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Der

Grolse Kurfürst

Martin Philippson.

Dritter Teil: 1660 bis 1688.

Berlin.

Verlag Siegfried Cronb.Tcli. 1903.

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Der

GroXse Kurfürst

Martin Philippson.

Dritter Teil: 1660 bis 1688.

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Verlag Siegfried Cronbacb. 1903.

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Vorwort.

Hiermit erscheint der dritte, abBchliefsende Band der Ge- schichte des Grofsen KurfQrsten.

Er enthält zunächst die Darstellung der inneren Verhält- nisse des Kurhauses und des Eurstaates in den Jahren 1660 bis 1688. Die einschlägige Entwicklung vom Frieden von Oliva bis zum Tode Friedrich Wilhelms ist eine so zusammenhängende, und ihre Einzelheiten greifen so eng ineinander, dafs ich hier keine Trennung nach kürzeren Zeiträumen vornehmen mochte. Sie umfafst die Vorbereitung und teilweise Durchführung des landesherrlichen Absolutismus sowie des Beamten- und Polizei- staates in Brandenburg-Preufsen ; die Erkenntnis und tunliche Verwirklichung der Aufgaben des modernen Staates in der Gewerbe- und Handelspolitik, in gleichmäfsiger Gerechtigkeits- pflege und Religionsfreiheit; die Ausbildung des Heerwesens und die Gründung einer See- und Kolonialmacht. Erst seit 1660 fand Friedrich Wilhelm die Mufse und die Mittel, an die Ausführung seiner originellen und weitgehenden Gedanken für die innere Gestaltung seines Staates zu gehen. Deshalb war dieser Gegenstand im ersten Bande nur kurz behandelt und er- hält jetzt eine zusammenhängende und hoffentlich entsprechende Würdigung. Man besitzt für die innere Geschichte Branden- burg-Preufsens während der letzten 28 Jahre des Grofsen Kurfürsten tüchtige, zum Teil hervorragende und bedeutende Vorarbeiten, aber nichts Zusammenfassendes und Vollständiges, und ich sah mich deshalb veranlafst, vorzüglich für das Heer- wesen, für die Anfänge der Seemacht und die Finanzverwaltung, unveröffentlichte Akten aus dem Kriegsministerium, dem Ge- heimen Staatsarchive und der Königlichen Bibliothek zu Berlin

IV Vorwort.

heranzuziehen. Sie lieferten reiches Material, ganz besonders für die Geschichte des Kriegskommissariats, das bald das ge- samte Verwaltungssystem Preufsens umgestaltete und dessen wichtigste Behörde wurde. Die ganze Darstellung mufs die grundlegende Wichtigkeit der Regierung Friedrich Wilhelms für die Fortentwicklung des preufsischen Staatswesens erweisen.

Die zweite Abteilung dieses Bandes bringt die Darstellung der auswärtigen Politik vom Frieden zu St. Germain bis zum Tode des Kurfürsten. Ich mufste mir hier die Frage vorlegen, ob ich nicht besser daran tun würde, die Veröffentlichung des 19. Bandes der ;, Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg" abzuwarten. Allein der Herausgeber, Herr Prof. Ferd. Hirsch, teilte mir gütigst mit, dafs dieser Band keinesfalls vor dem Schlüsse des Jahres 1904 erscheinen würde ; auch wird er sowohl der Zeit wie den Gegenständen nach nur einen Teil der Urkunden enthalten, die ich für meine Arbeit benutzt habe. Ich zog es deshalb vor, mit dieser nicht länger zurückzubleiben. Meine Darstellung mufste also hier zum überwiegenden Teile auf unveröffent- lichtes Material begründet werden. Die Königliche Bibliothek in Berlin gewährte mir die handschriftliche Münzgeschichte von Magirus, ferner Etats für Heer und Marine, Koloniales. Das Archiv des Kriegsministeriums brachte Materialien zur Ver- waltung nicht nur des Heeres, sondern auch der Finanzen. Im Geh. Staatsarchiv endlich konnte ich einsehen: die Korrespon- denz Derfflingers mit Hessen - Homburg über die inneren Zu- stände des Heeres; das Tagebuch des älteren Schwerin; den schriftlichen Nachlafs Meinders' ; das Tagebuch des Herzogs von Groy, dessen Bedeutung freilich mehr auf dem Gebiete der ost- preufsischen Provinzialgeschichte liegt; die diplomatische Kor- respondenz Spanheims aus Frankreich und England, sowie Bessers aus England; die Pfälzischen Miszellaneen , mit der diplomatischen Korrespondenz Mandelslohs; die Aktenstücke, betreffend Kurköln, Spanien und die Niederlande, vorzüglich die Sendung Fuchs' nach Holland 1684 und 1685, die nunmehr zum ersten Male in authentischer Weise dargestellt werden konnte; Kopien aus dem belgischen Staatsarchive, sowie Kopien und Auszüge aus dem Archive des französischen Ministeriums des Auswärtigen, die zumal die diplomatische Korrespondenz B^benacs enthalten. Es ist mir eine angenehme Pflicht, den

Vorwort. V

Herren Beamten der Königlichen Bibliothek, des Archivs des Kriegsministeriums und des Geh. Staatsarchivs zu Berlin für ihre gütige Unterstützung meinen verehrungsvollen Dank aus- zusprechen. Zumal Herr Staatsarchivar Dr. Erhard hat mir mit vollendeter Sachkenntnis und unermüdlicher Gefälligkeit beizustehen die Freundlichkeit gehabt.

Täusche ich mich nicht, so bringt meine Schilderung in der Tat mancherlei neue Ergebnisse, nicht nur in den Einzel- heiten, sondern auch in den allgemeinen Anschauungen und Folgerungen: so unter anderem in Hinsicht der Beziehungen des Kurfürsten zu Frankreich während der Jahre 1679 bis 1688, so in betreff seiner Umtriebe in England gegen die Stuart , so bezüglich seiner entscheidenden Verhandlungen mit Holland und Oranien. Es wird dargetan, dafs der Grofse Kurfürst als der erste das Unternehmen Wilhelms III. auf England angeregt und gefordert hat. Man wird bestätigt finden, dafs die gesamte Politik Friedrich Wilhelms im Zeiträume von 1679 bis 1685 noch eine Folge seines von mir im zweiten Bande zum ersten Male nachgewiesenen Grundirrtums während des holländischen Krieges war: er hatte gemeint, Pommern den Schweden entreifsen zu können, ohne zuvor seinen Verbündeten bei der Abwehr Frank- reichs zu helfen. Aber in seinen letzten Lebensjahren macht er sich entschlossen von den Nachwirkungen der Vergangenheit frei und führt kühn seinen Staat wieder in die grofsen Bahnen einer zukunftsreichen und segensvollen Politik.

Berlin, im Februar 1903.

M. PUllppson.

Sechstes Buch.

Der Grofse Kurfürst, sein Staat und

Volk, 1660—1688.

Philippgon, I>«r OrofiM KurfOrst. III.

Fünfunddreifsigstes Kapitel.

Der Grorse Kurfürst und sein Hof.

„Ich habe einen grofsen Kurfürsten des Reiches gekannt/ schreibt der dänische Diplomat Detlev von Ahlefeldt über Fried- rich Wilhelm von Brandenburg, den er oft gesehen und ge- sprochen hatte, in seinen Denkwürdigkeiten, „der in der Kunst der Dissimulation sehr geübt, und wenn er guter Laune war, gegen mich mehr als einmal diese Worte erwähnt hat:

Niemand, der kennt meinen Sinn,

Ob ich Fuchs oder Hase bin\"

^ Geheimerats Dr. v. Ahlefeld Memoiren, heransg. von L. Bob 6 (Kopenhagen 1896), S. 84. Bericht des engl. Gesandten Southwell v. J. 1680 (Baum er, Beiträge zur neueren Gesch., in, 466). Vgl. noch zu dem folgenden die freilich mit grofser Vorsicht aufzunehmenden Berichte des französ. Gesandten H^benao (Prutz, Aus des Grofs. Kurf. letzten Jahren, 8. 155 ff.). Von der Beurteilung Friedrich Wilhelms, die K^benao in seiner, April 1688 für seinen Nachfolger Gravel entworfenen, Denkschrift gibt (sie ist von Alb. Wad dington auszüglich in dem Becueil des Instructions, Bd. XVT S. XLIVff., und vollständig Bevue historique, Bd. LXXVm [1902], S. 72 ff., veröffentlicht^ habe ich keinen Gebrauch gemacht. Die ganze Denkschrift strotzt von Irrtümern und beweist, einen wie geringen Grad von Menschenkenntnis und Urteilskraft der französ. Diplomat besafs. Hatte er schon im Dez. 1685 den schweren Irrtum begangen, die Möglichkeit eines Anschlusses des Kurfürsten an den Kaiser in Abrede zu stellen (Becueil XVI, XLII), so schildert er ihn 1688 als unbedingt friedliebend wo er doch bereits zum Kriege gegen Frankreich mit Oranien übereingekommen war. Der Kronprinz neigt zur Sparsamkeit, ja zum Geiz I Danckelmann führt den Prinzen auf den Weg engen Anschlusses an Frankreich l Marschall Schomberg hat „eine starke Leidenschaft für die Interessen Frankreichs und seines Königs! Und so weiter. Wie konnte Prutz ein ganzes Buch ausschliefslich auf

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4 Sechstea Bück.

Der komplizierte Charakter des EurfQrsten Iftfst sich in der Tat nicht mit wenigen Worten erschöpfend bezeichnen. Es ist leicht, ihn des Mangels an Folgerichtigkeit, seinen Darsteller des Mangels an klarem und durchgreifendem Verständnis zu beschuldigen. Die zahllosen Facetten seines Wesens werfen eben das Licht in verschiedenster Färbung zurück. Man mufs tiefer eindringen, um das Bleibende in ihm richtig zu verstehen und zu beurteilen. Im Grunde war er ein frommer und sitt- licher Mensch; das hat er in seinem tadellosen Privatleben durchgehends bewiesen. Er hegte dabei echt deutsches Empfinden, und sein Herz öffnete sich den Interessen des weiteren Vater- landes. Allein er hielt es vor allem fttr seine ihm von Gott auferlegte Pflicht, fttr die Gröfse und das Ansehen seines Staates und fürstlichen Hauses zu sorgen und zu arbeiten. Dagegen kam ihm nichts anderes in Betracht: wenn es sich um Staat und Dynastie handelte, diente er weder Kaiser noch Reich, be- achtete er weder Wahrheit noch Treue. Am liebsten stand er mit dem allen im Einklang : allein wenn Brandenburgs Nut2eD nach anderer Seite zu deuten schien, wandte er sich rttcksichts- los dieser letzteren zu. Sobald man sich auf solchem Standpunkte hält, wird man den Schlüssel zu einem grofsen Teile von Fried- rich^ Wilhelms scheinbaren Inkonsequenzen und deren angeblich sich widersprechender Beurteilung durch den Historiker finden. Ein weiteres Moment erhöht aber noch die Unsicherheit im Verfahren dieses Fürsten. Die Klarheit seiner politischen Er- kenntnis und die Gröfse seiner aus dieser erwachsenden Pläne standen im unversöhnlichen Gegensatze zu der Geringfügigkeit seiner Machtmittel und zu der bedrohten Lage seines Staates zwischen vier übelwollenden Grofsmächten. Deshalb überall plötzliche Hindernisse, ja Gefahren; deshalb immer wieder die Nötigung, den Kurs von dem erwünschten Ziele abzulenken, zu lavieren, umzukehren, auf viel verschlungenen und ermüdenden Umwegen zu dem ersehnten Hafen zu steuern. Diese Umstände erklären vieles, was zunächst unbegreiflich dünkt an den wechselnden Beschlüssen des Grofsen Kurfürsten; sie erschweren

die Berichte eines so selbstgefällig sich täuschenden Beobachters auf- bauen! Der Franzose G. Pagös (Bulletin de la Soci^te de Thist. de France, 1892, Lief. 3 S. 115) beurteilt das Wesen Eäbenacs viel vor- sichtiger und zutreffender.

FOnfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 5

es dem Darsteller wie dem Leser, dem Faden durch das Labyrinth seiner Politik zu folgen. Und man wird diese dennoch, trotz ihrer anscheinenden Launenhaftigkeit, verstehen und würdigen, wenn man die hier angedeuteten Existenzbedingungen des Herrschers stets im Auge behält. Man wird dann mit Staunen, mit Bewunderung erkennen, dafs er im Grunde seine Absichten und Ziele nie aufgibt und unter tausend bedenklichen Wendungen und Zweideutigkeiten immer wieder auf sie zurückkommt.

Eine freudlose Jugend, ein schwieriger und gefährdeter Regierungsanfang, steter Kampf mit inneren und äufseren Feinden, unablässiges Bingen mit übermächtigen Gegensätzen, mahsames Erstreiten auch des kleinsten Erfolges, Versagen selbst der scheinbar zuverlässigsten Bundesgenossen hatten Friedrich Wilhelm immer mehr zu einem verschlossenen, nur dem eigenen Selbst vertrauenden und deshalb gegen andere wonig aufrichtigen Manne gemacht. Mifstrauen wurde der Grundzug seines Wesens im Verkehr mit den Menschen jeder Art eine Gesinnung, die bei den meisten Höchstgestellten sich mit langjähriger Erfahrung einzufinden pflegt. Sein natür- licher Frohsinn war mit der Jugendkraft verflogen, eine gewisse Mifsstimmung und gelegentliche Menschenscheu an dessen Stelle getreten. Plötzlich brach wieder der ihm angeborene Ungestüm mit elementarer Macht durch den Zwang der Verstellung, liefs ihn mehr und heftiger reden, als ihm eigentlich lieb war, gegen- über nicht nur seinen Räten und Offizieren, sondern auch fremden Diplomaten. Dann konnte er wieder denn Güte und Ge- rechtigkeit waren die Grundzüge seines Wesens mit ge- winnender Liebenswürdigkeit auftreten. Oberflächliche Be- obachter hielten ihn für einen schwachen, unentschlossenen Menschen, bei dem List und Gewaltsamkeit miteinander ab- wechselten, zum Schaden seiner selbst und anderer. In Paris sang man ein Spottlied über ihn:

„Fürchtet dieser Fürst im Beich, Dafs ihn treff' ein böser Streich, Sieht Gefahr er im Verzug, Greift er schnell zu Lug und Trug^""

* „Mais si ce prince de Tempire Apprehende d'avoir du pire, Voyant ses Zitats en danger, Ne peut-il pas encor changer?"

Q Sechstes Buch.

Gefade die Menschen, die ihn täglich beobachteten, haben ihm am wenigsten Gerechtigkeit widerfahren lassen, weil die Versatilität seiner Einzelentschlüsse sie über die Beharrlichkeit der grofsen Linien seiner Politik täuschte. Friedrich Wilhelm gewinnt, wenn man ihn von der Feme, von hohen Gesichts- punkten aus betrachtet : dann verschwinden die krausen Einzel- heiten, und das grofsartige Gepräge seines Wesens tritt allein in die Erscheinung. Einsichtige Zeitgenossen haben solches wohl erkannt und sich nicht durch Äufserlicfakeiten täuschen lassen \

Der Schatten von Melancholie, der über seinen letzten Be- gierungsjabren hängt, wurde verdichtet durch häufige und schmerzhafte Krankheiten, denen er von den Zeiten seines kräftigsten Mannesalters her unterworfen war. „Die leichtfertige Krankheit der Gichf, wie er sich selber scherzhaft ausdrückte ', plagte ihn seit seinem vierzigsten Lebensjahre immer wieder und warf den nach rastloser Tätigkeit Verlangenden auf das Lager, während Politik oder Krieg dringend seine Beweglichkeit und Arbeit forderten. Kein Wunder, dafs ihn die erzwungene Trägheit beunruhigte und tief verstimmte^. Aber sobald er einigermafsen seines Körpers Herr war, raffte er sich auf, nicht nur um im Kabinett mit seinen Ministem und den fremden Gesandten zu arbeiten^, sondem auch um schonungslos seine Kräfte und sein Befinden den schlimmsten Anstrengungen aus- zusetzen — wie in den Feldzügen in Pommern und Preufsen. Nach der Arbeit aber liebte er fröhlichen Tmnk und zerstreuendes Spiel, das ihn oft bis spät in die Nacht wach erhielt ^ Die Folge dieser anstrengenden, antihygienischen Lebensweise waren heftige Fieberanfälle und quälende Atenmot, die wiederholt

(Alb. Waddington, Eecueil des Instructions, Bd. XYI [Paris 1901]: Prufse, Introd. p. XXV.)

^ So sagt Bischof Burnet (History of his own time [London s. a.] S. 475): The heat of his spirit was apt to kindle too quick, tili his interest cooled him; and that fetched him back, which brought him under the censure of changing sides too soon and too often.

' In einem Schreiben an Schwerin, 26. Febr. 1663; ü. u. A. IX, 849.

* Vgl. KurfOrstin Luise Henriette an Schwerin; Orlich, Preufs. Staat I, 547.

* S. U. u. A. n, 259. 261.

^ P. Haack, Brandenburgische Politik u. Kriegführung L d. Jahren 1688 u. 1689 (Kassel 1896), S. 145 (nach schwedischen Quellen).

Fünfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 7

seinem Dasein ein jähes Ende zu bereiten drohte. Dazu kamen im Alter schmerzhafte Steinbeschwerden und Koliken. Eine von Jahr zu Jahr zunehmende Korpulenz trug nicht zu seinem Wohlbefinden bei. Er suchte seine Übel durch seltsame Kraft- kuren zu bekämpfen, wie im Jahre 1684 durch allmorgendliches Trinken von dreifsig bis vierzig Tassen Tee, von deren Genufs er tatsächlich Besserung zu verspüren glaubte ^ Aber wiederholt erkrankte er doch so schwer, dafs seine Ärzte ihn aufgaben^. Seine kräftige Natur trug freilich immer wieder den Sieg davon.

Bewegung, Tätigkeit, Anstrengung das war ihm Be- dürfnis. Deshalb liebte er vor allen Vergnügungen die Jagd in den wildreichen Forsten des Grunewald bei Zossen, bei Köpenick, Nellin und Oranienburg, sowie an der neumärkisch- polnischen Grenze^. In Preufsen lag er Elen-, Wolf- und Bären- jagden ob. Er zählte mit Vergnügen seine waidmännischen Erfolge auf und trotzte der Gefahr bei Eber- und Bärenhetzen mit ruhigem Mute. Unaufhörlich durchzog er seine weithin zerstreuten Lande, von Kleve bis Königsberg, und scheute auch Reisen nach Holland, Sachsen und anderen Nachbarländern nicht. Sein Gesundheitszustand nötigte ihn überdies seit 1662, Bade- orte zur Kur aufzusuchen: so Karlsbad, Pyrmont, Aachen. Er pflegte da mit würdiger Pracht und grofsem Gefolge einher- zuziehen — das hielt er seiner hohen Stellung für angemessen. Weniger als 200 Pferde führte er niemals mit sich. Er unter- liefs es nicht, alle Sehenswürdigkeiten der von ihm berührten Orte in Augenschein zu nehmen, denn auf allen Gebieten zeich- nete ihn stets lebendige Wifsbegier aus, die ihm eine aus- gedehnte Bildung einbrachte. Als ihm ein Arzt, Dr. Wilhelm Piso, sein Buch über Brasilien zugesandt hatte, gab er im Dank- schreiben seiner Freude darüber Ausdruck, „dafs das Jahrhundert solche Ingenia gegeben, welche dasjenige, was sonsten Unseren Vorfahren verborgen gewesen und in so fernen Landen, ja in den allerweit entlegendsten Klimaten gefunden wird, mit so^ sonderbarer Mühe und Arbeit durchforschen, auch die Natur derjenigen fremden Sachen, so sie daselbst angetroffen, so

^ Meinders an Waldeck, 19. Jan. 1684; Strecker, Meinders, 97. 'Ms. Fridag an Grana, Id. Kov. 1686 (Kopie); Berlin, Geh« Staataarchiv Bepos. 94, IV, H b, 4 b.

* Bericlit Leaseins* v. 7. Febr. 1662, U. u. A. II, 246 f.

g Seehstes Buoli.

fleifbig untersuchen und denen europäischen Völker kom- munizieren" ^

Seine Weise, sich auszudrücken, war kernig und treffend. Seine Briefe und Verfügungen sind mit Kraft und Gewandtheit abgefafst, ohne den Schwulst, der damals bei hoch und niedrig beliebt war, und mit möglichster Vermeidung der entsetzlichen Sprachmengerei, die gemeiniglich die deutsche Rede jener Zeiten in unerträglicher Weise verunziert. Man darf sagen , dafs wenige Schriftsteller von Beruf damals in so reiner, angemessener und bündiger Art geschrieben haben ^ wie dieser Politiker und Kriegsmann, der aber echt fühlte und gerade dachte.

Seine Tätigkeit war unermüdlich. Er stand auch im höheren Alter Winters wie Sommers um sechs Uhr früh auf; und sobald er sein Gebet verrichtet und das Frühstück eingenommen hatte, bei dem in seinen späteren Jahren die altüberkommene Bier- suppe durch die modisch gewordenen Getränke Kaffee oder Tee ersetzt wurde, ging er mit seinen bevorzugten Geheimräten an die Arbeit, die gewöhnlich den ganzen Vormittag ausfüllte* Nach dem Mittagsmahle, das er allein mit der Kurfürstin ein- zunehmen pflegte, fuhr er spazieren oder trieb körperliche Übungen oder auch Kultur seiner Anpflanzungen. Noch in hohem Alter half er eigenhändig, durch Pflanzen, Pfropfen oder Säen, bei der Umwandlung seines an der Potsdamer Landstrafse, eine Viertelmeile von Berlin, gelegenen Hopfengartens in einen grofsen Muster-, Obst* und Gemüsegarten'. Der Abend wurde mit Unterhaltung und Spiel im Familienkreise verbracht; indes wenn die Geschäfte drängten, wurden auch Briefe oder sonstige Schriftstücke expediert. Denn Friedrich Wilhelm betrachtete, vorbildlich für sein ganzes Haus und seine gesamten Nachfolger, seine hohe Würde zunächst als eine ihm von der Vorsehung auferlegte schwere und verantwortungsreiche Verpflichtung, vor der alle persönlichen Rücksichten und Bequemlichkeiten in den Hintergrund traten. Er als einer der ersten unter den deut- schen Herrschern hatte mit der privatrechtlichen Auffassung des Mittelalters vom Fürstentum gebrochen und betrachtete dieses als ein öffentliches Amt, als das höchste, erste und ver-

^ Schuck, Brandenburg-preuf 8.« Kolonialpolitik, I, 9Axmi. * Nicolai, Beschreibung der Residenzstädte Berlin u. Potsdam, in», 1086 f. '

FOnfunddreÜBigstes Kapitel. DerGrofse Kurfürst u. sein Hof. 9

bindlichste aller Ämter. Freilich als Diener des Staates, wie sein Urenkel Friedrich IL, sah er sich nicht an, sondern als den von Gott dem Staate gesetzten Herrn, aber als einen Herrn, der fQr das Wohlergehen der Untertanen und die Blüte des Staates vor Gott die volle Verantwortung trage. Das, wie gesagt, war ihm die oberste aller seiner Pflichten. Dieser Herrscher, der seinem Volke schwere Opfer hat auferlegen müssen, wünschte doch nichts sehnlicher, als dessen Anhäng- lichkeit und Vertrauen zu erwerben. „Das beste Citadell eines Fürsten ist," so sagt er 1680 „wenn er weifs, dafs seiner Untertanen Herz ihm zu Liebe und Treue beständig zugetan ist^." Das haben sie auch, trotz aller Bedrückungen, wohl gefühlt, und der eifernde Herr ist schon zu seinen Lebzeiten volkstümlich geworden in seinen Landen.

Das strenge Zeremoniell, mit dem er sich umgab, und der feierliche Luxus, den er bei festlichen Anlässen zu entfalten liebte, hatten keine persönliche Bedeutung denn für sich selbst war er einfach und von frommer Demut , sondern galten dem Oberhaupte eines zu Macht und Ansehen auf- strebenden Staates , das seinen gebührenden Bang in der Welt behaupten mufste. Als im Oktober 1680 der Prinz von Oranien nach Berlin kam, wurde hier eine an den damaligen deutschen Höfen unerhörte Pracht entfaltet. Die ganze Dienerschaft wurde in neue gold- und silberverbrämte Livreen gesteckt, 24 Trom- peter und 40 Pagen prunkten neben der grofsen Zahl des Hof- gesindes, mehr als 500 Pferde füllten die kurfürstlichen Mar- stäUe*. Friedrich Wilhelm wollte in der Welt etwas gelten, man sollte ihn als einen grofsen und glänzenden Fürsten ehren. In seinen bedrängtesten Zeiten liefs er eine Münze schlagen, die auf dem Avers sein Bildnis zeigt, auf dem Revers einen feuerspeienden Berg, aus dem zahlreiche Flammen hervorbrechen, die ein stark niederfallender Regen wohl mit Dampf umhüllen^ aber nicht auslöschen kann. Non extinguentur honores lautete die Inschrift*. Tatsächlich machte das auf die Zeit-

* B. Holzapfel, Des Grofsen Kurfürsten Festungsbauten in Magde- burg (Magdeburg 1880X S. 24.

* Ms. Depeschen B^benacs vom Okt. 1680 (Kopien); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, IV Hb, 10«.

'G. D. Seyler, Gesch. Friedr. Wilhelms, Kurf. zu Brandenb. (Frankf. u. Leipz. 1730, foL^ S. 181 f.

10 Sechstes Buch.

genossen den gewünschten Eindruck. „Der Hof des Kurfürsten,*' sagt der Franzose Reymond, der 1682 einige Zeit in Berlin verweilte, „ist freigebiger als irgend ein anderer in Deutsch- land, und obgleich dem Kurfürsten der Titel eines Königs fehlt, werden diese Ansprüche doch nicht vermifst, wenn man von einem königlichen Hofe nach Berlin kommt ^.*'

Für gewöhnlich aber trug Friedrich Wilhelm einen schmuck- losen runden Hut mit breiter Krempe, ohne die sonst übliche Feder, einen langschöfsigen , bis unten mit Knöpfen besetzten, kragenlosen, bis zum Halse geschlossenen Bock und unter diesem eine gleichfalls langschöfsige und geschlossene Sammetweste. Die Beinkleider steckten in grofsen, oben umgeschlagenen Knie- stiefeln von roter oder gelber Farbe. Stulphandschuhe, sowie eine weifsleinene, gestickte Halsbinde, deren Enden herabhingen, vervollständigten den Anzug ^.

Seine aufrichtige Frömmigkeit, die in so liebenswerter Gemeinschaft mit Duldsamkeit und Achtung vor abweichenden religiösen Überzeugungen stand, verleugnete sich niemals. Er prüfte seine Söhne selber in der Kenntnis des Katechismus". Dazu fand er noch Zeit und Lust inmitten angestrengter und aufreibender Tätigkeit, die sich bisweilen zum Heldentume erhob. Als die Schweden im Winter 1678 auf 1679 in Preufsen ein- drangen, war der Kurfürst von einem harten und quälenden Husten befallen, den er sich in den Laufgräben vor Stralsund und Greifswald geholt hatte ^; allein er zögerte nicht einen Augenblick, selber die Führung des beschwerlichen Winterfeld- zuges in dem rauhen Preufsen zu übernehmen.

Sein feuriger Geist trieb ihn unablässig, die Gröfse seines Staates weit über das bisher erlangte Mafs zu steigern. In den Jahren, wo er mit ansehen mufste, wie das habsburgische Kaiserhaus die heiligsten Interessen des Reiches aufopferte, um mit Frankreich die bevorstehende spanische Erbschaft zu teilen, 1667 bis 1670, zog er eine zukünftige Erwerbung Schlesiens in

^ Orlich, Preufs. Staat, I, 532 f.

* F. Skarbina, Der Grofse Kurf. in seiner äufseren Erscheinung um 1675; Hohenzollem-Jahrb. 11 (Leipzig 1898X S. 117 ff.

' Ms. Tagebuch Schwerins d.j Ä., 8. April 1667 ; Berlin, Geh. Staate- arch., Bep. 94, Hc, 9.

* Orlich, Preufs. Staat, III, Nr. 879. 380.

Fflnfunddreifsigstes Kapitel. Der Gro£se Kurfürst u. sein Hof. H

Betracht, allerdings nicht gerade in offenem Kampfe mit Öster- reich.

„Demnach nun weltkundig ist,'' schrieb er damals nieder, „auf was schwachen Füfsen das Haus Österreich bestehet, und dafs zu befahren, dafs selbiges Haus durch Absterben und Nicht -Hinterlassung einiger Erben abgehen möchte, und Ich dameben in Erfahrung kommen bin, wie dafs schon bei leben- digem Leibe des jetzigen Kaisers Andere auf sothanen uner- hoSten Fall einige Teilung unter sich gemacht, wie sie die Königreiche und Lande unter sich verteilen wollten so habe ich solchem Werke eine geraume Zeit vielfältig nachgedacht und befunden, dafs, wenn es ja zu einer solchen Teilung kommen sollte, dafs das Haus Brandenburg billig fttr (vor) andern, ja auch jedermänniglich , welche sich der Succession annehmen möchten, mit allem Recht die nächsten Erben zu der Schlesien sei." Er gründete seine Ansprüche auf die gewaltsame Ent- ziehung von Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau, sowie des Herzogtums Geldern, das ihm aus der klevischen Erbschaft zu- komme; auf die Gefahr, Schlesien und den oberen Lauf der Oder in fremde Hände fallen zu sehen, besonders in die des flbelwoUenden Nachbarn Kursachsen; endlich auf alte verwandt- schaftliche Beziehungen der Hohenzollem zu den Habsburgern. Es ist sehr merkwürdig, dafs er dabei in religionspolitischer Beziehung genau dieselben Wege weist, die später Friedrich der Grofse eingeschlagen hat : man soll die Katholiken Schlesiens in ihrem kirchlichen Bestände belassen und nicht „für die Koppe stofsen*", den Evangelischen aber volle Religionsfreiheit ver- sprechen und ihnen erlauben, „Kirchen zu bauen, wo es ihnen gefällig sein würde". In allen Einzelheiten durchspricht er die militärischen und politischen Mafsregeln, die bei der Besitz- ergreifung des Landes zu treffen wären. Kurz, auch hier ist er der rechte Vorläufer des grofsen Urenkels gewesen. Kein Zweifel, dafs die Rücksicht auf die „Gommercia** der mittleren und oberen Oder bei diesem Plane eine grofse Rolle gespielt hat ^

Denn Friedrich Wilhelm war nicht nur Diplomat und Militär, er umfafste mit gleichem Interesse die innere Ent- wicklung seines Staates auch diese von echt modernem

1 Die Denkschrift findet sich bei Ranke, Sämtl. Werke XXV/XXYI, 518 ff.

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Gesichtspunkte aus. „Eure von Gott untergebenen Untertanen, ^ empfiehlt er seinem Kachfolger im Jahre 1667, „müsset Ihr ohne Ansehen der Religion als ein rechter Landesvater lieben, ihren Nutzen und Bestes, in billigen Dingen, allzeit gerne zu be- fördern suchen, die Gommercia überall in Aufnahme bringen und auf mehrere Peuplierung gedenken/ Nicht mehr in der Aufrechterhaltung einer allein wahren Staatsreligion, sondern in der Vermehrung der Bevölkerung und in der Steigerung ihres Wohlstandes sieht der Grofse Kurfürst die Hauptaufgabe des Herrschers. „Die liebe Justicia lasset Euch in allen Euren Landen höchlichst befohlen sein, und sehet dahin, damit sowohl den Armen als Reichen ohne Ansehung der Person Becht ver- schaffet werde: denn das befestiget die Stühle der Begenten/ Alles goldene Lehren, die noch heute nicht in vollem Umfange verwirklicht worden sind. Das Programm des Bechtsstaates, das Friedrich Wilhelm vor mehr als zwei Jahrhunderten für seine Nachfolger aufstellte, dürfte noch heute den Begierenden vorgehalten werden.

Allerdings, er wollte neben seiner landesherrlichen Macht keine Sondergewalten im Staate dulden. Er teilte nicht die Ansicht Schwerins, dafs der Herrscher den widersetzlichen Ständen gegenüber nur mit Milde verfahren solle, und dafs „das gröfste Bobur eines Begenten in untertänigster Affektion der Untertanen (das heifst der allein berechtigten höheren Klassen) bestehe'*'. Er suchte vielmehr, in Übereinstimmung mit den staatsrechtlichen Schriften Pufendorfs, die in so vielen Dingen ihm vorbildlich waren, das Heil in aufgeklärtem und wohlwollendem Absolutismus. Es sollen alle, riet er wiederholt seinem Erben, „allein von euch dependieren". Der Herrscher solle nicht nur den Genufs seiner Würde haben, Arbeit aber und Macht einem leitenden Minister überlassen; vielmehr: „Hütet euch, dafs ihr einen Diener allein nicht zu grofs machet und ihm alle Autorität alleine lasset**

Grundsätze, die Friedrich Wilhelm je länger je mehr selber befolgt hatte. Obwohl er den Oberpräsidenten von Schwerin als den treuesten und zuverlässigsten seiner Batgeber betrachtete, hat er sich doch auch ihm gegenüber immer unabhängiger gestellt , sowohl in der inneren Politik , wo ihm Schwerin viel

» Orlich, Preufs. Staat, I, 844 ff.

Fflnfunddreüsigstes Kapitel. Der Grofse KurfOrst u. sein Hof. 13

ZU adelsfreundlicfa war, wie in der äufseren, wo jener der Frische und Tatkraft ermangelte. Auch Meinders, der in den aus- wärtigen Angelegenheiten grörseres Ansehen besafs als Schwerin, beherrschte darin den Kurfürsten keineswegs. Man sehe nur Meinders' Gutachten bei der schwedischen Invasion: er legt weitläufig dar, wie dieser Angriff rechtlich einen vollgültigen Kriegsfall darstelle; allein man sei fttr solchen nicht stark genug, man solle „dissimulieren'', den König von Schweden und den Feldmarschall Wrangel durch gütliche Vorstellungen zur Kücknahme ihres Angriffs zu bewegen suchend Da ist nichts an dem kühnen Wollen Friedrich Wilhelms, die Feindseligkeiten der Schweden zu deren Vertreibung aus Pommern zu benützen ! Die eigene Entschlufsfähigkeit zu wahren, dahin zielte des Kurfürsten ganze Arbeitsweise. Er ging fleifsig in den Geheimen Rat, liefs sich die Ansichten der Mitglieder vortragen und merkte sich ihre Vota an. Er gewährte dabei den Bäten volle Freiheit der Meinungsäufserung. Freilich ertrug er für den Augenblick oft schwer den Widerspruch, zumal in Dingen, die ihm sehr am Herzen lagen; er brauste dann wohl auf und meinte, nur ein Verräter könne da einen anderen Vorschlag machen. Aber ruhige und feste Aussprache seiner bewährten Diener brachte ihm bald wieder das Gleichmafs und die Billig- keit des Empfindens : er schlofs sich wohl der soeben erst heftig bekämpften Ansicht der Bäte an^ Den endgültigen Entschlufs jedoch in wichtigen Dingen fafste er in der Stille seines Kabinetts, mit Zuziehung eines oder weniger vertrauter Diener, oft nach Anrufung des göttlichen Beistandes. Allein auch das geschah niemals, ohne dafs ihm eingehend, meist schriftlich, das Für und Wider jeder Sache dargelegt worden war , so dafs er in voller Kenntnis und Übersicht zu urteilen vermochte. Er liefs sich selbst alle Briefe und Berichte bringen, eröffnete und las sie und verteilte die Arbeit unter seine Bäte. Seine Ant- worten und Bescheide sind meist von diesen aufgesetzt, haben ihm aber alle vorgelegen; er hat sie oft genug eigenhändig ab- geändert und umgestaltet, bisweilen durch Nachschriften den

1 Ms. Gutachten Meinders' vom 3./!^ Jan. 1675 (Strafsburg); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. 92, Meinders 5.

* Englische Denkschrift, wahrscheinlich Southwells; Baumer, Beiträge, III, 466 ff .

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Sinn verstärkt oder sie mit wichtigen Zusätzen versehen. Auch die fremden Gesandten hatten zunächst mit ihm persönlich zu verhandeln und dann wieder den Schlufsentscfaeid von ihm zu empfangen ^ So blieb in allen bedeutenderen Angelegenheiten der Beschlufs ihm vorbehalten.

„Ich bewundere diesen Kurfürsten,*" schreibt der feine Menschenkenner Lisola aus Berlin', „der seine Freude an langen Berichten mit allerkleinsten Einzelheiten findet und solche aus- drücklich von seinen Dienern verlangt; er liest, überlegt und expediert alles; eines verknüpft er mit dem anderen und ver- nachlässigt nichts." „Kurfürstliche Durchlaucht," berichtet ein anderer kaiserlicher Gesandter, Goefs^, „seind sehr unmüfsig und arbeitsam, schlafen wenig Stunden und seind in aller Frühe auf." „Er lenkt seinen Rat selber," sagt Bischof Gilbert Burnet, der ihn persönlich kannte und seines Neffen Wilhelm von Oranien Vertrauter war; „er besafs ein wundervolles Ge- dächtnis, selbst in den kleinsten Dingen, denn alles mufste ihm vor die Augen gebracht werden." Nur in minder wichtigen Angelegenheiten liefs er seinen Bäten bisweilen freie Hand: daraus schlössen oberflächliche Beobachter fälschlich, er lasse sich von diesen leiten *. Nach dem Tode des älteren Schwerin 14. November 1679 hat er das Amt eines Oberpräsidenten des Geheimen Bates, das immerhin eine Art Premierminister- schaft darstellte, nicht wieder besetzt. Er liebte es vielmehr, dafs seine Bäte uneins waren und einander bekämpften. Er beklagte sich über diesen oder jenen ^, allein das geschah nur, wenn er einem Minister die Verantwortung für Mafsregeln zu- schieben wollte, die er selber einstweilen zu desavouieren für gut hielt. Im Grunde sah er es behaglich mit an, wenn Schwerin und Jena, Jena und Meinders, Meinders und Fuchs widereinander mit Heftigkeit, ja Leidenschaft stritten. Niemals hat er diesen Zwistigkeiten durch sein Machtwort ein Ende

' Aufser dem Testament von 1667 und zahlreichen M8.-Akten8tücken sehe man seinen Briefwechsel mit dem älteren Schwerin, bei Orlich» Friedrich Wilhelm^ Beilagen, u. in den U. u. A.

* An Walderode, 80. Nov. 1663; U. u. A. XIV, I, 171. « 18. Juli 1665; das. S. 219.

* Burnet, History of his own time, S. 474 f.

^ Vgl. Prutz, 168 ff., der aber hier wieder einmal den Charakter des Kurfürsten gründlich mifsversteht.

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bereitet: eben damit, wie er das in seinem politischen Testa- mente Yon 1667 ausdrücklich sagt, keiner seiner Bäte ihm über den Kopf wachse. Er war überzeugt, das Ringen entgegen- gesetzter Empfindungen und Meinungen werde ihm das Richtige erweisen und zugleich jedem übermächtigen Einflüsse eines seiner Räte vorbeugen.

Die stärkste Einwirkung übten nacheinander auf ihn seine Gemahlinnen, deren jeder er zu ihrer Zeit mit der Treue eines liebenden Herzens und der Kraft einer durch Keuschheit kon- zentrierten Sinnlichkeit ergeben war. Am teuersten aber ist ihm die Gattin seiner Jugend geblieben, Luise Henriette, an edler und tiefer Frömmigkeit ihm gleich vielleicht um einen Farbenton frömmelnder und unerschöpflich an klugem Rate. Sie teilte seine Anstrengungen und Gefahren, und nicht minder seine Neigung zu landwirtschaftlichen und gärtnerischen Unter- nehmungen. Sie war eine zärtliche Mutter, die, trotz aller An- sprüche und Zerstreuungen des Hoflebens, ihre Kinder jeden Tag sah, wenn sie mit ihnen an gleichem Orte weilte^, bei jeder Trennung regelmäfsig über sie mit deren Erzieher, dem Oberpräsidenten von Schwerin, Briefe wechselte. Aus ihnen tüchtige Menschen, namentlich gute evangelische Christen zu machen, war ihre hauptsächliche Sorge. Mit besonderer Hin- gebung war sie dem Zweitgeborenen, dem Prinzen Friedrich, zugetan, nicht allein weil er milderen Sinnes, sondern auch weil er schwächlicher und der Pflege bedürftiger war als der älteste. Sie wurde nicht müde, ihn der eingehenden Sorgfalt Schwerins zu empfehlen, diesen zu bitten, er möge den Jüngeren nicht dem Kurprinzen nachstellen, die Lehrer den zarten Knaben nicht hart behandeln lassen. Ihre Liebe zu dem Kinde ist gerade in ihrer Schwäche rührend. Es galt als „ihr Mignon'^ '. Sie suchte Friedrich von dem Ältesten für die Zukunft unab- hängig zu stellen , indem sie ihm das Fürstentum Halberstadt als eigenes Erbe verschaffte '.

Der Einflufs Luise Henriettens auf ihren Gatten ist stets ein beträchtlicher gewesen. Besonders als Friedrich Wil- helm im Sommer 1661 monatelang mit ihr, ihrer Mutter, der

^ Ms. Tageb. Schwerins d. Ä. (Berlin, Geh. Staatsarchiv). » Orlich, Preufs. Staat, HI, 445. 447. 456. 467 ff. 473 f. > Goefs an den Kaiser, 11. Mai 1665; ü. u^ A. XIY, I 211.

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Prinzessin witwe von Oranien, sowie ihren Schwestern und deren Gatten zusammen in Kleve und Tumhout lebte, stand er unter der Einwirkung j»des kurfürstlichen Frauenzimmers**, wie seine Bäte klagten; der Schwager Luisens, Johann Georg von Anhalt, war das stete Werkzeug ihrer Wünsche, teilte ihr alle Staatsangelegenheiten mit und holte sich von ihr Instruktionen. Indes auch dem Oberpräsidenten von Schwerin bewahrte die Kurfürstin ihre Gnade, obwohl er nicht in bestem Einver- nehmen mit Anhalt stand, und stützte ihn wiederholt bei dem Kurfürsten, ein Beweis, dafs sie sich nicht allein von Bücksicht auf ihre Familienangehörigen leiten liefs. Aber sie und die ihr verwandten Damen verstanden es auch, wenn sie mit Güte nichts durchsetzten, die wirksame weibliche Waffe des Tränenergusses anzuwenden. Es ist selbstverständlich, daf? in der Kurfürstin Politik, nach weiblicher Weise, die Empfindung die Hauptrolle spielte. Allein auf die Länge wufsten Friedrich Wilhelms ge- -sunde Einsicht und kräftiger Wille sich von solchen Einwirkungen wieder frei zu machen, insoweit sie nicht mit seinem und des Staates wahrem Interesse übereinstimmten. In häuslichen An- gelegenheiten jedoch gestattete er seiner Gattin stets ein weit- gehendes Mitbestimmungsrecht ^

Die wiederholten Geburten hatten die ohnehin sehr zarte Kurfürstin sehr geschwächt, so dafs sie fast immer leidend war. Obschon sie gegen ihre Krankheit die Brunnen zu Aachen und Spa gebrauchte, nahmen ihre Kräfte von Jahr zu Jahr ab, und schliefslich stellte sich bei ihr eine langsame, aber unheilbare Schwindsucht ein. Vom Herbst 1666 bis zum Frühling 1667 weilte sie zu ihrer Erholung bei ihrer Mutter in Holland. Dort aber erkrankte sie aufs schwerste, so dafs sie im Mai 1667 nach der Heimat zurückeilte, um doch bei dem Gatten und den Kindern zu sterben. Man glaubte kaum, dafs sie lebend ans Ziel gelangen werde ; gerade deshalb beschleunigte sie die Beise derart, dafs ihr Fürst Moritz von Nassau, der sie geleitete, kaum Genüge tun konnte^. Während ihrer ganzen

^ S. die merkwürdige Äufserung des jungen Kurprinzen Karl Emil im Juni 1667 ; Forsch, z. brandenb. u. preuTs. Gesch., XII (1899), S. 472. TJ. u. A. XIV, 470 ff. 534 ff. Anhalt im engsten Bunde mit der Kur- fürstin, XJ. u. A. n, 244. Ihre Beziehungen zu Schwerin in den sech- ziger Jahren: Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch. VIII (1895), S. 195 ff.

F. Hirsch, Briefe Luise Henriettens an Otto v. Schwerin (Forsch.

Fünfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 17

Todeskrankheit zeigte sie rührende Fassung und Frömmigkeit and beklagte ihr nahes Hinscheiden nur wegen des Kummers, den es dem Kurfürsten bereiten würde, und wegen ihrer jungen Söhne. Die innige Liebe der Ihrigen und selbst ihrer Diener- schaft umgab die wahrhaft edle Fürstin in ihren letzten Tagen. Von furchtbarem Husten gepeinigt, unfähig, selbst nur noch Milch zu sich zu nehmen, in wachsender Schwäche gab sie, ohne Todeskampf, am 8./18. Juni 1667 in Gegenwart des Gatten, der an ihrem Bette kniete und ihre Hand hielt, den Geist auf^ Dafs sie, wie später das Gerücht am Hofe ging, ihre Kinder dem Fürsten von Anhalt zum besonderen Schutze anbefohlen habe, ist absolut unrichtig. Sie hat vielmehr auf dem Sterbe- lager erklärt, nicht nur, dafs ihr Gatte ihr einziger Testaments- vollstrecker sein solle, sondern sogar, dafs sie es ihm überlasse, ob er ihren letzten Willen gutheifsen wolle oder nicht, „weil sie alles, worüber sie verfüge, von ihm empfangen habe'''. Die Sage wird aus dem Gegensatze entstanden sein, der sich später zwischen Anhalt und der oranischen Familie auf der einen, der zweiten Kurfürstin Dorothea und deren Gatten auf der anderen Seite herausbildete.

Freilich, die religiöse Unduldsamkeit entwaffnete auch nicht vor der Katastrophe, die das Ende einer schönen und anmutigen Persönlichkeit und eines musterhaften Liebes- und Familien- bundes bedeutete. Die Bevölkerung Berlins hatte, mit Unrecht, in Luise Henriette die Hauptstütze der verhafsten „Kalviner** gesehen; sie entblödete sich nicht, die tote Fürstin auf ihrem Paradebette mit Schmähungen zu überhäufen, so dafs der tief gekränkte Gatte den Zutritt zu der Leiche untersagen mufste^.

Das Gedächtnis der Dahingeschiedenen hat Friedrich Wilhelm zeitlebens treu gewahrt. Allein, wie es bei vollblütigen und

z. brandenb. u. preufs. Gesch. VIII, 204 f.). U. u. A. IX, 825. 887. Goefs an d. Kaiser, 16. Mai 1667; das. XIY, I 803.

* Tageb. Schwerins, bei Orlich, Preufs. Staat, I, 549 ff. Bericht der Kammerfrau Martitz; Forsch, z. brandenb. u, preufs. Gesch. IX (1896), S. 574 ff. Gedruckte Leichenrede des Hofpredigers Stosch. Droysen, IV, IV 140.

Ihre eigenen Worte: Briefe Schwerins an die Prinzessin -Witwe von Oranien; Orlich, a. a. 0., III, 522 f.

Forsch, zur brandenb. u. preufs. Gesch., XII, 147.

Philippson, Der Orofse Kurfflrst. III. 2

18 Sechstes Buch.

dabei keuschen Männern der Fall ist, er bedurfte alsbald einer neuen Gattin. Er umschrieb das freilich mit anderen Gründen : mit seinen „von Jahr zu Jahr zustofsenden Krankheiten"; oder: „Ich mufs eine haben, die meiner warte, wenn ich krank bin" ; oder er redete von der Pflege seiner unmündigen Kinder^. Man sah sich deshalb von vielen Seiten, sofort nach dem Tode seiner ersten Gemahlin, nach einer zweiten um. Der Wiener Hof gedachte, ihn durch eine der Erzherzoginnen an sich zu fesseln; wünsche er solche nicht selber, möge sie der Kurprinz erhalten*. Viele meinten, das beste würde für ihn die Verbindung mit einer unebenbürtigen reformierten Dame sein, damit kein neuer mafsgebender Einliufs am Berliner Hofe sich geltend mache und das arme Land keine weiteren Prinzen zu unterhalten habe^. Allein auf solche Berechnungen ging Friedlich Wilhelm nicht ein. Wahrscheinlicher klang schon das an verschiedenen Stellen verbreitete Gerücht, der Kurfürst wolle sein Bündnis mit dem allerchristlichsten Könige durch eine Heirat mit dessen reicher Base, Fräulein von Montpensier, be- festigen. Nicht nur der König von England, auch Friedrich Wilhelms bisherige Schwiegermutter glaubten, ihn vor dieser Vermählung warnen zu müssen, die ihn zum Sklaven Frank- reichs machen würde. Die reformierte Hofgeistlichkeit zeigte sich begreiflicherweise ob einer solchen Verbindung mit einer „Katholischen" sehr bekümmert. Der Kurfürst aber lachte über dergleichen Gedanken und rief, mit unehrerbietiger An- spielung auf die früheren Liebeshändel der nicht mehr jugend- lichen Prinzessin: „Vestigia me terrent"*.

Ernstlich kam eine weniger glänzende, aber weit unver- fänglichere Verbindung zur Sprache. Es handelte sich um eine Witwe, die damals im zweiunddrei fsigsten Lebensjahre stand: Dorothea, die Tochter des Herzogs Philipp von Holstein-Glücks- burg, die siebzehnjährig die Gattin des Herzogs Christian Ludwig von Lüneburg geworden war. Die Ehe war unglücklich gewesen und kinderlos geblieben, dann durch den Tod des

* Seraphim, Luise Charlotte von Kurland, S. 116.

a aoefs an d. Kaiser, 18./ 22. Aug. 1667; U. u. A. XIV, I 319. ' W. Ribbeck, Aus Berichten des hess. Sekret. Lincker; Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., XII, 149 ff.

Strecker, Meinders, 30. U. u. A. XII, 660. 662. 921 f. Em. Bourgeois, Ezechiel Spanheim (Paris u. Lyon 1900), S. 165.

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LüQeburgers 1665 gelöst worden ^ Die Vermittlerin der neuen Heirat war des Kurfürsten Schwester Hedwig Sophie von Hessen-Kassel. Die Hauptschwierigkeit lag in dem lutherischen Bekenntnis der Herzogin Dorothea, das sie als aufrichtige Lutheranerin nicht, wie der Kurfürst es durchaus forderte, mit der reformierten Konfession vertauschen wollte. Endlich gab sie nach und stellte den gewünschten Revers aus. Da trat ein neues Hindernis hervor. Johann Georg von Anhalt, der Schwager Luise Henriettens, der bei der Eröflnung ihres Testamentes übergangen worden, reizte die ohnehin herrschsüchtige und rücksichtslose Prinzessin-Witwe von Oranien auf, ihrem Schwieger- sohn Vorstellungen zu machen, dafs er durch seine neue Heirat seine Kinder aufopfern und deren Erbe in Gefahr bringen werde. Anhalt und seine Gattin suchten sich dabei als Verteidiger ihrer Neffen aufzuspielen. Allein Friedrich Wilhelm wies solche Einmischung von „Leuten, so sich nur umb das Ihrige be- kümmern solten, nur ihren Nutzen hierin suchten undt ohne das wenig oder gar nicht auf den meinen sehen ,** mit grofser Entschiedenheit zurück.

Am 14./24. Juni 1668 ward ohne viel Gepränge die Ver- mählung der beiden verwitweten fürstlichen Personen in Groningen begangen. Hofprediger Bergius hielt die, wie befohlen, nur kurze Traupredigt. Wenige Monate später trat, ihrem Reverse und den Ehepakten gemäfs, die Kurfürstin zu der reformierten Kirche über. Die Lutheraner waren sehr glücklich darüber gewesen, eine Landesherrin ihrer Konfession zu besitzen; die Königsberger hatten ihre Freude durch einen demonstrativ glänzenden Empfang der Neuvermählten bezeugt. Wenn dann der Kurprinz Karl Emil triumphierend zu den lutherischen Hofleuten sagte: „Ihr habt im Schachspiele eure Königin ver-

' Über Kurfürstin Dorotheas Verhandlungen wegen ihrer Heirat mit Friedr. Wilhelm, ü. u. A. XH, 919. 921—929; XIV, I 319. 326. 382. Die Heirat, Orlich, Preufe. Staat, I 561 f., III, 521 ff.; U. u. A. II, 501, XIV, I 404; Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch. Xn, 152. Verhältnis zum Gatten, ü. u. A. XIV, I 404; Orlich, a. a. 0., I, 553; Prutz, 48. Verhältnis zu den Stief- kindern, Orlich, Friedr. Wilhehn, 51 f.; U. u. A. XII, 929. 933. Habsucht u. Einflufs, U. u. A. XII, 933, XIV, H 853-858. 924. 947f. 1018. 1035. 1039-1043. 1060 f. 1069 Anm. 1096. 1102 f. 1124 f. 1190. 1223- 1804; Prutz, 48 f. 187. 144ff. 171 ff. 340f.; Waddington, Eecueil, Prufse, 8. 208.

2*

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loren/ so nahmen tatsächlich die Lutheraner Dorotheas „Ab- fall'' sehr übel auf und beschuldigten sie gewissenloser Be- rechnung.

Sie hat überhaupt alles getan, um sich den Wünschen des Gemahls anzupassen und seine Neigung zu gewinnen. Von leidenschaftlicher Liebe kann bei den Gatten , die die Jugend längst hinter sich hatten und durch Vermittlung zueinander gekommen waren, nicht die Rede sein. Aber Dorothea ist von Beginn an bemüht gewesen, die treue Gefährtin und Pflegerin des alternden, kränklichen Gemahls zu sein. Sie wich nicht von seiner Seite, auch nicht während der Jagdausflüge, ja selbst bei den Kriegszügen nur selten, trotzte vielmehr allen Anstrengungen, Entbehrungen und sogar Gefahren mit kühlem Mute. Auch bei den kräftigen Gelagen, die er ungeachtet seines Podagras liebte, griff die robuste Holsteinerin mutig zu. Sie hat ihm die beiden letzten Jahrzehnte seines Lebens verschönt und erhellt. Freilich war sie dabei eine Frau von starkem Eigenwillen; ihr volles, männliches, eigensinniges und dabei wenig intelligentes Gesicht, wie es auf allen besseren Ab- bildungen von ihr sich zeigt, erweist auffallend die Art ihres Wesens. Eine Freundin prächtiger, hochfürstlicher Lebens- haltung, war sie auf die Mehrung ihres persönlichen Vermögens eifrig bedacht, begehrte und nahm reiche Geschenke von aus- wärtigen Mächten in dem allem ein Gegenspiel zu der ein- fachen und demütigen Luise Henriette. Man hielt sie allgemein für hart und egoistisch, die öffentliche Meinung wurde ihr feindlich und liebte es, ihre Fehler zu übertreiben. Mit ihren Stiefsöhnen vermochte sie ein gutes Verhältnis nicht herzu- stellen. Es ist kaum zu sagen, an wem die erste Schuld lag: sind ja die Beziehungen zwischen einer Stiefmutter und halb erwachsenen Kindern immer sehr schwierige. Die Familie der früheren Kurfürstin ist aber Dorotheen von vornherein mit ungünstigem Vorurteil und der Verbreitung übler Gerüchte entgegengetreten. Die Lage verschlimmerte sich, als sie zu den beiden überlebenden Söhnen erster Ehe Karl Emil starb ja schon sechs Jahre nach der zweiten Vermählung des Vaters diesem noch sieben Kinder gebar, von denen sechs ihn überlebt haben. Man nahm allerorten an, dafs sie die eigenen Spröfslinge auf Kosten der Stiefkinder zu begünstigen bestrebt sei. Dieses offenbare Übelwollen hat auch sie ver-

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bittert. Sie zog sich von ihren Stiefsöhnen zurück und suchte Halt ausschliefslich an der Zuneigung ihres Gemahls, um die sie mit steter Bemühung unausgesetzt geworben hat. Kein Wunder, dafs die Bevölkerung sie unter die „bösen Stiefmütter" zählte, ihr die ungeheuerlichsten Absichten, selbst Anschläge auf das Leben der beiden älteren Söhne zuschrieb.

Sie hat auf ihren Gatten naturgemäfs einen starken Einflufs geübt, obwohl sie den Schein annahm, sich nicht ungefragt mit politischen Dingen zu befassen. Es kann auch kaum bezweifelt werden, dafs sie, die im engbegrenzten Kreise kleiner Hof- haltungen aufgewachsen war, zunächst nur geringes politisches Verständnis besafs. Aber der stete Umgang mit ihrem Gatten mufs ihr allmählich solches nahe gebracht haben. Wir sehen im Juni 1669, also nur ein Jahr nach der Vermählung, den Kurfürsten bei einer rein politischen Mafsregel der Ab- sendung Blaspeils nach Amsterdam sich auf das Andrängen seiner Gemahlin berufen. Sie wohnte häufig den Audienzen fremder Gesandten bei und suchte dabei wohl des Gatten leicht aufsteigende Hitze mit dem Hinweis auf seine Gesundheit zu dämpfen. Auch hier übertrieb der Hof klatsch, wenn er be- hauptete: gegen ihren Willen sei bei dem Herrn nichts durch- zusetzen, und er trete oft ihrer Ansicht bei gegen das Votum aller seiner Räte. Man suchte eben nach einer kleinlichen Erklärung der Tatsache, dafs der Kurfürst sich, wenn es ihm richtig dünkte, von den Vorschlägen seiner Berater frei machte. In einer vitalen Angelegenheit der Frage des niederländischen oder des französischen Bündnisses, im Beginne des Jahres 1672 handelte er gegen den Willen Dorotheens, die ganz auf französischer Seite stand \

Die fremden Gesandten suchten wetteifernd ihre Gunst durch kostbare Geschenke zu gewinnen, bei der nach Ansicht der Diplomaten bares Geld die wirksamste und am liebsten empfangene Gabe war. Sie nahm solche Zuwendungen gelegent- lich selber als ihr gutes Recht nachdrücklich in Anspruch und äufserte laut ihre Unzufriedenheit, wenn fremde Souveräne ihr keine wertvollen Geschenke verehrten. Die kurfürstlichen Minister forderten sogar offiziell beträchtliche Summen für Dorothea, wie

' Bericht Amerongens, Febr. 1672; Basnage, Annales des Provincea TTnies, II, 201.

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z. B. bei den Unterhandlungen n^egen Jägerndorf erst 800(K> Taler, dann 30000 Dukaten (nach heutigem Geldwerte etwa 2 850000 Mark), sicher auf eine Forderung der Fürstin selbst hin. Auch ihre weiblichen Günstlinge erst ein Fräulein von Wangenheim, dann, nach deren Vermählung mit dem Obersten und Kämmerer Gottfried von Perband, die Herzogin Charlotte von Holstein -Wiesenburg galten als einflufsreich am Hofe und nahmen daraufhin gern Geschenke von fremden Potentaten an ^ Ein überaus kostbares Geschmeide soll sie 1(580 endgültig für Frankreich gewonnen haben, dessen Gesandter von ihr, durch die Vermittlung Charlottens von Holstein, viele wichtige Geheimnisse erfuhr*; doch dürfen wir nicht vergessen, dafs solche Parteinahme damals im vollen Einklänge mit der Politik ihres Gatten stand. Jedenfalls haben die auswärtigen Mächte viel mehr mit ihr unterhandelt als mit Luise Henriette, zumal sie meinten, Alter und Gebrechlichkeit erhöhten die Ab- hängigkeit Friedrich Wilhelms von seiner Gemahlin.

Eine geistreiche Frau war sie nicht; sie hat zu aller Zeit die politischen Fragen vorzugsweise vom Gesichtspunkte ihrer persönlichen Interessen und Stimmungen beurteilt, hier jedoch oft scharf und kräftig eingegriffen mit der echt holsteinischen Energie, die einen hervortretenden Zug ihres Charakters aus- machte. Die Erziehung ihrer eigenen Kinder hat sie zum gröfsten Teile selber geleitet und eine Einmischung sogar ihres Gatten dabei kaum zugelassen. Sie war ebenso eifrig darauf bedacht, den Besitz ihrer Kinder zu mehren wie eigenen Reich- tum anzuhäufen. Eine tüchtige, wenn auch weder edle noch liebenswerte Frau!

Zur Zeit der zweiten Vermählung des Kurfürsten lebten von den sechs Kindern, die Luise Henriette ihm geschenkt, noch drei: Karl Emil, geboren am 6./1 6. Februar 1655 ; Friedrich, geboren am l./ll. Juli 1657; und Ludwig, geboren am 28. Juni/ 8. Juli 1666. Der letztere, kaum zwei Jahre alt, kam selbst- verständlich noch wenig in Betracht. Die Erziehung des Kur-

^ Der kaiserliche Gesandte Lamberg verlangt: que Ton m'envoye 15 mille escus pour les distribuer parmi les dames de TElectrice et entre les ministres int^ess^ qui touchent de Targent de la France. Lamberg an Eramprich, 16. Aug. 1682 (Kopie im Geh. Staatsarchiv, Berlin, Bep. 94, IV Hb, 4b). I * Ms. Dep. R^benacs vom 80. Dez. 1682 (Auszug); Berlin a. a. 0. 10a.

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prinzen \ die anfänglich die Oberhofmeisterin von Götzen geleitet hatte, wurde 1662 dem Oberpräsidenten von Schwerin über- tragen, dem treuen, bewährten und hochgeschätzten Minister des Kurfürsten, dem Vertrauensmann Luise Henriettens in allen ihren persönlichen wie den öffentlichen Angelegenheiten. Die Instruktion, die Schwerin dabei erhielt, trug ihm auf, bei dem Prinzen vor allem die Gottesfurcht zu fördern, ihm fürstliche Sitten und Gebärden einzuprägen, umfassende, aber nicht eigent- lich gelehrte Kenntnisse beizubringen, zumal Geographie, und aus der Geschichte solche Tatsachen zu lehren, die zu wissen einem zukünftigen Herrscher nützlich sind. Der Redekunst soll ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Auch für die körperliche Ausbildung und Zierlichkeit wurde gesorgt^ vor- nehmlich das Tanzen betont.

Der zweite Prinz, Friedrich, war zuerst von dem jungen Eberhard Danckelmann unterrichtet worden, wurde aber 1665 gleichfalls Schwerins Obhut anvertraut. Die beiden Brüder trieben eifrig Musik, zumal Flöte, Gambe und Klavikord. Im Zeichnen bewiesen sie sowohl Lust wie Talent. Den meisten Gefallen zeigte der Kurprinz an militärischen Übungen, für die ihm frühzeitig eine Kompagnie adliger Knaben zur Verfügung gestellt ward, sowie an der Jagd, bei der freilich ohne Bedenken arge Tierquälereien verübt wurden. Als Karl Emil 1673, zu achtzehn Jahren, des Unterrichts entbunden ward, mufste dafür Schwerin, obwohl er sich wegen Alters und Kränklichkeit heftig sträubte, die Erziehung des siebenjährigen Prinzen Ludwig übernehmen, die er bis zu seinem eigenen Tode, am 14. November 1679, überwacht hat.

Der Kurfürst selber verlor die Erziehung seiner Kinder nie aus den Augen. Sie mufsten öfters vor ihm feierliche Prüfung ablegen. Er verhörte sie in Katechismus, Geschichte, Geographie, Lateinisch, Deutsch.

Der Kurprinz machte Schwerin viel zu schaffen. Karl Emil besafs natürliche Begabung; er hatte ein vortreffliches Herz, wie er denn seinen jüngeren Bruder innig liebte und

' Dieser Gegenstand ist, auf Grand der im Geh. Staatearchiv in Berlin enthaltenen Tagebücher Schwerins, behandelt von F. Hirsch in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., VII (1894), S. 141 ff. Ich verglich dazu das Original, dem ich noch mehrere Ergänzungen entnahm.

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auch seinen Eltern auf das wärmste ergeben war. Bei jeder ihrer Erkrankungen gab er die lebhafteste Teilnahme zu erkennen^. Die Trauer des Zwölfjährigen bei dem Hinscheiden seiner Mutter war eine so tiefe und schmerzliche, wie sie bei Kindern dieses Alters selten sich zeigt. Er wufste überhaupt, wenn er wollte, eine bestechende Liebenswürdigkeit zu entfalten und besafs ritterlichen Anstand und Zierlichkeit. Allein er war von un- bändigem Stolze und wildem Jähzorn, hochfahrend und un- gehorsam. Im Lernen, das er eines Fürsten für unwürdig hielt, bewies er Widerspenstigkeit und Trägheit. In seinem fünf- zehnten Lebensjahre hatte er „einen Straufs auszustehen weil er nit fortstudiren wollen, vermeinend, dafs der Degen und der Krieg mehr für ihme wäre als die Pedanterie, wie ers heifst ; sein Herr Vater aber verstehts nit also und hat ihn etliche Tage nit aus dem Zimmer gelassen, bis die Deprecation gar solenniter geschehen"^. Er verachtete alle Nichtadlige, hielt aber sich selbst über alle Edelleute erhaben. Kaum achtzehn- jährig forderte er von dem Könige von England bereits die höchste britische Auszeichnung, den Hosenbandorden^. Er richtete in seinem menschenverachtenden Zorn die Pistole auf seine Umgebung, sagte, noch in dem verhältnismäfsig vernünftigen Alter von dreizehn Jahren : auf seinen Befehl müsse die Schild- wache den Herrn von Schwerin erschiefsen. Während er selber jede Strafe zurückwies, prügelte er, trotz des Kurfürsten Verbot, seinen Pagen mit einem Stocke. Es waren das Fehler, die für einen zukünftigen Herrscher denn doch recht bedenklich waren, zumal sie über die eigentliche Kindeszeit weit hinausgingen. Das Brustbild, das eine auf ihn geprägte Münze trefflich aufweist zeigt, dafs er dem Vater sehr ähnlich sah, aber mit leidenschaft- licherem Ausdrucke und doch mit viel weichlicherem, weniger hervorstehendem und energischem Kinn*.

An seinem siebzehnten Geburtstage 16. Februar 1672 wurde der Kurprinz zu den politischen Geschäften herangezogen, indem er in den Geheimen Rat eingeführt ward und dessen Sitzung durch mehrere Stunden beiwohnte. Karl Emil galt als

» Orlich, Preufs. Staat, III, 447.

Goefs an den Kaiser, 11. Dez. 1668; U. u. A. XIV, I 404 f. » U. u. A. XVIL 41.

* G. D. Seyler, Gesch. Friedr. Wilhelms, Kurf. zu Brandenb. (Frankf. u. Leipzig, 1730, fol.) S. 116.

Fünfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 25

ein Franzosenfeind; mit gewohnter Leidenschaftlichkeit nahm er Partei für den Krieg gegen die Unterdrücker Hollands ^ Er verwarf deshalb auch das nach dem Frieden von Vossem ihm nahegelegte Projekt der Heirat mit einer französischen Prinzessin ; seine Herzensneigung gehörte seiner Base Vaters- schwestertochter — Charlotte von Kurland*. Aber allen Hoff- nungen, Plänen und Befürchtungen, die sich an den begabten Prinzen knüpften, machte dessen plötzlicher Tod im Feldlager im Elsafs , am 27. November / 7. Dezember 1674 in seinem zwanzigsten Lebensjahre ein Ende. Dorothea mufste selber die Trauernachricht ihrem Gatten bringen, da keiner seiner Diener solches wagte. Die heifsen Tränen, die sie dabei vergofs, waren sicher keine erkünstelten.

Der jähe Schlag brachte dem zweiten Prinzen, Friedrich, die Anwartschaft auf den Kurhut. Er war seinem verstorbenen Bruder in allem unähnlich. Von Geburt an schwächlich, infolge eines unglücklichen Falles in frühester Jugend verunstaltet, war er ein Gegenstand mitleidiger Sorgfalt für alle, die ihn um- gaben. Friedrich war ein fleifsiges, ruhiges, folgsames, aber wenig begabtes Kind. Schon früh zeigte sich bei ihm die Vor- liebe für prunkvolle Feierlichkeit: im Alter von zehn Jahren stiftete er, allerdings unter Mitwirkung seines älteren Bruders, aber nach eigenen Gedanken ', den Orden de la Gen6rosit6, der mit pomphaftem Zeremoniell umkleidet wurde.

Nichts ist irriger als die Überlieferung : unter dem Einflüsse Dorotheens habe der Kurfürst den Prinzen Friedrich von den Geschäften fern gehalten. Vielmehr hat der neue Kurprinz seit dem Jahre 1675 also unmittelbar nach dem Tode Karl Emils den Sitzungen des Geheimen Rates beigewohnt. Als Neunzehnjähriger wurde er im April 1677 mit wichtigen Ver- handlungen beauftragt, die er in Wesel mit dem holländischen Ratspensionär Fagel zu pflegen hatte, um die Vereinigten Provinzen bei dem grofsen Bündnisse gegen Frankreich fest- zuhalten^. Der Kurprinz machte dann, nach dem Frieden von St. Germain, die Wendung seines Vaters zu Frankreich zunächst mit. Als dem Prinzen eine Tochter geboren wurde, setzte er auf die

» Prutz, 57.

« Orlich, Preufs. Staat, I, 527 f.

* J. Qrofsmann im Hohenzollem- Jahrb. 1900, S. 38 f.

^ Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bepos. 68, 2.

26 Sechstes Buch.

Liste der Paten an erster Stelle nicht den Kaiser, sondern den allerchristlichsten König; und wie der kaiserliche Gesandte Lamberg ihm darüber seine .Verwunderung ausdrückte, erwiderte er: „Kaiserliche Majestät haben meinen Herrn Vater gegen alle gegebenen Versicherungen verlassen, hingegen vom Könige in Frankreich ist alle Protektion zu erhoffen ^^

Von 1680 an hatte Friedrich den erkrankten oder abwesenden Vater häufig in den Geschäften der inneren Politik zu vertreten, zumal in den Verhandlungen mit den preufsischen und den kur- märkischen Ständen. Ja, in Kleve ward er, an Stelle des 1678 verstorbenen Fürsten Moritz von Nassau, am 20. April 1681 förmlich als Statthalter eingesetzt, mit einem eigenen Gehalt von 6000 Talern. Es gibt wohl wenige Beispiele, dafs ein Herr- scher seinen Nachfolger so vielfach in den staatlichen An- gelegenheiten beschäftigt und ihm dabei eine so in die Augen fallende Rolle übertragen hat, wie dies Friedrich Wilhelm dem Kurprinzen Friedrich gegenüber tat, obwohl er im Grunde von seinem Sohne eine geringe Meinung hegte ^. Solches Verfahren entspricht dem freien, klaren Sinne und dem grofsmütigen Herzen dieses einzigen Fürsten.

So schwächlich Friedrich auch sonst war, in seinen Herzens- neigungen wufste er seinen Willen durchzusetzen. Schon von dem kindlichen Alter von neun Jahren an zeigte er treue Hin- neigung für seine Base Elisabeth Henriette, die jüngste Tochter seiner Vatersschwester Hedwig Sophie von Hessen - Kassel gerade wie sein verstorbener Bruder für die Base von Kurland. Kurfürst Friedrich Wilhelm hat dann für diese letztere Nichte wie für deren Schwester entsprechende Heiratsverbindungen zu Stande gebracht, obwohl er dabei mit dem Geize seines Schwagers, des Herzogs Jakob, oft bitter zu kämpfen hatte; überhaupt erwies er der fernen Schwester und deren Kindern rührende Zärtlichkeit®. Kurprinz Friedrich aber blieb auch im reiferen Alter seiner hessischen Base treu, die seine Zuneigung

' Dep. Lambergs vom 6. Okt. 1680; ü. u. A. XIV, 965 f.

' Er sagte laut, schon im Begixm des Jahres 1680 : „Mein Sohn, der Kurprinz, ist zu nichts gut.** (Ms. Dep. R^benacs vom 15. Jan. 1680 [Auszug], Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, IV Hh, 10a.) Freilich konnte Friedrich Wilhelm momentane Regungen des Ärgers nicht leicht bemeistem.

' Aug. Seraphim, Luise Charlotte von Kurland, S. 119 ff.

FOnfunddreifoigstes Xapitel. Der Grolse XurfOrst u. sein Hof. 27

in vollem Marse erwiderte. Die Eurfürstin Dorothea scheint der Vermählung Schwierigkeit entgegengesetzt zu haben, allein der Prinz liefs sich nicht abschrecken und fand dabei die ein- ilufsreiche Unterstützung seines Erziehers Schwerins, der seinem ehemaligen Zöglinge herzlich ergeben war. Genug, 1679, als Friedrich 22 Jahre z&hlte, fand die von Seiten der beiden Liebenden längst gewünschte Verbindung statt, der eine Tochter, Luise, entsprofs. Aber die glückliche Ehe dauerte nur vier Jahre; dann starb die Kurprinzessin an den Blattern, zum un- aussprechlichen Kummer des Gatten.

Damals war schon zwischen dem Kurprinzen und seinem Vater ein Zerwürfnis eingetreten, das, zunächst mehr per- sönlicher Art, sich bald auf das politische Gebiet übertrug, den Lebensabend des greisen Herrschers verdüstert und sein Dasein in dessen des Trostes und frommer Liebe bedürftigster Periode vergiftet hat^

Die Stellung der Kurfürstin Dorothea zu den Stiefkindern war ja von vornherein unerquicklich gewesen. Solange indes der kräftig blühende Karl Emil gelebt, hatte sie Mafs gehalten UDd nur für möglichst reiche Ausstattung der eigenen Kinder gesorgt. Aber nach dessen Tode, als die Nachkommenschaft Luise Henriettens nur noch aus zwei schwächlichen Prinzen bestand, denen niemand langes Leben zutraute, fafste Dorothea ehrgeizige Pläne: ihre eigenen Söhne sollten, auf Kosten des Gesamtstaates, mit halben oder ganzen unabhängigen Herr- schaften begabt werden, unter Bürgschaft Frankreichs schon damit sie eintretenden Falles im stände seien, ihre Nachfolge in der Kurwürde mit genügender Macht durchzusetzen. Friedrich aber legte gegen solche Minderung der ihm zukommenden Rechte und gegen die drohende Zerstückelung des Staates laut Ver- wahrung ein und wandte sich um Hilfe sowohl an Frankreich wie an den Kaiserhof (1680). Als er von der ersteren Macht

^ Dieses Zerwürfnis ist besonders von Prutz, S. 177 ff. 384 ff., nach den Depeschen B^benacs dargestellt worden. Freilich mufs man solche mit grofser Vorsicht benutzen, da der französische Diplomat durch Auf- tragung starker Farben seinen König zu amtlsieren liebte. Prutz Belber beurteilt dagegen den Zwischenfall viel zu harmlos; er läfst die politische Opposition des Prinzen unerwähnt, die durch die Korrespon- denz des Österreich. Gesandten Lamberg doch in das hellste Licht gestellt wird.

28 Sechstes Buch.

keinen Beistand erhielt, knüpfte er hinter dem Rücken seines Vaters enge Verbindungen mit Wien an (Herbst 1681); er erklärte dem französischen Gesandten ganz laut: sobald er die Gewalt besitze, werde er sich den Plänen des Königs von Frankreich nach Kräften widersetzend Sein Ziel, die Erhaltung des Staats- ganzen, war sicherlich ein berechtigtes, aber ebenso sicher ist, dafs er sich hierfür geradezu verräterischer Mittel bediente. Er scheute sich nicht, dem kaiserlichen Gesandten Eröffnungen über die sekretesten Vorgänge im Geheimen Rat zu machen. Er wurde dabei ermuntert und unterstützt von dem Fürsten von Anhalt, der, obwohl geschworener und besoldeter Diener des Kurfürsten, lediglich im Interesse des Kaisers handelte, aus seinem Empfinden als kleiner Reichsfürst heraus, der, wie so viele seiner Genossen, bei dem Reichsoberhaupte Schutz gegen die grofsen Fürsten suchte. Die beiden gewannen auch den Geheimrat Fuchs, der, von dem französisch gesinnten Meinders gekränkt und überdies in der Hoffiiung, sich bei dem Thron- folger beliebt zu machen, seinen Herrn und Wohltäter verriet und zu der österreichischen Faktion hinübertrat. Die Ver- schworenen standen in stetem, mündlichem wie schriftlichem Gedankenaustausch mit Lamberg und dem Kaiser selbst. Der Kurprinz äufserte sich ganz naiv über die wahren Beweggründe seiner wenig löblichen Handlungsweise. Er liefs sich, im Juni 1683, dem Kaiser durch dessen Gesandten empfehlen, nicht nur wegen des allgemeinen sowie Brandenburgs besonderen Besten, „sondern auch aus eingewurzelter Aversion gegen die Franzosen, als die unter anderm noch neulich seinem Stiefbruder zu dem Herzogtume Pommern, ihm zum Präjudiz, hätten verhelfen wollen". Er ermahnte Fuchs, für Österreich zu arbeiten: „so wolle er ihn dessen sein Leben lang in Gnaden entgelten lassen "*. Derart hat Friedrich einen Minister seines Vaters mit wenig rühmlichen Mitteln geradeswegs zur Treulosigkeit verleitet, und zwar vorzugsweise aus rein persönlichen Beweggründen.

Dies zeigte sich bald, als er die von ihm dringend ge- wünschte Vermählung mit einer hannoverschen Prinzessin mit Hilfe der damals bei seinem Vater vorwiegenden französischen Partei durchzusetzen hoffte. Sofort tat er mit R^benac und

^ Vgl. Ms. Dep. R^benacs vom 25. Nov. 1681 (Auszug); Berlin, Gkh. Staatsarchiv, Rep. 94, IV Hb, 10«.

FOnfunddreilsigstes Kapitel. Der Groise Kurfürst u. sein Hof. 29

dessen brandenburgischen Anhängern schön (März 1684^). Kaum war die Hochzeit gefeiert, suchte er freilich wieder Schutz bei dem Kaiser und erklärte sich laut gegen Frankreich (Okt. 1685). Es war allerdings die Zeit, wo auch sein Vater sich, wenn nicht oifen, so doch im geheimen, von diesem Staate abwandte.

Dorothea war über die Opposition des Kurprinzen gegen ihre Pläne nicht wenig entrüstet, und es gelang ihrem Einflüsse, auch den Vater gegen den Sohn zu erbittern, von dem er ohnehin eine ungünstige Meinung hegte. Friedrich Wilhelm verbarg nicht, dafs er von seines Nachfolgers Schwäche und geringer Begabung Gefahren für das von ihm selbst mit so vieler Mühe geschaffene Staatswesen fürchte, und behandelte den Prinzen unfreundlich. Friedrich, der dem Vater stets mit gebührender Achtung begegnete, erfüllte sich begreiflicherweise gegen seine Stiefmutter mit Zorn und schlimmem Verdacht, die die Gesandten des Kaisers und der Niederländer um so eifriger schürten, je mehr ihnen damals die Politik des Kurfürsten mifs- fiel. Einen neuen Grund zum Grolle erhielten Friedrich und Bein jüngerer, echter Bruder Ludwig, als die Kurfürstin sich hemühte, die Anwartschaft auf das Oranische Erbe, das dem auch von seinem Oheim Wilhelm III. zärtlich geliebten Ludwig zukam, ihrem ältesten Sohne Philipp zu verschaffen eine wirklich schreiende Vergewaltigung'. Friedrich zog sich bereits mit seiner jungen ersten Gemahlin geflissentlich nach Köpenick zurück. Nach deren frühem Tode sah er sich alsbald nach einer zweiten Vermählung um, schon um männliche Nachkommen- schaft zu erzielen und so seinen Stiefbrüdern die Nachfolge zu entziehen. Dorothea dagegen suchte solche neue Verbindung zu hintertreiben, aus dem entgegengesetzten Beweggrunde. Ihr Widerstand wurde durch die Tatsache erleichtert, dafs Friedrich sich als zweite Gattin die ebenso schöne wie geistvolle Sophie Charlotte von Hannover auserkor, deren Vater, wie das gesamte Haus Braunschweig, damals in erbittertem Streite mit Branden- burg lebte. Hieraus entstand selbstverständlich neue Verstimmung, bis dann im Sommer 1684 eine Aussöhnung zwischen den Weifen und dem Kurfürsten eintrat. Das wirkte auf die persönlichen Beziehungen zurück: am 8. Oktober 1684 konnte die Hochzeit

1 Dep. Lambergs yom 14. März 1684; ü. u. A., XIY, 1134. ' Ms. Dep. B^benacs vom 26. Jvini 1685; a. a. 0.

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zwischen dem siebenundzwanzigjährigen Friedrich und seiner sechzehnjährigen Braut gefeiert werden, zum lebhaften Kummer Dorotheens, aber zur Befriedigung des Kurfürsten und zumal seines ältesten Sohnes.

Nur desto mehr war Dorothea darauf bedacht, ihren eigenen Kindern, denen sich so die Aussicht auf die Nachfolge auf dem Throne verschlofs, eine reiche Ausstattung zu verschaffen. Diese Umtriebe veranlafsten den Kurprinzen, sich gänzlich dem Kaiserhofe in die Arme zu werfen und die dauernde Allianz zwischen diesem und Brandenburg durch die unverantwortliche und unwürdige Geheimzusage zu erkaufen, dafs er die von seinem Vater als Bedingung des Bündnisses geforderte und zur Entschädigung für Jägerndorf bestimmte Abtretung des Kreises Schwiebus der- einst rückgängig machen werde (März 1686). Bald glaubt« er Grund zu neuer Klage zu haben : die Geldzahlungen , die der Kaiser in Gemäfsheit des Bündnisvertrages nach Berlin leiste, würden viel mehr den Kindern zweiter Ehe als ihm selbst zu- gewiesen ^ Er scheute sich deshalb nicht, sich zum zweiten Male an Frankreich zu wenden und diesem für die Zeit seiner eigenen Begierung treues Festhalten an dem Bündnis zu versprechen. Dafür erbaten seine Vertieter Meinders und Schöning für ihn schon jetzt zehntausend Dukaten von Ludwig XIV., der sie aber nicht ge- währte, angeblich um den greisen Kurfürsten nicht zu beleidigen ^ Hierüber ergrimmte Friedrich von neuem. Eine Erkrankung, die ihn im Herbst 1686 befiel, schrieb er dem Verdrusse über die ihm von den Eltern zugefügten Unbillen zu. So wurde sein sowie des von ihm zärtlich geliebten Bruders Ludwig Verhältnis zu den Eltern immer gespannter, unerfreulicher; man vermied sich gegenseitig nach Möglichkeit. Die Schuld kann nicht allein an Friedrich gelegen haben, da auch sein Bruder sich von der Stiefmutter und sogar dem Vater so schwer gekränkt fühlte, dafs der anmutige, kühn emporstrebende, aber leidenschaftliche Jüngling, auf den der Vater grofse Hoffnungen gesetzt, den Wilhelm von Oranien ganz öffentlich als seinen dereinstigen Erben und Nachfolger bezeichnet hatte, darüber in tiefe Schwer- mut verfiel und sich den Tod wünschte*. Und plötzlich er-

» U. u. A. XIV, 1328.

* Ms. R^benac an Ludwig XIY., 13. März 1687, u. Ant^'ort des Königs (Auszüge); a. a. 0.

* Ms. Dep. Bebenacs vom Okt. 1680 u. vom 12. April 1687 ; ebendas.

POnfunddreifsigstea Kapitel. Der Gro&e KurfQrst u. sein Hof. 31

krankte Ludwig wirklich am Scharlach. Sein drohendes Hin- scheiden mufste auch politisch von grofser Bedeutung für das Haus Brandenburg werden.

Fürst Boguslaw Radziwill, der Sohn einer brandenburgischen Fürstin, der einzige seines Hauses, der der reformierten Religion treu geblieben war, der ergebene Freund des Grofsen Kur- fürsten und sein Statthalter in Preufsen, hatte bei seinem frühen Tode, am 31. Dezember 1669, eine einzige, seit ihrer Geburt auch der Mutter beraubte, zweijährige Tochter zurück- gelassen. Luise Charlotte Radziwill war eine überaus reiche Erbin; sie sollte, nach dem testamentarisch festgelegten Willen des Vaters, zu Königsberg auf deutsche Weise und in dem reformierten Bekenntnisse erzogen werden und dem bestimmen- den Einflüsse des Kurfürsten von Brandenburg als ihres Ober- vormundes unterstehen. Später sollte sie, wenn irgend möglich, einen fürstlichen Bewerber ihrer eigenen Religionsgemeinschaft ehelichen. Eine Bestimmung, die um so wichtiger war, als die zahlreichen reformierten Gemeinden des polnischen Litauen nur durch den Schutz dieses Zweiges der Radziwill fortdauerten ^

Friedrich Wilhelm mufste tatsächlich durch militärische Mafsregeln das Kind vor der Entführung durch dessen hab- gierige litauische Verwandten schützen; Luise Charlott^ns in Polen liegende Güter rettete er durch Auszahlung bedeutender Summen vor der Plünderung durch ihre Familie. Ein junger Radziwill katholischen Glaubens bewarb sich frühzeitig um die Hand des Erbkindes, unter lebhaftem Beifall des gesamten pol- nischen Adels, der das Besitztum der Radziwill keinem Aus- länder gönnte. Nur durch Listen aller Art sowie durch ein Bündnis mit dem litauischen Grofsmeister Andreas Morsztyn gelang es dem Kurfürsten, diese Vermählung immer wieder aufzuschieben. Endlich stand eine diese erzwingende Konstitu- tion des polnischen Reichstages bevor: als Friedrich Wilhelm ebenso plötzlich wie geheimnisvoll die Hochzeit der reichen Dame mit seinem zweiten Sohne Ludwig ins Werk setzte (7. Januar 1681). Freilich waren König und Königin von Polen, die die Prinzessin mit ihrem eigenen Sohne Jakob zu verbinden gehofft hatten, über den Gewaltstreich des Brandenburgers

^ Über diese ganze Angelegenheit die treffliche Monographie Th. Schiemanns in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., Bd. III <1890), 8. 125 ff. Vgl. U. u. A. H, 538 ff.

32 Sechstes Buch.

höchlichst aufgebracht und drohten sogar mit Krieg. Aber der KurfQrst liefs durch das Veto seiner polnischen Anhänger den Reichstag, der die Mittel zum Kampfe aufbringen sollte, sprengen, und zwar durch das Verdienst seines langjährigen Gesandten Hoverbeck in so geschickter Weise, dafs niemand ihm die Ein- mischung nachzuweisen vermochte. Reiche Geldspenden und eine militärische Unterstützung im Türkenkriege machten dann Johann Sobieski und seine Grofsen vollends gefügig, und der Kurfürst durfte für seinen Sohn die polnischen Güter der Radziwill in Besitz nehmen.

Nach seiner Weise knüpfte Friedrich Wilhelm an diese Verbindung weitgehende Pläne. Indem er die dem Hause Radziwill gehörenden Festungen mit eigenen Truppen und Kommandanten besetzte und alle auf dessen Gütern ruhende Pfandschulden ablöste ; indem er femer dem Markgrafen Ludwig von dessen Gemahlin die Mitregentschaft über ihre ,,Fürsteu- tümer und Lande" übertragen liefs: bereitet er deren Loslösung von Polen und Anschlufs an Kurbrandenburg von langer Hand, aber mit grofser Sicherheit vor.

Niemand hatte zunächst der Erkrankung Ludwigs eine gefährliche Bedeutung beigemessen, am wenigsten die Ärzte. Als der Sterbende dem Vater die Bitte übersandte, er möge doch zu ihm kommen, damit er ihm noch einmal vor dem Verscheiden die Hand küsse, wies der Kurfürst dies ärgerlich zurück, weil er fest davon überzeugt war, dafs Ludwig sein Leiden arg über- treibe \ Plötzlich, am 28. März /7. April 1687, starb aber der junge Prinz am Scharlachfieber. Alle die grofsen Absichten auf Litauen wurden durch seinen Tod vereitelt. Freilich hat der Kurfürst, kaum dafs der erste Schmerz über den betäubenden Schlag und über sein eigenes, dem Dahingeschiedenen zugefügtes Unrecht sich ge- mildert, jene Projekte wieder aufgenommen, indem er die junge Witwe seinem Neffen, dem Prinzen von Kurland, bestimmte, dessen schleunige Heimsendung von dem Heere in Ungarn er vom Kaiser erbat ^. Allein Luise Charlotte wollte um so weniger aus seiner Hand einen zweiten Gemahl annehmen, als sie die Verstimmung ihres verstorbenen Gatten gegen dessen Eltern

' Ms. Dep. Rebenacs vom 12. April.

Fridag an den Kaiser, 18. Juli, u. der Kaiser an Fridag 14. Okt. 1687; U. u. A. XIV, 1368. 1388 Anm. 2.

FOnfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 33

nor allzusehr teilte und auf die ganze hohenzoUernsche Familie übertrug. Sie war, wie alle Welt, ja der Kurfürst selber, davon überzeugt, Ludwig sei vergiftet worden, zumal die Ärzte dies amtlich aussprachen, um die von ihnen bewiesene Unwissenheit und Leichtfertigkeit zu bemänteln. Hatte man doch schon die schwere Krankheit, die den Kurprinzen im Spätherbst 1686 befallen, dem Gifte zugeschrieben ^ Manche glaubten, das Ver- brechen an Markgraf Ludwig sei von Polen, von verkleideten Jesuiten verübt worden, um eben die Radziwillschen Güter in die Hände ihres Prinzen zu bringen. Allein, überwiegend be- zichtigte die öffentliche Meinung die Herzogin von Holstein- Wiesenburg, die Günstlingin der Kurfürstin, und mittelbar diese selbst des Giftmordes; und Kurprinz Friedrich, stets voll Ver- dacht gegen die Stiefmutter, von Schmerz über den Verlust des geliebten Bruders tief erregt, beging das unverzeihliche Unrecht, eine so furchtbare Anklage laut für begründet zu erklären. Reichliche Gegengifte, die er ostentativ einnahm, machten ihn wirklich von neuem krank. Er begab sich auf seine Güter und erbat die Erlaubnis, sich auf seinen Statthalterposten nach Kleve zurückziehen zu dürfen, mit der kränkenden Begründung, er wolle dadurch ein ähnliches Schicksal vermeiden, wie solches seinen Bruder Ludwig betroffen habe. Seine Gemahlin, die tatsächlich von dem kurfürstlichen Paare sehr übel behandelt und selbst in ihrer Frauenehre verletzt wurde* lag man doch mit den Weifen wieder in Streit , brachte er gleichsam in Sicherheit nach Hannover, also in feindliches Gebiet. Sophie Charlotte erklärte geradezu, sie werde während des Lebens ihrer Schwiegereltern nicht mehr nach Berlin zurückkehren. Und auch der Kurprinz weigerte sich, am Hofe wieder zu er- scheinen, ehe nicht diejenigen bestraft seien, die seinen Bruder gemordet und ihm gleiches Schicksal zugedacht hätten. Eine grauenvolle Beschuldigung gegen die Stiefmutter und deren Umgebung! Friedrich Wilhelm war der festen Überzeugung, dafs diese ungeheuerliche Bezichtigung seinem Sohne von den Weifen eingegeben worden sei, die Brandenburg zu schwächen, ja völlig aufzulösen gedächten. Kein Wunder, dafs er dem

> Dep. Fridags vom 2. Dez. 1686; ü. u. A., XIV, 1386. ' Dep. des niederl. Gesandten Hoop vom 28. Sept. 1687; U. u. A., III, 789.

Philippson, D«r Grofse Knrfflrst. III. 3

34 Sechstes Buch.

Sohne die Übersiedlung nach Kleve, in die Nähe der Nieder- lande und Frankreichs, mit denen der Prinz hätte Intriguen anknüpfen können, streng verbot. Da Friedrich aber auf seiner Absicht beharrte, geriet der reizbare, durch Alter und Krank- heit nur zornmütiger gewordene Kurfürst in schwere Ent- rüstung: er behielt die Einkünfte seines ältesten Sohnes ein und drohte, das Herzogtum Preu&en dem Erstgeborenen Dorotheens, dem Markgrafen Philipp, zu hinterlassen. Ein Konflikt war hier aus rein persönlichen Beweggründen aus- gebrochen, der der Einheit und Gröfse des Staates die schlimmsten Gefahren bereitete.

Befreundete und verwandte Höfe, sowie der bei Friedrich Wilhelm viel geltende Marschall Schomberg, der Hofprediger Ursinus, endlich des Prinzen vertrauter ehemaliger Erzieher Eberhard Danckelmann legten sich ins Mittel. Dem Kurprinzen selbst, der im Grunde ein weiches, liebendes Herz besafs, ward bei dem Streite mit dem Vater nicht wohl: er liefs sich be- stimmen, anstatt nach Kleve zu seinem Vetter und früheren Schwager, dem Landgrafen Karl, nach Kassel zu gehen. Allein, monatelang blieb der Zwiespalt noch bestehen. Der Kurfürst litt nicht, dafs seinem ältesten Sohne die am 8. August gefeierte Vermählung von dessen Halbschwester Marie Amalie mit dem Erbprinzen von Mecklenburg-Güstrow auch nur angezeigt werde. Weder er selber noch Dorothea beantworteten die an sie ge- richteten Schreiben des Kurprinzen. Dieser war über solche Nichtachtung äufserst entrüstet. Er drohte, seine „meseuren nehmen*^ zu wollen, sich „endlich an einige Puissancen zu hängen^. Aber Meinders, den er als „vielgeliebten" anzureden pflegte, und die übrigen Geheimräte machten ihm ernste Vor- stellungen. Sie sagten ihm, dafs seine Abwesenheit vom Hofe gerade seinen Widersachern freies Feld gebe, dafs daraus für ihn schwerer und andauernder Nachteil erwachsen werde. Sie zeigten ihm, dafs sein Vater nicht unrecht habe, eine Unter- suchung wegen der angeblichen Giftattentate so lange aufzu- schieben, bis er Beweise in Händen habe, wo die Schuldigen zu suchen seien \ Der König von Frankreich, auf den der Prinz zum Teil seine Hoffnung gesetzt, riet ihm beharrlich Ver- söhnung mit dem Vater an, damit er gröfseres Unheil für sich

^ Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. 92, Meinders 8.

FOnfunddreifsigstes Kapitel. Der Groise KorfOrst u. sein Hof. 35

vermeidet Und bei dem Kurfürsten, der fühlte, wie die Schatten des Todes sich immer dichter um ihn zusammenzogen, machte der Zorn der Sorge und dem Kummer über das Zer- würfnis mit seinem Nachfolger Platz. Ob nicht dem kranken Greise in schlaflosen Nächten und an qualvollen Tagen der Geist seiner Luise Henriette mahnend vor die Seele trat? Er fürchtete, dafs jesuitischer Einilufs sich des schwachen Kur- prinzen bemächtigen, dafs so die evangelische Religion, deren treuer Bekenner und Schützer er selber war, grofsen Schaden erleiden werde. Genug, nach langwierigen Verhandlungen und nach Überwindung des Widerstandes, den Sophie Charlotte ur- sprünglich jeder Rückkehr nach Berlin entgegengesetzt hatte', fand wenigstens eine formelle Aussöhnung statt: das kurprinz- liche Paar begab sich im Oktober 1687 nach Potsdam. Das Verhältnis Friedrichs zu seinem Vater blieb zuerst noch kühl. Aber allmählich hielt auch die Kurfürstin es für gut, einzu- lenken, da das Hinscheiden ihres Gatten und die Thron- besteigung des Kurprinzen offenbar nahe bevorstanden. Sie sprach sich mit dem Stiefsohn persönlich aus, und die Folge dessen war die Entfernung jener Herzogin von Holstein-Wiesen- burg vom brandenburgischen Hofe, der man allerseits die angeb- liche Vergiftung des Markgrafen Ludwig schuldgegeben hatte, ein Akt der Selbstaufopferung von selten Dorotheens, eine Genugtuung für Friedrich, der gerade die Herzogin als seine Feindin betrachtete. Die Geburt eines Enkels, eines Erben des kurfürstlichen Hohenzollernstammes des zukünftigen Königs Friedrich Wilhelm I. erfüllte den greisen Herrscher mit inniger Freude und gab dem kurprinzlichen Ehepaare eine gewichtigere Stellung*.

Jedes Zerwürfnis schien beseitigt. Der Kurprinz fand sich wieder im Geheimen Rate ein, er vertrat oft in den wichtigsten Regieningshandlungen seinen durch Krankheit mehr und mehr behinderten Vater. Er wurde schliefslich in das Geheimnis des grofsen Planes der Befreiung Englands von den franzosen-

^ Ms. Ludwig XIV. an Rebenac, 10. April, Mai bis September 16^7. « Hoop an Uranien, 18J28. Sept. 1687; U. u. A., III, 789 f. * Ms. Dep. Rebenacs vom 6. Okt. 1687 (Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. H IV Hb, lOo).

3*

36 Sechstes Buch.

freundlichen Stuarts eingeweiht, das aufser ihm, Schomberg und Fuchs niemand in Berlin kannte.

Und doch war dem Prinzen für die Zukunft eine peinvolle Überraschung zugedacht.

Kurfürst Friedrich Wilhelm hat in seiner ernsten, nach- denklichen Art sich schon frühzeitig mit dem Gedanken des Todes, sowie des Schicksals, das nach ihm seinen Staat betreffen werde , beschäftigt ^. Bereits 1651 , als er noch kinderlos war und das Aussterben der Kurlinie drohte, hatte er über seine Besitztümer, soweit ihm das möglich war, Verfügung getroffen. Als ihm dann seit 1655 mehrere Söhne geboren wurden, hat er, noch 1655 und dann 1662, neue letztwillige Bestimmungen getroffen. Wichtiger als diese Schriftstücke ist das Testament von 1664. Hier hat er, mit Zustimmung der Geheimen Räte, zum ersten Male mit jener ausdrücklichen Anordnung des hohen- zollernschen Hausgesetzes, der Dispositio Achillea von 1473, gebrochen, nach der alle der Kurlinie zufallenden Länder ver- eint bleiben und aufser den schon vorhandenen Seitenlinien der von Ansbach und der von Bayreuth keine neuen ent- stehen sollten: eine Festsetzung, die allein, der steten Zer- splitterung der übrigen deutschen Fürstentümer gegenüber, die wachsende Gröfse und Macht Kurbrandenburgs ermöglicht hat« Friedrich Wilhelm aber trennte in dem Testamente von 1664 das Fürstentum Halberstadt und das Amt Egeln von dem Gesamtstaate und überwies diese Lande seinem damals zweiten Sohne Friedrich zu unabhängigem Besitze, indem er nur das Waffenrecht, sowie das Recht des Kriegs und Friedens dem jeweilig regierenden Kurfürsten vorbehielt. Es steht fest, dafs Friedrich Wilhelm diese auffallende Bestimmung auf den drin- genden Wunsch Luise Henriettens getroffen hat, die in zärtlicher Sorgfalt für die Zukunft ihres schwächlichen und mifsgestalteten zweiten Sohnes sorgte. Indes nicht ohne Begründung vor seinem Gewissen hat der Grofse Kurfürst dem Andringen seiner

* Droysen, IV, IV 129 ff. Droysen hat die Tatsachen, die die früher so strittige Testamentsfrage betreffen, mit bewundernswerter Umsicht, Tätigkeit und Schärfe erforscht und zusammengestellt. Aber der harmlosen Deutung, die er hierbei dem Verfahren Friedrich Wilhelms gibt, kann ich mich nicht anschüefsen. Bei Droysen hat eben der Grofse Kurfürst immer recht, auch in den verzweifeltsten Fällen, seine Gegner immer unrecht.

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Gemahlin so weit nachgegeben, von dem mit vieler Mühewaltung und Eonsequenz geeinten Staate wieder ein Stück zu lösen. Vielmehr konnte er einen guten, unverwerflichen Grund für sein Verfahren anführen. Die Zukunft der Kurlinie stand damals nur auf vier Augen; erlosch sie, und ging die Kur auf die markgräfliche Linie Bayreuth über, so fiel nicht nur die Souve- ränität über Preufsen vertragsmäfsig an Polen zurück, sondern auch das rheinisch - westfälische Gebiet Kleve, Mark und Ravensberg der älteren Schwester Friedrich Wilhelms, der Herzogin von Kurland, und deren Nachkommenschaft anheim. Für diese Verluste würde der Kurstaat nicht einmal durch die Vereinigung mit dem Fürstentum Bayreuth einigermafsen ent- schädigt, sondern hier, nach dem Hausgesetze, eine neue Sekundogenitur begründet worden sein. Nun war es eine durch vielfache Erfahrung erhärtete Tatsache, dafs jüngere landlose Fürsten, absichtlich oder unfreiwillig, auch ehelos blieben. Vor dieser Eventualität Friedrich Wilhelm sagt es ausdrücklich wollte er aus den erwähnten Gründen seinen zweitgeborenen Sohn durch Ausstattung mit einem nach damaligem deutschem Mafsstabe ansehnlichen Gebiete bewahren, damit er auch seiner- seits der Kurlinie Nachkommenschaft erwecke. Sowohl der Kaiser wie die Halberstädter Landstände gaben zu solcher Be- stimmung ihre Einwilligung.

Ein Kodizill aber sah dann eine neue Zerteilung des Staates vor: die jüngst von Polen erlangten pommerellenschen Herr- schaften Lauenburg und Bütow wurden einem etwaigen dritten Sohne bestimmt, eine Voraussicht, die sich 1666 durch die Geburt des Prinzen Ludwig verwirklichte.

Fiel hier schon die Begründung jener ersten Abtrennung von Staatsgebiet hinweg, und ward ganz unverhüllt das Parti- kularinteresse der jüngeren Prinzen auf Kosten des Staates begünstigt, so tritt diese Richtung in den neuen Testa- menten und Kodizillen von 1670 und 1674 noch verschärft her- vor. Die Zahl der Söhne war durch die schnell aufeinander- folgenden Spröfslinge der zweiten Ehe nachgerade so grofs ge- worden, dafs die Gefahr des Aussterbens der Kurlinie völlig verschwand. Und dennoch neue Lösungen einzelner Gebietsteile vom Staate zu Gunsten der jüngeren Prinzen! Es war ein un- keilvoller Weg, auf den sich Friedrich Wilhelm von den Frauen batte drängen lassen; er mochte der energischen zweiten

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(Temahlin nicht versagen, was er der sanfteren ersten zugestanden hatte.

Eine segensreiche Reaktion in den Anschauungen des Herrschers zeigt das nach dem Tode des Erstgeborenen ent- worfene Testament von 1676. Die Halberstädter Sekundogenitur war nun hinfällig geworden, da Friedrich Kurprinz war. Das damalige Testament begnügte sich damit, die jüngeren Prinzen, sowie die Kurfürstin Dorothea mit Einkünften auszustatten, die freilich reichlicher waren , als es sonst Herkommen und Sitte, aber doch keine landesherrlichen Rechte begründeten.

Indes ein abermaliges Testament vom Jahre 1680 lenkte sicherlich unter Dorotheens Einflufs^ wieder in die alte unglückselige Richtung zurück. Es übertrug jedem der Söhne ein eigenes Fürstentum. Allerdings wurde ihnen nicht nur das Recht der Staats vertrage und der Waffen entzogen, sondern auch die Ausübung der Reichs- und Kreisstandschaft zu blofser Form gemacht, diese wichtige Befugnis tatsächlich dem regierenden Kurfürsten vorbehalten. Immerhin war die erst von Friedrich Wilhelm selbst, oft mit Gewalt, Wortbruch und Rechtswidrig- keiten, erkämpfte Staatseinheit wieder geopfert, wurden hier Verhältnisse geschaffen, die in naturgemäfser Entwicklung zu Zwistigkeiten unter den verschiedenen Gliedern der Kurlinie, ja zur Sprengung des sie umschliefsenden Bandes führen mufsten. Und dieses unheilvolle Testament wurde unter die Bürgschaft des Königs von Frankreich gestellt!

Der Kurfürst fühlte selber, dafs jetzt, wo ihn zahlreiche Söhne umgaben, der früher angegebene Grund, man müsse für die Fortdauer des Kurhauses sorgen, ganz hinfilllig sei. Er wiederholte ihn freilich der Form nach, fügte aber einen neuen hinzu: man müsse durch reichliche Ausstattung die jüngeren Prinzen daran verhindern, nach dem Muster anderer Häuser Fortgang und reiche Ausstattung im Schofse der katholischen Kirche zu suchen. Eine solche Eventualität wäre jedoch durch Übertragung von Einkünften ganz ebenso verhütet worden wie

^ Das hat der nachmalige König Friedrich I. bestimmt von seiner Stiefmutter ausgesagt; Bänke, Sämtl. W. XXV/XXVI, 392. Vgl. die Depeschen B^benacs vom Okt. 1680 (Auszug, Geh. Staatsarchiv, Berlin, Bep. 94, IV H b, 10 a), die der Kurfürstin sogar die Bemühung zuschreiben» ihren Gatten zur Teilung der Souveränität zu Gunsten ihrer eigenen Söhne zu bewegen.

FOnfunddreifsigBtes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 39

durch Ausstattung mit eigenen Fürstentümern. Und dann : war Brandenburg grofs und reich genug, um zur Verhütung des Übertrittes eines oder des anderen seiner zahlreichen Prinzen zu Rom derartige, ja auch nur bedeutende pekuniäre Opfer zu bringen ?

Die traurigen Folgen der von Dorothea ihrem Gatten unter unzulänglichen Gründen abgerungenen Bestimmungen zeigten sich unverzüglich: der Kurprinz, der durch Röbenac Kenntnis von dem Inhalte des Testamentes erhielt, machte diesen An- ordnungen sofort Opposition; an sich mit vollem Rechte, nicht allein von seinem persönlichen Standpunkte aus, sondern im Interesse des Staates, das auf das empfindlichste verletzt war. Schade, dafs er bald nur seines eigensten Vorteiles gedachte und in seinem Kampfe gegen den Vater recht unbesonnene, ja verwerfliche Mittel anwandte.

Friedrich Wilhelm trug den Einwendungen einigermafsen Rechnung durch sein letztes Testament vom 16. Januar 1686. Ks erweiterte zwar noch die Dotation seiner Gemahlin, machte aber die Ernennung und Absetzung der Beamten in den fünf Nebenfürstentümem von der Bestätigung durch den jeweilig regierenden Kurfürsten abhängig. Hiermit wurde allerdings das Band gefestigt, das die einzelnen Lande mit dem Haupte des Kurhauses zusammenhielt. Indes schon der Name der Einzel- fürstentümer, die verhältnismäfsige Selbständigkeit der Ver- waltung und Gesetzgebung in ihnen und die bei der Dürftigkeit des ohnehin unter dem Steuerdrucke fast erliegenden Staates erschreckende Höhe der Dotationen für die jüngeren Linien blieben schwere Fehler, die für die Zukunft das Werk des (irofsen Kurfürsten wieder in Frage stellten. Zum Glücke ist die Ausführung unterblieben und damit Friedrich Wilhelms Schöpfung -- soll man sagen : gegen seinen eigenen Willen ? gerettet worden.

Für sich selbst hatte dieser Fürst sich die höchste und aus- schlaggebende Macht, je älter er wurde, um so eifersüchtiger gewahrt. Ein Beweis der subalternen Stellung, die er seinen Ministem zudachte, war es, wenn er nicht allein zuliefs, sondem geradezu forderte, dafs sie von fremden Mächten bei passender Gelegenheit reiche Gaben erhielten ^ Es lag hierin der Aus-

' Aufser vielen anderen, dokumentarisch belegten Beispielen sehe man darüber Prutz, S. 134 ff.

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druck seines Bewufstseins , dars die Haltung seiner Diener un- schädlich sei, da die Entscheidung doch immer von ihm selbst ausgehe. Solche Schenkungen waren kaum verfänglicher, als wenn in der Gegenwart Staatsmänner mit fremden Orden ge- schmückt werden.

Unmittelbar nach dem Nordischen Kriege herrschte in der Umgebung des Kurfürsten der Gegensatz zwischen dem längst in Gunst befindlichen, milden und adelsfreundlichen Oberpräsi- denten von Schwerin und dem frisch geadelten, bureaukratisch und absolutistisch gesinnten, tatkräftigen, selbstischen, gewissen- und bis zur Roheit rücksichtslosen Friedrich von Jena. Im ganzen überwog Jena, der dem Kurfürsten persönlich nicht so nahe stand wie Schwerin, seinen Plänen und Absichten aber mehr entsprach ^ Übrigens war Jena, wie sogar seine Feinde zugestanden, gründlich gelehrt und führte eine vorzügliche Feder'. Zur Faktion des Oberpräsidenten gehörten die Kur- fürstin Luise Henriette, Fürst Radziwill, Herzog von Croy, sowie die Geheimräte von Brandt und Kleist An seinen Wider- sacher schlofs sich besonders der Bielefelder Steuerempfängers- sohn Franz Meinders an (geboren 1630), in klassischer und in französischer Bildung gleich erfahren, liebenswürdig und ge- wandt. Im Privatdienste Waldecks emporgekommen, hatte er sich durch Eifer und Geschick dem Kurfürsten empfohlen und war 1656 in dessen Beamtenschaft eingetreten. Hier hatte er, zuerst in der Stellung eines Kriegsrats, sich derart ausgezeichnet, dafs Friedrich Wilhelm ihn bald zu diplomatischen Geschäften verwandte, dann 1669 mit der provisorischen Verwaltung des General -Kriegskommissariats betraute und 1672 in den Geheimen Rat berief, wo er damals, nach Erhebung Jenas in den Adelsstand, der einzige Bürgerliche war. Der kluge, kecke, stets froh zur Arbeit aufgelegte, dabei sich unbedingt be- herrschende und bescheidende Mann, der die Sprache der Diplomatie das Französische -— mit seltener Korrektheit nicht nur sprach, sondern auch schrieb, spielte bald eine be- deutende Rolle zur Seite Jenas.

Dieser war besonders in der Angelegenheit, die während

1 Lisola an Walderode, 6. JuU 1663; U. u. A., XIV, 148. Kurfürstin Luise Henriette an Schwerin, 1663; Orlich, Preufs. Staat, in, 451.

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der Jahre 1661 und 1662 im Vordergründe des Interesses für den Kurfürsten stand dem Kampfe mit den preufsischen Ständen , mit seiner streng absolutistischen Gesinnung dem Herrn viel nähergetreten als der adelsfreundliche und stets zur Versöhnung ratende pommersche Edelmann. Schwerin wurde über den Verlust seines mafsgebenden Einflusses so aufgebracht, dafs er sogar seine eifrigsten Gönner, wie die Kurfürstin und den Fürsten von Anhalt, beschuldigte, mit Jena gegen ihn ver- schworen zu sein. Die Ernennung zum Erzieher des Kurprinzen (1662) erschien ihm wie eine ehrenvolle Verbannung, und so erlangte er von dem Kurfürsten Entbindung von einem Teile seiner öffentlichen Geschäfte (1663). Fünf Jahre später hat er noch eine weitere Entlastung durchgesetzt, so dafs er seine Tätigkeit auf die Erziehung der Prinzen und Erteilung von Ratschlägen beschränkte, wenn solche gefordert wurden. Allein, Friedrich Wilhelm hat ihn im Grunde für den treuesten und ihm persönlich ergebensten Berater gehalten, seine sittliche Überlegenheit über Jena stets anerkannt, deshalb seine oft wiederholten Entlassungsgesuche mit gütigen Worten abgelehnt und sich in allen wichtigen Angelegenheiten immer wieder an ihn gewendet. Ihr vertraulicher Briefwechsel ging Jahr für Jahr von statten, und gerade die geheimsten Dinge wurden zwischen dem Kurfürsten und seinem ziemlich gleichalterigen Oberpräsidenten verhandelt, ohne dafs dieser freilich seine An- schauungen immer durchzusetzen im stände war\

Der Gegensatz zwischen Frankreich und den Habsburgem und die sich hieran knüpfenden diplomatischen und kriegerischen Verwicklungen brachten dann, um das Jahr 1666, eine neue Konstellation am Berliner Hofe zuwege. Schwerin, der früher "- noch 1662 ein Gegner Frankreichs gewesen war^, hielt nunmehr jeden Widerstand gegen diesen Staat für aussichtslos und strebte deshalb ein Bündnis Brandenburgs mit König Ludwig an. Gleicher Ansicht war Meinders, dessen französierende Bildung und occidentales Wesen ihn ohnehin Frankreich günstig stimmte. Auf einer diplomatischen Sendung verlebte er den Winter 1668 in Paris und erhielt hier einen tiefen Eindruck

> Orlich, Preufs. Staat, I, 248 ff., HI, 167 ff. 460. ü. u. A., Bd. IX. XII. XVIII.

« U. u. A., IX, 618 ff.

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von der Gröfse, Macht, Kultur und dem Reichtum dieses Landes: eine Stimmung, die ihn Brandenburgs Interesse um so mehr in engem Anschlufs an Frankreich suchen liefs. Friedrich von Jena dagegen war für eine Allianz mit dem glaubensverwandten Holland und dem Kaiser und fand dabei den Beifall Johann Georg von Anhalts, der hierüber sich von Schwerin trennte, sowie des Feldmarschalls Derfflinger, des Generalleutnants von der Goltz und des Oberstallmeisters von Pöllnitz. Indem der Kurfürst, nach mannigfachen Schwankungen, sich 1672 und be- sonders 1674 für diese letztere Partei erklärte, traten Schwerin und Meinders, zumal in betreff der äufseren Politik, in den Hintergrund. Gegen Meinders wurden überdies die bittersten Anklagen erhoben: er habe bei Abschlufs des Vertrages von Vossem das Interesse des Kurfürsten dem Frankreichs geopfert; er habe von letzterm ein Porträt Ludwigs XIV., mit Diamanten besetzt und 20 000 Taler wert, ein Silberservice und viele Tausende von Talern an barem Gel de erhalten. Allein, er wufste diese Anschuldigungen zu widerlegen: an Geldgeschenken habe er nur die üblichen „zur Kette*", d. h. zur Beschaffung des ge- wöhnlichen Gesandtengeschenkes, einer goldenen Kette, sowie ein Porträt Ludwigs XIV. erhalten ^ Jedenfalls ein Beweis, dafs er bei diesem Könige in hoher Gunst stand. Das hinderte jedoch nicht, dafs der kluge Meinders es bald verstand, sein Interesse von dem des Oberpräsidenten zu trennen und sich dem Kur- fürsten von neuem durch seine flinke, gewandte Feder und durch sein Talent als Unterhändler unentbehrlich zu machen. Schon seit 1669 „hatte er die Hand fast in allen vornehmen Negotiis*" '. Sein wachsender Einflufs verstimmte den zu Bitter- keit und Neid neigenden Jena, der sich zum ersten Male dem damals halb in Ungnade gefallenen Schwerin näherte. Beide suchten im Bewufstsein ihrer treuen Dienste und in einer Frömmigkeit Trost, die wenigstens bei dem Oberpräsidenten natürlich und aufrichtig war. Schwerin, der, seit 1676 auch der Erziehung der Prinzen enthoben, fern vom Hofe in Kleve weilte, schrieb von dort aus: „Ich lebe hier nach meinem Wunsche ganz zurückgezogen und komme fast nicht aus meiner Kammer.

^ Ms. Verantwortungsschiiften Meinders* an den Kurf., Nov. 1673 u. 28. Febr./8. März 1674; Berlin, Geh. Staatsardiiv, Bep. 92, Meinders, 4. « Goefs an d. Kaiser, 23. Juli 1669; U. u. A., XIV, 425.

Ffinfimddreüsigstes Kapitel. Der Grofae Kurfürst u. sein Hof. 43

Dieoccupationesaulicae haben mich viele Jahre verhindert, etwas zu lesen ; wenn ich jetzt dazu komme, ist mir alle Arbeit zuwider, die mich daran verhindert.^ Aber solche Entsagung^ obwohl gewifs aufrichtig gemeint, war eine Selbsttäuschung: wer einmal im Besitze der Macht gewesen, entbehrt solche nur mit Kummer. Schwerins stete Klagen, seine wiederholten und gereizten Entlassungsgesuche beweisen das ebenso deutlich wie sein tiefer Hafs gegen den Bielefelder Emporkömmling. „Ich habe gesehen," schreibt er 1677 an den Herzog von Croy, „was Sie an Meinders geschrieben; bitte untertänigst, Ew. Gnaden wollten deshalb in Ruhe sein, denn ich selbigem Menschen nur antworte auf seine Schreiben, wenn er wegen Sr. Kurf. Durchl. Geschäfte etwas überschickt. Indigna Gaesaris via." Wenige Monate darauf fiel er bei dem Kurfürsten vollends in Ungnade. Friedrich Wilhelm war sogar dazu geneigt, ihn auch der Form nach zu entlassen, zumal der Prinz von Oranien mahnte, im Interesse des guten Einverständnisses mit den Verbündeten den französisch gesinnten Schwerin zu beseitigen, den er fälschlich schnödesten Eigennutzes und der Bestechung durch die Schweden beschuldigtet Als aber die Vereinigten Provinzen und bald darauf auch Spanien und der Kaiser von Brandenburg abfielen und dieses sich wieder Frankreich zuwandte , kam naturgemäfs der Oberpräsident zu neuer Geltung. Wir sehen seit der Mitte des Jahres 1678 den Kurfürsten beständig die geheimsten politischen Angelegenheiten mit ihm verhandeln. Sein Abschieds- gesuch wurde in den schmeichelhaftesten Ausdrücken abgelehnt, er nur zu seiner gröfseren Bequemlichkeit von den Geschäften eines Oberpräsidenten des Geheimen Rats entbunden ^. Aber den tatsächlich ausschlaggebenden Einflufs bewahrte doch Meinders, dessen energische Ratschläge den Kurfürsten weit sympathischer berührten als die zögernde Vorsicht Schwerins, dessen angeborene Bedenklichkeit durch vorzeitiges Greisentum und Körperschwäche noch gesteigert wurde. Dem Herzoge von Croy gegenüber be- klagte er sich, im April 1679, über Meinders' alles beherrschendes Ansehen: „Ich danke Ihnen, dafs Sie ein so hoher Patron des

1 Ms. Uranien an den Kurf., 20J30. März 1678; Berlin, Geh. Staats- archiv, Bep. 92, Meinders, 6.

" Orlich, Preufe. Staat, III, 298 ff. Das Folgende: ebendas. I, 255f., und Strecker, 92f.

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Adels sind; Gott vergelte es Ihnen; es ist aber bald um den- selben getan. Diejenigen (der Kurfürst!), so ohne den Adel nicht aufkommen können, sind dessen Verfolger und Bedrücker.' Worte , die für die Denkweise Schwerins sehr bezeichnend sind und von neuem dartun, dafs er seiner ganzen Gesinnung nach mit seinem Herrn in der inneren Politik ebensowenig wie in der äufseren übereinstimmte.

Wenige Monate später 14. Nov. 1679 ist der treffliche Mann im zweiundsechzigsten Lebensjahre gestorben. Er war der einzige der damaligen brandenburgischen Staatsmänner, der stets und grundsätzlich die fremden „Gratifikationen" höflich, aber bestimmt zurückgewiesen hat^ An Gewissenhaftigkeit, Treue und Pflichtgefühl kam ihm keiner der Räte des Kurfürsten gleich, und das erklärt, weshalb, trotz aller Verschiedenheit der Ansichten und Ziele, Friedrich Wilhelm sich immer wieder ihm zuwandte.

Sein Sohn, der jüngere Otto von Schwerin, blieb stets, wie der Vater, ein Anhänger des französischen Bündnisses ^ Allein, sein Einflufs am brandenburgischen Hofe war gering.

\ Zu dieser Gruppe gehörte auch Burggraf Christian Albrecht von Dohna, der sich dem Oberpräsidenten angeschlossen hatte. Er war jedoch wenig beliebt, sowohl bei Hofe wie bei den Bürgern, und als arger Bauernschinder berüchtigt. Nur die Gunst Luise Henriettens hat ihn gehalten '.

Einer der eifrigsten Anhänger Frankreichs war lange Zeit hindurch der General von der Goltz gewesen, ein geborener Pole, der in französischen Diensten gestanden und dort den Spitznamen „der kleine polnische Oberst" geführt hatte. Als ihr Parteigänger wird er von den französischen Diplomaten seit dem Jahre 1663 genannt. Er, der hohe brandenburgische Offizier, diente ihnen geradezu als Spion, unterrichtete sie von den Ge- heimnissen des Hofes und des Rates und verdiente so, in ihren Depeschen als ihr vornehmster Freund bezeichnet zu werden. Er blieb ihnen noch 1669 treu, als fast alle anderen brandenburgischen Staatsmänner ihre Partei verlassen hatten. Er hat die Er-

^ Man sehe seinen Brief an Yerjus, 1. Mai 1673; Prutz, SSL 2 Waddington, Pnisse, 282.

* W. Bibeck, Aus Berichten des hess. Sekr. Lincker; Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., Xu (1899), S. 154 f.

POnfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 45

gebenheit für seinen ehemaligen Kriegsherrn bis zum Verrat an seinem gegenwärtigen getrieben ^ Und doch ist er später, Dflter der Einwirkung Der£flingers, mit seinem Freunde PöUnitz zu den Franzosenfeinden übergegangen.

Gerhard Bernhard von Pöllnitz hat am Berliner Hofe keine leitende, aber doch eine glänzende und einflufsreiche Rolle gespielt. Er war Oberstallmeister, Oberst der Leibgarde zu Fufs, erhielt schon 1657 den Rang eines Generalmajors und wurde 1670 Gouverneur von Berlin*. Er hatte diese Beförde- rung weniger seiner persönlichen Bedeutung als seiner Ehe mit Gräfin Eleonore von Nassau, einer Verwandten Luise Henriettens, zu danken. In dem Hause des grofsen Marschalls von Turenne erzogen, galt er als durchaus französisch gesinnt. Er nahm von den Gesandten dieser Nation Geschenke und ver- sprach ihnen dafür, den Kurfürsten ihren Vorschlägen geneigt zu machen. Er galt ihnen geradezu als einer ihrer Vertrauten (affid^s). Allein, schon 1667 begann Pöllnitz zu wanken, „nach beiden Seiten hin seinen Vorteil zu suchen*^, wie Millet sich ausdrückte. Der Oberstallmeister war vor allem ein Neider Schwerins ; und als er sah, dafs er auf dem bisher eingeschlagenen Wege, trotz seiner Verwandtschaft mit der Kurfürstin, den Oberpräsidenten weder aus ihrem noch aus ihres Gemahls Ver- trauen werde verdrängen können, trat er direkt als sein politi- scher Gegner auf. So hat nur Ehrgeiz, der Wunsch, Schwerins und Meinders' Stelle einzunehmen, ihn plötzlich in das diesen Männern feindliche Lager geführt und zum ebenso eifrigen Widersacher der Franzosen gemacht, wie er früher deren An- hänger gewesen war.

Friedrich von Jena dagegen ist nur sehr bedächtig für das Bündnis mit den Niederlanden eingetreten. Er mufste in der Tat fürchten, dafs die französische Regierung, wenn sein Ver- halten sie allzusehr reize, enthüllen werde, wie er früher in ihrem Solde und in ihrem Interesse gehandelt hatte, sogar gegen die ausdrücklichen Befehle des Kurfürsten. Der fran- zösische Minister Lionne nannte ihn „einen kleinen Schurken,

^ Depeschen der französ. Gesandten in Berlin: U. n. A., U, 248. 280. 441. 451 f. 454. 461 f. 473. 476.

Forsch, z. brandenb. u. preuTs. Gesch., I (1888X S. 187. Über das Folgende: Strecker, S. 33 Anm. 1; U. u. A., II, 288. 418. 441. 448. 461. 455. 475. 481 ; Forsch, z. brandenb. u; preufs. Gesch., YIII, 208.

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aber einen Menschen, mit dem man für Geld alles machen kann"" ^ Wie PöUnitz ist auch der gewissenlose Emporkömmling Jena zunächst durch den Gegensatz wider Schwerin zum Abfall von der französischen Partei bestimmt worden. Als 1672 das Bünd- nis mit den Generalstaaten geschlossen war, hielt er, mit Somnitz und Ganstein, an solchem fest und bekämpfte den in Yossem geschlossenen Frieden. Er fürchtete die Übermacht Frankreichs, die den Kurfürsten zum Sklaven zu machen drohe, und dieser Ansicht ist er, selbst während Friedrich Wilhelm mit König Ludwig im Bunde stand, bis zum Ende seines Lebens treu geblieben. Er hat sich auch allen Entwürfen auf Gründung einer brandenburgischen See- und Kolonialmacht widersetzt, weil solche den Generalstaaten mifsfielen. Endlich wurde er ebenfalls gemäfsigter Anhänger der eigentlich österreichischen Partei : dafür mifstraute ihm der Kurfürst, der sich nicht scheute, ihn als Verräter und Söldling des Kaisers zu beschimpfen. Als aber Jena im September 1682 plötzlich starb, war der Kurfürst doch von dem Tode seines ungefähren Altersgenossen, der einst sein vornehmster Berater gewesen, tief ergriffen *.

Viel entschiedener für den Anschlufs an die Habsburger, zumal den Kaiser, trat Johann Georg IL von Anhalt auf, dessen Ansehen durch seine Succession im Fürstentume, 1660, erhöbt wurde. Es lebte in ihm das alte reichsfürstliche Bewufstsein, das ihn nur einen Herrn und Obern anerkennen liefs, den römischen Kaiser, während er in dem Kurfürsten von Branden- burg einen Gleichberechtigten von allerdings gröfserer Macht sah, dem er sich lediglich insoweit zum Dienste verpflichtet fühlte, wie er selber es für gut fand und mit seiner Pflicht gegen Kaiser und Reich vereinen konnte. Sein heiteres, allerdings derb sinnliches Wesen, seine nahe Verwandtschaft mit der Kurfürstin, seine fürstliche Stellung verliehen ihm bei Friedrich Wilhelm ein so grofses Ansehen, dafs er im Beginne der sechziger Jahre oberflächlichen Beurteilen! als die schlechthin mafsgebende Persön- lichkeit am Berliner Hofe gelten konnte^. Jena verstand es

^ Becueil des Instructions donnees aux ambassadeurs de Francet XVI: Waddington, Pnisse (Paris 1901), S. 76 (Instr. an de Lesseins, 1661). S. 122, Anm. Für das Folgende: ü. u. A., II, 386. 647; XR', 974f. 977.

' Ms. Dep. Bebenacs vom Okt. 1681 und 16. Sept. 1682 (Auszüge); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. 94, H IV b, 10 a.

Dep. de Lesseins' vom 24. Jan. und Antwort Ludwigs XIV. vom

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eben vortrefflich, sich hinter dem glänzenden, laut -fröhlichen, prahlenden, aber im Grande unbedeutenden Fürsten zu verbergen, während doch er selber, nach der Verdrängung Schwerins, zu- nächst der tatsächlich leitende Staatsmann war. Anhalt stMzte sich vornehmlich auf seine Schwägerin Luise Henriette, die wieder durch ihn ihre Wfinsche zu verwirklichen suchte. Schwerin hielt ihn, wohl mit Recht, fOr seinen Gegner, obschon gerade der Ober- präsident ihn am kurfürstlichen Hofe eingeführt und seine Ver- mählung mit der oranischen Prinzessin vermittelt hatte ^ Zeigt sich hierin schon eine unedle Gesinnung, unter dem Deckmantel derber soldatischer Offenheit und Fröhlichkeit, so auch darin, dafs er sich von dem kaiserlichen Hofe seine Ergebenheit mit 3<)W0 Reichstalern (400000 Mark nach heutigem Geldwerte) bezahlen liefs'.

Der Tod seiner Schwägerin Luise Henriette gab seinem Einflüsse einen argen Stofs, zumal Johann Georg und seine Gemahlin die Unklugheit und Anmafsung begingen, sich zu Anwälten ihrer Neffen gegen den eigenen Vater, den Kurfürsten, aufzuwerfen. Friedrich Wilhelm war höchlichst erbittert darüber, dafs jene ,»mich gleichsam unmündig machen wollen, als ob ich meine Kinder nicht liebte und ihnen das Ihrige verbrächte*'. Er weigerte sich deshalb, den Fürsten der Eröffnung von Luisens Testament beiwohnen zu lassen. Dann kränkte Friedrich Wilhelms zweite Vermählung zumi(l die Fürstin, in entschuldbarem schmerz- lichem Gedenken an die Schwester. Allein, Johann Georg wollte doch weder auf die Macht noch auf die Einkünfte verzichten, die seine Berliner Stellung ihm brachte; letztere beliefen sich auf 20—30000 Reichstaler jährlich (260—400000 Mark nach heutigem Geldwerte)'. So suchte er „sich wieder zu insinuieren*". Friedrich Wilhelm verhielt sich zunächst diesen Versuchen gegen- über recht kühl und gab dem Fürsten in jeder Weise zu ver- stehen, dafs er ihn nicht in seiner Umgebung zu sehen wünsche^. Allein , die gütige und treue Gesinnung des Herrschers trug zuletzt den Sieg über Zorn und Mifstrauen davon. Johann Georg

23. Febr. 1662. U. u. A., II, 243f. 256. 441 etc. -- Lisola an den Kaiser,

24. Aug. 1663; ü. u. A., XIV, 162,

» Orlich, Preufs. Staat, I, 410 ff.; HI, 451. 455.

« U. u- A., XIV, 488.

' Ebendas., S. 418.

* U. u. A., XII, 923-929.

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hielt durchaus an seinen vertragsmäfsigen Befugnissen fest und duldete nicht, dafs Offiziere ohne sein Vorwissen angestellt wurden. Seines Wertes war er sich wohl bewufst; er betonte gern, dafs er ^seine zeitlichen Gflter nicht ererbt, sondern durch gnädige Verleihung Gottes mit seinem Degen erworben habe". Deshalb war er ein scharfer, oft recht unbequemer Kritiker für andere. Deshalb auch forderte er 1678, an Stelle des Herzogs von Croy, die Statthalterschaft von Pommern und verlangte, als solche ihm nicht zufiel, abermals seine Entlassung. Der Kurfürst mufste den Aufsässigen wiederholt mit schweren Strafen bedrohen , mochte aber am Ende des trefflichen Führers und Beraters nie entbehren und nahm von ihm vieles hin, was er von anderen nicht ertragen haben würde. Wufste er doch, dafs Derff linger ein einfacher, gerader und ehrlicher Mann sei, unfähig jeder Intrigue, und dafs man sich auf seine Recht- schaffeuheit und Treue unter allen Umständen ebenso fest verlassen könne wie auf seine kühne Unternehmungslust, mili- tärische Sachkenntnis und Klugheit. So hielt er ihn in seinem hohen Amte fest; wenn Intriganten, wie der General-Feldzeug- meister Herzog August von Holstein, sich auf Derfflingers Ämtern und Würden als Erben einzuführen suchten, fanden sie bei dem Kurfürsten ungnädige Aufnahme. Aber sobald der Feldmarschall seinen Willen durchgesetzt hatte, beklagte er sich umgekehrt: „Es liegt mir alle Last wiederum einzig und allein auf dem Halse.^ Es war ihm nichts recht zu machend

Von mittlerer Gröfse, hager, aber kräftig gebaut, trug Derff linger ein kluges, energisches Antlitz zur Schau, mit welligem Haar, freier Stirn, hochgezogenen Brauen, etwas vor- tretenden Backenknochen, scharfer, mäfsig gebogener Nase. Über den schmalen Lippen safs das gewellte Schnurrbärtchen, und auch das kräftig hervortretende Kinn zeigte eine schmale „Fliege".

Das Alter, das ihm freilich selbst nach der Meinung seines Feindes Röbenac „die volle Kraft und das Feuer eines Dreirsigjährigen** beliefs, stimmte den Haudegen nicht milder. Sein Grimm gegen die Franzosen war so grofs, dafs er sich selbst der Anstellung hugenottischer Offiziere im brandenburgischen

^ Ms. Korreap. Derfflingers mit dem Prinzen von Hessen-Homborg; Berlin, Geb. Staatsarchiv, Bep. 94, lY Hb, 5 k.

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Heere heftig widersetzte. Der Gedanke vollends , dafs er an der Seite Frankreichs gegen Deutsche kämpfen solle, versetzte ihn in einen Zorn, der die Grenzen der Schicklichkeit wie der Pflicht überschritt. „Ich will mich lieber in Stflcke hauen lassen/ rief er aus, „als die kurfürstliche Armee gegen Ew. Kurf. Durchl. Ehr' und Gewissen, auch Ihre und des Reiches Wohlfahrt zu kommandieren.*' Er verweigerte damals dem Grafen R6benac den Grufs, und als der französische Diplomat ihm eine höfliche Botschaft sandte und ihn um Aussöhnnng anging, Hefs ihm der Feldmarschall antworten: er habe des von R^benac Visite , noch seine und seines Königs Freundschaft niemalens verlanget, und dabei blieb es. Aber es gewinnt uns doch für den groben Recken, wenn wir erfahren, dafs er in jener Zeit unbedenklicher Habsucht nicht allein die Bestechung, die R^benac ihm anbot, verächtlich zurückwies, sondern sogar 30000 Taler 390000 Mark nach heutigem Geldwerte ablehnte, die der Kurfürst selber ihm geben wollte, wenn er den Oberbefehl auch gegen deutsche Feinde zu führen bereit sei. Er verliefs unwillig den Hof; er sah mit Zom^ dafs hugenottische Offiziere ganze Regimenter erfüllten und zu hohen Kommandostelleu berufen wurden. Allein, die Intriguen R^benacs, die auf seinen völligen Sturz hinzielten, schlugen fehl. Friedrich Wilhelm hegte eine so hohe Meinung von Derfflingers militärischer Tüchtigkeit, eine so herzliche Dankbarkeit für dessen Verdienste um den Staat, eine so gründliche Hochachtung für die, wenn- gleich rauhe und polternde^ so doch echte Ehrlichkeit des Alten, dafs er ihm immer wieder verzieh und ihn zu sich berief. Sobald aber Deriflinger in Berlin war, trat er o£fen für die Interessen des Kaisers und der Holländer ein. Ihm ist es zum grofsen Teil zu danken, dafs der Kurfürst dem Wiener Hofe 1686 eine Türken- hilfe bewilligt hat.

Allein diese Tatsache gehört einer späteren Zeit an. Es hatte mit der neuen Epoche der brandenburgischen Politik, die mit dem französischen Bündnisse (1679) einsetzte, eine veränderte Gruppierung der hauptsächlichsten Berater des Kurfürsten statt- gefunden. Schwerin starb gerade damals, bald nach ihm Fürst Johann Moritz von Nassau , dann Hoverbeck , Koppen , Friedrich von Jena, Canstein. Ein jüngeres Geschlecht trat in den Vordergrund.

Mafsgebender Minister wurde der Führer der französischen Partei, der inzwischen geadelte Franz von Meinders. Er fand

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seine Überzeugung, dafs Brandenburg im Kampfe gegen das übermächtige , unwiderstehliche Frankreich nur Niederlagen^ Demütigung, Schwächung, ja Untergang zu befürchten habe, durch die Erfahrungen der vorhergehenden Jahre reichlich bestätigt. Er holte aus der Fülle seiner Gelehrsamkeit, von Kaiser Augustus bis auf Hugo Grotius, Belege hervor, die einem schwächeren Staate den Anschlufs an den stärkeren, wo möglich an den stärksten anrieten. Er wünschte durchaus nicht, dafs der Kurfürst sich würdelos dem Allerchristlichsten Könige unter- werfe, sondern nur, dafs er sich diesem als vollberechtigter Bundesgenosse geselle, dabei im Reiche seine Stellung wahre und, gleichsam als Verteidiger der fürstlichen „Libertät*' gegen die „Tyrannei** des Hauses Österreich, die übrigen Reichsfürsten um sich schare. Als echter Emporkömmling eifrig um die Mehrung seines Familienvermögens bemüht, scheute er sich nicht, reiche „Ergetzlichkeiten** von Frankreich anzunehmen, er hat in vier Jahren nicht weniger als 53550 Livres (etwa 220000 Mark nach heutigem Geldwerte) von diesem Staate erhalten. Allein, wenn er auch in diesem kitzlichen Punkte minder vornehm dachte als Schwerin und Derfflinger, so hat er doch, nach dem eigenen Zeugnis R6benacs, niemals für das fremde Geld Ehre und Interessen seines Herrn geopfert. Mit j einem Goltz oder PöUnitz dürfte man ihn nicht vergleichen, i Im Innern des Staates war er, der Beamte bürgerlichen Ursprungs, gerade wie sein früherer Genosse Jena , ein eifriger Vorkämpfer landesherrlicher Vollgewalt. Er war hier, neben allen diplomati- schen Geschäften, unermüdlich tätig, verbessernd, reformierend, ausgleichend, ein tüchtiger und zuverlässiger Yerwaltungsbeamter, allerdings ohne grofse schöpferische Ideen, geeigneter zur Aus- führung als zu hoher, geistvoller Initiative. Er liebte es, still und unmerklich zu arbeiten, und trat gern hinter sein Werk zurück. Sein Ehrgeiz bestand darin, der erste Diener seines Fürsten, nicht dessen Herr zu sein: das entsprach am meisten seiner Begabung, und er hielt das auch für das Sicherste und persönlich Vorteilhafteste ^ In der Tat galt er während der Jahre 1678—1680 das meiste, 1680—1685 fast alles bei dem Kurfürsten, der sich des tüchtigen, gewandten, stets zu allen

» Strecker, 87 f. 99. 101 f. Prutz, 130. 186. - Bericht South- wells, 1680; Räumer, Beiträge, UI, 476 f.

FOnfonddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 53

Geschäften bereiten Gehilfen erfreute. Allerdings entfaltete Meinders eine gewisse Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit, und er prägte einen entsprechenden Charakter um so mehr der Politik des KuHÜrsten auf, als er bei diesem hierin auf verwandte Wesenseigenschaften stiefs.

Sein Sieg schien dauernd, als sein einst überlegener , nun zurückgedrängter, aber von dem Kurfürsten immerhin gehaltener Rival Friedrich von Jena im September 1682 starb. Aus Gegen- satz wider Meinders war Jena antifranzösisch geblieben, hatte jedoch damit bei dem Herrscher häufige und selbst scharfe Zurückweisung erfahrend Sein Hinscheiden war immerhin ein neuer Vorteil für Meinders.

Erst als Friedrich Wilhelm sich von Frankreich abwandte

im Jahre 1685 , begann naturgemäfs Meinders an Einflurs zu verlieren, der wieder an seinen jüngeren, geschmeidigeren, grundsatzloseren Genossen Fuchs überging.

Paul Fuchs war am 15. Dezember 1640 als Sohn eines Stettiner Superintendenten aus angesehener patrizischer Familie geboren. Nach sorgfältigen Studien auf drei deutschen und zwei niederländischen Universitäten erweckte er man weifs nicht, wie das Interesse Friedrich Wilhelms, der ihn auf eine Bildungs- reise durch das westliche Europa sandte. Er trat, dem Kur- fürsten zu Gefallen, zur reformierten Kirche über und ward zunächst Professor der Rechte in Duisburg. Allein binnen kurzem

1670 verschaffte ihm der Oberpräsident von Schwerin die Stelle des Geheimsekretärs bei seinem alten Gönner, dem Kur- fürsten. Ein klarer Geist, ein vorzüglicher Kenner der lateini- schen Sprache, machte er sich dem Herrscher sehr nützlich, und als er 1682 wirklicher Geheimrat wurde, erhielt er nur die äufsere Sanktioü der wichtigen Stellung, die er längst tatsächlich einnahm.

Fuchs schlofs sich zuerst der franzosenfreundlichen Politik seines Kurfürsten und des mächtigen Meinders an, zur grofsen

» Prutz, 131 f.

* Seine äuJteere Geschichte nach dem herzlich unbedeutenden Buche von F. von Salpius, Paul v. Fuchs (Leipzig 1877). Über seine poli- tische Tätigkeit: Amerongen an Fagel, 20. April 1683 (U. u. A., m, 688 f.); Lamberg an den Kaiser, 24. Kov. 1681 (das. XIY, 1010); Prutz, 130 bis 132. 135—137. 401; Ms. Depeschen B^benacs v. J. 1680 u. 26. Juni 1685 (Auazage); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, lY H b, 10 a..

54 Sechstes Buch.

Genugtuung Röbenacs, der den Ehrgeiz und die Begabung des jungen Geheimsekretärs vollkommen würdigte und ihn durch reiche Geschenke in der Ergebenheit gegen Frankreich zu befestigen suchte. Er galt, neben Meinders, als der eifrigste Parteigänger dieses Staates in Berlin und erwies dessen Gesandtem zahlreiche wichtige Dienste. „Der Sekretarius Fuchs ,^ klagte 1681 der Kurprinz dem Grafen Lamberg, „setzt sich des Kaisers Interesse in allem und vor allen anderen entgegen."" Er verband sich zu diesem Zwecke selbst mit der Günstlingin der Kurfürstin Dorothea, dem Fräulein von Wangenheim, sowie dem General- Kriegskommissar und Ober - Hofmarschall Ernst Joachim von Grumbkow. Dieser in seinem ersteren Amte hochverdiente Mann, einst ein Anhänger des Kaisers, wurde durch seine ehrgeizige hannoversche Gemahlin zu der für den Augenblick mehr ver- sprechenden französischen Faktion hinübergezogen, so dafs er geradezu als eine „Kreatur R^benacs^ bezeichnet ward, von dem er beträchtliche Geschenke erhielt, im ganzen 18000 Livres (etwa 80000 Mark nach heutigem Geldwerte).

Es war eine starke, anscheinend kompakte Partei, die sich so um R^benac scharte. Gegen sie konnte weder der unzuver- lässige, mit seinem Vater zerfallene Kurprinz noch der einfluls- lose Anhalt , noch der nur als Krieger, nicht aber als Politiker geschätzte Derfflinger oder gar ein Pöllnitz aufkommen. „Ich vermag solches nicht zu wenden,^ gesteht der Kurprinz dem kaiserlichen Gesandten, „sondern mufs nur der göttlichen Allmacht hinstellen, dafs solche meinem Herrn Vater heilsame Gedanken eingeben möchte.**

Da geschah es, dafs der ehrgeizig aufstrebende Fuchs sich von dem ob seiner Macht selbstbewufst gewordenen Meinders „allzu bafs traktieret"" fand. Er wollte auch seinen Platz an der Sonne haben, und Meinders versperrte ihm den Weg. Der neuernannte Geheimrat näherte sich also Lamberg und vei-sprach, ihm dazu behilflich zu sein, dafs der Kurfürst zum Kaiser übertrete (Dezember 1682). Hocherfreut bestärkte der Kurprinz ihn in dieser Absicht. Im Juni 1683 gehörte Fuchs schon mit Anhalt, Derfflinger, Ganitz zu dem kaiserlich gesinnten Quattett, das sich nicht scheute, dem österreichischen Gesandten die Geheimnisse 'des Herrschers zu verratend R6benac erkannte

> ü. u. A., XIV, 1049. 1061. 1071. 1128.

FOnfunddreilsigstes Kapitel. Der Grolse Kurfürst u. sein Hol. 55

den Umschwung wohl: der Wunsch, gegen Meinders aufzukommen, hat Fuchs znm Gegner Frankreichs gemachte Um den Eifer des Neubekehrten zu beleben, beschenkte der Kaiser ihn mit dem erblichen Reichsadel (1683). Fuchs hatte das Glück, dafs die Umstände den Kurfürsten allmählich zu Österreich hinüber- führten. Seitdem seit 1685 erschien Meinders naturgemftfs als wenig geeignet, die Politik Brandenburgs zu leiten. Selbst die Kenntnis wichtiger Verhandlungen ward ihm entzogen, und sein Nebenbuhler Fuchs erhielt den ersten Platz im Vertrauen des Kurfürsten, der ihn für den ehrlichsten seiner Diener erklärte*. Meinders wurde wiederum, wie nach dem Friedens- schlufs von Vossem, und dieses Mal viel energischer, der Untreue und des Verrats im Dienste Frankreichs beschuldigt; an der Spitze seiner Gegner stand kein Geringerer als Fuchs, der ihn doch als „meinen sehr teuern Herrn Bruder^ anzureden pflegte. Man klagte ihn an, er sei „gut französisch und von Frankreich korrumpieret, ja sogar ein Pensionarius von Frank- reich^. Friedrich Wilhelm mafs diesen Angaben vollen Glauben bei. Er bezeichnete dem Grafen R^benac selbst Meinders als denjenigen der seine Geheimnisse verrate, der Abschriften von den ihm erteilten allerhöchsten Befehlen dem Gesandten zukommen lasse, der noch andere Verbrechen begehe. Fuchs suchte anfangs zu leugnen, dafs er seinem Nebenbuhler diese üblen Dienste bei dem Herrn erwiesen habe. Allein, er mufste sie zuletzt ein- gestehen und bat um Verzeihung, der Streich war ohnehin gespielt und Meinders aus dem Vertrauen des Kurfürsten ver- drängt. Später, bei dessen Nachfolger, hat Fuchs wiederum den Meinders verleumderisch als denjenigen bezeichnet, der seinem Vater geraten, zum Exekutor seines letzten, verderblichen, Testamentes den König von Frankreich zu ernennen •.

Ein anderer Staatsmann bürgerlicher Herkunft hätte den Meinders und Fuchs leicht den Rang streitig machen können: Werner Wilhelm von Blaspeil. Jenen an politischer Begabung gleich, in diplomatischen Geschäften wohlerfahren, kam er nach dem Frieden von St. Germain an den Berliner Hof. Aber ein früher Tod befreite die anderen von seiner gefährlichen Mit- bewerbung.

» Prutz, 401.

» Pribram, öaterreicb u. Brandenburg 1688—1700, S. 11.

* Geh. Staatsarchiv, Berlin; B.ep. 92, Meinders 9. 10.

56 Sechstes Buch.

Eine nebensächliche Stellung hatte Christoph Kaspar von Blumenthal inne. Ein Schwiegersohn des Oberpr&sidenten von Schwerin, gelehrt und geistvoll, Verfasser zahlreicher rechts- und staatswissenschaftlicher Schriften, voll Interesse auch für Kunst und Literatur, wie wenige Brandenburger seiner Zeit, war er, solange Schwerin lebte, zu mannigfachen diplomatischen Sendungen verwandt worden. Aber nach des Schwiegervaters Tode trat er ebenso zurück wie dessen eigener Sohn, der jQngere Otto von Schwerin. Man darf annehmen, dafs Meinders Sorge trug, die Angehörigen seines einstmaligen Nebenbuhlers nicht aufkommen zu lassen.

Die Vergeltung blieb nicht aus : gegen Ende der Regierung des Grofsen Kurfürsten war die französische Partei völlig in den Hintergrund geschoben. Es war Fuchs gelungen, durch Verdächtigungen aller Art Meinders derart aus dem Vertrauen des kranken und mifsmutigen Herrn zu verdrängen, dafs dieser seinen ehemaligen ersten Minister einen schändlichen Verräter nannte \ Jede Gelegenheit wurde benutzt, um Meinders und den mit ihm verbündeten Grumbkow zu demütigen und auch vor den fremden Gesandten herabzusetzen'.

Nur einen einflufsreichen Vertreter besafs noch die französi- sche Partei, den jungen Generalleutnant Hans Adam von SchöniDg (geboren 1641) *. Er war ein feuriger, geistvoller, Selbstbewufst- sein atmender Offizier. Sein kühner Kitt durch die litauischen Wüsten bei der Verfolgung der Schweden hatte ihm den Ruf eines vorzüglichen Heerführers verschafft ; er war nach PöUnitz' Tode Oberst der Leibgarde und Gouverneur von Berlin geworden. Den greisen, rauhen Haudegen Derfflinger gab er sich den Anschein gering zu achten, während er sich selber für ein Genie hielt. Vor Kaiser und Reich hatte der kecke märkische Edelmann nicht die mindeste Achtung, und da Derfflinger auf österreichi- scher, so stand er auf französischer Seite, wo Pracht, Ruhm und feine Eleganz ihn ohnehin sympathisch berührten. Er nahm französisches Geld, wie freilich viele andere; allein, er unter-

^ Prutz, 165.

a Vgl. U. u. A., in, 797 (Okt 1687).

* Über SchÖning: Räumer, Beiträge z. neueren Gesch., m, 476; Droysen, m, III 811; Prutz, 140 f.; vorzüglich auch die Ms. Depeschen B^benacs in Auszügen (BerUn, G-eh. Staatsarchiv, Bep. 94, lY H b, 10 o).

Fttnf unddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst u. sein Hof. 57

hielt auch einen geheimen Briefwechsel mit R^benac, was denn das damals übliche Mafs der Gewissenlosigkeit, zumal von selten eines hohen Offiziers, noch überstieg. Anderseits hatte der glänzende General sich des schwachen Gemüts des Kurprinzen zu bemächtigen gewufst: „Der von Schöning vermag bei dem Herrn Kurprinzen landkündigermafsen alles ,** meldet der kaiserliche Gesandte Baron Fridag^ Aber in einer Hinsicht, und zwar der politisch wichtigsten, konnte Schöning den Prinzen nicht umstimmen : in dessen Devotion gegen Kaiserliche Majestät. Schöning hielt sich nichtsdestoweniger an den Prinzen. Einst- weilen war seine Bewerbung um die Nachfolge Derfflingers allerdings^ vergeblich. Der Kurfürst war seinen Umtrieben mit R^benac auf die Spur gekommen und behandelte ihn mit ent- schiedener Ungnade. Er verlieh im April 1687 die höchste Stellung im Heere dem soeben aus portugiesischen Diensten zu ihm übertretenden ehemaligen französischen Marschall Schom- berg: eine Tatsache, die den ehrgeizigen Generalleutnant nicht weniger kränkte als den alten Derfflinger. Sie war aber von hervorragender politischer Bedeutung, der Ausdruck des engen Anschlusses des greisen Herrschers an Schombergs Freund und Gönner, Wilhelm von Oranien, und damit an die grofse Koalition gegen den „König Sonne^ und dessen ganz Europa bedrohende Herrschsucht.

Nicht die Minister waren es, die in den letzten drei De- zennien von Friedrich Wilhelms Regierung den Herrscher lenkten : er selber bestimmte allein seine Politik. Er zog jedesmal die- jenigen seiner Räte heran, die der augenblicklichen Richtung dieser Politik entsprachen, und behandelte deren Gegner mit Ungnade, bis ein Wechsel in seinen momentanen Wegen jene beiseiteschob, diese wieder in die Höhe brachte. Der Herr war er, und er war es grundsätzlich, seitdem die ersten Lehr- und Injahre vorüber gegangen. Und Herr wollte er auch in der inneren Verwaltung seines Staates sein oder doch werden: auf den meisten Gebieten ist es ihm gelungen, den landes- herrlichen, zentralisierenden Absolutismus zu begründen.

1 Depeschen Fridags vom 12. Mai 1687, 17. März 1688; U. u. A., XIV, 136ü. 1400.

SechsuDddreifsigstes Kapitel.

Die Verwaltung.

Es war das unausgesetzte Bestreben des Grorsen Kurfürsten, in allen Richtungen des staatlichen Lebens die mäfsgebende und bestimmende Gewalt zu erlangen. Der allmächtige, all- gegenwärtige, in alles sich mischende, überall auf „gute Polizei*" hinarbeitende Absolutismus wurde von ihm, wenn auch bei weitem nicht vollendet, doch auf jedem Gebiete der öffentlichen Tätigkeit in den Anfängen dargestellt. Im einzelnen möchte man ein planvolles, systematisch durchdachtes und geordnetes Vorgehen seinerseits hier kaum nachweisen können. Aber wo immer er in dem tiefgesunkenen öffentlichen Leben des damaligen Norddeutschland Eigensucht, Unredlichkeit, Lotterei, Verletzung des sozialen oder staatlichen Interesses fand, da griff er, inner- halb der brandenburgischen Grenzen, mit fester Hand ein, durch Organisierung der landesherrlichen Aufsicht und Leitung, ein Prozefs, der sich in jedem von kräftigen Regenten beherrschten norddeutschen Gebiete damals mit einer Art Naturnotwendig- keit vollzog.

Die Regierung des Grofsen Kurfürsten wurde deshalb die Zeit der Enstehung des berufsmäfsigen landesherrlichen Beamten- tums in Brandenburg - Preufsen. Aber dieses Beamtentum repräsentierte nicht nur die fürstliche Gewalt gegenüber der ständischen, sondern auch die Einheit des Gesamtstaates gegen- über der Selbständigkeit der einzelnen der hohenzoUemschen Kurlinie angehörenden Lande. Aus besonderen Reichsterritorien, die sogar zweien verschiedenen Süzeränen dem Kaiser und dem polnischen Könige unterworfen sind, werden sie Provinzen

Sechsunddreifsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 59

des preufsiscben Staates: an die Stelle der blofsen Personal- tritt nunmehr die Realunion. Die mafsgebenden Beamten werden nicht mehr nach dem Indigenatsrechte der einzelnen Provinzen angestellt, sondern es wird für das Beamtentum nur noch eine allgemeine kurbrandenburgische Staatsangehörigkeit anerkannt und betätigt. Indem diese Beamten die eigentliche öffentliche Gewalt in allen Provinzen in die Hand nehmen, führen sie unter der scharfen Leitung des Landesherm und seiner Räte die Zentralisierung des Staates durch. Diesen Umschwung im gegenseitigen Verhältnisse seiner Gebiete bewirkt, damit den preufsiscben Staat recht eigentlich herausgebildet zu haben, ist das gröfste Verdienst des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Er hatte diesen Verschmelzungsprozefs so weit vollendet, dafs er selber ihn nicht mehr rückgängig machen konnte: die von ihm in Momenten der Verirrung testamentarisch angeordnete Zerstücklung des Staates scheiterte nach seinem Tode an dem Widerstände der sich um das neue Staatsoberhaupt einmütig scharenden hohen Beamtenschaft.

Die landesherrliche Verwaltung trat immer mehr an die Stelle der entarteten alten Selbstverwaltung. Wie die preufsi- scben Oberräte und die leitenden ständischen Beamten der übrigen Provinzen durch die Kriegskommissare brachgelegt wurden, so erging es auch der eigentlichen Lokaladministration. Auf dem flachen Lande fassen die vom Kurfürsten ernannten, zum Teil btlrgerlichen Land- und Marschkommissare von Jahr zu Jahr wachsende Befugnisse in ihrer Hand zusammen; in den Städten werden seit 1680 Steuerkommissare von dem Kurfürsten bestellt, denen die städtischen Accisebeamten Rechnung legen müssen. Diese Steuerkommissare, die freilich während der Regierung Friedrich Wilhelms nur erst in der Kurmark und dem Herzog- tum Magdeburg vorkommen, gewinnen schnell' mafsgebenden Einfiufs auf das gesamte Steuer- und Finanzwesen der Städte ^ Damit war die Axt an das ganz verkommene Patrizierregiment in den Städten gelegt, deren Verwaltung bald ebenso den landes- herrlichen Beamten unterlag wie die des flachen Landes. Denn diejenigen Behörden, die die Steuererhebung zu leiten hatten, taten leicht und schnell den Schritt, sich um alle Dinge zu kQmmern, die die Steuerkraft der Untertanen zu erhöhen be-

^ Acta Boruaaica, Behördenorganisation, I S. (98 108).

60 Sechstes Buch.

fähigt waren, das heirst die gesamte Verwaltung. Ja, in den Städten wurde die landesherrliche und bureaukratische Macht noch gröfser und durchgreifender als auf dem Lande. Denn hier blieb die niedere Verwaltung und Rechtsprechung in den Händen der adligen Grundbesitzer und ihrer Angestellten; in den Städten aber hörte die Selbstverwaltung allmählich ganz auf, indem das Bestätigungsrecht des Landesherrn ffir alle neu- gewählten Magistratsmitglieder in ein direktes Ernennungsrecht erweitert, die gesamte Polizeiverwaltung im ausgedehntesten Sinne des Wortes dem kurfürstlichen Steuerkommissar über- tragen ward*.

Die leitende Behörde, der Geheime Rat, erhielt seine weitere Ausbildung, den Bedürfnissen der veränderten Zustände ent- sprechend, und trat entschieden aus seinem alten, speziell kur- märkischen Geltungsbereiche heraus an die Spitze des gesamten Staatswesens. Seine Mitglieder erhielten als Wirkliche Geheime Räte zum Unterschiede von den blofs Titular - Geheimen Räten, Mitgliedern des Kammergerichtes, die in den beim Ge- heimen Rate bestehenden Geheimen Justizrat berufen wurden das Prädikat „Exzellenz"*. Allein, gerade diese äufsere Ent- wicklung der Stellung des Geheimen Rates führte mit Not- wendigkeit eine innere Minderung seiner Befugnisse herbei. Die Ziele und Aufgaben des nach aufsen gröfser und nach innen mächtiger gewordenen Staates wurden so mannigfaltig und ver- wickelt und bedurften so sehr einheitlicher, schneller und ver- schwiegener Leitung, dafs sie einer zahlreichen, schwerfällig beratenden Körperschaft entwuchsen. Die Finanzen also wurden allmählich Knyphausen, die Heeresangelegenheiten Derfflinger und Grumbkow, die Marine Raule, die äufsere Politik Meinders und Fuchs zur fast ausschliefslichen Behandlung anvertraut Neben so begabten und tatkräftigen Departementschefs sank der Geheime Rat zur Verwaltungsbehörde zweiten Ranges herab, die sich mehr mit den Einzelheiten der laufenden Geschäfte als mit den grofsen Angelegenheiten des Staates zu befassen hatte.

^ Konr. Bornhak, Gesch. des preufs. Yerwaltungsrechtes, I (Berlin 1884), S. 258 ff.

* StÖlzel, Brandenburg-Prenfsens Bechtsyerwaltung und Rechts- Verfassung, 1, 383 ff. Vgl. Klaprothu. Cosmar, Preufs. u. Brandenb. Geh. Staatsr., I, 209 ff.

SechsunddreiCsigstes Kapitel. Die Verwaltung. (jl

Der Theorie nach behielt der Geheimerat freilich seine hohen Befugnisse als leitende Behörde des Gesamtstaates, und der Kurfürst sowie sein Nachfolger wohnten noch häufig seinen Sitzungen bei.

So besafs man eine höchste Verwaltungsbehörde, aber zur endgültigen Organisation eines für den ganzen Staat bestimmten einheitlichen und selbständigen Höchstgerichts ist der Kurfürst nicht gelangt Das Kammergericht zu Berlin hatte seine alte Bedeutung als oberste richterliche Instanz für den Staat seit Erwerbung zahlreicher, weit entlegener und andersgearteter neuer Landesteile verloren und behielt nur noch eine provinzielle Geltung für die Marken. Die oberste Entscheidung in Justiz- sachen für den Staat wurde nunmehr in drei Departements ver- teilt. Die Zivilsachen wurden seit 1658 von den „Geheimen Räten zu den Verhören*' behandelt, d. h. denjenigen Wirklichen und Titular-Geheimen Räten, die zu diesem Behufe, als Mit- glieder des „Geheimen Justizrates*', dem Geheimen Rate bei- geordnet waren: also einer Art Obertribunal für Zivilsachen. Die Kriminalsachen unterlagen der Bearbeitung eines aus der Mitte des Geheimen Rates berufenen Referenten und wurden schliefslich dem Kurfürsten selbst unterbreitet. Endlich die Lehnssachen entschied ein einzelnes Mitglied des Geheimen Rates.

Das Kammergericht in Berlin selber blieb kurmärkisches Bemfungs- und zugleich Privilegiertengericht. Sein Vorsitzen- der war zugleich Vorsitzender der „Geheimen Räte zu den Ver- hören". Da die Kanzlerwürde seit 1650 erloschen war, präsidierte beiden Behörden der Vizekanzler Lucius von Rahden. Allein, nach dessen Tode, 1686, ging auch dieses Amt ein, und dafür ernannte der Grofse Kurfürst einen besonderen Kammergerichts- präsid^nten. Der Geheiipe Rat behielt die beständige Aufsicht aber das Kammergericht ^ So blieb, in echt mittelalterlicher Weise, die Vermengung der Justiz mit der Verwaltung bestehen, die sich auch darin aussprach, dafs einzelne niedere Gerichte, wie die Landgerichte in Preufsen, noch vielfach mit administra- tiven oder vielmehr polizeilichen Befugnissen ausgestattet wurden ^.

^ Stölzel, Fünfzehn Vorträge aus der brandenb. Rechts- u. Staats- geech. (Berlin 1889), S. 951. Friedr. Holtze, Gesch. des Kammerger. in Brandenb.-PreuLsen, Bd. II (Berlin 1891), S. 195 ff. 241 f. 290 ff. 312.

'Isaacsohn in der Zeitechr. f. preuts. Gesch. u. Landesk., XI (1874), S. 258.

Q2 Sechstes Buch.

Trotz des wiederholten Drängens der hier durchaus in ihrem Wunsche berechtigten St&nde der Kurmark ist Friedrich Wilhelm nicht dazu gekommen, auch nur für diese Provinz ein von dem Geheimen Rate unabhängiges Höchstgericht zu schaffen ^ Einzelne Versuche dazu wurden unternommen, scheiterten aber jedes Mal zum Teile freilich, weil die Stände dabei ihre Partikularinteressen allzusehr geltend machten. Dieses negative Ergebnis ist sicher- lich recht bedauernswert und beweist von neuem, dafs Friedrich Wilhelm in seiner organisatorischen Tätigkeit nicht sowohl von einem abstrakten System als vielmehr von den jedesmaligen Bedürfnissen der Kraft und Macht des Staates sowie der Herrschergewalt geleitet wurde. Anderseits erliefs der Kurfürst am 30. Januar 1688, wenige Monate vor seinem Hinscheiden, einen Befehl an das Kammergericht: es solle sich niemals durch Reskripte oder Dekrete des Landesherrn, die durch importunae preces vel male narratae erschlichen seien, in der Handhabung der Justiz irremachen lassen, sondern ohne Rücksicht auf solche seine Schuldigkeit und Pflicht nach Anweisung der Rechte und Gewohnheiten des Landes tun. So hat Friedrich Wilhelm als Vorläufer des modernen Rechtsstaates die Kabinettsjustiz feierlich verurteilt.

Hingegen wurde die Verwaltungsjustiz in konsequenter Weise den ordentlichen Gerichten entzogen und den hohen Verwaltungsbehörden selbst vorbehalten. Es ist das ein aber- maliger Schritt zur administrativen Allmacht der landesherr- lichen Gewalt. Den Gerichten wurde untersagt, von den Ver- fügungen der Beamten Berufung anzunehmen, die vielmehr dem Geheimen Rate zugewiesen ward. Beschwerden und Klagen bezüglich der Steuern gingen an die städtischen Steuerkommis- sare oder das Kriegskommissariat, in letzter Instanz an den Kurfürsten, d. h. wieder an den Geheimen Rat^

Der Geist der Abhängigkeit, des Gehorsams, der Ab- schliefsung gegen aufsen sollte die ganze Verwaltung, vom höchsten bis zum niedrigsten Beamten, durchziehen. „Die Ober* rate,"" läfst der Kurfürst im Januar 1671 die preufsischen Stände bescheiden, „sind Räte und Diener, welche allein von

^ Vgl. Kurffirstl. Resolution an die Landstände der Kurmark, vom 22. März 1670; Mylius, VI, I 522.

* Acta Borussica, Behördenorg., I 115.

SechBunddreifsigstes Kapitel. Die Yerwaltang. 63

ihrem Herrn dependieren und keine Macht und Gewalt haben, ohne des Herrn Willen und Genehmhaltung, ihrer Instruktion und Amt zuwider, etwas in des Herrn Sachen zu handeln oder zu schliersen, und stehet zu Ihrer Ghurf. Durchl. Erwägung, ob und was zu derselben Nutzen und Besten geschiehet^ ^

Den ständischen Einflufs auf das Beamtentum, der bis auf seine Regierung die Macht des Landesherrn zum grofsen Teil mattgesetzt hatte, wesentlich zu schwächen, hatte Friedrich Wilhelm auf dreifache Weise erreicht. Einmal indem er die eigentlich ständischen Beamten völlig durch von ihm selbst ernannte ersetzte oder doch ihrer Gewalt tatsächlich beraubte. Zweitens indem er, ohne Rücksicht auf das Indigenatsrecht in den einzelnen Landesteilen, sowohl anderweite Deutsche wie ausländische Reformierte, die sich im Gegensatze zu dem in der Bevölkerung herrschenden Luthertume auf das engste dem glaubensverwandten Herrscher anzuschliefsen pflegten, mit Vor- liebe in die mafsgebenden Stellungen berief. Drittens indem er Bürgerliche ebensowohl wie Adlige auf allen Stufen der Beamtenleiter anstellte. Gerade seine vertrauten politischen Berater und Diplomaten sind zum überwiegenden Teile bürger- licher Abkunft, freilich später meist geadelt. So konnte Standes- und Familieninteresse im Beamtentume nicht mehr fiberwiegen, und dessen einziger Gesichtspunkt wurden der Vorteil des Staates und der Wille des Landesherm. Friedrich Wilhelm hat hier wenigstens bewufst und planmäfsig gehandelt. „In Bedienungen der Offiziere und Ämter,'' sagt er in seinem politischen Testamente von 1667, „ist dahin zu sehen, und müfst Ihr Euch hüten, dafs Ihr aus einer Familie nicht viel befördert, weil solches gefährlich und die Autorität im Lande bei solchen Geschlechtem alsdann zunimmt und wachset, sich auch leicht einen Anhang machen könnte'.*'

Während der vorhergehenden Regierungen hatte in jeder Provinz alle Macht bei einer einzigen Behörde gelegen, die, besonders wenn sie sich unter ständischer Einwirkung befand, dem Willen des Landesherm sich oft widersetzt oder doch ent- zogen hatte. Friedrich Wilhelm brach diese Unabhängig- keit der Provinzialverwaltungen , indem er den Regierungen

» U. u. A., XVI, 683.

Ranke, Sämti. W., Bd. XXV/XXVI S. 504.

(>4 Sechstes Buclu

die Amtskammern und Ober-Eriegskommissariate nebenordnete, jene zu einfachen Yerwaltungsdepartements mit sehr beschränktem Machtumfange hinabdrOckte. Die stolzen und spröden preufsi- sehen Oberräte empfanden besonders schmerzlich die grundsätz- liche Verminderung ihrer Befugnisse durch den Kurfürsten; es blieb ihnen nur der Schatten ihrer früheren Macht*.

