bereichert dadurch, daß er Rechentafeln erfand. Aber auch in der Sternſehekunſt kannte er ſich wohl aus. Außerdem ſchrieb er vier Buͤcher der Geſetze und ſtellte fünf Lehrſaͤtze der Logik auf. Er ſtarb adıt- undachtzig Jahre alt im neunundſechzigſten Jahre nach der Zerſtoͤrung des Tempels. Seine Denkſpruͤche waren: Wer da glaubt, daß es keinen Lenker gibt, haͤlt ſich ſelbſt fuͤr den Gebieter der Welt. Wer keinen Rat und keine Belehrung von andern empfängt, verdient nicht, unter— wieſen zu werden. Je mehr man an Alter zunimmt, um ſo mehr muͤßte man an Tugenden zunehmen.
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Die Samaritaner erzählen:
Zur Zeit, da Eleazar Priefter in Sichem war, kam ein Mann namens Ptolemaͤus der Chaldaͤer auf, der ſich als einen Ahnen Jezdegerds ausgab. Er wohnte an der Grenze des Landes Agypten. Er weihte ſich der Sternkunde und erlangte auf dieſem Gebiete ein Wiſſen, das groͤßer als das ſeiner Vorgaͤnger war. Ptolemaͤus verfaßte eine Schrift, in der er die ganze Erde beſchrieb und ihren Umfang ſowie die auf ihr befindlichen Berge und Fluͤſſe angab. Außerdem ſchrieb er ein Buch uͤber die Sternkunde, das von dem Lauf und den Ruhezeiten
Virgil e
der Himmelskoͤrper handelt. Aber noch vier Schriften ſtammen von ihm, die unter dem Namen, die vier Buͤcher des Ptolemaͤus“ bekannt find, Ptolemaͤus war auch regierender Fuͤrſt und herrſchte dreiundzwanzig Jahre.
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Ptolemaͤus, der Koͤnig von Agypten, befleißigte ſich der Wiſſenſchaften und ſammelte alles Wiſſenswerte, was ſeine Vorgaͤnger gefunden hatten. Er verfaßte viele Buͤcher und erſann Geraͤte, durch die man die Größe der Erde und die Höhe des Sonnenballc feſtſtellen konnte, und die die Bewegung der Sterne erkennen ließen. Das iſt derſelbe Koͤnig Ptolemaͤus, der auch die Merktafel erfand, die den jeweiligen Lauf des Mondes angeben konnte. Der war weiſe uͤber die Maßen.
Virgil Kurz bevor der chriſtliche Glaube aufkam, lebte ein Philoſoph namens Virgil, der Wunderbares auf dem Gebiete der Sternkunde vollbracht hat. Ein tiefer Inhalt ſteckte in einem unſcheinbaren Gefaͤß, denn Virgil war von kleinem Wuchs und hatte einen plattgedruͤckten Schaͤdel und einen krummen Ruͤcken. Und dennoch weiß man von ihm Großes zu erzaͤhlen. Er war es, der in Rom wegen eines Geſchehniſſes mit der Tochter des Kaiſers ein Feuer entfachte, welches auf ſein Geheiß dann wieder ſtilleſtand. Auch ſoll er einen Garten an— gelegt und ihn mit einem Luftzaun umgeben haben, der wie eine Steinmauer dick und undurchdringlich war,
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daß niemand hinein konnte. In dem Garten brannten beſtaͤndig zwei Kerzen, als aber Virgil ſtarb, erloſch die eine und blieb in der Luft haͤngen. Virgil hatte ſich aus Eiſen einen Orakelkopf hergeſtellt, der mit ihm Zwie— ſprache hielt, ihm jede Frage beantwortete und uͤber die Zukunft zu weisſagen verſtand. Eines Tages fragte Virgil das Orakel, ob er einen beſtimmten Weg machen ſollte? Darauf erwiderte das Haupt, daß er den Gang wohl unternehmen duͤrfe, auf ſeinen Kopf aber ſehr zu achten habe. Und dieſe Antwort enthielt eine Prophe— zeiung. Denn an dem Tage brannte die Sonne uͤberaus ſtark, und ein Stich traf das Gehirn Virgils. Alſo be— fiel ihn ein toͤdliches Leiden. Da er nun ſah, daß er ſterben ſollte, befahl er ſeinen Schuͤlern, ihn aus Rom fortzuſchaffen und nach der Landſchaft Seſila, die eine Meile vom Meeresſtrande entfernt lag, zu bringen. Daſelbſt wurde er begraben, und bis auf heute ruhen ſeine Gebeine an dieſer Stelle. Wird feine. Ruheſtatt auf— gewuͤhlt, ſo ſchaͤumen die Meereswellen, und ſie legen ſich nicht eher, als bis die Knochen des Toten in ihre vorige Lage zuruͤckgebracht worden ſind.
Apollonius Es gab einſt einen Koͤnig mit Namen Apollonius. Der verließ ſein Reich und zog als Bettler von Land zu Land, um Weisheit zu erlangen. Bald wurde er feſtgenommen und in ein Gefaͤngnis geworfen, bald wurde er gezuͤch— tigt und mißhandelt. Er aber achtete nicht der Leiden; er ſann ſtets nur daruͤber nach, ob es in der Welt einen
Apollonius 229
Lenker gebe oder nicht. So wanderte er immer weiter, bis er an einen Ort kam, in dem ein Philoſoph namens Arkaz zwiſchen goldenen Saͤulen ſeinen Wohnſitz hatte. Dieſer Weiſe lehrte uͤber die Natur und uͤber den Gang der Sterne und verbreitete auch andere Wiſſenſchaften. Er war ein Mann von großem Ruhm. Von da zog der Koͤnig Apollonius weiter ſeines Weges und kam in eine Stadt, in der ein goldener Tiſch zu ſehen war. Dieſer wurde der Sonnentiſch genannt, weil auf ihm der Lauf der Sonne und die ganze Himmelsfeſte dargeſtellt waren. Hier gewann der Koͤnig Einblick in vieles, was ihm bis dahin verborgen war. Von der Weisheit ſpricht Salomo, ſie zu erwerben ſei beſſer als Silber, und ihr Ertrag ſei beſſer denn Gold.“
Spruͤche III 14.
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Die Geſchichte vom Saͤnger Inkos
Der Weiſe Honein, der Sohn Ishaks, erzaͤhlt: In einigen Buͤchern der Hellenen fand ich folgende Begebenheit niedergeſchrieben: Der König Commodus lud einſt den Dichter Inkos zu ſich ein, daß er zu ihm nach der Hauptſtadt komme und alles mitbringe, was er an philoſophiſchen Schriften geſammelt habe. Da nahm Inkos ſeine Buͤcher und ſein Vermoͤgen zuſammen und machte ſich auf den Weg zu dem Koͤnig. Die Reiſe fuͤhrte aber durch einſames Land, und da wurde der Dichter von nichtswuͤrdigen Raͤubern uͤberfallen, die es auf feine Habe und ſein Leben abgeſehen hatten. Er beſchwor ſie beim großen, allmaͤchtigen Gott, ihn nicht zu erwuͤrgen, ſich mit ſeinen Schaͤtzen zu begnuͤgen und ihn ſeine Straße ziehen zu laſſen, allein die Boͤſewichte wollten auf ſeine Bitten nicht hoͤren und umringten ihn, um ihn zu toͤten. Da ſchaute Inkos hilfeſuchend nach rechts und nach links, aber es war kein Retter zu erblicken. Er erhob ſeine Augen zum Himmel, und ſiehe, eine Schar von Voͤgeln flog hoch in der Luft. Da nun der Bedraͤngte keine helfende Hand ſich ihm entgegenſtrecken ſah, ſchrie er zu den Voͤgeln, die unter dem Himmel zogen, und rief: Mir iſt kein Beiſtand geworden, kein menſchliches Auge ſieht meinen Untergang. So ſeid ihr denn die, die mein Blut fordern von denen, die es vergießen. Die Raͤuber lach— ten uͤber dieſen Ruf und ſprachen zueinander: Dieſer hat von allen Menſchen den geringſten Verſtand, und einen, der unverſtaͤndig iſt, umzubringen, iſt keine Sünde,
Die Geſchichte vom Sänger Inkos 231
Und ſie toͤteten den Saͤnger, teilten untereinander ſeine Habe und ſeine Kleider und kehrten nach dem Verſteck zuruͤck, von dem aus ſie den Wanderern auflauerten.
Als die Kunde von der Ermordung Inkos' zu ſeinen Landsleuten drang, fahndeten ſie nach den Übeltätern, fie konnten fie aber nicht entdecken. Da kam der Tag im Jahre, an dem die Griechen ihrer Sitte gemaͤß in der Vaterſtadt Infos’ zuſammenkamen, um hier an dem Le— ſen der Weisheitsſchriften teilzunehmen und den philo— ſophiſchen Disputen beizuwohnen. Unter den Ange— kommenen befanden ſich auch die Moͤrder Inkos' des Saͤngers, und ſie miſchten ſich unter die Menge. Wie fie fo daſtanden, wurde in der Luft eine Schar von Voͤ— geln ſichtbar, und die ſchrien laut. Da lachten die Moͤr— der und ſprachen zueinander: Da ſind ſie, die des ein— faͤltigen Inkos' Blut einfordern ſollten. Dieſe Worte hoͤrte aber ein Buͤrger, der in der Naͤhe der Sprechenden ſtand, und teilte dem Fuͤrſten davon mit. Die Unholde wurden feſtgenommen, und man zwang ſie, die Wahr— heit auszuſagen. Da geſtanden ſie die Mordtat an Inkos ein. Nun wurde ihnen die Habe des von ihnen Um— gebrachten weggenommen und ſie ſelbſt ihrer Untat wegen hingerichtet. Alſo waren die Voͤgel die Blut— raͤcher des Inkos.
Der Weiſe Honein, der Sohn Ishaks, ſchloß feine Erzaͤhlung und ſprach: Der maͤchtige Gott ließ viel Volk in der Heimatſtadt Inkos' zuſammenkommen, er ſchickte die Voͤgel, daß ſie ſeinen Tod raͤchten, und ließ auch die Moͤrder, die ihn damals verſpottet hatten, an
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dem Orte eintreffen. Nun wurden ſie ergriffen und der Bluttat uͤberfuͤhrt. Gott ſaͤumte nicht mit der Rache an den Frevlern und verſchloß nicht die Tore ſeiner Barm— herzigkeit. Der maͤchtige Gott iſt der beſte Zeuge und der beſte Richter; Preis gebuͤhrt ihm dafuͤr, daß er alles wunderſam fuͤgt. Er ſei hoch verherrlicht im Himmel.
Aus einem roͤmiſch-juͤdiſchen Leſebuche
Lykurgus
7 er Geſetzgeber Lykurgus hatte für fein Volk neue Ge—
bote und Satzungen ausgearbeitet. Die waren aber ſchwer zu befolgen. Damit nun die Spartaner die ihnen gegebenen und zur Erhaltung des Staates notwendigen Verordnungen erfuͤllten, ſagte er zu ihnen: Ich begebe mich jetzt fort, um zu dem Gott zu beten, daß er mir die Geſetze nach eurem Willen zu aͤndern geſtatte; ihr aber verſprecht mir, ſie ſo, wie ſie ſind, bis zu meiner Ruͤck— kehr zu wahren. Da ſchwur das ganze Volk, das zu tun. Lykurgus aber verließ die Stadt und kam nicht wieder, um ſo ſeinen Geſetzen ewige Geltung zu verleihen. Vor ſeinem Tode befahl er, ſeinen Leichnam zu verbrennen und die Aſche ins Meer zu werfen, damit der Koͤrper nie nach der Stadt zuruͤckgebracht wuͤrde und das Volk keinen Vorwand gewaͤnne, den Eid zu loͤſen.
Der Abgeſandte Waͤhrend des Krieges der Roͤmer mit den Kartha— gern ward ein roͤmiſcher Held namens Marcus Regulus gefangen. Die Karthager ſchickten ihn aber nach Rom, damit er den Austauſch der Gefangenen in die Wege leite. Als der Senat deswegen zuſammentrat, ſtand Regulus auf und legte ſeinen Landsleuten dar, daß es zu ihrem Nachteil waͤre, wenn ſie die gefangenen Feinde herausgaͤben. Denn die Roͤmer, ſo fuͤhrte er aus, die vor den Karthagern die Waffen geſtreckt haben, ſind alles
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gebrechliche Leute, die man im Kriege nicht mehr ver— wenden kann, wohingegen die gefangenen Karthager die Bluͤte der feindlichen Jugend bilden. Der Senat nahm dieſen Rat zur Kenntnis und ging auf den Vorſchlag des Feindes nicht ein. Marcus Regulus aber kehrte in die Gefangenſchaft zuruͤck, um das den Karthagern ge— gebene Wort nicht zu brechen. Alſo bewies er ſeine Treue ſeinem Volke ſowohl als dem Feinde gegenuͤber.
Damon und Phintias
Der Tyrann von Sizilien verhaͤngte den Tod uͤber einen Buͤrger namens Phintias; dieſem ſollte der Kopf durch das Schwert abgehauen werden. Da bat ſich der Verurteilte eine Friſt von acht Tagen aus, um in ſeine Heimatſtadt zu gehen und die letzten Beſtimmungen zu treffen. Darauf erwiderte der Koͤnig dem Phintias, daß er ſeinen Wunſch erfuͤllen werde, wenn er einen faͤnde, der ſich ſtatt ſeiner ins Gefaͤngnis ſperren ließe und fuͤr ihn mit ſeinem Kopfe buͤrgte. Alsbald ließ Phintias ſeinen Herzensfreund Damon rufen, dem er in Liebe nachhing, und erzaͤhlte ihm von ſeiner Not. Damon be— gab ſich ſofort zum Koͤnige und erbot ſich, die Todes— ſtrafe fuͤr ſeinen Freund zu tragen, falls der zur Zeit nicht eintreffen ſollte. Er ließ ſich auch ins Gefaͤngnis abfuͤhren. Als aber die geſetzte Friſt nahe am Ablaufen war und Phintias nicht zuruͤckkam, begann das Volk uͤber Damon zu ſpotten, daß er ſein Leben verpfaͤndet hatte. Aber Damon hegte keine Furcht, denn ſein Herz vertraute auf die Redlichkeit ſeines Freundes. Und
Die verſoͤhnten Feinde 235
richtig, noch war der achte Tag nicht verſtrichen, und Phintias erſchien, wie er gelobt hatte. Da nun der Fuͤrſt dieſe unverbruͤchliche Liebe und Treue ſah, vergab er Phintias die Schuld und nahm die Todesſtrafe zuruͤck, um ſolche zwei Freunde nicht zu trennen.
Die verſoͤhnten Feinde In den Schriften der Roͤmer wird die Geſchichte von einem Helden und ehrbaren Manne namens Hippolytus erzaͤhlt, der nach dem Tode ſeines Vaters einen ſchweren Kampf mit einem ihm gleichgeſtellten, ebenfalls vor— nehmen und angeſehenen Buͤrger mit Namen Liſtigius fuͤhrte. Als Hippolytus merkte, daß ſein Gemuͤt von dem Streite ſehr mitgenommen ward und ſeine Knechte viel Muͤhſal zu ertragen hatten, ſtand er einmal um Mitternacht auf und begab ſich allein und ohne Beglei— tung in das Lager ſeines Feindes. Er rief den Waͤch— tern zu: Macht mir die Tore auf! Ich bin Hippolytus und ſtehe vor euch ganz allein. Da verwunderten ſich die Wachen und erzaͤhlten ihrem Herrn, wer vor dem Tore ſtuͤnde. Als nun Liſtigius vernahm, daß ſein Geg— ner unbewaffnet und ohne Schutz gekommen ſei, befahl er, ihm die Tore zu oͤffnen. Da eilte Hippolytus auf ſeinen Feind Liſtigius zu, umarmte und kuͤßte ihn und ſprach: Lieber, teurer Bruder, ich bitte dich um Ver— gebung fuͤr das, was ich gegen dich gefehlt habe, und ich verzeihe dir von ganzem Herzen, was du gegen mich verſchuldet haſt. Ich trage dir den Frieden an und will mich viel lieber deiner Herrſchaft fuͤgen, als der Herr—
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ſchaft der Sklaven. Wie Liſtigius das vernahm, wurde auch er biegſam wie ein Schilfrohr; er tat einen Strick um ſein Haupt, kniete vor ſeinem geweſenen Feinde nieder und weinte laut. Alſo ſchluchzten die beiden Maͤnner, und einer rief dem andern zu: Vergib mir, Bruder! Sie ſchloſſen einen Friedensbund, und es gab keine leiblichen Bruͤder, die einander ſo liebhaͤtten, wie dieſe zwei ihr Lebelang.
Pyrrhus und ſein Arzt
Der Koͤnig Pyrrhus fuͤhrte Krieg mit den Roͤmern. Da begab es ſich zu der Zeit, daß einer ſeiner Arzte an die Feinde ein Schreiben richtete, in dem er ſich erbot, falls ſie ihm eine beſtimmte Summe gewaͤhrten, ſeinen Schutzherrn zu vergiften. Allein die Roͤmer gaben dem Verraͤter zur Antwort, daß fie eine ſolche Tat nicht bil- ligten, denn ihre Art ſei, den Feind im Kriege zu ſchla— gen und ihn nicht heimtuͤckiſch und meuchlings umzu— bringen. Und zu gleicher Zeit ließen ſie dem Pyrrhus einen Brief zukommen, in dem ſie ihm ſchrieben: Sieh dich vor deinem Arzt, der ſoundſo heißt, vor, denn das und das Anſinnen hat er an uns geſtellt.
Die Laſt der Krone
Man erzaͤhlt von Oktavianus, daß, als das Volk und die Vornehmen zu ihm kamen, um ihn zum Kaiſer zu machen und ihm die Krone auf das Haupt zu ſetzen, er dieſe in beide Haͤnde genommen und ſo ausgerufen hätte: Du guͤldener Reif! Wuͤßten die Menſchen, wie-
Das Schwert des Damokles 237
viel Leid und Truͤbſal, wieviel Zittern und Bangen mit. deinem Beſitz verbunden ſind, ſie wuͤrden dich, ſelbſt wenn ſie dich unter den Steinen der Straße faͤnden, nicht aufheben und nicht anfaſſen. Ich bin dieſem Volke nicht als Herrſcher und Kaiſer zugewieſen, ſondern als Knecht verkauft worden, um ihm zu dienen. Und dieſe Krone iſt kein Sinnbild der Macht, ſondern eine druͤckende Feſſel.
Wie ſind doch die Worte dieſes Kaiſers zutreffend! Es kam ihm aber auch keiner von den Gebietern Roms an Groͤße und Vollkommenheit gleich, und ſeine Herr— ſchaft waͤhrte ſehr lange.
Das Schwertdes Damokles
Es gab einen Koͤnig Dionyſos, der in beſtaͤndiger Angſt lebte, und der keine Ruhe kannte. Derſelbe Koͤnig hatte einen Freund, und dieſer pries immerzu die Lage des Fuͤrſten. Er meinte, Dionyſos müßte eher den Goͤt— tern danken fuͤr all das Gute, das ſie ihm haͤtten zu— kommen laſſen, als truͤbſelig einherzugehen. Da lud ihn der Koͤnig eines Tages zu ſich und ließ ihn auf ſeinem Throne Platz nehmen. Unter dem Stuhle hatte er aber ein Feuer anlegen laſſen, und uͤber dem Stuhle hing an einem duͤnnen Leinenfaden ein Schwert, mit der Schneide gegen den Kopf des Sitzenden gerichtet. Vor dem Throne ſtand ein Tiſch mit koͤſtlichen Speiſen ge— deckt. Als der Freund Dionyſos' dieſe Gefahr ſah, fing er zu ſchreien an und bat den Koͤnig, den Platz verlaſſen zu duͤrfen. Da ſprach der Fuͤrſt: Verherrliche nicht mehr
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meine gluͤckliche Stellung, denn ich ſchwebe beſtaͤndig in einer Angft, die viel größer ift als die, die du auch nicht eine Stunde haſt ertragen koͤnnen. Ich ſehe unter mir ſtets eine Hölle offenſtehen und fühle über mir das raͤ— chende Schwert der Goͤtter. Auf mir laſtet eine ſchwere Verantwortung, denn der Herrſcherſtab wird einem Fürften anvertraut, damit er ihn mit Gerechtigkeit fuͤhre.
Medea
Die alten Geſchichtſchreiber erzaͤhlen von einem Weibe, das Medea mit Namen hieß, und das aus uͤber— großer Liebe zu einem Manne ihm auf dem Fuß folgte. Sie verließ ihr Elternhaus und nahm einen kleinen Bruder von ſich mit. Sie ermordete den Knaben, zer— hieb die Leiche und warf die Stuͤcke einzeln auf den Weg, damit ihr Vater, von dem fie wußte, daß er fie verfol- gen wuͤrde, jedesmal ob der Grauſamkeit entſetzt vor den Koͤrperteilen ſeines Kindes ſtehenbliebe und aufgehal— ten werde und ſie inzwiſchen weiterkaͤme. Endlich er— reichte ſie den Mann, dem ihre Leidenſchaft galt, und ſie ward ſein Weib. Die beiden lebten einige Jahre zu— ſammen, und Medea gebar zwei Kinder. Aber danach verließ ſie der Mann um eines andern Weibes willen. Da toͤtete Medea ihre zwei Kinder und trank ihr Blut, um ihren Gemahl zu ergrimmen. Alsdann machte ſie ſich auf und ging davon. Sie irrte in der Welt umher, und niemand weiß, was ihr Ende war.
Die treulofe Witwe
m alten Rom war es Sitte, einen Gehenkten zehn
Tage nach der Hinrichtung auf dem Galgen haͤngen zu laſſen und ihn erſt hernach zu begraben. Damit aber Freunde und Verwandte des Straͤflings den Leichnam nicht ſtehlen ſollten, wurde ein Vornehmer geheißen, ihn die Naͤchte uͤber zu bewachen; geſchah es aber, daß der Tote abgenommen wurde, ſo wurde der ihn Bewachende ſtatt ſeiner gehenkt.
Es begab ſich nunmehr, daß der romiſche Kaiſer einen fürftlichen Reiter hängen ließ, der ſich gegen ihn ver— gangen hatte. Sogleich wurde ein Hauptmann entſandt, die Leiche zu behuͤten, wie es Brauch war. Als es Mit- ternacht wurde, hoͤrte der Wachhabende ein lautes, bitteres, durchdringendes Geſchrei, ein Wehklagen und Jammern. Da erſchrak er uͤberaus, ſpornte ſein Roß und ſprach: Ich will dorthin eilen und will ſehen, wo— her das Schreien kommt und was geſchehen iſt. Er ritt der Stimme nach und kam bis an die Grabesſtaͤtten des gemeinen Volkes. Hier fand er ein Weib, das im Dun- kel der Nacht aus Herzeleid gar jaͤmmerlich ſchrie. Er ſprach zu ihr: Was iſt dir, toͤrichtes Weib, daß du bei Nacht ſo zeterſt, fo laͤrmſt und tobſt? Die Trauernde er- widerte: Mein Herr, ich bin ein Weib, deſſen Herz voll Gram iſt; darum weine ich laut. Gott hat meiner Seele ein bitteres Leid zugefuͤgt; meines Hauptes Krone hat mir der Tod entriſſen; von meinem Ehegemahl hat er mich getrennt; ein Klagegeluͤbde habe ich getan; die
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Trauer wird aus meinem Herzen nicht eher weichen, als bis ich ſelbſt zu Staub geworden bin. Darauf ſagte der Reiter: Mache dich auf, kehre heim, dort kannſt du deinen Mann beklagen und nach Herzensluſt weinen. Und er geleitete ſie bis zu den Toren der Stadt und kehrte ſelbſt auf ſeinen Standort zuruͤck.
In der folgenden Nacht, zu derſelben Zeit, hoͤrte der dienſttuende Reiter abermals das Weib weinen und ſchreien; er eilte zu ihr und redete mit ihr voll Guͤte und Milde; er gab ihr gute Worte und ſpendete ihr Troſt. Als das Weib die Glaͤtte und Suͤße ſeiner Rede ver— nahm, gewann ſie ihn lieb mit ihrer ganzen Seele; ſie vergaß die Trauer um ihren Mann und ſprach zu dem, der vor ihr ſtand: Mein Herr, ich bin der Luſt zu dir nicht verſchloſſen; meine Seele haͤngt an deiner Seele; von den Feſſeln der Liebe bin ich umfangen.
Und ſo folgte ſie dem Reiter und kam mit ihm bis an den Galgen; aber ſiehe, der Leichnam hing nicht mehr da. Da ſprach der Roͤmer zu dem ihn geleitenden Weibe: Du ſuche in Frieden in dein Haus zu gelangen, ich aber will fliehen, vielleicht kann ich mich noch retten; mein Herz zittert aus Angſt vor dem Koͤnig; findet er mich, fo hänge ich an dieſem Geruͤſt. Die Witwe aber ſprach: Mein Herr, fuͤrchte dich nicht und aͤngſtige dich nicht; komm mit mir; wir wollen meinen Mann aus dem Grabe ziehen und ihn ſtatt des Verurteilten an den Galgen hängen. Da ſagte der Reiter: Ich erwaͤhle lieber den Tod und das Grauſen des Todes, als daß ich einen Men— ſchen aus ſeiner Gruft zerre. Darauf ſprach das Weib:
Die treuloſe Witwe 241
Ich allein will ihn ausgraben und ihn aus der Erde herausnehmen; dich ſoll man keiner Suͤnde und keiner Schuld zeihen koͤnnen; wie ſagt doch ein Weiſer: Es iſt ſtatthaft, einen Toten aus dem Grabe zu holen, wenn dadurch einem Lebenden Hilfe werden kann.
Alſo kehrten die beiden auf den Friedhof zuruͤck, und das Weib ſchaufelte ihren Mann aus dem Grabe heraus. Als aber der Reiter den Toten erblickte, rief er: O, wie verdrießt mich das! Es nuͤtzt mir nichts, daß du das Grab zerſtoͤrt haſt. Der Gehenkte, den man geſtohlen hat, war kahlkoͤpfig, dieſer aber hat lockiges Haar; der Betrug wird nicht verborgen bleiben. Da ſprach das Weib: So will ich ihm ſchnell die Haare ausreißen, bis auch nicht eines auf dem Kopfe bleibt. Und ſie rupfte ihren Ehemann, bis er haarlos ward. Alsdann trug ſie ihn mit dem Reiter bis an das Geruͤſt, und ſie haͤngten ihn gemeinſchaftlich auf.
Es waren nur wenige Tage vergangen. Die Huren— frau drang ſo lange in den Reiter, bis er ſie zum Weibe nahm.
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Zu Moſe A
Mofe und das Zidlein
(Aus dem großen Midras) 9 ie Altvordern erzaͤhlen: Als unſer Meiſter Moſe, Friede ſei mit ihm, die Herden Jethros in der. Wuͤſte weidete, entfloh ihm einſt ein Zicklein. Moſe lief ihm nach, bis es vor einer Wieſe ſtehenblieb. Hier fand es ein Baͤchlein und trank daraus. Als Moſe das ſah, ſprach er zu dem Tier: Ich wußte nicht, daß du, weil du durſtig warſt, davonſprangſt. Und er nahm das Zicklein auf ſeine Schultern und trug es zuruͤck. Da ſprach der Herr zu Moſe: Du biſt voll Erbarmen und gehſt mitleidig mit den Tieren um. Bei deinem Leben!
Du ſollſt meiner Herde Iſrael Leiter ſein.
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Die Legende von Moſes und dem Habicht im „Papageienbuch“ (Ein Gegenſtuͤck zu der Geſchichte vom „Weißen Wolf“) Eines Tages kam eine Taube haſtigen Fluges zu Moſes, dem großen Propheten, den ſie anflehte: Gnade, o Pro— phet Gottes! Mich verfolgt ein Wuͤterich, rette mich vor ihm! Moſes gewaͤhrte dem geaͤngſtigten Tiere eine Freiſtatt, indem er es ſogleich unter fein Gewand nahm. Da kam der Habicht hinterdreingeflogen und redete den
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Propheten an: O Moſes, mich quält des Hungers Wut — nach Nahrung verlang ich ſamt meiner Brut —, da du mir meinen Fraß raubſt, begehſt du gegen mich ein großes Unrecht. — O Habicht, antwortete Moſes, verlangſt du von mir dieſe Taube oder nur im allgemei— nen deine Nahrung? Im erſteren Falle muß ich dir ſagen, daß dies unſchuldige Tier ſich in meinen Schutz begeben hat, und daß ich unter keiner Bedingung in ſei— nen Tod willigen kann. Im andern Falle aber will ich mich bemuͤhen, dich nicht leer heimkehren zu laſſen.
Als der Habicht geantwortet hatte, daß er nur irgend— eine Art von Nahrung verlange, da ſchnitt Moſes von ſeinen heiligen Gliedern ſo viel Fleiſch ab, als eine Taube wiegt, und war eben im Begriff, es dem Habicht zu uͤberreichen, als dieſer zu ihm ſprach: O Prophet Gottes, ich bin Michael, und was du da als Taube zu ſehen glaubſt, iſt Gabriel. Der Grund, weshalb wir in ſolcher Geſtalt zu dir gekommen find, iſt, deine Großmut und deinen Edelſinn zu pruͤfen und zu offenbaren. — Mit dieſen Worten verſchwanden ſie.
3 Das Motiv der Geſchichte: Am Brunnen in der chaſſidiſchen Legende
Ein frommer Juͤnger bat ſeinen Meiſter, ihm einen Satz im „Buche der Leuchte“, der von Seelenwanderung ſpricht, zu erklaͤren. Da riet ihm der Meiſter, ſich in einen Wald zu begeben, dort einen Baum aufzufinden, unter dem eine Quelle fließe, und in einiger Entfernung von dieſer Staͤtte eine beſtimmte Zeit zu verweilen.
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Das tat der Schuͤler. Er fand den angegebenen Platz und ſtellte ſich einige Schritte davor hin. Da ſah er einen Reiter auf einem Pferde muͤde und erſchoͤpft da— herkommen, unter dem Baume Raſt machen und ſich mit Brot und Waſſer laben. Danach beſtieg der Fremde wieder ſeinen Gaul und ritt davon; er hatte aber in der Eile ſeine Geldboͤrſe unter dem Baume liegen laſſen. Nach einer Weile kam ein zweiter Wanderer an dieſelbe Staͤtte, um ſich von der Muͤhe der Fahrt zu erholen, und fand den zuruͤckgelaſſenen Beutel des Reiters. Er nahm ihn an ſich und ſetzte ſeinen Weg fort. Darauf langte ein dritter Reiſender, ein armer, abgejagter Mann, an dem Platze an. Er aß ſein Brot, trank Waſ— ſer aus der Quelle und ſtreckte ſich aus, um zu ſchlafen. Da kam aber geſchwind der Reiter zuruͤck, der ſein Geld hatte liegen laſſen, forderte es von dem Daliegenden zu— ruͤck und ſprach: Wo iſt meine Taſche hin, die hierge— blieben iſt? Der arme Mann verſtand nicht, was der Herbeigeeilte von ihm haben wollte; allein er mußte ſeine Strafe tragen, und der Reiter ſchlug ihn unbarm— herzig wund.
Danach machte ſich der fromme Schuͤler, der dem allen zugeſehen hatte, auf und kehrte in ſeine Stadt zuruͤck. Er erzaͤhlte dem Meiſter von allem, was ſich an dem Brunnen vor ſeinen Augen abgeſpielt hatte. Dar— auf ſetzte ihm der Meiſter auseinander, daß dieſe drei Menſchen ſchon früher einmal auf Erden geweilt haͤtten. Der Reiter war dem zweiten Wanderer die Geldſumme, die er jetzt verloren hatte, in jenem Leben ſchuldig geblieben. Der Eigentümer des Geldes hatte ihn vor den Richter gefuͤhrt, dieſer aber ließ dem Klaͤger
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nicht Recht widerfahren und ſchickte ihn fort, ohne den Streit geſchlichtet zu haben. Alſo erſtattete jetzt in einem neuen Daſein der erſte Wanderer dem zweiten ſeine Schuld; der ungerechte Richter aber, das war der dritte Wanderer, empfing ſeine Strafe. Das iſt die Seelen— wanderung, von der das „Buch der Leuchte“ lehrt.
4 Zur Geſchichte: Das Bildnis
In dem Buche „Midras Eliahu“ wird eine Geſchichte ähnlich wie die vom Bildniſſe Moſes von Ariſtoteles erzählt. Ariſtoteles war unter anderm auch ein treff— licher Kenner der Handleſekunſt. Eines Tages kam nach der Stadt, in der er ſich aufhielt, ein Weiſer, der dieſe Kunſt gleichfalls beherrſchte. Ariſtoteles wollte nun die Begabung des Fremden auf die Probe ſtellen; er nahm ein Stuͤck weißes Wachs, legte die flache Hand darauf und gewann ſo einen Abdruck von allen Falten und Strichen ſeiner Rechten. Dieſen Abdruck gab er ſeinen Schuͤlern, damit die ihn dem zugereiſten Kuͤnſtler zeig— ten und er aus den Zuͤgen der Hand ein Urteil uͤber ihren Eigentuͤmer abgaͤbe. Als der Fremde die Hand Ariſtoteles' ſah, ſprach er: Dieſe Rechte gehoͤrt einem Manne von raͤuberiſchen Trieben, einem Boͤſewicht, der aller Untaten faͤhig iſt, der aber auch uͤberaus weiſe iſt. Die Schuͤler kamen zu Ariſtoteles und uͤberbrachten ihm den Beſcheid des Handleſers; ſie redeten hoͤhniſch von ſeiner Kunſt, da ſie ihren Meiſter frei von allen Fehlern wußten. Ariſtoteles aber ſprach zu ihnen: Der Fremde hat in allem recht, und er iſt in der Tat ein Weiſer.
248 Der Born Judas
Was er von meinem Weſen ausſagte, trifft zu, denn mir iſt von meinem Planeten eine boͤſe Natur zugedacht worden, und davon zeugen auch die Zuͤge meiner Hand. Allein die Weisheit, die mir innewohnt, ſucht das Boͤſe in mir zu brechen und ſeine Regungen zu unterdruͤcken.
Salomo und die Dämonen 1 Aus Joſephus
Infolge der Weisheit und Einſicht, die Salomo von
Gott erhielt, überragte er‘ alle Menſchen, die vor ihm gelebt hatten, und ſelbſt die Agypter, die doch be- ſonders weiſe ſein ſollen, erreichte der Koͤnig nicht bloß an ſcharfem Verſtand, ſondern uͤbertraf ſie noch darin. Auch diejenigen, die um jene Zeit bei den Hebraͤern einen beſonderen Ruf von Weisheit erlangt hatten, und deren Namen Ethan, Aman, Chalkeus und Dardan, Soͤhne des Emaon, ich nicht uͤbergehen zu duͤrfen glaube, ließ er weit hinter ſich. Er verfaßte eintauſendundfuͤnf Bücher, Gedichte und Gefänge ſowie dreitauſend Gleich— niſſe und Spruͤche. Denn uͤber jeden Baum vom Hyſſop bis zur Zeder dichtete er eine Parabel, desgleichen auch uͤber die Zugtiere und alle uͤbrigen Tiere der Erde ſo— wohl im Waſſer wie in der Luft. Auch kannte er deren Naturgeſchichte genau und wußte uͤber alles in philo— ſophiſcher Weiſe zu ſprechen; ebenſo war er uͤber die Eigenſchaften aller andern Dinge unterrichtet. Gott lehrte ihn auch die Kunſt, boͤſe Geiſter zum Nutzen und Heile der Menſchen zu bannen. Er verfaßte naͤmlich Spruͤche zur Heilung von Krankheiten und Beſchwoͤ— rungsformeln, mit deren Hilfe man die Geiſter alſo baͤndigen und vertreiben kann, daß ſie nie mehr zuruͤck— kehren.
Der Born Judas 2
Aus dem Tierbuche
Salomo ſprach einſt zu dem Heere der Geiſter, das ihn umgab: Wer bringt mich, ohne haltzumachen, nach dem und dem Orte? Da prahlten die Geiſter mit ihrer Kraft, und der ſtaͤrkſte von ihnen mit Namen Iztabar, der Sohn Nabaks, rief: Ich will dich dorthin bringen, ehe du dich von deinem Gerichtsſitze erhoben haſt. Sa— lomo erwiderte: Mein Wunſch iſt, noch viel ſchneller dorthin zu gelangen. Darauf ſagte einer von den Menſchen, der ſich in den Buͤchern auskannte, mit Namen Aſaph, der Sohn Berachias: Ich will dich an den angegebenen Platz bringen, ehe du deine Wimper bewegt haft.“ Als das Salomo vernahm, neigte und buͤckte er ſich vor Gott, weil er nun die uͤberlegenheit der Menſchen uͤber die Geiſter erkannt hatte. Die Daͤmonen zogen beſchaͤmt und geſenkten Hauptes ab, und toͤrichte Menſchenkinder blickten ihnen ſpottend nach.
Nach dieſer Begebenheit liefen die Geiſter von Sa— lomo weg, und er verſammelte ſein ganzes Heer, um ſie wieder einzufangen. Er belehrte ſeine Streiter, wie die Genien durch Beſchwoͤrungen und Beſprechungen, durch Worte, Zeichen und eingegrabene Spruͤche zu be— wältigen und in Flaſchen zu verſchließen ſeien. Salomo hatte daruͤber eine Schrift verfaßt, die nach ſeinem Tode unter ſeinen Schaͤtzen gefunden ward. Die auf— ruͤhreriſchen Teufel aber nahm er in Fron, und ſie mußten ihm dienen, ſolange er lebte.
Siehe weiter Seite 253, Zeile 6 von unten.
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Salomo und die Damonen 251 3:
Die Spruͤche der Dämonen
Salomo, der Sohn Davids, erfuhr einſt, daß es einen Ort auf den Meeresinſeln gebe, der von weiſen Daͤ— monen bewohnt ſei. Da er die Geiſter gerne reden hoͤren wollte, befahl er dem Winde, ihn auf ſeinen Fluͤgeln dorthin zu tragen und an der angegebenen Staͤtte ab— zuſetzen. Und es geſchah alſo. Alsbald verſammelten ſich um Salomo alle Geiſter. Der Koͤnig bat ſie, daß ein jeder von ihnen irgendein weiſes Wort ſpreche. Die Zahl der Daͤmonen aber betrug hundertundzehn. Da fing der erſte an und ſagte: Der Wechſel der Zeiten wird dich Dinge ſehen laſſen, von denen dein Herz nichts ahnt. Der zweite Daͤmon ſprach: Wer von den ihm Naͤchſten vergeſſen wird, dem laͤßt der Herr die Fernen zu Hilfe kommen. Der dritte ſagte: In der Seele eines jeden Menſchen iſt etwas enthalten, wodurch er einſich— tig werden kann. In aͤhnlicher Weiſe ſprach der vierte, der fuͤnfte, der ſechſte und der ſiebente Daͤmon, bis alle hundertzehn ihren Spruch hergeſagt hatten. Als ſie fertig waren, ſchrieb Salomo, der Sohn Davids, alles nieder, was er vernommen hatte, und kehrte in ſein Reich zuruͤck.
Arabiſches 1 N Die Koͤnigin von Saba (Koran, Sure XXVID
ls er (Salomon) einmal die Vögel beſichtigte, fragte
er: Weshalb ſehe ich den Wiedehopf nicht, iſt er abweſend? Wahrlich, ich will ihn aufs ſtrengſte be— ſtrafen, ich will ihn in Stuͤcke ſchneiden laſſen, er bringe mir denn eine annehmbare Entſchuldigung. Und der ließ nicht lange auf ſich warten und ſprach: Ich habe etwas geſehen, was du nicht geſehen haſt; ich komme aus Saba zu dir mit ſicherer Kunde. Wahrlich, ich fand ein Weib, welches uͤber ſie herrſcht und mit allen Din— gen verſehen iſt und einen praͤchtigen Thron hat. Und ich fand, daß ſie und ihr Volk neben Gott die Sonne verehrten. Der Satan hat ihnen ihre Werke bereitet und ſie vom rechten Wege abgelenkt, ſie wandeln nicht auf rechter Straße, ſo daß ſie nicht Gott verehren, der doch die Geheimniſſe des Himmels und der Erde ans Licht bringt, der doch weiß, was ſie verhehlen, und was ſie kundgeben. Keinen Gott gibt es außer Gott, er iſt der Herr des erhabenen Thrones. Salomon entgegnete: Wir werden bald ſehen, ob du die Wahrheit geſagt haſt, oder ob du ein Luͤgner biſt. Nimm dieſen Brief von mir und wirf ihn ihnen zu. Dann wende dich weg von ihnen und beobachte, was ſie darauf tun werden. Und die Koͤnigin ſprach: Ihr Fuͤrſten, mir iſt ein ehrenvolles Schreiben abgegeben worden. Es iſt von Salomon und lautet: Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Erhebt
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euch nicht gegen mich, kommt vielmehr zu mir und unterwerft euch mir! Und ſie fuhr fort: Ihr Fuͤrſten, gebt mir euren Rat in dieſer meiner Angelegenheit. Ich will nichts beſchließen, von dem ihr nicht Zeugen ſeid. Jene antworteten: Wir ſind zwar maͤchtig und verfuͤgen uͤber große Gewalt, aber die Herrſchaft ruht auf dir. Darum ſieh zu, was du anordnen willſt. Da erwiderte ſie: Wenn Koͤnige in eine Stadt einziehen, ſo verwuͤſten fie ſie und demuͤtigen die maͤchtigſten ihrer Be- wohner. Und ſo wollen auch dieſe handeln. Wahrlich, ich will Geſchenke zu ihnen ſenden und warten auf das, was die Geſandten zuruͤckberichten. Als letztere nun zu Salomon kamen, ſagte er: Wollt ihr mich noch reicher machen? Das, was Gott mir gegeben hat, iſt beſſer denn das, was er euch gegeben hat. Nein, vergnuͤgt ihr euch an euren Geſchenken und kehrt wieder zuruͤck zu ihnen. Wir aber wollen mit Heerhaufen gegen ſie ziehen, denen ſie nicht werden widerſtehen koͤnnen, und werden ſie ſchmaͤhlich aus ihrem Lande jagen, und ſie werden ver— achtet werden. Und er fragte weiter: Ihr Fuͤrſten, wer von euch will mir ihren Thron bringen, bevor ſie kom— men, um ſich zu ergeben? Und ein boͤſer Geiſt antwortete: Ich will ihn dir bringen, noch ehe du von deinem Platze aufſtehſt. Denn ich bin dazu imſtande und verdiene auch Vertrauen. Ein Schriftgelehrter aber ſprach: Ich will ihn dir bringen, bevor du mit deinem Auge gezuckt haſt. Und als Salomon den Thron vor ſich ſtehen ſah, ſagte er: Das iſt eine Gnade meines Herrn, mit der er mich pruͤfen will, ob ich dankbar oder undankbar bin. Wer aber dankbar iſt, der iſt zu ſeinem eigenen Nutzen dank— bar; wenn jedoch einer nicht dankbar iſt, fo iſt mein.
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Herr auch ſich ſelbſt Genuͤge und erhaben. Und er be— fahl: Verbergt ihren Thron vor ihr; wir wollen ſehen, ob ſie recht geleitet iſt oder zu denen gehoͤrt, ſo da nicht recht geleitet werden. Als ſie nun kam, wurde ſie gefragt: Sieht dein Thron ſo aus? Sie entgegnete: Gerade ſo, als ob er es wirklich waͤre! (Da ſprach Salomon:) Uns iſt die Weis— heit ſchon vor ihr verliehen worden, und wir haben uns ſchon vor ihr Gott ergeben. Das, was ſie neben Gott anbetete, hat ſie nur irregefuͤhrt. Und ſie gehoͤrt zu dem Volke der Unglaͤubigen. Dann wurde zu ihr geſagt: Tritt in den Palaſt! Und als ſie ihn ſah, hielt ſie ihn fuͤr ein tiefes Gewaͤſſer und entbloͤßte ihre Fuͤße. Salomon aber ſprach: Es iſt ein Palaſt, der mit Glas bedeckt iſt. Da rief die Koͤnigin: O Herr, ich habe mich verſuͤndigt. Aber nun ergebe ich mich ganz, zuſammen mit Salomon, dir, Gott, dem Weltenherrn.
2
Die Ameiſe (Koran, Sure XXVID Und Salomon beerbte den David und ſprach: O ihr Menſchen, uns iſt die Sprache der Vögel gelehrt wor- den, und Er hat uns alles gegeben. Wahrlich, das iſt ein offenbarer Vorzug. Und Salomons Heere wurden ge— ſammelt, die aus Dſchinnen, Menſchen und Voͤgeln (be— ſtanden). Und ſie wurden zuſammen geſchloſſen, bis daß ſie in das Tal der Ameiſen kamen. Da rief eine Ameiſe: Ihr Ameiſen, tretet in eure Haͤuſer, ſonſt moͤchten euch Salomon und ſeine Heerhaufen zertreten, ohne es zu be— merken. Und Salomon laͤchelte heiter uͤber ihre Worte
Arabiſches 255
und betete: O Herr, vergoͤnne es mir, daß ich dir fuͤr deine Gnade dankbar bin, die du mir und meinen Eltern erwieſen haſt, und daß ich das tue, was rechtſchaffen und dir wohlgefaͤllig iſt. Und laß mich in deiner Barm— herzigkeit (in das Paradies) zu deinen rechtſchaffenen Dienern eintreten.