Leider hatte sich einer der alten Übelstände erhalten: das ganze Beamtentum, von den höchstgestellten Vertrauensmännern des Kurfürsten herab, war zur Annahme von Geschenken bereit, nicht gerade um gegen das Interesse des Herrn zu arbeiten, aber doch um solches nach Möglichkeit den fremden Wünschen anzupassen '.

Die Mischung der Beamtenschaft aus Bestandteilen der gebildeteren und kultivierteren westlichen Länder mit dem ehr- lichen, aber geistig und kulturell zurückgebliebenen Kurmärker- und Preufsentume brachte freieren Geist, vielfältigere Bildung und höhere Gesichtspunkte in den brandenburgischen Staats- dienst und hat ihn offenbar auf eine bessere und voUkommnere Stufe gehoben. Der Grofse Kurfürst hätte schwerlich seine Neu- ordnung des Staates, seine Schöpfung eines mustergültigen Heeres und seine weitblickende und tatkräftige äufsere Politik durch- zuführen vermocht ohne diese fremden Helfer und Diener.

Je viefältiger er seine Beamtenschaft gestalten und ent^ wickeln mufste, um so mehr war er darauf bedacht, unnütze Ämter aufzuheben, die nur der Staatskasse überflüssige Kosten verursachten und dabei auf die Untertanen drückten. Wieder- holt hat er Anläufe zur Reduktion der Ämter gemacht So wurde schon 1651 und 1652 die Aufhebung einer Anzahl von Hof- und Verwaltungsstellen verfügt, so abermals 1673 und 1680. Dafür sollten die Gehälter der übrigen Beamten pünktlicher ausgezahlt werden. Es scheint nicht, dafs diese Versuche in der Kurmark Erfolg gehabt haben, es standen der Mafs- regel allzu mächtige Einflüsse im Wege. Die Mii'stände waren besonders schreiend im Herzogtum Kleve, wo ein Gebiet von 83 Quadratmeilen von Provinzialbehörden verwaltet wurde, die nicht weniger als 71 Beamte mit zusammen 20000 Beichstaler

* U. u. A., XVI, 683. 1010 ff.

« Prutz, 44ff. 129f. 387. 376ff. Jedoch ist zu bemerken, dafs von 1685 an, wo der Kurfürst sich von der französischen Seite abwendet> seine Käte von dieser keine Geschenke mehr annehmen.

Seclismiddreilsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 65

(260000 Mark nach heutigem Geldwerte) Gehalt erhielten. Hier hat Enyphausen tatsächlich eine Verminderung bewirkte

Die Beamtenreduktion hatte vornehmlich den Zweck, die Besoldung der ttbrigen Stellen pttnktlich und ausgiebig gestalten zu können. Hierin erkannte der Kurfttrst eines der wichtigsten Mittel, die Beamtenschaft dauernd an sich zu fesseln, die Bestechlichkeit zu bekämpfen und die Verwaltung mit dem Geiste der Ordnung und Redlichkeit zu erftlllen. „Ihr müsset,^ schreibt er 1667 seinem Nachfolger vor, „Eure Räte und Diener also unterhalten und rekompensieren, dafs sie Euch zu Ehren leben können und nicht Ursache haben mögen, auf andere Mittel zu gedenken, und sich korrumpieren lassen, damit sie also blofs und allein von Euch dependieren und sonst auf nie- mand in der Welt ihr Absehen haben."" So überlegt und ein- siehtig hat Friedrich Wilhelm alle Seiten des Staatslebens erforscht und zu regeln gesucht! Nicht das war die Haupt- sache, dafs gegen Ende seiner Regierung die Gehälter meist ausgiebiger geworden waren, mehr, als es dem langsamen Steigen der Preise zu jener Zeit entsprach ^ , sondern dafs sie zu den bestimmten Zeitpunkten regelmäfsig ausgezahlt wurden, und zwar meist in Geld, nicht in Naturallieferungen, die notwendiger- weise sehwankenden und veränderlichen Wert besitzen. Aller- dings hat gerade dieser Punkt unsägliche Kämpfe gekostet ^. Im wesentlichen ist die genaue Regelung der Gehaltszahlungen erst am Schlüsse von Friedrich Wilhelms Regierung durch die treff- liche Verwaltung Knyphausens durchgeführt worden. Aber dann

^ SL Breysig, Staatshaushalt (Jahrb. f. Gesetzgeb., Verwalt. u. VoDwwirtsch., XVI [1892]), S. 88 ff.

* Die Übersicht der Besoldungen der Zentral- u. ProvinzialbehÖrden, dielsaacsohn, Gesch. d. preufs. Beamtentums, Bd. II (Berlin 1878), S. d44 ff., gegeben hat, ist ohne alle Bedeutung, schon aus den Gründen, die er selber S. 349 f. anführt. Als Beispiel sei erwähnt: der Ad- miralitfttsrat u. Besident in Emden, Frey tag, bezog ein Gehalt von <K)0 Eür. (gleich 7800 Mk. nach heutigem Geldwert), sein Kollege, der Admiralitätsrat Schinkel, der freilich im Hauptamte Bürgermeister war, in jener Eigenschaft nur 200 Btlr. (gleich 2600 Mk.); Berlin, Geh. Staats- archiv, Bep. 65, 42. Ein preufs. Hofrichter hatte 1000 Tlr. (13000 Mk.); Oroy, Diarium Prussiae.

* Vgl. die beiden Schreiben Gladebecks vom 9. Dez. 1679 u. 25. Juli 16B1; Isaacsohn, II, 341 ff.

Philippson, Der Orofse Kurfürst. III. 5

66 Sechstes Buch.

hat sie auf die Haltung und den Geist des Beamtentums eine treffliche Wirkung geübt.

Der wichtigste Teil der Verwaltung war die Finanz- administration ^ Ohne ausreichende und gut geordnete pekuniäre Mittel war Oberhaupt eine Stellung, wie der Kurfürst sie seinem Staate zu verschaffen suchte, nicht zu denken. Der traurige Zustand der brandenburgischen Finanzen hatte das hauptsäch- liche Hindernis für eine gedeihliche Entwicklung dieses Landes im Innern sowie für eine kräftige und von den Fremden unab- hängige Politik nach aufsen gebildet. Die Schuldenlast war ungeheuerlich, die Verwirrung und Untreue in der Verwaltung allgemein und also das Firträgnis gering. Es hat deshalb Friedrich Wilhelm diesem Zweige der Verwaltung sein Nach- denken, seine Aufmerksamkeit und seine Tatkraft in besonderer und bleibender Weise gewidmet. Eine durchgreifende Besserung hatte er freilich während der bewegten beiden ersten Dezennien seiner Regierung nicht erzielt. Wollte man eine heilsame Änderung herbeiführen, so mufste vor allem der Vielfältig- keit des Kassenwesens und der Oberinstanzen ein Ende gemacht, es murste eine gleichmäfsige , zusammenhängende Ordnung und eine zentrale Leitung hergestellt werden. Aber der erste Versuch zur Bildung einer Zentralstelle der finanziellen Ver- waltung, den Friedrich Wilhelm auf Waldecks Veranlassung 1651 durch Bestellung eines Sonderausschusses des Geheimen Rates, der Staatskammerräte ""^ unternommen hatte, war an der Vielseitigkeit der Beschäftigung dieser zugleich in zahlreichen andern Departements verwandten Beamten gescheitert. Deshalb entschlofs sich der Kurfürst im November 1659 zur Ernennung eines eigenen Finanzministers: Raban von Canstein, bisher Präsident der Cöllnischen (Berliner) Amtskammer und schon als solcher mit weitgehenden Befugnissen ausgerüstet, wurde förmlich mit der Leitung des „Okonomiewesens" in allen kur- fürstlichen Landen betraut. Diese Mafsregel bedeutete einen sehr wesentlichen Fortschritt in der Zentralisierung der brauden- burgisch-preufsischen Verwaltung. Canstein wurde durch seine

^ Für das Folgende: K. Breysig, Gesch. der brandenb. Finanaen 1640— 1697,1 (Leipzig 1895); Cosmaru.Klaproth, Geheimer Rat, S. 356; Isaacsohn, a. a. O., II, wo allerdings die Verhältnisse oft falsch auf- gefafst sind.

Sechsunddreifsigates Kapitel. Die Verwaltung. 67

neue Bestallungsurkunde ausdrücklich zum Chef sämtlicher Amts- kammem, d. h. Steuer- und Finanzbehörden, des Staates mit aus- gedehntesten Befugnissen, zumal in BetreiF des Personals, ernannt. Er war der erste gesamtstaatliche Beamte.

Leider war die Wahl Cansteins zu so schwieriger und ver- antwortungsvoller Stellung ein schlimmer Mifsgriff. Man hätte zur Entwicklung dieser ersten Zentralbehörde mit ihrer für die brandenburgischen Verhältnisse ganz neuen Aufgabe einen tatkräftigen, arbeitsfreudigen und geistreichen Mann bestimmen sollen Canstein aber, obwohl erst zweiundvierzig Jahre alt, war ein müder und eigener Initiative völlig entbehrender Routinier. Er unternahm keinen Versuch, sein Ministerium zu organisieren, so dafs er dessen Bedürfnissen ganz ratlos gegenüber stand; vielmehr hat er die Wünsche des Kurfürsten, ihm Hilfsbeamte zur Seite zu stellen, selber vereitelt. Er liefs aus Bequemlich- keit in den Provinzialkassen Selbstherrlichkeit und Unordnung fortwuchem. Er gestattete y- dafs die einzige Errungenschaft der mifsglückten Beform von 1651, die Ersetzung der Natural- bezüge der Beamten durch bare Besoldung, zum grofsen Teile wieder verloren ging und die alte Lotterei der Naturalwirtschaft abermals einrifs. Die Verwaltung der Domänen lieferte immer geringfügigere Ergebnisse, die Einnahmen verminderten sich beträchtlich, anstatt in der zwölfjährigen Friedenszeit, wie es hätte sein sollen, anzuwachsen. Selbst der Umfang des Domänen- besitzes nahm infolge von Verpfändungen und Verkäufen ab. Die Provinzialbehörden schlugen sogar die Anordnungen des Kurfürsten in den Wind. Es dauerte sechs Jahre, ehe trotz aller Mahnungen eine Rechnungslegung von den preufsischen Ämtern einlief; die ausgedehnten Forsten dieser Provinz waren derart verwüstet, dafs der Kurfürst noch Holr zukaufen mufste, anstatt dafs er früher viele Tausende Taler aus dem Holzverkauf in Preufsen gelöst hatte. Und doch suchten aus Eigennutz und Herrschsucht die Oberräte jede Visitation zu hintertreiben ^ Endlich wurde Ganstein gar, im Jahre 1674, in den ünter- suchungsprozefs gegen den Ober -Münzdirektor Gilli und den Amtsrat Hackelberg verwickelt. Der Umfang seiner Verschuldung ist nicht klar jedenfalls mufste er schliefslich beträchtliche

' Kurf. an Schwerin, 20. Nov. 1662, 26. Febr. 1663; U. u. A., IX, 843. 849. Vgl. Orlich, Preufs. Staat, III, 67 ff.

5*

68 Sechstes Buch.

Strafsummen erlegen und wurde zwar auf Verwendung „vieler und vornehmer Interzedenten** persönlich rehabilitiert, auch aller weiterer Verantwortung enthoben, aber von jeder Amtstätig- keit dauernd ausgeschlossen ^

Nach so üblen Erfahrungen griff der Kurfürst nach einem Provisorium, indem er Friedrich von Jena im Nebenamt mit den Haushaltungssachen ^ betraute. Der scharfe, klare, energische Sinn Jenas mochte dem Herrn die Zuversicht einflöfsen, er werd& die verfahrenen Finanzangelegenheiten in bessere Ordnung bringen. Allein Jenas Überbürdung mit sonstigen Geschäften und die Unsicherheit seiner Stellung dem Geheimen Rate gegenüber lähmten seine Wirksamkeit. So wurde 1678 wieder ein selb- ständiger Finanzleiter in d^r Person des bisherigen General- Kriegskommissars Bodo von Gladebeck ernannt. Gladebeck hat das Verdienst, die Naturallieferungen der Amtskammem end- giltig abgeschafft und durch Geldbeträge ersetzt, auch zum ersten Male einen ordentlichen Jahresvoranschlag ermöglicht und Ausgaben wie Einnahmen tunlichst von den schwer zu überwachenden Provinzial- auf die Zentralkassen übertragen zu haben. In Betreff der Domänen vertauschte er grundsätzlich die Verpachtung der Güter mit deren Selbstverwaltung: gewifa ein Verfahren von recht zweifelhaftem Werte, das aber zunächst eine beträchtliche Zunahme der Einkünfte bewirkte.

Der treffliche Beamte wurde schon nach drei Jahren seiner Wirksamkeit durch den Tod entrissen. Nach einem abermaligen, durch Jena und Meinders verwalteten Provisorium gelang es dem Kurfürsten endlich, für sein wichtigstes Ministerium den rechten Mann zu finden : den Freiheim Dodo zu Jnn- und Knyp- hausen. Friedrich Wilhelm hatte diesen ostfriesischen Baron, wie so viele seiner besten Helfer, mit rücksichtsloser Übergehung seiner weniger befähigten heimischen Beamten, aus der Fremde berufen und ihn, nach kurzer Probezeit, zum Geheimen Rat ernannt. Als solcher arbeitete sich Knyphausen mit zielbewufstem Entschlufs besonders in die Finanzgeschäfte ein: er wurde der erste wirkliche Fachmann in der kurfürstlichen Finanzverwaltung. Sie wurde ihm 1C83 tatsächlich zugewiesen, aber erst 1687 nahm der bescheidene Mann den Titel eines Hofkammer-Prä- sidenten an. Er hatte sich sofort ein Kollegium technisch

* Orlich, ehendas. 210. 269 ff.

Sechsunddreilsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 69

geschulter Hilfsbeamten gescha£Een und begründete so eine folge- rechte, kundige, von dem Zufall der wechselnden Einzelpersonen anabh&ngige Zentralverwaltung der Finanzen. Ebenso bahnte er die völlige Unterordnung der über ihre Sonderstellung eifer- süchtig wachenden preufsischen Begimentsräte unter seine Wirk- samkeit an. Er regelte das Rechnungswesen, das trotz Glade- becks einsichtiger, aber allzu kurz währender Bemühungen sehr im argen lag, auf mustergültige Weise. Er verliefs das in greisem Mafsstabe und auf die Dauer unmögliche System der Selbstverwaltung der Domänen, um es wieder durch deren Ver- pachtung, aber mit sorgfältiger Überwachung der Pächter durch die Behörden, zu ersetzen; genaue Rechnungslegung, Beschränkung der Pachterlasse, Verminderung der Zuschüsse seitens des Staates mufsten die Pächter sich gefallen lassen. Die Einnahmen wurden auch durch Brau- und Mühlengerechtsame, sowie durch Ver- wertung der Fischerei bedeutend gehoben. Kurz, man darf sagen, Enyphausen ist in bewundernswerter Genialität der Schöpfer der vorzüglichen und musterhaften preufsischen Finanz Verwaltung geworden, die einen so bedeutenden Anteil an der grofsartigen Entwicklung dieses Staates gehabt hat. Selbstverständlich vollendete der Minister sein Werk nicht innerhalb des Jahrfünfts , wo er unter Friedrich Wilhelm arbeitete. Aber diesen Mann gefunden, an die richtige Stelle gesetzt und in seinen wichtigen Neuerungen geschützt zu haben, ist das dankenswerte Verdienst des Grofsen Kurfürsten.

Neben der Hofkammer wurde noch eine zweite für den ganzen Staat zuständige Finanzbehörde geschaffen : das General- Kriegskommissariat , das die ausschliefslich für das Heer be- stimmten direkten Steuern verwaltete, während jene sich mit den Einkünften aus Domänen und Regalien, sowie den Zöllen befafste. Demgemäfs wurden zwei grofse Zentralkassen ein- gerichtet : neben der Hofrentei entstand 1674 eine eigene General- Kriegskasse ^ Aufserdem sicherte sich der Kurfürst eine persön- liche Dispositionskasse in der sogenannten Schatulle, der die Einkünfte aus den landesherrlichen Forsten, sowie denjenigen

^ Die Weiterentwicklung des Kriegskommissariats wird im vierzigsten Kapitel eingehend erörtert werden, auf das wir hier ver- weisen. Daa Folgende nach Riedel« Der brandenb.-preufs. Staatshaus- lialt (Berlin 1866), S. 13 ff.

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Gütern zuflössen, die auf Rodungen solcher Forsten angelegt waren oder neu entstanden ; dazu kamen die Erträgnisse einiger Besitzungen, die Friedrich Wilhelm direkt fttr die Schatulle erworben hatte. Deren Einkünfte betrugen jährlich ^ im Durch- schnitt 122000 Taler, sind aber bisweilen auf 180000 gestiegen« Die Ausgaben für den kurfürstlichen Hof wurden 1673 einer vierten Kasse, der Hofstaatsrentei, übertragen, der eine Anzahl von Domänen- und lokalen Einkünften zugewiesen ward. Die prächtige Hofhaltung stellte bedeutende Anforderungen: gegen Ende von Friedrich Wilhelms Regierung gebrauchte sie volle 367 000 Taler. Schatulle und Hofstaatsrentei machen nach heutigen Begriffen die Zivilliste des Kurfürsten aus: zusammen ungefähr 490 000 Taler oder, nach gegenwärtigem Geldwerte, etwa 6V2 Millionen Mark gewifs eine sehr beträchtliche Summe, wenn man die Kleinheit und Armut des Landes, sowie die Dürftigkeit des gesamten Budgets dagegen in Ansatz bringt. Allein noch herrschte damals der Gedanke vor, dafs der Landes- herr eigentlich Besitzer seines Landes sei, und dafs die über- menschliche Stellung des Fürsten einen prächtigen und kost- spieligen Kultus seiner gottähnlichen Persönlichkeit erfordere.

Der Kurfürst legte sich überdies das Recht zu, Domänen nach Belieben zu vergeben : so Oranienburg an Kurfürstin Luise Henriette, die Ämter Köpenick, Crossen, ZüUichau und Trestow an seine Söhne, andere Güter auf Lebenszeit oder noch darüber hinaus an Diener, die er zu belohnen wünschte^. Trotzdem stiegen die Einkünfte der Domänen, besonders durch Knyp- hausens einsichtige und sorgfältige Verwaltung : vom Jahre 1673/74 bis 1680/81 um hundert, dann bis 1695/96 gar um 260 Prozent Die magdeburgischen Ämter, die 1680/81 nur 46000 Taler brachten, warfen 1687/88 schon 79000 ab, die pommerschen Ämter 1680/81 58000, 1688/89 dagegen 73000 und ähnlich in den übrigen Provinzen^. Diese Steigerung war nur zum kleinsten Teile der allmählichen Abtragung der Domänenschulden zu danken, die z, B. in Preufsen 1678 noch 887680 Taler betrugen. Denn unter Friedrich Wilhelm blieb der Rückkauf der ver-

1 Orlich, Preufs. Staat, I 439. Breysig, Finanzen, 342.

Breysig, a. a. 0., S. 375 ff. Derselbe, Der brandenb. Staats- haushalt i. d. 2. Hälfte d. 17. Jahrb.; Jahrb. f. Gesetzg., Verw. u. Volks- wirtscb., XVI, 12 ff.

SechsunddreÜsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 71

äufserten oder verpfändeten Domänen immerhin nur ein schwacher. Zwar haben die Stände Preufsens, der Kurmark und Kleves dafür wiederholt beträchtliche Summen bewilligt bis 600000 Taler : aber der Kurfürst brauchte solches Geld nötiger für sein Heer, und es ward seiner eigentlichen Bestimmung entfremdet. Ein systematischer Rückerwerb der veräufserten Domänen trat erst unter Knyphausens Verwaltung ein, deren segensreiche Wirkung sich in dieser Hinsicht erst zur Zeit Friedrichs III. geltend machen konntet

Hofrentei und Hofstaatsrentei genossen ferneres Einkommen aus den Regalien. Deren wichtigstes war das Salzregal, das der Kurfürst sich durch Edikt vom 15. Februar 1662 zugeeignet hatte, und das jährlich 42000 Taler Reinertrag abwarf. Der KomzoU von allem ein- und ausgehenden Getreide brachte jährlich 20 380 Taler. Das Münzregal hatte wechselnden Nutzen, der jedoch in einzelnen Jahren bis auf 60000 Taler und darüber stieg. Dagegen steigerte sich der Uberschufs des Post- regals regelmäfsig von Jahr zu Jahr; er betrug 1687/88, dem letzten Rechnungsjahre unter Friedrich Wilhelm, 79971 Taler. Das Bemsteinmonopol war für einen festen Betrag teils an die vier preufsischen Bemsteindreher-Zünfte, teils an Privatunternehmer verpachtet: es brachte 1640 nur 1000, 1675/76 bereits 12300, gegen Ende der Regierung aber 15000 Taler.

Die von dem Kurfürsten 1686 zur Bestreitung der Marine- ausgaben angeordnete Ghargensteuer bei Neuernennung von Beamten, Übertragung von Domhermstellen, sowie Verleihung von Titeln oder Vorrechten warf 1687/88 schon 57 000 Taler ab. Zu den Domäneneinkünften rechnete man auch die 130519 Taler Zollerträgnisse aus Preufsen, sowie 30000 Taler Zollerträgnisse aus Kleve- Mark.

Das gesamte Reineinkommen der auf Domänen und Regalien begründeten Kassen belief sich 1686/87 auf 704670, im folgenden Jahre auf 766 534 Taler. Jedoch dieser Betrag bleibt weit unter der Wirklichkeit, da von ihm bereits sämtliche Beamten gehälter, ja auch die Kosten der kurfürstlichen Jägerei, sowie 35200 Taler für die Marine und 78183 für überschüssige Militärausgaben abgezogen sind. Nach einer Berechnung, die dem Nachfolger Friedrich Wilhelms in seinem ersten Regierungs-

^ Orlich, a. a. 0., 880. ~ Breysig, Staatahaushalt, 10 ff.

72 Sechstes Buch.

jähre überreicht wurde und also dem letzten Jahre des Grofsen Kurfürsten ungefähr entspricht, belauft sich der Bruttoertrag der Domänen- und Regalieneinkünfte auf 1533795 Taler. Davon gehen für Kosten der Domänenbewirtschaftung und der Steuer- und Zollerhebung 421994 Taler ab: so bleiben als Beinertrag dieses Teils der Staatseinkünfte 1111801 oder viel- mehr, nach Einrechnung der Postgelder, 1 191 772 Taler etwa 15V2 Miliinnen Mark nach heutigem Geldwerte ^

Unter dem Vorgänger Friedrich Wilhelms war schliefslich die gesamte Reineinnahme der Kammer auf 12 603 Taler herab- gesunken'. Aus der Zusammenstellung dieser Ziffer mit den soeben angeführten gewinnt man einen BegriiF von dem Um- fange der Reform , die Friedrich Wilhelm auf diesem Gebiete bewirkt hat!

Noch beträchtlicher als die Domäneneinkünfte waren die Kriegsgefälle. Sie bestanden hauptsächlich in den besonderen Bewilligungen der Stände Bewilligungen, die allerdings unter dem scharfen Regimente Friedrich Wilhelms immer mehr den Charakter der Freiwilligkeit verloren, den Ständen von dem Landesherrn in stets wachsendem Umfange, auch in Friedens- zeiten, auferlegt wurden.

Man empfand den Druck der Heeressteuern um so schwerer, als ihr Betrag fortwährend nach den Bedürfnissen des Staates wechselte und dabei auf die einzelnen Provinzen sehr ungleich verteilt war, wie denn im allgemeinen der reiche Westen ver- bal tnismäfsig weit weniger belastet war als der arme Osten, zumal die Kurmark. Endlich waren diese Steuern, besonders im Beginne von Friedrich Wilhelms Regierung, sehr mannig- facher Art. Es gab da von alters her Hufenschofs, Giebel- schofs, Landsteuer, Biergeld, Städtekasse. In der Kurmark war während des dreifsigjährigen Krieges hierzu noch eine aufser-

* Ich folge hauptsädilich der Tabelle bei Riedel, Beilage VIII. Die Berechnungen im Texte Riedels, S. 25 ff., gehen von falschen Q^chts- punkten aus und weisen den Domäneneinkünften im weitesten Sinne eine verhältnismäfsig zu geringe, den Kriegseinkünften demgemfijs eine zu grofse Rolle im Staatshaushalte zu. Breysig dagegen (Staatshaush. S. 520) schätzt die reinen Domäneneinkünfte zu hoch« weil er deren ge- samte Verwaltungskosten, sowie die Kosten der betr. Steuererhebung abzuziehen unterlassen hat.

« Riedel, Beil. VH.

Sechsunddreüsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 73

Drdentliche Abgabe, die Kontribation, gekommen, die auf Ritter- schaft und Städte der verschiedenen Kreise verteilt und hier nach Belieben von den Untertanen erhoben wurde: sie lastete auf den nutzbaren Grundstücken. Der kurmärkische Adel hatte 68 nicht allein verstanden, den entsetzlich verödeten und ver- armten Städten zwei Dritteile der Kontribution aufzubürden, sondern er machte auch sein gesamtes Besitztum selbst die „gelegten*" ehemaligen Bauernhufen von der Besteuerung frei, die er ausschliefslich von Bauern und Krügern erhob; die Einschätzung geschah auf denkbar roheste und ungerechteste Weise. Dafs in den Städten die wohlweisen Batsherren sich und ihre Sippen gleichfalls nach Möglichkeit bei der Steuer- veranlagung schonten, versteht sich von selbst, aber die ungeheuer- liche und rücksichtslose Selbstsucht des ostelbischen Adels haben sie nie zu erreichen vermocht.

Wir wissen (Bd. I S. 388), dafs Friedrich Wilhelm den Adel der Kurmark zur Aufgabe seiner politischen Macht dadurch mit- bestimmt hat, dafs er den Herren ihre sozialen, administrativen und pekuniären Vorrechte bestätigte und sogar verstärkte. Die Kontribution wurde aus einer zeitweiligen eine beständige Steuer; sie wurde selbst die Hauptsteuer, hinter der die übrigen direkten Abgaben weit zurückblieben; sie wuchs um das Mehrfache vom Betrage: aber ihre Erhebungsart auf dem flachen Lande blieb die gleiche. Freilich, einzelne Verbesserungen wurden unter- nommen. Die Bauernhufen, die der Adel für sich eingezogen hatte, wurden 1669 und 1670 erkundet und der Steuer unter- worfen. In einzelnen Kreisen der Kurmark und der Nachbar- provinzen fanden Katasterrevisionen statte Allein im ganzen blieb für das flache Land die Kontribution mit allen ihren Mängeln bestehen und zwar bis auf die grundstürzenden Reformen, die die notgedrungene Folge der Napoleonischen Kriege waren. Das war eines der Opfer, die, auf Kosten der bäuerlichen Be- völkerung, die brandenburgisch-preufsischen Herrscher dem alt- ländischen Adel brachten.

Der Kurfürst hatte freiere Hand in Betreff der Städte, deren krämerhafter Patriziat ihm bei weitem nicht gleichen Wider- stand entgegen zu setzen vermochte wie die selbstbewufsten und

* Schmoller im Jahrb. f. Gesetzg., Verw. u. Volkswirtach., I (1877) 8. 57, X (1886), S. 355.

74 Sechstes Buch.

tatkräftigen Edelleute, und die er auch mit viel geringerer Milde und Rücksicht behandelte. Hier konnte er seine auf billige und schonende Verteilung der Steuern gerichteten Be- strebungen walten lassen. Er befahl 1662 die Aufstellung einer Städterolle, die die gesamte auf die Städte entfallende Steuer- summe nach möglichst zutreffender Abschätzung verteilte, und die in den folgenden Jahrzehnten durch wiederholte Revisionen in Übereinstimmung mit den Änderungen des Wohlstandes und der Bevölkerungszahl der einzelnen Orte erhalten wurde. Bald jedoch trat, wie wir schon berichtet haben (Bd. I S. 403 flF, Bd. II S. 212 fr.), in den Städten an Stelle der Kontribution die indirekte, aber gerechtere Abgabe der Accise. Nicht nur der Patrizier war ihr ebenso unterworfen wie der gemeine Bürger; nein, auch die sonst steuerfreien Edelleute und Geistlichen mufsten, wenn sie in den Städten die accisepflichtigen Waren kauften, eben dadurch für den Staatssäckel steuern. Hiermit wurde wenigstens zum Teile der Ungerechtigkeit der bestehenden Steuerverteilung abgeholfen. Die Accise ward dann, wie seit 1667 in der ganzen Kurmark, so in den übrigen brandenburgischen Landen ein- geführt: 1685 und 1686 auch in Herzogtum und Stadt Magde- burg, freilich mit schonenden Erleichterungen und besonderer Begünstigung der fast ausschliefslich auf den Durchfuhrhandel angewiesenen Stadt Magdeburg; endlich, noch im Februar 1688, in die kleinen Städte des Herzogtums Preufsen^ Man kann feststellen, dafs die Ersetzung der Kontribution durch die Accise zum Aufschwünge der kurfürstlichen Städte seit dem letzten Drittel des siebzehnten Jahrhunderts wesentlich beigetragen hat. was auch die Zeitgenossen bereitswilligst anerkannten. Dafs sie nebenbei dazu verwandt wurde, die städtischen Schulden zu tilgen, erhöhte ihre segensreiche Wirkung. Nur in Kleve blieb das städtische Steuerwesen von der Reform unberührt.

Neben diesen stärksten Quellen flössen noch einige schwächere der Kriegskasse zu. 1682 wurde für die Ausstellung aller Ver- träge und Urkunden der Gebrauch von Stempelpapier vor- geschrieben und trotz der heftigen Gegenbemühungen einiger Stände durchgesetzt. Nur Preufsen wufste sich der für den einzelnen lästigen Verpflichtung zu entziehen, die es durch einen Zuschlag zu der Kontribution abkaufte^.

» Schmoller, a. a. O., VH! (1884), S. 1066. U. u. A , XVI, 1027 ff. « Patent vom 15. Juli 1682; Mylius, IV, V, 231ff. (In der Über-

SechsiinddreiMgstes Kapitel. Die Verwaltung. 75

Die Gesamtheit der Kontributions- und Accisegefälle betrug 1683 rund 1 175558 Taler; dazu kamen an gewissen, der General- Kriegskasse zugewiesenen Zöllen 22227 und an Stempelsteuer Ö316 Taler, so dafs die ordentlichen Einnahmen der zweiten grorsen Zentralkasse 1204101 Taler ausmachten. Diese Summe war 1687 auf 1310113 Taler Kontribution und Accise, 21913 an Zöllen und 17800 an Stempel, im ganzen auf 1349886 Taler gestiegen. So hoch beliefen sich die eigenen Ein- nahmen der General-Kriegskasse: es gehören aber hierher noch 67000 Taler aus Kleve -Mark, die in diesem Gebiete selbst für militärische Ausgaben verwandt wurden. Damit gelangen wir zu dem Ergebnisse, dafs in dem letzten vollständigen Rechnungs- jahre des Grofsen Kurfürsten die Heeressteuern rund 1417000 Taler (18450000 Mark nach heutigem Geldwerte) ergaben. Ihr Reinertrag war also um mehr als 200000 Taler höher als der der Hofrentei-Kasse.

Die Kurmark Brandenburg mufste die Ehre, dem Staate Mittelpunkt und Namen zu geben, mit dem höchsten Betrage an Steuern 404574 Talern bezahlen. In den ersten Jahren nach dem Friedensschlufs von Oliva hatte sie jährlich nur 240000 Taler entrichtet, aber während des französisch- schwedischen Krieges bis 549000 im Jahre. Für 1688, wo von neuem der Krieg mit Frankreich drohte, war ihr Kontingent an Kontribution und Accise wiederum auf 452000 Taler festgesetzt. Unmitttelbar darauf kam das arme Preufsen mit 312000 Talern (für 1687); auch hier waren die Auflagen seit dem schwedisch- französischen Kriege beträchtlich gestiegen. Magdeburg zahlte 203118, Pommern, an vierter Stelle, 139654 Taler. Kleve-Mark, wo die Städte fast steuerfrei waren, gab verhältnismäfsig am wenigsten ^

Das Gesamt - Beineinkommen des Kurfürsten betrug also gegen Ende seiner Begierung etwa 2 610 000 Taler, nach heutigem Geldwerte ungefähr 34 Millionen Mark. Der damalige König von Frankreich hatte 110 Millionen Livres, etwa 530 Millionen Mark nach heutigem Geldwerte, jährlichen Beineinkommens: demnach etwa 15V2 mal mehr als der Brandenburger. Da aber

Schrift bei Mylius ist aus Versehen 1685 gedruckt, während die Datierung am Ende des Textes [S. 284] die richtige ist.)

^ Diese Zahlen sind gröfstenteils dem Archiv des Kriegsministeriums in Berlin entnommen, das mir in gütigster Weise geöffnet wurde.

70 Sechstes Buch.

dessen Land nur ein Dreizehntel der Bevölkerung Frankreichs enthielt, war das Einkommensverhältnis relativ ziemlich gleich. Allein um wievielmal reicher war Frankreich durchschnittlich als Brandenburg! Die ganze Schwere des Druckes, der auf diesem letzteren Lande mit seinen kaum VI2 Millionen Einwohnern lastete, geht schon aus diesem Vergleiche hervor.

Und doch genügten die regelmäfsigen Einkünfte in Kriegs- zeiten nicht; es mufsten aufserordentliche Hilfsquellen er- öffnet werden. Man hätte Kontributionen und Accise durch prozentuale Zuschläge erhöhen können. Allein zu diesem an sich einfachsten Mittel griff der Kurfürst nicht, und zwar deshalb, weil eine Steigerung der Accise den Verkehr beeinträchtigen mufste, die Kontribution aber in so ungerechter Weise den Armen aufgebürdet war, dafs er sie ja nur notgedrungen über- haupt bestehen liefs. Er dehnte also 1677 die schon in PreuTsen übliche Kopfsteuer auf den gesamten Staat aus, indem er sie so gerecht zu gestalten suchte ^ wie die damalige Steuertechnik es zuliefs. Es war der erste, wenn auch noch rohe, Versuch einer all- gemeinen Einkommensteuer im brandenburgischen Staate. Sie war möglichst eingehend in 250 Stufen gegliedert. Die Beamten konnten dabei genau nach ihrem Diensteinkommen herangezogen werden, die anderen Stände vermochte man nur im allgemeinen zu schätzen. So mufste ein Graf 60, ein Baron 30, ein Ritter 20, ein vermögender Edelmann 10, ein „mittelmäfsiger*^ 6, einer „schlechten Vermögens"" 2 Taler zahlen. Kauf leute entrichteten zwischen 12 und 2, Handwerker zwischen 4 und 1 Taler* Auch der Kurfürst und sein ganzes Haus trugen zu der allgemeinen Abgabe bei: Friedrich Wilhelm z. B. 1000, seine Gemahlin 500 Taler ^ Diese neue Steuer glich alle Ungleichheiten aus: es gab vor ihr keinen Unterschied zwischen Stadt und Land, noch zwischen den einzelnen Territorien. Aber noch mehr: hier ist das erste Beispiel, dafs vornehm und gering dieselbe Ver- pflichtung übernahmen, nach ihren Kräften für die Bedürfnisse des Staates einzutreten. Die stolzen Edelleute, die gebietenden Beamten, die bisher die Steuerlast auf die Armen und Macht- losen abgewälzt hatten, mufsten sich der Majestät des Staates beugen. Dieses grofse Moment, das in dauernder Weise freilich erst durch das Vorbild der französischen Revolution verwirklicht

» Edikt vom 20. Jan. 1677, 7. Jan. 1679; Mylius, IV, V, Iff.

Sechsunddreilsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 77

worden ist, wurde doch durch den Grofsen Kurfürsten wenigstens Torflbergehend in das brandenburgisch-preufsische Staatswesen eingefQhrt. Er hat auch auf diesem Gebiete mit ideenreicher und kühner Initiative, in der ihm kein HohenzoUer gleich gekommen ist, ein Programm aufgestellt, das leider von seinen Nachfolgern lange unbeachtet blieb.

Die Kopfsteuer, die im Jahre 1677 sich auf 259518 Taler, in der folgenden Zeit wegen der Besetzung Kleves durch die Franzosen und die erlahmende Steuerkraft des Volkes auf etwas weniger belief ^, wurde übrigens nur während der letzten Kriegs* jähre 1677—1679 erhoben.

Trotz dieser mannigfachen Hilfsquellen aus dem Inlande würde es dem Kurfürsten unmöglich gewesen sein, im Kriege ein Heer von 45 000 Mann zu unterhalten, ohne die freiwilligen oder erzwungenen Beiträge des Auslandes. Hier sind in erster Linie die Subsidien zu nennen, die ihm die Niederlande und Spanien zahlten. Nach den Rechnungen der General-Kriegskasse bat Brandenburg während der Jahre 1674 1688 an fälligen und rückständigen Subsidien der Niederlande zusammen 1 338096, von Spanien 480 525, also in Summa 1 818 621 Taler erhalten. Aber gerade in den letzten gefährlichsten Jahren des Krieges war diese Quelle fast ganz versiegt: 1677 waren nur 55 008, 1678 gar nur 4000 Taler an Hilfsgeldem eingekommen.

Sie blieben also weit hinter den Erwartungen zurück. Allein, da es sich um einen Reichskrieg handelte, mufsten die kleineren Reichsstände entweder das brandenburgische Heer in ihrem Gebiete aufnehmen und verpflegen oder sich hiervon durch be- trächtliche Geldsummen abkaufen. Solche beliefen sich, während der Jahre 1674—1679, auf nicht weniger als 905 147 Taler.

Die Beisteuer der Fremden zu den Kosten des branden- burgischen Heeres betrug also während des schwedisch-französi- schen Krieges rund 2 724 000 Taler.

Aber selbst diese immerhin bedeutenden Summen deckten noch nicht die Kosten der kurfürstlichen Kriegsführung, be- sonders nicht in denjenigen Jahren, wo die Subsidien versagten. Um die Wende des Jahres 1677 auf 1678 war der Geldmangel so drückend, dafs den Truppen die Löhnung für den Monat Dezember gar nicht, für den Januar nur halb gezahlt werden

^ Qeh, Archiv d. Kriegsministeriums, Berlin.

78 Sechstes Buch.

konnte und für Rekruten Werbung keine Mittel vorhanden waren ^ Da mufsten denn Anleihen aushelfen. Der Kurfflrst nahm im Frtthjahr 1676 auf die klevisch-märkischen Domänen und das Amt Kottbus 70 000 Reichstaler auf; 1677 auf die Bernsteingef&lle und mehrere Domänenämter 184 500, 1678 wieder 191 423, 1679 endlich 142000 Rtlr., zusammen 587923 Taler etwa 7V2 Mill. Mark heutigen Geldwertes deren Zinsen und Amortisation schwer auf seinen Einkünften lastete.

Die aufserordentlichen Kosten des Krieges 1674—1679 ganz abgesehen von der Erhöhung der ordentlichen Steuern beliefen sich rund auf 3 311691 Taler, gegenwärtig etwa gleich 43 Millionen Mark*.

Erst unter Erwägung dieser Umstände gelangt man zu richtiger Beurteilung der Schroffheit und Härte, mit denen der Kurfürst die Quartiergelder von den Pflichtigen Reichsständen eingetrieben hat. Er konnte eben seinem eigenen Lande nicht einen Pfennig mehr abpressen und befand sich in einer ähnlichen Zwangslage, wie sein grofser Urenkel während des siebenjährigen Krieges gegenüber Sachsen and Mecklenburg. So hat Friedrich Wilhelm immerhin es vermocht, ohne allzu- drückende oder doch erdrückende Schuldenlast und ohne Zu- sammenbruch seiner Finanzen aus einem Kriege hervorzugehen, den er gegen zwei Grofsmächte zu führen hatte. Ja, die Kredit- fähigkeit des Staates hatte unter seiner trefflich geregelten Verwaltung und erfolgreichen politischen und militärischen Leitung derart zugenommen, dafs er die neuen Anleihen durch- schnittlich nur zu dem damals mäfsig erscheinenden Fufs von sechs aufs Hundert zu verzinsen brauchte, während er früher den Gläubigem das Doppelte hatte zahlen müssen".

Die ordentlichen Ausgaben des Staates umfafsten zu- nächst den Aufwand für die persönlichen Bedürfnisse des Herr-

^ Ms. Derfflinger an Hessen-Homburg, 11. Febr. 1678; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, Hb 5, k.

Alles dies nach den Originalakten im Berliner Kriegsministeriiim. Wenn der Kurfürst in seiner Instruktion an Meinders vom 24. Juni/ 4. Juli 1679 die Höhe seiner Kriegsschulden auf „weit über 900000 Btlr." beziffert, so ist zu bemerken: es liefen 1679—1681 von den Niederlanden und Spanien nachträglich noch 243000 Tlr. Subsition ein und später noch weiteres. So kommen wir gleichfalls auf die im Texte angeführte Summe.

* Breysig, Staatshaush., 495 ff.

Sechsunddreilsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 79

Sehers und die Kosten seines Hofstaates, die schon früher er- wähnt worden sind. Sie stiegen im Laufe der Jahre mit dem zunehmenden Umfange und Wohlstande des Staates von 90000 Talern, im ersten Jahre von Friedrich Wilhelms Regierung, bis auf 490 000 an deren Ende, von denen allerdings ein beträcht- licher Teil zu eigentlich staatlichen Zwecken verwandt wurde. So kamen Schatulle und Hofstaatsrentei für Bauten zur Ver- schönerung der Residenzstädte und anderer Orte auf. Die Kosten des diplomatischen Dienstes wurden zum überwiegenden Teile der Hofstaatsrentei aufgebürdet; nur nebensächlich ward für diesen Zweck die General-Kriegskasse in Anspruch genommen. Jene hat für Gesandtschaften 1687/88 an 25000 Taler aus- gegeben ^

Es mag als charakteristisch für jene Zeit erwähnt werden, dars am kurfürstlichen Hofe keine aufserdeutschen , besonders französischen Weine getrunken wurden, sondern nur Rhein- und dann Landwein. Der erstere war den Tafeln des Kurfürsten, der Prinzen und des Oberhofmarschalls vorbehalten ; die Kammer- junker, Beamten und Diener empfingen nur Land wein, der heutzutage y bei leichterem und wohlfeilerem Verkehr und ver- feinertem Geschmack, wohl als ungeniefsbar betrachtet werden würde ".

Für Schuldentilgung und Domänenankäufe, also zur Hebung des Staatsvermögens, waren im letzten Rechnungsjahre 214 000 Taler angesetzt.

Für Kulturaufgaben waren in dem jungen brandenburgisch- preufsischen Staate, der so hart um sein Dasein rang, nur geringe Summen übrig. Wenn wir von dem Bau des Müllroser Kanals absehen, wurden 1687 lediglich einige dreifsigtausend Taler als Zuschufs zu den im übrigen aus eigenem Grundbesitz sich erhaltenden Universitäten und Lateinschulen ausgegeben.

Solchen Landesteilen, die von fremder Invasion oder von einer Epidemie heimgesucht wurden, kam der sonst in finanziellen Dingen unzugängliche Fürst gern zur Hilfe. Er hat dem Fürsten- tum Minden nach dem französischen Einfall des Frühjahrs 1679 einen Schadenersatz von 13800 Rtlr. (gleich rund 180000 Mark heutigen Geldwertes) auszahlen lassen. Als Magdeburg und

^ Isaacsohn, 11, 212.

« Orlich, Friedr. Wüh., 248, Anm. 2.

Sechstes Buch.

besonders Halberstadt 1680 von der Pest befallen wurden, erliefs er beiden Provinzen einen Teil der Steuern*. Und wie diese Beträge, so kann man zu den Ausgaben für Landesmelioration auch die bedeutenden Summen rechnen, die er auf Ansetzung von Kolonisten, sowie zur Belebung von Industrie und Handel verwandte, deren Höhe jedoch aus den vorhandenen Akten leider nicht zu ersehen ist.

Die Ausgaben für das Heer wechselten, zumal ein regel- mäfsiger Friedensstärkeetat nicht bestand, mit den politischen Verhältnissen. Hier zeigt ein jedes Jahr ein anderes Bild. Man darf bei Beurteilung der für die Armee verwandten Be- träge auch nicht vergessen, dafs es keine Kasernen gab und die Unterbringung der Truppen, sowie ein Teil ihrer Verpflegung den Einwohnern der Gamisonorte oblagen. Schon hierdurch wird der Vergleich mit den heutigen Zuständen erschwert, und es mufs die Last, mit der das Heer auf das Land drückte^ höher angeschlagen werden, als die Etatszahlen an sich voraus- setzen lassen.

Im Jahre 1666, wo das Heer allerdings infolge des Münsterer Krieges und mit Hilfe der niederländischen Subsidien verstärkt wurde, kostete es 991164 Taler ^

Während der Jahre 1674—1676 erforderten der Krieg und die Errichtung der Marine an aufserordentlichen Ausgaben allein 1162244 Taler, die aber sämtlich durch ausländische Hilfs- und Quartiergelder gedeckt wurden. Das Kriegsjahr 1677 kostete im ganzen für Heer und Marine 902986 Taler ^ Dieser geringe Betrag war nur dadurch ermöglicht, dafs die Truppen zum grofsen Teil auf Kosten von Schwedisch - Pommern und von Mecklen- burg lebten. Das erste Jahr, wo das Heer auf den Friedensfufs gesetzt war, ist 1681; es war von 45 000 auf etwas mehr als 28000 Mann zurückgeführt und erforderte dennoch 1 267957 Taler 10 Groschen^, also auf den Mann, einschliefslich Befestigungen, Geschützwesen, Schiefsvorräte, 40 Taler 10 Groschen, nach heutigem Geldwerte 525 Mark. Es ist das gewissermafsen der Normaletat. Wenn in der heutigen deutschen Armee der Mann

* Geh. Archiv des Kriegsmin., Berlin.

« Orlich, Friedr. Wilh., 256.

' Kriegsminist., Berlin.

^ Berlin, Kgl. Bibl., Manuscr. Boruss., fol. 920.

Sechsunddreifsigstes Kapitel. Die Verwaltung. g^^

durchschnittlich auf etwa 700 Mark im Jahre zu stehen kommt, so ist, neben der ungleich kustspieligeren Bewaffnung der Jetzt- zeit, auch der Umstand in Betracht zu ziehen, dafs vor 2V9 Jahr- hunderten ein Teil der Naturallieferungen , die jetzt der Staat Qbernimmt, den Bürgern oblag.

1685 gab die Generalkriegskasse 1029547 Taler, 1686 etwas mehr, 1098000, aus. Überdies waren manche ihr be- stimmte Einnahmen, wie besonders die mehr als 400000 Taler Accisen und Eontributionsgefälle der Kurmark, direkt verwendet worden, ohne die Zentralkasse zu passieren. Ein genauer Aus- gabenetat für das Heer läfst sich also für diese Jahre nicht mehr aufstellen. Da der Kaiser 1686 für die nach Ungarn gesandten kurfürstlichen Truppen 150000 Rtlr. Verpflegungs- gelder zahlte, hatte die Generalkriegskasse sogar einen Über- schufs von 11459 Talern^. Allein die Umstände änderten sich, als die Truppen wieder aus Ungarn zurückkamen. Infolge der französischen Gewalttaten wurde das Heer auf der Höhe von etwa 30 000 Mann erhalten. Hierfür waren nach dem Vor- anschläge monatlich 143 1C9 Rtlr. 13 Gr. 7V2 Pf. nötig, also auf das Jahr rund, 1718035 Taler. Da nach dem Budgetentwurf die monatlichen Heereseinkünfte, mit Einschlufs der fremden Hilfsgelder, nur 133150 Rtlr. I8V2 Gr. betrugen, blieb ein monat- liches Defizit von 10018 Rtlr. 19 Gr. IV2 Pf., also ein jährliches von mehr als 120000 Talern. Es mufsten deshalb aus den Domänen- und Schatullen geldern 75000, aus der Hofrenteikasse weitere 30 000 Taler der Generalkriegskasse zugewandt werden ■.

Man sieht, eine wie bevorzugte Rolle schon damals das Kriegswesen im brandenburgisch - preufsischen Jahreshaushalt spielte. Der Grofse Kurfürst hat, allerdings in geringerem Mafse als sein Enkel und Urenkel, seinen Staat zu einem Militärstaate gemacht

Und zu den Ausgaben für das Heer waren schon diejenigen ftr die Marine getreten. Die im Sommer 1675 neu errichtete Flotte hat während der ersten 2^/2 Jahre ihres Bestehens 151761 Taler erfordert, also etwa 60000 auf das Jahr. 1678

1 Kriegsminist., Berlin.

* Ms. General -Krieges -Etat, wie derselbe nach Zurückkunft der Truppen aus Ungarn eingerichtet, 1687; Berlin, Kgl. Bibl. a. a. 0. Kriegsminist., Berlin.

Philippson, Der Orofse Kurfarat. III. 6

82 Sechstes Buch.

und 1679 kam sie auf nur 50000 im Jahre zu stehen. Dann traten aber die Rüstungen gegen Spanien ein: die Ausgabe stieg 1680 auf 102272, 1681/82 auf 186423 Taler: Sold und Verpflegung der Matrosen verlangten allein jahrlich 36000 Taler, 1683 freilich nur 27912. Dazu kamen noch die Kosten der kolonialen Unternehmungen, zumal der Festung Grofs-Friedrichs- bürg in Guinea, deren Besatzung 1684 nur an Unterhalt 6024 Taler in Anspruch nahm. In diesem Jahre wurden für die Flotte selbst 45000 Taler ausgegeben, etwa 585000 Mark nach heutigem Geldwerte^.

Die Zivilbesoldungen waren im Beginne von Friedrich Wil- helms Regierung ebenso kärglich wie ihre Auszahlung unregel- mäfsig. Allmählich, mit zunehmenden Mitteln, wurden sie aus- giebiger und sicherer. Das gewöhnliche Gehalt eines Geheimen Rates betrug 1200 Taler, gleich etwa 16000 Mark nach heutigem Geldwerte. Doch finden sich für die hervorragenden und mit sonstigen hohen Ämtern begabten Geheimräte auch Amts- einkommen von 3000 Talern (gleich 40000 Mark) und 4000 Talern (gleich 54000 Mark) und selbst darüber, die also unseren jetzigen Ministergehältem mindestens gleich sind. Ebenso stiegen die Besoldungen der im auswärtigen Dienste ver- wendeten Beamten*.

Der Schöpfer wie des ganzen preufsischen Staates so seiner Finanzwirtschaft ist der Grofse Kurfürst. Aus kläglicher Zer- rüttung und anscheinend hofifnungslosem Verfall hat dieser hoch- befähigte, willensstarke Fürst die pekuniäre Gebarung zu fester Konsolidation, zu ausreichendem Bestände, zu geordneter Öko- nomie erhoben. Indem er möglichst wenig zu oifener Gewalt griff, vielmehr in tunlicher Weise Überredung, Beharrlichkeit, List und sanften Wortbruch anwandte, hatte er die eigensinnigen und widerspenstigen Stände zu bleibenden und gesicherten Leistungen genötigt. Er war sich seiner Verantwortung für deren Höhe wohlbewufst: er hat sie weder selbst vergeudet noch der Untreue und Unordnung der Beamtenschaft überlassen, sondern genau geregelt, dauernd zu den nötigen Ausgaben verteilt, in ein wohlgegliedertes Budget eingefügt. Sparsamkeit, Ord-

' S. die in vor. Anm. genannten Ms. -Quellen, sowie Schuck, II. 228 ff.

* Klaproth und Cosmar, 214. Isaacsohn, 11, 212. Die Nebenposten des Ausgabeetats übergehe ich.

Sechsunddreifsigstes Kapitel. Die Verwaltung. 83

Dung, Redlichkeit wurden nunmehr die Leitsterne der preufsi- schen Finanzwirtschaft, die niemals, aufser in verschwindend kurzen Ausnahmefällen, von dieser Richtung abgewichen ist. Freilich, den Untertanen wurden schwere Lasten auferlegt. Sie hatten für Heer und Marine jährlich an IV2 Millionen Reichs- taler zu zahlen oder nach heutigem Geldwerte über 19 Millionen Mark. Da das Land bei dem Tode des Grorsen Kurfürsten ungefÄhr 1600000 Einwohner enthielt \ kamen an direkten Steuern für die Landesverteidigung auf den Kopf zwölf Mark, was der gegenwärtigen Belastung der Preufsen zu gleichem Zwecke ziemlich entspricht. Dazu sind aber für die Zeit des Grofsen Kurfürsten noch die Leistungen für Einquartierung und teilweise Verpflegung des Heeres zu rechnen, die gewifs nicht leicht waren. Und das in einem armen Lande, dessen Wohlstand mit dem heutigen nicht im entferntesten verglichen werden kann ! Man sieht, mit welchen Opfern für seine Untertanen Friedrich Wilhelm das Dasein und die Gröfse des Staates erkauft hat, und dafs der Widerstand, den ihm die überkommenen Gewalten in den einzelnen Provinzen entgegensetzten, von ihrem engeren Gesichtspunkte aus nicht unbegründet war. Allein gerade die Härte und Schwere des Loses, das dem preufsischen Untertanen zufiel, hat auch seinen Charakter gestählt und gefestigt; sie hat ihn gelehrt, dafs das Interesse des Staates dem Wohle des einzelnen vorangehe. Der Preufse wurde daran gewöhnt, sich vor allem dem Vaterlande und dessen Beherrscher zu widmen, dies als seine vornehmste irdische Pflicht zu betrachten. Die rauhe Schule, in die Kurfürst Friedrich Wilhelm und, ihm nach- eifernd, seine Nachfolger die Preufsen genommen haben, wurde ebenso wie die von demselben Herrscher geschaffene Verwaltung, Finanzgebarung und Armee zur Vorbedingung für die über- raschende, unvergleichlich grofsartige und dabei fortdauernde Entwicklung, die dieser Staat im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert genommen hat.

' In den letzten Jahren des 17. Jahrhunderte wurde die Bewohner- zahl Brandenburg-Preufsens auf 1781000 berechnet (Leonhardi, Erd- beschreibung der Preufs. Monarchie, I [Halle 1791] S. 8 f.). Da der jähr- liche Überschufs der Geburten über die Todesfälle etwa 18000 betrug, mvda man von der obigen Zahl ca. 180000 abziehen und gelangt so zu der im Texte gegebenen Ziffer. Die Kurmark mit Nebenländem hatte danach um 1688 etwa 860000 Einwohner.

*

Siebenunddreifsigstes Kapitel.

Kurfürst und Volkswohlstand.

Wenn Friedrich Wilhelm an die Steuerkraft seiner Unter- tanen schwere Anforderungen stellte, so suchte er auch mit allen Mitteln deren Zahl und Wohlstand zu heben. Als echt moderner Fürst sah er in der Förderung der materiellen Lage seines Staates eine seiner vornehmsten Aufgaben. Die nach dem Frieden von Oliva eintretende politische Ruhe gab ihm zunächst Mufse und Anlafs, seine kolonisatorische Tätigkeit mit vollem Eifer wieder aufzunehmen. Er versprach allen den- jenigen, die wüstliegende Stellen anbauen oder zu diesem Behufs vom Auslände sich in den brandenburgischen Staaten nieder- lassen würden, in wiederholten Edikten, deren erstes schon am 19. Januar 1661 erflofs, weitgehende Vorrechte: Befreiung von allen Steuern, Zehnten und Einquartierungen auf sechs Jahre, sowie Lieferung freien Bauholzes aus den kurfürstlichen Forsten. Die neuen Ansiedler sollten sowohl das Bürgerrecht wie den Eintritt in die Zünfte unentgeltlich bekommen und auch von Orts- abgaben verschont bleiben. Diese Privilegien wurden 1683 dahin ausgedehnt, dafs jeder, der ein Haus neu oder ein altes, bau- fälliges oder abgebranntes wieder aufbaue, aus der landesherr- lichen Kasse einen Zuschufs von 15 Prozent des Baugeldes zu erhalten habe^ Wie früher Holländer, Engländer und Schotten zog der Kurfürst nunmehr (1661) zur Hebung des Landbaues und besonders der Viehzucht zwölf Berner Familien in die Kurmark, wo sie sich so wohl aufgenommen fanden, dafs sie bald andere nachkommen liefsen. Trotz der Einrede des Ober-

J Mylius, V, I 867 ff.

Siebenunddreilsigstes Kapitel. KurfCkrst und Volkswohlstand. 85

Präsidenten von Schwerin, der in seiner beschränkten Recht- glftubigkeit vonder „freien Denkart*' der Schweizer Reformierten einen ungünstigen Einflufs auf die frommen Kurmärker befürchtete, berief Friedrich Wilhelm 1684 durch seinen Agenten bei der Eidgenossenschaft, den Burggrafen Friedrich von Dohna, weitere achtzig Schweizerfamilien, die sich treiflich bewährten. Sie erhielten Reisegeld, Land gegen eine kleine Rente, Vieh gegen billige Abzahlung, fertige Wohn- und Wirtschaftsgebäude und Freiheit von Abgaben ^

Weniger dem flachen Lande als den Städten, weniger dem Ackerbau als der Industrie, der Bildung und Gelehrsamkeit kam die bei weitem wichtigste Kolonisation zu gute, die der Grofse Kurfürst veranlafst hat: die Einwanderung der französischen Reformierten, über die noch in anderem Zusammenhange zu sprechen sein wird'. Die zahlreichen Edelleute unter den R6fugi6s füllten ganze Regimenter im brandenburgischen Dienste; im Juni 1687 waren schon 611 Adlige dort angelangt, und 1787 kamen viele andere. Ein Cayard baute die Festungen des Kurfürsten nach Vaubanscher Methode, ein Charpentier wurde Generalchirurg des Heeres, andere soldatische R6fugi68 organisierten den Be- lagerungspark oder erbauten schöne Regierungs- und militärische Gebäude. Die Fremdlinge brachten gelehrtere und geschicktere Ärzte und Apotheker ins Land, als man sie dort bisher gekannt hatte. Solchen gewährte der Kurfürst freie Wohnung, den ersteren auch einen Sold von fünfzig Talern, wofür sie die Ärmeren unter ihren Mitflüchtlingen unentgeltlich behandeln roufsten. Aus diesen Elementen schuf Friedrich Wilhelm zu Berlin ein Ober-Medizinalkollegium zur Prüfung und fortdauern- den wissenschaftlichen Beaufsichtigung aller Ärzte, Wundärzte, Apotheker und Heilgehilfen. In die Provinzstädte, wo es au guten Ärzten mangelte, sandte der Kurfürst französische Mediziner.

' Orlich, Preufs. Staat, III, 333 ff. Memoires de Frederic de Dohna, herausg. v. H. Borkowski (Königsb. 1898), S. 203 ff . 446.

' Über die Einwanderung siehe: Er man und Reclam, Memoires p. Bervir 4 Thist. des r^fugies fran9ais (9 Bde., Berlin 1782 1800); H. Tollin, G-esch. d. französ. Kolonie von Magdeburg (2 Bde., Halle 1886, 1887); Landwehr, 312ff.; Mjlius, YI Anhang, S. 47 ff.; Beheim- Schwarzbach, HohenzoUemsche Kolonisationen (Leipzig 1874) S. 63ff. 496 ff.; G. Pagös, Las röfugiös 4 BerUn (Bullet, de la Societe de Thist. da Protestantisme fran^ais, 1902\ S. 132 ff.

gg Sechstes Buch.

So hebt mit der Einwanderung der Hugenotten eine neue Periode der Heilkunßt im ßrandenburgischen an. Unter den Französinnen aber befanden sich viele tüchtige Hebammen, an denen es bisher in der Kurmark sehr gefehlt hatte.

Noch bedeutsamer war der Aufschwung, den die R^fugiäs dem Handwerk und der Industrie in unseren Gegenden verliehen. Handwerks- und Arbeitsleute gab es unter ihnen 449 Familien mit etwa 2250 Seelen, Wollenarbeiter 248 Familien mit 1240 Seelen, Tabakspflanzer 137 Familien mit 700 Seelen, Schuhmacher 113 Familien mit ungefähr 565 Seelen. Besonders wichtig wurden die Einwanderer aber für die im Brandenburgischen noch so wenig verbreitete Grofsindustrie. Sie machten, mit frei- gebiger Unterstützung durch den Kurfürsten, die Seiden- manufaktur in der Mark heimisch. Er nötigte deren wider- strebendem Klima und Boden Anpflanzungen von Maulbeerbäumen auf, zur Zucht der Seidenwürmer. Wollen- und Tuchmanufakturen entstanden, ebenso Gerbereien und Schuhfabriken. Die Fran- zosen führten das Färben und Bedrucken von Leinen ein, das bisher hierzulande ganz unbekannt gewesen, sowie die Papier- fabrikation, die bis dahin zu verschiedenen Malen vergeblich versucht worden war. Ebenso legten sie die erste Ölmühle I an, die mit Lein- und Rübsamen arbeitete, sowie Giefsereien | von Lichtern; früher hatte man in unseren Landen zur Er- | leuchtung nur Wachskerzen für die höheren, Tonlampen für die ärmeren Stände gekannt. Saffian- und Lederhandschuhe wurden von den Fremden gleichfalls zuerst im Brandenburgischen er- zeugt; und endlich begründeten die Hugenotten dort die Hut- fcibrikation. Sehr ergiebig wurde die Strumpfwirkerei, die in Berlin, Magdeburg und Halle aufblühte, dabei nicht, wie die Seidenraupenzucht mit dem nordischen Klima zu kämpfen hatte. Unter den zugewanderten französischen Arbeitern waren die Strumpfwirker am meisten vertreten. Der Kurfürst widmete allen diesen Industriezweigen die regste Aufmerksam- keit und bedeutende pekuniäre Unterstützung. Er und sein Hof bezogen ihre Lieferungen möglichst aus den Manufakturen der französischen Einwanderer.

Neben deren Gewerbfleifs wurde auch ihre Handelstätigkeit begünstigt. Die Kaufleute unter ihnen erhielten auf drei Jahre das Zugeständnis der zollfreien Einfuhr ihrer noch in anderen Lflndem befindlichen Waren.

Siebenunddreifsigstes Kapitel. KurfOrst und VolkswohLstand. 87

Gröfser noch als der materielle Vorteil , der dem branden- burgisch-preufsischen Staate aus der Niederlassung der R6fugi68 erwuchs, war die geistige Anregung, die sie ihm brachte. Die Franzosen waren damals das feinstgebildete , literarisch best- Teranlagte und intellektuell angeregteste Volk Europas. Eleganz der Haltung, der Tracht, der Bewegungen und der Sprache machte sie ebenso wie ihre politischen und militärischen Erfolge zur bewunderten und umworbenen Mustemation der Welt. Innerhalb Frankreichs zeichneten sich aber wieder die Reformierten durch gründliches und allgemeines Wissen aus. Indem sie diese Vorzüge nach dem rauhen, geistig zurückgebliebenen, in Sitte und Denkweise noch rohen Brandenburg brachten, wirkten sie erweckend und befruchtend auf dessen Bevölkerung ein. Freilich, im Beginn machte sich ein lebhafter Gegensatz zwischen den beschränkten, Schnaps und Bier trinkenden, Tabak qualmen- den, schimpfenden und fluchenden Bewohnern dieser norddeutschen Länder und den zierlichen, wohlunterrichteten, aufgeklärten und sich ihrer Vorzüge wohlbewufsten Hugenotten geltend. Die Tatsache, dafs die geschickteren, nüchterneren und tätigeren französischen Handwerksmeister häufig ihren rückständigen und prassenden deutschen Zunftgenossen die Kundschaft entzogen, trug nicht wenig zur Entfachung der gegenseitigen Abneigung bei. Man darf sagen : nur das stete Eingreifen Friedrich Wil- helms, der auch hier freieren Blick und höhere Einsicht bewährte als die grofse Mehrzahl seiner Untertanen, verhinderte, dafs das Übelwollen der Eingeborenen die Ankömmlinge schon nach wenigen Monaten aus der kaum gewonnenen neuen Heimat vertrieb, aus der die Flüchtigen sich ohnehin heftig nach der alten zurücksehnten. Es bedurfte der Einsetzung der vollen landesherrlichen Autorität, um es dahin zu bringen, dafs den Vertriebenen in den Provinzial- Städten verlassene Kirchen zur Übung ihres Gottesdienstes ein- geräumt wurden. Aber allmählich vollzog sich der Ausgleich, zuerst in den höheren, dann auch in den unteren Gesellschafts- khissen, durch persönliche Beziehungen, durch Zwischenheiraten und durch Unterricht. Die R6fugi6s begründeten in den gröfseren Städten zahlreiche Schulen und Pensionen, und diese wurden von den Kindern bemittelter Stände viel besucht, da die Kenntnis der französischen Sprache damals eine absolute Vorbedingung für alle höheren Berufe war. Bald wurde nirgends so viel und so gut französisch geredet wie in Berlin; man mufs dabei der

88 SechBtes Buoh.

Tatsache gedenken, dafs zu jener Zeit das Französische allein die Sprache der Bildung und des guten Tones war. Die Ver- trautheit mit den Meisterwerken der französischen Literatur, wie der R6fugiö sie den Norddeutschen vermittelte, hat auf die Hebung des literarischen Geschmacks, auf die Verfeinerung auch der deutschen Sprache und auf die Wiedergeburt unseres Schrift- tums den günstigsten Einflufs geabt. Freilich, die Einwande- rung hat die ohnehin in dem damaligen Deutschland ein- gebürgerte Nachäfferei des Franzosentums vermehrt und ver- stärkt. Allein das war ein vorübergehender Schade, die Vorteile, die sie dem norddeutschen Wesen brachte, waren bleibend. Die Bewohnerschaft Berlins, die etwa 20000 Seelen zählte, wurde von den 5000 R^fugiös, die sich dort niederliefsen, ganz besonders beeinflufst. Es ist kein Zweifel, dafs die Geistes- gegenwart, der schlagfertige Witz, die Unternehmungslust, die Genügsamkeit, das praktische Wesen, die den Berliner charakte- risieren, ebenso wie seine Neuerungsliebe, Leichtfertigkeit und Spottsucht zum grofsen Teile auf die Rechnung des eigentüm- lichen neuen Elements der Bevölkerung zu setzen sind.

Die Fürsorge des Kurfürsten erstreckte sich aber auch auf die alten Eingesessenen seiner Gebiete. Als Grundlage jeder weiteren Melioration ordnete er allerorten sorgfältige Vermes- sung und Landesaufnahme an: so in der Umgebung von Berlin und Potsdam durch Samuel Suchodoletz, so in Preufsen durch ebendenselben und durch Joseph Narowski, beide offenbar geborene Polen *. Eine der in die Augen fallendsten Wirkungen der durch den Dreifsigjährigen Krieg im Brandenburgischen ein- getretenen Verödung war die Zunahme des Waldes, der, wie einst in den rauhen Zeiten des alten Germaniens, das Land weithin zu erobern drohte, während vor dem Kriege in vielen Teilen Deutschlands Symptome drückender Holzteurung vor- gekommen waren. Der Kurfürst mufste 1663 und 1664 durch wiederholte Verordnungen eine Politik des Waldrodens und der Waldkolonisation einschärfen*. Eine Folge des Anwachsens der Wälder war die Zunahme der Wölfe und Füchse. Darauf

» HohenzoUem- Jahrb., 1900, S. 336 ff.: E. Friedländer, Beiträge 2 Gesch. der Landesaufnahme in Brandenb.-Preufs. unter d. Gr. Kurf. 11 Friedrich III.

" W. Koscher, Gesch. der Nationalökonomik in Deutschland

(München 1874X S. 220.

SiebenunddreifiBigsteB Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. g9

eraeuerte Friedrich Wilhelm die alte Überlieferung, die Bewohner von Stadt und Land von Zeit zu Zeit zum ,, Wolfsjagd-Laufen" aufzubieten ^.

Dem Landbau wurde gröfste Sorgfalt gewidmet. Der wackere Eisholz entwickelte den von ihm auf Befehl des Kurfürsten aDgelegten botanischen Garten bei Berlin zu einer Schul- und Musteranstalt fQr den ganzen Staat. Er lieferte Pfropf- reiser guter Obstsorten an zahlreiche Gutsbesitzer. Friedrich Wilhelm ermutigte vielfach die Anlage schöner Blumen- und Dützlicher Obst- und Gemasegärten. Er befahl, an allen passen- den Orten Obstbäume und dann, zur Förderung der Schweine- mast, Eichen zu pflanzen. Die Obrigkeiten sollten darauf unab- Iftssig achten, zumal auf den Domänenämtern, wo kein Bräutigam getraut werden sollte, er brächte denn ein Zeugnis bei, dafs er sechs Obstbäume gepfropft und sechs Eichen an dazu, geeigneten Plätzen gepflanzt habe^. Aus seinen eigenen Weingärten bei Potsdam kelterte Friedrich Wilhelm viele Hunderte von Tonneu Wein, dessen Qualität freilich, aller Wahrscheinlichkeit nach, viel zu wünschen übrig liefs".

Ein Werk von weitreichender, bleibender und vorbildlicher Bedeutung war die Ausführung des schon von Kurfürst Joachim IL gehegten Plans einer Wasserverbindung zwischen Elbe und Oder. Die aufblühende sächsische Eibschiffahrt und die sich stets vermehreiide Bedeutung Leipzigs als Handelsplatz für das gesamte mittlere Norddeutschland hatten die Verkehrs- wege der Kurmark veröden lassen. Diesem Umstände war die Dürftigkeit der märkischen Verhältnisse zum grofsen Teile zuzuschreiben. Hier half Friedrich Wilhelm durch Anlage des als Müllroser oder auch mit seinem eigenen Namen bezeichneten Kanals, der zugleich die Wirkung übte, den verhafsten Schweden in Pommern einen guten Teil des Transitverkehrs zu entziehen. Der neue Wasserweg wurde während der Jahre 1662 und 1668 unter Leitung des General quartiermeisters Philipp de Ghiöze, eines aus Italien gebürtigen Ingenieurs, gebaut, in einer Länge von drei und einer halben deutschen Meile, einer Breite von fünf Ruten und einer Tiefe von sechs Fufs. Er verläfst ober- halb Frankfurts die Oder, indem er sich zunächst des unteren

^ Bescheid an die Stände vom 22. März 1670; Mylius, VI, I 525.

* Verordnimg vom 5. März 1686; ebendas. 568 ff.

* Orlich, Preuis. Staat, I, 4421.

90 Sechstes Buch.

Laufes des Schlaube-Flürschens bedient. Wo dieses bei der Stadt Müllrose nach Sfiden abbiegt, verläfst er es und zieht westlich nach der Spree; die Terrainunterschiede werden durch dreizehn Schleusen ausgeglichen. Als dieser „neue Graben" oder „märkische Durchstich", wie man damals sagte, vollendet worden, waren aber damit die Schwierigkeiten, die sich seiner Benutzung entgegenstellten, noch nicht gehoben. Die Stadt Frankfurt a. d. 0. machte die verzweifeltsten Anstrengungen, ihr Stapelrecht auch auf den Kanal auszudehnen, obwohl er sie gar nicht berührte; das hätte durch Verzögerung und Kosten die neue Wasserstrafse den Breslauern wie den Hamburgern ver- schlossen. Allein der Kurfürst griff hier mit Strenge durch, da das Interesse einer Stadt nicht gegen die Wohlfahrt des ganzen Landes in Betracht kommen konnte. Er erliefs den Frankfurtern einen Teil ihrer Kontribution; er beförderte den Verkehr ihrer Messen, auch durch mehrfaches persönliches Erscheinen bei den- selben, und indem er seine Minister und Hofleute zu deren Besuch veranlafste; aber er befreite den neuen Schiffahrtsweg von allen Hindernissen. Dieser verknüpfte nunmehr nicht nur Oder und Spree miteinander, sondern stellte zugleich eine ununterbrochene, 150 Meilen lange, kürzeste Wasser verbin düng zwischen Breslau, dem oberen Odergebiet und dem angrenzenden Polen auf der einen, Hamburg und der Nordsee auf der anderen Seite her. Damit wurde der gesamte schlesische Gamhandel und mindestens der vierte Teil der über Schlesien nach Hamburg ausgeführten polnischen Waren von dem Wege über Leipzig und Magdeburg fort, über Berlin geleitet, das gerade in der Mitte zwischen Breslau und Hamburg lag und durch einen vom Kur- fürsten eifersüchtig gehüteten Umladezwang für alle fremden Schiffer besonders begünstigt wurde. Die brandenburgische Hauptstadt gewann erst jetzt eine selbständige Bedeutung für Handel und Gewerbe und teilte mit Leipzig die Beherrschung der Handel sstrafsen im mittleren Norddeutschland. Berlins Ver- bindungen gingen nun Havel, Spree und Elbe aufwärts nach Sachsen und Böhmen, niederwärts nach Magdeburg, Lüneburg, Hamburg und Lübeck ; Oder aufwärts nach Schlesien und Polen, niederwärts nach Pommern, besonders Stettin. Wir dürfen sagen, dafs Berlin sein erstes kommerzielles Aufblühen diesem grofsen Werke Friedrich Wilhelms verdankt*.

* F. H. Heller, Die Handelswege Inner - Deutschlands im 16., 17.

SiebenimddreKsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. 91

Und wie für die Wasser- sorgte dieser grofse Herrscher auch für die Landstrafsen. Sie befanden sich nach den fort- währenden Kriegen des zweiten Drittels des siebzehnten Jahr- hunderts in grofser Vernachlässigung. Sie waren zum Teil unwegsam, die Wirtshäuser zur Erholung fttr Menschen und Tiere verödet oder ganz verschwunden, die Dämme zerfallen, die Brücken zerstört. Der grofse Verkehr und der Einzelreisende mieden gleich sehr diese unwirtlichen Länder. Da gebot, am 8. März 1669, der Kurfürst den Ortsobrigkeiten die Ausbesserung der Strafsen und Herstellung geeigneter Herbergen; die Kreis- kommissare und die Landreiter (Gendarmen) sollten allmonatlich die Dämme und Brücken besichtigen und über deren Zustand Bericht erstattend

„Handlung und Seefahrt,'' sagte Friedrich Wilhelm in einem Edikte vom I.Januar 1686^, „sind die fümehmsten Säulen eines Staates, wodurch die Untertanen beides, zu Wasser als auch durch die Manufakturen zu Lande, ihre Nahrung und Unter- halt erlangen.'' Und schon zwei Jahre vorher hatte er es aa&- gesprochen : „Der gewisseste Reichtum und die Aufnahme eines Landes kommen aus dem Commercium her/ Eine Idee, die völlig mit der Lehre des damals herrschenden ökonomischen Systems, des Merkantilismus, übereinstimmt. Der grofsartigste, konsequenteste und wirkungsvollste Anhänger dieser Schule war Colbert, und ihn stellte der Kurfürst immer wieder seinen Räten als das Muster vor, das man auch in den brandenburgischen Landen möglichst nachahmen müsse. Es war die Zeit, wo des französischen Ministers Gewerbe- und Handelspolitik die glänzend- sten Triumphe feierte, deren Kehrseite und tiefe Schatten erst in der freilich nahen Zukunft hervortreten sollten. Am liebsten hätte der eifrige Herrscher sofort das gesamte System Colberts mit seinen Staatsunterstützungen, bevorrechteten Korporationen,

nnd 18. .Jahrhundert (Leipziger Diss. v. 1884), S. 35ff. K Toeche- ^ittler, Der Friedi.-Wilh.-Kanal und die Berlin-Hamburg. Flufsschiff- fahrt (Leipzig 1891). Ms. Dep. Eebenacs vom März 1681 (Auszug); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, IV H b, 10 o.

» Mylius, VI, I 514.

' Über das Folgende: 0. Meinardus, Beiträge z. Gesch. d. Handels- politik des Gr. Kurf. (Histor. Zeitschr., N. F., Bd. 30), S. 445 ff. 476 ff. 485 ff.; Rieh. Schuck, Brand enb.-Preufsens Kolonial-Politik, I (Leipzig 1889), a

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offiziellen Überwachungen , seiner ganzen künstlichen Belebung der Industrie und des Handels auch far seinen eigenen Staat verwirklicht. Er hoffte überdies, vermittelst seiner neu- begründeten Flotte das dominium maris Baltici, die Beherrschung der Ostsee, mit Dänen, Schweden und Holländern zu teilen, die brandenburgischen Lande in die Kreise des Welthandels ein- zuführen. Indes, hier schweiften seine Pläne allzu kühn und frei umher, und seine Räte waren dieses Mal mit ihrer haus- backenen Klugheit mehr im Rechte. Oberpräsident von Schwerin sowie die beiden Geheimräte Stephani und Esich stellten ihm vor, dafs Weltverkehr und blühende Handelsflotte erst dann mit Aussicht auf Erfolg zu schafiPen seien, wenn die an Einwohnern und Geldmitteln gleich armen brandenburgischen Gebiete wieder bevölkerter und wohlhabender geworden und dem auswärtigen Handel genügende Werte bieten könnten. Man solle, rieten sie 1679, zuvörderst durch Einführung fremder Fabrikations- zweige den heimischen Gewerbfleifs heben, Verkehrswege und Strafsen ausbessern, inzwischen in den Häfen die nötigen Schritte zur Kräftigung der Schiffahrt und des Seehandels tun. Der Kurfürst hat sich dieser sachgemäfsen Anschauung angeschlossen. Er war um so mehr darauf bedacht, die Gewerbetätigkeit in seinem Lande zu befördern. In der Tat nahm sie zu, wennschon in langsamer Entwicklung. Seifenfabriken wurden angelegt, auch Zuckersiedereien , deren eine schon 1679 den Bedarf der Hauptstadt in diesem Artikel zum gröfsten Teile deckte. Den Versuch, den Tabak zum Gegenstande landesherrlichen Monopols zu machen, gab er bald wieder auf und gewährte dem Anbau und der Verarbeitung dieser Genufspflanze volle Freiheit \ Der Segen dieser Mafsregel machte sich bald geltend. Dagegen kaufte er 1686 den Erben des Grafen von Lynar das sogenannte Grafenhaus in Spandau ab und errichtete dort eine Wollen- und Seidenspinnerei, die er dann den Seidenhändlem Müller und JKopisch überliefs. In Berlin selbst erbaute er einen Packhof •für die aus Breslau anlangenden schlesischen und polnischen Waren. Auf mehreren seiner Domänen legte er Glashütten an. p]r setzte seinen chemisch gebildeten Kammerdiener Kunckel durch einen Vorschufs von 1600 Dukaten in den Stand, auf der ihm geschenkten Pfaueninsel eine Kristallfabrik zu errichten.

» Mvlius, V, II 6.

SiebenunddreUiaigstes Kapitel. KurfOrst und Volkswohlstand. 93

die besonders durch die von dem Besitzer gemachte Erfindung des Rubin-Glasflusses grofsen Aufschwung nahm^

Vorzügliche Sorgfalt widmete der KurfOrst der Tuchindustrie. Zu seinem Leidwesen mufste er bemerken, dafs dieser Gewerbs- zweig, der bisher noch der einträglichste in den Städten der Kurmark gewesen war und einen der Hauptausfuhrartikel abgegeben hatte', unter dem Drucke des ausländischen Mitbewerbs von Jahr zu Jahr zurückging. Er suchte die Hauptgründe für diesen Mifsstand in der Ausführung der besseren Wollsorten seines Landes, sowie in der unzuverlässigen Aufarbeitung und Qualität der kurmärkischen Tuche. Er ordnete deshalb eine Zusammen- fassung dieses Gewerbes an durch den grofsen Wollmarkt, den er 1(581 in Brandenburg errichtete, und der zugleich zum Ver- kaufe fertiger Gespinste bestimmt war^. Sechs Jahre später 30. Mai 1687 erging ein umfassendes Edikt, das, dem von Colbert gegebenen Muster folgend, den Grund zur gesamten W^ollpolitik Preufsens für mehr als ein Jahrhundert gelegt hat. Es gestattete die Einfuhr nur ganz feiner fremder Tuche, wie solche im Lande nicht gefertigt wurden, und die Ausfuhr von Wolle lediglich dem Adel, unter sehr beschränkenden Bedingungen. Die Fabrikation von Tüchern wurde den zünftigen städtischen Meistern vorbehalten, dabei in Technik und Qualität streng geregelt. Das Edikt sucht ein gewisses Gleichgewicht zwischen Grofskauf leuten, Handwerkern und Detail Verkäufern herzustellen. In jeder Stadt werden Schaumeister eingesetzt, die auf ordnungs- mftfsige Herstellung der Wollwaren zu achten, solche nach der Qualität zu bezeichnen und mit der städtischen Plombe zu versehen haben. Einer so unentwickelten industriellen Be- völkerung, wie der kurmärkischen, gegenüber brachten diese Mafsregeln eine günstige Wirkung hervor. Friedrich Wilhelm vermochte gegen Ende seiner Regierung festzustellen, dafs die Menge und zumal die Qualität der kurmärkischen Tuche und damit ihre Ausfuhr beträchtlich zugenommen hatten ; das branden- burgische Heer konnte schon ausschliefslich mit heimischen

» König, Histor. Schilderung von Berlin (Berl. 1793X 11, 458 ff. Orlich, Friedr. Wilh., 300 f. 317. Orlich, a. a. 0. 299. Mylius, V, n 287 ff.

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Tuchen bekleidet werden'. Um deren Absatz noch weiter zu fördern, setzte er die Abgabe herunter, die bei dem Transporte von Waren aus einer brandenburgischen Provinz in die andere zu zahlen war'. Es liers sich überall ein verheirsungsvolles Aufblühen des Gewerbfleifses wahrnehmen.

Auch die Einbürgerung der Eisenmanufaktur in seinen Staaten lag dem Kurfürsten am Herzen. Bald nach dem Frieden von Oliva versprach er 1. Mai 1661 denjenigen Klingen- schmieden, die aus dem Bergischen in das Brandenburgische ziehen würden, die Einräumung bequemer Wohnungen nebst vollständig eingerichteten Werkstätten, auch Hausplätzen und Gemüsegärten. Diese Verheirsungen führten zumal in die Graf- schaft Mark so zahlreiche Klingenschmiede, dars man solchen schon 1669 nur noch das Bauholz zu schenken nötig hatte*. Der Märker Eisendraht wurde Gegenstand beträchtlicher Aus- fuhr. Sie war nach England allein so stark, dars sie dem Könige dieses Landes an Zoll jährlich 6000 Pfund, nach heutigem Geld- werte etwa 360000 Mark, abwarf. Die englischen Kaufleute suchten diese Einfuhr zu vernichten , indem sie sich dabei auf ein zweihundert Jahre altes Gesetz König Eduards IV. beriefen. Trotz eifriger Gegenbemühungen des brandenburgischen Gesandten in London, des jüngeren Otto von Schwerin, trugen die schutz- zöllnerischen Tendenzen, die damals überhaupt die englische Handelspolitik wie die aller anderen Länder beherrschten, den Sieg davon. Eine 1678 einlaufende Fracht Märker Eisendrahtes im Werte von tausend Pfund wurde sogar als widergesetzlich eingeführt mit Beschlag belegt. Indes, das Märker Eisen über- traf das englische derart sowohl an Güte wie an Wohlfeilheit, dars der Draht fernerhin durch den Schmuggel in fast ebenso grofser Menge importiert wurde wie früher auf legalem Wege*.

Um auch in der Kurmark die Eisenfabrikation zu heben, legte der Kurfürst in der Hegermühle bei Biesenthal, nördlich von Berlin, ein grofses Magazin von Eisen- und anderen Metall- blechen, sowie Eisenhämmer an, die allerdings mit Verkaufs-

^ Ms. Dep. Bebenacs vom Juni 1687; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. 94, IV Hb, la.

« Mylius, IV, I 113 ff.

» Orlich, Preufs. Staat, I, 441 Anm. 3.

^ Briefe des jüngeren Schwerin aus England, herausg. von Orlich (BerlinM837), S. 169. 220. 223. 231 f.

SiebenmiddreiCsigstes Kapitel. KurfOrst itnd Volkswohlstand. 95

monopol fQr die Kurmark begabt wurden^. In Königsberg in Preursen bestand wenigstens eine landesherrliche Geschütz- gierserei nebst Salpetersiederei und Luntenfabrikation ^

Das beliebteste Mittel des Merkantilismus zur Hebung der einheimischen Manufakturen war das Verbot der Ausfuhr von Rohstoffen, die von diesen verarbeitet werden konnten. Der Kurfürst liefs es sich nicht nehmen, gleichfalls in diesem Sinne tätig zu sein : wie den Export von Wolle so untersagte er auch den des Hopfens, der Häute und Felle, des Silbers und Goldes, sowie der Lumpend Ein Getreideausfuhrverbot, im Jahre 1674, war freilich nicht so sehr im merkantilistischen Geiste darauf berechnet, den Brotpreis zu erroftrsigen und damit die Löhne für die industriellen Arbeiter niedrig zu halten, als vielmehr das für die Verproviantierung der Feldarmee nötige Korn zu sichern^.

Friedrich Wilhelm erhoffte dann eine Epoche neuer Blüte für die brandenburgische Industrie von der Einwanderung der französischen R6fugi6s. Seine Erwartungen wurden hier nur teilweise erfüllt. Allerdings verbesserten die Franzosen eine gewisse Anzahl von Manufakturen und begründeten andere ganz neu, wie das weiter oben angedeutet wurde. Allein ihre Unter- nehmungen hatten nur zum Teil Bestand. Es fehlte den Ein- wanderern allzusehr an den nötigen Kapitalien, um eine Grofs- industrie in weitem Umfange auf die Dauer in den branden- burgischen Ländern erhalten zu können. Jedenfalls ist die Zeit der Niederlassung der französischen Reformierten insofern für das ganze ökonomische System Friedrich Wilhelms bedeut- sam, als er erst seitdem den in Frankreich herrschenden Merkan- tilismus im eigenen Hause ganz durchführt und die einheimische Fabrikation durch das Einfuhrverbot zahlreicher fremder ge- werblicher Erzeugnisse zu heben sucht.

Die Tätigkeit der Regierung zu Gunsten des Handels und der Industrie war eine so lebhafte, dafs zu deren Leitung der KurfOrst 1678 in Berlin ein Kommerzkolleg einrichtete, zu dessen Vorsitz kein Geringerer als der Oberpräsident Otto

» Mylius, VI, Anh. S. 61.

' Ms. Herzog v. Croy, Diarium Prussiae 1670—1672 (Berlin, Geh. Staataarcbiv, Rep. Ö2, Croy, 1H6), Vol. H, 178, HI, 886.

* Mylius, IV, I passim.

* Zeitschr. L Kunst, Wissenschaft u. Gesch. des Krieges, Bd. XLV (1889)» S. 181.

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von Schwerin berufen wurde, ein Beweis, wie hoch Friedrich Wilhelm die Aufgaben der neuen Behörden einschätzte. Sie hatte einen doppelten Zweck: einmal die „Kommerzien" zu befördern, dann die Prozesse in Handelssachen zu entscheiden. Später 1684 wurden in den Seestädten Königsberg und Kolberg, für Preufsen und für Pommern, ebenfalls Kommerz- kollegien errichtet und der zum General-Kommerzkollegium er- hobenen Berliner Behörde untergeordnet. Diese schlug bald eine entschieden protektionistisch - merkantilistische Richtung ein , indem sie übrigens in aller Weise Verkehr und Kreditwesen in den kurfürstlichen Staaten zu entwickeln suchte. Sie stiefs ) dabei auf die beschränkte und zäh konservative Gesinnung, die damals die brandenburgisch - preufsische Bevölkerung erfüllte. ) Das General-Kommerzkolleg wünschte 1685 in Berlin-Cölln unter städtischer Verwaltung eine Feuerkasse zu gründen, die, aufser dem eigentlichen Versicherungsgeschäft, noch die Aufgaben eines grofsen Kreditinstitutes übernehmen sollte. Die Magistrate der beiden verbundenen Residenzen lehnten aber diese Anregung ab, nicht allein wegen der Armut der Bürger, sondern auch weil „es nicht bekannt sei, dafs im ganzen heiligen römischen Reiche in irgend einer kur- oder fürstlichen Residenz eine solche Feuer- ordnung introduzieret worden sei''! Mit gleicher Engherzigkeit setzten Königsberg und die hinterpommerschen Städte der Wirk- samkeit ihrer provinziellen Kommerzkollegien möglichsten Wider- stand entgegen, um nur ihren veralteten Privilegien und für die Allgemeinheit schädlichen Rechten nichts zu vergeben.

Allein der Kurfürst liefs sich auf diesem Gebiet ebenso- wenig wie auf vielen anderen durch den Unverstand und die Beschränktheit seines arg zurückgebliebenen Volkes abschrecken. Er ging festen Schrittes auf der vod ihm selbst gezeichneten Bahn voran. „Dieser Kurfürst ist für den Handel sehr ein- genommen,'' schreibt der kaiserliche Gesandte Fridag^ „und er sucht alle nur denkbaren Wege, um hier Vorteil zu erzielen." Kaum war der Nordische Krieg beendet, so schlofs er mit Eng- land einen Handelsvertrag ab. Dieses Übereinkommen eröffnete die englischen Häfen den brandenburgischen Fahrzeugen und gewährte ihnen in Zollangelegenheiten die Rechte der meist-

1 An den Marquis v. Graua, Nov. 1687 (Kopie); Berlin, G^k. Staata- archiv, Rep. 94, I V H b, 4 b.

Siebenunddreilsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. 97

begünstigten Nation. Aurserdem sah er die Verlegung des Stapels englischer Tuche von Danzig nach einem Ort des herzoglichen Preufsen voraus*. Leider wurde der Vertrag, als er 1672 abgelaufen war, nicht wieder erneuert, und zwar durch Schuld der britischen Regierung, die ganz in französischem Fahrwasser segelte. Da suchte Friedrich Wilhelm die Unzufrieden- heit der eifrigen Protestanten Englands, zumal der Dissenters, mit dem katholisierenden und absolutistischen Regierungssysteme der Stuarts zur Hebung des Handelsstandes in seinen eigenen Landen zu benutzen. Unter der Hand versprach er allen Eng- ländern, besonders i^Commercianten und Manufacturiers*', die sich in Brandenburg niederlassen wollten, seinen Schutz, ge- wifs nicht allein, wie er vorgab, „sowohl aus absonderlicher Zu- neigung gegen die englische Nation als auch wegen christlichen Mitleids gegen Unsere bedrängten Glaubensgenossen*'. Sein Generaldirektor der Marine, Raule, mufste sich deshalb mit einem in stadt-bremischem Solde stehenden englischen Flüchtling, Oberst Sir William Waller, in Verbindung setzen; auch der Gesandte in London, Besser, hatte im gleichen Sinne zu wirken (März 1684). Der Kurfürst wünschte, die „Interlopers" , d. h. solche englische Kaufleute, die aufserhalb der mit Monopol ver- sehenen Kompanien, also ungesetzlicherweise, überseeischen Handel trieben und deshalb in ihrer Heimat gerichtlichen Ver- folgungen ausgesetzt waren, zur Übersiedlung nach Preufsen, Pommern oder dem neuerdings in die brandenburgische Interessen- sphäre eingetretenen Ostfriesland zu bewegen. Offiziell wurden die Gesandten, sowohl Besser als Spanheim (1685), mit Abschlufs eines neuen Handels- und Schiffahrtsvertrages beauftragt, der auch Ostfriesland miteinschliefsen sollte. Der Kurfürst wünschte zu Emden und Königsberg amtliche britische Faktoreien und Stapelhäuser errichtet zu sehen. Diese Be- mühungen blieben aber im ganzen erfolglos; es gelang nur, einzelne Engländer und besonders Schotten nach Preufsen zu ziehen •.

Auch mit Frankreich suchte Friedrich Wilhelm einen Handels- vertrag zu Stande zu bringen, durch Verhandlungen zuerst des

' V. Mörner, 254f.

* Ms. Surf, an Fuchs, 11 /21. März 1684; Geb. Staatsarchiv, Berlin, Eep. XI Kurköln, 9. Ms. Kurf. an Besser, 18./28. März 1684, und Ms. Kurf. an Spanheim, 27. Febr./ 9. März 1685; das., Bep. XI, England, 9.

Philippaon, Der Grofse KurfQrft. III. 7

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Postdirektors Matthias, dann des Obersten v. Pöllnitz mit Colbert. Der in Berlin ausgearbeitete Vertragsentwurf war darauf be- rechnet, den Hollandern ihr tatsächliches Vorrecht der maritimen Vermittlung zwischen den nordischen Völkern zu nehmen, und sehr geschickt dem wenig entwickelten Stande der französischen wie der brandenburgisch - pfeursischen Handelsflotte angeparst Französische Schiffe sollten ihre heimischen Erzeugnisse : Weine. Tuche, Salz, verschiedene Fabrikate, nach Hamburg bringen und sie dort mit brandenburgischen Fahrzeugen gegen deren Fracht: Leder, Hanf, Pech, Wolle, umtauschen*. Allein der Vertrag kam nicht zu stände ; die Franzosen mochten kein hin- reichendes Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit der branden- burgischen Handelsflotte setzen. Unmittelbar nach dem Frieden von St. Germain hat dann der Kurfürst seine Bemühungen um einen Handels- und Schiffahrtsvertrag mit Frankreich wieder aufgenommen^. Aber so mannigfache Bündnisse dieses noch mit dem Kurfürsten abschlofs, zu einem Handelsabkommen mit ihm hat es sich nicht entschliefsen können.

Schon vorher hatte Friedrich Wilhelm seine Netze nach einer anderen Seite ausgeworfen. In den Tagen, da er mit Spanien gegen Frankreich verbündet gewesen, hatte er den Kammerjunker von Ruck, Hauptmann zu Homburg, nach Madrid gesandt, um dort die Auszahlung der rückständigen spanischen Hilfegelder zu betreiben. Er eröffnete während dieser Ver- handlungen dem Gesandten seine Absicht, „einiges unschädliches Commercium aufs Unfseren Landen nach Americam auf Unfser Kosten anzurichten, wenn Uns solches von Ihrer Köngl. May**- ver- gönnt werden wollte". Für solche Gewährung war der Kurfürst sogar bereit, auf alle seit 1660 ihm von Spanien zugesagten und nicht ausgefolgten Subsidien zu verzichten. Leider erhielt er weder das eine noch das andere*.

Es gelang nur (1661) ein weit bescheidenerer Vertrag mit Braunschweig-Celle , der die Befreiung des Holz- und Getreide- handels auf der unteren Elbe von den Schikanen der Hamburger bezweckte, und ebenso eine Übereinkunft, die die von der litauischen Stadt Kowno dem preufsischen Handel bereiteten

» ü. u. A., II, 287 f. 305. 307. - Droysen, HI, IH 281. « Ms. Instr. an Bauveau d'Espence, 16./20. Juli 1679; Geh. Staats- archiv, Berlin, FranTcr. Rep. XI Konv. 18. Schuck I 134. » Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. LXIII, 8 b.

Siebenunddreifsigstes Kapitel. Kiirfttrst und Volkswohlstand. 99

Schwierigkeiten beseitigte ^ Erst gegen Ende seiner Regierung hatte der Kurfürst die Genugtuung, sich in den niederländisch- schwedischen Handelsvertrag eingeschlossen zu sehen, so dars in jenen beiden Ländern die Brandenburger seitdem die Rechte der meistbegtlnstigten Nation genossen'.

Auf das Meer war Friedrich Wilhelms Auge gerichtet: die wogende Feme zog seinen grofsen und unternehmenden Geist unwiderstehlich an. Auch die Schiffbarkeit der Flüsse interessierte ihn besonders deshalb, weil sie den Verkehr mit der See ver- mittelten. Zum Seehandel waren aber vor allem zahlreiche tQchtige Schiffe nötig, und an solchen mangelte es in den preufsi- schen und hinterpommerschen Küstenplätzen. Die Ostelbier waren auch hierin während des letzten Jahrhunderts traurig zurückgeblieben. Der Kurfürst suchte dem Mangel abzuhelfen, indem er bewährte niederländische Schißiszimmerer nach Königs- berg zog. Freilich warfen die Eifersucht und die Zunftstreitig- keiten der Einheimischen den Fremden jedes mögliche Hindernis in den Weg, aber diese fanden bei dem Herrscher und seinen Beamten stets Schutz und Förderung. Gröfseren Aufschwung nahm der Schiffsbau in Königsberg erst, als, nach dem Frieden von St. Germain, der unermüdliche, unternehmende Raule mit dieser Tätigkeit betraut wurde: als Privatmann, auf eigene Rechnung, aber vom Staate durch Holzlieferung unterstützt. Staatshilfe und staatliche Bevormundung gingen eben in dem merkantilistischen Systeme Hand in Hand, das nirgends besser am Platze war als in wirtschaftlich und intellektuell so zurück- gebliebenen Ländern, wie es das damalige Preufsen und Branden- burg waren. Das Schiffahrtsedikt vom 24. Dezember 1680 ver- sprach allen, die Fahrzeuge erbauen wollten, unentgeltliche Lieferung der nötigen Krummhölzer, indes unter der Bedingung, dafs der Bau in guter und tüchtiger Weise unter der Aufsicht eines vom Kurfürsten einzusetzenden Sachverständigen vor sich gebe. Dafür sollten diese neuen Seeschiffe die fernere Be- günstigung geniefsen, dafs auf sechs Jahre hin die auf ihnen transportierten Waren bei der Ein- und Ausfuhr sich einer ZoU- ennäfsigung von zehn Prozent erfreuten. Aufserdem verhiefs

* Kurf. an Graf Dohna, 4./14. Jan. 1688; Orlich, Preufe. Staat, ni, 341f.

« Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XXXIV, 227 z.

7*

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JOO Sechstes Buch.

das Edikt den brandenburgisch - preufsischen Schiffern Freiheit von allen zum Besten des Staates zu erzwingenden persönlichen Diensten, freien Verkehr nach den fremden Erdteilen und den Schutz der heimischen Kriegsmarine. Es nahm endlich die Beseitigung der den Königsberger Verkehr erschwerenden Un- tiefen in Aussicht ^

Leider waren damals die Preursen und Pommern wenig dazu angetan, die nützlichen Pläne des Kurfürsten zu unterstützen. Sie blieben nicht allein selber untätig und vereitelten damit Raules Absicht, eine preufsische Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 50000 Talern (650000 Mark nach heutigem Geld- werte) zum Bau und zur Verwertung von zehn Seeschiffen zu gründen^, sondern sie machten durch ihre steten Plackereien und Feindseligkeiten auch den Ausländern schliefslich jedes gedeihliche Schaffen unmöglich. Da nahm Friedrich Wilhelm die Sache selbst in die Hand, durch den Niederländer Wybrand van Workum. Der stellte verschiedene Werften nicht allein für Kriegs-, sondern auch für Handelsfahrzeuge her. Es war doch schon ein gewaltiger Fortschritt, dafs die brandenburgischen Orlogsschiffe nunmehr auf heimischen Werften zu Königsberg gebaut wurden, anstatt in der Fremde: in einem Jahr 1687 lieferte Workum dem Fürsten vier stattliche Galliot- schiffe.

In Pommern war besonders Kolberg zum Schiffbau aus- ersehen; wie aus der eigenen Provinz so auch aus Preufsen liefs der Kurfürst zu diesem Zwecke Holz dahin liefern. Es war wieder ein Holländer, Viktor de Poorter, der hauptsächlich auf den Kolberger Werften arbeiten liefs. Man sieht von neuem, wie notwendig und segensreich die Heranziehung der Fremden durch den Kurfürsten für die Hebung des zurückgebliebenen brandenburgisch-preufsischen Wesens war.

Friedrich Wilhelm erbaute sogar in Berlin und Havelberg kleinere Seeschiffe unter Raules Aufsicht; er hatte dort wenigstens nicht mit dem Widerstände zünftiger Schiffszimmerer zu kämpfen. Seine und Raules Veranstaltungen kamen im ganzen freilich der Herstellung mehr von Kriegs- als von Handelsschiffen zu

» Mylius, V, n 22 ff.

H. Peter, Die Anfänge der brandenb. Marine (Progr. des Sophien- gymnas. zu Berlin, 1877), 8. 18 f.

Siebenonddreilsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. 101

gute, aber der Weg für eine bessere Zukunft war doch geöffnet. Raule durfte schon 1684 mit Genugtuung darauf hin- weisen: anfangs sei der Schiffbau in Preufsen „von jedermann verspottet und allda ftlr impraktikabel gehalten, nunmehr aber in guten Train gebracht worden**. Es war eine Genugtuung und der Beweis, dafs man auf dem richtigen Pfade war, wenn die Holländer beträchtliche Unruhe und Besorgnis vor dem Schiffbau in den brandenburgisch -preufsischen Landen zeigten, fürchtend, das Kurfürstentum werde ihre maritime Überlegenheit wesentlich beeinträchtigend

Die günstigen Folgen der einsichtigen und beharrlichen Tätigkeit des Kurfürsten zeigten sich allerorten. Der Handel von Preufsen wie von Kleve erstreckte sich bereits bis nach Eng- land und Spanien. Freilich hatten die brandenburgischen Schiffer stark mit englischer und holländischer Eifersucht zu kämpfen, und es ging dabei ohne Streitigkeiten und Verluste nicht ab^ Anderseits bemühte sich Friedrich Wilhelm, den Warenverkehr aus Litauen und Preufsen von Danzig nach Königsberg zu ziehen, indem er die Pregelschiflfahrt zu heben suchte und ver- bot, die nach Königsberg herabgeflöfsten Waren über das Haff auf den Markt nach Danzig zu führen, wo die Schiffer als Rück- fracht andere Waren mit sich zu nehmen pflegten^. Die Zahl der in Pillau ein- und auslaufenden Schiffe weist tatsächlich eine beträchtliche Zunahme des Königsberger Seeverkehrs auf. Während sie nach dem Nordischen Kriege, 1655, auf 160 im Jahre gesunken war, stieg sie gegen Ende von Friedrich Wil- helms Regierung auf 350 bis 400, ein Anwachsen auf mehr als das Doppelte. Der Pillau - Königsberger Verkehr war weit bedeutender als der Memeler. Während der Memeler Zoll 1669 nur 5530 und 1670 gar nur 5177 Taler brachte, betrug in den- selben Jahren der Pillausche Zoll 88760 bezüglich 96086»/8 Taler*. Die hauptsächlichen Ausfuhrartikel waren Holz , Leder , Häute, weniger Getreide. Der Kurfürst hatte für seine Untertanen von

^ £. Baasch, Beiträge zur Gesch. des deutschen Seeschiffbaues und der SchüfsbaupoUtik (Kamburg 1899), S. 188 f. 219 ff. « Vgl. U. u. A., XU, 623 ff.

S. Goldmann, Danziger Yerfassungskämpfe unter poln. Herr- schaft (Leipzig 1901), S. 76 f.

* Ms. Herzog von Croy, Diarium Prussiae 1670— 1672 (Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. XCH, Croy, 136), Vol. I S. 76. TT, 654.

]02 Sechstes Buch.

Polen die Erlaubnis freier Fahrt auf den masurischen Flüssen erlangt, aus deren waldreichem Hinterlande jene rohes und ver- arbeitetes Holz in grofser Menge hinabflöfsten und nach Danzig und Königsberg brachten ^ Die Einfuhr bestand vorzüglich in Salz, Weinen und Manufakturen. In Gemäfsheit seines Schiit fahrtsediktes von 1G80 liefs der Kurfürst dann durch den Königs- berger Grofshändler Lorenz Gabel und den Wassertechniker Wilcken das Fahrwasser im Haif zwischen Pillau und Königsberg derart ausbaggern, dafs gröfsere Schüfe bis zwölf Fufs Tiefgang, die bisher in Pillau hatten löschen und von da den Verkehr mit der preufsischen Hauptstadt durch Leichterschiffe bewirken müssen, unmittelbar nach Königsberg gelangen konnten (1682). Einige Jahre später wurde die Fahrt auf dem Pregel durch Schleusen und einen grofsen Treck -Damm reguliert und erleichtert'. Ebenso ward der Gilgestrom, der in das Kurische Haff sich ergiefst, schon 1671 ausgebaggert und ausgeräumt und somit für die Schiffahrt brauchbar gemacht*.

Pommerns Seehandel lag sehr im argen. Im Jahre 1656 hatte die Einfuhr in die hinterpommerschen Häfen an 400000 Rtlr. betragen (gleich 5400000 Mark heutigen Geldwertes); allein seitdem war sie ziemlich stetig zurückgegangen, so dafs sie 1668 nur noch 110000 Rtlr. (gleich 1485000 Mark) ausmachte*. Es war natürlich, dafs Friedrich Wilhelm, nachdem er im Frieden von St. Germain zu seinem unaussprechlichen Kummer Stettin hatte zurückgeben müssen, das er zum maritimen Mittelpunkte für seine ostelbischen Provinzen bestimmt hatte, mit aller Macht die Hebung der hinterpommerschen Seehäfen anstrebte. Es galt nunmehr, den Grofshandel Hinterpommerns, der Kur- und Neu- mark von Stettin unabhängig zu machen; selbst das schlesisch- polnische Hinterland wollte er von dieser Stadt abziehen. Er fafste hierbei, aufser Kolberg, auch Stolp und Rügenwalde ins Auge. Bei letzterem Orte liefs er mit grofsen Kosten einen kleinen, aber sicheren Hafen herstellen. Mit Hilfe eines tat- kräftigen Kaufmanns aus Stettin, Abraham Syvers, machte er den Unterlauf des Flüfschens Drage schiffbar: französisches Salz

' Theod. Hirsch in den U. ii. A., IX, 4 f. * Meinardus, S. 452 ff.

Ms. Herzog von Croy, a. a. O. II, 44, III, 106. ^ Brandenburgiscber Anteil an den Einfuhrzöllen = 2 ®/o des Wertes : Liste dieser Zölle 1654— 166S bei Mein ar du s, 8. 86 Anm. 1.

Siebenunddreilsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. X03

sollte 80 nach Hinterpommern und der Mark eingeführt und hier gesotten, dafür Holz nach Frankreich exportiert werden. Das Unternehmen gelang völlig. Freilich fand er sich auch in Pommern durch die Mifsverwaltung der beschränkten und ver- rotteten städtischen Ordnungen und Behörden behindert, denen sogar des energischen Meinders Tatkraft nicht immer gewachsen war. Das Vorurteil machte sich geltend, der Kurfürst wolle um des fiskalischen Interesses willen die alten, guten Einrichtungen umstürzen; es war den hartköpfigen Hinterpommern lästig, aus ihrem alten Schlendrian aufgestöbert zu werden. Widersetzten sich doch, um ihre Zunftprivilegien aufrechtzuerhalten, die pommerschen Städte sogar der Einführung neuer Manufakturen! Trotzdem gelang es, Wollenweberei und Tuchfabrikation in dieser Provinz heimisch zu machen. Erst wenn man bedenkt, wie Friedrich Wilhelm den Fortschritt einer zäh konservativen Be- völkerung hat aufzwingen müssen, begreift man die geistige Initiative und Willensstärke dieses seltenen Fürsten \

Besondere Sorgfalt liefs er dem Verkehr auf der Elbe angedeihen. Dieser Strom betraf ihn zunächst nur als Fürsten von Halberstadt, seit 1680 auch als Herzog von Magdeburg, end- lich, mittelbar, als den Hersteller des Müllroser Kanals, der den Verkehr von Breslau über Berlin nach Hamburg vermittelte. Der Eibhandel aber wurde durch zwei Umstände wesentlich beeinträchtigt: einmal durch die Menge und Höhe der mannig- faltigen Zölle, die den Handel mit gewissen Waren überhaupt unmöglich machten, und dann durch den schlimmen Zustand des Stromes und seiner Ufer, die seit Jahrzehnten völlig vernach- lässigt worden. Der Jammer der Vielstaaterei und der elenden Lokal rechte machte sich überall geltend. Sofort nach dem Ende des Nordischen Krieges bemühte sich der Kurfürst, durch Ver- anstaltung von Konferenzen der Uferstaaten diesen Mifsständen nach Möglichkeit abzuhelfen. Allein trotz aller Anstrengungen setzte Brandenburg seine Wünsche nur in Nebendingen durch; besonders Lauenburg und Mecklenburg betrachteten und behandelten den Eibhandel lediglich vom Standpunkte des Raubrittertums. Endlich aber erreichte es der Kurfürst, dafs seine Untertanen von den Zöllen dieser beiden Staaten befreit wurden. Er selber verminderte die Höhe seiner

1 Strecker, Meinders, 101 f. Meinardus, 464 ff. 491 f.

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eigenen Elbzölle und ordnete deren Verwaltung in einer für die Schiffer weniger beschwerlichen Weise. Er bemühte sich unaus- gesetzt durch Übereinkünfte mit den übrigen Uferstaaten um die Hebung des tief gesunkenen Elbhandels : vielerlei Visitationen, lästige Förmlichkeiten und Erpressungen sollten abgestellt werden (1672). Aber tatsächlich haben nur Brandenburg und Braunschweig - Celle die Ausführung dieser segensreichen Be- stimmungen in die Hand genommen ^

ÄuOsere Umstände waren es, die den Elbhandel wieder in die Höhe brachten. Die Pest, die seit 1680 mehrere Jahre hindurch die Umgegend von Leipzig verheerte, liefs für den böhmischen, mährischen und österreichischen Verkehr mit Hamburg und der See durchaus die Elbe wählen. Und wie das zu geschehen pflegt : auch nach dem Erlöschen der furchtbaren Seuche blieb der Handel dem einmal eingeschlagenen Wege treu. Während die Polen und Niederschlesier über Berlin, gingen die Lausitzer und Österreicher mit ihrer Leinwand direkt die Elbe hinunter nach Hamburg; Südfrüchte, Weine, Spezereien, Fische wurden dagegen den Strom hinaufgeführt. Die Streitigkeiten zwischen den Lüneburgern und Hamburg im Jahre 1685 hinderten die Befahrung der alten Heerstrafse von Westen über Lüneburg und trieben alle Waren, die westher nach Hamburg gingen, gleich- falls auf die Elbe. Der brandenburgische Zolleinnehmer in Tangermünde konnte 1685 melden, dafs gegen früher seine Ein- nahmen sich verzehnfacht hatten. So bedeutend hatte der Eib- verkehr zugenommen. Magdeburg zumal wurde auf zwei Jahr- hunderte hin der wichtigste Sitz des Kolonialhandels für Inner- deutschland und die gesamten österreichischen Staaten. Erst die moderne Entwicklung des Verkehrswesens hat die Stadt dieser glänzenden Stellung beraubt

Weniger fielen anfangs die Fortschritte der Berliner Schiff- fahrt ins Auge, da sie von den Hamburgern und Breslauem gleicherweise bekämpft und gewissermafsen zwischen diesen beiden Extremen erdrückt wurde*.

Wie den nationalen Handel so suchte Friedrich Wilhelm auch den Transitverkehr durch seine Staaten zu heben. Zu

* Schmoller, in den Jahrb. f. Gesetzgeb. u. Volkswirtech., VIII, (1884), 1056 ff. Mörner, 256. 345ff. 466 ff.

« Heller, 39 ff. 44. 48. Toeche-Mittler, Der Friedr.-Wilh.- Eanal, S. 61 f.

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diesem Zwecke setzte er den Durchgangszoll, der bisher IV2 vom Hundert des Wertes betragen hatte, 1684 auf die Hälfte, »Z* vom Hundert, herab und befreite dabei die durchpassierenden Waren von der Besichtigung durch die Zollbehörden. Es kam diese Mafsregel einer vollen Durchgangsfreiheit sehr nahe*.

Das Hauptmittel des damaligen Verkehrs, das Postwesen, hatte Friedrich Wilhelm, wie wir wissen ^ in seinen Staaten neu begründet und, mit Hilfe des trefflichen Matthias, auf eine hohe Stufe der Vervollkommnung gebracht. Im Jahre 1662 wurden die direkten Postverbindungen bis nach Breslau ausgedehnt, das durch die Anlage des MoUroser Kanals eine besondere Wichtigkeit für den kurmärkischen Verkehr erhalten hatte. Damit verband man, nach Übereinkommen mit der kaiserlichen Regierung, einen Kurs nach Wien: von Berlin dorthin ging die neue Post in sechs Tagen, während bisher vierzehn Tage dazu erforderlich gewesen waren. Nach Königsberg ging die kurfürstliche Post wöchentlich zwei- mal von Berlin, in nur fünf Tagen; sechs Tage galten schon als aufserordentliche Verspätung. Von Königsberg lief sie über Schippenbeil, Rastenburg und Orteisburg nach Warschau, die vierzig Meilen wurden in knapp zwei Tagen zurückgelegt*. So im Osten; nach Westen vermochte der Kurfürst eine Reitpost von Minden über Bremen nach Emden anzulegen, die für die neubegründete Afrikanische Handelskompanie wichtig wurde.

Das System der brandenburgischen Postverbindungen war mit diesen Kursen abgeschlossen: es erstreckte sich von Warschau aus über das gesamte nördliche Deutschland von Memel und Königsberg bis nach Hamburg, Bremen, Emden und Kleve, dann bis Leipzig und Breslau; seinen Mittelpunkt bildete Berlin. Eine grofsartige Schöpfung, die nicht nur ein mächtiger Hebel für Gewerbstätigkeit und Handel in den brandenburgischen Staaten, sondern beabsichtigermafsen auch ein kräftiges Mittel der landesherrlichen Gewalt zur Einigung der zerstreuten Pro- vinzen und zur scharfen Zentralisierung des Beamtenapparates wurde.

» Mylius, V, n 26ff.

* Bd. I S. 407 ff. Über das Folgende: H. Stephan, G^esch. d. preufs. Post (Berlin 1859), 8. 12 ff.; Orlich, Friedr. Wilh., 8. 298; U. u. A., IX, pasaini.

' Mb. Herzog von Croy, Diarium Prussiae, I, 428, 11, 114 ff., DDE, 572.

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Das Briefgeheimnis ward übrigens sorgfältig gewahrt Nur während des Einfalls der Schweden in die Mark (1675) liefs der Kurfürst eine kurze Zeit hindurch verdächtige Briefe auf dem Berliner Postamt eröffnen, da man fürchtete, es gebe in der Residenz schwedische Spione«

Postdirektor Matthias konnte sich der Erfolge seiner geist- vollen und energischen Tätigkeit bis in ein hohes Alter erfreuen : er starb erst 1684. Kammerrat von Stille ward sein Nachfolger. Matthias hatte das Fahrpostwesen 1666, das Briefporto 1673 geregelt. 1687 wurde auch in den rheinisch-westfälischen Pro- vinzen das Thurn und Taxissche Postregal aufgehoben, und die dortigen Postmeister erhielten den Befehl, die Postsendungen lediglich auf Rechnung des Kurfürsten anzunehmen und zu befördern.

Überhaupt konnte bei der Zersplitterung der Territorien nur die Gewalt einen einheitlichen Postverkehr begründen und auf- rechterhalten. Die Hamburger wurden gezwungen, ihr über- kommenes Postregal auf dem Kurse zwischen ihrer Stadt und Danzig an Brandenburg auszuliefern. Mit Kursachsen wurde erst nach ärgerlichen Streitigkeiten und Gewaltmafsregeln ein Vergleich geschlossen, der eine brandenburgische Schnellpost zwischen Hamburg und Leipzig zuliefs; sie wurde wöchentlich zweimal in je drei Tagen befördert, während die bisherige Boten- post vier Tage gebraucht hatte. Der langwierige Streit zwischen dem Kurfürsten, der Stadt Danzig und den Polen über den Post- kurs durch Polnisch-Preufsen ward endlich, im Mai 1661, durch ein Zugeständnis des Brandenburgers erledigt. Gemäfs einer damals unterzeichneten Übereinkunft sollten die Postfelleisen an den Grenzen zwischen der brandenburgischen und der polnischen Verwaltung ausgetauscht werden. Friedrich Wilhelm hatte hierbei ebenso verloren wie die Danziger, die früher selber das Post- regal ausgeübt und übrigens den Streit mit dem Kurfürsten angerührt hatten ; der Dritte, der allein aus dem Zwiste Vorteil zog, war die Krone Polen.

Ein anderes Regal, das der Münzprägung, hatte Friedrich Wilhelm in der Zeit der Not zur Verschlechterung der Scheide- münzen mifsbraucht, die dann eine förmliche Münzanarchie über sein Land gebracht hatte. Er griff nach Wiederherstellung des Friedens das Übel mit fester Hand an, indem er die schlechten und im täglichen Verkehr längst entwerteten Zwei- und Ein-

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groschenstftcke um die Hälfte herabsetzte. Allein obwohl nun- mehr vollwichtige Münzen geprägt wurden, hörte der einmal begonnene Wucher in den brandenburgischen Münzen, trotz aller seharfen Verordnungen, nicht auf. Der Kurfürst sah, zu seinem und des Landes Schaden, etwas spät ein, dafs gerade der Ver- kehr sich ungestraft weder überlisten noch vergewaltigen lasse: so schlofs er 1667 mit Kursachsen zu Zinna einen Vertrag, nach dem die feine Mark Silber nicht über 10 Taler 16 Groschen ausgebracht und sämtliche Münzen gleich gut ausgestattet werden sollten. Zugleich ward die Münzverwaltung auf praktische und billige Art geordnet^. Das Ansehen brandenburgischen Geldes war seitdem wiederhergestellt.

Dagegen blieben im Herzogtum Preufsen die Münzen auch während der späteren Regierungsjahre Friedrich Wilhelms in schlechtem Stande. Der Kurfürst hatte hier nach Aufhebung des Lehnsverbandes mit Polen den Wert des Guldens auf 18 Groschen (60 Pfennige unseres Geldes) herabgesetzt ; er liefs solche zuerst aus zwölf lötigem Silber prägen, mit der Umschrift: supremus Dux in Prussia. Doch zwang ihn die Geldnot, die Münzprägung 1674 und 1681 zu verpachten, unter Bedingungen, die ein recht unterwertiges Auskommen der Münzen zur Folge hatten^.

Neben Grofsindustrie und Handel fesselte das Handwerk die Aufmerksamkeit Friedrich Wilhelms*. Auch hier trat er selbständig und tatkräftig hervor. Die Überzeugung hatte sich ihm längst aufgedrängt, dafs das herrschende Zunftsystem mit seinen zahllosen Mifsbräuchen, Beschränkungen und Aus- schliefsungen , mit seinen Vorrechten und Gildebriefen sowohl den Aufschwung des Gewerbes wie die Zunahme der Volkszahl in seinen Landen ernstlich behindere. Die immer engere Be- grenzung der Anzahl der Meister, die unerschwinglichen Kosten bei Aufnahme neuer Meister, die trotzige Organisierung der Gesellenscbaft , das stete Zechen und Saufen von Meistern und Gesellen bei den zünftigen Zusammenkünften brachten das deutsche Handwerk materiell und moralisch immer mehr herunter. Der Kurfürst liefs deshalb 1661 durch den Geheimen Rat über

' Mylius, IV, I 1236 ff.

Lern an, Provinziah-echt der Provinz Westpreufsen (Leipzig 1880) I 41.

' Das Folgende nach Mor. Meyer, Gesch. der preufs. Handwerker- poHtdk, Bd. I (Minden 1889), S. 71 ff.

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die Lage des Handwerks eine umfassende Untersuchung anstellen, als deren Ergebnis sich ihm die Meinung aufdrängte, dafs nur eine grundsätzliche Regelung der schwierigen und verwickelten Frage durch die Reichsgesetzgebung zum Ziele zu führen ver- möge. Nur so konnte das Fortbleiben der Gesellen aus einzelneu Territorien und ihr allzu starker Zulauf nach anderen, über- haupt jede Gewaltsamkeit in den Zuständen verhütet werden.

Nach vielen Bemühungen kam die Handwerkersache im Juli 1669 auf dem Regensburger Reichstage zur Verhandlung. Der Kurfürst liefs hier den radikalen Antrag stellen : die Zünfte entweder ganz aufzuheben oder doch ihrer die ökonomische Politik der Regierungen beschränkenden Rechte zu berauben. Wie man sieht, hegte Friedrich Wilhelm auch auf diesem Gebiete ganz moderne Anschauungen. Die gesetzgebende Ver- sammlung des Reiches aber zog die Verhandlungen mit der üblichen Langsamkeit und Unentschlossenheit hin. Es dauerte bis 1671, ehe man wieder zur Beratung schritt; abermals nahm Brandenburg die Führung in die Hand, indem es den Obrig- keiten die Befugnis einzuräumen beantragte, einem jeden, den sie für tüchtig befinden würden, das Meisterrecht unter ganz geringer Kostenforderung zu übertragen. Es ist das Bevölkerungs- prinzip, das auch in diesen Bestrebungen den Kurfürsten leitete. Allein er drang mit so durchgreifenden Forderungen, dem zopfigen Widerstände Österreichs , der geistlichen Fürsten und der ver- kommenen Reichsstädte gegenüber, nicht durch. Die hohe Ver- sammlung fand, dafs man sie nicht mit „so niedrigen Dingen*" aufhalten dürfe. Es kam endlich, am 3. März 1672, ein „Reichsgutachten'' zu stände, das jedoch nichts enthielt als einige polizeiliche Mafsregeln zur besseren Überwachung der Gesellen, sowie Abstellung einiger Zunftmifsbräuche ; und auch diese Bestimmungen haben nie Wirksamkeit erlangt, da der Kaiser dem ;,Gutachten'' die Bestätigung versagte. Damit war der Versuch, die Handwerksfrage durch die Reichsgewalten zu lösen, gescheitert, war sie an die Einzelterritorien zurück- verwiesen.

Der Kurfürst zögerte nicht, die Angelegenheit nunmehr aus eigener Macht in seinen Staaten zu ordnen. Schon 1669 hatte er die Privilegien der Zünfte durchbrochen, indem er ihnen aufgab, jeden neu anziehenden Kolonisten, der sich im Besitze eines entsprechenden Lehrbriefes befinde, als Meister anzunehmen.

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1671 wurde die Verweigerung der Meisterschaft wegen Abstammung von .unehrlichen" Leuten, d. h. gewissen übelbeleumundeten Volksklassen, untersagt und ebenso 1674 die lächerlichen und grausamen Bräuche bei der Annahme und dem Losspruch des Lehrlings, durch die zahlreiche anständige Familien ab- geschreckt wurden, ihre Kinder dem Handwerke zuzuführen.

Mafsregeln aus den letzten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms sind noch einschneidender; sie stehen mit seiner Eolonialpolitik und Steuerreform in engstem Zusammenhange. Die Mifsbräuche der Zünfte, die das Wiederaufkommen der Städte, die Neubelebung des Verkehrs, die Entwicklung der kur- fürstlichen Einkünfte und damit selbst des Heeres behindern, sollen von den neueingesetzten Steuerkommissaren scharf über- wacht und nötigenfalls streng geahndet werden. Nach der Ver- fügung vom 3. November 1686 sollen „diejenigen, die Meister werden wollen, nicht unnötig aufgehalten, mit den Meisterkosten keineswegs übersetzt oder angehalten werden, alte ungebräuch- liche Meisterstücke zu verfertigen".

Man darf sagen: während der Verhandlungen über eine umfassende Neuordnung des gesamten Handwerkswesens ist Friedrich Wilhelm gestorben. Er hat unter all seinen Mühen und Sorgen auf diesem Gebiete nichts Grofses und Bleibendes geschaffen, aber hier, wie so vielfach anderwärts, den Anstofs gegeben und die Wege gewiesen, die seine Nachfolger wieder aufgenommen haben und bis zum Ziel gegangen sind.

In den Verhältnissen des ilachen Landes hat er eine durch- greifende Reform nicht einmal versucht. Er hat die sozialen Vorrechte des Adels vielmehr bestätigt und befestigt; er hat ihm, wenn auch notgedrungen, die Herrschaft über die bäuer- lichen „Untertanen" verbürgt. Er forderte freilich anderseits von den Edelleuten absolute Unterordnung unter die Gesetze des Staates und die politische Macht des Fürsten. Besonders der preufsische Adel, der sich einst für den Herrn im Herzog- tum gehalten und die fürstliche Gewalt zum Schatten hatte abschwächen wollen, bekam die starke Faust des Herrschers zu fühlen. Wie einst Kalckstein, ungeachtet aller Privilegien der preufsischen Edelleute, das Schafott besteigen mufste, so ward auch nach den schmachvollen Vorgängen des Winters 1678/79. wo die adligen Milizoffiziere in Preufsen aus üblem Willen gegen den Brandenburger das Beispiel kläglichster Flucht vor den

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Schweden gegeben hatten, gegen jene vornehmen Verräter mit äufserster Strenge vorgegangen. Wenn sie geglaubt hatten, den ernsten Warnungen und Strafandrohungen des Herrschers, die er im Dezember 1678 gegen alle Überläufer erlassen hatte, trotzen zu dürfen, so sahen sie sich auf das bitterste enttäuscht. Sie wurden vor ein Kriegsgericht gestellt Die Eönigsberger konnten mitansehen, wie die adligen Herren in Ketten von berittenen Soldaten durch ihre Strafsen geführt wurden, wie gemeine Verbrecher. Sechs von den Schuldigen darunter ein Ganitz, zwei Groeben, ein Truchsefs safsen monatelang im Gefängnis und kamen dann „aus Gnaden** frei. Major von Talau sowie die Hauptleute von Gammacher und Manstein wurden in Pillau eingekerkert, bis sie die ihnen auferlegte Greldstrafe gezahlt hatten. Zwei adlige Offiziere von Woyna und von Weifs erlitten den Tod durch Erschiefsen, und zwar, um die Schande zu erhöhen, zur selben Zeit und Stelle, wo mehrere ihrer gleichfalls desertierten Soldaten gehängt wurden ^. Solche Vorgänge haben dem Adel die Selbstherrlichkeit gründlich aus- getrieben.

Aber auch die Eigenliebe und Eigensucht des Adels dem Staate und dessen Oberhaupt gegenüber sollte beseitigt werden. Hierhin gehört es, dafs die Lehnsabhängigkeit stärker betont wurde. Seit 1680 hat das Kammergericht die „Lehnsfehler*, das heifst Unterlassung des Nachsuchens des landesherrlichen Konsenses bei Änderungen in der vermögensrechtlichen Lage der Lehen, regelmäfsig bestraft, was bis dahin selten geschehen war. Die Strafgelder wurden übrigens von Friedrich Wilhelm meist zu wissenschaftlichen Zwecken, wie für die Universität Frankfurt a. d. Oder oder für seine Berliner Bibliothek, verwendet*. Wenn es femer dem Kurfürsten auch nicht möglich war, die eingesessenen Edelleute aus denjenigen provinziellen Ämtern zu verdrängen, die ihnen durch Herkommen und Verfassung vor- behalten waren, so schränkte er doch die Bedeutung dieser Ämter tunlichst ein, indem er teils aufseror deutliche Statthalter und Kommissare ernannte, die jenen zeitweise die Geschäfte abnahmen, teils dauernd neue Behörden einführte, die die bis- herigen tatsächlich der Macht entkleideten, und die nur von dem

» Orlich, Preufs. Staat, I, 389 f., III, 297 f.

* Friedr. Holtze, Gesch. des Kammergerichts, II, 290 ff.

Sieben unddreilsigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. Hl

Landesherrn abhängig waren. Zur Besetzung solcher neuen Ämter wählte er mit Vorliebe Bürgerliche, die er nicht minder für seinen Geheimen Rat und zu Posten seines persönlichen Vertrauens verwandte. Er war sicher, dafs diese Männer nicht, wie viele hohe Beamte aus eingesessenem Adel, seine und des Staates Interessen dem Vorteile ihres Standes und zumal ihrer eigenen Familien hintanstellten, eine Erfahrung, die ihm so wenig wie seinen Vorfahren erspart geblieben war^ Allein gerade die Vollständigkeit des Sieges, den Friedrich Wilhelm über den Trotz des Adels davontrug, hat diesen Stand belehrt, wo in Zukunft seine Aufgabe und auch sein Vorteil zu suchen sei. Mit dem Scharfblick für die persönlichen und Standes- interessen, der den norddeutschen Adel stets ausgezeichnet hat, erkannte er, dafs er nunmehr nur mit Hilfe der Landesherrschaft, nicht gegen sie, äufsere Ehre^ Macht und materiellen Gewinn erlangen werde; und mit der staunenswerten Tatkraft, die ihm eigen ist, warf er sich sofort in die neue Laufbahn. Er drängte sich zu den Kriegs- und Friedensämtem des Fürsten, und dieser, erfreut, einen so starken, einflufsreichen und politisch befähigten Stand zu seinem Dienste verfügbar zu finden, war bereit, ihm die besten, angesehensten und einträglichsten Stellen vorzu- behalten, den Adel auf Kosten des Staates gewissermafsen zu ernähren, auf Kosten der übrigen Untertanen zu bevorteilen. So vorurteillos der Grofse Kurfürst persönlich war, in so um- fassendem Mafse er Bürgerliche im höchsten Rate und im Heere beförderte, ja, auch zu Gesandtschaften au fremde Höfe verwandt hat, es geschah doch unter seiner Regierung, dafs der bisher unabhängige und widersetzliche Adel in ein Bündnis mit der Krone trat, ihr seine Dienste weihte und dafür Offizier- korps und höhere Beamtenschaft zu immer ausschliefslicherer Domäne erhielt. Eine grofse Anzahl adliger Familien geht geradezu ein erbliches Dienstverhältnis zum Fürstentum ein: 80 aus der Kurmark die Blumenthal, Loben, Brandt, Goltz; aus Preufsen dieDohna, Hoverbeck, Dönhoff; aus Westfalen die Spaen, Heyden, Wylich, Diest; aus Pommern die Somnitz, Schwerin, Kleist, Bonin, Krockow, Grumbkow, Natzmer, eine Schar, die sich stets vergröfsert und verdichtet, bis sie schliefslich fast den gesamten ostelbischen und Altmärker Adel umfafst.

* S. den von einem Rate des Kurf. Friedrich UI. stammenden Be- richt: Droysen, IV, IV 204.

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Freilich, wenn ihm Grofsgrundbesitz und bald auch der höhere Staatsdienst als Vorrechte verblieben, sollte er anderseits sich nicht der Nahrung des Bürgerstandes anmafsen. Deshalb war ihm schon seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts jede Beschäftigung mit Kaufmannschaft und Handel untersagt, die den Städtern vorbehalten wurden. Allein unternehmende Herren hatten trotzdem, gelegentlich oder gar beruflich, ein- trägliche Handelsgeschäfte betrieben. Friedrich Wilhelm verbot das seinem Adel auf das strengste, im Interesse der Städte (lö. Oktober 1682).

So war für diese gesorgt; der Bauernstand kam weniger günstig davon. Er hätte freilich, und zwar besonders in der Eurmark, eingehende Berücksichtigung von Seiten der Regierung erfordert. Die Nachwehen der Kämpfe und Verwüstungen während des Dreifsigjährigen Krieges und der schwedischen Invasion von 1G74/175 machten sich in der zentralen Provinz des Staates dauernd fühlbar. 1681 lagen im Kreise Nieder- bamim in 81 Dörfern von 3073V8 steuerpflichtigen Hufen noch 1174V«, also fast zwei Fünftel, wüst, waren von 871 Bauern- stellen nur 537, von 679Va Kossätenstellen nur 367 besetzt. Noch 1687 waren in der Grafschaft Ruppin 521 Bauern-, 213 Kossäten- und 19 Büdnerstellen verödet ^ Die ländlichen Kolonisations- versuche des Kurfürsten konnten um so weniger Hilfe bringen, als die schweren Abgaben, denen die Bauern unterworfen waren, ebenso schädigend wirken mufsten wie deren Hörigkeit und Frondienste zu Gunsten der adligen Grundherren.

Dieses Verhältnis bildet einen Teil des durch den Landtags- rezefs des Jahres 1653 eingeweihten Systems, den Adel für den Verlust seiner politischen Macht durch soziale und materielle Vorteile zu entschädigen, und zwar auf Kosten nicht des Staates, sondern der wehrlosen Bauernschaft. Hier hat Friedrich Wilhelm gegen die Mehrheit seiner Untertanen schwer gesündigt. Die Lage der Bauern ward noch weiter durch den Umstand be- einträchtigt, dafs die adligen Gutsbesitzer die ausschlaggebende Macht im höheren Beamtenstande, besonders in den Domänen- kammern, besafsen. In einer an Friedrich Wilhelms Nachfolger gerichteten Denkschrift sagt von Lüben geradezu: „Bei denen

' Fr. Grofsmann, Gutsherrlich- bäuerliche BechtsverliältiiisBe in der Mark Brandenburg vom 16. bis 18. Jahrb. (Berlin 1890), S. 70.

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Regierungen and Hof- und Land- und anderen Gerichten be- kommen die Bauern keine Justiz, weil die Ohms mit darin sitzen, und diese selbst wegen ihrer eigenen Güter und Bauern ein Interesse dabei haben und sich selbst kein Präjudiz machen wollen ^"

Der unbedingte Gesindezwang für die gesamte Mittel-, Ucker- und Neumark, eine wesentliche Verschlechterung der Lage der Bauern zu Gunsten der Herren, datiert erst aus dem Jahre 1620; jede Übertretung wurde mit Gefängnis geahndet. Der bevorrechtete Gutsherr nützte sein Privileg aus, um das Zwangsgesinde möglichst dürftig zu nähren und zu besolden. Erneute Gesindeordnungen aus der Zeit des Grofsen Kurfürsten haben diesen Zwang lediglich verschärft, indem sie diejenigen jungen Bauern und Bäuerinnen, die keinen eigenen Hof besafsen, auch nach Ablauf der früher auf drei Jahre begrenzten Dienst- pflicht zum Dienste bei der Herrschaft, falls diese es wünschte, nötigten, femer den ansässigen Bauern auferlegten, höchstens zwei ihrer Kinder in der eigenen Wirtschaft zu behalten'.

Der Adel aber, noch über alle seine gesetzlichen Vorrechte hinaus, fuhr fort im „Bauernlegen**, das heifst im gewaltsamen Auskaufen und sogar in der unentgeltlichen Vertreibung der Bauern, um deren Hufen zu eigener Bewirtschaftung einzuziehen. In dem Oberbamimer Kreise hat die Ritterschaft während der Jahre 1634—1671 ihren Besitz auf Kosten der Bauern um 166 Hufen, also etwa um 1225 Hektar, vermehrt (die Hufe durchschnittlich zu 30 Morgen = 7Vs Hektar gerechnet), da- durch ihren ganzen Besitz um dreifsig Prozent vergröfsert. Dafs sie nachher bestrebt war, widerrechtlich die bäuerliche Qualität dieser Hufen zu verbergen, um sie gleich dem eigent- lichen Rittergute steuerfrei zu machen, und hiermit den noch übrigen Bauern eine um so gröfsere Abgabenlast aufbürdete, versteht sich von selbst^. Diesem letzteren Unwesen ist der

1 Stadelmann, Preufsens Könige in ihrer Tätigkeit für die Landes- knltor, Bd. I (Leipzig 1878), S. 216 f.

' Jos. Silbermann, Der Gesindezwangsdienst in d. Mark Branden« Imrg (Greifswalder Dissert. 1897), S. 10 ff.

' Bericht v. Lübens, a. a. 0., S. 213, schildert die Gewalttaten der «Vornehmsten im Lande" gegen die Bauern in schreienden Farben. H. V. Petersdorff, Beiträge zur Wirtschafts-, Steuer- und Heeresgesch der Mark im Dreibigj. Kriege (Berlin. Diss. v. 1888), S. 19 f. Petersdorff

Philippsön, Der OroÜM Kurfarst. III. 8

X14 Sechstes Buch.

Kurfürst mit Ernst entgegengetreten. „Se. Kurf. Durchl./ läfst er am 18. Januar 1670 den kurmärkischen Ständen eröflFhen, „halten nöthig, denen versammelten Ständen vorzustellen, wie dass Sie selbst an unterschiedenen Orten gesehen, welcher gestalt ein Theil vom Adel ihrer Bauern Güter unter ihrem Pflug halten, einige auch Bauern verdrängen, damit sie nur die Hufen an sich ziehen und selbst brauchen möchten, auch ver- schiedene Bauern sich klagend angeben, dass sie sich gerne unter vom Adel setzen und wüste Stellen anbauen wollen, von denenselben aber abgewiesen worden ; wie denn S. K. D. mit nicht geringem Misfallen ersehen, dass eine grofse Anzahl steuer- barer Hufen zu den Ritterhufen geschlagen oder sonst durch andere Prätexten von der Gontribution eximiret worden. Wann dann alles solche Dinge sein, wodurch die Artnut beschwert und das Aufnehmen des Landes behindert wird und überdem wider alle Gerechtigkeit und Billigkeit läuft, so können Se. E. D. dero tragendem hohen landesfürstlichen Amte nach solchem schäd- lichen, verderblichen Dinge nicht länger zusehen.^ Die Herren antworteten mit leeren Ausflüchten und Versprechungen*.

Die Bekämpfung des Bauernlegens läfst sich durch des Kurfürsten Sorge für die „Peuplisierung** seines verödeten Landes erklären. Sonst ist er in keiner Weise für die Bauern gegen die Härte und Habsucht des Adels tätig gewesen. Im Gegenteil, er hat durch wiederholte Verfügungen die Fesselung der bäuer- lichen Familien an die Scholle und ihre absolute Untertänigkeit unter die Willkür der Gutsherren noch beträchtlich vermehrt. Ungünstiger ist im allgemeinen während seiner Regierung die Stellung der Bauern geworden eine bittere Frucht des Bünd- nisses, das der Adel mit der Krone abzuschliefsen auf dem Wege war*.

Nur auf den landesherrlichen Domänen gab der Kurfürst

bezeichnet die Yerschweigung der bäuerlichen Hufen durch den Adel als „Yergefslichkeit**, während er ähnliches Vorgehen bei den Bauern als „Lügenhaftigkeit*^ brandmarkt! Wenn er das gewaltsame Bauern- auskaufen, wobei der Gutsherr den Preis selber bestimmt, dem £z- propriationsrecht des Staates gleichstellt (S. 20), so charakterisiert das nicht minder deutlich die Gesinnung des Autors.

» ü. u. A., X 417f. 424.

' Boscher, Nationalökonomik, S. 307 Anm. 2. Über das Folgende : K. Breysig, Finanzen, 298 ff. 854 ff.

Siebenunddreilsigstes Kapitel. KurfOrst und Volkswohlstand. 115

das Beispiel menschlicherer Behandlung der Bauern. Deren Lage war gerade hier eine zunächst ungünstige, indem die Zeitverpachtung der Domänen den Arrendatoren Anlafs geben mufste, während der Dauer ihres Kontraktes die ihnen überlieferten Bauern möglichst auszupressen. Die kurfürstliche Kammerverwaltung trat diesem Mifsstande zuerst mit dem Bestreben entgegen, die körperlichen Fronden der Bauern in Dienstgelder umzuwandeln; Geldzahlungen waren leichter genau festzustellen und deshalb schwerer will- kürlich zu erhöhen als persönliche Leistungen. Die Pächter wurden überdies ausdrücklich verpflichtet, die Bauern nicht zu drücken, vielmehr ihnen in Zeiten der Not zu Hilfe zu kommen. Sie sollten sich bemühen, wüstliegende Höfe neu zu besetzen, wozu ihnen Bauholz kostenfrei aus den landesherrlichen Forsten geliefert wurde. Allein die Praxis entsprach diesen menschen- freundlichen Vorschriften um so weniger, als die beaufsichtigen- den Beamten meist mit den Pächtern gemeinsame Sache gegen die Bauern machten und der Kurfürst selber, im Interesse hoher Pachtgelder, geneigt war, den Bauern möglichst einträgliche Dienste zu Gunsten der Pächter aufzuerlegen. Ja, es kam vor, dafs die Bauern trotz gezahlter Ablösungsgelder, die 7, 8, 12 Taler jährlich betrugen, von den Pächtern erst bittweise, dann als herkömmlich und endlich als pflichtmäfsig wieder zu den Fronden herangezogen wurden. Allmählich, bei wachsender ökonomischer Einsicht, haben der Kurfürt und seine Beamten sich bei vielen Gelegenheiten der Amtsbauern gegen die Pächter angenommen, ihnen auch, in Notfallen, unmittelbar beträcht- liche Zuwendungen und Dienstnachlässe bewilligt. Besonders der treffliche Knyphausen hat auch hier neuemd und bessernd eingegriffen. Er hat die Abgaben der Bauern aus dem Pacht- kontrakte ausgeschlossen, sie direkt den kurfürstlichen Kassen zugeführt, damit der Willkür der Arrendatoren entzogen. Er hat femer die bäuerlichen Dienste und Dienstgelder durch den Pachtkontrakt festgelegt und so die hauptsächliche Quelle der Bedrückungen der Amtsbauern nach Möglichkeit verstopft. Auch der Besitz der Bauern an Baulichkeiten und Vieh wurde in luventarien, die den Pachtkontrakten beilegen, detailliert, so dafs der Pächter für etwaigen Rückgang des bäuerlichen Wohlstandes zur Verantwortung gezogen werden konnte. Er nahm endlich in den Ausgabeetat der Kammern bestimmte Summen auf, die zur Unterstützung notleidender Bauern verwendet

8*

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werden sollten: damit war den Kammern der bisher oft ge- brauchte Verwand entzogen, sie besäfsen zur Hilfe für die Untertanen keine Fonds.

Freilich in einer Beziehung trat auch hier eine Verschärfung ein: der Dienstzwang wurde auf die Domänen ausgedehnt, die Amtsuntertanen verpflichtet, ihre erwachsenen Kinder, falls sie solche nicht selber gebrauchten, bei dem Pächter gegen zumeist sehr elenden Lohn drei Jahre dienen zu lassen. Sonst aber trat eine wesentliche Besserung in der Lage der Domänenbauern ein, die weit günstiger gestellt waren als die Bauern des Adels. Diese Tatsache beweist, dafs nicht Mangel an Empfinden oder an ökonomischer Einsicht, sondern nur die Politik den Kurfürsten zur Begünstigung des Adels dessen Bauern gegenüber veranlafst hat.

Wie die übrigen Städte, so hatte sich auch die Residenz Berlin -Colin in den beiden ersten Dezennien von Friedrich Wilhelms Regierung nur wenig gehoben ^ Die wiederholten Kriege und die Höhe der Kontribution, die auf den Grund- stücken selbst haftete, liefs es zu keiner Vermehrung der Zahl und des Wohlstandes der Bevölkerung der Residenz kommen. Die Doppelstadt war vielmehr dem Bankerott nahe. Konnte doch der Rat noch 1668 weder Eeine Schul- und Kirchendiener noch einen Zimmermann bezahlen, der die Köpenicker Brücke für den Preis von 290 Talern ausgebessert hatte. Die Gewerbs- tätigkeit lag ganz darnieder; Kenntnisse und Werkzeuge waren verloren gegangen, manche Berufszweige völlig verschwunden.

Friedrich Wilhelm war nach Kräften bemüht, seiner Residenz aufzuhelfen, besonders dem eigentlichen Berlin, das, infolge seiner grösseren Ausdehnung, mehr wüste Stellen aufwies als Colin. Er verordnete 1665, dafs alle solche leeren Bauplätze, die nicht binnen Jahresfrist besetzt sein würden, von dem Berliner

^ Über das Folgende sehe man : N i c o 1 a i , Beschreibung der Residenz- städte Berlin und Potsdam I ', II', passim; König, Versuch einer histor. Schilderung der Residenzstadt Berlin, Bd. II (Berlin 1793); Fidicin, Histor.- diplom. Beiträge zur Gesch. Berlins, Bd. V (Berlin 1842); O. Schwebel, Gesch. d. Stadt Berlin, Bd. II (Berlin 1888;; Borrmann, Die Kunatdenkmäler von Berlin (Berlin 1893), mit yortreff lieber histor. Einleitung von P. Clauswitz; Wiedfeldt, Statist. Studien z. Ent- wicklungsgesch. d. Berliner Industrie (Leipzig 1899); Orlich, Friedr. Wilh., S. 287; Mylius, Bd. VI, passim.

Siebenunddreilaigstes Kapitel. Kurfürst und Volkswohlstand. X17

Rate an Baulustige unentgeltlich fortgegeben werden sollten. Besonders hat aber die Einführung der Accise, an Stelle der die bebauten Grundstücke belastenden direkten Abgaben, die Bau- tätigkeit von dtr drückendsten Fessel befreit, so dafs sie sich plötzlich in ungeahnter Weise entfaltete. Das Kapital wandte sich wieder, als einer nutzbringenden Anlage, dem Ausbau der Stadt zu, von dem es sich seit beinahe einem Jahrhunderte zurück- gezogen hatte. Der Kurfürst selber gab anregendes Beispiel. Er legte ein neues Posthaus an. Er verschönerte den Schlofs- platz, indem er ihn nach dem Neubau der Langen Brücke über die Spree pflastern und, anstatt der hölzernen Buden, die er ebenso wie den dort stehenden alten Befestigungsturm beseitigte, mit steinernen Kaufläden umgeben liefs, vor die er eine dorische Bogenlaube legte. Ebenso wurden die hölzernen Gebäude des MQhlendammes durch steinerne ersetzt, vor denen sich gleich- falls ein Bogengang hinzog, der in seiner Mitte ein hohes Portal mit dem Brustbilde des Kurfürsten zeigte. Dieser Herrscher errichtete femer ein neues schönes Gebäude für den Marstall in der Breiten Strafse sowie einen weiteren Marstall in der Dorotheenstadt die nachmalige Akademie.

Die gute Polizei der Hauptstadt lag ihm nicht minder im Sinne als deren Ausbau. Eine Feuerordnung und die Anschaffung «öffentlicher Feuerspritzen" verhüteten die Rückkehr der grofsen Brände, die die Stadt wiederholt heimgesucht hatten. Der Kur- fürst sorgte ferner für die nächtliche Erleuchtung der Strafsen, deren Bedeutung nicht nur für die Annehmlichkeit, sondern auch für die Sicherheit der Einwohner er wohl erkannte. Im Jahre 1680 erhielt Berlin vor jedes dritte Haus eine Laterne, auf einem Pfahl befestigt; ihre Anschaffung soll insgesamt 5000, ihr Unter- halt jährlich 3000 Reichstaler gekostet haben. Es waren natürlich Öllampen, die der Ersparnis halber während der Monate Mai, Jani und Juli mit den kurzen Nächten sowie auch sonst während der kalendermäfsigen Mondscheinnächte nicht angezündet wurden. Die Strafsen wurden eingeebnet, mit Rinnsteinen versehen und mit Pflaster befestigt, die Brunnen in guter Ordnung gehalten und deren Verunreinigung bei strenger Strafe verboten. Solche Mafsregeln hoben den Gesundheitszustand der Residenz beträcht- lich, so da& sie seit 1682 nicht mehr von der Pest heimgesucht wurde.

Durch wiederholte Verfügungen hielt der Kurfürst darauf.

118 Sechsteä Buch.

dafs Unrat aller Art nicht mehr, wie bisher, auf die Strafse geworfen, sondern einem dafür bestimmten Wagen zugetragen wurde, der tSglich mehrmals die Strafsen der Stadt durchfuhr. Jeder Hausbesitzer hatte bei Strafe täglich vor seinem Hause zu kehren. Diegleichmäfsige Pflasterung der Strafsen wurde allmählich ganz durchgeführt. So ward der bisher in Sumpf und Schmutz verkommende Strafsenverkehr in angemessenener Weise erleichtert und verbessert. Berlin wurde bald eine der reinlichsten und bestgehaltenen Städte ein Ruhm, den sich die werdende Weltr Stadt bis auf den heutigen Tag bewahrt hat.

Der Umfang der Residenz wuchs: in Berlin entstanden die Heilige Geist- und die Burgstrafse, sowie auf dem in die Befestigungslinie eingezogenen Teile der Göllnischen Vorstädte der Stadtteil Neu-Cölln freilich alles erst in der glücklichen Periode, die mit dem Frieden von St. Germain beginnt.

Der Tiergarten, der damals zur Hälfte wirklich noch Wild- park, zur Hälfte öffentlicher Spaziergang war, wurde durch Soldaten gereinigt und entwässert; die Spandauer Landstrafse, die ihn in seiner ganzen Länge nach Westen hin durchzog, ward geebnet, verbreitert und auf beiden Seiten mit Bäumen gleich- mäfsig besetzt. Grofse Hirsche sowie Auerhähne, aus Zossen und aus der Neumark herbeigeholt, verstärkten seinen Wild- stand. Ein Teil des Tiergartens aber ward zu den städtischen Neuanlagen Friedrich Wilhelms benutzt: so zunächst des Fried- richswerders, den, nach dem von Memhardt entworfenen Plane, de Chi^ze weiter ausbaute. Zunächst liefsen sich hier vorzugs- weise Hof leute nieder, denen von den 92 Häusern, die 1666 in dem neuen Stadtteile standen, 47 gehörten. Indes, nach Ein- führung der Accise entwickelte sich eine regere Bautätigkeit, so dafs im Jahre 1667 allein 150 neue Häuser errichtet wurden. Nach Erbauung einer Kirche, zu der Friedrich Wilhelm wieder- holt beträchtliche Summen beitrug, bildete der Werder eine eigene Pfarrgemeinde. Er erhielt 1668 auch einen besonderen städtischen Magistrat, der aber in noch höherem Grade als in den beiden Altstädten vorzugsweise ein Organ der landesherrlichen Verwaltung wurde. Auf dem Werderschen Markte, dem Mittel- punkte der neuen Stadt, erhob sich das von dem Hofstukkateur Simonetti, einem Italiener, 1672 erbaute Bathaus, das zugleich die Gerichtsstube, das Gefängnis, die Folterkammer, die Schule, den Stadtkeller sowie die Brot- und Fleischscharren beherbergte

Siebenunddreüsigstes Kapitel. KurfOrst und Volkswohlstand. 119

80 einfach und ärmlich waren damals die Verhältnisse. Den ver- saDdeten Kanal zwischen Colin und dem Friedrichswerder, der der Schiffahrt nicht mehr dienen konnte und durch seine Aus- dünstungen die Gesundheit der Anwohner beeinträchtigte, liefs Friedrich Wilhelm 1670 vertiefen und regulieren, sowie die Böschungen auf beiden Seiten mit Brettern befestigen. An dem westlichen Ufer des Kanals ward auf dem durch diese Arbeiten gewonnenen Boden die Unter- und Ober-Wasserstrafse an- gelegt.

Bald darauf erhielt die Residenz eine abermalige Ver- größerung durch einen neuen Stadtteil.

Kurffirstin Dorothea hatte von ihrem Gemahl das grofse waldige Grundstück geschenkt erhalten, das auf beiden Ufern der Spree sich von der Gegend des Lustgartens bis zum Tier- garten erstreckte. Die praktische und erwerbslustige Dame legte hier zunächst ein Vorwerk und eine Meierei an. Aber der sandige Boden brachte keinen rechten Ertrag, und so beschlofs die Kurfarstin, ihn zu Baustellen zu verkaufen. Um die Käufer anzulocken, setzte sie den Preis sehr niedrig an: auf IVs Groschen (nach heutigem Preise etwa 60 Pfennige) für die Quadratrute, die doch auf dem Friedrichswerder drei Groschen kostete. Der Kurfürst erteilte 1674 der „Neuen Vorstadt vor dem Friedrichs- werder", die zwei Jahre darauf den Namen „Dorotheenstadt*' empfing, Stadtrecht, behielt aber seiner Gattin die Rechtsprechung über deren Bewohner sowie die Verwaltung vor. Dorothea widmete ihrer neuen Schöpfung alle ihr eigene Tatkraft. Sie legte die Strafse Unter den Linden an, deren erste Bäume sie selber pflanzte; sie bewog ihren Gemahl, den Teil des Tier- gartens, der südlich von den Linden lag, gleichfalls zu Baustellen auszugeben. Als infolge des Krieges mit Schweden und Franzosen die Dorotheenstadt nicht recht gedeihen wollte, verschaffte sie deren Bewohnern zehnjährige Befreiung von allen direkten Ab- gaben, unentgeltliche Lieferung von Bauholz aus den kurfürst- lichen Forsten, freie Ausfuhr von Bier in die drei anderen Residenzstädte. Durch solche Mafsregeln sowie durch den viel- jährigen Friedenszustand seit 1679 und zumal die Einwanderung der R6fugi6s hob sich dann die Dorotheenstadt bedeutend, so dafs sie am Ende von Friedrich Wilhelms Regierung an 150 Häuser zählte. Man erbaute auch dort eine eigene Kirche, die beiden evangelischen Bekenntnissen zugleich diente, und schlofs

120 Sechfites Buch.

den ganzen Stadtteil durch Wall und Graben an die Befestigung der Dreistadt an.

Die Zunahme der Bevölkerung in Berlin und Colin selbst sprach sich in dem Steigen der Mietspreise deutlich aus. Der Kammergerichtspräsident von Rahden konnte 1686 für den ihm ausgesetzten Wohnungszuschurs von 200 Talern (etwa 2600 Mark nach heutigem Geldwerte) keine passende Wohnung finden und erbat deshalb eine Erhöhung des Zuschusses ^ Ein Haus, das nur drei Zimmer und einige Kammern enthielt, kostete zum Verkauf 3000 Taler etwa 40000 Mark nach heutigem Geld- werte — eine verhältnismäfsig recht bedeutende Summe*. In- folge der wiederholten Kriege und des schweren Steuerdruckes war, wie erwähnt, anfänglich das Anwachsen der Bevölkerung der Hauptstadt ein geringes gewesen. Hatte sie 1645 noch nicht 6000 Seelen gezählt, so war sie 1654 durch nur hundert neue Haushaltungen auf 6197 gestiegen. Sieben Jahre später, 1661, gab es 6500 Einwohner. Wenn deren 1670 schon 8150 waren, so enthielt diese Ziffer doch 1009 Soldaten, so dafs die Zunahme während neun Jahre nur 640 Seelen betrug, und das trotz der Gründung des Friedrichswerders. Allein die Einführung der Accise bezeichnet den Wendepunkt. 1680 hatte die Residenz 9800, 1685 fast das Doppelte, 17400 Einwohner, wobei die An- kunft der Hugenotten mitzurechnen beginnt. Wir dürfen diese Bevölkerung der Vierstadt 1688 auf 19800 Köpfe schätzen».

Einen Begriff von der Verteilung dieser Bewohnerschaft im Jahre 1681 zwischen die verschiedenen Städte gibt die Tabelle der Acciseeinkünfte. Demnach brachten monatlich Berlin 1800, Colin 1200, Friedrichswerder 200, die sonstigen Vorstädte, mit Einschlufs der Dorotheenstadt, 300 Taler \ Wenn wir die annähernd 19 800 Einwohner, die die gesamte Residenz bei dem Tode Fried- rich Wilhelms besafs, ungeffthr hiernach verteilen, so enthielten Berlin 10000, Colin 6800, Friedrichswerder 1200, Dorotheenstadt und Vorstädte 1800 Bewohner.

^ Stölzel, Fünfzehn Vorlesnngen, S. 96.

* Gallois, Lettres m^tes de Feuqui^es, Bd. V (Paris 1846), S. 240.

* Die Zahlen bis 1685 nach Fidicin, V, 516. Die Zahl für 1688 ist aus folgenden Elementen gewonnen: 1685= 17400 Seelen; 1690=21500 Seelen; macht eine jährliche Vermehrung von ca. 800; 8x800«=24CO; 17400 + 2400=19600.

^ Ms. Kriegsministerium (Berlin), Feldkriegskasse, 1681.

Siebenunddreilsigstes Kapitel. Kurfürat und Volkswohlstand. 121

Eine Anschauung von dem Aufschwünge des Wohlstandes der Stadt erhalt man durch den Vergleich des Ertrftgnisses der voD den verschiedensten Genufs- und Nahrungsmitteln erhobenen Accise. Sie hatte im ersten Monat, Juni 1667, nur 223 Taler gebracht, also, auf das Jahr berechnet, noch nicht 2700 Taler; 1684 betrug die Jahreseinnahme schon an 60000 Taler. Der KurfQrst gewährte aus der Accise der städtischen Kasse nicht nur jährliche Zuschüsse, sondern auch Geld zur Schuldentilgung, die bis zum Ende seiner Regierung fast gänzlich vollzogen war, 80 dafs auch die hierzu bestimmten Grundsteuern den Einwohnern erlassen werden konnten. Freilich stand den glänzenden Vorzügen der neuen Abgabe auch ein Nachteil gegenüber: die Accise steigerte bedeutend den Preis der Lebensbedürfnisse in Berlin. Nur Fleisch und Brot waren dort billig, alle anderen Genufs- mittel und die Bekleidungswaren sehr teuer, so dafs der Aufent- halt in Berlin kostspieliger war als selbst der in Paris ^

Der durch den Nordischen Krieg unterbrochene Umbau des Schlosses wurde nach dem Frieden von Oliva wieder aufgenommen, zaerst unter dem alten Baumeister Memhardt, dann unter dem von Friedrich Wilhelm besonders geschätzten de Ghi^ze. Ein lebhafteres Tempo nahm der Bau jedoch erst nach dem Frieden von St Germain an, seitdem Smids und der berühmte Nering an der Spree viergeschossige Gebäude mit einem grofsen säulen- geschmückten Saal, einen eingeschossigen Flügel nach dem Lust- garten zu, ein grofses Portal korinthischer Ordnung, wodurch man in den vorderen Schlofshof trat, und das an den Münzturm storsende Ballhaus aufführten'. Das Schlofs galt schon damals Als eines der schönsten in Europa.

Auch den Lustgarten, der nördlich vom Schlosse lag, pflegte Friedrich Wilhelm mit der ganzen ihm eigenen Vorliebe für die Pflanzenwelt. Es wurde beständig an dem Garten geändert und verbessert, ein neues Warmhaus gebaut. Bekanntlich hat später der Soldatenkönig von der Lieblingsschöpfung seines Grofsvaters nichts als den Namen übrig gelassen, sie tatsächlich in einen sandigen Paradeplatz umgewandelt. Aber zu des Grofsen Kur-

' Graf B^benac an seinen Vater, den Marquis von Feaqui^ren,* %. April 1680; Gallois, a. a. 0., S. 186.

* Kaster, Altes und neues Berlin, Bd. TU (Berlin 115$^ 8. 6£f.

122 Sechstes Buch.

fürsten Zeiten war der Lustgarten die Promenade, die einzige innerhalb der Stadt, ffir die schöne Welt Berlins^.

Friedrich Wilhelm war eben dadurch so universell, dafs er die Rücksicht auf Schönheit und Anmut nicht Ober dem nüchternen Nützlichkeitsstandpunkt vergafs. Aber auch dieser ward nicht vernachlässigt. Der Kurfürst hatte schon 1658 die Neubefestigung Berlins nach der von Matthias Dogen, einem Neumftrker, systematisch weiter entwickelten altniederländischen Art, unter Memhardts Leitung, begonnen '. Bis 1662 war die Befestigung des eigentlichen Stadtteils Berlin, vom Stralauer bis zum Spandauer Tor, abgeschlossen; aber die Fortifikationsanlagen auf der sumpfigen Südseite von Colin erwiesen sich als schwierig und teuer. 1666 erhielt Ghi^ze, 1673 nach dessen Tode Biesen- dorf die Direktion. Leider wurde dieser hochbegabte Mann 1677 vor Stettin durch eine Kanonenkugel getötet. Trotz aller Hinder- nisse aber wurde 1683 das ganze Werk vollendet, mit dreizehn Bastionen und sechs Toren. Die Mauern , die die alte Doppel- stadt umgeben hatten, konnten nun niedergerissen werden. Die neuen Befestigungen waren ausschliefslich nach militärtechnischen Gesichtspunkten gezogen ^ ohne Rücksieht auf die vorhandenen Verkehrsverhältnisse, Strafsen-, Tor- und Wegeanlagen. Die ungünstige Einwirkung dieses Umstandes auf die Weiterent- wicklung des Verkehrs der entstehenden Grofsstadt dauert noch heute fort in der mangelhaften Verbindung der Altstadt mit den neuen Stadtteilen. Übrigens benutzte Friedrich Wilhelm die Umwandlung Berlins in eine Festung, um der dortigen Bürgerschaft und ihren Obrigkeiten alle militärischen Befugnisse und Pflichten abzunehmen; des Bürgers öffentliche Tätigkeit beschränkte sich nur noch auf Teilnahme am Feuerlöschen. Es mufste eben alles der Ausdehnung des fürstlichen Absolutismus, der Entmündigung der Untertanen dienen. Der Kurfürst hat zur Ausführung seiner Befestigungen ohne viel Bedenken städtische Ländereien in Gebrauch genommen. Anderseits hat er die Kosten des Baues fast vollständig selber getragen, auch die zur Arbeit herangezogenen Bürger gewissenhaft bezahlt, und Stadt wie

^ G. PagÖB, Les röfugids & Berlin; Bulletin de la Soci^tö de Tbist. du Protme fran9ai8, 1902, S. 135.

' Aufser den schon erwähnten Quellen: F. Holtze, Gesch. d. Be- festigung von Berlin (Mäa-k. Forsch., VII [1861] 41 ff.).

Siebenimddreifiaigstes Kapitel. KiirfOrst und Volkswohlstand. 123

Private fttr die Erträge, die ihnen die entzogenen Grundstttcke gebracht hatten, ziemlich ausreichend entschädigt.

Der Eindruck, den die von dem Grofsen Kurfürsten um- gestaltete Residenz bei den Fremden hervorrief, erweist die ganze Gröfse des von ihm bewirkten Umschwungs. Aus einer schmutzigen und verfallenen Landstadt hatte er eine schöne und saubere, seiner und des jungen Staates würdige Kapitale geschaffen. Nur ihm, nicht den geistig zurückgebliebenen, zäh am Alten hängenden und ängstlichen Bewohnern ist das Verdienst hierbei zuzuschreiben. „Die Gebäude," schildert 1676 der Franzose Patin seine Eindrücke von Berlin, „sind sehr regelmäfsig und zum grölseren Teile in italienischem Geschmack. Die Gärten sind mit Orangerien, Jasmin und allen möglichen Arten Blumen angefüllt Das Schlofs des Kurfürsten fiöfst Bewunderung ein. Alles schien mir so schön, dafs ich mir eine Öffnung im Himmel dachte, von wo die Sonne ihre Wohltaten über diese Erdenstrecke ausbreite.** *

Man darf sagen, Friedrich Wilhelm hat Berlin-CöUn seines mittelalterlichen Charakters in der äufseren Erscheinung ent- kleidet, es in eine moderne Stadt verwandelt so wie er es mit seinem ganzen Staate gemacht hatte. Freilich war hiermit ein Verlust an innerer Freiheit und Selbständigkeit verbunden. Schon der Umstand, dafs die Heranziehung vieler Hofleute und Hoflieferanten^ von Offizieren und R^fugi^s eine zahlreiche Klasse Vornehmer und Privilegierter schuf, die der städtischen Obrig- keit nicht unterstanden und als Besseres galten denn die Bürger, mufste Ansehen und Macht des Rates wesentlich mindern und einschränken. Nicht mehr die vollberechtigten Bürger waren die wichtigsten und angesehensten Bewohner der Stadt, sondern die Edelleute, Offiziere, höheren Beamten, sonstigen Eximierten, die alle mit Geringschätzung auf den Bürger herabsahen. Die Kraft und das Selbstbewufstsein des bürgerlichen Elementes wurde so gründlich gebrochen. Femer: da dieses sich unfähig zeigte, dem Verfalle der Doppelstadt abzuhelfen, Ordnung, Rein- lichkeit und Schönheitssinn in ihr zu betätigen, mufste der Landesherr selber diese Dinge in seiner Residenz zur Geltung bringen, und zwar durch wiederholte Verfügungen, die in die hergebrachten Befugnisse der städtischen Behörden tief eingriffen.

» Orlich, Friedr. Wüh., 292.

124 Sechates Buch.

Die Belegung Berlins mit einer starken Besatzung, seine Um- wandlung in eine Festung und die Ernennung eines Gouver- neurs mufsten dazu dienen, einmal die Waffenfähigkeit und das Waffenrecht der BQrger zu beseitigen, anderseits immer zahl- reichere Befugnisse der städtischen Polizei auf den kurfürstlichen Befehlshaber zu übertragen. Seit 1680 wurde ihm die Sorge für Strafsenreinigung, Pflasterung, Beleuchtung, Feuerwesen und öffentliche Brunnen zugewiesen, wofür er jährlich noch 2000 Taler aus der Accise erhielt. Die Magistrate wurden seine Unterbehörden für alle diese Zweige der städtischen Verwaltung. Endlich: die Einführung der Accise, deren Erhebung seit 1684 gänzlich dem Magistrat entzogen und kurfürstlichen Beamten überliefert wurde, hat der Doppelstadt das Recht der periodischen Steuerbewilligung genommen, hat den landesherrlichen Steuer- beamten den Eintritt in sie verschafft und schliefslicb den gesamten Stadthaushalt der Oberaufsicht dieser Beamten unter- worfen. Friedrich Wilhelm ist nicht planmäfsig an die Ver- nichtung der städtischen Selbständigkeit gegangen; aber das völlige Versagen der überlieferten kommunalen Verwaltung und die von ihm allein repräsentierte moderne Entwicklung haben Schritt für Schritt, mit zwingender Notwendigkeit die allmähliche Ersetzung jener Institutionen durch landesherrliche Allmacht sowie durch deren Beamtentum und Polizei bewirkt. Die städtischen Behörden übrigens, im Bewufstsein ihrer Schwäche und Unfähigkeit, haben dieser Umgestaltung nicht den leisesten Widerstand entgegengesetzt. Materielles Aufblühen und geistige Hebung entschädigte die gedemütigten und verarmten Bürger und deren Vertreter reichlich für den Verlust einer politischen Selbständigkeit, mit der sie nichts mehr anzufangen wufsten und die jedes Interesse für sie verloren hatte.