3
Die Zikade
Salomon war ſo mit Bauen beſchaͤftigt, als man ihm eine Voͤgeldeputation anmeldete. Sie kamen, ſich am Fuße des Thrones uͤber die Zikade zu beſchweren und foͤrmlich Klage wider ſie anzubringen, daß dieſelbe fruͤh und ſpaͤt mit ihrem gellenden Geſchrei Feld und Wald durchſchmetterte uſw. Salomon, der den gerechten Be— ſchwerden ſeiner getreuen Untertanen gerne nach Tun— lichkeit abhelfen wollte, ſandte den Wiedehopf und den Raben als Kommiſſare, die Sache zu unterſuchen und die Zikade vor Salomons Thron vorzurufen. Die Zikade wollte aber, daß Salomon zu ihr komme. Salomon fand die Antwort ſo drollig, daß er ſich entſchloß, wirk— lich ſelbſt zur Zikade hinzugehen. Wie, rief ihm die Zikade entgegen, biſt es du, o großer Koͤnig Salomon, der es der Muͤhe wert haͤlt, ſich von ſeinem Throne herabzubegeben? Kennſt du mich denn auch und meine Lebensweiſe? Durch meinen frohen Geſang preiſe ich Gott den Herrn, ſo ſpaͤt als fruͤh. Ich eſſe kein Korn, weil durch das Korn Adam des Paradieſes verluſtig ge— worden; ich trinke kein Waſſer, weil das Waſſer als Sintflut das ſchuldige Menſchengeſchlecht vertilgt hat;
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ich naͤhre mich bloß von Tau, bin genuͤgſam und demuͤtig. — Der Demut wegen ziehe ich die Baͤume als Wohnort den Steinen vor, denn die Steine ſind hartherzig und nehmen kein Waſſer an, waͤhrend der Baum dasſelbe gern an ſich zieht und mit Freuden bis an die hoͤchſten Wip— fel emportraͤgt. Dafuͤr aber geht auch der Stein, wenn er ins Waſſer faͤllt, unter, waͤhrend das Holz von dem— ſelben in der Hoͤhe getragen wird. So vergilt ſich alles, und kein Dienſt, auch nicht der kleinſte, geht verloren. Verachte mich daher nicht, o großer Koͤnig, weil ich klein und unanſehnlich bin, und laß mich ungeſtoͤrt fort— ſingen mit frohem Mut und Blut. Salomon nahm dieſe Lehre uͤber die Demut mit vieler Herablaſſung auf und gab der Zikade die Erlaubnis fortzuſingen wie vor und eh' zum großen Verdruſſe der Voͤgel, die ſich die Ohren verſtopfen mußten, um des ſchmetternden Getoͤſes los— zuwerden. i
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Das Geſchenk der Ameiſe
Aue Tiere hatten Geſchenke gebrachtzu Salomons Thron, um ihm zu huldigen, auch die Ameiſe nahte ſich mit dem Faͤſerchen eines Strohhalmes im Munde. Salomon nahm die Ameiſe auf die Hand, um zu vernehmen, was ihr Begehren ſei. Ich bin, ſprach ſie, die Ameiſenkoͤnigin; Millionen getreuer, arbeitſamer, unternehmender Unter— tanen gehorchen meinen Befehlen. Klein ſind unſere Kräfte, doch groß iſt unſer Mut und Unternehmungs⸗ geiſt; was der einzelnen unmoͤglich, iſt der vereinten Kraft tunlich und leicht. Zwar biſt du Salomon, Koͤnig
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Arabiſches 257
der Koͤnige, Prophet, Herr und Meiſter der Menſchen und der Geiſter; die Schaͤtze der Welt find an den Stu— fen deines Thrones aufgetuͤrmt, und du magſt vielleicht auf die Kleinigkeit meiner Gabe veraͤchtlich nieder— blicken; desungeachtet nahe ich mich dir vertrauensvoll und flehe fuͤr mich und meinen Staat deine Huld an. Salomon ward durch dieſe Anrede ſehr guͤnſtig einge— nommen fuͤr die Ameiſe, er verſchmaͤhte nicht, das Faͤſer— chen des Grashalmes als Geſchenk anzunehmen, und wuͤrdigte dasſelbe nicht nach dem aͤußeren Wert der Gabe, ſondern nach dem inneren des Gebers. Seitdem berufen ſich alle Minderen, welche den Großen Ge— ſchenke darbringen, auf das Beiſpiel der Ameiſe und flehen um die Huld, mit der Salomon ihr Geſchenk annahm. 5
Ruja“ An Salomons Hofe lebte unter andern Weiſen, welche die Ehre hatten, vor ſeinem Throne auf goldenen Stuͤhlen zu ſitzen, ein gewiſſer Ruja. Salomon fragte ihn einſt, was auf Erden mehr ſei, des Lebens oder des Todes, des Wohlſtandes oder des Verfalles. Ruja ant— wortete: Der Tod hat die Oberhand uͤber das Leben, und der Verfall uͤber den Wohlſtand, denn die Lebendigen ſind aus dem Staube der Toten erſtanden und werden wieder in Staub verfliegen; alle Gebaͤude, alle Einrich— tungen, die heut beſtehen, ſind aus den Materialien der alten und verfallenen zuſammengeſetzt. Es iſt nichts Neues unter der Sonne. * Siehe die Geſchichte: Der König und die Weiſen.
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Salomon und der Eremit
Salomon fragte einen Eremiten, warum er ſich keine Zelle erbauet habe, ſondern in einer Hoͤhle wohne. Als ich hierherkam, antwortete der Eremit, war es mein Vorhaben, mir ein Haus zu bauen. Ich fing an, Steine aufzuleſen, die auf dem Felde zerſtreut herumliegen. Aber die Steine ſprachen: Laß uns liegen, wir deckten ſchon vormals als Grabſteine die Toten; ſuche andern Stoff, der noch keinen Herrn hat. Ich wollte Baͤume faͤllen, mir daraus eine Wohnung zu bereiten. Die Baͤume ſprachen: Laß uns ſtehen; der Saft, der in un⸗ ſerem Marke kreiſet, iſt aus Menſchenblut und Men— ſchenmark aufgeſogen und heraufgelaͤutert, wir gehoͤren vergangenen Geſchlechtern an. Ich nahm meine Zu— flucht zur Erde und wollte eine Hand voll Lehm und Staub aufſammeln, daraus mein Haus zu bauen. Aber wo ich immer die Erde beruͤhrte, ſprach ſie zu mir: Laß mich ruhen, ich bin Staub aus Staub und gehoͤre den Toten. Wo ich mich immer hinwandte, erhielt ich die— ſelbe Antwort; kein Stein auf Erden, der nicht ſchon ein Grab gedecket, keine Pflanze, die nicht aus ver— weſten Menſchenteilen ihre Nahrung erhalten, kein Staͤubchen, das nicht ſchon in beſeeltem Koͤrper gelebt haͤtte. Die Erde iſt nichts als die weite Werkſtatt des Todes, wo nichts der Gegenwart, alles der Vergangen— heit angehoͤrt. Deswegen baute ich nicht, ſondern zog in dieſe Felſenhoͤhle.
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Arabiſches 259 7
Zum ‚feltfamen Rechtsfall'
| Die arabiſche Legende verlegt die Gefchichte vom felt- ſamen Rechtsfall in die bibliſche Zeit.
Eines Tages — Salomon hatte damals kaum ein Alter von dreizehn Jahren erreicht — kamen zwei Maͤnner vor Gericht, welche einen Prozeß fuͤhrten, der wegen ſeiner Seltenheit alle Anweſenden in Erſtaunen ſetzte und David in große Verlegenheit brachte. Der Klaͤger hatte naͤmlich von dem Beklagten ein Gut ge— kauft und beim Ausgraben eines Kellers einen Schatz gefunden. Er verlangte nun von dem Beklagten, daß er dieſen Schatz zuruͤcknehme, indem er das Gut ohne den— ſelben gekauft, waͤhrend der Beklagte behauptete, kein Recht mehr an dieſem Schatze zu haben, da er nichts da— von gewußt und das Gut, mit allem was darauf iſt, verkauft habe. Nach langem Nachdenken ſprach David, es muͤſſe jeder der beiden die Haͤlfte des Schatzes nehmen. Salomon aber fragte den Klaͤger, ob er einen Sohn habe, und als er dieſe Frage mit Ja beantwortete, fragte er den Beklagten, ob er Vater einer Tochter ſei. Als auch dieſer Salomons Frage bejahte, ſagte er: Wollt ihr euern Streit auf eine Weiſe ſchlichten, daß keinem Unrecht geſchehe, ſo verheiratet eure Kinder mit— einander und gebt ihnen dieſen Schatz als Heiratsgut.
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Zur Geſchichte: Der Erbe und der Knecht 55 „Buche der Frommen“ wird der Richterſpruch
nicht Salomo, ſondern Saadia-Gaon in den Mund gelegt.
In den Zeiten des weiſen Rabbi Saadia-Gaon, des Sohnes Joſephs, lebte in einer Stadt ein reicher Mann, der war uͤber See mit ſeinem Knecht gezogen und fuͤhrte große Reichtuͤmer mit ſich. Sein Weib aber, das daheim geblieben war, war zu der Zeit ſchwanger. Sie kam mit einem Knaben nieder, und bald darauf verſtarb in der Fremde ihr Mann. Da bemaͤchtigte ſich der Knecht der ganzen Habe und behauptete von ſich, er ſei der Sohn des Verſtorbenen. Inzwiſchen wuchs der Sproͤß— ling heran, und als er erfuhr, daß das Vermoͤgen ſeines Vaters geraubt worden war, beſchloß er in jenes Land zu gehen und von dem Liſtigen die Herausgabe des Erbes zu fordern. Als er aber in den Ort kam, ſah er, daß der Knecht einer der maͤchtigen Maͤnner geworden war, denn er hatte ſich mit den Angeſehenen des Landes ver— ſchwaͤgert. Der Juͤngling fuͤrchtete ſich, mit ſeinen An— ſpruͤchen laut aufzutreten, um nicht von der Sippſchaft des Gewalttaͤtigen umgebracht zu werden. Es traf ſich aber, daß er im Hauſe Rabbi Saadias Herberge nahm. Als man ihm zu eſſen gab, wollte er aus Betruͤbnis nichts anruͤhren. Nach der Urſache gefragt, erzaͤhlte er dem Weiſen, was ihm widerfahren war. Da riet ihm Saadia, ſich an den Koͤnig zu wenden. Der Herrſcher
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aber wies den Klaͤger wieder an Saadia, der auch Rich— ter war. Der Weiſe ließ auch den Angeklagten kommen und riet den beiden, ſich von ihrem Blute etwas zu ent— ziehen und in zwei verſchiedene Schalen fließen zu laſſen. Danach legte er einen Knochen des Verſtorbenen in die Schale mit dem Blute des Knechtes, und der Knochen nahm das Blut nicht an. Als er aber das Bein mit dem Blute des Sohnes benetzte, ſog es dieſes ganz auf. Alſo erkannte man, daß der Ankoͤmmling der Sohn des verſtorbenen Mannes war, und der Tuͤckiſche mußte den Beſitz dem Sohne ſeines Herrn ausliefern.
2 Die urſpruͤngliche Faſſung der Geſchichte: Der Erbe mit den zwei Köpfen
Es gab einſt einen Mann, der zwei Soͤhne hatte. Von dieſen war der aͤltere zweikoͤpfig. Als der Vater ſtarb, ſprach der aͤltere zum juͤngern: Ich bin der Erſtge— borene; mir kommen ſomit zwei Teile vom Erbe zu. Einen dritten Teil beanſpruche ich noch, weil ich zwei Köpfe habe und gleichſam zwei Menſchen abgebe. Der juͤngere Sohn aber ſprach: Du haſt nur ein Anrecht auf zwei Teile; den einen erhaͤltſt du als Kind deines Vaters, den andern als erſtgeborener Sohn. Und die zwei Juͤnglinge gingen zum Koͤnig Salomo, damit der ihren Rechtsſtreit entſcheide. Salomo wunderte ſich uͤber den ſonderbaren Fall. Er pruͤfte ihn gruͤndlich und zog das Geſetz zu Rate, ſagte aber dann: Kommt mor— gen wieder. Als die Brüder am andern Tage erfchienen, ſprach er zu ihnen: Zieht abermals heim, ich will euch
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rufen laſſen, wenn ich in eurer Angelegenheit Klarheit erlangt habe. Bald darauf aber beſchied der weiſe Koͤnig zwei treue Diener zu ſich, erzaͤhlte ihnen den Fall und ſprach: Nehmt heißes Waſſer und gießt es auf das eine Haupt des Zweikoͤpfigen. Empfindet dabei auch das an— dere Haupt Schmerz und ſchreit, ſo iſt es nur als ein zweites Glied desſelben Menſchen anzuſehen, und dieſer hat dann nur als eine Perſon zu gelten. Merkt man aber dem zweiten Kopf nichts an und fuͤhlt er ſich von dem heißen Waſſer nicht verbruͤht, ſo iſt das ein Beweis, daß er als ein Weſen fuͤr ſich zu betrachten iſt, und der Zweikoͤpfige hat auf das Doppelte Anſpruch. Das be— folgten die zwei Diener und ſtellten mit dem aus der Art Geratenen den Verſuch an. Als ſie aber den einen Kopf mit dem heißen Waſſer beſprengten, fing auch der andere zu ſchreien an, und Waſſer entquoll ſeinen Augen und der Naſe. Nun wußten die Maͤnner Beſcheid, und dem Zweikoͤpfigen wurde nur das zugefprochen, was ihm von Rechts wegen zuſtand. Und abermals ward die Weisheit Salomos allen offenbar.
3 Die Einfalt als Retterin Der Herr tut alles fein zu ſeiner Zeit, ſagt das Buch Koheleth, und fuͤrwahr, es hat alles ſeinen Sinn, was Gott in feiner Welt gemacht hat. König David ſprach einſt vor dem Herrn: Du Allgewaltiger! Es iſt alles herrlich, was du geſchaffen haſt, am herrlichſten aber iſt die Weisheit. Nur die Einfalt duͤnkt mich nicht ſchoͤn. Wem gewaͤhrt denn Freude der Anblick eines Narren,
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der auf dem Markte ziellos einhergeht und ſeine Kleider zerreißt, dem die Kinder nachlaufen, und den das Volk auslacht? Darauf erwiderte der Herr dem Koͤnig: Du verſpotteſt die Narrheit? Bei deinem Leben, du wirſt ihrer benoͤtigen und darum flehen und bitten.
Und es begab ſich nach einiger Zeit, daß David vor Saul fliehen mußte. Er kam in das Haus Achis', des Koͤnigs zu Gath. Da ſprach der Herr zu David: Du ſuchſt Zuflucht bei Achis? Geſtern erſt haſt du ſeinen Anverwandten Goliath getoͤtet, du traͤgſt ſein Schwert noch mit dir, und Goliaths Blut iſt noch nicht ver— trocknet.
Und Achis raunten ſeine Leibwaͤchter zu: Wir wollen töten den, der unſern Bruder getötet hat. Achis ant— wortete: War denn nicht Krieg zwiſchen Iſrael und den Philiſtern, und war nicht ausgemacht, daß, wer im Zweikampf den andern tötet, Sieger fein wird? Konnte es doch ebenſogut geſchehen, daß Goliath den David umgebracht haͤtte. Darauf ſprachen die Diener: So ſteig von deinem Throne herunter, und das Reich moͤge David gehoͤren, denn er iſt Koͤnig des Landes, und wir wollen ihm dienen.
David aber fuͤrchtete ſich ſehr; er betete vor dem Herrn und ſprach: In meiner Furcht vertraue ich auf dich. Da fragte Gott: David, was begehrſt du? Der Ge— aͤngſtigte antwortete: Laß mich jetzt der Narrheit teil— haftig werden. Der Herr ſprach: Sagte ich nicht, der die Sache laͤſtert, wird nach ihr verlangen? Und David ſtellte ſich irrſinnig und ſchrieb an die Tuͤrpfoſten des koͤniglichen Hofes: Achis, der Koͤnig zu Gath, ſchuldet mir hundertmal zehntauſend Goldſtuͤcke, die Koͤnigin fuͤnf—
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hunderttauſend. Achis' Tochter aber war ſeit jeher irr— ſinnig. Sie ſchrie und raſte in den innern Gemaͤchern. David wiederum tobte draußen vor dem Schloſſe. Da ſprach Achis zu ſeinen Knechten: Habe ich der Wahn— ſinnigen wenig, daß ihr dieſen herbrachtet? Laßt ihn aus meinem Hauſe gehen.
Alſo ward David gerettet, und die Einfalt war es, die ihn aus der Not geführt hatte.
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Der Rangſtreit der Organe. (Aus den Upaniſhads des Veda)
Eben dieſe Lebensorgane ſtritten einſtmals um den Vor— rang. Und ſie gingen zu dem Brahman und ſprachen zu ihm: Wer iſt unter uns der Beſte? Und er antwor— tete: Derjenige unter euch, nach deſſen Auszuge ſich dieſer Leib am uͤbelſten befindet, der iſt unter euch der Beſte. Da zog die Rede aus, weilte ein Jahr in der Fremde, kam zuruͤck und ſprach: Wie habt ihr ohne mich leben koͤnnen? Und ſie antworteten: So wie die Stum— men, welche nicht mit der Rede reden und doch mit dem Odem atmen, mit dem Auge ſehen, mit dem Ohre hoͤren, mit dem Manas erkennen, mit dem Samen ſich fort— pflanzen, alſo haben wir gelebt. Da fuhr die Rede wie— der hinein. Da zog das Auge aus, weilte ein Jahr lang in der Fremde, kam zuruͤck und ſprach: Wie habt ihr ohne mich leben koͤnnen? Und ſie antworteten: So wie die Blinden, welche nicht mit dem Auge ſehen und doch mit dem Odem atmen, mit dem Ohre hoͤren, mit dem Manas erkennen, mit dem Samen ſich fortpflanzen, alſo
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haben wir gelebt. Das Auge fuhr wieder hinein. Da
zog das Ohr aus, weilte ein Jahr lang in der Fremde, kam zuruͤck und ſprach: Wie habt ihr ohne mich leben koͤnnen? Und ſie antworteten: So wie die Tauben, welche nicht mit dem Ohre hoͤren und doch mit dem Odem atmen, mit der Rede reden, mit dem Auge ſehen, mit dem Manas erkennen, mit dem Samen ſich fort— pflanzen, alſo haben wir gelebt. Da fuhr das Ohr wie— der hinein. Da zog das Manas aus, weilte ein Jahr lang in der Fremde, kam zuruͤck und ſprach: Wie habt ihr ohne mich leben koͤnnen? Und ſie antworteten: So wie die Irren, welche nicht mit dem Manas erkennen und doch mit dem Odem atmen, mit der Rede reden, mit dem Auge ſehen, mit dem Ohre hoͤren, mit dem Samen ſich fortpflanzen, alſo haben wir gelebt. Da fuhr das Manas wieder hinein. Da zog der Same aus, weilte ein Jahr lang in der Fremde und ſprach: Wie habt ihr ohne mich leben koͤnnen? Und ſie antworteten: So wie die Entmannten, welche nicht mit dem Samen ſich fortpflanzen und doch mit dem Odem atmen, mit der Rede reden, mit dem Auge ſehen, mit dem Ohre hoͤren, mit dem Manas erkennen, alſo haben wir gelebt. Da fuhr der Same wieder hinein. Da wollte der Odem ausziehen, aber gleichwie ein großes Roß aus dem In— duslande, wenn es ſich losreißt, die Pfloͤcke der Fuß— feſſeln mit herauszieht, alſo geſchah es, daß er jene Le— benshauche mit herauszog, und ſie ſprachen: Ziehe nicht aus, o Ehrwuͤrdiger, wir koͤnnen ohne dich nicht leben. So bringt mir eure Huldigungsgabe dar, ſprach er. So ſei es, ſprachen ſie. Da ſprach die Rede: Womit ich die Reichſte bin, damit biſt du der Reichſte. Und das Auge
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ſprach: Womit ich der Standort bin, damit biſt du der Standort. Und das Ohr ſprach: Womit ich Erlangung bin, damit biſt du Erlangung. Und das Manas ſprach: Womit ich der Stuͤtzpunkt bin, damit biſt du der Stuͤtz— punkt. Und der Same ſprach: Womit ich Fortpflanzung bin, damit biſt du Fortpflanzung. Und er (der Präna) ſprach: Dieweil ich ein ſolcher bin, welches iſt meine Speiſe, welches iſt meine Kleidung? Und ſie ſprachen: Alles, was hier vorhanden iſt, bis herab zu den Hunden, zu den Wuͤrmern, bis zu dem, was kreucht und fleucht, das iſt deine Speiſe, und das Waſſer iſt deine Kleidung. Wahrlich, von dem wird keine Unſpeiſe genoſſen, keine Unſpeiſe zu ſich genommen! Darum die Wiſſenden, Schriftgelehrten, wenn ſie eſſen wollen, ſo ſpuͤlen ſie den Mund aus, und wenn ſie gegeſſen haben, ſo ſpuͤlen ſie den Mund aus, damit meinen ſie, daß ſie eben jenen Lebenshauch zu einem Nichtnackten machen.
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Zur Geſchichte: Die mildtätige Frau Der Reiſende Shen Safir hörte, als er in Agypten war, aus dem Munde eines Arabers folgende Legende:
Der Prophet David hatte zweiundneunzig Soͤhne und zweiundneunzig Toͤchter, die ihm alle von ſeinem Weibe Bathſeba geboren worden waren. Alle dieſe Kin— der vermaͤhlte er in einer Nacht; er gab ſeinen Soͤhnen Frauen und den Toͤchtern Maͤnner und war daruͤber voll großer uͤbermaͤßiger Freude. Dafuͤr aber traf ihn die Strafe des großen Gottes, gelobt ſei er, und alle dieſe Kinder verſtarben in einer Nacht. Da graͤmte ſich
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die Koͤnigin und trug großes Leid und wollte ſich nicht tröften laſſen. Hierauf erſchien dem Koͤnig ein Seher und ſprach zu ihm: Ich will dir einen Sohn ſchenken, der dir lieber ſein wird als die zweiundneunzig ver— ſtorbenen Soͤhne und Toͤchter. Und nach Ablauf eines Jahres gebar Bathſeba dem Koͤnig ſeinen Sohn Salomo, den Propheten und Herrſcher. Das Kind zeichnete ſich durch große Weisheit aus. David ließ ſeinen Sohn ein beruͤhmtes Lehrhaus beſuchen, und der Knabe nahm zu und machte Fortſchritte.
Nun begab es ſich zu der Zeit, daß ein Hunger aus— brach und eine arme Witwe fuͤr ihre verwaiſten Kinder kein Brot hatte. David aber war ein mildtaͤtiger und gut— herziger Koͤnig. Alſo kam die Witwe zu ihm und bat ihn um Brot. Darauf gab ihr David ein Maß Mehl. Das Weib nahm den Scheffel auf den Kopf und ging nach Hauſe. Da erhob ſich aber ein Wind und wehte das Mehl aus dem Hohlmaß heraus. Nun ging das Weib weinend ſeines Weges weiter, denn es fuͤrchtete, abermals vor David zu erſcheinen. In dieſer Stunde begegnete es dem Prinzen Salomo, der aus der Schule heimwaͤrts zog. Der Koͤnigsſohn fragte die Witwe: Weswegen weinſt du? Sie antwortete: Das und das iſt mir begegnet, und nun muß ich mit meinen Kindern Hungers ſterben. Da ſprach Salomo: Geh zu meinem Vater und bitte ihn, daß er den Wind richte, weil er dir das Mehl geſtohlen hat. Fragt dich aber der Koͤnig, wer dir ſo zu tun geraten hat, ſo ſage: Dein Sohn Salomo hat mir das befohlen.
Alſo ging das Weib wieder zu dem Koͤnig und bat ihn weinend, daß er den Wind zur Rechenſchaft ziehe.
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Darauf erwiderte David: Bin ich denn wie Gott, daß ich uͤber die Winde zu gebieten vermoͤchte? Welcher wird meiner Stimme gehorchen? Die Witwe ſprach: Mein Herr, Salomo ſagte mir, daß es in der Hand des Koͤnigs liege, mir Recht zu verſchaffen. Da ließ David ſeinen Sohn rufen und ſprach zu ihm: Was haſt du dem vergraͤmten Weibe vorgeredet? Salomo erwiderte ſeinem Vater: Du biſt Koͤnig; alſo haſt du die Herr— ſchaft uͤber alles. Gefaͤllt es dir aber, ſo uͤberlaſſe mir fuͤr eine Weile deinen Siegelring, die Krone, den Stuhl und den Herrſcherſtab, und du ſollſt das Gericht ſchauen, das ich halten werde. David freute ſich der Rede ſeines Sohnes und gab ihm alles, worum er ihn gebeten hatte. So beſtieg Salomo für dieſen Tag den Thron, und Ab- geſandte der oberſten und der unterſten Regionen brach— ten ihm ihre Huld dar. Sie riefen: Es lebe unſer Herr, der Koͤnig Salomo! Hierauf ließ Salomo den Oſtwind vor ſich kommen, und der erſchien und ſtand ſtill vor ihm. Salomo fragte den Wind: Warum haſt du das Mehl der Witwe geraubt? Der Oſtwind entgegnete: Mein Herr und Koͤnig, ich habe heutigestags mein Ge— hege nicht verlaſſen. Da ließ Salomo den Weſtwind und nach dieſem den Suͤdwind holen, und die gaben ihm dieſelbe Antwort wie der Oſtwind. Zum Schluß rief er den Nordwind und fragte ihn, warum er die Witwe um das Maß Mehl gebracht habe, und dieſer erwiderte: Fuͤrwahr, mein Herr und Koͤnig, ich bin der Schuldige. Aber ein großes Schiff zog zu der Zeit uͤber das Rote Meer von Indien nach Mekka zur Feier des Feſtes und bekam ein Leck, daß es nahe am Untergange war. Ich beeilte mich, es zu retten, nahm das Mehl aus
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dem Hohlmaß, machte daraus einen Teig und verſtopfte das Loch im Schiffe. Alſo wurden alle Seelen der Gläu- bigen errettet. Da ſegnete Salomo den Wind, und er durfte mit Frieden davonfahren. Seinem Vater David aber befahl der Prinz, der Witwe einen andern Scheffel Mehl zu geben.
Zu Alexander 1 Der Judaͤer Papas
ach der Eroberung Indiens zog Alexander mit
Beute beladen vorwaͤrts, um ſeinem Heere Erho— lung zu goͤnnen. Er kam an einen breiten Strom, von dem man ihm ſagte, er ſei der Ganges, der auch Phyſon heiße und in dem Paradieſe entſpringe. Die Daͤcher der Haͤuſer waren mit rieſigen Baumblaͤttern gedeckt, welche die Einwohner durch lange Stecken aus dem Strome auffiſchten. An der Sonne getrocknet und zu Staub zerrieben, verbreiteten ſie einen wunderbaren Duft. Als Alexander vom Paradieſe vernahm, ſprach er ſeufzend: Ich habe nichts in der Welt erreicht, wenn ich nicht dieſer Wonnen teilhaftig werde. Sofort waͤhlte er aus der Mitte ſeines Heeres fuͤnfhundert der Unerſchrockenſten und Ausdauerndſten und beſtieg mit ihnen ein bereitſtehendes wohlausgeruͤſtetes Schiff. Sie fuhren einen Monat lang aufwaͤrts, bis die Kraͤfte der Juͤnglinge an der Wucht des reißenden Stromes zu erlahmen begannen und das furchtbare Brauſen der Gewaͤſſer ſie betaͤubte. Da ſahen ſie endlich am vierunddreißigſten Tage etwas wie eine Stadt von wunderſamer Groͤße und Ausdehnung. Sie ruderten mit Anſtrengung drei Tage an der Mauer hin, welche keine Tuͤrme und Schutzwehren hatte und ſo dicht mit Moos bewachſen war, daß man keine Steinfugen ge— wahrte. Endlich aber ſahen ſie ein ſchmales Fenſter— chen, und Alexander ließ einige ſeiner Leute in einem
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Boote hinrudern. Auf ihr Pochen erſchloß ein Mann den Riegel und fragte mit ſanfter Stimme, wer und woher ſie ſeien, und was ſie ſuchten. Sie erwiderten: Wir ſind die Boten nicht eines beliebigen Koͤnigs, ſon— dern des Koͤnigs der Koͤnige, des unbeſiegten Alexander, dem alle Welt gehorcht. Er will wiſſen, welches Volk hier wohnt, welcher Koͤnig es beherrſcht, und befiehlt euch, wenn euch euer Leben lieb iſt, ihm wie alle uͤbrigen Voͤlker Zins zu entrichten. Aber jener ſprach mit heiterem Angeſicht und ſanfter Stimme: Strengt euch nicht mit Drohungen an, ſondern wartet, bis ich wieder— komme. Er ſchloß das Fenſter, und faſt zwei Stunden vergingen, bis er es ihnen oͤffnete. Er reichte ihnen einen Edelſtein von wunderſamem Glanze und unge— wohnter Farbe, der an Geſtalt und Groͤße einem menſch— lichen Auge glich. Hier entbieten dir, ſo ließ der Koͤnig melden, die Einwohner dieſes Ortes ein Erinnerungs— zeichen an ein wunderſames Erlebnis, magſt du es nun als Geſchenk oder als Tribut hinnehmen. Aus Menſchen— liebe ſenden wir dieſen Stein, der deinen Begierden ein Ziel ſetzen kann. Denn wenn du ſeine Natur und Kraft kennenlernen wirſt, ſo wirſt du von allem Ehrgeiz ablaſſen. Wiſſe auch, daß es dir und den Deinen laͤnger nicht frommt, hier zu verweilen. Schon bei einem maͤ— ßigen Sturme werdet ihr im Schiffbruch ſicheren Tod finden. Gib dich alſo deinen Genoſſen zuruͤck und zeige dich fuͤr die empfangenen Wohltaten dem Gott der Goͤtter nicht undankbar. Damit ſchloß er das Fenſter. Jene ruderten zuruͤck, und Alexander, mit klugem Geiſte den Sinn der Worte erwaͤgend, machte ſich eilig nach dem Lager ſeiner Mannen auf, die ihn mit Jubel be—
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gruͤßten. Er kehrte nach Suſa zuruͤck und ließ die Weife- ſten unter den Juden und Heiden insgeheim zu ſich rufen, damit ſie ihm die Natur des Steines erklaͤrten. Sie aber wußten nichts als Lobpreiſungen ſeines Gluͤckes und ſeiner Macht vorzubringen und ihn mit Umſchweifen hinzuhalten. Er verbarg ſeine Mißſtimmung und ver— abſchiedete ſie mit koͤniglichen Geſchenken. Nun lebte in der Stadt ein alter, gebrechlicher Jude namens Papas, der, wenn er ſein Haus verlaſſen wollte, von zwei Leuten in einer Saͤnfte getragen werden mußte. Er hoͤrte durch ſeine Freunde von des Koͤnigs Verlegen— heit und ließ ſich zu ihm tragen. Alexander, der ver— trauliche Unterredungen mit Greiſen liebte, empfing ihn ehrerbietig, ſetzte ihn an ſeine Seite und brachte das Geſpraͤch auf ſein beſtandenes Abenteuer. Papas hob die Haͤnde gen Himmel, begluͤckwuͤnſchte ihn, daß er bis zu jener Stadt vorgedrungen ſei, was bisher alle vergebens und zu ihrem Schaden verſucht haͤtten. Darauf oͤffnete Alexander die Hand und zeigte ihm den Stein. Der Jude erkannte ihn und ſeine Natur und ließ, weil die Augen leichter zu uͤberzeugen ſind als die Ohren, eine Wage herbeibringen. Er legte in die eine Schale den Stein, in die andere ſo viele Goldſtuͤcke, als ſie zu faſſen vermochte, aber der Stein wog ſchwerer. Er verlangte eine groͤßere Wage und ließ viele Zentner Goldes darauflegen; der Stein zog ſie in die Hoͤhe. Als Alexander ſich vor Staunen kaum faſſen konnte, legte der Greis den Stein wieder auf die kleinere Wage, bedeckte ihn mit ein wenig Erdenſtaub, und nun wurde er von einem einzigen Goldſtuͤck, ja, von einer Flaum— feder aufgewogen. Dann erklaͤrte Papas dem Koͤnig
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in langer Rede, daß in jenem Ort, den er fuͤr eine Stadt gehalten habe, die Seelen der Gerechten den Tag der Auferſtehung des Leibes erwarten, um nach dem Juͤngſten Gericht mit ihrem Schoͤpfer auf ewig zu herr— ſchen; daß ſie ihm den Stein gegeben haͤtten, um ſeinen Ehrgeiz zum Schweigen zu bringen; denn der Stein ſei das Auge des Menſchen, das mit allem Gold nicht zu ſaͤttigen ſei, bis es die Erde bedecke. — Alexander umarmte und kuͤßte den Greis und uͤberhaͤufte ihn mit koͤniglichen Gaben. Von da an entſagte er dem Ehrgeiz und zog nach Babylon, wo er ſeine Krieger reich belohnt entließ und in Ruhe und Frieden lebte bis zu ſeinem Ende.
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Alexander ruft den einigen Gott aus (Aus Pſeudo-Kalliſthenes)
Nachdem nun Alexander einige Zeit verweilt hatte, unternahm er es, eine Stadt zu bauen. Er ſchmuͤckte ſie mit ſehr vielen Saͤulen und befeſtigte die Mauern durch ſehr hohe Tuͤrme; an dem oͤſtlichen Tore aber baute er einen Turm, der war der hoͤchſte von allen; auf dieſen ſtellte er ſeine eigene Bildſaͤule auf und darum herum die des Seleukus und Antiochus und des Arztes Phi— lippus. Die des Seleukus machte er kenntlich durch ein Horn, weil dieſer tapfer und unuͤberwindlich war; dem Philippus gab er das Anſehen eines Arztes und Kriegers; den Antiochus aber machte er aͤhnlich einem Trabanten. Da nun alle Arbeit vollendet und die Stadt in aller Augen ſehr ſchoͤn geworden war, ging Alexander
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hinauf auf den Turm und erklaͤrte alle Goͤtter der Erde fuͤr nichtig und ließ nur einen als den wahren, unſicht⸗ baren Gott ausrufen, der einherfaͤhrt auf den Fluͤgeln der Seraphim und mit dreimal heiliger Stimme ge— prieſen wird. Auf dieſem Turm ſtehend, betete Alexander und ſprach: O Gott der Goͤtter, Schoͤpfer alles Sicht— baren und Unſichtbaren, erſcheine mir als Helfer bei dem, was ich zu tun vorhabe. Dann ſtieg er herab von dem Turme und ging in den koͤniglichen Palaſt.
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Alexander in Tadmor
Alexander wandte ſeinen Zug gegen Syrien, wo er das Grab Davids beſuchte, ſowie in Roche die ſchoͤne kuͤhle Grotte, in der Abraham vor Nimrods Grimm verborgen ward. Von Jeruſalem zog er nach Tadmor und Iſtachar, um die Palaͤſte Salomons zu beſuchen. Mit Erſtaunen durchwandelte er die unabſehlichen Säulen- gaͤnge und Marmorhallen, auf deren Waͤnden Salomons Thron und Hofſtaat eingehauen iſt. Die Gelehrten, ſo Alexandern uͤberall begleiteten, laſen und erklaͤrten die Inſchriften von Tadmor und Iſtachar. Weil ihre Er— klaͤrung und Auslegung aber gar nicht zuſammenſtimmte, hielt ſich Alexander mehr an die Formen der Gebaͤude und an die ſteinernen Gebilde als an die Ameiſenfuͤße und Pfeilbuchſtaben von Palmyra und Perſepolis.
Die Wunderfteine 1 Der Stein der Perle
D. Name dieſes Steines iſt in arabiſcher Sprache al⸗Bahit und ſeine Erklaͤrung in der heiligen Sprache Stein der Perle. Dieſer Stein findet ſich am Ufer des Meeres Okeanos an einem Orte, uͤber dem kein Licht aufgeht und keine Sonne. Und dieſe Steine findeſt du dort, und ihre Farbe iſt wie die Farbe des Goldes, und wenn das Meer Dfeanos fie auswirft, ſiehſt du den Boden vor dir leuchten wie funkelnde Blitze oder wie getriebenes Gold. Und als Alexander, der Koͤnig der Jonier, an dieſen Ort kam, ſahen ſie Leute von ſeinem Heere und fielen hin und oͤffneten ihren Mund, und ſie hatten nicht die Kraft, auf ihren Fuͤßen zu ſtehen, ſofort fielen ſie hin, denn ſie ſahen eine große und glaͤnzende Erſcheinung. Denn ſie konnten nicht ſehen und ihre Augen nicht oͤffnen wegen der Fuͤlle des Lichtes, wie der Aufgang der Sonne in ſeiner Staͤrke. Und hernach kehrten die Leute Alexanders zuruͤck und be— richteten ihm die große Erſcheinung. Sofort zog Alexan— der an dieſen Ort und ſah ſie und brachte ein Opfer dar dem Herrn, dem Schoͤpfer des Alls. Und hierauf befahl Alexander, daß ſie die Geſichter bedecken und von den Stei— nen nehmen ſollten. Sogleich verhuͤllten ſie ihre Geſichter und nahmen von dieſen Steinen viel ohne Ende und fuͤllten ſie in ein hoͤlzernes Fahrzeug und brachten ſie den Weg eines vollen Monats vom Ufer des Ozeans weg. Hierauf befahl Alexander, ſie aus dem hoͤlzernen
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Fahrzeug herauszunehmen, und er baute aus dieſen Steinen eine große Mauer und eine Stadt; aber es waren in ihr keine Haͤuſer, ſondern nur die Mauer. Doch von der Menge der Tage und der Jahre verging die Farbe der Steine von außen infolge der großen Ge— walt des Windes und infolge des Staubes, aber im Innern waren fie im Glanze ihres Schmuckes.
Und als die Araber herrſchten, fiel dies Buch in die Hand eines Koͤnigs der Araber; er las die Geſchichte, die wir oben erwaͤhnt haben, er bemuͤhte ſich, die Mauer, die Alexander erbaut hatte, kennenzulernen, und ſandte einen großen Statthalter aus, um dies zu unterſuchen. Und es zog der Statthalter und ſein ganzes Heer aus, und am Ende eines ganzen Jahres gelangte er an dieſe Stadt und verſuchte die Mauer zu erſteigen, er ver- mochte es aber nicht, denn die Mauer war zu hoch. Da verfertigten ihm die Werkleute Leitern aus Holz von der Groͤße der Mauer, und er befahl ſeinen Leuten hinaufzuſteigen. Da ſtieg einer von ſeinen Leuten hinauf auf die Mauer, und ſobald er auf der Mauer ſtand, öffnete er feinen Mund, lachte laut und fiel ſogleich in die Stadt hinein. Sogleich ſtieg ein anderer hinauf und tat, wie der erſte getan hatte, bis die Haͤlfte des Heeres hinaufgeſtiegen war, und keiner kehrte zuruͤck, denn ſie fielen alle in die Stadt hinein. Da ſah der Statthalter, daß es keine Ruͤckkehr gab, er befahl, daß keiner von der uͤbrigen Haͤlfte ſeines Heeres hinaufſteige, und brach auf von der Stadt und kehrte zu dem Koͤnig zuruͤck und mel⸗ dete ihm, was ihm begegnet war. Da wunderte ſich der Koͤnig ſehr daruͤber und wußte nicht, was das war. Und es wußten die alten Weiſen nicht die Art des
Die Wunderſteine 277
Herausholens dieſer Steine. Das iſt es, was wir ers klaͤren wollen.
2 Der Stein aus dem Weſten
Dieſen Stein bringt man aus dem Weſtland: er findet ſich am Ufer des Meeres Okeanos mit dem Stein Be— dolach, wie wir oben zu Anfang des Buches erwaͤhnt haben. Und gar viele Steine findet man am Ufer dieſes Meeres. Zur Zeit, als Alexander, der Koͤnig der Jonier, an dieſes Meer kam, was ſah er da von Wundern und Wahrzeichen, und was von Tieren, und was von Stei— nen und koſtbaren Dingen von unſchaͤtzbarem Werte, und von jedem Stein, der Arznei — und Heilkraft be— ſitzt!
Und dieſer Stein iſt leicht an Gewicht und ſchwimmt auf dem Waſſer; wenn die Nacht kommt, zeigt er ſich uͤber dem Waſſer, und wenn die Sonne auf ihn ſcheint, verbirgt er ſich unter dem Waſſer, und ſobald die Sonne untergeht, und es kommt die Nacht, faͤngt er an, uͤber das Waſſer heraufzukommen. Wenn jemand ein Ge— wicht von ſechs Gerſtenkoͤrnern von dieſem Steine nimmt und es an die Pferde haͤngt, ſo koͤnnen ſie nicht wiehern, und man hoͤrt keinen Laut von ihnen. Alexander, der Koͤnig der Jonier, befahl ſeinem ganzen Heer und ſeiner ganzen Kriegsmacht, daß ſie von dieſem Steine an ihre Pferde hingen; wenn er nun mit den Koͤnigen zu kaͤmp— fen beſchloß, kam er unverſehens uͤber ſie und ſchlug ſie, denn ſein ganzes Kriegsheer war lautlos, und die Pferde vermochten nicht zu wiehern. So gewann er alle ſeine Kriege, denn er war ein weiſer Mann.
278 Der Born Judas
3 Der Stein Apolokos
Die Erklaͤrung dieſes Steines iſt, daß er ſeine Farbe aͤndert nach vielen Farben. Vor dieſem Stein fliehen die Daͤmonen und Geſpenſter, und ſeine Farbe iſt ſo, daß, wenn die Nacht kommt, du ihn wie Feuer ſiehſt. Und zur Stunde, als ihn Alexander ſah, befahl er ſeinem ganzen Heere, daß ſie von dieſem Steine nehmen ſollten, um ihn bei ſich zu tragen, und ſie wußten nicht, was er iſt. Als nun die Nacht hereinbrach, flogen Schleuder— ſteine, Pfeile und Steine in Menge auf ſie, ſo daß ſie erſchraken, denn ſie ſahen nicht, wer auf ſie ſchoß und Steine warf. Hierauf nahm Alexander von ihnen viele Steine, um ſie mit in ſein Land zu fuͤhren. Was die Kraft dieſes Steines betrifft, wenn von ihnen an einem Ort, wo ein boͤſes Tier oder Loͤwen, Panther, Baͤren, Woͤlfe und alle Arten von Tieren ſich aufhalten, etwas vergraben wird, ſo iſt ſeine Kraft und Wirkung die, daß er ſie von dem Orte vertreibt, wo er vergraben iſt. Es iſt ein koſtbarer Stein und wird nur bei Koͤnigen ge— funden; er vertreibt auch die Daͤmonen und die Ge— ſpenſter.
4 Samir
Der Wunderſtein Samir fuͤhlt ſich kalt und trocken an; er uͤbertrifft alle uͤbrigen Steine an Haͤrte, und man kann mit ihm die andern Steine ſchneiden. Die Kuͤnſtler meißeln mit ihm in Felſen Bilder und Figuren. Mit dieſem Stein kann man den Nierenſtein entfernen,
Die Wunderſteine 279
und Alexander hat einſt auf dieſe Weiſe einen kranken Koͤnig geheilt.
Der Stein iſt in einem weiten Tale zu finden, das in Indien gelegen iſt. Das Tal iſt aber von Schlangen voll. Alexander ließ, um den Samir zu gewinnen, Fleiſch— ſtuͤcke in das Tal werfen, und daran blieben die Steine haften. Danach ſchickte er Raubvoͤgel, und die holten das Fleiſch mit den Steinteilen daraus.
Fragmente
1 Gog und Magog
pe Joſeph Kimehi fand in einer Schrift die Ge— ſchichte erzaͤhlt, daß Alexander die Voͤlker Gog und Magog zwiſchen hohe Felſen eingeſchloſſen haͤtte. Es ſoll nur einen Ausgang aus dieſer Umklammerung ge— geben haben, und an dieſer freien Stelle befahl Alexander, einen eiſernen Bau zu errichten. Er ließ eiſerne Männer- figuren gießen, gab ihnen Hammer und Beile in die Hand und ſtellte ſie ſo ſinnreich auf, daß ſie mit Axten fortwaͤhrend gegen die Waͤnde ſchlugen. Alſo iſt es den Menſchen, die in den Felſen eingeſperrt ſind, als wuͤrde die ſie umgebende Mauer immer mehr und mehr befeſtigt, und als gaͤbe es fuͤr immer fuͤr ſie keinen Ausgang. Der Bau wird auch nicht eher zerſtoͤrt oder geoͤffnet werden, als bis der große, furchtbare Tag kommt, an dem es dem Herrn gefallen wird, den eingeſchloſſenen Voͤlkern die Freiheit zu geben.
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Gog und Magog ſind zwei Voͤlker, die hinter eiſernen Toren wohnen; ihrem Ausſehen nach ſind die Soͤhne dieſer Staͤmme Menſchen, ihrem Gebaren nach ſind ſie Raubtiere. Sie kennen weder Sitte noch Brauch, weder Handel noch Handwerk, weder Saat noch Ernte. Sie fangen das Wild und die Fiſche und leben davon, ſie ſtellen aber auch einer dem andern nach und eſſen einer das Fleiſch des andern.
Fragmente 281 2 Alexanders Gewohnheiten
Seit den Urzeiten iſt der Sitz der Weisheit Spanien. Dieſes geht auch aus folgendem hervor: Als Alexander in den Himmel ſteigen wollte, rieten ihm die Weiſen des Landes Iſrael, nach Spanien zu gehen, denn hier lebten noch judaͤiſche Weiſe aus der Zeit Salmanaſſars.
Alexander vermied es, Wein zu trinken und Wein— haͤuſer aufzuſuchen. Wenn er ſich zu einem Kriege ruͤſtete, ließ er einen Spielmann die Saiten einer Leier ſpannen. Verſank er aber dabei in Gedanken und Plaͤne, ſo ſchlug er mit dem Zepter gegen ſeinen Schild, und der Spielmann mußte aufhoͤren.