Der Grofse Kurfüi*st ist auch als der zweite Gründer der anderen Hohenzollemresidenz in der Kurmark, Potsdams, zu betrachten. Bei seinem Regierungsantritte enthielt das gänzlich verfallene Städtchen nur vier Strafsen an der Havel, mit wenigen Hunderten von Einwohnern. Er aber liefs durch Chifeze und dann durch Nering das Stadtschlofs erbauen, dafs er, wie das Berliner, mit einem Lustgarten ausstattete. Kurfürstin Dorothea liebte Potsdam sehr wegen seiner anmutigen Lage inmitten der Seen und Waldhügel der Havel, und ihr zu Liebe hielt sich dort ihr Gatte öfters auf. Er legte eine grofse Anzahl neuer

Siebenunddreifsigstes Kapitel. Kurfürst und Yolkswohlstand. 125

Strafsen an, deren Hlluser zum Teil den Hofbedienten zur Be- wohnung eingeräumt wurden. Ein Fasanengarten mit schlofs- ähnlichem Gebäude, weite baumbepflanzte Alleen erhöhten den Reiz der neuen Residenz. Lustschlösser entstanden auf Friedrich Wilhelms Geheifs in der Umgebung, zu Kaput, Borne, Klein- Glienicke und Fahrland. Gärten, Wasserkünste, Grotten, Statuen aller Art zierten diese Schlösser, zu denen er mit seiner Ge- mahlin und zahlreichem Gefolge auf reichgeschmttckten Kähnen zu fahren liebte^. Es war ein ästhetisch-schönes, heiteres, glänzendes Treiben, das auf diesem herrlichsten Flecken des märkischen Landes entstand. Kein Hohenzoller hat so mit der Förderung der wahren Aufgaben und der realen Macht des Staates lebhafte und frohe, wirklich anziehende und erquickliche Betätigung des künstlerischen Lebensgenusses verbunden wie Kurfürst Friedrich Wilhelm, der es wohl verdient, wie sein grofser Urenkel, der Einzige genannt zu werden.

1 Nicolai, m», S. llllff. 1131f.

Achtuoddreilsigstes Kapitel.

Die Religionsbekenntnisse.

Man sollte voraussetzen, ein jeder vom Geiste der Religion durchdrungene Mensch müsse von selbst geneigt sein, der religiösen Überzeugung jedes anderen volle Berechtigung zu gewahren. Gerade die Bedeutung, die der wahrhaft Religiöse seinem eigenen Glauben als dem ihn durchaus beherrschenden und leitenden zuschreibt, sollte ihm die Achtung vor der fremden Individualität einflöfsen, die gleichfalls der sie erfüllenden tief innerlichen Empfindung unbedingt treu ist. Leider hat die Beimischung eines starken und harten Kirchentums seit Jahr- tausenden die Religion beeinflufst, so dafs sie gleichsam not- gedrungen als mit Unduldsamkeit und Ausschliefsung, ja, mit Ver- folgung gepaart erschien. Auch zur Zeit des Grofsen Kurfürsten: gerade damals waren die Frommen aller Bekenntnisse zugleich die Unduldsamen. Anders Friedrich Wilhelm. Er blieb freilich durch sein ganzes vielbewegtes Leben der echt religiöse Mensch, der er schon in seiner Jugend gewesen war. „Ich bin,** sagte er 1680 zu dem englischen Gesandten Southwell, „sehr dankbar für die Wohltaten, die ich von Gott empfangen habe. Nie werde ich Gott vergessen, der mich nie verlassen hat." Er sprach mit so viel Eifer und Gefühl von der Religion, dafs ihm die Tränen in die Augen traten ^. Aber die traurigen Erfahrungen des dreifsigjährigen unentschiedenen Glaubenskrieges, der Ver- kehr in dem aufgeklärten und freidenkenden Holland, seine eigene, klare und scharfe Einsicht liefsen ihn durchaus zwischen Religion und Kirchentum unterscheiden und befestigten in ihm den

* Raum er, Beiträge, TU, 463.

Achtunddreifsigstee Kapitel. Die Beligionsbekeimtnisse. 127

Grundsatz, dars in Sachen des Glaubens ein jeder volle Freiheit und das Recht auf die Wahrheit besitze, wie er sie verstehe. Oft hat Friedrich Wilhelm es als Prinzip seiner Regierung ausgesprochen: er mafse sich keinerlei Herrschaft Ober das Gewissen seiner Untertanen an. Man sieht, es ist im Grunde dieselbe Maxime, die den grorsen Friedrich zu dem Aus- spruche veranlafste : in seinem Staate könne jeder nach seiner Fa(on selig werden. Friedrich Wilhelm drückte das vielmehr in den Worten aus: „Wir wollen keines Gewissen konstringieret haben. ^ ^ Nur dafs die konfessionelle Friedensliebe und Friedens- sehnsucht bei dem Kurfürsten, weil er ein positiv gläubiger Mann war, tätiger auftrat als bei seinem Urenkel, der, da er skeptisch gesinnt war, sich den verschiedenen Verhältnissen gegenüber passiv verhielt. Der Grofse Kurfürst hat mit nie erlahmendem herzlichen Eifer immer wieder die Vereinigung der beiden evangelischen Bekenntnisse angestrebt. Sein klarer , von keinen mystischen Phrasen umdunkelter Verstand sagte ihm, dafs nur nebensächliche Streitpunkte, die mit dem inneren Heilsbedürfnis nichts Wesentliches zu tun haben, jene Konfessionen trennen, nnd sein zutreffendes Urteil belehrte ihn, dafs nur engste Ver- einigung den Protestantismus überhaupt vor der überlegenen Macht seiner Feinde zu retten vermöge. Trotz vieler trüben Erfahrungen lud er im März 1662 die lutherische Geistlichkeit seiner Residenz Berlin-CöUn zu einem freundschaftlichen Religions- gespräche mit hervorragenden reformierten Theologen ein. Es sollte damit „nicht allein ein Versuch getan, sondern auch ein guter Anfang zur brüderlichen Verträglichkeit gemacht, den anderen aber ein christliches Beispiel zur Nachfolge gegeben werden." Das Unternehmen scheiterte an der Hartnäckigkeit und Unduldsamkeit der Lutheraner. Der eine Reinhardt erklärte, er könne die Reformierten nicht als Brüder anerkennen ; der andere kein geringerer als Paul Gerhardt er könne sie nicht für Christen halten. Unter einem Verwände brachen sie die Verhandlung ab. Es ist nicht zu verwundern, dafs nach so kränkenden Vorgängen die reformierten Theologen spätere Versöhnungsvorschläge, wie der eifrig in irenischem Sinne tätige Schotte Johann Duräus solche mit Zustimmung des Kurfürsten

1 Erklärung an die preuls. Stände vom 12./22. Dez. 1661; Orlioh, Preufe. Staat, in, 110.

128 Sechstes Buch.

ihnen unterbreitete, als bei der Stimmung der Lutheraner hoffnungslos bezeichneten ^ Aber bis zu seinem Lebensende hielt Friedrich Wilhelm an dem Gedanken der Union fest. „Ich wQnsche sie in meinen Staaten und, durch mein Beispiel, ander- wärts zu bewirken, zu einer einzigen und gleichen Kommunion durch die Vereinigung der Ansichten und des Kultus." * In der Tat, er wurde nicht müde, auch nach aufsen hin zu Gunsten der Union zu arbeiten, in der allein er die Möglichkeit erblickte, den von den Altgläubigen immer härter bedrängten Protestantis- mus zu retten. „Stiftung mehrerer Eintracht und guter Harmonie zwischen Evangelischen*' , „nähere Zusammensetzung eines besseren Vertrauens zwischen den evangelischen Kirchen", empfahl er immer wieder dem mächtigsten Vertreter des Luthertums in Deutschland, dem Kurfürsten von Sachsen. Johann Georg III. lehnte kühl ab, da die Anschauungen der Reformierten sich mit dem Grunde des wahren seligmachenden Glaubens nicht vereinen liefsen*. War es doch die Zeit, wo Calow in Wittenberg und Hülsemann in Leipzig die Versöhnlichen, die „synkretistischen Mameluken", als schlimmer denn die „türkischen Heiden" schilderten, die Mischehe zwischen Lutheranern und Reformierten als eine Todsünde vei'fluchten.

In Ermanglung der Union sollte wenigstens äufserlich Friede und Eintracht unter den Bekennern der protestantischen Religions- gemeinschaften herrschen^. Am 2. Juni 1662 veröffentlichte Friedrich Wilhelm das erste seiner „Toleranzedikte"; es war aus der Feder seines Hofpredigers Stosch geflossen. Es unter- sagte, negativ, das „Verdammen, Verketzern, Benennen und Verhöhnen der Personen oder Kirchenlehrer, die spöttische Ver- stellung und Verkehrung der Lehren". Es schrieb, positiv, vor, „das Wort Gottes lauter und rein zu predigen, wie solches in den prophetischen apostolischen Schriften gegründet und in den vier Hauptsymbolis der Augsburgischen Konfession von 1530 und deren Apologie widerholt ist". Die Kandidaten des Prediger- standes hatten einen dahingehenden Revers zu unterschreiben.

' Landwehr, 205. 208 ff. 317 ff.

Droysen, IH, HI 277.

' B.. Schmertosch, Kursachsen und Kurbrandenburg für d. protest. Ungarn (Neues Arch. f. sächs. Gesch., XVIII [Dresden 1897], 75 ff.).

* Das Folgende nach Mylius, I, I 375ff.; IH, 129. 146; Land- wehr, 215 ff.

Achtanddreifsigstes Kapitel. Die Beligionsbekenntnisse. 129

Ein zweites Edikt, dafs unter des Kurfürsten eigener Mitarbeit entstanden ist und am 16. September 1664 veröffentlicht wurde, verbietet noch einmal die im Schwange gehenden Verketzerungen and befiehlt selbst den schon im Amte befindlichen Predigern, sich hierzu durch einen Revers zu verpflichten. Das war nichts Neues und Unerhörtes: einen ähnlichen Bevers hatte schon 1614 Korffirst Johann Sigismund gefordert und hatten damals die brandenburgischen Prediger unterschrieben. In dem fanatisch lutherischen Preufsen war Friedrich Wilhelm nicht weniger auf Herstellung des Religionsfriedens bedacht. Als 1662 die Stellung eines Offizials bei dem samländischen Konsistorium frei wurde, erkor er dazu ein ^»frommes, friedliebendes Subjekf*, den Dr. Dirschau. Der erhielt noch besonders den Auftrag, er „solle, soviel an ihm ist, alles dasjenige tun, was zur Beförderung des Eirchenfriedens und der Eintracht gereichen möge."

Aber selbst dieses bescheidenere Streben : die evangelischen Bekenntnisse zu gegenseitiger Duldung zu bestimmen, konnte er nur in hartem Kampfe durchsetzen. Die lutherische Geistlich- keit, mehr von Flacius' als von Melanchthons Gesinnung erfüllt, zeichnete sich beständig durch ihre unversöhnliche Stimmung aus. Die Königsberger empörten sich gegen das Verbot, die reformierte Lehre als „Seelengift'' zu bezeichnen. Einer der Königsberger Prediger, Schröder, konnte nur durch längere Haft gezähmt werden. Aber nicht nur die Geistlichen, auch die preufsischen Stände donnerten immer wieder gegen jede Art der Versöhnung. Letztere beschwerten sich, dafs die sogenannten „Synkretisten", die Duldsamen unter den lutherischen Geistlichen, ^sich immer mehr und mehr einwurzeln und die vornehmsten Stellen im Predigtamte erhalten*'. Sie entblödeten sich nicht zu behaupten, dafs diese Männer des Friedens „der Kirche Ruhe und Wohl- stand benähmen". Sie forderten wiederholt sogar die Unter- drückung des exercitium reformatae religionis im Herzogtum. Indes der Kurfürst kehrte sich an so engherzige Klagen nicht. Die Königsberger mufsten sich seinem bestimmten Befehle unter- werfen und im Dezember 1668 die Reformierten zum Bürger- recht ihrer Dreistadt zulassend

^ Über diese preufsischen Streitigkeiten siehe: Landwehr, 173 ff.; U. u. A. XVI, 293. 358. 491. 546. 585. 609ff. 658 ff. 713. 777. 817; Orlich, If 272 f. 390; Bibbeok, Lincker (Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch. Xn [1899] 471).

Philippson, Der Orofoe Kurfarst. III. 9

130 Sechstes Buch.

Der Hafs der eifrigen Lutheraner richtete sich besonders gegen zwei theologische Professoren der Königsberger Universität, Dreier und Zeidler, die es wagten, der Annäherung der ver- schiedenen christlichen Kirchen aneinander das Wort zu reden. Das entsprach eigentlich den Wünschen, die der Kurfürst schon längst geäufsert hatte: allein auf das Andrängen seines Statt- halters Fürsten Radziwill, der gern den Ständen möglichst ent- gegenkam, erteilte er den beiden Professoren einen Verweis, ja beschränkte ihnen die Predigt. Hierdurch ermutigt, ver- langten die Stände wiederholt deren Absetzung. Indes Friedrich Wilhelm hatte inzwischen Gelegenheit gefunden, jene uner- schrockenen Verteidiger des religiösen Friedens selber zu hören. Er verwarf darauf, 1676, das Anliegen der Stände , da .man Doktor Dreier und Zeidler allein darum hafst, weil sie die reformierte Kirche nicht verdammen wollen." Vielmehr setzte er in mehrere von ihm abhängende lutherische Pfarreien Königsbergs friedliebende Männer ein, Anhänger Dreiers. Es folgten selbstverständlich von selten der übrigen Königsberger Geistlichkeit erschreckliche Beschwerden über die Ernennung solcher „Synkretisten*', und die Ritterschaft hatte gar die Keck- heit, mit Klagen in Warschau zu drohen (1669). Ein besänf- tigendes Edikt des Kurfürsten hatte lediglich die Wirkung, die Stände in ihren Forderungen zu bestärken: noch 1671 und 1675 verlangten sie die Ausstofsung aller Synkretisten aus den Pfarreien und theologischen Lehrstühlen; die „breiten sich" angeblich „immer weiter aus, drängen sich in alle Vakanzen und haben die Universitäten nun ganz erobert*'.

Friedrich Wilhelm liefs sich in seiner wohlerwogenen Duld- samkeit nicht beirren. Er antwortete meist mit gütigen und versöhnlichen Worten, allein er änderte seine Handlungsweise nicht. Die Synkretisten blieben; und wenn die Reformierten in Preufsen sich auch aus Geldmangel keine der drei ihnen zugestandenen Kirchen bauen konnten, so besafsen sie doch Betstuben zu Königsberg, Memel, Hilgenburg, in dem Amte Schön- berg und auf dem Schlosse der Grafen Dohna. In Pillau wurde eine Kirche zum Gottesdienste beider evangelischer Bekenntnisse benutzt. Es war hier die Religionsfreiheit für die drei christ- lichen Konfessionen tatsächlich durchgeführt.

Der Kampf wogte ebenso heftig in der Kurmark. Unter den Augen des Kurfürsten, in der Residenz Berlin, führte man

Achtanddreilsigstes Kapitel. Die Beligionsbekenntnisse. X31

im GymDasium zum Grauen Kloster 1661 eine Komödie, die „Einsetzung des Abendmahls' auf, die diese geweihte Handlung nach dem reformierten Ritus zum Gegenstande schändlicher Narrenspossen machte \ Der Kurfürst nahm den Handschuh entschlossen auf. Im März 1662 wies eine Verfügung die Studenten der Theologie darauf hin, das Studium der heiligen Schrift anstatt der von Menschen geschriebenen Bücher der Bekenntnisschriften zu betreiben. In den Prüfungen solle darauf gesehen werden, dafs sie den wahren Glauben und die eigentlich christliche Lehre inne hätten, ohne dafs sie „auf sabtile Streit- und Schulfragen zu antworten wursten** ; sie sollen „sich 4er feuchtigen und unnützen Fragen und der schändlichen Wortkriege entschlagen**. Der Besuch der besonders unduld- samen kursächsischen Universität Wittenberg ward den Landes- kindem untersagt Eine Beschwerde der Sachsen hierüber liefs der Kurfürst nicht gelten: er habe nicht beabsichtigt, Jene hochberühmte Universität zu beschimpfen, sondern seine Lande in Ruhe und Einigkeit zu erhalten.** Die brandenburgischen Geistlichen unterlagen nunmehr in Schrift und Predigt einer sorgfältigen Überwachung und wurden, wenn sie die Reformierten beleidigten, zur Verantwortung gezogen. Das geschah jedoch immer in milder Weise, und der Kurfürst dämpfte wiederholt die allzugrofse Rachsucht seiner eigenen reformierten Geistlich- keit Es lag ihm vor allem daran zu beweisen: er habe „nicht im Gedanken, jemanden in seiner Gewissensfreiheit zu kränken** ^.

Um so unerbittlicher zeigte er sich gegen diejenigen Geist- lichen, die die Unterzeichnung der in seinen Edikten von 1662 und 1664 geforderten Reverse verweigerten. Seinen Standpunkt in dieser Frage hat er selber durch eine Erklärung vom 4. Mai 1665 dargelegt, die auf seine Denkweise ein helles Licht wirft ^:

„Und so haben Se. Kurf. Durchl. auch über keines Unter- tanen Gewissen und Religion jemals einige Gewalt geübt, noch auch wegen ungleichen Glaubensbekenntnis jemanden angefeindet, sondern allen und jeden gleiche Gnade und Beförderung wider- fahren lassen. Und dahin sind auch alle in Religionssachen ergangene Edikte gemeint gewesen; nicht aber eine Religions-

1 Gallus, Gesch. d. Mark Brandenburg, IV»(Züllichau 1801)8. 213. « Mylius, I, I 373 ff., I, II 79ff. U. u. A.. XI, 265. 611 f. «Mylius,!, I 385 ff.

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mengerei einzuführen, viel weniger jemanden wider sein Ge- wissen etwas zu glauben aufzudringen, oder der in diesen Landen üblichen Gottesdienste und der lutherischen Religion Exercitia zu verhindern oder zu verändern; sondern, weil es die Er- fahrung bezeuget, dafs gleich wie der Satan kein schädlicheres Gift in die Lande ausgiersen kann, als wenn er bei ungleicher Religion Anlafs nimmt, zwischen Obrigkeit und Untertanen, zwischen Bürgern und Mitbürgern Mifstrauen, Bitterkeit und Hafs einzupflanzen also ihm auch solche Bosheit am besten gelinget, wenn Lehrer und Prediger nicht allein ihre Meinungen, so gut sie können, behaupten und, was sie für irrig halten, ver- neinen, sondern auch die Dissentierenden mit anzüglichen Namen verlästern, ihre Lehre verkehren, aus derselben abscheuliche Dinge folgern. Hingegen eben dieselbe Erfahrung nebst der heiligen Schrift auch bezeuget, dafs, wo Sanftmut, Bescheiden- heit und Aufrichtigkeit gebrauchet und die streitigen Fragen, ohne falsche Beschuldigungen und Lästerungen, in der Furcht Gottes und in der Liebe erörtert werden, alsdann die Herzen disponieret, zubereitet und gleichsam geöffnet werden, damit endlich die göttliche Wahrheit, sie möge sein, bei welchem Teile sie wolle, überall Platz finde und erkannt werde."

Friedrich Wilhelm ging hier von dem gleichen Standpunkte aus, wie seine Zeitgenossen Leibniz, Rojas, Duraeus, Samuel Pufendorf Männer, die in wahrhaft religiöser Gesinnung dem geistlichen Gezanke ihrer, ja wir müssen sagen auch unserer Zeit weit vorangeeilt waren. Aber diese waren Ge- lehrte, Denker: in Friedrich Wilhelm haben wir einen Fürsten, der, inmitten schwerer und steter diplomatischer, administrativer und militärischer .Beschäftigungen, nur durch tief innerliche Frömmigkeit und klaren Verstand zu einer so erhabenen An- schauungsweise geführt worden ist. Während fast alle übrigen Herrscher jener Zeit ihre Macht darin betätigten, dafs sie ihre eigene Religionsmeinung sämtlichen Untertauen aufnötigten, hat der Grofse Kurfürst den seinen in hochherzigster Weise voll- kommene Gewissensfreiheit gewährt, ja, man darf sagen: auf- gezwungen zum leuchtenden Vorbild für die Zukunft. Sein Zorn und seine Strafen trafen nur diejenigen, die den Gewissens- druck und die Verfolgung Andersgläubiger betrieben.

Zu ihnen gehörte leider auch der Diakonus an der Berliner Nikolaikirche, Paul Gerhardt, der Dichter so vieler herrlicher,

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tief empfandener, wahrhaft poetischer Kirchenlieder. Er fühlte sich, wie manche seiner Kollegen, in seinem Gewissen gedrungen, ao den symbolischen Büchern seiner lutherischen Kirche, die von ihnen beschworen waren, sowie an der Bekämpfung der Anders- gläubigen festzuhalten, die ihnen zur Verteidigung ihrer Kirche unentbehrlich erschien. Aufserdem erblickte er fälschlich in den Anordnungen des Kurfürsten eine Vorbereitung zu völliger Unter- drückung des Luthertums. „Wenn es bei Kurf. Durchl. unserm gnädigsten Herrn stände** , schrieb damals ein anderer Berliner Geistlicher, „es würde alles genau observieret werden; allein der Aposteln sind zu viele, welche den frommen Herrn wider die Lutheraner verhetzen, alle guten Intentiones hindern, die Decla- rationes durchlöchern.** Obwohl Gerhardt bisher nicht zu den Eiferern gegen die Reformierten gehört hatte, verweigerte er nicht allein selber die Unterzeichnung des Reverses, sondern ermahnte auch die übrigen Prediger zu gleichem Widerstände. Er wurde darauf (1665) von seinem Amte suspendiert. Da sich aber der Magistrat von Berlin und sogar die Stände der Kurmark eifrigst für ihn verwandten, setzte ihn der Kurfürst am 9. Januar 1667 wieder in seine Befugnisse ein, allerdings unter der Begründung, dafs offenbar Gerhardt früher „die Meinung der Edikte nicht recht begriffen habe**. Gerade dieser Zusatz liefs den gewissen- haften Geistlichen vermuten, er müsse sich zur Beobachtung der Toleranzedikte, die er doch verwarf, verpflichten ; und eben des- halb lehnte er die Wiederaufnahme seines Amtes ab. Der Kur- fürst war entrüstet über solche Hartnäckigkeit. Er wies nun- mehr, 4. Februar 1667, den Patron der Nikolaikirche, den Magi- strat von Berlin, an, nur „friedliebende Leute *" zur Ablegung der Probepredigt aufzufordern und den schliefslich zu Vozieren- deu erst seiner eigenen landesherrlichen Bestätigung zu unter- werfen \

Das Schicksal Gerhardts traf auch andere Berliner Geist- liche, wie den als Eiferer berüchtigten Archidiakon Reinhardt und den Propst Lilius; der letztere hat sich dann unterworfen und wurde wieder angestellt. Diese Nachgiebigkeit aber wurde ihm von seiner Gemeinde derart verübelt, dafs er bis zu seinem

» E. G. Roth, Paul Gerhardt (Lübben 1832), S. 14 ff. E. C. G. Langbecker, Leben und Lieder von P. Gerhardt (Berlin 184 IX S. 96 ff. Orlich, Preufs. Staat, III, 172. Landwehr, Barthol. Stosch (Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., VI [1893]), S. 91).

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bald darauf erfolgendeD Tode vor leeren Bänken predigte*. Ein anderer „Abtrünniger'' war der Predigtamtskandidat David Gigas an der Nikolaikirche. Da er den Revers unterschrieben, wurde er von der Gemeinde übel angesehen und durch den Diakon Lorenz gar vom Abendmahl ausgeschlossen. Um sich zu rehabi- litieren, widerrief er nicht nur seine Unterschrift, sondern hielt auch am Neujahrstage 1667 eine mafslos heftige und aufreizende Predigt, die geradezu den Aufruhr anriet. Darauf liefs der Kurfürst ihn verhaften und nach Spandau abführen. Erst als einige reformierte Gemeinden in vorwiegend lutherischen Staaten sich, aus Besorgnis vor Gegenmafsregeln, für Gigas verwandten, ward dieser der Haft entlassen, aber aus den Städten Berlin und Colin verbannt. Schlimm erging es auch dem Propst an der CöUnischen Peterskirche, Andreas Fromm. Dieser Geist- liche, ein hervorragender Prediger, hatte seine Stellung haupt- sächlich durch grofses Entgegenkommen den Reformierten gegen- über erlangt ; man meinte sogar, er werde ganz zu ihrer Gemein- schaft übertreten. Plötzlich aber wandte sich der unstäte, leicht verletzliche Mann gegen die friedfertige Religionspolitik des Kur- fürsten, die er, ebenso wie das reformierte Bekenntnis, mündlich und schriftlich mit Heftigkeit angriff. Friedrich Wilhelm suchte ihn durch Milde auf den Weg der Vernunft und des Anstandes zurückzubringnn. Es war vergebens. Als er sich von der Ab- setzung bedroht sah, entwich er im August 1666 aus Berlin. Er ist wenige Monate später in Prag katholisch und, obwohl ver- heiratet und Vater von fünf Kindern, 1669 Priester geworden*. Die Berliner Geistlichkeit hat sich, trotz dieser Verluste, nach Kräften gegen die Zumutung des Reverses gewehrt. Sie erwirkte von einer Anzahl theologischer Fakultäten Gutachten, die das Vorgehen des Kurfürsten mifsbill igten. Sie wandte sich an den Rat der Stadt Berlin und an die kurmärkischen Stände, die selbstverständlich ihre Partei ergriffen und den Synkretismus als der Kirche Gottes höchst gefährlich verwarfen*. Allein Friedrich Wilhelm bestand unerschütterlich auf seinem Willen,

^ W. Ribbeck, Aus d. Berichten d. hess. Sekr. Lincker v. Berlin. Hofe. (Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., XII [1899]), S. 466 ff.

Orlich, Der Grofse Kurf., 274 ff.

* Hering, Neue Beiträge zur Gesch. der Reform. Kirche in den preufs.-brandenb. Ländern, 11 (Breslau 1787), 188 ff. Landvtrehr, Kirchenpol. d. Grofs. Kurf., 218. 222ff.

Achtonddreifsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnisse. 135

,da er weder durch dieses Edikt noch sonsten die Gewissens- freiheit zu benehmen noch dem lutherischen Gottesdienste die Ruhe zu mifsgönnen gemeint gewesen es wäre denn, dafs die Gewissensfreiheit in Verketzerung, Verlästerung und Ver- dammen der Reformierten bestände". Die meisten lutherischen Geistlichen in der Eurmark unterwarfen sich: zweihundert von ihnen unterzeichneten den Revers.

Der Kurfürst aber hegte den Verdacht, dafs einige seiner Räte die Renitenten in ihrem Widerstände ermutigten. Er begehrte also von ihnen, dafs sie durch ihre Unterschrift bezeugten, seine Toleranzedikte aufrecht erhalten und mit den- jenigen, die einer evangelischen Union zuneigten, Gemeinschaft bewahren zu wollen. Allein er konnte sie zu einer solchen Zu- sieherung nicht bewegen. Ja, der ebenso gründlich wie fein- gebildete Konsistorial- und Kammergerichtsrat Martin Seidel, der Abkömmling einer alten Berliner Beamtenfamilie, setzte das konfessionelle Interesse so weit über vaterländische Treue und Anhänglichkeit an den angeborenen Fürsten, dafs er 1670 den heunischen Dienst mit dem feindlichen, aber echt lutherischen schwedischen vertauschte^.

Der auf die lutherischen Geistlichen geübte Zwang wurde später dadurch gemildert, dafs er nur auf die neu anzustellenden angewandt und auch bei ihnen lediglich in der Form einer münd- lichen Verpflichtung geltend gemacht wurde.

Aber wie in der Kurmark und in Preufsen, so wollte auch in seinen übrigen Landen Friedrich Wilhelm den Frieden zwischen den evangelischen Bekenntnissen gründen und aufrechterhalten. Bereits 1664, lange ehe die Stadt Magdeburg zum Kurfürstentum gehörte, untersagte er den dortigen Geistlichen das gegenseitige Verketzern. Die Mehrzahl von ihnen widersprach, allein schon traten einige auf seine Seite. Als indes 1680 die Stadt mitsamt dem Erzstift endgültig an Brandenburg fiel, wurde das Verbot des Angriffs auf die andersdenkenden Evangelischen mit Nach- druck durchgeführt. Die Forderung der magdeburgischen Stände, dafs die bergische Konkordienformel, die die Trennung von den Reformierten auf das schärfste hervorhob, von dem Kurfürsten der Augsburgischen Konfession an Gültigkeit für die Evangeli- schen des Herzogtums gleichgestellt werde, fand bei Friedrich

* U. u. A., XrV, 884f. Schwebel, Gesch. d. Stadt Berlin, 11, 52.

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Wilhelm selbstverständlich schroffe Zurflckweisong. Überall erblicken wir diesen Fürsten als den Vertreter der Denkfreiheit und moderner Anschauung gegenüber dem zurückgebliebenen Wesen der Bevölkerung und zumal der Vertreter der bevor- rechteten Bevölkerungsklassen.

Er forderte Versöhnlichkeit und Friedfertigkeit nicht nur wie man häufig behauptet hat von den Lutheranern, sondern auch von seinen reformierten Bekenntnisgenossen. Als die theologische Fakultät in Frankfurt a. d. Oder 1664 gestattete, dafs Eusebius von Brandt, des neumärkischen Kanzlers Christoph jüngerer Bruder, den der Kurfürst zum Diplomaten erziehen liefs, in einer Disputation mit grofser Schärfe den kalvinischen Standpunkt gegenüber den Lutheranern vertrat, war Friedrich Wilhelm darüber so aufgebracht, dafs er gegen die Fakultät mit Strenge einschritt^. Gegen einige seiner vertrautesten Räte, wie Schwerin und Jena, nahm er Partei für die Lutheraner, sobald diesen, seiner Meinung nach, Unrecht geschah. Er liefs, den Bitten der Einwohner des neumärkischen Städtchens Fürsten- felde zufolge, den reformierten Prediger, der ihnen aufgedrungen war, abschaffen und durch einen lutherischen ersetzen. In seinen rheinischen Landen, wo die Lutheraner in der Minderheit waren, hat er deren Gemeinden mit Eifer gegen die Unduldsamkeit der reformierten Mehrheit beschützt. Auch hier begegnete er dem Vorwurfe: er verletze die Rechte des Landes und zerstöre dessen Religion. Ja, noch mehr: er, den die lutherischen Zeloten anklagten, die Vernichtung ihres Bekenntnisses zu betreiben, trat im Auslande für dasselbe ein. Als auf Befehl der General- staaten in der niederländischen Stadt Groningen der lutherische Gottesdienst untersagt und der lutherische Prediger ausgewiesen wurde, erhob der Kurfürst bei den Hochmögenden lebhafte und wiederholte Vorstellungen. Er setzte es schliefslich durch, dafs die Lutheraner in Groningen ungestört ihren Kultus abhalten konnten *.

Friedrich Wilhelm war also aufgeklärter, gerechter und duldsamer als selbst die Niederländer, deren Gebiet doch als das gelobte Land der Gewissensfreiheit, als die Zuflucht aller

* [Schultze], Preuf siecher Todestempel, S. 18. « Orlich, Der Grofee Kurf., 264. 277 f.; Preufs. Staat, III, 271 f. - Droysen, III, III 277.

AchtonddreKsigstes Kapitel. Die BeligionsbekenntniBse. 137

wegen der Keligion Bedrängten galt. Wahrlich, es ist dies das schönste Blatt in dem Lorbeerkranze, der das Haupt dieses grofsen Hohenzollem ziert!

Es ist selbstverständlich, dafs bei aller Duldsamkeit die Sorgfalt des Kurfürsten doch zumeist seinen engeren Glaubens- genossen, den Reformierten, galt. Er begründete ihnen an ver- schiedenen Orten Gemeinden, aber nur da, wo sich das Bedürfnis hierfür herausstellte, also namentlich infolge der Kolonisation durch Holländer und andere reformierte Einwanderer. In Frank- furt a. d. Oder wurden die Lutheraner durch militärische Gewalt gezwungen, den Reformierten die ihnen rechtmäfsig zustehende Mitbenutzung der verlassenen Nikolaikirche einzuräumen. Sonst ging aber gerade in dieser Beziehung Friedrich Wilhelm mit grofser Vorsicht zuwege, so dafs z. B. die holländischen Kolo- nisten die Altmark wieder verliefsen, weil sie dort keine Kirche erhalten konnten. Im ganzen besafs 1680, vor dem EintreflPen der Hugenotten, das reformierte Bekenntnis in der Kurmark sechzehn Kirchengemeinden, die von einem in Berlin residieren- den Konsistorium geleitet wurden. Der KurfQrst errichtete einige reformierte Gemeinden auch in Pommern. Der Wider- spruch des Königs von Schweden, der als Eventualerbe diese Neuerung nicht gestatten wollte, fand schon seitens des branden- burgischen Gesandten in Stockholm, von Krockow, gebührende Abfertigung ^.

Der Kurfürst suchte sein Bekenntnis auch im Auslande gegen lutherische Ausschliefslichkeit zu schützen. Als König Karl II. von England 1661 den Lutheranern den Bau einer Kirche in London zu gestatten verhiefs, stellte er ihm vor, das möge nicht eher erlaubt werden, als bis England sich versichert habe, dafs den Reformierten die öffentliche Ausübung ihrer Religion auch in den lutherischen Städten des königlichen Preufseu, sowie in Hamburg und Lübeck zugestanden werde*. Nachdem er 1684 bis 1686 die Stadt Hamburg vor den Feindselig- keiten zuerst der braunschweigischen Herzoge, dann sogar des Königs von Dänemark gerettet hatte, forderte er zum Entgelt freie Religionsübung für seine dortigen Glaubensverwandten ; er

^ Hering, Neue Beiträge Bd. I u. II, passim. Orlich, Preufs. Staat, I, 416. U. u. A., IX, 522. » U. u. A., IX 522.

138 Sedistes Buch.

setzte es mit Mühe durch, dafs der Hamburger Rat ihnen solche wenigstens in einem Privathause zugestand^.

Man bedenke die Schärfe des Gegensatzes, wie er damals zwischen Katholizismus und Protestantismus bestand und sich zumal in den Verfolgungen aussprach, die in Ungarn, Frank- reich, Italien die katholische Staatsgewalt über neugläubige Untertanen verhängte, anderseits aber auch dazu führte, dafs Lutheraner in Berlin sich weigerten, ihr Haus dem französischen Gesandten zu vermieten, „weil Gott es ihnen als Verbrechen anrechnen würde, dafs sie in ihrem Hause hätten die Messe sagen lassen*'^. Erst so können wir zur Genüge die Duldsam- keit würdigen, die Friedrich Wilhelm seinen katholischen Unter- tanen bewies. Er stellte in ganz moderner Weise die Idee des Staates über den konfessionellen Gegensatz. Wie er es denn in offizieller Form ausspricht, dafs „Wir niemand respectu religionis in einiger Weise widerrechtlich beschweren, auch nicht minder den Katholischen als Unseres Glaubens Verwandten unparteiische Justiz administrieren zu lassen gemeinet** sind. Als er 1669 Kaiser Leopold mit Repressalien gegen die katholischen Unter- tanen Brandenburgs bedrohte, falls nicht die Evangelischen in Jülich-Berg bessere Behandlung erführen, durfte er von sich sagen: „Ich habe bishero die Römisch-Katholischen allhier der- gestalt geschützt und aller Freiheit geniefsen lassen, dafs des- falls die geringste Klage wohl nicht wird gehöret sein, sondern vielmehr alle Geistlichen Mir das Zeugnis geben, dafs Ich die- selben bishero dergestalt regieret, dafs, ob sie auch unter römisch-katholischer Obrigkeit gewesen wären, sie es nicht besser hätten wünschen können"®. Friedrich Wilhelm trug in seiner aus Güte und politischer Klugheit gemischten Weise zumal den klevischen Katholiken so sehr Rechnung, dafs dies die Besorgnis seiner reformierten Räte erregte. „Die Katho- liken", schreibt Jena an den Oberpräsidenten von Schwerin im September 1661 aus Kleve, „nehmen Se. Kurf. Durchl. sehr ein, davon ich nicht alles schreiben mag, und wünsche auch deswegen,

' Ms. BidaJ (französ. Resident im Hamburg) an Louvois, 22. Nov. 1686, 4t, Juli 1687 (Auszüge); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. 94, IV Hb, 10 /S.

' Graf E6benac an seinen Vater, 26. JuH 1681; Gallois, Lettres de Feuquiferes, V, 239 f.

* M. Lehmann, Preufsen u. die kathol. Kirche, I, 164. 169.

AchtimddreilsigBtes Kapitel. Die ReligionabekeTintnisse. 139

dafs wir bald von hier möchten ** ^ Nicht minder protestierte in Preufsen die lutherische Geistlichkeit, wie gegen die Duldung der Reformierten, Juden, Arianer und Mennoniten, so auch gegen die der Katholiken, die sie mit den ärgsten Schmähungen überhäufte. Allein Friedrich Wilhelm liefs sich dadurch nicht beirren, seinen katholischen Untertanen volle Duldung zu gewähren. In der Stadt Halberstadt liefs er sechs Klöster mit einigen achtzig Ordensgeistlichen fortbestehen, auf dem Lande von Halberstadt weitere sechs Klöster. In zehn Kirchen des Halberstädtischen wurde Messe gelesen; noch 1711 gab es in der Stadt 770 katholische Laien. Der Kurfürst ging in seiner peinlichen Gewissenhaftigkeit so weit, die schändliche Ver- schwendung und Üppigkeit einiger Halberstädter Klöster und die sträfliche Nachsicht der kirchlichen Visitation derselben zu dulden, nur um die Rechte der katholischen Geistlichkeit nicht anzutasten '.

Auffallend, ja bis zur Ungerechtigkeit gesteigert war die Gunst, die er in den neu erworbenen pomerellischen Herr- schaften Lauenburg und Btltow sowie in der Starostei Draheim den Katholiken erwies". Die drei Gebiete waren im ersten Drittel des siebzehnten Jahrhunderts durchaus lutherisch gewesen. Aber dann hatten die Polen die Pfarrer verjagt und die Kirchen zum Oberwiegenden Teile für den Katholizismus in Besitz genommen, die Pfarreinkünfte allerorten katholischen Geistlichen übertragen. Als nach dem Frieden von Oliva die drei Gebiete an den Brandenburger übergingen, hatte die protestantische Bevölkerung die Bückkehr zu den alten Zuständen erwartet. Sie wurde aber grausam enttäuscht. Der Kurfürst hatte ver- tragsmäfsig zugesagt, die kirchlichen Einrichtungen daselbst in ihrem Bestände zu belassen, und er kam dieser Verpflichtung 80 getreulich nach, dafs die katholischen Geistlichen, die oft, aufser dem Küster, keinen einzigen Gläubigen unter sich hatten, die Kirchen, Zehnten und Stolgebühren, ja sogar die Gerichts- barkeit in Ehesachen behielten. Nur das gestand er den Prote-

» Orlich, Der Grofse Kurf., 264.

' Hildebrandf Die kathol. Klöster im ehem. Bist. Halberstadt z. Z. des Grofs. Kurf.; Zeitschr. d. Harzvereins f. Gesch. u. Altertums- kimde, Band 82 (1899), S. 377 f.

' Das Folgende nach Lehmann, a. a. O., pasaim.

140 Sechstes Buch.

stanten zu, dafs sie auf eigene Kosten sich dürftige Gottes- häuser bauen und Geistliche annehmen konnten. Wir sehen hier einen evangelischen Fürsten die Katholiken zu Ungunsten seiner eigenen Glaubensgenossen bevorzugen. Allerdings, politische Bücksichten sprachen da mit: er wollte den Polen nicht den Verwand geben, die Friedensbedingungen für verletzt zu erklären und deshalb die Rückgabe der drei Herrschaften Draheim besafs der Kurfürst gar nur pfandweise zu ver- langen.

Seine eigenen Rechte gegenüber der katholischen Geistlich- keit behauptete freilich der Kurfürst unentwegt. In Eleve gehörte seit dem sechzehnten Jahrhundert die bischöfliche Gewalt dem Landesherm, und er hielt sie durch Edikt vom 7.September 1661 durchaus aufrecht; die Dekrete auswärtiger Bischöfe nach- zusuchen oder auszuführen, war den Geistlichen bei Strafe der Amtsentsetzung, sie in das Land zu bringen oder zu veröffent- lichen, nach uraltem Herkommen bei Tod durch Ertränkung verboten. Die geistliche Gerichtsbarkeit durfte nicht durch fremde Bischöfe geübt werden; der Kurfürst übertrug sie auf einheimische Kleriker, von deren Urteil nach freier Wahl die Beteiligten an das kurfürstliche Hofgericht oder an eine katho- lische Juristenfakultät appellieren durften. Die Visitation der Klöster war den ausländischen Oberen gestattet, aber nur mit Zuziehung eines landesherrlichen Delegierten katholischer Religion, der die Rechte des Fürsten zu wahren hatte. Die Ernennung aller Geistlichen unterlag der Bestätigung durch die weltliche Gewalt. Dagegen erlaubte man den fremden Bischöfen Priesterweihe und Konsekrierung der Kirchen im kleve- märki- schen Gebiete, wie man der Hierarchie auch anderweite formale Zugeständnisse machte, so weit sie das Oberaufsichtsrecht des Staates nicht wesentlich beeinträchtigten Wir sehen also den Kurfürsten die Schonung der kirchlichen Freiheit mit der Ver- teidigung der Rechte des Staates in sorgsamer Abwägung ver- binden, dabei nirgends mit verletzendem Eigenwillen vorgehen, allenthalben auf den alten Überlieferungen fufsen.

Noch günstiger standen die Dinge für die landesherrlichen Befugnisse in den Gebieten Minden, Halberstadt und Magde- burg, wo das Bischofsamt völlig an den evangelischen Herrscher übergegangen war. Friedrich Wilhelm übte dort die Rechte des Bischofs über die katholischen Untertanen und Einrichtungen

Achtunddreifaigstes Kapitel. Die Religionsbekenn tnisse. 141

nnbedenklich aus, aber durch einen Katholiken, den Halber- städter Domherrn Jobann Friedrich von Deutsch, der noch unter dem letzten katholischen Bischöfe General vikar gewesen war, und nach Deutschs Tode durch Placidus Meinders, den Abt des magdeburgischen Klosters Ammensieben. Dieser Vikar war frei- lich verpflichtet, tlber alle Vorgänge an die Halberstädter Regie- rung zu berichten und sich bei Visitationen und Wahlen die Konkurrenz der landesherrlichen Behörden gefallen zu lassen. Der Kurfürst bestätigte Äbte und Pröpste, gestattete katholi- schen Geistlichen Reisen in das Ausland, bestimmte die Zahl der Domherren.

Mit grofser Entschiedenheit hat Friedrich Wilhelm die An- sprüche auswärtiger Bischöfe, besonders des Erzbischofs von Köln, auf das Diözesanrecht in seinen Staaten zurückgewiesen. Er wollte nicht allein Bischof, sondern höchster Bischof in seinen Landen sein. Man hat deshalb schon zur damaligen Zeit seine kirchliche Stellung mit der des Königs von England auf eine Linie gestellt.

Aber ungleich dem englischen Königtume benutzte er seine Macht nicht dazu, die Alleinherrschaft einer Kirche im Staate anzustreben. Er hat vielmehr seine weitreichenden Befugnisse als höchster Bischof nur dazu verwendet, Duldung Und Religions- freiheit in den braudenburgischen Gebieten durchzuführen, die verschiedenen Bekenntnisse zu gegenseitiger Toleranz und Fried- fertigkeit zu nötigen. Er ist nach Heinrich IV. von Frankreich der erste Fürst in Europa gewesen, der seine Aufgabe auf religionspolitischem Gebiete in so erleuchteter Weise, als ein echt modemer Staatsmann aufgefafst hat : in Deutschland sicher der erste, in glänzendem Gegensatze zu anderen Fürsten seiner Zeit

Nur gegen einen Orden hat er, gerade im Interesse des religiösen Friedens, eine unüberwindliche Abneigung gezeigt: gegen die Jesuiten. Er liefs die Väter dieser Gesellschaft in keiner brandenburgischen Provinz zu und verbot den evangeli- schen Eltern, ihre Kinder bei den Jesuiten unterrichten oder erziehen zu lassen. Die Versuche der Gesellschaft, mit Hilfe des Reichstags die Zulassung zu erzwingen , scheiterten an dem festen Willen des hier von seinen Landständen eifrig unter- stützten Fürsten. Einzelne Mitglieder, die sich stillschweigend in dem Fürstentum Minden niedergelassen hatten, wurden auf

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Befehl Friedrich Wilhelms ausgewiesen. Anders verhielt es sieh in Königsberg, wo die Jesuiten seit den Zeiten König Wladi- slaws IV. zugelassen waren, predigten und Schule hielten. Der Kurfürst hat zwar wiederholt ihre Austreibung ins Auge gefafst, allein aus Rücksicht auf Polen und um dessen Einmischung in die preufsischen Verhältnisse zu verhüten, immer wieder auf- geschoben. Er begnügte sich damit, ihre weitere Ausbreitung zu verhindern und den evangelischen Eltern die Einschulung ihrer Kinder bei den Jesuiten zu untersagen.

Selbst der Unwille, den die Aufhebung des Ediktes von Nantes bei dem seinem reformierten Bekenntnisse so treu ergebenen Fürsten hervorrief, hat ihn zu ernsthaften Repressalien gegen seine friedlichen katholischen Untertanen nicht verleitet Frei- lich brauste der schnell erregbare Herrscher zuerst in hellem Grimme auf und traf eine Anzahl von Verfügungen, die, ohne die rechtlichen Grundlagen der Stellung der Katholiken in seinen Landen anzutasten, sie doch mit feindseliger Peinlichkeit auf das Normaljahr 1624 zurückzuführen bestimmt waren. Er, der früher alle christlichen Bekenntnisse einander hatte nähern wollen, schrieb nunmehr am 22. März 1686 der preufsischen Regierung vor, bei Besetzung neuer lutherischer Pfarrstellen sowie bei den schon im Amte befindlichen Geistlichen streng darauf zu achten, dafs solche von „päpstlichen Irrtümern*' völlig frei seien, noch weniger solche verkündeten. Es ist „Uns und allen Evangelischen hoch daran gelegen, dafs die päpstische Religion, welche ohnedem mit so grofser Gewalt und Grausam- keit sonst allerwärts um sich frisset, sich nicht auch alldort einschleiche'' ^ Zugleich ermahnte er abermals den starr lutheri- schen Kurfürsten von Sachsen zu einträchtigem Zusammengehen in Glaubenssachen mit der charakteristischen Begründung: Die wahre Eigenschaft der katholischen Religion s^i, alle, die sie als Ketzer bezeichne, unterschiedslos zu verfolgen; der Vorzug, den sie etwa den Lutheranern vor den Reformierten bewillige, sei „nichts anderes als des Ulysses Beneficium, so ihm vom Polypbemo offerieret ward: nämlich als der letzte gefressen zu werden". Allein der Geist der Duldsamkeit und Gerechtigkeit erhielt bald bei dem greisen Herrn wieder die Oberhand. Die

» U. u. A., XVI, 1000.

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Repressalien gegen die ihm untergebenen Katholiken wurden nur in sehr geringem Umfange ausgeübt.

Es blieb dabei: Friedrich Wilhelm von Brandenburg war der auch gegen die „Papisten** toleranteste unter allen evangeli- schen Fürsten. Wie ihm schon 1657 Ludwig XIV., der spätere Hugenottenverfolger, dafür seinen Dank ausgesprochen hatte, so gegen Ende seiner Regierung, 1683, Bischof Michael Radziejowski von Ermland. „Die katholische Herde**, sagte da der Kirchen- fürst, „verehrt Ew. Durchlaucht als gütigen Herrn und Beschützer. Der Stand der Kirche ist wohl gebildet und auf katholische Weise zusammengesetzt, dieser Weinberg blühend unter der Herrschaft Ew. Durchlaucht.**

Eine so günstige Behandlung Andersgläubiger erschien in jener Zeit religiöser Ausschliefslichkeit derart wunderbar, dafs man sie sich nur durch eine Hinneigung des Kurfüsten zum Katholizismus zu erklären vermochte. Die Gerüchte von seinem beabsichtigten Übertritt zur römischen Kirche wollten nicht zur Rahe kommen. Schon 1666 hatte Christine von Schweden ihre Meinung dahin ausgesprochen, der Brandenburger werde nur durch den kalvinischen Eifer seiner holländischen Gemahlin von solchem Schritte abgehalten \ Ein preufsischer Konvertit, Graf Schlieben, suchte dann von dem heiligen Stuhle Geld zu er- langen, indem er sich auf die bekannten allchristlichen Friedens- pläne des Dr. Dreier in Königsberg und das nicht minder be- kannte Wohlwollen des Kurfürsten für diesen Professor stützte und beider Übertritt als bei gehöriger Beihilfe Roms leicht zu bewirken hinstellte (1670). Papst Klemens IX. gab in der Tat dem Nuntius in Warschau, Marescotti, den Auftrag, diese wichtige Angelegenheit näher zu untersuchen. Schlieben zeigte dem Prälaten angebliche Briefe Dreiers, in denen dieser Theologe seine Bekehrung in Aussicht stellte, aber Geld für den Druck eines Buches verlangte, das seinen Schritt rechtfertigen und die übrigen preufsischen „Ketzer** zur Nachfolge veranlassen solle. Ein Jesuit, den Marescotti an Dreier sandte, wufste von grofser Neigung des Doktors zum Katholizismus zu berichten. Es ist wahrscheinlich, dafs Dreier von seinen irenischen Plänen redete and dies von dem optimistischen Jesuiten und dem aben-

' Baron y. Bildt, Christiiie de Suöde et le cardinal Azzolino (Paris 1899), S. 191: Schreiben Christineiis vom 4. Aug. 1666.

144 SechBtes Buch.

teuernden Grafen in weit bestimmterer und konkreterer Weise ausgelegt wurde, als es gemeint war. Jedenfalls überzeugte sich der Jesuit davon, dafs der Kurfürst selber nicht allein an einen Übertritt nicht denke, sondern auch dem Dr. Dreier den Druck seines Buches untersagt und ihn zu gröfster Vorsicht in seinen religiösen Friedensbemühungen ermahnt hatte ^.

Das Projekt wurde demgemäfs als aussichtslos fallen gelassen, aber nur, um einige Jahre später wieder aufgenommen zu werden. Als Friedrich Wilhelm 1677 im Scherze zu einem andern deutschen Konvertiten, dem Kardinal von Hessen, geftufsert hatte: er wundere sich, dafs man in Bom sich nicht mehr Mühe um ihn gebe, fafste die Kurie das sehr ernst und hoffnungsvoll auf. Innozenz XI. jubelte ob der Aussicht, der „hauptsächliche Be- schützer des Kalvinismus '^ werde in den Schofs der Kirche zurückkehren. Vielleicht werde dies durch ein Wunder, vielleicht aber aus politischen Rücksichten und Berechnungen geschehen. Der Kardinal von Hessen solle sich die Herbeiführung eines so erwünschten Ereignisses auf das äufserste angelegen sein lassen *.

Wie wenig kannten diese Römlinge die hochherzige und fromme Natur des Brandenburgers, dieses Fürsten, der um seines Glaubens willen eine Königskrone ausgeschlagen hatte ! Er ver- wendete sich überall eifrig für seine von der katholischen Reaktion bedrängten Relionsgenossen , „als ihr Patron und Vater^, wie die Evaugelischen in Polen von ihm nach seinem Tode sagten, „der defensor fidei, dessen heroischer Geist voll Teilnahme für sie geblieben sei und sie in ihrem Elend aufrecht erhalten habe*'.

Er trat zunächst für die Protestanten in Jülich-Berg ein, die von dem fanatisch katholischen Hause Pfalz-Neuburg schwer bedrückt wurden; und zwar sorgte er unterschiedslos für Luthe- raner und Reformierte. Er setzte es in dem Klever Rezefs durch, dafs den Evangelischen über das Normaljahr 1624 hinaus an sechs weiteren Orten der Gottesdienst gestattet sowie erlaubt wurde, im eigenen Hause die katholischen Feiertage nicht zu

^ Bericht des Nuntius Marescotti an seinen Nachfolger; Archiv f. Kunde österr. Gesch.-Quellen, XI (Wien 1858X S. 50 ff. (Allerdings durch zahllose Fehler entstellt.)

Der Sekretär der Breven, Pater Agostino Favorito, an den Bisch, von Paderborn, Ferd. v. Fürstenberg, 8. März 1677; W. Ribbeck, Ein Brief üb. d. erwarteten Übertritt des Grofs. Kurf . z. Katholizismus (Forsch. z. brandenb. u. preufs. Gesch., VIT, 207 f.).

Achtunddreifsigstes KapiteL Die Religionsbekenntnisse. 145

beobachtend Und als im Jahre 1685 dasselbe Haus Neuburg io den Besitz der bisher fast ausschliefslich evangelischen Kur- pfalz gelangte, ist Friedrich Wilhelm häufig für die dortigen Reformierten und Lutheraner eingetreten gegen die Versuche, diese beiden Bekenntnisse zu Gunsten der Katholiken zurück- zudrftngen und zu berauben*.

Er wandte dann seinen ganzen Einflufs bei Kaiser Leopold L aaf, um das traurige Los der NeuglAubigen in dessen Erbstaaten ODd in Ungarn zu mildem. Der Kaiser und seine Beamten traten die durch den Westfälischen Frieden verborgten Rechte der Evangelischen Schlesiens mit FOfsen und arbeiteten eifrig an der völligen Bückführung des weiten Landes zum alten Glauben. Die Klagen der Verletzten gingen nach Dresden und Berlin. Immer und immer wieder wandte sich Friedrich Wil- helm an Leopold y ihm das Unpolitische und Widerrechtliche jener Verfolgungen vorstellend, um Schonung und Milde für seine Glaubensverwandten bittend. Alles vergebens: der Kaiser liefs sogar evangelischen Eltern die Kinder entreifsen, um solche im katholischen Kultus zu erziehen. So mufste der Kurfürst sich damit begnügen, denjenigen Schlesien), die sich der Ver- folgung durch Auswanderung entziehen wollten, eine Zuflucht in seinem Staate zu eröffnen '•

Noch schlimmer stand es in Ungarn, das der Kaiser und seine Räte als ein erobertes Land behandelten, und wo sie mit nackter Gewalt und schonungsloser Grausamkeit die Ausrottung des Protestantismus betrieben. Vergebens schritten die evangeli- schen Reichsstände in der Regensburger Versammlung gegen solche Greuel ein; vergebens bemühten sich die Geperalstaaten durch Vorstellungen am Wiener Hofe; vergebens wandte sich auch hier Friedrich Wilhelm wiederholt an den Kaiser, dem er mit Reeht darlegte, dafs auf diese Weise die Ungarn geradezu den Türken in die Arme geworfen , die dortigen Protestanten mr Rebellion gezwungen würden.

„Eurer Kais. Maj. ist gnädigst bekannt,^ schrieb er den 20. Juli 1677 an Leopold, „und gibt es die Experienz sowohl in ver- liehenen als jetzigen Zeiten, dafs kein schärferer Stimulus zur

1 Lehmann, I, 67 f.

' Geb. Staatsarchiy, Berlin, Rep. XL, 9B.

* Landwehr, 80ff.

Philipps on, I>er Grofie Kurfttrst. III. 10

146 Sechstes Buch.

Ergreifung desperater Mittel und Besolutionen zu finden, als der Gewissenszwang. Und gleichwie aus diesem Brunnquell ffimemlich auch in Ungarn alles Unheil bishero entsprossen und von Eurer Kais. Maj. Feinden, ungeachtet dieselben sich zur römisch-katholischen Religion bekennen, listiglich geheget wird, so ist kein Zweifel, wenn E. K. M. allergnädigst geruhen wollten, diesen Prätext wegzunehmen und denen Klagenden die höchstverlangete Gewissensfreiheit wirklich zu gönnen, dafs alsdann die widrigen Machinationes von selber hinfallen und E. K. M. nicht alleine über die Leiber und Güter, sondern auch über die Gemüter dieser Leute ruhiglich herrschen würden." Leopold wollte, wie Philipp IL von Spanien, lieber seine Reiche verlieren, als dort über Ketzer regieren. Es blieb dem Kurfürsten nichts übrig, als durch eine Verordnung vom 17. Februar 1676 den evangelischen Ungarn seine Staaten zu eröffnen und mancherlei Begünstigungen und Freiheiten zu verheifsen. Brandenburg wurde, in noch weiterem Umfange als Holland, das Asyl der Bedrückten und Verfolgten. Endlidi, als die kurfürstlichen Truppen wesentlich zu den Erfolgen des kaiserlichen Heeres gegen die Türken beigetragen hatten, führte 1687 Friedrich Wilhelm, der sich als Schirmherr des Protestan- tismus auf dem Festlande fühlte, eine so kühne Sprache, dafs sie des Eindruckes nicht ganz verfehlte und der Kaiser den Evangelischen Ungarns immerhin einige Erleichterungen ge- währte*.

Die Waldenser, diese mittelalterliche Ketzersekte in den Tälern der Seealpen, sahen sich von französischer wie von piemontesischer Unduldsamkeit bis in den Tod verfolgt 2000 von ihnen erbot sich der Kurfürst in sein Land aufzunehmen, ihnen hier eigenen Gottesdienst sowie besondere Richter und Ver- walter zu gestatten wie den Hugenotten. Er erlangte dazu die Einwilligung des Herzogs von Savoyen, ihres Landesherren; allein die Sehnsucht nach den heimischen Bergen trieb die meisten der Auswanderer aus den Ebenen Norddeutscblands nach ihren geliebten Tälern zurück. Sie wollten lieber die Verfolgungen weiter erdulden als die teure Heimat meiden^.

^ Schmertosch, a. a. 0.« S. 80ff., berichtigt und ergänzt den Aufsatz von O. Krauske, Der Grofse Kurf. u. die protest. Ungarn (Hist. Zeitschr., Bd. LVin S. 465 ff.). U. u. A., XVin, 457 ff. 488.

' Droysen, III, III 278 f. Danach auch das Folgende über Polen.

Achtunddreiüsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnisse. 147

Ebenso ist Friedrich Wilhelm für die Reformierten in den polnischen Gebieten Litauen und Weifsrufsland eingetreten, Ländern, wo jene einst die Mehrheit gebildet hatten, jetzt aber von dem siegreichen Katholizismus grausam bedrängt wurden. Er hat für sie die Bibel und den Katechismus übersetzen, in seinen Kirchen für sie sammeln lassen. Freistellen für sie an den Universitäten Königsberg und Frankfurt sowie am Joachimstal- sehen Gymnasium begründet. Mit tiefer Rührung erkannten sie seine Sorgfalt an.

Er wagte es endlich, gegen den mächtigsten Fürsten seiner Zeit, gegen Ludwig XIV . von Frankreich, aufzutreten, als dieser zum Verfolger seiner Glaubensgenossen wurde.

Vom ersten Augenblicke seiner Selbstregierung an hatte Ludwig den Protestanten entschiedene Ungunst gezeigt» die durch die steten Vorstellungen des Klerus noch verstärkt wurde. Zuerst ward durch Ausschliefsung von Ämtern und von könig- lichen GuQstbe weisen , ja durch Geldzahlungen ihre Bekehrung betrieben. Aber das hatte nur geringen Erfolg. Als dann der Friede von Nymwegen den König über den ganzen wider ihn verbundenen Erdteil hatte triumphieren lassen, beschlofs er, in seinem eigenen Lande jede Abweichung von seinem, des Herr- schers, Glauben zu vernichten. Er ging planmäfsig mit immer gewaltsameren Mafsregeln gegen die französischen Reformierten vor ; und da die Verfolgungen und Dragonaden nicht völlig zum Ziele fahrten, hob er am 22. Oktober 1685 das Edikt von Nantes, die Grund Verfassung des französischen Protestantismus, förmlich auf und untersagte jede Ausübung des reformierten Kultus. Dessen Prediger wurden verbannt, dessen übrige Gläubige aber unter schwerster Strafe sogar der traurigen Zuflucht der Auswanderung beraubt.

Friedrich Vi^ilhelm hatte sich von Beginn an verpflichtet gefühlt, nach dem Mafse seiner Kräfte seinen französischen Glaubensgenossen in deren unverdienter Not zu helfen. Seine Hilfe konnte hier nicht sowohl in der Abwehr des Übels be- stehen — denn wie hätte er auf den stolzen ,,König Sonne^ einzuwirken vermocht? als in der Unterstützung der schwer Betroffenen. Zuerst versuchte er es freilich mit Bitten und Vorstellungen bei Ludwig, den er mit Recht darauf hinwies, dafs des Allerchristlichsten Königs altüberliefertes Bündnis mit den

protestantischen Mächten gegen die Habsburger lediglich unter

10*

148 Sechstes Buch.

der Bedingung zu bestehen vermöge, dafs Frankreich im eigenen Innern die Evangelischen schone. Mit Berufung auf dieses politische Interesse schritt dir Kurfürst zum erstenmale im August 1666 ein, als den Hugenotten eine Anzahl Kirchen fort- genommen ward. Ludwig wagte damals noch nicht, sich oifen zur Unduldsamkeit zu bekennen; er versprach, das Edikt von I^antes aufrecht zu erhalten, und behauptete, den Protestanten seien nur diejenigen Kirchen entzogen worden, die sie über jenes Edikt hinaus sich unrechtmäfsig zugelegt hätten. Es gelang damals wirklich den wiederholten Vorstellungen des Brandenburgers, eineMilderung der Verfolgungen herbeizuführen. Hatte doch der König selber in seinem Schreiben an den Kurfürsten die Ge- nugtuung betont, die er „über den Gehorsam seiner Untertanen von der angeblich reformierten Religion und ihren Eifer für meinen Dienst" empfinde. So trug die Dazwischenkunft Fried- rich Wilhelms einstweilen gute Früchte für die Hugenotten*. Bald aber trat die Feindschaft der mafsgebenden Kreise Frank- reichs gegen sie in verdeckterer und schwerer anfechtbarer Weise auf, in den „Bekehrungen". Auch hier fand Friedrich Wilhelm Gelegenheit, zu Gunsten der ihrem Glauben treu ge- bliebenen Angehörigen katholisch gewordener Familienhftupter bei dem Könige vorstellig zu werden'.

Schon suchten Hugenotten sich dem Übelwollen und dem Zwange, denen sie in der Heimat ausgesetzt waren, durch Aus- wanderung zu entziehen. Die ersten frfinzösischen Gemeinden in der Kurmark bildeten sich um das Jahr 1670 aus diesen „Flüchtigen", R6fugi6s: so in Alt-Landsberg, nicht weit von Berlin, und 1672 in der Residenz selbst, wohin seit dem vorher- gehenden Jahre erst sieben oder acht Familien aus Alt-Lands- berg gezogen waren, sich dann etwa hundert Seelen zusammen- gefunden hatten, und wo sie nunmehr eine Kirche eingeräumt erhielten und sich einen Prediger, Fornerod, wählen durften.

* Der betr. Briefwechsel findet sich in dem Bulletin de la Sociäte de rhist du Prot»* fran9ais, Bd. ^171 (Paris 1864», S. 147 ff. Die Ant- wort Ludwigs ist vom 10. Sept. datiert. Die mehrfach gedruckte ab- weichende Form dieser Antwort (vgl. U. u. A., IX, 418) ist offenbar eine Zusammenziehung des echten Briefes und überdies falsch datiert (vom 6, Sept.). Über den Erfolg: Luise Henriette an Schwerin, 3J13. Dez. 1666; Orlich, Preufs. Staat, lU, 472.

« ü. u. A., II, 505 f.

Achtonddreiliaigstes Ejipitel. Die Religionsbekenntnisse. 149

Der Friede von Nymwegen brachte dann die gewaltsamen Verfolgungen. Friedrich Wilhelm empfand darüber bitteren Schmerz, und die Bedrängnis der Hugenotten beschäftigte ihn fortwährend, selbst während seines Badeaufenthaltes in Pyrmont; allein, da er durch die Erfordernisse der Politik auf die Bundes- freundschaft Ludwigs XIV. angewiesen war, und da es sich bei diesem offenbar um ein reiflich erwogenes und festes System handelte, vermochte er nicht, solches durch allgemeine Mafs- regeln zu bekämpfen. Er begnügte sich damit , durch seinen Gesandten in Paris, Ezechiel von Spanheim, sich genau über jene traurigen Vorgänge unterrichten und ihn für einzelne der Verfolgten durch Geldunterstützung oder Verwendung bei den Pariser Machthabem eintreten zu lassen; auch besorgte ihnen der Diplomat, wenn sie nach Brandenburg auswandern wollten, Pässe und Ausgangserlaubnis für ihre Habe. Als dann 1682 den Hugenotten die Auswanderung gänzlich verboten ward, half ihnen Spanheim bei der heimlichen Emigration und nahm ihre Habseligkeiten in Aufbewahrung ^ Übrigens mufs hervorgehoben werden, dafs Ludwig XIV. von 1681 an solchen protestantischen Offizieren, die in den Dienst seines Verbündeten, des Kurfürsten von Brandenburg, zu treten begehrten, die Erlaubnis hierzu bereitwillig erteilte. Das hörte erst mit dem Beginne des Jahres 1684 auf, als die Beziehungen des Königs zu Friedrich Wilhelm sich trübten*.

Um seinen französischen Glaubensgenossen einen offiziellen und für alle Welt deutlichen Beweis seines Mitgefühls zu geben, räumte ihnen der Kurfürst 1682 für ihren Gottesdienst die geräumige Kapelle seines Berliner Schlosses ein, wo er und sein Hof oft ihrem Kultus beiwohnten •.

Die Aufhebung des Ediktes von Nantes rief unter allen Evangelischen Europas einen Sturm der Entrüstung hervor. Wie sollte das fromme und gütige Herz Friedrich Wilhelms sich der Trauer und dem Zorn über die grausame Unterdrückung seiner Glaubensgenossen entziehen? War er doch damals schon

* Ms. Korrespondenz Spanheims mit d. Kurf.; Berlin, Geh. Staats- archiv. — Bourgeois, Ezechiel Spanheim (Paris 1900), S. 390. Ms. Depeschen R^benacs vom Juli bis Okt. 1681 (Auszüge); Berlin, Geh, Staatsarchiv, Rep. 94, IV H b, 10 a.

G. PagÄs, Los röfugiSs k Berlin, S. 116—122. ' Erman u. Beclam, IV, 19.

150 Sechstes Buch.

entschlossen, sich von Frankreich abzuwenden, womöglich einen allgemeinen Bund der evangelischen Mächte zum Schutze der Religion ins Leben zu rufen. Schlag auf Schlag erfolgte seine Antwort auf jene verderbliche Mafsregel; sie bestand in dem berühmten Potsdamer Edikt vom 29. Oktober (8. November) 1685^. Indem es „die Verfolgungen und strengen Marsregeln** beklagt, „die man seit einiger Zeit in Frankreich gegen die Bekenner der reformierten Religion ausübt", eröflfnet es „aus gerechtem Mitleid mit denjenigen, die wegen des Evangeliums Unglück erdulden'', also den üüchtigen Hugenotten, eine Reihe Yon Zu- fluchtsstätten in den brandenburgischen Landen. So in der Kur- mark — aufser Berlin und Alt-Landsberg Stendal, Werben, Rathenow, Brandenburg, Frankfurt; im Magdeburgischen Magde- burg, Halle, Kalbe; in Preufsen Königsberg. In allen diesen Städten fanden die R^fugi^s schon Glaubensgenossen vor, bereit, ihnen Aufnahme und Unterstützung zn gewähren. Den Einwanderern wird Zellfreiheit, Entlastung von Abgaben und Einquartierung auf sechs, von Grundsteuern auf zehn Jahre zugestanden. Die städtischen Obrigkeiten sollen sie in Häuser unterbringen, für die der Staat auf vier Jahre die Mietszahlung übernimmt. Sie sind sofort mit dem Bürgerrechte auszustatten und erhalten freien Eintritt in die Zünfte, wenn sie solchen begehren; sonst sind sie den städtischen Obrigkeiten nicht unterworfen und dürfen eigene gewerbliche Innungen unter landesherrlicher Oberaufsicht bilden. Den Industriellen unter ihnen wird Beihilfe zur Gründung von Fabriken, den Landleuten ein Ackergut, den Edelleuten Eintritt in den Hof- und Staatsdienst verheifsen. Eigene Ge- richtsbarkeit nach den heimischen Gesetzen, Gottesdienst nach französischen Bräuchen, mit französischen Predigern und in französischer Sprache, wird ihnen in Aussicht gestellt. Ja, mit dem ihm eigenen praktischen Sinn ging der Kurfürst sofort an die Organisation der Einwanderung. Die brandenburgischen Diplomaten in den Niederlanden, in Hamburg und aili Rhein wurden mit der Beförderung der Flüchtlinge in die branden- burgischen Staaten beauftragt und mit den dazu erforderlichen Mitteln ausgestattet. Die Einwanderung sollte auf zwei Wegen i^eschehen : von den nordfranzösischen Provinzen über Amsterdam und Hamburg, von den südfranzösischen über Frankfurt am Main.

» Mylius, VI, Anhang S. 43ff,

Achtonddreifsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnisse. 151

Um die Bedeutung des Potsdamer Ediktes zu würdigen, darf man nicht vergessen, dafs den Hugenotten die Auswauderung aus Frankreich bei schweren Strafen untersagt war. Es enthält also eine offene Aufforderung zum Ungehorsam an die französischen Untertanen reformierten Glaubens, einen kühnen Protest gegen die gesamte religiöse Politik Ludwigs XIV. So fafste dieser es in der Tat auf. Unmittelbar nachdem das Edikt in Paris bekannt worden war, beklagte sich der französische Minister des Äufseren, Golbert-Croissy, bei Spanheim über jene Bekanntmachung, durch die die Untertanen Sr. Majestät zum gesetzwidrigen Auswandern ermutigt würden. Während der König sich nicht in die An- gelegenheiten der katholischen Untertanen des Kurfürsten mische, werfe dieser sich zum Beschützer der reformierten Untertanen des Allerchristlichsten Königs auf. Letzterer betrachte solches Auftreten als Ausfiufs feindseliger Gesinnung von Seiten Branden- burgs. Spanheim erwiderte, etwas gezwungen, die von seinem Herrn eingeladenen Hugenotten hätten bereits die Lande des EöDigs verlassen, seien also nicht erst zum Ungehorsam gegen dessen Befehle aufgefordert worden. Als ob das Potsdamer Edikt nicht in fünfhundert Exemplaren nach Frankreich geschickt und dort verbreitet, als ob es nicht gleichfalls in Holland gedruckt und der weitesten Öffentlichkeit übergeben worden wäre! Wahrheitsgemäfser war die zweite Entgegnung des Gesandten: Der Kurfürst sei zum Erlafs des Ediktes grofsenteils durch die Sorge für den Wohlstand seines Landes veranlafst worden, um diesem den Segen so vieler fleifsiger und geschickter Kolo- nisten zuzuwenden. In gleichem Sinne instruierte Friedrich Wilhelm selber seinen Vertreter in Paris ^.

Er liefs sich durch die Mifsstimmung des Gewaltherrschers an der Seine keineswegs einschüchtern ; jeder weiteren Beschwerde, so wies er Spanheim an, solle dieser entgegnen, sein Herr fasse solche Klagen dahin auf, als suche Frankreich Vorwände, sich den Verpflichtungen zu entziehen, die ihm zu Brandenburgs Gunsten aus den eingegangenen Verträgen oblägen. Wirklich verweigerte es ihm die fernere Auszahlung der vertragsmäfsigen

^ Ifs. Depeschen Spanheims vom 27. Nov./ 7. Dez. u. 4./14. Dez. 16S5; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XI, 24 B. Ms. Dep. Diests, Haag, 17.^. Nov. 1685; das. Bep. XXXIV, 221z, Auch das Folgende nach den Akten des Geh. Staatsarchivs. Vgl. Pagös, a. a. O., S. 126 ff.

152 Sechstes Buch.

Hilfsgelder unter der Angabe, sie würden vom Kurfürsten nur zur Unterstützung der desertierten französischen Untertanen verwendet (Mai 1680). Friedrich Wilhelm scheute sich nicht, dennoch dem mächtigen Widersacher zu trotzen, so weit die eigenen Krftfte reichten. Er liefs zum Gedächtnis an die Auf- nahme der wegen ihres Glaubens Verfolgten in seine Staaten eine Münze schlagen, auf deren Avers man einen Adler sah, der gegen die Zomesblitze des grofsen Donnergottes an der Seine kühn heraufilog, mit der Inschrift: non terreor illis „sie können mich nicht erschrecken ^* Er beauftragte Spanheim, sich in Frankreich selbst der bedrängten Hugenotten möglichst anzunehmen, und sandte ihm zu deren Unterstützung 2000 Reichs- taler (27000 Mark heutigen Geldwertes) ein. Er schickte ihm einen reformierten Gesandtschaftsprediger und suchte die Er- laubnis nach, dafs auch Franzosen dessen Gottesdienst beiwohnen dürften. Der Diplomat entwickelte eine ebenso eifrige wie mut- volle Tätigkeit zu Gunsten der Unglücklichen: er rettete eine grofse Anzahl Hugenotten über die Grenze, nahm ihre Gelder und Habseligkeiten in Verwahrung und stellte sie ihnen recht- zeitig wieder zu. Dabei half ihm der auch mit dem Titel eines brandenburgischen Residenten geschmückte Agent der Hanse- städte, Johann Beeck, der aber längst als französischer Untertan naturalisiert war. So mufste Beeck zur Strafe seiner gesetz- widrigen Handlungen in die Bastille wandern. Das Einschreiten Spanheims erwirkte seine Befreiung; zugleich wurde er des Landes verwiesen, was er im Grunde dringend gewünscht hatte.

Kein anderer Fürst wagte so direkt zur Verteidigung der verfolgten Evangelischen dem mächtigen Monarchen Frankreichs entgegen zu treten, wie der Beherrscher des immerhin schwachen Brandenburg. Er suchte auch im Auslande nach allen Seiten hin den Opfern von Ludwigs XIV. Tyrannei eine Zufluchtsstätte zu bereiten; selbst von dem Moskauer Zaren erlangte er ein Edikt, das ihnen Aufnahme gewährte. Fre 'lieh, die lutherischen Städte Hamburg und Frankfurt a. Main waren allzu fanatisch, um, dem Wunsche des Kurfürsten gemäfs, den französischen „Kalvinern" öffentliche Ausübung ihres Gottesdienstes zu gestatten.

^ Ms. Job. Magirus, Breviarium historiae metallioae Frid. Wilh. Magni Electoris Brandenburgici (Geh. Staatsarchiv, Berlin)^ nr. 108.

Achtunddreifsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnisse. 153

Umsomehr war er darauf bedacht, im eigenen Staate das Schick- Bai der UnglQcklichen zu mildern. Aufser der beträchtlichen UoterstOtzung , die er ihnen aus Staatsmitteln zukommen liefs, veranstaltete er, wie bei anderen evangelischen Reichsständen, auch bei seinen eigenen Untertanen Sammlungen, zum Teil aller- dings Zwangskollekten, die namhafte Ergebnisse brachten. Die katholischen Untertanen mufsten gleichfalls beisteuern. Aus dem Brandenburgischen, Magdeburg, Hinterpommem und Preufsen kamen in den ersten Monaten bereits 13981 Rtlr. (gleich etwa 182000 Mark nach heutigem Geldwerte) ein. Er unterhielt in Berlin allein mehr als tausend Flüchtlinge und errichtete dort für sie ein Hospital. Er stiftete an der Universität Frankfurt a. d. Oder zwölf Stipendien von je 50 Reichstalem jährlich (650 Mark nach heutigem Geldwerte) für französische Studierende. UDennQdlich war er mit seiner eigenen Person und durch seine befähigtesten Räte sowie mit seinen ihm so karg zugemessenen Geld- mitteln für die R6fugi6s t&tig. „Wir haben," rief der Prediger Ancillon aus, „hier mehr Trost und mehr Gaben und Güter erhalten, als man uns hatte hoffen lassen." Die herzliche, teilnehmende Art, mit der er die Flüchtlinge aufnahm, oft auch persönlich empfing, diente dazu, tausende in sein armes verwüstetes Land ni ziehen. Die Ordnung aller die neuen Einwanderer betreffen- den Angelegenheiten wurde, mit dem Titel eines Generalinten- danten, dem Generalkriegskommissar Joachim Ernst von Grumbko w anvertraut, dem Graf Beauvau d'Espence, des Kurfürsten früherer Trabantenoberst, selber ein Hugenotte, beigesellt ward. Man suchte jedem der Ankömmlinge nach seinen Fähigkeiten lohnende Beschäftigung oder Stellung zu verschaffen^.

Die Wirksamkeit, die die Röfugiös in Brandenburg ent- falteten, die wichtigen Anregungen, die sie ihm gebracht haben, sind schon in anderem Zusammenhange geschildert worden. Hier sei nur noch hervorgehoben, wie die 20000 französischen Einwanderer das reformierte Element verstärkten, nicht nur <lurch ihre Zahl, sondern vorzüglich durch das Gewicht ihrer höheren Kultur und Bildung. Auch die hugenottischen Prediger man denke nur an einen Abbadie und Ancillon waren

1 Er man u. Reclam, M^moires pour servir k Phiat. des Rdfugi^s (Berlin 1782 ö.), I, 144 ff. 261. 3131, HI, 375, VH, 8. H. Tollin, Gesch. der franzOs. Kolonie von Magdeburg, I (Halle 1886), 279 ff.

154 Sechstes Buch.

Männer von viel feinerer und universellerer Bildung als ihre ausschlierslich fachmännisch unterrichteten, pedantischen und plumpen Amtsbrüder in der Kurmark und Preufsen. Die R6fugi6s hatten allzu empfindlich am eigenen Leibe die Bitterkeit der Religionsverfolgung gespttrt, sie fühlten sich in der neuen, vor- wiegend lutherischen Heimat noch immer zu sehr als blofs Geduldete, um nicht lebhafte Verteidiger der Toleranz zu werden und zu bleiben. Sie haben aufserordentlich dazu beigetragen, den Geist der Glaubensfreiheit in den brandenburgischen Staaten zu verbreiten. Sie wurden namentlich eifrige Verfechter der Union, der engen Verbindung zwischen den beiden evangelischen Bekenntnissen ^

Friedrich Wilhelm aber war ein so ehrlicher und folge- richtiger Anhänger absoluter Gewissensfreiheit, dafs er sogar Glaubensrichtungen achtete und schätzte, die sonst in damaliger Zeit von allen Evangelischen ebenso gut wie von den Katholiken als „Ketzereien^ bezeichnet, mit Landesverweisung, lebensläng- lichem Kerker, ja Feuertod bestraft wurden. Das waren die Gemeinschaften der Mennoniten, die man, weil sie die Kinder- taufe verwarfen, fälschlich den alten schwarmgeistigen Wieder- täufern gleichgestellt, und der Sozinianer, der Anhänger der von der Sieneser Familie Sozzini begründeten, dann nach Polen über- gesiedelten Sekte der Antitrinitarier , die wegen ihrer Ver- werfung der kirchlichen Dreieinigkeitslehre als Arianer bezeichnet und verfolgt wurden. Beide Sekten waren bei Todesstrafe aus Polen vertrieben und hatten zum Teil im herzoglichen Preufsen eine Zuflucht gesucht. Aber hier trafen sie auf die harte Unduldsamkeit der preufsischen Stände, die unaufhörlich ihre Ausweisung von dem Kurfürsten forderten, indem sie sich auf entsprechende Verordnungen seiner Vorgänger beriefen und sonst „Gottes Strafe" für das Land, das derartige Verbrecher berge, in Aussicht stellten^. Allein, die Herren mufsten erleben, dafs der Kurfürst die armen friedlichen Menschen unbehelligt liefs. Sie erwarben sogar Grundbesitz in Preufsen und erhielten öffent- liche Stellungen; ja, kurfürstliche Beamte scheuten sich nicht, den Sozinianern beizutreten. Endlich 1669 nötigten die

« Tollin, I, 646 ff.

^ Über diesen Piuikt sehe man die Dokumente in ü. u. A., Bd. XYI.— Femer: M. Beheim-Schwarzbach, Kolonisationen, S. 86 f.

Achtunddreifisigstes Kapitel. Die Beligionsbekenntiusse. 155

SüLode den Landesherrn, den „Arianem'' die öfifentliche Religions- QbuDg zu untersagen, auch fQr die Zukunft deren völlige Ab- schaffung zu verheifsen. Letzteres blieb indes wie so viele andere Versprechungen Friedrich Wilhelms an die Stände leerer Buchstabe. Vergeblich drangen sie immer wieder darauf, die Zusage von 1669 auszuführen und „den Arianem mit Nach- druck Feuer, Herd und Hausung allhier im Lande zu verbieten''. Die Sozinianer reichten dagegen dem Herrscher eine Bittschrift ein, in der sie auf die Ungefährlichkeit ihrer Gemeinschaft hin- wiesen und auf die Vermeidung jeder propagandistischen Tätig- keit ihrerseits. Der Appell an die Gewissensfreiheit, den sie dabei an Friedrich Wilhelm richteten, verhallte nicht ungehört. „Hierbei", schrieb er am 14. Mai 1673 an den älteren Schwerin, „schicke ich Euch eine Supplik von den vertriebenen Arianem, so sich nach Preufsen retiriret haben. Ich befinde Unrecht zu sein, dafs man die Leute, wenn sie sich still verhalten, das nicht gönnen will. Man soll suchen, sie mit Glimpf zurecht zu bringen und nicht auf solche Art" *, (nämlich durch Verfolgung). Dem- gemäfs vertröstete er die Staude, bis er bei seiner Anwesenheit in Preufsen im Februar 1679 unumwunden erklärte: „Die Arianer können wohl geduldet werden, wenn sie sich nur in ihren Grenzen halten." Es war das derselbe Standpunkt, den er, der gleichen Unduldsamkeit der Stände gegenüber, in der Kurmark behauptet hatte '. £r wies dort den Sozinianem das Amt Neuendorf bei Frankfurt a. d. Oder zur Niederlassung an®. Und es blieb so. Sozinianer und Mennoniten durften sich «mehr und mehr einwurzeln" , wenn sie nur ihren Gottesdienst nicht in öffentlicher, auffallender Weise betrieben. Ihre Haupt- sitze in Preufsen wurden Rutau und Andreaswalde; an beiden Orten hatten sie ihre Prediger, an dem letztgenannten auch eine eigene Schule. Ein nicht geringer Ruhm Friedrich Wilhelms, diese Schuldlosen, die doch überall als vogelfrei behandelt wurden, in seinen Staaten geduldet, ja kräftig beschützt zu haben. Er nnd die späteren HohenzoUern Friedrich der Grofse und Fried- rich IIL sind leuchtende Vorbilder auf dem Gebiete der Denk- nnd Gewissensfreiheit.

> Orlich, Friedr, Wilh., S. 265 und Beilagen S. 11. * S. Teü I, S. 423 f. » Hering, H, 86 ff.

156 Sechstes Buch.

Friedrich Wilhelm erwies noch deutlicher seine vorurteils- lose und hochherzige Gesinnung, indem er den allseits gehaHsten und verachteten Juden den Eintritt in seine Staaten gewahrte. Er sah in ihnen Menschen, die durch Betriebsamkeit und Intelligenz seinen verarmten und entvölkerten Provinzen Nutzen bringen könnten, und deshalb suchte er sie in gewisser Anzahl nach Brandenburg-Preufsen zu ziehen. In den meisten Landen ist das gelungen. Wie in Minden, so erteilte er auch in Ravens- berg und der Stadt Bielefeld mehreren jüdischen Familien „Begleit-**, d. h. Schutzbriefe, gegen einen jährlichen Zins von je zehn Talern. Auch hier machte sich die, durch die Furcht vor Konkurrenz verstärkte, Unduldsamkeit geltend. Die christ- lichen Kaufleute in Bielefeld remonstrierten, da die Juden angeblich ihre Nahrung bedrohten. Allein der Kurfürst ver- schlofe so eigennützigen Vorstellungen sein Ohr^ In Halber- stadt vergröfserte er durch neue Schutzbriefe die Mitgliederzahl der dort von ihm begründeten jüdischen Gemeinde, die am Ende seiner Begierung schon an 500 Seelen umfafste für jene Zeit eine stattliche Menge.

Er kämpfte in Preufsen gegen die Unduldsamkeit der Stände ebenso schwer für die Juden, wie für die Sozinianer und Mennoniten ; allerdings hatten die Stände das formale Recht hier auf ihrer Seite, da die Juden 1567 aus dem herzoglichen Preufsen verbannt worden waren. Aber in der Verfassungsurkunde, die Friedrich Wilhelm 1661 den Ständen erteilt hatte, hiefs es in Betreff der Arianer, Mennoniten und Juden: „Wir wollen Keines Gewissen konstringieret haben.*' Dieser hochherzigen Erklärung der Gewissensfreiheit stellten die Stände in ihrer Eingabe vom 27. März 1662 die Erklärung des Gewissenszwanges entgegen: „Wo es den Verstand hat, dafs dieselben Leute eben wohl als andere im Lande gelitten und berechtiget sein sollen, so würde solches eine höchst schädliche Libertät aller und jeder Ketzereien nach sich ziehen in dem Lande, da die höchst löbliche Herrschaft und die Stände jederzeit mit so grofser Sorgfalt dahin getrachtet, dafs die lutherische Religion, exclusis omnibus aliis, rein und lauter bis ans Ende der Welt allein beibehalten werden möchte. Solcher Gewissensfreiheit sind die Landesverfassungen

^ Spannagel, Minden u. Ravensberg unter brandenb.-preuls. Herr- schaft 1648—1719, S. 215.

Achtonddreifsigstes Kapitel. Die Beligionsbekexmtniase. 157

ausdrücklich zuwider. Daruinb gebühret christlicher Obrigkeit, solche Gotteslästerer von sich zu thun". Da der Kurfürst es vorzog, auf diese unziemlich gehaltene Beschwerde der Stände garnicht zu antworten, erneuten sie solche unaufhörlich, erhielten aber nur leere Vertröstungen. Es ist für den Standpunkt der Herren und zumal der preufsischeu Städte sehr bezeichnend, dafs sie sich zugleich darüber beklagten (1663): „es wären viele Schotten eingeschlichen, dafs sie ganze Häuser inne hätten und bes&fsen". Auch sonst wird die Vertreibung der Schotten und Oberhaupt der Ausländer in einem Atem mit der der Juden gefordert. Also der hauptsächliche Beweggrund der Städte in ihren Klagen gegen Ketzer und Juden war der niedrige Brot- neid, die Furcht vor Konkurrenz. Friedrich Wilhelm kümmerte sich auch um diese Vorstellungen keineswegs, sondern gestattete einzelnen Juden die Niederlassung, ja den Ankauf von Grund- besitz im Hirzogtume. In Memel nahm auf Grund landesherr- licher Privilegien Wohnsitz Moses Jacobson, der dort schwung- haften Handel betrieb und eine Anzahl seiner Glaubensgenossen nach sich zog. Es entsprach so recht den Absichten des Kur- für^ten, wenn die „unglücklichen gotteslästerlichen" Juden, wie die Stände sie 1670 zu nennen beliebten, die Jahrmärkte des Herzogtums belebten und dort einen umfassenden Verkehr begründeten. Er gestand allerdings 1671 den Ständen zu, die Juden wie die Arianer sollten des Landes verwiesen werden, umgab aber diese grundsätzliche Zusage mit so zahlreichen Beschränkungen und Ausnahmen, dafs sie keinen tatsächlichen Wert besafs. Darauf führten die Stände ihr schwerstes Geschütz auf: die Juden fangen Christenkinder und tauschen dafür die ihrigen von den Türken ein. Eine schwächere Auflage der ßitualmordbeschuldigung, von der die damaligen preufsischen Judenfeinde noch keine Kenntnis gehabt zu haben scheinen. Sie ersparten sich selbstverständlich jede Art des Beweises einer so schweren und unglaubhaften Anschuldigung. Friedrich Wilhelm antwortete auf diese Verleumdung, indem er das Privileg des Jacobson erneuerte und verlängerte, auch andere Juden ungestört in Preufsen verkehren liefs. Allmählich schwächten sich die gegen sie gerichteten Beschwerden ab. Der Kurfürst hatte in Preufsen auch auf dem Gebiete der Gewissensfreiheit endlich den Sieg davongetragen*.

' U. n. A. XVr, passim.

158 Sechstes Buch.

Die wichtigste und folgenreichste Handlung Friedrich Wil- helms zu Gunsten der Juden fand aber in dem Herzen seiner Staaten, in der Kurmark, statt. Auch hier hatte er, gegen den Widerstand der Ritterschaft, einzelne Juden zugelassen, ja, trotz des Landesrezesses von 1653, stillschweigend gestattet, dafs sie sich in der Neumark fest ansiedelten, Bethäuser begründeten und einen Rabbiner annahmen. Als die Stände sich 1670 darüber beschwerten, stellte der Kurfürst kühnlich die Existenz von Synagogen in Abrede, fügte aber hinzu: „dafs sie an gewissen Orten auf ein gewisses Mafs geduldet werden sollen, weil dies bei jetzt entblöfstem Zustande des Landes nicht für undien- lich erachtet und von einigen Einwohnern selbst erbeten worden ist*" ^ Man sieht, es war das Interesse der inneren Kolonisation, das den Herrscher hier leitete.

Unmittelbar nach diesen Vorgängen erfolgte der Hauptr schlag: fünfzig der angesehensten Familien unter den damals aus Österreich vertriebenen Juden erhielten durch Edikt vom 21./31. Mai 1671 * die Erlaubnis, sich in der Kurmark und Crossen niederzulassen. Das Edikt zeugt wieder von grofser Freiheit der Anschauung. Die Juden dürfen Häuser kaufen oder mieten ; sie können jede Art Gewerbe oder Handel betreiben, und wenn ihnen dafür der Wucher untersagt wird, so geschieht das nur in ihrem eigenen Interesse. Sie brauchen nicht, wie in den anderen Staaten, an den Stadttoren Zoll zu zahlen, wie das Vieh; sie haben nur und dafür sind sie mancher anderen Last ent- hoben — ein jährliches Schutzgeld von acht Talern und bei Verheiratungen einen Goldgulden zu entrichten. In Zivilsachen unterstehen sie der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit, in Kriminal- sachen aber, damit sie nicht unter der Abneigung der bürger- lichen Obrigkeiten leiden, dem kurfürstlichen Kammergericht ebenso wie die bevorrechteten Stände. Die Behörden werden, bei fünfzig Goldgulden und noch höherer Strafe, angewiesen, ihnen Recht und Schutz angedeihen zu lassen. Wenn sie sich auch keine Synagogen erbauen dürfen, so wird ihnen doch gestattet, den Gottesdienst in einem Privathause zu üben und die nötigen Kultusbeamten anzustellen.

» Orlich» Preufs. Staat, n, 479.

« Mylius, V, V 121 ff. Vgl. über das Folgende: L. Geiger, Gesch. der Juden in Berlin, I (Berlin 1871X S. 8ff.; Landwehr, S. 374ff.; U. u. A., X, 610 ff.

Achtunddreilsigstes Kapitel. Die Religionsbekenntnifise. 159

Alle österreichischen Judenfamilien liefsen sich in Berlin nieder, organisierten dort ihre Gemeinde und fanden bald neuen Zuwachs, da der Kurfürst auch anderweiten Familien Geleitbriefe gewährte.

Er blieb der einzige Schutz auch dieser religiösen Minder- heit Die Stände, die Innungen und Kaufleute der kurmärki- schen St&dte, ja selbst die Geheimen Räte, forderten die Be- seitigung der Juden, die angeblich der christlichen Bevölkerung mannigfachen Schaden zufügten. Allein, Friedrich Wilhelm liefs sich in seinen gerechten und nützlichen Absichten nicht beirren. Er versicherte immer wieder die Juden seines Schutzes, befahl dem Kammergericht auf das strengste, die Privilegien der Juden aufrechtzuerhalten, erlaubte diesen, gegen den Rat der Stadt Frankfurt a. d. Oder, der sie benachteiligt hatte, gerichtliche Klage zu führen. Aus eigener Tasche unterstützte er zwei jüdische Jünglinge, die an der Universität Frankfurt a. d. Oder Philosophie und Medizin zu studieren wünschten. Als die Stände wiederum klagten, .dafs die Juden den christlichen getreuen Untertanen das Brot vor dem Munde wegnähmen", und „wegen ihrer bekannten Lästerungen unseres Erlösers Jesu*' da ant- wortete der Kurfürst ihnen mit einer wahren Ehrenerklärung für die Angegriffenen. „Es wäre bekannt'', sagte er 1679, „dafs die Übervorteilung im Handel nicht weniger von den Christen als den Juden, ja mit fast mehr Impunität geschehe und fortgesetzt werde''. Und 1683: „Es ist nicht vorgekommen, dafs die Juden jemals den Namen Jesu Christi entheiligt haben, sondern vielmehr sich den ihnen vorgeschriebenen Gesetzen gemäfs gezeiget''.

Das also ist altpreufsische Überlieferung, das Überlieferung im Hause HohenzoUem!

Nur insofern hat der Kurfürst dem Drängen der Stände nachgegeben, als er den jüdischen Gemeinden eine gewisse Solidarität zur Vergütung des von einem ihrer Glaubensgenossen einem Christen etwa zugefügten Schadens auferlegte. Allein das war nebensächlich und berührte das Wesen der Auffassung und des Verhaltens nicht.

Es durfte mit Recht ein jüdischer Buchhändler, Josef Athias in Amsterdam, seine deutsche Übertragung des Alten Testaments dem Kurfürsten von Brandenburg mit den Worten der Vorrede widmen: „Ich wage es ofifen auszusprechen, dafs unser Volk

160 Seohsies Buch.

seit dem Zeitpunkte, da der allmächtige Gott es unter die Nationen zerstreut hat, nirgends auf Erden gröfsere Wohltaten, einen besseren Zufluchtsort, einen fröhlicheren Frieden gefunden hat, als unter dem Schatten Deiner Hoheit".

So bestimmt Friedrich Wilhelm das Recht jeder Religions- geno&senschaft anerkannte, sich nach ihrem eigenen Denken und Empfinden zu entwickeln, ebenso unzweideutig forderte er, dafs sie sich in allen ftufseren Beziehungen der Souveränität des Staates unterwürfen, der über sie alle die Aufsicht zu führen habe. Dieser Grundsatz fand seinen Ausdruck in dem landes- herrlichen Ansprüche auf den Summepiskopat, auf die Rechte eines obersten Bischofs, und zwar gegenüber den Reformierten und Lutheranern ebenso wie den Katholiken. Ein Jurist, Lucius von Rahden, wurde 1665 zum Präsidenten des kurmärkischen Konsistoriums bestellt, aber mit Befugnissen, die ihn zum Minister der geistlichen Angelegenheiten für den ganzen Staat erhoben. In den Provinzen erhielten die Statthalter, die weltlichen Ver- treter des Kurfürsten, die Aufsicht über die Kirchenverwaltung und den Vorsitz in den Konsistorien. Sie wurden angewiesen, die landesherrlichen Hoheitsrechte über die verschiedenen kirch- lichen Gemeinschaften sorgsam zu wahren ^ In dem ehemaligen Bistume, nunmehrigen Fürstentume Halberstadt, wurde das Dom- kapitel jeder weltlichen Gewalt beraubt, mit Ausnahme der ihm auch nur zeitweise belassenen Rechtsprechung in erster Instanz, von der man stets an das landesherrliche Gericht Berufung einlegen konnte ; es wurde in aller Weise der Aufsicht der kurfürstlichen Beamten unterworfen. Der Kurfürst verfuhr ähnlich in dem ehemaligen Erzstifte, jetzt Herzogtume Magdeburg. Auch hier beschränkte er die Rechte des Domkapitels, indem er die Prüfung und Berufung der Geistlichen dem von ihm selbst eingesetzten Konsistorium übertrug und sich die Bestätigung vorbehielt. Es hatte dies um so gröfsere Bedeutung, als er den Predigern vorschrieb, sich in ihrer Lehre nur auf den lutherischen Katechismus, nicht aber auf die, dem reformierten Bekenntnisse feindliche Bergische Konkordienformel zu stützen. Den Widerstand der Magde- burger Geistlichkeit gegen diese Milderung der Konfessionalität wufste er zu brechen, wie er denn eine deutsche und eine fran-

1 Das Folgende nach: Landwehr, 219f. 279ff.; Orlich, PreuDs. Staats, I, 497 ff., IH, 76. 80.

Achtanddreüsigstes Kapitel. Die Breligionsbekenntnisse. IQl

zösische reformierte Gemeinde in der bisher ausschliefslich lutherischen Stadt Magdeburg, eine französisch reformierte in Halle begründete.

Eine politische Tätigkeit seitens der Geistlichen urar der Kurfürst entschlossen nicht zu gestatten. „Was die Geistlichen anlanget/ verordnete er am 27. JuIi/6. August 1661, „so seindt Wir gar nicht gemeinet zu dulden, dafs sie sich in Landsachen mengen und Unsere Regierung Uns schwer machen. Wir haben deswegen an die Oberrilte geschrieben, damit ihnen, denen Geistlichen, ihr unzeitiger Vorwitz nicht allein verwiesen, sondern ihnen auch hinftlro dergleichen anzufangen benommen und unter- saget werde.** Statthalter und Oberräte in Preufsen wurden angewiesen, dafür zu sorgen, „dafs nicht der Klerus in Land- und politischen Sachen etwas zu sprechen'' habe.

Friedrich Wilhelm hat in religionspolitischer Beziehung genau durchdachte und festbestimmte Grundsätze verfolgt, wie kaum auf einem anderen Gebiete des Staatslebens, abgesehen von der Heeresverfassung. Es sind die Prinzipien des modernen Staates, die er hier, fast einzig in seiner Zeit, als Vorläufer einer neuen Epoche verwirklicht hat. Nicht immer hat der preufsische Staat an ihnen festgehalten, aber er ist nur zu seinem eigenen Schaden von ihnen abgewichen. Es ist nichts Geringes, dafs schon vor zwei und einem halben Jahrhundert der Grofse Kur- f&rst sie erkannte und durchführte.

Pbilippaon, Der Orofse Kurfttrst . III. 11

Neununddreifsigstes Kapitel.

Geist und Sitte.

Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts ist für Deutschland die Zeit der Pedanterie, einer geschmacklosen Steifheit und Beschränktheit, die uns deren schriftstellerische Erzeugnisse mit geringen Ausnahmen ungeniefsbar machen, wie sie die Mehr- zahl der damals wirkenden Persönlichkeiten mit dem Nebel feierlicher Langeweile umgeben. Von dieser hölzernen, überall durch Vorurteile und Überlieferung eingeschränkten Welt hebt sich um so glänzender der freie, unbefangene, allerorten nach dem Wahren und Nützlichen forschende Geist des Brandenburger Friedrich Wilhelm ab. Wie auf religiösem, so auf wissenschaft- lichem Gebiet war er bereit, die Berechtigung jeder Überzeugung als etwas Selbstverständliches anzuerkennen. Er verlangte nur ernstes und wahrheitsuchendes Denken, achtete aber dessen Ergebnisse, wenn sie auch von seinen eigenen Anschauungen und Empfindungen himmelweit abwichen. Sein berühmter holländischer Leibarzt, Theodor van Craanen, war ein ofiFen- kundiger Rationalist, ein Anhänger des Cartesius, und stand später sogar mit dem verfehmten Spinoza in Verbindung. Wahr- scheinlich von Craanen angeregt, ging Friedrich Wilhelm Stosch, der Sohn des bekannten kurfürstlichen Hofpredigers und selber in des alternden Herrn Diensten, zu den Ansichten Spinozas über, ohne dafs weder er noch der Leibmedikus deshalb irgend eine Anfechtung zu erfahren hatten ^

^ L. Back. Spinozas erste Einwirkungen auf Deutschland (Berlin 1895), S. 42. 47.

Neunimddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 1(53

Die Wissensbegier und Wissensfreude Friedrich Wilhelms blieben bis zu seinem Ende die gleichen. Er liebte es, in seinen Mursestnnden sich mit hervorragenden Gelehrten zu unterreden; der berühmte Magdeburger Otto von Guericke durfte ihm 1671 seine Untersuchungen über den luftleeren Raum widmen; er bemerkte in seiner Vorrede , wie grofse Aufmunterung er in seinen naturwissenschaftlichen Studien von dem Kurfürsten er- fahren habe. Ebenso rühmt Grävius in seiner Ausgabe des Lacan die Anregung und Erfrischung, die ihm die 1686 mit Friedrich Wilhelm in Kleve geführten Gespräche bereitet hatten. Dieser Fürst war also in seinem Verkehre mit dei) Gelehrten nicht nur der Empfangende, sondern auch der Gebende.

Es ist merkwürdig, wie weithin sich das Interesse des so schwer arbeitenden und ringenden Fürsten von seinem armen entlegenen Lande aus erstreckte. Der freie und weltumspannende Geist Hollands, den er in seinen Jugendjahren eingeatmet, blieb sein ganzes Leben hindurch in ihm mächtig. Er legte selbst für die orientalischen Sprachen rege Teilnahme an den Tag. Den gelehrten und geistvollen Reisenden und Orientalisteü Christian Ronde, einen geborenen Berliner, der in den Niederlanden, England , Schweden Universitätsprofessuren bekleidet hatte, berief er 1672 in die Heimat zurück und erteilte ihm einen Lehrstuhl an der Hochschule Frankfurt a. d. Oder. Ronde empfahl sich allerdings dem Fürsten noch besonders durch seine Bemühungen um Versöhnung der Lutheraner und Reformierten, für deren Ausgleich er 1663 seine Discordia Concors veröffent- licht hatte ^

Friedrich Wilhelm untei-stützte eine syrische Übertragung des Neuen Testaments mit tausend Talern ; er schenkte wieder-r holt silberne und goldene Becher dem Berliner Probst Müller, der sich dem Studium von Chinas Sprache und Volkstum widmete^ und dessen Vorträgen über Geschichte, Einrichtungen und Sitten der Chinesen er nebst seiner Gemahlin beiwohnte. Allerdings hegte er die Hoffnung, die genaue Bekanntschaft mit Chinas Sprache und Bedürfnissen zur Anknüpfung eines gewinnreichen direkten Handels mit diesem Lande praktisch verwerten zu können. Er berief deshalb auch den dorther zurückkehrenden Franzosen Couplet nach Berlin, um hier die chinesische Sprache

' Allgemeine Deutsche Biographie.

11*

l^ Secbstes Buch.

ZU lehren; und er beauftragte den holländischen Arzt Gleyer, in seiner Heimat chinesische Kanuskripte für die kurfürstliche Bibliothek zu erwerben ^

Die Chemie, die der Kurfttrst von Jugend an betrieben hatte, erfreute sich auch fernerhin seiner Teilnahme. Er stellte sein kleines Privatlaboratorium unter die Verwaltung seines Kammerdieners Kunckel und gab dafttr jährlich etwa tausend Taler (13000 Mark nach heutigem Geldwerte) aus. Kunckel besafs ein chemisches Genie: er erfand nicht allein den Rubin- glasflufs, sondern auch, 1678, die künstliche Herstellung des Phosphors ".

Eine besondere Vorliebe hatte Friedrich Wilhelm stets für die Geschichte gehegt; sein Wunsch war es, die Geschicke seines aufstrebenden Staates der Welt in würdiger und eindrucksvoller Weise geschildert zu sehen. Er beabsichtigte dabei, seine und seines Staates Erlebnisse auf Grund authentischen Aktenmaterials berichten zu lassen, nicht zu leerer Verherrlichung, sondern in wahrhaftiger Darstellung, und seine Akten mit einer Offenheit preiszugeben, die seither von keiner Archi wer waltung der Welt nachgeahmt worden ist. Allein man könnte nicht sagen, dafs er hierbei mit seinen Bemühungen viel Glück gehabt. Seinen ersten Historiographen, Joachim Hübner, hat er 1661 entlassen, weil dieser unkirchlichen Sinn zynisch zur Schau trug und wiederholte Warnungen in den Wind schlug*. Dann berief er 1664 den Groninger Professor Martin Schook, einen Fünfzig- jährigen, dem er zugleich eine Honorarprofessur in Frankfurt a. d. Oder übertrug. Schook begann, als echter niederländischer Gelehrter, seine Arbeit mit grofsem und gründlichem Fleifs und vermochte, trotz seiner mangelhaften Kenntnis der deutschen Sprache, wirklich 1667 dem Kurfürsten den ersten Teil seines Buches, der die Jahre 1620 bis 1642 umfafste, zu überreichen. Das Manuskript, das noch heute vorhanden ist, zeigt keine Spur von politischem und historischem Sinn. So ist es nicht zu be-

J Orlich, Friedr. Wilh., 813f.

« Dae. 317. König, II, 193f.

Hering, Beiträge, II, IL Das Folgende nach E. Fischer, Die offizielle brandenb. Geschichtschreibung zur Zeit des Grofs. Kurf.; Zeitschr. f. preufs. Gesch. u. Landesk., XV (1878), 391 ff. Vgl. Er man u. Reclam, IV, 192 ff., wo sich noch manches Wichtige findet.

Neununddreüsigstes Kapitel. G-eist und Sitte. Igg

dauern, dafs Schooks Arbeit schon im Frühjahr 1668 durch seinen vorzeitigen Tod unterbrochen wurde. Sie ward noch in dem- selben Jahre durch den Frankfurter Geschichtsprofessor Christian Hendreich aufgenommen, der deshalb in Berlin die Stellung eines kurfttrstlichen Bibliothekars erhielt. Allein auch er kam nicht ttber das Materialiensammeln und wenige Fragment,e der Darstellung hinaus. Darauf ttbertrug Friedrich Wilhelm den Titel und die Besoldung des Hof historiographen 1673 einem französi- schen Abenteurer, Jean Baptiste de RocoUes, einem früheren katholischen Domherrn und Professor an der Sorbonne, der in Genf zu der reformierten Kirche übergetreten und von dem Ober- präsidenten von Schwerin, der ihn in Paris gekannt hatte, dem Kurfürsten empfohlen war. Allein die politische und finanzielle Bedrängnis Brandenburgs infolge des Schwedeneinfalls ver- anlafste den wankelmütigen und gewinnsüchtigen Menschen bald, seine Entlassung zu nehmen; und als er nach dem Siege von Fehrbellin seine Wiederanstellung erbat, schlug ihm der Kurfürst solche mit Recht ab. Rocolles führte nunmehr ein bunt wech- selndes Leben, verheiratete sich, trat danach zum Katholizismus zurück und wurde wieder Domherr; als solcher ist er 1696 gestorben. Inzwischen war ein geborener Königsberger, aber von niederländischer Abstammung, Martin van Kempen, ein Gelehrter und Dichter von universaler Bildung, zum branden- burgischen Hof historiographen ernannt worden. Er begann tat- sächlich ein Geschieh tswerk ,,Der Brandenburgische Adler **, konnte es aber mangels einer Besoldung nicht fortsetzen und übernahm 1679 eine aufserordentliche Professur für Geschichte.

Der Kurfürst hatte es vorgezogen, mit berühmten aus- ländischen Historikern in Verbindung zu treten, von denen er eine allgemeinere Verbreitung seines Ruhmes erhofifte. Er ge- währte Fremden, die ihm dazu geeignet erschienen, Pensionen 0(|er doch Geldgeschenke, auch mit grofser Liberalität Materialien aus seinem Archive. Der bekannte historische Vielschreiber Gregorio Leti erhielt für seine, auch in französischer Übersetzung 1687 in zwei Bänden erschienene „Ritratti historici e cronologici della casa elettorale di Brandenburgo" 500 Taler und eine goldene Medaille im Werte von 50 Dukaten. Das weitschweifige und rein rhetorische Werk verdiente solche Belohnung kaum ; es ist der gerechten Vergessenheit anheim gefallen.

Besseren Erfolg hatte Friedrich Wilhelm mit der Berufung

166 Sechstes Buch.

seines letzten Historiographen : des berühmten Samuel Pufendorf ^ Er kannte den grofsen Gelehrten seit langer Zeit : nicht nur aus dessen nach offiziellen Stockholmer Quellen gearbeiteter Schwedi- scher Geschichte, sowie aus seiner Handschrift „Geschichte Karls X. Gustav ''f sondern auch aus dessen politischen, naturrechtlichen und nationalökonomischen Schriften, deren Grundsätze er viel- fach angenommen und nach Möglichkeit ausgeführt hat. Es ist für Friedrich Wilhelm sehr rühmlich, dafs die wenig günstige Beleuchtung, in der er, nach den schwedischen Akten, oft in der „Geschichte Karl Gustavs" erschien, ihn nicht von der VokatioD ihres Verfassers abhielt. Nach längeren, durch Fuchs geführten Verhandlungen ernannte der Kurfürst im Juli 1686 Pufendorf zu seinem Hofhistoriographen und eröffnete ihm das Staatsarchiv ohne Einschränkung. Aber ungern liefsen die Schweden den Mann, der ihre politischen Geheimnisse so genau kannte, ziehen; nicht vor dem Januar 1688, wenige Monate vor Friedrich Wil- helms Tode, erschien Pufendorf in Berlin, wo ihm der Kurfürst sofort einen Geheimsekretär zur ausschliefslichen Verwendung bei seinen Arbeiten zur Verfügung stellte. Er hat die Biographie des Grofsen Kurfürsten unter dessen Nachfolger mit derselben Freiheit ausarbeiten dürfen. Was er schliefslich geschafifen hat, ist nur ein weitläufiger Auszug aus den diplomatischen Akten, soweit ihm das Berliner Archiv solche bot; denn lediglich im Sinne seines Brotherrn und Auftraggebers wollte er schreiben. Die einzelnen Persönlichkeiten, sogar die des Kurfürsten, ver- schwinden ins Nebelhafte, Unbestimmte. Von den inneren An- gelegenheiten ist gar nicht die Rede, mit Ausnahme der Streitig- keiten mit den Ständen, ja selbst die Kriegsereignisse werden nur kurz angedeutet. Wir werden beständig auf einem uferlosen Meere hin und wiedergehender Negotiationen geschaukelt. Pufendorf erhebt sich weit über die geistlosen Notizensammler der damaligen Zeit, sein Werk s])iegelt die ganze feierliche Würde jener mit der Allongeperücke geschmückten Epoche wieder; aber ein Historiker in grofsem Stile und von bleibender Anziehungskraft ist er nicht gewesen.

* J. G. Droysen, Beiträge zur Kritik Pufendorfs (Berichte d. Kgl. Sachs. Gesellsch. d. Wiss. zu Leipzig, 1864, S. 43 ff.). Varrentrapp in der Hist. Zeitschr. N. F. Bd. XXXIV (1893), P. 21 f. 26ff. E. Gigas, Briefe Sam. Pufendorfs an Christian Thomasius (München u. Leipzig 189.7), S. 8. 15.

Neununddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 167

Bedeutender denn als Geschichtschreiber ist Pufeudorf als Nationaiökonom und Politiker. Wenn er der verkommenen deutschen Welt jener Jahre das absolute Herrschertum als das einzig mögliche Heilmittel lehrte, so traf er damit übrigens ganz die Meinung Friedrich Wilhelms; aber nicht minder, wenn er das Gottesgnadentum des Fürsten, jede mystische Verherrlichung der Monarchie verwarf und ihr die Verwirklichung des öflFent- lichen Wohles als unbedingte Aufgabe zuwies. Der Regent soll die politische Unabhängigkeit jeder anderen Gewalt innerhalb des Staates aufheben, indes er soll auch unablässig für dessen Sicherheit nach aufsen und nach innen, für ein starkes Heer, eine gute Verwaltung, einen jedem Untertan zustehenden Rechtsschutz sorgen. Alle Religionsbekenntnisse sollen volle Freiheit geniefsen, jedoch innerhalb der Gesetze und der Souve- ränität des Staates, der keinem Papste das Recht der Mitregie- rung zugestehen darf. Diese religionspolitischen Grundsätze entwickelte Pufendorf besonders in seiner Schrift „Über das Verhältnis der christlichen Religion zum Staate'', die er 1687, schon nach seiner Berufung durch den Grofsen Kurfürsten, diesem widmete. Der Glaube ist persönliche Gewissenssache; das Ver- brechen der Ketzerei mufs völlig aus dem Strafrecht verschwinden ; kein Bekenntnis darf das andere auch nur in der Öfifentlichkeit kränken. Dieser rein weltliche Charakter des Staates, der gerade aus Achtung vor der Religion und der Überzeugung, aus tiefster und echtester Frömmigkeit entspringt, war dem Kurfürsten durchaus genehm ; nur wenn Pufendorf, in logischer Folgerichtig- keit, auch die oberstbischöfliche Gewalt des Landesherrn ver- warf, konnte ihm Friedrich Wilhelm, der ihrer gerade zur Nötigung der kämpfenden Kirchen unter das Gebot des Friedens bedurfte, hier praktisch nicht nachhandeln. Sonst aber waren beide ausgezeichneten Männer allerwege Gesinnungsgenossen.

Historische, ethnologische und auch naturwissenschaftliche Merkwürdigkeiten zu sammeln, war der Kurfürst unermüdlich bestrebt. Seine Bankiers in Paris, die Brüder Formont, mufsten dort für ihn seltene Pflanzen, Kunstsachen und Bücher aufkaufen K Propst Müller und Leibarzt Menzel brachten viele solcher Dinge aus Ostindien und China nach Berlin. Ein Major im nieder- ländischen Kolonialdienste, Poleman in Batavia, sandte während

> Eevue historique, Bd. XL VI (1891), S. 295 f.

168 Sechstes Buch.

einer Reihe von Jahren asiatische Naturalien, Waffen und Geräte, und inmitten der Nöte des Französisch-schwedischen Krieges fand der Kurfürst die Mufse, dem wackem Offizier seinen Dank abzutragen; ein Fars guten Rheinweins, das er dem Major zuschickte, traf diesen leider nicht mehr am Leben, da das Tropenfieber ihn dahingerafft hatte. Später hatten der schon erwähnte Arzt Gleyer in Batavia und dann in Nagasaki, sowie der Engländer Waldo in Surate ihm Gleiches zu ver- schaffen. Auch Fürst Moritz von Nassau bereicherte Friedrich Wilhelms Sammlungen durch einen Teil der umfassenden natur- geschichtlichen Schätze, die er aus Brasilien mitgebracht hatte. Alle diese Merkwürdigkeiten wurden 1680 in eine Kunstkammer vereinigt, die in vier Abteilungen zerfiel: Antiken, Münzen, Kunstsachen und „Raritäten", endlich Naturalien ^ Herr van Beverning im Haag schenkte ihm 1686 einen Zimmetbaum, wofür er mit Produkten der Potsdamer Glasmanufaktur erfreut wurde'.

Das Medaillenkabinett erfuhr wesentliche Vergröfserung durch die reiche Sammlung, die Ezechiel Spanheim in Italien für Kurfürst Karl von der Pfalz angelegt hatte, und die sich Friedrich Wilhelm 1685 aus der vielumstrittenen Erbschaft dieses Fürsten als seinen hauptsächlichen Anteil auswählte. Der gelehrte Lorenz Beger, der bisherige Kustos der pfälzischen Münzen, trat mit dem Ratstitel in brandenburgische Dienste und wurde zum Bibliothekar und Kustos des Münzkabinetts ernannt •.

Der Friede von Oliva hatte dem Kurfürsten die Möglichkeit gegeben, endlich, seinem Wunsche gemäfs, seine Bibliothek der öffentlichen Benutzung zu überliefern*. In einem wohl- geschmückten, 600 Quadratmeter umfassenden Saale im Seiten- flügel des Schlosses zu Berlin, über der Hofapotheke dem- selben Räume, wo einst Thurneysser seine alchymistischen Künste getrieben hatte wurden 1661 die Bücher aufgestellt; daneben

^ Friedländer in der Festschr. zur Gesch. der Kgl. Museen in Berlin (Berlin, 1880, 4<^), S. 5. Orlich a. a. 0., S.326ff. König, II, 423 ff.

* Greh. Staatsarchiv, Berlin, Eep. 34, 227 a. 4. ' Erman u. Reclam, in, 292.

* Fr. Wilken, Gesch. der Kgl. Bibl. zu BerUn(BerUn 1828), S. 13ff.— Schwebel, Gesch. der Stadt Berlin, 11, 120. Treitschke in den Preufs. Jahrb., Bd. 53 (1884^ S. 475 ff. (mit zahlreichen Fehlem).

Neununddreifsigstes Kapitel. Geeist und Sitte. 169

war ein Zimmer für die Handschriften, ein anderes für die Be- nutzer der Bibliothek eingerichtet. Verschiedene Kasualgelder wurden dieser bestimmt; freilich ergaben sie durchschnittlich nur 323 Taler (gleich 4200 Mark heutigen Geldwertes) im Jahre, allein sie wurden auch nur für die Anschaffung und den Einband der Bücher verwendet , und so reichten sie nicht nur für die laufenden Einkäufe, sondern, da der Kurfürst gelegentlich gröfsere Geldbeträge schenkte, auch zur Erwerbung ganzer Privatbibliotheken aus. Ferner wurden die Bücherschätze auf- gehobener Klöster und Kirchen, sowie die Büchersammlungen der verstorbenen Kurfürstin Luise Henriette und des 1684 dahin- geschiedenen Herzogs von Croy letztere war besonders um- fassend — der öiTentlichen Bibliothek überwiesen. Der Kurfürst selber schenkte ihr im ganzen 2000 Bände, und Private über- reichten ihr aus Anhänglichkeit an den Herrscher wertvolle Hand- schriften. So zählte sie im Jahre 1687 neben 618 Handschriften 20600 gedruckte Werke in etwa 90 000 Bänden. Eine systematische Aufstellung und genügende Katalogisierung der Bibliothek wurde nicht durch den ersten Bibliothekar Johann Raue oder Rave, einen begabten, aber uns täten und arbeitsunlusti gen Schulmann V wohl aber durch den klugen und fleifsigen Frankfurter Professor Christian Hendreich bewirkt, der jenem 1668 beigeordnet und 1680 sein Nachfolger wurde. Die Bibliothek war in mehreren Nachmittagsstunden für die Besucher geöffnet; höhere Beamte, sowie sonstige angesessene und bekannte Männer durften auch gegen Empfangsscheine Bücher in ihre Wohnungen entleihen. Noch gegen Ende seiner Regierung beschäftigte sich Friedrich Wilhelm mit Plänen zur Verschönerung seiner Bücherei, die er darchgehends in rotes Leder mit Vergoldungen einbinden lassen und in einem eigens dazu bestimmten Gebäude an der Ostseite des Lustgartens aufstellen wollte. Der Tod hat die Ausführung dieser Entwürfe verhindert.

Die Errichtung der Bibliothek hat auf das geistige Leben der Nation sehr anregend gewirkt. Gelehrte, wie der Sinologe Andreas Müller, der Philologe Vorstius, der Bibliograph Hend- reich, arbeiteten auf Grund der Materialien, die die kurfürst- liche Bücherei ihnen darbot.

Buchdruckerei und Buchhandel nahmen mit der steigenden

' J. Bolte in der Allg. Deutsch. Biographie.

170 Sechstes Buch.

Bildung der höheren Klassen in Berlin einen bemerkenswerten Aufschwung. Es hatte dort seither zwei Buchhandlungen gegeben, beide in der Nähe des Schlosses: Reichel und Völcker. Fried- rich Wilhelm hob ihr Monopol auf. das die Preise der Bflcher auf eine unzulässige Höhe getrieben hatte, indem er dem Holländer Jansen durch die ganze Kurmark, sowie dem Leipziger Kirchner in der Residenz den Betrieb des Buchhandels gestattete. Schrei aus Frankfurt a. d. Oder erhielt die Erlaubnis zur Er- richtung einer dritten stehenden Buchhandlung in Berlin, wo auch 1688 Friedrich Pesenecker die erste Kupferstich- und Land- kartenhandlung gründen durfte. Häufige Gesuche um weitere Konzession von Buchhandlungen beweisen, wie sehr das literarische Interesse der Hauptstadt sich gehoben hatte. Selbstverständlich erzeugte der Zunftgeist bei dem wachsenden Verdienste auch Streitigkeiten : Buchhändler, Buchdrucker und Buchbinder führten gegeneinander Prozesse über die Grenzen ihrer Gewerbe. Zensur hat der freidenkende Friedrich Wilhelm an den Büchern über- haupt nicht geübt. Er begnügte sich damit, die StreitscbrifteD, in denen lutherische Theologen die Reformierten lästerten, zu verbieten. Erst als die Buchhändler erklärten, eine Aufsicht über grofsenteils lateinisch geschriebene Bücher nicht bewirken zu können, gab ihnen der Kurfürst auf, ihren Lagerkatalog dem Konsistorium einzureichen ^

Dagegen war es um das Zeitungswesen in dem kleinen Berlin noch recht übel bestellt; es erschien dort nur ein Lokal- und Anzeigeblättchen „Avisen**. Freilich wurde nach damaliger Sitte in der Hauptstadt eine handschriftliche Zeitung angefertigt und durch Kopien vervielfältigt. Sie war aber offizieller Natur, das Werk einiger hiermit besonders beauftragter Geheimer Räte und kam nur in die Hand der höchsten Staatsbeamten.

Das öffentliche Schulwesen der Kurmark hatte sich nach dem Dreifsigjährigen Kriege in völligem Verfalle befunden*. Die Volksschule war fast ganz eingegangen und, was an Knaben- schulen noch vorhanden war, in Lehrern und Schülern verroht und verwildert. Mädchenschulen gab es kaum; in Berlin wurde

* Friedrich Kapp in dem Archiv f. Gesch. d. deutschen Buch- handels, VII (1882), S. 22 ff.

* Ed. KeUer, Gesch. d. preufs. Volksschulwesens (Berlin 1873), S. 43. 46 f. Orlich, Friedr. Wüh., 803.

Neonunddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 171

die erste derartige Anstalt 1(>70 errichtet, und zwar von der Frau eines kurfürstlichen Kammerlabaien ! Friedrich Wilhelm unternahm wiederholt Versuche zur Hebung des Volksunterrichts. Erbefahl, dafs nicht nur in den Städten, sondern auch in den Dörfern „wohlbestellte Schulen angeordnet würden". Aufser den lateinischen Schulen sollten „gemeine deutsche Knaben- und Mftgdleinschulen" ins Leben treten. Der Unterricht sollte selbst- verstAndlich konfessionellen, vorwiegend kirchlichen Charakter tragen. Prediger, Obrigkeiten und „einige Gelehrte*" hatten die Schulen zu überwachen, auch mindestens einmal im Monat zu visitieren. Für Kleve-Mark wurde Ir Wesel ein „Kontubemium'', d. h. ein Lehrerseminar, vorgesehen. Allein, da diese Vorschriften weder durch Geldanweisungen noch durch Strafandrohungen unterstützt waren, hatten sie nur geringen Erfolg. Man mufs Oberhaupt sagen, dafs Friedrich Wilhelm sich nach Art seiner Zeit um die Interessen der Massen wenig gekümmert hat. Wenn sie nur im stände waren, dem Staate und den höheren Klassen der Gesellschaft ihre Abgaben zu entrichten und sich dabei dem Gesetze und der Kirche unterwarfen, hatte der Herrscher für sie keine weitere Sorge zu tragen.

Viel lebhafter war die Aufmerksamkeit des Kurfürsten für die gelehrte Bildung, Denn diese sollte dem Staate die Beamten und der Kirche die Diener des Wortes erziehen; man konnte ihrer in einem geordneten Gemeinwesen nicht entraten. Fried- rich Wilhelm hatte für Berlin zwei Gymnasien vorgefunden : das reformierte Joachimstaler und das lutherische Berlinische zum Grauen Kloster; beide waren während des Dreilbigjährigen Krieges ganz verfallen. Er hatte dann die erstere Anstalt nach Berlin selbst verlegt, unterstellte sie der Aufsicht der Vor- steher der reformierten Gemeinde und ordnete die Rückgabe der ihr stiftungsgemäfs gehörenden, aber während der Kriegs- uunihen widerrechtlich entzogenen Landgüter und Ämter an. Da das Gymnasium noch eines eigenen Heims entbehrte, überwies er ihm zunächst einige Zimmer in seinem Schlosse, bis er ihm 1667 ein Haus nächst der Langen Brücke, die Berlin und Colin miteinander verband, kaufte und schenkte. 1682 stiftete er zwei Freistellen für polnische und zwei andere für litauische Schüler: so verstand er die Germanisierung seiner fremdsprach- lichen Untertanen, durch Wohltaten; zugleich wurden vier

172 SecluteB Buch.

gleiche Freistellen an der Univei*sität Frankfurt a. d. Oder be- gründete

Das lutherische Gymnasium zum Grauen Kloster besafs weit weniger Einkünfte als die von dem Herrscherhause angelegte und begünstigte Schwesteranstalt. Die Besoldung der Lehrer war so gering, dafs sie darauf angewiesen waren, bei den wohl- habenden Bürgern ihre Mahlzeiten einzunehmen ein ent- würdigender Zustand, der zumal für die Verheirateten unerträg- lich war. Um ihm abzuhelfen, bewilligte der Kurfürst, wahr- scheinlich unter dem Einflüsse seiner im Herzen immer lutherisch gebliebenen zweiten Gemahlin, 1682 dem Gymnasium aus der Accise jährlich 500 Taler (6500 Mark nach heutigem Geldwerte) zu Tischgeldem. Die Anstalt besafs neun ordentliche Lehrer. Ihre Schülerzahl war viel grftfser als bei dem Gymnasium reformierten Bekenntnisses: sie belief sich 1656 schon auf 400. Friedrich Wilhelm erneute für die Bedürftigen unter ihnen die Stipendien mit 200 Talern (2600 Mark nach heutigem Geld- werte) im Jahre. Zwischen den Zöglingen vom Grauen Kloster und den „Kalvinem" von Joachimstal herrschte überlieferte Feindschaft; es kam zu häufigen Prügeleien, bei deren einer sogar, 1684, einem Schüler die linke Hand durchhauen wurde.

Der Schulplan beruhte ganz auf den alten scholastischen Überlieferungen. Der Sprachunterricht erstreckte sich also ledig- lich auf Lateinisch und Griechisch ; nicht nur die fremden lebenden Sprachen blieben ausgeschlossen, sondern auch die Muttersprache. Man trieb eifrig „Philosophie*", d. h. formale Logik und Disputier- übungen, wobei es nicht auf Erweiterung der Erkenntnis, sondern nur auf Gewandtheit in Rede und Diskussion abgesehen war. Der Religionsunterricht lief auf die Dogmatik hinaus und auf Übung des Kirchengesanges. So erzog man freilich in Herz und Geist gleich beschränkte Pedanten! Daran änderten auch die häufigen Visitationen nichts, die Friedrich Wilhelm in den Schulen anstellen liefs ; denn die Yisitatoren hatten ebenso ver- kehrte pädagogische Ansichten wie diejenigen, die von ihnen beaufsichtigt wurden. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, dafs der treffliche Rektor Gottfried Weber, der seit 1668 dreifsig Jahre lang sein Amt verwaltete, wenigstens die Anfänge zum

> Mylius, VI, I 899. Nicolai, II, 729 f. König, U, 221. Orlich, a. a. 0., 309 f.

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Stadium der Naturlehre schuf, auch die deutsche Sprache einiger- mafsen berttcksichtigte und in ihr Aufsätze anfertigen liefst

Eine Schöpfung recht nach dem Herzen des Kurfürsten war das neue Gymnasium, das er 1681 in dem von ihm begründeten Stadtteile Friedrichswerder anlegte und mit teils landesherrlichen, teils städtischen Fonds ausstattete. Es wurde von vornherein als ein simultanes, den beiden evangelischen Bekenntnissen gemeinsames betrachtet; die Lehrerstellen sollten nicht etwa alternierend nach der Konfession, sondern ohne Rücksicht auf diese besetzt werden. Der erste Rektor war der schweizerische Reformierte Gabriel ZoUikofer, ein lebendes Zeugnis von Fried- rich Wilhelms stetem Streben, tüchtige und verdiente Ausländer in seine Staaten zu ziehen. Die Anstalt wurde in die oberen Räume des Werderschen Rathauses verlegt^.

Im Herzogtum Preufsen gab es an gelehrten Schulen seit dem Jahre 1588 drei „Fürstenschulen": die eine in Saalfeld, fOr die deutsche Jugend, mit einem Rektor und fünf ordent- lichen Lehrern; die zweite in Lyck, für die polnische Jugend; die dritte in Tilsit, für die litauische Jugend , gleichfalls mit einem Rektor und fünf „Kollegen". Merkwürdigerweise war gerade das deutsche Gymnasium in Verfall. Ein Beweis, dafs damals das litauische und ganz besonders das polnische Element in Ostpreufsen eine viel gröfsere Rolle spielte als heutzutage^.

Wie grofs endlich das Interesse des Kurfürsten für die Universitäten war, hatte er schon durch die Gründung der Hochschule zu Duisburg erwiesen. Er erklärte noch 1684 von der Frankfurter Universität: „Ich habe auch eine Universität in meinem Lande und halte sie für ein grofses Kleinod; sie ist mir sehr lieb." ^ Er hat tatsächlich diesen Anstalten immer von neuem seine Sorgfalt zugewendet. Allein Mafsgebendes, Schöpfe- risches hat er für die Universitäten ebensowenig wie überhaupt fOr das Schulwesen geleistet. Dazu wurden die Spannkraft seines Geistes und seine dauernde Beschäftigung zu sehr von den

> Bellermann, Das Graue Kloster in Berlin, III (1825), S. 29ff. König, n, 205. 422.

* Nicolai, 11, 741. Erman u. Reclam, HI, 290f.

* Ms. Herzog von Croy, Diarium Prussiae 1670— 1672 (Berlin, Geh* Staatsarchiv, Rep. XCH, Croy, 186) Vol. I S. 104.

* Varren trapp, Der Grofee Kurf. u. die Universitäten (Strafsburg 1B94), S. 22.

174 Secbstea Buch.

scliweren Aufgaben der inneren Einigung und der äurseren Machtentwicklung seines Staates in Anspruch genommen.

Die Art, wie er die Freiheit der Universitäten behandelte, ist dagegen für die preufsische Verwaltung auf diesem Gebiete mafsgebend geworden; er hat sich zu verschiedenen Malen darüber erklärt. Die Fakultäten hatten bisher als selbständige, auch mit eigenen Mitteln ausgerüstete Korporationen das Recht der Wiederbesetzung der vakanten Lehrstühle besessen. Hatte solches schon Georg Wilhelm tatsächlich dadurch beschränkt, dafs er dann und wann einen Schützling der Fakultät nempfahl**, so hat Friedrich Wilhelm hier wie allerorten die landesherrliche Gewalt auch gegen das geltende Recht erweitert. Er beliefs den Fakultäten, zumal der juristischen, nur die Befugnis des Vorschlags zur Besetzung der ordentlichen Professuren, aber er legte sich das Recht der Entscheidung, sowie der unmittelbaren Ernennung solcher Personen bei, die ihm als besonders tüchtig erschienen. Auch forderte er bei den Vorschlägen die Nennung mehrerer Kandidaten, damit er die Wahl zwischen solchen besitzet Übrigens griff er hier mahnend und bessernd ein, wie allerorten in die gründlich verhunzten und verlotterten Verhältnisse seines Landes.

Die wichtigste seiner drei Universitäten war für ihn die kurmärkische, zu Frankfurt a. d. Oder^. Er widmete ihr fort- gesetzt bedeutende Geldmittel zu zweien Malen 40000 Taler , um die Gehälter der Professoren zu erhöhen, die Bibliothek zu bereichern und hoffnungsvolle Jünglinge in ihren Studien zu unterstützen. Die medizinische Fakultät zählte 1666 nur zwei Professoren, die ihrem Lehramte sehr nachlässig oblagen, gar keine klinischen Übungen hielten und in sechsundzwanzig Jahren nicht mehr als sieben Doktoren examiniert hatten. Der Kur- fürst sprach ihnen deshalb im November 1666 einen scharfen Tadel aus. Indessen gebessert wurde die Sachlage erst 1680 durch Berufung des Professors Albinus, der in Holland studiert hatte und durch den berühmten Boerhave lebhaft empfohlen

^ Ebendas. 8. 20. 88. B o rn h ak , Gresch. d. preufs. Univ.- Vorwaltung bis 1810 (Berlin 1900), S. 19 ff.

C. R. Hausen, Gesch. der Univers. u. Stadt Frankfurt a. d. 0. (das. 1800), passim. Varrentrapp, 18. Bornhak, 81. 87 f. Erman u. lieclam. III, 287.

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wurde; er errichtete in Frankfurt ein anatomisches Theater. Die Gehälter der philosophischen Professoren waren sehr niedrige ; iofolgedessen hielten sie keine öffentlichen Vorlesungen, sondern veranstalteten nur gegen Bezahlung Privatvortrftge. Der Kur- fürst half diesem Übelstande durch Erhöhung der Gehälter ab und befreite überdies die Professoren von der Accise. Dann stiftete er einen Fonds für die Universitätsbibliothek und jähr- lich 1000 Taler für neun in Frankfurt studierende Kurmärker. Seine hochherzige und freisinnige Art zeigte sich auch darin, dafs er 1678 zwei polnischen Juden die Erlaubnis zum Studium m Frankfurt erteilte, allerdings unter dem Verbote religiöser Propaganda.

Die Universität Königsberg, die in dem Sonderdasein des Herzogtums Preufsen ihren fruchtbaren Nährboden fand, besafs ein kräftiges Eigenleben; Friedrich Wilhelm hat sie dadurch unterstützt, dafs er ihr 1657 zur Herstellung ihrer Baulichkeiten sowie zur Verbesserung der Professorengehälter alle aus Be- leifligungs- sowie Duellprozessen erfliefsenden Strafgelder über- wies, später noch mancherlei andere materiellen Vorteile zuwandte. 16<)5 betrug die Besoldung aller Professoren 3229 Taler (gleich 45000 Mark heutigen Geldwertes); der Durchschnittsgehalt eines ordentlichen Professors belief sich auf 178 Taler (gleich 2400 Mark im Verhältnis), stand also nur dem eines Stadtschullehrers der Gegenwart gleich. Doch erhöhte er sich durch mancherlei Naturalbezüge und Honorare. Da eine Visitation der Universität 1H72 mancherlei aus Geldmangel erfliefsende Unzuträglichkeiten aufwies, übertrug ihr der Kurfürst am 18. März neue Einkünfte. Die Zahl der Professoren betrug im Jahre 1(570 sechzehn ordent- liche und fünf aufserordentliche Privatdozenten gab es noch keine. Die theologische Fakultät besafs zwei ordentliche, einen aufserordentlichen, die juristische zwei ordentliche, drei aufser- ordentliche Lehrer. Von den fünf ordentlichen und einem aufser- ordentlichen Professoren der medizinischen Fakultät dozierte je einer Chirurgie, Botanik, Mathematik; von den sieben ordent- lichen der philosophischen Fakultät je einer Poesie, Beredsam- keit. Hebräisch, Griechisch, Logik und Metaphysik, Moral, Ge- schichte — von einem Professor des Lateinischen ist nicht die Kede. An der Spitze der Universität standen ein Senat von drei- zehn Mitgliedern und ein Rektor, dessen Amt halbjährlich wechselte. Leider mufste die Regierung die Professoren zur gewissenhaften

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Erfüllung ihrer Pflichten anhalten, indem sie die Säumigen mit Abzügen vom Gehalt bedrohtet Den Unregelmäfsigkeiten in der Stipendienverteilung half gleichfalls Friedrich Wilhelm 1681 durch Einsetzung einer Stipendienkonunission ab'. Man sieht, wie notwendig bei der Pflichtlosigkeit und Lotterei jener traurigen Zeit an allen Orten eine starke und eifrige Regierungsgewalt war. Die Duisburger Hochschule sollte nach des Kurfürsten Ab- sicht ein Bollwerk des reformierten Bekenntnisses und des brandenburgischen Ansehens im Nordwesten des Reiches werden ^. Allein sie krankte an der Dürftigkeit der ihr gewährten Mittel, die mit den glänzenden Lehranstalten der benachbarten Jesuiten- kollegien in schreiendem Gegensatze standen. Ja, selbst die 3—4000 Taler, die der Kurfürst jährlich der Universität bestimmt hatte, kamen während des französischen Krieges nicht ein. Die Professoren, die keine Gehälter erhielten, steckten in Schulden, Bibliothek, botanischer Garten, alle Institute verfielen, „zu Lachen und Freude der umliegenden widrigen Religionsver- wandten "*. Erst nach dem Frieden von St. Germain kamen die Duisburger Angelegenheiten wieder einigermafsen in das gehörige Fahrwasser. Aber immerhin blieb die Zahl der Professoren auf sechs bis neun beschränkt und ihr Gehalt auf 100 (!) bis 350 Taler. So wenig man die damaligen Universitätsbedürfnisae mit den heutigen vergleichen darf, war doch die Zahl der Dozenten so gering und ihre Entlohnung so dürftig, dafs man an die Berufung hervorragender Gelehrter nicht denken konnte. Die Menge der Zuhörer nahm denn auch nach verheifsungsvollem Beginne immer mehr ab. In den ersten zehn Jahren hatten durchschnittlich im Jahre 62 neue Inmiatrikulationen statt- gefunden, allein bei der kläglichen Beschaffenheit der Lehrer und der Lehrmittel sank sie 1672/73 auf 16, 1678/79 gar auf 10 herab. Nach der Reorganisation gab es 1682/83 wieder 53 Immatrikulierte, aber bald wurden ihrer wieder von Jahr zu Jahr weniger. In den Listen dieser Miniaturuniversität finden

* Ms. Herzog von Groy, Diarium Pruaaiae, 1670— 1672 (Berlin, Geh. StaatBarchiv, Rep. XCn, Croy, 186), Vol. I p. 62, II, 536, IV, 304. 430.

' D. H. Arnoldt, Ausführliche Historie der Königsberg. Univers. (das. 1746), I, 82 ff., II, Beil. Nr. 2.

* Th. V. Mörner, Die Ünivers. Duisburg, vomehml. z. Zeit ihres Stifters (Zeilschr. f. preufs. Gesch., V [1868], 8. 552ff.). Varrentrapp, 21. 37.

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Bich Bremer, Hamburger, einige sonstige Norddeutsche, dann Schweizer und besoiiders Holländer. Wenigstens vor der, den Gelehrten damals eigenen Streit- und Verket^erungssucht bemQhte sich der Kurfürst seine Duisburger Professoren zu bewahren. Er erklärte ihnen im Jahre 1683: er wolle die Korporation bei den ihr verliehenen Rechten schützen, aber ermahne sie auch, ,10 guter Friedfertigkeit zu leben und nicht durch unnützes Gezänk den umliegenden Papisten Anlafs zu geben, sich darüber zu kitzeln **.

Die Lösung der Universitäten vom Konfessionalismus, die Eröffnung der freien Forschung und der freien Lehre seit dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts haben die Universitäten erst zu den Lehrmeisterinnen Deutschlands, zu den Führerinnen der gesamten geistigen Bewegung unserer Nation gemacht, was sie in den übrigen Ländern nicht zu werden vermochten. Friedrich Wilhelm iiat infolge mannigfacher Sorgen und beschränkter Mittel aus seinen Hochschulen solche vorbildlichen Anstalten nicht zu schaffen vermocht ; aber soviel wie möglich hat er ihnen den Charakter der Freiheit und des reinen wissenschaftlichen Strebens aufzuprägen versucht. Da trat an ihn ein Plan heran, der so recht seinem hochfliegenden, auf alles Grofse und Glänzende gerichteten Geiste entsprach.

Ein schwedischer Senator Benedikt Skytte, ein feingebildeter Mann, in dessen Familie die Beschäftigung mit den Wissenschaften erblich war, nahm einen schon von dem grofsen Baco von Verulam und von Comenius verkündeten Gedanken auf: es solle eine Universal- universität begründet werden, an der die bedeutendsten Gelehrten aller Länder und aller Konfessionen auch der nichtchrist- lichen — frei lehren und durch auskömmliche Besoldungen in den Stand gesetzt würden, ohne jede Einschränkung ihren wissen- schaftlichen Arbeiten nachzugehen. Die Ausführung dieses wunder- baren Planes glaubte Skytte keinem anderen Fürsten als dem aufstrebenden und kirchlich duldsamen Friedrich Wilhelm von Brandenburg anvertrauen zu dürfen. Und er hatte mit seinem Vorschlage zunächst Erfolg. Es war das Jahr 1666, wo der Kur- fürst zum ersten Male eine hervorragende, wahrhaft ausschlag- gebende Stellung in Europa einnahm. Sein Selbstbewurstsein, seine Tat- und Schaffenskraft entfalteten sich freudig. So schenkte er den nüchternen Bedenken seines mit der Untersuchung von Skyttes Eingabe betrauten Geheimrats von Bonin keine Rück-

Philippaon, Der Orofae KurfOrtt. III. 12

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sieht, fertigte vielmehr im April 1667 den Stiftungsbrief der neuen Universaluniversität aus , der Universitas Brandenburgica gentium scientiarum et artium. Alle Freunde der Wissenschaft und der Künste, alle die aus politischen oder religiösen Gründen Verfolgten wurden aufgefordert, sich in den brandenburgischen Landen niederzulassen, wo ihnen beträchtliche Vorrechte sowie die freie Verwertung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten zugesichert wurden; die hervorragendsten unter ihnen sollten als Professoren mit gutem Gehalte förmliche Anstellung erlangen. Ein unver- gänglicher Ruhm wird es für Friedrich Wilhelm bleiben, dafs er in jener Zeit des Glaubenshasses und der Glaubensverfolgung nicht nur Christen aller Bekenntnisse, sondern auch Juden, Mohammedaner und überhaupt NichtChristen tadellosen Wandels gleichfalls einlud. Der Sitz dieser grofsen Akademie sollte Tangermünde werden, wo das alte kurfürstliche Schlofs freistand und schon 15000 Taler zum Bau von Wohnhäusern für die Ge- lehrten angewiesen wurden. Der Kurfürst wollte die benach- barten Herrscher ersuchen, dieser Stadt immerwährende Neutra- lität zuzusicliern.

Aber weder die Kräfte Brandenburgs noch die Zeitumstände waren dazu angetan, den grofsartigen Plan zu verwirklichen. Bald brachen die gewaltigen von Frankreich veranlafsten Kriege aus, die des Kurfürsten Aufmerksamkeit und Geldmittel in vollem Mafse in Anspruch nahmen. Als die königliche Gesell- schaft der Wissenschaften in London dem brandenburgischen Gesandten ihre Mitwirkung zur Ausführung des schönen Pro- jektes anbot, hatte der Kurfürst solches schon aufgeben, Skytte mit einem Geschenk fortsenden müssen. So blieb von dem ganzen Gedanken nur die eine Tatsache übrig, dafs er die begeisterte Zustimmung jenes grofsen, wahrhaft universellen Fürsten gefunden hattet

Wenn die Gelehrsamkeit in dem damaligen Brandenburg allmählich aus dem tiefen Schlummer des Banausentums und pedantischer Befangenheit erwachte, so war es mit der Dicht- kunst in dem ohnehin nüchtern unpoetischen Lande um so kläglicher bestellt. Aufser dem Kirchenliede ertönte nur

^ Er man, Sur le projet d'ime ville savante dans le Brandebourg (Berlin 1790). Erman u. Eeclam, III, 293ff. U. u. A., XII, 665ff. Landwehr, 845 ff.

i

Neununddreifaigstes Kapitel. Geist und Sitte. 179

.Nicolaus Peuckers, des berühmten CöUnischen Poeten, Paucke von hundert sinnreichen Scherzgedichten **. Der wackere Kamnier- gericbtsadvokat bedichtete, was ihm unter die Hände kam; besonders ertönte seine Leier in komisch feierlichen Tönen, wenn es galt, ein Ereignis in der Familie Sr. Kurfürstlichen Durchlaucht zu verherrlichen. Die war auch dem „Dichter" sehr freundlich gewogen und erliefs ihm 1673 gnädigst die Geld- bufse von zehn Talern, die sich der poetische „Paucker** durch einen satirischen Trommelschlag gegen ein Berliner Ehepaar zugezogen hatte. Den weit bedeutenderen Simon Dach in Königs- berg hatte, noch kurz vor dessen vorzeitigem Hinscheiden, der gütige und für geistiges Schaffen lebhaft interessierte Kurfürst durch das Geschenk eines Landgütchens erfreut. Trotz seiner Mittellosigkeit hat sich Friedrich Wilhelm stets eine Freude daraus gemacht, alles und alle zu unterstützen, was und wer zur intellektuellen Hebung seines Volkes beizutragen vermochte.

Auch eine Kapelle hielt er sich, zu der er aus dem Aus- lande, besonders Italien, Sänger und Musiker berief. Der Geld- mangel zog hier freilich enge Grenzen, denn bedeutende Künstler liefsen sich schon damals teuer bezahlen. Immerhin gab es am Berliner Hofe sowohl „Hoftrompeter" wie Instrumentalvirtuosen. Der Kurfürst selber liebte aufser der geistlichen besonders Kriegs- und Jagdmusik, hörte aber bisweilen auch Kammermusik. Als der erste Klavicinist Ludwigs XIV., Andr6 de Chambonni^res, der bedeutendste Klavierspieler seiner Zeit, der Stellung in Versailles überdrüssig wurde, konnten seine Freunde daran denken, ihn dem brandenburgischen Hofe zu empfehlen. Fried- rich Wilhelm war in der Tat bemüht, auch im eigenen Lande die Tonkunst heimisch zu machen. So sandte er den jungen märkischen Musiker Helwig, auch mehrere Mitglieder seiner Kapelle zu ihrer weiteren Ausbildung in die Fremde, mit einer jährlichen, recht beträchtlichen Unterstützung ^

Der Tanz blieb gleichfalls nicht ohne Pflege. Bei aufser- ordentlichen Gelegenheiten wurden am Hofe Ballets aufgeführt, bei denen die adligen Herren und Damen, in Ermangelung von Berufskünstlern, zahlreich mitwirkten.

Die hauptsächlichste Teilnahme des Kurfürsten aber galt von Jugend auf den bildenden Künsten. Als ihren Beschützer,

^ Thouret im Hohenzollernjahrb. 1906, 194. König, 11, 449 f.

12*

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als einen Herrscher, der durch sie vor allem den Ruhm zu ^ erlangen wünscht, hat er sich von dem Ostpreufsen Willmann im Königsberger Schlosse bildlich darstellen lassen. Im Vorder* gründe des Interesses stand ihm die Malerei. Die niederländische „Schilderei" beherrschte damals die Welt, und Friedrich Wilhelm huldigte gerade ihr um so lieber, je vertrauter sie ihm durch seinen Aufenthalt in ihrer Heimat geworden war ^ Freilich, er hat es nicht vermocht, diese Kunst nach der Mark zu ver- pflanzen. Der märkische Sand ist immer der Kunst gegenüber noch spröder gewesen als der Dichtung; in jenen rauhen und geistig wie materiell armseligen Zeiten nach dem Dreifsigjährigen Kriege war vollends dort für sie keine Stätte. Der Kurfürst mufste sich damit begnügen, die Werke fremder, zumal nieder- ländischer Maler und Bildhauer für seine Residenzen zu kaufen, soweit seine magere Kasse ihm das gestattete, also auch hier mit Verzicht auf Kräfte und Schöpfungen ersten Ranges. Einige Künstler zog er persönlich nach Berlin: so vor allen Hendryk de Fromantiou, des berühmten Philipp Wouverman Schwieger- sohn, der während der zweiten Hälfte seiner Regierung sein künstlerischer Berater geworden ist. Er sandte ihn vielfach auf Reisen, um Gemälde für ihn zu erwerben ; selbstverständlich fiel der Herrscher dabei bisweilen der gewissenlosen Habgier der Kunsthändler zum Opfer, die ihm besonders mit dem Namen der grofsen Italiener gefälschte Bilder anhingen. Nach dem Tode seines Porträtisten Willem van Honthorst (s. T. I S. 429), im Jahre 1666, berief Friedrich Wilhelm noch die Niederländer Niklas Willing, Jakob und Andreas Vaillant, Rütger van Langer- veld und Adam de Klerck nach Berlin, die nicht nur seine und seiner Familie offizielle Bildnisse herstellen sondern auch die Decken seiner Schlösser mit Schildereien, zumal allegorischer Natur y schmücken mufsten. Tüchtiger waren die in den kur- fürstlichen Schlössern wirkenden Maler des Stilllebens für das Friedrich Wilhelm eine besondere Neigung gehegt zu haben scheint wie van Royen, Ottomar Elliger und besonders der schon erwähnte Fromantiou, ein geborener Mastrichter, der seit 1670 als Hofmaler mit 600 Talern (gleich verbal tnismäTsig

^ Da49 Folgende hauptsächlicb nach P. Seidel, Die Beziehungen des Grofs. Kurf. z. Niederl. Kunst; Jahrb. d. Kgl. Preufa Kunstsamm- lungen, XI (Berlin 1890), llOff. Vgl. Erman u. Beclam, lY, 286 f.

NeununddreÜBigstes Kapitel. Geeist und Sitte. 181

8000 Mark) Gehalt angestellt war. PJr diente auch als Restau- rator schadhaft gewordener Gemälde. Die besten Bildnisse Friedrich Wilhelms, die von Pieter Nason und Johan Myrtens berrOhren, stammen aus seinen verschiedenen Besuchen in den Niederlanden.

Auch holländische Bildhauer arbeiteten für ihn : nach Frans Dusard (T. I S. 427 429) besonders Bartholomäus Eggers, der zumal die Standsäulen von Kaisern und Kaiserinnen sowie der Kurfürsten aus dem Hause HohenzoUern herzustellen hatte. Jede dieser Statuen war sechs Fufs hoch, aus bestem italienischen Marmor und wurde mit 700 Talern (etwas über 9000 Mark nach heutigem Geldwerte) bezahlt.

Französische Künstler gingen ebenfalls bei den artistischen Bestrebungen des Grofsen Kurfürsten nicht ganz leer aus. Er beschäftigte besonders den Reformierten Abraham Romandon, einen eleganten und feinfühligen Porträtmaler, den er nach Berlin zog. Auch die geschickten Emailmaler Jean-Pierre und Ami Huaut kamen als Flüchtlinge dorthin und erhielten von dem greisen Herrscher eine Pension von zweihundert Talern.

Friedrich Wilhelm hielt darauf, seine Schlofsbauten mit prächtigem künstlerischen Schmuck zu versehen. Der Haupt- raum des Potsdamer Stadtschlosses, der Marmorsaal, nach dem Lustgarten zu, zeigte an der langen Rückwand zwei mächtige allegorische Schilderungen, die dem Pinsel eines bekannten Rubensschülers, Theodor van Thulden, entstammten und rechts die Geburt des Kurprinzen Friedrich, links den Frieden von St. Germain darstellten. Die Querwände wiesen den „Triumph des Grofsen Kurfürsten" von Leygebe und Jakob Vaillant auf. Ad Statuen enthielt der Saal lebensgrofse Figuren der vier ersten oranischen Generalstatthalter von der Hand Dussards, prächtige, naturwahre Gestalten.

Wesentlich grofsartiger war auf dem Berliner Schlosse der Alabastersaal gedacht, den der Kurfürst in eine Art hohen- zollemscher Ruhmeshalle zu verwandeln beschlossen hatte. Michael Mathias Schmid und der berühmte Amold Nering haben ihn erbaut; ihm galten die Statuen der Kaiser und Kaiserinnen sowie der elf hohenzoUemschen Kurfürsten, die Eggers zu fertigen hatte: die Fürsten als gepanzerte Krieger. Sechs Hochreliefs an den Wänden, von Joachim van Sandrart, einem Schüler Gerhart Honthorsts, verherrlichten Friedrich Wilhelm selbst,

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indem sie seine Erziehung durch die des grofsen Alexander ver- sinnbildlichten, ihn als Feldherm in antikem Kostüm, als Friedens- fürsten unter den Zügen Marc Aureis , als Freund der Künste in der Gestalt des Kaisers Augustus zeigten, die Befestigung Berlins und den Beginn der Hoheuzollernherrschaft in der Mark darstellten *.

Der einzige Baumeister, der unter Friedrich Wilhelm den Ruhm eines bedeutenden Künstlers verdient, ist jener Johann Arnold Nering, der an dem Alabastersaal mitarbeitete, der würdige Vorgänger des genialen Schlüter '. Er war wahrschein- lich ein geborener Brandenburger nicht ein Niederländer, wie man früher ohne genügenden Grund angenommen hat da der Kurfürst ihn fünf Jahre lang mit dem beträchtlichen Stipendium von zwei- bis dreihundert Talern (2600—3900 Mark) jährlich Mathematik, Bau- und Befestigungskunst im Auslande hatte erlernen lassen (1676 1681). Danach mag das Geburts- jahr Nerings auf etwa 1655 angesetzt werden. Er führte die italienische Benaissance in die Kurmark ein und hat diese Stilart in der Fassade des Flügels des Berliner Schlosses an der Wasserseite, der noch heute steht, in spröder Schönheit verwendet. Auch das kräftig und doch reich gegliederte, mit vielem bildhauerischen Schmuck versehene ehemalige Leipziger Tor der Abschlufs der von dem Grofsen Kurfürsten begonnenen und vollendeten Befestigung Berlins war ein das Genie Nerings bezeugendes, für seine Nachfolger vorbildlich gewordenes Bauwerk. Des geistvollen Künstlers weiteres Schaffen fällt unter die Regierung Friedrichs III. So hat Friedrich Wilhelm auch den Aufschwung der Baukunst in der Kurmark hervorgerufen. Die Schlütersche Periode ist nicht unter seinem Sohne ent- standen; er selber hatte sie begründet.

Als erster unter den Hohenzollern begründete er eine Bilder- sammlung, seit dem Jahre 1665^. Er liefs für sie durch Bomandon in Italien Kopien der berühmtesten Gemälde der dortigen alten Meister anfertigen. Er war tatsächlich in den

^ H. Galland, Der Grofse Kurf. u. Moritz v. Nassau (Frankf. a. M. 1893), 145 f. 165ff. P. Wall^, Der ehemalige Alabastersaal im Schlosse zu Berlin; Mitteil. d. Ver. f. d. Gesch. Berlins, XII (1895), 34 f.

* D. Joseph, Kunst u. Künstler unter d. Beg. des Grofs. Kurf.; ebendas. 111 ff.

« König, II, 441.

Neununddrei&igsteB Kapitel. Geist und Sitte. 183

Neben- wie in den Hauptsachen Bahnbrecher, wegweisend für seine Dynastie.

Seine unermüdlichen Bestrebungen, die Künste in der Mark beimisch zu machen, brachten freilich geringen Erfolg. Er liefs den Architekten Joachim Ernst Biesendorf aus Zielenzig, sowie den jungen kle vischen Maler Georg Wolfgrübel reisen und ausbilden; mit grofser Sorgfalt verfolgte er ihre Studien. Noch viele andere Namen stehen auf der Liste der kurfürstlichen Stipen- diaten — Nennenswertes für die Kunst hat keiner von ihnen geleistete Wesentlich bedeutender, wenn auch heute einer un- verdienten Vergessenheit anheim gefallen, war der Ostpreufse Michael Willmann, geboren 1630 zu Königsberg, der später sich in Schlesien ansftssig machte und dort zum Katholizismus über- trat. ,,Er vereinigte Rembrandts Lichtpoesie und Rubens' dekorativen Prunk mit dem Sinn für eine vielleicht manierierte, aber doch liebenswürdige und lebenswarme Grazie e*' Er hat für das Charlottenburger Schlofs und die Berliner Galerie mehrere Bilder gemalt, die leider verloren sind. Erhalten hat sich von ihm im Königsberger Schlosse ein sehr charakteristisches Gemälde (aus dem Jahre 1682) , das Friedrich Wilhelm als Friedensfürsten und Schirmherm der Künste, als Bändiger der Zwietracht und Schöpfer von Reichtum und Glück in eindrucks- voller und prächtiger Weise feiert.

Ein deutscher, wenn auch nicht märkischer, Künstler von tatsächlicher Bedeutung, den der Kurfürst beschäftigte, war der Schlesier Gottfried Leygebe. Er hatte in Nürnberg die schwierige Kunst des Eisenschneidens gelernt, die er zumal in kleinen Porträtstatuen mit hoher Begabung ausübte. Seit 1668 war er als Münzschneider in Berlin dauernd angestellt. Aufser Münzen, Medaillen, Kanonenzieraten und Formen für die Glashütten bossierte er Statuen und Büsten in W^achs, fertigte ein kunst- volles Schachspiel in Gold und Silber, zeichnete und malte. Sein schönstes Werk ist eine zehn Zoll hohe Statuette in Eisen, die den Kurfürsten als Bellerophon zu Pferde, die dreiköpfige Chimära erlegend, darstellt. Der treffliche Künstler starb, erst 53 Jahre alt, 1683 in Berlin«.

> Galland, 78ff. 204.

* Erich Klossowski im HohenzoUem Jahrb., 1901, S. 275, dem diese ganze Kotiz über Willmann entlehnt ist.

' Friedr. Nicolai, Nachrichten y. d. Künstlern Berlins (Berlin u.

184 SechfltM Bock.

Der erste Kupferstecher, der dort t&tig war, erhielt seine Berufung gleichfalls von dem Kurfürsten: Johann Friedrich Leonhard. Bedeutender war der Kupferstecher Gottfried Bartsch, ein Schlesier, der nicht nur Stiche nach Gemälden der kurfQrst- lichen Galerie herstellte, sondern auch Karten, Schlachtenbilder, Porträts, Wiedergabe öffentlicher Aufzüge. Ihm folgte der gleichfalls rühmenswerte Hainzelmann. Andere Kupferstecher, Goldschmiede, Medailleure sind nur als Kunsthandwerker zu bezeichnen. Jedenfalls gelang es Friedrich Wilhelm, wenigstens das Kunstbandwerk dauernd in Berlin heimisch zu machen. Wer es konnte, liefs seine Züge in Kupfer stechen, um sie den Seinigen zu erhalten; sonst setzten die Hinterbliebenen das Konterfei des Verstorbenen vor den damals häufigen Abdruck der Leichenrede. Auch Monumente in Kirchen und auf Gräbern aufzustellen wurde gebräuchlich. Die Steinschneidekunst, der Gelb- und Rotgufs wurden unter unmittelbarer Einwirkung und Begünstigung des Kurfürsten gepflegt. Das gesamte Kunst- handwerk blühte fröhlich auf: Dank den Anregungen des gro^^ien Herrschers begann die Kurmark eine höhere und feinere Kultur anzunehmen ^

Hierher gehört auch die Porzellanfabrikation'. Nach hollän- dischem Vorbilde hegte Friedrich Wilhelm eine ganz besondere Vorliebe für chinesisches und japanisches Porzellan, sowie für Delfter Fayencen, die er für schweres Geld in Holland erstand, und mit denen er seine Schlösser anfüllte. Er versuchte end- lieh, dieses Kunstgewerbe im eigenen Lande heimisch zu machen. Er liefs 1678 einen geschickten Porzellanbäcker Pieter Fransen van der Lee nach Potsdam kommen, von wo dieser aber bald nach Berlin übersiedelte. Nach seinem Tode führten andere Holländer die Fayencebereitung weiter. Wirkliches Porzellan ist erst seit 1712 in Berlin angefertigt worden.

Friedrich Wilhelm hatte schon als Knabe selber das Zeichnen mit grofser Liebe getrieben (T. I S. 8. 12): umsomehr sah er darauf, dafs auch seine Söhne sich in dieser Fertigkeit aus-

Stettin 1786) 51 f. Hieraus stammen die Nachrichten über Leygebe bei P. Seidel, Der Grofse Kurf. i. d. Plastik seinerzeit; Hohenzollem- jahrb. 11 (1898). 93 ff.

' Galland, 74ff.

> Seidel im Jahrb. d. Egl. Preufs. Kunstsamml., XI, 188 ff.

Neununddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 185

WMeten. Hervorragende Männer, wie Memhardt, Biesendorf, WolfgrObel, Leygebe, leiteten den Unterricht'. Mehr als ein Dutzend Zeichenbücher der Prinzen, besonders Karl Emils, sind noch TOi*faanden und beweisen immerhin achtenswerte Beanlagung. Der kurfürstliche Vater benutzte jede Gelegenheit, das Interesse seiner Söhne für die gSchildereien** anzuregen.

Das ist es eben, was das Charakterbild des Kurfürsten Friedrich Wilhelm Tor dem seiner Nachkommen auszeichnet: er besafs einen wahrhaft universellen Geist. So sehr auch seine Anteilnahme in erster Linie von den Sorgen um die Gründung, den Bestand und das Ansehen seines Staates in Anspruch ge- nommen war, sie erstreckte sich dennoch zugleich über alle Riehtungen privater und öffentlicher Tätigkeit. Das aber bringt ihn unserem Empfinden immer wieder nahe, wenn seine bunte und listige Politik ihn uns zu entfremden droht. Sein Geist blieb allen Anregungen geöffnet, und er durfte mit Recht von sieh sagen: nil humani a me alienum puto.

In seinem Bestreben, das Kunstgewerbe und das Gewerbe überhaupt in seinem Lande zu fördern, hat er sogar den Kleider^ luxus begünstigt.

Zu allen Zeiten hat man über solchen geklagt am wenigsten noch macht er sich in unserer demokratischen G^en- wart geltend; aber am verwerflichsten war er in einer Epoche, die so arm war und wo so viel Mangel und Elend herrschte, wie während der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts in Deutschland. Friedrich Wilhelm und Luise Henriette hatten 6ich zunächst der einfachen niederländischen Tracht beflissen^ deren gebräuchlichste und gerade bei feierlichen Gelegenheiten angewandte Farbe die schwarze war. Glanz und Reichtum wurden nur durch das kostbare Geschmeide der Damen hervor- gehoben. Allein der Einflufs, den das allgewaltige Frankreich unter der Selbstherrschaft Ludwig XIV. ausübte, war zu mächtig, als dars Hof und Gesellschaft in Brandenburg sich ihm hätte entziehen können. Als die französischen Reformierten dort in wachsender Anzahl einströmten und für so viele Dinge mafs» gebend wurden, triumphierte die französische Kleidung vollends. An Stelle der einfachen Gewänder und des dauerhaften Schmuckes von Edelsteinen und Perlen trat nun der vergängliche Luxus

1 Galland, 74ff.

186 Sechstes Buch.

schöner Kleiderstoffe und vielerlei Flitterkrams. Unter dem Einflüsse seiner zweiten Gemahlin folgte auch Friedrich Wilhelm diesen Bahnen. Die Männer liefsen nicht mehr das natürliche Haupthaar lang hinunterfallen, sondern verbargen es unter der prunkhaften Allongeperrücke; der Kurfürst trägt solche auf seinen Münzen seit seiner zweiten Vermahlung. Auch die Frauen suchten sich ein vornehmes Äufsere zu geben durch den hohen Kopfputz der Fontange ; die Brust wurde künstlich heraus- getrieben und fast völlig entblöfst getragen, wie auch die Arme. Frömmigkeit und Satire eiferten gegen diese frivole Mode mit der ganzen bis zu abschreckender Roheit sich steigernden Derb- heit jener Zeit; aber sie richteten umso weniger aus, als sie gerade in ihrem leidenschaftlichen Zorn selber viel Lüsternheit verrieten.

Dagegen war es der Einwirkung Luise Henriettens sowie des Kurfürsten selbst gelungen, in ihrer Umgebung die wüsten Saufgelage abzustellen, die seit zwei Jahrhunderten den deutschen Adel und Bürgerstand verunziert, geistig, moralisch und materiell heruntergebracht hatten. Das fürstliche Paar würde hiermit freilich keinen Erfolg gehabt haben, wenn nicht die in die höheren Klassen der Gesellschaft eindringende Gewohnheit des Genusses von KaflFee, Schokolade und Tee besonders dem letzteren, dessen Gebrauch durch den kurfürstlichen Leibarzt Menzel und den Holländer Bontekoe in Berlin verbreitet wurde das Biertrinken sehr vermindert, überhaupt die von Frank- reich herübergelangende feinere Sitte jenes Laster in Verachtung gebracht hätten. Es ist wohlfeil, vom chauvinistischen Stand- punkte aus auf den Siegeszug französischen Wesens durch Deutschland zu schelten; er hat zweifellos viel übles gestiftet und das ohnehin schwache Nationalgefühl vollends ertötet: er hat aber auch bessere und gebildetere Gewohnheiten eingeführt, auf denen erst sich eine neue deutsche Kultur begründen liefs. Das alles freilich galt zunächst nur für die höheren Klassen, die niederen fröhnten nach wie vor dem übermäfsigen Bier- genusse, so dafs der Kurfürst sich genötigt sah, die Beobachtung der Polizeistunde für die Bierwirtschaften von neuem ein- zuschärfen. Und dazu gesellte sich ein neues, viel schädlicheres und verderblicheres Laster: der mit reifsender Schnelligkeit sich ausdehnende Verbrauch von Branntwein. Gerade die Armut und schlechte Ernährung des Volkes während des und nach dem

Neununddreilsigstes Kapitel. Geist und Sitte. 187

Dreirsigjährigen Krieg haben das Branntweintrinken mit physio- logischer Notwendigkeit gefördert. Die um das Jahr 1680 gemachte Entdeckung der Bereitung dieses alkoholischen Ge- tränkes aus der Kartoifel hat seine Billigkeit und zugleich seine verderblichen Folgen für die Gesundheit gesteigert. Den Ge- brauch des Schnupfens und besonders des Rauchens von Tabak haben die Holländer nach Deutschland verpflanzt. Gerade während der letzten Regierungsjahre des Kurfürsten bürgerte sich die kurze Pfeife in unseren Gegenden ein. Obwohl Fried- rich Wilhelm sie nicht liebte und in seinen „Artikulsbriefen" vom Januar 1679 seinen Seeleuten überhaupt das Tabakrauchen streng verbot, gefiel es der Bevölkerung so sehr, dafs die FiDanzkünstler den Tabak schon zum Gegenstande hoher Be- steuerung machten. Das starke Essen, die übergrofse Zahl von Fleischspeisen blieben unseren Vorfahren nach wie vor eigen- tümlich. Sie hielten nicht so viel auf feine, wie auf viele Gerichte, und besonders bei festlichen Veranlassungen wurden Lebensmittel in schier unbegreiflichen Mengen vertilgt. Über- haupt das Massenhafte, Augenfällige, Gewaltige galt, der Halb- barbarei des Zeitraums entsprechend, als Zeichen der Vornehm- heit und Macht. Die beiden brandenburgischen Gesandten zum Friedenskongrefs von Nymwegen (1676 bis 1678), die dort nur eine bescheidene Rolle spielten, führten 84 Personen und 41 Pferde mit sich ^ heute würde ein Botschafter des mächtigen deutschen Reiches kaum den vierten Teil der Bedienung erfordern, wie daaials die beiden Vertreter des brandenburgischen Mittel- staates, deren einer ein kaum geadelter bürgerlicher Jurist war.