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Man erzählt von Alexander, daß, wenn er feine Heere für einen neuen Krieg begeiſtern wollte, er durch eine Poſaune ſprach. So wurde ſeine Stimme im ganzen Lager hoͤrbar; dieſes war aber zwoͤlf Meilen lang und zwoͤlf Meilen breit.
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Alexander zog von Ort zu Ort, um Weisheit zu er- langen. Seine Art war aber die eines Fuͤrſten, der reich und ruhmgekroͤnt und mit großer Macht auftritt; daher wurde ihm nicht alles beſchieden. Nicht ſo ſtellten es die wahren Philoſophen an. Mit dem Bettelſtab in der Hand, hungernd, duͤrſtend und ihre Seele peinigend, durch— ſtreiften ſie das Land und eilten uͤberallhin, wo ſie nur Einſicht und Wiſſen zu gewinnen hofften.
282 Der Born Judas 3 Der ſchlimmere Feind |
Alexander hielt in einer Hand den Spieß, mit der andern verteilte er Gaben an Arme.
Als der Koͤnig einſt froͤhlich von einem Kriege heim— kehrte, ſprach zu ihm ein Buͤrger: Alexander, du biſt froh des Sieges, den du im kleinen Kriege errungen haſt. Moͤgeſt du auch im großen Kriege Sieger bleiben! Da fragte der Fuͤrſt: Welcher Kampf iſt denn groͤßer als der, den ich eben beſtanden habe? Es wurde ihm ge— antwortet: Das iſt der Kampf gegen den eigenen Trieb.
Von Ariftoteles
1 Ariſtoteles und Alexander
7 ie Lehrer Ariſtoteles' waren Sokrates und Plato.
Nach dem Tode Platsos lebte Ariftoteles dreiund— zwanzig Jahre und unterwies Alexander, den zukuͤnf— tigen Fuͤrſten Mazedoniens. Sein Denkſpruch war: Der Weiſe verberge, was er weiß. Zuletzt ſtreuten ſeine Neider uͤber ihn aus, daß er wider die Goͤtter rede. Alſo floh Ariftoteles, damit es ihm nicht wie Sokrates ergehe. Zweiundſechzig Jahre wurde er alt und hinter— ließ Werke, deren Zahl nicht zu nennen iſt.
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Ariſtoteles hatte einſt den Zorn Alexanders erweckt und ſollte gekoͤpft werden. Weil es ſich aber um ſeinen Meiſter handelte, der ihm große Weisheit beigebracht hatte, und durch deſſen Rat er viele Kriege gewonnen hatte, zoͤgerte Alexander mit der Ausfuͤhrung dieſer Tat. Er befürchtete, daß das eine Empoͤrung unter den Juͤngern hervorrufen wuͤrde, und ſo ließ er Ariſtoteles nur ge— fangennehmen und ihn hart behandeln.
Ariſtoteles liebte das Kebsweib eines ſeiner Freunde. Ungeachtet des Abſcheus, den er gegen die Goͤtzendiener empfand, brachte er vor den Augen der geliebten Frau den Abgoͤttern ein Opfer und verrichtete das Amt des Prieſters.
284 Der Born Judas 2 Ariſtoteles der Benjaminiter
Der Weiſe Alurkis fragte ſeine Schuͤler: Wird es euch freuen, zu erfahren, woher die Philoſophie gekom— men iſt, und wie ſie entſtanden iſt? Die Schuͤler ent— gegneten: Jawohl, Herr, wir wuͤrden uns deſſen ſehr freuen. Alurkis ſprach: Die meiſte Philoſophie iſt auf uns von dem Weiſen Ariſtoteles gekommen. Gefaͤllt es euch, ſo erzaͤhle ich euch, wieſo ſie gekommen iſt. Die Schuͤler antworteten: Wir bitten dich, Herr, uns das wiſſen zu laſſen. Der Weiſe fing an und ſprach: Er war ein judaͤiſcher Mann, ein Jeruſalemiter aus der Sipp— ſchaft Kolia und dem Geſchlechte Benjamin. Er iſt von den fernen Inſeln Aſiens zu uns gekommen; er war die Berge herabgeſtiegen und weilte lange Zeit in unſerer Mitte. Er hat von uns die Philoſophie weitergetragen, uns aber noch viel mehr hinterlaſſen; wir haben aus ſeinem Munde gar vieles gehoͤrt.
3 Ariſtoteles und derewige Frieden
Du findeſt, daß Ariſtoteles in einer Abhandlung, die er an ſeinen Schuͤler Alexander ſandte, und welche er den „Brief des Verſtandes“ genannt hat, wie folgt ſagt: Es wird einſt in dieſer Welt ein vollkommenes Gluͤck herrſchen, eine Geſellſchaft, eine Ordnung; alle Men— ſchen werden in gleicher Weiſe unter einem Koͤnig ſtehen, ſie werden ausruhen von ihren Streitigkeiten und von ihren Kriegen und werden ſich nur ihrem Nutzen zu—
Von Ariftoteles 285
wenden, dem Ordnen ihrer Staͤdte und Wohnplaͤtze und werden gemeinſchaftlich in Ruhe und Sicherheit leben, ſo daß ſie ihre Zeit teilweiſe zur Ruhe des Koͤr— pers verwenden werden, teilweiſe zur Kenntnis der Moral und zum Forſchen in dem hoͤheren Gegenſtande, welcher die Weisheit in Wahrheit iſt. Sie werden das Begriffene ſtudieren und das Nichtbegriffene ſuchen. Ich wuͤnſche ſehr, Alexander, daß ich leben moͤchte, dieſe Zeit zu ſehen, wenn auch nicht ganz, wenigſtens teil— weiſe; wenn dies fuͤr mich, meines vorgeruͤckten Alters wegen, nicht moͤglich iſt, moͤge es wenigſtens in den Zeiten meiner Freunde ſein; wenn es in ihren Zeiten nicht ſein ſollte, ſo moͤge es wenigſtens in den Zeiten derjenigen ſein, welche ihnen gleichen und ihre Eigen— ſchaften beſitzen.
Ariſtoteles hat die Worte des Propheten Jeſaja ſich ſelbſt zugeeignet.
7
Quellenangaben) Literatur
Bibliſche Mären (Textſeiten 16—122) Der weiße Wolf
Wängerer Pfeudo-Midras „Maaſe al dor haaſiri“ in Hagoren VIII
S. 21. — Vgl. die Einleitung des Editors dſ. S. 9, 12—14 und ſeinen Artikel: A Moses Legend in The Jewish Quarterly Review New Series II S. 339-364 wie Friedlaͤnder dſ. III S. 179, 180. Siehe die Legende von Moſes und dem Habicht in den Ergaͤnzungen „Zu Moſe“. Durch die arabiſche Darſtellung wird erſt der dunkle hebraͤiſche Text klar.
Der Prophet und der Betrüger
Fortſetzung der obigen Geſchichte Hagoren a. a. O. S. 21-23. — Siehe die Erläuterungen des Editors S. 11, 12, 1416. Über den Midras ſelbſt ſiehe die Einleitung S. 18—20. Siehe die Geſchichte: Les trois voleurs, Chauvin S. 97; Die Geſchichte vom Herrn Jeſu, ſeinen Juͤngern und den drei Dieben in 1001 Nacht Ed. Habicht, Hagen und Schall XIVꝰ, Breslau 1827, S. 74-76, 1001 N. Ed. Henning XVIII S. 172—174 und die Geſchichte aus der Samm⸗ lung „Leyendas“ in Gruͤnbaums Neue Beiträge S. 280-282. In „Bruder Luſtig“ Grimms Kinder- und Hausmaͤrchen 1 § 81 ift der Held der Apoſtel Petrus. Vgl. Grimm III S. 139-141 und A. Thimme: Das Märchen, Lpz. 1909, S. 87-90. Zum Motiv, daß Betrüger einander ins Verderben bringen, val. die Geſchichte in Ben Hamelech ve'hanaſir, Mantua 5317, S XXVII und Die Geſchichte von dem Kaufmann und den beiden Gaunern 1001 Nacht, Henning V S. 53, 54.
Am Brunnen
Nach dem juͤdiſch-deutſchen Buche Megillath Eſther, angeführt in Gruͤnbaums juͤdiſch⸗deutſcher Chreſtomathie S. 215-218. Gruͤnbaum verweiſt auf das Gellertſche Gedicht: Das Schickſal (Ed. Hendel S. 58, 59), auf den Artikel: Gellert und Jämi in d MG XIV S. 706-710 wie auf d MG XVI S. 763, 764. Vgl. Die Ge⸗
*
Quellenangaben 8 289
ſchichte vom Propheten und von der göttlichen Gerechtigkeit in 1001 Nacht IX S. 43, 44 u. ſiehe Chauvin S. 69. Siehe Die Geſchichte vom Reiter, Roſenoͤl 1 S. 124, 125 und Die Geſchichte von der Ge— rechtigkeit und Billigkeit Chriſti uſw. in G. R. § 127 S. 248-250. Gaſton Paris in feinem Buche: La poésie du moyen äge S. 151 bis 187 bringt unſere Geſchichte in Zuſammenhang mit der Ge— ſchichte: Die Wanderung Elias mit bar Levai (Born Judas II S. 210-215). Siehe Hagoren a. a. O. S. 16-18. Es wird auch auf Prediger VIII 14, auf Tobias II 25, auf die Stelle in Bb. Tim. Berakhoth 1 S. 7a zu Exodus XXXIII 13 verwieſen. Perls, Monatsſchrift XXII S. 123, verweiſt auf die Talmudſtelle in Makkoth 1 S. 10b zu Exodus XXI I3. Siehe auch Plotinus Zitat in Nismath hajjim IV S 21 S. 73 a.
Das Bildnis
Ein Stuͤck aus dem Buche „Tiphereth Iſrael“ in Derech Hoemuno S. 56 b, 57 a. Siehe die Ergaͤnzungen zu Moſe Stuͤck 4.
Der Auerhahn und die Koͤnigin von Saba
Nach „Patſegen ha⸗ketab“ zum Targum feni zu Eſther I 2, beige: druckt dem Pentateuch „Mikraoth gedoloth“, Petrikau 5657. Vgl. Oſe pele 1 S. 17b—18b. Genauer aramaͤiſcher Text in Das Tar— gum ſcheni, Ed. David, Berlin 1898, S. 8-10. Vgl. Zweiter Tar: gum zum Buche Eſther in vokaliſiertem Urtext, Ed. P. Caſſel, Lpz. 1885, $ IV S. 12-23. Siehe Caſſels Einleitung zum Targum S. II- XII wie Davids Einleitung S. V- VIII. Siehe Ergan- zungen: Arabiſches, Die Koͤnigin von Saba und dazu A. Geiger: Was hat Mohammed aus dem Judentum aufgenommen, Bonn 1833, S. 184-188; W. Herz: Geſammelte Abhandlungen, Stuttgart 1905, S. 417-419; Gelbhaus: Die Targumliteratur, Frf. a. M. 1893, S. 25—28; Gruͤnbaum: Gef. Aufſ. S. 34, 43; Neue Beiträge S. 212220. Über Bilgis und die Königin von Saba ſiehe Roſenoͤl I S. 155—162; Weil: Bibliſche Legenden, S. 225—279 und vgl. G. Reſch: Abhandlungen in den Jahrbuͤchern fuͤr die proteſtantiſche Theologie VI S. 524-572; Klausner Haſchiloah XIII S. 444-456,
290 Der Born Judas
Kahana df. XIV S. 93, 94. Zu dem Behaarungsmotiv ſiehe Alph. Sir. S. 21 b, das Fragment in Brills Jahrbuͤchern IX S. 4, Mekad⸗ monioth ha-jehudim S. 121, 122. Vgl. Kebra nageſt, Ed. Betzold, Muͤnchen 1905, S. LIII (rezenſiert zd MG LX S. 666-674), wie Die Legende von der Koͤnigin von Saba uſw. in Littmanns Bi- blioteca Abessinica I, Leyden 1904, und Der Weiſe und der Tor XLI S. 353-355. Siehe Salſeleth ha-Kabbala S. 80 a. Siehe auch S. Singer: Die Salomonſage in Deutſchland, Ztſchr. für das deutſche Altertum XXXV S. 177, 178 wie Gunkel: Das Maͤrchen im A. T., Tuͤbingen 1917, S. 143, 144, 31, 32.
Die Raͤtſel
Md. Misle, Ed. S. Buber, Wilna 1893, 11. — Vgl. Jalkut Si⸗ meoni II $ 1085 u. ſiehe dazu Bubers Anmerkungen zu Md. Misle dſ., S. 20 b, Einleitung ©. 6a, wie Wuͤnſche, Md. Misle, Leipzig 1885, Einleitung S. VII- IX, S. 2 und Gruͤnbaum N. B. ©. 220 bis 221. Verwieſen wird noch auf Md. Echa Rabba I 11. Über die Raͤtſel ſiehe Caſſels Anmerkungen zum Targum ſcheni a. a. O., W. Herz: Ztſchr. für das deutſche Altertum XXVII S. 1-33 und Geſamm. Abhandl. S. 413-455.
Der Knabe Salomo Frg. aus „Heſeg Salomo“ in Schem Hag' dolim II, Ed. Ben Jakob, Wien 1864, S. 25 ab.
Die Ameiſe und der ſeltſame Palaſt
Erſtes Stuͤck: „Maaſe ha-Nemala“ in B. Hm. V ©, 22— 26 (vgl. Einleitung df. S. XI XIII, wieder abgedruckt in Ozar Mi- drashim II S. 534 a—536 a u. in Maaſe Niſſim §35 S. 544-57 4. — Zweites Stuͤck: Ben Hamelech ve’ hanaſir S XVI S. 52 b. Remi⸗ niſzenzen uͤber den Adler, der Salomo in einem Tage von Jeruſalem nach Tadmor zu bringen pflegte, find in Md. Khl. Rabba II 25, Md. Khl. Suta dſ. und in Sohar Numeri S. 233 a enthalten. (Vgl. Gruͤnbaum, Gef. Aufſ. S. 185, 186.) Von Dämonen, die Salomo nach Indien ſchickte, erwähnt ebenfalls Md. Khl. Rabba V 2, Md. Khl. Suta df. (vgl. Targum z. St., Gruͤnbaum a. a. O. S. 28,
Quellenangaben 291
Sachs, Beiträge I S. 68). uͤberſetzt: Wuͤnſche, Aus Iſraels Lehr— hallen II, Lpz. 1908, S. 1—7 (ſiehe die Anmerkung S. 8). Siehe Er— gaͤnzungen: Arabiſches 2, 3, 4 wie Tabari Ed. Zotenberg I, Paris 1869, S. 457-459; Roſenoͤl 1 S. 174, 177, dſ. 169. Von einem Tep⸗ pich, der fliegen kann, erzaͤhlt auch die Geſchichte: Die Stiefmutter und der Vogel in D. H. Muͤller: Suͤd⸗arabiſche Expedition VII $ XII S. 52-58. Vgl. auch 1001 N. XXI S. 104. Zu den In⸗ ſchriften vgl. Die Geſchichte von der meſſingenen Stadt, 1001 N. X S. 99—141, wie Plutarch, Alexander § 69.
Der Sturz
Md. „al jithalel“ in Sf. ha⸗likkutim 1 S. 20b—22b, B. Hm. VI S. 106, 107 (ſiehe Einl. daſ. S. XXVI, XXVIh. Beide Texte abge: druckt in Ozar Midrashim IS, 16 a—17 b. Vgl. Neve Salom S. 53 bis 55 ; Hibbur maaſioth, Verona; Sf. ha⸗maaſioth §IVS.5b-6b, Oſe pele 1S. 18 b, 19 a. Talmudiſch-midraſiſche Quellen: Bb. Tim. Gittin VII S. 68 ab, Md. Thl. LXXVIII 12, Pl. Tim. Suh. II S. 20c, Peſikta d'rab Kahana XXVII S. 169 a, Md. Schir hasfchirim Gruͤnhut III S. 29-30 a, Tg. Khl. 112, Md. Khl. Rabba II 3, Md. Tn. Ahare § 1 u. Md. Tn.? Ahare § 2. Vgl. Bachja Leviticus S. 138 a und Meil zeduku § 531 S. 33 d, Sepher Shaashuim XI S. 128. Uberſetzungen: Helvicus II S. 96-103 (aus dem Maaſe⸗Buch); Paſcheles, Sippurim 1“ S. 12—24; Tendlau XI S. 176-196; Ehrmann, Palaͤſtina und Babylon, Wien 1880, $ 36 S. 49-53; Levi⸗Seligmann: Parabeln, Legenden und Ge— danken aus Talmud und Midrafch? Lpz. S. 82—90; Kuttner I S. 14-20. Über die Sage ſiehe Steinſchneider: Hebraͤiſche Biblio— graphie XVIII S. 58; Gruͤnbaum: Gef. Aufſ. S. 29—55 (über unſern Midras S. 55—57, 449, 450); Jung Juda XVI; He'atid V S. 40. Siehe auch Fr. Vogt: Salmon und Morolf, Halle 1880, Einl. S. XLVI-LIII; o. Vincenti: Die altenglifchen Dialoge von Salo— mon und Saturn I, Lpz. 1904, S. 5—7; A. Weſſelofsky: Neue Beiträge zur Geſchichte der Salomonſage, Archiv fuͤr ſlaviſche Philologie VI S. 556, 557.
292 Der Born Judas
Salomo und die Greiſin
Md. Schir ha⸗ſchirim Gruͤnhut 1117 S. 29-30 a. Zum Ring vgl, Tabari 1 S. 451454; Roſenoͤl 1 S. 170174; Gruͤnbaum, N. B. S. 222—226, 251, 271, 272; ſiehe auch Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literatur CVIII S. 131, 132. Dio Caſſius, Roͤmiſche Geſchichte XXIX $ 18, erzählt von einem Dämon, der ſich fuͤr Alexander den Großen ausgab. Siehe auch Tuti Nameh, Die Geſchichte des Juͤnglings, der den Manſur nachahmte, S. 207 bis 214.
Salomo als Bettler Md. Misle XV I, J. S. II S 953. Vgl. Dfe pele III S. 40a bis 41 a. Siehe Gruͤnbaum, Geſ. Aufſ. S. 46. Siehe auch Germania XXVS. 132 und die Geſchichte in G. R. 1$ 49 S. 87-96: Von allzugroßem Hochmut und wie die Stolzen oft zur tiefſten Niedrigkeit gelangen.
Der Roman von Salomo und Naama
Geſchichte aus „Emeg ha-melech“, Amſterdam 5413, abgedruckt in B. Hm. II. S. 86, 87. Vgl. Maaſſe Adonai, Lemberg 1852, S. 19 b-21b und Sippure anfe ſem, Podgörze 1903, SX S. 5b—7 a, Juͤd.⸗deutſche Quelle: Maaſe-Buch S. 84 bd. Überſetzungen: Sippure muſſar § X S. 29—31; Tendlau S. 212—217; Bredow VIII S. 25 u. ff.; Kuttner IV S. 17 u. ff.; Wuͤnſche a. a. O. S. 9—12 (unter dem Namen Salomos Wanderjahre). Über die Geſchichte ſiehe Stein— ſchneider: Hebr. Bibliographie XIII S. 57, 58; Gruͤnbaum: Füd.- deutſche Chreſtomathie S. 449, 450, Geſ. Aufſ. S. 187, N. B. S. 251 bis 252; Vogt a. a. O. Einl. S. LIII; Günter: Die chriſt⸗ liche Legende uſw., Heidelberg 1910, S. 83. Siehe auch die Ge— ſchichte von Salomo im Lande des Königs Iram in Gruͤnbaums N. B. S. 273—277.
Das verwahrte Gut „Meſalim ſel Salomo ha-melech“ in B. Hm. IV S. 150, 151 (ſiehe Einl. dſ. S. XIV). Wiederabgedruckt in Ozar Midrashim II S. 533 ab. Vgl. Hibbur maaſioth, Dfe pele 1 S. 23 b, 24a, Maaſe
Quellenangaben 293
Niſſim § 37 S. 60 ab. Überfegungen: Maaſe-Buch S. 61 ae; Juͤdiſche Hiſtorien I S. 99—103 (aus dem Maaſe-Buch); Kuttner III S. 9-12 (a. d. MB); Wuͤnſche a. a. O. S. 22-24. Über die Geſchichte ſiehe Perls, Monatsſchrift XXII S. 121, 122; Hebr. Bibliogr. XVIII S. 40 u. d. Abhandl. in Suͤd⸗arab. Exped. IV S. 190-192. Vgl. auch Die Geſchichte des alten Kodjan uſw. 1001 Nacht III Ed. Weil S. 449.
Der Erbe und der Knecht
Mefalim uſw. in B. Hm. IV S. 145, 146. Wiederabgedruckt in Oz. Md. II S. 531 a. Vgl. Hibbur maaſioth; Oſe pele 1 S. 20 b, 21a; Maaſim tobim $ 22. Siehe Ergänzungen, Verſionen Stuͤck 1. Überf.: Wuͤnſche a. a. O. S. 13, 14. Über die Geſchichte ſiehe Hebr. Bibliogr. XVIII ©. 39. Vgl. die Geſchichte Von Joſia dem Kaiſer zu Rom G. R. II Erſter Anhang §V S. 136-139 und die Belege dazu S. 279; Des Knaben Richterſpruch in Suͤd-arab. Exped. IV S. 60-68; Der Knabenkoͤnig in Juͤlgs Mongoliſchen Märchen, Innsbruck 1868, S. 63-67.
Das geliehene Ei Un Recueil de contes juifs inẽdits $ IX in Revue des Etudes juives- XXXV S. 65-67. Wiederabgedruckt in Oz. Md. I S. 347b, 348 a. Vgl. Die kluge Bauerntochter, Grimms Märchen 118 94 S. 44—47.
Die mildtätige Frau Maaſim tobim $ 13 S. 18b-19b. Siehe Ergaͤnzungen, Ver: ſionen Stuͤck 5.
Der Streit der Glieder Md. Thl. ? XXXIX 2. Mit einigen Abweichungen und nicht mit Salomo als Helden in Md. Thl. alter Text, J. S. II § 721; Jalkut Machiri Ed. S. Buber, Berditſchew 1899, XXXIX 2; Jalkut Hamachiri Ed. Gruͤnhut, Jeruſalem 5662, Misle XVIII 21; Sf. ha⸗maaſijoth $ 63 S. 38 b, 39a; Orehoth hajjim, Wilna 1855, S. 52 b. Siehe die indiſche Urquelle in Ergaͤnzungen, Wer:
294 15 Der Born Judas
ſionen Stuͤck 4 und vgl. I. Korinther XII 21. Baͤck: Die Fabeln in Talmud und Midraſch, Monatsſchrift XXIX S. 107-110, ver⸗ weiſt auf die Fabel des Menenius Agrippa in Livius II Kap. 32 (von Shakeſpeare im Koriolan verarbeitet). Siehe Plutarch, Korio— lanus § 6 und Landsberger: Die Fabeln des Sophus, Der Bauch und die Füße § 53 S. 96, 97 wie die Einl. S. LXXXVII bis XC. Siehe auch Jacobs: The Fables of Aesop I, London, S. 85, 86.
Der Erbe mit den zwei Koͤpfen
Hibbur maaſijoth, B. Hm. IV S. 151, 152. Wiederabgedruckt in Oz. Md. II S. 533 b, 534 a. Vgl. Oſe pele 1 S. 21 ab u. ſiehe Ergaͤnzungen, Verſionen Stuͤck 2. Überf.: Wuͤnſche a. a. O. S. 24 bis 26. Über die Geſch. ſiehe Hebr. Bibliogr. IX S. 15, 16, XVIII S. 61; Revue des Etudes juives XLV S. 305-308.
Das Schachfpiel B. Hm. VI S. 124—126 (aus dem Maaſe-Buch S. 77 b-ch. uͤberſ.: Juͤdiſche Hiſtorien 1 S. 172-177; Kuttner 1 S. 21-23. Vgl. Steinſchneider, Serapeum XXXVII S. 10.
Die Schlange und der Menſch
Erſtes Stuͤck: Frog. in Md. Tn.? Mebo S. 78a. — Zweites Stuͤck: Maaſe⸗Buch S. 43 d, 44 a. Vgl. zu beiden Stuͤcken Gruͤn— baum, N. B. S. 236, 237; Sid. Chreſtomathie S. 441. Überf. des zweiten Stuͤckes: Juͤdiſche Hiſtorien II S. 115-119; Kuttner III S. 17-19. Vgl. Aſops Fabeln I 10 in K. Simrocks Deutſchen Volksbuͤchern LII Frf. a. M. S. 66; Phaͤdrus IV 19, Ruͤckerts uͤberſ. Lpz.; Leſſings Fabeln II 3; die Geſchichte: Wie das, was die Natur lehrt uſw. in G. R. II $ 174 S. 118, 119 u. ſiehe Be⸗ lege S. 277. Vgl. auch Socin: Der neuaramaͤiſche Dialekt des Tur Abdin S LXXIV S. 310; 1001 N. V S. 31; Sukaſaptati: Der Edelmann, der eine Schlange in feinem Armel verbarg S. 214, 215 wie die Geſchichte: Der Lohn guter Taten in Daͤniſche Volksmaͤrchen II S. 245—249. Siehe auch Held: Märchen und Sagen uſw. Ein kluger Richter S. 140, 141 und Beſtrafter Undank S. 154, 155.
Quellenangaben 295
Der Pſalmenvers Aramaͤiſche Geſchichte in B. Hm. V S. 52, 53 (ſiehe Einl. dſ. S. XXII XXIV u. Einl. zu B. Hm. VI S. XVI, XVI) und Raw poolim S. 11 a. Wiederabgedruckt in Oz. Md. I S. 213 4-214 a.
Ein Wort des Predigers
Mefalim uſw. beigedruckt dem Buche „Dibre ha⸗jamim l'moſe rab— benu“ S. 60 a-62 a. Siehe B. Hm. IV S. 146-148 (wiederab- gedruckt in Oz. Md. S. 531 b, 532 a); Sefer ha-maafijoth § 67 S. 37a-38b; Oſe pele 1 S. 22 a-—23 a. Vgl. Le Libanon VI S. 128. Überſ. Wuͤnſche a. a. O. S. 16-19. In Sepher Shaa- shuim $ II S. 26—30 wird die Geſchichte nicht von Salomo, fondern von einem arabiſchen Koͤnig erzaͤhlt. Siehe Einleitung des Editors S. XLIXLII.
Vor den Augen des Gemahls Mefalim uſw. a. a. O. S. 60 ab; B. Hm. IV S. 146 (wieder: abgedruckt in Oz. Md. II S. 531 ab); Oſe pele 1 S. 21 b, 22a. Überf.: Maaſe⸗Buch S. 60 be; Wuͤnſche a. a. O. S. 15, 16. Vgl. die Geſchichte Von Gordianus dem Kaiſer in G. R. II S. 186-189.
Der Dieb verraͤt ſich ſelbſt
The Sefer ha-Maasiyoth CXXI, CXXII; Sefer ha-maaſi— joth $ 46 S. 30a-31a; Oſe pele I S. 20 ab. Vgl. Frg. in Seloſa ſefarim niphtahim S. 47 b. Überſ.: Maafe-Buc S. 69 ab; Wuͤnſche a. a. O. IV S. 103-105; Kuttner ITS. 17-21 (aus dem Maaſe⸗Buch). Siehe Hebr. Bibliogr. XVIII S. 40. Vgl. die Geſchichte Das groͤßte Opfer, Indiſche Maͤrchen S. 70—75; Oeſter⸗ ley: Baital Pachiſi Lpz. 1872, S. 86-89; Die Geſchichte vom Ju— welenhaͤndler und dem König, Roſenoͤl II S. 277280; Die Ge— ſchichte des Sultans Akſchid, 1001 Tag, Ed. Paul Ernſt, Lpz., III S. 34-44; Radloff III S. 389-395, Die Geſchichte von den drei Soͤhnen; Tuti Nameh, Die Geſchichte von der geiſtreichen Koͤnigs— tochter, S. 137-185. Vgl. auch Benfeys Orient u. Occident II S. 316.
296 Der Born Judas
Der gute Rat Mefalim uſw. a. a. O. S. 624-63 b; B. Hm. IV S. 148-150 (wiederabgedruckt in Oz. Md. II S. 5322-533 a); Oſe pele I S. 23 ab. Überſ.: Maaſe-Buch S. 60a; Wuͤnſche a. a. O. II S. 19—22. Siehe Hebr. Bibliogr. XVIII S. 39, 40.
Der Freund Salomos
Ben Hamelech ve'hanaſir S XXIV S. 71b-73 a. Val. Weißlo⸗ vits Prinz und Derwiſch, München 1890, S. 116-120. Bearbeitet in der karaͤiſchen Sammlung „Dabar dabur“, Warſchau 1904, IXI S. 102-104. Vgl. Socin a. a. O. $37 S. 270; Eſſigmann: Sagen und Maͤrchen Altindiens, Neue Reihe, Berlin 1916, S. 172; Tuti Nameh, Der Rat des Widders, S. 361-365; G. R. Anhang S. 182-185; 1001 N. I S. 18-22; Grimm III S. 380-384; Maͤrkiſche Sagen und Märchen S. 268-270. Siehe Seen Hebr. uͤberſ. S. 864 Anm. 99.
Die Genoſſin des Meiſters Bisher unbekannte ſalomoniſche Geſchichte, abgedruckt in Likkute maaſijoth, Ed. Iſrael bar Saſon, Jeruſalem 5669, S. 11b-15a (Auszug). Siehe Tuti Nameh, Die Geſchichte vom indiſchen Koͤnigs— ſohn und vom Weibe des Kriegers S. 61-92; vgl. auch Der König und das Weib ſeines Weſirs 1001 N. X S. 145, 146.
Der ſiebenjährige ben Sirach Alph. Sir. S. 204-21 4 (Auszug).
Die Horniſſe Alph. Sir. S. 24 ab. Siehe Ergaͤnzungen Verſionen Stuͤck 3 und Gruͤnbaum, N. B. S. 195.
Der Rabe und der Ochſe Erſtes Stuͤck: Alph. Sir. S. 26 b. Vgl. J. Derenbourgue: Ka- liäh et Dimnah, Paris 1881, S XII S. 237. Über K. u. D. ſiehe Steinſchneider in d MGG XXVII S. 553-565. — Zweites Stuck: Alph, Sir. S. 24 b, 25 a.
Quellenangaben 297
Der Froſch Erſtes Stuͤck: Sefer pirge ſira, Venedig 1664, Anfang. Vgl. Sohar Numeri S. 232 b. — Zweites Stuͤck: Iggereth Baale Chaſſim, Mantua 5317, II § 10. Vgl. J. Landsberger: Iggereth Baale Chaj— jim, Darmſtadt 1882, S. 91-93.
Die Ohnmacht der Großen gegen die Kleinen Iggereth Baale Chajjim V8. Val. Landsberger a. a. O. S. 196, 197. Siehe Tuti Nameh, Der Kalif und die Fliegen S. 192, 193.
Der ruhmredige Vogel Zeror ha-mor, Venedig 5306, Gen. S. 33 d. Vgl. Meqgor haſſim Belgoraj 1912, § 213 S. 31a. In 1001 Tag III S. 5053 trägt die Erzaͤhlung den Namen: Die Geſchichte vom Sperling und ſeinem Weibe.
Von Alexander (Textſeiten 124-199)
Die Herkunft Alexanders Seder Hadoroth 1 S. 67 d. Vgl. Salſeleth ha-Kabbala S. 83 a; Zemah David II S. Sb, 9a, dſ. 1 S. 16 b. Siehe Plutarch: Alex⸗ ander § 2, 3; Arrian von Nikomedien: Taktik und Geſchichte der Feldzuͤge Alexanders, Überf. Doͤrner, Stuttgart 1863, II 5; ſiehe Fries: Studien zur Odyſſee II, Lpz. 1911, S. 161.
Der Traum Philipps
Joſippon, Mantuager Neudruck, S. 78-80, Joſippon, Gotha, I! Kap. 13 S. 105, 106. Vgl. Sefer Toldoth Alexander des Anonymus Ed. Levi in Kobez al Jad II S. 5, 6 und Sf. Alexander Mokdon in Steinſchneiders Feſtſchrift Hebr. Beilage S. 147. Über den Alex⸗ ander⸗Roman in Joſippon ſiehe Vogelſtein und Rieger: Geſchichte der Juden in Rom, Berlin 1896, I S. 189, 190, II 483-485. Über alle drei Alexander-Romane ſiehe Steinſchneiders Hebraͤiſche Überſetzungen § 540 S. 894-905 ; über Toldoth Alexander ſiehe Revue des Et. juives XIV S. 299 u. ff. Zum Thema ſ. Plutarch:
298 Der Born Judas
Alexander §6; Pſeudo-Kalliſthenes, Ausg. Weismann, Frf. a. M. 1850, 115-17; A. Ansfeld: Der griechiſche Alexander-Roman, Lpz. 1907, S. 38-40.
Der aͤgyptiſche Zauberer Sf. Alexander Mokdon S. 143.
Alexander und ſeine Bruͤder l. a. O. S. 143, 144. Vgl. zum Anfang Toldoth Alexander S. 7, 8. Alexanders Lob Toldoth Alexander S. 14.
Abulon und Ammon Erſtes Stuͤck: a. a. O. S. 8. Vgl. Pſeudo-Kalliſth. 1 45. — Zweites Stuͤck: a. a. O. Siehe Arrian III 3, 4 und Quintus Kurtius Rufus: Von den Taten Alexanders des Großen, Überf. Chriſtian, Stuttgart 1882, IV 7.
Serapis A. a. O. S. 89. Vgl. Pf.: Kall. III 24. uͤber S ſ. Apollo⸗ dors Mythologiſche Bibliothek, uͤberſ. Moſer, Stuttgart 1828 IT 81 und Peterſen: Die Serapislegende im Archiv fuͤr Religionswiſſen ſchaft XIII S. 47-74.
Die heilige Hoͤhle Toldoth Alexander S. 46, 47.
In den Luͤften und im Meere
Sf. Alexander Mokdon S. 156, 157. Vgl. Toldoth Alexander S. 48, Pſ.⸗Kall. II 41, 38 u. Jul. Zacher, Pſeudocalliſthenes, Halle 1867, S. 133, wie Kebra Nageſt Einleitung S. LII; Lidz⸗ barſki, Ztſchr. für Aſſyriologie VII S. 113. Talmud.⸗midr. Quellen: Pl. Tim, Aboda Zara III S. 42 c (val. die Toſefiſten zu Bb. Tim. dſ. S. 41a); Md. Bamidbar Rabba XIII 14; Pirge d'rabbi Elieſer XI; Mo. afereth melachim in Beth eged ha-agadoth 11 S. 44, 45. In Md. Tehillim “ XCIII 6 begibt ſich nicht Alexander, ſondern ! Ha⸗
Quellenangaben 299
drianus auf den Meeresgrund. Siehe Poznauſki, Hazefira 1918 Nr. 20 S. 7a-ga. Derſelbe verweiſt auch auf Meißner, Das Buch vom weiſen Achiqar, Lpz. 1917, S. 31.
Wilde Menſchen und Tiere Joſippon, Mantna, S. 93, 94; Joſippon, Gotha, II § 16 S. 122, 123. Vgl. Pf.⸗Kall. II 29, 32, 33, 34; Griechiſche Maͤrchen, Jena 1913, S. 329-331; ſ. auch Juda Hadaſſi, Eskol ha⸗Kopher, Eupatoria 1836, § 43 S. 24 c. Über die ſaͤgenaͤhnlichen Haͤnde ſiehe Meißner: Alexander und Gilgamos, Lpz. 1894, S. 4.
Seltſame Pflanzen
Toldoth Alexander S. 35 und Joſippon, Mantua, S. 94, 95; Joſippon, Gotha, II § 16 S. 124, 125. Vgl. Pſ.⸗Kall. II 36.
Die eingeſchloſſenen Wilden
Toldoth Alexander S. 26, 27. Siehe Ergaͤnzungen Fragmente
Stuͤck 1. Die ſprechenden Baͤume
Joſippon, Mantua, S. 100-102; Joſippon, Gotha, II § 18 S. 133-135. Vgl. Toldoth Alex. S. 42, 43; Sf. Alex. Mokdon S. 148. Vgl. Pf.⸗Kall. II 40, 44, III 17; Griech. Märchen S. 340-345. Das Buͤchlein Zel ha'olam, Amſterdam 5493, S. 8 b berichtet von einem Baum in Indien, mit dem Alexander geſprochen haben ſoll. Siehe über das Buͤchlein Steinſchneider: Hebr. uͤberſ. § 570 S. 950, 951.
Das Grab des Althemenes
Sf. Alexander Mokdon S. 144-146. Vgl. Toldoth Alexander S. 42, 43. Das Stuͤck erinnert etwas an den Beſuch Salomos im ſeltſamen Palaſt.
Der Loͤwe als Reittier Toldoth Alexander S. 157.
300 Der Born Judas
Die Gebeine Jeremias
A. a. O. S. 9. Über die Erbauung der Stadt Alexandria ſ. Meor enajim S XII S. 156, 157; Zemah David II S. 9a; Rappaport Erech millin S. 98-103; Arrian IIS 2; Rufus IVS 8.
Manna Sf. Alexander Mokdon S. 162, 163.
Im Lande der Soͤhne Jonadabs Joſippon, Mantua, S. 95-97; Joſippon, Gotha, ITS 16 S. 124 bis 126. Siehe Serith Iſrael S. 6; J. Friedlaͤnder: Die Chadhirlegende
und der Alexander-Roman, Lpz. 1913, S. 21 Anm. 4. (Siehe über
das Buch ZdMG LXVII S. 739-751). Jewish Quarterly Review New Series I 252-257.
Von dem Lebenswaſſer
—
Sf. Alexander Mokdon S. 155. Vgl. Pf.-Kall. II 39. Siehe Ethé: Alexanders Zug zum Lebensquell im Lande der Finſternis, München 1871, S. 343 u. ff.; Wunſche: Alexanders Zug nach der Lebensquelle, Jahrbuͤcher für juͤd. Geſch. u. Lit. 1898, S. 109-131; derſelbe: Die Sagen vom Lebensbaum und Lebenswaſſer, Lpz. 1905, S. 71 u. ff.; J. Friedlaͤnder: Alexanders Zug nach der Lebensquelle, Archiv für Religionswiſſ. XIII S. 161-246.
Vor den Toren des Paradieſes
Sf. Alexander Mokdon S. 155, 156. Talm. Quelle: Bb. Tim. Tamid IV S. 32 b. Siehe Salſeleth ha-Kabbala S. 73 b. Jellinek, Ben Chananja 1861 S. 166; Schorr, He-haluz VIII S. 22; Stein⸗ ſchneider: Hebr. Bibliographie IV S. 74, 75; Hebr. Überſetzungen S. 895 Anm. 268; Hommel im Anhang zu Weißlovits' Prinz und Derwiſch S. 166-168; Jul. Ruſka: Unterſuchungen uͤber das Stein- buch des Ariſtoteles, Heidelberg 1911, S. 8. Vgl. auch Weil: Bibl. Legenden S. 94, 95; das Stuͤck: Im Lande der Seligen, Griech. Maͤrchen S. 335, 336.
Quellenangaben 301
Der König und die Weiſen Joſippon, Mantua, S. 98-100; Joſippon, Gotha, IIS 17 S. 128 bis 130. Vgl. Toldoth Alexander S. 34, 35; Sf. Alexander Mokdon 153. Siehe Plutarch § 64; Pſ.⸗Kall. III 6. Talm. Quelle: Tamid a. a. O. Über Plutarch und Talmud ſ. Meor Enajim S X S. 126-128. Siehe auch Gruͤnbaum, N. B. S. 258; Meißner S. 7.
Der ſeltſame Rechtsfall
Erſtes Stuͤck: Sf. Alexander Mokdon S. 149. — Zweites Stuͤck: Hibbur maaſijoth. Vgl. Md. Tn.“ Mebo S. 76 b; Sefer ha-maaſijoth § 8 S. 8b. Siehe Pſ.⸗Kall. III 25, 26 u. die Parallelen in Ergan- zungen wie Arabiſches Stuͤck 7 u. Philoſtratus: Leben des Apollonius von Thana, Überſ. Lindau, Stuttgart 1832, II § 38. Siehe auch Tuti Nameh, Von dem Käufer und dem Verkäufer S. 394, 395, Talm.⸗midr. Quellen: Bb. Tim. Tamid a. a. O.; Pl. Tim. Baba Mezija II S. 80; Md. Bereſith Rabba XXXIII I; Md. Vajikra Rabba XXVIII; Md. Tn.“ Emor 8 9; Pf. d'rab Kahana IX S. 74a, 75a; Md. Hag⸗gadol VI 7; Jalk. Simeoni II $ 727, Beth eged ha⸗agadoth II S. 45; Md. Jona in Agudath agadoth, Ed. Horovitz, Berlin 1881, 1 S. 27, 28 wie Ilk. Simeoni zu Jona § 550, 551. Siehe Md. Bereſchit Rabba Ed. Theodor S. 301 Anm. 2; Lerner: Anlagen und Quellen des Bereſchit Rabba, Berlin 1882, S. 98 Anm. 1.
Der Letzte ſeines Geſchlechts Sefer Musre Haphiloſophim des Honein ibn Iſhak in der Überf, von Jehuda ben Salomo Alchariſi, Ed. Loewenthal, Frf. a. M. 1896 185 S. 31a. Siehe darüber Dukes: Rabbiniſche Blumenleſe, vpz. 1844, S. 61, 62; weiteres in den bibliographiſchen Notizen.
Briefe eines Brahmanenprieſters
Auszug aus Toldoth Alexander S. 35—42. Siehe Pf. Kall. III 11, 12 u. Steinſchneider, Hebr. Überſ. S. 895 Anm. 267.
302 Der Born Judas
Alexander als Herrſcher
1. Musre Haphiloſophim II S5 ©. 29, 30. Zum Motiv von der Einſchrumpfung des Herzens vgl. Goren Nachon, Lyck 5619, S. 27a und Tsemah Tsaddiq von Modena, Ed. Druckerman, New Pork 1899, S. 14 b. Zu Rominus vgl. G. R. 18 61 S. 99).— 2. Erſtes Stuͤck: a. a. O. S. 30, 31. Zweites Stuͤck: Dſ. § 4 S. 27, 28. Drittes Stuͤck: The ethical Treatises of Berachya son of rabbi Natronai Ha-nakdan, Ed. Gollancz, London 1902, SCXIX S. 111. Vgl. Mibehar ha-Peninnim, Ed. Deſſau-Loͤwinſohn, Berlin 1842, S. 17a und The hebrew Version of The Secretum Secretorum Ed. M. Gaſter in The Journal of The Royal Asiatic Society, Hebr. Text S. 2. — 3. Erſtes Stuͤck: Ben Hamelech ve'hanaſir & XX S. 64a b. — Zweites Stuͤck: Fragment zu Toldoth Alexander S. 60; ogl. dſ. S. 17. Siehe Alianus: Vermiſchte Nachrichten, Überf. Wunder— lich, Stuttgart 1839 IV S$ 29. — Drittes Stuͤck: Tsemah Tsaddiq S. 22a, 25b, 35a. Das Buch Tsemah Tsaddiq iſt eine Be— arbeitung von Fiore di virtu.
Der mutige Juͤngling Ben Hamelech ve'hanaſir FVI S. 25b, 26 a. Vgl. Weißlovits S. 72, 73. In der Wuͤſte Tsemah Tsaddiq d XXV S. 66a b.
Der Seeräuber
A. a. O. S XII S. 22 2-23 a. In Hans Wintler: Buch der Tugend, Augsburg 1486, iſt dieſelbe Geſchichte zu finden.
Die Gabe Erſtes Stuͤck: A. a. O. S XIV S. 26 b, 27 a. — Zweites Stuͤck: Df. S. 28a b. Die Vorzeichen Erſtes Stud: Sefer Aler. Mokdon S. 163. Vgl. Pſ.⸗Kall. III 33. — Zweites Stuͤck: Toldoth Alex. S. 50, 51.
Quellenangaben 303
Der toͤdliche Trank A. a. O. S. 51, 52 (gekuͤrzt).
Die Klage der Mutter Musre Haphiloſophim III 54 S. 54.
Die Trauerreden A. a. O. § 5 S. 55—57; dſ. § 6 S. 57, 58; dſ. §7 S. 58 (Auszug). Überſetzt in M. E. Stern: Zur Alexanderſage, Wien 1861. Vgl. Le Libanon II S. 30 und das Stuͤck: Von des Todes Schrecken G. R. 1831 S. 54.
Das Troſtſchreiben Alexanders an ſeine Mutter
Erſtes Stuͤck: Musre Haphiloſophim III S1, 2 in der Bear- beitung des „Niphlaim maaſecho“ S. 20a b. — Zweites Stuͤck: Musre Haphiloſophim III S 12 S. 62 (Auszug). Vgl. Goren Nachon S. 26 b, 27 a; Zeri hazjagon S. 4043; Tsemah Tsaddiq S. 15-16 a. Überſ.: Koſſarſki $ XII S. 42-45; Kuttner IV S. 23. Vgl. Gruͤnbaum, Zd MG XL II S. 276; Juͤd. Chreſtomathie S. 242 u. N. B. S. 259. Vgl. auch Palmblaͤtter, Ed. Krummacher, Berlin 1857, S. 90-94.
Hellas und Rom (Textſeiten 202-241) Ariſtoteles' Jugendjahre Musre Haphiloſophim IS 9 S. 8 (vgl. dſ. §8 S. 7 811 8. 10, IIS 2 S. 26.