Eine Unsitte, die zu jener Zeit sehr verbreitet war, wurde durch den französischen Einflufs lediglich verstärkt: das Spiel. Sie herrschte zumal am Hofe, und zwar in so hohem Mafse, dafs der französische Gesandte Graf R^benac an einem Abende 1200 Taler 36000 Mark nach heutigem Geldwerte gewinnen konnte*. Mit dieser Verschwendung der Wohlhabenden stand dann das Elend der ungeheuren Mehrheit des Volkes in um so schreienderem Gegensatze.

Der Aberglaube jedoch war den Höheren und den Niederen

» ü. u. A., XVIII, 553.

' R^benac an seinen Vater, Marquis de Feuquiöres, 28. Mai 1681; Gallois, Lettres, V, 227.

188 SechflUs Buch.

gemeiasam und überall verbreitet. Man war fest davon über- zeugt — auch Friedrich Wilhelm glaubte daran dafs vor jedem Todesfalle in der hohenzollernschen Familie sich im Berliner Schlosse die weifse Ahnfrau zeige. Kometen sowie andere Lufterscheinungen galten als Anzeichen von Krieg und Pestilenz und erregten grofsen Schrecken. Ein Müller, der behauptete, zwei Kriegsheere in den Wolken des nördlichen Himmels erblickt zu haben, wurde über dieses Wunder von dem Magistrate zu Küstrin förmlich verhört. Jede aufsergewöhnliche Mifsgeburt, nicht nur am Menschen, sondern auch bei Tieren, galt als schreckhaftes Zeichen des göttlichen Zorns und als Mahnung zu Bufse und Besserung. Wahrsager beiderlei Ge- schlechtes fanden zahlreichen Anhang. Hexerei und Zauberei wurden als erwiesene Tatsachen widerspruchslos geglaubt. Noch 1664 wurden zwei kurfürstliche Pagen wegen schwarzer Künste in Berlin bestraft, 1671 eine Frau Trina Stempels, weil sie mit dem Teufel einen Bund geschlossen. Das Berliner Gericht ging dann 1679 wieder gegen eine wegen Zauberei übel berüchtigte Person vor. Krankheiten und Unglücksfälle aller Art schrieb man den Hexen und Zauberern zu und suchte die Urheber von Diebstählen durch allerlei Weissagungen herauszubekommen, wobei auf dem Lande sogar Pfarrer und Küster hilfreiche Hand boten. Im Fürstentum Minden nahm das Hexenunwesen geradezu unheimliche Ausdehnung an, und die dortige Regierung war derart verblendet, dals sie die angeklagten Hexen sofort hin- richten lassen wollte, damit der Teufel sie nicht zu neuen Missetaten verleite. Allein der Statthalter damals Graf Waldeck war glücklicherweise aufgeklärter und einsichtiger als die gelehrten Räte : er verbot, unter scharfen Strafandrohungen, leichtfertigen Beschuldigungen dieser Art Glauben zu schenken. Hierauf nahm die Zahl der Hexenprozesse bedeutend ab^.

Wie weit und hoch hinauf der Aberglaube verbreitet war, das möge folgendes Beispiel lehren. Am 25. August 1666 bemerkt Oberpräsident von Schwerin in seinem Tagebuch^: „Da dem Kur- prinzen ein Unglück von einem Astrologe angekündigt, haben Se. Kurf. Durchl. ihn nicht ausgehen lassen wollen. An eben

* Orlich, Friedr. Wilh., 260 ff. 280 ff.; u. Preufs. Staat, I, 522. König, n, 149. 195. 249. Spannagel, Minden u. Ravensb., 242{f. « Berlin, Geh. StaatBarchiv., Rep. 94, IV, H c 9.

Neununddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte. Ig9

dettiselben Tage sind vier Edelleute mit den Pferden gestürzt, davon der eine noch ohne HoiFnung darnieder liegt, und hat der Astrologns gesagt, wenn der Kurprinz mitgekommen, würde ihm ganz gewifs ein Unglück begegnet sein/

Und wie der Aberglaube, war die Roheit allgemein verbreitet. Die Bärenhatz galt als eine besondere Lustbarkeit. Sie wurde nicht allein zu Ehren fremder Gesandtschaften veranstaltet \ sondern auch ein so frommer und milder Mann, wie Otto von Schwerin, hatte nichts dagegen einzuwenden, dafs in Gegenwart der noch im Kindesalter befindlichen Prinzen sowie der ganzen karfürstlichen Familie Bären zuerst mit Pferden und Ochsen kämpften und dann selber gehetzt wurden'. Aber auch die Kriminalstrafen an Menschen waren überaus grausam. Im Jahre 1684 wurde in Berlin ein Falschmünzer enthauptet, dann seine Leiche verbrannt. Ebenso wurden Bigamie, Blutschande, sogar Ehebruch, femer schwerer Diebstahl mit dem Tode* bestraft*.

Die Unsitte der Duelle war allgemein verbreitet, auch in den höheren Klassen der bürgerlichen Bevölkerung. Friedrich Wilhelm trat gegen sie mit strengen Verordnungen auf, da er meinte, die Duellanten „liefsen sich durch ihre unzeitigen Passiones dahin verleiten, dafs sie auch keine Scheu trügen, die allergerechtesten und in Gottes Wort gegründeten Ordnungen anzutasten und sich denenselben zu opponieren^. Der Tod seines Eammerjunkers von Kospott im Zweikampf veranlafste 1665 den Herrscher zur Verschärfung der Strafen gegen die Duellanten. Alle adligen Hofleute und Beamten wurden im Schlosse zu Berlin in Gegenwart der Geheimen Räte im „hohen Namen* dea Kurfürsten feierlichst befehligt, bei „Vermeidung Unserer höch- sten Ungnade* sich friedlich zu benehmen, auch, wenn man sich beleidigt glaube, die Sache vor den Landesherm selbst zu tragen. Nicht allein die Duellanten selber sollten „an Leib und Leben* , sondern auch alle Kartellträger , Sekundanten , ja Mitwisser schwer gestraft werden. Diese Vorschriften wurden hniner von neuem eingeschärft ein Beweis, dafs sie wohl nicht genau beobachtet worden sind^. Kam es doch 1672 vor.

* Orlich, Freute. StsÄt, I, 385.

' Mb. Tagebuch; Berlin, Geh. Staatsarchiv, a. a. O. « König, n, 221. 475 ff.

* Orlich, Preuffl. Staat, IH, 79. 170 ff. 193 f.

190 Sechstes Buch.

dafs selbst der Oberkriegskommissar in Preufsen, von Podewils, sich mit einem Hauptmann Hubalt, der ihn allerdings tätlich beleidigt hatte, schlug und ihn im Duell tötete. Er kam mit schlichtem Abschied aus dem brandenburgischen Dienste davon und wurde dann, auf Empfehlung des Herzogs von Croy, wegen seiner früheren Verdienste bald wieder angestellt*.

Wunderbar, wie sich mit Aberglauben und Roheit eine tiefe und aufrichtige Frömmigkeit vertrug! Die Widersprüche liegen dicht und unvermittelt im menschlichen Gemüte neben- einander. Derselbe Friedrich Wilhelm, der an die Weifse Frau und die Sterndeuterei glaubte, der sich an der Todesangst und den letzten Zuckungen armer Tiere ergötzte, befahl, dafs der Sonntag nicht nur durch Enthalten von jeder Arbeit, sondern auch mit Beten, Siugen, frommen Ermahnungen sowie mit Übung tätiger christlicher Nächstenliebe begangen werde. Er ordnete für den Sonntag sogar die Schliefsung der Gast- und Schenk- häuser an (1676). Auf seinen Schiffen wurde morgens und abends Andacht gehalten, zu der sich alle Seeleute versammeln mufsten; das Schwören und Fluchen war diesen streng untersagt^.

Die Obrigkeit suchte damals alles zu regeln, wie die Frömmigkeit, so auch die Preise der unentbehrlichen Lebens- bedürfnisse. Der Kurfürst erliefs 1676 und dann wieder 1685 Fleisch-, Brot-, Wein- und Biertaxen. Das Pfund Kalbfleisch durfte in Berlin nicht höher als zu einem Groschen, das Quart gutes Stadtbier als zu acht Pfennigen verkauft werden. Alles dies hielt aber vor der Macht der Verhältnisse nicht mehr Stand, als die obrigkeitliche Festsetzung des Zinsfufses auf sechs Pro- zent. Es kam vor, dafs man von kleinen Schuldnern 54, ja -— wie eine Frau Katharine Kramer 120 Prozent jährlicher Zinsen erprefste. Schließlich mufste der Kurfürst zugeben, dafs seine Kaufleute, wie in den auswärtigen Handelsstädten, bis acht Prozent Interessen nehmen konnten.

Ein charakteristisches Zeichen der Sorgfalt, die der Landes- herr zu jener Zeit dem materiellen und moralischen Wohlergehen der Untertanen widmen zu müssen glaubte, ist das am 30. Ja- nuar 1686 erlassene „Verbot der Reisen in frembde Lande ohne

* Ms. Herzog von Croy, Diarium Prussiae, 1670 1672 (Berlin, Geh. Staatsarchiv, ßep. XCII, Croy 136). Vol. V S. 82 f. 188. 403 f. 564.

* Artikulsbriefe für die Marine (Jan. 1679).

Neununddreiüsigstee Kapitel. Geist und Sitte. 191

allergDädigste Permission^ . Die Begründung beleuchtet die ganze Denkweise jener Zeit: „Demnach Wir wahrgenommen, es auch die kfirzliche Erfahrung bezeuget, dafs eine Zeit hero viele von unseren Vasallen und Lehuleuten auf dem Lande, wie auch vermögende Bürger in Stfldten sich unterstanden, ohne Unsem Vorbewurst und Consens ihre Söhne in frembde und auswärtige Lande und Königreiche, untern Vorwand, dafs sie daselbsten die Sprachen und allerhand Exerzitia lernen sollen, zu verschicken und selbe'peregrinieren und reisen zu lassen, welche dann nicht allein ihren Eltern sondern auch ihnen selbsten zum äufsersten Schaden und Verderb, ein grofses Geld in der Frembde unnütz- lich verzehret und durchgebracht, indem sie allerlei Eitelkeiten sich ergeben, den Desbauchen, Spielen und anderen Wollüsten nachgegangen, zu deren Bezahlung grofse Summen Geldes über- machet werden müssen, viele auch die einmal erkannte und bekannte Wahrheit der evangelischen Religion abzuschwören sich verführen lassen, teils auch liederlich um ihr Leib und Leben gekommen* also verbietet der Kurfürst bei mannigfachen Strafen das Reisen in fremde Länder ohne „Unsere gnädigste Spezial-Permission und Pafs". Er empfiehlt vielmehr den Wifs- begierigen die „guten, bequemen und tüchtigen Sprach- und Exerzitienmeister , an denen es auch denen Gymnasiis und Akademien in Teutschland nunmehr nicht ermangelt, und damit absonderlich Unseie Universität zu Frankfurt gebührend und wohl versehen ist." *

Das Verbot war um so leichter durchzuführen, als die Lehren und das Beispiel des Kurfürsten ihre Früchte zu tragen, der Ruhm und das Ansehen, die er sich und seinem Staate und Heere erworben, den Partikularismus der einzelnen Landesteile zu zerstören und alle Untertanen, vom Rhein bis an den Pregel, mit freudigem Stolze auf den brandenburgischen Namen zu erfüllen begonnen hatte. Als die klevisch- märkischen Stände am 15. Oktober 1666 dem Kurprinzen die Huldigung leisteten, brachen sie, die sich einst als Republik hatten konstituieren wollen, in den begeisterten Ruf aus: „Vivat Brandenburg!"* Auch das erst seit kurzem mit dem HohenzoUernstaat vereinigte Fürstentum Halberstadt war von so patriotischem Geiste erftült,

' Myliue, VI, I, 567.

' Ms. Tageb. Schwerins, a. a. O.

Id2 Sechstes Bucli.

dafs Friedrich Ton Jena darüber in freudiges Staunen geriet Einer neuen Steuerforderung gegenüber erklärten die dortigen Stände: „Wir haben bereits ein Grofses und über unsere Kräfte getan ; jedoch wenn wir nur wissen, dafs es zu Sr. Kurf. Durchl. Bestem und Dienst angewandt wird, wollen wir gern noch femer tun, was uns möglich/ ^ Noch mehr entwickelte die patriotische und loyale Gesinnung sich in der kurfürstlichen Residenz Berlin, die dem Landesherrn ihr Aufblühen verdankte. Den Sißg bei Fehrbellin feierten nicht allein die Prunkreden, die den heim- kehrenden Helden die Berliner Bürgermeister Tieffenbach und Schardius sowie der GöUner Bürgermeister Neuhaus hielten, sondern auch Feuerwerk und Illumination seitens der Einwohner. Die Berliner gaben nach den pommerschen Feldzügen gleich- falls ihre Freude über die glänzenden Erfolge der vaterländi- schen Waffen durch prächtige Feste und Ausschmückung der Stadt ndt Laubgewinden, Ehrenpforten, Säulen, Obelisken, Statuen und Trophäen', durch dichterische Vorträge seitens schön geputzter Jungfräulein zu erkennen. Zu grofs war der Unterschied dieser glorreichen Zeiten mit den noch nicht lange verflossenen Jahren, wo derselbe Schwede, der jetzt gedemütigt dem Kurfürsten zu Füfsen lag, die Kurmark unterjocht und ausgeplündert hatte. Die Quelle des jugendlichen Patriotismus sprudelte mit naiver Aufrichtigkeit in dem Liede, mit dem am SchluTstage des Jahres 1677 Berlin seinem Herrscher huldigte:

„Berlin, jetzt freue dich:

„Der Feind ist überwunden!

„Mark, jauchze und sei froh,

„Der Schrecken ist gebunden.

„Du bist durch diesen Sieg

„Von grofser Furcht befreit.

„Gott wird dir helfen noch

„Und femer stehen bei.**' Die Grofstaten Friedrich Wilhelms hatten das branden- burgisch-preufsische Staatsbewufstsein geschaffen.

» Orlich, Preufs. Staat, I, 503.

* Eine genaue Beschreibung dieser prächtigen und, bei Tieler Pedaa* terie, doch erfindungsreichen und geistvollen Ehrenbauten mit ihren Schildereien und Inschriften findet man in dem Aufsatze Paul Seidels, Hohenzollemjahrb. 1902, S. 246 ff.

» Schwebel, II, 118 f.

Vierzigstes Kapitel

Das Heer.

Das hauptsächliche Machtmittel für den von Friedrich Wilhelm begründeten Einheitsstaat war das Heer, und ihm hat er unausgesetzt seine Sorgfalt zugewandt Die ruhmreiche preufsische Armee feiert in dem Grofsen Kurfürsten ihren Schöpfer. Die Dürftigkeit der brandenburgischen Finanzen nötigte ihn zwar, nach jedem Kriege beträchtliche Herabsetzungen des Heeresbestandes vorzunehmen, gegen den Willen und zum grofsen Kummer Derfflingers * ; allein wir bemerken, dafs dennoch die Anzahl der auch während des Friedens unterhaltenen Soldaten dauernd anwächst. Der Kurfürst hatte sich dazu die Mittel verschafft, indem er die bisher von den einzelnen Ständeversamm- langen nur zögernd und zeitweise bewilligten Steuern in bleibende, gleichm&fsige und für alle Provinzen des Staates systematisch angelegte verwandelte.

Das alte Lohns- und Milizsystem widersprach ebensosehr dem Geiste der Zeit, der sich von jeder tätigen Anteilnahme des Untertanen an öffentlichen Dingen abgewandt hatte, wie den Anforderungen einer entwickelten Technik in der Bewaffnung und den Bewegungen der Heereskörper. Friedrich Wilhelm liefs es deshalb, mit Recht, auch in seinen Staaten absichtlich verfallen. Es hatte selbst in den Marken gegen die Schweden nur geringe Dienste getan. Die ^^Landfolge* in Hinterpommern

* Mb. Derffl. an Landgr. Hessen -Homburg, 4. Sept. 1678; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. 94, lY Hb 5k.

Phlllppion, Der Qroüm KuifOrtt. III. 18

194 Sechstes Budi.

hatte während der Jahre 1674 bis 1676 gänzlich versagt und wurde dann nicht mehr in Anspruch genommen. „Die preufsische Landesmiliz/ urteilt Friedrich Wilhelm in seinem politischen Testamente von 1667, „taugt zu keinem Kriege, wie ich solches Selbsten erfahren habe." Er erkannte in dem Reste der alten adligen und städtischen Heeresfolge nur Elemente, die, gegen den äufseren Feind unbrauchbar, dem Landesherrn unnütze Kosten, Unbequemlichkeiten und selbst Gefahr bereiten. Als seit dem Jahre 1675 die preufsische Regierung gegen die drohende schwedische Invasion Ritterpferde und Wibranzen aufstellte, liefs der Kurfürst sie zwar gewähren, verweigerte aber dazu jeden finanziellen Zuschufs; seine Mittel gehörten seinem stehenden Heere. In der Tat, die ganze preufsische „Ordinardefeusion" lief, ohne Widerstand zu leisten, bei dem ersten Angriffe der Schweden auseinander. Seitdem waren auch inPreufsen Miliz und Lehndienst begraben \ Um so kräftiger entfaltete sich die Armee ^

Nach dem Frieden von Oliva war das Heer auf 8 9000 Mann heruntergesetzt; allein bereits 1668, während des Devo- lutionskrieges, war es wieder auf 7000 Infanteristen, 4100 Reiter und 1500 Dragoner, im ganzen mit Zuziehung der Artillerie und des Trains auf mehr als 13000 Mann gewachsen*. Der französisch-niederländisch-schwedische Krieg, an dem Branden- burg so hervorragenden Anteil nahm, führte die stärkste Entwick- lung seiner Kriegsmacht herbei, die auf 9764 Reiter, 3455 Dragoner, 30892 Infanteristen, 986 Artilleristen, sowie 221 Köpfe des Generalstabes und der Verwaltung, also zusammen auf 45318 Mann gewachsen war. Hervorzuheben ist die verhältnismäfsig bedeutendere Zunahme der Infanterie. Während im Beginne des Krieges Reiterei und Dragoner zusammen noch zwei Fünftel des Heeres ausgemacht hatten und des Kurfürsten wie Derff- lingers Lieblingswaffen gewesen waren, betrugen sie gegen Ende

^ 0. Jany, Lehndienst und Landfolge unter d. Grofs. Kurf.; Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., X (1898), 1 25.

* Zu diesem ganzen Gegenstande vgl. man v. Mülverstedt, Brandenburgs Kriegsmacht unter d. Grols. Kurf. (Magdeb. 1888); Gust Lehmann, Die brandenb. Kriegsmacht unter d. Grofs. Kurf.; Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., I (1888); die hervorragende Arbeit von F. V. Schroetter, Die brandenb. - preufs. Heeresverfassung unter d. Grofs. Kurf. (Leipzig 1892).

» Orlich, Preufs. Staat H, 402 ff.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 195

der Kämpfe weniger als ein Drittel. Wir irren wohl nicht, wenn wir den in den pommerschen Feldzügen notwendig ge- wordenen zahlreichen Belagerungen, bei denen naturgemäfs die Infanterie fast allein Verwendung fand, diese Umwandlung Euschreiben, die übrigens durch die weitere Entwicklung der Taktik begünstigt und befestigt wurde.

Auch nach dem Friedensschlüsse yon St. Germain bewahrte das Heer eine beträchtliche Stärke. Im Jahre 1681 betrug es 512 Mann Artillerie, 3497 Reiter, 1462 Dragoner, 20801 Fufs- gäDger (darunter 6499 Mann Gamisontruppen), also mit General- stab und Verwaltung etwa 26300 Mann^ Man bemerke, dafs die berittenen Truppen nur mehr ein Fünftel, die eigentliche Kavallerie weniger als ein Siebentel des Gesamtheeres betragen. Die Infanterie ist zur Königin der Waffen geworden. Die Rolle der Artillerie ist im Felde noch eine untergeordnete. Sie hat erst durch den grofsen Napoleon ihre Bedeutung erhalten.

Der Türkenkrieg und besonders die Gewalttaten, die Ludwig XIV. unausgesetzt gegen das Deutsche Reich verübte, veranlafsten den Kurfürsten in den folgenden Jahren zu neuer Vermehrung seines Heeres. Es war 1687 auf 14932 Feld- und 7710 Mann Besatzungsinfanterie also zusammen 22 642 Fufs- gänger , 3842 Reiter, 1350 Dragoner und 502 Artilleristen, im ganzen, mit Generalstab und Verwaltung, auf etwa 28600 Mann angewachsen. Man beachte, dafs die Zunahme fast aus- schliefslich den Fufstruppen zu gute kam. An seinem Lebensende hinterliefs der Grofse Kurfürst seinem Sohne ein stehendes Heer von etwa 30000 wohlgeübten und gutgeführten Streitern: eine Macht, die Brandenburg-Preufsen an die Spitze der Staaten zweiten Ranges stellte, es als Bundesgenossen gesucht, als Gegner gefürchtet machte.

Dieses Heer hatte seine bleibende, möglichst gleichmäfsige Organisation. Dadurch unterschied es sich von den bunt zu- sammengewürfelten, den wechselnden Umst&nden unterliegenden Söldnerheeren der Vergangenheit. Die vornehmste Truppe war die berittene Trabantengarde des Kurfürsten, die zuletzt in drei Kompanien zu je 130 Mann bestand; dann kam eine Leibgarde

' Das Folgende nach Ms. General- Verpflegungs-fistat der ChurfOrstL Brandenburgisöhen Soldatesque (£gl. Bibl. zu Berlin, Manuscr. Bonus., foL, 320). Vgl. Orlich, a. a. 0. H, 403 f. 411, HI, 309.

13*

196 Seclistes Buch.

zu Fufs, die 1668 nur sechs Kompanien zu je 125 Mann, 1687 aber 24 Kompanien von gleicher Stärke betrug, also das Drei- fache der sonstigen Infanterieregimenter. Die Reiterei zerfiel in Regimenter, die der Regel nach sechs Kompanien zu je 83 Mann, also im ganzen, mit dem Regimen tsstabe, 515 Mann stark sein sollten. Diese Zahl wurde indes selten erreicht und im Frieden, der Ersparnis halber, die Kompanie Reiter auf 63 Mann ver- mindert. Die Dragonerwaife bekanntlich Infanteristen, die zu schnellerer Beförderung auf den Kampfplatz beritten gemacht waren, aber zu Fufse stritten , früher sehr beliebt, nahm infolge der besseren Ausbildung der Infanterie an Zahl beständig ab. Das Dragouerregiment zählte acht Kompanien zu 125 Mann Kriegsstärke; allein 1687 waren nur zwei Regimenter und zwei einzelne Kompanien vorhanden, und jede Kompanie enthielt durchschnittlich nicht mehr als 75 Mann. Das Infanterie- regiment war gleichfalls acht Kompanien zu je 125 Mann stark und wurde, da es weit weniger kostete als die berittenen Waffen, auf annähernd komplettem Fufse gehalten. In bedrohlichen Zeiten wurde bei einzelnen Regimentern die Kompanie sogar auf 150 Mann gesetzt, wie 1679 beim Regiment Anhalt.

Der Kurfürst hat gegen Ende seiner Regierung noch einige Spezialkorps errichtet, die wir auf dem ordentlichen Heeresetat nicht angeführt finden. Seit 1675 unterhielt er unter dem Namen Towardzisch während einiger Jahre zwei Kompanien polnischer Reiter. Dauernder war die Bildung von zwei Kompanien Grands- Mousquetaires mit zusammen 220 Mann, die ausschliefslich aus geflüchteten hugenottischen Edelleuten bestanden, und deren Soldaten Offiziersrang besafsen. Dazu kam 1688 eine dritte, 65 Mann starke Kompanie, in der deutsche Edelleute unter gleichen Bedingungen dienten. Von den noch ganz jungen fran- zösischen Edelleuten wurden Kadettenkompanien gebildet, aus denen nicht weniger als 17 Generalleutnants und 24 General- majore hervorgingen*.

Unabhängig davon ist die Formierung der beiden mit huge- nottischen Offizieren besetzten und zum Teil aus französischen Mannschaften gebildeten Regimenter Briquemault (zu Pferde) und Varenne (zu Fufs), sowie des Bataillons Courneaud, die der

* Erman u. Beclam, 11, 203 ff. Toll in, Französ. Kolonie in Magdeb., I, 662.

Vierzigstee Kapitel. Das Heer. 197

EurfOrst 1685 und 1686 „aus grorsem Mitleid mit denen aus Frankreich wegen der reformierten Religion vertriebenen armen Leuten'' verfügte ; sie traten in den Rahmen des übrigen Heeres ein, obschon, aus leicht begreiflichen Gründen, die Zahl der Offiziere viel bedeutender wurde, als solche bei den anderen Regimentern üblich war. Schon im Juni 1687 waren 611 kal- vinische Edelleute in das brandenburgische Heer aufgenommen worden \

Die Armee bestand noch ausschliefslich aus Söldnern, die mehr oder minder freiwillig angeworben waren. Die Werbung wurde den Obersten anvertraut, die solche auf eigene Faust, wenn auch auf Grund landesherrlichen Patentes, vornahmen. Dafür vergütete ihnen der Kurfürst Werbegelder, deren Höhe nach dem Gesetze des Angebotes und der Nachfrage wechselte, durchschnittlich aber für den Reiter 40, für den Dragoner 20 und für den Fufsgänger 8 Reichstaler betrug. Ein Unterschied zwischen Landeskindern und Ausländern wurde dabei nicht ge- macht. Es durften aber im Inlande Domänenpächter und Hof- besitzer sowie deren ansässige Knechte nicht geworben werden, damit der Ackerbau geschont bleibe, und ebensowenig die Ge- werbtreibenden in den Städten: demnach blieb für das Inland den Werbern wirklich nur das „Gesindlein*" zur Verfügung. Auch feindliche Gefangene steckte man in die brandenburgischen Regimenter unter. Solche Massen konnten selbstverständlich nur durch eiserne Strenge in Zucht gehalten werden. Es gab immer zahlreiche Deserteure, für deren Festnahme ein Preis von je zwei Talern ausgesetzt war. Die Werber griffen aber auch häufig zur Gewalt, um Rekruten zu erlangen. Der Kur- fürst suchte diesem schliefslich dem Bestände der Armee selbst schädlichen Mifsbrauche durch wiederholte Verordnungen ab- zuhelfen, auch durch das Gebot, alle mit Gewalt Geworbenen sofort zu entlassen, allein es ist wenig wahrscheinlich, dafs diese Befehle gegenüber dem Eigennutze der Werber Erfolg gehabt haben.

Der Oberst war damals der eigentliche Inhaber seines Re- gimentes, das auch seinen Namen trug. Er ernannte zu den Offizier- wie zu den Unteroffizierstellen des Regimentes, er be-

' Ms. Depeschen Böbenacs vom Juni 1687 (Berlin, Qeh, Staatsarchivt Rep. 94, IV H b, 10 a).

198 Sechstes Buch.

lohnte, strafte und entliefs die Soldaten. Er hatte die Ver- pflegung und die Justiz seines Truppenteils zu verwalten. Nur allmählich wufste der Kurfürst sich das Recht zu verschaffen, dafs ihm alle von der Militärjustiz gefällten Urteile zur Be- stätigung vorgelegt, alle neuernannten Offiziere, vom Fähnrich aufwärts, zu gleichem Zwecke gemeldet werden mufsten ^ Damit hatte er das Interesse des Dienstes gegen persönliche Willkür, Eigennutz und Grausamkeit geschützt. Es bedeutete aber eine beträchtliche Änderung des bisherigen Verhältnisses, dafs die Regimenter nunmehr stehende Truppen wurden, die nach dem Tode des Inhabers vom Kurfürsten einem neuen Obersten über- tragen wurden: also nicht mehr der Oberst stellte das Regiment dem Kurfürsten, sondern dieser dem Obersten. So wurde es 1681 Friedrich Wilhelm möglich, den Hauptschlag zu führen, indem er, mit Nachahmung der von Louvois im französischen Heere getroffenen Neuerung, den Obersten Justiz, Verpflegung und Offiziersernennungen in den Regimentern nahm und sich selbst beilegte. Erst damit wurde die Bürgschaft für eine gute und gewissenhafte Administration, für strenge Disziplin und unweigerlichen Gehorsam im Heere geschaffen, ward dieses eine unbedingt zuverlässige Waffe in der Hand des Fürsten.

Friedrich Wilhelm sorgte noch weiter für die Zahl und Tüchtigkeit seines Heeres dadurch, dafs er, nach niederländischem Vorbilde, gut gediente Söldner auf Wartegeld beurlaubte; d. h. er siedelte sie in seinen Dörfern an, erteilte ihnen eine geringe Pension und ein Deputat an Naturalien, und sie übernahmen dafür die Verpflichtung, jederzeit zum Kriegsdienste bereitzu- stehen '.

Die Gleichförmigkeit der Bekleidung war noch nicht völlig durchgeführt, jedoch beabsichtigt und teilweise verwirklicht. Am wenigsten bei der Reiterei, wo jeder Mann sich selber kleiden und beritten machen mufste. Sie trug lederne Koller , über die der Kürafs gezogen wurde, Helme mit hinten und an den Seiten herunterhängenden Blechplatten, Panzerhandschuhe und eine schwarzweifse Schärpe. In der zweiten Hälfte dieser Re-

» Orlich, Friedr. Wüh., 215; u. Preufs. Staat, II, 896. 410, IH, 209 f. Ein Werbebrief Friedrich Wilhelms vom 18. Juli 1646: v.;G ans- auge, Brandenb.-preuf& Kriegswesen, 178 ff. Vgl. ebendas., S. 47 f.

« Jahns im Hohenzollernjahrb. 1900, 8. 142.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 199

giernng warden die Helme durch Hüte mit Federstutz ersetzt Die Waffen der Reiterei waren ein langes Schwert und Pistolen. Nur die Trabanten trugen durchgehends blaue, mit Gold- und Silberschnüren verbrämte Koller. Die Dragoner führten ein kurzes Schwert und teils eine leichte Muskete, teils eine leichte Pike; auch sie waren mit ledernem Koller bekleidet.

Die Gleichmftfsigkeit der Kleidung war bei der Infanterie besser durchgeführt, die gegen Ende unseres Zeitraums durch- gehends über der Ärmelweste einen langschöfsigen blauen Bock trug, wenn auch die Schattierungen ebenso wie die Knöpfe ver- schieden und die Beinkleider teils blautuchen, teils ledern waren. Die ,Livrey** eines Soldaten kostete in Berlin nur fünf Taler and sechs Pfennige, in Königsberg freilich über sieben Taler ^. Ehe das Bajonett eingeführt wurde, bestand ein Drittel der Infanterie aus Pikenieren, die noch Panzer und Pickelhaube, sowie eine fQnfzehn bis sechzehn Fufs lange Pike und im Gürtel eine Pistole trugen. Die anderen zwei Drittel der Fufsgänger führten Mus keten, die aber sogar bei demselben Begimente nicht alle gleichen Kalibers waren, und, ebenso wie die Pikeniere, Seitengewehre. Dann trugen sie, zu gröfserer Sicherheit gegen Kavallerie- angriffe, spanische Beiter mit sich, allerdings ein sehr beschwer- liches Gepäck! Ihre Kopfbedeckung war ein schwarzer Fi]zhut, der durch eingelegtes eisernes Gestell gegen Säbelhiebe gesichert war, mit breiter, auf der einen Seite aufgeschlagener Krampe. Die Unteroffiziere führten Flinten und Pistolen, die Subaltem- offiziere nebst den Degen kurze Spiefse mit breitem Stichblatt, sogenannte Schweinsfedem.

Die Justiz im Heere wurde durch rechtsgelehrte Begiments- schttlzen verwaltet, die später den noch heute üblichen Namen Auditeure erhielten. Dabei ward das Urteil durch ein Kriegs- gericht gesprochen, das nach Chargenklassen gesondert abstimmte. Niedrigere Chargen als die des Angeklagten durften nicht zu- gezogen werden. Jedes Urteil mufste, vor der Vollstreckung, nebst den zugehörigen Akten dem Kurfürsten vorgelegt werden. Das brandenburgische Kriegsrecht war ein im ganzen mildes, besonders auch gegen Deserteure. Aufserdem wurde die Todesstrafe häufig durch den Kriegsherrn in Galeerendienst verwandelt; auch sonst wurden hierzu schwere Militär Verbrecher verwendet. Noch kurz

' Ms. Herzog von Croy, Diarium Prussiae, HI, 728.

200 Sechstes Buch.

vor seinem Tode am 29. Januar 1688 verbot der Kurfürst das willkürliche Prügeln und Mifshandeln der Soldaten, zumal durch die Unteroffiziere^.

Der Auditeur hatte, namentlich bei den Musterungen, zugleich Sekretärsdienste zu verrichten. An der Spitze des Auditoriats stand der Generalauditeur.

Wiederholte Musterungen jedes einzelnen Truppenkörpers waren damals noch notwendiger als in der Gegenwart Indem die Obersten von dem Landesherrn, die Hauptleute von den Obersten Pauschgelder für Anwerbung und Unterhalt der Kompanien empfingen, war die Versuchung grofs und ihr zu unterliegen galt nicht als Schande , durch Minderzahl der Soldaten, sowie durch deren schlechte Verpflegung, Bekleidung und Ausrüstung sich beträchtlichen Geldgewinn zu verschaffen. Der Kurfürst ordnete, dem zu begegnen, häufige Musterungen an, über deren Ergebnis er genauen Bericht einforderte. Jeder Fehler wurde scharf gerügt, jeder Offizier, dem Unterschlagungen nachgewiesen wurden, sofort kassiert. Selbst seinen Schwager Johann Georg von Anhalt verschonte Friedrich Wilhelm nicht mit bitterem Tadel, als dessen Regiment sich 1681 als unvoll- zählig und schlecht ausgerüstet herausstellte, und unterwarf es aufsergewöhnlichen und nicht vorher angemeldeten Musterungen. Im allgemeinen erhielt Feldmarschall Derfflinger die Befugnis, allezeit auch ohne speziellen Befehl jedes Regiment zu mustern oder mustern zu lassen und dabei alle Hauptleute oder Ritt- meister zu kassieren, deren Kompanien nicht in gehöriger Ord- nung befunden würden. Kein Offiziersbedienter durfte in die Front eingereiht, kein Soldat dem Offizier als Diener beigegeben werden. Keine Kompanie sollte mehr als 30 bis 40 Verheiratete enthalten, damit die Zahl der Nichtkombattanten und des Trosses, die dem Heere anhingen, nicht allzu beträchtlich sei'.

Einheit, Gleichmäfsigkeit, strenge Ordnung wurden immer mehr diesem Heere auferlegt. Einheitliches Exerzitium und Kommando kamen in dem Jahre 1681 , das auch sonst für die Umbildung der Armee sehr wichtig ist, zur Einführung. General- wachtmeister von Schöning mufste die Regimentskommandeure

^ MyliuB, III, I passim. Ms. Derfflinger an Heesen-Homburg, 6. April 1677; Geh. Staatearchiv, Berlin, Eep. 94, IV Hb, 5k. Orlich, Preuls. Staat, HL 320 ff. 897. 405 f.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 201

persönlich darin unterweisen. Das Exerzieren im einzelnen geschah durch die Leutnants und Sergeanten, da die Haupt- leute hierzu keine Zeit hatten. Bei den Musterungen wurde darauf gesehen, dafs die Exerzitien vorschriftsmafsig eingeübt und richtig befolgt wurden.

Das brandenburgische Heer erhielt unter Friedrich Wilhelm eine gründliche Ausbildung, die durch taktische Neuerungen noch wirksamer ward. Die Schnelligkeit, mit der Fufsvolk wie Reiterei die damals noch sehr umständlichen taktischen Be- wegungen ausführten, erregt noch heute die Bewunderung der Fachmänner. Friedrich Wilhelm lehrte zumal seine Kavallerie die sich übrigens mit Vorliebe des Schiefsgewehres und nur im Notfalle der blanken Waffe bediente , selbständig, ohne Unterstützung durch das Fufsvolk, vorzugehen und den Feind anzugreifen: ein Wagnis, das Gustav Adolf ihr noch nicht zugemutet hatte. Ebenso befreite er die Artillerie von der Routine, die solche stets auf jedem Schlachtfelde in schematisch gleicher Weise anordnete. Er und seine Generale wählten viel- mehr in jedesmal angemessener Art die passendsten und wirk- samsten Stellungen für die Geschütze: so bei Warschau zum Schutze des berühmten Flankenmarsches der Brandenburger; 80 bei Fehrbellin, um die schwedische Schlachtordnung von der rechten Flanke her zu bestreichen. Die brandenburgische Feld- artillerie war viel beweglicher als die entsprechende Waffe in irgend einem der anderen damaligen Heere. Überhaupt waren die Brandenburger darauf eingeübt, sich dem Terrain schnell und vollkommen anzupassen, die verschiedenen Waffengattungen zweckmäfsig zu mischen, die Bewegungen der einzelnen Korps gut zu kombinieren: weit mehr, als dies anderwärts geschah. Der Aufklärungs- und Nachrichtendienst war vorzüglich organi- siert. Die Vorschriften, die Derfflinger hierüber dem Reiter- general Landgrafen von Hessen - Homburg immer wiederholt erteilte, sind geradezu mustergültig. Der Kavallerieführer sollte fiich nicht nur „guter Kundschaft befleifsigen*' und nfleifsig Parteien aussenden" , sondern auch den Feldmarschall durch Offiziere, die unter Bedeckung gutberittener Soldaten aus- zusenden waren, beständig über alle wichtigen Wahrnehmungen und eigenen Beschlüsse auf dem laufenden erhaltend

* Ms. Briefe Derfflingers an Hessen-Homburg aus dem franzOs.- schwed. Kriege; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. 94, IV Hb, 5k.

202 Sechstes Bach.

Die Stärke des brandenburgisch-preufsischen Heeres lag in der Infanterie, und das ist so in alle Zukunft geblieben. „Sire,*" schrieb seinem Könige der eher feindselig gesinnte fran- zösische Gesandte in Berlin, Graf R^benac, im Mai 1686, „ich habe die Truppen gesehen, die der Herr Kurfürst nach Ungarn schickt; die Infanterie ist bewundernswert schön; die Kavallerie ist es weniger."*

Nicht so günstig wie über die taktischen Verdienste dürfte man sich über die Strategie des Kurfürsten aussprechen. So schnell er auch dort, wo er bestimmt zu siegen hoffte, darein- fuhr; so gewandt und energisch er in solchen Fällen seine Truppen zu verwenden wufste: grolse strategische Pläne zu entwerfen war er nicht im stände. Sein „schnelles Reiten vom Rhein bis an den Bhyn'', sein Winterfeldzug in Preufsen stellen seiner Tatkraft ein schöneres Zeugnis aus als seiner Feldherrn- kunst. Sobald nicht eine Leidenschaft seinen Entschlufs an- spornte, gab er seiner Bedächtigkeit, seiner fast ängstlich abwägenden Besonnenheit allzuviel Spielraum. Weder seine Feldzüge gegen die Franzosen noch die in Pommern versetzen ihn in die Reihe grofser Feldherrn. Freilich müssen wir dabei im Auge behalten, wie sehr ihn in den ersteren die Eifersucht des Kaisers, während der letzteren der politische Zweck gründ- licher Besetzung von Schwedisch-Pommem in seinen militärischen Entschlüssen lähmte.

Das Soldwesen fand seine Regelung durch kurfürstliches Dekret vom 23. Dezember 1665. Ein gemeiner Reiter erhielt danach monatlich 4 Taler Sold und 1 Taler 3 Groschen Servis, ein Gemeiner zu Fufs oder Dragoner 2V2 und ^U Taler, der Sergeant der Infanterie 6 und */4 Taler, der Wachtmeister der Dragoner 10 und IV«, der der Kavallerie 12 und IV« Taler. Bei den Offizieren stieg das Gehalt von 14 Talern sowie IVa Taler Servis für den Fähnrich zu Fufs bis 100 und 15 Taler bei dem Reiterobersten. Das alles ohne Verpflegung; wurde solche den Unteroffizieren und Gemeinen geliefert, so erhielten sie nur den dritten Teil ihrer Löhnung.

Von 37V2 Talern (etwa 490 Mark unseres relativen Geld- wertes) jährlich konnte der Mann nicht leben, zumal wenn er Weib und Kind besafs, wie dies bei den damaligen , lebensläng-

' H. Prutz, Des Grofsen Kurf. letzte Jahre, S. 310, Anm.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 203

lieh dieDenden Soldaten häufig der Fall war. Es wurde voraus- gesetzt, dafs der Soldat in den dienstfreien Stunden der Friedens- zeit sich durch Arbeit Geld verdiene; im Kriege lebte man auf Kosten des Einwohners, mochte er nun Freund oder Feind sein. Der Kurfürst suchte auch hier wenigstens im eigenen Lande Recht und Ordnung zu erhalten. Es ist eines seiner Haupt- verdienste, an Stelle der Quartierverpflegung das System der Barbezahlung nach Möglichkeit zur Ausführung gebracht zu haben. Die üblen, erpresserischen Gewohnheiten der Soldaten auf der einen, die Geldarmut des Staates auf der anderen Seite erschwerten freilich den Übergang sehr. Schon 1655 wurde wenigstens der Sold bar geliefert, lag dem Wirte nur der Servis ob, das heifst Quartier, Stallung, Holz, Licht, Streustroh, Salz, Pfeffer und Essig, sowie Pferdefutter. Nach dem Frieden von Oliva wurde der Servis für die Offiziere auf Quartier und Stallung beschränkt, während dem Soldaten gegenüber der Wirt den Servis für einen mäfsigen Satz in Geld ablösen konntet Ein weiterer Fortschritt folgte: der Kurfürst liefs den Quartier- wirten Verpflegungsgelder für Mann und Pferd bezahlen, so dafs die Wirte aus Eigenem nur Quartier und Stall zu geben hatten^. Jeder ungebührliche Anspruch den Quartierwirten gegenüber wurde den Offizieren wie Soldaten streng untersagt '.

Trotzdem wurde das Verhältnis zwischen Bürgern und Soldaten, die man als Fremde betrachtete, kein freundliches. Jene verachteten diese als den Auswurf der Menschheit und mifsgönnten ihnen die Mitbewerbung durch Handwerksarbeit Es kam hä.ufig Schlägereien, ja Mordtaten zwischen Bürgern und Soldaten.

Friedr. v. Schroetter, Die £ntwickliiiig des Begriffes „Servis" im preuffl. Heerwesen; Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., Xin (1900), S. 15 f.

Edikte vom 1. Mai 1673, 1. Jan. 1684; Mylius, III, I 165 ff.; VI, 1529 ff.

Berlin, Geh. Staatsarchiv, Gen.-Depart., LXVIII Nr. 2: KurfOrstl. Verordnung vom 1. September 1687: „Da die Gemeinen zu Fufs die völligen Servitien in natura in ihren Quartieren geniefsen, sollen sie über solches von den Wirten nicht das mindeste fordern. Auch die Offiziere dürfen von ihren Wirten nichts Ungebührliches fordern und müssen sich mit dem von diesen gewährten Quartier zufrieden geben. Vorzüglich sollen berittene Offiziere nicht mehr Pferde, als ihnen zukommen, in den Ställen ihrer Wirte einstellen. Zu Dienstleistungen und Vorspann dürfen die Offiziere die Untertanen nicht zwingen.^

204 Sechates Buch.

Der Adel suchte übrigens die Einquartierungslast vom Lande auf die Städte abzuwälzen; und auch in dieser Bevorzugung machte ihm der Kurfürst das gewünschte Zugeständnis ^

Das Avancement unter den Offizieren fand, wie noch heute, in der Regel nach dem Dienstalter statt; Verdienst oder Gunst liefsen jedoch hierin Ausnahmen eintreten, die dann von den Benachteiligten schwer empfunden und zum Gegenstand lebhafter amtlicher Klagen gemacht wurden. Häufig nahmen die Über- gangenen, wenn ihre Beschwerden fruchtlos blieben, den Abschied, aber Regel, geschweige denn Vorschrift war dies keineswegs. Die adligen Offiziere besafsen beim Avancement keinen Vorzug vor den bürgerlichen; vielmehr begegnen wir Beispielen, dafs letztere über den Kopf adliger Vordermänner hinweg bef5rdert worden sind. Träger alter adliger Namen dienten als Gfemeine, bisweilen durch ein Jahrzehnt, ehe sie zu Offizieren ernannt wurden*. Die höchste Charge der Armee, die des Generalfeld- marschalls, ist zuerst durch Friedrich Wilhelm bei ihr eingeführt Der Generalfeldmarschall war nicht nur Oberbefehlshaber des Heeres, sondern er besafs auch hohe administrative Befugnisse, die ihm einen Teil der Aufgaben des heutigen Kriegsministeriums zuwiesen.

Der schon 1657 während des Nordischen Krieges von dem Kurfürsten geschaffene Generalquartiermeisterstab, dem jetzigen Generalstabe entsprechend, erhielt weitere Ausdehnung. Er bestand während des Kampfes gegen Franzosen und Schweden aus neun Offizieren, denen im Kriege die Bestimmung der Marsch- und Schlachtordnung, sowie der Lagerung und, bei Belagerungen, die Ziehung der Laufgräben übertragen war, im Frieden aber das Ingenieurwesen und der Wege- und Schanzen- bau. Dadurch wurde der Generalstab in wenig zweckdienlicher Weise mit dem Ingenieurkorps verschmolzen, und diese Ver- schmelzung hat bis zur Katastrophe des altpreufsischen Heeres im Jahre 1806 angedauert Der Grofse Kurfürst hat während der zweiten Hälfte seiner Regierung zum Amte des General- quartiermeisters vorzüglich Franzosen erwählt, denen man gröfsere Kenntnisse in der Kriegswissenschaft und zumal im Ingenieurwesen zutraute als den Einheimischen'.

1 Beihefte z. Militärwochenbl., 1896, S. 340. < Beispiele bei Gansauge, S. 59.

' A. Y. Fircks, Feldm. Moltke und der preuls. Generalstab (Berlin 1879), 8. 12. 19.

VierzigsteB Kapitel. Das Heer. 205

Das Heer um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts beruhte auf ganz anderen Grundlagen als das der Gegenwart. Es war hervorgegangen aus den wilden Abenteurerhaufen, die reiche Edelleute fttr den Dienst irgend eines Fürsten anzuwerben pflegten. Freilich hielten grausame Kriegsartikel äurserlich den Zusammenhang einigermafsen aufrecht, und ein roher Begriff soldatischer Ehre gab in eigentlich militärischer Beziehung auch die innere Festigkeit. Aber sonst glaubten Offiziere und Soldaten nur für die Dauer ihres Soldvertrages an den Kriegsherrn gebunden zu sein und schrieben sich in allen nicht rein militäri- schen Handlungen völlige Freiheit zu. War man nur tapfer und der Fahne treu, so durfte man sich sonst des Rechtes des Stärkeren nach Gutdünken bedienen. Man übte es dem Bürger und Bauern gegenüber um so unbedenklicher, je unsicherer die Auszahlung des verheifsenen Soldes war. Wildheit und Roheit, Pochen auf persönliche Kraft und Tapferkeit, Bauf- und Plünde- ningssucht herrschten unter den bunt zusammengewürfelten Scharen und waren bei den Offizieren, so sehr diese sich auch als „Kavaliere*" brüsteten, kaum geringer als unter den Soldaten. Die Brandenburger waren darin zunächst nicht besser als die Qbrigen Heere. Die Klagen über ihren Mangel an Manns- zucht, über die Plünderungen und Gewalttaten, die sie wie gegen die Untertanen verbündeter Fürsten so auch gegen die branden- burgisehen selbst verübten, ertönen bei jedem Feldzuge von neuem *.

Friedrich Wilhelm ist mit Eifer gegen diese Ausschreitungen vorgegangen. Er wollte den friedlichen Bürger und Bauer schützen , er wollte nicht Räuberbanden führen , sondern eine ehrenhafte ^ Soldateska** . Immer wieder schärfte er den Regi- mentsinhabem und sonstigen höheren Offizieren ein, den durch ihre Leute den Untertanen fremden wie einheimischen verursachten Sc]|^aden zu ersetzen; er führte ihnen zu Gemüt: »Wann in den Quartieren gutte Ordre gehalten wirdt, kan man ein Jahr darin leben; will man aber seine Quarttier aufs- plündern undt selbst ruinieren, so ist es eine Unmöglichkeit/ Besonders das Fortführen von Vieh und die Plünderung von Mundvorrat wurden streng untersagt: der Kurfürst ordnete 1679 an, däfs derjenige Offizier, unter dessen Kommando solche

' U. u. A., XI, 313. Orlich, Preufs. Staat, III, paasim.

20(j Sechstes Buch.

Unregelmftrsigkeit voiüele, sofort kassiert werde ^. Ein Edikt vom 6. Oktober 1665 schrieb Offizieren und Soldaten bei scharfer Ahndung genau vor, wie sie sich zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Schonung der friedlichen Einwohner gegen diese zu benehmen hätten. Dieses Edikt wurde öffentlich angeschlagen und von allen Kanzeln verlesen, damit die Unter- tanen erführen, wie sie sich soldatischer Ungebühr zu erwehren hatten^. Andere Edikte in gleichem Sinne folgten, und sie blieben kein toter Buchstabe. Offiziere, die Bürgerliche beleidigt hatten, mufsten monatelang als Gemeine die Muskete tragen. Soldaten, die geplündert hatten, wurden enthauptet oder gehenkt, ihre Offiziere kassiert. Aber der Kurfürst wufste, dafs Strafen nur die Symptome des Übels treffen können, und er wollte solches doch mit der Wurzel ausreuten. Dazu hielt er besonders den Einflufs der Religion für dienlich. Jede Zeltmannschaft mufste das Neue Testament und das Psalmbuch mit sich führen, die Subaltemoffiziere darauf sehen, dafs der Soldat in diesen Schriften lese. Morgens und abends wurden regelmäfsig Bet- stunden abgehalten. Vor allem sollte das Offizierkorps durch Bildung innerlich gehoben und gebessert werden; der Kurfürst hatte in solcher Absicht die Ritterakademie in Kolberg begründet (T. I S. 437).

Diese Mafsregeln hatten endlich sehr merklichen Erfolg. Das Offizierkorps zumal wurde einheitlicher, pflichtbewuCster, fügsamer; der Begriff besonderer brandenburgischer Offiziersehre begann sich unter den Herren zu verbreiten. Sie lernten femer, sich nicht nur um die militärische Ausbildung, sondern auch um das Wohlbefinden und die Erhaltung der ihnen untergebenen Mannschaften zu kümmern. Der Kurfürst ward ihnen mehr als der augenblickliche Brotherr, den man alsbald mit einem anderen vertauschen könne: sein fester Wille, seine ehrfurchtgebietende Persönlichkeit, sein hohes Streben und seine sieghafte Leitung fesselten sie an ihn mit dem Empfinden persönlicher Treue und opferwilliger Ergebenheit*. Mit den Führern besserten sich auch die Untergebenen; schon in den letzten Jahren des

* Orlich, a. a. O., 190. 194 ff. 807.

' Eberh. Hoyers (damaliger GeneralauditeurX ChurfOratl. Branden- burgiBches Exiegsrecht (Berlin 1665, 12^).

Vgl. W. V. Unger, Derfflinger; Beiheft z. MilitäxwoohenbL, 1896, S. 422 f.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 207

schwedisch -französischen Krieges hört man nichts mehr von Ausschreitungen der brandenburgischen Soldaten. Als im Früh- jahr 1684 fünfzehnhundert Reiter in das Herzogtum Mecklen- burg-Güstrow einquartiert wurden, zeichneten sie sich durch strenge Mannszucht auf das vorteilhafteste aus, indem sie sich mit einfacher Nahrung und mit Futter für ihre Pferde begnügten ^ Freilich, im selben Jahre brach unter der Garnison Kol- bergs ein förmlicher Aufstand aus, der mit der Erschiefsung mehrerer Soldaten und strenger Bestrafung anderer geahndet wurde, aber nur aus der Bedrückung durch einen Major ent- standen zu sein scheint, der dann auch ohne weiteres kassiert wurde. Die Urteile fremder, selbst nicht wohlwollender Beob- achter über die brandenburgischen Truppen lauten im allgemeinen günstig, und zumal die Infanterie wird als vorzüglich bezeichnet^. Der sonst allem Brandenburgischen abgeneigte und es mit ver- achtender Mödisance behandelnde R6benac nennt 1684 die Truppen des Kurfürsten ^schöner als alle die, die ich in Deutschland gesehen habe''. Noch emphatischer urteilt, einige Jahre früher, ein anderer Franzose, der Marquis von Bethune: „Die branden- burgischen Truppen sind die schönsten und besten in Europa. ** Man scherzte: da Derfflinger in seiher Jugend Schneider gewesen, sei es nicht zu verwundern, dafs die brandenburgischen Truppen besser gekleidet seien als alle anderen.

Einer der Hauptgründe der Unordnungen hatte in der über- grofsen Ausdehnung des Heerestrosses sowie in der Verwirrung gelegen, die in diesem zu herrschen pflegte. Friedrich Wilhelm schuf auch hier Ordnung. Er stellte in jedem Regimente einen Wagenmeister an; diese Beamten wurden bei ausbrechendem Kriege einem Generalwagenmeister untergeben, der eine Anzahl Reiter zum Behufe der Durchführung seiner Anordnungen zu- gewiesen erhielt*.

Die Sorgfalt des Kurfürsten, dessen Herz ein mildes und gütiges war. erstreckte sich auch auf diejenigen seiner Soldaten,

> Ms. Bidal (franzöa. Agent in'Kamburg) an Louvois, 21. April 1684 (Auszug; Berlin, Geh, Staatsarchiy, Bep. 94, IV Hb, 10/9): „ils vivent ayec beaucorp d 'ordre, se contentant du fourrage et de leur simple nourritore.*

Vgl. die Urteüe Colbert-Croissys (1666) und Verjus' (1673); U. u. A., n, 870. 511. Böbenac bei Prutz, 398. Bethune: Baumer, Beiträge, m, 475 f.

Dekret vom 2J12. Nov. 1672; Orlich. Preufs. Staat, HI, 196 f.

208 Sechstes Buch.

die im Kriege erkrankten oder verwundet wurden. Er hat deren Wartung und Verpflegung immer von neuem vorgeschrieben, gegen die hierin säumigen oder gar unredlichen Wundärzte und Beamten strenge Strafen verhängte

Allein das Los der durch Wunden, Krankheit oder Alter dauernd dienstuntauglich gewordenen Offiziere und Soldaten blieb ein überaus trauriges ^. Sie mufsten selber zusehen, wie sie sich durchschlugen, und zumal die invaliden Soldaten sanken not- wendigerweise zu Bettlern und Landstreichern hinab. Ihr Schicksal ging dem Kurfürsten sehr nahe, allein er besafs so gut wie keine Mittel, ihnen zu helfen. Es war schon viel, wenn er 1659 einem wegen Krankheit verabschiedeten Obersten eine Pension von 30 Talern jährlich gewährte. Ältere und halb- invalide Soldaten kamen in eine der zwanzig Garnisonkompanien ; verwundete und verkrüppelte aber erhielten nur die erste Pflege und wurden dann in ihre Heimat geschafft, ohne dafs sie weitere Ansprüche erheben durften. Bisweilen haben edle und begüterte Offiziere ihnen unterstehende Soldaten, deren Treue und Mut sie kennen gelernt hatten, bis zum Lebensende gepflegt. Allein das waren naturgemäfs Ausnahmen. Der Kurfürst hat gelegent- lich verwundeten Soldaten Gnadengeschenke erteilt, indes immer nur unbedeutende: in den Jahren 1677 bis 1681 betrug diese Ausgabe jährlich zwischen 20 und 94 Taler!

Dennoch hat Friedrich Wilhelm inmitten der politischen, militärischen und finanziellen Bedrängnisse des Krieges der armen Invaliden nicht vergessen. Er gründete in Spandau eine halbe Blessiertenkompanie in Höhe von 59 Mann, mit einem jährlichen Yerpflegungsetat von 1560 Talern. Als der Friede von St. Germain ihm 1679 gröfsere Bewegungsfreiheit gewährte und die Durchführung bleibender Besteuerung etwas mehr Geld* mittel zur Verfügung stellte, gedachte der edelmütige Fürst sofort seiner Invaliden. Er erliefs am 15. Dezember an die Festungskommandanten und Regimentsbefehlshaber folgende Ordre :

„Weil Wir nicht gemeinet sein, die alten, gebrechlichen undt blessierten Soldaten zu verstofsen oder dieselben noth leyden zu lassen ; Also ergehet Unser gnädigster Befehl an euch, Uns eine

^ Orlicli,Preul8.Staat,ni248: Verordnung vom 28. Juni/ 8 Juli 1675. ' E. Schnackenburg, Das Invaliden- und Versorgungswesen des brandenb.-preuis. Heeres bis zum Jahre 1896 (Berlin 1889).

VierzigsteB Kapitel. Das Heer. 200

Liste Ton dergleichen Leaten^ so allhier in eurem Gouvernement vorhanden, einzuschicken, oder, wofern sie schon abgedankt sein, zu wissen zu thun, dafs sie bey Unserm Kriegs-Gömmissariat sich zu melden haben, Wir dann darauf Ordre erteylen wollen, wie es mit ihnen gehalten werden soll. Dafeme auch einige Ober- undt Unter- Officirer von obangeführter Condition vor- handen sein, davon habt ihr Uns ebenfalls zu berichten undt eine Liste gleichergestalt davon einzuschicken/

In der Tat wurde die halbe Blessiertenkompanie in Spandau 1681 auf eine ganze erhöht, zu 168 Mann. Friedrich Wilhelm errichtete weiter, 1682, in Johannisburg in Preufsen eine halbe Kompanie Blessierter, deren Verpflegung jährlich 1572 Taler kostete. Es waren das die Invalidenanstalten der damaligen Zeit^

Brandenburg - Preufsen hatte auf nicht weniger denn drei Seiten Gegner zu fürchten: von Westen Frankreich; von Norden Schweden; von Osten Polen. Von allen drei Richtungen her waren die Feinde wiederholt ins Land gedrungen. Um so notwendiger war es, das Gebiet durch Festungen zu schützen und vor schnellem Überranntwerden zu bewahren. Die schleunige Befreiung der Kurmark und Preufsens von den Schweden war zum guten Teile dadurch ermöglicht worden, dafs in beiden Provinzen die Festungen in der Gewalt der kurfürst- lichen Truppen geblieben waren. So hat Friedrich Wilhelm dem Festungsbau stets seine Sorgfalt gewidmet. Er zog dabei dem französisch-italienischen Befestigungssystem, das seine Vorgänger angewendet hatten, das minder kostspielige und leichter zu ver- vollständigende niederländische vor. Der Chef des Ingenieur- korps war stets der Generalquartiermeister : also 1670 1673 der französierte Italiener de Chifeze, der Erbauer des Müllroser Kanals; dann ein echter Sohn der Mark, Joachim Ernst Biesendorf aus Zielenzig, den der Kurfürst im Auslande hatte ausbilden lassen. Er fiel, wie ermähnt, schon im September 1677 bei der Belagerung Stettins. Seitdem Vaubans Ruf als des ersten Befestigungskünstlers allgemein anerkannt wurde, erhielt das französische System wieder Einflufs auf die brandenburgische Fortifikation. Wir sehen schon 1680 vielfach Franzosen, besonders

1 Kriegsarch., Berlin, Kap. XV, Tit. 7 a, Nr. 7 c; Kap. XYII

Tit. 2. Kg]. Bibl., Berlin, Manuscr. Boruss. fol., 322 (Mustenmgs- bericht vom 28. Sept. 1683}.

Philippson, Der Grcfsa Kurffint. III. 14

210 Sechstes Buch

R6fugi6s^ unter den brandenburgischen Ingenieuren, an der Seite der Holländer. Übrigens fehlte es, besonders in den unter- geordneten Stellen, auch nicht an Deutschen. Die Befruchtung kam damals dem Deutschtum aber an allen Orten vom Auslände^.

Das Herz des Staates, die Kurmark, war durch das schon 1537 von Markgraf Johann befestigte Küstrin, sowie durch Spandau geschützt, dessen Wälle Kurfürst Joachim IL im Jahre 1555 zu erbauen begonnen hatte. In Spandau befanden sich das Hauptarsenal des Heeres und der Artilleriepark, der jederzeit bereit stand, ins Feld geführt zu werden. Küstrin aber galt als der stärkste Platz der Kurmark und war gleichfalls mit Artillerie, sowie Waffen und Vorräten aller Art reich versehen*. Femer lagen in Kur- und Neumark die minder wichtigen Festungen Havelberg, Landsberg, Frankfurt, Driesen, Peitz und Fürsten- walde. Berlin war durch den Kurfürsten selbst fortifiziert worden. Den Westen des Staates schützten am Unterrhein Wesel, Rees und Emmerich, landeinwärts das starke Lippstadt nebst Hamm und Minden. Die Elblinie wurde durch Magdeburg gesichert. Gen Osten schauten Königsberg, das durch einen IVa Meilen langen Wall und Graben umzogen und durch die neuangelegte Zitadelle Friedrichsburg sowohl beherrscht wie ver- stärkt wurde, sowie Pillau, dessen Werke von Gustav Adolf begonnen waren, und endlich Memel. Hinterpommem wurde durch das starke Kolberg gesichert. Zur Besetzung dieser zahlreichen Festungen dienten die Garnisonkompanien, die 1687 nicht weniger als 7700 Soldaten umfafsten , dazu an Artillerie 11 Offiziere und 431 Unteroffiziere und Büchsen meister, sowie die dazugehörigen Handwerker '.

Friedrich Wilhelm liebte es, den Fremden seine neuangelegten oder verstärkten Festungen persönlich zu zeigen. Die Wichtig- keit, die er diesen beimafs, tritt in seinem politischen Testamente vom Jahre 1672 hervor : ein bedeutender Teil dieses Aktenstückes ist gerade der zukünftigen Gestaltung des Festungswesens, unter Anführung sogar der geringfügigsten Einzelheiten, gewidmet.

Die Artillerie wurde von Grund aus reorganisiert. Ein

* U. V. Bonin, Gesch. d. Ingenieurkorps u. der Pioniere in Preufsen (Berlin 1877) S. 14 ff. 263 ff.

3 Bericht de Lesseins an Ludwig XIV., 8. Febr. 1662; ü. u. A., II, 246.

" Schmidt, Gesch. d. Elriegsministeriums, 11« 73.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 211

Reglement vom Jahre 1672 gab den Artilleristen, die bisber eigentlich als Handwerksknechte gegolten hatten, den wahrhaft militärischen Charakter, wie denn jeder Artillerist, der über die Strarse ging, das Seitengewehr zu tragen verpflichtet wurde ^. Von seinem letzten Artilleriechef, dem Obersten Ernst Weiler, beraten, der sich überhaupt, nach Sparr, das gröfste Verdienst um diese wichtige Waffe erworben hat, strebte der Kurfürst dahin, systematische Einheitlichkeit des Kalibers bei seinen Ge- schützen durchzuführen, und dies gelang, indem seit 1680 deren Herstellung den privaten Giefsereien zum überwiegenden Teile entzogen und fast ausschliefslich der kurfürstlichen Stückgiefserei zu Berlin übertragen wurde. Die brandenburgische Artillerie hatte bereits bei der Belagerung der pommerschen Festungen sich rühmlichst bew&hrt. Der Kurfürst aber war unablässig darauf bedacht, sie stets weiter auszubilden: so begründete er am 24. November 1687 zu Berlin eine Feuerwerkerschule'.

Freilich blieben noch mancherlei Mängel. Das Pulver mufste aus holländischen Fabriken, zu 15 Rtlrn. (gleich etwa 200 Mark heutigen Geldes) für den Zentner, bezogen werden, da es im Inlande keine Pulvermanufaktur gab. Es ist auffallend, dafs Friedrich Wilhelm nicht diesem für einen Kriegsfall mit Holland doch sehr bedenklichen Übelstande abgeholfen hat. Eine grofse Schwierigkeit war ferner der Mangel an Zugpferden, so dafs im Kriege die meisten Artilleriepferde gemietet oder sogar zeitweise durch Ochsen ersetzt werden mufsten®.

Die Verwaltung dieses so bedeutend angewachsenen Heeres gipfelte in der Kriegskanzlei, die dem späteren Kriegsministerium entspricht und damals ein doppeltes Haupt in dem Generalfeld- marschall und dem Generalkriegskommissar besafs (Bd. I, S. 432ff.). Der erstere hatte die eigentlich militärischen Angelegen- heiten zu führen, der zweite Nichtmilitär, Verwaltungs- beamter — die ökonomischen Geschäfte. Freilich ging beides bisweilen ineinander über, und dann mufsten beide hohe Würden- träger sich gegenseitig verständigen. Wir sehen in der Tat

> Mylius, m, Nr. 30.

* Berlin, Geh. Kriegsarch., V, 1 c, 10.

* y. M alinow8kya.v.Boniii, Gesch. d.brandenb.-preuls. Artillerie, Bd. I (Berlin 1840> passim. K. W. v. Schöning, Histor.-biogr. Nach- richten z. Gesch. d. brandenb.-preufs. Artillerie, Bd. I (Berlin 1844), S. 74 ff.

14*

212 Sechstes Buch.

FeMmarschall Sparr und GeDeralkriegskommissar von Platen öfters gemeinsam an den Kurfürsten berichten^. Der Feld- marschall wurde auch bei politischen Fragen, wo das militärische Element eine Rolle spielte, z. B. wenn es sich um Offensiv- oder Verteidigungsbündnisse mit fremden Staaten handelte, zu den Sitzungen des Geheimen Rates herangezogen. Überhaupt beriet sieh der Kurfürst hAufig mit dem Feldmarschall, besonders seit- dem, von 1673 an, Derfflinger diese Würde bekleidete. Trotz- dem mochte der alte, grimme Recke sich in die Mitwirkung des Kriegskommissariats nicht immer fügen. Er klagte wohl über die Feindschaft dieser Behörde, die ihm alles aus den H&nden nehmen wolle, und forderte deshalb sogar seine Entlassung. Aber es gelang dem Zureden des Kurfürsten immer wieder, ihn zu begütigen, und er lernte endlich, sich in die feste Ordnung des Staates zu fügen ^.

Im Juli 1669 war der sehr verdiente und vom Kurfürsten geschätzte Platen gestorben. Sein Amt „unsere Ordinar- Militär- Affären und das Kontributions werk*, wie Friedrich Wil- helm sich in seiner Ordre vom 24. Juni/4. Juli 1669 ausdrückt blieb einstweilen unter der provisorischen Verwaltung des Kriegs- rates Franz Meinders®. Es hatten sich zwischen Platen und Sparr denn doch zu viele Streitpunkte ergeben, um den Kur- fürsten nicht bedenklich zu stimmen. Deshalb sollte die Militär- verwaltung einstweilen nur einem dem Geheimen Rate unter- geordneten, also verhältnismäfsig subalternen Beamten über- wiesen werden, der dem Feldmarschall jedenfalls nachstand. Trotz dieser Beschränkung seiner Befugnisse hat Meinders sich grofses Verdienst um die Entwicklung der militärischen und finanziellen Ordnung erworben durch die Schaffung der General- kriegskasse, im Jahre 1674, die von der gleichfalls neuerrichteten Hofstaatsrenteikasse getrennt wurde ^. Erst 1675 wurde die Selbständigkeit der obersten Heeresverwaltung wiederhergestellt, indem Bodo von Gladebeck, ein aus dem braunschweigischen

' F. Harsch, Die Armee des Grofs. Eurf. u. ihre Unterhaltung; Hist. Zeitschr., LIU, 256. 594.

V. Unger, a. a. 0 , S. 895 ff.

Vgl. Strecker, Meinders, 56 ff. 127 ff.

^ E. Breysig in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., V (1892X 139: 149. Vgl. oben, S. 69.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 213

Dienste übernommener Beamter, die Ernennung zum General^ kriegskommissar erhielt.

Das Eigentümliche in der brandenburgischen Ressortgestaltung war aber, dafs dieser Beamte nicht nur die Verausgabung der für die Militärbedürfnisse bestimmten Gelder, sondern auch deren Einnahmen, ja selbst die Erhebung der hierfür veranlagten Steuern, besonders der Kontribution und der Accise, zu leiten hatte ^ Es fand also eine Vereinigung des Kriegsministeriums mit einem Teile der inneren und der Finanzverwaltung statt, die freilich unseren modernen Anschauungen durchaus wider- spricht.

Gladebeck zeigte sich den schweren Anforderungen seines Doppelamtes nicht gewachsen und wurde am 15. November 1678 durch Johann Ernst von Grumbkow ersetzt, der ihm bereits seit 1676 beigeordnet gewesen war. Die endgültige Entlassung Gladebecks scheint durch seine Übergriffe zu Ungunsten des Feldmarschalls Derfflinger verursacht worden zu sein, der durch Ankündigung und Aufrechterhaltung seiner Entlassung endlich vollste Genugtuung erzwang '. Grumbkow, früher Soldat und bis zum Oberstenrang aufgestiegen, war, als ein besonders gründ- lich gebildeter, ja gelehrter Offizier zur Verwaltung übergegangen und Amts- und Kammerrat geworden. Der Kurfürst aber hatte ihn mit Vorliebe zu militärischen Geschäften verwendet, wie er z. B. das Kaliber der bei den Leibdragonern einzuführenden kleinen Muskete zu bestimmen hatte '. Als er nun das General- kriegskommissariat erhielt, bekam er die Weisung, sich in allen Dingen mit dem Generalfeldmarschall von Derfflinger zu benehmen, als dessen Gehilfe er sich betrachten solle. Die Erledigung der

' Ms. Patent v. Gladebecks vom 10. Juni 1675 (Greh. Staatsarohiy^ Berlin, Bep. 9A, Kony. 1): „... Was die Geldmittel zur Unterhaltung Unseres Kriegsestats betrifft, da wird Er, Unser Geheimer Bath und Oeneral-Commissarius , aus der ...Beylage sub lit. G mit mehreren er- sehen, wie es mit den Contributionen in allen Unseren Landen beschaffen, wie solche in Empfang und Ausgabe administriret und berechnet werden.

„Wobey er dahin zu sehen und zu befördern, damit diejenige, welche dergleichen Gelder administriren, redlich und aufrichtig damit umbgehen und allemal zur Ablegung gebührender Bechnungen angehalten werden mögen.*

* Ms. Korrespondenz Derfflingers mit Hessen-Homburg, aus dem Frohjahr 1678; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. d4, IVHb, 5 k.

* Geh* Kriegsarch., Berlin, IV, 1, 15.

214 Sechstes Buch.

laufenden Geschäfte hatte in der Geheimen Kriegskanzlei za geschehen, deren ältere und verdientere Sekretäre durch den Titel Kriegsrat ausgezeichnet wurden. Grumbkows besondere Obliegenheiten waren: Rechnung über die Vorräte in den Festungsmagazinen zu führen und allmonatlich einzusenden, das Kontributionssoll aufzustellen und auf die einzelnen Provinzen zu verteilen, den Truppenkorps die ihnen angewiesenen Gelder zu übermachen , sowie für jährliche Musterung der Regimenter und für die Aufrechterhaltung der Ordnung bei Märschen und militärischen Exekutionen Sorge zu tragen. Als Chef des Generalquartiermeisterstabes erliefs er im Namen des Kurfürsten Befehle über Befestigungsanlagen, und zwar nicht allein an die Amtskammem und die Festungskommandanteu , sondern selbst an den Generalfeldmarschall. Auch der Sold und die übrigen Geldangelegenheiten der Kriegsflotte gingen durch die Hände Grumbkows, der darin im Namen des Kurfürsten verfügte. Er entschied ebenfalls die Urlaubssachen und hatte, konkurrierend mit Derfflinger, die Militärgerichtsbarkeit und sogar das An- stellungs- und Beförderungswesen der Offiziere und Militör- beamten zu leiten ^ So wurden die einzelnen militärischen Ver- waltungsgeschäfte mehr und mehr bei dem Generalkriegskommissar vereinigt , der dem Oberbefehlshaber des Heeres etwa in der- selben Weise gegenüberstand wie jetzt der englische Staats- sekretär des Krieges.

Daneben gab es während der Feldzüge bei dem Quartier- meisterstabe des mobilen Heeres einen besonderen obersten Kriegskommissar: für Musterungen, Verhütung von Unterschleif, Aufsicht über die Lebensmittel und Aufrechterhaltung von Justiz und Disziplin^, also eine Vereinigung der Feldintendantur .und der Feldmilitärjustiz. Das Amt ward im Juli 1672 dem Doktor beider Rechte Andreas Albrecht Freyberg, aber wir wissen nicht, aus welchem Grunde schon im November des- selben Jahres dem Otto Wilhelm von Berlepsch übertragen, der am 22. Februar 1675 ausnahmsweise durch einen Militär, den Feldzeugmeister Freiherm von Niemric, ersetzt wurde. Es wurden ihm nach und nach mehrere Kriegskommissare unter-

1 Ebendas. V, 1, 19; V, 1 c, 16; VII, 2 a, 6; XVIII, 2 d, 3. Ms. Ordre an Berlepscb vom 10. Nov. 1677: Berlin, Geh. Kriegs- archiv XVIII, 2 d. 8.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 215

geordnet. Als dann 1677 zur Unterstützung der Holländer ein brandenburgisches Truppenkorps im Oberquartier Geldern unter Generalleutnant von Spaen gebildet ward, erhielt es einen eigenen Kriegskommissar in der Person des Landrentmeisters Consbruch. Ja, auch in den wichtigsten Festungen . wie Minden , Magde- burg, Stettin (1678) wurde je ein eigener Eriegskommissar bestellt, der dort die militärischen Gelder und Magazine ver- waltete und die Musterung abnahm.

Die Befugnisse des Oberkriegskommissars und seiner Unter- gebenen bei den mobilen Heeresteilen waren,, der Natur der Sache nach, auf Kriegszeiten beschränkt; der Generalkriegs- kommissar aber und die ihm unterstellten Beamten waren ständig. In jeder gröfseren Provinz wurde ein Oberkriegs- kommissar eingesetzt, der auch den altständischen, aber nun mit ganz veränderter Bedeutung versehenen Titel Landkommissar wie in Kleve oder Kommissariatsdirektor wie im Herzog- tum Magdeburg trug. Er sollte die Stände zur Bewilligung, das heifst zur Einzelveranlagung der nötigen Heeresabgaben anhalten, besonders für Durchführung der Accise und damit der der landesherrlichen Autorität so förderlichen Trennung der Städte von der Ritterschaft sorgen. Wenn letztere sich bei der Umlage des verlangten Kontributionsquantums säumig erweist und die Regierung sich weigert, solches mit Exekution ein- zutreiben, mufs der in der Provinz kommandierende General militärische Exekution vollziehen. Sie soll freilich mit mög- lichster „Moderation*" vorgenommen werden. Alle Kommissariats- beamte der Provinz sind dem Oberkriegskommissar untergeordnet. Er hat sämtliche Militärangelegenheiten der Provinz zu beauf- sichtigen, zu fördern und darüber regelmärsig zu berichten. In Kriegszeiten sollen diese Oberbeamten für Ordnung und Disziplin bei den Durchmärschen durch ihre Provinz sorgen, die Unter- tanen dabei schützen, Gewalttaten verhüten oder doch deren Bestrafung erwirken, die Verpflegung der Truppen sichern, Unterschlagung des Proviants verhindern, die Liquidation aller Beziehungen zwischen den Soldaten und deren Quartierwirten regeln, gelegentlich auch Musterung halten ^ Allmählich wurden,

^ Ms. IziBtruktionen an den Kommissariatsdirektor v. Mandelslob in Magdeburg, vom 1. Okt. 1683, u. an den Ober-Kriegskom. v. Viereck in Preufiaen, vom 8. Juli 1685, sowie an die beiden Landeskommissare in

216 SechBtes Buch.

nach Analogie des Generalkriegskommissars, dem Eriegskom' missariat sämtliche für den Heeresunterhalt bestimmte Steuern fibertragen, so dafs es zu einer förmlichen Steuerbehörde erwuchs; und da diese Steuern wichtiger und umfassender waren als die Gefälle, die bei den Amtskammem einliefen, ward das Kriegs- kommissariat die bedeutsamste Steuerbehörde. Sie hatte in jedem Kreise einen leitenden Beamten in dem Kriegskommissar, der nach treuem Dienst mit dem Titel Kriegsrat beehrt wurde. Unter seiner Aufsicht wurden die Kontribution und der Hufe-, Kopf- und Hornschofs, kurz, alle zum Unterhalt des Heeres bestimmten Abgaben von Schofseinnehmern erhoben, die nur vom Kriegs- kommissar, nicht aber von der Regierung abhingen. Besonders sollten diese Beamten auch darauf sehen, dafs die Steuern und Einquartierungen nicht, wie dies bisher durch die örtlichen Obrigkeiten oft geschehen, lediglich auf die ärmeren Bevölkerungs- klassen abgewälzt wurden; es sollte vielmehr „alles in besseren und richtigeren Stand, der Armut zum Besten* gebracht werden *. Im Jahre 1687 war diese Organisation in ihren Hauptzfigen vollendet. Es gab bereits einen Generalkriegskommissar nebst Generalquartiermeisterleutnant, eine wohleingerichtete Geheime Kriegskanzlei, sieben Ober- und neunzehn Kriegskommissare'. Alle diese waren landesherrliche, nicht ständische Beamte und erhielten ihr Gehalt von dem Kurfürsten. Indes, dieser liefs es sich gefallen, dafs die Stände bei Besetzung der provinziellen Stellungen Vorschläge taten; nur hielt er sich nicht an solche gebunden und nahm auch häufig Ernennungen vor, ohne über- haupt die Stände zu befragen, ja gegen deren laut ausgesprochenen Willen. Er wählte hierzu oft Bürgerliche, darunter Auditeure, also Justizbeamte des Heeres, von denen er am ehesten sowohl Rechtskenntnis wie unbedingten Gehorsam gegen seine Anord- nungen erwartete.

Kleve, V. Hüchtenbruch u. v. Bodelschwingh, vom 20. Dez. 1665, endlidi an den Kriegskomm. in Hamm, Altfeldt, vom 19. März 1666; ebendas.

* Strecker, Meinders, S. 55. Wie aus den in vor. Anmerk. an- geführten Instruktionen, sowie aus der Einrichtung der Scholseinnehmer hervorgeht, ist es durchaus falsch, wenn Schmoller in den Acta Borussica, Bd I. Einlei t. S. 95, dem Kriegskommissariat unter dem Grofsen Kurfürsten lediglich militärische Befugnisse, dagegen die Über- tragung von Steuer- und Polizeigeschäften auf jenes erst dem Kurfürsten Friedrich HI. zuschreibt.

* Kgl. Bibliothek, Berlin, Manuscr. Boruss. fol., 320.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer. 217

Die OrganisieruDg des Kriegskommissariats war abermals eine Mafsregel, die das Steuerbewilligungs- und Steuererhebung»- recht der Stande einschränkte und zum wesenlosen Schatten verblassen liefs. Die Ritterschaft in der Kur- wie in der Alt- mark, in Preufsen wie im Magdeburgischen brachte deshalb die beweglichsten Klagen vor ob der Übergriffe dieser Behörde, die nichts weniger als den gänzlichen Ruin der Verfassung und des Landes herbeifQhren werde ^. Sie legte wiederholt gegen die den Kriegskommissaren erteilten Instruktionen Verwahrung ein und verlangte, dafs sie selber, wie herkömmlich, die Einnahme und Verwaltung der Heeressteuem behalte. Wenigstens sollten diese zunächst in die ständischen Kassen fliefsen und nur mit Zuziehung ständischer Deputierter verausgabt werden. Solehe Forderungen fanden in Preufsen sogar die Zustimmung der Regierung, die sich durch die Befreiung der Kommissare von ihrer Aufsicht und Leitung eines bedeutenden Teiles ihrer Macht beraubt sah. Friedrich Wilhelm konnte sich der Tatsache nicht verschliefsen , dafs die Ritterschaft hier formal im Rechte sei. Allein er speiste sie , seinem ganzen System gemäfs , mit schönen Worten und Verheifsungen ab. So oft sie auch ihre Beschwerde wiederhotte, sie erreichte nichts Wesentliches gegenüber deili festen Willen des Kurfürsten, sein Heer und dessen Verwaltung und damit die Einheit und Macht des Staates auf sichere und unerschütterliche Grundlagen zu stellen. Anderseits litt er freilich nicht, dafs die Kriegskommissare sich in stolzem Beamten- gefühl unmittelbar in die Verhandlungen der ständischen Ver- sammlungen mischten; der Kurfürst hat ihnen das 1683 verboten. Die Stände sahen schliefslich ein, dafs die neue Behörde eine gerechtere und bleibendere Ordnung durchführte, als dies früher ihren eigenen Beamten gelungen war, und die mannigfachen Unregelmäfsigkeiten und Unterschleife vermied, die bisher im Schwange gewesen, und so hören wir die Stände in den ver- schiedensten Kreisen selber die Neueinrichtung oder Wieder- besetzung des Kriegskommissariats erbitten.

Die neue Organisation hatte sich sofort bewährt und konnte als gelungen betrachtet werden. Der Kurfürst ernannte deshalb

1 ü. u. A., X, 587 ff., XVI, 922 ff. Baczko, Gesch. Preuisens, VI, 271 ff. Das Folgende ausschliefslich nach den Akten des Gteh. Xriegsarchivs in Berlin«

218 Sechstes Buch.

am 30. Juli 1682 auch für die Marine einen Kommissar in der Person des bisherigen Auditeurs beim Barfusschen Regimente, Adolf Spengler.

Seine endgültige Ausbildung erhielt das Eriegskommissariat, als es, nach erprobtem brandenburgischem Grundsatze, auf den höheren Rangstufen mehr und mehr kollegialen Charakter annahm. Dies geschah gleichfalls noch unter dem Grofsen Kur- fürsten. Die yier Rilte, die, abgesehen von den Sekretären, in der Geheimen Kriegskanzlei safsen, wurden dem Generalkriegs- kommissar an die Seite gestellt Das gleiche vollzog sich in einigen Provinzen, wo die Oberkriegskommissare nur den Vor- sitz einer »Kriegskammer" zu führen hatten, die aus einer Anzahl von Bäten nebst den dazugehörigen Unterbeamten bestand. Diese Umänderung, die damals freilich noch nicht an allen Orten durchgeführt worden ist, nahm der Einrichtung des Kriegskommissariats jeden persönlichen und willkürlichen Charakter und machte es zur ordentlichen und definitiv dem Ganzen eingegliederten Staatsbehörde.

Die Begründung des Kriegskommissariats hat einem doppelten Zweck gedient und ihn erreicht. Es hat einmal die treffliche Ordnung begründet, die von da an das brandenburgisch-preufsische Heerwesen vor allen anderen Armeen Europas ausgezeichnet hat Genau geregelte, fleifsige Verwaltung, sorgfältig durchgeführte Überwachung durch alle Rangklassen des Heeres, Vermeidung von Unordnung und Unredlichkeit, pünktliche Auszahlung der Löhnung und damit Aufrechterhalten strenger Mannszucht bürgerten sich in dieser Armee ein, wie in keiner anderen. Ferner aber hat das Kriegskommissariat dem politischen und administrativen Einflüsse der Stände den Todesstofs gegeben und die landesherrliche Gewalt in jeder Provinz des weithin ver- streuten Staates zum Ausdrucke und zu unmittelbarer und unbedingter Wirksamkeit gebracht. So ist es eines der wichtig- sten Glieder in der Kette von Institutionen geworden, die den Absolutismus der Krone in diesem Staatswesen begründet und annähernd zwei Jahrhunderte hindurch aufrechterhalten haben.

Einundvierzigstes Kapitel

Marine und Kolonien.

Die hervorragendste Eigenschaft Friedrich Wilhelms als Regenten ist die, dafs er mit der äufsersten Sorgfalt in der Behandlung aller Einzelheiten der Politik und der Verwaltung die Weite des Blickes und Gröfse der Entwürfe, die Universalität des Geistes verbindet. Sein Auge, das so scharf zu beobachten and auf jeden einzelnen Punkt sich zu richten versteht, umfafst zugleich die ganze Ausdehnung des Horizontes der damaligen Menschheit. Er ist darin selbst Friedrich dem Grofsen überlegen. Der geniale König haftete an den überlieferten Tendenzen seines Staates, von denen er sich fast nirgends freizumachen, die er nur in ungewöhnlicher Weise zu beherrschen und nutzbar zu gestalten verstand, sein Urahn aber hat sich von keiner Tradition fesseln lassen, überdachte und prüfte jede Wendung des öffentlichen Lebens seiner Zeit und suchte das, was er für berechtigt, nützlich und zukunftsreich erkannt hatte, in seinen Staat zu verpflanzen und dessen Bedürfnissen und Besonderheiten schöpferisch anzupassen. In dieser Weite der Auffassung, der bewufsten Loslösung von jedem Vorurteil, auch dem anscheinend durch lange Erfahrung und Übung gerechtfertigten, dieser Hoheit und Voraussetzungslosigkeit des Denkens hat der Grofse Kur- fürst bei keinem seiner Nachfolger, auch den hervorragendsten und erfolgreichsten nicht, seinesgleichen gefunden. Er verdient schon deshalb den ehrenden Beisatz, den bereits seine Mitwelt seinem Namen beigefügt hatte.

So hatte er auch klar erkannt, dafs materielle Kraft und internationale Bedeutung eines Staates ohne eine angemessene

220 Sechstes Buch.

Handels- und Kriegsflotte unvollständig bleiben mürsten; und diese maritime Entfaltung war, namentlich unter den damaligen Verhältnissen, ohne Kolonialbesitz undenkbar. Verschlossen doch alle Staaten ihre eigenen überseeischen Gebiete dem Handel wie den Kriegsfahrzeugen aller fremden Nationen, so dafs Verkehr mit den fernen Ländern den Schiffen jedes Volkes ohne Eigenbesitz überseeischer Hafenplätze unmöglich waren. Der Grofse Kurfürst hat deshalb aufser der Gründung einer starken Seemacht als- bald die Erwerbung von Kolonien ins Auge gefafst.

Wie bei vielen seiner genialen Neuerungen stand er auch hier unter den Seinigen allein. Die meisten seiner Bäte betrachteten die Aufstellung einer Flotte als eine törichte Utopie, die die Kräfte des Staates weit übersteige, sowie die Anlegung von Kolonien in entfernten Gegenden als nicht allein nutzlos, sondern direkt schädlich, weil sie Zerwürfnisse mit den Nachbarn und Verbündeten Brandenburgs herbeiführen müsse. Sie legten also diesen Unternehmungen alle möglichen Hindernisse in den Weg. Besonders war ihnen das Ansehen und die Tätigkeit des niederländischen Emporkömmlings Raule ein Dorn im Auge, und sie suchten den kühnen und unternehmenden Mann, der in branden- burgischen Diensten wahrlich keine Reichtümer sammelte, als einen habgierigen und sogar ungetreuen Menschen darzustellen. Fuchs ging so weit, dem niederländischen Gesandten in Berlin, Hop, im Herbste 1687 die geheimen Vorschlage Raules an den Kurfürsten, die den Niederländern direkte Handelskonkurrenz zu machen bestimmt waren, mitzuteilen und durch ihn den Prinzen von Oranien zu deren Bekämpfung aufzufordern, ein Verfahren, das, von selten eines Ministers, als Landes- und Hoch- verrat bezeichnet werden mufs*. Allein Friedrich Wilhelm liefs sich weder durch kleinliche Bedenken noch durch Verleumdungen in seinem grofsen Werke beirren. Er wufste, eine wie wesent- liche Waffe für seine Politik wie für die Hebung des Wohl- standes unter seinen Untertanen eine starke Seemacht sei ; und da er unter dem eigenen Volke niemanden besafs, der ihm za deren Schöpfung behilflich sein konnte, mufste er sich wohl oder übel an den Ausländer halten, dessen Unternehmungsgeist,

t

H. Peter, Die Anfänge der brandenb. Marine (Programm des Berliner Sophipngymn., 1877), S. 11. U. u. A., HI, 778 f. 793 ff.

EinundyierzigstQs Kapitel. Marine und Kolonien. 221

Hnermftdliche Tatkraft und nie versagender Mut seinem eigenein Charakter so völlig entsprachen.

Benjamin Raule, 1634 in Vlissingen geboren, hatte von Kindheit an eine treffliche Schulung als See- und Kaufmann durchgemacht Er hatte eine umfangreiche Reederei betrieben, und sein Name besafs an seinem Aufenthaltsorte Middelburg einen so guten Klang, dafs er Mitglied der Stadtobrigkeit wurde. Aber der französische Krieg ruinierte ihn: so flüchtete er vor seinen Gläubigem zu dem 'Kurfürsten von Brandenburg, in dessen Dienst und mit dessen Unterstützung er sich wieder emporzuarbeiten hoffte ^. Dafs er bei seiner Tätigkeit in Branden- burg zunächst von eigennützigen Beweggründen ausging, kann nicht bezweifelt werden; ebensowenig, dafs er sich bisweilen zu allzu verwegenen, nicht genügend abgewogenen Plänen hin- reifsen liefs: allein absichtliche Benachteiligung seines Dienst-' herm kann ihm nicht nachgewiesen werden, und die meisten seiner Projekte waren ebenso geistvoll wie ausführbar*. Ohne ihn hätte Friedrich Wilhelm die Gründung einer Seemacht und eines Kolonialbesitzes nicht zu Wege gebracht.

Übrigens erbat sich der Kurfürst im Jahre 1678 den Besuch des berühmten niederländischen Admirals van Tromp, um mit ihm über eine plan- und ordnungsmäfsige Entwicklung des brandenburgischen Seewesens zu beraten. Der Admiral folgte dieser Einladung, und auf seinen sachverständigen Vorschlag beschlofs Friedrich Wilhelm 1679 die Errichtung eines Marine- kollegiums, zur Vergröfserung und Verwaltung der Kriegsmarine und überdies zur Hebung der privaten Seeschiffahrt. Der Plan ist freilich zunächst an dem Widerstände seiner allzu nüchternen und kühlen Räte und der Ungunst der kriegerischen Zeiten gescheitert; später erst wurde er verwirklicht.

Der Kurfürst und Raule hatten inzwischen die branden- burgische Kriegsmarine auf eine Höhe gebracht, die es wohl gestattete, kühne und umfassende Entwürfe zu schmieden. Sie zAhlte im Anfang des Jahres 1680 nicht weniger als 28 Fahr- zeuge mit 502 Geschützen'. Friedrich Wilhelm beschlofs, diese

' B. Schü.ck, Brandenb.-preufs. Kolonialpolitik (Leipz. 1889), I, 76 ff.- ' Auch Röbenao erklärt ihn für einen sachTerständigen und fähigen

Mann; Ms. Dep. Tom 29. März 1682 (Auszug); Berlin, Geh. Staatsarchiy,

Rep. 94, IV Hb. 10«.

* Brandenb.-Preufs^n auf d. Westküste von Afrika 1681—1721; Kriegs-

222 Sechstes Buch.

Macht zu einem Unternehmen zu verwenden, das in ganz Europa Achtung vor der Flagge mit dem roten Adler auf weifsem Felde erwecken und zugleich ihm selbst pekuniären Vorteil bringen sollte^.

Die spanische Monarchie hatte von den vertragsmärsigen Subsidien, die sie Brandenburg aus dem letzten Kriege schuldete, nur den geringsten Teil abgetragen. Bis zum 31. Oktober 1678 hfttte sie 1778003 Taler zu zahlen gehabt, hatte aber in Wirk- lichkeit nur 311000 entrichtet, so dafs der Kurfürst noch 1467003 Taler (nach heutigem Werte über 19 Millionen Mark) zu fordern hatte. Die eigene Not noch mehr als übler Wille hatte bewirkt, dafe Spanien seit September 1675 überhaupt nichts mehr gab, aufser 1678 einmal 25000 Taler. Fried- rich Wilhelm hatte deshalb bereits im August 1676 seinen Kammerjunker von Ruck, Schlofshauptmann zu Hornburg im Halberstädtischen, nach Madrid gesandt, um die regelmäfsige Auszahlung der Hilfsgelder zu erwirken. Allein die Spanier hatten unter mancherlei Yorwftnden die Audienz des Branden- burgers bei ihrem Könige hinausgeschoben; und als er solche endlich erhalten, hatte Philipp IV. sich damit begnügt, ihm zu antworten: „Yo lo verr6," „ich werde zusehen". Ruck mufete sich bald überzeugen, dafs die Spanier in ihrer Not gar nicht im Stande seien, ihren Verpflichtungen gegenüber dem Ver- bündeten nachzukommen. Mit der Erklärung: er werde andere Mafsregeln ergreifen, um zu seinem Gelde zu gelangen, berief Friedrich Wilhelm endlich seinen Gesandten von Madrid ab.

Nachdem der allgemeine Friede abgeschlossen, entschied er sich also dahin, sich selbst Gerechtigkeit zu schaffen. Voll Geringschätzung ob der Hilflosigkeit der Spanier und für den schlimmsten Fall der Unterstützung durch Frankreich sicher, mit dem er soeben ein geheimes Bündnis eingegangen war. gab er am 25. Mai 1680 Raule den Auftrag: „so viele Fregatten, alfs Er nöthig erachten wird, aufszurüsten und damit alle Schiffe und Güther, so spanischen Unterthanen zugehören, in See wegzunehmen und aufzubringen". Er erlangte dabei von dem Papste, dem Grofsherzoge von Toscana und dem

gesch. Einzebchriften, herausg. vom Grofsen Generalstabe, Heft VI (Berlin 1885), S. 101.

^ Das Folgende nach dem Geh. Staatarchiv (Berlin) Bep. 63, 2. 8 b): sowie Kgl. Bibl. (daselbst), Manuscr. Boruss. qu.| 123 p. 17 f.

Einundyierzigstes Kapitel. Marine and Kolonien. 223

Grofsmeister von Malta das Versprechen, in deren Häfen für seine Schiffe, die er allerdings als gegen die Barbaresken be- stimmt ausgab, eine sichere Zuflucht zu finden.

Raule setzte sechs Fregatten in stand: das Flaggschiff «Friedrich Wilhelm'' mit 43 Geschützen, 120 Seeleuten und 42 Soldaten; den «Ghurprinz*' mit 32 Geschützen, 101 Seeleuten und 40 Soldaten; die „Dorothea* mit gleicher Ausrüstung und Bemannung; den „Bothen Löwen** mit 20 Stücken, 70 Seeleuten. 20 Soldaten; den „Fuchs** von ähnlicher Beschaffenheit; die , Berlin* mit 16 Stücken, 50 Seeleuten, 20 Soldaten zusammen mit 163 Geschützen, 506 Seeleuten, 182 Soldaten. Dazu kam der Brander .Salamander** mit zwei Geschützen und 14 See- leuten. Die Flotte stand unter dem Befehle des schon im jüngsten Kriege erprobten Gommodore Comelis Classen van Beveren ; die Kapitäne waren gleichfalls sämtlich Holländer. Am 14. August 1680 ging das Geschwader in See. Seine Bestimmung blieb ein Geheimnis; nur Dänemark und Frankreich waren benachrichtigt. Der erstere Staat, der gleichfalls Forderungen an Spanien hatte, lehnte die angebotene Teilnahme freundlich ab , öffnete jedoch den brandenburgischen Orlogsschiffen den Sund. Der AUer- christlichste König stellte ihnen seine Häfen zur Verfügung. Die Instruktion van Beverens trug diesem auf, nach der nieder- ländischen Küste zu fahren, dort dem Konvoi aufzulauern, der alljährlich von Ostende über London nach den spanischen Häfen ging, und ihn wegzunehmen, selbst wenn er ihm bis nach Cadiz folgen müsse; ^^echappiere'' ihm der Convoi, solle er zur Er- oberang der spanischen Silberfiotte nach Westindien und Mexiko segeln \

So hohe Ziele wurden allerdings nicht erreicht. Wohl aber gelang es van Beveren schon am 18./28. September, ein grefses spanisches Kriegsschiff, den „Carolus Secundus*, das 50 Kanonen fQhrte, in der Nähe von Ostende nach kurzem Kampfe und unter geringem Verluste wegzunehmen. Es war besonders wichtig darch seine kostbare Spitzenladung, deren dem Kurfürsten zufallender Anteil allein 97 524 Taler (heutigen 1 267 800 Mark gleich) eintrug. Damit waren die auf das Geschwader ver- wandten Kosten so ziemlich gedeckt'. Van Beveren brachte

> Generalstab, a. a. O., S. 102 ff. * Peter, 18. 24.

224 Sechstes Buch.

mit deu beiden Fregatten „Friedrich Wilhelm^ und „Dorothea'^ die Prise nach Pillau. Die weitere Kreuzung des Vizekom- mandeurs Reers mit den übrigen Schiffen hatte keinen anderen Erfolg als das Aufbringen eines spanischen, mit Wein und Brannt- wein beladenen Fahrzeugs. Dieses ungenügende Ergebnis wurde der Unfähigkeit Reers' zugeschrieben, der ebenso wie Beveren selbst, den man der Unterschlagung beschuldigte, die Entlassung erhielt.

Die kecke Tat der jungen brandenburgischen Marine, von deren Dasein niemand einen rechten Begriff gehabt, erregte das gröfste Aufsehen. Zahlreiche Flugschriften griffen den angeb- lichen Friedensbruch des Kurfürsten heftig an. Spanien ¥rütete, drohte mit einem Einfall in Eleve und rief die Generalstaaten um vertragsmäfsige Beihilfe an. England, die Niederlande, Schweden zeigten sich ungehalten über den Anspruch Branden- burgs, in die Reihe der Seemächte eintreten zu wollen, und gaben diesem Zorne unverhüllten Ausdruck. Zumal die Nieder- länder fürchteten eine Beeinträchtigung ihres Handels mit Spanien durch die Beobachtung ihrer Küsten seitens des brandenburgi- schen Geschwaders.

Des französischen Beistandes sicher, liefs der Kurfürst sich durch allen diesen Lärm nicht erschrecken. Die Vorstellungen des staatischen Gesandten Amerongen brachte er durch den Hinweis zum Schweigen, die Holländer hätten sich ja auch für die «echs bis sieben Millionen Taler, die Spanien ihnen schulde, Maastrichts bemächtigt, das dem. Katholischen Könige gehöre^. Schweden ver- suchte seinesteils, den dänischen Herrscher zu bewegen, dafs er den Brandenburgern den Sund schliefse, indem es seine Eifersucht durch Schilderung der angeblichen ehrgeizigen Absichten des Kur- fürsten auf Seeherrschaft anreizte. Allein Dänemark, längst durch enge politische Freundschaft mit Brandenburg verbunden, empfand Rivalität nur gegen Schweden und lehnte dessen Zumutungen ab. Darauf wurde man auch in Stockholm stille'. Friedrich Wil- helm hatte also keine tätliche Feindschaft zu fürchten ; es standen ihm überdies 25 Schiffe mit 496 Geschützen zur Verfügung. Davon sandte er im Sommer 1681 vier, unter dem Kommandeur Thomas Aldersen, mit dem Auftrage aus, die spanische Silber-

1 U. u. A., in, 586 f.

« Berlin, Kgl. Bibl., Manuscr. Boruss. qu., 123 S. 27 ff.

Emundyierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 225

flotte abzufangen. Das Flaggschiff war das Linienschiff „Mark- graf von Brandenburg "^ der frühere „Garolus Secundus** mit 50 Geschützen, 150 Seeleuten, 50 Soldaten. Das gesamte Geschwader führte 93 Kanonen, 420 Matrosen, 142 Soldaten. Es ist für die Geschichte der brandenburgischen Marine bemerkens- wert, dafs der „Markgraf von Brandenburg" das erste Schiff war, das dem Kurfürsten zu eigen gehörte, während er bis dahin die Kriegsfahrzeuge nur von Baule mietsweise geliefert erhalten hatte, und dafs die Soldaten seemäfsig geübt wurden, um aus ihnen einen Stamm eigentlicher brandenburgischer Matrosen zu bilden und sich hierdurch von den niederländischen, norwegischen, dänischen, hanseatischen Seeleuten unabhängig zu machen, die bisher jene Schiffe bemannten. Das hervorragende organisatorische Talent Friedrich Wilhelms, das sich trotz der Beschränktheit seiner Mittel allerorten Geltung zu schaffen wufste, tritt auch hier hervor.

Aldersen bekam am 30. September/ 10. Oktober am Kap San Vincent ein grofses spanisches Geschwader in Sicht, das er für die Silberflotte hielt. Er griff es mit grofser Kühnheit an, mufste aber bald bemerken, dafs er sich einer Kriegsflotte von zwölf Fregatten und zwei Brandern gegenüber befand, die die spanische Regierung in See gesandt hatte, um ihre S ilberschiffe vor den Brandenburgern zu schützen und diese zu vernichten. Aldersen verlor den Mut nicht. Unter lebhaftem Gefechte manövrierte er seine vier Fahrzeuge weg, bis er in dem portu- giesischen Hafen Lagos eine Zuflucht vor der Übermacht fand. Sein Verlust betrug 10 Tote und 30 Verwundete, aber seine Schiffe waren unbeschädigt, so dafs sie nach wenigen Tagen die Heimreise antreten konnten.

Der ehrenvolle Kampf am Kap San Vincent ist überhaupt das gröfste Seegefecht, das die brandenburgisch - preufsische Marine bis auf den heutigen Tag bestanden hat. Die Aufgabe freilich, die spanische Silberflotte wegzufangen, konnte unter den vorhandenen Umständen nicht gelöst werden. Allein der rote Adler hatte sich wacker gehalten und von der Übermacht der kastilischen Türme nicht erdrücken lassen. Es kommt nicht immer auf die tatsächlichen Ergebnisse an; wichtiger kann die allgemeine Tendenz sein, die durch ein Unternehmen be- gründet wird. Der Weg war vorgezeichnet, auf dem der von Friedrich Wilhelm neugestaltete Staat den erblichenen Ruhm

Philippson. Der Orofse Karfflrst. III. 15

226 Sechstes Buch.

deutscher Seeleute erneuern konnte; fand er Nachfolge bei den übrigen deutschen Küstenstaaten, so mochte die einstige Macht der Hansa auf veränderter und erweiterter Grundlage wieder erstehen. Aber leider hat kein Nachfolger des Grofsen Kur- fürsten, bis auf die allerjüngste Vergangenheit, den verheifsungs- vollen Pfad weiter beschritten.

Das gleiche mufs man von den Kolonialplänen dieses geist- vollen und scharfblickenden Herrschers sagen.

Die pekuniären Ergebnisse der kühnen Seefahrten hatten kaum zur Deckung der aufgewandten Kosten ausgereicht; der etwas seeräuberartige Überfall spanischer Schiffe, sowie die zeit- weise Blockade der belgischen Küste hatten überdies so viel Ärgernis erregt und so lebhaften Widerspruch hervorgerufen, dafs der Kurfürst die Sache aufgab. Desto nachdrücklicher ging er auf eine andere Reihe der ihm von Raule gemachten Vorschläge ein: nämlich zur Gründung einer afrikanischen Handelsgesellschaft. Ein Plan , der ihm um so mehr zusagen mufste, als er einen Ersatz für das bereits zweimal gefafste und gescheiterte Projekt einer grofsen deutsch-ostindischen Kompanie (T. I, S.43f., T, II, S. 208 f.) bot. Raule gedachte zugleich sein Vaterland, das ihn fortgesetzt unfreundlich behandelte, zu schädigen, sich materiellen Vorteil zu verschaffen und dem Kur- fürsten zu dienen. Neben ungeheuerlichen Entwürfen, die Fried- rich Wilhelm sofort verwarf, wie einer Expedition gegen die arabischen und chinesischen Händler im Indischen Ozean und einer Fahrt nach der Davisstraf se, schlug er 1681 die Absendung einiger Schiffe nach Guinea vor, um von dort Gold und Sklaven auszuführen. Es sollte daselbst ein Fort erbaut und so der Grund zu einer brandenburgischen Kolonie gelegt werden. Die kurfürstliche Seerüstung würde sich hierdurch reichlich bezahlt machen. Damit war der Herrscher sofort einverstanden.

Das Unglück war nur, dafs die preufsischen und pommer- schen Kauf leute und Reeder zu solchen kühnen Unternehmungen nicht zu haben waren, und dafs man sich abermals auf nieder- ländische Schiffe angewiesen sah: den „Oranien*, der nunmehr „Wappen von Brandenburg" genannt wurde, und den „Morian*. Dadurch aber gab man der Handelseifersucht der Holländer den erwünschten Vorwand zur Störung des kaum Begonnenen. Denn die holländische Westindische Kompanie besafs für die eigenen Landsleute das ausschliefsliche Monopol des Verkehrs mit Afrika;

£mund\derzig8te8 Slapitel. Marine und Kolonien. 227

sie behauptete, dafs das Unternehmen Raules nur eine Umgehung dieses Monopols sei, da es lediglich mit niederländischen Schiffen und Seeleuten ausgeführt werde, die sich mifsbräuchlich der brandenburgischen Flagge bedienten. Das war insofern unrichtig, als Friedrich Wilhelm auf jedem dieser Fahrzeuge elf seiner Soldaten einschiffte, so dafs er von jenen tatsächlich Besitz ergriff.

Es läfst sich allerdings nicht leugnen, dafs das strenge Verbot der Generalstaaten, keiner ihrer Untertanen dürfe, auf fremden Schiffen, die Rechte der Westindischen Kompanie stören, sich gleichfalls auf die holländische Bemannung der branden- burgischen Schiffe bezog. Indes konnte die Kompanie daraus nur das Recht ableiten, vor den heimischen Gerichten die Be- strafung jener Seeleute zu beantragen, nicht aber das, die dem Kurfürsten gehörenden Fahrzeuge in fremden, neutralen Gewässern aufzugreifen. Friedrich Wilhelm schenkte auch den Vorstellungen, die ihm Amerongen im Namen der Generalstaaten in dieser Angelegenheit machte, keine Aufmerksamkeit, sondern begnügte sich, zu versprechen: wo die Kompanie tatsächlich Besitzungen habe, werde er nicht eindringen; dafür verlangte er freundliche Aufnahme seiner Schiffe im Falle der Not. Ganz unberechtigt war die Behauptung der Holländer, die ganze Goldküste gehöre ihrer Westindischen Gesellschaft. War es doch notorisch, dafs Engländer und Dänen eine ganze Reihe von Niederlassungen auf dieser Küste innehatten.

Die Westindische Kompanie jedoch, in ihren wichtigsten Handelsinteressen mit Wettbewerb von den eigenen Volksgenossen bedroht, benutzte jene Vorwände, um das „Wappen von Branden- burg" an der Küste von Guinea wegzunehmen und den „Morian* aus den afrikanischen Gewässern zu vertreiben. Allein zu spät. Der Kapitän des „Morian*', Blonck, hatte bereits am 16./26. Mai 1681 mit drei Neger-„Königen** der Goldküste einen Vertrag abgeschlossen, der in ihrem Gebiete den Brandenburgern das Handelsmonopol zusicherte und die Einräumung eines Platzes zur 'Errichtung eines Forts versprach. Der 26. Mai 1681 ist also der Tag, an dem die brandenburgisch-preufsische Koloni- sation tatsächlich begonnen hat^

^ P. F. Stuhr, Die Gesch. der See- und Koloniabnacht des Grols Kurf. (Berlin 1889). Peter, 28f. Generalstab, lOlf. Schuck, I, 134«. U. u. A., in, 586. 588. 602.

15*

228 Sechstes Bucli.

Friedrich Wilhelm hielt diese Tatsache für so wichtig, dafs er zu ihrem ewigen Gedächtnisse eine Medaille schlagen liefs mit der Inschrift: Coepta navigatio ad oras Guineae, anno MDGLXXXI feliciter^ Brandenburg hatte sich end- lich den Zugang zum Welthandel eröffnet; das Gold und das Elfenbein, die der „Morian", wenn auch noch in geringer Menge, zurückbrachte, gaben Hoffnung auf glänzenden Gewinn. Der Kurfürst liefs sich um so weniger die üble Behandlung seiner Schiffe und die Kränkung seiner Kriegsflagge durch die Holländer gefallen. Er forderte sofortige Genugtuung und vollen Ersatz des ihm zugefügten Schadens. Mit kräftigen und zuversichtlichen Worten vertrat er den Standpunkt der Handelsfreiheit gegen- über der engherzigen Exklusivität der Holländer. Diese suchten die Angelegenheit unter allerlei Verwänden zu verschleppen, und der leicht erregbare Kurfürst drohte im Sonmier 1682 mit Eidschwur: wenn man ihm nicht binnen vier Wochen Satis- faktion gebe, so werde er sie selber sich nehmen, es komme daraus, was wolle. Das Anerbieten der Generalstaaten, die Sache dem kompetenten niederländischen Gerichte zu überweisen, wies er mit Fug und Recht zurück. Er rüstete tatsächlich im November 1682 das Kriegsschiff „Fuchs*^ mit 20 Geschützen und 58 Mann Besatzung aus, um die Fahrzeuge der Westindischen Kompanie, wo es sie fände, wegzunehmen. Allein es scheiterte schon an der jütischen Küste , wobei siebzehn Mann das Leben verloren. Erst 1686 gaben die Holländer das „Wappen von Brandenburg** heraus und zahlten 20000 Gulden für dessen bereits verkaufte Ladung. Beide Teile erklärten sich mit diesem Vergleiche zufrieden*. Das Verhältnis zwischen der Republik und Brandenburg wurde im Grunde nicht durch den Streit um ein fernes Negerland, sondern durch die grofsen europäischen Interessen bestimmt.

Es ist klar, dafs immerhin der Kurfürst grundsätzlich den Sieg errungen hatte. Die Holländer mufsten ihren Standpunkt aufgeben. Schon vorher hatten sie nicht mehr offen gewagt, sich seinen Kolonialplänen zu widersetzen. Friedrich Wilhelm förderte solche mit der ihm eigenen Tatkraft. Im März 1682

' Ad. Meyer, Die Prägungen Brandenb.-Preufsens (Berlin 1885X « U. u. A., ni, 609. 618 f. 622 ff. 629 ff. 6a3. 638. 642 ff. 778 f. Stuhr, 28 ff.

Emundyierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 229

errichtete er eine Kompanie zum Handel mit denjenigen Orten der Guinea- und Angolaküste, die noch nicht von Europäern besetzt seien. Er versprach der neuen Gesellschaft Schutz gegen alle Angriffe, sei es von europäischen Mächten, sei es von Negern. Am 8./18. November desselben Jahres erhielt sie einen Freibrief auf dreifsig Jahre. Der Kurfürst verhiefs ihr darin, die nötige Anzahl Soldaten zu stellen, ein Fort auf dem Drei- Spitzen-Kap an der Goldküste zu errichten und ihr während vier Jahren je 6000 Taler Hilfsgelder zu zahlen. Zahlreiche Zollerleichte- rangen wurden der Gesellschaft gewährt. Jedem Fremden wie Einheimischen ward es freigestellt, ihr beizutreten, indes nur mit einer Mindesteinlage von 200 Talern (gleich 2600 Mark heutigen Geldwertes) ; in der Generalversammlung, deren Vorsitz einem Abgesandten des Kurfürsten zukam, hatte nur derjenige eine Stimme, der mindestens 1000 Taler beigetragen. Die Werft in Pillau ward der Gesellschaft zur Verfügung gestellt, die militärische, politische und eigentlich kaufmännische Verwaltung genau geregelt

Die Schwierigkeit für dies weit aussehende maritime Unter- nehmen blieb die alte : die heimischen Kauf leute und Kapitalisten hielten sich davon in ihrer ängstlichen und kurzsichtigen Weise fem. Die Kompanie erhielt deshalb einen ganz amtlichen Charakter. Der Kurfürst zeichnete 8000 Taler, seine Minister und Beamten 20000, Raule und dessen Mitinteressenten 24000.

Bevor die Gesellschaft auf diese Art gegründet war, hatte Friedrich Wilhelm bereits im Jahre 1682 einen weitgereisten Offizier, der in Palästina und Ägypten gewesen und so an den Verkehr mit andersgearteten Völkern gewöhnt war, den Major Otto Friedrich von der Groeben, zur Besitzergreifung des von Blonck erworbenen Landstriches sowie „Erbauung einer Forteresse" abgesandt. Er führte zwei Schiffe den „Chur- prinzen" zu 32 Geschützen und den ^Morian" zu 12 die von dem Commodore Mathäus de Vofs und dem Kapitän Blonck befehligt wurden, sowie zwei Ingenieure, einen Fähnrich , drei Unteroffiziere und 42 Soldaten mit sich.

Das kleine Geschwader langte nach fünfmonatiger Fahrt an der Goldküste an. Nach verschiedenen Verhandlungen mit den Holländern und den Negern schlofs Groeben mit mehreren schwarzen Häuptlingen einen neuen Vertrag zur Erbauung eines Forts sowie Übernahme des brandenburgischen Schutzes

230 Sechstes Buch.

und ausschliefslichen Handels für deren Gebiet, das eine Meile westwärts von dem Drei -Spitzen- Kap lag. Am Nei]gahrs- tage 1683 wurde auf dem Berge Manfro, der nunmehr den Namen „Grofser Friedrichsberg^ erhielt, das brandenburgische Banner aufgezogen; die Geschütze donnerten, Trommeln und Flöten erklangen über die Fluten des Ozeans. Die kleine Feste wuchs schnell aus dem Boden, mit drei durch zwei Bastionen geschützten Kurtinen nach den Landseiten, einer geradlinigen Brustwehr und davorliegendem Graben nach der See im Westen, das Ganze mit Palisaden umgeben und mit zehn Kanonen aus- gerüstet.

Diese Vorsicbtsmafsregeln sollten sich als sehr notwendig erweisen. Da Aufforderungen seitens der holländischen West- indischen Kompanie, das Fort zu räumen, keinen Erfolg hatten, stachelte diese mehrere Tausende von Negern zum Angriff auf die Festung an. Die Lage war um so bedenklicher, als das Malariafieber unter der schwachen brandenburgischen Schar wütete, bereits zehn Mann von ihr weggerafft, die übrigen, auch Groeben selbst, völlig geschwächt hatte. Allein der ebenso mutige wie energische Major hatte 200 Schwarze bewaffnet und eingeübt, und nach den ersten Kartätschenschüssen liefen die Feinde davon.

Nach diesem Siege schiffte Groeben sich nach Europa ein, indem er den wackeren Blonck als Kommandanten in Grofs- Friedrichsburg zurückliefs. Der Begründer der ersten branden- burgischen Kolonie jenseits des' Meeres langte im April 1683 in der Heimat an, wo er seitens des Kurfürsten den wohlverdienten freundlichen Empfang sowie die einträgliche Hauptmannschaft zweier preufsischer Domänenämter erhielt.

Schon vor seiner Ankunft hatte Friedrich Wilhelm die Ver- stärkung der Feste vorbereitet. Baumaterialien, Vorräte und Ausrüstungsgegenstände jeder Art, selbst ein Wagen und vier Pferde, wurden mit grofser Sorgfalt in Pillau vereinigt. Sie gingen (September 1683) auf der Fregatte „Goldener Löwe** mit 32 und dem Schiffe „Wasservogel" mit 10 Geschützen nach Afrika ab. Diese Fahrzeuge trugen ferner den Major Dillger, der den Befehl im Fort übernehmen sollte, den Ingenieurkapitän von Schnitter, sowie eine Anzahl anderer Offiziere und Ingenieure nebst Chirurgen, Kanonieren und 42 Soldaten, von denen die gelernten Handwerker und Spielleute in Grofs - Friedrichsburg

Einundyierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 231

ZU verbleiben hatten. Diese Mafsregeln stellten sich als um sa notwendiger heraus, als man bei der Ankunft, im Februar 1684, die Besatzung Grofs-Friedrichsburgs auf 17 Mann herabgesunken fand. Nun begann eine lebhafte Tätigkeit. Die Befestigungen wurden durch die Anlage zweier Bastionen nach der Seeseite hin vervollständigt, mit Steinen aufgemauert und mit Kase- matten, auch innerhalb der Wälle mit steinernen Gebäuden versehen. Major Dillger liefs es aber bei der einen Feste nicht bewenden. Er kaufte ein von den Negern Accada genanntes Gebiet, 2Va Meilen östlich von Grofs-Friedrichsburg , und liefs dort durch Schnitter eine zweite, kleinere Festung in Dreiecks- form errichten. Sie wurde mit zwölf Geschützen besetzt und späterhin „Dorotheenschanze'' genannt. Accada besafs deshalb besondere Bedeutung, weil es den fruchtbarsten Teil der ganzen Küste umfafste und deren einzigen, allerdings nur für kleinere Schiffe benutzbaren Hafen enthielt. Zwischen beiden Werken wurde, an einem reichlich fliefsenden Wasser, auf dem Drei- Spitzen-Kap eine kleine, mit zwei Geschützen armierte Schanze angelegt, Taccrama oder Sophie-Luise genannt. Endlich ergab sich noch die Landschaft Anta dem Schutze des roten Adlers, und hier begründete Schnitter, bei dem Orte Taccarari, ein viertes Fort, das mit drei Geschützen ausgerüstet wurde. Die allerdings zunächst rein militärische Kolonisation Brandenburgs dehnte sich derart über die Küste Guineas aus.

Die Afrikanische Kompanie hatte inzwischen einen erfreu- lichen Aufschwung genommen, zumal nachdem sie 1684 von dem entlegenen, durch den langen, rauhen Winter und die Stürme des Kattegat beeinträchtigten, durch die Dänen vom Sunde aus überwachten Hafen von Pillau und dem damals jedes kommerziellen Unternehmungsgeistes entbehrenden Preufsen nach Ostfriesland und zwar nach Emden verlegt worden. Land wie Hauptstadt hatten sich um jene Zeit, mit Billigung des Kaisers, unter brandenburgischen Schutz gestellt. Emdens Hafen war für die damaligen flach gehenden Fahrzeuge ein sehr günstiger. Man erhoffte Zuflufs reicher Kapitalien aus dem nahen Holland. Auf Raules Rat hatte also der Kurfürst beschlossen, den Sitz der Afrikanischen Kompanie und zugleich seiner Marineverwaltung nach Emden zu überführen. Ein geheimer Vertrag mit den ost- friesischen Ständen sowie mit der Stadt Emden machte aus dieser tatsächlich einen brandenburgischen Hafenplatz. Freilich,

282 Sechstes Buch.

die eigentlichen Untertanen Friedrich Wilhelms hatten derart keinen unmittelbaren Vorteil von der Afrikanischen Kompanie zu erhoffen. Ihre heillose Geistesträgheit und Unentschlossen- heit hat ihren Landesherm gezwungen, seine maritime Tätigkeit gewissermafsen aufserhalb seines Gebietes zu verlegen.

Die ostfriesischen Stände und die Stadt Emden beschämten die Preufsen, indem sie der Afrikanischen Gesellschaft mit 28000 Talern beitraten; ebenso der Kurfürst von Köln mit 24000. Im ganzen betrug 1686 das Kapital der Gesellschaft 84 000 Taler (gleich 1092000 Mark heutigen Geldwertes), dem gegenüber Raule ein freilich schwer zu verwertendes Aktiv von 120500 Talern (1566500 Mark) herausrechnete. Dividenden hatte die Gesellschaft bisher noch nicht zu verteilen vermocht.

Die glänzenderen Aussichten, die sich nunmehr dem Kur- fürsten eröffneten, erfüllten ihn mit kühner Zuversicht, die durch das Alter keineswegs geschwächt wurde. Er beschlofs, an Stelle der gemieteten Marine eine eigene treten zu lassen. Die finanziellen Bedenken seiner Räte liefe er unbeachtet. Er kaufte also Raule neun Schiffe für 100000 Taler ab^ Zugleich ordnete er das gesamte Seewesen durch Verordnung vom 18. Juli 1684. Sie errichtete eine eigene kurfürstliche Marine- verwaltung mit je einer Admiralitätskammer zu Berlin, zu Königsberg und zu Emden. Die Berliner Kammer bildete die Zentralstelle, an deren Spitze Generaldirektor Raule trat. Die Königsberger Kammer, unter den Admiralitätsräten Schölten und Cleffman, besafs an eigenen kurfürstlichen Schiffen nur eine Fregatte von 40 Geschützen und zwei kleinere Fahrzeuge, neben denen Raule im kurfürstlichen Solde noch acht andere Schiffe mit zusammen 96 Kanonen zu stellen hatte. Bei weitem wichtiger war die Emdener Admiralitätskanmier, in der der dortige Bürgermeister Schinckel und der brandenburgische Resident Freytag als Admiralitätsräte safsen ' ; sie rüstete sieben kurfürstliche Schiffe mit zusammen 178 Geschützen aus, darunter die beiden Linienschiffe „Friedrich Wilhelm zu Pferde" und „Carolus Secundus** mit je 50 Stücken. Acht kleinere Fahrzeuge mit zusammen 62 Kanonen unterhielt dort Raule. Ein „Marine- Bataillon" von vier Kompanien sollte die militärische Besatzung

^ Berlin, Kgl. Bibl., Manuscr. Boruss. qu., 128, S. 60 f.

' Ms. Geh. Staatsarchiv, Berlin, Rep. 65, 42 (Marinerechnungen).

Einiindvierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 233

der Schiffe und der Kolonien liefern. Einstweilen wurden in Ostfriesland drei solche Kompanien unter Major du Moulin errichtet, mit den Garnisonen Emden und Greetsyl. Ihr Unter- halt belief sich auf ungefähr 22 000 Taler jährlich, zu denen die ostfriesischen Stände 15600 zusteuerten. Jeder Soldat, der nach Afrika abging, erhielt zu seinem Traktament eine Zulage von einem halben Taler monatlich, der Gefreite aufserdem vier Groschen. Eine Jacht wurde als Stations- und Wachtschiif für den Hafen von Emden und die Feste Greetsyl beschafft*.

So begann die eigentliche brandenburgisch-preufsische Kriegs- marine. Nach mannigfachem, durch die Verhältnisse gebotenem Tasten hatte Friedrich Wilhelm abermals den einzig richtigen und angemessenen Weg gefunden, seinem Staate zum Besitze einer zuverlässigen, für ihn stets verfügbaren Seemacht zu ver- helfen.

Er glaubte nun, seinen kolonialen Plänen einen noch weiteren Umfang geben zu dürfen. Er knüpfte also, wie schon erwähnt, mit den englischen Dissenters, den aufser der anglikanischen Kirche stehenden britischen Beformierten an, die damals durch die Stuarts schwer bedrückt wurden, um die Kaufleute und Fabrikanten unter ihnen an die pommersche Küste zu ziehen. Er dachte an die Gründung einer Ostindischen Handelsgesell- schaft, deren Sitz gleichfalls Emden sein sollte, an die Aus- sendung einer Expedition nach China und Japan, an einen Vertrag mit Persien behufs Austausch von Rohseide gegen Bern- stein. Er veranlafste einen der berühmtesten Reisenden jener Zeit, den französischen Reformierten Jean Baptiste Tavernier, der sechsmal im Oriente, bis nach Indien und den ostasiati- schen Inseln hin, gewesen war, nach Berlin zu kommen und ihm mit seinem Bäte bei der Errichtung der Ostindischen Gesellschaft zu helfen (1684). Obwohl bereits im achtzigsten Lebensjahre stehend, folgte Tavernier dieser Einladung und erklärte sich bereit, im Interesse jener Gesellschaft eine Gesandtschaft an den Grofsmogul Aureng-Seb zu übernehmen; drei Kriegsfahr- zeuge sollten ihn eskortieren. Tavernier erhielt den Titel eines kurfürstlichen Kammerherm und Admiralitätsrates ". Die Frucht der Beratungen war ein Patent vom 10. Juli 1684, das die Ost-

* Geh. Staatsarchiv, Berlin; a. a. 0.

Ch. Joret, Jean-Bapt. Tavernier (Paris 1886).

234 Sechstes Buch.

indische Kompanie mit ähnlichen Vorrechten begabte, wie die Afrikanische solche bereits empfangen hatte. Allein dieses aus- sichtsreiche Unternehmen scheiterte abermals an der Unbeweg- lichkeit und Verzagtheit der einheimischen Greschäftsleute und Kapitalisten ; als der Kurfürst dafür in England Teilnehmer warb, fand er Zurückhaltung wegen der Strenge, mit der die dortigen Gesetze das Monopol der englischen Ostindischen Kompanie schützten ^ Man sieht, wie unermüdlich der Grofse Kurfürst um die Entwicklung des überseeischen Handels seiner Lande bemüht war, dafs er aber damit ganz allein stand. Um so mehr suchte er die Afrikanische Gesellschaft zu fördern.

Es lag ihm für diese die Erwerbung einer Niederlassung in Westindien am Herzen, um einen eigenen Markt zum Ver- kaufe von Negersklaven zu besitzen, war doch das „lebende Ebenholz*' der einträglichste Handelsartikel, den man an den afrikanischen Küsten suchte. So schlofs er im November 1685 mit Dänemark einen Vertrag, der den Brandenburgern einen Teil der dänisch-westindischen Insel St. Thomas anwies, wo sie, freilich unter dänischer Hoheit und dänischem Schutze, aber sonst in eigener Selbstverwaltung, eine Niederlassung errichten durften.

Endlich vergröfserte er noch seinen Besitz in Afrika, indem er auf der südöstlich vom Kap Blanco gelegenen Insel Arguin ein zuerst den Spaniern, dann den Niederländern, schliefslicb den Franzosen gehöriges, aber auch von diesen aufgegebenes Kastell durch sein Schiff „Rother Löwe" unter dem Kommandeur Cornelis Reers okkupieren liefs. Es wurde mit dem „Mohren- könige von Argyn" ein Vertrag eingegangen, der nicht nur die Insel, sondern noch weite Küstenstrecken nach Nord und Süd den Brandenburgern abtrat. Das Kastell ist später von Reers her- gestellt und ausgerüstet, auch gegen einen französischen Angriff mit Erfolg verteidigt worden. Arguin entwickelte sich zu einem wichtigen Handelsplatze, besonders zum gröfsten Stapel für den internationalen Gummihandel. Die Niederlassungen an der Goldküste wurden darüber nicht vernachlässigt. Man sandte dorthin Bergleute, unter der Leitung eines gewissen Dannies, um den Abbau von Gold rationell zu betreiben. Es kam wirk- lich so viel Gold aus Guinea ein, dafs man daraus in Berlin

1 Schuck, I, 187ff.

Einundvierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien. 235

Dukaten schlug, die das Brustbild des Kurfürsten und auf dem Revers einen Dreimaster, mit vollen Segeln auf offener See nach links fahrend, aufwiesen ^

Im ganzen aber entsprachen die Einkünfte der Gesellschaft deren grofsen Aufwendungen um so weniger, als ihr die Fort- nahme einiger ihrer Fahrzeuge durch Niederländer und Fran- zosen empfindliche Verluste bereitete und ihre Beamten mehr darauf bedacht waren, sich selbst zu bereichern als der Ge- sellschaft zu dienen. Deren Fonds war überdies für die weitaus- sehenden Pläne des Kurfürsten unzureichend. So kam es, dafs man von den Teilhabern neue Zuschüsse einforderte. Darüber äufserten aber die ostfriesischen Aktionäre laute Unzufriedenheit. Der Kurfürst liefs sich deshalb durch den dringenden Rat Raules bestimmen, die ostA:iesischen Teilhaber vermittelst Baten- zahlungen auszukaufen; neben ihm blieben nur seine Generale, Minister und sonstigen Diener in der Gesellschaft (1686).

Es war die Blütezeit der kolonialen Bestrebungen Friedrich Wilhelms. Damals gingen wieder fünf brandenburgische Kriegs- schiffe mit Baumaterial, Geschützen und Kriegsbedarf nach den Besitzungen auf der Goldküste ab. In Grofs-Friedrichsburg ent- wickelte sich ein überaus reger Verkehr.

Allein der Rückschlag konnte nicht ausbleiben. Jede junge Kolonisation hat mit der Mifsgunst ihrer Vorgängerinnen hart zu kämpfen ; in jener Zeit zumal herrschte in den fremden Welt- teilen der Krieg aller gegen alle, ohne jede Rücksicht auf die politische Konstellation in Europa. Engländer, Franzosen und Dänen widerstrebten dem Aufschwünge der brandenburgischen Gründung auf St. Thomas ; den Niederländern der Westindischen Kompanie waren die Kolonien des Kurfürsten im Westafrika ein Dorn in der Seite. Friedrich Wilhelm hatte 1686 durch seine Bevollmächtigten von Diest und Raule eine Abgrenzung seiner afrikanischen Besitzungen gegen die der Westindischen Kompanie verlangt ; allein die Generalstaaten hatten nach langen Verhandlungen im Juli 1687 die Rechtmäfsigkeit der Ansprüche der Westindischen Kompanie in vollem Umfange anerkannt und die Rückgabe der Festungen Grofs-Friedrichsburg und Taccarari gefordert. Dadurch ermutigt, bemächtigten sich die Leute der Westindischen Kompanie im Oktober 1686 der Forts Accada

* Ad. Meyer, Die Prägungen Brandenb.-Preufsens.

236 Sechstes Buch.

und Taccarari und blockierten Grofs-Friedrichsburg, das aber der wackere Schnitter mit Entschlossenheit verteidigte. Ihre Kriegs- schiffe hielten zugleich die brandenburgischen Fahrzeuge an der Küste von Guinea an, hinderten sie am Handel und visitierten sie, ob nicht niederländische Untertanen an Bord seien.

Ein harter Schlag für die junge koloniale Schöpfung des Kurfürsten !

Er war entschlossen, für das ihr angetane Unrecht aus- giebige Genugtuung zu fordern. Eines Krieges bedurfte es dabei nicht, denn die Gestaltung der grofsen politischen Er- eignisse nötigte die Niederländer, dem Brandenburger gefällig zu sein. Leider sollte Friedrich Wilhelm es nicht mehr erleben, dafs Accada zurückgegeben wurde, Grofs-Friedrichsburg sich zu einer unangreifbaren Feste entwickelte. Er genofs jedoch die Befriedigung, noch in den letzten Augenblicken seines Lebens zu erfahren, dafs die in den Generalstaaten ausschlaggebende Stadt Amsterdam bereit sei, für die vollständige Erfüllung seiner Ansprüche einzutreten. Die letzte von ihm erteilte Parole war deshalb Amsterdam*'.

Auf allen Gebieten hat dieser Fürst dem künftigen Grofs- staate die Wege vorgezeichnet: in dem Zusammenfassen der inneren Kräfte des Staates durch die Zentralregierung, in dessen Leitung auf die Pfade einer grofsen europäischen Politik, in der Begründung seines herrlichen Heeres, in der Behauptung voll- kommener religiöser Duldung; und so auch in der Schöpfung einer Seemacht und deutscher Kolonien in fremden Erd- teilen. Gerade diese letztere Seite seiner grofsen und umfassenden Bestrebungen ist fast zwei Jahrhunderte hindurch von seinen Nachfolgern, zu ihrem und des Staates Schaden, nicht gewürdigt worden. Aber als Preufsen wirklich in die Reihe der Welt- mächte trat, indem es zugleich die Führung des geeinten Deutsch- lands ergriff, hat es sofort wieder angeknüpft an die Über- lieferungen des genialen Grofsen Kurfürsten von Brandenburg.

Zweiundvierzigstes Kapitel.

Der Anheimfall Magdeburgs.

Aus kommerziellen Gründen ebensowohl wie aus militÄri- schen war Friedrich Wilhelm darauf bedacht, die ihm im West- filischen Frieden versprochene Stadt Magdeburg wirklich und ganz, mit Vernichtung ihrer trotzig gewahrten Freiheiten, in Besitz zu nehmen^. „Es ist Ihrer Kurfürstl. Durchlaucht mehr an der Stadt Magdeburg gelegen als an irgend welchen Orten aller ihrer Lande ; sie ist gleichsam das Herz, dadurch die Mark Brandenburg, die Fürstentümer Magdeburg und Halberstadt müssen beschützt werden," also liefs er seine Meinung den Abgeordneten der Magdeburger Bürgerschaft eröffnen. In der Tat, diese starke Eibfestung war das sicherste Bollwerk für den ganzen Hauptbestandteil seines Staates, für seine zusammen- hängenden Lande im mittleren Norddeutschland. Sie galt ihm wie seinen Nachfolgern eben als das „Herz" des Gesamtstaates oder als die Eisenklammer, die die östlichen mit den westlichen Provinzen vereinigte und zusammenhielt. Magdeburg beherrschte ferner den mittleren Eibstrom, kommerziell und militärisch. Freilich erstand es erst langsam aus seinen Trümmern und zählte damals kaum 8000 Einwohner, allein seine geographi- sche Lage und seine Vergangenheit bürgten für seine Zukunft. nEs ist mir," erklärte Friedrich Wilhelm den Bürgern, „an der

^ Das Folgende haupisächlicli nach: H. Holzapfel, Des Grossen Kittfürsten Festnngsbauten in Magdeburg (Magdeb. 1880); Jul. Opel, l^ie Vereinigung des Herzogt. Magdeburg mit Kurbrandenburg (Halle 1880); Schmoller im Jahrb. f. Gesetzgeb. u. Yolkswirtsch. , N. F. ß^' Vm (1884) u. X (1886).

238 Sechstes Buch.

Stadt Magdeburg so viel gelegen wie an meinem ganzen Staat."

Er hatte die Bedeutung des Platzes längst erkannt und deshalb, sobald die Umstände es erlaubten, militärisch von ihm Besitz ergriffen, mit kecker Nichtachtung der Rechte sowohl der Stadt selbst wie des noch lebenden Erzbischofs- Administrators, des Herzogs August von Sachsen. Er glaubte, seinen zahlreichen Neidern und Feinden gegenüber sich Magdeburgs versichern zu müssen. Sofort hatte er mit der Verstärkung der Festungswerke begonnen, und zwar aus eigenen Mitteln. Freilich, die Stadt hatte zu dem Unterhalte der Besatzung, der auf 55 788 Reichs- taler jährlich veranschlagt war, in Gemäfsheit des Vertrages von Kloster - Bergen jedes Jahr 14400 Taler beizutragen, und die Landstände des Herzogtums wurden genötigt, die übrigen 41388 aufzubringen. Aber für die Befestigungen zu zahlen, weigerten Administrator und Landschaft sich hartnäckig, und die verarmte Stadt konnte nur einen mäfsigen Zuschufs geben. So sicherte der Kurfürst aus eigenen Einkünften zunächst die- Eibseite. Er beabsichtigte aber Gröfseres: im Jahre 1679 be- gann er auf dem grofsen Eibwerder die Erbauung einer Zitadelle, und zwar, ohne weitere Anfrage, auf städtischem Grund und Boden. Die Bürger legten Verwahrung ein; sie meinten, die Zitadelle sei mehr zu ihrer Unterjochung als zur Abwehr des äufseren Feindes bestimmt. Als sie an den Hof sandten, um den Bau zu hindern, stellte es sich heraus, dafs die Geheimen Räte und sogar Generalfeldmarschall Derfflinger völlig ihrer Meinung waren. Die Errichtung der Zitadelle ging ausschliefs- lich aus einem Plane des Herrschers hervor: abermals ein Be- weis, wie wenig es mit der angeblichen Abhängigkeit Friedrieb Wilhelms von seiner Umgebung auf sich hat. Er wies die Ab- geordneten der Bürgerschaft mit ihrem Anliegen zurück. Er versicherte sie, dafs er keinerlei Mifstrauen gegen sie hege; er schonte die Interessen der Stadt möglichst; er entschädigte sie für die Gebäude, die niedergerissen werden mufsten: aber er baute an der Zitadelle weiter, die freilich erst nach seinem Tode vollendet worden ist.

Der Administrator, ein schwächlicher, bequemer Fürst, ohne Einsicht und Beharrlichkeit, nur auf Wohlleben und engherzige lutherische Buchstabengläubigkeit bedacht, unfähig, zu regieren oder nur seine eigenen persönlichen Angelegenheiten in Ordnung

Zweiundvierzigstes Kapitel. Der Anheimfall Magdeburgs. 239

ZU halten, fand nicht die Kraft, den Übergriffen seines ziel- bewufsten und rücksichtslosen Nachfolgers anders als durch ohn- mächtige Intrigen und kleinliche Nadelstiche entgegenzuwirken. Immerhin war es ein grofser Gewinn für Brandenburg, als er, der letzte ach tund vierzigste Erzbischof von Magdeburg, am 14. Juni 1680 verstarb und nun die landesherrlichen wie die erzbischöflichen Rechte an den Kurfürsten übergingen. Er ergriff sofort von Stadt und Landschaft Besitz durch den Hof- kammerpräsidenten Bodo von Gladebeck und den Geheimen Bat Thomas von der Knesebeck. Es galt, das Land aus der Ver- worrenheit gänzlich veralteter mittelalterlicher Zustände in die Verhältnisse, Einrichtungen und Bestrebungen des modernen Staatslebens hinüberzuführen.

Das nunmehrige Herzogtum, das auch die Grafschaft Mans- feld teils direkt, teils unter magdeburgischer Oberhoheit umfafste, war ein ausschliefslich landwirtschafttreibendes Gebiet, das in vier Kreise eingeteilt war. Der überaus fruchtbare Boden Imks der Elbe trug reiches Getreide und selbst Wein; die sandige Scholle östlich des Stromes diente der Forstwirtschaft und der Viehzucht. Der Handel litt unter den drückenden Zöllen, die einerseits die Schiffahrt nach Hamburg hin fast unmöglich machten, anderenteils dem Halleschen Salze den Ver- trieb nach Österreich abschnitten. Nur Magdeburg befand sich in einigermafsen günstigen Verhältnissen; die übrigen Städte, selbst die Residenz Halle, waren verarmt und mit Schulden über- häuft. Das ganze Land, das 102 Quadratmeilen mit etwa 160000 Einwohnern umfafste, brachte dem Administrator nur 58000 Taler jährlicher Einnahme 22000 mehr als die Stadt Magdeburg allein und schuldete 187000 Taler, deren Zinsen ebensowenig bezahlt wurden wie die der persönlichen Schulden des Herzogs August. Die besten Domänen waren dem Adel verpfändet, von dem einzelne Familien den ganzen Reichtum des Landes an sich gezogen hatten. Die Verwaltung beruhte noch ganz auf mittelalterlicher Grundlage und war in Unordnung und Willkür verfallen, wie alle ständische Regierung jener Zeit. Die Stände besafsen eine mit der landesherrlichen konkurrierende Administration, die unter anderem das gesamte Steuerwesen umfafste. Die Stadt Magdeburg behauptete völlige Selbständig- keit der Verwaltung und übte sogar das Münzrecht ; auch Halle besafs weitgehende Freiheiten. Die von den geistlichen Stiftern

240 Sechstes Buch.

gewählten Äbte mufste der Landesherr unweigerlich bestätigen; in der Regierung mufsten zwei Domherren und vier vom Adel sitzen. Der Landesherr teilte mit dem Domkapitel die Recht- sprechung über den Adel. Der eingeborene Adel hatte das Vor- recht auf Domherrnstellen und Amtshauptmannschaften. Noch 1676 hatte Herzog August zugestanden, dafs er keinen Beamten ohne Genehmigung des Domkapitels ernennen werde. Da nun dieses gleichfalls aus dem Adel besetzt war, herrschte dieser weit mehr im Lande als der Fürst. Die eigentliche Regierung wurde tatsächlich durch den engeren Ausschufs der Stände geführt, in dem drei Prälaten, vier weltliche Edelleute und der Bürgermeister des adligen Rates der Stadt Grofssalza safsen: also ausschliefslich Vertreter des Adels. Jeder Ort, jedes Ritter- gut schlofs sich trotzig von den anderen ab; sogar der Binnen- verkehr wurde dadurch, sowie durch die Mannigfaltigkeit der im Lande geltenden Mafse, Gewichte und Münzen erschwert Jeder suchte nur in engherzigster Weise den eigenen Nutzen, mit Recht oder mit Unrecht. Industrie und Bergbau waren so gut wie vernichtet, selbst die grofsen Salinen Halle, Stafsfurt und Salza tief gesunken. Kurz, ein wahrer Prachttypus ständi- scher Herrschaft!

Ebenso trugen die konfessionellen Verhältnisse den Charakter mittelalterlicher Starrheit. Nur den Lutheranern war öffent- liche Religionsübung gestattet; doch gab es im Erzstifte noch ein Mannes- und vier Nonnenklöster. Die Anstellung der lutherischen Geistlichen stand teils dem Domkapitel in Magde- burg, teils den Patronen uneingeschränkt zu. Der Landesherr übte darauf ebensowenig Einflufs wie auf die Prüfung der geistlichen Kandidaten, die durch die städtische Geistlichkeit geschah.

Der Kurfürst war längst entschlossen, diese Verhältnisse von Grund aus zu ändern, im Sinne der Einheit der Staats- gewalt und der unumschränkten Machtvollkommenheit des Staats- oberhauptes. Er stützte sich rechtlich dabei auf die Tatsache, dafs er das Land nicht als Erzstift, sondern als weltliches und erbliches Herzogtum übernehme, dafs also die gesamten politischen Be- fugnisse der geistlichen Landesbehörden des Domkapitels und seiner Archidiakonate erloschen seien. Der Erzbischof- Administrator, von dem Magdeburger Domkapitel gewählt, hatte sich der Kapitulation, die dieses ihm auferlegte, unterwerfen

ZweitmdviersigsteB Kapitel. Der Anheimfall Magdeburgs. 241

müssen. Friedrich Wilhelm war dagegen durch internationale Verträge und durch Reichsbeschlufs Herzog von Magdeburg und deshalb im Vollbesitze landesherrlicher Befugnisse. So sah er selber die Sachlage an, in diesem Sinne sprach er sich wieder- holt amtlich aus. Er führte das auch, seiner energischen Weise gemäfs, sofort praktisch durch. Das Amt eines Kanzlers des Herzogtums Magdeburg, das er seinem langjährigen Gesandten am Regensburger Reichstage, Gottfried von Jena, einem Bruder seines Ministers Friedrich, übertrug, blieb nur eine Sinekure, dazu bestimmt, den Diplomaten, der fem in Regensburg weilte, zu belohnen; die Beamten aber, die wirklich die Regierung in Magdeburg führten, waren untergeordneter Natur und von den Weisungen aus Berlin durchaus abhängig.

Die löblichen Stände fafsten freilich die Sachlage ganz anders auf. Ihre Ausschüsse stellten schleunigst die „Magde- burgischen Landesprivilegien und Jura"" auf, die Erhaltung aller alten Zustände, mitsamt der alleinigen Geltung der „lutherischen Religion" und der ausschlief slichen Übertragung aller Ämter auf Eingeborene des Herzogtums, forderten. Ein neuer Beweis, dars ein grofses und nach den Bedürfnissen der Neuzeit gestaltetes Staatswesen mit der Fortdauer ständischer Macht unvereinbar war.

Die erste Antwort des Kurfürsten auf diese Kundgebung war eben die Bestellung des reformierten Ausländers Jena zum Oberhaupte der magdeburgischen Verwaltung. In seiner Be- scheidung auf die Vorstellungen der Stände vom 7./17. September U380 unterliefs er jede Bestätigung einzelner Gerechtsame, sondern sprach nur im allgemeinen von den Rechten und Privilegien des Landes, die er bewahren werde, aber auch nur „soweit die- selbigen dem VFestfälischen Frieden und Unserer landesfürstlichen Hoheit nicht zugegen". Er vermied es hier, wie in seinen anderen Ländern, die alten ständischen Ordnungen geradezu aufzuheben; allein er beraubte sie durch Einzeleinrichtungen tatsächlich ihres eigentlichen Gehaltes und ihrer Bedeutung. Nachdem er persönlich unter Entfaltung gebührender Pracht am ^. Juni 1681 die Huldigung der Stadt Magdeburg und am 12. bis 17. zu Halle die der Landschaft eingenommen hatte , ging er mit Eifer und Nachdruck an die Umgestaltung der öffentlichen Zustände. Er setzte in diktatorischer Weise, freilich mit Be- fragung der Stände, aber ohne sich durch deren Beschlüsse

Philippaon, Der GroCse Kurfflrst. III. 16

242 Sechstes Buch.

bestimmen zu lassen, eine Lohntaxe, sowie Einführung des Stempel- papiers und einer Abgabe zur Errichtung eines Magazins fOr die Magdeburger Garnison fest. Die wichtigste Neuerung war die Er- richtung der städtischen Accise, im Jahre 1685. Sie sollte nicht nur die die verarmten Städte gänzlich ruinierenden direkten Abgaben durch einen erträglicheren Steuermodus ersetzen, sondern zugleich die bevorrechteten Klassen zum Tragen der Staatslasten heran- ziehen, endlich das Steuerbewilligungsrecht sowie die Finanz- Verwaltung der Stände durchbrechen. Deren Widerstand vnirde einfach durch Berufung auf die natürliche Macht des Landes- fürsten beseitigt. Auch eine Kopfsteuer wurde 1687 ohne jede Mitwirkung der Stände erhoben. Die landesherrlichen Steuer- beamten fafsten im Magdeburgischen festen Fufs, und es war schon damals vorauszusehen, dafs sie binnen kurzem die ständi- schen gänzlich beseitigen würden. Die üble Verwaltung der städti- schen Finanzen veranlafste dann die Anstellung kurfürstlicher Kontrolleure, die die städtischen Obrigkeiten mehr und mehr jeder Selbständigkeit beraubten. Was half es, dafs Friedrich Wilhelm sich bereit erklärte, jedesmal „das Einrathen und die un- vorgreiflichen Erinnerungen der Stände zu vernehmen" ? Die Um- wandlung des ständischen in den absolutistischen Beamtenstaat ging auch im Magdeburgischen widerstandslos vor sich. Gewifs fiel zahlreichen trefflichen Männern der Untergang der alten „Frei- heiten" schwer aufs Herz. Allein diese „Freiheiten", die sich über- lebt hatten, den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr entsprachen. Mifsbräuche und Ungerechtigkeiten ohne Zahl erzeugten und jede Besserung der Zustände verhinderten, mufsten verschwinden, damit für die Entwicklung zu wahrer bürgerlicher Gleichheit und Freiheit Raum geschaffen werde.

Auf keinem Gebiete des öffentlichen Lebens hat die unmittel- bare Einwirkung des neuen Landesherrn so günstige Folgen gezeitigt als auf dem kirchlichen. Der Widerstand, dem er hier begegnete, war um so stärker, als die Unduldsamkeit und die Unabhängigkeitsgelüste der Geistlichkeit durch die Stände unterstützt wurden, aus deren Reihen sich die Prälatur ergänzte und andrerseits die Patrone hervorgingen, die bisher die Pfarr- stellen nach Willkür besetzt hatten. Friedrich Wilhelm schuf sofort zur Leitung der kirchlichen Angelegenheiten im Magde- burgischen ein Konsistorium, das einen ausgesprochen weltlichen Charakter trug, indem es einen Teil der landesherrlichen

Zweiundyierzigstes Kapitel. Der Anheimlall Magdeburgs. 243

Begierung bildete und überwiegend mit weltlichen Beamten besetzt war. Es führte die Aufsicht über die Berufung der Prediger und zumal über das Patronatsrecht der Edelleute und Magistrate. Es war angewiesen, den Reformierten nach Möglich- keit die Freiheit der Beligionsübung zu verschafFen, ohne Be- nachteiligung der Lutheraner, Frieden und Eintracht zwischen beiden Bekenntnissen herzustellen und zu erhalten im Ein- klang mit den irenischen Bestrebungen, die Friedrich Wilhelm allerorten in rühmlicher Konsequenz verfolgt hat. Der Kur- fürst, wurde versichert, wolle den Gewissen keinen Zwang „einiger Synkretisterei aufdringen, sondern den Untertanen das freie Exercitium der Religion in thesi und antithesi lassen, und mehr nicht, denn undiensame und in Gottes Wort ohnehin ver- botene Bitterkeit und Personengezänk vermieden wissen **. Allein der Kurfürst arbeitete doch in der Praxis auf den Synkretismus zwischen Lutheranern und Reformierten tatsächlich hin. Den weltlichen Konsistorialräten ward jede Verpflichtung auf ein bestimmtes Bekenntnis erlassen. Alle Patrone des Herzogtums mufsten sich bei Berufung der Geistlichen eines vorgeschriebenen Formulars bedienen, wo von der lutherischen Konkordienformel nicht die Rede war. Die berufenen jungen Pfarrer hatten sich zuvor einer Prüfung vor dem Konsistorium zu unterziehen und nur von dieser Behörde ihre Ordination zu empfangen. Einsprüche seitens des Domkapitels, der Städte Magdeburg und Halle, einzelner sonstigen Patrone fanden nur in einigen unwesentlichen Formalien Gehör. Die alte Archidiakonatsordnung wurde trotz alles Widerstrebens der Stände und der Geistlichkeit aufgehoben, die Ernennung der Superintendenten dem Landesherrn vor- behalten. Die Hallesche Domkirche ward abwechselnd dem reformierten und dem lutherischen Gottesdienst bestimmt, un- geachtet des Zetergeschreis der Zeloten. So zog der reformierte Kultus in das Magdeburger Land ein, bis dann die Gründung der R6fugi6sgemeinden eine gröfsere Ausdehnung dieses Bekennt- nisses in dem Herzogtum bewirkte.

Auch dem darniederliegenden Handel suchte der Grofse Kurfürst nach Möglichkeit aufzuhelfen. Die Zölle auf der Elbe wurden neu geordnet, die Willkür der Beamten und die Plackereien der Schiffer nach Möglichkeit abgestellt. Der Transitverkehr

erhielt bei Einführung der Accise volle Freiheit, jeder einzelne

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244 Sechstes Buch.

Ort mannigfache Rücksicht und Begünstigung je nach den Bedürfnissen seiner Produktion und seines Verkehrs.

Die Ordnung der zerrütteten Landesfinanzen beschäftigte die Aufmerksamkeit des Kurfürsten in hohem Grade. Er brachte dem Fiskus die unrechtmäfsig entfremdeten Domänen zurück und war im stände, 1687 auch das seit 1648 an Sachsen abge- tretene Amt Burg für 34000 Taler zurückzukaufen. Abzahlung der Domänenschulden und damit die Wiedereinlösung der ver- pfändeten Güter wurde wenigstens begonnen. Die magdeburgi- schen Domänen brachten im letzten Finanzjahre des Kurfürsten (1687/88) bereits wieder 113 458 Taler gleich 1475000 Mark nach heutigem Geldwerte ein.

Behufs gerechter Veranlagung der Grundsteuer auf dem flachen Lande begann Friedrich Wilhelm eine völlige Neuver- anlagung des Katasters, trotz aller Schwierigkeiten, die ihm zumal der Adel entgegenstellte, da er wie seine kurmärki- schen Genossen die den Rittergütern zustehende Steuerfrei- heit auch auf die diesen zugeschlagenen ehemaligen Bauern- güter auszudehnen wünschte. Die Staatsgewalt hat hier mit der Zeit einen wenigstens teilweisen Sieg davongetragen; sie hat indessen auf diesem Gebiete wie auf so vielen anderen mit dem Adel paktiert, den sie, wenn er nur sonst ihr zu dienen bereit war, wirtschaftlich und sozial in jeder Weise begünstigte. Vielleicht war das auch eine Notwendigkeit, da der Adel damals der wohlhabendste, kräftigste, leistungsfähigste und einzig organisierte Stand im Staate war.

Den Städten kam es besonders zu gute, wenn Friedrich Wilhelm die verschiedenen Münzstätten im Herzogtume aufhob und dafür in der Stadt Magdeburg eine kurfürstliche Münze gründete, die eifrig an der Prägung vollwichtigen Geldes arbeitete. So verschwand die verwirrende Mannigfaltigkeit oft minder- wertiger Münzen. Die Einführung der brandenburgischen Staats- post mit Personen-, Brief- und Paketbeförderung machte nicht nur der bisherigen Unordnung auf diesem Gebiete ein Ende, sondern diente auch dazu, die Handelsinteressen des Landes, besonders Kursachsen gegenüber, zu begünstigen. Friedrich Wilhelm hat dann die Säuberung des Eibstromes von Hinder- nissen der Schiffahrt, sowie die Schiffbarmachung der Saale von Halle bis zu ihrer Mündung in die Elbe wenigstens angebahnt.

Zweiimdvierzigstes Kapitel. Der Anheimfall Magdeburgs. 24 5

Er brachte die Salzsiederei in Halle durch einen besonderen landesherrlichen Betrieb wieder in Aufschwung.

Einen umfassenden und systematischen Reformplan für die inneren Einrichtungen der neuen Provinz zu entwerfen etwa wie solchen Friedrich der Grofse für Westpreufsen auf- gestellt hat , dazu ist der greise, kranke, von schweren politi- schen Sorgen geplagte Kurfürst nicht mehr gekommen. Aber er hat allerorten mit seinem scharfen, klugen Blicke, mit seiner Erfahrung, praktischen Weisheit und durchgreifenden Entschiedenheit Neuerungen geschaffen, die vor allem dem landesherrlichen Interesse, aber zugleich auch der Bevölkerung des Herzogtums zu nützen bestimmt waren. Im Beginne mochte man dort mit Grauen und Kummer den Druck der neuen, festen, ja harten Verwaltung spüren. Es war vorbei mit der schwächlichen, bequemen, alles versumpfenden Lotterwirtschaft der ständischen „Libertät**. Langsam, aber immer fühlbarer, immer segensreicher setzte die Entwicklung zu geordneten, zweckdienlichen, zukunftsreichen, grofsstaatlichen Zuständen ein. Dahin wurden die Provinz wie das Staatsganze durch die Hand Friedrich Wilhelms geführt.

Siebentes Buch. Des Grofsen Kurfürsten Ausgang.

Dreiundvierzigstes Kapitel.

Das französische Bündnis.

„Ich bin ein wahrer Deutscher und will es immerdar bleiben," beteuerte Kurfürst Friedrich Wilhelm dem englischen Gesandten Southwell im Frühjahr 1680. Mit voller Aufrichtigkeit: die innerste Art des Fürsten war eine durchaus deutsche ; unter allen Ausländem hegte er freundliches Empfinden nur für die, trotz der politischen Trennung, in ihrem eigentlichen Wesen echt niederdeutschen Holländer. Allein zu schmählich waren damals durch die Haltung seiner Verbündeten, und namentlich seiner deutschen Landsleute, bei dem jüngsten Friedensschlüsse seine Pläne und Hoffnungen zerstört, sein Staat geschädigt worden, als dafs er nicht seine reichs- und volkspatriotische Stimmung bis auf bessere Zeiten hätte zurückdrängen müssen. „Es drückt mein Herz,*' sagte er demselben Diplomaten, „dafs ich als Deutscher geboren bin, denn ich sehe unter ihnen nichts als Ungerechtigkeit." Er hatte Beweise dafür in Händen, dafs der Kurfürst von Sachsen seine Not im Frühjahr 1679 hatte ausnützen wollen, um ihm mit Frankreichs Hilfe Kleve und Mark zu entreifsen, während dessen Bruder, Herzog August, ihn Magdeburgs und der Herzog von Celle Mindens und Halberstadts hatten berauben wollen.

Kurz vor der Unterwerfung unter Frankreich hatte Friedrich Wilhelm eine Münze schlagen lassen, die stolz seine „Treue för die Bündnisse" (religio foederum) verkündete. Der Revers zeigt eine Menge kleiner Vögel, die ängstlich vor einem Gewitter dem Zorne König Ludwigs fliehen, während ein gekrönter Adler Brandenburg kühn gegen Wolken und Blitze

250 Siebentes Buch.

auffliegt, mit der stolzen Inschrift: „Andere mögen sich erregen" (alii moveantur)*. Nach dem notgedrungenen Friedensschlüsse glaubte er sich über jeden seiner bisherigen Verbündeten beschweren zu müssen. Über die Niederländer, die er gerettet habe, und von denen er dafür nicht nur in seiner Bedrängnis verlassen, sondern auch um die ihm vertragsmäfsig zustehenden Hilfsgelder betrogen worden sei. Über Spanien, das zu schlafen scheine, um sein eigenstes Werk auf andere abzuwälzen, das ihm Millionen an Hilfsgeldern schulde und ihn dafür mit hoch- mütigen Reden vor den Kopf stofse, und das in unglaubliche Schwäche versunken sei. Vor allem jedoch über den Kaiser. Leopold hatte von vornherein den Krieg nur lau geführt; er hatte den Kurfürsten, trotz des ihm zum Scheine anvertrauten Oberbefehls, an die Zustimmung der kaiserlichen Generäle ge- bunden; er hatte ihm, dem Ketzer, die Treue nicht gehalten, sondern mit Vergnügen zugesehen, wie ihm seine Eroberungen wieder entrissen wurden; der Kaiser und dessen Gefolgschaft hatten das Verderben Brandenburgs angestrebt, indem sie Frankreich ermutigten, bis ins Herz der brandenburgischen Lande vorzudringen. Ferner kränkte ihn der Kaiser hartnäckig in seinen rechtlichen Ansprüchen auf die schlesischen Fürsten- tümer, — Friedrich Wilhelm war entschlossen, „sich bei dar- bietender Gelegenheit selber Recht zu verschaffen". Und be- handle nicht Leopold überhaupt die Kurfürsten und Fürsten des Reichs wie seine erblichen Untertanen, indem er sich über ihre Freiheiten und Gerechtsame hochmütig hinwegsetze, ohne dafs Vorstellungen und Warnungen das mindeste fruchteten?

Wie übel wurde Brandenburg für seine Opfer, für sein mutiges Einstehen für das Reich und Europa belohnt! Man hörte vielfach „das Geschrei, dafs der Kurfürst Deutschlands Verderben sein werde. Besser, wenn er sich gar nicht mehr in die deutschen Angelegenheiten mische, so dafs andere, etwa das Haus Braunschweig, den Reigen führten und an seiner Stelle den Schild erhöben".

Er meinte, schon wegen dieser Undankbarkeit und Feind- seligkeit seiner bisherigen Verbündeten sich ihnen entgegen- setzen zu müssen. Aber aufser diesen, mehr negativen, be-

' Ms. Joh. Magirus, Breviarium historiae metallicae Frideiici Wilhelmi Magni Elect. Brandenb. (Berlin, Geh. Staatsarchiv) Nr. d5.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 251

stimmten ihn auch positive Gründe zum Wechsel seiner politischen Bichtung. Frankreich hatte wie auf dem militärischen so auf dem diplomatischen Felde unbedingte Überlegenheit gezeigt : auf diesem, indem es durch seine Künste die ganze ihm feindliche Koalition zu sprengen vermochte; auf jenem, indem seine Waffen alle seine Widersacher besiegten. Es war also für Brandenburg ein gefährlicher, ein weit überlegener Gegner. Und zwar ein um so verderblicherer, als die beiden grofsen Nachbarn des Kurfürsten, Schweden und Polen, sich in der Hand Frankreichs befanden und diesem durchaus Gefolgschaft leisteten. „Gewifs," sagte Friedrich Wilhelm zu South well, „ich erkenne so klar wie irgend einer, dafs es die Absicht der Franzosen ist, die Bastille nach Deutschland zu bringen; keiner würde sich ihnen so von Herzen widersetzen wie ich, wenn ich nur Genossen eines solchen Entschlusses finden könnte aber das zu glauben ist mir, nach all den getäuschten Erwartungen, nicht erlaubt.^

Deutschland zumal, meinte er, ist ganz kampfesunfähig. Hunderttausend Franzosen stehen, längs des Rheines, jeden Augen- blick zum Angriff bereit. Das Reich aber und der Kaiser haben weder Festungen noch Truppen, um sich ihnen äu widersetzen. Leopold, unentschlossen und in zerrütteten Verhältnissen, will nicht mehr als fünfzehntausend Mann für den Reichskönig stellen, was seitens eines so mächtigen Herrschers lächerlich wenig ist. Sachsen hält nur 6000 Reiter und 1500 Fufsgänger, Bayern hat seit dem Frieden 6000 Soldaten entlassen. Wie kann man mit so geringfügigen Kräften Frankreich widerstehen? „Be- mächtigen sich die Franzosen des Rheines, so ist Deutschland abgeschnitten. Es wird alsdann nicht allein unmöglich, Hilfe nach Flandern (Belgien) und Holland zu senden, sondern Deutsch- land selber liegt in Zukunft jedem Einfalle der Franzosen offen da." Weder der Kaiser noch Spanien können dagegen das mindeste tun. Hatte doch Leopold seit dem Frieden keinerlei Mafsregel getroffen, um auch nur Strafsburg zu schützen. Man sprach in Frankreich mit höhnischer Geringschätzung vom Reich und vom Kaiser, den man bei der geringsten Widersetzlichkeit in seine Erblande zurückjagen werde.

Die Verfolgungen, die der evangelische Glaube in Oster- reich, Ungarn, Frankreich zu erdulden hatte, erregten den Kur- fürsten auf das tiefste. „Ich bin zu alt, um noch umzukehren," sagte er mit Tränen in den Augen. „Ich will lieber mit dem

252 Siebentes Buch.

Schwerte in der Hand sterben und mich in tausend Stücke hauen lassen, als die wahre Religion preisgeben." Er bearg- wöhnte den Kaiser, sich zum Verderben des Protestantismus mit Frankreich verbünden zu wollen; um so mehr glaubte er durch das Anerbieten seiner also einer protestantischen Allianz den König Ludwig vor dem Wunsche eines Einverständ- nisses mit Österreich bewahren zu müssen.

Die allgemeinen Gefahren wurden noch durch besondere verstärkt, die nur Brandenburg -Preufsen betrafen. Polen und Schweden lauerten ja darauf, ihm seine östlichen Provinzen zu entreifsen. Wie mochte er hoffen, gegen drei mächtige Feinde, gegen Franzosen, Schweden, Polen, nach Westen, Norden, Osten, zugleich Front machen und sich ihrer mit der geringsten Hoff- nung auf Erfolg erwehren zu können?

Es hätte eine Rettung gegeben: wenn England entschieden die Sache der europäischen Freiheit und des protestantischen Glaubens ergriffen und sich wider Frankreich erhoben hätte. Das erkannte Friedrich Wilhelm mit genialem Scharfblick wir werden sehen, dafs er noch am Vorabende seines Todes alles tat, um dieses Ziel erreichen zu helfen, das später die gewünschte Wirkung tatsächlich üben sollte. Allein so lange die verräterischen, heimlich oder offen katholischen, auf fran- zösisches Geld spekulierenden, mit ihren eigenen Untertanen zerfallenen Stuarts in Grofsbritannien regierten, war von dort nichts Gutes zu erwarten. Immer und immer wieder hat der Kurfürst diese durch die bisherige Erfahrung bestätigte Tat- sache den englischen Staatsmännern ganz offen dargelegt^.

* S. die Depeschen Southwells (Sommer u. Herst 1680); Raum er, Beiträge, III, 433 ff. Diese Berichte des englischen Diplomaten werden durchaus bestätigt durch das vertrauliche Schreiben des Kurfürsten an den Oberpräsidenten v. Schwerin vom l./ll. August 1679 (Berlin, Geh. Staate- archiv, XI, Frankreich 18): „Wie der Kaiser und das Reich mit Uns gehandelt, lieget am Tage, und weil selbige Uns zum ersten abandon- niret und Unserer Feinde Willen überlassen, haben Wir dieselbe weiterhin nicht zu consideriren , alfs soviel unser eigen Interesse mit sich bringet. Gegen Franckreich haben wir, wie bekandt, wohl nicht Uhrsache einige sonderliche Affection zu haben: weniger desselben Agrandissement zu befördern, weil Uns das frantzösische Joch wohl be- kandt. Es ist aber durch die letztere Separation der Allürten, insonder- heit des Kaisers, der Crone Spaniens und des Staats, so weith gekommen, dafs Frankreich nunmehr o schon das Arbitrium in Henden hat . . . also

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bltndnis. 253

Alle diese Erwägungen führten Friedrich Wilhelm zu dem Entschlüsse, zunächst ein engeres Verhältnis zu Frankreich anzubahnen. Denn still zu sitzen, neutral zu bleiben, lief seinem Temperamente und seinen politischen Erfahrungen zuwider. Gewifs, es fiel ihm schwer, ja es bereitete ihm tiefen Kummer, sich mit dem Gegner seines Vaterlandes, mit dem tyrannischen Unterdrücker Europas, mit einem Herrscher zu verbinden, der in ihm nie den Gleichberechtigten, sondern nur den besoldeten Vasallen erblicken würde und ihm überdies, aus der Vergangenheit heraus, lebhaftes Mifstrauen entgegenbringen mufste. Er tat diesen Schritt auch lediglich für den Augenblick, bis ein Umschwung in den europäischen Verhältnissen es ihm ratsam erscheinen liefse, zu der Partei zurückzutreten, die seine Sympathien besafs.

Er hatte zudem einen weiteren Grund, einstweilen das französische Bündnis nicht allein anzunehmen, sondern mit aller Macht seines ungeduldigen Herzens anzustreben einen Grund, den er freilich mit Sorgfalt verbarg: er wünschte nach wie vor die Eroberung Vorpommerns, die Vertreibung der Schweden aus Deutschland. Es hatte sich klärlich herausgestellt, dafs dieses Ziel gegen Frankreichs Willen nicht zu erreichen war; er war deshalb entschlossen, es mit dessen Hilfe zu versuchen. Er wufste, dafs der junge Schwedenkönig Karl XI. den Franzosen wegen der unglücklichen Rolle, die er in dem jüngsten Kriege gespielt, und ob der Stellung eines machtlosen Schützlings grollte, die Ludwig ihm bei den Verhandlungen von Nymwegen und St. Germain auferlegt hatte. Hier hoffte der Kurfürst den Keil einzusetzen, der das langjährige schwedisch-französische Bündnis sprengen sollte , um endlich mit dem Beistande des Allerchristlichsten Königs die Schweden aus dem ihm angestammten Pommerlande für immer zu entfernen und derart zu schwächen, dafs sie über- haupt ihm und den norddeutschen Fürsten nicht mehr gefährlich werden konnten. Es mufs abermals darauf hingewiesen werden was allerdings sich im Grunde von selbst versteht , dafs solche Ausschliefsung der Skandinavier von dem Boden des deutschen Reiches in erster Linie sicherlich Brandenburg zu gute kam, aber zugleich dem Interesse der Unabhängigkeit, Freiheit und Macht des gesamten Reiches gedient hätte.

dals, menschlichem Ansehen nach, bey so gestelthen Sachen Keiner seine Sicherheit und Convenientz finden wird als in Frankreichs Freundschaft wid Alliance." Vgl. Strecker, Meinders, 90.