Der Meiſter Erſtes Stuͤck: Abr. bar⸗Chasdais Vorrede zu Sefer Masne zedek von Al⸗Gazali, Ed. Goldenthal, Lpz. 1839, S. 2. — Zweites Stüd: Df. S. 2, 3. — Drittes Stuͤck: Toldoth Alexander S. 26. Vgl. Steinſchneiders Hebr. uͤberſ. S. 896 Anm. 272. — Viertes Stuͤck: Tagmule ha⸗nefes des Hillel von Verona, Ed. Halberſtamm, Lyck
304 Der Born Judas
1874, S. 15a. Vol. „Emunath chachamim“ in Taam zekenim S. 30b. — Fuͤnftes Stuͤck: Musre Haphiloſophim IIS 3 S. 28, 185 S. 5.
Ariſtoteles' Bekehrung
Erſtes Stuͤck: Salſeleth ha-Kabbala S. 83 b, 84a. Vgl. Seder hadoros 1 S. 68d. uͤberſetzt in Saat und Hoffnung IX S. 171 bis 173. — Zweites Stuͤck: Magen ⸗Abraham⸗Zitat in Salſeleth ha⸗Kabbala S. 83 ab. — Drittes Stuͤck: Joſeph-ſem⸗tob⸗Zitat dſ. S. 83 a. Siehe Ergänzungen Von Ariſtoteles Stuͤck 2.
Ariſtoteles in Jeruſalem
Erſtes Stuͤck: Das Buch Kuſari, Ed. Zifrinowitſch, Warſchau 1911, 11862. — Zweites Stuͤck: Sebile emuna von Meir Aldabi, Warſchau 1903, SVIII S. 82 b. Vgl. Salſeleth ha-Kabbala S. 83 b; Seder hadoros I S. 68 a; „Sefer ha-muſſar“ von Joſeph Kaſpi in Taam zekenim S. 51a; „Sefer ha-maaloth“ von Sem tob Phal⸗ gira in Le Libanon IV S. 20. — Drittes Stuͤck: Salſeleth ha: Kabbala a. a. O. Vgl. Monatsſchr. Neue Folge IX S. 100. Siehe auch Steinſchneider: Hebr. uͤberſ. § 145 S. 271, wie S. 936 An- merk. 225 und Sifre chachme javan, Muncäcs 5665, §15 S. 84-10 a.
Ariſtoteles auf dem Sterbebette Erſtes Stuͤck: Auszug aus Sefer Hatapuach, Ed. Muſen, Lemberg 1873. Über das Buch ſ. Hebr. Bibliographie XXI S. 41, 42 und bibliographiſche Notizen. — Zweites Stuͤck: Secretum secretorum a. a. O. S. 1, 2. uͤber das Grab des Ariſtoteles ſ. Herz: Ge— ſammelte Abhandlungen, Stuttgart 1905, S. 398-412.
Pythagoras Erſtes Stuͤck: Salſ. ha-Kabbala S. 82a. Vgl. Liber Juchassin FVI S. 283 b; Modena in Taam zekenim S. 61 a, 62 a, 64 ab; Mate Dan, Warfchau 1902, IV S. 46 a. Vgl. auch Joſephus gegen Apion 18 22 und dazu J. G. Muͤller: Des Flavius Joſephus Schrift gegen den Apion, Baſel 1877, S. 160, 161. — Zweites Stuͤck:
Quellenangaben 305
Nismath hajjim IV 8 21 S. 73, § 22 S. 74a, — Drittes Stuck: Modena in Taam zekenim S. 64 a. — Viertes Stuͤck: Tsemah Tsaddiq S. 22a. — Fuͤnftes Stuͤck: Musre Haphiloſophim II $18 S. 45, 185 S. 5. Vgl. Freudenthal, Helleniſtiſche Studien II, Breslau 1875, S. 178, 192 u. fiehe Sifre chachme javan §8 S. 2b, Za.
Sokrates Auszüge aus Musre Haphiloſophim II §S 1 S. 20, 21, 185 S. 5.
Weiteres von Sokrates Erſtes Stuͤck: Thorath ha-ola, Prag 5593, 1 §11 S. 39 b. — Zweites Stuͤck: Masne zedeg S. 18. — Drittes Stuͤck: Das Buch Kuſari VS 14, dſ. IV S 13. — Viertes Stuͤck: Goren Nachon S. 23, 26, 27. Vgl. Tsemah Tsaddiq S. 14 b; Anonym in Mib- char ha⸗Peninnim S. 18 und Zeri ha-jagon S. 52. — Fuͤnftes Stuͤck: Masne zedeg S. 89, 90. Siehe Sifre chachme javan $ 12 S. 3b-ßpa.
Plato
Erſtes Stuͤck: Salſeleth ha-Kabbala S. 82 a, 85a. Vgl. Liber Juchassin $ VI S. 240 b und ſ. Alianus: Vermiſchte Nachrichten X 21, XII 45. — Zweites Stuͤck: Musre Haphiloſophim II S1 S. 22, § 2 S. 24, 23 (umgeſtellt), IS 1 S. 5. Zum Anfang dieſes Abſchnittes ogl. die Jugendgeſchichte Al-Gazalis in der Einleitung zu Masne zedeg S. VIII, IX. — Drittes Stuͤck: Das Buch Ku— ſari IV S 27. Vgl. Sifre chachme javan §S 12 S. 5-6 b.
Von Diogenes
Erſtes Stuͤck: Salſ. ha-⸗Kabbala S. 84b. — Zweites Stud: Mate Dan § VI S. 40 b. — Drittes Stuͤck: Sepher Shaashuim VII S. 68, 69, VIII S. 90, 93. Viertes Stuͤck: Musre Haphi— loſophim II §6 S. 32, 31, 32 (Auszug umgeſtellt. Vgl. Mibchar ha⸗Peninnim S. 6); dſ. 18 5 S. 5. — Fuͤnftes Stuͤck: Nismath hajjim 18 5 S. 6b. Siehe Alianus: Vermiſchte Nachrichten VIII 14 und G. A. Gerhard: Zur Legende vom Zyniker Diogenes, Arch. für Religionswiſſ. XV S. 388-408 und Sifre chachme javan § 17: S. 10b-14a.
306 Der Born Judas
Ptolemaͤus Erſtes Stuͤck: Liber Juchassin $ VI S. 245, 246. — Zweites Stuͤck: Une nouvelle Chronique Samaritaine S. 49. — Drittes Stuͤck: Zel hasolam S. 19a, Vgl. Zemah David II S. 15 b und das Ibn⸗Esra-Fragment in zd MG XXIV S. 357,
Virgil Zel ha-olam S. 20 ab.
Apollon ius A. a. O. S. 20b, 21a.
Die Geſchichte vom Sänger Inkos Musre Haphiloſophim 1 § 3 S. 4. Siehe Schillers Ballade: Die Kraniche des Ibykus.
Lykurgus Tsemah Tsaddiq $ XXXI S. 57a. Vgl. Plutarch, Lykurgus § 29 und G. R. II $ 169 S. 96-98.
Der Abgeſandte A. a. O. § XX S. 44 ab.
Damon und Phintias A. a. O. § IV S. Sab. Vgl. G. R. 1 § 108 S. 96-99 u. f. die Belege S. 267. Von Schiller in der Ballade Die Buͤrgſchaft verarbeitet.
Die verſoͤhnten Feinde A. a. O. § X S. 17-18 a.
Pyrrhus und ſein Arzt N A. a. O. S XXVIII S. 53 b, 54a. Vgl. Alianus: Vermiſchte Nachrichten XII 33.
Die Laſt der Krone Abravanuel-Zitat in Zeri hazjagon, Ausg. Cremona, S. 4b 5a.
Quellenangaben 307
Das Schwert des Damokles
Tsemah Tsaddiq $ XXVII S. 52 b, 53 a. Vgl. G. R. 18 101 S. 179-181, II S 143 S. 4—7.
Medea
A. a. O. § XII S. 24 a b. Vgl. Apollodors Mytholog. Bibliothek 18 22 und Alianus: Vermiſchte Nachrichten V 21.
Die treulofe Witwe
Nach Sepher Shaashuim § II S. 32, 33. Sonſtige hebraͤiſche Verſionen: Berachja ha⸗nagdon in Misle Sualim, Mantua 5317, $ LXXX S. 60a-61a; Hebraͤiſche Sammelhandfchrift der Frank: furter Stadtbibliothek S. 90 b; die Toſefiſten zu Bb. Tim. Qidduſin IV S. S0 b erzählen dieſe Geſchichte im Namen des Rabbenu Hananel. Die Geſchichte iſt auch im Maaſe-Buch S. 33 b enthalten. Siehe Zunz G. V.? S. 137 Aum. a; Lebrecht: Hebr. Bibliographie V S. 121; Steinſchneider: Hebr. Bibliographie XIII S. 77-85, 3ZdMG, XXVII S. 563; Hebr. Überf. S. 969; Gruͤnbaum: Juͤdiſch⸗deutſche Chreſtomathie S. 405, 406; Letterbode XII S. 81; Jewish Quarterly Review VI S. 516; Kraus, Hagoren IV S. 27, 28. Bearbeitungen der hebraͤiſchen Verſionen: A. Sulzbach: Dichter— klangen, Frf. a. M. 1903, S. 81-86 (ſiehe die Anm. dſ. S. 143); Landsberger im Jahrbuch Achawa II S. 136, 137. uͤber das Thema ſ. Eduard Grieſebach: Die treuloſe Witwe, Stuttgart 1877 (dar— uͤber im Jahresbericht uͤber die Erſcheinungen der germaniſchen Philo— logie V S. 75, 76). Siehe Petronius: Schilderung eines roͤmi— ſchen Gaſtmahls, Berlin 1843, Anm. 19, 20; Benfey: Pantſcha— tantra I, Lpz. 1859, S. 460; Die ſieben weiſen Meiſter, Ed. Benz, Jena 1911, Von großer Untreue S. 110-116; Buͤſching: Volks⸗ ſagen, Märchen u. Legenden S. 389-391, Hausrath und Marr: Griechiſche Märchen, Jena 1913, S. 325-328. Siehe auch Wil— helm, Chineſiſche Volksmaͤrchen, Weibertreu S. 93-101.
308 Der Born Judas
Ergaͤnzungen (Textſeiten 244285) Moſe und das Zicklein
Md. Semoth Rabba III 2. Überf.: Koſſarſki S. 99, 100; Krafft S. 28, 29; Hurwitz: Sagen der Hebraͤer, Lpz. 1826, S. 1, 2; Levi⸗Seligmann S. 311, 312.
Die Legende von Moſes und dem Habicht Tuti⸗Nameh S. 219, 220. Siehe dſ. 215-219.
Das Motiv der Geſchichte: Am Brunnen Debarim arebim I, Muncäes, Erſter Abſchnitt $ 18. Vgl. Mag⸗ ſioth m'zaddike jeſſode olam, Podgörze 1903, § 5 S. 5a, 6a. Die Helden find Iſrael Baal-Sem und ſein Schuͤler, der Prediger Beer aus Meſeritz. Zur Geſchichte: Das Bildnis Md. Eliahu-Zitat in einem kleinen chaſſidiſchen Büchlein.
Aus Joſephus Joſephus: Juͤdiſche Altertuͤmer VIII 25, Clementzſche Überſetzung. Vgl. Nachmonides, Ed. Prag 1839, zu Deut. XVIII 9. Aus dem Tierbuche
Iggereth Baale Chajjim II S 2 S. 22b, 23a. Val. Landsberger S. 49, 50.
Die Spruͤche der Daͤmonen Musre Haphiloſophim II S 21 S. 49—51 (Auszug). Vgl. Gruͤn⸗ baum, Zd MG XLII S. 260,261. Siehe Sohar Num. S. 193 b, 194b wie das Buch: Sefer Mafteaͤ Selomo, Ed. Gollanez, London 1914 und Steinſchneider, Hebr. Überſ. § 585 S. 938.
Die Koͤnigin von Saba Koran Sure XXVII Grigullſche Überſetzung.
Quellenangaben 309
Die Ameiſe A. a. O.
Die Zikade Roſenoͤl 1 S. 190-192 (Auszug).
Das Geſchenk der Ameiſe A. a. O. S. 169 (Auszug).
Ruja A. a. O. S. 166.
Salomo und der Eremit A. a. O. S. 187, 188.
Zum ‚ſeltſamen Rechtsfall'
Weil: Bibliſche Legenden S. 215, 216. Vgl. Gruͤnbaum: N. B. S. 190; Steinſchneider: Hebr. Überſ. S. 136 Anm. 221 und Wuͤnſche: Aus Iſr. Lehrh. II S. 27, 28.
Zur Geſchichte: Der Erbe und der Knecht
Sf. Chaſſidim, Frankfurt a. M. 5484, 5232 S. 42 d. Vgl. Sf. ſechira S. 136. Juͤdiſch⸗deutſch in Simehath ha-uefes. Überf. Tendlau S. 174—176.
Die urſpruͤngliche Faſſung der Geſchichte: Der Erbe mit den zwei Koͤpfen
The Sefer ha-Maasiyoth CXII. Siehe die Toſefiſten zu Tim. Menahoth S. 37a und Kohut, Angelogie uſw. S. 78.
Die Einfalt als Retterin Md. Tehillim B XXXIV I. Vgl. J. S. II § 131.
Der Rangſtreit der Organe
P. Deuifen: Fa Upaniſhad's des Veda?, pz. 1905, S. 503 bis 505. Vgl. dſ. S. 39, 40.
310 Der Born Judas
Zur Geſchichte: Die mildtätige Frau Muͤndliche Geſchichte, aufgezeichnet in Iben Safir J, Lyck 1866, S. 26 b, 27a. Der Judaͤer Papas J. Zacher: Alexandri Magni iter ad Paradisum, Regimonti 1859, S. 19-32 in der Überſ. von W. Herz: Ariſtoteles in den Alex⸗ anderdichtungen des Mittelalters, Muͤnchen 1891, S. 59-62.
Alexander ruft den einigen Gott aus Pſ.⸗Kall. II 28.
Alexander in Tadmor
Roſenoͤl IS XXIV S. 276, 277. Vgl. Schatzhoͤhle S. 43; Litt⸗ mann: Ruinenſtaͤtten und Schriftdenkmaͤler Syriens, Lpz. 1917, S. 27; Friedlaͤnder a. a. O. S. 184, 185.
Der Stein der Perle Jul. Ruſka: Unterſuchungen uſw. S. 11 u. ff. Überſetzung Ruſkas.
Der Stein aus dem Weſten A. a. O. S. 19 u. ff.
Der Stein Apolokos
A. a. O. S. 21 u. ff. Siehe über Ruſka ZdMG LXVIII S. 606-625.
Samir Saar ha-famajim, Zölkiew 5565, S. 15 b. Über das Steinbuch
des Ariſtoteles ſ. Steinſchneider: Zur pſeudepigraphiſchen Literatur des Mittelalters S. 58, 82-85; Hebr. Bibliographie VI S. 94.
Gog und Magog Erſtes Stuͤck: Zeror ha-mor, Exodus S. 74. Vgl. Kimchi zu Ezechiel XXXVIII 8 (nach Mikraoth gedoloth X, Warſchau 1902).
Quellenangaben 314
— Zweites Stuͤck: Iggereth Baale Chaim III S 12. Vgl. Lands⸗ berger S. 125; Eismenger: Entdecktes Judentum, Frf. 1700, II S. 733-735. Siehe Goͤrres: Das Heldeubuch von Iran II, Berlin 1820, S. 392, 393; Rofenöt 1 S. 288-290. Bieling: Zu den Sagen von Gog und Magog, Berlin 1882; Kampers: Alexander der Große und die Idee des Weltimperiums in Prophetie und Sage, Freiburg 1901, S. 54; Meißner: Alexander S. 9—11.
Alexanders Gewohnheiten
Erſtes Stuͤck: Geniza-Fragment in Jewish Quarterly Review XVIII S. 401. — Zweites Stuͤck: Musre Haphiloſophim 18 19 S. 15. Vgl. Alianus: Vermiſchte Nachrichten III 52. — Drittes Stuͤck: Mate Dan $ IV S. 49 b. — Viertes Stuͤck: Zel hasolam S. 21 a.
Der ſchlimmere Feind
Liber Scheveth Jehuda S. 65, 66. Anonym in Masne zedeg X S. 67 und in Bachja: Thorath hoboth ha-lebaboth, Ed. Slutzki, Warſchau 1870, V S5 S. 79 a.
Ariſtoteles und Alexander
Erſtes Stuͤck: Liber Juchassin S VI S. 240 a b.— Zweites Stuͤck: Zitat zu der Anmerkung zu Megilath Taanith Ed. Großberg, Lem— berg 1905, S. 30 b. Siehe Plutarch, Alexander § 9. — Drittes Stuͤck: Salſ. ha⸗Kabbala S. 83 b. Vgl. A. Weſſelſki: Moͤnchslatein, Lpz. 1909, CXXVIII S. 167. Siehe More Enajim $ XXII S. 214, R. Geier: Alexander und Ariſtoteles, Halle 1856, und W. Herz: Ariſto— teles in der Alexanderſage, Muͤnchen 1890.
Ariſtoteles der Benjaminiter
Derech emuna von Abr. Bibago, Konftantinopel 1592. (In Zuſam⸗ menhang mit Joſephus' Schrift gegen Apion 18 22. Vgl. J. G. Muͤller a. a. O. S. 167-170 und Schuͤrer, Geſchichte des juͤdiſchen Volkes III“ S. 12 Anm. 28). Vgl. auch Salſ. ha-Kabbala g. a. O.; Qol
312 Der Born Judas
Jehuda zu Kuſari, Schitomir 1866, II S 66; Reggio: Thora et Philosophia, Wien 1827, $ IV S. 34; Lewinſohn: Teuda b'Iſrael, Wilna 1855, S. 89a; Modlinger: Vita Aristotelis, Wien 5643, S. 2. Siehe A. Schmiedel: Woher iſt die Sage entſtanden, daß Ariſtoteles zum Judentum uͤbergetreten ſei, Monatsſchr. Neue Folge IX S. 98-101 und Samter: Der Jude Ariſtoteles df. S. 453-459. Siehe auch S. Horovitz: Die Stellung des Ariſtoteles bei den Juden des Mittelalters, Lpz. 1911.
Ariſtoteles und der ewige Frieden
Moſes⸗ben⸗Esra-Zitat in Dukes: Salomon b. Gabirol, Hannover 1860, S. 36-38 (Überſetzung von Dukes).
Bibliographiſche Notizen
€
Uberſetzungen juͤdiſcher ſalomoniſcher Maͤren und Alexander-Ge⸗ ſchichten: Krafft, Bruchſtuͤcke aus der Salomonſage S. 3744. L. A. Frankl, Tragiſche Könige, Wien 1876, Salomo S. 17-114, Alex⸗ ander S. 117-164 (ins Hebraͤiſche uͤberſetzt von S. Bacher unter dem Namen Melech ebjon, Budapeſt 1881). — Chamiſſo, Sage von Alexander nach dem Talmud, Poetiſche Werke II, Berlin 1868, S. 62 bis 67. Ehrmann, Alexander der Mazedonier in: Aus Palaͤſtina und Mazedonien, $ 23, S. 27-31. Hurwitz § 51, 52 S. 114-122. Levi⸗Seligmann S. 189-197. Paſcheles II S. 21-45. Tendlau S. 44, 45.
Salomoniſche und Alexander-Geſchichten in nicht-juͤdiſchen Quellen: Daͤhnhardt, Naturſagen zum Alten Teſtament, Lpz. 1907, $ 17 S. 321-336 (Von Salomo). Palmblaͤtter, Salomos Vögel S. 134 bis 138; Das Waſſer des Lebens S. 157159 (vgl. zur letzten Ge: ſchichte Tuti Nameh, Die Legende von Salomo und dem Igel S. 142-144). Der Seelen Troſt, Augsburg, Sechſtes Gebot. Ser: biſche Volksmaͤrchen $ 41—43 S. 231-238. — J. Braun, Hiſto⸗ riſche Landſchaften, Stuttgart 1867, $4 S. 166-280. P. J. Bruns,
Bibliographiſche Notizen 313
Romantiſche und andere Gedichte in altplattdeutſcher Sprache, Ber— lin 1798, § 11 S. 333-366 (Fabelhafte Geſchichte Alexanders des Großen). Gesta Romanorum, Erſter Anhang S. 133, 134 (Von Alexander und Diogenes); df. S. 135, 136 (Von dem Großen Alex— ander); dſ. S. 189 (Von einem Opfer und Alexander dem Koͤnig). Roſenoͤl IS XXIVb S. 267-299. Sadis Roſengarten Ed. P. Wolff, Stuttgart 1841, 1 S. 92. 1001 N. IX S. 11, 12.
Über hebraͤiſche Salomo- und Alexander-Geſchichten. Über Salomo f. die Artikel Salomo ben David in Steinſchneiders Catalogus Li- brorum Hebraeorum Biblioteca Bodleiana Berlin 18521860 S. 2289 u. ff. u. Hebr. Überf. §S 55 5 S. 935 u. ff. Levi in Revue des Etudes juives XVII S. 58-65, 202-209. Über Alexander: Rene Boſſet in Revue des Traductions populaires IV S. 486493, 592 u. ff. Buͤchler in Revue des Et. juives XXXVI S. 1-286. Donath, Die Alexanderſage in Talmud und Midraſch, Fulda 1873. Epſtein, Eldad ha⸗dani, Preßburg 1891, S. 36, 37. Levi in Revue d. Et. juives II S. 293-300, III S. 238-272, VII S. 78-93, XII S. 117, 118. Noͤldeke, Beitraͤge zur Geſchichte des Alexander— Romans, Wien 1890, beſonders S. 25—27 Über die angeblichen juͤdi— chen Einfluͤſſe auf den Alexander-Roman; ſiehe dazu S. Fraͤnkels An- zeige 3d MG XLV S. 309-330. Pick, Hakedem II S. 28, 29. Rappa⸗ port, Erech millin S. 66—73; derſelbe in Wiſſenſchaftliche Zeitſchrift für Juͤdiſche Theologie II S. 53-67. Steinſchneider, Zur Alexander— ſage in Hebr. Bibliographie IX S. 13-19, 44—53. Vogelſtein, Bei- träge zur Alexanderſage in Monatsſchrift XV S. 121-134, 161-175. Weismann, Alexander II Kap. X S. 493-522 (Die hebräifchen Darſtellungen der Alexander-Geſchichte). A. Wuͤnſche, Die Alexander— ſage nach juͤdiſchen Quellen in Grenzboten XX XVIII S. 269-280. — Hamburger, Real⸗Enzyklopaͤdie II S. 44—47. The Jewish Ency- clopedia I S. 341-343. Ozar Jiſrael II S. 41, 42.
Über Alexander den Zweihoͤrnigen: Koran Sure XVIII und Weil S. 95. Siehe B. Beer, Welchen Aufſchluß geben juͤdiſche Quellen über den Zweihoͤrnigen des Korans, zd MGG IX S. 785-794. Flügel, Beitrag zu dem Bericht der Araber über Dül-Karnaim dſ. S. 794797. Friedlaͤnder, Du'l qarneim und Alexander der Große
314 Der Born Judas
S. 276-301. Graf, Über den Zweigehoͤrnten des Korans 3d MG VIII S. 442-449. Redslob dſ. IX S. 214-223, 307. Siehe auch Scheftelowitz, Das Hoͤrnermotiv in den Religionen, Archiv fuͤr Religionswiſſenſchaften XV S. 451487.