254 Siebentes Buch.

Seit zwei Jahrhunderten bis auf die Jetztzeit ist Friedrich Wilhelm häufig der Vorwurf der Unsicherheit, Unentschlossen* heit und Unbeständigkeit gemacht worden. Sogar Geschichtr Schreiber, die heute nach den authentischen Akten arbeiten, wiederholen solchen Tadel. Sie beweisen dadurch nur, dafs sie weder die äufsere Lage noch das Wesen dieses grofsen Herrschers verstanden haben. Es konnte sich für den von zahlreichen über- mächtigen Gegnern umringten Fürsten nicht darum handeln, einer abstrakten Regel oder einem theoretischen Grundsatze unverbrüchliche Folge zu leisten; das wäre einfach sein und seines Staates Verderben gewesen. Gewifs besafs Friedrich Wilhelm, wie später sein genialer Urenkel, feste Ziele: die Sicherheit, Gröfse und Macht des Staates ; dessen starke Zentrali- sierung, dessen Befreiung von fremdem Einflufs, sowie die Besserung seiner ungünstigen Besitz- und Grenz Verhältnisse. Aber die Art, wie diese Aufgaben zu lösen seien, mufsten jedes- mal den Anforderungen und Bedingungen der europäischen Lage angepafst werden. Der wahre Politiker vereint mit der Beharr- lichkeit in seinen letzten Absichten die Beweglichkeit in den momentanen Mitteln. Er ordnet sie nicht blindlings und plan- los den Ereignissen unter, wie dies etwa die Könige Friedrich der Erste, Friedrich Wilhelm der Dritte und der Vierte getan haben; allein er bedient sich jener Ereignisse in der Weise, die ihm jedesmal zur Verwirklichung seiner Pläne als die geeignetste erscheint. So haben Friedrich der Grofse, so Bis- marck gehandelt. Und dabei ist doch zu beachten, dafs der König und zumal der geniale Verwirklicher der deutschen Ein- heit eine ganz andere, weit gröfsere Macht zur Verfügung hatten als der Kurfürst, dessen politische Entwürfe so sehr über seine pekuniären und militärischen Mittel hinausgingen, und der diesem Mifsverhältnis nicht anders abzuhelfen vermochte als durch ge- schicktes, listiges, allerdings moralisch recht bedenkliches Lavieren. Je tiefer wir in Friedrich Wilhelms Politik eindringen, desto fester überzeugen wir uns von der absoluten Stetigkeit seiner Grundtendenzen. Das Bündnis mit Frankreich sollte nicht nur ihm Sicherheit gewährleisten: es war vielmehr vor allem dazu bestimmt, ihm auf Kosten Schwedens das westliche Pommern, sowie auf Kosten des Kaisers das ihm von Rechts wegen gehörende schlesische Fürstentum Jägerndorf zu verschaffen Ziele, die er seit drei Jahrzehnten immer und immer wieder angestrebt hatte.

DreiundTierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 255

Der sofortige Abschlufs des brandenburgischen Bündnisses mit Frankreich entsprach ausschliefslich dem Willen des Kur- fürsten. Selbst der gänzlich französisch gesinnte Meinders wollte die Franzosen herankommen lassen : „Es wird honnester und vor- teilhafter sein, in dieser Materie sich suchen zu lassen, als seine Dienste und Willfährigkeit gleichsam zu obtrudieren." Schwerin widersetzte sich dem ganzen Plane, indem er den Herrscher an dessen frühere, Frankreich so feindliche Äufserungen erinnerte ^ Allein Friedrich Wilhelm hatte seinen Entschlufs gefafst: in der Erwiderung an Schwerin wies er auf seine Absicht hin, Frankreich von Schweden zu trennen, sowie auf die Notwendig- keit französischer Hilfsgelder, um sein Heer auf achtungs- gebietendem Fufse zu erhalten^. Meinders mufste demgemäfs nach der Fertigstellung des Friedensinstrumentes zur Herbei- führung eines engeren Bündnisses noch in Paris verbleiben.

Die universale Richtung Friedrich Wilhelms liefs ihn sofort den eigentlich politischen Plänen auch handelspolitische zugesellen. Er beauftragte den gedankenreichen Raule, eine Denkschrift über einen zwischen Frankreich und Brandenburg abzuschliefsen- den Handelsvertrag auszuarbeiten, die er Meinders als Grund- lage weiterer Verhandlungen zusandte®.

Diese lagen ihm um so mehr am Herzen, als eine Anzahl anderer Staaten, wie seine unfreundlichen Nachbarn Gelle und Hannover, ja sogar die freien Niederlande, sich wetteifernd um engeren Anschlufs an den „König Sonne" bewarben : Länder, die Friedrich Wilhelm zu jener Zeit als seinen Interessen feindliche betrachtete. Er wünschte durchaus, ihnen zuvorzukommen.

So gab er dem Friedensboten Beauvau d'Espence bei dessen Rückkehr nach Frankreich seine Vorschläge an den König mit. Der Oberst sollte dabei vorstellen, wie viel nützlicher für Frank- reich die Allianz Brandenburgs sein würde als die des Hauses Braunschweig, das sich jetzt an die Spitze Deutschlands zu stellen bemühe. Aufser einem für beide Teile vorteilhaften Handelsvertrage forderte der Kurfürst Subsidien für Heer und Flotte; dafür solle diese, in Zahl von zwölf Fregatten, stets

* Strecker, 91 ff.

« Kurf. an Schwerin, 1./11. Aug. 1679; Orlich, Preufs. Staat, HI, 303.

» Ms. Kurf. an Meinders, 1./11. JuH 1679 ;:Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI Prankr., 18. Auch das Folgende gröfstenteils nach den Akten des * Geh. Staatsarchiv, a. a. 0., sowie XI Frankr., 19 A und Repos. 58.

256 Siebentes Buch.

zur Yerfttgung des Königs gehalten werden. Das Bündnis solle aber sofort, im Interesse Brandenburgs, eine doppelte offensive Spitze gegen Frankreichs alte Feinde erhalten: dieses möge dem Kurfürsten zur Erwerbung Jägerndorfs vom Kaiser sowie zu den ihm von den Generalstaaten und Spanien noch geschuldeten Subsidien verhelfen.

Meinders gegenüber, dem er mehr vertrauen konnte als dem Franzosen d'Espence, liefs sich der Kurfürst noch näher und energischer aus. Er bot Frankreich eine Offensiv- und Defensivallianz an, gegen alle, mit Ausnahme Dänemarks und Polens. Er wollte sofort, bis er in der Subsidienfrage Genug- tuung erhalten, sein Heer in die niederländischen Provinzen Gelderland und Overyssel verlegen, selbst auf die Gefahr eines Krieges mit den Generalstaaten hin. Für diesen Fall sollen seine Kriegsschiffe in den französischen Häfen Aufnahme finden. Dafür wolle Brandenburg Gebiet und Festungen dem Könige öffnen und diesem mit einem Heere von 20 000 Mann zu Diensten stehen, freilich gegen angemessene Hilfsgelder „das ist ein Hauptpunkt, woran Uns aufs höchste gelegen". Selbst dem Handelsvertrage ward ein gewissermafsen offensiver Charakter zugedacht: für diejenigen Artikel, die Brandenburg vorzüglich aus Frankreich und dieses aus jenem beziehen kann, sollen die Produkte anderer Nationen überhaupt aus beiden Ländern aus- geschlossen werden. Meinders erhielt eine förmliche Vollmacht, auf solche Bedingungen hin mit dem Allerchristlichsten Könige abzuschliefsen.

Friedrich Wilhelms elastischer Geist fühlte nach den harten Schlägen, die ihn seit Jahresfrist getroffen hatten, nichts weniger als Resignation. Die sich an ihm verschuldet, sollten seine Rache empfinden ; sie sollten merken, dafs er nicht machtlos sei, und seine Gunst erkaufen lernen; politisch und kommerziell wollte er sie schädigen. Aber in seiner Leidenschaft ging er allzuschnell vor. Er war wiederum, wie einst den Schweden gegenüber, zu optimistisch.

Frankreich war keineswegs bereit, dem alten listigen Gegner sofort Vertrauen zu schenken. In einem Gespräche mit Meinders (18. Juli) wies Louvois unverblümt auf die bekannte Versatilität des Kurfürsten im Eingehen und Aufgeben von Bündnissen hin; jedenfalls müsse, nachdem man miteinander Krieg geführt, erst einige Zeit verstreichen, ehe alle widrigen Erinnerungen ver-

DreiirndvierzigsteB Kapitel. Das französische Bündnis. 257

schwunden und die schlimmsten Folgen aus dem Wege geräumt seien. Überdies, sagten die französischen Staatsmänner, wolle der König vor allem Ruhe und Frieden und werde auf nichts eingehen, was diese zu stören vermöge. Sie legten einzig darauf Gewicht, dafs der Kurfürst verspreche, bei der zukünftigen Wahl eines Römischen Königs den Willen Frankreichs zu tun; und gerade hier antwortete Friedrich Wilhelm sehr kühl, da er sich nicht auf so lange Zeit hin binden wollte. Daher zogen die Unterhandlungen sich aussichtslos in die Länge. Meinders riet abermals seinem Herrn, sich einstweilen mit einem unbe- stimmten guten Einvernehmen mit Frankreich zu begnügen und abzuwarten, bis bei eintretender Gelegenheit das Verhältnis sich von selbst enger gestalte. Friedrich Wilhelm ging darauf ein und berief, am 9. September, Meinders zunächst von Paris ab. Er hatte wahrlich Grund, mit Frankreich unzufrieden zu sein. Obwohl er bereit war, dem Frieden gemäfs, Vorpommern den Schweden einzuräumen, verzögerten diese die Absendung von Truppen zu dessen Okkupation ; und inzwischen lebte Marschall Cr^ui mit seiner ganzen Armee auf Kosten Kleves und der Grafschaft Mark, forderte von jener Landschaft allein noch 150000 Taler an alten und neuen Kriegszahlungen, ja, dehnte seine Erpressungen bis nach Minden aus. Die diesem Fürsten- tume abverlangte Kriegssteuer von 20 000 Taler mufste der Kur- fürst selber übernehmen: sie sollte von der ersten vertrags- mäfsigen Subsidien Zahlung in Paris abgezogen werden. Als endlich auch Dänemark seinen Frieden mit Frankreich und Schweden abgeschlossen hatte, machte dieses noch immer keine Anstalt, Pommern zu besetzen und damit die rheinisch-westfäli- schen Lande Brandenburgs von der französischen Okkupation zu befreien. Erst Mitte September zog König Ludwig, in Anbetracht des offenbaren guten Willens des Kurfürsten, seine Truppen aus Lippstadt und räumte wenigstens die Grafschaft Mark. Allein wenn Friedrich Wilhelm den Wunsch aussprach, die französische ' Reiterei möge doch auch das Klevische verlassen und die Garnison in Wesel auf eine mäfsige Zahl zurückgeführt werden, fand er damit kein Gehör. Die Franzosen begingen vielmehr bei dem Abzüge von Lippstadt neue Gewalttaten. Sie liefsen sich von dem dortigen Magistrate 1500 Taler zahlen, prügelten, beschimpften und beraubten die Einwohner, nahmen in durchaus vertrags-

Pbilippson, Der Orofse KurfOrst. m. 17

258 Siebentes Buch.

widriger Weise die kurfürstlichen Geschütze und KriegSYOrräte mit, marschierten auf grofsen Umwegen und langsamst durch die Grafschaft Mark, die sie dabei nach Kräften ausplünderten und mit argen Exzessen heimsuchten.

Der Kurfürst sah sich femer in allen seinen politischen Ansprüchen von Frankreich verlassen. Weder gegen die General- staaten noch gegen Spanien noch für seine Forderung wegen Jägemdorfs vermochte er von dem Allerchristlichsten Könige eine Zusage der Hilfe zu erlangen. Als er mit den Braun- schweiger Herzogen, mit denen er längst zerfallen war, und von denen er argwöhnte, dafs sie ihn aus der leitenden Stellung in Norddeutschland verdrängeftfwoUten, ob der von seinen Truppen mit Einquartierung belegten meckld'ifi^rgischen Ämter in offenen Streit geriet; suchte Frankreich ihn lediglich zum Nachgeben zu bestimmen. Es ging nicht anders bei den Ansprüchen, die Brandenburg an die Stadt Hamburg wegen der 150000 Taler Kriegszuschüsse erhob, die der Kaiser ihr zu Gunsten des Kur- fürsten auferlegt hatte, und deren Zahlung sie hartnäckig ver- weigerte. Für die auf diese Summe angewiesenen Ausgaben hatte Friedrich Wilhelm einstweilen eine Anleihe aufnehmen müssen, deren Kosten sich mit Zinseszins bereits bis zu 70000 Taler beliefen. Er hatte durch seine Kriegsschiffe der Stadt sechs Fahrzeuge wegnehmen und in Dänemark verkaufen lassen , aber auf die Ermahnung des französischen Herrschers, dessen Vermittlung die Stadt und ihre Beschützer, die weifischen Herzoge, angerufen hatten, stellte er die Kaperei ein und erklärte, sich , ohne Rücksicht auf Kosten und aufgelaufene Zinsen , mit dem Grundkapital von 150000 Talern begnügen zu wollen. R6benac aber, der damals in Gelle als Gesandter weilte, ermahnte ihn noch zu weiterer Nachgiebigkeit^.

Friedrich Wilhelm mufste sich das schmerzliche Eingeständnis machen, dafs sein Liebesmühen um Frankreich fruchtlos gewesen sei. Eine tiefe Entmutigung ergriff ihn : noch einmal war all sein Ringen, wieder zu Ansehen und äufserem Einflufs zn gelangen, vergeblich geblieben.

Allein gerade in diesem Augenblicke traten Umstände ein, die Ludwig XIV. die Freundschaft des Brandenburgers wünschens-

^ Ms. B6benac an Fuchs, 26. Sept. 1679; Berlin, Gteh, Staatsarchiv, XI Frankr. 19 D.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 259

wert erscheinen liefsen und ihn zu grorserer Zuvorkommenheit diesem Fürsten gegenüber bewogen.

Der französische Monarch war gewillt, seine Überlegenheit über ganz Europa, die im Nymweger Vertrage gewissermafsen eine internationale Bestätigung erhalten hatte, zur weiteren Ausdehnung seiner Herrschaft auf Kosten der Nachbarländer, Belgiens, Deutschlands und Italiens, zu benutzen, unter dem Verwände, Städte und Grebiete, die jemals zu den ihm in den letzten Friedensschlüssen abgetretenen Bezirken gehört hatten, mit diesen wieder zu vereinigen. Es stellte sich jedoch bald heraus, dafs ein solches Verfahren auf die Gegnerschaft nicht allein der an sich ohnmächtigen Habsburger, sondern auch anderer Grofsstaaten stofsen werde. Wilhelm III. von Oranien, der die Leitung des Widerstandes gegen Frankreichs drohende Allmacht übernommen hatte, schlug hier den allein richtigen Weg ein, indem er eine neue umfassende Koalition wider Ludwigs alle bedrohende Eroberungssucht zu stände zu bringen sich bemühte. Es gelang ihm wirklich, zunächst die Generalstaaten von der Notwendigkeit eines solchen Verfahrens zu überzeugen. Trotz aller Gegenwirkungen der französischen Diplomatie beschlossen sie, ein Bündnis mit England einzugehen; und Karl II., von der immer stärkeren Erbitterung seiner Untertanen über seine schwächliche Politik erschreckt, war bereit, wenigstens zum Scheine derartige Unterhandlungen zu beginnen. Es wurde anderseits immer zweifelhafter, ob, einem grofsen europäischen Bündnisse gegenüber, Ludwig auf seinen bisherigen Alliierten Schweden werde zählen können. Der junge König Karl XI. war über die Mifswirtschaft des Adels, die Schweden des militärischen Ruhmes beraubt und seine Finanzen und seine Verwaltung zer- rüttet hatte, tief entrüstet. Er schob also den bisher leitenden Staatsmann, den Hauptvertreter der französischen Partei, Grafen Magnus de la Gardie, in den Hintergrund und bevorzugte dessen geistvollen und tätigen Gegner, Johann Gyllenstiema , der An- hänger eines Bündnisses mit Dänemark war und solches der einseitigen Verbindung mit Frankreich und der Dienstbarkeit für dessen Eroberungspolitik vorzog. Gyllenstiema verfolgte sogar den groflsen Gedanken einer engen Union der skandinavischen Staaten, nicht durch Gewalt, die schon so oft gescheitert war, nicht durch Oberherrschaft der einen Nation über die andere, sondern durch

ein enges und beständiges Bündnis, sowie durch eine Reihe

17

260 Siebentes Buch.

gemeiDsamer Institutionen. Am 26. September kam der Vertrag zu Stande, der die Vermählung Karls XI. mit der d&nischen Prinzessin Ulrike Eleonore, einer Schwester Christians V., fest- setzte ^

Unter solchen Umständen war es für Frankreich geboten, den Gegner Schwedens, den mächtigsten Reichsfürsten, den Kurfürsten von Brandenburg, auf seine Seite zu ziehen. Man wurde in Paris gegen Ende September 1679 plötzlich freund- licher gegen Meinders, stellte ihm Subsidien in Aussicht, ja , trat mit ihm in Verhandlungen wegen des von Brandenburg gewünschten Bündnisses. Sofort erhielt von Berlin aus der Gesandte den Befehl, noch in der französischen Hauptstadt zu verbleiben und auf diese Anerbietungen einzugehen ^.

Allerdings, die grorsartigen Offensivpläne, die der Kurfürst mit dieser Allianz verknüpft hatte, mufste er zunächst auf- geben. Die französische Regierung, die nur die Vergröfserung des eigenen Staates beabsichtigte, dachte nicht daran, sich durch kriegerische Unruhen, die der Brandenburger erregen würde, weitere Unannehmlichkeiten und Gegner zu schaffen. Sie wollte in ihm nur einen unterwürfigen, bezahlten Vasallen haben, der französische Politik, nicht eigene, treibe. Sie drückte das Meinders gegenüber derart aus, dafs sie Ruhe, Frieden, Steuer- ermärsigung, Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Besitzstandes im eigenen Lande wie in Europa wünsche. Der Kurfürst solle sich nur zur Freundschaft für Frankreich und zur Förderung von dessen Absichten bei eintretender Wahl eines Kaisers oder Römischen Königs verpflichten. Letztere Zusage suchten die Franzosen als ganz unwesentlich hinzustellen: „Dieses Werk halte man für ein weit entferntes Wesen, ja, halb und halb für eine Chimäre; denn der Kaiser sei gesund und jünger als der König; so brächte auch die kaiserliche Krone viel Verdrufs und Verwirrungen, aber wenig oder keinen Vorteil.** Man verlange solches nur „als ein Zeichen sonderbarer Affektion** Kurbranden- burgs. Ebenso war man bemüht, die Geringfügigkeit der Sub- sidien, die man anbot 100000 Livres jährlich , nicht als ein Zeichen der Mifsachtung oder des Mifstraueus erscheinen zu lassen. Pomponne sagte, das seien keineswegs Subsidien, sondern

1 Carlson, Gesch. Schwedens, V (Gotha 1875). * Ms. Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 18.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 261

„SO ZU achten, als wenn der König jährlich einen Diamanten präsentierte, gleichsam als ein Arrheum oder Pignus von beständiger und aufrichtiger Freundschaft" ^. Wenn der Minister hinzusetzte, im Falle der Not werde der König schon den Kurfürsten reich- lich unterstützen, so war das freilich ein neuer Beweis, dafs Frankreich den Brandenburger in absoluter Abhängigkeit zu erbalten gedachte; was man ihm nach den Erfahrungen, die alle Welt bisher von dessen Politik gemacht hatte, nicht sonder- lich verargen darf*.

Es ist ein Zeichen dafür, wie tief Friedrich Wilhelm sich gedemütigt und wie machtlos er sich fühlte, dafs er auf ein derartiges Yasallitätsverhältnis einging und seine Freiheit für eine so geringfügige Unterstützung, die mehr einem Almosen glich, verkaufte. Er gab den bisherigen Widerstand gegen die Verpflichtung zur Wahl eines bourbonischen Kaisers auf. Er mochte in seiner optimistischen Weise meinen : habe er zunächst erst festen Boden wieder unter den Füfsen, werde er schon weiterkommen und seine Lage verbessern.

Der Vertrag wurde zwischen Pomponne und Meinders am 25. Oktober 1679 zu St. Grermain abgeschlossen ^

Sein wahrer Mittelpunkt bestand in den Festsetzungen über die zukünftige Kaiserwahl; schon dafs sie in acht Artikeln den gröfsten Raum einnehmen, beweist das Gewicht, das, trotz aller Ableugnungen, die ausschlaggebende Macht ihnen beilegte. Sie waren mit der äufsersten Sorgfalt derart abgefafst, dafs sie jede Möglichkeit erwähnten und entschieden. Der Kurfürst wird sich der Wahl eines Kömischen Königs zu Lebzeiten des Kaisers nach Kräften widersetzen; sollte er das nicht können, 80 gibt er seine Stimme dem Könige von Frankreich oder dem Dauphin. Stirbt der Kaiser ohne erwählten Nachfolger, so er- nennt der Kurfürst wieder den König oder den Dauphin. Gelingt keines von beiden, stimmt er für denjenigen Kandidaten, der Frankreich genehm sein wird.

Die Aussicht, dafs Ludwig XIV. dereinst die Kaiserkrone mit dem Liliendiademe vereinigen würde, war um so ungeheuer- licher, als er ja die Erbschaft des spanischen Weltreiches gleich-

^ Ms. Meinders an Kurf., 25. Sept./ 5. Okt. 1679; Berlin, Geh. Staats- *wlüv, a. a. 0.

•Mörner, 704 ff .

262 Siebentes Buch.

falls beanspruchte. Er würde dann das Zepter Karls V. mit dem Franz* I. verbunden, die Universalmonarchie begründet haben« Niemals waren die Pläne Ludwigs XIV. so grofsartig, niemals auch ihre Verwirklichung so wahrscheinlich gewesen wie damals. Freilich, diese Perspektive war zu gewaltig und Besorgnis er- regend, als dars die bezüglichen Bestimmungen des Vertrages nicht auf das strengste geheimgehalten wären, sogar vor den vertrautesten Räten des Königs und des Kurfürsten, wie der letzte 19. Artikel solches ausdrücklich bestimmte. Kein Mensch in Europa, aufser den Abschliefsenden, hat Kenntnis von diesem Übereinkommen erhalten.

Seine übrigen Artikel waren minder wichtig. Der von Friedrich Wilhelm dringend gewünschte Handelsvertrag schrumpfte zu gegenseitiger Zusage ungestörten Verkehrs zusammen. König und Kurfürst versprachen einander den Schutz ihrer gegen- wärtigen Besitzungen ; der König dem Kurfürsten Unterstützung zur Erlangung Jägerndorfs; der Kurfürst dem Könige die Er- öffiiung seines Gebietes zum eventuellen Durchmarsche französi- scher Truppen, sowie Beihilfe zur Durchsetzung der einstigen Wahl Johann Sobieskis für den Thron Polens. Endlich verhiefs Ludwig dem Brandenburger jährliche Subsidien von je 100000 Livres auf zehn Jahre.

Dieser Vertrag, den beide Fürsten sofort ratifizierten^, wurde zum Beginne einer mehijährigen Abhängigkeit Branden- burg-Preufsens von Frankreich, wie solche in der Geschichte jenes Staates einzig dasteht. Sie war seinem Wesen und seiner Bestimmung durchaus entgegen, und hieraus folgte, dafs er nicht einen der von dem Kurfürsten erhofiften Vorteile aus ihr gezogen hat. Nur Frankreichs Plänen hat sie gedient. Sie hat das letzte Jahrzehnt von Friedrich Wilhelms Regierung mit trübem , melancholischem Scheine umgeben, seinen Lebensabend zu einem traurigen, von innerlichster Mifsstimmung und schmerz- lichen Besorgnissen erfüllten gestaltet.

Nur möge man sich hüten, dem Kurfürsten aus seiner damaligen Haltung einen moralischen Vorwurf zu machen. Von einer alldeutschen Aufgabe Brandenburg - Preufsens hatte zu jener Zeit niemand eine Ahnung, und einen tätigen gesamt-

1 Mb. ngen an Eurf., 18728. Okt. 1679; Berlin, Geh. Staatsarohiv, XI, Frankr. 19 B.

DreiundvierzigBtes Kapitel. Das französische Bündnis. 263

deutschen Vaterlandssinn gab es, trotz aller heuchlerischen reichspatriotischen Phrasen, überhaupt nicht. War nicht Ferdi- nand Maria von Bayern, der sich nicht mit Kränkung und An- feindung durch die Habsburger entschuldigen konnte, schon 1670 einen ganz entsprechenden Vertrag mit Frankreich ein- gegangen, der ihn gleichfalls zur Kaiserwahl Ludwigs XIV. ver- pflichtete?^ Schlofs Ferdinand Marias Nachfolger, Max Emanuel, nicht gerade damals, Ende 1679, den Ehevertrag seiner Schwester Maria Anna mit dem Dauphin ab, unter starker Betonung der innigen Freundschaft zwischen Frankreich und Bayern?' Hat nicht drei Wochen nach dem Geheimvertrage vom 25. Oktober 1679 Kurfürst Johann Georg von Sachsen durch seinen Gesandten Wolframsdorf mit Ludwig XIV. ein ebenso geheimes Abkommen getroffen (15. November), in dem er die nämlichen Verpflich- tungen wegen der Kaiserwahl einging wie der Brandenburger? Selbst im Wortlaute stimmten diese Vertrage überein®.

Es liegt also kein Grund vor, Friedrich Wilhelm besondere Vorwürfe vom sittlichen Standpunkte aus zu machen, zumal er von den Habsburgem ganz anders gereizt und benachteiligt war als Bayern oder Sachsen. Er meinte, bitterer Notwendigkeit zu gehorchen. Mufste er doch vernehmen, dafs damals Däne- mark und Schweden verhandelten, um ihre Union auf ein Bündnis mit Frankreich zu stützen: eine Eventualität, die ihn seines einzigen Alliierten Dänemarks völlig zu berauben und seinem Gegner Schweden eine furchtbare Stellung zu verleihen

1 Erdmannsdörffer, Deutsche Gesch., S. 556.

* K. Th. Heigel, Quellen u. Abhandlungen z. neueren Gksch. Bayerns, neue Folge (München 1890), S. 59.

* M^oires de Pomponne, I, 274 f. Auerbach, La diplomatie tran^aise, S. 476. Wenn Erdmannsdörffer (a. a. 0., S. 651) Fried- rich Wilhelm noch damit zu entschuldigen sucht, dafs § 12 des französ.- brandenb. Vertrages eine „salyierende Klausel" enthalte, und dafs der ganze Vertrag nur auf zehn Jahre geschlossen sei, während S^aiser Leopold doch pioch jung) und kräftig war , so kann ich dem nicht bei- Btuumen. § 12 setzt ausdrücklich fest, dafs der Kurfürst, wenn die Wahl Ludwigs oder des Dauphins sich als unmöglich herausstellen sollte, nur dem von Frankreich ihm bezeichneten Kandidaten seine Stinune geben werde. £r unterwirft also auf alle Fälle die KaiserkOrung dem Belieben ^^iimkreichs. Die beschränkende Dauer von zehn Jahren aber gilt nur ^ die Subsidienzahlung ; sonst ist der Vertrag ohne jede Abgrenzung der Zeitdauer, also theoretisch auf immer abgeschlossen.

264 Siebentes Buch.

drohte^. Friedrich Wilhelm mufste sich um so mehr einen zu- verlässigen Rückhalt suchen und glaubte ihn nur bei derjenigen Macht zu finden, die sich allen anderen überlegen und zugleich als die einzige erwiesen hatte, die ihre Freunde nicht im Stiche liefs. Nur von Frankreich gezwungen, gegen seinen Willen hatte er die Zusage in betreff der Eaiserwahl gegeben; ohne sie hätte er überhaupt auf das Bündnis mit Ludwig verzichten müssen. Es ist nicht ganz zutreffend, wenn schon damals Meinders und nach ihm viele neuere Historiker darauf hinwiesen, dafs dieses Versprechen bedeutungslos sei, da ja Leopold I. noch jung und stark, also eine neue Eaiserwahl erst in weiter Zukunft und damit nur unter vielfach veränderten Umständen wahrscheinlich gewesen. Vielmehr, diese Abmachung hatte eine ganz bestimmte, aktuelle Wichtigkeit. Man sprach damals allgemein von der Absicht des Kaisers, seinen Sohn Joseph baldigst zum römischen Könige, das heifst zu seinem designierten Nachfolger im Kaiser- turne wählen zu lassen'. Diesem Plane der Habsburger trat Ludwig XIV. durch seine Abmachungen mit Kursachsen, Kur- brandenburg und Kurbayern sehr wirksam entgegen.

Indes, er durfte Friedrich Wilhelm nicht zeigen, wie grofses Gewicht er auf seine Allianz lege. Die französischen Staats- männer sprachen Meinders kaum von ihr und taten, als ob sie ihr keine positive Bedeutung beimäfsen'. Dazu kam, date Pomponne am 18. November wegen allzu milder und versöhnlicher Gesinnung seines Amtes als Staatssekretär beraubt und durch den härteren, anmafsenden, ganz in französischen Weltherrschafts- plänen schwelgenden Colbert - Croissy ersetzt wurde. Meinders glaubte in Paris nichts mehr zu tun zu haben und reiste Ende November in die Heimat zurück. Er hinterliefs in der fran- zösischen Hauptstadt seinen Sekretär Ilgen zur Erledigung der laufenden Geschäfte, sowie einen nicht offiziell anerkannten Agenten Johann Beeck, dessen Aufgabe war, den Eurfürsten über die dortigen Vorgänge auf dem laufenden zu erhalten. Das

^ Gallois, Lettares inöditea de Feuquiöres, V, 11.

' Pomponne, I, 274. Vgl. Instruktion an Colbert de Croissy bei dessen Gesandtschaft nach München, Okt. 1679; Vast, Tentatives de Louis XIV pour arriver k Tempire (Bevue historique, Bd. LXV [1897], S. 81.

* Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 18.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französiBche BOndnis. 265

tat er in Berichten, deren Deutsch mit französischen Ausdrücken reich verbrämt, oft durch ganze französische Absätze unter- brochen ist: er lieferte eine richtige Zeitung mit politischen und vermischten Nachrichten ^ Empfang und Übermittlung der Subsidien wurden zunächst einem Herrn von Plemont, bald aber den bewährten hugenottischen Bankiers des Kurfürsten, dem Hause Formont, aufgetragen'.

Die untergeordneten Streitigkeiten mit Frankreich erhielten nun auch schnelle Erledigung. Der Kurfürst, der vor allem in den Besitz seiner rheinischen Lande wiederzugelangen wünschte, Obernahm alle Summen, die Gr6qui noch von den Klevern ver- langte, auf seine von Frankreich zu erhaltenden Subsidien. Ein Zwist, der darüber ausbrach, ob die in Wesel von den holländi- schen Zeiten her vorhandenen Geschütze Frankreich oder Branden- burg verbleiben sollten, wurde nach einem unterwürfigen Schreiben des Kurfürsten an den König dadurch beigelegt, dafs dieser grofsmütig seinem „allertreuesten Verbündeten'' die 39 besten Kanonen beliefs und nur die 30 minder guten für sich nahm. Ende Januar 1680 befahl dann Louvois dem französischen Gouverneur von Wesel, Ritter von Sourdis, die Räumung dieser Festung. Sieben volle Monate waren nach dem Abschlüsse des Friedens von St Germain vergangen, als Friedrich Wilhelm wieder Herr seines ganzen rheinisch - westfälischen Gebietes wurde*.

Zu gleicher Zeit bewog Ludwig auch die Schweden, dafs sie ihre hartnäckige Weigerung, an Brandenburg das Land rechts der Divenow abzutreten, welches sie, als nicht an der eigent- lichen Oder gelegen, von den Wirkungen des jüngsten Friedens- ßchlusses unabhängig machen wollten, endlich aufgaben. So endete auch dieser Handel zur Zufriedenheit des Kurfürsten^.

Allein damit waren die Vorteile beschlossen, die er aus seinem französischen Bündnisse zog. Er mufste sonst überall

^ Geh. Staatsarchiv, Bd. 20 A.

* Ebendas., 19 A B, 21 A.

^ y erhandlimgen wegen der Weseler Geschütze : Geh. Staatsarchiv (BerlinX XI, Prankr. 18. 20 A; sowie U. u. A., II, 585 ff. Verhandlungen Hgens: Geh. Staatsarchiv, a. a. 0., 19 B. Pomponne, I, dl2f., hftlt den Kanonenstreit fOr eine der vornehmsten Ursachen seines Sturzes.

^ Prutz, Analekten z. G^sch. des Grofs. Kurf.; Forsch, z. brandenb. «. preufs. Gesch., XH (1899), 287.

266 Siebentes Buch.

zurückweichen. Er war gewillt gewesen, es zum Waffenkampfe mit den Braunscbweig-Lüneburger Herzogen kommen zu lassen, die sich Mecklenburgs gegen seine Quartierforderungen fQr einige brandenburgische Regimenter heftig annahmen, und denen er die vorjährige Sperrung ihres Landes gegen den Durchzug seiner Truppen zur Verteidigung von Eleve- Mark gegen die Franzosen nicht vergessen hatte. Aber auf Röbenacs Vermitt- lung gab er nach, und sein General Prinz räumte das mecklen- burgische Gebiet*.

Und ebenso endete der Streit mit Hamburg in der Kon- tributionsangelegenheit keineswegs nach dem Wunsche des Kur- fürsten. Der König von Frankreich, den beide Teile als Schieds- richter anriefen er war bereits tatsächlich der Oberherr Deutschlands, weit mehr als der Kaiser! , erkannte an, dafs Brandenburg vollkommen im Rechte sei, mutete diesem Staate aber zu, nicht allein auf die Zinsen der seit drei Jahren fälligen Kontribution, sondern auch auf die Hälfte des Kapitals selbst zu verzichten. Ja, er drohte, die Hamburger und die mit diesen verbündeten Braunschweiger unterstützen zu wollen. So sah der Kurfürst sich genötigt, sich mit der Summe von hundert- tausend Talern zu begnügen. Frankreich aber schlofs mit den Weifen zu Ebsdorf am 24. November einen neuen Vertrag, in dem es versprach, sie sowie die übrigen norddeutschen Reichs- stände vor allen weiteren Kontributionsansprüchen Brandenburgs zu schützen. Es nahm hier geradezu Partei für das Haus Braun- schweig gegen den Kurfürsten. Seine Absicht, die Spaltung der deutschen Fürsten zu erhalten und sich damit die Herrschaft über sie alle zu sichern, war unverkennbar^.

Friedrich Wilhelm mufste mit Kummer und Sorge wahr- nehmen, wie der AUerchristlichste König bereits begann, „die Bastille nach Deutschland zu verpflanzen". Hatte doch der Kurfürst unmittelbar nach dem Friedensschlüsse gegen einen

1 U. u. A., m, 557. 561—563. Prutz, Aus des Gro&. Kurf. letzten Jahren, 225.

' Prutz in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., Xu, 289 ff. Es ist ein Beweis von Prutz* unkritischer Art, wenn er den phantasti« sehen Bericht eines schwedischen Agenten über eine Zusammenkunft Friedrich Wilhelms und Christians Y. in Dobberan erst selber als tenden- ziös, unrichtig und absichtlich entstellend bezeichnet, dann aber wieder in seinen Einzelheiten unbedenklich benutzt; das. 202 ^218.

Dreiimdvierzigstes Kapitel. Das französische BOndnis. 267

Schiedsspruch des französischen Königs in dem Hamburger Streite protestiert als den Rechten des Reiches, des Kaisers, des Königs von Dänemark sowie Brandenburgs zuwiderlaufend ^ Wenn er im Oktober' sich der Entscheidung^^ Frankreichs unterwarf, so geschah es, weil damals die Hansastadt auf das schwerste von einem Gegner bedroht war, dem der Kurfürst sie nicht über- lassen wollte, mit dem jedoch ihn selber ein Bündnis verknüpfte, und wider den er deshalb lieber Frankreich in die Schranken treten liefs. König Christian V. von Dänemark hatte die alten, aber durch Friedensverträge und Reichsbeschlüsse längst abge- tanen Ansprüche seiner Krone auf Oberhoheit über Hamburg, als eine holsteinische Landstadt, erneuert und auch zur Unter- statzung dieser Forderung vierzehn Kriegsschifife in die Elbe gesandt und 17000 Soldaten in den Vierlanden aufgestellt. Der Kaiser und der Herzog von Celle nahmen sich der bedrängten Stadt an, und auch Kurfürst Friedrich Wilhelm erbot sich in ihr durchaus wohlwollender Weise zur Vermittlung. Aber Rat und Bürgerschaft zogen es vor, sich an den allmächtigen Beherrscher Frankreichs zu wenden. Dieser trat um so lebhafter für Ham- burg ein, als sein Land mit dieser Stadt in blühendem Handels- verkehre stand, der durch ihren Anheimfall an Dänemark zweifellos beeinträchtigt worden wäre. Er beauftragte also R^benac, sich zu Christian V. zu begeben und diesem Fürsten den Willen seines Herrschers auszudrücken, dafs er sich mit einem billigen Vergleiche zu begnügen habe; auch der branden- burgische Abgesandte Cracow ward, trotz des Widerstrebens des Weifen von Celle, als Vermittler angenommen. So kam am 1. November 1679 der Pinneberger Rezefs zu stände, der der Stadt die Leistung einer Devotionserklärung, sowie die Zahlung von 220000 Talern an die Krone Dänemark auferlegte, sonst aber deren Reichsfreiheit sowie Besitzungen vollauf bestätigte^. Dieser Ausgang bedeutete eine Niederlage Dänemarks, die {reilich den Wünschen des Kurfürsten ganz entsprach. Es war eine diplomatische Heuchelei, wenn er sich seinem treuen däni- schen Verbündeten gegenüber wegen der hier beobachteten

> Geh. Staatsarchiv (Berlin), Rep. LXIII, 57.

* Das. XI, Franir. 19 D.

*J. G. Gallois, Gesch. der Stadt Hamburg, II (Hamb. s. a.) 414ff. Pomponne, I, 418ff. Pufendorf, 1. XVII, c. 92-97. öeL Staatsarchiv (Berlin), XI, Frankr. 18.

268 Siebentes Buch.

Haltung mit dem Zwange entschuldigte, den ihm Frankreich auferlegt habe^

Während Ludwig sich an jenem fernen Punkte zum Be- schützer der Freiheit einer deutschen Stadt aufwarf, hatte er bereits den Plan zu den Beunionen gefafst, die unter leeren Formen des Rechtes beträchtliche Landstrecken dem besiegten und gedemütigten Reiche entziehen sollten, war er schon tat- sächlich dazu geschritten, die Reichsritterschaft des Elsasses und das Landgebiet der Reichsstadt Strafsburg der französischen Herrschaft zu unterwerfen. Er sah voraus, dafs diese Gewalt- taten, unmittelbar nach dem Friedensschlüsse verübt, in Deutsch- land lebhaften Unmut erwecken und namentlich von selten des Kaisers Widerstand hervorrufen mufsteu ; um so mehr war ihm daran gelegen, den nach dem Kaiser mächtigsten Fürsten des Reiches, den Brandenburger, an sich zu fesseln. Derart, hoffte er, werde es ihm gelingen, die Gegnerschaft Österrreichs brach- zulegen und einen Reichskrieg gegen ihn selbst unmöglich zu machen. Er beschlofs also, zunächst einen Gesandten dauernd in Berlin anzustellen, und er wählte zu diesem Posten einen Diplomaten, der in den deutschen Angelegenheiten wohlerfahren war, und den der Kurfürst mit grofser Auszeichnung behandelt hatte, den Grafen R6benac (vgl. T. II, S. 407). Die Verdienste, die der junge Staatsmann sich noch in den letzten Monaten um die Ordnung der nordischen Verhältnisse erworben hatte, bezeichneten ihn als einen besonders geeigneten Vertreter Frank- reichs auf dem unter den herrschenden Umständen überaus wichtigen Posten in Berlin. Am 12. Januar 1680 traf er dort ein.

Seine Instruktion ' spiegelt die mifstrauische und noch wenig wohlwollende Gesinnung des Königs gegen seinen neuen Ver- bündeten wieder. Er gönnt ihm in der Hamburger Angelegen- heit nur eine geringe Entschädigung. Er drängt auf die schleunige Räumung Stettins und auf Nachlafs der Brandenburg noch zu- kommenden Kriegskontributionen in Schwedisch-Pommern, indem er mit Repressalien in Kleve droht. Er mischt sich, ungerufen von dem Kurfürsten, in dessen Streit mit den Lüneburger Herzogen wegen der Truppenquartiere in Mecklenburg, ja, in die Angelegenheit der brandenburgischen Besatzung in Magde-

> Ms. Meinders an Kurf., 18./28. Nov. 1679; Geh. StaatsarchiVf a. a. 0. ' Becueil des Instructions, XVI, 214 ff.

Breiundvierzigstes Kapitel. Das {ranzösiBche Bttndnis. 269

bürg, die doch für Friedrich Wilhelm gänzlich abgeschlossen war. Kurz, er behält sich eine Menge von Gelegenheiten vor, um dem Kurfürsten unangenehm zu werden, wenn dieser Miene machen sollte, anders denn als unterwürfiger Diener der fran- zösischen Politik zu handeln.

Denn die früheren Verbündeten Brandenburgs gaben sich die äufserste Mühe, es für die von den Generalstaaten beabsichtigte grofse antifranzösische Koalition zu gewinnen. Sowohl der Kaiser wie die Holländer selber unternahmen den Versuch. Um zunächst den Boden zu prüfen, befahlen die Minister Leopolds I. ihrem Gesandten in Dresden, dem Abte Otto von Banz, sich nach Pots- dam zu begeben, wo er am 11. Oktober 1679 eintraf. Er sollte des Kurfürsten Meinung erforschen, wie des Reiches Sicherheit am besten zu wahren, wie die französischen Gewalttaten im Elsafs rückgängig zu machen und der Antrag, Frankreich solle auf dem Regensburger Reichstage Sitz und Stimme erhalten, zu vereiteln seien ^.

Der Prälat traf aber bei dem Kurfürsten auf die übelste Stimmung. Weit entfernt, den kaiserlichen Wünschen ein geneigtes Ohr zu leihen, segelte Friedrich Wilhelm in dem französischen Fahrwasser. Er war bereit, den Plan des französischen Königs zu unterstützen, nämlich dafs das Reich durch Auflösung des Regens- burger Reichstages jedes Zusammenhalts beraubt werde'. Gleich- falls auf Verlangen Frankreichs hatte er sich mit dessen treuen bischöflichen Vasallen von Köln und Strafsburg in vertrauten Verkehr gesetzt, um so eine förmliche französische Partei im Reiche zu bilden*. Er beantwortete demnach die Werbung des Abtes von Banz mit heftigen Klagen über die an ihm verübte Untreue und Täuschung. Er erwiderte höhnisch, dafs der Kaiser, der allein in Nymwegen für das Reich abgeschlossen, dort auch zweifellos für dessen Sicherheit genügend gesorgt haben werde; sei dies nicht geschehen, werde Se. Majestät hierfür schon das Nötige anordnen ; da femer der Kaiser den Schweden im Reichs- tage Sitz und Stimme, die ihnen bereits aberkannt gewesen,

1 U. u. A., XIV, 912 ff.

Mß. Chiffrierte Dep. Meinders' vom 9719. Okt. 1679; Berlin, Gteh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 18.

* Ms. Kurf. an Ilgen, 19./29. Dez. 1679; das. 19 B. Das Folgende nach U. u. A., XIV, 911 ff.

270 Siebentes Buch.

wieder eingeräumt habe, dürfe Frankreich gleiches Recht in Anspruch nehmen. Der Kurfürst begnügte sich nicht mit diesen Antworten, deren grimmige Ironie nicht zu verkennen war. Er verlangte in drohendem Tone die Anerkennung seiner Rechte in Ostfriesland, die endliche Rückgabe Jägerndorfs, sowie Nach- zahlung von dessen Einkünften in der Vergangenheit, endlich Beeinflussung des spanischen Habsburgers, dafs dieser seine rück- ständigen Subsidien ausfolge, Forderungen, die zum Teil für Leopold unerfüllbar und klärlich darauf berechnet waren, die Handhabe zum Bruche mit Österreich zu geben.

Die kaiserlichen Räte fühlten das „Spitzige" dieser Er- widerungen und Ansprüche des Brandenburgers wohl heraus. Sie glaubten aber ein Auge zudrücken und einen neuen Anlauf machen zu müssen. Denn die vier rheinischen Kurfürsten und Bayern waren schon, sei es für Frankreich gewonnen, sei es von Furcht gelähmt, Sachsen in finanzieller Zerrüttung: so „dafs zu Rettung des Deutschland gegen die Krön Frankreich" , wie sie am 18. November 1679 erklärten, „unter denen Churfürsten einige andere Hilfe nicht als von Churbrandenburg zu hoffen". Der Kaiser richtete also an dieses ein in besänftigendem Tone gehaltenes Schreiben, das seine Verwendung in Spanien, sowie vom Reiche die Erlangung einer „Satisfaktion'' für den im Kriege erlittenen Schaden versprach, leere Vertröstungen; von Jägemdorf kein Wort Dafür verlangte der Kaiser in einem zweiten Schreiben den Beistand des Kurfürsten gegen die französischen Übergriffe.

Friedrich Wilhelm war entrüstet über die Keckheit, mit der der Wiener Hof, nach allen ihm zugefügten Treulosigkeiten und Kränkungen, wie selbstverständlich, abermals seine Unter- stützung, ohne den mindesten tatsächlichen Entgelt, einforderte. Er liefs durch Ilgen die kaiserlichen Zuschriften in Paris mit- teilen, mit der Zusicherung, er werde unverbrüchlich auf Seiten Frankreichs stehen ^.

Die Wiener Politiker aber waren der Meinung, durch blofse Demonstrationen Friedrich Wilhelm doch noch gewinnen zu können, und schickten ihm als Botschafter einen der ersten Kavaliere ihres Landes, den Grafen Johann Philipp Lamberg, Sohn des kaiserlichen Oberhofmeisters. Erst achtundzwanzig

^ Mb. Bgen an Kurf., 19. Jan. 1680; Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 19B.

Dreinndvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 271

Jahre alt, hatte er mit Ruhm gegen die Türken gefochten, war dann aber in die Kirche eingetreten und 1675 Domherr, bald auch Beichshofrat geworden : ein prachtliebender, feiner Grand- seigneur, der wohl im stände war, auf den greisen Kurfürsten Eindruck hervorzubringend Er hatte ihm ein Bündnis mit Osterreich, den Generalstaaten und England anzubieten; der Anspruch auf Jägemdorf wurde dieses Mal nicht stillschweigend abgetan, sondern auf besondere, in Wien zu führende Verhand- lungen verwiesen*.

Inzwischen war in gleicher Absicht, wie Banz und Lamberg, noch ein niederländischer Gesandter nach Berlin gekommen. Um den verlorenen Freund desto sicherer zurückzugewinnen, hatten ihm die Hochmögenden den Adrian van Amerongen wieder zugeschickt, der ihn 1673 zum Bündnisse bestimmt, und mit dem er seit dieser Zeit wohlwollende Beziehungen aufrechterhalten hatte. Allein was Amerongen jetzt zu bieten hatte, war wenig: Entschuldigungen; dafs der Staaten trauriger Zustand ihnen den Frieden mit Frankreich aufgenötigt habe, sowie die nicht unbegründete Behauptung, dafs sie zur Nachzahlung der restierenden Hilfsgelder nur bis Ende 1676 verpflichtet seien, da sie seitdem Brandenburg, das auf eigene Hand Eroberungen auf Kosten der Schweden gemacht, ohne sie gegen Frankreich irgend zu unterstützen, die Subsidien aufgesagt hatten.

Mitte Dezember 1679 langte Amerongen in Berlin an. Allein er fand hier nichts als Klagen über die Generalstaaten, die die eigentlichen Urheber des schmählichen und verlustvollen Aus- ganges des Koalitionskriegs seien. Als Kommissare, um mit mit ihm zu verhandeln, wurden die durchaus französisch gesinnten Geheimrftte Jena und Meinders ernannt. Ihre Forde- rungen waren unerschwinglich: sie verlangten nicht allein die Subsidien bis zum Tage des Friedensschlusses, sondern auch Entschädigung für den in Kleve und der Grafschaft Mark erlittenen Schaden'.

Immerhin war, wie die Vergangenheit gezeigt hatte, die Möglichkeit vorhanden, dafs die kaiserliche und die nieder- ländische Gesandtschaft mit der Zeit einen abermaligen Um-

* Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaisertums Österreich. Instr. an Lamberg, 29. Febr. 1680; U. u. A., XIV, 916 ff. » U. u. A., m, 555 ff .

272 Siebentes Buch.

schwuDg in den Gesinnungen des Kurfürsten herbeiführten. Es war dies für Frankreich um so gefährlicher, als die General- Staaten im Dezember 1679 das Bündnis, das der französische Gesandte, Graf d'Avaux, ihnen angeboten, entschieden zurück- gewiesen hatten^, als femer die schwedische Regierung unter der Leitung des genialen und patriotischen Johann Gyllenstiema dem Auslande und zumal dem stolzen Frankreich gegenüber eine immer kühnere und selbstbewufstere Haltung annahm. Es stand fest, dafs Schweden sich nicht mehr als Werkzeug des Allerchristlichsten Königs werde mifsbrauchen lassen'.

War schon durch diese Umstände die französische Regierung genötigt', sich den guten Willen Brandenburgs zu sichern, so mufste sie zu entsprechendem Vorgehen auch durch die Persön- lichkeit des Ministers veranlafst werden, der nach dem Sturze Pomponnes mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten betraut war.

Charles Colbert Marquis von Groissy, ein Bruder des berühmten Ministers, hatte durch das ihm eigene rauhe und polternde Auftreten die Gunst der öffentlichen Meinung ver- scherzt. Er galt als ein roher, ebenso brutaler wie unfähiger Mensch, der sein Emporsteigen nur dem Einflüsse seines grofsen Bruders verdanke. Allein dieses unfreundliche Urteil war irrig. Wenn Croissy auch nicht viel Initiative besafs, so doch scharfes und sicheres Urteil, einen klaren Kopf und aufsergewöhnliche Gewandtheit. Er kannte die politische Lage Europas genau, und sein Eifer wie seine Arbeitskraft waren sehr bedeutend. Allerdings, die Feinheit und Milde Pomponnes gingen ihm ab, und wie Louvois, wie der König selber, pochte er auf die Unbezwinglichkeit Frankreichs. Er war derart für die rechts- verhöhnende Reunionspolitik eingenommen, dafs man ihn viel- fach für den Urheber hielt; anderseits wünschte er, im Gegen- satze zu Louvois, deren Ziele ohne förmlichen Krieg zu erreichen. Eben deshalb mufste er darauf bedacht sein, tunlichst zahlreiche und mächtige Verbündete zu gewinnen, um den Gegnern jede Möglichkeit aussichtsreicher Kriegsführung gegen Frankreich zu benehmen. Als einer der wichtigsten Alliierten erschien ihm aber der Kurfürst von Brandenburg, für den er, seit seiner

^ d'Avaux, NegociationB, I, 66. * Carlson, V, 87 ff.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französiaclie BOndnis. 273

Gesandtschaft nach Eleve im Jahre 1666, überdies eine gewisse persönliche Neigung bewahrt hatte ^.

Nachdem in den ersten Tagen des Jahres 1680 R^benac am Berliner Hofe angelangt war, erhielt er hier alsbald eine bevor- zugte Stellung. Friedrich Wilhelm wollte den Monarchen und die Minister Frankreichs für sich gewinnen, und da kostete es ihm wenig, ihren Vertreter wie seinen vertrauten Günstling zu behandeln und mit „grofsen Garessen** zu bedenken. Seine Gemahlin Dorothea zeigte sich noch eifriger in der Freundschaft für Frankreich und dessen grofsen und reichen König. Der Kurfürst selber gab sich den Anschein, als habe er nichts vor R^benac zu verbergen, und liefs ihn von seinen geheimsten Verhandlungen gerade das wissen, was er Ludwig XIV. mitgeteilt zu sehen wünschte. Meinders und Fuchs ahmten mit vielem Eifer die Haltung ihres Herrn gegenüber dem französischen Gesandten nach. R6benac suchte diese günstige Stimmung zu erhalten, indem er immer wieder beträchtliche Summen an die Geheimen Räte und deren wichtigste Unterbeamte verteilte. Die Kurfürstin aber wurde mit einem glänzenden Geschenk, einem Diamantschmucke im angeblichen Wert von 60 000 Talern (780000 Mark nach heutigem Geldwerte) erfreut; dafür ver- sprach sie, „die Freundschaft und vollkommene Vereinigung** zwischen ihrem Gemahle und dem Könige mit Eifer und nach Kräften zu fördern. Diese guten Absichten wurden später durch neue reiche und künstlerische Geschenke darunter kostbare Gobelins bestärkt '. Berlin erschien als die Hauptstadt eines getreuen und ergebenen Vasallen des „Königs Sonne ^.

Zum deutlichen Ausdrucke seiner Anhänglichkeit beschlofs Friedrich Wilhelm, auch seinerseits einen Gesandten dauernd iu Paris anzustellen. Die Wahl, die er hier traf, kann man nur als eine vortreflfliche bezeichnen. Sie fiel auf Ezechiel Span- heim *.

Geboren in Genf am 7. Dezember 1629 als Sohn eines von der Pfalz eingewanderten Professors und einer Französin, hatte er von beiden Nationen die Vorzüge geerbt. Er widmete sich

^ Exil Bourgeois, ]äz6chiel Spanheim (Paria n. Lyon 1900X S. 358. 860. 362. 367-873. 885.

* Prutz, Aus des Grofs. Kiirf. letzten Jahren, 124 ff.

* Über ihn sehe man vorzüglich Bourgeois, passim*

Pbilippson, D«r Oroik« Kurfant. III. 18

274 Siebentes Buch.

zunächst, wie sein Vater, der Gelehrsamkeit und veröffentlichte kenntnisreiche und geistvolle Schriften theologischen und zumal archäologischen Inhalts. Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz berief ihn als Erzieher seines Kurprinzen. Aber das lebhafte und praktische französische Blut flöfste Spanheim frühzeitig, schon in Genf, reges Interesse für die Politik ein. Schriften, die er nunmehr für die Absichten seines Herrn verfafste, ver- anlafsten diesen bald, ihn mit diplomatischen Sendungen zu betrauen, die ihn zunächst auf vier Jahre (1661—1665) nach Italien, dann nach Paris führten. Er empfand grofse Vorliebe für Frankreich und suchte ein enges Einvernehmen zwischen diesem Staate und seinem eigenen Fürsten zu begründen. Sein reiches Wissen, sein besonders in der Münzkunde durch epoche- machende Arbeiten berühmt gewordener Name, seine Liebens- würdigkeit und geistige Feinheit, seine Vertrautheit mit der französischen Sprache und Anschauungsweise verschafften ihm in jenem Lande viele persönliche Freunde. Allein die Gewalttaten, die sich Ludwig XIV. gegen Deutschland und namentlich gegen die Rheinpfalz zu schulden kommen liefs, machten auch Span- heim zu dessen G^ner; als solcher erwies er sich in den Ver- handlungen zu Köln, in den Jahren 1671 bis 1673. Während des Nymweger Kongresses verfocht er die Interessen des deutschen Protestantismus in London. Damals, wie schon vorübergehend 1672, betraute der Kurfürst von Brandenburg den pfälzischen Gesandten zugleich mit seinen Geschäften, bis Friedrich Wilhelm endlich, im Januar 1680, auf Antrag von Fuchs beschlofs, den klugen, kenntnisreichen und gesellschaftlich begabten Mann ganz in seinen Dienst zu übernehmen. Er bot ihm den Gesandtschafts- posten in Paris an, mit einem jährlichen Gehalte von 3600 Talern (46800 Mark nach heutigem Geldwerte) ^

Freilich war zunächst die neue Stellung Spanheims eine aufserordentlich schwierige. Der Kurfürst selber mifstraute ihm, ^da er früher andere Engagements gehabt'' , und gedachte ihn erst zu erproben. Er teilte ihm deshalb weder den Geheim- vertrag vom 25. Oktober 1679, der doch R6benac bekanntgegeben war, noch die Verhandlungen mit, die er damals durch d'Espence und Ugen in Paris wegen der Erlangung Jägerndorfs führen

1 Ms. Kurf. an Spanheim, 24. Jan. /8. Febr. 1680; Berlin, Geh. Staats- archiv, XI, Frankr. 21 A.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 275

liers. Viel grörser noch war die Zurückhaltung der französischen Regierung gegenüber Spanheim, der „früher in einer Frankreich widerwärtigen Partei verwandt worden" *. Croissy warnte sowohl durch R6benac in Berlin wie durch d'Espence und Ilgen in Paris den Kurfürsten vor der Verwendung Spanheims als Gesandten in Frankreich, da dieser Diplomat wenig geeignet sei, zur gegen- seitigen Verbindung und Vertraulichkeit zwischen den Königen und dem Kurfürsten beizutragen; „er ist immer übler Absicht gewesen", schreibt der Minister selber an R6benac. Spanheim kannte die ihm feindliche Stimmung in den leitenden Kreisen der französischen Hauptstadt sehr wohl, allein er hoffte bestimmt, sie durch ruhiges und gewissenhaftes Verfahren und durch den Eindruck seiner Persönlichkeit überwinden zu können. Er tat, als ob er nichts davon wisse, und „ging seinen geraden Weg". Sorgsame Beachtung aller höfischen Formen, Verkehr mit her- vorragenden Schriftstellern, Gelehrten und hochgestellten wissen- schaftlichen Dilettanten, sowie der Schutz der gerade an den französischen Hof so zahlreich vermählten deutschen Prinzessinnen verschafften ihm bald Beliebtheit und Achtung. Man gelangte dahin, ihn für den ausgezeichnetsten aller fremden Diplomaten, fQr einen vorzüglichen und eleganten Redner zu erklären. Im April 1680 war er in Paris angelangt, schon im Januar 1681 schreibt Ludwig XIV. selber an R6benac: „Ich bin durchaus mit Spanheim zufrieden und von meinen Vorurteilen gegen ihn zurück gekommen . "

Es wurde Spanheim um so leichter, in Paris festen Fufs zu fassen, als sein neuer Herr unverrückt an der Seite Frank- reichs verblieb. Er und seine Minister verhehlten dem Grafen Lamberg, als dieser Mitte April 1680 nach Berlin kam, ihre wahren Gesinnungen keineswegs: Holland denke nur an sich: in England, das am meisten „Peso" zu geben vermöge, seien König und Parlament uneins; auf Spanien „sei kein grofser Staat zu machen" so würde es schlecht hergehen. Friedrich Wilhelm teilte die Nachricht von dem Bündnis, das ihm der Kaiser, Holland und England anboten, sofort R6benac mit, der ihm dann selbstverständlich durch eine ausführliche Denkschrift dringend davon abriet'.

^ Ms. Chiffrierte Dep. ügens vom 25. Mfixz 1680; das. Rep. LXHI, 2.— Ms. Kurf. an d'Espence, 6./16. April 1680; das. Rep. XI, Frankr. 19 A. * Geh. Staatsarchiv, a. a. 0., 19 D.

18*

276 Siebentes Buch.

Denn aufser Lamberg und Amerongen erschien, im Mai 1680, auch ein englischer Abgesandter, Southwell, in Berlin, um den Kurfürsten für die antifranzösische Koalition zu ge- winnen *. Allein Friedrich Wilhelm liefs sich nicht mehr durch schöne Worte täuschen. Die Berichte des jüngeren Schwerin sowie Spanheims hatten ihn über die wahren Gesinnungen Karls II. genügend aufgeklärt. Er anwortete dem Engländer unverblümt: das Anerbieten britischer Freundschaft in diesem Augenblicke er- scheine ihm als ein Auskunftsmittel, um sich daheim mit dem Parla- mente zu vertragen und von diesem Geldbewilligungen zu erlangen. Er sowohl wie seine Minister machten wiederholt auf ihre An- sicht aufmerksam : England sei der Grundstein der europäischen Freiheit; solange indes dieser Grundstein wanke, könne man keine sichere Stellung nehmen, um Frankreichs Macht aus den Angeln zu heben. Ein sehr richtiger Grundsatz, der dann in den beiden letzten Koalitionskriegen gegen Ludwig XIV. sich vollkommen bewahrheitet hat! Der Kurfürst verhehlte nicht, dafs der Entschlufs Karls IL, gegen Frankreich Partei zu er- greifen, ihm recht unzuverlässig erscheine und er selber deshalb in dem gegenwärtigen Momente auf ein Bündnis mit diesem Herrscher nicht eingehen könne. Southwell verblieb noch bis zum Oktober 1680 in Berlin, ohne irgend einen Erfolg zu er- langen.

Ungehindert beging Frankreich neue Gewalttaten : es unter- warf alle Besitzungen deutscher Beichsfürsten im Elsafs seiner Oberhoheit. Friedrich Wilhelm empfand diese abermalige Ver- gewaltigung des Reiches um so schmerzlicher, als er dadurch die Glaubensfreiheit der zahlreichen evangelischen Bewohner jener Gegenden ernstlich bedroht sah. Er verwandte sich des- halb bei Ludwig XIV. ; als dieser jedoch von seinem angeblichen Bechte nichts nachlassen wollte, mufste er selber schweigen*. Des Kaisers Vorschlag, die weltlichen Kurfürsten sollten mit ihm in Regensburg persönlich über die geeigneten Mafsregeln zur Sicherung des Reiches beraten, wies er durchaus zurück; er trage kein Gelüst, sich wiederum der Rache Frankreichs

^ Über seine Gesandtschaft s. Räumer, Beiträge z. neueren G^esoh.» HL (Leipzig 1839), S. 438 ff.; sowie Pufendorf, XVni, 3. 4.

> Ms. Kurf. an Spanheim, 15./25. Mai, und Spanheim an Kurf., 2712. JuH, 19./29. Nov. 1680; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 21 A. - Prutz, 228 f.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Daa französiBche BOndniB. 277

blorszustellen ^ In diesen Beschlüssen vermochte ihn auch die Ankunft des ihm seit lange befreundeten Markgrafen Hermann Yon Baden nicht zu erschüttern, der im Sommer 1680 an allen deutschen Höfen umherreiste, um ein enges Bündnis zum Schutze der iiReichssekurität*' zu stände zu bringen. Persönliche Ein- wirkung scheiterte an den sachlichen Erwägungen.

Und doch, es hätte für den Kaiser eine Möglichkeit gegeben, Brandenburg für den Anschlufs an die Sache der europäischen Freiheit zu gewinnen: durch die Abtretung Jägemdorfs oder eines m&fsigen Äquivalents. Diese Angelegenheit betrieb der Kurfürst mit all dem Eifer und der ganzen Hartnäckigkeit, die er in Verfolgung seines Rechtes zu entfalten pflegte; dessen Wahrnehmung bildete einen der Grundzüge seines Charakters. Die Beihilfe zur Erlangung Jägerndorfs hatte Ludwig XIV. im Geheimvertrage vom 25. Oktober 1679 ausdrücklich versprechen müssen. Der Kurfürst verhandelte seitdem in Paris unausgesetzt über die Ausführung dieses Artikels. Ilgen und d'Espence hatten deshalb im März 1680 persönlich mit dem Könige kon- feriert, hatten aber von ihm nur die Zusage erhalten, sein Gesandter in Wien solle die Ansprüche Brandenburgs unter- stützen; Ludwig hatte hinzugesetzt, solche Schritte würden freilich wenig nützen ^. Man gewinnt den Eindruck, dafs Ludwig das Gelingen dieser Unterhandlung keineswegs wünschte, um eine Versöhnung des Kaisers mit Friedrich Wilhelm zu verhüten. Und Leopold L? Anstatt durch ein immerhin geringfügiges Opfer die gerechte Verstimmung des Kurfürsten zu beseitigen und die für ihn selbst, für das Reich und Europa als so kostbar erkannte Freundschaft des waffenmächtigen Brandenburg zu gewinnen, schlug er vor, dieses möge über den Ausgleich durch eine besondere Gesandtschaft in Wien ver- handeln, — ein treffliches Mittel, um des Kurfürsten Absichten in Paris zu verdächtigen! Allein dieser ging nicht in die plumpe Falle ; er verweigerte entschieden die Abschickung einer Spezialgesandtschaft nach Wien, überhaupt jeden Ausgleich auf Grund einer Geldentschädigung, forderte sein Fürstentum und nichts anderes. Die hartnäckige Rechtsverweigerung seitens

^ Berichte Lambergs; ü. u. A., XIV, 11.

' Mb. Chi&ierte Depeschen Ilgens yom 22./25. März, sowie Ms. Kurf. an d'Espence, 6./16. April 1680; Berlin, a. a. 0., 19 A. B, und Eep. LXm, 2.

278 Siebentes Buch.

des Kaisers erfüllte ihn von neuem mit Abneigung und Verdacht gegen das Reichsoberhaupt.

Ebensowenig wie die Streitigkeiten mit dem Kaiser wurden die mit den Niederlanden wegen der Subsidien beigelegt. Wenn auch die Ansprüche des Kurfürsten auf die Hilfsgelder seit 1676 streitiger Natur waren, blieb es doch unerträglich, dafs einige Provinzen, wie Zeeland, selbst die Zahlung der von ihnen bis 1676 geschuldeten Summen verweigerten. Die Stimmung wurde auf beiden Seiten immer gereizter, zumal seitdem die Hochmögenden die Zurückerstattung des den Spaniern von der brandenburgischen Flotte abgenommenen „CarolusII." verlangten und sich den Kolonialplänen des Kurfürsten widersetzten \

Gerade die spanische Sache stand seit Mai 1680 im Vorder- grunde von Friedrich Wilhelms Interesse. Er erbat Hilfe von Frankreich, wenn er, wegen seiner Repressalien zur See, von Spanien angegriffen werde. Ludwig XIV. sagte ihm solche bereitwillig zu, welch glänzender Gegensatz zu der mifs^ günstigen Haltung der Niederlande! Nicht nur gegen Spanien, nein, gegen jeden Staat, der sich dessen tätlich annehmen werde, verhiefs der König seinen Beistand. Er befahl dem Gouverneur seiner Seeplätze, die kurfürstlichen Kriegsschiffe mit aller er- denklichen Begünstigung aufzunehmen. Er erkannte die Recht- mäfsigkeit der brandenburgisohen Kapereien um so geflissent- licher an, je schärfer sich Holländer und Briten über solche aussprachen. Kein Wunder, dafs Friedrich Wilhelm sich immer enger an Frankreich anschlofs, dafs er, zum Zeichen per- sönlicher Freundschaft, dessen Monarchen einen kostbaren, aus Bernstein gefertigten und mit Kristallspiegeln versehenen Toilettentisch verehrte ^.

Und inzwischen war in dem beweglichen Geiste Friedrich Wilhelms ein neuer Plan, eine neue lockende Hoffnung ent- standen : mit Hilfe seines französischen Alliierten den wichtigsten Wunsch seines Lebens, den der Vertreibung der Schweden aus Pommern, ausführen zu können. Die Beziehungen zwischen Paris und Stockholm waren tatsächlich immer ungünstiger ge- worden.

1 U. u. A., III, 568 ff.

* Ms. Korrespondenz zwischen Berlin und Paris, Mai bis Nov. 1680; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 19 D. 21 A.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Bas französisclie Bündnis. 279

Johann Gyllenstiema war durch einen frühen Tod seiner glänzenden Tätigkeit entrissen worden (Juni 1680), aber nicht ohne seine Grundsätze -- Stärkung der königlichen Macht auf Kosten des Adels, Erhöhung der Einkünfte des Staates durch Wiedereinziehung der vom Adel geraubten Domänen und Bezüge, volle Unabhängigkeit nach aufsen dem jungen Könige ein^ geprägt zu haben. Dieser wählte zu seinem hauptsächlichen Ratgeber den viel erfahrenen, ebenso verschlagenen wie beharr- lichen und arbeitsfreudigen Grafen Bengt Oxenstierna, einen alten Gegner der französischen Partei; de la Gardie, deren Fahrer, wurde jedes Einflusses beraubt. Freilich gab Oxenstierna den kühnen Plan seines Vorgängers, eine neue skandinavische Union zu schaffen, auf. Allein er vertrat dafür die Ansicht, Schweden müsse im Bunde mit dem Kaiser, England und Holland die Freiheit Europas gegen die universalmonarchischen Entwürfe des übermächtigen Frankreich schützen. Er begann sofort mit den General Staaten zu unterhandelnd Infolgedessen wies er jeden Versuch zu einem erneuten Bündnis mit Frank- reich kühl zurück, zur grofsen Kränkung des Allerchrist- lichsten Königs. Im November 1680 erklärte er dem französi- schen Gesandten Feuquiferes dem Vater R6benacs ganz offen, dafs Schweden weit beträchtlicheren Nutzen aus dem An- schlufs an die franzosenfeindliche Partei oder mindestens aus der Neutralität ziehen werde als aus einer Allianz mit Frank- reich *.

Friedrich Wilhelm folgte diesen Vorgängen mit Aufmerk- samkeit und wachsenden Hofihungen. Seit August 1680 drängte er Röbenac zum Abschlüsse eines neuen, engeren Bündnisses, angeblich ,,um sich gegen die Umtriebe des Kaisers zusichern", in Wahrheit um Schweden angreifen zu können. Er war, nach seiner Art, Feuer und Flamme für diesen Plan, obwohl solchem die Minister ausnahmslos kühl und bedenklich gegenüberstanden^. Sie fürchteten üble Folgen aus unbedachtem und überstürztem Handeln, während Friedrich Wilhelm, trotz Alters und Krankheit, sich schon wieder an der Spitze seiner wohl geübten Regimenter vor Stettin und Stralsund erblickte. Der französische Gesandte

» Carlson, V, 44ff.

' Feuquiöres, Lettres, V, 177. 183. 185. 203. 208.

' Prutz, 347 (Depeschen Bebenacs).

280 Siebentes Buch.

ging mit anscheinendem Eifer auf diese Unterhandlungen ein. Galt es doch, die ,, verbrecherischen^ Machinationen in und aufser dem Reiche wider die „friedlichen^ Absichten Frankreichs zu vereiteln ! Es mufs verwunderlich gewesen sein, wie R6benac, Jena und Meinders sich bei solchen Worten ohne Lachen an- sahen. Die Ziele des Kurfürsten waren ja ganz andere. Er will gröfsere Subsidien erhalten, um eine starke Armee auf- stellen zu können. Der König soll ihm bei passender Gelegen- heit bewaffnete Hilfe zur Eroberung Jftgerndorfs leisten. Er soll ihn gegen Spanien unterstützen. Das neue Verteidigungs- bündnis soll sich nicht auf den Fall eines feindlichen Angrifiis beschränken; schon ein blofser „Affront'' seitens eines fremden Staates mufs den casus foederis bilden. Denn die Hauptabsicht ist gegen Schweden gerichtet Um Frankreich hierfür zu ge- winnen, ist Friedrich Wilhelm bereit, selber eine gröfsere Anzahl von Truppen zu stellen, als man von ihm verlangt: die H&lfte deijenigen, zu der sich der König erbietet ^

So gedachte der Kurfürst Frankreich als Werkzeug seiner Pläne zu benutzen. Das Unglück war nur, dafs Ludwig XIV. seinerseits Brandenburg lediglich als seinen Diener zu behandeln entschlossen, und dafs er der Stärkere war. Er wollte wohl etwas höhere Subsidien gewähren, als der Vertrag vom 25. Oktober solche festgesetzt hatte, aber bei weitem geringere, als man in Berlin forderte: Brandenburg sollte eben in Abhängigkeit er- halten werden. R6benac suchte die Pille zu versüfsen : für den Notfall dürfe man auf die „Generosität" seines Königs zählen ; an diesem Punkte der Subsidien werde der Kurfürst ein „so heilsames und nützliches Werk" doch nicht „accrochiren" lassend In der Tat, Friedrich Wilhelm mufste nachgeben. Er war von der Besorgnis erfüllt, Schweden könne ihm doch noch bei Frankreich zuvorkommen. Als R^benac ihm hiermit drohte und die Unterzeichnung bis zum folgenden Tage verlangte, wich der

^ Ms. Jena u. Meinders an Kurf., 4. Sept., £urf. an Jena u. Meinders, 7. Sept., Fuchs an Jena, 24. Okt. 1680^ Berlin, G-eh« Staatsarcliiy, XI, Frankr. 19 D.

' Ms. Spanheim an Kurf., 18./23. Sept. (a» a. O. 21 A), Jena und Meinders an Eurf., 28. Okt. 1680 (Berlin, Geh. Staatsarchiv, XLm, 2). Prutz, 848 f. Im Berliner Geh. Staatsarchiv befinden sich sehr um- fassende Auszüge aus K^benacs Depeschen, im Pariser Auswärtigen Ministerium angefertigt. Ich werde sie hier stets mit (B.) anfahren.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französiBche Bündnis. 281

Kurfürst in der Subsidienfrage zurück. Von unerträglichen Gichtschmerzen gepeinigt, die ihm das Schreiben beinahe un- möglich machten, befahl er seinen Kommissaren, abzuschliefsen (13. November 1680). Am 20. November ging ein Kurier mit dem neuen Vertragsentwürfe nach Paris ab.

Nicht nur auf seine Unabhängigkeit, auch auf seine schwedischen Pläne hatte der Kurfürst einstweilen verzichten müssen, da Frankreich von solchen nichts hören wollte. Es liefs ihn sich mit Projekten eines Angrifis auf das spanische Geldern amüsieren, suchte ihn aber vor allem auf den Kaiser zu hetzen. Gegen diesen sollte er Vergröfserung suchen, sich Schlesiens und Mährens bemächtigen. Wie weit war Friedrich Wilhelm durch die „Freundschaft" mit Frankreich aus den alten und natürlichen Bahnen seiner Politik getrieben!

Und doch fand er keinen Halt mehr auf dem einmal ein- geschlagenen Wege. Der Prinz von Oranien war am 17. Ok- tober nach Potsdam gekommen, wo er allerdings eine glänzende Auf- nahme fand, indes nichts Wesentliches erreichen konnte. Sein Oheim versprach sich mit Recht von einer neuen europäischen Ko- alition gegen Frankreich keinen Erfolg, solange England in seiner zweideutigen Haltung verharre. Die günstige Wirkung, die Oraniens Anwesenheit immerhin hätte üben können, wurde durch die eben damals von den Generalstaaten getroffenen feindseligen Mafsnahmen gegen die brandenburgischen See- und Kolonial- unternehmungen zunichte gemacht. Friedrich Wilhelm konnte nur mit Mühe von Akten offener Gegnerschaft zurückgehalten werden. Die Niederländer, die ihn nicht zum Äufsersten treiben wollten, mäfsigten in etwas die Plakate, durch die sie alle ihre Untertanen von den kurfürstlichen Schiffen abberufen hatten. Allein die Verstimmung blieb in Berlin herrschend ; man versah sich dort von den Vereinigten Provinzen keiner Gunst. Unver- richteter Sache verliefs der Prinz das brandenburgische Hof- lager*.

Ebensowenig gelang es Lamberg, den Kurfürsten auch nur für einen Beitrag zur Reichskriegskasse zu gewinnen, die der Kaiser und seine Anhänger in Deutschland zu bilden beabsichtigten. Er wolle sich nicht zum Sklaven machen lassen, erklärte er, und man habe ihn am kaiserlichen Hofe „auch sonsten also

> U.U. A., ni, 589 ff., XIV, 967 ff. Das Folgende nach XIV, 969 ff.

282 Siebentes Buch.

traktiret", dafs er keine Ursache habe, auf solche Vorschläge einzugehen. Das Äufserste, wozu er sich herbeiliefs, war die Versicherung, er werde sich den Beschlüssen der Mehrheit des Reichstages nicht widersetzen und überhaupt nicht vom Reiche lossagen. Allein nur um so nachdrücklicher forderte er vom Kaiser Jägerndorf und von dessen spanischen Verwandten die Bezahlung der noch geschuldeten Subsidien oder eine entsprechende Abtretung im belgischen Gelderlande.

Denn darauf ging nunmehr seine Absicht. Alter und Krank- heiten hatten den feurigen Sinn und die Unternehmungslust dieses merkwürdigen Fürsten nicht zu schwächen vermocht; er war wie ein mutiger, selbstvertrauender, der Zukunft sicherer Jüngling. Da er seine Entwürfe auf Schwedisch-Pommem ver- tagen mufste, da der Kaiser ihm Jägemdorf vorenthielt, gedachte er sich des spanischen Geldern zu bemächtigen. Eine Anzahl Regimenter wurde nach Kleve in Marsch gesetzt. Er wünschte dringend, dafs Spanien seine Drohung wahr mache und die Wegnahme des „Garolus 11.^ durch einen Einfall in das Klevische räche. Er wolle, rief er aus, zehntausend Taler demjenigen geben, der ihm zuerst die Nachricht von dem Erscheinen spanischer Reiter in seinem Gebiete überbringe *. Mit Frankreich als Ver- bündetem gedachte er dann Eroberungen in Belgien zu machen.

Ludwig XIV. war mit dem Gange der Dinge sehr einver- standen: er hatte Brandenburg dahin geführt, wo er es hatte haben wollen, in Gegnerschaft nicht zu Schweden, sondern zu den Habsburgem. In Paris, schreibt Spanheim am 11. De- zember 1(380 dem Kurfürsten, ist man „mit Eurer Hoheit ganz aufserordentlich zufrieden und hofft auf ein immer engeres Ver- hältnis"*. Der König billigte den in Berlin verabredeten Geheimvertrag, der am l./U. Januar 1681 zu Colin an der Spree von R^benac, Jena und Meinders unterzeichnet wurde'.

Das Bündnis wurde auf zehn Jahre abgeschlossen. Es sollte keine gewöhnliche Defensivallianz sein, sondern der Aus- druck vollkommener Vertraulichkeit zwischen den beiden ab- schliefsenden Herrschern. Wenn einer der beiden Verbündeten nicht nur in seinen Besitzungen angegriffen wurde, sondern auch in seinen Rechten, Gerechtsamen und Ansprüchen, mochte er die

1 Prutz, 349.

« Sein Wortlaut bei Mörner, 708ff.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis 283

Hilfe des anderen anrufen (Artikel 4). Und dabei durfte der um Beistand Angerufene durchaus nicht untersuchen, ob der Anrufende recht oder unrecht habe, ob er den Streit herbei- geführt habe oder nicht (Artikel 5). Diese Bestimmungen hatten in den Augen der französischen Staatslenker den Zweck, den Kurfürsten auch zur Verfechtung aller der Reunionen zu ver- pflichten, die sie auf Kosten ihrer Nachbarn bereits gemacht hatten oder noch zu verwirklichen gedachten. Allein es ist eine ganz falsche Auffassung, wenn man behauptet hat, Fried- rich Wilhelm habe sich hier ausschliefslich zum Diener der französischen Gewaltpolitik mifsbrauchen lassen. Vielmehr war es seine Absicht, auch seinerseits sich auf jene Artikel zu berufen, wenn es galt, seine Ansprüche auf Jägern dorf, Ost- friesland, das spanische Geldern zu verwirklichen. Das lag ja seiner ganzen damaligen Politik, seinem Anschlüsse an Frankreich zu Grunde. Ausdrücklich setzte der 20. Artikel fest, dafs der König ihn in seinen Repressalien gegen Spanien verteidigen solle wider jeden, der ihn deshalb feindlich behandeln werde; und der 7. Separatartikel, dafs, nach dem kinderlosen Hinscheiden des Prinzen von Oranien, Se. Majestät den Kindern des Kur- fürsten aus erster Ehe zu der ihnen von Rechts wegen zukommen- den oranischen Erbschaft zu verhelfen habe. Die Erfahrungen, die Friedrich Wilhelm in dem jüngstvergangenen Kriege gemacht, haben zweifellos zu der Einfügung des siebenten Artikels des Hauptvertrages geführt, der den Verbündeten auf jeden Fall eine Entschädigung für die aufgewandten Kosten und Mühen des Krieges zusicherte. Und wenn der 6. Artikel bestimmte, dafs der um Hilfe Angegangene zwar nicht die Pflicht, wohl aber das Recht habe, den Gegnern des ihn Anrufenden direkt den Krieg zu erklären, so ging auch das auf den Wunsch Friedrich Wilhelms, eventuell auf Kosten des Kaisers, Spaniens oder Schwedens seinen Landbesitz zu vergröfsem. Endlich sagte der Vertrag dem Kurfürsten französische Hilfsgelder in der Höhe von jährlich 100000 Talern anstatt wie bisher 100000 Livres, also das Dreifache zu.

Dagegen kam es nur Frankreich zu gute, wenn der Kur- fürst sich jetzt auf den Boden des Nymweger Friedens stellte, gegen den er bislang protestiert hatte; und wenn er versprach, sein Land jedem Durchzuge seitens gegnerischer Truppen oder der Werbung für diese zu verschliefsen.

284 Siebentes Buch.

Die Höhe der gegenseitigen militärischen Hilfeleistung wurde auf 4000 Reiter, 8000 Fufsgänger und 1200 Dragoner seitens Frankreichs festgesetzt, seitens Brandenburgs auf die Hälfte: doch sollte sie erforderlichenfalls verdoppelt oder sogar verdrei- facht werden. Die Gewinnung weiterer Bundesgenossen wurde als wünschenswert bezeichnet, besonders die Dänemarks, des alten Alliierten, mit dessen Hilfe der Kurfürst die Schweden zu bekämpfen gedachte.

Der Vertrag wurde also gleicherweise den Wünschen beider abschliefsenden Fürsten gerecht. Man dürfte nicht sagen, dafs er an sich für Frankreich vorteilhafter gewesen als für Branden- burg; eher ist das Gegenteil der Fall. Allein tatsächlich gibt bei dergleichen Abkommen die gröfsere Macht den Ausschlag dafür, wer aus ihnen den bedeutenderen Nutzen zieht. Und da sollte Friedrich Wilhelm bald erfahren, dafs sein gewaltiger Alliierter nicht gewillt sei, ihm die versprochenen Vorteile wirklich zu gewähren, sondern solche nur für sich selbst ein- zuheimsen. Das Bündnis verlieh dem Brandenburger wohl Schutz gegen seine Feinde, einen wirklichen Gewinn hat es ihm nicht verschafft, sondern nur den Franzosen.

Der neue Vertrag wurde, ebenso wie der alte vom 25. Ok- tober 1679, streng geheimgehalten. Sogar Spanheim ei*fuhr davon zunächst nur gerüchtweise^. Um so eher konnten der Kurfürst und seine Minister diese zum Teil in gutem Glauben das Bündnis bestimmt in Abrede stellen.

Dem Wunsche Frankreichs entsprechend versöhnte der Kur- fürst sich mit dem hervorragendsten der Braunschweiger Herzoge, Ernst August von Hannover, mit dem er wenige Tage später ein Verteidigungsbündnis schlofs. Doch wurde darin ausdrücklich festgesetzt, dafs die Hilfeleistung nur für den Fall stattfinden solle, dafs der angegriffene Kontrahent nicht selber den Kampf verschuldet habe. Eine ähnliche Allianz kam am 18. April 1681 zu Finsterwalde zwischen Kurbrandenburg und Kursachsen zu Stande'. Der seit wenigen Monaten hier herrschende Johann Georg III., ungleich seinem Vater ein kräftiger, das Soldaten- tum liebender Regent, war voll guten Willens, sich mit dem

^ Ms. Spanheim an Kurf., 3. Jan. 1681; Berlin, Oteh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 21 B. Bald darauf wurde er ihm jedoch mitgeteilt. > Beide Verträge Mörner, 422 ff.

Dreiundvierzigstes Kapitel. Bas französische Bündnis. 285

brandenburgischen Nachbar freundlich zu stellen, und hatte ihn in Begleitung seiner öemahlin und des Prinzen Christian in Potsdam aufgesucht. Freilich, jene Allianzen Tiaren mehr platonischen Wesens und hatten auf die vorliegenden Streitfragen keinen Bezug. ,,Sie taugen nicht so viel wie eine Bohne,*' sagte Jena verächtlich ^

Der sechste Separatartikel des französisch-brandenburgischen Vertrages verhiefs dem Kurfürsten den Beistand Frankreichs, wenn jemand ihn oder seinen zweiten Sohn Ludwig in dessen Vermählung mit der Prinzessin Luise Charlotte Radziwill oder dem Besitze ihres reichen Erbes beeinträchtigen wolle. Diese Bestimmung richtete sich hauptsächlich gegen das polnische Königspaar, das seinem eigenen Sohne Jakob durch Heirat oder einen mit rechtlichen Formen umkleideten Raub die ungeheuren Radziwillschen Güter zu verschaffen wünschte (vgl. oben, S. 31 f.)- Als Markgraf Ludwig die Prinzessin geehlicht, zeigte sich König Johann Sobieski zunächst sehr ungebärdig und drohte mit Krieg. Allein die französische Regierung verfehlte nicht, ihn mit einem kalten Wasserstrahl zu beruhigen, und da überdies ein Türken- krieg drohte, zerflatterten die Rachepläne des polnischen Königs bald in nichts; er wagte es nicht einmal, dem Prinzen Ludwig das zum Besitze der polnischen Güter seiner jungen Gattin not- wendige Indigenatsrecht zu versagen'.

Das war immerhin eine günstige Wirkung der französischen Freundschaft. Aber weit wichtiger erschien sie dem Kurfürsten im Hinblick auf die nordischen Verhältnisse , wo ihm der Er- oberungskrieg gegen Schweden als stetes Ziel seiner Wünsche vor Augen schwebte. Zu diesem Behufe arbeitete er unaus- gesetzt auf eine brandenburgisch -französisch -dänische Tripel- allianz hin, die Schweden in die ungünstigste Lage bringen mufste^. Der dänische Gesandte in Paris, Hoeg, erhielt von seiner Regierung den Auftrag, in gleichem Sinne tätig zu sein. Auch Croissy , der ja Friedrich Wilhelm überhaupt zum eigent- lichen Pfeiler der französischen Politik in Deutschland und dem

1 U. u. A., XrV, 988. 994.

* Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 21 B. Feuquiöres, V, 228. U. u. A., n, 588, XIV, 991.

' Über dies. Verhandlungen die Ms. Korrespondenz des KnrfOrsten mit Spanheim, Jan. bis Mai 1681 ; Qteh. Staatsarchiv, a. a. 0. ü. u. A., m, 604.

286 Siebentes Buch.

Norden zu machen gedachte, schon -weil ihm, im Hinblick auf die zukünftige Kaiserwahl, ein einflufsreicher KurfQrst wichtiger erschien als Schweden, war dem Abschlüsse eines solchen Drei- bundes geneigt. Aber sein König war anderer Ansicht : er wollte Schweden, den langjährigen Alliierten Frankreichs, nicht geradezu in die Arme von dessen Feinden treiben, zu Gunsten des Branden- burgers, dessen innerliche Abneigung gegen Frankreich er wohl kannte, und auf dessen Treue im entscheidenden Augenblick er keineswegs zählte. Er verlangte also, dafs auch Schweden in den nordisch-französischen Bund aufgenommen werde ; und unter seiner Einwirkung änderte Dänemark gleichfalls die Haltung. Der Kurfürst war über die drohende abermalige Vereitelung des Hauptzieles seiner Politik entrüstet : mit Schweden , schrieb er an Spanheim, werde er keinesfalls in eine Allianz eintreten. Darin vermochte ihn auch die Ankunft eines dänischen Gesandten, Buchwald, in Berlin nicht irrezumachen, der ihn bereden wollte, sich dem 1680 eingegangenen dänisch -schwedischen Bündnisse anzuschliefsen.

So trat, schon wenige Monate nach dem neuen Geheim- vertrage, eine gewisse Spannung zwischen Brandenburg auf der einen, Frankreich und Dänemark auf der anderen Seite ein. Sie wurde indes durch die Gestaltung der allgemeinen europäischen Verhältnisse wieder beseitigt.

Frankreich hatte seine Raubpolitik mit einer durch die offenbare Wehrlosigkeit seiner Opfer erhöhten Kühnheit fort- gesetzt. Auf Grund der von den Reunionskammern von Metz, Breisach und Besannen gefällten angeblichen Urteile bemächtigte es sich des gröfsten Teils des spanischen Herzogtums Luxemburg, der dem Prinzen von Oranien gehörigen Grafschaft Chiny, der württembergischen Grafschaft Mömpelgard, eines Teiles der Rheinpfalz, der Gebiete von Salm, Saarbrücken und Sponheim, von Veldenz und Lützelstein ; es beanspruchte endlich die Ober- hoheit über das dem Könige Karl XI. untertane Herzogtum Zweibrücken. Das von diesen Gewalttaten hauptsächlich betroffene Deutsche Reich aber litt unter tiefgehender Spaltung. Brandenburg, die Braunschweiger Herzoge, Köln und Münster bildeten eine förmliche französische Partei, zu der auch Bayern neigte. Österreich konnte jetzt auf Sachsen, Trier, Mainz, sowie die kleineren geistlichen und weltlichen Fürsten zählen, deren Stimmen ihm eine, freilich in den Tatsachen ziemlich wirkungslose

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 287

Mehrheit auf dem Regensburger Reichstage verschafften. Georg Friedrich von Waldeck, seit einem Jahrzehnt in niederländischen Diensten, hatte eine Anzahl dieser Kleinfttrsten und Dynasten in Westdeutschland, dazu die Landgrafen von Hessen, die Bischöfe von Bamberg und Würzburg, den Herzog von Gotha, sowie den Fürstabt von Fulda zu einer reichspatriotischen „Union armierter Stände^ vereint. Mehrere andere Fürsten endlich waren zur Neutralität entschlossen ^ Der Kaiser seiner- seits hatte im Sommer 1681 eine Reform der Reichskriegs- verfassung in Regensburg durchgesetzt, die wirklich die militärische Kraft des Reiches bedeutend verstärkt haben würde, wenn man nur ihrer Ausführung sicher gewesen wäre. Allein dazu war nur geringe Aussicht. Es war ein schlimmes Zeichen, dafs gerade der mächtigste Fürst, Friedrich Wilhelm von Branden- burg, sich der Stärkung der deutschen Wehrkraft auf das ent- schiedenste widersetzte. Er wünschte jedem Reichsstande das Recht und die Pflicht zu wahren, „sich nach seinem besten Vermögen selber in Positur zu setzen". Er wollte zumal von einer gemein- samen Reichskriegskasse, die doch eine unentbehrliche Grund- lage jeder ernsthaften Reichsarmee bilden mufste, nichts wissen, da hierdurch die Gewalt des Kaisers über Kurfürsten und Stände allzusehr verstärkt werde. Sein Groll über Leopold und die diesem getreue Reichstagsmehrheit trug damals über jede patriotische Regung den Sieg davon. Hier ist doch nicht mehr von klugen politischen Erwägungen, die im Grunde das wahre Interesse Deutschlands verfolgt hätten, sondern nur von Ab- neigung, Schadenfreude und Selbstsucht die Rede, die wenn auch nur momentan das tief verwundete Gemüt Friedrich Wilhelms beherrschten und ihn Deutschlands Kraft und Ansehen absichtlich herabwürdigen liefsen. Sein Gesandter in Regens- burg, Friedrich von Jenas Bruder Gottfried, arbeitete den kaiser- lichen Vorschlägen beharrlich entgegen. Kein Wunder, dafs die französische Regierung ihre volle Befriedigung über die Haltung Brandenburgs am Reichstage aussprach*. In seiner Verzweif- lung hatte Österreich im April 1681 dem Kurfürsten ein Sonder- bündnis angetragen, bei dem dessen reichsrechtliche Bedenken ja keine Statt fanden; natürlich war der Vorschlag sofort mit

* Fenquiferes, V, 231ff. Erdmannsdörffer, 666. ' Ms. Spanheim an Kurf., 6. Juni 1681.

288 Siebentes Buch.

Entschiedenheit abgelehnt worden ^ Auch das durch die französischen Raubtaten plötzlich von aller Rachsucht gegen Friedrich Wilhelm geheilte Spanien katte ihm den belgischen Baron von Autel mit einem Hilfegesuch zugesandt, be- greiflicherweise mit dem gleichen Mifserfolge '. Die Habsburger mufsten in dem Kurfürsten von Brandenburg ihren ausgesprochenen Gegner erblicken.

Das Bündnis mit dem Reichsfeinde wurde freilich dem Kur- fürsten immer lastender, je rücksichtsloser und kecker Ludwig in der Beraubung des deutschen Besitzstandes vorging. Es wurde bald klar, dafs er auch das Kleinod des Oberrheins, Strafsburg, ins Auge gefafst hatte. Die Erbitterung in Deutsch- land gegen den übermütigen Gewaltherrscher an der Seine wuchs derart, dafs dieser es für gut hielt, einen Kongrefs in Frank- furt vorzuschlagen, um sich gütlich mit dem Reiche auseinander- zusetzen. Das deutsche Gemüt Friedrich Wilhelms und sein Selbsterhaltungstrieb konnnten sich endlich diesen Stimmungen nicht mehr entziehen. Gehörten doch die Grafschaften Sponheim und Chiny zu der oranischen Erbschaft, deren Anheimfall an seinen Sohn zu bewirken Ludwig XIV. in dem jüngsten Vertrage aus- drücklich versprochen hatte. Auch die täglich grausamere Be- drückung seiner Glaubensgenossen in Frankreich schmerzte den frommen Fürsten tief. Er richtete, obwohl in achtungsvoller Weise, bewegliche Vorstellungen an den AUerchristlichsten König. Warum, sagten zugleich seine Minister dem Grafen R6benac, werde man nicht eines Tages auch Magdeburg und Berlin fordern ? Der Gesandte wie sein Hof begannen ernstlich an der Fortdauer des guten Willens des Kurfürsten zu zweifeln'. Es mufste ein gewaltiger Anstofs von aufsen kommen, um diesen bei dem französischen Bündnisse festzuhalten.

Aber dieser Anstofs kam.

Karl XL von Schweden war unter dem Einflüsse Bengt Oxenstiemas immer entschlossener in das Lager der Feinde

^ Die österreichisch -brandenburglBolien Beziehungen in der ersten Hälfte des Jahres 1681 werden durch die Aktenstacke ü. u. A., XIY, 982 ff. hinreichend erläutert.

* Ms. Instr. an Autel, 19. März 1681 (Kopie); Berlin, Geh. Staats- archiv, Eep. XCIV, IV Hb.

» Ms. Kurf. an Spanheim, 6. Sept. 1681. Feuquiires, V, 247f. U. u. A., ni, 607. Prutz, 240f. 352f.

Dreinndvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis. 289

Frankreichs übergegangen ^ Es umgaben ihn nur noch Gegner dieses Staates. Die schwedischen Diplomaten arbeiteten aller- orten gegen die französischen Interessen, im Anschlüsse an die Vertreter des Kaisers und der Niederlande. Sie suchten eine grofse europäische Koalition zur Verteidigung gegen Frankreich zu Stande zu bringen, namentlich ein Bündnis mit England und den Niederlanden hierfür zu schliefsen. Alle Gegenbemühungen Frankreichs, den Schwedenkönig durch Erbieten reicher Hilfs- gelder wieder auf seine Seite zu bringen, blieben fruchtlos. Die Einziehung Zweibrückens als französischen Lehens und dessen Übertragung auf einen anderen Zweig des Pfälzer Hauses empfand Karl XI. vielmehr als eine persönliche Kränkung. So ging er, nach längerer Vorbereitung, am 10. Oktober 1681 wenigstens mit den Generalstaaten auf zwanzig Jahre hin den „Assoziationsvertrag*' ein, zur Aufrechterhaltung des West- fälischen und des Nymweger Friedens mit bewafiheter Hand, also zur Abwehr der Gewalttaten, die Frankreich gegen jene Verträge bereits unternommen hatte und noch beabsichtigte. Der Assoziationsvertrag war von vornherein dazu bestimmt, alle von der Übermacht und Raubgier Ludwigs XIV. bedrohten Staaten zu vereinigen; er bildete den Kern, um den sich die grofse europäische Freiheitsliga kristallisieren sollte.

Damit war eine Sachlage geschaffen, die in ihrer Gegen- wirkung Frankreich wieder enger an Brandenburg anschliefsen mufste.

' Feuquiferes, V, 240. 251. 2Ö9ff. 267. Carlson, V, I69ff.

Phi lipp 8 on, Der Grofse Kurfürst. III. 19

Vierundvierzigstes Kapitel.

Der Anschlag auf Schweden.

Der 30. September 1681 war der Tag, an dem Frankreich im Angesichte des entrüsteten und entsetzten Europa kühn seine Hauptschl&ge gegen das Völkerrecht und die universale Frei- heit führte: am Rhein nahm es Strafsburg, in Oberitalien das überaus feste Gasale in Besitz, es streckte seine mächtigen Hände zu gleicher Zeit nach der Herrschaft über Deutschland und über die Apenninenhalbinsel aus. Das war ein furchtbarer Augenblick für alle, die noch ein Herz für nationale und religiöse Freiheit besafsen. Wie schmerzliche Empfindungen mufsten da das Gemüt Friedrich Wilhelms bewegen, der neun Jahre zuvor als erster das Schwert für diese Freiheit gezogen hatte!

In der Tat, Ludwig XIV. mifstraute seinem früheren Giegner auf das tiefste ; er setzte voraus, die Wegnahme von Strafsburg, auf die er den Kurfürsten in keiner Weise vorbereitet hatte, werde diesen Herrscher vollends zu seinem Gegner machen. Hatte er doch erst vor kurzem ihm versprochen, während der Dauer der Frankfurter Friedenskonferenzen würden die Reunions- kammem ihre Tätigkeit einstellend Am 8. Oktober suchte er in einem Schreiben an R^benac seine Tat zu rechtfertigen die Hauptstadt des Elsafs müsse nun einmal mit diesem Lande dem Könige gehören, sonst würde sie von lothringischen Truppen besetzt werden und verlangte zugleich eine offene Erklärung des Kurfürsten, wie er sich jenem Ereignisse sowie dem kaiser- lichen Proteste gegenüber zu verhalten gedenke. Davon hingen

^ Ms. Depeschen Röbenacs vom Juli 1681 (B).

Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 291

dann Frankreichs zukünftige Beziehungen zu Brandenburg ab^ Zugleich mit dieser ernsten, fast drohenden Anfrage kam aber eine Meldung Spanheims, dafs Croissy den Kurfürsten mit grofsen Lobsprüchen bedenke, dafs der französische Minister behaupte, nur um Brandenburgs willen schliefse man mit Schweden nicht ab was aber der Wahrheit durchaus widersprach , und dafs der König selber die Auszahlung der fälligen Subsidienrate anbefohlen habe '. So richtete der Minister in höchst geschickter Weise, ohne sich irgendwie zu binden, das Auge des Kurfürsten auf Schweden.

Mit vollem Erfolge. Friedrich Wilhelm erschien es bei reiflichem Nachdenken um so weniger möglich, Frankreich zu bekämpfen, als Kaiser und Reich durch die Ungarn und Türken auf das schwerste bedroht waren ^. Er meinte, man müsse nur retten, was noch zu retten sei. Freilich gab er zunächst seiner Trauer über die mafslosen und die Zukunft bedrohenden Annexionen Frankreichs Ausdruck , allein er betonte dabei hauptsächlich die Schwierigkeiten, in die er selber mit seinen französischen Be- ziehungen, dem gerechten patriotischen Ingrimm Deutschlands gegenüber, gerate. Und als R6benac ihn auf Schweden verwies, „da warf er sich auf Pommern und eroberte es in seiner Rede ebenso leicht, wie er es wirklich tun könnte, wenn er es unter* nähme und dabei von Sr. Majestät von Frankreich unterstützt würde** *. Er erklärte sich bereit , auch nach der Besetzung Strafsburgs den Frieden im Reiche aufrechtzuerhalten; dafür solle der König seine Rechte und Absichten gegen den gemein- samen Feind, Schweden, begünstigen. Der Gegensatz, der sich zwischen Paris und Stockholm herausgestellt hatte, genügte, um den Kurfürsten bedingungslos dem französischen Interesse zuzuwenden, als dem einzigen, von dem er solide Vorteile zu erwarten habe. „Wenn unser König," so schreibt R6benac seinem Vater Feuquiöres, dem Gesandten in Stockholm, „mir Vollmacht zum Abschlüsse gibt, mache ich mich anheischig, den Kur- fürsten inmitten Schwedisch - Pommerns zu bringen, bevor zwei Monate verflossen sind."^ Drei Tage, nachdem die Nachricht

' Prutz, 853.

Ms. Spanheim an Kurf., 3. Okt. 1681.

Ms. Depeschen R^benacs vom Ende Sept. 1681 (B). * Dep. E6benacs vom 15. Okt. 1681; Prutz, 353 f.

» Peuquiires, V, 259. 267 ff.

19*

292 Siebentes Buch.

von der Einnahme Strarsburgs nach Berlin gekommen war. schenkte Friedrich Wilhelm dem Grafen R6benac einen kost- baren, mit Diamanten besetzten Degen, um, wie er sagte, nauch in Kleinigkeiten zu zeigen, dafs durch das Vorgefallene seine Gesinnung gegen Ludwig XIV. und seine Freundschaft für den Gesandten nicht verändert seien**. „Das sind die Steine, mit denen man mich hier bewirft,** ruft R6benac in höhnendem Jubel aus^

Niemand hat sich tiefer vor Frankreich gedemtttigt, niemand Deutschlands Ehre und Unabhängigkeit nichtachtender behandelt, als es damals der Grofse Kurfürst tat, um an seinem ungetreuen ehemaligen Verbündeten Vergeltung zu üben und um seinem Staate die von ihm als notwendig betrachtete Abrundung an der Ostseeküste zu verschaffen. Es liegt etwas Tragisches in der Stellung, die hier der greise Fürst einnehmen zu müssen glaubte, und die doch seinem wahren Empfinden, den Über- lieferungen seines ganzen Lebens und den bleibenden Interessen seines Staates widersprach. Würde er wenigstens die gehoffteu greifbaren Vorteile aus ihr ziehen?

Freilich, die übrigen Beichsstände und ihr Oberhaupt erschöpften sich lediglich in patriotischen Zomesphrasen und diplomatischem Scheingefecht. Es war nicht unrichtig, wenn der Kurfürst ausrief: „Es wäre nunmehr Zeit, dafs Leopold sich Kaiser zu sein erwiese.**' Aber so rückhaltlos hat sich keiner dem Bäuber in die Arme geworfen wie Friedrich Wilhelm.

Er begründete das gelegentlich selber dem Grafen Lamberg gegenüber: die Mifshelligkeiten und „Jalousien** im Innern des Bömi- schen Reiches; die Unmöglichkeit, den Reichstag zu festen Be- schlüssen zu bringen ; der Mangel am „nervus rerum gerendarum** ; das Fehlen zuverlässiger Hilfe von selten der fremden Mächte ; die Unruhen in Ungarn und der drohende Türkenkrieg, alles das seien Umstände, die einen billigen Friedensschi ufs mit Frankreich ratsamer erscheinen liefsen als einen Krieg, der dem Vaterlande nur neues Unglück bringen werde. Zweifellos ist an diesem Urteil viel Wahres, allein die Gesinnung in Deutschland, Schweden, den Niederlanden war doch derart, dafs damals ein Krieg gegen Frankreich weit bessere Aussichten geboten hätte

» Fcuquieres, V, 265. Prutz, 354.

2 U. u. A., XIV, 1007. Das Folgende nach ebendas. 1011. 1044 f.

Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 293

als 1672 oder 1674, wo der Kurfürst sich heldenmtttig in solchen gestarzt hatte, um die Übermacht und Gewalttätigkeit Lud- wigs XIV. einzudämmen. Und trug er nunmehr nicht selber die Hauptschuld an den Streitigkeiten und am Scheitern einer festen Finanz- und Kriegsverfassung im Reiche? Jene Be- trachtungen geben auch nicht die ganze Denkweise Friedrich Wilhelms wieder. Tief im Herzen safs ihm der Groll gegen den Kaiser, der ihm wie er dem dänischen und dem holländi- schen Gesandten sagte auch jetzt „nichts Solides vorbringe, sondern lauter leere Worte und Vertröstungen, sowohl von ihm selbst wegen Jägemdorf als von Spanien wegen der Satisfaktion ; man wisse auch nicht, wessen man sich auf Se. Majestät zu ver- lassen habe, und scheine es gleichsam, als wäre weder Kaiser noch Römisches Reich mehr vorhanden**. Und zu all diesen negativen Gründen, an Frankreich festzuhalten, kam der positive, mit dessen und seiner Verbündeten Hilfe das schwedische Pommern ganz oder teilweise zu erobern. Wir werden sehen, dafs er hierüber gerade zu jener Zeit mit Dänemark Rück- sprache hielt.

Nach langen Vorverhandlungen wegen lächerlicher Etikette- streitigkeiten begann der Frankfurter Friedenskongrefs endlich im Dezember 1681. In Übereinstimmung mit Brandenburg schlug Frankreich daselbst vor: auf alle weiteren Reunionen zu verzichten, wenn man ihm die bisherigen, mit Einschlufs Strafsburgs, belasse; ja, es wolle dann selbst seine Besitzungen am rechten Rheinufer, namentlich Freiburg, zurückerstatten. Das war offenbar unter den damaligen Umständen eine nicht ungünstige Lösung der Schwierigkeiten, zumal wenn das Über- einkommen nicht als ein endgültiges, sondern nur als ein pro- visorisches, auf eine längere Reihe von Jahren hin bindendes abgeschlossen wurde. Allein der Kaiser wer möchte ihn deshalb schelten? wollte die Beraubung des Reiches in keiner Weise sanktionieren und warb vielmehr mit Eifer um Herstellung eines grofsen Kriegsbundes unter den Reichsständen. I>Yiedrich Wilhelm aber in seiner Verstimmung sah aus solchen Bemühungen nur Unheil erwachsen. Er wolle, sagte er dem kaiserlichen Gesandten, durch das Abkommen mit den Franzosen wenigstens auf einige Zeit das Reich des Ruhestandes versichern, damit inzwischen Anstalten zur Gegenwehr getroffen und die Unruhen in Ungarn beigelegt werden könnten. Er vermochte darauf

294 Siebentes Buch.

hinzuweisen, dafs für den Fall des friedlichen Abschlusses Ludwig XI Y. sogar dem Kaiser 50000 Mann gegen die Türken zur Verfügung stellen wolle. Er sandte seinen Legationsrat von Ruck denselben, der in Spanien gewesen war an die vier rheinischen Kurfürsten, um sie für die Erhaltung des Friedens auf Grund des französischen Vorschlages zu gewinnen (Januar 1682). Ruck fand bei den für ihre Sicherheit besorgten Herren freudige Zustimmung und ebenso ein anderer branden- burgischer Abgesandter, Klamor Busch, in Münster und Kassel. Zwar erschien Herzog Ernst August von Hannover, der kürzlich zur kaiserlichen Partei zurückgekehrt war, in Berlin, um Fried- rich Wilhelm auf diese Seite hinüberzuziehen, er mufste aber ohne jeden Erfolg wieder abreisen, freilich ohne dafs es anderseits dem Kurfürsten geglückt wäre, ihn für die Friedenssache zu gewinnen. Ebensowenig führten Brandenburgs Verhandlungen in gleichem Sinne mit Bayern, durch Gottfried von Jena, und mit Sachsen, durch Meinders, zum Ziele. Beide Staaten erklärten, in Übereinstimmung mit Hannover und den Waldeckschen Ver- bündeten : im gegenwärtigen Augenblicke sei die Sache des Reiches von der des Kaisers nicht zu trennen, und der Er- oberungslust Frankreichs müsse endlich eine Grenze gezogen werden. Bayern stellte ernstliche Rüstungen gegen die Fran- zosen an.

Deutschland war von neuem unheilbar zerrüttet, in eine brandenburgisch-französische und eine kaiserlich-unierte Partei gespalten ^

Man dürfte nicht meinen, dafs Friedrich Wilhelm der Not des Vaterlandes gleichgültig gegenübergestanden hätte. Er ver- hehlte seine Meinung in Paris nicht, dafs die „bei den sogenannten Reunionen und Inkorporationen vorgefallenen Tätlichkeiten und Violationeu denen Münsterschen 'und Nymwegenschen Friedens- traktaten keineswegs konform noch daraus einigermafsen justi- fiziert werden könnten, sondern direkt zuwiderlaufen". Sein Gesandter Spanheim erklärte dem Minister Croissy, dafs eine Fortsetzung solcher «Spoliationen" notwendig zum Bruche mit dem Reiche führen müsse, den der Kurfürst allein noch auf-

' Ms. Kurf. an Spanheim, 20. Jan. 1682. Pufendorf, XVIII, 34^-42. U. u. A., XIV, 1011. 1016. 1019 f. K. Th. Heigel, Quellen u. Abhandl. z. neueren Gesch. Bayerns, neue Folge, S. 90—94.

Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 295

halte ^. Allein mit Gewalt glaubte er eben für den Augenblick nichts gegen Frankreich ausrichten zu können, und überdies erfüllte ihn dessen wachsendes Zerwürfnis mit Schweden mit den freudigsten Hoffnungen. Ludwig XIV. erliefs im Dezember 1681 eine förmliche Absage an^Karl XI., der sich wirklich mit aller Macht für die Sammlung Europas um den Assoziations^ vertrag bemühte, und von dem man den Ausspruch anführte: wie Gustav Adolf einst der erste gewesen, sich der damals allzu furchtbaren Macht des Hauses Österreich zu widersetzen, werde jetzt er der erste sein, die Krone Frankreichs in engere Grenzen zu zwingen '. Ebenso ausdrücklich wies Ludwig, seit dem 2. No- vember 1681, den Kurfürsten, ,|den sichersten Alliierten, den er haben könne*, auf Schweden hin, von dem Brandenburg „seinen Vorteil ziehen*' möge. Er beauftragte R6benac, «den Hoffnungen des Kurfürsten in betreff Schwedens auf geschickte Weise zu schmeicheln''. „Tag und Nacht denkt er daran, '^ antwortete der Gesandte seinem Könige^. Dieser Monarch hat also in bestimmtester Form die Anschl&ge Friedrich Wilhelms auf Vor- pommern gebilligt, ja selber angeregt.

Brandenburg allein erschien Ludwig ungenügend, um Schweden mattzusetzen und möglichen Falles für seine Ab- wendung zu züchtigen: Dänemark sollte hierfür gleicherweise ins Feld geführt werden. Der neue französische Gesandte in Kopenhagen, Martangis, erhielt den Auftrag, mit dieser Macht einen Bündnisvertrag zu schliefsen, ihr im Frieden 450000, für die Kriegszeit 1 800 000 Livres zu versprechen. Dänemark aber schwankte noch zwischen diesen Anerbietungen und denjenigen, die ihm die Generalstaaten für seinen Anschlufs an den Assoziationsvertrag machten. Sein Gesandter in Paris, Meyer- eroon, sprach sogar Spanheim die Überzeugung aus, dafs Däne- mark und Brandenburg durch ein enges Bündnis mit den Nieder- landen gröfseren Vorteil erlangen könnten als auf Seite Frank- reichs. Und wie in Liebessachen die spröde Schöne den Bewerber mehr anreizt als die allzu gefällige, liefs Ludwig XIV.

* Ms. Kurf. an Spanheim, 31. Jan. /IG. Febr. 1682; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 19 E. ^ Ms. Spanh. an Kurf., 26. Jan. 1682; das. 21 C.

" PeuquiÄres, V, 269ff.

» Prutz, 359 f.

296 Siebentes Buch.

sich den zögernden Dänen gegenüber zu immer grörseren Ver- heifsungen hinreifsen : er versprach ihnen die schwedische Land- schaft Schonen sowie Erwerbungen in Holstein, auf Kosten des Herzogs von Gottorp*.

Gleichzeitig mit diesen Vorschlägen an Dänemark hatte sich Ludwig XIV., am 4. Dezember 1681 ', an Brandenburg gewandt. Er will, dem Assoziationsvertrage gegenflber, mit dem Kurfürsten und anderen ,,wohlintentionierten Fürsten*' ein Bündnis schliefsen, „um den Frieden im Reiche aufrechtzuerhalten", das heifst seinen Raub unangefochten zu wahren. Als Grundlage soll dienen der französische Besitzstand „vor der Abreise der Ge- sandten nach Frankfurt**, der dann von den Alliierten mitzu- verteidigen sei. Dafür wird der König auch den Besitz dieser seiner Verbündeten in Schutz nehmen. Brandenburg im besonderen kann auf Frankreichs Unterstützung rechnen in seinen Ansprüchen an Spanien und den Kaiser, möglichenfalls auch, wenn Schweden in seiner Feindschaft beharrt, gegen dieses. Der Kurfürst soll im Frieden 450000 Livres Subsidien erhalten also 150000 mehr als bislang und im Kriege 6—900000.

Der Ausdruck „vor der Abreise der französischen Gesandten nach Frankfurt" schien von den aufrechtzuerhaltenden Re- unionen Strafsburg auszunehmen, das Ludwig erst nach jenem Termin besetzt hatte. Friedrich Wilhelm benutzte diesen Um- stand sofort zu dem Versuche, Strarsburg für das Reich zurück- zugewinnen. R6benac, der mit der Unterhandlung beauftragt war, geriet in grofse Besorgnis, denn dafs sein König Strafsburg aufgeben werde, hielt er mit Recht für unmöglich. Er wieder- holte mit vielem Eifer seine Bemühungen, eine solche Bedingung dem Kurfürsten auszureden. Sein Herrscher sei allein stark genug, die Stadt zu behaupten, ja, noch weitere Eroberungen im Reiche zu machen. Bei dem Kurfürsten stehe es, Deutsch- land davor zu bewahren und hierdurch unsterblichen Ruhm zu erwerben. Wenn er nur den Namen Strafsburg in das schon bestehende Bündnis füge, erlange er die Aussicht auf Ver- wirklichung aller seiner Ansprüche und überdies erhöhte Hilfs-

^ Ms. Spanheim an Kurf., 7. Nov., 19. Dez. 1681. Recueil des In- structions, Xin, 28 ff. 36 ff.

' Instr. an Rebenac; Prutz, 860 f.

Yierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 297

gelder^ Verzweifelnd an der Kraft Deutschlands, entrüstet über den Kaiser und die Generalstaaten, auf den Erwerb Pommerns lüstern, gab Friedrich Wilhelm nach. Er lieh, seiner Gewohnheit gem&fs, seiner Meinung stärkeren Ausdruck, als seine eigentliche Absicht war: er wolle, sagte er, an der bevor- stehenden Aufteilung Österreichs teilnehmen'. Damit kam er auf seine schon früher erwähnten Absichten auf Schlesien zurück. Er bevollmächtigte also Jena und Meinders zum Ab- schlüsse mit Röbenac. Am 22. Januar 1682 wurde das neue zehnjährige Bündnis unterzeichnet, das Strafsburg und alle bis zum Juni des Vorjahres gemachten Reunionen dem Könige von Frankreich gewährleistete, dafür dessen Verzicht auf weitere Erwerbungen im Reiche aussprach, die Subsidien an Brandenburg auf 400000 Livres in Friedens- und 900000 Livres in Kriegszeiten und ebenso die gegenseitig zu leistende militärische Beihilfe um einige Tausende von Infanteristen erhöhte*. So war die Grundlage geschaffen, auf der Friedrich Wilhelm, im Einverständnis mit Ludwig XIV., den Reichsfrieden aufzubauen gedachte. Man mufs zu seinen Gunsten hervor- heben, dafs sie auch fünfzehn Jahre später, nach einem neun- jährigen Kriege ganz Europas gegen Frankreich, nicht wesent- lich verändert worden ist.

Der Kurfürst liefs seinen hohen Mitkontrahenten nicht einen Augenblick darüber im Zweifel, dafs dieser Vertrag Brandenburg keineswegs zum Vasallen der Pariser Regierung machen solle. Wenige Tage nach dessen Abschlufs führte er dem Könige zu Gemüte, dafs er trotz lebhafter Mifsbilligung der französischen Gewalttaten und trotz glänzender Anerbietungen, die die Gegen- seite ihm gemacht, das neue Bündnis eingegangen sei, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Frankreich habe Dänemark zur Verstärkung Brandenburgs heranzuziehen; es müsse das Reich gegen die Türken verteidigen; es solle in den reunierten Ländern den Evangelischen Religionsfreiheit zugestehen; es begünstige Kurpfalz und erstatte die auf dessen Kosten geschehenen Lftndereinziehungen zurück; es enthalte sich der zur oranischen

' Mb. Mitteilung (Jenas?) vom 1. Jan. 1682; Berlin, Geh. Staate- archiv, XI, Frankr. 19 E.

' Ms. Depeschen B^benacs vom Dez. 1681 (B). « Mörner,714ff.

298 Siebentes Buch.

Erbschaft, die den Kindern des Kurfürsten gebühre, gehörenden Gebiete. Er trat ferner mit grofser Entschiedenheit auch für Kur-Trier ein. Im März wurden in der Tat die Pf&lzer und Trierschen Zwistigkeiten durch einen Vergleich beendete

Die Erfahrungen der letzten zwei Jahre und das Aufraffen des Deutschen Reiches liefsen hier Friedrich Wilhelm eine kühnere Sprache gegenüber dem Allerchristliohsten Könige reden als in det jüngstverflossenen Zeit. Die Selbständigkeit der branden- burgischen Politik zeigte sich auch in den Beziehungen zu Dänemark. Man wartete in Berlin keineswegs auf die Zu- stimmung Frankreichs, um mit jenem Staate in enge und dauernde Verbindung zu treten. Schon im Dezember 1681 wurde die Kopenhagener Regierung aufgefordert, zu erklären, ob sie durch Schwedens einseitiges Vorgehen sich auch ihrerseits von der 1680 mit dieser Macht geschlossenen Allianz frei fühle, ob sie sich mit den Assoziierten oder aber mit Frankreich und Brandenburg setzen wolle, zur Aufrechterhaltung des Friedens, „zunächst ohne dabei einiger Konquesten zu gedenken. Sollte es aber auf eine oder andere Weise zur Ruptur kommen, dafs alsdann Frankreich den König in Dänemark zu Schonen etc. und Uns zu Pommern helfen und dabei maintenieren wollte *" ^. Geheimsekretär Fuchs ging nach der dänischen Hauptstadt, um bestimmte Beschlüsse der dortigen Machthaber zu erwirken (Januar 1682). Er kehrte mit günstigem Bescheide zurück. Dänemark versprach, für den Frieden einzutreten, dem Assozia- tionsvertrage sich nicht anzuscfaliefsen noch sich mit Schweden zu verbinden, sondern sofort eine engere Allianz mit Branden- burg einzugehen , auch zum Bündnis mit Frankreich bereit zu sein. Die alte Freundschaft zwischen dem Dänenkönige und dem Kurfürsten wurde erneuert und inniger denn je. Sie fand ihren Ausdruck in einem am 31. Januar (10. Februar) 1682 zu Berlin von beiden Staaten unterzeichneten Garantie- und Verteidigungs- bündnis, das besonders die Aufrechterhaltung des Reichsfriedens sowie das Versprechen umfafste, beide Kontrahenten würden sich zur Erlangung der ihnen vertragsmäfsig von Spanien und den

' Ms. Kurf. an Spanheim, 31. Jan./ 10. Febr. 1682. Ms. Akten- stücke im Geh. Staatsarchiv (Berlin), XI, Frankr. 21 C.

' Ms. Kurf. an Spanheim, 31. Dez. 1681; a. a. O., 21 B.

Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 299

Generalstaaten geschuldeten Subsidien nötigenfalls selbst mit den Waifen unterstützen^.

So hatten sich Dänemark und Brandenburg zusammen- geschlossen^ ohne Vermittlung und Teilnahme Frankreichs. Friedrich Wilhelm durfte fürder gegen Schweden auf den Schutz des anderen skandinavischen Staates rechnen. In Schweden machte man sich darauf gefafst, von Brandenburg und Dänemark zu Lande wie zu Wasser angegriffen zu werden'.

In Paris mufste Spanheim selbstverständlich das Zustande- kommen eines französisch - dänischen Bündnisses eifrig befür- worten. Es wurde aber durch den Umstand verzögert, dafs die Subsidienanerbietungen Frankreichs den Dänen zu geringfügig schienen. Auch die Revendikationen Dänemarks gegen Hamburg, Gottorp, Holland und Spanien wollte Ludwig XIV. nicht aus- drücklich in den Vertrag aufgenommen wissen, um nicht des'- wegen mit dem halben Erdteile in Streit zu geraten ^. Als er sich aber endlich überzeugen mufste, dafs er Schweden nicht zum Austritte aus der Assoziation "" und zum Anschlüsse an die nFriedensliga** werde bewegen können^, brachte er, am 25. März 1682, seinen Vertrag mit Dänemark zu stände. Er bewilligte diesem Staate Hilfsgelder im Betrage von 200000 Talern während des Friedens, von 550000 Talern für den Kriegs- fall ; er versprach Beistand in dem Zwiste der Dänen mit Spanien wegen der rückständigen Subsidien. Die Zahl der Truppen zu gegenseitiger Verteidigung wurde in gewohnter Weise festgestellt

Aber wichtiger als Dänemark erschien in Paris jetzt Brandenburg, von dessen Auftreten in Frankfurt und Regens- burg, sowie von dessen Sendungen an die Kurfürsten die Fran- zosen sehr befriedigt waren. Sie schlugen Friedrich Wilhelm vor, an die Spitze einer Liga zur Aufrechterhaltung des Friedens, das heifst zur Verteidigung der französischen Reunionen zu treten. Um diese nLig^** einzuführen, stellte R6benac mit Meinders und Jena einen vom 3. April 1682 datierten Schein- vertrag zwischen Frankreich und Brandenburg auf, der den zukünftigen Verbündeten und auch Dänemark mitgeteilt werden sollte, und der aus den unverfänglicheren Artikeln der beiden

> Mörner, 428 f. " Carlson, V, 181 f.

* Ms. Korrespondenz Spanheims; a. a. 0., 21 C.

* Carlson, V, 184f.

300 Siebentes Buch.

Geheimverträge vom 11. Januar 1681 und 22. Januar 1682 zu- sammengefafst war. Der „Friedenspartei*' sollten, aurser Däne- mark, noch Gelle, Münster, Württemberg, Hessen-Kassel, Baden- Durlach angehören ; französische Diplomaten wurden abgesandt, um die betreifenden Höfe zum Eintritt in dieses Bündnis zu be- stimmen ^

Friedrich Wilhelm nahm so immer entschiedener Partei fflr die französischen Bestrebungen. Allerdings war es für ihn eine unabweisbare Bedingung, dafs Frankreich keine weiteren Gewalt- mafsregeln im Reiche ausführe. Wie für Kurpfalz und Kurtrier trat er auch für Keuburg ein, als dieses gegen die von der Metzer Reunionskammer im Herzogtum Jülich verfügten Re- Unionen Einspruch erhob'. Er durfte darauf hinweisen, dafs er tatsächlich durch sein friedliches Verhalten gegenüber dem AUerchristlichsten Könige, das er ja immer als ein notgedrungenes bezeichnete, dem Yaterlande mehr nütze als die kriegerischen Polterer.

Allerdings, von den „Assoziierten" und deren Freunden trennte er sich auf das entschiedenste. Lamberg fand mit seinen Drohungen und Lockungen so wenig Anklang in Berlin , dafs er seine Sendung für beschlossen hielt und nach Wien abreiste^. Um dieselbe Zeit nahm eine neue Gesandtschaft Amerongens, den die Generalstaaten in der ersten Bestürzung über den Fall Strafsburgs und die sich hieran angeblich knüpfenden weiteren Eroberungspläne Frankreichs wieder nach Berlin abgeordnet hatten, ein erfolgloses Ende ^ Amerongen hatte dem Kurfürsten den Eintritt in den Assoziationsvertrag vorgeschlagen. Allein er traf hier auf unfruchtbaren Boden. Schon das Bündnis der Staaten mit Schweden war dem Kurfürsten widerwärtig: „Mit den Schweden will ich alle meine Lebenszeit nichts mehr im guten zu tun haben,*' äufserte er sich damals^. Und noch mehr : die Niederländer konnten sich ebensowenig wie der Kaiser an den Gedanken gewöhnen, dafs dieser Markgraf von Branden- burg, wenn man dessen Bündnis verlange, sich nicht mit einigen

* Verhandlungen : Ms-fKorrespondenz Spanheims. Text des Schein- Vertrages: Mörner, 431 f.

« Ms. Kurf. an Spanheim, 31. März, 6. April 1682. » U. u. A., XIV, 10201.

* Über diese Gesandtschaft: ü. u. A., in, 616 ff. » TT. u. A., XIV, 1010.

VienmdvierzigBtee Kapitel. Der AnBchlag auf Schweden. 301

lumpigen Subsidien abspeisen lasse, sondern auch Beachtung seiner Interessen und Rechte fordere, dafs sie für die Opfer, die sie von ihm verlangten, ihrerseits gleichfalls einige Opfer zu bringen hätten. Die Generalstaaten zeigten sich eben damals den maritimen und kolonialen Plänen Friedrich Wilhelms feind- seliger denn je. Sie kränkten ihn dann von neuem, indem sie sich in der ostfriesischen Angelegenheit seinen Entwürfen wider- setzten.

Die Fürstin-Witwe Christine Charlotte von Ostfriesland lag mit den Ständen dieses freien Landes wegen deren Gerechtsame in Streit. Sie erlangte dabei die Unterstützung der Herzoge von Hannover und Celle, die schon längst in dem fruchtbaren und zu jener Zeit auch durch Seehandel bedeutenden Ländchen Fufs zu fassen trachteten. Mit ihnen und der Fürstin im Ein- verständnis machten die Holländer, die noch immer in Emden eine Garnison unterhielten, den Versuch, ihren althergebrachten Einflufs in Ostfriesland zu verstärken und auszuüben. Die Stände dagegen wandten sich an den Kaiser, der gern seine oberherrliche Macht zum Ausdruck brachte und jene in seinen Schatz nahm. Er erteilte am 16. März 1681 den Ständen ein ^Konservatorium*^ auf die Direktoren des westfälischen Kreises, Kurbrandenburg und Münster. Die Generalstaaten beriefen sich ihrerseits auf die seit vierzig Jahren von ihnen geübte Befugnis des Schutzes und der Friedenserhaltung in Ostfriesland und betonten diese ihre überlieferten Rechte auch den Direktoren des westfälischen Kreises gegenüber ^ Der Kurfürst gab ihnen eine sehr entschiedene Antwort ; auf Grund der Reichs- und der Kreisverfassung verbat er sich jede Einmischung und kündigte den Hochmögenden an, dafs er und der Kreis die Befehle des Kaisers jedenfalls ausführen würden (November 1681)*. Auf den Antrag, dem Assoziationsvertrage beizutreten, erteilte er gar keinen offiziellen Bescheid Amerongen verliefs im Februar 1682 Berlin, ohne das mindeste erreicht zu haben. Friedrich Wilhelm hatte dem Holländer deutlich genug in privater Form gesagt: er und seine Kindeskinder würden den Staaten die mit Schweden, seinem ärgsten Feinde, eingegangene Allianz niemals in Vergessenheit kommen lassen '.

* Wiarda, Ostfriesifiche Geschichte, VI (Aurich 1796), 8. 139-159. » U. u. A., ni, 625. » U. u. A., XIV, 1018.

302 Siebentes Buch.

Eben diese Allianz dehnte sich aber mehr und mehr aus. Der Widerstand gegen Frankreichs unerträgliche Despotie nahm feste Gestalt an. Österreich trat am 28. Februar, Spanien am 2. Mai dem Assoziationsvertrage bei. Wenige Wochen später am 10. Juni schlössen die Waldeckschen linierten zu Laxen- burg mit dem Kaiser ein Bündnis, das die Aufstellung von drei Heeren, in Gesamthöhe von 63 000 Mann, am Rhein in Aus- sicht nahm. Man sollte denken, dafs diese Entwicklung, die im Grunde den längst gehegten Wünschen Friedrich Wilhelms entsprach, ihn mit Freude erfüllt hätte. Allein das Gegenteil war der Fall. Auch in ihrer damaligen Gestalt hielt er die Koalition für aufser stände, mit irgend welcher Aussicht auf Erfolg Frankreich zu bestehen. Des Kaisers Macht wurde durch den Aufstand in Ungarn und den drohenden Türkenkrieg völlig gelähmt; nicht einen Mann würde er an den Rhein entsenden können. Vor allem aber: England war in seinem Eifer für die Freiheit Europas wieder gänzlich erlahmt. Nahm doch Karl II. von neuem mit gierigen Händen Bestechung vom Alier- christlichsten Könige!^ Und ohne England, das glaubte der Kurfürst mit Sicherheit aus dem Verlaufe des jüngsten Krieges schliefsen zu müssen, war Europa dem französischen Könige nicht gewachsen.

Friedrich Wilhelm trat also entschieden gegen das Laxen- burger Bündnis in die Schranken. Im Geheimen Rate hielt er eine scharfe Rede, in der er alle diejenigen unter seinen Dienern bedrohte, die seine Verbindung mit Frankreich zu kritisieren wagten. Solche sei, weil der Notwendigkeit entsprechend, nach reiflicher Überlegung eingegangen. Er wisse wohl, fuhr er mit steigender Erregung fort, die in dem geheimen Widerspruche seines eigenen Empfindens ihren Grund hatte, dafs einige unter ihnen Geld vom Kaiser nähmen; könne er ihnen dieses nach- weisen, werde er ihnen den Kopf vor die Füfse legen lassen, eine Anspielung, die Jena sofort auf sich bezogt. In dieser Gesinnung protestierte der Kurfürst gegen den Laxenburger Rezefs, der darauf hinziele, das Reich in einen gefährlichen und hoffnungslosen Krieg zu verwickeln und dabei fremdes

»Ranke, Engl, aesch., V, 188 f. ' Ms. Dep. R^benacs vom 2. Mai (B).

Yierondvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 303

schwedisches Kriegsvolk nach Deutschland zu bringend Er gedachte vielmehr, die notwendige Waffenruhe zwischen Europa und Frankreich zu benutzen, um auf des letzteren Staates Aufforderung und mit dessen Hilfe seine Pläne auf Schweden auszuführen. Er suchte Ludwig XI Y. noch mehr gegen die Stockholmer Regierung zu erzürnen, indem er nach Paris berichtete, sie beabsichtige, zur Bekämpfung Frankreichs eine Flotte und ein Heer nach Deutschland zu entsenden; sie habe, gegen die Zusage noch bedeutenderer Subsidien, einen engeren Vertrag mit den Holländern geschlossen; sie habe ihm und Dänemark einen Dreibund gegen Frankreich vorgeschlagen; sie suche endlich auch England mit allen Kräften in diese „Assoziation'' zu ziehen. So war er unablässig bemüht, den Kampf gegen jene Macht als die eigenste Sache Frankreichs darzustellen und hierdurch dessen Herrscher immer heftiger gegen sie aufzureizen. Zugleich wurden im Brandenburgischen kriegerische Vorbereitungen getroffen. Die preufsischen Truppen erhielten Marschbefehl nach der Kurmark; die beurlaubten Offiziere mufsten in ihre Garnisonen zurückkehren; zwölf Kom- panien Reiter und acht Kompanien Dragoner, jede zu siebzig Mann, sowie tausend Fufsgänger wurden neu ausgehoben. Span- heim erhielt den Auftrag, in Paris wenigstens eine teilweise Zahlung der Kriegssubsidien zu fordern'.

Der Kurfürat und Christian V. von Dänemark trafen dann in der Mitte des Juni 1682 in Itzehoe zu persönlicher Beratung ein, unter ausdrücklicher Billigung Frankreichs, als dessen Ver- treter R6benac, allein unter sämtlichen Diplomaten, der Zu- sammenkunft beiwohnte •. Schon dadurch hatte sich Frankreich für die Absichten des Kurfürsten verpflichtet, dafs es sich zur Formulierung des Scheinvertrages vom 3. April bereit gefunden hatte, der eben in Itzehoe den Dänen vorgelegt wurde. Diese schlössen also, am 8. Juni 1682^, mit Brandenburg ein neues

* Londorp, Acta publica, XI, 432 f. Rauchbar, Waldeck, n, 161 ff.

* Kurf. an Spanheim, 31. März, 27. April, 5., 15. Mai, 2. Juni 1682; Berlin, Geh. Staatearchiv, XI, Frankr. 21 C. Ms. Dep. Bebenace vom 29. März (B).

' Ms. Spanheim an Kurf., 22. Mai. Ms. Depeschen B^benacs vom April u. Mai (B).

* Mörner, 718 ff.

304 Siebentes Buch.

Bündnis, das, gegen alle ohne Ausnahme gerichtet, die Unter- stützung der Friedensbestrebungen nicht nur durch gütliche UnterhsCndlungen, sondern auch durch Ansammlung eines Korps von 10000 Dänen in Holstein und eines anderen von 10000 Brandenburgern in der Kurmark anordnete; zu den Kosten dieser Aufstellung beizutragen, sollte Frankreich ersucht werden.

Allein die Verbündeten von Itzehoe mufsten zu ihrem Kummer vernehmen, dafs ihr hoher Schutzherr an der Seine ihren kriegerischen Eifer plötzlich mifsbillige. Der Verkauf des eng- lischen Königs an Frankreich und der unmittelbar bevorstehende Krieg der Türken gegen den Kaiser schwächten die Gegner Ludwigs derart, dafs er deren Angriff nicht mehr fürchtete; er hatte also nicht nötig, Dänemark und Brandenburg durch einen siegreichen Krieg gegen Schweden die Herrschaft im Norden gewinnen zu lassen. Er wolle, liefs er jetzt erklären, den Frieden bis zum letzten Augenblicke aufrechterhalten, um nicht den Engländern und Holländern als Friedensbrecher zu erscheinen , und weil er sicher sei , jedem Angriff gewachsen zu sein. So hatte er schon unmittelbar vor Itzehoe die Ho£Ehung ausgesprochen, die dortigen Beratungen würden keinerlei kriegerischen Charakter tragen. Zur grofsen Enttäuschung Friedrich Wilhelms wies er die brandenburgischen und dänischen Anforderungen erhöhter Subsidien beharrlich ab; es sei keine Aussicht auf Krieg, und übrigens werde zuerst Frankreich, nicht die Itzehoer, angegriffen werden: ein deutlicher Wink, dafs diese sich aller Zwistigkeiten mit Schweden zu enthalten hätten. Ja, der König verweigerte das dringende Ansuchen Branden- burgs, dem Bischof von Münster einige Hilfsgelder zu gewähren, um diesen Fürsten, der guten Willens sei, endgültig an das „Friedensbündnis* zu fesseln.

Friedrich Wilhelm mufste abermals die entmutigende Er- fahrung machen , dafs sein und seines Staates Interesse bei Frankreich schlecht aufgehoben wer. Ludwig lehnte alle seine Forderungen mit höflichen Worten ab: Brandenburg sollte nur der gehorsame Klient Frankreichs sein, der dessen Plänen willenlos zu dienen und dafür sich mit der Gunst des „Königs Sonne* und einigen lumpigen Soldgroschen zu begnügen habe. Auf seine Wünsche und sein Ansehen hatte ein Ludwig XIV. keine Rücksicht zu nehmen ; ja, er wollte es schwach und mifs- liebig erhalten, damit es nicht die Kraft besitze, sich von der

Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 305

BevormunduDg zu befreien und gröfsere Selbständigkeit zu betätigen. Das zeigte sich auch in betreff der Reichspolitik. Der Kurfürst, der auf dem endlos sich hinziehenden Frankfurter Kongresse für die einfache Annahme der französischen Vor* schlage gestimmt hatte und deshalb als Reichsverräter aus- gesehrieen worden war, stellte in Paris das bescheidene Ver- langen, man solle dort bestimmt erklären, welche Orte, als nach dem übereingekommenen Termin reuniert, man an Deutsch- land zurückzugeben gedenke. Aber auch das schlug Croissy ab, unter dem lächerlichen Verwände, solches werde nur zu Schikanen seitens der Kaiserlichen Anlafs geben und überdies wie ein furchtsames Zurückweichen seines Königs aussehen! Kurz, Brandenburg durfte und sollte sich nicht schmeicheln, den mindesten tatsäch- lichen Einliurs auf die Entscheidungen des Despoten zu üben ^.

Ludwig glaubte jetzt seiner wenig zu bedürfen. Nachdem der ungarische Rebellenführer Tököly sich mit den Türken ver- bündet, hatte er im Beginne des Sommers den Krieg gegen den Kaiser wieder offen aufgenommen und drang siegreich in Ober- ungam vor. Die Pforte erkannte ihn als ihren Vasallenkönig an und unterstützte ihn eifrigst. Ein direkter Angriff der Türken auf Österreich war für das folgende Jahr sicher zu erwarten.

Die Unfruchtbarkeit und Schwäche seines Verhältnisses zu Frankreich wurde dem Kurfürsten nur zu wohl bewufst. Als Graf Lamberg um diese Zeit wieder in Berlin erschien, konnte er mit Freuden eine dem Kaiser freundlichere Stimmung dort feststellen. Es hätte nur einigen Entgegenkommens, einiger Gunstbeweise und kleiner Opfer von seiten des Wiener Hofes bedurft, um diesen Umschwung zu verstärken und tatsächlich wirksam zu machen. Die Anhänger Österreichs unter den kur- fürstlichen Räten, an erster Stelle Anhalt, an zweiter Friedrich von Jena, hatten wieder Einflufs gewonnen. Sie versicherten Lamberg : wenn man ihrem Herrn nur etwas Genugtuung wegen der spanischen Rückstände und wegen Jägemdorfs geben werde, sei es unzweifelhaft, dafs der Kurfürst von der ihm bereits ver- dächtigen und verhafsten Partei Frankreichs zum Kaiser über- trete. Der franzosenfreundliche Gesandte Brandenburgs in

^ Ms. Korrespondenz des Kurf. u. Spanheims vom Mai bis zum August 1682.

Philippson, Der Qrofs« KurfOrst. III. 20

306 Siebentes Buch.

Regensburg, Gottfried von Jena, hatte bereits solchen Tadel erhalten und war in seinen Befugnissen derart beschränkt worden, dafs er seine Enthebung von dem dortigen Posten nach- suchte \ Auch Dänemark hatte das kühl abweisende Benehmen Frankreichs sehr übelgenommen^. Es geschah in Überein- stimmung mit den Wünschen Christians V., wenn der Kurfürst im Beginne des Juli 1682 Erockow nach Wien entsandte^. Der brandenburgische Diplomat sollte dringend die Annahme des französischen Vorschlages Überlassung der bis zum 1. August 1681 vollbrachten Reunionen sowie Strafsburgs anempfehlen, da man eben aufser stände sei, diese Gegenden mit Waifen- gewalt wiederzuerobern ; gehe der Kaiser darauf ein und erspare damit dem Reiche einen zweifellos verderblichen Kne^, so sei der Kurfürst bereit, sich mit ihm zu verbünden, nicht nur gegen die Türken, sondern auch gegen weitergehende An- sprüche Frankreichs. ^ Friedrich Wilhelm hat hier die Lage sehr wohl erkannt und den weisesten Vorschlag getan, dessen Annahme viel Blut und Elend erspart haben würde. Seine Ein- sicht und sein reichsdeutscher Patriotismus wurden allerdings durch die Tatsache verschärft, dafs Ludwig XIV. ihm klärlich jede Unterstützung zur Ausführung seiner Absichten auf Schwedisch- Pommem versagte.

Krockow verhehlte nicht, dafs auch dem Kurfürsten die französische Forderung als dem Reiche sehr ungünstig erscheine allein es sei für den Augenblick nichts Besseres zu erreichen. Wenigstens, führte er aus, müsse dieses Mal der abzuschliefsende Vertrag deutlicher und unzweideutiger abgefafst werden, als die von Münster und Nymwegen. Nach getroffenem Vergleiche solle man ein stehendes Reichsheer errichten und die mächtigeren Reichsstände zu einer innigen und bleibenden Union behufe Auf- rechterhaltung der Reichsintegrität zusammenschliefsen. Geschehe dies, so werde der Kurfürst gern seine Macht der guten Sache, auch gegen Frankreich, zu Gebote stellen.

Diese klaren und sachgemäfsen Vorschläge fanden aber in

* Berichte Lambergs vom Juli 1682; U. u. A., XIV, 1087 ff.

' Bericht des niederiänd. Gesandten Moeringh vom 29. Aug. 1682; U. u. A., in, 648.

Ludwig Xiy. an R^benac, 16. Juli 1682; Prutz, 355. Über die Sendung Krockows: U. u. A. XIV, 1044 ff.; und Pufendorf, XVm, 61.

Vierondvierzigstes Kapitel. Der Ansclilag auf Schweden. 307

Wien Dor kühle Aufnahme. Dort hofPte man die ungarisch- türkischen Hftndel in gewohnter Weise verschleppen und inzwischen den Hauptteil der österreichischen Streitkräfte gegen die Franzosen verwenden zu können. Denn Ludwig begehre die Kaiserkrone, und den Frieden mit dem Reiche werde er ledig* lieh zur Unterjochung Italiens, zur Beraubung Spaniens, zur Er- langung desdominiumEuropae benutzen. Noch einmal, wie zur Zeit der mittelalterlichen Kaiser, beeinflufste eine Welt- politik, zu deren nachdrücklicher Durchführung doch die materiellen Mittel fehlten, in schädlichster Weise das Verhältnis des Reichsoberhauptes zu dem eigentlichen Deutschland. Auf dem Reichstage sagte der österreichische Gesandte kein Wort von der Türkengefahr, nur damit nicht die Stände sich mit Frank- reich verglichen. Mit der ganzen Hartnäckigkeit des alten Hauses Habsburg, dessen Prätensionen ihm vor den wirklichen Umständen und Tatsachen die Augen verschlossen, glaubte Leopold L nach beiden Seiten, nach Osten und Westen hin, den Gefahren die Stirn bieten zu können. Er liefs dem Branden- bui^er mündlich antworten (13. September 1682): man dürfe keiner Zusicherung Frankreichs mehr Glauben schenken und deshalb mit diesem keinen Vertrag schliefsen, der nicht durch die Gewalt der deutschen Waffen gesichert sei.

Die Gesandtschaft Krockows war also gescheitert ; der Kur- fürst befahl seine Abreise von Wien. Er beschlofs, seine Position sowohl gegen den Kaiser als auch gegen Frankreich aufrecht zu erhalten, sich an die Spitze einer wahren Friedenspartei zu stellen, die, von beiden Extremen gleich weit entfernt, eine Achtung gebietende Haltung einnehme. Er und Dänemark gingen zunächst ein Verteidigungsbündnis zur Bewahrung des Reichs- friedens mit Bischof Ferdinand von Münster und Paderborn ein^ Durch besondere Abordnungen zog er seine Freunde, die vier rheinischen Kurfürsten , noch enger zu gemeinsamer An- nahme und Durchführung der französischen Proposition heran. Sein Gesandter in Regensburg, der gelehrte und schneidige Gottfried von Jena, nunmehr wieder in Übereinstimmung mit seinem Herrn, verteidigte dessen Ansicht in einer Rede, die durch leider wahrheitsgetreue, aber sehr scharfe Schilderung der Schwächen des Reiches in ganz Deutschland peinliches Aufsehen

> Mörner, 483ff.

20

308 Siebentes Buch.

erregte*. Friedrich Wilhelm wies dann, in Übereinstimmung mit seinen deutschen Alliierten und Dänemark, den Vorschlag der Generalstaaten, zur Schlichtung aller vorliegenden Streitig- keiten einen europäischen Kongrefs einzuberufen, unbedingt zurück ', da er die Hochmögenden als parteiisch und anmafsend und besonders den brandenburgischen Bestrebungen allerorten feindselig betrachtete. Er unterstützte dagegen das französische Ultimatum in Frankfurt, das dem Ausgleichsvorschlag nur noch bis zum folgenden 1. Dezember Gültigkeit verlieh. Allein er trat auch Frankreich gegenüber mit grofser Bestimmtheit auf. Er liefs durch Spanheim erklären (13. Oktober): er werde über die bisherigen Verteidigungsbündnisse mit Frankreich keineswegs hinausgehen, da er zur Verfechtung weiterer Ansprüche dieses Staates nicht verpflichtet sei. Vielmehr ermahnt er den König, das Reich „nicht weiter zu dismembriren'' und sich mit den friedliebenden Ständen, zumal den vier rheinischen Kurfürsten, in gutes Vernehmen zu setzen.

Diese Unabhängigkeit und Selbstherrlichkeit, den kühnen Entschlufs, zwischen den streitenden Parteien lediglich seine eigensten Interessen zu wahren, zeigte er nunmehr durch eine mutige und folgenreiche Tat.

Die Bewohner von Emden hatten sich im Januar 1682 mit Gewalt der niederländischen Besatzung entledigt, zur grofsen Entrüstung der Generalstaaten, die darauf zu Gunsten der Fürstin von Ostfriesland eine Entscheidung trafen, die den vom Kaiser den Ständen zugebilligten Gerechtsamen geradenwegs zuwiderlief. Auf Beschwerde der Stände kassierte der Kaiser diese Resolution, liefs die Fürstin vor den Reichshofrat zitieren, verbot den Braun- schweiger Herzogen jede willkürliche Einmischung in die ostfriesischen Angelegenheiten und trug den Direktoren des Westfälischen Kreises auf, seinen Befehlen Achtung zu ver- schaffen. Die Fürstin gehorchte nur anscheinend und wandte sich heimlich an die Braunschweiger Herzoge, die in der Tat beschlossen, Truppen nach Ostfriesland zu legen: ein Plan, der aber durch den Bischof von Münster vereitelt wurde, indem dieser den wölfischen Soldaten den Durchzug durch sein Land verschlofs. Die von dem Mitdirektor des Kreises, dem Branden-

> Londorp, Acta publica, XI (Frankf. a. M., 1697) S. 360 ff. - Prutz, 355.

Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 3()9

burger, angebotene Vermittlung zwischen ihr und den Ständen wies die FOrstin, die den Kurfürsten mit Recht als ihr wenig günstig gesinnt betrachtete, hartnäckig zurück. Er mufste also jeden Augenblick besorgen, die Braunschweiger oder die Niederländer, dem Kaiser und ihm selbst zum Trotze, sich des Landes bemächtigen zu sehen, das ihm einen so herrlichen Zugang zu der Nordsee bot. Um jenen zuvor- zukommen und um seine maritimen Unternehmungen direkt mit dem Weltmeer in Verbindung zu setzen, verabredete er heimlich mit den einflufsreichsten Mitgliedern der Stände eine schnelle Tat. Am 11. November 1682 überfielen, auf einigen Schiffen von der Unterelbe kommend, 300 brandenburgische Soldaten unter dem Befehle des Kammerherm und Oberstleutnants von Brandt den ostfriesischen Hafenort Greetsiel ; am 15. ward die dortige Burg, die stärkste Feste der Fürstin Christine Charlotte, durch nächt- liche Erstürmung gewonnen. Die Fürstin besafs seitdem keine tatsächliche Macht mehr im Lande ^

Diese Vorgänge wurden bekräftigt und legalisiert durch einen Vertrag, den der brandenburgische Gesandte im Haag, von Diest, am 18. November mit den Vertretern der ostfriesischen Stände zu Emden abschlofs. Behufs Aufrechterhaltung des kaiserlichen Konservatoriums und zum Schutze des Landes und der Stände gegen jede Gewalttat von selten sei es der Fürstin sei es fremder Staaten verlegt Brandenburg, so lange es den Ständen beliebt, in das Land eine Besatzung, für deren Unter- halt dieselben monatlich 1700 Taler bezahlen, wie sie auch für die HeranfQhrung der Truppen und die weitere Befestigung Greetsiels noch 2500 Taler bewilligen".

Die Okkupation Ostfrieslands durch brandenburgische Sol- daten erregte begreiflicherweise bei den Nachbarn heftigen Un- willen und lauten Protest. Am lärmendsten benahmen sich die Braunschweiger Herzoge, die den Kurfürsten zu sofortiger Abberufung seiner Kompanien aufforderten. Ihr Zorn machte aber um so weniger Eindruck, als alle Welt überzeugt war, dafs sie, die doch gar kein Recht zum Eingreifen gehabt, die Absicht gehegt hatten, selber ihre Hand nach dem reichen L&ndchen auszustrecken, und nunmehr sich lediglich darüber

' Wiarda, VI, 160—179. Mörner, 436 ff.

810 Siebentes Buch«

ärgerten, dafs ein anderer ihnen zuvorgekommen \ Gfefährlicher war der Widerstand der Generalstaaten ; der Ratspensionar Fagel hatte sofort nach erhaltener Nachricht von der Besetzung Greet- siels die Provinzen Friesland und Groningen zur Absendung von Truppen nach Ostfriesland aufgefordert. Allein die Ausführung dieser Mafsregel wurde ins Unbestimmte vertagt, da Brandenburg kräftiger Hilfe sicher war. Der Mitdirektor des Westfälischen Kreises, Bischof Ferdinand von Münster und Paderborn, gewährte ihm nicht nur durch seine Zustimmung moralischen Rückhalt, sondern stellte ihm auch für den Notfall militärische Unter- stützung in Aussicht. Und noch wichtiger : Frankreich versprach seinen vertragsmäfsigen Beistand, wenn der Kurfürst angegriffen werde. Der französische Gesandte im Haag, Graf d'Avaux, nahm eifrigst dessen Partei: der Kurfürst sei als Beauftragter des Kaisers und Mitdirektor des Kreises in vollem Rechte. Freilich, im Grunde war Ludwig XIV. von der selbständigen Handlungsweise seines Verbündeten wenig erbaut und sprach sich mifsbilligend Ober einen Schritt aus, der unzeitig den Krieg herbeiführen könne. Allein er wagte es nicht, sich Branden- burg endgültig zu entfremden, und muTste deshalb wohl oder übel dessen Partei ergreifen. Die Braunschweiger Herzoge liefsen es also bei papiemen Gegenmafsregeln bewenden, und die Holländer wurden durch Androhung bewafiheten Widerstandes seitens der Westfälischen Kreisdirektoren von aller tätlichen Einmischung abgehalten^.

Die ostfriesische Sache war durch die Kühnheit und Geschick- lichkeit des Kurfürsten zu dessen Gunsten entschieden. Er hatte im äufsersten Nordwesten Deutschlands, innerhalb eines damals maritim sehr wichtigen Gebietes festen Fufs gefafst; wir wissen, wie eifrig und wirksam er diesen Erfolg zu Gunsten des See- handels und der Kolonisation seines Staates benutzt hat. Friedrich Wilhelm hegte zweifellos die Absicht, das wohlhabende und bedeutsame ostfriesische Ländchen nie wieder zu räumen, er hatte hier einen Gewinn gemacht, der ihm für die Zukunft Brandenburgs als sehr gewichtig erschien. Aber zu diesem parti- kularen Vorteil kam noch ein allgemein deutscher: Branden-

» U. u. A., XIV, 1050 f.

' Ms. Korrespondenz des Kurf. mit Spanheim, Okt. bis Dez. 1682; Geh. Staatsarchiv, a. a. O. Wiarda, VI, 201 ff.

Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 31 J

bürg hatte wiederum ein deutsches Land von der Fremdherr- schaft befreit. Hatten doch die Stände von Niederländisch- Geldem behauptet, das Harlinger Land der nördliche Teil Ostfrieslands sei gelderisches Lehen und gehöre deshalb der Republik und nicht dem Reiche^. Friedrich Wilhelms Schutz hat es diesem gegen die Ansprüche der Holländer erhalten, wie er schon Kleve und anderseits Ostpreufsen dem grofsen Yater- lande gerettet, wie er Ähnliches in Westpommem immer von neuem, wenn auch bisher vergeblich, versucht hatte. Polnischem, schwedisehem , niederländischem Vordringen auf dem Boden Deutschlands hat er allein Halt geboten, hat es zum Teile sogar zurückgedrängt. Es ist doch nichts Geringes, dafs während anderorten Deutschland beständig Verluste erlitt, nur Brandenburg und sein grofser Fürst bestrebt und im stände waren, deutsches Gebiet der Fremden zu entledigen. Selbst während der Zeit an sich undeutscher Politik war Friedrich Wilhelm der Schützer und Verbreiter deutschen Wesens, nach Westen hin wie nach Osten.

Gerade das Gelingen des ostfriesischen Unternehmens stärkte ihm den Mut, es noch einmal mit Vorpommern zu versuchen. Da Frankreich solchem Plane offenbar wenig günstig war, hegte Friedrich Wilhelm die Absicht, diesen Staat anderweitig zu beschäftigen, so dafs er ihm und Dänemark freie Hand gegen Schweden lassen müsse. Er schlug also im November 1682 Ludwig XIV. im tiefsten Geheimnis vor: der König möge das Verlangen des Kaisers nach weiterer Ausdehnung der Bedenk- zeit für die Annahme des französischen Antrages abweisen, viel- mehr jeden einzelnen Reichsfürsten befragen, ob er mit der französischen Proposition einverstanden sei; gegen die sie ver- werfenden solle Ludwig kriegerisch vorgehen, allerdings mit der bestimmten Zusage, keinen Ort im Reiche über den Umfang der zu Frankfurt geforderten Reunionen zu behalten; dagegen dürften seine deutschen Verbündeten sich an den Besitzungen von Frankreichs Gegnern schadlos halten ^. Allein dieser etwas naive Vorschlag konnte, trotz R6benacs anfänglicher Ver- sprechungen, unmöglich den Beifall des französischen Herrschers

» 0. Klopp, Gesch. Ostfrieslands 1570—1751 (Hannover 1856)8; 409. « Ms. Kurf. an Spanheim, 2., 21. Nov., 30. Dez. 1682; Berlin, Geh, Staatsarchiv, a. a. 0.

312 Siebentes Buch.

finden. Freilieb, die nutzlosen Frankfurter Verhandlungen wurden an dem bezeichneten Termine des 1. Dezember geschlossen, indes, Ludwig gestand zu, dafs sie am Regensburger Reichs- tage weitergeführt würden, und rückte den Verfallstag bis zum 1. Februar 1683 hinaus.

Der Kurfürst befand sich gegen Ende des Jahres 1682 in recht unbehaglicher Lage. Frankreich hatte ihm bisher keine einzige seiner Zusagen erfüllt. Alle seine Nachbarn gehörten der entgegengesetzten Partei an. Zumal Karl XI. von Schweden hatte den neuen französischen Gesandten Bazin gar nicht em- pfangen, sondern zu schleuniger Abreise genötigt, dafür am 12. Oktober mit dem Kaiser ein Verteidigungsbündnis geschlossen, das den schwedischen Truppen freien Durchzug durch das Reich gestattetet Mufste der Kurfürst nicht eine Wiederholung der Ereignisse von 1674/75 erwarten ? sollten seine Lftnder abermals vom Feinde überfallen, ausgeplündert, zu Grunde gerichtet werden? Dazu kam, dafs Schweden und der Kaiser sich eifrig bemühten, auch Polen in ihre Allianz zu locken. Ein Angriff auf Preufsen aber war für Friedrich Wilhelm der gefährlichste; im Reiche konnten ihm immer die Dänen helfen, Preufsen jedoch war völlig isoliert, von Polen und Schweden umgeben. Dieser Mächte und des Kaisers zugleich vermochte er sich nicht zu erwehren. Seiner ganzen Natur nach wünschte er übrigens die Verteidigung offensiv zu führen, den Gegnern zuvorzukommen. Sein Freund Christian V. war ganz derselben Ansicht. Meyercroon wie Spanheim erbaten unablässig in Paris die Erlaubnis und erhöhte Subsidien, um mit dänischen und brandenburgischen Streitkräften schwedische Truppentransporte nach Deutschland sowie den Anschlufs braunschweigisch- lüne- burgischer Kontingente an Schweden zu verhindern. Sie wiesen auf die Bedrohlichkeit der Lage, auf den Vertrag hin, den Hannover schon mit dem Kaiser eingegangen sei, auf die Gefahr, in die zumal Brandenburg durch seine treue Förderung französi- scher Interessen geraten. Allein sie fanden damit bei Ludwig XIV. keinen Anklang. Es wurde klar, dafs der König und Croissy den Ehrgeiz Dänemarks und Brandenburgs zu zügeln entschlossen waren. Dabei wollten sie dem Kurfürsten nicht einmal genügende Hilfsgelder zu der höchst notwendigen Verstärkung seines Heeres

» Carlson, V, 259 f.

Yierozidvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 313

gewähren. Er glaubte, sie seien bereit, ihn den Schweden preis- zugeben, um diese wieder für die französische Allianz zu gewinnen und nutzbar zu machen^.

Zu der Furcht vor der nächsten Zukunft seines Staates gesellte sich noch schwerer Verdrufs über eine persönliche Kränkung, die Ludwig ihm gerade damals zufügte: er belegte das Fürstentum Orange mit Beschlag und rifs die Mauern von dessen Hauptstadt nieder, um den Prinzen von Oranien wegen seiner feindseligen Umtriebe gegen Frankreich zu bestrafen. Damit traf er aber zugleich die beiden älteren Söhne des Kur- fürsten, die präsumtiven Erben Oraniens. Friedrich Wilhelm war höchlichst über einen Vorgang entrüstet, in dem er einen erneuten Beweis der Geringschätzung und selbst der Abneigung des Königs gegen ihn erblickte, der sich doch für Frankreich in grofse Gefahr begab. Er beschwerte sich wiederholt bei R^benac; ein Anerbieten Ludwigs, die Exspektanz auf Orange seinen Söhnen mit einer Geldsumme abzukaufen, wies er mit Verachtung zurück. Selbst die Kurfürstin und Geheimsekretär Fuchs, bisher die treuesten Anhänger Frank- reichs, wurden wankend und drangen, mit Anhalt vereint, in Lamberg, sein Kaiser möge durch eine beträchtliche Abschlags- summe auf die rückständigen spanischen Subsidien den Kur- fürsten vollends für sich gewinnen'.

Vm diese Zeit verfafste Fuchs ein Gutachten über die Frage, ob der Kurfürst bei dem französischen Bündnisse beharren oder dem Assoziationsvertrage beitreten oder endlich „temporisieren** solle, um erst zu sehen, „wohin es mit dem türkischen Wesen hinauslaufe **. Wenn der Türke Frieden hält, mufs der Kurfürst in grofse Gefahr geraten. Während im Norden der Krieg wütet, wird Frankreich „freie Hände bekommen, um sich des Rhein- stroms Meister zu machen, woran, dafs es nicht geschehe und Frankreich im Reiche nicht noch mehr okkupire, Sr. Kurf. Durchl. zum höchsten gelegen **. Nicht minder drohend sind jedoch die Gefahren, bei höchst geringem möglichem Nutzen, auf selten der schwachen, uneinigen und Brandenburg meist ungünstigen

^ Ms. Korrespondenz des Kurf. und Spanheims im Nov. u. Dez. 1682; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Prankr. 21C. Prutz, 858f.

Depeschen R^benacs vom Nov. 1682 bis Jan. 1688; Prutz, 857ff. Dep. Lambergs vom 18. Dez. 1682; U. u. A., XIV, 1049 ff.

314 Siebentes Buch.

Gegenpartei. Fuchs rät also: der Kurfürst möge die Mittel- partei halten und den Frieden befördern, inzwischen sich stärker waffnen, auch suchen, das Haus Braunschweig zu sich herüber zu ziehen \

In diesem Sinne entschied sich der Kurfürst. Er schrieb Spanheim in Ziffern, am 6. Januar 1683, um über die Undank- barkeit Frankreichs und die Nutzlosigkeit seiner Opfer für diesen Staat zu klagen. Er wolle das Bündnis mit dem Könige nicht geradezu aufgeben, aber fürder ihm auch nicht das Wort reden noch sich für ihn in Gefahr begeben. Spanheim solle nicht etwa zum Verdachte eines Parteiwechsels Anlafs geben, jedoch „hierfüro Eure Negotiation mit keinem ferneren sonder- lichen Empressement treiben noch auf einige Resolutiones (die bis dato in allen Dingen so schlecht gefallen) urgiren, sondern genau Acht geben und ad referendum annehmen*''. Der Kurfürst vermehrte inzwischen sein Heer um sechstausend Mann und sprach laut aus, er wolle sich selber helfen, da ihm der Allerchristlichste König den Beistand verweigere".

Eine Krise in dem Verhältnis Brandenburgs zu Frankreich war ausgebrochen, und zwar lediglich durch die Schuld des letzteren Staates, der mit dem Kurfürsten sein Spiel getrieben hatte, als wäre dieser nichts Besseres denn ein rechtloser Diener des Herrschers in Versailles. Das erkannte selbst Röbenac voll- kommen an, der deshalb seinen König dringend zu gröfserer Rück- sicht auf Friedrich Wilhelms gerechte Empfindlichkeit ermahnte. Sprach sich doch Croissy, der das Unternehmen auf Greetsiel zuerst durchaus gebilligt hatte, nunmehr recht ungünstig darüber aus : Brandenburg möge suchen, sich mit Ehren aus dem Handel zu ziehen; Frankreich werde es nur unterstützen, wenn die Holländer es offen angriffen. Und was Schweden anbetreffe, so könne man ihm nicht verwehren, einige Verstärkungen für seine Garnisonen nach Deutschland zu senden, zumal es die fried- lichsten Versicherungen abgebe. Frankreich seinerseits wünsche nichts als Frieden das hiefs: es wollte nur seine Re? Unionen behalten, während seine Verbündeten sich mit ihren Subsidien zu begnügen hatten^.

> Ms. Geh. Staatsarchiv, a. a. O. Vgl. Ranke, PreuTs. Gesch., 1, 842. 2 Ms. Kurf. an Spanheim, 27. Dez. 1682/6. Jan. 1683. * Ms. Dep. Rebenacs vom Jan. 1683 (B).

^ Ms. Spanheim an Kurf., 1., 15. Jan. 1683; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 22.

Vierund vierzigstes Kapitel. Der Ansclilag auf Schweden. 315

Allein die französische Regierung mufste bald erkennen, dars sie in ihrer geringschätzenden Selbstherrlichkeit zu weit gegangen war. Aus Dänemark kamen laute Klagen über die Verweigerung jeglicher Unterstützung gegen Schweden und über die Mifshandlung des gemeinsamen brandenburgischen Ver- bündeten durdi die Besetzung Oranges. Brandenburg selber zeigte beunruhigende Kühle. Gottfried von Jena in Regensburg kümmerte sich nicht mehr um die französischen Forderungen; dagegen verlangte der Kurfürst kategorisch, dafs keine weiteren Reunionen stattfinden dürften. Die von Croissy empfohlene Bildung einer Friedensliga im Reiche, das heifst eines neuen Rheinbundes, wies Friedrich Wilhelm durchaus zurück: „Wir haben das Bedenken, dafs Wir da gar leicht in allerhand fremde Händel und Ungleichheiten implicirt werden könnten; hingegen aber wenn Uns einige Noth und Gefahr zustofsen würde, Wir von den AUiirten, insonderheit von Chur-Mainz, Trier und Pfalz, als weit von Uns entlegen und in schlechter Kriegsverfassung begriffen, wenig Beistand und schlechte Hilfe zu erwarten haben würden. *" Deshalb sei er zwar, wie bisher, zu diplomatischer Unterstützung bereit, wolle aber nicht mit den rheinischen Standen „in nexu treten '"^

Die niederländischen und kaiserlichen Diplomaten ver- breiteten überall hin das Gerücht von einem bevorstehenden Stellungswechsel des Kurfürsten. Es war nicht ganz un- begründet.

Amerongen hatte, als er gegen Ende 1682 nach Potsdam zurückgekehrt war, den Kurfürsten bei weit günstigerem und versöhnlicherem Sinn gefunden, als bisher. Friedrich Wilhelm erklärte sich bereit, mit den Staaten einen Neutralitätsvertrag einzugehen, ja vielleicht der Assoziation beizutreten, wenn man ihn) für den in Kleve durch die französische Invasion erlittenen Sehaden und für die nicht bezahlten Subsidien Genugtuung gebe. Amerongen, der meinte, „man müsse das Eisen schmieden, so lange es warm sei*, reiste sofort nach dem Haag, um die Hoch- mögenden zur Erfüllung der kurfürstlichen Forderungen zu be- wegen, und Wilhelm von Oranien arbeitete eifrig in gleichem Sinne*. Lamberg hatte nach Wien gleichfalls von der ver-

' Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanbeims vom Jan.u. Febr. 1688; ebendas. « d'Avaux, Nögociations en Hollande, I (Paris 1754), S. 189 ff. ü. u. A., m, 650 f.

316 Siebentes Buch.

heifsenden ÄnderuDg der Sachlage zu berichten und drang seinerseits mit Nachdruck in den Kaiser, durch Zahlung von 300000 Talern auf die rückständigen spanischen Subsidien den Kurfürsten auf die Seite von Frankreichs Gegnern zu ziehend

Freilich, die Einladung des Kaisers, nach Regensburg zu kommen, um dort an den Beratungen wegen Abwehr der Türken- gefahr teilzunehmen, lehnte Friedrich Wilhelm ab, angeblich wegen Kränklichkeit, tatsächlich weil er sich nicht so weit für die öster- reichische Sache festlegen und bei Frankreich kompromittieren wollte. Er sandte indes im Januar 1683 den jüngeren Otto von Schwerin nach Wien. Nicht billig gedachte er hier seine Allianz zu verkaufen. Aufser den gewöhnlichen Ansprüchen auf Satis- faktion vom Reiche und von Spanien sowie auf Jägerndorf hatte Schwerin förmlich das Recht Brandenburgs auf Liegnitz, Brieg und Wohlau zu betonen'. Eine Forderung, die, bei der be- drängten Lage des von Türken und Franzosen bedrohten Kaisers, in Wien als eine ungerechte Nötigung, angesehen wurde.

Immerhin genügte die Tatsache von Schwerins Sendung, um der Welt einen Frontwechsel Brandenburgs wahrscheinlich zu machen. Das mufste aber in Paris um so bedenklicher stimmen, als auch sonst die kaiserliche Partei in Deutschland sich offenbar von Monat zu Monat verstärkte. Im Januar 1683 schlofs Hannover mit Leopold I. ab, versprach, ihm gegen Hilfs- gelder 10000 Mann zu stellen und die übrigen Mitglieder des braunschweig -lüneburgischen Hauses zum Beitritt zu diesem Bündnis zu bewegen. So war das nach Brandenburg waffen- mächtigste Fürstenhaus Deutschlands für die kaiserlich-patrioti- sche Sache gewonnen. Auch die Stadt Frankfurt a. M. trat dem Laxenburger Bündnis, der fränkische und oberrheinische Kreis wenigstens dem Assoziationsvertrage bei, Sachsen versprach seine Beihilfe®. Noch entschiedener vollzog Bayern, unter dem jungen und ruhmbegierigen Kurfürsten Max Emanuel, seinen Übergang aus der seit Jahrzehnten innegehaltenen französischen Gefolgschaft zur kaiserlichen Partei. Am 23. Januar 1683 schlofs es zu Wien mit Österreich ein Verteidigungsbündnis, in dem es sich, aufser seinem Reichskontingente, zur Stellung noch

1 U. u. A., XIV, 1050.

« Pufendorf, XVIII, 82. Orlich, Preuls. Staat, 11, 4Ö8ff.

> Eauchbar, 287. 241. 248 f.

Yienuidvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 317

weiterer 8000 Mann yerpliichtete. Der Bund war ausdracklich nicht nur gegen die Türken, sondern auch gegen Frankreich gerichtet. Die Säule der französischen Faktion, der Kanzler Kaspar Schmid, wurde gestürzt, eine Vermählung Max Emanuels mit der Tochter Leopolds I. verabredete

Bald darauf verlor Frankreich seinen Einflufs auch auf Polen. Johann Sobieski unterzeichnete eine Allianz mit dem Kaiser, die diesem den Zuzug von 40000 Kriegern gegen die Türken verhiefs.

Ludwig XIV. sah ein, dafs solche Umstände ihn nötigten, Dänemark und Brandenburg auf seiner Seite festzuhalten. Croissy versicherte plötzlich, die Annahme des Kurfürsten, dafs man in Paris durchaus die Schweden schonen wolle, sei irrig, er selber meine, man müsse sie bei dem ersten Anlasse aufs Haupt schlagen und ihrer deutschen Besitzungen berauben. R6benac durfte in Potsdam mitteilen, sein König sei damit einverstanden, dafs Brandenburg und Dänemark den Durchmarsch schwedischer Truppen mit Gewalt verhinderten, und bereit, hierfür die erhöhten Kriegssubsidien zu zahlen. Man nahm die schon im vorher- gehenden Oktober gemachten Anerbietungen eines neuen, be- ständigen, alleroDgsten Bündnisses zwischen Frankreich und dem Kurfürsten wieder auf*.

Dieser aber wollte sich nicht abermals von dem übermächtigen Verbündeten mifsbrauchen und täuschen lassen und bestand auf tatsächlichen Bürgschaften von Frankreichs Wohlwollen und Bündnistreue. Er verlangte, da angeblich der Ausbruch des allgemeinen europäischen Krieges immer wahrscheinlicher werde, sofort erhöhte Subsidien aus Paris zur Verstärkung seines Heeres, sowie den Angriff Frankreichs auf die Generalstaaten für den Fall, dafs diese eine Flotte zur Unterstützung der Schweden in die Ostse entsenden würden. Ähnliche Anliegen stellte Meyercroon in Paris von Seiten Dänemarks. Ein förmliches „Konzert*' solle zwischen den drei Mächten aufgerichtet werden, in erster Linie gegen Schweden, in zweiter gegen dessen Helfer, die lüneburgi- schen Herzoge. Wirklich ging, wenn auch zögernd, die fran- zösische Regierung auf diese Anträge ein. Am 11. März sandte

> Haigel, a. a. O., S. 99ff.

Ms. Spanheim an Kurf., 29. Okt. 1682, 29. Jan. 1688. Prutz,

257. aei.

318 Siebentes Buch.

Ludwig an Röbenac die Mitteilung seines Beschlusses, lieber Dänemark und Brandenburg in seiner Allianz zu bewahren, als noch Iftnger Schweden zu schonen, das sich dessen so unwert mache. Der König wollte freilich die erhöhten Subsidien erst von dem wirklichen Ausbruche der Feindseligkeiten an bezahlen, er wünschte immer noch, den Kampf lieber gegen die Lttne- burger als gegen die Schweden geführt zu sehen allein die Grundstimmung in Paris war doch eine andere geworden. Und bald wurde Ludwig durch seinen eigenen Gesandten in Kopen- hagen weiter fortgerissen, als ihm eigentlich genehm war: Mar- tangis schlofs mit Dänemark einen Vertrag, der die Zahlung der Kriegssubsidien schon auf den folgenden 1. Juni festsetzte. Ludwig wollte zuerst diese Bedingung nicht annehmen, den Vertrag nicht ratifizieren; aber schliefslich entschied er sich doch dafür, weil es sich ja nur um ein Geldopfer handle ^

Dieser Wechsel in der Haltung Frankreichs bereitete der Neigung des Kurfürsten zu der kaiserlich-niederländischen Partei ein sofortiges Ende. Es ist klar, er meinte noch immer seinen Vorteil vor allem auf selten Frankreichs zu finden, und sobald er von dessen freundlichem Willen überzeugt zu sein glaubte, suchte er mit dessen Hilfe voran zu kommen. Die General- staaten und der Kaiser erfuhren dies bald zu ihrer schmerz- lichen Enttäuschung.

Amerongen war am 8. März 1683 mit den schönsten Hoff- nungen nach Berlin zurückgekehrt. Man hatte im Haag endlich eingesehen, dafs die Freundschaft des Brandenburgers unbedingt nötig, dafs er unter den deutschen Fürsten der einzige notable Reformierte, und dafs er überdies von allen Seiten um- worben sei. Die frühere kühle Geringschätzung, als sei er ein kleiner Söldnerführer, den man immer für einige Stüber haben könne, war offenbar nicht mehr am Platze. Auf Andringen Wilhelms von Oranien beschlossen die Generalstaaten, ein Ver- teidigungsbündnis der Niederlande und Spaniens mit dem Kur- fürsten zu Stande zu bringen, wofür die ersteren ihm 500000, das zweite 200000 Reichstaler auf die noch schuldigen Subsidien zahlen sollten. Auch das war noch nicht das letzte Wort man war bereit, die Summe, wenn nötig, zu erhöhen. Allein der wackere Amerongen fand sich in Berlin bald enttäuscht.

^ Ms. Korresp. zwischen Kurf. u. Spanheim, Febr. bis April 1683.

yierandyierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 319

Friedrich Wilhelm und seine Minister suchten alle möglichen Gründe heraus, um die Annahme des niederländisch-spanischen Anerbietens von sich zu weisen. Der Gesandte begriff, dafs die Absichten auf Pommern den Ausschlag bei dem Herrn gaben, der "trotz Alters, schwerer und schmerzlicher Krankheit und tiefer Gemfitsverstimmung nichts von seinem Ehrgeiz und seinem Eifer für die Gröfse seines Staates eingebüfst hatte. Amerongen war schon in den ersten Tagen nach seiner Ankunft davon überzeugt, dafs Friedrich Wilhelm mit Dänemark nnd Frankreich abschliefsen werdet

Schwerins Unterhandlung mit dem Kaiserhofe brachte kein besseres Ergebnis. Das war aber in erster Reihe nicht die Schuld des Kurfürsten. Der Hilfe Polens, Bayern, Sachsens, zahlreicher anderer Reichsstände sicher, wies Leopold alle An- träge Brandenburgs zurück und sprach diesem jedes Recht auf irgend ein schlesisches Fürstentum ab. Friedrich Wilhelm berief dann Schwerin schon Anfang März zurück, teils weil er die Aussichtslosigkeit seiner Sendung erkannte, teils im Wunsche, Frankreich einen Beweis seiner Ergebenheit zu bringen. Wirk- lich äufserten Ludwig und Croissy ihre lebhafte Befriedigung. Die kaiserlichen Minister hielten Schwerin noch einige Wochen in Wien zurück, aber ohne jeden Nutzen. Der Zwiespalt zwischen dem Kaiser und Brandenburg war heftiger und ging tiefer denn je*.

Friedrich Wilhelm mochte immerhin seine passive Haltung bei den französischen Gewalttaten mit der Not der Zeiten und seiner Überzeugung entschuldigen, dafs das Reich aufser stände sei, den übermächtigen Gegner mit Gewalt zu bestehen, dafs es also mit diesem sich auf gütlichem Wege abfinden müsse. Solche Gründe sind aber für seine Untätigkeit bei der Türkengefahr nicht stichhaltig. In seiner, freilich an sich gerechten, Ent- rüstung über Leopolds stets bewiesene Ungunst hat er, als es sich um die Rettung Deutschlands vor einem barbarischen Feinde bandelte, um kleinlichen Vorteil gefeilscht. Während minder mächtige Reichsstände sich mit patriotischem Opfermute in den

» ü. u. A., ni, 651 ff.

Pufendorf, XVm, 84f. U. u. A^ IH, 674 ff., XIV, 1052 ff. Orlich, n, 493ff. Droyeen, HI, IH 746ff. Prutz, 362. Ms. Spanheim an Kurf., 19. März.

320 Siebentes Buch.

Kampf um das Dasein des grofsen Vaterlandes stürzten, war Friedrich Wilhelms Trachten nur auf den Gewinn eines schlesi- sehen Fürstentums oder eines Stückes von Vorpommern gerichtet. Das Verhalten Friedrich Wilhelms im Jahre 1683 bildet den traurigsten Teil seiner Regierungstätigkeit ; wenn der Kurprinz, Anhalt, Derfflinger es hier gegen ihn mit Österreich hielten, finden sie immerhin eine Entschuldigung in dem Umstände, dafs ihre Denkweise besser der Ehre und dem wahren Interesse Brandenburgs entsprach als die ihres kurfürstlichen Herren.

Während Österreich, Polen, viele deutsche Fürsten gegen den Türken rüsteten, erschollen Frankreich und seine Vasallen- staaten vom Lärm der Rüstungen gegen christliche Länder. In Frankreich wurden Truppen gesammelt zur Belagerung der wich- tigen belgischen Festung Luxemburg, ja zum eventuellen Ein- marsch in Norddeutschland. Brandenburg verstärkte sein Heer und versah es mit allem Notwendigen zum Kampfe gegen Schweden und die Lüneburger; es gab dafür in wenigen Wochen volle 120000 Taler (etwa IV2 Millionen Mark nach heutigem Geld- werte) aus. In Kopenhagen wurde rastlos an den Kriegsvor- bereitungen gearbeitet; ein angesehener französischer General, Graf von Roye, trat mit Genehmigung seines Königs in dänische Dienste und ward als Feldmarschall mit der Leitung des däni- schen Heeres betraut \ Die Verhandlungen zwischen den drei Staaten über ihr offensiv gedachtes „Konzert** wurden mit grofsem Eifer betrieben, und zwar in Berlin, wo als dänischer Bevoll- mächtigter Biermann von Ehrenschild anlangte, um mit R6benac, Meinders und Fuchs zu negotieren. Frankreich hegte um so gröfsere Neigung, auf die von Brandenburg und Dänemark ge- stellten Bedingungen einzugehen, als damals von einem Vergleiche zwischen dem Kaiser und der Hohen Pforte die Rede war: dann hätte nur der Kampf seiner Verbündeten gegen Schweden und die Lüneburger dem Allerchristlichsten Könige erlaubt, seine ganze Macht am Oberrhein gegen Österreich und dessen süd- und mitteldeutsche Helfer zu vereinigen. Die Unterhandlung bot freilich noch mehrere Schwierigkeiten: einmal die Festsetzung eines nahen Datums für den Beginn der erhöhten Subsidien- zahlung, wobei Brandenburg überdies für sich schon den fol-

» Recueü des Instructions, Xin, S. XLII. U. u. A., m, 686. Prutz, 868 ff.

Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 321

genden 1. Mai forderte, anstatt des von Dänemark verlangten 1. Juni; zweitens der weitere Anspruch Brandenburgs, dafs die Verbündeten nicht allein gemeinschaftlich*', wie es in dem von Martangis zu Kopenhagen unterzeichneten Vertrage hiefs, sondern auch „getrennt'^ gegen Schweden vorzugehen berechtigt seien; endlich dafs der Angriff auf diesen Staat nicht bis auf Feind- seligkeiten von dessen Seite vertagt werden, sondern nach blofsen ^Truppenaushebungen*' Karls XI. erfolgen solle. Auch wollte Friedrich Wilhelm versichert sein, dafs Frankreich, selbst für den Fall des Bruches mit dem Reiche, auf dessen Kosten keine neuen Reunionen vornehmen werdet In dieser Beziehung ist sich der Kurfürst, zu seiner Ehre, immer treu geblieben. R^benac sträubte sich lange gerade gegen die letztere Forderung, so- wie gegen die Bürgschaft Frankreichs für die zukünftig gegen Schweden von Brandenburg und Dänemark zu machenden Er- oberungen. Schliefslich gab er nach, aber in einer Form, die der Ländergier Ludwigs XIV. eine Hintertür offen zu lassen bestimmt war.

So wurde am 30. April 1683 das neue Bündnis in Berlin unterzeichnet, und zwar derart, dafs ein kürzerer Vertrag, auf Grund des Kopenhagener Abkommens, zwischen Frankreich und Brandenburg abgeschlossen wurde, ein längerer und umfassen- derer — das sogenannte „Konzert" in deutscher Sprache zwischen Brandenburg und Dänemark, aber auf Grund der von R^benac übermittelten Zusagen des AUerchristlichsten Königs und in der Voraussetzung, die Billigung dieses Herrschers zu erhalten ".

Der erstere Vertrag setzte fest, dafs die beiden nordischen Mächte jeder Vermehrung schwedischer Truppen oder deren Über- führung nach Deutschland durch einen Angriff, zu Wasser wie zu Lande, begegnen würden. Jeder Anfall fremder Mächte auf die Länder eines oder des anderen der drei Verbündeten soll mit gemeinsamen Mitteln abgewehrt werden. Die Kriegssubsidien in Höhe von 300000 Talern jährlich zahlt Frankreich vom I.Juni ^ oder, nach einer besonderen Deklaration Röbenacs, an Bran- denburg vom 1. Mai des laufenden Jahres an.

^ Biese Punkte werden in der Ms. Korrespondenz des Kurf. mit Spanheim während des April 1688 erörtert.

' Körner, 721{f. Vgl. die Bemerkungen Rebenacs; Prutz, 864»

Philippson, Der GrofM Kurfarst. III. 21

322 Siebentes Buch.

Das Konzert '^ traf weitere und eingehendere Verabredungen. Während in dem brandenburgisch -französischen Abkommen nur von Schweden die Rede ist, tritt hier das Haus Lüneburg mit als Ziel des Vertrages hervor. Es sollen zunächst mit ihm Ver- handlungen gepflogen werden; scheitern diese aber, und zeigen sich die Herzoge feindselig, soll der Krieg mit ihrer Überwälti- gung beginnen, wozu Frankreich mit einem Heere Yon 300O> Mann beitragen wird. Kurköln und Münster werden zur Mit- wirkung und zur Aufstellung einer westfälischen Kreisarmee auf- gefordert. Im Falle des Erfolges gegen Schweden soll Dänemark die Herzogtümer Bremen und Verden samt der Stadt Wismar, Brandenburg aber das ganze Vorpommern nebst Rügen erhalten. Die Verbündeten werden die Waffen nicht niederlegen, ehe Schweden in solche Abtretungen eingewilligt hat. Der König von Frankreich aber verspricht für den Fall, wo er im Reiche Krieg zu führen habe: „dafs Sie dasjenige, was Sie von den Opponenten etwan erobern und in Ihre Gewalt bringen möchten, nicht vom Reiche abreifsen, sondern bei geschlossenem Frieden wieder abtreten und das Reich nicht verringern oder schwächen wollen" (Artikel 18).

Das „Konzert" schien ganz den Wünschen Dänemarks und Brandenburgs zu entsprechen. Frankreich unterstützt beide Staaten im Kampfe gegen Schweden, der sofort beginnen kann, denn der Vorwand irgend einer „Vermehrung" der schwedischen Streitkräfte war immer zu finden. Inzwischen hat Frankreich nur das Recht, seine Gegner in Deutschland zu bekämpfen, aber es soll auf deren Kosten keine neuen Erwerbungen machen dürfen. In Wahrheit jedoch war die Sachlage keine so einseitig günstige, wie die nordischen Staatsmänner annahmen. R6benac hatte eine von ihnen vorgeschlagene Bestimmung, dafs „Frank- reich seine künftigen Eroberungen im Reiche denjenigen, denen es sie entrissen, zurückerstatten solle", abgelehnt und dafür im Artikel 18 eine Fassung gewählt, die nur die Be- raubung des Reiches als solchen verhinderte, es also Frankreich gestattete, seine ferneren Eroberungen zu behalten, falls es nur, der Form nach, für diese Stand des Reiches würde.

Der Kurfürst aber achtete dieser Bedenken nicht; er hielt den Krieg für entschieden, und zwar „seinen" Krieg, wie er ihn seit Jahrzehnten gewünscht, dieses Mal mit anscheinend un- zweifelhafter Sicherheit des Erfolges. Denn die Lüneburger

Yierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 323

worden durch das blofse Erscheinen eines französischen Heeres an der Weser zum Stillsitzen genötigt sein^ mit Schweden allein würden Dänemark und Brandenburg leicht fertig werden. Ja, wenn selbst Dänemark sich nur mit Frankreich vereinte, um die LOneburger im Zaume zu halten, die jede Aufforderung zum gemeinsamen Bündnisse gegen Schweden ablehnten, war Friedrich Wilhelm froh bereit, dieses auch allein anzugreifen '. Denn die schwedischen Besitzungen in Deutschland waren derart von allen Verteidigungsmitteln entblöfst, dafs ihre Eroberung als ein leichtes erschien. Es wurde die Artillerie, behufs schneller Ein- Dahme der pommerschen Festungen, besonders verstärkt, auch in Königsberg eine Anzahl Kriegsfahrzeuge zur Fahrt ausgerostet. Drei Regimenter in Preufsen erhielten den Befehl, sich marsch- fertig zu machen. Man hoffte in Berlin jedoch, den Gewinn des von Truppen fast entblöfsten Vorpommerns ohne viel Blut- vergiefsen zu erlangen^.

Ebenso grofs war der Kriegseifer in Dänemark. Christian V. beabsichtigte, die schwedische Flotte zu überfallen und zu ver- brennen und zugleich das Herzogtum Bremen anzugreifen. Auch er glaubte, wegen der schlechten Vorbereitungen Schwedens, kaum auf ernstlichen Widerstand zu stofsen \ Damit begnügten sich aber die Hoffnungen des Königs nicht: er verlangte von Brandenburg wie von Frankreich, dafs beide Staaten ihm die Eroberungen nicht nur, wie im „Konzerte** stipuliert war, im deutschen, sondern auch im eigentlichen Schweden verbürgen sollten, wo er die ein Vierteljahrhundert früher den Dänen ent- rissenen Provinzen Schonen, Halland und Blekingen zurückzu- gewinnen gedachte. Eine solche Verpflichtung hat der Kurfürst nicht offen abgelehnt, sie aber von der sicher niemals zu er- langenden — Zustimmung Frankreichs abhängig gemacht, dem er so das Odium der Zurückweisung klüglich überliefst.

1 Ms. Spanheim an Surf., 4J14. Mai 1688.

Kebenac an Ludwig XIV., 29. Mai; Prutz, 365f. Pufendorf, XVm, 91.

TJ. u. A., m, 706 ff. Dafs die Ansicht von der Verteidigungs- tmffthigkeit der schwedischen Provinzen in Deutschland richtig sei, wurde damals von allen Seiten zugegeben. Vgl. Recueil des Instructions, Xm, 54.

* Instr. Ludwigs XIV. an Villars, 6. Mai 1683; Becueü XIH, 46.

* Ms. Chiffrierte Instr. des Kurf. an Spanheim, 1./11. Mai 1683.

21*

324 Siebentes Buch.

Alle diese Hoffnungen aber waren nichtig, alle diese Pläne zerflatterten im Winde. Denn das Bündnis mit Frankreich er- wies sich abermals als das schwache Rohr, das in eben dem Augenblicke zerbricht, wo man sich darauf zu stützen gedenkt.

König Karl XI. hatte erkannt, dafs er aufser stände sei, einem von Frankreich begünstigten Angriffe Dänemarks und Brandenburgs erfolgreich die Spitze zu bieten. Während er das Versäumte mög- lichst durch beschleunigte Rüstungen zu Lande und zu Wasser nach- holte, tat er alles, um Frankreich von der absoluten Friedfertigkeit seiner Absichten zu überzeugen ; er bat sich sogar einen neuen fran- zösischen Gesandten nach Stockholm aus K Ludwig XIV. wurde durch diese Umwandlung in der Haltung der schwedischen Re- gierung sofort wieder zu seiner eigentlichen Ansicht zurück- gebracht, er habe eine wesentliche Schwächung Schwedens nicht zuzulassen. Es schien ihm für Frankreich ratsam, dafs Schweden auf der einen, Dänemark und Brandenburg auf der anderen Seite sich balancierten und der Allerchristlichste König stets die eine gegen die andere Macht ausspielen könne. Er war davon überzeugt, dafs Dänemark und Brandenburg in eben dem Augen- blick, wo sie ihre Wünsche verwirklicht und Schweden unschäd- lich gemacht hätten, sich von Frankreich ab- und dem Kaiser zuwenden würden, und zwar um so mehr, als sie nur von diesem die endgültige Belehnung mit den den Schweden abgenommenen deutschen Ländern zu erhalten vermochten. Alle Unterstützungen, die er jenen beiden Staaten gewährt, würden dann im letzten Grunde dem Hause Österreich zu gute kommen. Er hatte einst- weilen seine Zwecke erreicht : Schweden war ebenso wie Branden- bürg von dem Anschlüsse an Osterreich und die Niederlande zurückgebracht worden; nun opferte er zumal den Kurfürsten, dem er ja stets mifstraute, ohne das mindeste Bedenken. Er suchte sogar Dänemark dazu zu bewegen, dafs es sich ganz von Brandenburg trenne, mit Schweden ein enges Bündnis schliefse und sich dann, an Stelle des Herzogtums Bremen, vielmehr des alten Gegenstandes seiner Habsucht, der freien Stadt Hamburg, bemächtige '•

» Carlson, V, 261 ff .

' Ludwig teilt das als das tiefste Geheimnis der französischen Politik Villars mit; Becueil XIII, 54. Vgl. die ganze Darlegung dort S. 46 ff.

Vierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 325

Dazu mufsten die Verbündeten der Hansastadt, die weifi- schen Herzoge, unschädlich gemacht sein. Gegen diese also bemühte Ludwig sich zunächst den Ehrgeiz und die Kriegslust seiner Aliierten zu richten. Die Lüneburger waren die mäch- tigsten unter den kaiserfreundlichen Reichsfürsten; wenn sie bis zur Machtlosigkeit geschwächt worden, erhielt die öster- reichische Partei in Norddeutschland den Todesstofs. Ludwig betrachtete sie als seine gefährlichsten Widersacher im Reiche. Schon im März 1688, ehe noch das „Konzert^ vereinbart war, hatte er sich bemüht, Christian V. und Friedrich Wilhelm zu- nächst auf die Lüneburger zu hetzen. Immer und immer wieder kam Groissy darauf zurück, man müsse alles mit der gewalt- samen Entwaffnung dieser Fürsten beginnen; denn solange sie noch gerüstet daständen, könne ohnehin der Angriff auf Schweden nicht mit Sicherheit geschehen, da sie den Dänen und Branden- burgern stets in den Rücken fallen könnten. Auch R6benac mufste das in Berlin, Villars, der neuernannte Gesandte in Kopenhagen, in dieser Hauptstadt vorstellend

Das „Konzert*" hatte die Lüneburger dadurch unschädlich machen wollen, dafs ein französisches Heer an die Weser vor- rücke. Allein Ludwig wies das durchaus zurück und wollte seine Truppen nicht einmal an den Niederrhein entsenden ', an- geblich aus Friedensliebe, in der Tat, um seine Verbündeten zu zwingen, dafs sie selber sich gegen die weifischen Herzoge wendeten.

Aber dafür war Friedrich Wilhelm nicht zu haben. Er konnte keine dauernden Erwerbungen auf Kosten dieser deut- schen Fürsten machen, wie etwa auf Kosten Schwedens. Ab- gesehen von seinem Bündnisse mit Frankreich hatte er im Grunde keine Ursache zum Streit mit diesem Hause. Ein grofser und seinem Herzen nahestehender Teil seiner Umgebung er- klärte sich mit Leidenschaft dagegen, im Dienste der Welschen deutsche Fürsten nur deshalb zu bekämpfen, weil sie ihrem Kaiser treu waren. Der greise Derfflinger rief dem Kurfürsten laut zu: „Ich will mich lieber in Stücken hauen lassen, als die kurfürstliche Armee gegen Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht Ehre

» Ms. Spanheim an Kurf., 19. März, 3. Mai 1683. Prutz, 365. Recueü, XIII, 50 f.

' Ms. Spanheim an Kurf.) 27. Mai.

326 Siebentes Buch.

und Gewissen, auch Eure und des Reiches Wohlfahrt zu komman- dieren/ ^ Das alles machte auf Friedrich Wilhelm tiefen Ein- druck, und zwar um so mehr, als er sich wiederum von Frank- reich des Preises, den er schon in H&nden zu halten geglaubt hatte, auf das rücksichtsloseste beraubt sah. Ein deutlicher Beweis für das Übelwollen Frankreichs war auch, dafs dieses sich weigerte, eine Bürgschaft für etwaige Erwerbungen seiner Alliierten zu übernehmen, sondern lediglich die Verpflichtung in den Vertrag zulassen wollte: dafs die Verbündeten nur mit gegenseitiger Zustimmung Frieden schliefsen dürften, eine un- sichere Klausel, die erforderlichen Falles leicht zu umgehen war. Femer mufste es den Kurfürsten schwer verdriefsen, dal^ König Ludwig jeden seiner Versuche, die Herausgabe Oraniens zu er- zielen, mit schneidender Kftlte zurückwies, da jenes Fürstentum ein yerwirktes Lehen der Krone sei".

Am meisten entrüstete es ihn, dafs Groissy nunmehr er- klärte, für den Eintritt eines Bruches mit dem Reiche könne sein König sich in betreif weiterer Erwerbungen und Reunionen die Hände nicht binden. Die ganze moralische und rechtliche Grund- lage der brandenburgischen Politik während der letzten vier Jahre wurde damit vernichtet. Friedrich Wilhelm beauftragte Span- heim, dies in Paris unumwunden auszusprechen und mit aller Schärfe darauf hinzuweisen,' der Kurfürst könne auf Grund seiner beschworenen Pflichten nicht dazu helfen, dafs das Reich weiter gemindert und zergliedert werde, würde auch dadurch seine eigenen feierlichsten Verpflichtungen Lügen strafen. „Es würde verhoffentlich Ihre Königl. Maj. teils durch Behauptung der ais- schon gemachten Reunionen, auch überdem noch wohl ander- wärts und aufser dem Reiche eine anständige und zulängliche Satisfaktion finden.'' Allein mit Dänemark gegen die Lüneburger vorzugehen , wies er in jeder Weise zurück ; inzwischen werde damit die beste Zeit verloren gehen, wo man gegen Schweden etwas ausrichten könne. Er wollte nichts zum Nachteile Deutsch- lands tun. Schliefslich , am 8. Juni, sprach er seinen völligen Verzicht auf das „Konzert" aus, das er also nicht ratifiziert hat^.

' U. u. A., XIV, 1071.

' Ms. Spanheim an Kurf., 24., 27. Mai. R^benac mufs anerkennen, dafs des Kurfürsten Zorn gerechtfertigt sei; Ms. Depeschen vom Juni 1683 (B).

« Kurf. an Spanheim, 8./18. Mai, 22., 29. Mai / 1., 8. Juni 1683.

Yierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 327

Er kam damit Ludwig XIY. zuvor, der gleichfalls das «Kon- zert" ablehnte, weil er mit Schweden nicht zu brechen gedenke. Er ermahnte vielmehr zur Bewahrung des Friedens in Nordeuropa, derart seine eigenen jüngsten Winke, Aufforderungen und Ver- sprechungen, sowie die amtlichen Taten seiner Vertreter Lügen strafend ^ Abermals hat sich da für Brandenburg die volle Nutz- losigkeit der französischen Allianz erwiesen. Der grofse König hatte es „amüsiert^, um es von einem Übertritte zur europäi- schen Partei abzuhalten. Er hat damit aber bewirkt, dafs der Kur- fürst zu einer kriegerischen Unterstützung Frankreichs nicht mehr zu haben war. Insofern war das brandenburgisch-französi- sche Bündnis durch diese Vorgänge endgültig abgeschwächt.

Friedrich Wilhelm benutzte die französischen Hilfsgelder noch, um sein Heer in ansehnlicher Stärke zu erhalten; sonst dachte er nur daran, den Frieden im Reiche zu bewahren, dies vor neuen Unruhen und damit vor der Gefahr weiterer Ver- luste zu schützen. Er sandte Meinders nach Braunschweig und Hannover, um wenigstens äufserlich eine Versöhnung mit den Weifen herbeizuführen. Es fand dann, im Juni, zu Hamburg ein Kongrefs brandenburgischer, dänischer und lüneburgischer Be- vollmächtigter statt, dem für die erstere Macht Meinders, für die zweite Biermann von Ehrenschild, für die dritte Grote bei- wohnte; auch R^benac hatte sich zur Vertretung der französi- schen Interessen dorthin begeben. Während Frankreich alles tat, um den Ausgleich mit den Weifen, von dem es eine Trennung Brandenburgs von Ludwig XIV. fürchtete, zu hintertreiben *, er- klärte Grote unumwunden, Hannover könne sich nicht eher den Verbündeten nähern, als der Allerchristlichste König Sicherheit gegeben habe, nichts gegen das Reich unternehmen zu wollend Der Kongrefs ging am 25. Juni unverrichteter Sache auseinander.

Dänemark war mit dem friedlichen Verhalten Brandenburgs sehr unzufrieden. Das Erscheinen einer französischen Flotte in der Ostsee, das Ausbleiben des den Schweden versprochenen holländischen Geschwaders hatten in Kopenhagen die Kriegslust wieder gesteigert. Man war dort wohl dazu geneigt, dem Kur- fürsten die Schuld am Scheitern des Angriffsplanes auf Schweden

» Prutz, 366f. Recueil, XUI, 55. » Prutz, 366.

328 Siebentes Buch.

beizumessen, und drohte, sich mit diesem letzteren Staate zu verbünden. Friedrich Wilhelm anderseits war mifsgestimmt über die einseitige Begünstigung Dänemarks durch Frankreich und über dessen Bemühungen, die englische Prinzessin Anna mit dem dänischen Prinzen Georg zu vermählen. Man glaubte, und zwar mit Recht, in Potsdam fürchten zu müssen, dafs Ludwig darauf hinziele, seine Partei mit Dänemark, England und Schweden zu bilden und Brandenburg ganz zur Seite zu schieben. Als Ende Juni der dänische Abgesandte Friedrich von Gabel den Kur- fürsten von neuem in kriegerische Abenteuer zu verstricken suchte, wies dieser solche zurück und verweigerte auch eine abermalige Zusammenkunft mit Christian Y. als nutzlos und gar schädlich ^

Er fühlte sich verlassen und vereinsamt, und seine schweren körperlichen Leiden verstimmten ihn vollends. Er erklärte den Holländern auf abermaliges Andrängen wiederum : man solle vor allem den allgemeinen Frieden auf Grund des Status quo ab- schliefsen, dann werde er zu neuen Bündnissen die Hände frei haben; auch müfsten zuvor seine Forderungen an Holland und Spanien wegen der rückständigen Subsidien befriedigt sein. Aber war die allernächste Kriegsgefahr beseitigt und die Zeit ge- wonnen, um in aller Ruhe den zukünftigen Kampf vorzubereiten, so war er wohl geneigt, von der französischen Partei wieder zu der niederländisch-kaiserlichen, unter gewissen Bürgschaften für die Interessen Brandenburgs, überzutreten. Er wolle, sagte er, sich in betreff Spaniens mit dem von diesem selbst angebotenen Betrage von 200000 Talern in bar und 300000 in Salz einver- standen erklären, auch eventuell ein Verteidigungsbündnis für die freien und die spanischen Niederlande eingehen (28. Juni). Die Generalstaaten sollten ihm für die schuldigen Hilfsgelder ein für alle Male eine halbe Million Taler zahlen oder dafür die Krone Schweden zur Abtretung der Stadt Stettin an ihn bewegen. Freilich wiesen die Hochmögenden beide Möglichkeiten dieser , Alternative" zurück: sie wollten weder eine so grofse Summe entrichten noch den offenbar aussichtslosen Versuch machen, den ehrbegierigen und charaktervollen Karl XI. zur Aufgabe Stettins zu überreden'. Jedenfalls zeigte das Erbieten

* U. u. A., ni, 713. 725 ff. Ebendas. 705 ff. 718 ff. 725 ff.

Yierundvierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf Schweden. 329

Friedrich Wilhelms, dafs bei ihm die Hochflut französischen BOndniseifers sich bereits verlaufen hatte, und dafs es für ihn nur von den Umständen abhing, die Partei zu wechseln.

Er scheute sich nicht, R^benac, der ihm im Grunde des Herzens recht geben mufste, das Sündenregister Frankreichs vorzuhalten. Es habe ihm viele mächtige Staaten: Österreich, die braunschweigischen Herzogtümer, Schweden, Sachsen, Polen, zu Feinden gemacht und dabei durch Verweigerung des jüngsten Traktats die Mittel genommen, diese gefährliche Phalanx zu sprengen. Es nötige ihn, mit seinem Heere auf dem Kriegs- fufse zu verharren, und versage ihm doch die Eroberungen auf Kosten Schwedens, zu denen es ihn wenige Monate vorher an- gefeuert habe^ Kurz, die Beziehungen zwischen Berlin und Paris waren abermals, wie ein halbes Jahr zuvor, recht kühle und unerfreuliche.

Und nun kam von neuem Lamberg nach Berlin (Juni 1683 '), um den Kurfürsten für ein Bündnis mit dem Kaiser zu ge- winnen. Allerdings hatte dieser ein solches sehr nötig. Grof^ vezier Kara Mustapha war im Anfang des Mai mit mehreren Hunderttausenden von Streitern von Belgrad aufgebrochen, war dann in Ungarn erschienen und willens, unmittelbar auf Wien loszugehen. Leopold aber hatte kein irgend hinreichendes Heer zur Verfügung, um diesem furchtbaren Anprall einen Damm entgegenzusetzen. Er zitterte für seine Lande, für seine Krone. So trug er von neuem dem Brandenburger eine Allianz an : aber sie legte nur diesem Verpflichtungen auf und gewährte ihm keinerlei Voii;eile; die Zahlungen Spaniens waren auf 100000 Taler bar also hunderttausend weniger, als es bereits zu- gestanden hatte und 300000 in Salz festgesetzt. Von der 9 Satisfaktion" im Reiche, von Jägemdorf und den übrigen schlesi- schen Fürstentümern kein Wort.

Friedrich Wilhelm war mit Recht entrüstet über diese Zu- mutung. Die ihm feindselige Gesinnung des Wiener Hofes konnte sich nicht deutlicher kundgeben als durch derartige Anträge in dessen verzweifelter Lage. Und dabei mufste er hören, dafs die Salzwerke zu Cadiz und Lamata, die die unentgeltliche Liefe-

^ Dep. R^benacs vom 25. Juni; Prutz, 367.

Das Folgende nach ü. u. A., XIV, 1058 ff. Vgl. U. u. A., m, 716 ff.

330 Siebentes Buch.

rung des Salzes für 300000 Taler besorgen sollten, schon seit mehr als zwanzig Jahren an Privatleute verpachtet waren ! Man dürfte es ihm nicht verargen, dafs er unter solchen Umständen wenig Neigung zeigte, sich den Habsburgem dienstbar zu machen; er müsse erst abwarten, sagte er, was für „Sekuritat** ihm „prftstiert^ werde, „dann er als ein gebranntes Kind sich nicht gern zum zweiten Male wolle einführen lassen^. Er verlangte eine höhere Zahlung von Spanien], neue Subsidien vom Kaiser, Quartieranweisungen im Reiche für seine Truppen, Entschädi- gung für seine schlesischen Ansprüche, da der kaiserliche Hof seine Nachkommen um ihr Recht bringen wolle, wie das schon seit vielen Jahren geschehe. Kurz, eine Verständigung war hier noch im weiten Felde.

Da erscholl die Kunde, dafs der Kaiser am 7. Juli seine Hauptstadt flüchtend verlassen habe, deren Belagerung durch die Türken bevorstehe. Ein entscheidender Augenblick war ein- getreten. Sein oder Nichtsein stand für Deutschland auf dem Spiele. Friedrich Wilhelm beschlofs, zur sofortigen Übereinkunft mit dem bedrängten Reichsoberhaupte den kaiserfreundlichen Anhalt an Leopold zu senden. Noch einmal trugen die wahren Empfindungen des greisen Kurfürsten über seinen pei*sönlichen Groll und seine partikularen Absichten den Sieg davon.

Fünfundvierzigstes Kapitel

Die Braunschweiger Fehde.

Vier Jahre lang stand Kurfürst Friedrich Wilhelm im fran- zösischen Bündnis, als die Türken vor Wien erschienen und damit eine grofse europäische Krisis hervorriefen. Er hatte, mit Ausnahme geringfügiger Hilfsgelder, aus seinem Verhältnisse zu Frankreich nicht einen der Vorteile gezogen, auf die er ge- rechnet. Sein übermächtiger Alliierter hatte ihm weder von Holland noch von Spanien, weder vom Kaiser noch vom Reiche die Genugtuung erwirkt, auf die er Anspruch zu haben meinte, noch endlich ihm den vor allem ersehnten pommerschen Land- erwerb ganz oder auch nur zum Teil verschafft. Vielmehr sah der greise Fürst sich lediglich auf Bahnen gedrängt, die den Traditionen seines Staates schnurstracks zuwiderliefen. Wenn er dennoch an der Seite Frankreichs beharrte, wurde er hierzu nicht sowohl durch Zorn und Rachgier veranlafst, die längst verraucht waren, allerdings mit Zurücklassung bitterer und schmerzlicher Empfindungen, als vielmehr durch Erwägungen sowohl allgemeiner wie besonderer Art. Er war nach wie vor fest davon überzeugt, dafs das in sich gespaltene und zerrissene Europa nicht im stände sei, die Waffen des Allerchristlichsten Königs abzuwehren, und dafs man dessen Eroberungsgier einst- weilen nur durch gütliche Mittel, durch das Opfer eines Teiles des Verlorenen, Einhalt schaffen könne. Er durfte laut und mit vollem Rechte darauf hinweisen, dafs er gerade durch seine offizielle Freundschaft mit Frankreich Deutschland vor weiteren Einbufsen bewahrt habe. Diese Tatsache erhielt eine neue Bestätigung durch den Türkeneinfall des Jahres 1683.

332 Siebentes Buch.

Wie wäre es dem Kaiser und den Reichsständen zu einer Zeit, wo sie ihre ganzen verfügbaren Streitkräfte gegen die furcht- bare Macht der Türken verwenden mufsten, möglich gewesen, zugleich die Franzosen am Rhein zu bestehen ? Und dann : nur infolge seines Bündnisses mit Frankreich war Friedrich Wilhelm befähigt gewesen, wenigstens ein deutsches Gebiet Ostfriesland von der hundertjährigen Fremdherrschaft, aus der Gewalt der Holländer zu befreien und dem deutschen Wesen zu erhalten.

Zu diesen Erwägungen allgemeiner Natur kamen noch besondere: die Vernachlässigung seiner Interessen seitens der Generalstaaten und das offenbare Übelwollen, das ihm die Habs- burger und vorzüglich der Kaiser erwiesen. Vielleicht hätte er, aus höheren Beweggründen, in jüngeren Jahren über diese Dinge hinweggesehen, wie er es 1660, 1672, 1674 getan. Allein nach den trüben Erfahrungen des letzten Krieges, verbittert auch durch sein stetes Kranksein, das ihn den gröfsten Teil des Jahres hindurch an das Bett fesselte, ernüchtert durch das ohnehin des Schwunges entbehrende Greisenalter, vermochte er sich zu so kühnen und edlen Entschlüssen nicht mehr aufzuraffen.

Er war dennoch bereit, dem Kaiser, auf dessen wiederholte Bitten um Beistand, gegen die Türken zu Hilfe zu kommen; erschienen diese doch am 12. Juli wirklich vor Wien, und der Fall der österreichischen Hauptstadt hätte das ganze Reich dem barbarischen Feinde eröffnet. Unter diesen Umständen hätte Friedrich Wilhelm gern seine Beschwerden beiseitegeschoben, um gegen die allen drohende Gefahr anzukämpfen. Er wünschte sogar, bei dieser Gelegenheit mit dem Kaiser, Spanien und den Niederlanden ein Verteidigungsbündnis einzugehen, das seiner Allianz mit Frankreich nicht dem Wortlaut nach widersprochen, solche aber tatsächlich aufgehoben hättet Er zeigte seinen guten Willen in dem Osmanenkriege , indem er am 22. Juli mit einem polnischen Unterhändler, dem Bischof Andreas Zaluski von Kiew, in Berlin einen Vertrag einging, durch den er 1200 Mann als Hilfstruppen den Polen gewährte, und zwar für sechs Monate auf seine eigenen Kosten'. Dieser Truppenteil traf tatsächlich im Monat Oktober in Ungarn ein. Allein das war doch nur eine Abschlagszahlung: Friedrich Wilhelm beschlofs.

» U. u. A., m, 788 : Amerongen an Fagel, 10./20. Juli 1683.

Mörner, 447. O. Klopp, Das Jahr 1683 (Graz 1882), S. 268.

Panfimdvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 333

ein ansehnliches Heer von 12000 Mann zu bilden, das unter dem Befehle Derfflingers gegen die Tarken marschieren sollte. Die Regimenter aus der Mark und selbst aus Preufsen waren schon zum Marsche befehligte Er bat femer den König von Frankreich, in dieser Bedrängnis das Reich nicht anzugreifen noch zu beunruhigen. Er verzichtete auf die ihm im französisch- brandenburgischen Präliminar vertrage vom 30. April 1683 ver- heifsenen erhöhten Subsidien, nur um seine Friedensliebe und Selbstlosigkeit zu erweisen^. Wirklich hatte er die Genugtuung, zu sehen, dafs Ludwig XIY. die schon begonnene Belagerung Luxemburgs aufhob, um nicht der öffentlichen Meinung Europas als Verbündeter der Ungläubigen gegen die Habsburger zu er- scheinen. Anhalt hatte dann die bevorstehende Ankunft des brandenburgischen Heeres dem Kaiser förmlich anzuzeigen; allerdings war die Bedingung, dafs das Reich mit Frankreich abschliefse, da es sonst vor einem doppelten Angriffe unrettbar verloren sei. Der Kurfürst forderte zugleich ausgiebige Sub- sidien, von denen ein Teil auf Ostfriesland angewiesen werden könne und, indem er seine Ansprüche auf Liegnitz, Brieg und Wohlau einstweilen vertage, für Jägemdorf eine Geldentschä- digung, die ihm zur Erwerbung der Sachsen -weifsenfelsischen, ehemals magdeburgischen Ämter Querfurt, Jüterbog und Dahme dienen sollte^.

Man mag es bedauern, dafs der Kurfürst kleinliche Parti- kularinteressen zur Sprache brachte, wo es sich um die Rettung der Christenheit und zumal Deutschlands vor den wilden Feinden handelte. Allein man darf nicht übersehen, dafs die dieses Mal dem Kaiser gestellten BtLndnisbedingungen weit bescheidener waren als je zuvor. Es kam Friedrich Wilhelm vor allem darauf an, der guten Gesinnung Leopolds und seiner Räte sich zu ver- sichern, hierüber die Zweifel zu zerstreuen, die deren bisheriges Auftreten in vollem Mafse bei ihm hervorgerufen hatte. Er war um so mehr genötigt, hier klar zu sehen, als R^benac sich mit Energie, ja, mit Heftigkeit jeder Unterstützung des Kaisers, selbst nur gegen die Türken, widersetzte. „Wenn der Kurfürst

^ Ms. Derfflinger an Hessen-Homburg, 31. Juli, 13. Aug. 1683 (Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. XCIY, IV H b, 5 k).

* Ms. Kurf. an Spanheim, 16./26., 20./30. Juli. » U. u. A., XIV, 1073 f. 1079 ff.

334 Siebentes Buch.

solches täte", erklärte der Vertreter Frankreichs, ^könnte man nicht anders daraus urteilen, als dafs Se. Kurf. Durchl. von Sr. Eönigl. Maj. in Frankreich und dem mit Ihre aufgerichteten Bündnisse abzutreten vorhabe. Er müsse solches seinem Könige durch einen Expressen berichten" \ Er drohte offen mit dem Kriege gegen das Reich, wenn der Kurfürst solchen Abfall voll- ziehe'. In einem Schreiben an Fuchs machte er seinem Ärger Luft. Der Kurfürst habe durch sein unbedingtes Hilfsanerbieten den Kaiser nur davon abgehalten , sofort mit Frankreich , not- gedrungen, Frieden zu schliefsen. Es sei auch auffallend, dafs Se. Durchlaucht, die noch vor sechs Wochen mit seinen Feinden Krieg führen zu müssen behauptet habe, nunmehr vor diesen seine Länder gänzlich von Truppen entblöfse. Alles dies liefse auf einen völligen Parteiwechsel Brandenburgs schliefsen. Fuchs antwortete beschwichtigend, mit dem Hinweise auf die Not- wendigkeit, dafs schon um der Sicherheit seines eigenen Staates willen der Kurfürst den Türken Widerstand leiste; das ändere an seinem Verhältnisse zum Allerchristlichsten Könige nicht das mindeste *. Unter Röbenacs Leitung arbeitete die gesamte fran- zösische Partei am brandenburgischen Hofe, Kurfürstin Dorothea an der Spitze, dann Meinders, Grumbkow und deren Freunde, gegen jedes Abkommen mit dem Kaiser. Allein Friedrich Wil- nelm blieb fest. „Ich sehe nicht ein,*' antwortete er R6benac, „wie mein Vorhaben, die Türken von Deutschland fernzuhalten, dem Bündnis mit Frankreich sowie den Friedensbemühungen im Reiche widerspräche." „Das Hemde ist mir näher als der Rock," sagte er auch; „ich bin ein Kurfürst des Reiches und mufs dem Reiche in seiner Not beistehen." ^

Solches versprach er auch dem Grafen Lamberg.

Selbstverständlich blieb er dabei mehr als je der Ansicht, dafs eine Rettung für das Reich nur möglich sei, wenn dieses sich sofort der französischen Gefahr entledige. Das sagte er dem Herzoge von Sachsen-Lauenburg, der damals im Auftrage des kaiserlichen Feldmarschalls Herzog von Lothringen in Pots- dam erschien; das schrieb er auch dem Kurfürsten von Sachsen:

^ Ms. Kurf. an Spanheim, 13./2S. Juli.

U. u. A., III, 740.

«Klopp, Der Fall des Hauses Stuart, III, 547 ff.

* Englischer Bericht vom 21./31. Juli 1688; Raum er, Beiträge, III. 448 Anm. U. u. A., XIV, 1081 f. Prutz, 270 ff.

FOnfundvierzigstes Kapitel. Die Braonschweiger Fehde. 335

man müsse es so machen, wie „erfahrene Medici in desperaten Krankheiten tun, wo sie ein Glied abschneiden und dahinten- lassen um den ganzen Körper zu salvieren' ^. Er konnte sich darauf berufen, dafs das Kurfürstenkolleg in seinem Votum vom 21. Juli abermals den sofortigen Abschlufs des Waffenstillstandes mit Frankreich empfohlen hatte ^. Friedrich Wilhelm stand also mit seiner „Reichsver räterei ^ keineswegs vereinzelt da; die vor- nehmste Reichsbehörde war in ihrer überwiegenden Mehrheit ganz seiner Meinung.

Jedenfalls konnte er es nicht darauf ankommen lassen, mit Frankreich zu brechen, wenn er nicht Bürgschaften für den guten Willen des kaiserlichen Hofes besafs. Erhielt er solche durch Annahme seiner dem Kaiser gemachten Anträge, so war er fest entschlossen, für dessen Verteidigung einzutreten. Er liefs Derfflinger schleunigst nach Potsdam kommen: in wieder- holten Beratungen zwischen dem Kurfürsten, dem Feldmarschall und einigen vertrauten Ministern, am 1. und 2. August 1683, wurde festgesetzt, dafs die zwölftausend Mann allsogleich an der brandenburgisch -schlesischen Grenze zusammengezogen werden sollten, um, nach günstiger Erledigung von Anhalts Sendung, sofort nach Niederösterreich abmarschieren zu können. Grossen wurde zum Sammelpunkte für das brandenburgische Hilfskorps bestimmt '.

Hätte der Kaiser bereitwillig in die ihm dargebotene Rechte des Brandenburgers eingeschlagen, er hätte zweifellos ihn end- gültig auf seine Seite ziehen können. Sein Verhältnis zu Frank- reich wurde ein recht gespanntes. Friedrich Wilhelm sandte 300 Mann dem Kurfürsten von Trier zur besseren Wahrung von dessen Festungen. Einreden R^benacs, sein König werde das ungern sehen, blieben unbeachtet. Das „inständige Ersuchen'' des Gesandten, der Kurfürst möge auch ohne das „Konzert" den brandenburgisch-französischen Präliminarvertrag vomSO. April 1683 ratifizieren, wies dieser entschieden zurück, obwohl ^ hierdurch der erhöhten Subsidien verlustig ging. So wenig liefs er sich vorzugsweise von finanziellen Interessen bestimmen, wie seine

» Raumer, Histor. Taschenb. f. 1848, S. 226 ff. Prutz, 272 f. Londorp, XI, 616.

* Derfflinger an Anhalt, 24. Juli/ 3. August 1683; ü. u. A., III, 741 Anm. Klopp, Das Jahr 1683, S. 268.

336 Siebentes Buch.

Tadler in Vergangenheit und Gegenwart ihm vorgeworfen haben. „Wir können nicht absehen,^ erwiderte er, ;,wozu solcher Traktat, als welcher auf eine künftige Ruptur und Aktion zielet, und die darin gleichsam pro fundamento festgehalten wird, anitzo dienen sollte.^ Er wollte seine Beziehungen zu Frankreich nunmehr nicht fester knüpfen, sondern lockern, die Hände frei bekommen, um sie der entgegengesetzten Partei bieten zu können. Er sandt« also Meinders von neuem nach Hannover sowie nach Kopenhagen, um an beiden Orten zu vermitteln, sowie im Inter- esse des europäischen und zumal des Reichsfriedens zu wirken \ Hier nahm Friedrich Wilhelm die einzig richtige, von der Klug- heit gebotene Stellung ein: nicht als Vasall Frankreichs, son- dern zum Besten des Reiches und im Grunde des Kaisers selbst Ein Angriff Dänemarks auf die Lünebufger oder gar Frankreichs auf den Rhein hätte damals leicht den Zusammenbruch des ganzen uralten Reichsgebäudes zur Folge gehabt.

Der Kurfürst erlebte die Genugtuung, dafs Ludwig XIV. einlenkte. Es widerstrebte doch dem Ruhmesbedürfnis und Ehr- gefühl des Allerchristlichsten Königs, in dieser furchtbaren Weltkrisis als Verbündeter der Osmanen zu erscheinen. Er rechnete vielmehr darauf, dafs Wien ohnehin fallen, der Habs- burger sich zur Rettung Deutschlands vor den Türken unfähig erweisen werde. Dann gedachte er mit einem grofsen Heere im Reiche zu erseheinen, die Moslemin zu schlagen und zu ver- treiben und als gerechten Dank von den erlösten Deutschen die Kaiserkrone zu erhalten, aus der er ganz andere Machtbefug- nisse abzuleiten gewillt und im stände war als die beschränkten und langsamen Nachkommen Karls V.

Im Gegensatze zu R6benac sprach also Ludwig vielmehr seine Zufriedenheit mit der Truj^penhilfe aus, die Brandenburg dem Kaiser gegen die Türken gewähren wolle, sie sollte nur allzu schwach sein, um den Sieg Kara Mustaphas zu verhindern ; deshalb setzte er hinzu, bei dem drohenden Kriege zwischen Dänemark und dem Hause Lüneburg möge immerhin der Kurfürst seine Länder nicht allzusehr von Soldaten entblöfsen. Er be- dachte überdies Friedrich Wilhelm mit den wärmsten Lobsprüchen und verhiefs ihm trotz der Nichtbestätigung des Präliminar- vertrages aufserordentliche Unterstützungen. Kurz, er tat

^ Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanheims, Juli u. Aug. 1683.

Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 337

alles, am Brandenburg bei dem Bündnisse mit ihm zu erhalten K Und dann ein grofses Zugeständnis von allgemeiner Tragweite : er erklärte sich bereit was er bislang immer zurückgewiesen hatte , an Stelle eines beständigen Friedens mit Belassung der ersten Reunionen und Strafsburgs einen dreifsigjährigen Waffen- stillstand auf derselben Grundlage anzunehmen; allerdings müsse das Reich sich dazu bis zum 31. August entschliefsen '.

So stand sein freundliches und gemäfsigtes Benehmen in kriegerischer Zeit im schärfsten Gegensatze zu dem rauh ab- weisenden, ungünstigen Auftreten des kaiserlichen Hofes.

Man hat dem Kurfürsten den Gedanken untergeschoben: er könne jetzt von dem Kaiser so viel fordern, wie er wolle, da Leopold gezwungen sei, ihm zu willfahrten. Jedenfalls war das die Meinung der damaligen Diplomaten : die Österreicher müfsten ,in den sauren Apfel beifsen*^. Die kaiserlichen Minister waren aber gerade entgegengesetzter Ansicht: der Kurfürst dürfe bei der damaligen Lage der Dinge gar nicht anders denn ihnen zu Willen sein, und er werde sich also wegen seiner Ansprüche mit leeren Versprechungen abfinden lassen *. Der Kaiser wollte sieh demnach nur zu 100000 Talern eigener Subsidien verstehen, etwaige höhere Beträge von den Reichsständen zu erlangen suchen, wobei ein Erfolg ja mehr als unsicher erscheinen mufste.

Und auf solche Grundlage hin, die mit seinen Instruktionen in schreiendem Widerspruche stand, schlofs Anhalt am 12. August zu Passau, wohin der kaiserliche Hof sich geflüchtet hatte, eine Vereinbarung ab. Sie begründete den Ausgleich mit Frankreich auf den Westfälischen und den Nymweger Frieden, womit sämt- liche Reunionen ausfielen. Das hiefs den Krieg an Ludwig XIV. erklären. Um so verhängnisvoller war es, wenn der Vertrag festsetzte, Brandenburg solle sein Bündnis mit diesem Herrscher aufgeben und sich mit dem Hause Habsburg, „absonderlich der Krone Spanien'', alliieren, sofort ein Verteidigungsbündnis mit dem Kaiser eingehen. Selbstverständlich fehlten nicht die 12000 Mann, die er alsbald gegen; die Türken zu senden und^

^ Ms. Spanheim an Kurf., 12. August. Londorp, XI, 618ff.

* Bruynincx (niederländ. Gesandter in Wien) an den Griffier, 8. Aug.; TJ. u. A., ni, 742.

Philippfon, Der Grofse Kurfarst. III. 22

338 Siebentes Buch.

für 25000 Taler vierteljährlicher Subsidien, selber zu unterhalten hatte, also auf den Mann für ein Vierteljahr gerade zwei Taler gerechnet! Allerdings kam für die Zukunft noch eine ganze Reihe von Yerheifsungen hinzu, deren einstige Ausführung indes , nach den bisherigen Erfahrungen , als illusorisch zu be- trachten war*.

Anhalt hatte als Minister nicht Brandenburgs, sondern Öster- reichs, und zwar eines übelwollenden und mifsgünstigen Öster- reich, gehandelt. Das von ihm gebilligte Vertragsprojekt war für den Kurfürsten gänzlich unannehmbar. Das wenigste war noch die Unzulänglichkeit der finanziellen Zugeständnisse des Kaisers, viel wichtiger, dafs der Vertrag, während er die Erfüllung auch nicht eines einzigen der Ansprüche des Kurfürsten sicherstellte, diesen ohne weiteres zu Abmachungen nötigte, die zur unab- wendbaren Folge den Krieg mit Frankreich gehabt hätten. Eine 80 plumpe Vergewaltigung war Friedrich Wilhelm entschlossen sich nicht gefallen zu lassen. Er mifsbilligte das Vertragsprojekt durchaus, berief Anhalt unter den Ausdrücken lebhafter Mifs- billigung von Passau zurück und hemmte den Marsch seiner Truppen nach der schlesischen Grenze*. Er wandte sich aber- mals von dem Kaiser ab und überliefs ihn seinem Schicksale. Denn er mufste nunmehr hören, dafs, obwohl auf dem Regens- burger Reichstage auch das Fürsten- und das Städtekolleg sich für die Annahme des französischen Vorschlages eines langjährigen Waffenstillstandes aussprachen, Leopold das Reichsgutachten verwarf und des Willens war, den von Frankreich dem Aus- gleiche gesetzten Termin ungenützt vorübergehen zu lassen^.

Eine solche Hartnäckigkeit und Verblendung von selten des österreichischen Hofes war nur durch seine Abneigung gegen jedes Zugeständnis an die ketzerischen Reichsstände und nament- lich an den ersten und mächtigsten unter ihnen, Kurbranden- burg, zu erklären.

Anhalt mifsachtete noch einmal die Weisungen des Kur- fürsten, indem er trotz seiner Abberufung in Passau verblieb und mit den kaiserlichen Ministem weiterverhandelte, denen doch bei dem Zorn Friedrich Wilhelms um so schwüler zu Mute

» U. u. A., XIV, 1082-1105.

' Ms. Kurf. an Spanheim, 14./24. Aug. Prutz, 273.

« Londorp, XI, 622ff. 627.

Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 339

war, als sie auf der brandenburgischen Truppen „Valor und ab- sonderlich ihres Führers, des DeriFlinger, absonderlieh gebauet" hatten. Sie gaben insoweit nach, als sie weniger anspruchsvoll in betreff der Unterordnung des Kurfürsten unter die kaiserliche Politik wurden. Aber damit konnten sie seine Zustimmung zu ihrem Bündnis noch lange nicht erwerben^.

Friedrich Wilhelm hatte inzwischen, wie Anhalt nach Passau, so den Legationsrat von Ruck nach dem Haag gesandt, um sich mit den Generalstaaten, nicht minder als mit dem Kaiser, über ein zukünftiges Einverständnis zu besprechen. Sein Verhältnis zu den Hochmögenden war ja nahezu ein feindliches geworden. Im Frülgahr 1683 hatten sie ihn mit Krieg, und zwar mit Hilfe Polens, bedroht, wenn er es zum Bruche mit Schweden kommen lasse'. Er hatte nunmehr diesem unnatürlichen Zustande ein Ende machen wollen. Er verlangte also, dafs die Staaten, da ein allgemeiner Friede für den Augenblick unmöglich sei, dazu beitrügen, zwischen Frankreich und dem Deutschen Reiche den Frieden herzustellen, der allein dieses bei seiner augenblicklichen verworrenen Lage vor gänzlichem „Ruin und Bouleversement" retten könne, und dafs sie die zwischen ihnen und Spanien auf der einen, Brandenburg auf der anderen Seite herrschenden Streitigkeiten beilegten. Aber auch diese Unterhandlung stiefs von Beginn an auf eine grofse, eigentlich unüberwindliche Schwierigkeit : nämlich, dafs die Holländer begreiflicherweise von einem Sonderfrieden des Reiches mit Ludwig XIV. nichts wissen wollten. Sie fürchteten, dafs dann sowohl ihr eigener Staat wie die spanischen Niederlande rettungslos der Übermacht und der Eroberungssucht des AUerchristlichsten Königs preisge- geben sein würden. Sie konnten von ihrem Standpunkte aus kaum anders urteilen*.

Vielleicht würde Friedrich Wilhelm sich dennoch ohne Rück- halt den Seemächten angeschlossen haben, wenn Oraniens Plan geglückt wäre, anstatt des Prinzen Georg von Dänemark den soeben zum Witwer gewordenen brandenburgischen Kurprinzen

» U. u. A., XIV, 1106 f.

Ms. Kramprich an Marquis v. Grana (Gen.-Gouv. der span. Nieder- lande): Lee Etats-G^n^raux „ecriront demain k leur ministre k Berlin, qu'il avertdflse r]^ecteur de ne pas venir k rupture aveo la Suöde, puisque cet Estat seroit oblige de s'en mesler et s*engager aussi avec la Pologne".

» U. u. A., in, 743 iL

22""

340 Siebentes Buch.

Friedrich mit der englischen Prinzessin Anna, deren spätere Nachfolge auf dem britischen Thron sehr wahrscheinlich war, zu vermählen ^ Allein dieses Projekt hatte keinerlei Erfolg.

Damit waren des Kurfürsten Bemühungen, sich aus den Banden des französischen Bündnisses zu befreien und den Über- gang zu seinen natürlichen Verbündeten zu finden, sämtlich mifslungen. Da geschah das Unerwartete, das, was niemand zu hoffen gewagt hatte : die deutschen Truppen unter Karl von Lothringen, sowie die Polen unter ihrem Könige Johann Sobieski besiegten das türkische Heer am 12. September bei Wien gäniz- lieh und nötigten es zu wilder Flucht über die ungarische Grenze. Die Offensivkraft der Osmanen war durch diesen furchtbaren Schlag gebrochen, Deutschland vor dem Feinde im Osten ge- rettet — ohne Beihilfe nicht allein der Franzosen, sondern auch der brandenburgischen Truppen.

Ludwig XIV. war gründlich in seinen Berechnungen ge- täuscht. Er gab sich zwar den Anschein, über die Befreiung Wiens sehr erfreut zu sein, aber das war nur offizielle Heuehelei. Das glänzende Bild von Frankreichs erlösender Tat, die dem „König Sonne** die Kaiserkrone auf das stolze Haupt drücken sollte, war für immer verschwunden. Der Sieg der Kaiserlichen galt der Mitwelt als eine Niederlage Frankreichs*. In der Tat, der Kaiser war jetzt der Retter Europas, ihm flogen die Sympathien des Weltteils zu, der sich immer mehr daran ge- wöhnte, in Ludwig XIV. den gewalttätigen Störer und Feind seiner Ruhe, den gewissenlosen Despoten zu erblicken.

Der Verdrufs über den ungeahnten Erfolg der Habsburger veranlafste den französischen Herrscher sofort zu neuen kriege- rischen Entwürfen gegen sie. Er wünschte, in Deutschland einen Brand zu entzünden, der Kaiser und Reichsstände nötigen solle, sich von den Türken abzuwenden und diese fortwährende Bedrohung an ihren Grenzen bestehen zu lassen. Allein er wollte nicht selber als der Urheber eines Kampfes erscheinen, der zunächst den Ungläubigen zu gute kommen mufste : er hielt es für besser, andere in den Krieg zu hetzen*. Schon vor der

^ d'Avaux, N^gociations, I, 517.

' Ms. Spanheim an Kurf., 23. Sept. Vgl. Garn. Bousset, Histoire de Louvoiß, HI, 238Ö.

* Das Folgende nach den Ms. Berichten Spanheims aus dem Sep- tember 1688; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI Frankr., 22. 28.

FünfondvierzigsteB Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 341

Befreiung Wiens, als dem Kaiser aus Deutschland und Polen zahlreiche Helfer zuzogen, begann die französische Diplomatie, die noch vor kurzem von Friedenssehnsucht überströmte, Däne- mark und Brandenburg wieder gegen die Lttneburger aufzu- wiegeln, die angeblieh noch allein mit Spanien den Frieden des Reiches mit den Franzosen verhinderten. Dafür war der König bereit, noch nachträglich, vom letztvergangenen 1. Juni ab, die Kriegssubsidien nach Kopenhagen und Berlin zu zahlen. Nach einem kurzen Momente des Staunens ob dieser plötzlichen Sinnes- änderung in Paris zeigten die dänischen Staatsmänner sich mit Freuden bereit, auf die Intentionen Frankreichs einzugehen, das ihnen im Hintergrunde die Einnahme des längst begehrten und hauptsächlich von den Braunschweigern beschützten Hamburg zeigte. Die Franzosen suchten auch Münster und Kurköln für den Plan zu gewinnen, die mit französischem Gelde starke Streit- kräfte aufstellen sollten. Ludwig verhiefs, mit einem Heere in Belgien einzurücken und dadurch die Holländer von jeder Hilfe- leistung an die Weifen abzuhalten. Kurz, alles wurde so ver- lockend wie möglich für den Ehrgeiz der nordischen Verbündeten Frankreichs dargestellt. Aber dieses liefs doch das ganze Werk von der Mitwirkung des Kurfürsten von Brandenburg abhängen, deren man nicht entraten zu können meinte. Es ergingen also an ihn immer wiederholte Aufforderungen aus Paris, nunmehr, wo die Türkengefahr zunächst beseitigt, zugleich aber der Kaiser durch seine bisherigen militärischen Anstrengungen er- schöpft und deshalb ungefährlich geworden sei, seinen beständigen Widersachern, den Braunschweigem, den Garaus zu machen und damit die wichtigsten Bekämpfer des Reichsfriedens aus dem Wege zu räumen. Der König verfehlte auch nicht, als Zukunfts- bild die Demütigung und Beraubung Schwedens wieder auf der Leinewand erscheinen zu lassen. „Se. Majestät,*' schrieb Ludwig am 23. September an R6benac, „will gern durch Fortsetzung der Kriegssubsidien zu den Unternehmungen beitragen, die der Kurfürst belieben würde gegen Schweden ins Werk zu stellen, nachdem er das Haus Braunschweig der Möglichkeit beraubt hat, Schaden zu tun.** Zugleich erbot sich der König, solche Sicher- heit zu geben, wie der Kurfürst sie für angemessen halten würde, um seine Verbündeten von aller Besorgnis zu befreien, als ob er selber seinen Besitz in Deutschland vergröfsern wolle*.

* Sa Majeste deaire de leur oster les inqui^tudes qu^ils pourroient

342 Siebentes Buch.

Endlich forderte Groissy ausdrücklich den Abschlufs eines neuen „Konzerts^ an Stelle des von seinem Könige und Brandenburg abgelehnten. Er sprach dabei dessen eigentliche Meinung aus: die Aufhebung der Belagerung Wiens habe die ganze Sachlage verändert. Um der anwachsenden Macht des Kaisers und seiner Anhänger zu begegnen, hob Frankreich 40000 neue Soldaten aus (Anfang Oktober 1683).

Es lag dieses Mal in der Hand des Kurfürsten von Branden- burg, den Krieg im Norden zu entfesseln und für das Partikular- interesse seines Staates glänzende Vorteile einzuernten. Der langersehnte Augenblick, seine Macht in Norddeutsehland als einzig mafsgebende, alle anderen überwiegende zu gestalten, sich des braunschweigischen Mitbewerbs und der schwedischen Gefahr zu entledigen, war endlich gekommen. Er hätte nur zugreifen brauchen, um das verlockende Ziel zu erreichen. Aber das wäre nur möglich gewesen um den Preis eines Krieges in Deutsch- land, der nicht allein die Siegeslaufbahn der deutschen Waffen gegen die Türken unterbrochen, sondern auch das Reich wehr- los dem Belieben des französischen Herrschers unterworfen hätte. Diesen Preis nicht zu zahlen, war der Kurfürst fest entschlossen, da er sich in den letzten Jahren nur allzu deutlich davon hatte überzeugen müssen, dafe von Ludwig XIV. weder Rechtsgefbhl noch für das Reich Schonung, noch für die Verbündeten die mindeste Rücksicht zu erwarten seien. Die stets erneuten Ge- walttaten des Königs und seine wiederholte Mifshandlung Bran- denburgs hatten auf Empfinden und Denken des Kurfürsten tiefen Eindruck hervorgebracht. Er wies alle Anerbietungen Frankreichs und seiner Verbündeten zurück. Ich will Frieden halten, schrieb er am 4. Oktober an Spanheim, „wie Ihr denn

ayoir de Taugmentation de Ba puissance en Allemagne, et on conviendra des mesures qui y seront jug^es les plus propres. Comme Sa. M^- s^ait de quelle importance il est k ses interests de mettre ses alliez en estat de ne point craindre les entreprises de leurs ezmemys, et que Taffection veritable qu'Elle a pour la maison de Brandebourg luy fait recheicher les moyens de Testablir dans me seuret^ entiere, Elle yeut bien con- tribuer par la continuatioii des subsides d'action auz entreprises, que Mi^- PElecteur jugeroit k propos de faire contre la Suede, apr^ avoir mis la maison de Brunswick hors d'estat de pouvoir nuire. Sa M^- fait cette offre d'Elle mesme non obstant les soins que la Suede prend depuis peu de rechercber son amiti^ et son alliance, apres 8*en estre ^loign^ par une conduite si peu aggreable.

Ftlnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 348

insonderheit, was die Attaque des Hauses Lüneburg betrifft, anzuführen habt, dafs Wir Uns dahin jetzo weniger denn eh- malen verstehen können". Er versicherte den Franzosen auf das heiligste, der Kaiser sei ganz ausser stände, sie anzugreifen. Der Allerchristlichste König möge also „geruhen, das Werk noch in etwas anzusehen, uns weder im Reiche noch in den spanischen Niederlanden zur Ruptur zu veraplassen". Auf den förmlichen Antrag Ludwigs durch R6benac antwortete er mit ebenso be- stimmter wie höflicher Ablehnung, unter allerlei Vorwänden, deren Fadenscheinigkeit seinen festen Entschlufs, unter den gegenwärtigen Umständen den Frieden zu wahren, desto schärfer hervortreten liefs. Er bemühte sich mit besonderem Eifer, den König auf dessen Zusage, dafs er seinen Besitz im Reiche keines- falls vergröfsem werde, durch wortreiche Lobsprüche und Huldi- gungen, sowie durch warme Versprechungen eigener Unter- stützung bei so löblichen Absichten festzunagelnd

Er arbeitete unausgesetzt, um zu verhüten, dafs die franzö- sische Regierung „auf allerlei Weiterungen und Extremitäten verfalle", und dafs sie die Bemühungen Brandenburgs zu Gunsten des Friedens durchkreuze. So hat er in der Tat den von Frank- reich, Dänemark, Kurköln gewollten Krieg verhindert. Man mufs sagen: wenn im Herbste 1683 der Friede in Deutschland erhalten blieb, wenn es dem Kaiser möglich wurde, seinen Siegeszug gegen die Osmanen fortzusetzen und die Wieder- eroberung Ungarns zu beginnen, so ist dies allein und aus- schliefslich das Verdienst Friedrich Wilhelms von Brandenburg; ein Verdienst, das die Fehler und Verirrungen seiner Politik während der letztvorhergehenden Jahre reichlich aufwiegt und gut macht.

^ Ms. R^ponse de S. A. £. de Brandebourg sur la propoaition faite par Mr. le Gomte de Böbenac (Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI Frankr^ 28): »An reste son A. El. a veu avec grand plaisir que S. M. T. Chr. demeure toujours dana la reaolution genereuse de ne vouloir pas augmenter sa puissaace par les depouilles d'AUemagne. S. A. El. en est entierement persoad^ et a oonceu nn surcroit quasi d^estime pour S. M.- depuis qu'Elle a connu que le Roy T. C. n'a pas voulu profiter des desordres et de la facilit^ que la guerre du Türe donnoit & S. M. d^empieter sur TEmpire et d'y faire de nouvelles conquestes. Cela la portera a empecher avec d*autant plus d'ardeur tout ce qu'on voudroit entreprendre en Alle- magne contre les inter^ts de S. M., et de s'y opposer vivement.'

tt

344 Siebentes Buch.

Der Kurfürst hat über die Rettung Wiens eine wahre Freude empfunden, die nur durch das tiefe Bedauern getrübt wurde, dafs er und seine trefflichen Truppen keinen Anteil an diesem ruhmvollen, weltgeschichtlichen Ereignisse genommen hatten^. Ein abermaliger Besuch des Kurfürsten von Sachsen in Potsdam, der dort in Begleitung seiner einflufsreichsten Batgeber erschien, bestärkte Friedrich Wilhelm in seinen friedfertigen Bestrebungen.

Ludwig XIV. und seine Minister mufsten erkennen, dafs sie in ihrem Eigendünkel und ihrer verachtenden Selbstsucht den richtigen Augenblick, den Brandenburger gegen die weifischen Widersacher in das Feld zu führen, verabsäumt hatten. Sie gingen deshalb scheinbar auf die versöhnlichen Absichten Friedrich Wilhelms ein und überhäuften ihn sogar darob mit heuchleri- schen Lobsprüchen. Um solchem Edelmute nichts nachzugeben, dehnten sie den Termin behufs Abschlufs des langjährigen Waffenstillstandes zwischen dem Beiche und dem Könige aber- mals und zwar bis zum Ende des laufenden Jahres aus. Sie sandten dem Kurfürsten und seiner Gemahlin höchst wertvolle Geschenke ; dasjenige für Friedrich Wilhelm bestand in hundert- tausend Livres in vollwichtigen Goldstücken, die als eine Art Entschädigung für die auf Frankreichs Veranlassung in jüngster Zeit vorgenommenen aufserordentlichen Rüstungen gelten sollten ^ Diese Demonstrationen mussten dazu dienen, die Verhandlungen zu unterstützen, die R^benac behufs Eingehung eines neuen, engeren und geheimen Bündnisses in Potsdam zu beginnen be- fehligt war. Gegen die Weifen war es nur insoweit gerichtet, wie diese etwa den Spaniern Beistand leisten würden. Nur hier- zu hat Friedrich Wilhelm sich endlich verstanden'. So führten die Negotiationen am 25. Oktober 1683 zu einem von R6benac, Meinders und Fuchs unterzeichneten Vertrage*.

Dessen zweiter Artikel setzte fest:

„Wenn die Fürsten des Hauses Lüneburg die Absicht hätten, Truppen nach den spanischen Niederlanden oder anderswohin zu senden, um ihre Streitkräfte mit denen zu verbinden, die Se. Majestät angreifen oder Ihr Krieg bereiten wollen, wird Se. Kurf. Durchl. zuerst sie durch gütliche Mittel davon abzu-

1 Rebenacs Dep. vom 2. Okt. 1683; Prutz, 869. ' Ms. Spanheim an Kurf., Okt. bis Dez. 1688. > liis. Depeschen Rebenacs, Sept. bis Nov. 1683 (B). * Mörner, 731 ff.

Fünfundyierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 345

bringen suchen. Im Falle aber, dafs solche fruchtlos bleiben, verpflichtet Sie Sich, Sich gegen jene zu erklären und in kriege- rische Handlung gegen sie einzutreten, unter den Bedingungen, die in den früheren Verträgen festgesetzt sind/

Dieser Artikel entsprach völlig dem Wunsche Friedrich Wilhelms, die Eroberungslust des Königs von Frankreich von Deutschland ab auf die spanischen Niederlande zu leiten.

Der vierte Artikel sprach geradezu die Absicht Sr. Alier- christlichsten Majestät aus, mit dem Reiche in Frieden und auf- richtiger Einigkeit zu leben.

Dafür verpflichtete der Kurfürst sich im fünften Artikel, alle seine Bemühungen zum Ausgleiche jedweder Streitigkeiten, die der König mit dem Reiche habe, aufzuwenden, zur Befriedi- gung Sr. Majestät, aber auch in Übereinstimmung mit den be- stehenden Verträgen. Sollte man hiermit nicht zum Ziele ge- langen, verspricht der König, während eines Jahres nach Ab- schlnfs des gegenwärtigen Übereinkommens nichts zu unter- nehmen, was die Ruhe des Reiches störe; nach Ablauf dieser Frist erhält Se. Majestät unbeschränkte Aktionsfreiheit.

Der siebente Artikel erhöhte die Subsidien Frankreichs an den Kurfürsten für den Kriegsfall von 900000 auf 1 100000 Livres jährlich.

Das Interesse Frankreichs an dem neuen Vertrage bestand darin, dafs der Kurfürst ihm zur Abwehr jedes militärischen Eintretens der Lüneburger gegen den König sicher war. Friedrich Wilhelm konnte um so eher hierauf eingehen, als eine solche Drohung voraussichtlich genügte, die Lüneburger zur Ruhe zu nötigen. Dadurch diente der Vertrag auch dem Reichsfrieden, auf dessen Erhaltung ebenfalls der vierte und fünfte Artikel be- rechnet waren. Die eventuelle Erhöhung der Kriegssubsidien hatten die brandenburgischen Unterhändler nur mit grofser Mühe durchgesetzt.

Aber nicht dieser Umstand erregte die Unzufriedenheit Ludwigs XIV. mit dem Vertragsentwurfe, sondern andere von dessen Bestimmungen ^ Er wünschte vor allem Brandenburgs für jede Eventualität gewifs zu sein und nicht wieder von

^ Das Folgende nach der Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, Noy. 1683 bis Jan. 1684; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. LXni, 2, sowie XI Frankr., 22.

346 Siebentes Buch.

dessen Belieben abzuhängen, wie in der jüngsten Vergangenheit Er verlangte also, dafs in Artikel 2 festgesetzt werde: unter welchem Vorwande und in welcher Weise auch immer die lüne- burgischen Truppen gegen das Interesse des Königs verwendet würden, sei der Kurfürst verpflichtet, mit oder ohne Hilfe Däne- marks die lüneburgischen Lande anzugreifen. Mit anderen Worten: nicht der Kurfürst, sondern der König hat zu be- stimmen, wann der casus foederis eintritt. Zweitens aber: für den Fall, dafs der Abschlufs mit dem Reiche nicht zu stände kommt, mufs der König sofort unbegrenzte Aktionsfreiheit haben, und der Kurfürst mufs ihm darin beistehen , „ohne dem aus welchem Grund immer entgegenhandeln zu dürfen" ^ Damit wäre Brandenburg zum Kampfe gegen Kaiser und Reich im Dienste des Gewaltherrschers an der Seine verpflichtet gewesen.

Der bittere Ernst, der diesen beiden Forderungen zu Grunde lag, wurde durch gleichzeitige Ereignisse nur allzu deutlich erläutert. Durch Willkürmafsregeln aller Art reizte Frankreich (Ende Oktober 1683) Spanien zur Kriegserklärung. Die Fran- zosen fielen darauf in Belgien ein und nahmen binnen kurzem Gourtrai und Dixmuyde. Ludwig XIY. wollte offenbar die Habs- burger demütigen, berauben und zur Unterwerfung nötigen, ehe die Beendigung des Türkenkrieges es dem Kaiser gestatten würde, seine siegreichen Waffen gegen Westen zu kehren.

Je gröfser die Gefahr für den Reichsfrieden wurde, um so eifriger widersetzte sich der Kurfürst jeder Änderung des Artikels 5. Der sei, liefs er in Paris erklären, der für ihn wichtigste Teil des Vertrages und enthalte Bestimmungen, zu denen er in seiner Eigenschaft als Reichsfürst verpflichtet sei, und zwar besonders, nachdem er sich durch seine Fürsprache für Frankreich und durch Unterbrechung des Marsches seiner Truppen nach Wien schon allseitigen Hafs im Reiche zugezogen habe.

„Es ist gewis, dafs Uns die schwehre Pflicht, womit Wir

^ Französ. Gegenprojekt zum 5. Artikel des Entwurfs: „Mais si les soins que led^- Electeur y emploiera ne pouvoient avoir le sacces qui est a desirer pour le bien de la Chrestiente, non seulement il ne s^oppo^ sera pas a ce que Sa. M^- entreprendra pour procurer raffermissement de la paix, mais mdme il promet de satisfaire & toutes les obligations du präsent traittä et des precedens, sans y pouvoir contrevenir pour quelque cause ou pretexte que ce puisse estre.**

Fonfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 347

dem Reich und Unserm geliebten Vaterlande verbunden, nicht zulassen ; und dafs es nicht allein Uns unverantwortlich sondern auch Unsres eigenen Ghurfttrstl. Hauses Interesse, welches ohne des Reichs Conservation nicht bestehen kann, aufs höchste prä- judicirlich sein würde : wenn Wir in fernere Dismembration des Reichs oder solche actus, woraufs dieselben nothwendig erfolgen müssen, consentiren oder geschehen lassen selten, dafs die Cron Frankreich im Reich nach eigenem Gefallen procediren und nicht mit Uns zuförderst über die darin vorzunehmende Resolutiones ein Concert treffen müfste.**

Allein Ludwig beharrte seinerseits fest bei seiner Meinung. Er konnte kaum anders. Es zeigte sich bereits, dafs sein Stand- punkt mit dem brandenburgischen im Grunde unvereinbar sei. Er wollte sich nicht zur Friedfertigkeit während eines Jahres nach Ablauf der Verhandlungen mit dem Reiche verpflichten: denn, sagte er mit Recht, solches werde alle Gegner des Friedens ermutigen und seinen Feinden Zeit geben, inzwischen die dien- lichen Mafsregeln zu einem grofsen europäischen Kriege gegen Frankreich zu treffen. Er wollte sich auch nicht an eine vor- hergehende Verständigung mit Brandenburg binden, denn vielleicht werde er sich genötigt sehen, schnell Truppen ins Reich zu senden. Der ganze Vertrag solle sich auf Abmachungen gegen die Lüneburger beschränken; wolle der Kurfürst darauf nicht eingehen, verzichte Frankreich lieber auf jede neue Abkommen.

Endlich gestand der König zu, im geheimen zu versprechen, dafs er den Termin des Abschlusses des Waffenstillstands mit dem Reiche bis auf Ende Februar 1684 ausdehnen werde und überhaupt gegen dieses nichts Übles beabsichtige. Darauf wurde, im Januar 1684, Artikel 2 nach den Wünschen Frankreichs geändert, Artikel 5 dahin gefafst, dafs der Kurfürst gegen jeden Reichskrieg wider Frankreich zu stimmen verhiefs, während für dieses die Verpflichtung zu einjährigem Stillsitzen fortfiel.

Im ganzen und grofsen hatte Frankreich seinen Willen durch- gesetzt : der neue Vertrag, der Anfang Februar 1684 von beiden Seiten ratifiziert wurde, blieb hauptsächlich gegen das Haus Lüneburg gerichtet. Gegen eben dieses Haus wandte sich vor- züglich die Defensivallianz, die kurz zuvor 24. Dezember 1688 Kurköln mit Frankreich abgeschlossen hatte. Wider Schweden aber sicherte sich letzterer Staat durch ein neues Überein- kommen mit Dänemark vom 18. Dezember 1688. In den General-

348 Siebentes Buch.

Staaten endlich überwog damals die Friedenspartei, die die Be* mühungen Wilhelms von Oranien um Unterstützung der spani- schen Niederlande zum gröfsten Teile vereitelte. Ludwig XIY. stand so wohlvorbereitet für alle Zwischenfälle da. Unter- warfen die Habsburger sich nicht seinem Willen, so mochte er sie ohne Furcht vor einer Dazwischenkunft anderer Staaten so- wohl in Belgien wie am Oberrhein mit voller Aussicht auf Er- folg bekämpfen.

Nur schleuniger Friedensschiurs konnte verhindern, dafs Frankreich an Macht, Ruhm, Landbesitz und Herrschaft neuen Gewinn einernte. Erst wenn die Schwerter allerorten wieder in die Scheiden zurückgekehrt waren, liefs sich mit Behutsam- keit und Energie eine bessere diplomatische und militärische Lage herstellen. Als damals der Fürst von Waldeck dem Kur- fürsten von Brandenburg bittere Vorwürfe über seine Politik machte, durfte dieser ihm mit Fug und Recht antworten: er betrachte „die Konsistenz, Erhaltung und Wohlfahrt des Reiches, und dafs nicht mehr davon abgerissen werde," als den „eintzigen Zweck aller Unserer Consilia und Actionen", weil „Wir gar leicht begreiffen, dafs des Reiches Untergang auch den Unsrigen unvermeidlich nach sich ziehen müsse. Wenn Wir mit aus- wärtigen Potentaten Bündnisse eingegangen, so ziehlen dieselbe allein dahin ab, den statum Imperii publicum zu conser- viren und solches für gäntzlicher Ruin zu retten, und haben bifshero dieses Gute ge wirket, dafs das Reich, ohngeachtet des jetzigen verwirreten Zustandes, gleichwohl annoch erhalten und nicht bereits in völlige Dissolution gerathen oder in Feuer und Flammen auf gangen (sie!). Dahingegen lehret, leyder! die tägliche Erfahrung, dafs diejenige, so den Nahmen von Patrioten und Vatterlande am meisten im Munde führen, am wenigsten das Beste und die Erhaltung desselben suchen, ja vielmehr ihre äufserste Kräfte anwenden und ganz Deutschland durchziehen, umb dasselbe in einen höchst verderblichen Krieg ... zu stürtzen und zu verwickeln, und das blos allein umb auswertiger Inter- essen und Potentzen willen, welche, ob sie zwar unvermögenheit halber . . . nicht sich selbst und das Ihrige retten können , so findet sich dennoch für sie eine so grofse Passion, dafs man der- selben Interesse dem Ruhestand und Conservation des werthen Vaterlandes weit vorziehet, und dadurch theils genugsamb zu erkennen gibt, dafs mann wenig dabey zuzusetzen, auch nicht

Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 349

sonderlich auf die Posteritftt reflectire. Wir lassen alles dahin gestellet seyn, nuhr können wir nicht begreifen, wie es doch möglich, dafe, da mann den Frieden in der Christenheit, und zwar einen Universalfrieden haben kann, mann dennoch aUes ÄuTserste thut und versuchet, umb eine allgemeine verderbliche Eriegesflamme, welche dem Reich das Garaus machen wird, an- zublasen. Der Allerhöchste wolle alles Widrige undt die für Augen schwebende Gefahr aus Gnaden abwenden.''^

Was sollte aber der Kurfürst, bei so klarer Sachlage, dazu sagen y dafs die Generalstaaten ihm einerseits die Verpflichtung auferlegen wollten, sich mit ihnen, die doch selber verzagt und ruhebedürftig waren , zum Schutze der spanischen Niederlande zu verbinden, anderseits für ihn und sich die Rolle von Schieds- richtern zwischen Ludwig XIV. und den Habsburgem be- anspruchten ? Es war doch ersichtlich, dafs in ersterer Hinsicht die Gefahren des Kampfes gegen Frankreich zunächst auf den Brandenburger fallen, in zweiter weder der AUerchristlichste König noch der Kaiser in ihrem Stolze und ihrer Hartnäckig- keit sich dem Spruche der holländischen „Krämer" und eines einfachen Kurfürsten unterwerfen würden. So verliefen die Unterhandlungen, die Ruck im Haag, Amerongen von neuem in Potsdam zu führen hatten, ganz ergebnislos^.

Kein besseres Schicksal ward den Friedensbemühungen des Brandenburgers am Kaiserhofe zu teil.

Am 29. November 1683 hatte Friedrich Wilhelm sich mit einem Schreiben an den Kaiser gewandt, um ihn abermals be- weglich um Annahme des französischen Waffenstillstandvorschlages zu ersuchen. Er gab dabei bereitwillig zu , dafs man sich in Zukunft gegen die alles bedrohende Macht Frankreichs auf sicherer und zuverlässiger Grundlage einigen müsse. Allein für den Augenblick müsse man, aus den bekannten Gründen, die des längeren entwickelt wurden , zunächst einen festen Zustand der Ruhe schaffen. Solche Verständigung sei jetzt um so leichter, als sich Frankreich erbiete, in Regensburg auf verhältnismäfsig billige Bedingungen hin auch Spanien in den Stillstand ein- zuschliefsen , so dafs dann der von dem Kaiser und seinen Ver-

> Ms. 8./18. Dez. 1683 (Berlin, Geh. Staatearchiv, Bep. XCIV, IV Hb, 49).

« U. u. A., m, 746-767.

350 Siebentes Buch.

bOndeten stets in erster Linie gewünschte allgemeine Friede hergestellt sei. Man mufs sagen : der Kurfürst traf hier durch- aus das Richtige, und die weitere Entwicklung der Dinge hat seine Anschauung in allen Punkten gerechtfertigt ^

Alles scheiterte an dem machtlosen und kurzsichtigen Eigen- sinn Leopolds. Er antwortete, indem er durch Anhalt abermals das Anerbieten eines Kriegsbündnisses an den Kurfürsten über- sandte, das doch für diesen unter den damaligen Umständen, wie der Kaiser längst wufste, unannehmbar war. Sachsen, ganz im Gefolge Österreichs, erwiderte dem Brandenburger, dafs man am Ende von Frankreich doch noch bessere Bedingungen werde erlangen können, eine lächerliche Torheit ! Ein anderer Vor- kämpfer des Kaisers, Georg von Waldeck, prahlte mit den 50000 Mann, die ganz abgesehen von den gegen die Türken streiten- den Heeren bereit ständen, „verbotene Gewalt nach Möglich- keit abzuwenden und der interessierten Lande Sicherheit auf alle Fälle zu befördern*'. Im Ernstfalle würde es wohl mit den fünfzigtausend Kriegern am Rhein recht übel ausgesehen haben. Selbst ein erneutes Ersuchen der grofsen Mehrheit des Kur- kollegs, das sich unmittelbar auf das brandenburgische Schreiben an den Kaiser stützte, den Waffenstillstand „der anscheinend höchsten Gefahr des Reiches halber** anzunehmen, blieb ohne Erfolgt. Im Gegenteil, man war in Wien empört über den „Verrat'' des Brandenburgers und drohte ihm für die Zukunft mit Rache ^.

Kach diesen wiederholten Abweisungen konnte Friedrich Wilhelm nur insofern an Erhaltung des Friedens arbeiten, als er die drängendsten und gefährlichsten Ursachen, die diesen augenblicklich bedrohten, zu beseitigen sich bemühte. Es handelte sich hauptsächlich um den Kriegseifer des Hauses Lüneburg^ der ja zu Frankreichs jüngsten Verträgen mit Brandenburg und Kurköln die Veranlassung gegeben hatte. „Ich sehe wohl/ hatte schon am 26. Oktober 1683 der Ratspensionar Fagel an Amerongen geschrieben, „dafs Se. Kurf. Durchl. die vornehmste Ursache gewesen ist, dafs die Sachen im niedersächsischen

1 Londorp, XI, 570ff. Pufendorf, XVIII, 105. Orlich, in, 331ff. Prutz, 870. U. u. A., XIV. 1119 ff.

Londorp, XI, 577 ff. 639.

* Ms. Kurf. an Spanheim, 8./ 18. Jan. 1684: Mitteilungen Anhalts aus Wien.

FOnfundvierzigstes S^apitel. Die Braunschweiger Fehde. 351

Kreise nicht in Feindseligkeiten ausgebrochen sind und Se. Königl. Maj. von Dänemark nichts unternommen hat; dieser Staat ist dafür Sr. Kurf. Durch!, verpflichtet." * So fand Fried- rich Wilhelm bei einsichtigen Männern selbst der Gegenpartei volle Anerkennung; um so mehr handelte er im gleichen Sinne weiter. Er sandte im November 1683 Herrn von Busch an Ernst August von Hannover und die übrigen Lüneburger Herzoge, um sie zum Anschlufs an die Friedenspartei zu bewegen und dafür seine Einwilligung in die von Ernst August wie von dem Kurprinzen Friedrich gleich dringend gewünschte Vermählung des letzteren mit der hannoverschen Prinzessin Sophie Charlotte in Aussicht zu stellen. Darauf sandte der Herzog seinen Minister Otto von Grote nach Berlin, wo dieser Staatsmann hoffnungs- volle Erklärungen abgab '.

Die Verhandlungen Brandenburgs mit den Weifen erhöhten in Paris den hier ohnehin gegen den Kurfürsten wieder lebhaft gewordenen Verdacht. Man besorgte, er werde sich der feind- lichen Seite anschliefsen. Dänemark hetzte nach Kräften, indem es Brandenburg anschuldigte, ihm seine Beute die Lüneburger und die Stadt Hamburg entrissen zu haben. Aber Friedrich Wilhelm konnte den Franzosen mit Fug und Recht versichern, dafs seine Negotiationen nur der Sache des Friedens dienten. Wäre man den Dänen gefolgt, so befände man sich schon in- mitten des allgemeinen Krieges; ihre Verdächtigungen hätten keinen anderen Grund, als dafs der Kurfürst „denen gar zu hitzigen und zum Kriege gänzlich abzielenden consiliis und Maximen nicht allerorten beipflichten" wolle. Überallhin war er für die Ruhe und Integrität des Reiches tätig : als die Fran- zosen die Festung Thuin im Bistum Lüttich besetzten, mufste Spanheim in Paris dagegen lebhafte Vorstellungen erheben*.

Trotz des gerade um diese Zeit ratifizierten neuen Bündnis- vertrages zwischen Frankreich und Brandenburg waren beide Staaten im Grunde schon voneinander getrennt. Frankreich be- absichtigte, immer mehr gehorsame Vasallen um sich zu scharen, die es ihm ermöglichten, seine Gewalttaten auf Kosten der

» TT. u. A., m, 761.

» Ms. Kurf. an Spanheim, Nov. u. Dez. 1688. U. u. A., III, 767 f. Pnfendorf, XVm, 106.

' Ms. Korresp. des Kurf. und Spanheims, Jan. 1684.

352 Siebentes Buch.

Nachbarreiche ungestraft fortsetzen zu können. Es war jetzt sogar bereit, seinen Trabanten gleichfalls einige kleine, ihnen bequeme Beutestücke grofsmOtig zu gewähren. Brandenburg dagegen mufste erkennen, dafs es auf die Länge nicht im stände sei, die Baubsucht Ludwigs XIV. zu zähmen oder nur vom Beiche abzuwenden. Damit war die Voraussetzung seines Bünd- nisses mit Frankreich beseitigt. Es suchte also nach Helfern für seine eigene Friedenspolitik, hatte aber zunächst keine anderen gefunden als einige der machtlosen und vor Frank- reich erzitternden rheinischen Kurfürsten.

Ludwig XIV. seinerseits ging folgerichtig auf dem einmal eingeschlagenen Wege weiter. Sein Plan war nunmehr, Kur- köln, das sich ihm durch den Vertrag vom 24. Dezember 1683 angeschlossen hatte, sowie das durch seine Festungen, zumal Ehrenbreitstein , wichtige Kurtrier mit Brandenburg zu einer festen Söldnerphalanx am Mittel- und Kiederrhein zusammen- zufassen, um kaiserlichen Völkern den Weg zur Verteidigung der südlichen Niederlande zu sperren. Der schwache Kurfürst von Köln, Maximilian Heinrich, war dem gefürchteten Monarchen selbstverständlich zu Willen. Er sandte einen der verräterischen Brüder Fürstenberg, Felix Egon, Fürstabt von Murbach, mit entsprechenden Weisungen nach Berlin; er hatte sogar ein förmliches 0£fensivbündnis der beiden Kurfürsten mit Frankreich vorzuschlagen. Allein Felix Egon wurde mit freundlichen, aber nichtssagenden Verheifsungen allgemeiner Natur abgespeiste Die eigentlichen Unterhandlungen fanden in Köln statt, wohin sich brandenburgischerseits Fuchs, dänischerseits Herr von Leuten begaben. Wenn Friedrich Wilhelm hieran teilnahm, so waren doch seine Absichten ganz andere, als die der französischen Staatslenker: er stellte von vornherein die Bedingung, der Allerchristlichste König müsse an Brandenburg und Kurköln die Versicherung erteilen, dafs er, trotz etwa eintretenden Krieges, das Reich „ferner nicht dismembriren noch den statum pub- licum in demselben immutiren wolle. Dieser Punkt gehet Uns ans Herze und ist die fümehmste Ursache dieser Schickung.'

Die französische Regierung schätzte die brandenburgische Mitwirkung denn doch nicht hoch genug, um. sich derart dem

1 Ms. Endbescheid vom U./24. Jan. 1684; Berlin, Geh. Staatearchiv, XI, Kurköln 8.

Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunechweiger Pehde. 353

Reiche gegenober die Hände zu binden ; sie hätte sich ja dem Belieben der kaiserlichen Politik ausgeliefert. Groissy verstand es, unter mannigfachen Vorwänden jeder neuen Verpflichtung zu entgehen. Dagegen richtete Fuchs wenigstens den Vertrag Brandenburgs mit Kurköln derart ein, dafs er ein einseitiges Angriifsbündnis des letzteren Staates mit Frankreich gegen die Generalstaaten verhinderte. Die Offensivallianz, die der Fttrst- abt von Murbach vorgeschlagen hatte, fand bei Friedrich Wil- helm endgültige Zurückweisung; auch die dänischen Bestrebungen, die „mehr zur Herbeiführung des Krieges als Bewahrung des Friedens geeignet** waren, hielt er in Schranken. Er beantragte die Okkupation der kurtrierischen Festungen mit kurkölnischen wie mit brandenburgischen Truppen, um diese wichtigen Plätze vor französischer Besetzung zu wahren. Von so weisen und patriotischen Gesichtspunkten ging damals der Kurfürst aus'-

Die Defensivallianz zwischen Dänemark, Brandenburg und Kurköln kam tatsächlich am 26. Februar 1684 zu stände; Her- mann Werner von Mettemich, der Bischof von Paderborn, den Fuchs auf der Reise nach Köln in seiner Residenz Neuhaus be- sucht hatte, trat ihr nachträglich bei. Sie verpflichtete die kontrahierenden Staaten zur Aufrechterhaltung des Friedens im niedersächsischen wie im westfälischen Kreise mit gemeinsamen Kräften für den Fall eines Reichs- oder sonstigen Krieges. Schweden und die Generalstaaten waren namentlich als eventuelle Friedensstörer genannt^.

Der Vertrag hatte für die grofsen Angelegenheiten Europas nur geringe Wichtigkeit; er führte dagegen für Brandenburg die günstige Folge herbei, dafs Maximilian Heinrich von Köln, als neuerwählter Bischof von Münster, Fuchs bei Abschlufs einer Übereinkunft mit den Vertretern der ostfriesischen Stände unterstützte, die bezweckte, mit gemeinsamen Kräften jede Truppenwerbung der Regentin- Witwe von Ostfriesland zu ver- hindern'. Es war ein solches Bündnis um so wichtiger, als ea der Fürstin gelungen war, den Kaiser infolge seiner den branden- burgischen Interessen so abgeneigten Gesinnung, zu ihrer Partei

> Ms. Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XI Kurköln 8. Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, Jan. bis März 1684. » Mörner, 458 ff. 734 ff. » Das. 457f. - Vgl. Wiarda, VI, 288ff.

Philippson, Der Grofse Kurfflrst. III. 23

354 Siebentes Buch.

herüberzuziehen, so dafs er den Kurfürsten ermahnte, die bran- denburgischen Truppen aus Ostfriesland abzuführen. Der neue Vertrag, vom 3 L März 1684, übte volle Wirkung : die Fürstin stellte ihre Werbungen ein, und die kaiserliehen Mahnungen blieben ohne Wirkung.

Sie hatten indes von neuem die Abneigung Leopolds gegen die brandenburgischen Interessen bewiesen. Seine Verbündeten zeigten die gleichen Tendenzen.

Auf dem Wege nach Köln hatte Fuchs auch die weifischen Herzoge aufgesucht ^, die ihn durch den hannoverschen Kammer- präsidenten von Grote ihres Wunsches nach vollkommenem Ein- vernehmen und noch ausdrücklich ihrer Bereitwilligkeit ver- sichert hatten, sich mit ihm wegen des Friedens mit Frankreich zu verständigen. Fuchs gegenüber zeigten sie in der Tat ^^grofse Begierde**, sich mit Brandenburg und anderen „Wohl- Inten- tionierten** zu verbinden, mit guter Manier aus der gefährlichen Allianz mit dem Kaiser loszukommen und den Frieden zu fördern : binnen zwei bis drei Wochen würden sie sich endgültig erklären. Da vernahm man jedoch, „dafs sie den Kongress der „Assoziierten'' im Haag beschickt hatten, der ein Verteidigungs- bündnis beriet, dessen Spitze sich zum grofsen Teile gegen die Kölner Alliierten kehrte. Friedrich Wilhelm sah sich von Hannover und Celle arg getäuscht; die Franzosen hatten also recht behalten mit ihrer steten Warnung: die Lüneburger wollten Brandenburg nur „amüsieren"* und die Dinge in die Länge ziehen, bis sie genügenden Beistandes gewifs seien.

Der Kurfürst war schwer entrüstet über diese Zweideutig- keit und über die Gefahr, mit der die Weifen den Frieden Deutschlands bedrohten. Er war nunmehr entschlossen, mit Dänemark zur gewaltsamen Entwaffnung der Lüneburger zu schreiten, und arbeitete an der Herstellung eines neuen „Kon- zerts** zu diesem Zwecke (Ende März 1684). Allein indem er so auf die Wünsche Frankreichs einging , trat doch sofort ein Gegensatz zwischen diesem Staate und ihm wieder hervor. Er wollte auch die kurkölnischen Truppen zum Angriffe auf das Weifenhaus verwandt wissen, gerade um sie jeder Teilnahme an

^ Das Folgende nach der Ms. Korresp. des Kurf. mit Fuchs (Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI Kurköln 3), sowie mit Spanheim, vom 2./ 12. Febr., vom März u. April 1684. Vgl. Pufendorf, XVIII, 112.

Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 355

einer etwaigen kriegerischen Aktion Frankreichs gegen die Generalstaaten zu entziehen und damit die Möglichkeit zu ver- meiden, dafs auch er selber, in Gemäfsheit des Kölner Vertrages, in den Kampf gegen die Niederlande verwickelt werde. Aus eben diesen Gründen wünschte aber Frankreich die Kölner von den Operationen gegen die Lüneburger fernzuhalten und viel- mehr gegen die Holländer zu kehren.

Die Absichten Frankreichs waren dem Kurfürsten um so verdächtiger, als jene Macht hartnäckig jede Erklärung über Aufrechterhaltung der Reichsintegrität verweigerte. Nicht da- mit zufrieden, die Niederländer durch Kurköln zu bedrohen, kündigte sie femer dem kläglichen Maximilian Heinrich an, sie werde eigene Truppen auf sein Gebiet schicken, um abermals von dort aus Holland in der Seite anzugreifen. Friedrich Wil- helm legte gegen eine solche Mafsregel scharfe Verwahrung ein : die französischen Truppen dürften den Beichsboden nicht be- treten. Er hatte die Genugtuung, selbst den vertrauten Minister des Kölners, den sonst so französischen Fürstenberg von Strafs- burg, dahin zu bestimmen, dafs dieser den AUerchristlichsten König um Unterlassung einer Truppensendung bat, die nicht nur Brandenburg, sondern auch Trier und selbst Dänemark vor den Kopf stofsen werde (29. März 1684).

Die französische Bundesgenossenschaft war Friedrich Wil- helm derart verdächtig und lästig, dafs es wahrlich keiner grofsen Bereitwilligkeit und Geschicklichkeit seitens der „Asso- ziierten^ bedurft hätte, um ihn für sich zu gewinnen. Allein sie machten von den zahlreich sich darbietenden Gelegenheiten keinen Gebrauch. Während die Verhandlungen Lambergs mit den kurfürstlichen Ministern in Berlin sich ewig in dem Kreise drehten, dafs jener Universal-, diese zuerst Beichsfrieden ver- langten, widersetzte sich Österreich am Beichstage mit seinem ganzen Einflüsse dem Abschlufs mit Frankreich, sogar als dieses, im Februar 1684, seine Forderungen von einem dreifsig- auf einen nur zwanzigjährigen Waffenstillstand herabsetzte. Diese blinde Hartnäckigkeit flöfste dem Kurfürsten lebhaften Zorn ein. Er wies das abermalige Anliegen des Kaisers, ihn in Ungarn mit Truppen oder Geld zu unterstützen, höflich, aber bestimmt zurück, mit Hinweis auf den noch ausstehenden und doch so notwendigen Frieden mit Frankreich. Ende März reiste dann

Lamberg unverrichteter Sache von Berlin ab. Es war für

23*

356 Siebentes Buch.

Friedrich Wilhelm ein geringer Trost, daffi seine Kollegen von Köln und der Pfalz seinen Anschauungen durchaus beipflichteten und die Mitschuld an dem „Reichsverrat'' auf sich nahmen ^

Nach allen Seiten hin bemühte er sich, den drohenden Aus- bruch eines europäischen Krieges zu verhindern, von dem er unter den damaligen Umständen nur Unheil voraussah. In dieser Absicht sandte er, noch im März 1684, Fuchs nach dem Haag*.

Die Zustände in den Niederlanden hatten eine sehr gefähr- liche Gestalt angenommen. Schärfer als je standen sich die oranische Kriegs- und die städtisch -oligarchische Friedenspartei gegenober, derart widereinander erbittert, dafs der Fortbestand der Union selber in Frage gestellt war. Die oranische Partei, der Heer, Flotte, Geistlichkeit und die grofse Mehrheit des niederen Volkes angehörten, empfand auf das tiefste die Schmach von 1672, sowie die grausamen Plünderungen, Verwüstungon und Metzeleien, die in jenen Jahren die Franzosen, auf Geheifs Ludwigs XIV. und Louvois', in den blühenden Gauen Niederlands ausgeführt hatten. Sie war festen Willens, es zu derartigen Leiden nicht wieder kommen zu lassen. Sie sah aber in der Belagerung Luxemburgs durch die Franzosen, in der drohenden Wegnahme der spanischen Niederlande durch Ludwig XIV. das erneute Herannahen der Gefahr auch für ihr Vaterland, dessen Vernichtung zugleich die Beseitigung des reformierten Bekennt- nisses bedeutet haben würde. „Besser, man geht mit dem Degen in der Faust unter als durch Reunionen in Schande,* rief Oranien aus. Der ihm vertraute Ratspensionar Fagel, der nunmehr holländische Feldmarschall Fürst Waldeck, die Mehr- heit der Generalstaaten standen auf seiner Seite: „Wir wollen lieber sterben als die Sklaven Louvois' und seiner Intendanten werden.*' Der alte Freiheitstrotz, die tiefe und andauernde Leidenschaft dieser friesischen Stämme loderte in voller Stärke wieder auf.

Aber so bewundernswert diese patriotisch-kriegerischen Be- strebungen sein mochten, der Widerstand der aristokratischen Partei, besonders der überaus reichen und mächtigen Stadt

* TJ. u. A., XIV, 1124—1134. Londorp, XII, 36ff. 44ff.

' Das Folgende nach der Ms. Korresp. Fuchs' mit dem Kurf. während der Monate Mfirz u. April 1684; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Kurköln 3.

POnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 357

Amsterdam, sowie der Provinzen Friesland und Groningen gegen sie war nicht unberechtigt. Sie erblickten gerade in einem jetzt ausbrechenden Kriege gegen Frankreich den sicheren Unter- gang des Staates und der Religion, also in den Tendenzen Oraniens und seiner Anhänger tödlichen Wahnwitz. Worauf stützten diese sich denn in ihrer Kampfeslust? Auf den Kaiser? Der stritt mit den Türken. Auf die Laxenburger Verbündeten ? Die waren ebenso schwach wie verzagt. Auf Schweden? Das kokettierte mit Frankreich. Auf Spanien? Das konnte sich selbst nicht helfen. Man müsse also ausharren bis auf bessere Zeiten.

Der Gegensatz wurde akut, als Oranien von den General- staaten die Gre Währung von 16000 Mann forderte, die zum Scheine in spanischen Dienst überlassen und unter seiner eigenen Führung zum Entsätze Luxemburgs ausgesandt werden sollten. Amsterdam und dessen Genossen widersetzten sich mit der Hartnäckigkeit der Verzweiflung dem Vorschlage des Prinzen, von dem sie den sofortigen Ausbruch des Krieges mit Frank- reich und dann die Vernichtung der niederländischen Unab- hängigkeit erwarteten. Sie protestierten nicht allein im voraus gegen einen dem Antrage entsprechenden Beschlufs der General- staaten, sondern drohten auch, jede Geldzahlung zu dessen Aus- führung zu verweigern, ja, ihre Truppen von dem Bundesheer abzuberufen und mit Frankreich gesondert zu verhandeln. Oranien antwortete hierauf mit der Ankündigung, solches Auf- treten als Bruch des Bundes, als Empörung betrachten, Amster- dam mit Gewalt zur pflichtmäfsigen Unterwerfung unter die Verfügungen der Generalstaaten zwingen zu wollen. Kurz, ein Bürgerkrieg in den freien Niederlanden, der Zusammenbruch dieses stärksten Bollwerkes der politischen und religiösen Freiheit Europas schien unmittelbar bevorzustehen.

Solches Unheil zu verhüten, lag Friedrich Wilhelm sehr am Herzen. Für den Augenblick gehörten mit seltsamer Um- kehr der Beziehungen seine Sympathien der Oligarchie, eben derjenigen Partei, die ihn früher grundsätzlich und andauernd mit Bitterkeit bekämpft hatte, im Gegensatze zu Oranien, mit dem ihn doch Verwandtschaft und Gemeinsamkeit der grofsen politischen Zwecke verband. Vor allem aber lag ihm daran, es jetzt nicht zu einem tumultuarischen, ungenügend vorbereiteten und deshalb verderblichen Kriege kommen zu lassen. Dahin

358 Siebentes Buch.

sollte auch die oranische Faktion gebracht, sie sollte mit Amster- dam uBd dessen Freunden möglichst versöhnt werden. Gerade wegen der Liebe des Oheims für ihn, hatte Fuchs dem Prinzen zu sagen, gerade wegen seines lebhaften Interesses für Religion und öffentliches Wohl vermahne er ihn zum Frieden. Gehe er hierauf ein, so versprach ihm der Kurfürst seine Unterstützung zum Wiedererwerb des von den Franzosen besetzten Fürstentums Orange. Fuchs hatte den Bürgermeistern Amsterdams, nament- lich dem längst befreundeten Van Beuningen, von seiner Sen- dung zu reden, die Stadt in ihrer verständigen und besonnenen Haltung zu bestärken. Er durfte ihr im geheimen für den Not- fall nicht nur die Abberufung der zahlreichen Untertanen Bran- denburgs aus dem staatischen Heere, sondern auch direkte Unter- stützung durch brandenburgische Truppen gegen etwaige Gewalt- mafsregeln der oranischen Partei verheifsen.

Fuchs begab sich zuerst nach Amsterdam, wo er als Retter aus der Not empfangen wurde, „als sei er vom Himmel ge- kommen'' (Mitte März). Auf Bitten des Magistrats eilte er nach dem Haag. Hier fand er zunächst recht ungünstigen Boden. Der Prinz, Fagel, Wal deck, der kaiserliche Gresandte Kramprich waren tief verstimmt über das Bündnis , das der Kurfürst soeben mit Frankreich, Dänemark, Kurköln, ihren Gegnern, eingegangen war ; sie zürnten, dafs er die Stadt Amster- dam i^karessiere" , die doch , trotz des Widerstrebens Oraniens und Fagels, vornehmlich den Nymweger Frieden herbeigeführt und stets das brandenburgische Interesse bekämpft hatte.

Der Gesandte hatte sich damit zu begnügen, fürs erste die Verhandlungen, die zur Aussöhnung der Streitenden führen sollten, einzuleiten. Dann Anfang April mufste er an den Hof zurück. Er war über das vorzeitige Ende seiner Mission kaum betrübt: stand er doch in seiner eigentlichen Gesinnung bereits auf selten Oranieus und der Kriegspartei. Oranien aber schrieb bekümmert an seinen Oheim: Eines schmerze ihn tief, dafs Se. Kurf. Durchl,, der ihn von Kindesbeinen an als einen Sohn gehalten, und den er als Vater veneriert, nun der Stadt Amsterdam mehr als ihm zugewandt scheine^.

Die Aussicht auf einen bevorstehenden europäischen Krieg

» U. u. A., m, 769f. Vgl. Pufendorf, XVHI, 116-119, und d'Avaux, n, 125 ff.

Fünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 359

wurde immer drohender. Während Frankreich im Reiche neue Erwerbungen für die Zukunft ankündigte, benutzte es mit Freuden das Sträuben des ohnmächtigen Spanien zur Wieder- aufnahme der Belagerung Luxemburgs. In Norddeutschland hatten die Feindseligkeiten gegen die Lüneburger bereits be- gonnen. Eine Art Ultimatum des Kurfürsten Friedrich Wil- helm an diese, vom 24. März, hatte keinen Erfolg gehabt ^ An- fang April rückten dänische Truppen, unter dem Verwände der Beitreibung noch unbeglichener Kriegskontributionen, in die von den Weifen als ihre Schutzstaaten betrachteten und mit ihnen verbündeten niedersächsischen Lande : Lauenburg, Bistum Lübeck und Mecklenburg, ein. Kurkölnische Truppen bemächtigten sich, auf Grund eines Zwistes wegen einiger Gerechtsame, der Stadt Höxter, die zu der unter braunschweigischem Schutze stehenden Abtei Korvey gehörte. Brandenburg war von diesen Mafsregeln, die eine offenbare Herausforderung der Weifen zum Kampfe ausmachten, ebensowenig wie Frankreich vorher unter- richtet worden. Der Kurfürst war im Grunde über die Rück- sichtslosigkeit Dänemarks und den aus ihr sich leicht ergebenden Beginn des Krieges in Norddeutschland entrüstet. Wenn er zwei seiner Begimenter an die mecklenburgische Grenze ver- legte, so tat er das weniger, um den Dänen zu helfen, als um sie im Zaume zu halten. Er nahm freilich zum Schein für seine Verbündeten Partei und unterstützte deren Vorgehen bei den Beichsgewalten ^. Croissy und sein König wünschten sofortigen Beginn der Feindseligkeiten, um den übrigen Assoziierten durch die Überwältigung der Lüneburger ein abschreckendes Beispiel zu geben; sie bewilligten jetzt sogar die Mitwirkung der kur- kölnischen Truppen zur schnelleren Vernichtung der Weifen. Zugleich ermalmten sie den Brandenburger, sich nicht mehr durch deren heuchlerische Vorspiegelungen täuschen zu lassen, sondern sofort ein neues „Konzert" gegen jene Fürsten zu bilden und danach zu handeln, wofür Frankreich die „Aktionssubsidien^ gern zahlen werde. Sie hofften, so Friedrich Wilhelm unlöslich an die französische Partei zu fesseln^.

« Londorp, Xu, 83 f.

' Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, 21. April, 7. Mai 1684. Besonders wichtig: Ms. Depeschen Bebenacs vom März 1684 (B). * Ms. Spanheim an Kurf., 21. April. Prutz, 372 ff.

360 Siebentea Buch.

Gerade das wollte der Kurfürst vermeiden : nur um so mehr klammerte er sieh mit der ganzen Zähigkeit seines Wesens an die letzten Möglichkeiten, den Frieden zu bewahren. Er ver- zichtete deshalb lieber auf die sich ihm sicher darbietende Ge- legenheit, auf Kosten der Braunschweiger Landerwerb zu voll- bringen. Nicht solcher an sich reizte ihn, sondern nur, wenn er wie in Vorpommern oder auch in Ostfriesland zugleich den wesentlichen Interessen seines Staates zu gute kam. Nach allen Seiten hin entfaltete der sieche Greis seine Tätigkeit zu Gunsten des Friedens. Während er noch einmal Kurköln da- vor warnte, sich gegen die Holländer gebrauchen zu lassen (19. April), erliefs er Abmahnungsschreiben an die Kurfürsten und die Herzoge von Sachsen, sowie an den Kasseler Landgrafen, den Generalstaaten keine Hilfstruppen zu senden. Er sah mit Freude, dafs die nunmehr geängstigten Weifen den Kammer- präsidenten von Grote nach Berlin sandten, mit friedlichen Zu- sicherungen: sie würden weder den freien noch den spanischen Niederlanden beistehen, auch den zwanzigjährigen Waffenstill- stand zwischen dem Reiche und den Franzosen gutheifsen. So- fort verschob Friedrich Wilhelm den Abschlufs des Konzerts' und ersuchte, um den Lüneburgern entgegenzukommen, Christian V. um die Erklärung, dafs er, sobald jene sich der Friedens- partei angeschlossen, Mecklenburg und Lauenburg räumen werde. Freilich, Dänemark, das sich die gehoffte Beute aber- mals entgehen sah, weigerte sich dessen zunächst und beschul- digte den Kurfürsten der Treulosigkeit gegen seine Bundes- genossen ^

Der liefs sich aber durch solche Anklagen nicht irre machen. Er und Kurköln schlössen damals mit Trier ein Bündnis, das ganz dem Frieden dienlich war. Kurfürst Karl Kaspar verhiefs, für den zwanzigjährigen Waffenstillstand zu wirken und in den westeuropäischen Händeln volle Neutralität zu beobachten. Da- für verlangten er und seine Verbündeten von Frankreich volle Schonung des Reiches und seiner Rechte: kurz, Friedrich Wil- helm hatte jene beiden geistlichen Kurfürsten zu seinem Pro- gramm bekehrt. Es war doch gegen Frankreich gemünzt, wenn

1 Ms. Kurf. an Spanheim, 9719., 15./25. April, 27. April/ 7. Mai, SJIS. Mai 1684.

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nunmehr Karl Kaspar tatsächlieh brandenburgische und kur- kölnische Truppen in seine Festungen aufnahmt

Und noch weiter: gerade damals im April 1684 be- fehligte Friedrich Wilhelm den Hof- und Legationsrat Johann Besser zu einer Gesandschaft nach England. Bei dem höchst gefährlichen Zustande Europas sollte er Karl II. fttr die Schirmung des Friedens gewinnen. Zwar die förmliche Allianz beider Fürsten sei im Jahre 1672 abgelaufen, allein Religion, Verwandtschaft und Interesse hielten sie zusammen'.

Während der Kurfürst so mit dem offiziellen England an- knüpfte, trug er freilich kein Bedenken, sich im stillen auch mit der whiggistischen Opposition zu verbünden. Man weifs, dafs damals die eifrigen Freunde der protestantischen Religion und der politischen Freiheit in England die Whigs mit Schrecken der Thronbesteigung des Bruders des legitimer Nach- kommenschaft entbehrenden Karl II. entgegensahen, da Jakob von York als katholisch, verfolgungssüchtig und absolutistisch gesinnt bekannt war. Aber ihr Widerstand im Parlamente war gescheitert, und ein Komplott gegen die Freiheit, ja, das Leben Yorks hatte nur den Untergang oder doch die notgedrungene Flucht der Verschwörer zur Folge gehabt. An ihrer Spitze stand der nach dem Festlande entkommene Herzog von Monmouth, des Königs natürlicher Sohn, der aber behauptete, dafs seine Mutter durch Heirat mit Karl verbunden gewesen sei und des- halb ihm, dem Protestanten, die Thronfolge gebühre. Amtlich 80 befahl der Kurfürst dem Legationsrat Besser solle dieser sich benehmen, als wisse er nichts von der Spaltung der Nation in Yorkisten und Monmouthisten ; im stillen aber solle er die unzufriedenen Protestanten des kurfürstlichen Beistandes ver- sichern. Friedrich Wilhelms Sympathien gehörten den Whigs, da er in Jakob nicht nur den Feind seiner Religion, sondern auch den Verbündeten Ludwigs XIV. erblickte.

In Amsterdam hatten zwei geflüchtete Freunde Monmouths, Lord Gray und Ritter Armstrong, sich Fuchs genähert. Der Kurfürst gewährte diesen Verfolgten Aufenthalt in seinem Herzogtume Kleve, ja, liefs durch sie dem Herzoge von Mon-

^ Ms. Kurf. an Spanheim, 18./28. April.

* Ms. Inatr. an Besser, entworfen 18J28. März 1684; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Bep. XI, England 9.

3C2 Siebentes Buch.

mouth sagen: er hege fQr ihn .besondere Estime und Eon- sideration"; der Herzog werde in seinen Landen Zuflucht und Schutz finden, und seltet sein Besuch in Berlin werde dem Kur- fürsten sehr genehm sein. Gray und Armstrong begaben sich infolge dieser Mitteilungen nach Kleve und verhandelten dort mit Fuchs wegen des Eintritts Monmouths in brandenburgischen Kriegsdienst .York und seine papistische Bande/ sagten sie, „gehen auf das Verderben aller guten Protestanten aus.*' ^

Diese Verhandlungen waren ein Vorspiel für das Unter- nehmen Oraniens auf England, vier Jahre später. Friedrich Wilhelm ist der erste kontinentale Herrscher gewesen, der ein solches Ereignis, den gewaltsamen Umsturz der Herschaft der Stuarts, dieser Feinde des Protestantismus und der europäischen Freiheit, ins Auge gefafst hat.

Allein das waren Pläne für die Zukunft Für den Augen- blick handelte es sich um Bewahrung des Friedens, bis die grofse europäische Partei gefestigt und zum Kampfe bereit sein werdet Er nahm also durch seinen gewöhnlichen Gesandten im Haag, von Diest die Verhandlungen mit den Generalstaaten wieder auf, um sie zum schleunigen Abschlufs wenigstens eines Stillstandes zu bewegen (Mai 1684). Er durfte mit Recht das Verdienst für sich beanspruchen, zu wiederholten Malen den Krieg von den Vereinigten Provinzen abgewandt zu haben ; allein ferner- hin sei ihm das unmöglich. «Wenn man dort durchaus ver- zweifelte Entschlüsse fassen will, möge man wenigstens Deutsch- land aus dem Spiele lassen und auf Hilfstruppen aus dem Reiche verzichten.* Aber sie möchten doch überhaupt darauf ver- zichten, Religion und Freiheit zugleich in Gefahr zu bringen; sie würden sich durch einen zweifellos unheilvollen Krieg das Joch, das sie für die Zukunft fürchteten, sofort über den Hals ziehen. Er erbot sich zur Vermittlung mit dem AUerchrist- lichsten Könige. Als Diest am 24. Mai mit diesen Instruktionen im Haag eintraf, fand er dort günstigere Aufnahme, als er zu hoffen gewagt.

Um so gröfsere Enttäuschung erlebte die brandenburgisehe

1 Ms. Fuchs an Kurf., 4. 14., u. Kurf. an Fachs, 11.^1. März 1684; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Knrkdln 3.

* FQr das Folgende die Ms. Korresp. zwischen dem Kurf. n. Biest im Mai und Juni 1684 (Berlin, Geh- Staatsarchiv, Bep. XXXIV, 227 z). VgL ebendas. Rep. XI, Kurköln 3; sowie U. u. A., m, 770 f.

Fttnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 363

Friedenspolitik auf der anderen Seite. Frankreich sah mit vollem Bechte in ihren Bemühungen nicht sowohl eine ihm ge- währte Unterstützung als vielmehr das Bestreben, eine dritte Partei zu bilden, die freilich für den Augenblick den Frieden zu bewahren, aber für die Zukunft Frankreich im Zaume zu halten bestimmt sei. Hatte doch schon Fuchs bei seiner An- wesenheit im Haag dem Grafen d'Avaux nicht verhehlt, dafs jedes weitere kriegerische Vordringen Frankreichs die Friedens- partei ernstlich verstimmen werde. Trotz aller Bemühung des Geheimrats, dem französischen Gesandten volles Vertrauen und alle Ergebenheit zu zeigen, hatte dieser ihn als Feind behandelt, mit Anklagen und Verleumdungen verfolgt. Der Widerspruch Brandenburgs gegen eine französische Besetzung trierischer oder kölnischer Plätze, die immer wiederholte Forderung einer Er- klärung, dafs Frankreich unter keinen Umständen das Reich weiter verkleinem werde, hatten in Paris und Versailles tief verstimmt.

Noch schlimmer war, dafs der Kurfürst von eben den Lüne- bürgern, die er mit aller Macht vor seinen eigenen Verbündeten zu schützen sich bemühte, abermals hintergangen wurde. Grotes Erklärungen wurden immer zweideutiger und hinterhaltiger. Das ganze Lügenspiel sollte nur die Kölner Alliierten festlegen, bis der Haager Kongrefs zu wirksamen Beschlüssen gelangt sei. Friedrich Wilhelm gab die Sache auf; sogar der Kurprinz über- wand seine Neigung zu Sophie Charlotte und erklärte, er werde seine Vermählung mit dieser Prinzessin bis auf einen Zeitpunkt hinausschieben, wo solche Verbindung den Interessen und der Ehre seines Vaters entsprechet Der Kurfürst ging den König von Frankreich um sofortige Auszahlung des ersten Vierteljahrs der Aktionssubsidien an, indem er ihm den mit R6benac, dem Dänen Gabel und dem kurkölnischen Kriegsrat Wintgens ver- einbarten Kriegsplan gegen die Weifen mitteilte ^. Die Rüstungen wurden tatsächlich in grofsem Stile betrieben: die preufsischen Regimenter wurden beordert, die Weichsel westwärts zu über- schreiten, die pommerschen und neumärkischen zum Marsch an die Elbe angewiesen, die Truppen in Westfalen dazu bestimmt, sich im Verein mit den Kölnern an Rhein und Weser auf-

^ Dep. R6benac8 vom 13. Mai; Prutz, 878. * Ms. 19./29. Mai 1684.

364 Siebentes Buch.

zustellen, die Artillerie mobilisiert, in Minden und Lippstadt Magazine angelegt; jede Woche wurden 16 17000 Taler aus- gegeben. 1500 Reiter wurden in das Herzogtum Mecklenburg- Güstrow einquartiert mit dem Auftrage, sich den Dänen an- zuschliefsen , falls die Lüneburger gegen diese Feindseligkeiten begännen ^ Die französischen Staatsmänner frohlockten, Branden- burg nun in den Krieg verwickelt zu sehen. Sie stellten selbst Eroberungen in Pommern in Aussicht und gaben die besten Yerheifsungen wegen der Aktionssubsidien. deren tatsächliche Auszahlung wurde freilich bis auf den ersten Kanonenschufs an der unteren Elbe und Weser vertagt*.

Am 30. Mai 1684 ward zu Berlin das neue „Konzert^ zwischen Dänemark, Kurköln und Kurbrandenburg aufgerichtet. Gemeinschaftliche Aktion sollte allsogleich das Haus Lüneburg zwingen, sich allen Beschlüssen der Verbündeten wegen des mit Frankreich zu vereinbarenden Friedenszustandes anzuschliefsen, sämtliche Ansprüche auf weitere Ausdehnung seiner Befugnisse als Direktors des niedersächsischen Kreises aufzugeben und in allen Punkten den Alliierten Genugtuung zu leisten. Der Beitritt Frankreichs zu diesem Vertrage wurde in Aussicht genommen*. Der Kurfürst von Köln erhielt demgemäfs die Einladung, seine Truppen an die Weser zu entsenden; der französische Resident in Münster, Ghoiseul, sich nach Berlin zu begeben und mit den brandenburgischen Generalen den Feldzugsplan endgültig fest- zustellen ^.

Der Kampf konnte beginnen. Ludwig XIV. ermahnte Brandenburg, nun endlich loszuschlagen. Er rechnete darauf, dafs nach der Demütigung der Lüneburger niemand im Reiche ihm mehr Widerstand zu leisten wagen werde ^.

Gerade deshalb hielt Friedrich Wilhelm im letzten Augen- blicke inne. Das Verfahren Frankreichs stimmte ihn bedenk- licher denn je. In jener Zeit 4. Juni fiel die überaus starke Festung Luxemburg, ein Bollwerk auch der deutschen

^ Ms. Bidal (französ. Agent in Hamburg) an Louvois, 21. April 1684 (Auszug); Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XCIV, IV Hb, 10 /f.

* Ms. Korresp. zwischen Eurf. und Spanheim aus dem Mai 1684. Depeschen Bäbenacs bei Prutz, 873 f.

» Mörner, 740ff.

^ Ms. Bidal an Louvois, 2. Juni (Auszug); a. a. O.

^ Korresp. Ludwigs XIV. mit B^benac, Juni 1684; Prutz, 8741.

Fünfiindvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 365

Moselländer, in die Gewalt Frankreichs. Der Kurfürst empfand dieses Ereignis sehr schwer: wenn er auch die Aufforderung Johann Greorgs von Sachsen, der Feste zu Hilfe zu kommen, hatte abweisen müssen, sah er doch in ihrem Verluste eine für das Reich sehr bedrohliche Tatsache ^ Dabei erhielt er anstatt der ihm gebührenden französischen Kriegssubsidien nur schöne Worte, während die Kriegsbereitschaft der kärglich bedachten brandenburgischen Staatskasse unerschwingliche Lasten auf- erlegte. Selbst Röbenac erkannte die Ungebühr an, mit der sein König den Kurfürsten behandelte. Da brachte ein un- erwartetes Ereignis dessen Zorn zum Ausbruche.

Herzog Christian I. Ludwig von Mecklenburg - Seh worin hatte sich auf einer Reise nach Paris in die ebenso schöne wie geistvolle Herzogin -Witwe von Ghfttillon, die Schwester des Marschalls von Luxemburg, verliebt. Er hatte sich deshalb von seiner Gemahlin scheiden lassen, war katholisch geworden und hatte 1664 seine Geliebte geheiratet. Seitdem lebte er gröfsten- teils in der französischen Hauptstadt. Nunmehr, im Mai 1684, schlofs er dort mit Ludwig XIV. einen Vertrag, in dem er seine wichtige Eibfeste Dömitz den Dänen zu überliefern versprach. Der Kurfürst war begreiflicherweise darüber entrüstet, dafs man diese Abmachung getroffen hatte, ohne ihn zu fragen, während doch Dömitz der Schlüssel zur Kurmark sei und die Schiffahrt auf der unteren Elbe beherrsche; überdies sei er Mitdirektor des niedersächsischen Kreises. Durch solche Vor- gänge müsse ja die „gute Partei** im Reiche verdächtig werden. Er verlangte in Paris auf das bestimmteste, dafs entweder der ganze Vorfall rückgängig gemacht oder die Festung halb mit brandenburgischen, halb mit dänischen Truppen besetzt werde. Bisher, fügte er unwillig hinzu, haben Wir von Unserem Bünd- nis mit Frankreich noch nicht „vor Unser Particulier den aller- geringsten Vortheil, wohl aber viel und grofse Ungelegenheit und Gefahr" gehabte

Christian Ludwig hatte alle Welt getäuscht. Sein Befehls- haber hatte Dömitz vielmehr den Freunden und Beschützern

* Prutz, a. a. O.

' Ms. Kurf. an Spanbeim, 24. Mai / 3. Juni 1684. Vgl. Bourgeois, Ez. Spanheim, 242 f. Allg. Deutsche Biographie s. v. Christian I. von Mecklenburg.

366 Siebentes Buch.

Mecklenburgs, den Weifen, überliefert. Der ergrimmte König liefs deshalb den Herzog in das Schlofs von Vincennes sperren (Mitte Juni), und zwar zu so strenger Haft, dafs dessen eigene Gemahlin ihn nicht sehen durfte. Erst Anfang September er- hielt der Herzog durch die Fürbitte und auf mehrfaches Ein- schreiten Friedrich Wilhelms die Freiheit wieder*.

Sowohl die Übervorteilung Brandenburgs in der Dömitzer Sache wie die willkürliche Einkerkerung eines deutschen Reich»- fürsten verstimmte Friedrich Wilhelm. Bald mufste er von weiteren Akten französischer Tyrannei hören. Trotz des Ver- sprechens des französischen diplomatischen Agenten Tambonneau, die Zustimmung seines Königs zu dem Vertrage Brandenburgs mit Trier zu beschaffen, und im Gegensatze zu Ludwigs eigenen feierlichsten Zusagen rückte Marschall Gr^qui nach der Erobe- rung Luxemburgs mit seinem ganzen Heere in das friedliche Erzstift Trier ein, besetzte dessen Hauptstadt, deren W&lle er einrifs, und deren Moselbrücke er mit dem gleichen Schicksale bedrohte, wie er denn die Conzer Brücke bereits zerstört hatte. Friedrich Wilhelm war äufserst erregt. ,, Der König,*' rief er aus, „wird sich odieux und Uns incapable machen, mit Nutz und Effekt vor Ihre Interesse weiter zu arbeiten."' Bald schlug er einen noch kräftigeren Ton an. „Wir müssen bekennen," schrieb er am 15. Juli an Spanheim, „dafs Uns solches Verfahren höchst schmerzlich zu Gemüthe geht!" Alle üblen Vorhersagungen der Gegner werden durch solche Vorgänge bekräftigt. „Es ist be- kannt, dafs Wir durch Unsere dem Reiche geschworene schwehre Pflichten, durch den Ghurfürstlichen Verein, durch die Liebe und Treue, die Wir Unsern Vaterlande schuldig sein, ja aller Kaison nach Uns verbunden befinden, in dergl. Fällen Unserer Mit-Stände Uns mit allen Kräfften anzunehmen und unverschul- detes Unrecht und Gewalt von ihnen abzuwehren, und können Wir nicht absehen, wie Wir eines Theils Unserem Gewissen ein Genüge thunund danebst gegen Ihre Kays. Mt. und das Reich Unsere Conduite justificiren und vielfältiger Blame und Vor- würffe Uns . . . entladen können, wenn Wir zu dergleichen Pro- ceduren still schweigen selten." Spanheim soll die sofortige Ab-

^ Ms. Spanheim an Kurf., Juni bis Sept. 1684. * Ms. Kurf. an Spanheim, 20./30. Juni. Die Instruktion ist teil- weise gedruckt bei Londorp, Xu, 55 f.

FOnfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 367

führung der französischen Truppen aus Trier fordern und dabei hervorheben, „dafs Wir nicht allein Uns hierunter einer will- fährigen Resolution zu Ihro König]. Mayt. festiglich versähen, sondern auch verhoffen weiten, es würde dieselbe . . . dergleichen wider das Reich femer nicht vornehmen, sondern eine solche Conduite gegen dasselbe halten, damit Wir, Unserm sehnlichen Verlangen nach, in der mit Ihro Königl. Mt. etablirten guten und vertrauten Freundschaft allerwegen verbleiben möchten".

Und doch drohten neue Gewalttaten von anderen Seiten: im Elsafs und bei Saarlouis sammelten sich zahlreiche franzö- sische Scharen, um in das Reich einzubrechen. Es stand ihnen um so wehrloser offen , als es nicht einmal auf die Beihilfe der Niederlande mehr hoffen durfte. Die Verhandlungen Diests hatten mehr Erfolg gehabt als die des Geheimrats Fuchs, da die jüngsten Ereignisse die momentane Unmöglichkeit eines Krieges gegen Frankreich auch den Widerwilligen vor Augen führten. Nachdem Luxemburg gefallen, nachdem der Haager Kongrefs ergebnislos auseinandergegangen, hatte die Friedenspartei in den Generalstaaten den Sieg davongetragen. Am 29. Juni nahmen sie das französische Anerbieten des zwanzigjährigen Waffen- stillstandes an; allerdings mit der Erschwerung, dafs nunmehr auch Luxemburg den Franzosen überlassen werden mufste. Diese setzten dem Reiche einen Termin von vier Wochen, dem Stillstande unter den gleichen Bedingungen beizustimmen. Nur dem ernstlichen Andringen Brandenburgs gelang es, den Alier- christlichsten König zu der Eröffnung zu bewegen, dafs es ihm auf die strikte Innehaltung eines so kurzen Termins nicht an- kommen sollet

Zu gleicher Zeit scheiterten die Hoffnungen, die Friedrich Wilhelm auf einen Anschlul^ Englands an die europäische Partei gesetzt hatte'. Besser war schon mit grofsem Mifstrauen in London aufgenommen worden, da alle Welt über das plötzliche Erscheinen eines brandenburgischen Gesandten erstaunt war und dahinter geheime, feindselige Absichten witterte. Hierzu kam der erschwerende Umstand, dafs das beginnende Komplott des Kurfürsten mit Monmouth und dessen Anhängern entdeckt

^ Ms. Depeschen Spanheims aus dem Juli 1684. * Das Folgende nach den Akten des Geh. Staatsarchivs (Berlin), Bep. XI, England 9.

368 Siebentes Buch.

wurde. Armstrong war unter der Anklage, des Königs und Yorks Ermordung zweimal versucht zu haben, von den General- staaten nach England ausgeliefert worden, wo man ihn nach kurzem Prozesse hängte. Unter seinen Papieren fanden sich Briefe Monmouths an die brandenburgischen Staatsmänner Fuchs und Falaiseau, mit Danksagungen für den ihm und seinen Freunden Armstrong und Gray gewährten Schutz, sowie Versicherungen der Ergebenheit. Freilich, König Karl II. hielt es für angemessen, sich in gemäfsigter Weise über diese Vor- gänge auszudrücken; er sagte Besser: das Verfahren des Kur- fürsten beruhe offenbar auf einem Mifsverständnisse, da dieser eine aus rein persönlichen Beweggründen hervorgegangene Ver- schwörung für ein Unternehmen zum Schutze der protestanti- schen Religion angesehen habe. Allein die Versuche Friedrich Wilhelms, sich als völlig unschuldig und ahnungslos hinzustellen, konnten keinen Glauben finden. Der König wie seine Minister ersuchten ihn sehr ernstlich, Monmouths Besuch in Berlin zu verhindern. Natürlich fand nunmehr solche Reise des unglück- lichen Königssohns nicht statt. Aber von engeren Beziehungen zwischen England und Brandenburg konnte nach allen diesen Ereignissen nicht die Rede sein.

Es blieb dem Kurfürsten nichts übrig, als den Kaiser von neuem zum Frieden zu mahnen ; er versprach hierbei, die Bürg- schaft für die Innehaltung des abzuschliefsenden Waffenstill- standes mit seiner gesamten Macht zu übernehmen, auch darüber mit ihm einen Sondervertrag einzugehen. Solches versicherte er dem kaiserlichen Sekretär Consbruch, der Ende Juni 1684 nach Berlin kam^.

Unter diesen Umständen, wo alles sich dem von Friedrich Wilhelm sehnlich gewünschten allgemeinen Frieden zuneigte, erschien es ihm mit Recht untunlich, in Norddeutschland auf eigene Faust einen Kampf zu beginnen, dessen Folgen unab- sehbar waren. Er begrüfste es mit Freuden, dafs die drei lüneburgischen Herzoge, die sich nunmehr von allen Freunden, auf die sie gezählt, verlassen sahen, auf einer Konferenz in Bergsdorf sich ernstlich zum Nachgeben entschlossen und darauf Grote abermals nach Berlin entsandten. Er hatte zu erklären, dafs die Weifenfürsten sich von nun an auf den Boden

> Ms. Kurf. an Spanheim, 20./80. Juni 1684. U. u. A., XIV, 1136«.

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des französischen Stillstandserbietens begäben. Friedrich Wilhelm kam übrigens mit seinen friedlichen Absichten lediglich den Wünschen des Königs von Frankreich entgegen, der, nach Ab- schlufs des Vertrages mit den Generalstaaten, gleichfalls jedes Interesse eingebüfst hatte, im Norden einen Krieg hervorzurufen, der ja nur den Verbündeten der Holländer gegolten. Branden- burg und Dänemark konnten zusehen, wie sie die Kosten der auf Frankreichs Anregung unternommenen Rüstungen zu decken vermöchten *.

Der Streit zwischen dem Kurfürsten und den drei lüne- burgischen Herzogen wurde definitiv beendet und momentan sogar in ein Freundschaftsverhältnis umgewandelt durch ein am 2. August 1684 abgeschlossenes Bündnis. Man darf sagen : die Spitze dieser Allianz war gegen Frankreich gerichtet; denn obwohl die Kontrahenten den Waffenstillstand unter den von Frankreich geforderten Bedingungen zu Grunde legten, verlangten sie doch Rückgabe aller sonstigen von jenem Staate im Reiche okkupierten Gebiete, sowie Aufrechterhaltung der bisherigen Religions- und Eigentumsverhältnisse in den dauernd reunierten Ländern. Für den Fall eines Krieges wollten die Verbündeten, in Gemäfsheit des dritten Geheimartikels, die Integrität des Reiches und zumal den Rheinstrom schützen, ebenso Bremen, Hamburg und Lübeck in ihrer Reichsfreiheit erhalten^. Dieser Vertrag war also der erste entschiedene Schritt, den Friedrich Wilhelm von der bisher innegehaltenen französischen Partei ab und nach der entgegengesetzten Seite hin unternahm, ein zweiter die Vermittlung zwischen dem Prinzen von Oranien und dem Stadtmagistrate von Amsterdam, die, auf Friedrich Wilhelms Befehl, damals Diest versuchte®. Der Weg war er- öffnet, der ihn bald wieder zu seiner natürlichen Stellung, Schulter an Schulter mit den zur Verteidigung der Freiheit Europas entschlossenen Mächten, führen sollte.

Der Vermählung des Kurprinzen mit Sophie Charlotte stand nun nichts mehr im Wege; sie wurde dann im Oktober 1684 mit grofser Pracht begangen. Es war aber bezeichnend, dafs den auffallendsten Teil der Feier die Vereinigung von elftausend

^ Ludwig XIV. an Rebenac, 6. Juli 1684; Prutz, 375 f. « Mörner, 743 ff. » d'Avaux, m, 75 f.

PhilippsoD, Der Grofse Kurfflrst. III. 24

. 370 Siebentes Buch.

Mann brandenburgischer Truppen bildete ,der schönsten von allen, die ich in Deutschland gesehen habe,^ urteilte der keines- wegs wohlwollende Beobachter Röbenac.

Diese militärische Schaustellung hatte ihren ernsten Grund : Friedrich Wilhelm, stets auf verschiedenen Wegen dem gleichen Ziele zustrebend, hatte sich zu dem Versuche entschlossen, mit den Lüneburgem vereint, wie neun Jahre zuvor, den Schweden ihre deutschen Lande zu entreifsen. Die welßschen Unter- händler von Grote und von Oberg zeigten sich damit einver- standen; man entwarf in Berlin gemeinschaftlich einen „geheimsten" Artikel des Vertrages, der Vorpommern, Wismar, femer die Inseln Rügen und Poel dem Kurfürsten, die Herzog- tümer Bremen und Verden den Lüneburgem zusprach^. Auch Dänemark stimmte zu, da es sich des von Schweden beschützten Gottorpschen Anteiles an Schleswig-Hosltein endgültig zu be- mächtigen wünschte. An sich schien die Vertreibung der Schweden aus deren deutschen Provinzen sehr leicht. Mit Ausnahme Wismars waren alle dortigen Festungen verfallen und verödet ; Stettins Wälle zeigten noch die Breschen von der letzten Belagerung her, die Stadt hätte sich kaum acht Tage lang halten können. Den fünfzigtausend Mann der Verbündeten ver- mochte Schweden keine entsprechende Streitmacht entgegenzu- stellen. Brandenburg hoffte, durch Verzicht auf seine schlesischen Ansprüche den Kaiser, durch Aufgabe der von Sachsen einge- nommenen vier magdeburgischen Ämter diesen Kurstaat zur Neutralität zu stimmen« Es verzichtete sogar auf die Aktions- subsidien Frankreichs; dessen König solle nur die Holländer im Zaume halten '. Denn die Schwierigkeit lag nur bei Frankreich. Der Kurfürst stellte in Paris wiederholentlich vor: bisher habe die französische Regierung immer das Bedenken gehegt, vor dem Angriffe auf Schweden müsse man sich zunächst der Lüneburger versichern; diese seien nunmehr gewonnen, und so stehe der Ausführung des einst von dem AUerchristlichsten König selbst angeregten Unternehmens nichts im W^ege.

Indes, Ludwig war keineswegs gewillt, seinen ihm unzu- verlässig erscheinenden Bundesgenossen Eroberungen machen zu lassen, ohne für sich selbst einen Vorteil einzuernten, der

' Mörner, 462.

* Ms. Depeschen B6benacs vom 19. August bis 19. Sept. 1684 (B).

Pünfundvierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger Fehde. 37 X

zugleich Brandenburg kompromittiere und endgültig an Frankreich fessele. Er forderte also, dafs der Kurfürst und seine Verbün* deten ihm als Gegengabe die Reichsfestung Philippsburg auf dem rechten Rheinufer überliefen. Auf einen so schmählichen Handel ging aber Friedrich Wilhelm nicht ein. „Ich habe nicht verhehlt/ interpretierte Spanheim seines Herrn Meinung ganz richtig, „dafs, welche Erwerbung E. Kurf. Durchl. auch im Falle eines Vorgehens gegen Schweden wünschen könnten, solches niemals auf Kosten des Reiches sein dürfe, um dem AUer- christlichsten Könige Anlafs zu geben, hier neue Eroberungen zu machen." Darauf lautete die Antwort Frankreichs abschlägig. Seitdem, sagte Croissy, der König am 23. September des vorher* gehenden Jahres Vorschläge über ein neues Konzert gegen Schweden geäufsert, die der Kurfürst damals zurückgewiesen, hätten die Umstände sich durchaus geändert. Jetzt sei der Friede gesichert, und nur eine Aktion gegen Schweden könne, indem sie dessen vertragsmäfsige Verbündete zu den Wafifen riefe, den allgemeinen Krieg heraufbeschwören*.

Die Dinge waren so weit gediehen, dafs Ludwig wohl erkannte, er werde in Brandenburg niemals einen Verbündeten für seine Eroberungsgier haben und am wenigsten gegen das Reich. Croissy sprach sich Spanheim gegenüber ganz ofifen aus: sein König werde, wenn jetzt der Stillstand nicht geschlossen werde, den Krieg gegen das Reich führen; er gebe den Kur- fürsten völlig frei ; der möge, wenn es ihm gut scheine, sich mit dem Kaiser und Schweden verbünden*.

' Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanheims vom Ende Juni bis Aug. 1684. Croissy sagt (21. Juli): que le Roy ne disconvenoit pas des offres dt propositions faites cy-devant sur Taction contre la Suöde, comme Celle du 28 sept*>»* pass6; qu'il n'avoit tenu qu'ä V. Alt. de Taccepter; qa*ü falloit aussi consid6rer qu'elles avoient et^ faites dans un temps le Roy de France en pouvoit espSrer ou tirer beaucoup d^avantage k Tegard de rarmistice ou des mesures k prendre au besoin contre les Estats G-eneraux. Que les choses estoient maintenant sur un autre pied, et surtout depuis le traitt6 avec les Estats Generaux. Que ceux-cy donnoient toujours k entendre qu'ils seroient obliges de secourir leurs ftlli^s si on les attaquoit. . . . Toutes les pensees presentes du Roy de France et de ses ministres des deux partis concourent egalement k la paix generale, et on croit ou pretend qu'il resulteroit iine guerre generale au cas de Taction susdite contre la Su^de.

Ms. Spanheim an Kurf., 18. Aug. 1684.

24*

372 Siebentes Buch.

Zum Glücke löste die Krisis sich freundlich: der zwanzig- jährige Waffenstillstand zwischen dem Reiche und Ludwig XIY. wurde endlich am 15. August 1684 zu Regensburg aufgerichtet ; Spanien schlofs sich ihm an^. Die Ruhe Europas war für die nächsten Jahre gesichert mit schweren Opfern für das Reich und Spanien. Letzteres erhielt Dixmuyde und Courtrai zurück, mufste aber Luxemburg aufgeben.

Friedrich Wilhelm hatte recht behalten mit seinen seit lange beharrlich geäufserten Anschauungen, Ratschlägen und Warnungen. Die Hartnäckigkeit der Habsburger hatte sie die unvergleichliche Festung Luxemburg gekostet.

Das Ende des vieijährigen Zwistes wegen der Reunionen war auch das Ende des französisch-brandenburgischen Bündnisses.

1 Londorp, XU, 125ff.

Sechsundvierzigstes Kapitel

Die Abkehr von Frankreich.

Als Sieger war Friedrich Wilhelm aus seinem Ringen mit dem Kaiser und den Niederlanden, seinen ungetreuen früheren Verbündeten, hervorgegangen. Sie waren für die üble Behand- lung, die sie ihm hatten angedeihen lassen, bestraft und ge- demütigt. Sie hatten den Wert einer Allianz mit dem jungen, aufistrebenden Staate, den sie geringschätzen zu können gemeint, zu ihrem Schaden .würdigen gelernt. Friedrich Wilhelm sah überdies die Anschauung,} die er im Gegensatze zu ihnen vertreten hatte, triumphieren : wenn nicht der Friede, so doch ein zwanzig- jähriger Waffenstillstand war abgeschlossen auf der Grundlage, die er als die einzig mögliche erkannt und nach allen Seiten hin empfohlen. Zum Gedächtnis dessen liefs er, gleichsam als trage er um die Befriedung besonderes Verdienst, eine Münze auf den deutsch -französischen Ausgleich schlagen mit seinem Bildnis und der Inschrift, die zugleich die Jahreszahl 1684 an- deutet :

Mars rVIt inVIDVs, en paX et VICtorla fLorent^

Allein er konnte im Grunde des Erfolges nicht froh werden. Das Ergebnis dieser vier Jahre für Europa und zumal für das Deutsche Reich war doch nur: erneute Demütigung und Be- raubung zu Gunsten Frankreichs, Zunahme von dessen schon fibergrofser, alles bedrohender Macht und rechtsverachtendem Übermute. Und wenn der Kurfürst gehofft hatte, aus dieser Schädigung des allgemeinen Interesses die er freilich nicht

' Ms. Magirus, Breviarium, Nr. 103.

374 Siebentes Buch.

hätte verhüten können wenigstens für den eigenen Staat be- deutenden Vorteil zu ziehen, sah er sich hierin vollkommen ent- täuscht. Mit seiner alten Verbündeten, der oranischen Partei in den Niederlanden, war er gänzlich überworfen; sie verzieh ihm die hauptsächlich durch seine Bemühungen erlittene Nieder- lage vom Juni 1684 nicht. Fagel äufserte sich sehr erbittert über Brandenburg, das die Allianz von 1678 gar nicht beobachtet habe. »Der Staat,^ sagte er, „mufs sich mit der Krone Frank- reich, als dem Mächtigsten, setzen, und zwar so gut und so böse, wie wir können." Wegen eines Schififes, das die Holländi- sche Kompanie an der afrikanischen Westküste weggenommen hatte, des .Wappen von Brandenburg^, entbrannte gerade da- mals heifser Streit zwischen Berlin und dem Haag. Trotz der entgegengesetzten Wünsche des Kurfürsten riefen die Hoch- mögenden nunmehr Amerongen zurück ^. Anderseits war jedes- mal, wenn Friedrich Wilhelm gegen einen Widersacher mit bester Aussicht auf Erfolg das Schwert erhoben hatte, Frankreich ihm in den Arm gefallen und hatte ihm mit höhnischem Gewalt- spruche den sicher erscheinenden Sieg entrissen. Es hatte ihn bald gegen die nordischen Mächte gehetzt, bald wieder an der Kette gehalten, wie es gerade der französischen Politik ent- sprach. Er hatte weder Schweden noch die Weifen für ihre Feindschaft strafen noch an ihnen sich für die ihm 1679 ent- zogenen Eroberungen schadlos halten dürfen. „Nur der König/ rief er im September 1684 dem Grafen R6benac zu, „hat meine Unternehmungen zum Scheitern gebracht.^' Unwillig berief er Meinders von den Beratungen ab, die dieser Minister zu Itzehoe mit dänischen und weifischen Kommissaren gepflogen hatte, der schwedische Krieg war aufgegeben, so schlecht man auch mit Schweden stand, dessen Kommissare sich bei der im Gange befindlichen Grenzregulierung derart anmarsend benahmen, dafs der Kurfürst die Konferenzen kurzerhand abbrach. Allein das waren doch Nebendinge. Friedrich Wilhelm war entschlossen, zwar anscheinend das Einvernehmen mit Frankreich noch auf- rechtzuerhalten, um nicht wieder macht- und hilflos dazu- stehen, aber tatsächlich Anschlufs an die Partei zu suchen, die

* Ms. Korresp. des Kurf. mit Diest, Sept. u. Okt. 1684; Berlin, Geh. Staatearchiv, Rep. XXXIV, 227 z. « Prutz, 289.

Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 375

die Freiheit Europas und die Unabhängigkeit seiner Fürsten gegen die Weltmonarchie des „Königs Sonne" verteidigte. „Seit dem Abschlüsse des Waffenstillstandes/ urteilte einige Jahre später über ihn ein französischer Diplomat, „hat sich dieser Fürst bei allem, was man gegen den König geplant oder in Be- wegung gesetzt hat, an die Spitze gestellt.''

Es zeugte bereits von einer leisen, aber bestimmten Wen- dung in der brandenburgischen Politik, wenn diese sich, gerade auf Grund des Waffenstillstandes, bemühte, die Angelegenheit der durch diesen Vertrag den Franzosen zugestandenen Reunionen wieder zu einer offenen Frage zu gestalten. Indem Spanheim nach mehrmonatigem Urlaube nach Paris zurückkehrte, erhielt er den Auftrag, sich, in Gemäfsheit des Artikels, der die reli- giösen Verhältnisse in den reunierten Landen auf dem bisherigen Fufse zu belassen anordnete, der vielfach benachteiligten Evan- gelischen in jenen Gebieten anzunehmen. Spanheim mufste nicht minder die Interessen der von der Reunion betroffenen deutschen Fürsten vertreten, zumal des Kurfürsten von der Pfalz, der in Paris um Rückerstattung Germersheims vorstellig war, das die Franzosen ohne jeden auch nur scheinbaren Rechtsgrund ganz einfach mitannektiert hatten. Wahrscheinlich war es auch in reichspatriotischem Sinne gedacht, wenn Friedrich Wilhelm gegen Ende des Jahres 1684 eine engere Vereinigung der Kurfürsten und ein Aufleben ihrer Kollegialtage betrieb. Kurz, Branden- burg begann für Frankreich ein mindestens recht unbequemer Freund zu werden. Ludwig XIV. fühlte das sehr wohl, und die Instruktionen, die er seinen Diplomaten erteilte, waren be- reits im Beginne des Jahres 1685 in einem den brandenburgi- schen Interessen offen widerstreitenden Sinne abgefafst, wenn- schon sie solchen Gegensatz äufserlich noch zu verdecken be- fahlen ^

Der Kurfürst suchte seine Stellung in Nörddeutschland selb- ständig, ohne Rücksicht auf die Grofsmächte, zu stärken und auszudehnen. Er hatte längst von Kaiser und Reich die An-

^ Mb. Instr. an Spanheiin vom 20 /30. Dez. 1684 (Berlin, Geh. Staats- archiv, XI, Frankr. 23). Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanheims im Jan. u. Febr. 1685 (ebendas. 24 A, sowie [Rep. XL 9 b). Ms. Friedr. Wilh. an Kurbayem, 18. Dez. 1684 (Kopie; das. Rep. XCIV, IV Hb, 49). Instr. Ludwigs XIY. an seinen neuen Gesandten in Kopenhagen, den Grafen Chevemy, vom 13. Jan. 1685; Recueil des Instructions, XIH, 60.

376 Siebentes Buch.

Weisung der ihm 1675 von beiden für die schwedische Ver- wüstung seines Landes zugesagten Entschädigungen gefordert, aber solche nie erhalten. Jetzt verlangte er, sie möchten in der Anwartschaft auf Ostfriesland bestehen, dessen Fürstenfamilie dem Aussterben nahe war, und in dem er sich tatsächlich schon militärisch wie kommerziell festgesezt hatte ^. Er schlofs gerade damals mit der Stadt Emden Verträge, die ihm die Verlegung seiner Afrikanischen Gesellschaft nach diesem Orte, die Errich- tung einer Kompanie Marinesoldaten und eines Arsenals, sowie eines Admiralitätskollegs Idortselbst gestatteten. Ende Januar 1685 ging er mit dem Herzoge von Mecklenburg -Güstrow ein geheimes Abkommen ein, das ihm erlaubte, scheinbar ohne Zu- stimmung des Herzogs sein Leibregiment zu Pferde in dessen Land einzuquartieren. Dieser Vergleich wurde wenige Monate später in eine f%rmliche Militärkonvention verwandelt, nach der der Herzog den gröfsten Teil der Verpflegung des kurfürst- lichen Regiments übernahm, Brandenburg dag^en die Stellung des herzoglichen Kontingents zur Reichsarmee. So fafste Fried- rich Wilhelm FuTs in der östlichen Hälfte Mecklenburgs, un- mittelbar an der Westgrenze Seh wedisch - Pommerns , das er nunmehr von drei Seiten umklammerte: er hielt zugleich den Frankreich und den Lüneburgem ergebenen Herzog von Mecklen- burg-Schwerin in Schach.

Aber diese Mafsregeln trafen doch nur Nebensächliches. Vor allem bewegte seinen Geist die drohende Gestaltung der grofsen europäischen Verhältnisse. Sie flöfste ihm Besorgnis ein nicht nur wegen der eigentlich politischen, sondern auch, und zwar in erhöhtem Ma(^, wegen der kirchlichen Zustände. Die Reaktion der römischen Kirche gegen den Protestantismus nahm in so gewaltigem Umfange überhand wie nie seit einem Jahrhundert. Der mächtige Beherrscher Frankreichs verfolgte seine zahlreichen reformierten Untertanen mit unversöhnlicher Feindschaft Aber sein Gegner und Nebenbuhler, Kaiser Leopold L. zeigte sich nicht minder fanatisch: kaum schritten seine Truppen erobernd in Ungarn vor, als die Grausamkeiten gegen die dortigen Protestanten in rohester Weise von neuem ihren Anfang nahmen. Femer stand in England die Thronbesteigung eines katholischen

> Londorp. XI. 60. 149. ^00. WiarJa, VI, a22£f. Für das Folgende: Mörner, 463 ff. 46S,

Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkekr von Frankreich. 377

Königs bevor, in der Pfalz die Herrschaft eines katholischen Kurfürsten, die Erfahrung lehrte, was man von solchen alt- gläubigen Fürsten ihren neugläubigen Untertanen gegenüber zu erwarten hatte. Die ganze Zukunft, das Dasein des evangeli- schen Wesens stand auf dem Spiele. »Nun ist es aus mit der protestantischen Partei," sagte der französischeDiplomat Chevemy höhnisch zu dem jüngeren Schwerin ^

Friedrich Wilhelm erkannte diese Gefahr in vollem Mafse. Er fafste den Entschlufs, alle Kränkungen und kleineren Inter- essengegensätze zu vergessen und auf ein Bündnis mit den wichtigeren evangelischen Mächten hinzuarbeiten : in erster Linie mit den Niederlanden , in zweiter mit England und sogar mit seinen alten Feinden Schweden und den Lüneburgem. In diesem Augenblicke gewann der Greis es über sich, auf alle seit Beginn seiner Regierung gehegten, so oft vorbereiteten, ja, der Erfüllung genäherten partikularen Absichten, auch die bestberechtigten, zu verzichten, um der politischen und religiösen Freiheit Europas willen. Es ist das wahrlich kein geringer Ruhmestitel für den genialen, weitblickenden Fürsten. Zumal dem Herzoge von Hannover gedachte er eine neue die neunte Kurwürde zu, damit die Übertragung der pfälzischen Kur auf einen Katholiken wieder wettgemacht werde.

Grofse Schwierigkeiten waren vor dem Gelingen eines evan- gelischen Bundes zu überwinden.

Der bei weitem bedeutendste Faktor, der hierbei in Betracht kam, waren die Vereinigten Provinzen. Allein ihre politische und militärische Wirksamkeit wurde durch den tiefgehenden Zwist zwischen dem Prinzen von Oranien und der Stadt Amster- dam völlig gelähmt. Diese reiche Seestadt, die allein mehr als ein Viertel sämtlicher Einkünfte der Union zahlte, war der Hauptsitz der Oligarchie und deshalb erbitterte Gegnerin des Oraniers und seiner kriegerischen, franzosenfeindlichen Politik, die Verbündete des französischen Gesandten Grafen von Avaux. Mit der Drohung, sich von der Union lossagen zu wollen, legte sie die Ratschläge und den Einflufs Wilhelms III. brach. Der Kurfürst hatte sich mit ihr alliiert, als er die Annahme des Friedens oder des Waffenstillstandes durch die Generalstaaten herbeizuführen sich bemüht hatte. Der Prinz und sein Ver-

* Adieu presentement le parti protestant: Pufendorf, XIX 1 13.

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trauter, der Ratspensionar Fagel^ hatten deshalb natürlicher- weise tiefes Milstrauen gegen Friedrich Wilhelm gefafst. Ver- gebens war dieser bestrebt, durch Amerongen, der Ende 1684 Berlin verliefs, sowie schon vorher durch Diest den Führern der oranischen Partei klarzumachen, dafs er nunmehr andere Ziele im Auge habe, dafs er zumal eine „evangelische Allianz" herbeiwünsche, -— man antwortete, er wolle nur den Holländern das Geld aus der Tasche ziehen; man werde sich lieber mit Frankreich zu verständigen suchen. Diest mufste den Haag ver- lassen; der diplomatische Verkehr zwischen den beiden Staaten war einstweilen abgebrochen.

Es ist das hohe Verdienst Wilhelms III. von Oranien, unter all dem Wust von Intrigen, Zweideutigkeiten und Ärger den klaren Blick in das, was not tat, sowie die Fähigkeit eines ruhig durchdachten und sachgemäfsen Entschlusses bewahrt zu haben. Er benutzte den mehrwöchigen Aufenthalt, den der brandenburgische General Spaen, seit lange sein vertrauter Freund, gegen Ende des Jahres 1684 im Haag nahm, um die Mifsverständnisse auszugleichen, die zwischen ihm und Spaens Kriegsherrn, dem Kurfürsten, sich gebildet hatten. Seiner eigenen Partei gegenüber fand er dann einen eifrigen Helfer in dem Baron von Amerongen, der seit seiner jüngsten Rückkehr aus Berlin nicht müde wurde, die militärische Macht des Kur- fürsten in ihrer vollen Bedeutung zu schildern und bei den Generalstaaten und wichtigsten Städten auf den Abschlufs eines Bündnisses mit diesem Herrscher zu dringend So ermutigt, sandte Oranien um die Mitte des Januar 1685 einen zu ihm ge- flüchteten Hugenottenprediger, Franz de Gaultier de St. Blan- card, einen fein gebildeten und auch schriftstellerisch tätigen Mann, an den Kurfürsten ab mit dem Auftrage, ihm zu empfehlen, er möge die von ihm selbst vorgeschlagene evangelische Allianz sofort in Angriff nehmen. Indem der Prinz seinem Oheim von Brandenburg die Initiative überliefs, stellte er sich ihm völlig dafür zur Verfügung, besonders zu dem für das Gelingen des Werkes so wichtigen Zwecke der Gewinnung Schwedens. Er hob allerdings auch die hauptsächliche und recht bedenk- liche Schwierigkeit sofort hervor, die bei einem solchen Plan

» Vgl. d'Avaux, IV, 107. 120. 130. d'Avaux ist vorzüglich unterrichtet.

Sechsundyierzigstes Kapitel. Die Abkelir von Frankreicli. 379

sich geltend machte: man konnte für den Kampf gegen Frank- reich des Kaisers nicht entraten, nnd doch, wie sollte man diesen katholischen Eiferer und seine gleichgesinnten Minister, die unbarmherzigen Verfolger des Protestantismus in Schlesien, Mähren, Ungarn, zum Bündnis mit einer ausgesprochen evange- lischen Allianz bewegen?^

Während Gaultier in Berlin weilte, traf dort eine Nachricht ein, die das Zustandekommen einer solchen Allianz noch not- wendiger erscheinen liefs. Am 16. Februar war König Karl II. von England gestorben, der wenigstens offiziell dem Protestantis- mus angehört hatte, und an seine Stelle sein Bruder, der eifrig katholische Herzog von York, als Jakob II. getreten. Dieses freilich längst gefürchtete Ereignis brachte auf Friedrich Wil- helm einen tiefen Eindruck hervor: er sah England, dessen Unentbehrlichkeit für einen aussichtsreichen Kampf gegen Frank- reich er stets erkannt und betont hatte, zum streitbaren Katholi- zismus und damit zu Ludwig XIV. hinübertreten. „Wenn der Duc de York zur Regierung kommen sollte, '^ hatte er schon im vorhergehenden Oktober den Niederländern sagen lassen, „dürfte es noch viel ärger laufen, weil ermeldeter Duc sich allem Ansehen nach ohne Assistenz von Frankreich nicht wird mainteniren können und daher gezwungen sein wird, sich in die Arme von Frankreich zu werfen." * Nunmehr forderte er durch Gaultier den Prinzen von Oranien auf, als rechtmäfsiger pro- testantischer Thronerbe unverzüglich, ehe noch Jakob die Krö- nung empfangen, mit zehntausend Mann nach England über- zusetzen, wo das gesamte Volk ihm zufallen und darauf die gröfste Seemacht für die Sache des Protestantismus und der universalen Freiheit gewonnen werden würde '. So hat der Grofse Kurfürst von neuem den Plan angeregt, der wenige Jahre später mit dem erwünschtesten Erfolge für die Befreiung Englands und des Weltteils ausgeführt worden ist. Freilich, er liefs sich für den Augenblick nicht verwirklichen, aber die

^ Aktenstücke bei Erman und Beclam, I, 856 ff. d'Avaux, IV, 120, gibt den Plan einer evangelischen Allianz ganz richtig wieder, iiTt sich aber in der Behauptung, dafs Oranien solche verworfen habe.

Ms. Kurf. an Diest, 14./24. Okt. 1684; Geh. Staatsarchiv (Berlin), XXXIV, 227 z.

» Bericht Gaultiers vom 21. Febr./3. März 1684; Erman u. Reclam, I, 366 ff.