Über den Alexander-Roman und die Alexander-Literatur: Graeſſe, Allgemeine Literaturgeſchichte II dritte Abt. S. 435-456. L. Flote, Geſchichte Mazedoniens I, Lpz. 1832, S. 309-312 (Alexander in Jeruſalem). E. Rohde, Der griechiſche Roman und ſeine Vor— laͤufer, Lpz. 1876, Kap. II S. 184-193. F. Spiegel, Eranifche Altertumskunde II, Lpz. 1873, Kap. VI S. 582-616. — Ed. Reuß, Die Geſchichte der Heiligen Schriften Alten Teſtaments 2, Braun— ſchweig 1890, $ 426 S. 551. Schuͤrer, Geſchichte des juͤdiſchen Vol— kes I „ pz. 1901, S. 180 Anm. 1; III“, Lpz. 1909, S. 35.
Über hebräifche Quellenbuͤcher: Über Ben Hamelech ve'hanaſir ſiehe Steinſchneider, Hebr. Bibliographie III S. 120; XIII S. 15; 3d MG VS. 89-93; Hebr. Überſetzungen § 532 S. 863-867. Über Goren Nachon ſ. Hebr. Überſetzungen $ 144 S. 268. — — Über Masne zedeg ſiehe Steinſchneider, Hebr. Überſetzungen $ 195 S. 342-345. — ber Misle Sualim ſiehe Steinſchneider, Manna, Berlin 1847, S. 108, 109; Hebr. Überſetzungen $ 573 S. 958-962. — Über Mibchar Ha-peninnim dſ. § 221 S. 285 u. ff. — Über Musre Ha⸗ philoſophim ſiehe Dukes, Ehrenſaͤulen und Denkſteine, Wien 1837, S. 28; A. Helfferich, Raymund Lull und die Anfänge der kataloni— ſchen Literatur, Berlin 1858, S. 57-60; Steinſchneider, Al-Farabi, Petersburg 1869, S. 193; Hebr. Bibliographie IX S. 47, 48 Hebr. Überfegungen $ 197200 S. 348-350; Wuͤſtenfeld, Geſchichte der arabiſchen Arzte und Naturforſcher, Göttingen 1840, S. 26-29; Zacher, Pſeudo⸗Kalliſthenes S. 179 ff. Siehe auch Archiv für patho- logiſche Anatomie u. Phyſiologie LII S. 369, 370. — Über Sefer ha- hibbur ſiehe Porges in Ztſchr. für Hebr. Bibliographie VII S. 36 bis 44. — Über Sepher ha⸗-tapuah ſiehe Steenſchneider, Hebr. Über— ſetzungen $ 144 S. 268-270; Herz, Geſammelte Abhandlungen S. 371-379; vgl. auch Gollancz, Translations from Hebrew and Aramaic, London 1908, S. 91-117. — Über Sifre chachme
Bibliographiſche Notizen 315
javan ſiehe Freimann, Ztſchr. für hebr. Bibliographie IX S. 131 woſelbſt auf die Quelle Bet Haſepher, Benſew, Wien 18429, S. 191 bis 208 verwieſen wird. — Über Söd has ſödot (secretum secre- torum) ſiehe Gaſters Überſetzung in The Journal of The Royal Asiatic Society 1908 S. 111-162 wie Steinfchneider, Hebr. Überf. § 134 S. 251, derſelbe Verz. d. hebr. Handſchr. d. Koͤn. Bibl. zu Berlin IIS. 59a; Herz, Geſamm. Abhandl. S. 159; Knuſt in Jahrbuͤcher für romaniſche und engliſche Literatur X S. 162 u. ff.; Levi in Revue des Et. juives III S. 242-244; Steinſchneider, Hebr. Biblio⸗ graphie XIII S. 14; Hebr. Überſetzungen § 131, 132 S. 245-249; ſiehe auch dſ. S. 257, 258. — Über Thorath hoboth ha-tebaboth fiehe Hebr. Überſetzungen § 214—217 S. 372-377. — Über Tsemah Tsaddiqꝗ fiehe die Schrift R. Jehuda Arieh Modena von N. S. Libowitz, Wien 1896. — Über Zeri hasjagon ſiehe Steinſchneider, Hebr. Bibliographie IX S. 49; Zacher a. a. O. S. 186, 187.
Literatur
ebräifche Werke: Agudat hagadoth (Sammlung kleiner Mi- H drafchim) I // BBechai b. Aſher (Pentateuch-Kommentar) / Ben Hamelech ve'hanaſir (hebr. Bearbeitung von Prinz und Derwiſch von Abr. Halevi bar Chisdai) / Bet Hafepher, Benſew // Dabar dabur (karaͤiſche Sammlung muͤndlicher Erzaͤhlungen der Voͤlker des Morgenlandes) von S. Pigit / Debarim arebim I (chaſſidiſches Geſchichtenbuch) / Derech emuna (religionsphil. Abhandlungen) // Eldad ha-dani (Eldad ha-danis Reiſeberichte über die zehn Staͤmme und deren Ritus) Ed. Epſtein / Emeg ha-melech (myſtiſcher Kodex), Amſterdam / Eskol ha-kopher (karaͤiſcher Kodex) von Jehuda Ha— daffi / Goren Nachon, Gabirol // Hajje Ariſto (Vita Aristote- lis) // Iben Safir I (Reiſebeſchreibung) / Iggereth Baale Chajjim von Kalonymos ben Kalonymos, Mantua // Jalkut ha-machiri (Sammlung midrafchifcher Auslegungen der Sprüche Salomons von R. Machir bar Abba Mari) / Jalkut Machiri (Sammlung halachiſcher und hagadiſcher Stellen aus Talmud und Midraſch zu en 150 Pſalmen) / R. Jehudah Arieh Modena (Biographie) // Kaliläh et Dimnah (hebr. Texte) Ed. J. Derenbourgue / Das Buch Kufari des Jehuda Halevi Ed. Zifrinowitſch / Hakusri, Ausg. Schitomir „) Likkute maaſijoth Geſchichtenſammlung) von Sfr. bar Saſon // Maaſe Adonai ckabbaliſtiſches Geſchichten— büchlein) / Maaſijoth m'zaddike jeſſode olam (chaſſidiſches Geſchichten— buch) / Mate Dan (weiter Kuſari genannt) von David Nita Megilath Thanith / Melech ebjon von Simon Bacher / Megor hajjim (chaſſ. Erzaͤhlungsbuch) / Mibchar ha-Peninnim des Rabbi Jedaja ben Abraham Bedirgſchi Penini / Midraſch Bereſchit Rabba Ed. Theodor / Midras Misle Ed. S. Buber Mikraot Gedolot V, Petrikau / Mikraot Gedolot X, Warſchau / Misie Sualim R. Be: rachja Hanakdon, Mantua // Orehath Hajjim (Moralbuͤchlein) // Pirge fira (liturgiſches Buch) // Ramban (R. Moſe bar Nachmans Kom— mentar zum Pentateuch) // Saar ha-ſamajim (naturwiſſenſchaftliches
* Unter Weglaſſung der Bücher, die in den erſten zwei Bänden bereits er— wähnt worden ſind.
Literatur l
Buch) / Schem Hag'dolim (bibliographifches Lexikon) // Sebile emuna (Naturgeſchichte und Philoſophie) / Sefer haſſidim (das Buch der Frommen) von Jehuda ha-haflid Sefer Hahibbur (The ethical Treatises of Berachya son of rabbi Natronai Ha-nakdan) / Sefer Mafteaͤ Selomo Ed. Gollancz / Sefer Masne zedeg (Compen- dium Doctrinae Ethicae) Sefer Musre Haphiloſophim (Sinn: ſpruͤche der Philoſophen) Sefer Hatapuach, Abraham bar Chisdai / Sifre chachme javan Sippure anſe ſem (chaſſ. Geſchichtenbuͤchlein) „Tagmule ha⸗nefes (Pſychologie und Moral) / Das Targum ſcheni, Ed. David / Teuda b'Iſrael von J. B. Lewinſohn / Thora et Philosophia von Reggio / Torath haola (religionsphiloſophiſche Abhandlungen), RMA. Thorath hoboth ha⸗-lebaboth von Bechai ibn Sofeph Tsemah Tsaddiq (A Righteous offs ring), Modena // Bel ha⸗olam (naturgeſchichtliches Büchlein) / Zeri ha-jagon, Cre— mona / Zeror ha⸗mor (myſtiſcher Kommentar zum Pentateuch).
Allgemeine Literatur: Alianus, Vermiſchte Nachrichten / Ansfeld A., Der griechiſche Alexanderroman / Apollodors Mytholo— giſche Bibliothek, // Benfey, Pantſchatantra / Benz, Die ſieben weiſen Meiſter Bieling H., Zu den Sagen von Gog und Magog / Braun Jul., Hiſtoriſche Landſchaften / Bruns P. J., Romantiſche und andere Gedichte in altplattdeutfcher Sprache Buͤſching, Volksſagen, Maͤrchen und Legenden // Caſſel P., Zwei— tes Targum zum Buche Eſther / Chamiſſo, Poetiſche Werke IL // Daͤhnhardt O., Naturſagen I / Deuſſen P., Sechzig Upaniſhads des Veda Dio Caſſius, Roͤmiſche Geſchichte ! Donat, Die Mler- anderfage in Talmud und Midraſch Dukes L., Ehrenſaͤulen und Denkſteine / Dukes L., Rabbiniſche Blumenleſe Dukes L., Sa— lomo b. Gabirol I // Ehrmann D., Aus Palaͤſtina und Babylon / Eismenger, Entdecktes Judentum II / Eſſigmann A., Sagen und Märchen Altindiens, Neue Reihe Ethé S., Alexanders Zug zur Lebensquelle im Lande der Finſternis / Fiore di virtu, Ed. Eal- man / Flote L., Geſchichte Mazedoniens 1“ Frankel L. A., Tra- giſche Könige Freudenthal, Helleniſtiſche Studien II / Fried— länder Iſ., Die Chadhirlegende und der Alexanderroman / Fries C.
318 Der Born Judas
Studien zur Odyſſee II // Geier R., Alexander und Ariſtoteles / Gelbhaus S., Die Targumliteratur I / Gellerts Fabeln und Er— zaͤhlungen / Aulus Gellius, Die attiſchen Nächte, Ed. Weiß / Gollancz H., Translations from Hebrew and Aramaic / Goͤrres, Das Heldenbuch von Iran / Gräffe, Allgemeine Literaturgeſchichte II 3. Abteilung / Griechiſche Märchen, Jena / Griefebah, Die treu— loſe Witwe / Gunkel H., Das Märchen im Alten Teftament / Günther, Die chriſtliche Legende / Hausrath und Marx, Grie— chiſche Märchen Helfferich A., Raymund Lull / Herz W., Arifto- teles in den Alexanderdichtungen des Mittelalters / Herz W., Ariſtoteles in der Alexanderſage Herz W., Geſammelte Abhand— lungen Horowitz S., Die Stellung des Ariſtoteles bei den Juden des Mittelalters / Hurwis, Sagen der Hebraͤer // Jacob Joſ., The Fables of Aesop I Joſephus gegen Apion Juͤlg, Mon⸗ goliſche Märchen „ Kampers Fr., Alexander der Große und die Idee des Weltimperiums in Prophetie und Sage / Kebra Nageſt, Ed. C. Bezold // Landsberger J., Iggereth Baale Chajjim (Ab— handlungen über die Tiere von Kalonymos ben Kalonymos) / Leſſing, Ausgewählte Werke I, Stuttgart / Levi-Seligmann, Pa⸗ rabeln, Legenden und Gedanken aus Talmud und Midraſch / Litt— mann E., Bibliotheca Abessinica I / Littmann E., Ruinenſtaͤtten und Schriftdenkmaͤler Syriens / Märkifche Sagen und Märchen / Marx, Griechiſche Märchen / Meißner B., Alexander und Gil— gamos / Meißner B., Das Märchen vom weiſen Achigar / Muͤller D. H., Suͤdarabiſche Expedition IV / Muͤller J. G., Des Flavius Joſephus Schrift gegen den Apion „ Noͤldeke Th., Bei— träge zur Geſchichte des Aleranderromans / Oeſterley, Baital Pachiſi Palmblaͤtter, Ausg. Krummacher / Petronius, Schilderung eines roͤ— mifchen Gaſtmahls / Phitoftratus, Apollonius von Tyana Plutarchs Vergleichende Lebensbeſchreibungen, Alexander / Reuß Ed., Die Ge— ſchichte der Heiligen Schriften des Alten Teſtaments / Rohde E., Der griechiſche Roman und ſeine Vorlaͤufer / Ruͤckert Fr., Des freigelaſſenen Phaͤdrus Aſopiſche Fabeln Quintus Curtius Rufus, Von den Taten Alexanders, des großen Königs von Makedonien Ruſka Jul., Unterſuchungen über das Steinbuch des Ariſtoteles // Sachs M.,
Literatur 319
Beiträge zur Sprach- und Altertumsforſchung I / Sadis Rofen- garten / Schürer E., Geſchichte des juͤdiſchen Volkes im Zeitalter Jeſu Chriſti I, III / Der Seelen Troſt, Augsburg / Simrod K., Deutſche Volksbuͤcher LIT (Aſops Leben und Fabeln) / Spiegel, Eraniſche Altertumskunde II / Steinſchneider, Al-Farabi / Stein- ſchneider, Catalogus Librorum Hebraeorum in Biblioteca Bodleiana Steinſchneider, Manna Steinſchneider, Zur Pſeud— epigraphiſchen Literatur des Mittelalters Stern M. E., Zur Alexanderſage Tabari, Ed. Zottenberg / Taufend und eine Nacht, Ed. Habicht, Hagen und Schall Tauſend und eine Nacht, Ed. Weil / Thimme A., Das Märchen // Vincenti A. v., Die altengliſchen Dialoge von Salomon und Saturn 1, Vogt Fr., Salomon und Morolf Weil, Bibliſche Legenden Weißlovits N., Prinz und Derwiſch Weſſelſki A., Moͤnchslatein / Wintler H., Buch der Tugend Wuͤnſche A., Die Sagen vom Lebensbaum und Lebens— waſſer Wuͤnſche, Midr. Misle Wuͤſtenfeld, Geſchichte der ara— biſchen Arzte und Naturforſcher Zacher I., Alexandri Magni iter ad Paradisum Zacher J., Pſeudo-Calliſthenes (Forſchungen zur Kritik und Geſchichte der aͤlteſten Aufzeichnung der Alexander— ſage).
Sonſtige Alexanderliteratur: Bacher W., Nizamis Leben und Werke, Lpz. 1870 Bluͤmler Fr., Alexander der Große, der Sohn des Jupiter Ammon, Büdingen 1868 / Bluͤmler Fr., Alex— ander der Große in Jeruſalem, Büdingen 1872 // Chriſtenſen H., Beiträge zur Alexanderſage, Hamburg 1883 / Fraͤnkel A., Die Quellen der Alexanderhiſtoriker, Breslau 1883 // Lemm O. v., Der Alexanderroman bei den Kopten, St. Petersburg 1903 // Paul H., Ulrich von Eſchenbach und feine Alexandreis, Berlin 1914 | Pfiſter Fr., Eine juͤdiſche Gruͤndungsgeſchichte Alexandrias. Sitzungs— berichte der Heidelberger Akad. d. Wiſſ. Philoſ.-hiſt. Klaſſe 1914 // Roͤmheld, Beiträge zur Geſchichte und Kritik der Alexanderſage. Jahresbericht uͤber das Koͤn. Gymn. zu Hersfeld 1873 / Spiegel Fr., Die Alexanderſage bei den Orientalen, Lpz. 1851 // Vogel A., Über die Quellen Plutarchs in der Biographie Alexanders. Pro—
320 Der Born Judas
gramm des Kaiſ. Lyceum in Colmar 1877 / Wegmann K. Fr., Die aͤthiopiſche und arabiſche Überſetzung des Pſeudocalliſthenes, Kirchheim 1901 // Zingerle O., Die Quellen zum Alexander des Rudolf von Ems, Breslau 1885 / Zingerle P., Über eine ſpriſche Überſetzung des PſeudoKalliſthenes, zd MGG VIII S. 835-837, IX 780-784.
Zeitſchriften und Sammelbuͤcher: Archiv fuͤr das Studium der neueren Sprachen und Literatur CVIII Archiv für patholo⸗ giſche Anatomie und Phyſiologie LII / Archiv für Religions⸗ wiſſenſchaft XIII / Archiv für ſlaviſche Philologie VI // Ben Cha⸗ nanja 1861 / Bet eqed ha-agadotb II // Grenzboten XXXVIII// Hakedem Vierteljahresſchrift) II / Haſchilobah XIII, XIV / Haze⸗ fira (hebr. Wochenſchrift) 1918 Hebraͤiſche Bibliographie VI, IX, XIII, XVIII // Jahrbuch fuͤr juͤdiſche Geſchichte und Literatur 1898 / Jahrbuͤcher für Geſchichte und Literatur IX / Jahrbuͤcher für proteſtantiſche Theologie VI / Jahrbuͤcher für romaniſche und engliſche Literatur X / Jahresbericht uͤber die Erſcheinungen der germanifchen Philologie V / The Jewish Encyclopedia 1 Jewish Quarterly Review XVIII / Jewish Quarterly Review New Series I, II, III / The Journal of The Royal Asiatic Society 1907 // Letterbode XII / Le Libanon IV, VI // Monatsſchrift für Geſchichte und Wiſſenſchaft des Juden— tums XV, neue Folge IX // Orient und Occident II/ Revue des Etudes juives II, III, VII, XIV, XXXVI, XLV / Revue des Traductions Populaires VI // Saat und Hoffnung IX / Serapeum XXVII / Wiſſenſchaftliche Zeitſchrift fuͤr jü- diſche Literatur II // Zeitſchrift für Aſſyriologie VII / Zeitſchrift fuͤr deutſches Altertum XXVII., XXXV Zeitſchrift der deutſchen Morgenlaͤndiſchen Geſellſchaft VIII, IX, XXIV, XXVII, XLII., XLV, XLVII, XLVIII / Zeitſchrift für Hebraͤiſche Biblio— graphie VII, IX.
Verzeichnis von Hauptnamen 321
Verzeichnis von Hauptnamen, die aus dem Inhalt nicht erſichtlich ſind
Abia, Koͤnig von Ammon 57 Abraham 209, 214, 215 Abra⸗ ham und Nimrod 120 / Achis, König von Gath 116, 117, 263, 264 / Adam 182 / Aſaph, der Sohn Berachias 37 / Benaja ben Jojada 31, 32, 48, 49, 51 / Bileam 16, 35 / David 28, 32, 36, 46, 47, 50, 58-61, 61-63, 64-67, 83-85, 87-90, 116-117, 119, 251 / 262-264, 266-269 / Henoch 182 / Heſekiel 215 / Jakob 16 / Die Stämme Jakobs 25 / Jeſaja 285 / Jethro 16, 244 / Joab 87-90 / Joſua 118 / Geſchlecht Kains 74 / Ketura⸗Soͤhne 214 / Laban 16 Lots Töchter 34 / Moſe 182, 216, 247 / Moſe und Pharao 120 Nebukadnezar 114, 115, 118 / Noah 182 / Salomo 63, 65, 66, 67-70, 83, 85, 86, 90-95, 96, 97-100, 100-105, 109-114, 121, 208, 210, 211, 252-259, 261, 262, 268, 269 / Saul 58-61, 116, 263 / Sedekia 214 / Simeon der Gerechte 211 / Simeon, der Schreiber Alexanders 191 / Titus 120.
Saadia Gaon 260, 261 / Iben Safir 266.
Alexander 275—282 / Alurkis 284 / Antiochus 273 Antipatrus 189 Ariſtoteles 126, 140, 177, 178, 181, 182, 186, 187, 191, 199, 247, 248 Demokritos 182, 183 Didimus 163, 164 / Dionyſos 237, 238 / Heroftvates 124 / Hippolytus 235, 236 / Homer 130 / Sokrates 214 / Jobas und Jolus 189, 190 / Kalliſthenes 126 / Kandakis 133 / Kaſtanes 126 / Kletomandus 130 / Liftigius 235, 236 / Marianus 222 Markus Regulus 234 /Nebiras 163 / Nikomachos 204 Numinus 216 / Oktavianus 236, 237 / Philipp 127, 128, 177, 273 Plato 179, 202-204, 205, 214, 283 / Ptolemaͤus 227 / Pythagoras 204, 220 / Raſtuk oder Ruſan, Tochter des Koͤnigs Darius 125, 190, 193 / Rominus 178 / Sedeod, der Sohn Eods 46 / Seleukus 273 Sokrates 283 Timaͤus 221 / Zoroaſter 216.
El Meſadi 205 Honain, der Sohn Iſhaks 230, 231.
Achilles 124 Ammon 163 Asmodaͤus 54, 73 / Athene 173 / Aza und Azael 54 / Herakles, Herkules 124, 131 / Juno 173 / Ju: piter 170, 173, 189 / Kupido 173 Minerva 173 / Remirat, Geift 37 Seraphim 274 Venus 173.
322 Der Born Judas
Brahmanen oder Abrahamanen 214 / Chaldaͤer 210, / Hellenen 168 / Indiſche Stämme 215 / Karthager 231 / Perſer 216 / Römer 131, 210, 232 / Römifcher Kaifer 99.
Afrika 131 / Agypten 25, 210, 214, 227 / Weiſe Agyptens 149 / Alexandria 192, 194 / Ammon 55, 56 / Athen 189 / Babel, Baby- ion 141, 189, 191, 214 / Weife Babylons 114, 115 / Die Wuͤſte Babel 184 / Bittera 95, 96 / Damaskus 37 / Finftere Berge 159 / Fluͤſſe Gihon und Indus 215 / Haran 209 / Der Berg Horeb 17 / Inderland, Indien 157, 214 / Iſtachar 274 / Jericho 118 / Ol Je— richos 145 / Jeruſalem 31, 48, 110, 111, 148, 214, 274 / Judaͤa 120 / Kaphſiakon, Land 140 / Kitor, Hauptſtadt der Königin von Saba 29 / Kleinaſien 129 / Mazedonien 126, 177, 184, 210 / Pa⸗ laͤſtina 58 / Peluſia 125 / Perſerland 71 / Pharanitiſche Inſeln 131 / Strom Piſon 175 / Promunktorium und Boreum 139 / Rom 239, Strom Samondro 130 / Sidonien 150 / Berg Sinai 207 / Wuͤſte Sinai 16 / Sizilien 234 Taphoris, Ort 132 / Tiberias 95 / Tra⸗ baras, Land 130 Tragakantes, Ort 130 / Ziklag, Philiſterſtadt 46 / Burg Zion 121.
In den Quellenangaben: Al-Gazali 305 / Iſrael Baal-Sem und R. Beer aus Meſeritz 308.
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Die Geſchichten ſind uͤbertragen von Rahel Ramberg
a Gedruckt in der merſchen Buchdruckerei f in Leipzig
leitung, Titel und Einband von
E. R. Weiß
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