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hohe Einsicht und weltgeschichtliche Bedeutung Friedrich Wil- helms wird durch jene Tatsache vielleicht mehr als durch jede andere erwiesen.

Die Thronbesteigung Jakobs IL hat den Kurfürsten zur end- gültigen Umschaltung seiner politischen Richtung bestimmt, und zwar sofort, ohne das mindeste Zögern. Er gab jedes Bestreben nach partikularem Vorteil mit einer Klarheit und Entschlossen- heit auf, die dem Geiste und Charakter des hochbetagten und schwer leidenden Fürsten bewundernde Anerkennung sichern. Sein ganzes Mühen war seitdem auf das Doppelziel gerichtet: Kräftigung des evangelischen Wesens in Europa und Kampf gegen Frankreich. Er verzichtete grundsätzlich auf jedes Kon- zert wider Schweden. Seine Instruktion an Spanheim vom 5./15. März 1685* gibt für die definitive Verwerfung des Kon- zerts zunächst Vorwände, wie sie für den offiziellen diplomatischen Verkehr pafsten: die Unzuverlässigkeit des Hauses Lüneburg, das wieder allerlei Streitigkeiten mit Brandenburg begonnen habe und sich mit Dänemark und Frankreich nicht einigen könne, sowie die unsichere und gefährliche Weltlage im all- gemeinen. Dann aber unterrichtet der Kurfürst seinen Gresandten im geheimen: „Wir können Euch wohl dabei, im Vertrauen je- doch, dafs solches bei Euch bleibe, entdecken, dafs Uns für- nehmlich zu dieser Resolution die überaus grofse und unver- mutete Veränderung in England verursacht. Denn weil dadurch das evangelische Wesen einen gröfseren Stofs bekommt, als es seit der Reformation noch nicht erlitten, so tragen Wir billig Bedenken, etwas zu schliefsen, wodurch die evangelischen Puis- sancen aneinander geraten und sich untereinander aufreiben oder ihnen doch zum wenigsten die Hände würden gebunden werden, an das übrige, was in der Welt passieren würde, teil- zunehmen.**

In der Tat, immer bedrohlicher wurden die Anzeichen. Das Siechtum des letzten spanischen Habsburgers, des jungen Königs Karl IL, nahm einen gefährlichen Charakter an. Sofort verbreitete Frankreich in ganz Europa eine Denkschrift, die die Erbschaft der ungeheuren spanischen Monarchie für den Dauphin beanspruchte : das wichtigste katholische Reichsfürstentum, Bayern, sollte durch Abtretung der spanischen Niederlande für

» Geh. Staatsarchiv (Berlin), XI, Frankr. 24 A.

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die französischen Pläne gewonnen werden. Zugleich beschlofs Ludwig XIV., mit Güte oder Gewalt die Übertragung des rö- mischen Königtums also der Anwartschaft auf das Kaiser- tum — an eben den Dauphin zu betreiben. Dann wäre die Weltherrschaft der Bourbonen fertig, der ganze Erdteil und die weit überwiegende Masse der überseeischen Kolonien ihrem politischen und religiösen Despotismus unterworfen gewesen. Kein Wunder, dafs solche Aussichten den Kurfürsten von Brandenburg im Innersten erschütterten^.

Mit den französischen Weltprojekten hing es zusammen, wenn Croissy plötzlich mit vielem Eifer das „Konzert^ anpries, es von neuem versuchte, Brandenburg, Dänemark und das Haus Lüneburg auf Schweden zu hetzen^. So hätte König Ludwig gegen den Kaiser und zugleich gegen den europäischen Pro- testantismus freie Hand erhalten. Friedrich Wilhelm wollte eben deshalb auf solche Pläne nicht mehr eingehen. Ein ab- schreckendes Beispiel, wohin es kommen werde, wenn erst Frankreichs Universalmonarchie fest begründet sei, gab damals das Schicksal der Republik Genua, deren blühende Hauptstadt wegen einer nichtigen Veranlassung von einem französischen Geschwader in Asche gelegt und die durch solchen Frevel, so- wie noch weitere Drohungen zu schimpflicher Demütigung unter das Belieben des „Königs Sonne" genötigt wurde. Fried- rich Wilhelm empfand auch diese neue Gewalttat mit kochen- dem Ingrimm; „es kommt gar zu weit mit Frankreich,** rief er vor vielen Zeugen aus®.

Er beschlofs, seinen vertrautesten und einflufsreichsten Rat- geber, Fuchs, nach dem Haag zu senden, um mit der Unter- stützung durch Wilhelm von Oranien den sichern Grund zu der evan- gelischen Allianz zu legen, zugleich aber zu einem allgemeinen, rein politischen Bündnis, dem auch der Kaiser, die katholischen Reichsstände und Spanien beitreten könnten. Fuchs war zu solcher Mission um so geeigneter, als er auch persönlich die Überzeugung hegte, dafs Ludwig XIV. nach der Weltherr- schaft trachte, und dafs man sich diesem Streben unbedingt widersetzen müsse \ So lebhaft auch R6benac und seine Freunde

^ Ms. Kurf. an Spanheim, 27. April/ 7. Mai 1685; das. XI, England 9.

' Ms. Depeschen Spanheims aus dem Frühjahr 1685.

» U. u. A., XIV, 1155.

* 0. Klopp, Der FaU des Hauses Stuart, m (Wien 1876), 219.

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am kurfürstlichen Hofe sich der Sendung des Geheimrats wider- setzten, er trat am 8. Mai seine Reise an. Friedrich Wilhelm hatte ihm aufs bestimmteste versprochen, während seiner Ab- wesenheit nichts mehr an seinen Instruktionen zu ändern und den französisch gesinnten Meinders von den ganzen Verhandlungen auszuschliefsen \ Öffentlich erzählte man, die Fahrt des Ministers gelte der Versöhnung des Prinzen von Oranien mit der Stadt Amsterdam, sowie dem Ausgleiche der mannigfachen Streitfragen zwischen Brandenburg und den Greneralstaaten wegen der Subsidienrückstände und der Afrikanischen Kompanie. Man sprach selbst davon, dafs der Eurfürstin Dorothea ältester Sohn, Philipp, Nachfolger des kinderlosen Oraniers nicht nur in dessen Privatbesitz, sondern auch in dessen öfiPentlichen Stellungen werden solle. Der wahre Zweck der Sendung blieb durchaus Geheimnis, bis es schliefslich den Franzosen durch ihre hoch- gestellten Freunde in Berlin doch gelang, der Sache so ziemlich auf die Spur zu kommend

Jene Aufträge standen tatsächlich in der öffentlichen In- struktion, die Fuchs mitnahm*. Aber der wahre Charakter wurde diesen durch ihre Begründung gegeben: „Das vornembste Bandt, welches Uns und den Staat unauflöslich an einander verknüpfete, wehre, wie bekandt, die Gonformität und Einigkeit der Religion; und weil selbige anjetzo mehr, alls jemahlen seit der Reformation geschehen, überall bedrücket und verfolget würde, auch an vielen Orthen derselben gäntzliche Ausrottung bevorstünde: so könthe man sich aus christlicher Schuldigkeit nicht entbrechen, mit einander zu überlegen, wie den armen Bedrängten zu helfen.** Dieses Bündnis zur Verteidigung der Religion war dem Kurfürsten Herzens- und Hauptsache; Fuchs sollte mit Oranien und Fagel beraten, ob es öffentlich bei den General- staaten vorzubringen oder einstweilen im geheimen vorzubereiten sei. Es war auch keine vorübergehende Laune des Kurfürsten: Diest hatte diese Angelegenheit schon vorher mit Jurieux, dem französischen reformierten Prediger in Amsterdam, verhandelt.

Völlige Gewinnung Oraniens, gänzliche Zerstörung des Ver-

1 U. u. A., XIV, 1158. 1162 f.

d'Avaux, IV, 182. Mb. Dep. Eöbenacs vom 8. Mai, 14. J\mi 1685 (B).

Über dies sowie das Folgende: Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XXXIV, 227 a 4.

Sechsiindvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 383

dachtes und ÜbelwoUens, das seine Anhänger in den letzten Jahren gegen Brandenburg gehegt, war Fuchs zur Aufgabe gestellt. Darüber sollte freilich das gute Verhältnis zur Stadt Amsterdam nicht aufgegeben, sondern zu deren endgültiger Aussöhnung mit der oranischen Partei benutzt werden. Die geheimen Nebeninstruktionen enthielten dann bestimmte Vor- schläge von höchster politischer Wichtigkeit. Das alte Bündnis zwischen dem Kurfürsten und dem „Staat" sollte wieder her- gestellt werden. Dafür seien auch „Se. Kurf. Durchl. gahr nicht gemeinet, auf Dero völligem Buchte zu bestehen, sondern wollten alle räsonnable Conditiones und Vorschläge (betreffs seiner Geld- ansprüche an Holland) gern admittiren*'. Nur so könne man der Weltherrschaft entgehen, mit der Frankreich alle bedrohe, und den bevorstehenden Universalkrieg mit Aussicht auf Erfolg auf sich nehmen.

Das war ein neues grofses politisches Programm, das die letzten Lebensjahre des greisen Kurfürsten beherrschte und sie mit dem tröstlichen Lichte eines schönen und heilsamen Zieles vergoldete.

Fuchs besuchte auf seiner Reise die weifischen Höfe, denen er gleichfalls' den Plan der evangelischen Allianz eröffnete. Er fand hier bereitwillige Aufnahme. Die immer bedrohlichere Gestaltung der europäischen Verhältnisse hatte zumal in dem klugen und tatkräftigen Ernst August von Hannover den Neid und die Abneigung gegen Brandenburg in den Hintergrund gedrängt. Er hatte vor seiner Abreise nach Italien seinen Räten eröfl&iet: „er habe sich vorgesetzt, dafs des Kurfürsten Wille sein Tun und Lassen sein solle, und würde er dabei bis an sein Ende verbleiben**. Grote und dessen Kollegen waren gleichfalls über die Aussicht, dafs Frankreich die gesamte spanische Erb- schaft erhalten könne, äufserst entsetzt: „es werde so Meister der ganzen Welt, und alles würde nach seiner Pfeife tanzen müssen". In dieser Not könne nur Brandenburg helfen: „in Deutschland könne und müsse der Kurfürst allein vor dem Risse stehen". Deshalb, versicherten die lüneburgischen Räte, »werde das fürstliche Haus mit Sr. Kurf. Durchl. alles heben und legen und Dero gloriosen Conduite und patriotischen Conseils gerne folgen". Diese Bekehrung der Weifen war ein schöner Erfolg des Kurfürsten und zugleich ein tröstlicher Beweis, dafs

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bessere und einsichtsvollere Zeiten für das unglückliche und zer- rissene Deutschland im Anzüge seien.

Es stimmte damit überein, wenn die Stadt Köln, von ihrem französisch gesinnten Erzbischofe in ihrer Freiheit bedroht, die ihr von Fuchs auf der Durchreise erteilten Versicherungen des militärischen Beistandes seitens des Brandenburgers mit Dank aufnahm und ihr Bürgermeister Beilstein ausrief: die Stadt traue mehr dem andersgläubigen Kurfürsten als irgend einem Katholiken. Wirklich gab Friedrich Wilhelm sofort (29. Mai) den Befehl, fünfhundert Mann aus der Weseler Garnison nach Köln abzusenden, das damit vor einem Handstreiche seines Erz- bischofes Maximilian Heinrich gesichert war.

Günstige Yerheifsungen für die Zukunft ergaben sich eben- falls aus den freundschaftlicheren Beziehungen, die sich wieder zwischen Wien und Berlin herstellten. Als Schwerin in der österreichischen Hauptstadt anlangte, um dort, neben zahlreichen anderen Forderungen, die förmliche Belehnung mit demHerzogtume Magdeburg endlich durchzusetzen, fand er wenigstens in dieser Hauptfrage den erwünschten Erfolg. Trotz ihrer im Grunde den ,,Kalvinisten" wenig freundlichen Gesinnung bemühten die kaiserlichen Minister sich sogar, den Kurfürsten in dem Be- streben zu unterstützen, die Lichtensteinsche Schuldforderung an das ostfriesische Fürstenhaus und damit einen Pfandrechts- anspruch auf dessen Land an sich zu bringen ^ Von glücklichster Bedeutung und ein vorzüglicher Griff war dann die Sendung des begabtesten kaiserlichen Diplomaten jener Zeit, des Franz Heinrich von Fridag, Baron von Göden, nach Berlin. Scharf- sinnig, klug und doch wagemutig, von ausgezeichneter welt- männischer Bildung, war dieser friesische Edelmann ein würdiger Nachfolger des Freigrafschaftiers Lisola im Dienste des Kaisers. Er kam mit dem Auftrage, nicht nur eine beträchtliche Kriegs- hilfe gegen die Türken von Brandenburg zu verlangen, sondern auch ein gegen Frankreichs Eroberungssucht und Tyrannei ge- richtetes Bündnis zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten herzustellen^. Fridag sah sich in Berlin sofort von dem schwedischen Gesandten, Grafenthal, und dem dänischen, Gabel,

1 Orlioh, Preufs. Staat, II, 511 ff. U. u. A, XIV, 1159£f. * Instr. an Fridag; U. u. A., XIV, 1146 ff. Vgl. zu dem Folgenden : A. Pribram, Österreich und Brandenburg 1685—1686 (InnBbruck 1884>

Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Franlcreich. 385

eifrig unterstützt. Immer enger schlössen sich alle europäischen Staaten gegen ihren gemeinsamen Zwingherm in richtiger Er- kenntnis der .Sachlage zusammen. Das eine, was not tat , war offenbar die allseitige Vorbereitung des grofsen universalen Ent- scheidnngskampfes gegen Ludwig XIV. Friedrich Wilhelm war davon so durchdrungen, von jeder Feindschaft und Eroberungslust gegen Schweden derart entfernt, dafs er einen zu ihm geflüchteten französischen Protestanten, Pierre de Falaiseau, als Gesandten Dach Stockholm abordnete: angeblich nur um des Ausgleiches der Grenzstreitigkeiten willen, in Wahrheit zur Anbahnung eines engeren Verständnisses zwischen den beiden evangelischen Mächten ein Seitenstück zu der Mission Fuchs' nach Holland. Falaiseau fand zumal bei dem Kanzler Beugt Oxenstiema, sowie bei König Karl XI. selbst freundlichste Aufnahme.

Und noch einmal bemühte sich der Kurfürst auch um Eng- landy den Eckstein jeder gegen Frankreich gerichteten Koalition. Spanheim, der jenen Staat seit lange kannte, mufste auf einige Wochen von Paris nach London gehen; der Vorwand zu dieser Reise war, dem neuen Könige zu seiner Thronbesteigung Glück zu wünschen^. Tatsächlich sollte er sich überzeugen, inwieweit Jakob II. sich dem Protestantismus gegenüber neutral verhalten werde und man auf ihn im Kampfe gegen Frankreich zählen könne. Ja, er hatte sogar eine förmliche Erneuerung des Bünd- nisses vorzuschlagen, das England und Brandenburg 1661 ab- geschlossen hatten, und das seit 1672 erloschen war. Er durfte Jakob IL sagen, dafs der Kurfürst seinen hauptsächlichsten Feinden, dem Herzoge von Monmouth und dem schottischen Grafen Argyle, den Aufenthalt in den brandenburgischen Landen untersagt, den Verschwörer Lord Gray aus diesen verwiesen habe.

Spanheim wurde anscheinend von dem neuen Könige freund- lichst empfangen. Jakob liefs es ebensowenig wie seine Minister an liebenswürdigen Versicherungen fehlen (April 1685). Tat- sächlich erlangte er jedoch nicht den mindesten Erfolg. Man schützte vor, nicht eher mit den auswärtigen Mächten abschlielsen zu können, als man sich des bevorstehenden Parlaments ver- sichert habe und demgemäfs die äufsere Politik einzurichten im Stande sei. Spanheim mufste bald zu seinem Kummer bemerken,

^ Über das Folgende : Ms. Korresp. über Spanheims englische Mission ; Berlin, Geh. Staatsarchiv, R. XI, England 9.

Philippson, Der Grofs« KurfOrtt. 111. 25

386 Siebentes Buch.

dafs der Herrscher mit den HoUäDdem unzufrieden war, weil sie angeblich die englischen und schottischen Mifsvergnttgten unter der Hand begünstigten; dafs er die Freundschaft mit Frankreich auf alle Fälle zu bewahren gedenke; dafs auch die Eventualität des Anheimfalles der gesamten spanischen Erb- schaft an das Haus Bourbon dem englischen Hofe viel zu ent- fernt erscheine, um seine Aufmerksamkeit zu erwecken, ge- schweige denn ihn zu Gegenmafsregeln zu veranlassen. Unter diesen Umständen wagte es der Gesandte nicht einmal, seiner Bündnisanträge Erwähnung zu tun. Mit Recht: Jakob be- trachtete den Kurfürsten aus religiösen Gründen und als nahen Verwandten seines Nebenbuhlers, des Oraniers, als seinen Feind. Bei dem bald darauf erfolgenden unglücklichen Aufstande Monmouths und Argyles gegen den Stuart mafs dieser dem in ganz Europa verbreiteten, aber durchaus unbegründeten Gerüchte Glauben bei, Friedrich Wilhelm habe den Empörern seine Unter- stützung geliehen ^ Spanheim kürzte seinen nutzlosen Auf- enthalt in England ab; ein Befehl des Kurfürsten, dort so lange zu verbleiben, wie Fuchs sich im Haag befinde, traf ihn nicht mehr an^.

Überallhin streckte der Kurfürst seine Fühlfäden aus, wo er eine Möglichkeit voraussetzte, die grofse politische oder evan- gelische Allianz in die Wege zu leiten. Er begann, sich gegen den früher so verwöhnten R6benac zornig und unfreundlich zu zeigen. Alles Französische schien ihm verhafst".

Da kam eine überraschende Trauerbotschaft, die die Lage noch bedrohlicher gestaltete. Am 26. Mai starb, erst vierund- dreifsigjährig, Kurfürst Karl von der Pfalz. Er war der letzte männliche Sprofs der Simmernschen Linie ; ihm folgte der katholi- sche Neuburger Philipp Wilhelm. W^as Sollte da aus der eifrig reformiert gesinnten Kurpfalz werden? Und im Kurfürsten- kolleg war wieder eine Stimme für die Katholiken gewonnen, während die Evangelischen nur noch die brandenburgische und die sächsische besafsen. „Es seind," schrieb, mit Hinblick auf England, Fuchs an seinen Herrn, „zwei schwere Fälle, womit

^ Ms. Korresp. Spanheims aus dem Frühjahr 1685; Berlin, G^h. StaatsarchiVf XI, Frankr. 24. « d'Avaux, V, 27. » U. u. A., XIY, 1166.

Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 3g7

Gott in diesem Jahre seine Kirche heimsucht, sonder Zweifel, weil bei denen meisten mehr Religion im Munde als im Herzen gefunden wird/^ Man möchte hoffen, dafs sich hier bei dem kühlen und berechnenden Streber wahres Empfinden geltend macht, dafs religiöse Gesinnung da warmes Gefühl in seine Seele gehaucht habe.

Neben der religionspolitischen Gefahr erhöhte jener Todes- fall auch die eigentlich politische. Die einzige Schwester des verstorbenen Kurfürsten Karl war Elisabeth Charlotte, die Ge- mahlin des Herzogs Philipp von Orleans, des Bruders Ludwigs XIV. Nach dem geltenden Reichsrechte und nach dem Wortlaute ihres Heiratskontraktes besafs sie auf die Lehen ihres Bruders keinen Anspruch, wohl aber auf dessen persönliche und AUodialerb- schaft. Es war vorauszusehen, dafs der AUerchristlichste König dieses Verhältnis nach Möglichkeit für seinen Bruder, das heifst für Frankreich auszunutzen und sich eines tunlichst grofsen Teiles der Pfalz zu bemächtigen versuchen werde.

Friedrich Wilhelm war endlich auch in seiner Person bei der Angelegenheit beteiligt. Seine pfälzische Mutter war die Grofstante des Kurfürsten Karl gewesen ; dieser hatte ihn nebst dem Herzoge Ernst August von Hannover, dem Landgrafen Karl von Kassel und dem Markgrafen Johann Friedrich von Ansbach zum Testamentsvollstrecker ernannt. Dafür hatte er ihm eine Anzahl Kanonen, den kostbaren Kurapfel, das sogenannte „mos- kowitische Präsent" eine goldene Schale , alle seine alten Münzen in Gold und Silber, sowie Gobelins, die das Leben Julius Gäsars darstellten, vermacht'.

In der Tat trat Friedrich Wilhelm sofort in der pflllzischen Erbschaftssache bewufst und planmäfsig in die Aktion. Er be- fahl Spanheim, in Paris dahin zu wirken, dafs die Rechte des Reiches und des Kurfürstenstandes, sowie Friede und Versöhn- lichkeit gewahrt blieben. Er bemühte sich in Regensburg eifrigst, dafs Philipp Wilhelm alsbald in das Kurfürstenkolleg aufgenommen und damit eine vollendete Tatsache geschaffen werde, was dann auch ohne Anstand geschah. Er sandte seinen Hof- und Legationsrat Philipp Ernst von Mandelsloh nach

* Landwehr, 128.

' Das Folgende überall, wo nichts anderes angeführt ist, nach Ms. jPfftlzische Miscellaneen", Geh. Staatsarchiv (Berlin), Rep. XL, 9 b.

25*

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Heidelberg, um dort seine Rechte und Pflichten als Testaments* Vollstrecker wahrzunehmen, zugleich aber den neuen KurfQrsten zu veranlassen, dafs er die reformierten und lutherischen Kur- pfillzer in ihrem gegenwärtigen Rechtsstande erhalte.

Es stellte sich bald heraus, dafs die Befürchtungen wegen der Ansprüche Frankreichs nur allzu gerechtfertigt gewesen waren. Sehr gegen den Willen der echt deutschen Herzogin „Lise Lotte*' wurden deren angebliche „Rechte^ auf die PfUzer Erbschaft sogleich zum Zweck neuer Vergröfserung Frankreichs auf Kosten Deutschlands ins Feld geführt: „Madame^ die Herzogin von Orleans besitze dreierlei Rechte an die Hinter* lassenschaft ihres Bruders: es gehörten ihr einmal alle Möbel, Kostbarkeiten und bares Geld; zweitens alles Land, das seit der Goldenen Bulle an die Pfalz gefallen sei, also keinen integrierenden Bestandteil der Kur ausmache, wie z. B. die Stadt Oppenheim; drittens alle AUodialbesitzungen und Erwerbungen seit dem Westfälischen Frieden, wie das Fürstentum Sinunem mit Kaiserslautem und der Pfälzer Anteil an der Gra&chaft Sponheim, die nur durch Heirat und Erbschaft an die Pfalz gekommen, demnach gleichfalls keine Teile des eigentlichen Kur- staates seien. Diese Rechte, fuhr Frankreich in seinen eigen- tümlichen Folgerungen fort, hätten auch durch den Heiratä- vertrag der Madame nicht abrogiert werden können. Der König wolle die Ruhe nicht stören noch den Waffenstillstand brechen, werde aber nicht dulden, dafs man Madame oder deren Kinder durch vollzogene Tatsachen und endlose Prozesse ihres recht- mäfsigen Eigentums beraube.

Friedrich Wilhelm war entschlossen, alles auüzubieten, um Kurpfalz und damit das Reich vor der drohenden „Dismembrie- rung'' zu schützen. Er machte sofort in Paris bekannt, dafs unter seinem und der Mitexekutoren Schutz eine letztwillige Verfügung des verstorbenen Kurfürsten Karl vorhanden sei, die Herzogin von Orleans also keine Schritte tun dürfe, um die Erbschaft ab intestato anzutretend Es müsse, schrieb er den 23. Juni an Spanheim, alles auf gütlichem Wege abgemacht werden. Der verstorbene Kurfürst habe frei über seinen Allodial-

^ Vgl. die Depeschen des Nuntius in Paris, Ranuzzi, vom 25. Juni 1685; Im mich, Zur Vorgeschichte des Orleansschen Krieges (Heidelberg 1898), S. 10

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besitz verfügen k&nnen, und man müsse deshalb die Eröffiiung seines Testaments abwarten. Übrigens wären vielleicht nach französischem Rechte Neuerwerbungen von der Haupterbschaft zu trennen, nach Reichsrecht dagegen g&lten sie als Lehen, und zwar als Mannslehen, kämen also keinesfalls der Herzogin zu.

Als die französischen Ansprüche dann eingehender formu- liert wurden, trat Brandenburg sofort schärfer gegen diese „weitschauenden und ungegründeten Prätensionen'' auf. Es handle sich hier um den Nachlafs eines deutschen Fürsten, und nur deutsche Rechtsgrundsätze dürften dabei zur Geltung ge- langen; Madame wäre Allodialerbin lediglich insoweit, wie das Testament ihres verstorbenen Bruders sie dazu mache. Femer lasse das Reichsrecht Frauen nur dann als Erbinnen von Reichs- lehen zu, wenn keine männlichen Erben vorhanden seien. End- lich spreche der Westfälische Friede von sämtlichen Landen der Kurfürsten, nicht nur von den ältesterworbenen. Alle franzö- sischen Ansprüche seien demnach abzuweisen.

Von den verschiedensten Seiten langten die Gesandten in Heidelberg an; am 1. Juli kam Mandelsloh, bald darauf der französische Bevollmächtigte, Jean Morel Abt von St. Amoul, ein verschmitzter Diplomat, der übrigens mit der deutschen Sprache und den deutschen Gewohnheiten wohl vertraut war. Da er den Auftrag hatte, die sämtlichen vermeinten An- sprüche Frankreichs auf das bestimmteste geltend zu machen^, drang Friedrich Wilhelm vor allem darauf, Karls Testament zu eröffnen , das er ja als Ausgangspunkt für jedes weitere Ver- fahren in dieser Angelegenheit betrachtete. Auf diesem Wege, hoffte er, würden die Ansprüche der Madame auf einmal be- seitigt und auch die besonderen Interessen der Testaments- vollstrecker an der Erbschaft am ehesten gewahrt werden. Zu gleicher Zeit ging er den König von England an, durch seine Dazwischenkunft zu verhindern, dafs Frankreich um der Pfälzer Sache willen den Krieg wieder beginne^.

So stand Brandenburg bereits in direktem Widerspruche zu den Absichten Ludwigs XIV. Es konnte nicht fehlen, dafs dieser Gegensatz sich bald auch nach anderen Seiten hin gel- tend machte. Friedrich Wilhelm sah mit höchstem Mifstrauen,

^ Instr. an Morel, 22. Juni 1685; Becueil des Instructions, YIII, 402 ff. « d'Avaux, V, 38.

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dafs trotz seines Verzichtes auf das „Konzert^ der König die Verhandlungen mit den Lüneburgem eifrig fortsetzte, die ihm offenbar als Ersatz für den bevorstehenden Verlust des branden- burgischen Verbündeten dienen sollten ^ Französische Fahrzeuge hatten damals an der Mündung des Gambia das Schiff „Morian'' weggenommen, trotz der brandenburgischen Flagge und des Passes, den ihm der Kurfürst für den Handel an der Küste von Guinea ausgestellt hatte ; es wurde, mitsamt seinem Kapitän Jakob Lambrechts, nach Brest gebracht Friedrich Wilhelm forderte ernstlich Genugtuung für diese Gewalttat nebst voller Entschädigung.

Aber auch Frankreich glaubte Grund zur Klage zu besitzen. Freilich hatte man eine dem Geheimrat Fuchs nach dem Haag mitgegebene harmlose Instruktion demonstrativ dem Grafen R6benac mitgeteilt; freilich hatte dieser aus seinen geheimen Quellen die irrige Überzeugung geschöpft, dafs die Instruktionen wirklich nichts anderes enthielten, als man ihm gezeigt, näm- lich Besprechung der Subsidien- und afrikanischen Streitig- keiten': aber in Paris war man weniger leichtgläubig, auch allzugut unterrichtet, um nicht Fuchs' Verhandlungen mit vielem Argwohn zu beobachten^.

Mit vollem Rechte. Denn wenn die offiziellen Geschäfte des brandenburgischen Geheimrats sich auch nur um finanzielle und ökonomische Fragen drehten^, gingen doch seine geheimen Bemühungen um nichts weniger erfolgreich von statten, die dem Abschlüsse eines engen, politischen und religiösen Bündnisses galten *.

Die Schwierigkeiten, auf die er zunächst traf, waren recht erheblich. Das Zerwürfnis zwischen dem Prinzen von Oranien und der Stadt Amsterdam hatte sich neuerdings wieder ver- schärft. Die Anhänger Frankreichs hatten von vornherein eine Wirkung der brandenburgischen Verhandlung unmöglich ssu

1 Anfser der Ms. Korresp. zwischen Kurf. u. Spanheim auch die B^benacs (Prutz, 294). « Prutz, 295.

* Ms. Spanheim an Kurf. 3./13. Juli; Berlin, G«h. Staatsarchiv, XI, Frankr. 24 A.

* U. u. A., UI, 777.

^ S. hierüber die Ms. Korresp. des Kurf. u. Fuchs' vom Mai bis Juli 1685 ; Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XXXIV, 227 a 4,

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machen gesucht, indem sie allerhand widrige Gerüchte ver- breiteten : der Kurfürst habe mit Frankreich und England einen Vertrag zur Teilung der Vereinigten Provinzen geschlossen; er wolle einen seiner Söhne zum Erbstatthalter erkl&ren lassen; er beabsichtige, dem Kaiser einen Koadjutor zur Seite zu setzen. Dann hiefs es wieder, er wünsche eine ^Religions-Allianz'* ab- zuschliefsen , damit die Greuel des Dreifsigjährigen Krieges über ganz Europa zu verbreiten. Aber gerade diese von d'Avaux ausgestreuten Anschuldigungen entflammten die öfiPentliche Mei- nung immer mehr für Brandenburg. „Ew. Churf. Durchlaucht, ** schreibt Fuchs am 31. Juli 1685, „werden sich annoch gnädigst erinnern, dafs ich bey meiner Ankunft allhier berichtet, dafs diejenigen, welche meine Negotiation zu traversiren gesuchet, auch unter anderm ausgesprenget , ich käme allhier, umb ein Religions-Bündnifs zu proponiren. Dieses hat einen merveilleusen guten Effect bey den Predigern und dem Gemeinen Mann ge- than, so gar, dafs auch darauf ein Synodus in Süd-Holland aus- geschrieben worden und jetzo gehalten wird. Man hält alhier jetzo Ew. Churf. Durchl. pro vero Protectore Fidei. Hinzu kommet, dafs die unerhörte Verfolgung, so jetzo in Frankreich seyn soll, die Gemüther über die Mafsen verbittert. Es wird öffentlich gesaget und geprediget, dafs dieselbe viel grausamer als die im vorigen Seculo mit Feuer und Schwerd gewesen, dann dort waren die Leute bald dabey umgekommen, jetzo aber brauche man des Hungers. ** Diese Erzählungen der nach Holland geflüchteten Hugenotten, die begeisterten Aufrufe zur Einigung der gesamten evangelischen Welt zum Kampfe für die bedrohte Religion, die immer wieder von den niederländischen Kanzeln ertönten, entzündeten den frommen Eifer. Auch die kältesten und berechnendsten Grofskaufleute konnten dieser Glut Herz und Willen nicht mehr verschliefsen. Durch und durch volkstümlich wurde auf diesem alten Boden republika- nischer Freiheit der Kurfürst von Brandenburg, „das einzige Haupt, das die reformierte Kirche noch besafs".

Oranien hatte auch seinem Freunde Fagel das eingewurzelte Mifstrauen gegen den Brandenburger benommen. Die Hinneigung und Zuversicht, die nun beide Staatsmänner für die Absichten und die Person Friedrich Wilhelms erfüllten, kann Fuchs gar nicht laut und oft genug preisen. Beide gaben sich die gröfste Mühe, die offiziellen Verhandlungen des Geheimrats mit den

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Generalstaaten in jeder Weise zu fördern, da sie wohl wufsten, dafs deren Gelingen die Vorbedingung für einen engeren An- schlufs sei. Der Ratspensionar war längst ein Anhänger der grofsen Koalition, „die allein kapabel wäre, Europam von einem allgemeinen französischen Joche zu befreien*'. Er hatte sich freilich, wie vordem der Kurfürst, davon überzeugt, dafs der Kampf mit Aussicht auf Erfolg nur im Bündnis mit England zu beginnen, auf den gegenwärtigen König Jakob II. aber dabei nicht zu rechnen sei. Allein er war, auch wie der Kurfürst, der Meinung, die zukünftigen besseren Zeiten einstweilen durch den Zusammenschlufs der übrigen Mächte vorzubereiten. Auch der Fürst von Nassau, der Statthalter Frieslands, den man gern als einen Gegner Orauiens und Brandenburgs hinstellte, schrieb nunmehr -— 24. Juli an Fuchs : im Einverständnisse des Kur- fürsten mit der Republik liege die letzte Möglichkeit der Er- haltung beider Staaten, während eine Trennung zwischen ihnen beider Ruin herbeiführen müsse.

Unter dem Einflüsse solcher Gesinnungen liefs sich auch für die Verwirklichung der Anrechte der Kinder Friedrich Wilhelms aus erster Ehe an die Erbschaft des Oraniers alles günstig an. Der Prinz versicherte hoch und teuer, in seinem neuerlichen Abkommen mit dem Fürsten von Nassau nichts zum Nachteile der kurfürstlichen Söhne angeordnet zu haben, solches auch nimmer tun zu wollen, weder durch ein Testament noch anderswie. Er lud den jungen Prinzen Philipp ein, sofort nach dem Haag zu kommen , wo er bei ihm jede mögliche För- derung finden werde. Noch weiter als Oranien gingen die Deputierten von Rotterdam und Gelderland, die versicherten, dafs, wenn Oranien ohne Kinder abgehen werde, sie niemandem als Erbstatthalter lieber ihre Stimmen geben würden denn einem Sohne des Kurfürsten. Die Furcht vor Frankreichs Macht und Herrschsucht trieb alle in die Arme Brandenburgs. Die steten Bemühungen d'Avaux', die Negotiationen zu hintertreiben , die offenbare Feindschaft, die er Fuchs zeigte, konnten unter solchen Umständen dessen Bemühungen nur begünstigen.

Allerdings, man wagte das Religionsbündnis nicht öffentlich zu verhandeln, schon um den Kaiser und Spanien nicht vor den Kopf zu stofsen, allein jedermann wufste, dafs es der Grund und das Ziel des Einvernehmens sei. Am 29. Mai schlugen Oranien und Fagel dasjenige vor, was Friedrich Wilhelm selber

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SO innig wünschte: „dafs der Staat sich mit dem Kurfürsten unzertrennlich setze. Zu dem Ende müfste man die vorige Allianz renovieren und auf die gegenwärtige Zeit extendieren**, allerdings „mit dieser Behutsamkeit, dafs zwar alle Zufälle in generalibus darinnen begriffen, sonsten aber keinem Anlafs, darüber zu kritisieren, gegeben würde". Also keine Handhabe für Frankreich, vorzeitigen Krieg herbeizuführen.

Damit war erreicht, was Friedrich Wilhelm seit lange herbeisehnte und anstrebte. Mit Freuden sandte er seinem Minister am 4. Juni die Vollmacht „zur Abhandelung einer näheren Zusammensetzung und Bündnis zwischen Uns und dem Staate der Vereinigten Provinzen".

Es galt noch, die Oligarchen und zumal Amsterdam zu gewinnen, auf Grund einer völligen Versöhnung mit dem Prinzen und dessen Partei. Zu diesem Behufe begab sich Fuchs in die ihm längst vertraute Stadt.

Er fand die Stimmung hier gegen früher sehr zum Vorteile verändert. Die Oligarchen waren nicht weniger eifrige Prote- stanten als die Orangisten ; die Religions Verfolgungen Ludwigs XIV., die drohenden Zustände in England hatten sie von der Notwen- digkeit einer engen Verbindung der freien Provinzen unter sich überzeugt und dem Franzosentum gründlich entfremdet. Die Mahnung des brandenburgischen Gesandten : „Man darf, was in der Welt das Gröfseste ist, nämlich Gewissens- und Staats- freiheit, nicht leicht aufgeben," fiel nunmehr auf fruchtbaren Boden ; die Regenten von Amsterdam zeigten sich sofort bereit, auch mit Brandenburg in „eine perpetuierliche Allianz zu treten". Es handelte sich nur noch um den Ausgleich einiger bestimmter Streitpunkte zwischen der Stadt und dem Oranier. Die günstige und versöhnliche Gesinnung auf beiden Seiten machte die Arbeit leicht; gerade der städtische Magistrat legte schätzenswerte Nachgiebigkeit und Opferwilligkeit an den Tag. Fuchs durfte bald diesen so wichtigen Teil des Werkes, einen Teil, von dem wie sein Kurfürst ihm schrieb „die gemeinsame Sicherheit des Staates und der evangelischen Religion gröfstenteils depen- dieret", als gesichert betrachten.

Um so dringlicher riet er seinem Herren zum Abschlufs mit den Generalstaaten, ohne allzu viele Rücksicht auf deren finanzielle Zugeständnisse. Alle anderen Nachbarn Brandenburgs, hob er hervor, sind auf dieses Land eifersüchtig und wünschen

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seine Verkleinerung; nur die Holländer begreifen, dars sie mit Brandenburg stehen und fallen müssen. Aüfserdem macht die körperliche Schwäche Wilhelms III. die nahe Eröfhung der oranischen Erbschaft wahrscheinlich, und diese wird dem kur- fürstlichen Hause nur dann zum überwiegenden Teile zukonunen, wenn es mit der Republik in gutem Einvernehmen steht.

Inzwischen suchte Fuchs durch den englischen Gesandten im Haag, Skelton, auf die Londoner Regierung einzuwirken, um sie einer Allianz mit den Generalstaaten und dadurch auch mit dem Kurfürsten geneigt zu stimmen. Freilieh verkündeten die Franzosen überallhin mit gröfster Bestimmtheit, Brandenburg habe die schottischen Aufständischen unter Argyle unterstützt. Das Unglück wollte, dafs sich unter den Kriegern, die dann bei dem verunglückten Einfalle Monmouths in England gefangen genommen wurden, nicht nur des Kurfürsten früherer Schützling Lord Gray er wurde sofort hingerichtet , sondern auch zwei brandenburgische Hauptleute vorfanden, denen ihr Kriegs- herr regelrechten Urlaub gewährt hatte. Das mufste den Aus- streuungen der Franzosen einen Schein von Berechtigung ver- leihen. Allein der Unwille, den Friedrich Wilhelm gegen diese beiden früheren Offiziere zur Schau trug, sein Nachweis, dafs einer der Hauptleute den Verwand gebraucht hatte, dem Kaiser in Ungarn dienen zu wollen, und die Dringlichkeit seiner Glück- wünsche zum Erfolge besänftigten den englischen Monarchen'. Skelton konnte über dessen Absichten beruhigende Versicherungen geben, sowohl in betreif seiner religiösen Duldsamkeit im Inneren seines Staates als auch für die europäischen Angelegen- heiten ; wenn Frankreich, sagte Skelton, wieder etwas anfangen sollte, sei es im Reiche, sei es in den Niederlanden, werde sein König dazu nicht stille sitzen. Jakob IL zeigte sich bereit, die alten Bündnisse mit den Generalstaaten zu erneuern; es herrschte darob im Haag eine sehr zuversichtliche Stimmung, die sich naturgemäfs auch dem Geheimrat von Fuchs mitteilte.

Allein noch blieb eine nicht unbedeutende Schwierigkeit zu überwinden: die finanzielle „Satisfaktion*", die Friedrich Wilhelm unbedingt von den Generalstaaten forderte. Er war hier, wie er das von vornherein erklärt hatte, im Interesse der

* Berlin, Geh. Staatsarchiv, IX, England 9 (unter den Papieren der Gesandtschaft Bessers).

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abzuschliersenden Allianz und der grofsen Aufgaben Europas zu beträchtlichen Opfern bereit. Anstatt der 1400000 Taler, die er verlangen zu dürfen meinte, wollte er sich mit 400000 begnügen. Er bewies dadurch von neuem, dafs er seinen mate- riellen Vorteil, ja, sein gutes Recht höheren Zielen und Pflichten unterzuordnen wohl verstand. Allein auf jener Summe bestand er, schon um nicht als Minderberechtigter, als Hilfeflehender den Staaten gegenüber zu erscheinen; und er wollte einen be- trächtlichen Teil von ihr bar, um so vor den Wechselfällen sichergestellt zu sein, denen, wie die Erfahrung ihn nur allzu oft gelehrt hatte, derartige Abmachungen immer ausgesetzt waren. Er war sogar bereit, seine Ansprüche auf 300000 Taler herab- zumindern, wenn diese ihm sofort ausbezahlt würden. Nun waren die Generalstaaten wohl bereit, die 400000 Taler zu be- willigen, aber nur 100000 Taler bar und die übrigen in weit entlegenen Zahlungsterminen. Friedrich Wilhelm war über diese Knauserei entrüstet; er sah darin ein Zeichen des UbelwoUens und der Mifsachtung. Wenn er nicht sogleich 150000 Taler erhalte, befahl er am 7. August dem Geheimrat von Fuchs, solle der Gesandte sich unverzüglich von den Hochmögenden verab- schieden und heimkehren. Das wirkte. Durch die eifrigen An- strengungen Fagels ' wurden, trotz der Gegenbemühungen d'Avaux' und seiner Freunde, die Generalstaaten binnen weniger Tage dahin gebracht, von den 400000 Talern eine sofortige Baar- zahlung von 150000 zu bewilligen, ja, noch überdies 40000 zur Entschädigung für das „Wappen von Brandenburg**, für das doch der Kurfürst selber nur 30000 gefordert hatte. Der Be- weis für den guten Willen der Provinzen war gebracht, zur Zufriedenheit Friedrich Wilhelms. Am 23. August wurde nun der Vertrag im Haag unterzeichnet'.

Er setzte fest, dafs der Kurfürst alle seine finanziellen An- sprüche an die Generalstaaten und die Westindische Kompanie aufgebe für 150000 Taler, die ihm sofort, und 290000 Taler, die ihm in zehn Jahresraten zu zahlen seien. Da hiermit alle Streitpunkte zwischen beiden Mächten beseitigt seien, erneuerten sie schon jetzt auf weitere zwölf Jahre ihr am 8. März 1688 ablaufendes Verteidigungsbündnis vom Jahre 1678, also bis zu 1700.

* Diese bezeugt auch d'Avaux, V, 63. 72 f. « Mörner, 469 f.

396 Siebentes Buch.

War schon durch diese Bestimmung dafür gesorgt, dafs auch über des greisen und kränkelnden Friedrich Wilhelm wahrscheinliche Lebensdauer hinaus die Allianz zwischen den Vereinigten Provinzen und Brandenburg Bestand hätte, so wurde solche noch enger geknüpft durch den vierten Artikel des Ver- trages. Er lautete:

„Nachdemmahlen es unmöglich ist, alle Fälle in einem Traktat zu begreifen, hochgedachte Parteien aber kraft selbigen vorerwähnten Traktats verbunden und gehalten sein, einer des andern Bestes zu suchen und zu befördern, sie auch beiderseits dabei zum höchsten interessiret sein, dars der gegenwärtige Ruhestand in der Christenheit beibehalten und hingegen alle Unruhe und Eriegstroublen präcaviret und abgekehret werden mögen - : als ist zugleich gut gefunden und verglichen worden, wie denn hiemit gut gefunden und verglichen wird, dafs, im Falle (welches Gott abwende) wiederum neue Troublen und Un- ruhe entstehen oder besorget werden sollten, alsdann beide höchst- gedachte Parteien unter einander in Zeiten darüber vertraulich communiciren und von beiden Seiten Besendungen thun sollen, um zu überlegen, was zu Vorbauung derselben, auch zu beider gemeinen Wohlfahrt und Konservation sollte können oder mögen behören, gethan zu werden."

An sich schien diese Allianzerneuerung sehr unschuldig : sie enthielt die Verlängerung eines Verteidigungsbündnisses, wie solche in jener Zeit zu Hunderten abgeschlossen wurden. Allein war es bereits auffallend und bezeichnend, dafs man schon im gegenwärtigen Augenblicke ein Bündnis erneuerte, das erst in beinahe drei Jahren ablief, so verlieh diesem merkwürdigen Um- stände der vierte Artikel, der in dem bisherigen Vertrage ge- fehlt hatte, seine wirkliche Bedeutung. Der Name Frankreichs war hier nicht erwähnt; aber gegen wen konnten Abmachungen für die Zukunft sich anders richten als gegen diesen Staat, wenn von „Kriegstroublen" und „Unruhe" die Rede war? Es unterlag bei unbefangener Betrachtung nicht dem mindesten Zweifel, dafs Generalstaaten und Kurfürst sich hier zu gemein- samen Mafsregeln gegen Frankreich, gegen den nimmer ruhenden Ehrgeiz und die stete Eroberungssucht Ludwigs XIV. verab- redeten. Alle Welt fafste damals den Vertrag in diesem Sinne auf. Übrigens hatte Fuchs die leitenden Staatsmänner im Haag ausdrücklich versichert, dafs die Hochmögenden, wenn sie in

Sechsundyierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 397

finanzieller Beziehung dem Kurfürsten die gewünschte Genug- tuung gäben, bei allen Gelegenheiten fest auf ihn zählen dürften ^

Friedrich Wilhelm empfand über die Verständigung mit den freien Niederlanden lebhafte Genugtuung. Endlich war der feste Punkt gefunden, von dem aus er an der Einschränkung von Frankreichs Weltherrschaft arbeiten konnte'. Voll Entzücken dankte er Wilhelm von Oranien für die grofse Zuneigung, die dieser ihm wie seinem Hause gezeigt habe. Er versprach ihm, des Prinzen Interesse , das ja tatsächlich mit dem seinen über«^ einstimme, auch wie das eigene zu wahren. Er stellte ihm Fuchs zur Verfügung, wann und so oft Oranien dessen Reise nach dem Haag für erforderlich halte'. Der Einflufs des glücklichen Unterhändlers auf seinen Herrn, schon vorher sehr bedeutend, wurde jetzt ein ganz überwiegender. Die französische Partei in Berlin sah seiner Rückkunft mit Besorgnis entgegen^.

Selbstverständlich tat der Kurfürst alles, um die „Ombrage" zu zerstreuen, die bei Ludwig XIV. und dessen Ministem gegen Brandenburg wegen dessen niederländischer Verhandlungen Platz gegriffen hatte. Diese liefen, so liefs er in Paris versichern, den bestehenden Bündnissen in nichts zuwider ; sie bezögen sich hauptsächlich auf seine Forderungen an die Generalstaaten ; das Verteidigungsbündnis sei nur die Erneuerung eines seit lange bestehenden Verhältnisses. Diese Behauptung entsprach aber kaum dem Wortlaute, sicher nicht dem Sinne des neuen Ver- trages. Die französische Regierung liefs sich auch durch der- artige Darlegungen nicht täuschen. Gab sich doch d'Avaux noch im letzten Augenblicke grofse, wenn auch vergebliche Mühe, die Ausführung des Vertrages zu stören. „Ich wundere mich,** höhnte er, „dafs der Staat dem Kurfürsten eine Million Gulden und mehr gibt, da er doch Strafsburg, Luxemburg, ja, den Staat selbst verkauft hatte.** ^ Wenn R6benac sich eine Zeitlang durch die heuchlerischen Versicherungen der Berliner Staats- männer täuschen liefs und sich kindlich über den Ärger freute,

1 Vgl. d'Avaux, V, 47 f. 55. « U. u. A., m, 778 Anm. 14.

* Mb. Kurf. an Oranien, 28. Aug./ 7. Sept. 1685; Geh. Staatsarohiy Berlin), XXXIV, 227 a 4.

* U. u. A., XIV, 1180.

> Mb. Fuchs an Kurf., Uli. Aug. 1685; Geh. Staatearchiv (Berlin), a. a. 0. t

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den Fuchs bei dem Scheitern seiner Pläne empfinden werde, sah Ludwig XIV. von Beginn an klarer. Er erblickte mit Recht in dem Brandenburg - holländischen Vertrage die Grundlage eines gegen ihn gerichteten europäischen Bündnisses ^ Schon die blofse Defensivallianz, sagten die Franzosen, stehe im Gegensatze zu den mit Frankreich getroffenen Abmachungen: was solle werden, wenn dieses von Holland unter dem Verwände angegriffen werde, dafs es der Angreifer sei? Der Prinz von Oranien, der schlimmste Feind des Königs, beherrsche jetzt die Generalstaateu, und mit diesen habe der Kurfürst abgeschlossen , ohne zuvor seine Verbündeten, davon zu benachrichtigen. Der König müsse wissen, auf welchem Fufse er mit Biandenburg stehe. Die steten Verhandlungen mit dem Kaiser und mit Schweden er- höhten den Verdacht. Man glaubte, eine neue, noch ausgedehntere Trippelallianz gegen sich entstehen zu sehen ^.

Dazu kam der sich stets verschärfende Gegensatz in der Pfälzer Frage®.

Abb6 Morel war in Heidelberg mit vieler Entschiedenheit aufgetreten : Madame sei als die einzige Erbin des verstorbenen Kurfürsten zu betrachten und habe das Recht, sofort von dessen gesamter Hinterlassenschaft Besitz zu ergreifen. Auch Graf Verjus de Cröcy in Regensburg protestierte wenigstens gegen die Besitznahme von Simmern und Kaiserslautem durch den neuen Kurfürsten. Die Vertreter Frankreichs wiesen jede Verzögerung der Angelegenheit zurück. Sein König werde nicht dulden, er- klärte Morel am 20. August, dafs man die Sache auf die lange Bank schiebe, vielmehr Mafsregeln ergreifen, die den Deutschen Grund zur Reue geben möchten. Man habe es mit dem mäch- tigsten Könige der Welt zu tun.

Friedrich Wilhelm war über dieses hochmütige Auftreten, über dieses Pochen auf die Gewalt entrüstet. „Die Reden Morels," schrieb er an Mandelsloh, „sind nicht allein den in Deutschland gültigen Rechten zuwiderlaufend, sondern auch die dabei ge- brauchten Expressiones und Redensarten so hautains und bei einem Teutschen Kurfürsten und Stande so ungewöhnlich, dafs

^ Ms. Korresp. Ludwigs XIY. mit Rebenac, August 1685 (B).

' Ms. Korresp. zwischen Kurf. und Spanheim, Sept. u. Okt. 1685; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 24 B.

* Das Folgende nach der Ms. Korresp. im Geh. Staatsarchiv (Berlin), Bep. XL, 9 B.

SechsundTierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 399

Wir nicht glauben können, der König von Frankreich habe wirk- lich dergleichen befohlen/ Er drang in Paris auf ein milderes Vorgehen y in Gemäfsheit der Rechte und Gesetze des Reiches und in Übereinstimmung mit den deutschen Fürsten. Ander- seits suchte er freilich alle unnötigen Gründe des Mifsfallens für den mächtigen König von Frankreich aus dem Wege zu räumen: als die kurpfälzischen Minister sich weigerten, dem Verlangen Morels nach Vorlegung der Lehnsbriefe und Haus- gesetze, die die weibliche Erbfolge ausschlössen, zu entsprechen, drang Friedrich Wilhelm mit Ernst darauf, dafs diese ganz be- rechtigte Forderung erfüllt werde. Sein Rat wurde dann auch befolgt.

Philipp Wilhelm sah sich ängstlich nach Bundesgenossen gegen das übermächtige Frankreich um. Mit den etwa 6000 Soldaten, die er selber besars, und seinen halb verfallenen Festungen Mannheim und Frankenthal konnte er freilich diesem kaum Widerstand leisten. Er wandte sich also an den Kaiser, den Papst, den König von England, der ihm wenigstens in Worten Hilfe in Aussicht stellte; aber auch an die protestanti- schen Mächte Schweden und Brandenburg. Ersteres verhiefs für den Notfall eine Truppensendung. Friedrich Wilhelm aber griff sogleich mit Entschlossenheit ein. Er versprach dem Pfälzer nicht allein seinen Beistand, sondern forderte auch die übrigen Testamentsvollstrecker auf, den letzten Willen Karls von der Pfalz in Kraft zu erhalten (8./18. September 1685).

Es war solche Vereinigung um so notwendiger, als das Testament allerdings für die Orleans wenig günstig lautete. Es setzte Philipp Wilhelm zum Universalerben ein und bedachte die Kurfürstin -Mutter sowie die Herzogin von Orleans nur ebenso, wie die Exekutoren, mit einigen Legaten. In Paris stützte man sich deshalb auf einige angebliche Formfehler, um das Testament als nichtig zu bezeichnen, „aus fünfzig Gründen** (Anf. Oktober); es sei nur auf Antrieb einiger parteiischer Diener des verstorbenen Kurfürsten von diesem errichtet Über- haupt gehöre von selbst die eine Hälfte der väterlichen Hinter- lassenschaft des vorhergehenden Kurfürsten Karl Ludvng seiner Tochter, der Madame, so dafs Karl darüber gar nicht habe ver- fügen können. Auch die Kurfürstin -Mutter protestierte gegen das Testament und wollte es nicht vollstrecken lassen. Es schien, als solle Frankreich hier den besten Vorwand erhalten,

400 Siebentes Buch.

seine verderblichen Forderungen mit einem Schatten von Recht wieder aufzustellen.

Eben deshalb war Friedrich Wilhelm eifrig bemüht, seinen Standpunkt zu wahren, dafs das Testament unter allen Um- ständen aufrechterhalten werden müsse. Er ermahnte die Kur- fürstin-Mutter, ihren Widerspruch gegen diese Urkunde zurück- zuziehen, um die Gefahr ,der Eversion in politicis et in ecclesiasticis*' zu vermeiden. Er forderte die Mitvollstrecker von neuem auf, ihn zu unterstützen. „So viel,** schreibt er am 15. September, „das Essentialstück besagten Testaments, näm- lich die Einsetzung des Erben, belangt, da befinden Wir des verstorbenen Kurfürsten Expression dergestalt eingerichtet, auch sonsten das Testament in allen Stücken so beschaffen, dafs Un- seres Davorhaltens solches auch juxta requisita juris ci- vilis zu Rechten wohl bestehen kann." Übrigens bedürften die Testamente deutscher Fürsten nicht der Formalien, wie die von Privatleuten. Er hatte die Genugtuung, dafs der wichtigste der MitvoUstrecker, Ernst August von Hannover, seinen An- regungen durchaus Folge leistete (20. September).

Es ist klar, dafs Friedrich Wilhelm aUein den Widerstand gegen die französischen Forderungen gefestet und organisiert hat. Die Franzosen klagten mit Fug, dafs sie in dieser Pfälzer Sache allerorten Brandenburg als Widerpart fänden. Freilich hatte der Kurfürst es nur auf gesetzlichen, friedlichen Wider- stand abgesehen. Er forderte Philipp Wilhelm immer wieder zur Nachgiebigkeit in Formalien auf: er möge alles so gütlich wie nur möglich mit Frankreich abhandeln. Aber Ludwig XIV. erkannte sehr wohl, woher ihm der Gegenwind wehe. Die Veröffentlichung einer Depesche Spanheims an den Kurfürsten, in der der brandenburgische Standpunkt den französischen Prä- tensionen gegenüber scharf und klar auseinandergesetzt war, erregte in ganz Europa Aufsehen und in Paris begreiflichen Unwillen. Der Versicherung, der Abdruck sei ohne Wissen der Beteiligten erfolgt, mafs man selbstverständlich keinen Glauben bei. Die Schrift erschien gleichsam wie ein Manifest am Vor- abende einer Kriegserklärung.

Das Mifstrauen der französischen Staatsmänner gegen Brandenburg wurde immer lebhafter, ihre Stimmung immer ge- reizter. R6benac fand in jeder Handlung des Kurfürsten Grund, Feindseligkeit gegen Frankreich vorauszusetzen. Als der Herzog

SechsundvierzigBtes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 401

von Gelle im Sommer 1685 mit Hamburg in Streit geriet, den Handel mit der Stadt auf dem Eibstrome sperrte und dabei auch ein Schiff mit Magdeburger Waren mit Beschlag belegte, zeigte Friedrich Wilhelm den Weifen eine Milde und Versöhn- lichkeit, die dem französischen Gesandten sehr verdächtig er- schien^. In der Tat wurde der Streit durch die Vermittlung des Kaisers noch im September 1685 gütlich beigelegt. Und das eben verdrofs die Franzosen noch mehr als selbst die Pfillzer Sache : die freundschaftlichen Beziehungen, die sich offen- bar zwischen Brandenburg und Leopold I. bildeten. Der Kaiser liefs sieh endlich darauf ein, dem Kuiiürsten fOr dessen An- sprüche auf Jägemdorf ein Äquivalent , nicht in Geld , sondern, wie dieser es stets verlangt hatte, in Land anzubieten, das frei- lich nicht in kaiserlichen, sondern in fürstlich schwarzenbergi- schen Gebietsteilen bestand. Der Sieg der kaiserlichen Truppen über die Türken, bei Neuhausel, am 16. August, und ihre sich daran knüpfenden weiteren Erfolge erregten bei dem Kurfürsten lebhafte Freude. Er sandte Melchior von Ruck, nunmehrigen Halberstftdter Regierungsrat, im September 1685 nach Wien, um für das kommende Jahr eine Hilfe von 4 5000 auserlesenen Soldaten gegen die Türken anzubieten, zugleich aber auch auf Beschleunigung der Satisfaktionssache zu dringen. Röbenac hatte von diesen Dingen durch seine verräterischen Freunde am Berliner Hofe genaue Kunde und berichtete darüber mit heftigem Nachdrucke nach Paris'.

Vergebens versicherte hier Spanheim, die Reise Rucks be- treffe nur die Streitigkeiten zwischen Kursachsen und dem Bischöfe von Merseburg und Zeitz. Das klang noch unwahr- scheinlicher, als dafs der Vertrag mit den Niederlanden nichts bedeute als die harmlose Fortsetzung einer alten,' praktisch nichtssagenden Allianz'. Das ganze Verfahren des Kurfürsten seit einem Jahre erschien als Ausflufs einer vorsichtigen, aber entschlossenen und systematischen Feindschaft gegen Frankreich.

Ludwig XIV. gedachte ihn zu demütigender Unterwerfung zu zwingen, indem er, Anfang Oktober 1685, sowohl in Paris,

» Gallois, Gesch. Hamburgs, H, 1 ff. U. u. A., XIV, 1180. 1186f.— Prutz, 300.

ü. u. A., XIV, 1176 ff. 1181. 1188 ff. Prutz, a. a. O.

' Dies und das Folgende nach der [Ms. Korresp. Spanheims mit Surf, aus dem Herbst 1685 (Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 24 B).

Philippgon, Der Orofde KurfQrst. III. 26

402 Siebentes Bach.

Spanheim gegenüber^ als in Berlin, durch R6benac, die Forde- rung erheben liefs: der Kurfürst solle dem Könige durch eine schriftliche Erklärung nicht nur die fortdauernde Gültigkeit aller seiner mit Frankreich getroffenen Vereinbarungen ver- sprechen, sondern auch feststellen, „dafs er in Zukunft keine weiteren Verpflichtungen eingehen werde ohne Wissen und direkte Teilnahme Frankreichs** ^ Es war klar, dafs ein solches Schriftstück zur allgemeinen Bekanntmachung bestimmt war. Die schmählichste Demütigung Brandenburgs, seine blinde Unterwerfung unter das Machtgebot Frankreichs für alle Zu- kunft, der schroffe Bruch mit allen wahren Alliierten des Kur- staates wären die Folgen einer so unerhörten Erklärung ge- wesen. Und doch, war es für den Kurfürsten schon an der Zeit, durfte er es bereits wagen, sich durch eine Weigerung die offene Feindschaft des allgewaltigen Despoten zuzuziehen?

Friedrich Wilhelm fühlte sich durch die Zumutung tief ge- kränkt und zugleich in allen seinen Entwürfen bedroht. Sein leicht zu erregender Zorn brauste lebhaft auf. Er wollte zuerst dem Grafen Röbenac kurzweg schreiben: „Se. Kurf.Durchl. lasse sich keine Mafs und Ordnung geben, habe auch niemandem Rede und Antwort zu stehen wegen zu schliefsender Defensiv- allianzen, wäre endlich nicht der Meinung, sich zu etwas Widrigem violentieren zu lassen ** K Es gelang zwar seinen ruhigeren Ratgebern, eine solche Antwort zu hintertreiben, die den sofortigen Bruch mit Frankreich herbeigeführt hätte; allein er verwarf auch die dem französischen Verlangen etwa entsprechende Erklärung, die Meinders mit Röbenac vereinbart hatte und ihm vorlegte'. Vielmehr wies er Spanheim an, in Paris darzutun, dafs er auf das von ihm geforderte Bekenntnis nicht eingehen könne, da es seiner Würde widerspreche; indes sei er zu jeder Art mündlichen Aufschlusses über sein Ver- halten, sowohl in der Vergangenheit wie für die Zukunft, bereit und hoffe dadurch den König zu befriedigen. Noch bestimmter lautete der Bescheid, den er gleichzeitig -— am 20. Oktober durch Meinders und Fuchs dem Grafen Röbenac geben liefs. Nach den vielfachen Aufklärungen und Versicherungen Sr. Kurf.

1 Ms. Instr. an Böbenac, vom 4. u. 11. Okt. 1685 (B). « U. u. A., XIV, 1191. « Prutz, 302.

Sechsundvierzigstes Elapitel. Die Abkehr von Frankreich. 403

Durch!., sowohl an den Grafen wie durch Spanheim an die französischen Minister und den König selbst, werde dieser keinen Zweifel an dem guten Willen und der Vertragstreue des Kur- fürsten hegen. Eine weitere Erklärung „würde nicht allein überflttssig, sondern beleidigend^ für Se. Kurf. Durchl. sein^. Mit Recht fand Ratspensionär Fagel, dem höchst bezeichnender- weise diese Antwort durch Diest mitgeteilt wurde, solche „höchst generös^.

Der Kurfürst schrieb dann wenige Tage später 26. Ok- tober — unmittelbar an den König, nach einem Entwürfe von Fuchs. Nachdem er den auf ihn geworfenen Verdacht als ganz unbegründet geschildert, fuhr er mit grofser Festigkeit folgender- mafsen fort: „Trotzdem fordert man von mir noch eine neue Erklärung, die in so harten und für mich so unziemlichen Aus- drücken abgefafst ist, dafs ich sie nicht abgeben kann, ohne meine Ehre zu beflecken noch mir zu nehmen, was für einen souveränen Fürsten das wesentlichste ist/ Der König möge sich mit der erneuten Versicherung seiner Vertragstreue sowie dem Versprechen begnügen, dafs er auch in Zukunft an dem französischen Bündnisse festhalten werde.

Die etwaige Wirkung dieser Eröffnungen ward indes durch eine Denkschrift zum gröfsten Teile aufgewogen, die von Branden- burg den Franzosen zugleich mitgeteilt ward, und die jede Teil- nahme an einem von ihnen zu führenden Angriffskriege ablehnte. Frankreich folgere freilich aus dem fünften Artikel des Bündnis- vertrages von 1681, dafs Brandenburg zu solcher Leistung ge-

^ Geh. Staatearchiy (Berlin), Bep. XI, Frankr. 24 B: 8. Alt tl. . . „noufl a ordoim6 de mander k V. E. qu*aprÖ8 tant d^^lairdflsements et d'assurances qu'Elle a dozm^ en partie Elle-mdme de bouche et par 710T18 ensuite k Y. R, comme aussi par M'- de Spanheim k M'- le Marquis de Groissy , de boache et par 6crit . . . , et finalement k Sa Maj^' mtoxe xnoyeimant une audience exprease qu'ü avait demandöe pour ce sujet et qu'on lui a accord6e aussi, le Boy n'aura plus le moindre doute de la sinc^t^ et de la bozme foi avec laquelle 8. A. E. a observ6 et accompli jUBqu'ici les trait^ qu'Elle a Phonneur d'avoir faits aveo Sa Maj^-, -et qu^il ne lui en restera plus k Tavenir le moindre scrupule k cet 6gard, de suite que toute autre d^laration qu'on en pourroit demander k S. A. £. ne serait pas seulement superflue, mais aussi outrageuse en quelque mani^re et peu conforme k la confiance que le Boy a prise jusqu'ici avec tant de raison en S. A. E. ... Nous esp^rons donc qu*& la Cour on se <^ntentera entiörement de tous ces ^daircissements donn^ . . .**

26*

404 Siebentes Baoh.

nötigt sei ; aber da derartige Verpflichtungen wechselseitig seien und Groissy wie R6benac eine Unterstützung des Kurfürsten bei Gelegenheit des sogenannten „Eonzertes** gegen Schweden, im September 1684, durchaus verweigert hätten, finde Branden- burg sich gleichfalls nicht gebunden.

Die ersten Erklärungen Spanheims hatten tatsächlich in Paris versöhnend gewirkt; der König wünschte keinen offenen Zerfall mit Brandenburg, um die Zahl seiner Gegner nicht zu vermehren. Allein die entschiedene Sprache des kurfürstlichen Briefes und noch mehr die Denkschrift vom 10./20. Oktober erregten das Mifstrauen der Franzosen von neuem. Dazu kam ein abermaliges trennendes Moment : die Aufhebung des Ediktes von Nantes am 22. Oktober. Der Kurfürst war über diese Ver- folgung seiner französischen Glaubensgenossen auf das äufserste entrüstet und verbarg auch vor Röbenac seinen Schmerz und Grimm keineswegs. Er antwortete mit scharfen Gegenmafsregeln : dem berühmten Potsdamer Edikt vom 29. Oktober / 8. November, sowie dem Verbote an seine katholischen Untertanen, die Messe in den Häusern des französischen und des kaiserlichen Gesandten zu hören. Auf seines Herrn ausdrücklichen Befehl nahm sich Spanheim der bedrängten französischen Reformierten in jeder Weise an und begünstigte, trotz der französischen Edikte, ihre Flucht über die Grenze. In Paris war man wiederum über dieses Auftreten Brandenburgs sehr erbittert. Waren doch die weifischen Herzoge feige genug gewesen, R^benac zu erklären: sie seien zwar gute Protestanten und bedauerten lebhaft die üble Behandlung ihrer Glaubensbrüder, möchten indessen zu- geben, dafs die Schritte, die der König in dieser Beziehung getan, für ihn selbst sehr nützliche seien ^ Solche arge Selbst- demütigung seiner Nachbarn mufste das offene und kühne Ver- fahren des Brandenburgers den Gewaltmenschen an der Seine um so unerträglicher erscheinen lassen. Groissy verhehlte das Spanheim nicht : während der König sich in die Angelegenheiten der katholischen Untertanen Brandenburgs nicht mische, werfe der Kurfürst sich zum Beschützer der hugenottischen Unter- tanen des Königs auf. Der Minister übersah dabei nur, dafs es in Brandenburg keine Katholikenverfolgungen gab, wie die Protestantenvemichtung in Frankreich. Ein solches Verfahren,

^ Ms. Dep. B^benacs vom 13. Nov. 1685 (B).

Sechsundyierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 405

setzte Groissy feindselig hinzu, sei ungehörig für einen verbttn« deten, ja, sogar fttr einen neutralen Fürsten und habe den König vollends über die wahren Gesinnungen des Kurfürsten aufgeklärt. Als Friedrich Wilhelm sich besonders über die gewaltsame Unter- drückung der Protestanten im Fürstentum Orange beschwerte, das dereinst aus der oranischen Erbschaft seinen Söhnen zu- fallen müsse, und sie als eine Verletzung des Nymweger Friedens bezeichnete, antwortete der König, er könne natürlich keine Verhandlungen darüber zulassen, was er in seinem Reiche anzu- ordnen für zulässig befindet

Die Kluft zwischen Frankreich und Brandenburg erweiterte sich immer mehr, je schärfer sich der Streit wegen der Kur- pftlzer Erbschaft zuspitzte. Ludwig XIV. wünschte vor allem zu vermeiden, dafs diese Angelegenheit durch Kaiser nnd Reich entschieden werde, vor deren Gericht sie gehörte, deren Aus- spruche aber er das französische Königshaus nicht unterwerfet! wollte. Er schlug also (10. Oktober) vor, die Sache der Ent- scheidung des Papstes Innocenz XI. zu unterbreiten, und be- gründete diesen Antrag mit seiner Friedensliebe und seinem Wunsche, die christlichen Wa£fen nicht von dem Kampfe gegen die Türken abzuwenden^. In der Tat hatte Ludwig ein Inter- esse daran, den Kaiser von einem Partikularfrieden mit den Türken abzuhalten, damit inzwischen Frankreich ungestört seine Herrschaft über die Rheinlande ausdehnen könne*. Der Papst, voll Hoffnung, auf diese Weise den Frieden innerhalb der Christen- heit zu bewahren und den erfolgreichen Krieg gegen die Un- gläubigen zu verlängern, erklärte sich gern bereit, das ihm von Frankreich angebotene Schiedsrichteramt zu übernehmen.

Friedrich Wilhelm, als der bedeutendste unter den Testaments- vollstreckern, war aber sogleich entschlossen, die Entscheidung Roms nicht anzuerkennen. Er wollte keineswegs das Haupt der katholischen Kirche als Richter in Reichsangelegenheiten gelten lassen, und zwar um so weniger, als die früheren Päpste sich

^ Ms. Dep. R^benacs vom 17. Nov. mit Bescheid des Königs (B).

* Für das Folgende überhaupt: Im mich, Orleansscher Krieg, sowie: Papst Innocenz XI. (Berlin 1900)l

' Ms. Mandelsloh an Kurf. 16./26. Okt. Vgl. auch seine folgenden Depeschen (Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XL, 9B). Die oben an- geführten sind demnach die wahren Beweggründe des Königs, nicht die von Immich (Innocenz XL, S. 43 f.) angegebenen.

406 Siebentes Buch.

eine solche Gewalt grundsätzlich zugeschrieben hatten. Auch sei ein derartiger Schiedsspruch, sagte er, für die Evangelischen im allgemeinen und zumal fttr deren Pfälzer Glaubensgenossen sehr gefährlich. Alle protestantischen Reichsstände wurden von Brandenburg aufgefordert, sich seinem Widerstände gegen jene Zumutung anzuschliefsen. Die Pfälzer Sache solle ihrem recht- mäfsigen Forum verbleiben, das heifst dem Spruche des Kaisers und der Reichsgerichte.

Auf letzteren Standpunkt stellte sich auch Kurfürst Philipp Wilhelm: er dürfe als Reichsstand sich keiner fremden Juris- diktion unterwerfen 9 am wenigsten ohne Zustimmung seiner eventuell zum Erbe berechtigten Agnaten, wie besonders des protestantischen Königs von Schweden. Dem Rate des Brandenburgers gemäfs beharrte er auf dem gesetzlichen Boden, der ihm durch das Reichsrecht, sowie durch das Testament seines Vorgängers Karl gewährt wurde: von hier aus durfte er die gegnerischen Darlegungen ruhig abwarten. Er sowohl wie Friedrich Wilhelm hatten die Genugtuung, dafs Kaiser Leopold I. in höflicher, aber bestimmter Weise das Schiedsrichteramt des Papstes gleichfalls zurückwies (26. Oktober 1685).

Allein ehe diese Dinge sich abspielten, hatte Ludwig XIV. für zeitgemäfs gehalten, seine Löwenkrallen auszustrecken, um den Deutschen zu zeigen, dafs er, zu seinen Zielen zu gelangen, noch über andere Mittel verfüge als gütliche Unterhandlung. Galt doch in Frankreich der Grundsatz, dafs in den unheilbar verworrenen Fragen des Reichsrechtes der Stärkste auch immer das beste Recht besitze ^ Am 5. November liefs er auf pfälzischem Boden durch französische Soldaten zwei Mannheimer Bürger, ausgewanderte französische Protestanten, verhaften und nach Vincennes abführen. Er beschuldigte sie eines Komplottes gegen .sein Leben und forderte unter gleicher Anklage die Auslieferung dreier weiterer, längst in Mannheim naturalisierter, ausgewanderter Hugenotten. Philipp Wilhelm liefs sie in Gewahrsam nehmen, verweigerte aber ihre Auslieferung bis zu genauerer Begründung ihres angeblichen Verbrechens und beschwerte sich über die Wegführung der beiden anderen. Eine nähere Angabe über die offenbar ganz imaginäre Schuld der fünf Hugenotten hat die französische Regierung nie beibringen können. Dafür berief.

^ M^moire^ de Sourches, I, 255.

Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 407

trotz Spanheims Gegenbemühungen, der König den Abbö Morel von Heidelberg ab, und die Kommentare, die diese Mafsregel begleiteten, liefsen keinen Zweifel darüber, dafs Ludwig hiermit seinen Zorn über das ganze Verfahren Philipp Wilhelms in der Erbsache darlegen wollte^.

Die Wirkung seines Vorgehens blieb nicht aus. Philipp Wilhelm geriet in gröfste Aufregung und sandte seine Hilferufe nach allen Richtungen. Die Kurfürstin - Mutter liefs sich durch die Ermahnungen des Brandenburgers nicht davon abhalten, das Testament ihres Sohnes abermals „aus acht Gründen" anzu- fechten und die Auslieferung der Hinterlassenschaft an die natürlichen Erben zu verlangen. Der Landgraf von Kassel pflichtete ihr bei, aus Furcht vor der Rache des Allerchrist- lichsten Königs, die das ganze Reich in Mitleidenschaft ziehen werde. Der Markgraf von Ansbach wollte, aus fthnlichen Gründen, sein Amt als Testamentsvollstrecker niederlegen. Der einzige unter den Beteiligten, der fest blieb, war Friedrich Wilhelm. Er tadelte kühnlich das Benehmen Frankreichs in der Sache der Mannheimer Bürger als rechtswidrig und ermahnte den Pfälzer zur Beharrlichkeit, „damit das untertänigste Vertrauen, welches die Untertanen und in specie die Reformierten gegen Sr. Kurf. Durchl. (von der Pfalz) billig haben müfsten, keinen Anstofs erleide". Sein Gesandter Spanheim unterstützte das Anliegen des kurpfälzischen Agenten in Paris, Peucker, um Angabe der Schuldbeweise. Nur die Furcht, von dem Branden- burger und dessen Glaubensgenossen unter den Fürsten verlassen zu werden, hielt Philipp Wilhelm davon ab, der Forderung des Königs sich zu unterwerfen. Das war diesem sehr wohl bekannt ; er schrieb den Widerstand des Pfälzers gegen die Ansprüche des Herzogs von Orleans hauptsächlich der Einmischung des Brandenburgers zu^. Dementsprechend beschwerte sich Groissy hei Spanheim wegen der Gegnerschaft, die dessen Herr in der Pfälzer Angelegenheit allerorten dem Könige zeige. Die Kur- fürsten von Mainz und Köln seien mit der päpstlichen Ver- mittlung einverstanden; nur Brandenburg, angeblich der Ver- bündete Frankreichs, widersetze sich ihr beständig.

Endlich spitzte sich auch in dem Streite zwischen dem Kur-

^ Ms. Korresp. Mandelslohs vom Dez. 1685.

« Ms. Ludwig XIV. an R^benac, 4. April 1686 (B).

408 Siebentes Buch.

fttrsten von Köln und der gleichnamigen Reichsstadt der Gegensatz zwischen Friedrich Wilhelm und Frankreich immer schärfer zu. Dieses, das unter dem Namen des ihm verbündeten Maximilian Heinrich die Königin des Unterrheins selber zu besitzen wünschte, forderte von dem Brandenburger, dafs er deren Magistrat zur Unterwerfung unter die Ansprüche ihres Erzbischofs ermahne. Friedrich Wilhelm jedoch, der die Pläne der Franzosen wohl erkannte, ermunterte gerade deshalb den Kölner Magistrat zum Widerstände und sagte ihm, in Gemäfsheit eines Beschlusses des westfillischen Ejreises , für den Notfall bewaffneten Beistand zu. Zum Lohne gestattete der Magistrat den Reformierten freie Religionsübung ^

Alle diese Momente : die Denkschrift vom 20. Oktober, die Zwistigkeiten wegen der R6fugi6s, sowie der Gegensatz in der Pfälzer und der Kölner Angelegenheit, legten es von neuem dem Könige von Frankreich nahe, sich mit den bisherigen allgemeinen Freundschaftserklärungen Brandenburgs nicht zu begnügen, son- dern ihm die Alternative vorzulegen : sofortiger Bruch oder de- mütigende Unterwerfung. Ob es klug war, letztere zu er- ;swingen, die doch nur auf dem Papiere bleiben, den Kurfürsten vor seinen neuen Verbündeten nur vorübergehend kompromittieren, ihn und seine Ratgeber aber zu bitterstem Rachegefühl veran- lassen mufste, das ist eine andere Frage. Genug, schon An- fang November zeigte Groissy sich plötzlich unbefriedigt von Friedrich Wilhelms bisherigen Darlegungen und verlangte eine förmliche, von ihm selbst ausgehende schriftliche Erklärung seiner Unterwerfung unter die französische Politik ^. Das gleiche liefs der König durch R6benac den Kurfürsten wissen; sonst werde er gegen Brandenburg mit den Braunschweigem ab- schliefsen^. Der Gesandte lieferte zu diesem Ansinnen die un- zweideutigste Erläuterung: unbedeutend an sich, habe die De- klaration erst dadurch Wichtigkeit erlangt, dafs sie verweigert worden sei ; nun könne der König nicht mehr darauf verzichten, da nach allem, was vorgefallen, sonst auf des Kurfürsten Bundes- treue nicht mehr zu zählen sei.

^ Ms. Depeschen B6benacs vom Juni u. Juli 1685 (B). * Ms. Spanheim an Kurf., 5., 10. Nov. 1685; Berlin, Oteh. Staats- archiv, XI, Frankr. 24 B.

' Ms. Ludwig XIV. an B^benac, 1., 15. Nov. (B).

Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 409

Friedrich Wilhelm geriet darüber in grofse Aufregung. Er stürmte, trotz seiner Gicht, im Zimmer auf und nieder. Er rief aus : wenn er darauf eingehe, werde er sich selbst entehren und dadurch der Freundschaft des Königs unwürdig werden, die er sich doch zu erhalten wünsche. Er könne die Deklaration nie- mals zugestehen und wolle lieber das Äufserste über sich er- gehen lassen. Ebenso meinte Fuchs, lieber den Tod zu leiden, als seinem Herrn zu solcher Feigheit zu raten ^ Allein, bei ruhiger Überlegung mufste man sich in Berlin sagen, dafs der Augenblick zum Bruche mit Frankreich noch nicht gekommen sei. Sollte man, kaum der Unterstützung durch Holland sicher, die französischen Truppen wieder in Eleve, in der Mark, an der Weser erscheinen sehen? Noch war mit dem Kaiser nicht ab- geschlossen. Noch waren alle Forderungen Brandenburgs an Kaiser und Reichstag, ihm die seit zehn Jahren versprochenen Entschädigungen wegen des Schwedeneinfalls endlich zu ge- währen, vergeblich '. Frankreich bemühte sich unausgesetzt, aus der Hamburger Angelegenheit einen Streit der Lüneburger mit dem Kurfürsten zu entwickeln, um die Weifen gegen ihn aus- spielen zu können; es kam schon so weit, dafs Friedrich Wil- helm den aus dem Türkenkriege heimkehrenden braunschweigi- schen Truppen den Durchmarsch durch seine Staaten versagte '. Brach ein Krieg mit Frankreich aus, so stand es fest, dafs die Weifen auf dessen Seite die brandenburgischen Interessen und Besitzungen bekämpften. Anderseits tat die französische Re- gierung alles, dem Kurfürsten die bittere Pille der Deklaration zu versüfsen: „er möge^, liefs man ihm sagen, „Sr. Allerchrist- lichsten Majestät diese kleine Genugtuung geben''; sie werde ihm dafür Beweise intimster Freundschaft in der Zukunft zu teil werden lassen*.

Friedrich Wilhelm beschlofs, wenigstens zum Teile, in mög- lichst würdiger Form, auf das Verlangen Frankreichs einzu- gehen. Er vermied eine öffentliche Erklärung, aber er schrieb, am 5. Dezember 1685, dem Könige einen ostensiblen Brief*.

^ Berichte R^benacs vom 1., 8. Dez.; Prutz, 304. « Londorp, XII, 149 f. » U. u. A., XIV, 1193. 1204.

* Ms. Spanheim an Kurf., 27., 30. Nov., u. Ludwig XTV. an Kurf., 26. Nov.; Berlin, Geh. Staatsarchiv, a. a. 0.

* U. u. A., n, 541.

410 Siebentes Buch.

Röbenac, hiefs es darin, habe ihn der Fortdauer des Wohlwollens Sr. Majest&t versichert Er selber werde stets darauf bedacht sein, die Zuneigung und Freundschaft des Königs zu bewahren. „Es steht fest, dafs ich bei der Erneuerung des Bündnisses, das ich mit den Herren Generalstaaten seit dem Beginne dieses Jahr- hunderts gehabt, nichts getan noch zu tun beabsichtigt habe, was den zwischen Ew. Maj. und mir geschlossenen Verträgen zu- wider wäre. Und da ich aufserdem die stärksten Versicherungen, die man verlangen kann, gegeben habe, dafs ich fortfahren werde, die erwähnten Verträge genau zu beobachten und den in ihnen enthaltenen Verpflichtungen Genüge zu tun, habe ich solches gern noch einmal hier wiederholen wollen, in der Hofhung, dafs Ew. Maj. nicht gestatten wird, dafs man mehr von einem Fürsten und Verbündeten verlange,'' der zu ehrliebend sei, um jemals den Vorwurf des Vertragsbruches auf sich zu laden.

Das Schreiben war in allgemeinen Ausdrücken abgefafst und vermied sorgfältig jede bestimmte Zusage, besonders die unge- heuerliche, keine Verträge mehr ohne Genehmigung Frankreichs abschliefsen zu wollen. Es entsprach also nicht ganz den Forde- rungen des Königs. Allein es enthielt doch eine Dementierung der letztjährigen Mafsregeln des Kurfürsten und Versprechungen, die der jüngsten Richtung seiner Politik entgegenliefen. In- sofern hatte R6benac recht, es als eine „Unterwerfung des Berliner Hofes** zu bezeichnen. Friedrich Wilhelm empfand das schwer, und bittere Gefühle erfüllten sein Herz. Gebe der König, eröfihete er Spanheim, sich mit seinem Briefe nicht zufrieden, so weise er jede weitere Unterhandlung in der Deklarations- sache zurück. Aber zu extremen Vorgängen kam es nicht mehr. Ludwig schrieb dem Kurfürsten am 27. Dezember 1685, um ihm seine gänzliche Zufriedenheit mit den im Briefe vom 5. ent- haltenen Erklärungen auszudrücken und ihn für die Zukunft seiner vollen Freundschaft zu versichern. Die seit Monaten ver- siegte Quelle der französischen Subsidien flofs von neuem ^. Der König benachrichtigte amtlich seine Vertreter im Auslande, dafs er sich von der Vertragstreue des Kurfürsten von Brandenburg durchaus überzeugt habe '. Ja, Röbenac erläuterte seines Herrn vortreffliche Gesinnungen, indem er Friedrich Wilhelm in Aus-

' Dies alles nach Geh. Staatsarchiv, a. a. 0. 3. Januar 1686; d'Avaux, V, 111.

Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkelir von Frankreich. 411

sieht stellte, jener werde ihm zur Erlangung der schlesischen Satisfaktion Beistand leistend

Es war zu spät Gerade die tiefe Demütigung, die Ludwig dem selbstbewufsten Brandenburger auferlegt und von der er geglaubt hatte, sie habe dessen Widerstandskraft gründlich ge- brochen, hatte diesen zum endgültigen innerlichen Zerfall mit Frankreich gebracht »Ich werde," rief er wiederholt aus, „im Grabe nicht ruhen können, ich hätte mich denn zuvor an Frank- reich gerächt.** ' Die Erfahrungen, die er in den letzten Jahren von dem rechtsvemichtenden Despotismus und der höhnischen Selbstsucht Ludwigs XIV. gemacht, Hessen ihn auf seine bis- herigen Empfindlichkeiten und alle Bedenken verzichten. Gerade nun warf er sich dem Kaiser in die Arme. Dazu hatte der neue Gesandte Österreichs, Baron Fridag, nicht wenig bei- getragen. Der geschickte Diplomat hatte die richtige Weise ge- funden, den Kurfürsten zu behandeln: anstatt zu stürmen und zu drohen, wie seine Vorgänger, rief er bei dem greisen und trübe gestimmten Herrn das Mitleid mit der Lage von Kaiser und Reich und das vasallenhafte Pflichtgefühl an^.

Friedrich Wilhelm verlangte von Leopold nur noch eine Genugtuung, die er für unentbehrlich für seine Ehre und Re- putation hielt: an Stelle aller seiner schlesischen Ansprüche solle Österreich ihm den schlesischen Kreis Schwiebus gewähren, der, in Gröfse von 24 Quadratmeilen, ohnehin durch branden- burgisches Gebiet von Schlesien gänzlich getrennt war (Anfang November 1685). Geschehe dies, so wolle er sich mit dem Kaiser nicht minder gegen Frankreich als gegen die Türken eng verbünden *. Vergebens suchte Fridag ihn von dieser Forde- rung durch Anerbieten der Zession der Liechtensteinschen Schuld- forderung an Ostfriesland, des Titels eines Reichsadmirals , ja, des Privilegs der Nichtappellation an die Reichsgerichte für Pommern abzubringen. Immerhin hatten diese Vorschläge, durch ein freundliches Schreiben des Kaisers unterstützt, Friedrich Wilhelm von dessen guter Gesinnung überzeugt. Er schlofs am 25. Dezember 1685 / 4. Januar 1686 den Vertrag ab , durch den

» U. u. A., XIV, 1224.

* Rieh. Fester , Die Augsburger Allianz von 1686(Müiichen 1893)S. 72.

* Ma Depeschen Böbenacs vom Mai 1685 (B).

* Das Folgende nach Pribram, österr. u. Brandenb. 1685—1686, S. 41 ff.

412 Siebentes Buch.

er für den Mai zum Kampfe gegen die TQrken dem Kaiser ein Truppenkorps von 7000 Mann verhiefs, die er selber verpflegen werde; dafür solle er in bar 150000 Taler erhalten. Das brandenburgische Korps sollte übrigens ungeteilt und zwar stets bei der kaiserlichen Hauptarmee verbleiben, auch sein Befehls* haber zu allen wichtigen Beratungen herangezogen werden^. Als gleichberechtigter Verbündeter trat hier Friedrich Wilhelm neben das Reichsoberhaupt.

So waren in vielversprechender Weise die Wege für die Hauptunterhandlung geöffnet. Der Kurfürst stellte seinen völligen Anschlufs an das Haus Habsburg in Aussicht : ein Verteidigungs- bündnis mit dem Kaiser auf zwanzig Jahre, die Aufgabe aller entgegengesetzten Bündnisse, Verteidigung der Pfalz, sowie der spanischen Niederlande gegen Frankreich, Unterstützung des Kaisers bei der Erledigung der spanischen Erbschaft, Beihilfe zur Erlangung des römischen Königtums und dereinst der Kaiser- krone für Leopolds ältesten Sohn, Erzherzog Joseph. Im Ver- gleich mit diesen Vorteilen für Österreich waren seine Forde- rungen nicht übertrieben : die Abtretung des Kreises Schwiebus, sowie der Liechtensteinischen Schuldforderung, Hilfsgelder von hunderttausend Gulden im Frieden und ebensovielen Talern wäh- rend des Krieges, endlich, eventuell, Beistand mit 12000 Mann. Nur Fuchs erhielt von diesem Vertragsentwurfe Kenntnis, den der Kurfürst in den ersten Tagen des Januar zur Sprache brachte.

Er bedeutete einen völligen Systemwechsel. Friedrich Wil- helm wollte dem Bündnisse mit Frankreich ein jähes Ende be- reiten, seine Politik und seine Streitkräfte völlig in den Dienst der Habsburger stellen, eine Zusage, die, für die gesamten europäischen Verhältnisse von grofser Wichtigkeit, besonders für Leopold einen hervorragenden Wert haben mufste. Ging sie doch weit über die gegenwärtigen Verwicklungen hinaus, in- dem sie dem Kaiserhause die Fortdauer seiner Autorität über das Reich und vor allem die Erreichung seines wichtigsten Zieles, der immensen spanischen Erbschaft, zu erleichtem ver- hiefs. Gegenüber solchen Weltinteressen konnte die Abtretung eines kleinen, armen, von Lutheranern bewohnten und örtlich

1 Mörner, 475 ff.

Sechsundyierzigstee Kapitel. Die Abkehr von Frankreicli. 413

von den österreichischen Besitzungen ohnehin getrennten Ländchens gar nicht in Betracht kommen.

Allein die blinde Hartnäckigkeit der österreichischen Staats- lenker war ebenso grenzenlos wie ihre Abneigung gegen den brandenburgischen „Ealviner", gegen den „neuen König der Vandalen''. In der Ministerkonferrenz, die am 23. Januar 1686 in Wien abgehalten wurde, sprach die Mehrheit sich geg^ die Zession von Schwiebus aus.

Das Werk drohte noch im letzten Augenblicke zu scheitern. Da fand Fridag einen eigentümlichen Ausweg.

Wir kennen die Mifsverständnisse, die seit Jahren zwischen dem Kurfürsten und seinem ältesten Sohn obwalteten; wir wissen, dafs Friedrich, beraten von seinem Oheime Anhalt, ein eifriger Gegner der französischen Allianz, ein treuer Anhänger des Kaisers war. Sich diesem anzuschliefsen, hielt er für seine Pflicht, für die nützlichste und würdigste Richtung der branden- burgischen Politik. Anderseits war der Kurprinz nur knapp mit Geldmitteln versehen und bei seinem Hange zur Verschwen- dung in steten pekuniären Verlegenheiten. Auf diese Umstände hatte Fridag schon längst, seit dem Juli 1685, den schlauen, aber unfeinen Plan gebaut, mit Hilfe des Prinzen dessen Vater zu überlisten und durch einen groben Betrug das Bündnis des Kurfürsten für Österreich zu erlangen : der Kurprinz sollte, um den Preis einer beträchtlichen Geldunterstützung, im geheimen die schriftliche Zusicherung erteilen, nach seinem Regierungs- antritte den Schwiebuser Kreis an Österreich zurückzugeben. Für diesen Gedanken erlangte Fridag nunmehr (Ende Januar 1686) die Genehmigung seines kaiserlichen Herrn und trat dann hier- mit dem Kurprinzen näher. Er setzte ihm auseinander, wie der Abschlufs einer kaiserlich -brandenburgischen Allianz ein un- bedingtes Erfordernis für die Rettung Europas vor der französi- schen Gewaltherrschaft sei, und dafs dagegen das Schwiebuser Ländchen gar nicht in Betracht kommen könne. Überdies er- bot sich der Kaiser, seinerzeit für den Schwiebuser Kreis als Entschädigung entweder die fürstlich schwarzenbergischen Güter Neustadt und Gimborn zu beschaffen oder hunderttausend Taler zu entrichten. Endlich zahlte der Wiener Hof dem Prinzen sofort zehntausend Dukaten zur Linderung seiner finanziellen Nöte.

Kurprinz Friedrich ging, umnebelt von Fridags Phrasen

414 Siebentes Buch.

und begierig, sich aus seinen eigenen Verlegenheiten zu retten, auf den Handel ein. Am 28. Februar 1686 unterzeichnete er den verlangten Revers, aus dem nur die 10000 Dukaten Be- stechungsgelder fortgelassen wurden. Seine Rolle bei der schimpflichen Abmachung war noch unschöner als die der kaiser- lichen Diplomatie. Diese betrog nur einen fremden Fürsten, dessen Beihilfe sie möglichst billig zu erkaufen suchte; der zukünftige Kurfürst von Brandenburg betrog seinen eigenen Vater und Herrn. Dafs er glaubte, hiermit einem grofsen poli- tischen Zwecke zu dienen, kann sein hochverrätisches Vorgehen einigermafsen entschuldigen, aber nicht rechtfertigen. Er hat später das Schmähliche seiner Handlungsweise selbst eingesehen und durch Unkenntnis der wahren Sachlage und durch absichtliche Täuschung seitens der Kaiserlichen zu diskulpieren gesucht Ver- gebens: die Aktenstücke sind da, um ihn Lügen zu strafen. Er hat sich wissentlich und vollständig dem Kaiser gegen den eigenen Vater zur Verfügung gestellt. Anhalt hatte den Ver- mittler bei diesem Werke des Truges gemacht ^

Es war eine verhängnisvolle Tat. Indem Kaiser Leopold in eben dem Augenblicke, wo ihm deutsche Krieger ein gewaltiges Königreich gegen die Türken eroberten, nicht einmal ein unbe- deutendes Stückchen Landes der grofsen Sache Europas opfern wollte, indem er sich hier in einen unkaiserlich schmählichen Betrug einliefs , hat er den Anlafs zum völligen Verluste Schlesiens für seine Nachkommen und zu den glorreichen Siegesschlachten gegeben, durch die Friedrich II. sein Preufsen, anstatt Oester- reichs, an die Spitze Deutschlands gestellt hat.

Um die Täuschung zu vollenden, gab sich Leopold den An- schein, in dem Schwiebuser Kreis dem Kurfürsten ein überaus schweres Opfer für dessen Freundschaft und Bündnis darzu- bringen. Am 22. März 1686 ward endlich, nach langem Feilschen , von Fuchs und Fridag der Brandenburg - kaiserliche Allianzvertrag unterzeichnet '. Er nahm ganz ausdrücklich die gemeinschaftliche Verteidigung aller Reichsstände gegen sämt- liche „unter dem Titel der Reunionen und Dependenzien"

^ S. besonders den Bericht Fridags vom 22. März 1686 ;Pribram,95ff.

' Mörner, 750 ff. Die vielfachen formalen Streitigkeiten, die die endgültige Ratifikation des Vertrages noch monatelang hinausgeschoben haben, übergehen wir als ganz unwesentlich.

Sechaundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 415

geschehenen Vergewaltigungen, auch die Beschützung des Kur- fürsten von der Pfalz gegen jede Beeinträchtigung seines Ge- bietes in Aussicht. Sonst entsprach er vollkommen den Aner- bietungen Friedrich Wilhelms, der im sechzehnten Artikel alle Ansprüche auf die schlesischen Fürstentümer aufgab. Der Kaiser dagegen verhiefs (Art. 18), den König von Spanien für den Fall, dafs dieser die noch geschuldeten Subsidien nicht in Geld abzutragen vermöge, zur Abtretung eines angemessenen „Land- stückes'' zu bewegen.

Dieser geheime „Defensionsvertrag** eröffnet eine neue Periode der brandenburgischen Politik, die Periode der treuen Gefolg- schaft für das Haus Habsburg, die länger als ein halbes Jahr- hundert gedauert hat. Gewifs hat Friedrich Wilhelm mit diesem bedeutsamen Schritte vor allem der Sache der europäischen Freiheit einen wichtigen Dienst leisten wollen. Die sich stets erneuernden Gewalttaten und Ansprüche Frankreichs zum Schaden des Kelches und die unbarmherzige Verfolgung seiner Glaubens- genossen, die doch die Wirkungen der kaiserlichen Unduldsamkeit noch weit übertraf, hatten ihm das Bündnis mit Ludwig XIV. unerträglich gemacht, ja, als ein verderbliches erscheinen lassen. Das Heil konnte nur aus dem Zusammenschlüsse aller aktions- fähigen Staaten gegen den König von Frankreich erwachsen. Indes sprachen auch Gründe des partikularen Staatsinteresses bei diesem Abschlüsse mit. Es hatte sich herausgestellt, dafs von Frankreich Beihilfe, ja nur Zustimmung zu einer Vergröfserung Brandenburgs nicht zu erwarten war. Ludwig XIV. hatte viel- mehr einige Stücke der den kurfürstlichen Kindern erster Ehe rechtlich zustehenden oranischen Erbschaft, besonders das Fürstentum Orange, ohne Rechtsgrund, rechtliches Verfahren oder Entschädigung in Besitz genommen. Dagegen verschaffte das Bündnis mit dem Kaiser dem Kurfürsten sogleich den Schwiebuser Kreis, der ihm in der Tat während der folgenden Monate abgetreten wurde, für die Zukunft die Anwartschaft auf Ostfriesland, sowie auf ein Stück von Spanisch-Geldem ; es liefs sich endlich nur durch die Beihilfe der gegen Frank- reich Koalierten eine günstige Erledigung der oranischen Erb- schaftssache erhoffen. So waren es mannigfache Gründe, allge- meine europäische wie besondere brandenburgische, die Friedrich Wilhelm zum Abschlüsse des nDefensionsvertrages^ veranlafsten.

Dessen 23. Artikel hatte vorgesehen, dafs zur Erklärung

416 Siebentes Buch.

der Abtretung des Schwiebuser Kreises, sowie der Liechten- steinschen Schuldforderung ein für die Öffentlichkeit bestimmter Scheinvertrag aufgesetzt werden solle. Dieser sogenannte „Satis- faktionsvertrag**, bei dem auch die französisch gesinnten und in die geheimen Verhandlungen nicht eingeweihten Minister Meinders und Grumbkow mitwirkten um so Frankreich desto nach- drücklicher zu t&uschen , ward am 7. Mai unterzeichnete Er enthielt nur die Zugeständnisse des Kaisers, die mit seinem Wunsche begründet wurden, die Ansprüche des Kurfürsten abzutun und ihm zugleich den Dank für seine Zusage der Hilfe- leistung gegen die Türken kundzugeben. Indes, eine wichtige Bestimmung des wahren Vertrages fand selbst in diesem Schein- vertrag Aufnahme: das Versprechen, sämtliche Besitzungen des Pfälzers, auch Jülich und Berg, zu verteidigen. Friedrich Wilhelm hatte es in voller Absicht getan, ^damit es Frankreich möge inne werden allenfalls, und man sonsten im Reiche adver- tiret werde, wessen sich Brandenburg bereits entschlossen''. Das System von Verträgen, das Brandenburg mit den ver- schiedenen Gegnern Frankreichs verknüpfte, dehnte sich immer weiter aus. Nach dem Bündnis mit den Niederlanden und noch vor dem Vertrage mit dem Kaiser war eine Allianz mit Schweden abgeschlossen worden. Falaiseaus Unterhandlungen in Stockholm waren zuerst auf die Schwierigkeit gestofsen, dafs die dortigen Minister, auch Bengt Oxenstierna, gegen Brandenburgs schwan- kende Politik schwer überwindliches Mifstrauen hegten* Allein das persönliche Eingreifen König Karls XI. hatte zuletzt die Sache entschieden. Der junge schwedische Monarch sprach grofse Bewunderung für den Kurfürsten und den Wunsch aus, sich mit diesem Herrscher zur Erhaltung der Ruhe und des gegenwärtigen Zustandes in Europa, vornehmlich in den reli- giösen Fragen, zu verbinden*. Am 10./20. Februar 1686 wurde demgemäfs, durch Grafen thal und abermals durch Fuchs, ein ge- heimes Verteidigungsbündnis auf zehn Jahre unterzeichnet^. Es bezog sich auf den Schutz nicht nur der Länder der beiden kontrahierenden Mächte, sondern auch der Integrität des Deutschen

1 Mörner, 759ff. Vgl. U. u. A., XIV, 1289ff.; sowie Pester, Augsb. Allianz, 28.

Berlin, Geb. Staatsarchiv, Rep. XXXIV, 227 z. » Mörner, 478ff.

Sechsundvierzigstes Kapitel. Die Abkehr von Frankreich. 417

Reiches, sowie besonders der norddeutschen Beichskreise. Das Haus Lüneburg sollte zu dem Vertrage herangezogen werden. Die Hauptsache war für den Kurfürsten der erste Sonderartikel, der „bei der täglich gewaltsam steigenden Gefährdung des evangelischen Wesens^ die Verteidigung der Religions- und Gewissensfreiheit, zumal für die Reichsst&nde , beiden Mächten zur Aufgabe stellte, und zwar mit Hilfe auch des Kaisers und der katholischen Fürsten Deutschlands. Es war die „evangelische Allianz'', die doch durchaus keine Feindschaft gegen die Katho- liken in sich begrifif ; sie bestimmte hier die Handlungen Karls XI. und Friedrich Wilhelms.

Nur ein so starker Beweggrund konnte den Kurfürsten zu einer Politik bewegen, durch die er auf den seit jeher ge- hegten Traum, auf das Hauptziel seines Strebens entschlossen Verzicht leistete: auf die Vertreibung der Schweden vom deutschen Boden und besonders die Erwerbung Vorpommerns, zumal Stettins mit dem unteren Oderlauf für Brandenburg. Was er auch sonst in listiger oder leidenschaftlicher Selbstsucht gefehlt haben mag es wurde reichlich wieder wett gemacht durch das gewaltige Opfer, das er hier der Freiheit Europas und des Religionsbekenntnisses gebracht hat.

Um jedes Mifstrauen gegen Schweden aufgeben zu können, ersuchte der Kurfürst diese Macht und Holland, ihn in ihre am 12. Januar 1686 abgeschlossene Allianz, deren universale Be- deutung unzweifelhaft war, als dritten aufzunehmen. Zwar widersetzte sich die französische und auch die dänische Diplomatie mit Eifer diesem Bestreben, da beide hierin den Abfall Brandenburgs von ihrem eigenen Bündnisse erblickten. Allein umsonst. In den Niederlanden gab es jetzt dem Ver- folger des Protestantismus, dem übermütigen Despoten gegenüber nur eine Partei; Wilhelm von Oranien war aus einem Partei- führer nunmehr der von allen anerkannte Leiter der Republik geworden. Es herrschte in dieser eine Harmonie, wie solche seit mehr denn einem Vierteljahrhundert unbekannt gewesen war. Und diese Einigkeit umfafste die Freundschaft für Branden- burg. „Meine Intention, ** sagte der Ratspensionar, „zielt dahin, mit niemandem in einige Mesures zu treten, ohne vorherge- gangene Kommunikation mit Durchlaucht von Brandenburg.''^

» Ms. Diest an Kurf., 14./24. Nov., 21. Nov. / 1. Dez. 1685; Geh. Staate- archiv (Berlin), XXXIV, 227 z.

Philippson, Der Grofse Kurfflrst. III. 27

418 Siebentes Buch.

Die im Vertrage vom 23. August 1685 versprochene Zahlung an Brandenbui^ wurde von den Hollilndem noch vor dem Fällig- keitstermin geleistete So kamen die Generalstaaten der Forderung des Kurfürsten gern entgegen, und am 17./27. April 1686 wurde die Inklusion ** Brandenburgs, die man eifrig, aber ohne Erfolg, vor der französischen Diplomatie geheimzuhalten suchte, im Haag vollzogen'. Friedrich Wilhelm, der noch jüngst jeden Transport schwedischer Truppen als Kriegsfall zu betrachten pflegte, gab jetzt zu erkennen, dafs zur Verteidigung des Reiches „auch die Krone Schweden ihrer in Teutschland habenden, ansehnlichen Provinzen halber mit Fug konkurrieren kann".*

Auch mit den Weifen versöhnte er sich. Der Kurprinz reiste zu seinem Schwiegervater von Hannover und brachte es zuwege, dafs dieser einstweilen auf Verhandlungen wegen eines französischen Bündnisses verzichtete. Der hauptsächlichste Streit- punkt zwischen den Lüneburgem und dem Kurfürsten ward be- seitigt, indem beide Teile sich über die Quartiere einigten, in denen die dem Kaiser für Ungarn zu stellenden Truppen unter- gebracht werden sollten. Aus Rücksicht auf die Vermittlung Brandenburgs zog wie der Herzog von Celle laut verkündete auch dieser Weife seine Scharen aus dem Gebiete Hamburgs zurück^. Die Lüneburger kokettierten jetzt förmlich mit der brandenburgischen Freundschaft.

So nahm Friedrich Wilhelm eine hervorragende Stellung ein in der Phalanx, die sich allmählich zu einem grofsen euro- päischen Bunde gegen Ludwig XIV. gestaltete. Er suchte auch die evangelischen Schweizerkantone in diese Allianz hinein- zuziehen, wozu sie in der Tat viele Neigung zeigten. Das Streben des Allerchristlichsten Königs nach der Weltherrschaft hatte von Seiten der lebensvollen und selbstbewufsten euro- päischen Völker die natürliche Gegenwirkung hervorgerufen; und an deren Spitze stand, neben Wilhelm von Oranien, dessen Oheim von Brandenburg. Wie gründlich hatte doch R^benac, der sich so schlau dünkte und auf die deutschen Barbaren so überlegen hinabblickte, sich geirrt, wenn er noch am 22. Januar

^ Fester, Augsb. Allianz, 34.

« Mörner, 485 ff. U. u. A., III, 778. d'Avaux, V, 129 f.

» Berlin, Geh. Staatsarchiv, XXXIV, 227 z.

* Ms. Dep. Röbenacs vom 1. Jan., 18. April 1686 (B).

Sechsondvierzigstes Kapitel. Die Abkelir von Frankreich. 419

1686 seinem Könige schrieb: „Es scheint, mir keineswegs, als ob der Herr Kurfttrst von Brandenburg die mindeste Absicht hege, mit dem Kaiser wieder anzuknüpfen noch das Bündnis mit Eurer Majestät zu verlassen." * Im Augenblicke, wo er diese Worte aufzeichnete, hatte sich im stillen der Umschwung schon vollzogen. Die Verletzung der Religionsfreiheit in den reunierten Landen, die durch feierliche Verträge und nicht minder feierliche Zusagen des Königs an den Kurfürsten ge- währleistet war, versetzte diesen ebensosehr in Zorn wie die Errichtung eines Denkmals auf der Place des Victoires in Paris, wo Elbe und Oder als kriegsgefangene Frauen am Sockel klagten, zum Andenken an die Wiederunterwerfung dieser Ströme unter schwedische Herrschaft durch die siegreichen Waffen Frankreichs '. Der kecke Übermut und die grundsätz- liche Verachtung fremden Rechtes und fremder Ehre durch Ludwig und seine Günstlinge haben recht eigentlich Europa gegen ihn zum Kampfe gezwungen unter so vielen anderen auch Friedrich Wilhelm von Brandenburg.

^ Secueil des Instanictions, Bd. XVI, S. XLH. * Prutz, 807.

27*

Siebenundvierzigstes Kapitel.

Augsburger Bund und Tttrkenkrieg.

Der Pfälzer Streit gab Friedrich Wilhelm nur allzuBchnell die Gelegenheit, sich als Verfechter der Freiheit und Unantast- barkeit des Reiches zu bewähren. Die Lage hatte sich insofern für das deutsche Interesse verschlimmert, als aus Furcht vor Frankreich Philipp Wilhelm sich weigerte, dem dringenden Rate Brandenburgs zufolge sich als Erben auch der AUodien seines Vorgängers zu erklären und dadurch dessen Testament anzuneh- men und zu bekräftigen, das ihn ja zum Universalerben er- nanntet Da die übrigen Legatare begreiflicherweise keine Neigung bezeigten, als Erben aufzutreten und so für ein gering- fügiges Vermächtnis den Zorn des AUerchristlichsten Königs auf sich zu laden, blieb zum grofsen Kummer Friedrich Wil- helms nichts übrig, als auf das Testament zu verzichten und die Intestaterben zuzulassen. Die Folge davon war zunächst, dafs, nach dem Heiratsvertrage der Herzogin von Orleans, dieser die Hälfte der Eigengüter ihres Bruders, ja vielleicht diese alle gehörten. Eine um so bedenklichere Tatsache, als den König Ludwig die Verwerfung des päpstlichen Schiedsspruches durch den Pfälzer und durch den Kaiser in hellen Zorn versetzte. „Es hat,^ sagte er Mitte Januar 1686 dem Nuncius, „nur an uns gelegen, mich mit viertausend Reitern in Besitz dessen zu setzen, was uns gehört. Ich habe andere Wege vorgezogen, die meine Mäfsigung bewiesen, und die dem Kurfürsten (von der

^ Das Folgende nach Ms. Korresp. des Kurf . , Mandelslohs u. s. w.; Geh. Staatsarchiv, Berlin, Rep. XL, 9B. Vgl. Immich, Orleansscher Krieg, S. 28 ff., u. Innozenz XI., S. 45 ff.

Siebenand vierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Tttrkenkrieg. 421

Pfalz) keineswegs verdächtig sein sollten. Aber da er nicht hierauf eingehen will, mufs ich zusehen, was ich zu tun habe, um Madame und meinem Bruder zu bewahren, was ihnen zu- kommt. ^ In drei Monaten , setzten die Vertreter des Herzogs von Orleans hinzu, sind Jahr und Tag verstrichen, wodurch nach deutschem Hechte der tatsächliche Besitz zum rechtlichen wird; deshalb mufs der Herzog den König um schleunige Dazwischenkunft bitten. Er wird den Herrscher um die Er- laubnis ersuchen, mit den französischen Regimentern, deren In- haber er selber und seine Verwandten sind, des Fürstentums Simmem und der anderen ihm zukommenden Gebiete sich zu bemächtigen.

Erschreckt ob der kriegerischen Entwicklung der Angelegen- heiten, die den Kaiser zum Friedensschlüsse mit den Ungläubigen zwingen konnte, schlug der Papst vor, sein Schiedsrichteramt in die gelindere Vermittlung zu verwandeln, die ja auch die Protestanten annehmen konnten. Darauf begann das alte Spiel von neuem. Der Pfälzer, der auf die gesamte territoriale Erb- schaft Recht zu haben glaubte, fürchtete auch bei der Vermitt- lung durch den Papst lediglich zu verlieren, schob also die Sache auf Kaiser und Reich und seine eigenen Agnaten. Leo- pold I. aber wollte von einer päpstlichen Vermittlung nur in dem Sinne hören, dafs sie Ludwig XIV. zur Nachgiebigkeit und zur Überantwortung der Entscheidung an die Reichsgerichte veranlasse. Der Brandenburger endlich verwarf grundsätzlich jede Einmischung des Papstes (10./20. Februar 1686). Sonst wirkten er und Spanheim eifrig für den Frieden, aber nur im Sinne der reichsrechtlichen Erledigung des Streites. Er be- zeichnete die Befürchtung einer Ersitzung der Lehen als „chi- märisch^, als „nie erhört noch erdacht, so lange das Reich ge- standen^. Es liege deshalb für Orleans kein Grund vor, gewaltsam den Besitz einiger der pfälzischen Reichslehen zu erwerben. Eine Okkupation pfälzischer Lande von Seiten Frankreichs werde im ganzen Reiche als Bruch des Stillstandes gelten: er gedenke solche niemals zu dulden. Anderseits mahnte er in Wien und Regensburg zu schleuniger und gütlicher Beilegung des Erb- schaftsstreites. Er hatte die Genugtuung, dafs, infolge der aus- drücklichen Erklärung des Kaisers, der Ablauf des Jahres seit der Erbschaftseröffnung sei für die Rechte Orleans' ohne Be- deutung, Ludwig XIV. sich hiermit einstweilen zufrieden gab.

422 Siebentes Buch.

Es war dies um so wichtiger, als Leopold seiner Zusicherung die Bemerkung hinzugefügt hatte, dafs jede gewaltsame Besitz- ergreifung alles Anrecht vernichte und weitere Strafen nach sich ziehe (10. März). Der Reichstag schlofs sich der kaiser- lichen Deklaration an. Ja, Leopold und Kurfürst Friedrich Wilhelm zeigten sich jetzt geneigt, unter gewissen Bedingungen die Vermittlung des Papstes anzunehmen, da Innocenz XL Be- weise seiner gerechten und friedfertigen Gresinnung gegeben hatte. Ludwig XIY. aber berief den leidenschaftlichen und hochfahrenden Abb6 Morel von Heidelberg ab und ersetzte ihn dort durch den Präsidenten des Metzer Parlaments Fr6myn de Morovas, einen besonnenen und formgewandten Juristen, dessen Auftreten einen erfreulichen Gegensatz zu dem seines Vor- gängers bot.

So trat Anfang April 1686 eine zeitweise Beruhigung in der Pfälzer Angelegenheit ein. Aber auf ihre Dauer war nicht zu zählen. Es war nur ersichtlich, dafs der König von Frank- reich momentan bestrebt war, eine Entscheidung der Sache nach der einen oder der anderen Seite hin zu vermeiden, um einen hinreichenden Vorwand zu Gewaltmafsregeln gegen Kaiser und Reich zu erwarten. Man hing lediglich von seinem Gutbefinden ab, solange die deutschen Streitkräfte gegen die Türken be- schäftigt waren. Friedrich Wilhelm ersuchte also, in Überein- stimmung mit dem geängsteten Pf&lzer, den Kaiser dringend, mit der Pforte Frieden zu schliefsen, um mit ganzer Macht den Franzosen entgegentreten zu können. In aller Stille entwarf er einen Plan, „welchergestalt, nach gemachtem Frieden mit den Türken, Frankreichs weitaussehende Desseins wie auch desselben Appetit, mehr Gonquesten im Reiche und anderswo zu machen, zu verhindern und demselben Widerstand und wirklichen Ab- bruch zu thun''. Man sieht, wohin die Absichten und Gedanken des greisen Staatslenkers gingen. Des Kaisers Streitkräfte schlug er nur auf 40000 Mann, dagegen die Reichstruppen auf 114000 an, unter denen nicht weniger als 22000 Brandenburger. Für Niederländer und Spanier rechnete er 45000. Während die Spanier und die Mehrzahl der Deutschen sich in Belgien und am Rhein nur verteidigungsweise hielten, sollten die 35 000 Nieder- länder und 22 000 Brandenburger geradeswegs auf Paris mar- schieren und die zahlreichen unzufriedenen Franzosen, Katho- liken wie Protestanten, zum Aufstande bewegen. Der Hoch-

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adel, die Prinzen von Geblüt, das Pariser Parlament, die alle unter des Königs Tyrannei seufzten, würden sich „zu uns schlagen**. Dann werde Frankreich ,yin solchen Stand gesetzet werden, dafs man es inskünftige nicht mehr zu fürchten haben würde" *.

Der Plan ist nicht so chimärisch, wie er scheinen könnte. Die häufigen, blutigen Empörungen, die damals in vielen fran- zösischen Provinzen gegen den unerträglichen Steuerdruck aus- brachen, und die notorische Unzufriedenheit eines grofsen Teils des französischen Adels stellten ein wenigstens zeitweises Ge- lingen wohl in Aussicht. Der Geist kühner Offensive erfüllte den kranken, alten Helden. Er zeigt keine Spur der metho- dischen Bedächtigkeit, wie er selber sie in Pommern entfaltet hatte: es ist der Geist von Rathenow, Fehrbellin, des preufsi- schen Winterfeldzuges, der in ihm lebt und ihn mit heroischem Feuer erfüllt. Keiner der späteren Generale, bis auf Blücher und Gneisenau selbst nicht Marlborough und Prinz Eugen sind seinem Erfolg verheifsenden Plane gefolgt.

Allerdings, die Grundbedingung zum Gelingen war: Friede mit den Türken!

Das hinderte nicht, dafs er zunächst seine Verpflichtungen zu deren Bekämpfung in vollem Mafse erfüllte. Nicht 7000 Mann, wie er vertragsmäfsig zugesagt^, sondern 8300 stellte er dem Kaiser, darunter mindestens 7600 Streitbare : „auserlesenere und wackrere, auch besser muntierte Völker", sagt Baron Fridag als Augenzeuge, „sollen sich nicht leicht finden, auch dergestalt, dafs kein Mann darunter zu tadeln oder auszuschliefsen sei.*" So der kaiserliche Gesandte; der französische fand besonders die Infanterie „bewundernswert schön"*. Es waren alles, Offiziere wie Gemeine, Freiwillige aus der brandenburgischen Armee keiner war zum Kampfe gegen die Ungläubigen genötigt worden. Das Rendezvous war zu Kressen an der schlesischen Grenze; Friedrich Wilhelm fuhr selber dorthin, liefs sich dann „mit nicht geringer Bemühung" zu Pferde setzen, umritt das ganze Lager, das mehr als eine halbe Meile lang war, und hielt endlich eine Truppenschau über das Korps ab. Indem er am Schlüsse die höheren Offiziere um sich versammelte, ermahnte er sie, seiner

1 U. u. A., XIV, 1293 ff. « Prutz, 310.

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Waffen und ihre eigene Reputation beständig vor Augen zu halten, scharfe Disziplin zu beobachten und „brave Actionen^ zu verrichten. „Er hätte hierbei nichts so sehr gewttnschet, als in dem Stande zu sein, sie Selbsten in eigener Person kom- mandieren zu können; alldieweilen aber durch allbereits Ab- nehmung der Kräfte, auch unterschiedliche schmerzhafte Zu- fälle ihm solches zu unternehmen nicht mehr möglich, so ver- sicherte er sie, dafs er aller Orten mit seinem Herzen und Ge- mOte bei ihnen sei und sie begleite. Bei diesen Worten wurde der Herr Kurfürst sehr bewegt, und ob er zwar die Rede voll- führte, so gaben jedoch sowohl die häufigen Zähren als kom- movierte Stimme solches öffentlich zu erkennen.^ Auch die Zu- hörer waren tief ergriffen ; in ihrem Namen antwortete Schöning (27. April 1686 ^).

So sprach der Begründer des preufsischen Heeres zu seinen tapferen Kriegern, so knüpfte sich immer fester das Band zwischen diesem Heere und seinem Fürsten. Ein wahrer Mann war doch dieser Friedrich Wilhelm, Mut, Herz und Tatkraft sich erhaltend bis an den Rand des Grabes!

Er selber übergab die Truppen dem kaiserlichen Kommissar Grafen Schaffgotsch und kehrte dann nach Potsdam zurück. Er war voll Zuversicht, entschlossen, sein Recht nach allen Seiten hin zu wahren. So glaubte er nicht nur auf die ihm von Karl von der Pfalz ausdrücklich vermachten Gegenstände, sondern überhaupt auf einen Teil von dessen Mobilien Anspruch zu haben, infolge des Heiratskontraktes seiner Mutter, der Tochter des Kurfürsten Friedrich IV. und Tante Karl Ludwigs von der Pfalz ^. Er verhinderte deshalb die Überweisung der hinter- lassenen Mobilien an die Vertreter der Orleans in Heidelberg. Das berührte natürlich in Paris sehr unangenehm, und der Zorn richtete sich vorzüglich gegen Brandenburg, zumal Philipp Wil- helm alle Verantwortung ablehnte und erklärte: er wolle sich nicht zwischen Hammer und Ambos bringen. Groissy stellte Span- heim zur Rede: „Es ist eine unerhörte Sache, dafs eine Erbin von der Bedeutung Madames das ihr Gehörige unter dem Vor-

* Bericht Fridags vom 3. Mai; U. u. A., XIV, 1285 ff. Anonymer Bericht aus Krossen, 17./27. April; K. "VV. v. Schöning, Q^n.-Feldm. Hans Adam v. Schöning (Berlin 1837), S. 84 ff.

> Das Folgende nach der Ms. Korresp. des Kurf. mit Mandelsloh u. Spanheim I April bis Juli 1686.

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 425

wände eines durchaus nichtigen und als solches von den übrigen Vollstreckern anerkannten Testaments beraubt wird. Aber noch seltsamer ist, dafs dieses Hindernis von einem Verbündeten Frankreichs herrührt, ohne dafs sogar die Remonstrationen, die deshalb Graf R6benac auf Befehl des Königs dagegen erhoben hat, irgend eine Wirkung herbeigeführt hätten. Ich vermag nicht hinreichend zu schildern, wie überrascht und ungehalten der König hierüber ist. Es scheint, man ist recht froh, der Welt diesen neuen Beweis von der geringen Achtung zu geben, die man in Berlin für den einzigen Bruder des Königs und den Anteil hegt, den Se. Maj. notwendigerweise an ihm nehmen mufs." Erst nach langen Unterhandlungen kam es am 16. Mai zu einem vorläufigen und am 12. Juli zum endgültigen Vergleichen zwischen Mandelsloh und Morovas. Der Brandenburger erhielt das ge- samte Medaillenkabinett Karl Ludwigs, die moskowitische Schale, sowie für seine Ansprüche an die Erbschaft Friedrichs IV. zwei Gemälde. Nunmehr konnten wenigstens die Mobilien den Fran- zosen ausgeliefert werden.

Die Mifsstimmung , die aus dieser Angelegenheit in Paris gegen den Kurfürsten zurückgeblieben war, wurde erhöht durch die offenbare Begünstigung, die, auf ausdrücklichen Befehl seines Herrn, Spanheim beharrlich den widerspenstigen Hugenotten zuteil werden liefs. Er gab ihnen Geldunterstützung, nahm ihre Effekten an sich, verbarg solche in seinem Hause, das ganz voll hugenottischer Waren steckte, liefs sie selber zum Gottesdienste in seiner Kapelle zu. Die französische Regierung war darüber mit ihm in stetem Zerwürfnis und verhaftete die Franzosen, die bei ihm verkehrten ^ Allein diese Zwistigkeiten waren immer- hin untergeordneter Natur viel wichtiger die Wahrnehmung, die sich, trotz aller Bemühungen, das Geheimnis zu erhalten, aus den offenkundigen Tatsachen den Ministern Ludwigs XIV. aufdrängte, dafs Friedrich Wilhelm die ganze Richtung seiner Politik in einem für Frankreich ungünstigen Sinne gewechselt habe.

Sein Verhältnis zu Oranien wurde immer vertraulicher, und auch die bisher auf französischer Seite stehende Kurfürstin Dorothea ward für dessen Partei gewonnen, als ihr Wilhelm III.

* Ms. Korresp. Spanheims, 1686; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 24 C. Vgl. Bourgeois, Spanheim, 3«8f.

426 Siebentes Buch.

die Nachfolge ihres Sohnes Philipp in seinen niederländischen Würden in Aussicht stellte und den jungen Prinzen einlud, auf einige Jahre nach dem Haag zu kommen, um sich dort mit seinen zukünftigen Landsleuten vertraut zu machen. Kurfürst und Oranier wurden indes mehr, als durch alle persönlichen Gründe, durch ihre gemeinsame Besorgnis für die Zukunft des Protestantismus verbunden, als dessen Vorkämpfer und haupt- sächliche Stützen sie damals in ganz Europa betrachtet wurden. Sie verabredeten eine Zusammenkunft in Kleve zu näherer per- sönlicher Verständigung über den gemeinsam einzuschlagenden Weg^

Inzwischen hatte sich der Kaiser auf Ansuchen der süd- westlichen Reiehskreise dahin entschieden, das nunmehr zu Ende gehende Laxenburger Bündnis durch eine neue, noch intimere Allianz zu ersetzen. Sie wurde am 9. Juli 1686 zu Augsburg von den Gesandten des Kaisers, der Krone Spanien, Schwedens, Kurbayems, sowie des bayrischen Kreises, des fränki- schen Kreises und der sächsischen Herzoge unterzeichnet. Der oberrheinische Kreis und die Kurpfalz traten ihr binnen kurzem gleichfalls bei: auf drei Jahre wurde sie geschlossen^.

Die Augsburger Allianz ist nie zur Ausführung gekommen ; sie ist nur auf dem Papier geblieben und sofort nach ihrem Ab- schlufs von ihren hervorragendsten Teilnehmern, besonders Max Emanuel von Bayern, mit Gleichgültigkeit behandelt worden. Der Gedanke eines Verteidigungsbündnisses einiger süd- und mittel- deutschen Territorien mit zwei am äufsersten Ende Europas ge- legenen und schon im Verfalle befindlichen Staaten war ein ganz phantastischer. Allein die Augsburger Allianz ist dadurch be- deutend geworden , dafs es Ludwig XIV. gefiel , in diesem schwachen, überdies rein defensiven Bündnis den erhofften Vor- wand zu finden y um sich als von Deutschland bedroht auszu- geben und darauf mit einer Reihe neuer Gewalttaten zu ant- worten. Er wollte hiermit das Reich zur Unterwerfung unter seinen Willen nötigen, ehe des Kaisers Heer durch einen Frieden mit den Türken gegen ihn verfügbar werde.

* d'Avaux, V, 185 ff. 145 f.

^ V. Zwiedineck-Südenhorst, Die Augsburger Allianz von 1686; Arch. f. österr. Gesch., LXXVI (1890), S. Iff. Fester, Die Augsburger Allianz (München 1898).

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 427

Der Kurfürst von Brandenburg hat sich ebensowenig der Augsburger Allianz angeschlossen, wie einst dem Laxenburger Bündnis. Er erkannte ihre völlige Bedeutungslosigkeit und hielt es für nutzlos, sich vorzeitig als offener Gegner Frank- reichs hinzustellen. Damit hätte er jeden Einflurs auf dessen Entschlüsse verscherzt, und die Last wie die Gefahr wären hauptsächlich auf ihn gefallen. Aber seine Haltung auf dem Regensburger Reichstage, wo er beständig auf schleunige und starke Rüstung des Reiches drang und in allen Dingen für die Vorschläge des Kaisers eintrat, liefs an seiner Parteistellung keinen Zweifel. Die R6fugi^s in seiner Umgebung, zumal der ihm längst vertraute Graf Beauvau d'Espence, reizten ihn un- aufhörlich gegen Ludwig XIV. auf. Fuchs, den man als Meister aller Angelegenheiten in Berlin betrachtete, machte gar kein Hehl aus seiner Abneigung gegen Frankreich, das seinem Herrn nicht wie einem Verbündeten, sondern wie einem Sklaven be- gegne und trotz des Waffenstillstandes immer neue Gewalttaten gegen die Verträge begehe. Der greise Herrscher selber be- schwerte sich fortwährend in so bitteren Worten über die religiöse Unduldsamkeit des Königs, der, gegen die ausdrücklichen Be- stinunungen des Stillstandes von 1684, den Protestantismus in den reunierten Ländern gänzlich zn unterdrücken bestrebt war, dafs R^benac die stürmischen Audienzen durch schleunigen Ab- schied zu verkürzen sich veranlafst sah. Dabei kam es vor, dafs der kecke, die Deutschen höchlichst verachtende Südfranzose, mit deutlichem Hinweise auf Fuchs und Anhalt, die Räte Friedrich Wilhelms der Lüge und des Betruges zieh und ihm selbst mit der Macht seines Königs drohte worauf der Kurfürst äufserst zornige Antwort gab (28. Juni 1686 *).

Überall arbeitete Friedrich Wilhelm gegen das französische Interesse. Trotz aller Gegenvorstellungen des Kölner Kurfürsten beharrte er darauf, die Stadt Köln durch brandenburgische Be- satzung zu schützen; denn, sagte er dem an ihn abgesandten Münsterer Komtur Schmising, er hege starken Verdacht, dafs seines Herrn Vertrauter, der Bischof Fürstenberg von Strafsburg, ebenso wie das Kurfürstentum auch die Stadt Köln den

^ Berichte Rebenacs bei Prutz, S. 318 ff., u. bei G. Pag^s, Les r^fugi^s k Berlin (Bulletin de la Soci^t^ de l^hist. du Protestantisme fran^ais, 1902), S. 1311.

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Franzosen in die Händen spielen wolle , und das werde Branden- burg nicht leiden. Er beklagte sich dem Komtur gegenüber bitter Ober Frankreich und zumal Ober den Revers, den dieses ihm abgeprefst: „Es ist doch schlimm, dafs Frankreich sich alles erlauben darf und die übrigen sich nicht einmal beschweren dürfen.^ Dem Strafsburger Bischöfe aber erklärte er offen: „Ihr seit zu sehr Franzos, als dafs ich hoffen darf, Euch noch je als guten Deutschen zu erfinden/ ^

Solche Vorgänge liefsen in Paris keinen Zweifel über die wahren Ziele und Absichten Friedrich Wilhelms. Der König befahl sowohl R6benac wie d'Avaux im Haag, auf alle Ver- handlungen des Kurfürsten und seiner Minister genau Obacht zu geben und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu ver- hindern, dafs Brandenburg noch engere Verbindungen mit dem Kaiser, Oranien und den Generalstaaten eingehe'.

Der König sah keinen Vorteil darin, mit dem Kurfürsten sofort zu brechen; er und seine Staatsmänner „dissimulierten". Man heuchelte von beiden Seiten wohlwollende Gesinnungen. Inzwischen erhielt Ludwig allerorten die Streitigkeiten im Gange, bis ihm der Augenblick gekommen schien, im Bunde mit England, vielleicht auch mit Dänemark und den Lüneburgem, gründliche Abrechnung mit allen seinen Gegnern zu halten, jedenfalls sie zur Unterwerfung zu nötigen^. Groissy beklagte sich bitter über das offenbare Einverständnis des Kurfürsten mit dem Prinzen von Oranien, „dem schlimmsten Feinde Frankreichs, und der ganz ausschliefslich darauf denke, es in Krieg zu verwickeln, oder mit seinen Verbündeten zu verfeinden". Ebenso beschwerte sich der Minister über die enge Verbindung des Kurfürsten mit dem Kaiser, den er zum Schutze der Pfalz mit den Schweden alliiert habe, und über die Haltung des branden- burgischen Gesandten in Regensburg. Groissy ging so weit, den Fürsten in demütigendster Weise zur Änderung seiner Befehle für Regensburg nötigen zu wollen. Als Zwangsmittel benutzte er die Einstellung der vertragsmäfsigen Subsidienzahlungen

1 Mb. Komtur Schmising an Kurf. Köln, Bielefeld 29. Aug. 1686; Berlin, Geh. Staatearchiv, Rep. XLIV, IV H b, 10 o.

« d'Avaux, V, 153. Prutz, 315.

^ Über das Folgende die Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim (a. 0., 24 C), sowie B6benacs mit seinem Könige (B). Vgl. Becueil des Instructions, XVI, 227 Anm. 3.

Siebenundvierzigstee Kapitel. Augsburger Bund und Türkenlcrieg. 429

an Brandenburg, die doch nur zur Förderung von Frankreichs Feinden und zur Unterstützung seiner desertierten Untertanen der R^fugiös verwandt würden. Auch verweigerte man hartnäckig die Herausgabe des beschlagnahmten kurfürstlichen Schiffes „der Morian".

Allein diese Mittel verfingen nicht mehr. Friedrich Wilhelm war zu schwer gereizt, auch jetzt des Beistandes des Kaisers, der Niederlande und Schwedens allzu sicher, um sich noch einmal der Schmach einer Unterwerfung, wie bei der „Deklaration^, auszusetzen. Er antwortete am 16. Juli kühl abweisend : er habe weder durch seine Anordnungen nach Regensburg wegen der Reichs- rüstung noch sonst die mit Frankreich bestehenden Verträge im mindesten verletzt noch zu begründetem Verdachte Anlafs gegeben.

Seine Versicherungen konnten, obschon sie die Miene der gekränkten Unschuld annahmen, vor der Wucht der Tatsachen nicht bestehen. Ehe noch jene Behauptungen in Paris vorge- bracht wurden, hatte Spanheim am 17. Juli dem Könige in persönlicher Audienz den öffentlichen „Satisfaktionsvertrag" zwischen seinem Kurfürsten und dem Kaiser vorlegen müssen. So sorgfältig in diesem auch die wirklich wichtigen Be- stimmungen des geheimen Bündnisses zwischen Österreich und Brandenburg ausgeschieden waren, er genügte, um Lud- wig XIV. tief zu verstimmen. Der König bezeichnete ihn als unvereinbar mit dem Bündnisse, das der Kurfürst mit ihm selbst eingegangen sei. Er habe freilich nichts gegen eine Unterstützung des Kaisers wider die Türkei einzuwenden ; allein das Betragen des Wiener Hofes gegen ihn selbst sei derart, dafs er jedes Einvernehmen mit diesem, zumal von Seiten eines Alliierten, übel aufnehmen müsse, und zwar hier um so mehr, als schon andere Mafsregeln des Kurfürsten ihm einen schlimmen Eindruck gemacht hätten.

Der offene Bruch war augenscheinlich nur noch Sache der ersten Gelegenheit.

Im Juli 1686 unternahm Friedrich Wilhelm nach mannig- fachen störenden Zwistigkeiten in der Familie^ endlich die Reise nach Kleve, die ihn mit Wilhelm von Oranien zusammen- führen sollte ; am 30. des Monats traf er mit seiner Gattin und dem Prinzen Philipp sowie mit den bedeutendsten der an seinem

> Prutz, 202£f.

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Hofe beglaubigten Diplomaten in der niederrheinischen Grenz- stadt ein. Vergebens hatte auf dem Wege der greise EurfOrst von Köln noch einmal den Versuch gemacht, ihn durch Briefe und Gesandte wieder auf seine und Frankreichs Seite zu ziehen. Friedrich Wilhelm erwiderte, er werde sein dem Kaiser gegebenes Fttrstenwort halten, dafs er, nach dem Abschlüsse des Waffenstill- standes mit Frankreich , die militärische Sicherung des Reiches mit allen Kräften betreiben werde. Demgemäfs ermahnte er auch den durch die Franzosen eingeschachterten Kurfürsten von Trier zur Standhaftigkeit , indem er ihm fest zusagte, er werde ihn bei der ungekränkten Ausübung seiner Rechte wider alle seinem Kurfürstentum „darüber zustehende unbillige Gewalt allemal kräftigst zu manutenieren geflissen sein**.^ Ein frischer, kräftiger Hauch durchweht gerade diese letzten Regierungsjahre des Grofsen Kurfürsten, in denen man ihn neuerdings als einen gebrochenen, geistesschwachen Greis darzustellen versucht. Überall im Reiche erzählte man, er werde bald Frankreich den Krieg erklären und solche Volksmeinung war dem alten Herrn gerade erfreulich*.

Wenige Tage nach seiner Ankunft in Kleve langt dort auch Wilhelm von Oranien an (4. August), dem Friedrich Wilhelm herzliche Zuneigung und grofse^ Vertrauen bewies. In viel- stündigem Zusammensein unter vier Augen teilte er ihm seine geheimsten Abmachungen mit dem Kaiser und Schweden mit, zur höchsten Befriedigung seines Neffen. Oranien tat alles, um die letzten Schwierigkeiten für die grofse europäische Koalition, soweit sie Brandenburg betrafen, aus dem Wege zu räumen. Er bat den Kurfürsten, seine Streitigkeiten mit Spanien wegen der unbezahlten Subsidien auf billige Weise auszugleichen und darauf mit diesem Staate wieder in freundschaftliche Be- ziehungen zu treten ®. Und hier wurde der Grund zu dem welt- geschichtlichen Unternehmen Wilhelms von Oranien zum Sturze der Stuarts gelegt*.

Friedrich Wilhelm hatte stets gegen Jakob IL von England Mifstrauen und Abneigung empfunden, ihn als Feind des Prote-

' Fester, 104f.

* Ms. Dep. R^benacs vom 18. Juli (B). » U. u. A., XIV, 1310.

^ Das Folgende nach Ms. Korresp. des Kurf. mit Diest, Spaen u. Beyer, Januar bis Mai 1686; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, England 9.

Siebenundyierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 431

stantismus uod der europäischen Freiheit betrachtet. Er war darin scharfblickender und umsichtiger gewesen als Wilhelm Ton Oranien, der sich im Beginne von Jakobs Regierung durch dessen heuchlerische Versicherungen hatte täuschen lassen. Während der Kurfürst gegen Ende 1685 ofiiziell versprochen hatte, solche englische Rebellen, die sich im Klevischen vorfinden würden, in Haft zu nehmen und dem Könige auszuliefern, hatte er seinem Generalleutnant von Spaen und dem Vizekanzler Beyer in Kleve wiederholt aufgetragen, solche Leute unter der Hand von dem ihnen drohenden Schicksale in Kenntnis zu setzen und zu sofortiger Flucht in aller Stille zu veranlassen. Diest im Haag sollte von dem englischen Gesandten Skelton eine Spezifikation der flüchtigen Rebellen verlangen, angeblich damit man sich nicht an Unschuldigen vergreife. Tatsächlich wurde Diest angewiesen, die Liste heimlich an Spaen zu übermitteln, damit dieser „die Leute in Zeiten warnen könne, um sich aus dem Staube zu machen*'. Der Kurfürst sah in diesen Flücht- lingen vor allem Märtyrer des eifrigen Protestantismus. Diese Engländer ein Kapitän Wenner wird unter ihnen namentlich aufgeführt verstanden den Wink und entkamen rechtzeitig. Als dann, im April 1686, ein Agent König Jakobs im Klevischen erschien, um nachzuforschen, ob daselbst englische Rebellen sich aufhielten, und ob sie vom Kurfürsten beschützt würden, fand sich kein Verdächtiger dort vor, zur Genugtuung des englischen Herrschers.

Die immer stärkere und auffallendere Begünstigung des Katholizismus in England durch Jakob II. und dessen offen- barer Wunsch, mit dem mächtigsten katholischen Monarchen Europas, mit Ludwig XIV., durchaus freundschaftliche Be- ziehungen aufrecht zu erhalten, wurden schliefslich auch in Holland vermerkt und bewiesen, wie richtig der Brandenburger die Sachlage beurteilt hatte. Selbst Wilhelm von Oranien konnte sich der Einsicht nicht verschliefsen, dafs sein Schwieger- vater mehr und mehr zu seinem und seiner Sache Gegner werde. So näherte er sich der Auffassung des Kurfürsten von der Not- wendigkeit, eine Landung in England behufs Herbeiführung un- bestrittener Herrschaft des Protestantismus und einer franzosen- feindlichen Politik vorzubereiten. Beide Fürsten schlössen in Kleve einen Bund zur Unterstützung aller derjenigen Engländer,

432 Siebentes Buch.

die sich ihrem König entgegenstellen würden ^ Schon dieser Umstand genügt, um die Zusammenkunft in Kleve während des August 1686 zu einer ewig denkwürdigen zu machen. Selbst- verständlich wurden die Verabredungen sorgfältig geheim ge- halten. Allein seitdem wurden, in einer auch für Nicht- eingeweihte offenbaren Weise, die Beziehungen zwischen der Bepublik und der britischen Regierung sehr kühle, ja feind- selige*.

Das vortreffliche Einvernehmen, in dem Friedrich Wilhelm mit seinem Neffen von Oranien stand, drückte sich in dem Be- suche aus, den er mit seiner Gemahlin dem holländischen- Feld- lager auf der durch die Schlacht vom 14. August 1574 und den Heldentod der beiden Nassau Ludwig und Heinrich berühmten Mooker Heide abstattete. Wilhelm III. mit den höheren Offi- zieren sprengte schon auf halbem Wege dem kurfürstlichen Paare entgegen, das in offener Kalesche herbeifuhr. Der Prinz ritt dann neben dem Schlage, den Hut in der Hand, das zahl- reiche Gefolge trabte dem Wagen nach. An dem Jahrestage der Schlacht hielt Wilhelm III. eine glänzende Heerschau über die niederländischen Truppen, die künftigen Mitstreiter im Welt- kampfe, ab. Neun Schwadronen Dragoner, dreiundzwanzig Schwa- dronen schwerer Reiter, dreiunddreifsig Bataillone Infanterie de- filierten hier vor dem Kurfürsten. Ein prächtiges Diner, von dem die französischen Diplomaten demonstrativ ausgeschlossen wurden, beendete den Tag". Herzliche Schreiben, die nachher ausgetauscht wurden, bekräftigten das volle Einvernehmen der erlauchten Ver- wandten. Es drückte sich auch in der Tatsache aus, dafs Prinz Philipp von Brandenburg auf zwei Jahre nach dem Haag über- siedelte.

Die Besprechungen in Kleve hatten gleichfalls die nordischen Verhältnisse betroffen, die sich gerade damals zu einem gefähr- lichen Streite zugespitzt hatten^.

' d'Avaux, V, 156. Freilich, dafs, wie Pufendorf behauptet, Schomberg an diesen Unterhandlungen in Kleve teilgenommen, u. zwar im Aultrage der unzufriedenen engliachen Grofsen, ist imrichtig; O. Kl op p ,

IV, 230 f. t

> Ms. Berichte Diests vom Sept. u. Okt. 1686; Berlin, Geh. Staats- archiv, Eep. XXXIV, 227 z.

* Ms. Depeschen R^benacs vom 8., 16. August (B).

^ S. über den Gottorpschen u. den Hamburgischen Streit: G all eis,

SiebentmdvierzigBtes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 433

Dänemark hatte aus dem französischen Bandnisse weit größeren Nutzen gezogen als Brandenburg. Der Unterstützung durch Frankreich gewifs, hatte es sich für die schweren, durch Karl X. Oustavs Eroberungen ihm zugefügten Verluste schad- los gehalten, indem es unter mancherlei Vorwänden den Herzog Christian Albrecht von Holstein-Oottorp, trotz seiner nahen Ver- wandtschaft mit dem schwedischen Königshause, aus dem ihm gehörigen gröfseren Teile von Schleswig-Holstein vertrieb und das reiche Gebiet annektierte (1684) ganz nach dem berühmten Muster der Reunionen. Dieser gelungene Gewaltstreich schärfte dann den Appetit König Christians V. Im Sommer 1686, als des Kaisers und der norddeutschen Fürsten beste Truppen fern im Ungarlande vor Ofen lagen, als Kurbrandenburg auf ge- spanntem Fuflse mit Frankreich stand, als Friedrich Wilhelm am Niederrhein weilte, beschlofs er, einen alten Wunsch dänischen Ehrgeizes durch Überrumpelung der gröfsten nordischen See- stadt, Hamburgs, zu verwirklichen. Mit mehr denn 16 000 Mann zog er am 29. August vor die Stadt, forderte Erbhuldigung und die Aufnahme einer Besatzung : kurz, die Unterwerfung. Allein die Hamburger waren keineswegs gewillt, sich darein zu schicken. Sie wiesen den dänischen Agenten aus und besetzten die Wälle mit Soldaten und bewaffneten Bürgern. Die Angriffe der Dänen scheiterten mit grofsem Verluste an Mannschaft.

Schon im Winter und Frühjahr, als die Lüneburger Ham- burg bedrohten, hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm sich seiner angenommen, da er die reiche Handelsstadt, den einzigen Welt- hafen im damaligen Deutschland, weder den Weifen noch den Dänen zu überlassen Lust verspürte. Er hatte ihr damals zwei Regimenter zu Hilfe gesandt, hatte auch durch Gesandtschaften nach Wien und zu den Lüneburgem für sie gewirkt. Freilich, als Frankreich die Gelegenheit benutzen wollte, um den Krieg in Norddeutschland zu entzünden und damit dessen waffen- mächtige Fürsten brachzulegen, als es deshalb Brandenburg aufforderte, im Vereine mit Dänemark den Kampf gegen die Lüneburger zu beginnen: da ging Friedrich Wilhelm nicht in die ihm gestellte Falle, sondern bemühte sich, und zwar mit Erfolg, die Angelegenheit gütlich beizulegen. Aber ebenso-

Gesch. Hamburgs, 11, 82ff. 40ff. 424ff.; Londorp, Bd. Xu, passim; U. u. A., XIV, 1264«. 1311.

Philippson. Der Qrofse KarfQrst. UI. 28

434 Siebentes Buch.

wenig wollte er die Stadt den Dänen überantworten. Das nordische Kriegsfeuer mufste vielmehr gedämpft werden, ehe es zu verderblichem Brande emporlodern konnte. Noch von Kleve aus hatte er den Kaiser um Unterstützung der Hansestadt an- gerufen; Leopold I. setzte sofort die kaiserliche Autorität für sie ein. Auf der Rückreise nach Berlin hatte Friedrich Wil- helm eine Unterredung mit den Herzogen Georg Wilhelm von Celle und Ernst August von Hannover, und in erfreulicher Einigkeit beschlossen sie da gemeinsame Mafsregeln zur Ret- tung Hamburgs ^ Der Kurfürst sandte zunächst Herrn von Knesebeck an den Dänenkönig, um ihm dringend von einem ferneren gewaltsamen Angriffe auf die Stadt abzuraten; er mache, liefs er dem einstigen Freunde warnend sagen, keinen Unterschied zwischen einem Bombardement Hamburgs und Ber- lins'. Kräftiger konnte er seinen Anteil an dem Geschicke der Hansestadt nicht ausdrücken.

1200 Mann cellischer Soldaten zogen schon am 31. August in Hamburg ein, und zwei brandenburgische Regimenter, 1680 Mann, folgten ihnen alsbald. Weitere Truppen, sowohl lüne- burgische wie brandenburgische, näherten sich zu gleichem Zwecke der unteren Elbe: bald waren 7000 Mann fremder Kriegshilfe in Hamburg vereint. Die kurfürstlichen General- majore du Hamel und d'Espence -^ beide R6fugi6s leiteten die Verteidigungsarbeiten. So war die Stadt vor jedem Angriffe gesichert. Auch Schweden, das schon um seiner Gebiete an der unteren Weser willen ein Festsetzen der Dänen in Hamburg nicht dulden konnte, ward von Friedrich Wilhelm um Unter- stützung gebeten. Die Dänen sahen bald ein, dafs ihre Sache verloren war, und enthielten sich fernerer Gewalttaten, die ihnen nur selbst Unheil bringen konnten.

Es wäre jetzt für ihre Gegner ein leichtes gewesen, mit vereinten Streitkräften das kleine dänische Heer, das ohnehin durch Verluste vor dem Feinde, durch Krankheiten, Nahrungs- mangel und Desertion bedeutend geschwächt war, zu vernichten. Hamburger, Lüneburger, Gottorper, Schweden drängten eifrig

» Fester, 901. U. u. A., XIV, 1312 ff. Über das Folgende: Prutz, 218; Fester, 92ff.; Gallois, 43ff.424ff.; Pufendorf, XIX,37ft

' Ms. Dep. R^benacs yom 2. Sept. (B). Ms. Bidal an Louvoia, 6. Sept. (Berlin, Geh. Staatsarchiv, Rep. XCIV, IV H b, 10 ß\

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 435

darauf hin: Dänemark sollte endgültig gedematigt werden. Allein das gab Kurfürst Friedrieh Wilhelm nicht zu. Er wünschte vor allem, dem Kriege im Norden ein sofortiges Ende zu bereiten, damit nicht Frankreich inzwischen freie Hand er- halte, sich des linken Rheinufers zu bemächtigen. Es wider- strebte ihm, dafs die schwachen protestantischen Staaten sich vollends untereinander zerfleischten und die katholischen in der Welt die Meister spielten. Er gedachte auch keineswegs, dazu beizutragen, dafs Schweden durch die Ausmerzung Dänemarks seine überwiegende Stellung in Norddeutschland wiedererhalte. Aus diesen Gründen fuhr er fort, durch Thomas von Knesebeck den dänischen König zu gütlichem Abkommen zu ermahnen. Als Christian V. Ausflüchte machte und seine kriegerischen An- stalten weiterführte, schickte ihm der Kurfürst noch Herrn von Schmettau und endlich seinen eigentlichen Vertrauten Fuchs zu ein Beweis, wie ernst er die Sache auffafste. In der Tat, er nahm die dominierende Stellung unter den Verbündeten ein. i,Gott,** schrieb Fuchs am 14. September 1686, „hat Euer Kurf. Durchl. abermalen in die Hand gegeben, die Ruhe und Sicher- heit des Reiches durch Dero hohe Autorität zu restabiliren und zu befestigen, weil von Dero Resolution alles dependiren wird." Friedrich Wilhelm wandte Ansehen und Einflufs lediglich und ohne jede Nebenabsicht zu Gunsten des Friedens an. Er weigerte sich, die schleswig-holsteinische Angelegenheit, wie selbst die kurzsichtigen kaiserlichen Minister es wünschten, mit der hamburgischen zu verquicken und dadurch den Krieg un- vermeidlich zu machen; jene werde später gelöst und der Herzog von Gottorp wieder eingesetzt werden, sobald der all- gemeine Krieg gegen Frankreich ausgebrochen und dieses da- durch der Möglichkeit beraubt sei, den Dänen Hilfe zu leisten wie es dann wirklich, allerdings erst nach Friedrich Wilhelms Tode, eingetroffen ist. So baute man, auf des Kurfürsten Ein- greifen, den Dänen eine goldene Brücke. Ihre Armee durfte am 24. September ungestört den Rückzug antreten. Am 2. No- vember kam dann zwischen Christian V. und Hamburg ein Ver- gleich zu Stande, nach dem die Stadt 300 000 Taler Kriegskosten zahlte, sonst aber der Pinneberger Vertrag, der ihre Reichs- freiheit aufrecht erhalten hatte, bestätigt wurde. Friedrich Wilhelm sorgte auch durch seine dringende Verwendung dafür,

dafs die Bestrafung der Parteigänger Dänemarks in Hamburg

28*

486 Siebentes Buch.

gemildert ward. Er hielt mit ebenso scharfen wie edlen Worten die Rachsucht des oligarchischen Rates in Schranken, der diese Gelegenheit hatte benutzen wollen, um alle seine demokratischen Gegner aus dem Wege zu rftumen.

Der glückliche und versöhnliche Ausgang des bedrohlichen Zwistes war nur der mit Tatkraft verbundenen Weisheit und Mäfsigung des Grofsen Kurfürsten zu danken.

Ähnlich war seine Haltung in der Pf&lzer Angelegenheit Sie hatte von neuem eine bedenkliche Wendung genommen, als der Papst den Kurfürsten Philipp Wilhelm ernstlich zur An- nahme seiner Vermittlung ermahnte und Ludwig XIV. diese Aufforderung durch Drohungen mit sofortiger Anwendung von Gewalt unterstütztet Erschreckt flehte Philipp Wilhelm bei den Reichsfürsten um Hilfe gegen Frankreichs drohenden An- griff; als erster hat ihm da der Brandenburger 500 Mann ver- sprochen, und zwar auf eigene Kosten, so dafs der PfMzer den Truppen nur Quartier und Brot zu geben nötig habe. Darüber schlofs man am 13. September 1686 einen Vertrag*. Allein Friedrich Wilhelm zog abermals die friedlichen Wege vor und begünstigte, um Schlimmeres zu vermeiden, die Vermittlung durch den Papst, die dann auch vom Kaiser und von Kurpfalz im Prinzip angenommen wurde. Damit war auch hier der Aus- bruch von Feindseligkeiten einstweilen vermieden.

Anderseits hat damals Ludwig XIV. den Kurfürsten wegen der Stadt Köln beruhigt, deren Besetzung aufserhalb der Inter- essen und Absichten Frankreichs liege, das überhaupt nur den Frieden wolle*.

Die Dinge liefsen sich also hoffnungsvoller an, als plötzlich eine Nachricht erscholl, die ganz Europa auf das tiefste erregte und dann diejenigen Ereignisse zur Folge hatte, die kaum zwei Jahre später zum Ausbruche des grofsen Koalitionskrieges ge- führt haben*.

^ Immich, Innocenz XI., 50 ff.

* Unterhandlungen: Ms. Korresp. des Kurf. u. Mandelslohs vom Aug. u. Sept. 1686.— Der Vertrag: MÖrner, 492f.

" Ms. Ludwig an B^benao, 12. Sept. (6).

^ Über das Folgende sehe man: Ferd. v. Zieglauer, Die Be- freiung Ofens V. d. Türkenlierrscliaft (Innsbruck 1886); K. W. y. SchÖning, Gen.-Feldm. v. Schöning; F. W. v. BarfUs-Falkenberg, H. A. Graf V. Barfus, Kgl. Preufs. Gen.-Feldmarschall (Berlin 1859). S. 4 ff, 36 ff.

Siebentmdvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 437

Der kaiserliche Kriegsrat hatte nach langwierigen Beratungen über den Kriegsplan für den Sommer 1686 die kühne Absicht gefafst, die Hauptstadt und stärkste Festung der Türken in Ungarn, Ofen, zu belagern. Die eigentliche Feste, die Ober- stadt Ofen, war nicht allein durch eine von Rondells flankierte, meist doppelte Umfassungsmauer, sondern auch durch ihre Lage auf einem steil sich über die Donau erhebenden und 150 Meter hohen Berge gesichert. Niedriger lagen die Vorstädte, die zum Teile auch befestigt waren. Die Besatzung zählte kaum yier- tausend Mann regulärer Truppen, die freilich noch von zwei- bis dreitausend bewaffneten Einwohnern unterstützt wurden ; die Schwäche der Garnison wurde einigermafsen ergänzt durch die Menge von 215 Geschützen, über die sie verfügte. Am 20. Juni 1686 erschienen Herzog Karl von Lothringen und Kurfürst Max Emanuel von Bayern mit mehr als 44000 Streitern vor der Stadt. Am 30. Juni stiefsen 4000 schwäbische Kreisvölker, am 3. Juli das mehr als doppelt so starke brandenburgische Korps zu den Belagerern.

Diese letztere Truppe bestand aus zehn Bataillonen Infanterie, zwei Reiter- und einem Dragonerregiment, alles treffliche Leute, auf das sorgsamste ausgerüstet und von einem ungewöhnlich zahlreichen Offizierkorps geführt. Den Oberbefehl hatte der ehrgeizige, kluge, aber auch selbstsüchtige und listige Hans Adam von Schöning inne, der, erst fünfundvierzig Jahre alt, der jüngste brandenburgische Generalleutnant, in der Vollkraft der Jahre stand. Unter ihm befehligte Generalmajor von Barfus, sein zukünftiger Gegner, der zum Range eines preufsischen General- feldmarschalls aufzusteigen bestimmt war. Die Brandenburger rückten auf die linke Flanke der kaiserlichen Einschliefsungs- linie und hatten das dritte Rondell der Nordfront sowie die be- nachbarte Kurtine anzugreifen.

Die Türken wehrten sich mit bewundernswerter Tapferkeit und Zähigkeit gegen die ungeheure Übermacht der Feinde und unternahmen sogar zahlreiche Ausfälle, deren einer die Branden- burger schon am zweiten Tage nach ihrer Ankunft schwer traf; hier fiel auch ein Sohn des Feldmarschalls Derfflinger. Jede Nacht erlitten die Truppen in den Laufgräben Verluste durch das wohlgezielte Geschützfeuer der Osmanen. Am 13. Juli hielt Lothringen die Breschen der Nordfront für praktikabel und be- fahl den Sturm. - Er wurde unter furchtbarem Blutvergiefsen

438 Siebentes Buch.

abgewiesen. Die Brandenburger, unter Generalmajor von Marwitz und dem Prinzen von Kurland, des Kurfürsten Neffen, retteten dabei ihre kaiserlichen Nachbarn vor Vernichtung, in- dem sie den Ausfall der Türken auf die in panischem Schrecken Fliehenden mit vieler Tapferkeit, aber auch unter grofsen Ver- lusten, unter denen sich Oberst Karl Emil Graf von Dohna be- fand, zurückschlugen. Glücklicher fiel ein zweiter Angriff aus, am 27. Juli. Die Brandenburger erstürmten hier, trotz furcht- barer, wilder Gegenwehr, das mittlere von den drei westlich vom Wiener Tore gelegenen Rondells. Allein sie verloren dabei nicht weniger als vierzig Offiziere und 446 Unteroffiziere und Gemeine. Der Herzog von Lothringen fand sich bewogen, am Tage nach dem Kampfe den Kurfürsten wegen der ruhmvollen Tapferkeit seiner Truppen und besonders wegen des Mutes und der Fähigkeiten ihres Führers Schöning zu beglückwünschen. Der Oberbefehlshaber umarmte und küfste den brandenburgi- schen Generalleutnant und alle höheren Offiziere unter innigen Danksagungen. Allein diese Ehrungen vermochten den Kur- fürsten nicht über die ungeheuren Verluste seiner braven Truppen, von denen namentlich die Infanterie fast die Hälfte ihres Be- standes einbüfste, sowie über den Tod so vieler ausgezeichneter Offiziere, wie des Grafen Dietrich , Bruders des am 13. Juli ge- fallenen Karl Emil von Dohna, und seines eigenen zärtlich ge- liebten Neffen Alexander von Kurland, zu trösten. Seine Ver- stimmung war so grofs, dafs sie ihn zu dem ganz unbegründeten Verdachte verleitete, man opfere seine Soldaten absichtlich, als Ketzer, an denen nicht viel gelegen sei^.

Die Brandenburger, obwohl an Zahl zusammengeschmolzen, fuhren fort, sich vor Ofen auszuzeichnen. Während die Kaiser- lichen bei einem Sturme am 3. August abermals eine Nieder- lage erlitten, brachten die Brandenburger unter Barfus das dritte Rondell vor dem Wiener Tore in ihre Gewalt, so dafs seitdem die ganze Nordseite der ersten Mauer im Besitze der Belagerer war.

Freilich rückte nun der Grofswesir Suleiman Pascha mit 40000 Mann zum Entsätze der Feste und ihrer heldenhaften Verteidiger heran. Allein die Belagerer erhielten gleichfalls namhaften Zuzug. Sie umgaben sich nach aufsen mit einem

* U. u. A., XIV, 1313. Prutz, 318.

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 439

Walle lind erwehrten sich der Truppen des Grofswesirs. Bei einem dieser Gefechte, am 29. August, zeichnete sich Schöning von neuem aus, indem er persönlich an der Spitze von nur vier Schwadronen die Janitscharen zersprengte und Lothringen aus der Gefahr der Gefangenschaft errettete. Der Obergeneral sandte dem Kurfürsten ein abermaliges Glückwunschschreiben , das um so wärmer ausfiel , je mehr der Verfasser selbst den wackeren Brandenburgern verdankte.

Endlich, nach zweiutideinhalbmonatiger Blutarbeit, konnte am 2. September 1686 der Hauptsturm auf die zweite Um- fassungsmauer stattfinden. Den schwersten Kampf hatten die Brandenburger zu bestehen, auf der linken Flanke des Angriffes auf die Nordfront der zweiten Mauer. Aber Schöning, allen Seinigen voran, führte sie zum Siege und betrat als einer der ersten die Stadt. Hier warf sich der greise Festungskommandant Abd-er-Rachmftn selber mit seinen besten Kriegern den Ein- dringenden entgegen, die nur über die Leichen dieser Tapferen bis zum Schlosse vordrangen; seine Einnahme beendete die Belagerung Ofens.

Sie hatte die Brandenburger 91 Offiziere und 3074 Unter- offiziere und Gemeine an Toten, Verwundeten und Kranken ge- kostet — zwei Fünftel des ganzen Korps ! Da das ganze kaiserliche Heer mit seinen 66000 Mann nur 10000, also fünfzehn Prozent, verlor, so wird ersichtlich, wie sehr die Brandenburger in den Kämpfen um Ofen den blutigen Ehrenplatz erhalten hatten.

Von allen Seiten dem Kaiser, dessen Obergeneral und Ministem erhielt der Kurfürst lebhafte Glückwünsche wegen des Heldenmutes seiner Truppen und wegen des hervorragenden, ja, entscheidenden Anteils, den sie an dem grofsen Erfolge genommen hatten. Er sprach selber den Braven, und zwar den Gemeinen ebensogut wie den Offizieren, seinen kriegsherrlichen innigen Dank aus. Er liefs eine Münze prftgen, die zwei St&dte- bilder, übereinander und durch einen Strom getrennt, aufweist: Hamburg und Buda (Ofen). Ueber jener Stadt steht: Defen- dimus illam, über dieser Hanc cepimus^. Eine in der Tat rühmliche Zusammenstellung dessen, was Brandenburg in diesem Sommer geleistet hatte. Allein über dem Ruhmesglänze vergafs Friedrich Wilhelm nicht der Leiden und Verluste seines

> Seyler, 222.

440 Siebentes Buch.

tapferen Feldheeres. Er forderte vom Kaiser, der solches alsbald zu neuen Kämpfen in Bewegung setzen wollte, seine Rfickkehr, die Leopold auch bewilligen mufste. Zu der Verstimmung des Kurfürsten hatte vor allen Generalleutnant von SchOning beige- tragen. Er hatte von Röbenae eine ^Gi^tifikation*' von 3000 Talern und das Versprechen weiterer Gaben nach dem Ende des Feldzuges erhalten. Dafür hatte er sich schon im Februar 1686 also ein Vierteljahr vor dem Beginne des Marsches nach Ungarn verpflichtet, recht lebhafte Klage über die Behand- lung des brandenburgischen Hilfskorps durch den Kaiser zu er- heben, damit der Kurfürst aus der ungarischen Expedition all das Mifsvergnügen gegen den Kaiser schöpfe, das die Franzosen ihm einzuflöfsen wünschten. Er entsprach seiner Zusage voll- kommen. Seine Beschwerden über die seinem Korps widerfahrende Behandlung waren so best&ndig und so stark, dafb der Kurfürst durch sie in lebhaften Zorn versetzt wurde und deshalb dem kaiserlichen Gesandten heftige Szenen bereitete. Schliefslieh wies Schöning, um seiner Rolle treu zu bleiben, ein ansehn- liches kaiserliches Gnadengeschenk in ostentativer Weise zurück \ Allein diese Mifshelligkeiten konnten die allgemeine Freude Europas mit Ausnahme des französischen Hofes über den neuen glänzenden Erfolg der christlichen Waffen nicht trüben. Die Eroberung Ofens im Angesichte eines starken türkischen Heeres, das nicht einmal einen ernstlichen Entsatzversuch wagte, bewies un- widersprechlich den Niedergang derOsmanen, die Überlegenheit des Kaisertums. Die Befreiung ganz Ungarns aus der Gewalt der ungläu- bigen Barbaren war damit entschieden, wie denn schon in den folgenden Wochen eine Reihe der festesten Stützpunkte der Türken den Kaiserlichen in die Hände fiel. Lauter Jubel durchbrauste die gesamte Christenheit, als deren Führer und Vorkämpfer der deutsche Kaiser wieder, nach mehr denn vier Jahrhunderten, erschien. Leopold I., die deutschen Habsburger erfreuten sich nunmehr einer zuvor nie gekannten Volkstümlichkeit und Hochachtung, während ihr bislang so mächtiger Nebenbuhler, Ludwig XIV., allgemein mit einer mit Furcht gemischten Abneigung, ja Hars betrachtet wurde. Er erfocht Siege nur auf Kosten der Christen,

' Die andauernde verräterische Verbindung Scbönings mit den Franzosen, die bisher unbekannt war, wird erwiesen durch die Ms. Depeschen Eöbenacs vom 5. Febr., 4. Mai, 8. Juni, 2. Aug. 1686 (B).

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 441

des Friedens des Weltteils, w&hrend Österreich als Verfechter des Glaubens und der Kultur gegen deren Todfeinde sich be- währte« So hat der Ofener Sieg dazu beigetragen, die allge- meine Koalition gegen Frankreich zu stände zu bringen. Ludwig XIY. aber empfand ihn mit gutem Grunde als eine eigene Niederlage. Er durfte dem Kaiser nicht die Zeit lassen, neue Erfolge zu erfechten, neuen Ruhm zu ernten, neue Länder zu erwerben und endlich die Pforte zu einem verlustreichen Frieden zu zwingen, damit Leopold dann mit zahlreichen, ab- gehärteten und kampfgewöhnten Soldaten, mit dem ganzen Glänze seiner volkstümlichen Lorbeeren Europa um sich schare, gegen Frankreich. Entweder mufsten Kaiser und Reich den WaSenstillstand in einen förmlichen Frieden verwandeln, dadurch die reunierten Gebiete endgültig an Frankreich abtreten und zugleich demütig dessen Überlegenheit, selbst nach den Siegen über die Türken, anerkennen, oder der König murste sie durch beständige Kränkungen und Gewalttaten zu sofortigem Kriege reizen, der, bei der Unabkömnüichkeit der kaiserlichen Truppen in Ungarn und bei der Unfertigkeit der Koalition, ihm noch alle Wahrscheinlichkeit des Sieges gewährte. Um sich aber bei seinen Übergriffen den Schein des Rechtes zu geben, wandte Ludwig den höchst geschickten Schachzug an, die armselige, ja lächerliche Augsburger Allianz als eine Beleidigung, eine Drohung, eine furchtbare Gefahr für Frankreich hinzustellen, das durch sie zu schleunigen und durchgreifenden Gegenmafs- regeln sich genötigt sehe.

Am 20. September überschritt der Intendant des Elsasses, la Grange, mit mehreren tausend Soldaten und Handwerkern die Rheinbrücke bei Hüuingen und begann auf dem rechten Flufsufer, auf baden-durlachschem Gebiete, die Erbauung eines Forts, das den Franzosen als Brückenkopf, als Ausfallstor gegen das Reich dienen sollte. Es war das eine um so schnödere Rechtsverletzung, als der Friede von Münster ausdrücklich die Anlegung von Befestigungen auf dem rectiten Rheinufer, von Basel bis Philippsburg, allen beteiligten Staaten untersagte. Niemand aber trat dieser kecken Gewalttat entgegen als der von Lörrach herbeieilende badische Amtmann, der sich selbst- verständlich mit einem wirkungslosen Protest begnügen mufste. Die angeblich so furchtbaren Augsburger Verbündeten wagten nicht, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben.

442 Siebentes Buch.

Vergebens tat Friedrich Wilhelm von Brandenburg in Paris ernste und häufig wiederholte Vorstellungen. Groissy er- widerte, dafs die Mafsregel durch die feindselige Haltung des Kaisers und die Augsburger Allianz notwendig gemacht sei Der König werde das Fort festhalten und schützen, jede Sendung von Reichstruppen nach Schwaben als Kriegsfall betrachten und dann durch eigenen Angriff den Kampf eröffiien. Ja , Ludwig trieb die Anmafsung so weit, Brandenburgs Beistand bei der Behauptung des Hüninger Brückenkopfes zu fordern '.

Der Kurfürst befand sich in der peinlichsten Lage. Er empfand mit kochendem Ingrimm die Schmach, die dem Reiche abermals durch diesen Festungsbau, diesen „Friedensbmch'', diese ,,Invasion^ zugefügt wurde '. Mit Güte konnte er in Paris nichts mehr ausrichten. Er stand dort sehr schlecht ange- schrieben; man zweifelte nicht mehr daran, ihn allerorten, und zumal in Kriegszeiten, unter den Feinden Frankreichs zu er- blicken^. Seine Reklamationen wegen des gekaperten Schiffes „Der Morian** hatten noch keine Erhör ung gefunden, ein deutlicher Beweis, wie wenig man ihm wohlwollte. Den Krieg mit Frankreich zu führen, hielt er aber für den Augenblick noch nicht für möglich; da auf England nicht zu zählen sei, müsse man zuvor mit den Türken Frieden schliefsen. Hierzu riet er in Wien mit dem gröfsten Eifer ^. Er wufste, dafs der Pfälzer Kurfürst auf seinen Schwiegersohn, den Kaiser, beträcht- lichen Einflufs übe ; deshalb legte er auch Philipp Wilhelm dar, dafs das Reich vor weiteren Verlusten im Westen nur geschützt werden könne, wenn Leopold den Kampf gegen die tief ge- demütigten und für die nächste Zukunft ungefährlichen Osmanen einstelle. Der Pfillzer, dem für seine eigenen Lande bange war, trat wirklich bei Leopold eifrig für den Frieden ein ; und ebenso die Holländer". Es war alles vergeblich. Die Ausdehnung der habsburgischen Herrschaft über die Donauländer erschien den österreichischen Staatslenkern wichtiger als die Verteidigung des Rheins: eine Ansicht, die von partikularistischem Stand-

^ Ms. Spanheim an Kurf., 4., 10., 19. Okt. Ms. Korresp. Lud- wig XIV. mit R^benac, Okt. 1686 (B).

' Kurf. an Gk)ttfr. v. Jena, 9., 19. Nov. 1686; Fester, 164.

' Ms. Spanheim, a. a. 0.

^ Ms. Kurf. an Spanheim, 7./17. Nov.

" Immich, Innocenz XI., 54.

Siebenundvierzigstes Kapitel» Augsburger Bimd und TOrkenkrieg. 443

punkte aus vielleicht richtig war, die aber das Reich zur Macht- losigkeit verdammte und den Franzosen den Weg zu immer neuen Yergewaltigungen eröfihete. Der habsburgische Kaiser kannte dem Reiche gegenüber nur Rechte und Ansprüche; seiner Pflichten gegen dieses ist er nicht eingedenk gewesen.

Diese partikularen Anschauungen gaben auch die Richt- schnur, nach der Österreich den Brandenburger behandelte, nach Abschlufs des Bündnisses ebensogut wie vorher, ohne jede Rück- sicht auf die dreitausend brandenburgischen Krieger, die zu Gunsten Österreichs auf den blutgetränkten Gefilden vor Ofen gefallen waren« Wie kränkend verfuhr der Kaiser bei der Aus- zahlung der Subsidien, die er unter allerlei Vorwänden be- schnitt, bei der Marschrichtung und Einquartierung des zurück- kehrenden brandenburgischen Korps ! Schöning benutzte selbst- verständlich diese Vorgänge, seinen um das Wohl und den Bestand seines Heeres innig besorgten Herrn aufs heftigste in Harnisch zu bringen'. Endlich suchte Leopold vor allem dem Kurfürsten den einzigen bleibenden Lohn für seine politische und militärische Unterstützung des Reichsoberhauptes, die Anwartschaft auf Ostfriesland, zu rauben. Er hatte ihn schon um Schwiebus betrogen, heimlich; jetzt bemühte er sich mit ganz offenbaren Machinationen, ihm Ostfriesland zu entziehen'. Die Liechtensteinsche Schuldforderung an Ostfriesland, die der Kaiser in seinem jüngsten Bündnisvertrage mit dem Kur- fürsten diesem hatte zedieren lassen, war auf Greetsyl und Har- lingerland hypotheziert. Da die fürstliche Familie aufser stände war, die Schuld jemals abzutragen, gerieten jene Gebietsteile in brandenburgischen Pfandbesitz. Friedrich Wilhelm liefs dort in der Tat Steuern und sonstige Gefälle, behufs Deckung der Schuld- zinsen, zu seiner eigenen Kasse abführen, wogegen die Fürstin- Regentin Verwahrung einlegte. Der Kaiser erkannte wohl, dafs der Kurfürst allmählich die verpfändeten Gebiete der branden- burgischen Verwaltung zu unterwerfen gedenke ; und um das zu verhüten, erbot er sich, obwohl er sonst immer ob seiner bitteren Geldnot klagte, den Betrag der Liechtensteinschen Schuld, SOOOOOGulden rheinisch nebst 60 000 Gulden rückständiger Zinsen,

^ Ms. Depeschen B^benacs vom Dez. 1686 (B). Das Folgende nach den Akten in den U. u. A., XIV, 1308 ff., so- wie nach Wiarda, VI, 258 ff .

444 Siebentes Buch.

dem Kurfürsten auszuzahlen. Er trat hiermit in um so schärferen Gegensatz zu Friedrich Wilhelm, als dieser vor Abscblurs seines Vertrages mit Leopold ausdrücklich und bestimmt erkl&rt hatte : nicht um das Geld, sondern um das Land sei es ihm zu tun. Vergebens warnte Fridag : ein solches Verfahren werde den Kur* fürsten auf das schwerste reizen; auch werde «anyetzo post ratificatos ex omni parte tractatus, ohne Hazardirung £w. Maj. allerhöchstes Respectes, diese immutatio sich nicht praktisiren lassen*^. Vergebens weigerte sich Friedrich Wilhelm der Neuerung. Leopold bestand auf seinem Ton Übel- wollen eingegebenen und der Vertragstreue gänzlich zuwider^ laufenden Verlangen. Es liefs die Liechtensteinschen Erben, ge-i horsame österreichische Edelleute, auf dem Plane erscheinen, um gegen jede Zession der Schuld zu protestieren und solche als ungültig zu bezeichnen. Damit wurde der Kaiser „ge- zwungen**, anstatt der Schuld die entsprechende Geldsumme dem Kurfürsten zu überlassen. Der Wiener Reichshofrat, ein gefügiges Werkzeug der kaiserlichen Minister, nahm sich jener gekränkten Erben an und bedrohte jede auf der Zession fufsende Handlung mit einer ,, Strafe von fünfzig Mark lötigen Goldes*.

So dankte, vom Beginne an, das Haus Österreich die wich- tigen politischen und militärischen Dienste, die ihm die branden- burgischen Hohenzollern leisteten. Mit List und mit Gewalt entzog man ihnen den versprochenen Lohn, auch wenn er den Kaiser selbst nichts kostete. Im Norden Deutschlands sollte eben keine starke protestantische Macht entstehen.

Es gehörte die tiefe Einsicht, das weltumfassende Urteil und die feste Willenskraft Friedrich Wilhelms dazu, dafs er nicht von diesem ihm stets feindlich gesinnten, unfreundlichen, undankbaren Habsburger wieder zu Frankreich übertrat, das ihn gerade damals in jeder Weise umschmeichelte, alles tat, um ihn für sich zu gewinnen. Da der Kurfürst sich von den Drohungen und Beeinträchtigungen seitens der Franzosen nicht hatte zur Unterwerfung schrecken lassen, versuchten sie es mit Lockungen und Freundlichkeiten. Sie boten ihm eine beträchtliche Ver- mehrung der Subsidien, ja das Schiedsrichteramt bei allen Ver- handlungen, die sich an den Waifenstillstand des Jahres 1684 knüpfen würden. Sie zahlten ihm aus den seit Monaten zurück- gehaltenen Hilfsgeldern 125000 Livres aus und stellten ihm nicht allein den ,,Morian^ zurück, sondern gaben ihm als Ent-

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 445

sehftdigung für dessen Beschlagnahme noch 20 000 Livres. Kurz, der frohere Hochmut des Königs Brandenburg gegenüber hatte sich in f&rmliche , Bassesse" verwandelt, so sehr erkannte er in dem Kurfürsten den Eckstein der sich langsam gegen ihn bildenden europftischen Koalition V

Friedrich Wilhelm hatte noch besondere Gründe, einstweilen Frankreich nicht herauszufordern. Trotz aller offiziellen Ab- leugnungen gingen die Verhandlungen wegen eines Bündnisses zwischen den Lüneburgem und Frankreich immer weiter: es war zur Lahmlegung Brandenburgs bestimmt'. Dieses stand, nach kurzer Aussöhnung, wieder feindlicher mit den Weifen denn je. Als Georg Wilhelm von Gelle die mecklenburgischen Stände um Gewfthrung von Quartieren für einen Teil seiner Truppen anging, drohte der Kurfürst den Ständen, er werde ihnen für jeden braunschweigischen Soldaten, den sie aufnähmen, zehn brandenburgische auf den Hals schicken'. Mit Hannover stritt er sieh heftig wegen der Herrschaft Gartow an der Elbe, die jenes als Lehen, der Kurfürst aber als Besitzung des Johanniter- Heermeistertums in Anspruch nahm; er legte Besatzung hinein und stationierte auf dem Strome ein bewa£Fhetes Schiff, um seine Eigentumsrechte erforderlichenfalls mit Gewalt zu ver- teidigen^. So bildete das Haus Lüneburg für ihn eine sehr unbequeme Nachbarschaft, wenn er sich nicht mit Frankreich gut stellte.

Bedenkliche Nachrichten kamen aus Süddeutschland, aus dessen einzigem waffenmächtigem Staate, Bayern. Kurfürst Maximilian IL hatte mit grofser Opferwilligkeit t^eit Jahren für den Kaiser in Ungarn gekämpft. Allein er wurde sehr unzu- frieden, als Leopold, aus Eifersucht gegen die Bedeutung Bayerns, ihn weder gegen die Türken noch selbst bei dem augsburgi- Bchen, einstweilen nur auf dem Papiere vorhandenen Bundes- heere mit dem Oberbefehle betraute. Die Mifsstimmung des jungen Fürsten wurde noch durch eine Herzensangelegenheit gesteigert. Er hegte gegen seine Gemahlin Marie Antonia, die

* Mb. Berichte Spanheima vom Jan. 1687. U. u. A., XIV, 1316. 1326. 1329. 1335. I mm ich, Orleansscher Krieg, 136.

* Kurf. an Spanheim, 8./18. Jan. 1687; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 25.

» Prutz, 323.

* Londorp, Xni, 126 ff.

446 Siebentes Buch.

Tochter Leopolds I., heftige Abneigung und empfand um so leiden- schaftlichere Liebe zu der Gattin des kaiserlichen Gesandten in München, Maria Eleonore Gr&fin Kaunitz. Ebendeshalb berief der Kaiser den Grafen Kaunitz von München ab und schickte ihn nach England. Diese Umstände benutzte der Vertreter Frankreichs, der später mit so hohem militärischem Ruhme umkleidete Marquis von Villars, um den bayrischen Kurfürsten mit allen Mitteln der Intrige und grofsen Verheifsungen zum Übertritte zur französischen Partei anzulockend

Ludwig XIV. wünschte dringend, seine Reunionen sicher- zustellen , ehe der Kaiser durch Friedensschlufs mit den Türken die Verfügung über sein ganzes Heer wiedererlangt habe. Ein solches Bestreben war gerechtfertigt, und Leopold I. fand sich tatsächlich bereit, auf einen Traktat einzugehen, der, auf Grund des Waffenstillstandes und für dessen Dauer, also noch auf bei- nahe zwei Jahrzehnte hinaus, die Grenzen zwischen Frankreich und Deutschland genau festlege. Auch Friedrich Wilhelm war, um jede kriegerische Verwicklung zu vermeiden, mit der Auf- richtung eines solchen „Grenztractates'' durchaus einverstanden '. Allein dies genügte dem Könige nicht: das Reich sollte seine Schwäche und Demütigung durch Abschlufs eines förmlichen Friedens besiegeln, der doch Frankreich keineswegs verhindert, sondern vielmehr noch stärker ermutigt hätte, unter den mannig- fachsten Vorwänden neue Gewalttaten auf Kosten Deutschlands zu begehen. Einen Vorgeschmack solcher Zukunft erhielt man da- mals, wo, auf Veranlassung seines Bruders, des Königs, Herzog Philipp von Orleans seine gänzlich phantastischen Ansprüche auf das Fürstentum Simmern, die Grafschaft Sponheim, die Städte Kaiserslautern und Oppenheim^ sowie auf eine bedeutende Geldsumme aus der Pfälzer Erbschaft erneute^. Derartige Forde- rungen, deren Vergeblichkeit ja zweifellos war, sollten offenbar nur dazu dienen, Frankreich immer einen Grund zum Bruche jedes Friedensvertrages offenzuhalten. Und doch war es ge- willt, den formellen Abschlufs eines solchen nötigenfalls mit Ge- walt zu ertrotzen. Ludwig XIV. erging sich in drohenden Reden, seine östlichen Grenzprovinzen füllten sich mit Soldaten, und

» Rec. des Instr., VII, 82 ff.

Ms. Kurf. an Spanheim, 8./18. Jan. 1687.

' Im mich, Orleansscher Krieg, 142 ff.

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 447

plötzlich erbaute er auf pfälzischem Boden, bei Giesenheim, in der Nähe und zur Bedrohung der Reichsfestung Philippsburg, ein neues Fort, dessen Werke sich auch auf die benachbarte, gleichfalls deutsche Rheininsel ausdehnten. „Ich kenne den Ort/ sagte der französische Marschall Humiferes; „er ist nicht blofs zur Verteidigung geeignet, sondern auch zum Angriffe und Vorstofse in das Innere des Reiches." *

Nachdem er durch solche Mittel der Einschüchterung ge- nagend vorgearbeitet zu haben glaubte, begann Ludwig seinen neuen diplomatischen Feldzug. Unter dem Verwände, dafs der Kaiser und der König von Spanien nichts leidenschaftlicher wünschten als den Frieden mit der Pforte, um Frankreich an- greifen zu können, und dafs das Augsburger Bündnis dem gleichen Zwecke diene, liefs er durch den Kardinal d'Estr6es den Papst auffordern, Leopold I. zum Abschlüsse eines bestän- digen Friedens auf Grund des zwanzigjährigen Waffenstillstandes zu bestimmen; die Entscheidung von Kaiser und Reich müsse bis zum 31. März 1687 erfolgen (Dez. 1686). Das gleiche verlangte er direkt vom Regensburger Reichstage, und dazu heischte er auch die Mitwirkung des Kurfürsten von Branden- burg. „Der König mufs wissen, woran er sich für die Zukunft halten kann,*' sagte Croissy zu Spanheim, „ob er Frieden oder Krieg zu erwarten hat, und sich so einer festeren Sache als des Waffenstillstandes, nämlich eines guten und zuverlässigen Friedens versichern." Zur Beförderung dieses Zweckes solle Brandenburg mit Kurköln und anderen „friedliebenden** Reichs- ständen ein Sonderbündnis schliefsen, das sieh natürlich nur gegen den Kaiser richten konnte '.

Allein das herrische Verlangen Frankreichs, das mit der kurz bemessenen Ansetzung des Termins zur Antwort mehr einem Ultimatum glich als einer friedlichen Aktion, fand all- gemeinen Widerspruch. Waren doch von den zwanzig Jahren des Waffenstillstandes erst zwei und ein halbes verflossen, hatten doch Kaiser und Reich nichts getan, was das Mifstrauen der Franzosen hervorrufen oder auch nur im mindesten rechtfertigen konnte. Der Papst lehnte jede Mitwirkung bei einer Tätigkeit

1 0. Klopp, Der Fall des Hauses Stuart, m (Wien 1876), S. 290.

* Über dies und das Folgende: Bourgeois, Spanheim, 364; U. lu A., XIV, 1340ff.; Immich, Innocenz XI, 57ff.; Prutz, 320. 381ff.; Londorp, Xm, 66 ff.

448 Siebentes Buch.

ab, die die Gefahr des Krieges in der Christenheit lediglich vermehren mufste.

Kurfürst Friedrich Wilhelm, den Frankreich noch besonders durch Zahlung einer neuen Subsidienrate von 125000 Livres günstig zu stimmen gesucht hatte, liefs sich weder durch Frank- reichs Drohungen und Verlockungen noch durch die Miftgunst des Kaisers in seiner ebenso reichspatriotischen wie besonnenen Haltung irre machen. Er verwarf die Forderung des definitiven Friedensschlusses, die, so kurze Zeit nach Eingehen des Waflfen- stillstandes erhoben, im ganzen Reiche als Zwang und Gewalt empfunden werden und den Krieg herbeiführen werde, den doch vermeiden zu wollen Frankreich behaupte. Eine Sonderallianz für dessen Zwecke wies er bestimmt zurück. Ja, er erklärte sich gewillt, für den Fall, dafs Frankreich auf seinem Verlangen be- stehe, sein Heer um weitere 3200 Mann zu vermehren und da- mit Kurpfalz, Trier und die Stadt Köln stärker zu decken. Nicht mit 8000 Mann, wie er sich vertragsmäfsig verpflichtet habe, sondern mit 16000 wolle er für Kaiser und Reich ins Feld ziehen. Anderseits riet er Leopold, behutsam aufzutreten, baldmöglichst mit der Pforte sich zu verständigen, inzwischen die Verhandlungen mit Frankreich weiterzuführen. „Man bleibet dahier der Meinung," schreibt Fridag am 17. Januar 1687, „dafs, wenn Ew. Kais. Maj. nicht principaliter und mit völliger Macht dem Werke beiwohnen und den oberen Rheinstrom bedecken könnten, das übrige nur in scopis dissolutis bestehen, primo intuitu etwas, aber in effecto nichts sein und viel ehender irritamenta als remedia malorum mit sich bringen werde." In gleichem Sinne schrieb Friedrich Wilhelm selber dem Kaiser (17. Februar). Er war der Meinung, „dafs, wenn man an einen mächtigen und armirten König Dinge schreiben will, worüber derselbe einig ressentiment fassen kann, alsdann nothwendig Kräfte und Armeen zur Hand sein müssen, das geschriebene zu souteniren, wenn nicht eins von diesen beiden erfolgen soll, dafs man nemblich entweder wegen die hohen Worte, denen man keinen Nachdruck zu geben vermag, verspottet, oder aber von dem armirten Theil gar des- wegen angegriffen und anstat des vorhin schon erlittenen Übels mit einem noch gröfserem beleget wird*" \ Ratschläge, die von

* R. Fester, in den Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., XV (1902X II, 165 Anm., 166 Anm.

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und TOrkenkrieg. 449

jedem Standpunkte aus vollkommen richtig waren. Nur die gesamte Macht Deutschlands, mit Einschlufs aller österreichi- schen Streitkräfte, konnte den Franzosen mit Aussicht auf Er- folg Widerstand leisten. Freilich, der Krieg von 1689 bis 1697 ist bei noch währendem Kampfe gegen die Türken geführt worden. Aber das wurde nur möglich, weil England, infolge der 1686 nicht vorherzubestimmenden „glorreichen Revolution**, 1688 von der französischen zur franzosenfeindlichen Partei über- gegangen war und sich am Kampfe gegen Ludwig XIV. be- teiligte. Und dennoch erreichte gerade Deutschland während dieses Krieges wenig Rühmliches und mufste sich mit ungünstigen Friedensbedingungen begnügen. Wie anders wäre es gekommen, wenn das kaiserliche Heer, das bei Szalankemen und Zenta siegte, seine Fahnen am Oberrhein entfaltet hätte wie zu raten es der Grofse Kurfürst vorher nicht müde geworden war.

Ludwig XIV. wurde betroifen über das Mifslingen seines diplomatischen Schachzuges. Eine so feste Haltung des Papstes, eine so grofse Erregung im Reiche, eine so bestimmte Ableh- nung von Seiten Brandenburgs hatte er nicht erwartet. Unter diesen Umständen wollte er es nicht auf einen Krieg ankommen lassen, der die öffentliche Meinung ganz Europas gegen ihn ge- kehrt und aufserdem, nach seiner Meinung, das sofortige Ende des Kampfes in Ungarn herbeigeführt hätte. Er wich einen Schritt zurück es war das ein Sieg des friedliebenden Croissy über die von seinem und seiner Familie Gegner Louvois vertretene Gewaltpolitik. Schon am 10, Februar erklärte der Staatssekretär dem Gesandten Spanheim, nach den üblichen Deklamationen über die Kriegslust Österreichs, dessen Macht- vergröfserung der König selber durch seine Mäfsigung so stark gefördert habe, und das nunmehr Deutschland völlig beherrsche,. sowie über die Notwendigkeit der Befestigungen bei Hüningen und Giesenheim: „Se. Maj. wird sich mit einer Versicherung begnügen, die ihm im Namen von Kaiser und Reich gegeben würde, und die enthielte, dafs ihre feste Absicht sei, auch nach dem Ende des Türkenkrieges den Waffenstillstand zu bewahren." Spanheim glaubt, dieser Vorschlag sei aufrichtig gemeint, er sei ein Ausflufs der Verlegenheit der französischen Minister, die sich durch ihr unzeitiges Vorgehen in eine üble Lage versetzt hätten*.

1 Ms. Spanheim an Kurf., 10., 17., 28. Febr. 1687.

Phllippson, Der Orofse KnrfOrat. III. 29

450 Siebentes Buch.

Das neue Anerbieten Frankreichs erlöste auch Friedrich Wilhelm Ton drängender Sorge. Er sprach sich sofort dahin aus, dafs er den Wunsch des Königs gerechtfertigt finde und nach Kräften unterstützen werde. Er schrieb tatsächlich in diesem Sinne nicht nur nach Paris, sondern auch nach Wien und Regensburg ^. Freilich, am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn Ludwig die Richtung seiner Politik von Grund aus ver- ändert hätte. Er schlug ihm vor, sich der Schwäche des otto- manischen Reiches zu bedienen, um auf dessen Kosten leichte und umfassende Eroberungen zu machen und hierdurch zugleich die Lehre Christi auszudehnen^. Er kam damit auf Gedanken zurück, die Leibniz fast zwanzig Jahre früher im Consilium aegyptiacum geäufsert hatte. Allein die Aussicht auf ihre Ver- wirklichung war 1687 kaum gröfser als zwei Jahrzehnte zuvor. So bezeigte man sich allerseits auch mit dem Ausgleiche zu- frieden, wie König Ludwig ihn tatsächlich vorschlug. Ja, der Kaiser war solchem schon am 7. Fetouar durch eine aus eigener Initiative hervorgegangene Erklärung an den Papst zuvorgekom- men: er verpfände sein kaiserliches und königliches Wort, den Stillstand von 1684 nicht blofs während des Türkenkrieges, sondern auch nach diesem heilig und unverletzlich zu be- wahren. Eine gleiche Zusage erteilte Leopold unmittelbar dem französischen Herrscher, allerdings mit dem Beisatze: dieser werde dafür auf den territorialen Zustand vom August 1681 zurückkehren und seine neuerlichen Überschreitungen des Still- standes ungeschehen machen. Als aber Ludwig hierauf nicht einging und vielmehr stillschweigende Anerkennung seiner Festungsbauten von Hüningen und Giesenheim verlaugte, be- willigte der Kaiser um des Friedens willen auch dies, und die Ileichsversamjnlung in Regensburg pflichtete bei^.

Frankreich hatte durch dieses letztere Zugeständnis immer- hin einen neuen Gewinn davongetragen; das Reich hatte, frei- lich um den Preis eines Opfers an Ehre und militärischer Macht, wieder den Frieden erkauft. Es war ein auf die Länge mit dem Dasein eines unabhängigen Volkes und Staatsgebildes

* Ms. Kurf. an Spanheim, 12./22. Febr. 1687. Dep. R^benacs vom 22. Febr.; Prutz, 302.

« Ms. Kurf. an Spanheim, 16./26. Febr. 1687.

» Immich, Innocenz XI., 61ff. Klopp, III, 294ff. Londorp, Xm, 71 ff.

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 451

unTerträglicher Zustand, dem aber nur durch Abschlufs des Friedens mit den Türken damals ein gedeihliches Ende hatte bereitet werden können. Friedrich Wilhelm hatte durch be- sonnene und umsichtige Haltung wesentlich zur Beseitigung eines Zwischenfalles beigetragen, der wochenlang einen sehr be- drohlichen Charakter angenommen hatte. Er gewann sich die Anerkennung zugleich des Kaisers und Frankreichs, das ihm ganz besonderen Dank wegen seines Verhaltens in dieser An- gelegenheit aussprach^.

Diese freundliche Stimmung der leitenden Kreise in Paris wurde indes bald durch einen eigentümlichen Zwischenfall gestört ^.

Einer der ausgesprochensten Anhänger Frankreichs unter den kurfürstlichen Staatsmännern war der Gesandte am Regens- burger Reichstage, Gottfried von Jena, des vor kurzem verstor- benen Geheimrat Friedrich Bruder, ein früherer Universitäts- lehrer wie dieser. Es ist leicht erklärlich, dafs der Vertreter des kräftig aufstrebenden Hohenzollemstaates eben durch die, ein volles Vierteljahrhundert hindurch fortgesetzte, tägliche Beobachtung des jammervollen Treibens der deutschen Bundes- versammlung — gerade wie 170 Jahre darauf ein Gröfserer von Ekel und Verachtung gegen sie und gegen das sie im eigensten Interesse leitende Österreich erfüllt wurde und solchen Empfindungen Ausdruck gab. Auch als eifriger Vertreter evan- gelischer Interessen wurde Gottfried von Jena der österreichischen Partei unbequem. Der Kaiser hatte längst seine Abberufung gewünscht. Jetzt ereignete es sich, dafs der kurmainzische Gesandte in Regensburg, in seiner Angst vor französischen Feindseligkeiten, dem Reichstage den ungeheuerlichen Antrag stellte, man solle nicht nur in die sofortige Verhandlung über den endgültigen Frieden mit Frankreich eintreten, sondern auch diesem Staate einstweilen, damit er sich aller Angriffe enthalte, einige feste Plätze innerhalb des Reiches überantworten. Jena hatte diesem entehrenden Vorschlage, der weit über alles hinaus-

1 Ms. Spanheim an Kurf., 7. März 1687.

* Über den Jenaschen Zwischenfall vor allem: B. Fester, Die Ab- berufung Gottfr. V. Jenas vom Eegensb. Reichstage (Forsch, z. brandenb. u. preufs. Gesch., XV [1902]), 11, 159 ff. Dann: U. u. A., XIV, 1347 ff.; Prutz, 321. 383 ff.; Droysen, III, III 828f.; Immich, Orleansscher Krieg, 242. 250; Ms. Korrespondenz des Kurf. mit Spanheim, März 1687.

29*

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ging, was die Franzosen selber je gefordert, vorläufig zugestimmt Das war schlimm genug; aber in seinem nachUssig abgefafsten Berichte Ober diese Dinge, vom 14. Februar, erschien es, als habe er, persönlich, die bezQglichen Anträge gestellt Der Kur- fürst war über eine solche Eigenmächtigkeit, die noch dazu seiner eigenen politischen Richtung schnurstracks zuwider lief, äufserst entrüstet ; und als der Kaiser unmittelbar an Friedrich Wilhelm schrieb, um sich bitter über Jena zu beschweren, der sich ganz als Anhänger der Franzosen gebärde, da war dessen Schicksal entschieden. Der Kurfürst war in seinem Zorne über- zeugt, der Gesandte sei von Louvois bestochen und habe dessen Befehle ausgeführt; ^3enh hat wie ein Schelm an meinem Hause gehandelt," sagte der leidenschaftlich erregte Herr zu Fridag. Er sah sich von der ganzen Welt des Wankelmutes, der plötz- lichen, „platten Unterwerfung'' unter Frankreich verdächtigt Indem er sich bei dem Kaiser entschuldigte, konnte er ihm bereits die in voller Ungnade erfolgte Abberufung Jenas ankündigen (Ende Februar 1687).

Sie sollte eine öffentliche Demonstration sein, und sie wurde es in vollem Mafse. Sie mufste als eine Bestrafung von Jenas franzosenfreundlicher Richtung, als ein starker Erfolg der österreichischen Politik, als eine deutliche Erklärung., erscheinen, dafs Brandenburg nicht mehr auf französischer, sondern auf kaiserlicher Seite stehe. So fafste alle Welt diesen Vorgang auf, der grofses Aufsehen erregte. Der Kaiser sowie Philipp Wilhelm von der Pfalz sprachen ihre herzliche Freude über die Entfernung des verhafsten Franzosenfreundes aus.

Um so ergrimmter war man in Paris. Spanheims Lob- preisungen der bedeutenden Verdienste, die sein Herr sich um das Zustandekommen der kaiserlichen Erklärung erworben, wurden nicht mehr angehört. Croissy führte vielmehr eine bittere, geradezu verletzende Sprache. Der Kurfürst, sagte er, habe Jena abberufen, obwohl dieser nichts getan, als einen auf Sicherung des Friedens berechneten Vorschlag der geistlichen Kurfürsten zu unterstützen. Der König müsse, nach so vielen anderen Gelegenheiten, wo Brandenburg sich immer an die Spitze seiner Gegner gestellt, solches Betragen als eine förmliche Absage an ihn betrachten. Keine Gegenrede Spanheims ver- mochte den Staatssekretär zu beruhigen. Während Frankreich, fuhr dieser fort, nur aus Rücksicht auf den Kurfürsten den Ab-

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und Türkenkrieg. 453

Schlafs eines Bündnisses mit den LOneburgern vermeide, füge jener , der angebliche Alliierte des Königs , diesem einen öffent- lichen „ Affront ** zu^ Röbenac wurde angewiesen, in den schftrfsten Ausdrücken gegen Jenas Abberufung Protest einzu- legen und mit endgültiger Entziehung der Subsidien zu drohen, mit denen offenbar gegen den König bestimmte Truppen be- soldet würden^.

Jena suchte sich zu entschuldigen; er durfte darauf hin- weisen, dafs er nicht der Urheber des verhängnisvollen Antrages gewesen, dafs er solchen nur vorläufig, bis auf weitere Instruk- tionen, unterstützt habe. Als ihn aber sein Herr zu öffentlichem Widerrufe vor dem Kurfürstenkolleg nötigte, reichte er seine Entlassung von allen Ämtern ein, die er im brandenburgischen Dienste bekleidete.

Diese Vorgänge erhöhten die Mifsstimmung in Paris. Nun müsse, sagte Croissy, der Kurfürst zufrieden sein, aller Welt gezeigt zu haben, dafs er für den König, seinen Verbün- deten, nicht die mindeste Achtung hege noch auf ihn Rücksicht nehme. Und als der dänische Gesandte Meyercroon mildernd und besänftigend einzugreifen suchte, schüttete der Minister sein Herz vollends aus: man habe wohl gewufst, dafs man in Kriegszeiten nicht auf den Kurfürsten von Brandenburg werde zählen dürfen, aber habe gehofft, es während des Friedens tun zu können. Darin habe man sich jedoch getäuscht; er sei auf das engste dem Kaiser verbunden. Ein alter, verdienter Diplomat sei bei ihm der schlimmsten Ungnade verfallen, auf den blofsen Verdacht hin, sich mit dem französischen Gesandten in Regens- burg verständigt zu haben ^.

Friedrich Wilhelm sah ein, dafs er in der durch seine irrige Auffassung der Regensburger Vorgänge erzeifgten Erregung zu weit gegangen sei, dafs er den bisherigen vorsichtigen Gang seiner Politik verlassen und einen Fehler begangen habe. Er suchte solchen nach Möglichkeit wieder gutzumachen, ohne dafs er sich doch geradezu Lügen strafe. Er schrieb also an Jena in freundlichen Ausdrücken, er gebe ihm seine Gnade zurück und wolle ihn in der hohen Stellung eines Kanzlers des

' Ms. Spanheim an Korf., 14. März.

« Mb. Ludwig XIV. an Kebenac, 18. März (B;.

Ms. Spanheim an Kurf. 21. 28. März, 4. April.

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Herzogtums Magdeburg erhaltend Spanheim erhielt den Auf- trag, seinen Herrn in eingehender Weise wegen aller dieser Vorfälle zu rechtfertigen ". Wirklich gab Ludwig XIV. sich den Anschein, als beruhige er sich mit diesen Erklärungen, denn er wollte sich noch immer die Möglichkeit vorbehalten, Branden- burg für sich zu gewinnen. Croissy mufste Spanheim versichern, man würde, trotz allem, das brandenburgische Bündnis dem braunschweigischen vorziehen. Allerdings wisse man, der Kur- fürst bewerbe sich um die Freundschaft des Kaisers und Oraniens, doch hoffe der König, Friedrich Wilhelm werde zu gesünderen Anschauungen zurückkehren.

Der meinte tatsächlich, Frankreich besänftigen zu müssen. Als der Kaiser ihn abermals um Entsendung eines Truppenkorps gegen die Türken wiederholt ersuchte, wies er solches mit freundlichen Worten ab, unter Vorwänden. Das gefiel wieder in Paris, wo die Stimmung günstiger und auch die Subsidien- zahlungen an Brandenburg von neuem aufgenommen wurden. Das Frühjahr 1687 ging unter friedlichen Aussichten zu Ende.

Friedlich waren auch des Kurfürsten Beschlüsse nach einer anderen Seite hin, wo er sonst für seine ehrgeizigen Pläne das Dasein des Staates selbst auf das Spiel zu setzen gewohnt ge- wesen'. Noch immer währten die nordischen Wirren , zwischen Schweden und Holst ein auf der einen, Dänemark auf der anderen Seite. Der holsteinische Vizekanzler Ulcken erschien nun Ende des Jahres 1686 in Berlin und bot die Abtretung Stettins durch Schweden an, wenn der Kurfürst diesem Staate helfe, einen Teil Norwegens zu erobern. Friedrich Wilhelm lehnte dies An- erbieten, das ihn wohl sonst mit kühnem Wagemute erfüllt hätte, ab; er sei nicht gemeint, den Besitz der Stadt „durch einen so teuren und schädlichen Preis zu erkaufen**. Er wollte weder einen Kampf zwischen den wenigen noch vorhandenen protestantischen Staaten noch eine Gelegenheit für Frankreich, der Rücksicht auf den deutschen und skandinavischen Norden entledigt gegen das so gut wie wehrlose Süddeutschland loszu- brechen, noch endlich für Schweden einen solchen Machtzuwachs,

1 Ms. Kurf. an Jena, 14./24. März 1677.

^ Ms. Kurf. an Spanheim, gleiches Datum. Das Folgende nach der Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, April, 3./ 13. Juni 1687.

» Das Folgende nach P. Haake, Brandenburgische Politik u. Kriegs- ftlhrung 1688 u. 1689 (Kassel 1896), S. 11 ff.

Siebenundvierzigstes Kapitel. Augsbvirger Bund und Türkenkrieg. 455

dafs es im Norden dominiere und um so schwerer auf Branden- burg drücke.

Ein anderer Weg schien sich ihm zu eröffnen, um zu dem immerhin glühend gewünschten Besitze Stettins zu gelangen. Die Kriegs- und Geldnöte der schwedischen Krone hatten die Auszahlung der vertragsmäfsigen Bezüge der ehemaligen Königin Christine nur allzuoft verhindert; diese Fürstin behauptete, man schulde ihr mehr als neun Millionen Taler. Nun wurde dem Kurfürsten nahegelegt, der Königin zwei Millionen Taler bar auszuzahlen und dafür, wenn, wie vorauszusehen, Schweden ihm diese nicht zurückerstatten könne, sich durch Stettin entschädigen zu lassen. Der Plan war allzu unverfänglich und gefahrlos, als dafs Friedrich Wilhelm nicht Verhand- lungen darüber gepflogen hätte, die ja einstweilen zu nichts verpflichteten. Zuverlässige Hoffnung auf Gelingen hat er kaum gehegt.

Ob er in jüngeren Jahren und bei gröfserer Rüstigkeit nicht auf das ihm angetragene Kriegsbündnis gegen Dänemark mit dem verheifsungsvollen Preise Stettin eingegangen wäre? Es ist wahrscheinlich; jetzt aber konnte er sich auf solche Abenteuer nicht mehr einlassen. Seine Leiden und seine körperliche Schwäche hatten derart zugenommen, dafs er selber jeden Tag sein Hinscheiden erwartete. Da hiefs es, alle Nebendinge ab- tun, seinen Nachfolger von allen nicht unbedingt notwendigen Verwicklungen frei und sein Staatsschiff klar machen zu dem unter unsicherer Führung zu unternehmenden Entscheidungs- kampfe gegen Glaubensdruck und Universalmonarchie.

Achtundvierzigstes Kapitel

Der Abschlufs.

Je näher der Augenblick heranrückte, wo dem greisen Steuer- mann der Griff des Ruders entgleiten murste, um so mehr drängte es ihn, seinem schwachen Nachfolger die geeignetsten Gehilfen zur Seite zu stellen. In politischer Beziehung glaubte et auf Fuchs volles Vertrauen setzen zu dürfen, der mit seinen Intentionen auf das genaueste bekannt war, klare Einsicht und hervorragende diplomatische Gewandtheit mit unermüdlicher Arbeitskraft vereinte, der selbständig dachte und sich doch dem Willen des Herrschers anzupassen verstand. Anders verhielt es sich mit der militärischen Leitung. Der unvergleichliche Organisator und heldenhafte Führer des brandenburgischen Heeres, Derff linger, war ein beinahe achtzigjähriger Greis, der nicht mehr in das Feld ziehen konnte. Sein einst bestimmter Nachfolger, Schöning, war zwar hochbegabt und ein kühner Soldat, aber allzu eigenmächtig, intrigant und unzuverlässig, als dafs Friedrich Wilhelm ihm die Armee und zumal deren Befehl im Kriege gern anvertraut hätte. Er pafste am wenigsten für einen Kampf an der Seite des Kaisers, gegen Frankreich, für das er mit Eifer eingetreten war. So rächte sich an dem ge- wissenlosen Manne sein Verrat aus dem Sommer 1686. Friedrich Wilhelm sah sich nach einem anderen Generalfeldmarschall für seinen Nachfolger um. Sein Blick fiel auf Friedrich Armand, Herzog von Schomberg.

Schomberg, oder vielmehr Schönberg*, war deutscher Ab-

^Ermanu. Heclam, II, 210 ff. Allgem. Deutsche Biographie (unter Schönberg). J. F. A. Kazner, Leben Friedr. v. Schombergs (Mannheim 1789), Bd. I, 264 ff.; Bd. n, 246 ff.

Achtundvierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 457

Stammung, Sohn eines kurpfälzischen Beamten und Diplomaten. Nachdem er im holländischen Heere gedient, war er wie viele seiner Vorfahren in die französische Armee eingetreten und dort, obwohl Protestant, durch seine hohen militärischen Talente zur Marschalls wQrde aufgestiegen. Man stellte ihn auf eine Stufe mit dem grofsen Turenne. In der Blütezeit des französisch- brandenburgischen Bündnisses, im Mai 1683, hatte der Kurfürst bereits daran gedacht, Schomberg als Generalfeldmarschall in seinen Dienst zu übernehmen, ein Plan, den damals Frankreich als sehr vorteilhaft für seine Sache angesehen hattet Die Absicht war nicht ausgeführt worden. Nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes trotzte Schomberg allen Verlockungen des Hofes, verzichtete auf alle ehrgeizigen Hoffnungen und ver- langte, als einzigen Lohn seiner Dienste, die Erlaubnis zur Aaswanderung aus Frankreich; er erhielt sie unter der Be- dingung, dafs er sich nach dem schwachen und für Frankreich unschädlichen Portugal begebe. Er mufste deshalb den erneuten, durch den hugenottischen Prediger Johann Claude übermittelten Antrag des Kurfürsten von Brandenburg, an die Spitze seines Heeres zu treten, ablehnen. Aber in dem kleinen, damals von bigotter Unduldsamkeit erfüllten Portugal war auf die Länge für Schomberg des Bleibens nicht. Wilhelm von Oranien zog ihn an sich, um ihn zur Unternehmung auf England zu ge- brauchen. Einstweilen sollte Schomberg wirklich, wie seit lange geplant, brandenburgischer Feldmarschall werden, um später, bei ausbrechendem allgemeinem Kriege, entweder die kur- fürstliche Armee zu befehligen oder die Scharen Oraniens nach Grofsbritannien zu führen. Am 27. April 1687 wurde Schomberg, zum grofsen Kummer sowohl Derfiflingei-s wie Schönin gs, zum General über alle brandenburgischen Truppen ernannt. An Stelle des neunundsiebzig jährigen Derff lingers der zweiundsiebzigjährige Schomberg !

Selbstverständlich mufste zunächst die Einwilligung des Königs von Frankreich nachgesucht werden, damit dieser Schom- bergs Ernennung nicht wieder als eine gegen ihn gerichtete Demonstration ansehe. Der Kurfürst gebrauchte dabei das nicht eben aufrichtige Kompliment, der Marschall sei um so lieber auf seine Anerbietungen eingegangen, als er gewufst, dafs

^ Ms. Depeschen Rebenacs vom Mai 1683 (B).

458 Siebentes Buch.

Brandenburg der Verbündete des AUerchristlichsten Königs sei. Die wahre Bedeutung dieser Ernennung blieb den Franzosen ebenso verborgen wie die Erkenntnis der endgültigen und tiefen Gegnerschaft Friedrich Wilhelms. Sie meinten höchstens, er be- absichtige, durch den Marschall noch mehr hugenottische Offiziere in seine Dienste zu ziehen. Dafs der Kaiser grofse Anstren- gungen machte, um Schomberg für sein Heer zu gewinnen , gab dann bei Ludwig XIV. den Ausschlag: er zog den Branden- burger immer noch dem Österreicher vor*. So erteilte er zu des Marschalls Eintritt in die brandenburgische Armee seine, freilich in höhnende Form gekleidete Zustimmung^. Der fran- zösische Gesandte im Haag, der klarblickende, reif urteilende und trefflich unterrichtete Graf d' Avaux, hatte tatsächlich seinen König von den eigentlichen Absichten unterrichtet, die bei der Ernennung Schombergs obgewaltet hatten und sich auf die grofse evangelische Allianz bezogen', allein Ludwig lieh diesen wohlbegründeten Warnungen kein Gehör. Der erste Schritt zur Befreiung Englands und Europas von den Stuarts war getan mit Wissen und mit Beihilfe, wenn nicht gar auf Veranlassung Friedrich Wilhelms von Brandenburg.

Wie diese Tatsache, so stand es wohl auch mit den engli- schen Entwürfen in Verbindung, wenn jetzt der Kurfürst dem Kaiser einen Plan unterbreitete, nach dem seine Flotte in den Dienst des Reichsoberhauptes treten, eine wahre Reichsflotte werden solle. Auch diese grofse Idee, die erst zwei Jahrhunderte später verwirklicht worden, ist dem schöpferischen und zugleich so eminent praktischen Geiste des Grofsen Kurfürsten ent- sprungen. Denn die Entwürfe zur Zeit Wallensteins waren rein phantastisch, ohne materielle Grundlage. Friedrich Wilhelm dagegen vermochte dem Kaiser fünfzehn Kriegsfahrzeuge mit zu- sammen 352 Geschützen, 1550 Matrosen und 310 Soldaten, so- wie ein grofses Transportschiff zu bieten, eine Flotte, die es schon mit der schwedischen aufzunehmen im stände war. Er forderte dafür 40—50000 Taler jährlicher Subsidien: gewifs ein

^ Ms. Depeschen Rebenacs vom Mai und Ludwigs XIV. an H6benac» 15. Mai 1687 (B).

« Ms. Kurf. an Spanheim, 20./30. April, an Ludwig XIV., 2./12. Mai ; Spanheim an Kurf., 8./18. Juni 1687.

3 d^Avaux, VI, 25.

Achtundvierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 459

bescheidenes Verlangend Allein der Gedanke war allzu neu, als dafs die beschränkten kaiserlichen Staatslenker darauf ein- gegangen wären. So ward für immer die Gelegenheit verpafst, den habsburgischen Doppelaar an den nordischen Küsten heimisch zu machen. Der Versuch aber blieb ein abermaliger Beweis, wie völlig Friedrich Wilhelm gegen Ende seiner Regierung in den Entworfen einer grofsen, umfassenden Koalition, die in erster Linie dem Kaiser zu gute kommen sollte, gelebt hat

In diesem Sinne begrOfste er mit Freuden die Ankunft eines neuen niederländischen Gesandten, des Pensionars der Stadt Amsterdam, Jakob Hop, in Berlin. Schon die amtliche Stellung Hops war ihm ein angenehmes Zeichen, dars die reiche und mächtige Handelsstadt ihre Gegnerschaft wider Oranien auf- gegeben, dafs sie erkannt habe, wie notwendig ein enger Zu- sammenschlufs der evangelischen Mächte sei. Hop war übrigens ein scharfsinniger und klar urteilender Staatsmann. Der Vor- wand seiner Sendung war, Brandenburg die Vermittlung in dem zwischen den Generalstaaten und Dänemark ausgebrochenen Streite zu übertragen. In Wirklichkeit brachte er geheime An- träge wichtigerer Natur, sei es auf eine innigere Vereinigung überhaupt, sei es in betreif der schon in Kleve besprochenen und vorbereiteten Expedition nach England'. Die bezüglichen Verhandlungen wurden mit so vorsichtiger Scheu geführt, dafs leider keine nähere Nachricht über sie auf uns gekommen ist.

Holland und Dänemark stritten sich um Handels- und Zoll- angelegenheiten von Bedeutung. Friedrich Wilhelm übernahm um so lieber das Amt des Vermittlers, als Frankreich hier, wie in dem ewigen Gottorpschen Zanke, mit vielem Geräusch auf die Seite Dänemarks trat und diesen Staat immer mehr an sich zu fesseln suchte. Der Kurfürst dagegen war bemüht, Christian V. mit den Niederländern zu versöhnen und damit wenigstens an der Parteinahme für Frankreich zu verhindern. Also auch auf diesem Punkte wirkte er im stillen, aber mit planmäfsiger Folgerichtigkeit gegen Ludwig XIV.*.

Die Hoflnung, Dänemark von der französischen Freundschaft

> U. u. A., XIV, 1362.

« d'Avaux, Vn, 57. U. u. A., DI, 781 ff .

' Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, Okt. 1687. ü. u. A. in, 780 ff.

460 Siebentes Buch.

abzuziehen, erhielt Verstärkung durch den Umstand, dafs der skandinavische Staat um seiner hamburgischen und holsteini- schen Interessen willen ein ebenso grundsätzlicher Gegner der LOneburger war wie, aus anderen Gründen, der Brandenburger, und dafs trotzdem Frankreich in immer vertrautere Beziehungen zu den Weifen trat, um diese vorkommenden Falles Branden- burg gegenüberstellen zu können. Röbenac erklärte ganz offen: sein König vermöge jeden Tag mit dem Hause Lüneburg ab- zuschliefsen , werde es aber nicht tun, solange er sich auf Brandenburgs Allianz und Freundschaft verlasse. Der Kurfürst seinerseits verhehlte den Franzosen nicht, dafs ein Bündnis zwischen ihnen und den Weifen die Interessen, ja die Sicherheit seines Staates bedrohe und ihn veranlassen müsse, deren Wah- rung auf einer anderen Seite zu suchen. Er hatte die Genug- tuung, dafs Meyercroon bisher mit Eifer gegen ein solches Bündnis arbeitete. Aber würde Dänemark diese Opposition schliefslich nicht aufgeben, sobald Frankreich ihm auf anderem Wege die Förderung seines partikularen Vorteils in Aussicht stellte? Würde sich dann nicht eine starke und bedrohliche französische Klientel an Brandenburgs Nordwestgrenze bilden? Ein Problem, das die Besorgnis des Kurfürsten und seiner Räte in hohem Grade erweckte ^

Auch andere Vorgänge mufsten sie veranlassen, zunächst jede unnötige und vorzeitige Herausforderung des gewaltigen Herrschers an der Seine zu vermeiden. Im Mai 1687 hatte Ludwig XIV. mit dem schwachen, greisenhaften, ganz unter dem Einflüsse seines verräterischen Domdechanteu , des Strafs- burger Bischofs Kardinal Wilhelm von Fürstenberg, stehenden Kurfürsten Maximilian Heinrich von Köln ein Bündnis ge- schlossen, das dessen Truppen und Festungen im Kriegsfalle dem Könige zu Gebote stellte und diesem das kurkölnische Gebiet für die französischen Heere eröffiiete. Damit erlangte Frankreich am Niederrhein eine überaus starke militärische Stellung, die den Zusammenhang zwischen den Niederlanden und Brandenburg zu zerreifsen, ja des letzteren rheinisch-west- fälische Besitzungen sofort der Überlegenheit französischer Heere auszuliefern drohte; die Ereignisse der Jahre 1673 und 1679 konnten sich leicht wiederholen. Würde die stärkere Be-

' Ms. Korresp. des Kurf. mit Spanheim, Juli bis Okt. 1687.

AchtundvierzigsteB Kapitel. Der Abschlufs. 4g 1

festigung Wesels, die Friedrich Wilhelm in jener Zeit vornahm, gegen solche Gefahr eine irgend ausreichende Bürgschaft ge- währen? Die Lage verschob offenbar sich immer mehr zu Un- gunsten der antifranzösischen Koalition.

Um so gründlicher, als Jakob II. von England durch die Wucht der Ereignisse, durch seinen stets wachsenden Gegensatz wider die protestantische Mehrheit seiner Untertanen, die sich auf Oranien, den kalvinistischen Schwiegersohn des Königs, stützten, von Woche zu Woche entschiedener auf die Seite Frankreichs hinübergedrftngt wurde. Er trat bereits offen als Gegner der Niederlande auf.

Unter solchen Umst&nden war es recht unzeitgemäfs, wenn der Kaiser von Jakob II. eine Garantie des französisch-deutschen Waffenstillstandes sowie der jüngst zwischen ihm und Ludwig XIV. darüber ausgetauschten Erklärungen verlangte. Der englische Monarch zögerte nicht, den kaiserlichen Gesandten Kaunitz zu bedeuten, er würde auf diesen Vorschlag nur mit Zustimmung Ludwigs eingehen. Dieser aber wollte die Bürgschaft lediglich unter der Bedingung gutheifsen , wenn darin sein Recht, in den vorlAufig reunirten Landen Befestigungen anzulegen, anerkannt werde: eine tyrannische und kränkende Formel, die, gegen den Wunsch Croissys, der harte und eroberungsgierige Louvois ver- anlafst hatte. Es hiefs das, allen weiteren Usurpationen Frank- reichs von vornherein zustimmen. Der kaiserliche Hof weigerte sich deshalb, gewifs mit Recht, einer solchen Garantie. Und darauf lehnte sie Jakob IL überhaupt ab er entzog sich hiermit auf das bestimmteste jeder Möglichkeit, dafs er dem Bündnisse zur Verteidigung der europäischen Freiheit beitrete. Diese Entscheidung herbeigeführt zu haben, war die traurige Folge des verkehrten Schrittes des kaiserlichen Diplomaten ^

So erhielt Frankreich freie Hand zu neuen Gewalttaten gegen das Reich, und es liefs es daran nicht fehlen, in offenbar provokatorischer Absicht.

An der unteren Mosel, etwa zehn Meilen unterhalb Triers, liegt das weinberühmte Städtchen Trarbach. Es war damals der Hauptort einer kleinen zweibrückischen Exklave, an der Ostgrenze des Kurfürstentums Trier. Wir wissen, dafs Lud-

^ Ms. Spanheim au Kurf., 13., 16. Juni. Londorp, Xm, 73. Klopp, in, 345 f. 641 ff.

4(52 Siebentes Buch.

wig XIV. sich durch die Metzer Reunionskammer die Ober- hoheit über das Herzogtum Zweibrücken hatte zusprechen lassen. Plötzlich begannen die Franzosen bei Trarbach den Bau eines Forts, das sie Mont-Royal benannten. Es war dazu be- stimmt, die Stadt Trier, die von Westen her schon von Luxem- burg bedroht war, auch von Osten her einzuschnüren und von Deutschland abzuschliefsen. Anderseits bildete Mont-Royal eine vortreffliche Operationsbasis gegen die kurtriersche Hauptfestung und zweite Residenz Koblenz -Ehrenbreitstein. „Wenn andere so herrliche Länder erwerben," sagte Groissy mit deutlicher An- spielung auf die Fortschritte des Kaisers in Ungarn, „müssen wir auch unseren Besitz zu sichern suchen.** Auf Louvois' Be- fehl wurden unechte Dokumente angefertigt, die beweisen sollten, dafs Trarbach bereits vor dem L August 1681 reunirt sei, also zu den im Stillstande Frankreich einstweilen überlassenen Ge- bieten gehöret Freilich wurde selbst mit dieser Fälschung die Tatsache nicht aus der Welt geschafft, dafs der Stillstands- vertrag jede Änderung des Status quo in den reunierten Ländern und damit auch die Anlegung neuer Festungen untersagte.

Ganz Deutschland war über diesen neuen Friedensbruch er- regt, um so mehr, als es sich hier nicht um eine Grenzforti- fikation, sondern um eine Niederlassung inmitten unbestritten deutscher Gebiete und um eine direkte Bedrohung des Trierer Kurfürstentums handelte. Auch Friedrich Wilhelm von Branden- burg^ war tief betroffen und bereit, allen möglichen Gegen- mafsregeln zuzustimmen, insoweit diese nicht zu offenem Bruche mit Frankreich führten. Denn ein solcher, das stand bei ihm unerschütterlich fest, dürfe und solle erst erfolgen, wenn der Kaiser mit den Türken Frieden gemacht habe und seine sämt- lichen Streitkräfte an den Rhein entsenden könne. Er ver- schlofs sich durchaus nicht den Klagen, die das Reichsoberhaupt in einem Schreiben an die Kurfürsten am 16. Juli aussprach: Die Erbauung und Besetzung des Trarbacher Forts stehe im Gegensatze zu den schriftlichen Zusagen des AUerch ristlichsten

' Rousset, Louvois, LEI, 27 f. Klopp, ni, 344f.

* Das Folgende nach der Ms. Korresp. des Kurf. u. Spanheimsi Juli bis Okt. 1687. Hierin sind auch Abschriften der Koiresp. Fried- rich Wilhelms mit dem Kaiser, den übrigen Kurfürsten und dem Land- grafen von Kassel, sowie mit seiner Hegensburg. Gesandtschaft ent- halten. — Vgl. Londorp, XIII, 75 ff., u. U. u. A., XIV, 1872 f.

Achtundvierzigstes Kapitel. Der Abschluls. 403

Königs, nichts mehr gegen den Waffenstillstand unternehmen zu wollen; wenn das Reich auch hierzu stillschweige, werde der König immer weitere Ausschreitungen begehen und den ganzen Rheinstrom in seine Gewalt bringen. Allein Friedrich Wilhelm begehrte von Wien Taten und nicht immer nur Worte. Es war leicht für Leopold, die Reichsfürsten auf ihre eigene Gefahr hin auf Frankreich zu hetzen und inzwischen, weit von dessen Heeren entfernt, unschwierige Siege und Eroberungen auf Kosten der geschwächten, fast wehrlosen, demütig um Frieden betteln- den Pforte zu vollbringen. In diesem Sinne, wenn auch in höf- licher Form, antwortete er dem Kaiser am 6. August. Er schlug in diesem Schreiben weiter vor, zur Vermeidung fernerer Mifshelligkeiten einen Grenzvertrag mit Frankreich schleunigst abzuschliefsen.

Inzwischen hatte er aber keineswegs voll Kaltherzigkeit bei der Not des Vaterlandes die Hände in den Schofs gelegt. Spanheim mufste in Paris sich auf die Verträge und auf das dem Kurfürsten gegebene königliche Wort berufen, um für Giesenheim wie für Trarbach die Rückkehr zum vorherigen Zustande zu verlangen und die ernste Mahnung hinzufügen: Brandenburg sei, unbeschadet seines Bündnisses mit Frankreich, verpflichtet, seinen Obliegenheiten gegen das Reich nachzukom- men, die es bei der Allianz ausdrücklich vorbehalten habe eine Erklärung , die in deutlicher Weise an die Vorgänge nach dem Vossemer Frieden erinnerte. Spanheim erhielt darauf frei- lich keine andere Antwort als der kaiserliche Gesandte Lobko- witz auf seine Vorstellungen : der König dürfe in den reunierten Landen tun, was er wolle. Darauf ging Friedrich Wilhelm zu tatsächlicher Unterstützung Kurtriers über. Er hatte zuerst beschlossen, 2000 seiner Soldaten in seine dem Erzstift zunächst gelegenen Orte Duisburg, Essen und Werden einzuquartieren; allein er bedachte, dafs er schon die Reichsstadt Köln mit brandenburgischen Truppen besetzt, dem Kurfürsten von der Pfalz vertragsmäfsig 1500 Mann zur Unterstützung von dessen Garnisonen zugesagt hatte. Sollte er sein Heer aber- mals um 2000 Krieger schwächen? lief er da nicht Gefahr, seine Streitkräfte ganz zu zersplittern? Er stellte also dem Trierer Johann Hugo auf dessen Hilfegesuch nur 500 Mann von seinen westfälischen Truppen unbedingt zur Verfügung. Dabei konnte er sich wieder von der Haltlosigkeit des phrasenhaften

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Patriotismus der übrigen Reichsst&nde Qberzeagen. Es war weit von der Grafschaft Mark bis an die Mosel, and Trier oder Koblenz konnten längst von den Franzosen eingeschlossen sein, ehe die Brandenburger zur Hilfe anlangten. Er ersuchte also den Landgrafen von Kassel, die Verlegung der 500 Mann nach dem hessischen Westerwalde zu gestatten, zur leichteren Be- schützung von Koblenz und dem Ehrenbreitstein jene hätten dann im Notfalle nur vier bis fünf Meilen, zwei Tagemärsche für die damalige Zeit, zu marschieren. Allein so grofs war bereits die Furcht, dafs der Landgraf das Anliegen zurückwies (25. August), „um der Krone Frankreich keine Ombrage zu geben" ; Brandenburg möge doch die 500 Mann in seinem eigenen Lande nach dem am nächsten zu Trier belegenen Orte, etwa nach Altena in der Grafschaft Mark, senden. Da waren sie allerdings von Koblenz noch zwanzig Meilen, acht bis zehn Tage- märsche, entfernt. Und dabei war der Landgraf Mitglied der berühmten Augsburger Allianz, die sich angeblich die Verteidi- gung des Reiches gegen Frankreich zur Aufgabe gesteUt hatte!

Ebenso trübe Erfahrungen machte Friedrich Wilhelm mit seinen Herren Mitkurfürsten. Er hatte am 5. August an sie geschrieben, um sie zu gemeinsamem Vorgehen in der Trar- bacher Angelegenheit aufzufordern. Da antworteten denn Kur- bayem und Kurmainz: man müsse des Kaisers Vorschläge in Regensburg abwarten. Der heuchlerische Kardinal Fürstenberg liefs das au Frankreich verkaufte Kurköln schreiben: es wolle alles mit Brandenburg gemeinsam tun, doch möge man im Kur- fürstenkolleg erst darüber beraten. Kurpfalz raffte sich zu dem höchst wirkungsvollen Vorschlage auf: das ganze Reich möge gegen die Verletzung des Stillstandes in Paris remonstrieren!

Um das Verfahren Friedrich Wilhelms in diesen Jahren richtig zu würdigen, mufs man im Auge behalten, mit welchen Elementen er es zu tun hatte. Der Kaiser lediglich um seine ungarischen Eroberungen besorgt; die Süddeutschen so gut wie waffenlos, mit Ausnahme Bayerns, dem nur seine dynastischen Vorteile am Herzen lagen ; Kurpfalz ebenso schwach wie Mainz und Trier; Kurköln ein Söldner Frankreichs; Hessen und Sachsen ängstlich auf den Frieden bedacht; die Weifen voll Neid und Hafs gegen Brandenburg, ohne irgend ein deutsches Interesse. Mit solchen Genossen sollte er einem Könige von Frankreich mit dessen gewaltiger, streng zentralisierter Macht

l

Achtondvierzigstefl Kapitel. Der Abschlufs. 465

Widerstand leisten ! Das war offenbar unmöglich. Er tat, was er konnte. Nach Regensburg sandte er, an Jenas Stelle, den echt deutschgesinnten Schmettau, dem er anbefahl, in der Trarbacher Angelegenheit einmütig mit dem kurs&chsischen Ver- treter vorzugehen. Aber was half es? Der Reichstag wie der Kaiser begnügten sich mit ungemein tapferen Taten auf dem Papiere ; Graf Verjus de Cröcy antwortete voll Hohn mit gleich- falls papierenen Gegenmafsregeln. Papst Innocenz XI. riet in Wien zum Frieden, zum Nachgeben, um nur ja den TQrkenkrieg fortführen zu könnend Und das war das Ende der Sache. Das Reich stellte den leeren Lärm ein, und Frankreichs Lilienbanner wehte weiter auf den Wällen der Feste Mont Royal.

Solche Vorgänge mufsten bereits den Eifer Friedrich Wil- helms im Dienste des Kaisers und des Reiches gewaltig abkühlen. Die Gefahr für ihn wuchs. Dänemark ging, trotz aller seiner Gegenbemühungen, im Herbst 1687 endgültig auf die französische Seite über. Es zeigte dem Kurfürsten an, dafs es die Gegner- schaft wider ein Bündnis des Hauses Lüneburg mit Frankreich aufgebe, eine Schwenkung, die ganz unmittelbar im Gegen- satze zu dem in Kopenhagen wohlbekannten Interesse und Wunsche Brandenburgs geschah. Wo blieb da die „evangelische Allianz"? Ende September gelangte an ihn von Dänemark wie von Frankreich die Aufforderung, er möge mit diesen beiden Staaten und dem Hause Lüneburg eine Quadrupelallianz schliefsen, zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Frieden des Reiches und insbesondere im uiedersächsischen Kreise. Es lag auf der Hand, dafs durch ein solches Bündnis lediglich die Usurpationen Frankreichs an Rhein und Mosel sowie Dänemarks in Schleswig- Holstein geschützt werden sollten, ohne dafs für Brandenburg auch nur der mindeste Vorteil herausschaute. Friedrich Wilhelm lehnte also jede neue Verpflichtung ab, indes in freundlichster Weise und mit Berufung auf die Bündnisse, die ihn bereits mit Frankreich und Dänemark verknüpften'.

Denn er war entschlossen, mit diesen Mächten nicht zu brechen um des Kaisers willen, der sich nicht allein zurück- haltend, sondern geradezu übelwollend gegen ihn benahm. Wenn es dem Kurfürsten geglückt war, durch Verzicht auf die Lehns-

1 Immich, Innocenz XI., 77.

« U. u. A., m, 790 ff. 796 f., XIV, 1377 f.

Philippaon, Der Grofiie KurfOrgt. III. 30

4(56 Siebentes Buch.

hoheit über die ehemals magdeburgischeu Ämter Querfurt, Jüterbogk und Dahme den Herzog von Sachsen-Weirsenfels zur Rückgabe wenigstens des Amtes Burg zu bestimmen^, so war das sicherlich nicht das Verdienst des Kaisers. In der ostfrie- sischen Angelegenheit zeigte sich dieser lediglich darauf bedacht, den Brandenburger aus dem wichtigen Eüstenlande zu entfernen. Es kam dahin, dafs die Fürstin von Ostfriesland sich behufs Abtragung der Lichtensteinschen Schuld lieber an die General- staaten um Vorstreckung von 120000 Talern wandte und damit die Gefahr von neuem schuf, das deutsche Land könne pfandweise an die Holländer übergehen. Nicht einmal die £x- spektanz auf die Nachfolge in Ostfriesland, nach dem etwaigen Aussterben der fürstlichen Familie, wollte der Kaiser dem Hause Brandenburg geben. Endlich kam es, am 30. September 1687, zu dem Vergleiche, der dem Kaiser die Zahlung der Lichten- steinschen Schuld in Höhe von 240 000 Reichstalem an Branden- burg auferlegte, wofür dieses auf alle seine finanziellen An- sprüche an Ostfriesland verzichtete*. Damit war der Pfandbesitz des ganzen oder doch eines Teiles Ostfrieslands durch Branden- burg, damit auch die Steuererhebung in diesem Lande durch brandenburgische Beamte und zu Gunsten der brandenburgischen Staatskasse beseitigt. Ja, es scheint, als habe der Kaiser schliefslich, durch einen neuen Betrug, von der ganzen Schuld- summe überhaupt nur 100000 Taler ausbezahlt ^ Freilich, wenn er gehofft hatte, nunmehr die Brandenburger gänzlich aus jenem Gebiete zu entfernen, hatte er sich doch gründlich geirrt. Friedrich Wilhelm behielt das Konservatorium der ostfriesischen Verfassung, das der Kaiser ihm einst erteilt hatte, bei und beharrte auf der Besetzung Emdens und Greetsiels, sowie auf der Fortdauer seiner Emdenschen Afrikanischen Kompanie. Er liefs deutlich merken, dafs er es um dieser Dinge willen auch auf einen Bruch mit dem Kaiser ankommen lassen werde, und so gab Leopold stillschweigend nach. Aber die Unvereinbarkeit der österreichischen und der brandenburgischen Interessen hatte sich wiederum auf das unzweideutigste herausgestellt.

Friedrich Wilhelm hielt es für angemessen, sich einstweilen

1 Vertrag vom 14./24. JuH 1687; Mörner, 494ff.

« Das. 762 ff. Vgl. U. u. A., XIV, 1363—1885. 1400.

» Droysen, m, HI 841 Anm.

Achtondvierzigstee Kapitel. Der AbschlulB. 467

Frankreich wieder mehr zu nähern ^. Er liers dort durch Spanheim vorstellen, dafs er bisher ja in keiner Weise das Bündnis mit dem Könige verletzt habe, vielmehr bei solchem in Treuen verbleiben werde. Und den Worten entsprachen die Taten. Er lehnte es ab, dem Dispense zuzustimmen, dessen der älteste Sohn des Kaisers, Erzherzog Joseph, wegen seiner noch allzu grofsen Jugend behufs der Wahl zum Römischen Könige von selten der Kurfürsten bedurfte. Er widersprach nicht minder der Kandidatur des Herzogs von Lothringen, des Schwagers, Feldherm nnd Schützlings des Kaisers, für die künftige Erledigung des polnischen Thrones. Ludwig XIY. äufserte herzliche Befriedigung über die antiösterreichische Haltung Brandenburgs in diesen beiden wichtigen Fragen. Endlich änderte der Kurfürst sein Benehmen in der Angelegenheit des Waffenstillstandes. Am 28. Oktober / 7. November 1687 ging seine Weisung an den Geheimrat von Schmettau in Regensburg ab, die einen dem französischen sich sehr nähernden Standpunkt einnahm. Während des Türkenkrieges, hiefs es darin, müsse jeder gewaltsame Zusammenstofs mit Frankreich vermieden werden. Da aber die Verhandlung über einen eingehenden Grenzvertrag leicht einen Zwist herbeizuführen vermöge, auch ein derartiger Traktat sich bei Andauer des Türkenkrieges nicht vorteilhaft für das Reich gestalten könne, müsse man einstweilen von jeder solchen Ver- handlung absehen. Das gleiche gelte von den Beschwerden wegen Verletzung des Waffenstillstandes.

Diese Instruktion wurde dem Grafen R6benac in Berlin amtlich vorgezeigt ; Ludwig XIV. ward durch sie sehr befriedigt. Der Kurfürst erläuterte sie anderen Diplomaten dahin, dafs er nach wie vor von der Nichtberechtigung des französischen Vor- gehens überzeugt sei, aber kein Mittel erblicke, solchem abzu- helfen. Er sah ein, dafs die Selbstsucht und Schwäche der deutschen Fürsten, mit Einschlufs des Kaisers, jeden Widerstand unmöglich machten, und da empfand er keine Lust, zwecklos seines Staates Sicherheit und Blüte im Auftrage von Leuten zu gefährden, die ihm lediglich Abneigung und Übelwollen be- wiesen. Er richtete die Hoffiiung einer besseren Zukunft auf ganz andere Verhältnisse : auf das geplante Unternehmen Oraniens in England, den Sturz der Stuarts, das Bündnis Brandenburgs

^ Das Folgende nach Geh. Staatsarchiv (Berlin), Bep. XI, Frankr. 25.

30*

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mit den protestantischen Machten Niederland und England. Von da sah er die Morgenröte eines glücklicheren Tages aufglftnzen.

Immer mehr verschärfte sich der Gegensatz zwischen dem greisen und krankheitsgeplagten Herrn auf der einen, dem Kaiser und der Mehrheit des Reichstages auf der anderen Seite.

Es ist bezeichnend, dafs Mitte Oktober 1687 der Kurfürst seine Ansprüche auf endliche Zuweisung der längst versprochenen Entschädigung seiner im Schwedenkriege erlittenen Verluste und besonders des erneuten Verzichts auf Vorpommern abermals und in entschiedenster Weise an den Reichstag brachtet Seine Forderungen waren erstaunlich grofs, offenbar auf das Ab- handeln berechnet: sie umfalbten die Reichsstädte Dortmund, Mühlhausen, das unter dem Schutzrechte Kursachsens stand, Nordhausen, wo hannoversche Besatzung lag, sowie Lokkum, das früher zum Bistum Minden gehört hatte, aber jetzt von Celle okkupiert war. Besonders der Gegensatz zu den Lüneburgem trat hier offen hervor, zweifellos mit voller Absicht seitens des Kurfürsten. Er verlangte endlich, dafs das Reich ihm die Exspektanz auf Ostfriesland erteile und noch eine Million Taler entrichte. Wiederholt ersuchte er den Kaiser, ihm bei der Durchführung dieser Anliegen zur Seite zu stehen. Es schien, als habe er es auf einen förmlichen Bruch mit dem Reiche und dessen Oberhaupt abgesehen bei diesen trotzigen Forderungen. Er mufste erleben, dafs die österreichische Gesandtschaft in Regens- burg sich monatelang mit mangelnder Instruktion entschuldigte, um sich jeder Beteiligung an dieser Angelegenheit zu enthalten, von der sie voraussetzte, dafs, wenn der Kaiser nicht für sie eintrete, sie an dem Widerspruch der Reichstagsmehrheit scheitern werde. Endlich wurde, trot^ Fridags wiederholter und nach- drücklicher Warnungen, die Haltung des Kaisers eine offenbar ungünstige, ablehnende. Ganz anders Frankreich. Es sah in dem Anliegen Brandenburgs ein vortreffliches Mittel, einen Keil zwischen diesen Staat, das Reich und den Kaiser zu treiben, und nahm deshalb mit Eifer für den Kurfürsten Partei. Zu- gleich suchte es das Haus Lüneburg zur Erhebung ähnlicher Ansprüche zu bewegen und darin mit Brandenburg zu verbinden, so die längst gewünschte, auf den AUerchristlichsten König ge-

^ S. hierüber Londorp, XIH, 228ff. 440ff.; U. u. A., XIV, 1388. 1892 f. 1896. 1898. 1400; Prutz, 827.

Achtundvierzigstefl Kapitel. Der Abschluls. 469

stützte und dem offiziellen Beiehe feindliche Allianz beider Häuser zu Stande zu bringen. Ernst August war geneigt, auf diese Pläne einzugehen. Er liefs durch seinen Schwiegersohn, den Kurprinzen, dessen Vater ersuchen, einer besonderen Allianz behufs Erreichung ihrer beiderseitigen Ansprüche an das Reich zuzustimmen. Eine völlige Auflösung selbst des äufseren Zu- sammenhalts im Reiche, ein diplomatischer und sogar militäri- scher Kriegszustand in Deutschland konnte hieraus erwachsen, der dieses Land hilflos den Franzosen preisgegeben hätte. Die Zerrüttung war schon in vollem Gange. Es versteht sich, dafs alle Bedrohten gegen die brandenburgischen Forderungen heftige Verwahrungen erliefsen, mit weitläufigen Darlegungen ihrer Rechte und Freiheiten, ihrer Unveräufserlichkeit und Unüber- tragbarkeit hervortraten. Auch von den unmittelbar nicht be- teiligten Ständen liefen bei dem Kurfürsten so viele ablehnende Antworten auf seine empfehlenden Schreiben ein, dafs die gänz- liche Verwerfung seiner Ansprüche nicht zu bezweifeln war. Man mufs sich fragen, ob er sein Verlangen ernst gemeint oder nur Kaiser und Reich zu gröfserer Rücksicht auf sein Interesse habe schrecken wollen. Oder sollte er diesen ganzen Streit in Szene gesetzt haben, um Frankreich zu täuschen, um es von vorzeitigem Bruche mit Brandenburg abzuhalten, einstweilen aber die Hilfs- gelder aus Paris noch zu beziehen? Seine Ansprüche an das Reich waren so ungeheuerlich, dafs eine derartige Vermutung der Wahrscheinlichkeit nicht entbehrt und sich von selbst aufdrängt. Inzwischen zog aber das Ungewitter herauf, das dazu be- istimmt war, das Kriegsunheil von neuem über die Welt zu bringen. Kurfürst Maximilian Heinrich von Köln, der aus seinem Erzstifte, unter Einwirkung Wilhelms von Fürstenberg, ein Vor- land Frankreichs gemacht hatte, neigte dem Grabe zu. Um die wichtige Stellung am Unterrhein zu behaupten, wünschte Ludwig XIV., diesen Fürstenberg sofort zum Koadjutor des Kurfürsten mit Anwartschaft auf dessen Nachfolge erwählen zu lassen. Hierzu war, nach dem kanonischen Rechte, die Zu- stimmung des Papstes erforderlich ; aber da Innocenz XL soeben von Frankreich in seiner eigenen Hauptstadt auf das gröblichste beleidigt worden, hielt sich die französischgesinnte Mehrheit des Kölner Domkapitels der Einwilligung des heiligen Vaters nicht für sicher und wählte ohne solche am 7. Januar 1688 den Kardinal Wilhelm von Fürstenberg zum Koadjutor. Damit war

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die Krise akut geworden. Der Kaiser verlangte, dafs der Papst die Wahl kassiere und eine neue anberaume ; der König von Frankreich erklärte, dafs dies das Zeichen zum Kriege sein werde. Er war um so mehr entschlossen, FQrstenbergs Erhebung aufrechtzuerhalten, als dessen Mitbewerber ein Sohn eben des Kurpfalzers war, mit dem er wegen der Orleansschen Erbschaft in bitterem Streite lag^

Es waren trübe Zeiten für Deutschland, trübe Zeiten zumal für den Hof in Berlin. Kurfürstin Dorothea erkrankte so schwer, dafs man sie im Monat Februar schon für verloren hielt; sie erholte sich nur langsam. Wenige Wochen darauf wurde der Schwiegersohn des kurfürstlichen Paares, der Erbprinz von Mecklenburg, durch die Blattern hinweggerailt , eine siebzehn- jährige, kinderlose Witwe hinterlassend. Gicht und unheilbar zunehmende Wassersucht plagten und schwächten den alten Herrn immer ärger. Kaum besser sah es in der Politik aus'. Mit dem Kaiser war Friedrich Wilhelm durchaus unzufrieden. Dessen kühles, ja feindseliges Auftreten in der Satisfaktions- angelegenheit erbitterte ihn sehr. „Ich nehme," sagte er zu Fridag, „handgreiflich ab, dafs man zu Regensburg nur Zeit zu gewinnen und meinen Tod abzuwarten die Absicht hat." Wie sollte das Reich die Franzosen am Rheinstrom bestehen, wenn Österreich seine Kriegsvölker sämtlich an der unteren Donau beliefs? Vergebens riet er dem Kaiser immer wieder zu baldigem Friedensschlufs mit den Türken, bot er ihm dazu die Vermitt- lung der Generalstaaten an. Die Wiener Staatsmänner starrten unausgesetzt auf Belgrad und überliefsen es den deutschen Fürsten, die Kastanien aus dem französischen Brande zu holen. Kamen doch die Eroberungen in Ungarn und Serbien dem erlauchten Erzhause unmittelbar zu gute ; welches Interesse bot ihm der deutsche Rhein, der ihm doch nur zu verschwindend kleinem Teile selbst gehörte! Man hatte sogar die Keckheit, für den neuen Feldzug gegen die Osmanen von dem Brandenburger 3000 Mann zu fordern, die dieser selbstverständlich mit dem Hinweis auf die von Westen und Norden drohende Gefahr, sowie auf die gegen

' Spanheim an Kurf., 16., 28. Jan. 1687 ; Geh. Staatsarchiv (Berlin), XI, Frankr. 26.

« Über das Folgende: U. u. A., XIV, 1397 ff. 1401 ff. Ms. Span- heim an Kurf., 6. April 1688.

Achtundyierzigstes Kapitel. Der AbBchlufs. 471

die Stadt Köln und die Kurfürsten von Trier und der Pfalz von ihm übernommenen Verpfliehtungen verweigerte. Die Lage hatte sich für ihn noch dadurch verschlimmert, dafs Ende 1687 das Bündnis zwischen Frankreich und Hannover tatsächlich zu stände ge- kommen war. Die Franzosen versicherten zwar, die Allianz sei lediglich zum Schutze Hamburgs und Lübecks gegen dänische Begehrlichkeit bestimmt ein Zweck, den Brandenburg sehr wohl billigen konnte , allein der Kurfürst wollte wissen , dafs sie in ihren Geheimartikeln Hannover verbiete, irgend welchen Gegnern Frankreichs beizustehen oder den Durchmarsch durch sein Land zu gestatten. Friedrich Wilhelm liefs dem Könige sagen: er wundere sich, dafs dieser zwei miteinander so unver- trägliche Bündnisse eingehe wie das mit Brandenburg und das mit den Lüneburgem; „ich kann," erklärte er dem Grafen B^benac, ,mit meiner Stimme (als Kurfürst) jetzt in einer Sitzung mehr Wohl und Wehe stiften als die braunschweigi- schen Herzoge in ihrem ganzen Leben/ ^

So trübten sich die offiziellen Beziehungen Brandenburgs zu Frankreich immer mehr. Die Sprache, die man widereinander führte, wurde eine gereizte, von französischer Seite sogar eine drohende, da man glaubte, durch die Verbindung mit den Weifen der Rücksicht auf den Kurfürsten überhoben zu sein. ^Ich wünsche,'^ schrieb Ludwig am 12. Februar 1688 an R^benac, „dafs Sie dem Kurfürsten zu verstehen geben, dafs ich hin- reichende Ursache gehabt hätte, mich über alle die Schriften und Erklärungen zu beklagen, die er veranlafst hat, um meine Untertanen von der angeblich reformierten Religion zur Desertion und zur Ansiedlung in seinen Staaten zu bestimmen, dafs ich aber keinenfalls dulden könne, dafs er diejenigen, die, in Er* kenntnis ihres Verschuldens, in mein Königreich zurückkehren wollen, mit Gewalt zurückhalte," eine ganz unbegründete und in böser Absicht geschmiedete Anklage! „Wenn diese Ge- walttätigkeit andauert," fuhr der König fort, „wird solche mich leicht zu Entschlüssen bewegen, die ihm nicht genehm sein werden." Von derartigen offiziellen Zumutungen bis zur Kriegs- erklärung war nur ein Schritt*.

Fürstenberg und dessen Freunde in Berlin bemühten sich

^ Ms. Depeschen R^benacs vom 9. Dez. 1687, Jan. 1688 (B). ' G. Pagös, Les rdfugi^s k Berlin, a. a. O., S. 140.

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freilich mit Eifer, den Kurfttrsten doch in die französisch- hannoversche Allianz zu ziehen. Sie stellten ihm vor, dafs die Eroberungen des Kaisers im Osten diesen Fürsten zu mächtig, der Freiheit der Reichsstftnde und dem evangelischen Bekennt- nisse allzu gefährlich machten. Übrigens zahle Spanien seine Subsidienrückstftnde ebensowenig, wie der Kaiser die branden- burgische Satisfaktion im Reiche fördere; Frankreich dagegen sei erbötig, ihm in beiden Angelegenheiten GenOge zu ver- schaffen ^ Allein Friedrich Wilhelm blieb inmitten seiner Leiden und körperlichen Schmerzen fest; ohne sich dem Kaiser, dessen Wohlwollen und Einsicht er wahrlich nicht zu loben hatte, näher zu verpflichten, hielt er sieh doch von Frankreich, trotz aller Verlockungen, fern.

Das zeigte er zunächst in dem Kölner Wahlstreite. Er weigerte sich durchaus, den neuen Koadjutor ohne weiteres anzuerkennen ; es könne ihm keineswegs gleichgültig sein, welchen Mitkurfürsten und Nachbarn er in Köln erhalte. Das Notifi- kationsschreiben Fürstenbergs liefs er viele Wochen hindurch unerwidert und erteilte endlich, wie mehrere andere Kurfürsten, eine in ganz allgemeinen Ausdrücken gehaltene Antwort, die jede Anerkennung der Neuwahl geflissentlich unterliefs (Ende März 1688). Beschwerden Frankreichs über dieses Verfahren «entgegnete er anfangs mit Entschuldigungen wegen der Gicht- schmerzen in seiner rechten Hand, dann mit dem Hinweis auf •die noch ausstehende Gutheifsung des Papstes, endlich aber mit der stolzen Abweisung: die Koadjutorwahl in Köln sei in seinen Verträgen mit Frankreich nirgends erwähnt, er besitze also hier volle Freiheit des Handelns'. Allein Frankreich liefs sich mit solchen formalen Gründen nicht abfertigen. Die Weigerung Friedrich Wilhelms, den Kardinal Fürstenberg als Koadjutor des Kölner Erzbischofs anzuerkennen, wurde in Paris als Unter- ordnung unter die Interessen und Ziele des Kaisers und des Pfälzer Kurfürsten aufgefafst und mit der unverblümten Drohung beantwortet, aus dieser Sache werde eine Störung des Friedens erwachsen'. Zum Zeichen des Mifsvergnügens behielt Frank-

' U. u. A., XIV, 1400. 1402.

» Ms. Kurf. an Spanheim, 11.121. Jan , 27. März/ 6. April, 6J16. April 1688; Berlin, Geh. Staatsarchiv, XI, Frankr. 26.

* Ms. Spanheim an Kurf., 5J15. u. 17727. März 1688; ebendas.

Achtundvierzigstes Kapitel. Der AbschluTs. 473

reich längere Zeit die Zahlung der vertragsmäfsigen Sub- sidien ein; es schuldete im April 1688 deren 750000 Livres, ein beträchtlicher Ausfall für die arme Staatskasse Branden- burgs. „Der Kurfürst,^ besagt die Instruktion an General de Marly, der im selben Monat, an Stelle des nach Madrid ver- setzten Röbenac, nach Berlin gesandt wurde, „der Kurfürst und seine Minister dürfen die Verzögerung der Hilfsgelder nur dem gerechten Argwohn zuschreiben, den sie seit Abschlufs des Waffenstillstandes Sr. Maj. eingeflOfst haben, dafs sie nämlich geneigt seien, sich demnächst von den Interessen Sr. Maj. völlig zu trennen und sich von neuem mit dem Hause Österreich zu verbinden.*' ^ Die mannigfachen Gründe zu diesem Argwohn werden sorgfältig aufgezählt. „Alles dies erlaubt Sr. Maj. nicht, auf die Freundschaft des Kurfürsten zu zählen, wenn er Ihr nicht dafür neue Beweise gibt, derart, dafs sie alle Verdachts- gründe auszulöschen vermögen.''^

So stand es also im Frühjahr 1688 um den Kurfürsten: mit Frankreich entzweit, zu Dänemark und den Weifen in Gegnerschaft, mit dem Kaiser und fast dem gesamten Reiche auf gespanntem Fufse. Er erwartete in der Tat das Heil von einer anderen Seite, von den Niederlanden und der Gewinnung Englands für die Sache der Religion und der politischen Freiheit. Der Mittelpunkt seines ganzen Systems war Wilhelm von Oranien.

Dieser Prinz hatte zunächst eine günstige Meinung von den Absichten seines Schwiegervaters, Jakobs II. von England, ge- hegt und deshalb die Aufforderung Friedrich Wilhelms, dieses Reich durch einen kühnen Einfall und durch Aufrufen der ganzen evangelischen Bevölkerung für sich und die gute Sache zu gewinnen, unbeachtet gelassen. Allein er und die übrigen leitenden Männer der Vereinigten Provinzen mufsten sich bald überzeugen , wie scharf der Blick des Brandenburgers und wie richtig sein Rat gewesen war. Indem der englische Monarch den Plan fafste und ausführte, sein protestantisches, parlamen- tarisch regiertes Volk dem Absolutismus und der katholischen Kirche zu unterwerfen, wurde er von selbst dazu gedrängt, bei dem mächtigsten katholischen und despotischen Herrscher, bei Ludwig XIV., Anlehnung und Hilfe zu suchen. Schon seit dem Beginne des Jahres 1686 gingen Gerüchte über ein Bündnis der

* Rec. des Instr., XVI, 227 f.

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beiden Könige; wenn auch verfrüht, waren sie offenbar Jakob nicht unangenehm. Er nahm eine immer schroffere Haltung ein nicht nur gegen die Generalstaaten, sondern auch gegen Wilhelm von Oranien selbst; er bedrohte dessen und seiner Gremahlin Maria rechtm&fsige Erbfolge in England zu Gunsten seiner zweiten Tochter Anna und ihres Gatten, des Prinzen Georg von Dänemark ; er häufte auf Wilhelm beleidigende Anklagen. Da, im Sommer 1686, brach Oranien mit ihm, und seitdem ging der Prinz auf die Entwürfe ein, England mit Hilfe eines holländischen Heeres zu revolutionieren. Er fand dazu Anlafs und Handhabe in der Entwicklung der inneren Verhältnisse Englands. Jakob begnügte sich nicht damit, auf ungesetzliche Weise und im Widerspruche mit seinen feierlichsten Versprechungen seinen Glaubensgenossen Duldung und Gleichberechtigung im Staats- leben zu verschaffen, er zielte vielmehr offen darauf hin, in England, dessen Bewohner zu neunundneunzig Hundertsteln dem Protestantismus angehörten, seine Kirche zu der herrschenden zu machen. Das ganze englische Volk selbst, mit Ausnahme einiger Eiferer, die dortigen Katholiken, die von seinen Gewalt- taten unheilvolle Folgen für sich voraussahen war entrüstet über seines Königs Verfahren und wandte die Blicke auf den rechtmäfsigen Thronerben, auf Oranien, der so das Symbol und das Haupt der ganzen stuartfeindlichen Richtung in England wurde.

Indes, er allein würde nichts Entschiedenes haben ausrichten können, zur Eroberung Englands sogar mit Zustimmung der Bevölkerung reichten seine Machtmittel nicht aus. Er bedurfte der Einwilligung und Beihilfe der Generalstaaten. Sie ihm zu schaffen, dafür sorgte Jakob II. selber. Während er von Ludwig XIV. Hilfsgelder zur Verstärkung seines Heeres mit katholischen Iren annahm, forderte er die englischen Regimenter zurück, die seit vielen Jahren im Solde der Vereinigten Pnh vinzen dienten. So fügte er, diesen gegenüber, zu dem reli- giösen Streite den politischen. Beide aber drohten sich zu ver- ewigen, als ihm seine zweite Gemahlin, nach mehrjähriger un- fruchtbarer Ehe, ein Kind versprach (November 1687), von dem er sofort voraussetzte, es werde ein Sohn, der katholische Erbe der Stuarts werden. Nur um so zuversichtlicher und rechts- verachtender traten seitdem der König und die kleine Schar seiner Helfer auf.

Achtundvierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 475

Die Zukunft EDglands war aber eine Angelegenheit von nicht nur partikularer, sondern von hoher europäischer Bedeutung. Auf den Wegen Jakobs IL mufste es treuer Verbündeter Frank- reichs, ein Helfershelfer bei der Unterdrückung der gesamten Christenheit unter das Machtgebot des Despoten von Versailles werden. Wie sollte man diesem widerstehen, wenn er sich, aufser auf die unvergleichlichen Hilfskräfte Frankreichs, aufser auf die Unterstützung durch Dänemark, die Weifen, Kurköln auch noch auf die Heere und Flotten Grofsbritanniens stützen konnte ? Was sollten da die Niederlande, Brandenburg, Schweden ausrichten, denen der Kaiser jeden ausgiebigen Beistand ver- sagte, während das Reich in Schwäche und streitsüchtige Torheit versunken war? Nein, England sollte und mufste auf seinen geschichtlichen Platz als Vorkämpfer für den Protestantismus und für nationale Unabhängigkeit wieder gestellt werden. Diese Erwägungen führten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und Wilhelm III. von Oranien weit mehr zusammen als der Zufall der Verwandtschaft. Und man durfte auf die Beihilfe der Generalstaaten rechnen. Wenn diese die Zurücksendung der englischen Regimenter in ihrem Solde verweigerten, so geschah das hauptsächlich, um diese Truppen bei dem Versuche, deren Landsleute daheim gegen die Stuarts aufzuwiegeln, in den Vordergrund zu stellen. Schon längst, schon seit dem Spät- sommer 1687, hatte der scharfblickende d'Avaux seinen König vor den Absichten der Holländer auf England gewarnte

Als im November 1687 die Nachricht von den HofiFhungen der Königin von England sofortige entscheidende Beschlüsse er- heischte, hatte der Prinz selber nach Berlin gehen wollen, um sich mit dem greisen Oheim zu verständigen. Nach reiflicher Überlegung zog er es vor, die Nachbarschaft Englands nicht zu verlassen, und sandte den Obersten Pettekum mit mündlichen Aufträgen zu Friedrich Wilhelm. Bald darauf, im Januar 1688, kam der junge Lord Lewis zum zweiten Male nach der branden- burgischen Hauptstadt. Er war der Sohn eines eifrig protestantisch und whiggistisch gesinnten schottischen Edelmanns, des Lord Melville, hatte in Berlin eine Zeitlang als Offizier gedient und war dann im September 1687 zu seinem Vater zurückgekehrt, mit Briefen des Marschalls Schomberg. Dieser, durch seine

» Mtooires, VI, 89.

476 Siebentes Buch.

Mutter von englischer Abkunft und durch seine Gemahlin mit dem prinzlichen Paare von Oranien verwandt, hegte für dessen Sieg in Grofsbritannien die freudigste Teilnahme. „Dafür,'' schrieb er an Henry Sydney, „würde ich alles opfern; es würde mir die grOfste Genugtuung verschaffen, wenn wir dieser Sache einmal gemeinschaftlich Dienste zu leisten vermöchten.'' ' Lewis erhielt nun von den schottischen Lords den Auftrag, dem Kur- fürsten mitzuteilen, dafs sie wie der englische Adel darauf drängten, das Werk der Befreiung zu beschleunigen ; der Augen- blick, es zu unternehmen, sei nach ihrer Meinung gekommen. Oranien hatte Lewis beauftragt, diese Dinge, die sonst durch- aus geheim bleiben mufsten, doch auch dem Kurprinzen und dessen vertrautem Ratgeber Danckelmann mitzuteilen. Denn wisse man, wie bald diese zur Herrschaft berufen seien? Der Kurfürst zeigte sich zur Mitarbeit an dem grofsen Werke bereit, dessen Ausführung er freilich nicht mehr erleben sollte. Er sah das gelobte Land der europäischen Freiheit nur von weitem*. Allein er webte bis zu seinem letzten Atemzuge in diesen grofsen Dingen. In seinem Auftrage ging sein in Kleve stationierter Generalleutnaüt Spaen, der schon häufiger sein Vertrauensbote bei dem Oranier gewesen war, im März 1688 wiederholt nach dem Haag. Spaen traf hier mit dem Prinzen eine Verabredung von der grOfsten Bedeutung. Der brandenburgisch-niederländische Vertrag von 1685 hatte die Bestimmung enthalten, dafs bei ent- stehenden Kriegsbefürchtungen beide Mächte über gemeinsam zu treffende Mafsregeln sich verständigen sollten. Hierauf sich stützend kam Spaen mit dem Oranier überein, dafs der Kur- fürst in das Herzogtum Kleve 9000 Soldaten zur Sicherung des Niederrheins und der Ostgrenzen der Vereinigten Provinzen ver- legen sollte. Auch der Kurpfälzer versprach durch Spaen, in sein Herzogtum Jülich gleichfalls 2000 Reiter und 500 Fufs- gänger zu senden. Diese Abmachungen waren dazu bestimmt, dem Oranier den Übergang nach England zu erleichtern, indem sie die Generalstaaten über deren eigene Sicherheit beruhigten und hierdurch um so eher bewogen, dem Prinzen ihre eigenen Truppen anzuvertrauen, ohne Furcht vor einem französischen Angriffe vom Rhein her'.

^ Ranke, Engl. Gesch., Y, 526 f.

» Pufendorf , XIX, 99. Klopp, IV, 68.

s d'Avaux, VI, 63 f.: Depesche vom 16. März 1688.

Achtundvierzigstes Kapitel. Der Absclilufs. 477

Die brandenburgische Diplomatie leugnete den AbscUufe dieses Übereinkommens mit grofser Kühnheit ab. Indes, sie fand hiermit um so weniger Glauben, als die neuntausend Branden- burger und 2500 Pfälzer tatsächlich in den ihnen bestimmten Quartieren westlich des Rheins erschienen ^ In Paris war man auf das genaueste davon unterrichtet und rechnete das Äb^ kommen dem Kurfürsten als einen schweren Frevel an'.

So spitzten sich die Dinge zu dem grofsen und blutigen Entscheidungskampfe zu, der wenige Monate später wirklich ausgebrochen ist, und an dem Brandenburg und sein Heer einen bedeutenden und ruhmvollen Anteil genommen haben. Es war Friedrich Wilhelm nicht beschieden, die Entwicklung dieser An- gelegenheit, die er von so langer Hand und so umsichtig vor- bereitet hatte, noch zu erleben. Die Krankeit, mit der sein kräftiger Körper und sein starker Wille seit langen Jahren gerungen hatten, trug endlich den Sieg ttber jeden Widerstand davon.

Seit dem Beginne des Jahres 1688 war zu seinen ttbrigen Leiden: Fufsgicht, Stein, Asthma, Hämorrhoiden, noch die Wasser- sucht getreten, deren Anschwellungen die Ärzte durch Pflaster bekämpften, ohne aber durch so oberflächliche Mittel deren Fort- schritte wesentlich verhindern zu können. Am 16. April, dem Karfreitag, empfing er in gewohnter Weise das Abendmahl. Allein kurz nach den Osterf eiertagen verschlimmerte sich sein Zustand derartig, dafs man anfing, seinen baldigen Tod voraus- zusehen. Die alten Mittel versagten, und nach einer kurzen Besserung, die dem Patienten eine Ausfahrt gestattete, nahm die Geschwulst in bedrohlicher Stetigkeit zu. Der Schlaf über- fiel ihn plötzlich, selbst bei TafeP. Am 24. April sagte er zu den ihn behandelnden Ärzten : er fühle wohl, dafs er nicht mehr viele Tage zu leben habe. Er trug sein Leiden mit der gröfsten Geduld : „er wolle von Gott erwarten,** sagte er dem kaiserlichen Gesandten, „was der hierin mit ihm disponieren wttrde, welcher

> Ms. Kurf. an Spanheim, 27. März/ 6. April, 6./16. April 1688. d'Avaux, VI, 66.

^ Instruktion an Gravel, 23. April 1688; Bec des Instructions, XVI, 228.

* Berichte Fridags und des französischen Gescuidtschaftssekretärs Poussin. Orlich, PreuTs. Staat, 11, 548 ff., nach den Aufzeichnungen des Predigers Ck>cliius und des jüngeren Schwerin.

478 Siebentes Buch.

der beste Medicus wäre^. Er zeigte in diesen schweren Tagen eine Ruhe und Sanftmut, die zu seiner sonstigen Lebhaftigkeit und seinem bisherigen Jähzorn einen auffallenden Gegensatz bildete. Dabei arbeitete er unausgesetzt an den Staatsgeschftften, empfing fremde Gesandte, diktierte Briefe und sah die Depeschen durch, in dieser aufopfernden, unermüdlichen Pflichterfüllung bis in den Tod ein glänzendes Vorbild wie in so vielen anderen Dingen für seine Nachfolger ; auch er hatte keine Zeit, müde zu sein.

Anfang Mai schien es, als sei die Krise einstweilen über- wunden; es trat eine Erleichterung der Leiden ein. Man be- gann, wieder einige Hoffnung zu hegen, wenn nicht auf dauernde Genesung, so doch auf mögliche Fortdauer des Lebens. Allein die Besserung hielt nicht an. Am 7. Mai, einem Freitag, ver* sammelte der sterbende Held, wie gewöhnlich an diesem Wochen- tage, seinen Geheimen Rat um sich ; auch der Kurprinz wohnte der Sitzung bei. Der Fürst, der die Nacht in Schmerzen durch- wacht hatte, sprach, mit schon matter Stimme, zu dem Kur- prinzen gewandt: „Ich fühle, dafs ich zum letzten Male dem Geheimen Rat beiwohne. Durch Gottes Gnade habe ich eine lange und glückliche, aber auch mühevolle Regierung voll Krieg und Unruhe gehabt. Jeder weifs, in wie trauriger Zerrüttung das Land gewesen, als ich die Regierung begann ; durch Gottes Hilfe habe ich es in besseren Stand gebracht, bin von meinen Freunden geachtet und von meinen Feinden gefürchtet worden. Ich übergebe Euch nun die Regierung und ermahne Euch, sie in denselben Grundsätzen zu führen, diQ mich geleitet haben. Mögt Ihr den Ruhm, den ich Euch vererbe, bewahren und mehren.^ Den Räten dankte er für die treuen Dienste, die sie ihm ge- leistet, und die sie, wie er zuversichtlich hoffe, auch seinem Sohne widmen würden; er wisse wohl, dafs seine Untertanen schwere Lasten zu tragen hätten, aber die Ungunst der Zeiten habe es ihm unmöglich gemacht, solche zu mildern.

Der Kui*prinz, die Räte antworteten unter Tränen, mit Ver- sicherungen der tiefsten Hingebung und Verehrung, mit Zusagen für die Zukunft. Obwohl erschöpft, dankte Friedrich Wilhelm mit freundlichem Blick und liefs dann die gewöhnlichen Vor- träge halten, auf einen jeden mit klarem Urteil und unentwegter ^Gelassenheit verfügend.

Der Rest des Tages, sowie der 8. Mai vergingen in frommen

Achtandvierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 479

Gesprächen mit den Predigern und seinen Angehörigen, die er ermahnte und segnete. Er legte seinem Nachfolger vor allem die Verteidigung des bedrängten evangelischen Wesens an das Herz, empfahl ihm im besonderen die französischen Glaubens- flQcbtlinge und beklagte die Gehässigkeit, mit der sich die Protestanten untereinander bekämpften, ^ Empfindungen, die ihn von Jugend an beherrscht hatten. Schwere Beängstigungen quälten ihn wiederholt, Ohnmächten schienen jedesmal das Ende seines irdischen Daseins anzuzeigen.

Wie sein ganzes Leben so war auch sein Sterben schwer und mühevoll. Am Sonntag Misericordia domini (9. Mai) in der Frühe nahm er dann den letzten Abschied von den Seinen. Unter Bezeugungen christlicher Andacht und Zuversicht wurde er zwischen neun und zehn Uhr morgens von seinen Qualen er- löst, — fest und fromm bis zum letzten Atemzuge: er schlofs sich noch im Sterben selber die Augen. Der französische Ge- sandtschaftssekretär schreibt: ,|Er hat bis zum letzten Augen- blicke seines Lebens Beweise aufserordentlicher Seelengröfse und Geistesfreiheit gegeben.^ Und der österreichische Botschafter: „Es ist nicht genugsam zu beschreiben, mit was für einer Stand- haftigkeit und absonderlicher grofser Andacht bei vollkommener guter Vernunft er sein Leben geendiget." ^

So schied der Fürst, der in Wahrheit der Begründer und Schöpfer des preufsischen Staates gewesen ist. Seine Wirksam- keit war eine ebenso tiefgehende wie umfassende. Es bedeutete viel, dafs er das Gebiet um ein reichliches Dritteil vergröfsert, mehr, dafs er es fest in sich zusammengeschlossen, die ständi- schen und provinziellen Sondergewalten gebrochen, einheitliche Verwaltung und systematisch geordnete Finanzgebarung ein- geführt, die Wehrmacht auf sichere und bleibende Grundlagen gestellt hatte.

Friedrich Wilhelm war nicht ein unersättlich nach neuem Landerwerb Strebender gewesen. So mechanisch, so brutal fafste er den Begriff des Staates und seiner Kräfte nicht auf.

^ Vgl. Burnet, History of his own time (London s. a.), 8. 475: „He received the intimations of death with the firmness that became both a Christian and a hero.''

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Er wünschte dessen Ausdehnung nur an den Orten, wo sie dessen wesentlichen Interessen wirklich zu gute kam: wie in Pommern, in Schlesien, in Ostfriesland, an der Elbe. Land- gewinn, von dem er schädliche Verwicklungen und dauernden Nachteil fttr die politische Stellung Brandenburgs fürchtete, hat er vielmehr zurückgewiesen, wie ihm solchen Frankreich in den Jahren 1683 bis 1685 auf Kosten der Weifen dargeboten hatte. Er imterschied eben sorgfältig zwischen dem augenblicklichen, vorübergehenden und dem bleibenden, höheren und deshalb wahrhaft fruchtbaren Erfolge. So opferte er noch gegen Ende seines Leben alle Aussicht auf den Besitz Vorpommerns, der, wie sich damals die Dinge gestaltet hatten, nur um den Preis der Unterwerfung unter Frankreich erhältlich war, dem grofsen Gedanken der evangelischen Union und des europäischen Frei- heitsbundes. Diese Fähigkeit, das Kleinere, wenn es auch für den Moment noch so lockend erschien, wichtigeren Gesichts- punkten und Zielen unterzuordnen, ohne dabei das praktisch Mögliche für Chimären hinzugeben diese Fähigkeit vor allem stempelt Friedrich Wilhelm von Brandenburg zum grofsen Staatsmann.

Als Hohenzoller und Fürst hielt er sich von Gott für be- rufen und verpflichtet, sein Haus, seinen Staat und sein Be- kenntnis zu fördern. Insofern war er in erster Linie partiku- laristisch gesinnt. Allein wie sein innerstes Empfinden deutsch war, so erkannte er auch, dafs die Blüte, ja das Bestehen seines Staates von der Selbständigkeit und Macht des ganzen Deutschland durchaus abhänge. War das Reich schwach und den Fremden Untertan, so liefs sich Brandenburg- Preufsens Selbständigkeit in den europäischen Verwicklungen nicht be- haupten. Wir sehen ihn deshalb, sei es mit Absicht oder un- willkürlich, allerorten deutsches Wesen schützen und vor der Unterjochung durch die Fremden retten: so in Ostpreu(ton gegen das Polentum, so in Kleve und Ostfriesland gegen die Holländer, so in Hamburg gegen die Dänen, so am Rhein gegen Frankreich. Brandenburg vor allem hat zum erstenmal seit vielen Jahrhunderten die weitere Abreifsung deutscher Gebiete von dem Körper des Reiches und Volkes verhindert, schon ver- lorene oder doch bedrohte diesem zurückgebracht. Auch die Absicht auf Vorpommeiii, auf völlige Vertreibung der Schweden aus Deutschland entsprach dem deutschen Interesse, und ihre

Achtundyierzigstes Kapitel. Der Abschlufs. 4gl

Verwirklichung wttrde aus dem ReichBorganismus einen schmerz- lich als solchen empfundenen Fremdkörper entfernt haben. Gewifs hat der Kurfürst den Vorteil ganz Deutschlands nicht als Hauptzweck sich gesetzt; allein es wäre ungerecht, zu ver- kennen, dafs er tatsächlich der erfolgreichste, ja zu seiner Zeit der einzig erfolgreiche Verfechter und Verbreiter deutschen Wesens war. Es wäre ebenso ungerecht , ihm wie das jetzt bisweilen geschieht das Gefühl für das weitere Vaterland überhaupt abzusprechen. Hat er nicht 1684 den Vorschlag des allmächtigen FranzosenkOnigs, ihm das glühend gewünschte Vor- pommern gegen die Zustimmung zur Abtretung der Reichs- festung Philippsburg an Frankreich zu verschaffen, rundweg ab- gelehnt? Welcher deutsche Fürst würde damals einen so ge- waltigen Vorteil aus den Händen gegeben haben gegen ein Zu- geständnis, das ihm selbst nichts kostete, nur die Sicherheit und Ehre des Reiches schädigte ? Auch hier hat Friedrich Wilhelm ein grofses und glänzendes Beispiel gegeben. Selbst sein Bünd- nis mit Frankreich hat er sorglich zur möglichsten Wahrung der Reichsintegrität benutzt. Er bot dem Kaiser die Umwand- lung der brandenburgischen in eine Reichsflotte, wollte dem ganzen Deutschland so ein Machtmittel überliefern, das es seit vielen Jahrhunderten schmerzlich und zu seinem grofsen Schaden vermifste. Nicht seine Schuld ist es gewesen, wenn der deutsche Doppelaar damals nicht über den Meeren schwebte.

Friedrich Wilhelms politische Begabung hat sich nie glän- zender gezeigt als während der letzten Jahre seines Lebens, wo sein Körper durch unaufhörliches schmerzliches Leiden, sein Herz durch Zwist und Unglück in der nächsten Familie ge- peinigt und gebeugt waren. Da gerade entwarf und befolgte er das geniale Programm: Zusammenfassung ganz Europas, mit Verzicht auf alle Sondervorteile und kleinliche Streitigkeiten, gegen die drohende Universalmonarchie des Königs von Frank- reich. Er stand mit seinem Neifen Oranien an der Spitze des europäischen Gegenbundes, an dessen Ausdehnung und Befesti- gung der Greis mit jugendlichem Schwung und Feuer arbeitete. Gewifs, er hat nicht als erster diesen Gedanken gefafst; aber das ist auch nicht das verdienstlichste, vielmehr ist es die plan- mäfsige, unentwegte, entschlossene Tätigkeit für dessen Ver- wirklichung. Und er war der erste, der den Plan zu dem für das Gelingen des grofsen Programms unentbehrlichen Unter-

Philippaon, D«r Qrofte KurfOnt. III. 31

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nehmen auf England gedacht und auf seine Ausführung hin- gestrebt hat, schon bei Lebzeiten Karls II., seit 1684. Er allein hat den Oranier und die Generalstaaten allmählich von der Notwendigkeit dieser Tat überzeugt. Es ist das ein Ver* dienst von höchster weltgeschichtlicher Bedeutung; es würde allein genügen, die seltene politische Begabung dieses grofsen Fürsten zu erweisen.

Kurbrandenburg hatte bis auf ihn nicht allein in Europa, sondern selbst im Reiche eine ganz untergeordnete Rolle ge- spielt. Nur gelegentlich bei Kaiserwahlen hatte es eine Ein- wirkung geübt. Sonst war es einer der wenigst wichtigen deutschen Mittelstaaten gewesen: es liefs sich an Bedeutung mit Kursachsen, Bayern, ja der Kurpfalz und Hessen nicht ver- gleichen. Friedrich Wilhelm hat es mit einem Male zu dem mächtigsten und einflufsreichsten Reichsfürstentume erhoben, ja ihm eine angesehene und wirksame Stellung in der europäischen Staatenwelt geschaffen. Brandenburg-Preufsen hiefs noch nicht ein unabhängiges Königreich, aber es war tatsächlich ein solches geworden durch Kurfürst Friedrich Wilhelm.

Von dieser seiner äufseren Politik ist seine innere gar nicht zu trennen. Beide sind nur verschiedene Seiten und Betätigungsweisen des eiuen grofsen und mächtigen Staats- gedankens, der ihn beseelte. Er hat die mittelalterliche Unter- ordnuDg des Staates unter den religiösen Gesichtspunkt auf der einen, unter das persönliche Interesse des Herrschers auf der anderen Seite grundsätzlich und mit Entschlossenheit aufgegeben. Volle Duldung jeder religiösen und philosophischen Anschauung, Gerechtigkeit für alle, aber auch Vermehrung des materiellen Wohlstandes, Steigerung der Volkszahl, Hebung der Steuerkraft, Sicherung des Staates durch ein zahlreiches, stets schlagfertiges Heer, fest geregeltes und geeintes Beamtentum, Zentralisation der Staatsgewalt in der Hand des Herrschers und seiner Mi- nister, — das sind die Verwaltungsgrundsätze des Grofsen Kur- fürsten. Prinzipien, die typisch sind für die erste Entwicklungs- phase des modernen Staates und zumal mafsgebend für Friedrich Wilhelms eigene Nachfolger. Nicht erst von Friedrich dem Grofsen, schon von seinem Urgrofsvater ist der aufgeklärte Absolutismus begründet und zum überwiegenden Teile auch ver- wirklicht worden. Friedrich Wilhelm wollte seiner landesherr- lichen Gewalt unbeschränkte Geltung im Staatsleben verschaffen,

Achtundvierzigstes Kapitel. Der AbschluTs. 483

und er erreichte seinen Zweck durch Einführung bleibender, von ständischer Bewilligung unabhängiger Steuern, durch Er* Setzung der ständischen und städtischen Beamten durch landes- herrliche, endlich durch die Ausbildung der „Polizei**, die be- hufs HerbeifQhrung eines möglichst hohen Mafses allgemeiner Glückseligkeit sich leitend, mahnend und strafend in sämtliche Angelegenheiten des privaten wie des öffentlichen Lebens mischte. In allen Einzelheiten ist das noch nicht zum Ab- schlufs gebracht, aber die Grundsätze sind doch allerorten auf- gestellt und die Wege gewiesen.

Bisher zerfiel das Gebiet des Kurfürsten in eine grofse An- zahl einzelner Länder, deren jedes seine Selbständigkeit und die Eigenheit seiner Interessen behauptete und höchstens durch die Personalunion, vermittelst des gemeinsamen Landesherm, eine Verbindung mit anderen Teilep des Gebietes anerkannte. Fried- rich Wilhelm hat Tatsache und Bewufstsein der Staatseinheit {überhaupt erst geschaffen. Das ist vielleicht die wichtigste Seite und das bedeutsamste Ergebnis seiner gesamten Tätigkeit. Die grofsen militärischen und politischen Erfolge des Herrschers haben hierbei gewifs mitgeholfen und den stolzen branden- burgisch - preufsischen [Patriotismus erzeugt. Aber vorgearbeitet und dann praktische und dauernde Formen gegeben hat ihm Friedrich Wilhelm durch seine Tätigkeit im Innern des Staates. Er hat hier das Indigenatsvorrecht für die Anstellungen und J^iederlassungen in den einzelnen Provinzen tatsächlich beseitigt. Er hat den Einflufs des partikularen Adels und besonders der slten, mächtigen Provinzialgeschlechter gebrochen. Er hat die Macht in allen einzelnen Teilen seines Staates auf das Beamten- tum übertragen, das in ihm sein einziges Oberhaupt sah, das Ton jeder provinziellen und Familienrücksicht frei war, und in -dem viele Bürgerliche und gar Ausländer sich befanden, die nur von dem Herrscher Schutz und Beförderung erwarten konnten. Dieses Beamtentum hat er mit unendlicher Mühe diszipliniert und von Eigensucht und Käuflichkeit geheilt. Er hat die schlimmsten Übertretungen, wenn auch mit Milde, bestraft; er hat aber viel mehr auf positive Weise, durch Gewährung regel- mäfsiger und ausreichender Besoldung, sowie durch Verbreitung 4es Geistes der Pflicht und Hingabe, den Grund zu befriedigender Entwicklung des Beamtentums gelegt. So besserten sich die

Zustände unter der früher entarteten und dem Einflüsse des

3l*

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LandeBherrn beinahe entzogenen brandenburgisch - preufsischen Beamtenschaft.

Wir finden bei dem Grofsen Kurftlrsten auch die Anfiluge der Kabinettsregiemng , die für die absolute Monarchie in Preufsen so charakteristisch geworden und deren Spur dort noch heute nicht verschwunden ist. Das Kollegium des Ge- heimen Rates wurde zur höchsten Verwaltungsbehörde fflr die laufenden Geschäfte des Staates erhoben und als solche ver- wandt. Indes für alle wichtigeren, ausschlaggebenden Angelegen- heiten , besonders der äufseren , aber auch der inneren Politik beruft der FQrst einen oder den anderen Vertrauten, mit dem er in seinem Kabinette arbeitet und beschlielist, ohne dafs die andern Räte davon das mindeste auch nur erfahren dürfen. Derart wird die Summe der Geschäfte ausschliefslich in der Person des Herrschers vereinigt. Daneben bemerken wir die Ansätze zu Ministerien im heutigen Sinne: für die Finanzen, für das Heer, für die Marine, für Auswärtiges. Kurz, überall knüpft die neuere Entwicklung an die Schöpfungen Friedrich Wilhelms an : er hatte eben an jeder Stelle die Bedürfnisse des modernen Staates erkannt und ihnen Rechnung getragen, in- soweit Zeit, Kräfte und äufsere Umstände es ihm gestatteten.

Die gröfste Schwierigkeit erwuchs ihm in der Schaffung einer geregelten Finanzverwaltung, die ihm erst gegen Ende seiner Regieiiing gelungen ist. Er hat da ein geordnetes Kassenwesen und regelmäfsige Etats begründet. Allerdings blieben die Vielheit der Zentralkassen und die Anweisung zahl- reicher Einzelausgaben auf besondere und provinzielle Ein- nahmen — eine Kompliziertheit, die bis zum Ende des „alten Regimes**, bis auf die Reformen von 1807 augedauert hat. Unter ihm beginnt gleichfalls im Staatshaushalte das Vorwiegen der Ausgaben für das Heer: er hat Brandenburg -Preufsen den militärisch - spartanischen Charakter aufgeprägt , der diesem Lande bis auf den heutigen Tag, wenn auch in jetzt gemilderter Form, eigen geblieben ist.

Das Heer erschien eben dem Kurfürsten, für jene inter- national rechtlosen Zeiten sicher mit Recht, als die einzig zu- verlässige Gewähr für die Unabhängigkeit und Gröfse des Staates. Und er beschränkte sich nicht auf die theoretische Erkenntnis; er hat sie mit unentwegter Tatkraft und Beharr- lichkeit ausgeführt, unter Niederwerfung alles, auch formell

Achtundvierzigstee Kapitel. Der Abachlufs. 485

noch so berechtigten Widerstandes. Das Heer sollte ihm übri- gens nicht nur zur Sicherung des Staatswesens und zur Ver- fechtung seiner Politik nach aufsen dienen, sondern auch zur Aufrechterhaltung der Staatseinheit und der fürstliehen Voll- gewalt im Innern. Seiner ganzen, tiefen Auffassungsweise ge- mftfs, die nicht an der Oberfläche der Dinge haften blieb, sondern in deren eigentliche Natur eindrang, begnügte er sich nicht mit der Aufstellung einer groAen Anzahl von Streitern. Er hat vielmehr das stärkste Gewicht auf die Beschaffen- heit seines Heeres gelegt, in strenger Disziplinierung, steter Übung und guter Bewaffnung, sowie in der Ausbildung des soldatischen Geistes. Unablässig hat er daran gearbeitet und mit bestem Erfolge. Der Oberbefehl und die höchste Ver- waltung des Heeres wurden vereinheitlicht und damit wirksam und zweckdienlich gestaltet. Das brandenburgisch-preufsische Heer in seiner unvergleichlichen Organisation und Tüchtigkeit ist durchaus ein Werk des Grofsen Kurfürsten.

Indes, alle diese politischen, finanziellen und militärischen Bestrebungen erschöpften das Walten dieses hervorragenden und vielseitigen Geistes nicht. Er war ebenso emsig auf Förderung des Ackerbaues, des Handels und Gewerbfleifses in seinen Landen bedacht und gab auch auf dem ökonomischen Gebiete die Richtung an, die bis zu der Neugeburt Preufsens in der napoleonischen Zeit dort herrschend geblieben ist, nämlich die merkantilistische. Man sieht: alles in dem Preufsen vor 1807 geht auf diesen Herrscher zurück. Er ist femer der Schöpfer der preufsischen Post geworden, mit ihren vorbildlich ausge- zeichneten Einrichtungen. Er trat den Ausschreitungen des Zunftwesens entgegen. Er fafste den grofsen Gedanken, auf den weitentwickelten Küsten seiner Lande einen regen Seever- kehr zu begründen, eine Kriegsmarine ins Leben zu rufen, Kolonien zu erwerben, dadurch Brandenburg-Preufsen in den grofsen Welthandel einzuführen. Und wie er es nirgends bei geistreichen Entwürfen und plötzlichen Anregungen bewenden liefs, vielmehr solche mit aller Besonnenheit, aber auch mit aller Zähigkeit durchführte, so hat er ebenfalls es hier getan. Brandenburg begann, einen ehrenvollen Platz unter den Handels- und Kolonialstaaten einzunehmen. Nicht seine Schuld war es, wenn seine Nachfolger fast zwei Jahrhunderte lang seine ebenso

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geistvolle wie erspriefsliche Tätigkeit nach dieser Richtung auf- gegeben haben.

Friedrich Wilhelm wurde zu solchen, seiner ganzen Um- gebung femliegenden Plänen veranlafst durch die weite und universelle Bildung, die er sich bei seinem mehijährigen Auf- enthalte in Holland während seiner Jugend erworben hatte. Von lebhafter Wifsbegier erfüllt, suchte er seine Kenntnisse fortdauernd und nach den verschiedensten Seiten hin zu ver- mehren. Er, der unaufhörlich mit den öffentlichen Angelegen- heiten Beschäftigte, fand doch die Mufse, Gelehrsamkeit und bildende Künste eifrig zu fördern , und zeigte stets die Befrie- digung und das Vergnügen, die sie ihm gewährten. Freilich, sie in der Kurmark heimisch zu machen, gelang ihm nicht bei der Sprödigkeit des dortigen Menschenmaterials und bei der Ungunst der Umstände. Aber er tat, was er konnte : die König- liche Bibliothek, die Gemäldegalerie, das Münzkabinett und die Naturaliensammlung in Berlin danken ihm ihr Entstehen. Er war zu frei und weitblickend in seinem Denken, um nicht, bei aller persönlichen Glaubenstreue und Glaubenswärme, jeder echten Überzeugung volle Duldung zu verstatten. Inmitten einer bis zum Fanatismus intoleranten Zeit gab er die schönsten Beweise der Vorurteilslosigkeit und Unbefangenheit, indem er sogar den verachteten und gemiedenen Juden seine Gunst zu- wandte, — und darin war er mehr vorgeschritten als manche seiner Nachfolger.

Das Weite und Grofse in seinem Wesen übte endlich Ein- ilufs auch auf seine Umgebung. Unt^ seiner Einwirkung be- gann Berlin-, sich aus einem kleinen, armseligen märkischen Land- Hecken zu einer Grofsstadt umzuwandeln, deren Einrichtungen, Bauten und Monumente mit denen anderer europäischer Haupt- städte zu wetteifern im stände waren. Noch wichtiger war die Metamorphose, die sein Einflufs den brandenburgisch-preufsischen Adel durchmachen liefs. Damals gab der Adel, der Monarchie gegenüber, seinen Mitbewerb um die Ausübung der höchsten Gewalt auf. Er verzichtete auf diese, um von der Krone durch Mehrung seiner sozialen Vorrechte und durch Vergröfserung seiner Herrschaft und seiner Vorteile auf Kosten der Land- bevölkerung entschädigt zu werden. Nachdem die Tatkraft des Grofsen Kurfürsten ihm gezeigt, dafs er keine Aussicht habe, den Thron in den Schatten zu stellen, schlofs der Adel mit jenem

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den Bund, der bis auf den heutigen Tag besteht, und aus dem er zweifellos viel gröfseren Nutzen gezogen hat als die Krone selber. Friedrich Wilhelm hegte persönlich noch starkes Mifs- trauen gegen den Adel, aber suchte gerade deshalb ihn zu gewinnen; alle ferneren Regenten haben die Festigkeit des Bundes lediglich verstärkt.

So umfassend war das Wirken des Grofsen Kurfürsten. Was ihn charakterisiert, ist, dafs er zugleich weitblickend, von universeller Begabung, schöpferisch und doch auch eminent praktisch war. So vielseitig und ungestüm er vorwärtsstrebte, so sorgfältig und verständnisvoll drang er in alle Einzelheiten der Geschäfte ein, so besonnen erwog er das Kleine wie das Grofse. Nichts Menschliches hielt er von sich fem, und seinem freien und hochentwickelten Geiste kam die Güte und Treue seines Herzens gleich. Er steht einzig da unter den Hohen- zoUem in der Universalität seines Denkens und Strebens, in der Vielseitigkeit und Originalität seines Empfindens und Schaffens. Ein grofser Herrscher!

Aktenstücke.

(Sämtlich aus dem Geheimen Staatsarchiv in Berlin.)

Friede ron 1679.

1. Generalleutnant von Spaen an Blaspeil, Minden, 17. /27. Juni 1679 (Rep. 92, Meinders 7): «... Ick wilde liever, ick weet niet wat, doen, als op soo eene wyse een Soldaet ageeren. Dann, wan Gott geen vreede geeft, soo is seeker alle de Ruj- terie verlooren, dann hi^r is niet een handvoll voeden in voorraet, onde wy sjn niet alleen van onse vyanden maer oock vant gansse Huys Brunswic, Osnabrück en Lippe geblocqueert^ 800 dat men ons hier in een sack, gelyck men de veldhoenderen vanght, gejaegt heeft, daer geen hoop van uytkommen is. Dese Vesting is vry schlechter als Weesel.**

2. Kopie (ebendas.) ohne Datum, aber sicher von Ende Juni 1679: Generalleutnant von Spaen, Generalmajor von Ellcron und sämtliche Obersten stellen dem Kurfürsten vor, dafs die Fourage für die Kavallerie in dem erschöpften und vom Feinde immer mehr umstellten Lande nicht mehr zu beschaffen ist. Wenn der Friede nicht zu stände kommt, mufs die Reiterei in grofse Not geraten.

3. Meinders an Schwerin, 9. Juli 1679 (ebendas). . . „Je ne puis que confirmer ce que je vous ay mand6, c'est k dire, que TEmpereur ne fera rien pour S. A. El. Je crois la mesme chose de TEspagne, Angleterre et des E. G6n6r' , et je crois encore pis de la Pologne, Zell, Hanovre, Munster et de TEmpire. Au nom de Dieu, faisons la paix . . . C'est ä mon grand regret que je suis oblig6 de le souhaitter, et de voir les choses dans TEstat oii elles sont. Mais que faire? Voulons-nous tout perdre, parce

Aktenstocke. 489

que D0U8 ne pouvons pas tout gaigner? L'Empereur licencie rannte, c'est ä dire une grande partie/

4. Blaspeil an Meinders, 27. Juni/ 7. Juli 1679 (ebendas). Blaspeil billigt völlig den AbschluGs des Friedens. „Personne n'aura sujet de vous le reprocher de ne Tavoir poinctfait meilleure. Car vous auriez est6 oblig^ de vous contenter de bien moins si la France auroit voulu. ... Je vous assure que je m'en resjouis de tout mon cceur que c'est une affaire falte; il ne faut songer pr6sentement qu'ä la ratifier au plustost/

Korrespondenz zwischen dem Kurprinzen Friedrich und Meinders Aber des ersteren Zerwflrfnis mit seinem Tater.

(Rep. 92, Meinders 8.)

5. Kurprinz an Meinders, 4. August 1687 :

„. . . Comme mon esloignement de Berlin est fond6 sur des raisons solides, et que ma desobeissance envers S. A. £. n^ a aucune part, ainsi qu41 aura assez paru par ce que je Luy'en ay escrit et ä Messieurs les conseillers: j'espere qu'y faisant reflexion, Tindignation qu'EUe peut avoir conceOe contre moy Sans un juste sujet, se passera de plus en plus, et qu'ainsi on sortira bien -tost d'affaire, comme je le souhaite de tout mon coeur .... Je vous prie . . . d'avoir sein de mes interests."

6. Derselbe an denselben, Marburg, 20. August 1687 :

, Vielgeliebter Herr von Meinders! [Die Vermählung seiner Schwester Marie ist ihm nicht angezeigt

worden.] „An meinen Herrn Vatter, und auch auf Desselben Ein- rahten habe ich an Fraw Mutter geschrieben, umb zu sehen, ob ich einige Antwohrt darauf bekommen werde, wohmach ich her- nacher meine meseuren nehmen werde, dann ich hemacher alles gethan habe, was ein Sohn seinen Eltern schuldig ist Ich hoife, Derselbe werde alles darhin dirigiren helfen , dafs ich einmahl eine Antwohrt bekomme, dann sonsten ich mich befOrchten mus, dafs ich Unrecht daran thue. Im Uebrigen sage Demselben auch Dank, dafs Er mich hat gerathen, nacher Rosenburg zu gehen, aber bei solche gestalte Conjuncturen kan ich mich noch nicht daherzu resolviren, dan solange ich sehe, dafs mein Herr Vatter noch immer wie zuvohr ungnädig auf mich ist, und zum zweyten

490 Aktenstacke.

keine Garantie führ mich sehe, so würde doch das letzte ärger sein dan das eheste. Also ist besser, dafs ich mich noch so lange in frembden Herren Ländern aufhalte . . . Wo mein Herr Vatter länger so hart gegen mich verbleibet, so werde ich mich ent- lich an einige Puissancen hängen müssen, da ich doch bis dato solches noch nicht gethan. Also ersuche ich Denselben auf Seinem Eid und Pflicht, so Er dem Churhause geschworen, diese Sache bestens mit Seinen Herren CoUegen zu überlegen, darmit ich nicht zur Desperation gebracht würde und sie sämtlich solches hemacher beklagen möchten, welches aber dann zu spät sein würde

a

Terantwortang Melnders' wegen der gegen ihn erhobenen

Anklagen« (Rep. 92. Meinders 9.)

7. Meinders an den Kurfürsten, 16. Dezember 1685. Er hat stets nur auf kurfürstlichen Befehl gehandelt. ,,So hab ich doch eine Zeit hero erfahren müssen, dafs man an einigen aufswertigen Höfen und theils woll gar durch Ewrer Ch. D. eigene Diener meine Treue und Ehre aufs heftigste zu beschmutzen und aller- hand unbegründete und falsche, auch theils absurde und lächer- liche Dinge mir anzudichten, auch mich dadurch in Ewrer Ch. D. Ungnade zu stürzen bemühet gewesen." Meinders beruft sich auf sein Gewissen und erhofft des Kurfürsten Schutz.

8. R^benac an Meinders, Berlin, 7. Juli 1687 : „. . . L'Electeur m'a dit qu*il avoit d6couvert celui qui trahissoit ses secrets, et que vous esti6s le seul, qu'on luy avoit fait cognoitre la chose si clairement quMI nen pouvoit doubter, que pour ce qui estoit de la copie d'ordres que ie luy auois donn6e c'estoit vous qui pour vous attirer une marque de recognoifsance des Imperiaux l'auiez envoy^ a Straatman, qu'il vous obligeroit a en convenir devant moy mefme, et que ce nestoit pas la seule chose quil avoit descouvert (sie!). Vous pouu6z iuger de mon estonnement* Er habe dem Kurfürsten widersprochen und ihm gesagt: „que ie croyois estre afsur^ que ce fust M. Fuchs, parce que ce ie scauois de science certaine que depuis plus de 4 ans quil sestoit mis en teste de gouuerner seul les affaires. ** Deshalb habe er den Kurfürsten vom König getrennt, um mit Hilfe der Kaiserlichen und Ge- neralstaaten bei dem Kurfürsten alles zu gelten : „la haine quil

AktenstQcke. 491

avoit contre vous et qu'il couurait dune amitiö exterieure; son engagement avec TEmpereur, la Hollande et leurs ministres dont il auoit a diverses fois receu de tres gros presents . . . Mr. TEL me respondit affinnativement: Ge que ie vous dis est vray, et ie l'obligeray den convenir devant vous." Röbenac betont die Falschheit, die Fuchs gegenüber Meinders gezeigt hat. „Mr. de Grumkau vous en dira beaueoup plus.*'

9. Fuchs an Meinders, Berlin, 12./22. Juni 1687 : ,Mon tres eher frfere.^ Man sucht des Kurfürsten beste Diener zu ver- leumden und zu verhetzen. So erzählt man Meinders, dafs Fuchs sein Gegner sei und ihn zu verdrängen suche. Das ist eine Unwahrheit. Erzählt man doch dem Kurfürsten selbst, dafs Fuchs alle Geheimnisse seines Herrn dem Baron Fridag verrate. Aber Fuchs hat ein reines Gewissen. Er ruft Gott zum Zeugen an, „qui scrutatur corda et renes^.

10. Fuchs an Meinders, Hamburg, 6./16. Juli 1687 : „Vous m'obliger6s, Monsieur et tres-cher fröre, de ne songer plus ä ce qui s'est pass6 entre nous. Je vous ay desia t6moign6, que ie voudrois que cela n'eüt pas estö, et que jen ay du chagrin. Vous pouv^s aufsi estre afseurö que ce que je vous ay mand^ de la sinc6rit6 de mon coeur envers vous, est tres-v6ritab]e,^ etc. Anrufung Gottes . . . „Je vous embrasse, eher fröre et suis de tout mon cceur votre tres-humble et tres-oböissant serviteur et tres-fidelle fröre ..."

11. Fuchs an Meinders, 7./17. Juli 1687: „. . . Celle cy n'est que pour vous rendre encore un million de graces de toutes les honn^tetös dont vous m^accablös dans votre demiöre. J'y suis sensible, conmie je dois, et je vous conjure d'ötre tousiours afseurö du reciproque de mon costö ... II est vray qu'on se Charge quelques fois des (sie!) soubsons mal fond^s; et il ne manque point des (sie !) rapporteurs non plus ; mais . . . il n'y a point de meilleur remede que de s'öclaircir et de s'entendre. Je Ie feray, k l'advenir ..."

Berichte des französischen Besldenten In Hamburg, Bidal, an den Harqnis von Lonvols« (Abschriften, Rep. 94,

4 Hb, 10/?.)

12. 6. September 1686: „Le B^ de ce moisM. de Knisbeg(!!) pafsa par icy allant de la part de Mr. TEL de Brandebourg

492 Aktenstocke.

vers le Roy de Dannemark poar dire ä oette Majest^ que FEI'- 8on maistre ne mettoit aacune difference entre bombarder Ham- bourg et Berlin. Le Roy promist de s'abatenir de faire jetter du feu dans la ville, jussques a ce que M. Revenlau, quMl en- Yoyoit vers VEV\, luy eust fait entendre ses raisons.*

13. 22. November 1686: „Quoy que M. TEL de Brande- bourg ait prot^gö oette ville dans les difföiens qu'elle a en depuis deux ans avec M. le Duc de Zell et le Roy de Danne- mark, eile ne luy a pas pourtant accordö Texercice de Religion qu'il demandoit pour les calvinistes. Get Elect'* en est choquö et de ce qu*on a restably un Bourgmestre qu^on sgauoit n'6tre point de ses amis.**

Nachtrag zn Band II: Korrespondenz des Herzogs

Ton Croy, knrfArstlichen Statthalters In Preaben^ mit Baron

Idlllenhoek, schwedischen Gesandten in Polen.

(Rep. 92, Croy, Nr. 143.)

14. Lillienhoek an Croy, Zoppot, 28. Dezember 1674/7. Januar 1675. Er erbittet ein Saufconduit fUr sich, sein Gefolge und sein Gepäck, da er auf seine Güter in Livland zu gehen gedenkt. „Je crois que Y. A. sera bien surprise d'entendre des plusieurs endroits en Europe le bruit qui y court, comme s'il y avoit quelque mesintelligence entre S. M. le Roy mon maistre et S. A. Elect. de Brandenbourg. Je puis assürer V. A. en foy de gentilhomme que le Roy mon maistre ny aucun de ses ministres ne m'ait donnö aucune connaissance d'un tel dessein, et je crois absolument qu'il nV en a aucune apparence.*"

15. Croy an Lillienhoek, 1./11. Januar 1675. Im Vertrauen darauf, dafs tatsächlich kein Bruch zwischen Schweden und Brandenburg erfolgt, gewährt er dem Gesandten einen Pafs durch Preufsen.

16. Lillienhoek an Croy, Danzig, 18. Januar 1675 n. St. Lillienhoek kann die in Obigem enthaltene Bedingung nicht an- nehmen, da er weder seines K&nigs Absichten genau kennt noch weifs, ob nicht der Kurfürst zum Bruche sehreiten wird, weil ,les trouppes de S. M. le Roy mon maistre, pour auoir eu besoin de s'elargir, auroient 6t6 obliges de toucher les terres de S. A. E.

Aktenstocke. 49^

de Brandebourg . . . le mouuement des troappes du Roy mon maistre ne pouaant estre pris pour des actes d'hostilit^, non plus que ceux que des (sie!) autres Princes et S. A. £. de Brandeb. ont quelquesfois faits en TEmpire . . . Les actions du Roy moa maistre . . . ne scauront descendre ä la voye des armes sans que S. M. y soit indispensablement contrainte . . . Mais . . . on a Proteste depuis peu de jours de la part de S. A. £. contre les actions innocentes des trouppes de mon Roy/

17. Kurfürst an Croy, Gemünden in Schwaben, 20./30.Januar 1675. Wegen der Umtriebe des Lillienhoek in Polen und Danzig soll derselbe keinen Saufconduit erhalten, sondern mit seinem Verlangen an den Kurfürsten gewiesen werden. Sollte er schon im Herzogtum Preufsen sich befinden, so darf er keine Festung betreten, mufs genau beobachtet und an jedem Verkehr behindert werden. Man fürchtet seine Umtriebe daselbst

18. Croy an Lillienhoek, 15./ 25. Januar 1675 (also schon vor dem kurfürstlichen Schreiben). Bei den veränderten Umständen verweigert er den Saufconduit und verweist Lillienhoek an den Kurfürsten.

19. Lillienhoek an Croy, 28. Mai 1675 n. St. „. . . Je puis asseurer V. A. que le Roy mon maistre est tres dipos6, pour n'auoir autre büt que de procurer la paix universelle, et sur- tout Celle de TEmpire, aussi bien que pour ötablir avec Son A. £ une correspondance et amiti6 plus ferme que par le pass6. L'autoritä qui est partout acquise ä la haute vertu et prudence de V. A., ne scauroit iamais mieux et plus glorieusement s'em- ployer, que si V. A. vouloit trauailler auec tont sein a porter S. A. E. a de semblables intentions, dont depend non seulement le repos de ses Etats et de ceux de ses voisins, mais aussi celuy de toute TEurope."

20. Croy an den Kurfürsten, Labtau, 24. Mai/ 3. Juni 1675: Sendet das Schreiben Lillienhoeks ein und bittet um Befehl, was ihm zu antworten sei.

21. Kurfürst an Croy, Renfsdorf i, Thür., 6./ 16. Juni 1675: „. . . Nun ist Ew. Ld. selbst woll bekannt, dafs Ich des Königs und der Krohn Schweden freündschafft iederzeit sehr ästimiret und dieselbe, Meines theils, mit aufrichtigen Beaeigungen unter- halten. Nachdem Ich und Meine Lande aber, ohne einige darzu gegebene rechtmäfsige Ursachen, von demselben Könige und

494 Aktenstücke.

der Krohn Schweden mit Krieg überzogen, Meine arme un- schuldige Unterthanen in den Grund ruiniret, dieselbe Barbarisch, alfs Türcken und Tartaren, nicht ärger machen können, feindlich tractiret, und damit noch immerhin continuiren. So mufs Ich solches alles dem gerechten Grott, der dergleichen Unrecht nicht ungestraiFet läfst, und der Zeit anheim stellen . /

Personenverzeichnis.

A.

Abbadie, französischer Prediger,

III 158. ,Abd-er-Rachm&n, Kommandant

von Ofen, m 439. Achmed Köprili, Grofswesir, II

30 f. 35. 37. Achtienhoven, Isaak Panw van,

Pensionär von Enkhuizen, II 309.

311. Adelaide von Savoren, KurfÜrstin

V. Bayern, I 306. II 135. Adolf Johann, schwed. Prinz, I

348. II 82. Agricola, brandenb. Hofprediger,

I 147. Ahlefeld, Detlef von, dän. Diplo- mat, I 283. III 3. A i t z e m a, Leo van, Agent der klev.

Stände, I 136. Akakia, Roger, franz. Diplomat,

I 229. 283. Alb in US, Prof. der Medizin, III

174. Albrecht Friedrich, brandenb.

Prinz, n 252. Aldersen, Thomas , Commodore,

III 224 f. Alezander, Prinz von Kurland,

in 32. 438. Alezander VII., Papst, I 219. Alezei Aleziowitsch , mss.

Grofsfurst, II 142. Alezei Michailowitsch, mss.

Zar, I 186 f. 197. 241. 247. 260.

326. Amalie von Solms, Prinzessin von

Oranien, I 66. 198. 374. 382 f.

II 6. 20. 22. 52. III 16. 18 f. | Amalie Elisabeth, Landgrfifin |

von Hessen, I 50. 57. 78. 121. 123. |

Amerongen, Godert Adrian van, niederländ. Diplomat, II 24 f. 250-- 254. 256. 260. 262. 282. III 224. 227. 271. 276. 300. 315. 318 f. 349. 374. 378.

Ancillon, französ. Prediger, m 153.

Anethanus, Dr., kaiserl. Beichs- hofrat, I 160 f.

Anna, KOnigin-Regentin v. Frank- reich, I 57. n 65. 69.

Anna, englische Prinzessin, III 340. 474.

Anna von Neubnrg^, II 9.

Anna Maria Luise, Prinzessin V. Orleans, I 63 f.

Apaff 7, Michael, Fürst y. Sieben- bürgen, II 30. 332.

Appelbom, schwed. Diplomat, I

m.

Arensdorf, schwed. Generalleutn.,

II 305. A rg y 1 e , schottischer Graf, III 385 f.

Armstrong, Ritter, UI 361 f. 368. Arnim, yon, brandenb. Rittmeister,

n 283. Ascheberg, schwed. Oberst, I

257. 823. Athias, Joseph, holländ. Buch- händler, ni 159. Aubry, franz. Publizist, II 110 f.

118. Auersberg, Graf, kaiserl. Minister,

II 84. August, Fürst y. Anhalt, I 161. August, Herzog y. Braunschweig,

I 161. August, Herzog y. Holstein-Plön,

brandenb. General, TL 33. 85—38.

78. 81. 343. 376. III 50. August, Herzog y. Sachsen, Ad-

496

Penonenverzeichnis.

ministrator v. Magdeburg, I 108. 295. 802. U 76-81. 851. 354. 402. 421. 428. - III 288 f. 249.

Aureng-Seb, Grofsmogal, HI 238.

A n t e 1 . Baron von, belgischer Diplo- mat, m 288.

Avaugour, d\ franzOs. Diplomat, I 56. 229. 287. 258 f.

Avauz, d\ Graf, französ. Staats- mann, I 56-^58. 68 f. 87—89. 100 bis 102. 104 f. 107. 109. 114. 272. 404. 406. 416. - m 272. 810. 868. 377. 891. 895. 897. 428. 458.

B.

Baibase 8, Marques de los, span.

Diplomat, II 311. 821. Banz, Abt, Otto von, TU 269. 271. Barfus, Hans Albrecbt von, bran-

denb. Generalmajor, III 487. Bartsch, Gottfried, Kupferstecher,

ni 184. Bawyr, Generalleutn., I 258. Bazin, französ. Diplomat, lU 812. Beeck, Jobann, brandenb. Agent,

III 152. 264 f. Beger, Lorenz, Münzkundiger, III

Behm, Theologe, I 416. 418.

Beilstein, Bürgermeister v. Köln, III 884.

B e i 1 i c u m , preufs. Kommandant, U 174.

Benckendorf, brandenb. Geheim- rat, I 61 f.

Berg, Dr., brandenb. Hofprediger,

I 416-419. - III 19. Berendts, Oberstleu tn., II 194. Berlepsch, Otto Wilhelm von,

Berliner Schlofshauptmann, II 42. 107. III 214.

Besser, Johann, brandenb. Lega- tionsrat, III 97. 861. 867 f.

Bethune, de, französ. Diplomat,

II 833. 888. 408. HI 207. Beuningen, van, niederländ.

Staatsmann, II 188. III 358. Beveren, Comelis Classen van,

Admiral, II 884. - IH 223 f. Beverning, Hieronymus van,

niederlftnd. Staatsmann, II 67 f.

251. 379. ni 168. Beyer, Johann de, klevischer Vize- kanzler, II 87 f. 91 f. HL m

431. Bi elke, Steen, seh wed. Agent, II 82. Biermann von Ehrenschild,

dän. Diplomat, DI 327. Bille, d&i. Feldmarschall, I 282.

Bismarc k, Otto von, HI 254. Björnclou, schwed. Diplomat, I

145 f. 258. 289. 291. Et 111. 131. Blaspeil, Werner Wilhelm von,

brandenb. Diplomat, H 49—51.

108. 120. 185. 248. 880. 423.

HI 21. 55. Biesen, Abt von, U, 146. Biesendorf, Joachim Ernst, Archi- tekt, III 122. 188. 185. 209. Blonck, Schiffskapitän, IH 227.

229 f. Blondel des Croisettes, Franz,

französ. Diplomat, I 272. 291. 298.

297. 808. 352. Blumenthal, Christ Kasp. von,

brandenb. Geheimrat, II 28 26.

69 f. 104. 119. 128. 183. 141. 149.

151 f. 154. 15a 228. 244. 298. 318.

UI 56. Blumenthal, Joachim Friedr. von,

brandenb. Geheimrat, I 29. 66.

155 f. 166 f. 169— 17L 380 f. Bnin. Palatin von, I 251. Boernave, berühmter niederlftnd.

Mediziner, III 174. Boetzelaer, lothring. Oberst, I

158 f. Bogdanow, russ. Sekretär, I 241. Boguslaw XIV, Herzog v. Pom- mern, I 9. 84. Bolsej, Ol^rst, II 365. Bon de, Gust H., schwed. Reicha-

schatzmeister, II 83 f. Bon in, Georg von, brandenb. Ge- heimrat, I 212. 214. 222. 245. 250.

Hl 177.

B o n i n , Wedige von , brandenb .

Oberkommissar, I 438. Bonzi, Peter, Bischof v. B^iers,

II 136. 143. 149-15L 154 f. 158 f. Borch, Johann von der, brandenb.

Hofmeister, I 7. Borne, von^ neum&rk. Kanzler, I 41. B o u r n o n V 1 1 1 e , Herzog von, kaiseri.

General, II 286. 316. 822. 324 bis

380. 844. Brand, Achaz von, brandenb.

Hauptmann, I 184. Brandt, von, brandenb. Oberst-

leutn., UI 809. Brandt, Christoph von, brandenb.

Geheimrat, I 881. 338. 358 f.

U 49. 100. 103. 134. 243. 259. 334.

842. 381. m 40. Brandt, Eusebius von, brandenb.

Diplomat, II 194—197. 201. 381.

- in 186.

B r a s s e r , Dietrich , niederlftnd. Oberst, II 800.

Personenverzeichnis.

497

Br^gy, Vicomte de, französ. Diplo- mat, I 64. Brienne, Graf von, französ.

Minister, I 64. 115. Brnynincz, niederlftnd. Diplomat,

n 436. B u c h w a Id , dän. Diplomat, III 286. Burgsdorf, Georg Ehrentreich

von, brandenb. Oberst, I 80 f. Burgsdorf, Konrad von, brandenb.

Oberst und Oberkämmerer, I 19.

27. 32 f. 35. 48. 52 f. 67. 70. 81 f.

87. 119—123. 152. 154. 164—167.

169. Bnrnet, Gilbert, engl. Bischof,

m 14. Busch, Klamor von, brandenb.

Diplomat, III 294. 351.

C.

Calizt, Georg, Professor, 1 419. Calow, Theologe, HI 128. Galvau, französ. General, 11 421 f. Cammacher, Hauptmann von, III

110. 0 a n i t z , von, brandenb. Geheimrat,

in 54.

Can stein, Baban von, kurmfirk.

Kammerpräsident, 1 400. II

257. 293. III 51. 66—68. Castel-Rodrigo, Marquis von,

Generalgouv. v. Belgien, n 97.

105. 108. 112 f. 120. 133. 138. 143. Cayard, französ. Ingenieur, III 85. Chambonni^res, Andreas von,

Pianist, III 179. Chanut, Pierre, französ. Diplomat,

Charlotte, Prinzessin v. Kurland, m 25 f.

Charpentier, französ. Chirurer, ni 85. ^'

Ch&tiilon, Herzogin von, III 365. Chavaignac, Graf von, I[ 152. Chemnitz, Präsid. des kurmärk.

Konsistoriums, I 422. Cheverny, französ. Diplomat, III

377. Chiöze, Philipp von, brandenb.

Generalquartiermeister, III 89. 118.

121 f. 209.

Chmielnicki, Bogdan, Kosacken-

führer, I 133. 219. Choiseul, französ. Diplomat, III

364.

Christian, sächsischer Prinz, III

285. Christian IV., König v. Dänemark,

I 407.

Philippflon, Der OroAe KarfOrst. m

Christian V., König v. Dänemark, n 278. 306. 313. 319. 344. 364. 37?! 380 f. - ni 260. 267. 303. 306. 312. 323. 325. 328. 360. 433-435. 459.

Christian Albrecht, Hefzo« v.

Gottorp, ni 433. 435. *

Christian I. Ludwig, lÄrzog v.

Mecklenburg -Schwerin, III 365 f. Christine, Königin v. Schweden.

I 9. 48 f. 59—61. 94 f. 97. 103. 124

^130. 185. 417 f.- m 143. 455.

Christine Charlotte, Fürstin v.

Ostfriesland, III 301. 308 f. 353 f. 466.

Christoph Bernhard (v. Galen), Bischof V. Münster, I 156. 161. 181. 810. 391 - n 45-48. 52. 55. 58. 60. 62. 70 f. 103. 240-242. 247. 261. 284 f. 287. 313. 364. 374. 883.

^l?^®^?^?/i» ^^*^' ^^S^' Minister,

II 106. 111.

Claude, Jean, Prediger, III 457. Cleffman, Admiralitätsrat, HI 232. Clever, Arzt, ÜI 164. 168. Colbert, Jean-Baptiste, französ.

Minister, II 97. 223. 236. HI

91. 93. 98.

Colbert-Croissy, Charles Marquis von, französ. Minister, II 65. 67 f. 70. 404. 423. 425. m 151. 264. 272. 275. 285. 305. 312. 314 f. 317. 319. 325 f. 342. 359. 371. 381. 404 f.

f 9? ^?A^' ^28. 442. 447. 449. 452 bis 454. 462.

Colignj, französ. General, H 40.

Conde, Heinrich Prinz von (vor dem Tode seines Vaters Herzog y^?^ %S*^*®^>' französ. Feldherr,

I 49. 127. 240. - U 10. 36. 136! 146-155. 158. 261. 272. 287. 316. o22.

Consbruch, Landrentmeister, III 215.

Consbruch, kaiserlicher Sekretär,

III 368. * Copes, brandenb. Diplomat, I 334.

338. -n 100. 120. Cosimo, Prinz v. Toskana, II 142. Couplet, Reisender und Sinologe,

HF 163.

Courtois, Abb^, französ. Agent,

II 149. *

Craanen, Theodor van, Leibarzt, IH 163.

Cracow, brandenb. Diplomat, IH 267.

Cr^qui, von, französ. Marschall, n 109. 325. 364. 427. 429. m 257. 265. 366.

32

498

PersonenyeneichmB.

Creuts, von, Oberst, I 243. II 167.

Crockow, Matthias von, pommer- scher Hofrichter, I 142. 144. 146.

Crom well, Oliver, Protektor Eng- lands, I 191. 200 f. 217. 224. 2^. 285. 298. 319. 418.

Cromwell, Bichard, dessen Erbe,

I 319. 321. 325. 328 f. 334. 341. :354.

Cr 07, Bognslaw, Herzog von, Ad- ministrator von Camin nnd Statt- halter in Preufsen, I 107. II 192 f. 195. 198-200. III 40. 43. 50. 169. 190.

Czarnecki,poln. General, I 228 f. 257 f. 276. m 296. 316—318.

II 10.

Czarnecki d. Jüngere, dessen Sohn, II 176.

D.

Dach, Simon, Dichter, III 179. Danckelmann, Eberhard, ILI 23.

34. 476. D a n n i e s , Berehauptmann, III 234. Deetze, Jakob, Burger v. Stendal,

II 214. Degen er, Baumeister, I 428.

Derfflinger, Georg, brandenb.

FeldmarschaU, I 202 f. 249 f. 317.

485. II 249. 270. 297. 299. 308.

313 f. 320. 323-325. 328. 330. 344.

350. 354—361. 370. 396. 411. 414.

423. III 42. 48-51. 54. 56 f. 60.

193. 201. 207. 212—214. 238. 320.

325. 333. 335. 339. 437. 456 f. Des Nojers, Sekretär, I 428.

Deutsch, Job. Friedr. von. Dom- herr, III 141. Di est, Job. von, klev. Vizekanzler,

I 390. - III 235. 309. 362. 367. 369. 378. 382. 403. 431.

Dietrich, Vertreter der Jülicher

Städte, I 391 f. Dillger, Major, III 230 f.

Dirschau, Dr., samländ. Konsisto-

nalfiskal, lU 124. Dobrczenski, Ulrich, von Dobr-

czeme, I 192. II 169.

Ao#®°'rT^*"^^^' Baumeister, I ^™'- 111 122.

II ?40' ^''*^' '''*''^^^- Diplomat, I>ohna, Christian Alb. Graf

Dohna, Fabian, Burggraf von,

brandenb. Diplomat, I 64 f. 67. 87 f. 131. 417. II 60.

Dohna, Friedrich, Burggraf von, m 85.

Dohna, Graf Karl Emil, Ul 438.

Dohna, Graf Dietrich, UI 438.

Dorothea, Kurfürstin t. Branden- burg, II 322. 349. 385. 411. - lU 17-22. 25. 27. 29 f. 35. 38 f. 119. 124. 186. 273. 313. 334. 425. 429. 432. 470.

Dorp, van, niederländ. Diplomat,

I 303.

Douglas, schwed. Greneral, I 321. Dreier, Dr., Prof. der Theologie,

II 173. 184. ni 130. 143 f. Drowning, engl. Diplomat, I 341.

- II 49. Du Moulin, französ. Diplomat,

II 63.

Du Moulin, brandenb. Major, III

233. Du Quesne, französ. Admiral, II

377. DuraeuB, Job., schott. Theologe,

III 127. 132.

Du ras, franz. Marschall, II 272.

287. Dusärd, Bildhauer, I 427. 429.

in 181.

£.

Eberstein, hess. Kriegskommissar,

I 54.

Effern, Baron von, I 47. Eggers, Bartholomaeus, Bildhauer,

in 181. Ehren st een, schwed. Diplomat,

II 336.

Eleonore, Königin v. Polen, II 159.

Elisabeth, Königin v. Böhmen, I 12.

Elisabeth Charlotte, Knrfurstin V. Brandenburg, I 6. 19. 262. m 424.

Elisabeth Charlotte, Herzogin V. Orleans, III 387—889. 398 f. 420 f.

Elisabeth Henriette v. Hessen- Kassel, Kurprinzessin v. Branden- burg, III 26 f.

Eller, brandenb. General, II 249. 308. 364.

Elliger, Ottomar, Maler, III 180.

El 8 holz, Botaniker, III 89.

Enghien, Herzoe von (Sohn des „ffroraen* Ludwig v. Cond6), II 10. 125-127. 129. 136. 142. 155.

PerBonenyerzeichnis.

499

Enno IIL, Graf y. Ostfriesland,

in 45. Ernst, Markgraf v. Brandenburg,

I 85. 42. 44 f. Ernst Augast, Herzog v. Han- nover, m 284. 294. 351. 383. 387.

400. 418. 434. 469. Espence, Beauvau d', Oberst, II

378. 403 f. 424. 427. 431. 436.

III 153. 255 f. 274 f. 277. 427. 434. Essich, brandenb. Geheimrat, III

92. Estrades, Graf yon , französ.Staats-

manu, I 17. II 60. 62. 65. 67.

99. 404. 416. Estr^es, Kardinal von, III 447. Eulenburg, Jonas Kasimir von,

brandenb. Diplomat, I 232.

F.

Fagel, holi&nd. Staatspensionar. II

291. 369. 382. 416 f. III 25. 310.

350. 356. 358. 374. 378. 382. 391 f.

395. 403. 417. Falaiseau, Pierre de, brandenb.

Diplomat, III 368. 385. 416. Ferdinand, Kurf. y. Köln, I 142. Ferdinand IL, deutscher Kaiser,

I 15 f. 26. Ferdinand HI., deutscher Kaiser

I 30. 32. 45 f. 49. 80. 82. 85. 96.

98. 100. 111 f. 116-118. 121. 123.

127. 142. 144-147. 155-157. 171.

174. 214. 228. 256. 263. 305. 307.

.392. II 29. Ferdinand IV., römischer König,

I 146 f. 263. 305. 307. Ferdinand (yon Fürstenberg),

Bischof von Paderborn u. Münster,

II 61. 241. 307 f. 310. 419. Ferdinand Maria, Kurf. von

Bayern, I 306 f. II 135. 261.

273. 382. 393. III 263. Fcrnemont, Österreich. General,

I 288. 290. 296 f. 344. Feuquiöres, Marquis von, französ.

Diplomat, II 335 f. - III 279. 291. Flanssen, Dietrich von, preufs.

Landtagsmarschall, II 170. Floriszoon, niederländ. Admiral,

I 322.

Forbin-Janson, französ. Diplomat,

II 317.

Forgatsch, Graf, kaiserl. General,

II 34.

F o r m o n t , Gebrüder , Bankiers,

III 167. 265.

Fornerod, französ. Prediger, lU 148.

Franz, Herzog v. Lothringen, I

179. 353. Franz Egon (von Fürstenberg),

Bischof V. Strafsburg, II 70. 116 f. Freyberg, Dr., Andr. Albr.,

brandenb. Ober-Kriegskommissar,

III 214. Frey tag, brandenb. Diplomat u.

Admiralit&tsrat, III 232. F r i cqu e t , kaiserl. Diplomat, I 325.

Ö 44. 47. Fridag, Franz Heinrich von, Baron

Göden, kaiserl. Diplomat, III 48.

57. 96. 384 f. 4n. 413 f. 423. 444.

448. 468. 479. Friedrich (IH ), Kurprinz v. Bran- denburg, I 377. II 220. 371.

411. III 12. 15. 22 f. 25-30.

33-36. 48. 54. 57. 254. 320. 339 f.

351. 363. 369. 413 f. 418. 469. 476.

478 f. Friedrich U., der Grofse, König

V. Preufsen, III 9. 11. 127. 254.

414. Friedrich, Prinz v. D&nemark,

Administator v. Bremen, 1 108. Friedrich lU., König von Däne-

mark, I 287. 314 f. m. 335. 340 bis

342. 345 f. 352. 360. 407. - II 7 f.

116. Friedrich IV., Kurfürst v. d. Pfalz,

III 425. Friedrich V., Kurfürst v. d. Pfalz,

und König v. Böhmen, I 6. Friedrich Heinrich (von Oranien),

Generalstatthalter der Nieder- lande, I 10 f. 13. 17. 53 f. 66. 70 f.

79 f. 105. 130. 439. Friedrich Wilhelm L, König y.

Preufsen, III 35. 121. Friedrich Wilhelm IIL, König

v. Preufsen, III 259. Friedrich Wilhelm IV., König

V. Preufsen, III 259. Frischmann, Joh., französ. Publi- zist, I 331—333. 352. Frohen, Stallmeister, II 359. Fromantiou, Hendryk de. Maier,

in 180. From hold, Joh., brandenb. Hofrat,

I 87. 124. Fromm, Andr., Propst, III 134. Fuchs, Paul von, brandenb. Staats- mann, III 14. 28. 36. 5a— 56. 60.

220. 273 f. 298. 313. SU. 344. 352 f.

356. 358.361—363. 367 f. 381— ;^6.

390-398. 402 f. 412. 414. 416. 427.

435. 456. Fürstenberg, Felix Egon von, Abt

V. Murbach, III 352 f.

32*

500

Personenverzeichnis.

Fürstenberg, Herrmann von, bayer. Obernofmarschall, II 135.

Ffirstenberg, Wilhelm Landgraf yon, II 70. 116 f.

Fürst enberg, Wilhelm Egon yon, Bischof von Strafsbure, karkölni- scher Minister, 11 231 f. 307. III 355. 427 f. 460. 464. 469 f. 471 f.

G.

Gabel, Friedrich von, dän. Diplo- mat, I 314 f. III 328. 363. 384.

Gabel, Lorenz, Grofshftndler, III 102.

Gal las, Graf, kaiserl. Feldmarschall,

I 48-50.

Gardie, Maffnns, Graf de la, schwed. Reichskanzler, I 62. 97. 21L II 83 f. 87. 121 f. 243. 333. 363. III 259. 279.

Ganltier de St. Blancard, Franz de, Prediger. III 378 f.

Georg, Prinz y. Dänemark, III 339. 474.

G eorg W i 1 heim, Kurf. y. Branden- burg, I 6 f. 10. 12—16. 18—21. 24. 26 f, 34. 38. 85. 379. 386.

(ieorg Wilhelm, Herzog v. Celle,

II 53. 55. 257. 278. 830. III 267. 418. 434. 445.

Gerhard, Paul, Prediger, III 127.

132 f. Giese, neu bürg. Diplomat, II 132.

143. Gieas, David, Prediger, III 134. Gi il i , brandenb. Obermünzdirektor,

III 67.

Giustiniani, Ascanio, venezian.

Dinlomat, II 436. Glaoiebeck, Bodo von, brandenb.

General-Kriegskommissar, III 68.

212 f. 239. Glen n , Graf, kaiserl. Feldmarschall,

I 55. Goefs, Joh. Freiherr von, kaiserl.

Diplomat, II 54 f. 67. 69. 99. 108.

123. 134. 136. 152. 155. 260. 295.

371. III 14. Goldacker, von, brandenb. Oberst,

I 35. Gollstein, neub. Diplomat, II

302. Goltz, Joachim Friedr. von der,

brandenb. General , I 288. 298 f.

323. 337. II 12. 78. 105. 270.

284. 325. ni 42. 44 f. Gomara, Est^van de, span. Diplo- mat, II 67. Gomont, französ. Diplomat, 11 131.

Gonsiewski, litauischer Kronf eld-

herr, l 247—250. 252. 269. 271. Gonzaga, Hannibal, Vizeprfts. dea

kaiserl. Hofkriegsrats, I 860. G ö r t z k e , Joachim Ernst von,

brandenb. Oberst, I 264. II

410—412. Götz, von, Hofmeisterin, I 377. Götze, Sigism. von, brandenb.

Kanzler, I 33. 48—47. 60 f. 76. 78.

119 f. Götzen, von , Oberhofineisterin,

m 23. Graevius, Philologe, III 168. Grafenthal, schwed. Diplomat,

III 884. 416. Grana, Marquis von, kaiserL Diplo- mat, II 349. Gravel, Abb^, französ. Diplomat,

II 103. Gravel, Rob. von, französ. Diplo- mat, II 273. Gray, Lord, lU 361 f. 868. 385.

894. Greifenfeld, d&n. Minister, ü

872. Gremonville, französ. Diplomat,

II 108. 122. 242. 274 fl 302. Groben , Hans Ludwig von, U 210. Groben, Otto Friedr. von, Major,

ni 229 f. Groot, de, niederi&nd. Staatsmann,

n 245. Grote, Otto von, hannoverscher

Minister, IH 327. 351. 354. 360.

363. 368. 370. 383. Grumbkow, Ernst Joachim von,

brandenb. General-Kriegskommis- sar, III 54. 56. 60. 153. 213 f. 334.

416. Guericke, Otto von, magdeb.

Bürgermeister, I 108. U 76.

79 f. m 163. Gurszinski, poln. Oberst, I 887. Gustav Adolr, Herzog v. Mecklen-

burg-Güstrow, UI 376. Gustav IL Adolf, König von

Schweden, I 8 f. 43. 139. 1&. 186.

190. III 201. 210. Gyllenstjerna, Joh., schwed.

Staatsmann, II 243. UI 259 f.

272. 279. Gysels van Lier, Arnold, Ad-

miral, I 438—441. II 208 f.

H.

Hackelberg, Amtsrat, III 67. Hainzelmann, Kupferstecher, III 184.

Penonenverzeichnis.

501

H a 1 1 a r d , brandenb. FestuDga- kommandant, II 374.

Hamel, du, brandenb. General- major, III 434.

Hammerstein, von, lüneb. Hof- marschall, II 119.

Haro, Lnis de, span. Minister, I 353.

Hatzfeld, Graf Melchior yon, kaiserl. Feldmarschall, I 160 f. 266. 278. 283.

Hedwig Eleonore, Königin-Re- gentin y. Schweden, I 358. II 122.

Hedwig Sophie, Landgr&fin v. Hessen, TL ©5. 278. III 19. 26.

Heemskerk, niederländ. Diplomat, II 311.

Heister, kaiserl. General, II 265.

Hendreich, Christian, brandenb. Historiograph u. Bibliothekar, III 165. 169.

Henni(n)ge8 von Treffenfeld, brandenb. General I 435. II 326. 412.

Hermann, Markgr. y. Baden, II 112 f. 120. 209. III 277.

HermannWerner (v. Mettemich), Bischof y. Paderborn, III 353.

Hefsen, Kardinal von, III 144.

Heufsner yon Wandersieben, kaiserl. Kriegskommissar, I 49 f.

Hey den, brandenb. Oberst, II 427.

Hille, brandenb. Oberst, II 178 f.

Hirt, Konrad, Maler, I 428.

Ho eher, von, kaiserl. Kanzler, II 275. 311. 313. 401.

Hoeff, dänischer Diplomat, III 285.

Hoenn, Stempelschneider, I 429.

Holstein-Wiesenburg, Herzogin Charlotte von, III 22. 33. 35.

Holzapfel, Melandervon, kaiserl. General, I 121. 151.

Hombnrg, Landgr. Friedrich von, brandenb. General, II 356 358. 361. 388. 395. III 20.

Honthorst, Gerhard, Maler, 1429.

Honthorst, Wilhelm, Maler, 1429.

III 180.

Hop, Jakob, Pensionär von Amster- dam, III 220. 459.

Hörn, Graf Christer, schwed. General, II 888.

Hörn, Graf Henrik, schwed. Feld- marschall, II 408-413. 429.

Hoverbeck, Joh. von, brandenb. Staatsmann, I 39. 133. 194. 227. 252. 257. 276. 279. 294. 380. 355.

II 11. 13. 15. 126. 136. 14:3. 148.

153. 157. 176 f. 184. 194. 388.

III 32. 51. H n a r t , Jean - Pierre und Ami,

BrQder, Maler, III 181. Hubalt, III 190. Hübner, Joachim, brandenb. Hof-

historiograph, I 430. III 164. Hüll, Anselm van, Maler, I 429. Hülsemann, Theoloee, III 128. Hülsen, von, brandenb. Oberst,

II 386.

Hnmiöres, französ. Marschall, III

447. Huwald, Christ von, brandenb.

Generalmajor, I 133 f.

I.

II gen, brandenb. Diplomat, 11 1 &4. 274 f. 277.

Innozenz XL, Papst, III 405 f. 421 f. 436. 447—449. 465. 469 f.

Isinck, Dr. jur., I 371.

J.

Jacobson, Moses, III 157. Jakob, Herzog von Kurland, I

213. 321 f. II 388, III 26.

408. Jakob (IL), Herzog von York und

König von England, III 361. 379 f.

385 f. 392. 394. 399. 430 f 461.

473—175. Jansen, Buchhändler, III 170.

Jena, Friedrich von, brandenb. Geheimrat, I 227. 244. 246. 257 f. 316. 322. 383. 393. 409. II 53. 60. 77—80. 113. 153. 157. 169. 184. 200. 211. 229. 249-251. 256. 298. 403. III 14. 40—47. 51—51. 68. 136. 138. 192. 280. 297. 299. 302. 805.

Jena, Grottfried von, dessen Bruder, brandenb. Diplomat, II 122.

III 241. 287. 294. 306 f 315. 451 bis 454. 465.

Jephson, engl. General, I 298.

Joachim IL, Kurf. von Branden- burg, II 437. III 89. 210.

Jodoci, kurmainz. Geheimrat, II 108.

Johann, Markgraf v. Brandenburg, III 210.

Johann Adolf, Pfalzgraf, I 267 f.

Johann Friedrich, Herzog v. Hannover, II 53. 127. 240. 279. 287. 313. 336 f. 346. 365.

Johann Friedrich , Markgraf v. Ansbach, III 387. 407.

502

PerBonenyerzeichDis.

Johann Georg IL, Färst v. An- halt, I 317. 375. 383. II 13. 60. 228. 249. 263—265. 267. 270. 273. 286. 297. 338. 341 f. 347. 854. 423.

ni 16 f. 19. 28. 42. 46—49. 54. 200. 805. 313. 320. 333. 337—339. 414.

Johann Georg L, Kurf. v. Sach- sen, I 27. 30. 122 f. 152. 154. 282.

Johann Georg IL, Kurf. y. Sach- sen, II 36. 40-43. 77 f. 115 f. 121.

135. 241. 257 f. 346. 351. 393. 428.

III 249. V63.

Johann Georg III., Kurf. v. Sach- sen, m 128. 284 f. 344. 365.

Johann Hugo, Kurf. v. Trier, III 360 f. 430. 463.

Johann Kasimir, König v. Polen,

I 133 f. 159. 186 f. 211. 213. 219. 226. 229. 231. 233. 238. 245-248. 250-253. 255—258. 262. 271. 276. 278 f. 288. 293. 298 f. 303. 329. 346. 420. II 9-11. 17. 126. 128-131.

136. 142 f. 145—147. 168 f. 175 bis 177. 179. 189.

Johann Moritz, Fürst v. Nassau- Siegen, I 390-393. 424. 444.

II 19. 200. III 16. 26. 51. 168. Johann Philipp, Kurf. v. Mainz,

I 310. II 29. 39-42. 107 f.

III f. 241 f. 258. 281.

Johann Sigismund , Kurf. v. Brandenburg, III 129.

Johann Wilhelm Friso, Fürst V. Nassau, III 392.

Joseph, kaiserlicher Prinz, III 264. 412. 467.

Juel, Jens, dän. Diplomat, I 315.

Julius Franz, Herzog v, Lauen- burg, III 334.

Jurieux, Prediger, III 382.

K.

Kagge, Lars, dän. Feldmarschall,

Kalckstein, Albr. von, General-

leutn., I 243. - II 166-170. 174.

179. 187 f. Kalckstein, Christian Ludwig von,

Oberst, II 167 f. 187—197. 199-

202. III 109. Kalckstein, Christoph Albrecht

von, Oberst, II 167 f. 187 f. Kanne, von, kursächs. Hofmarschall,

II 78.

Kara Mustapha, Grofsvesir, III

329. 336. Karl, Landgr. v. Hessen- Kassel,

III 34. 387. 407. 464.

Karl, Kurf. v. d. Pfalz, UI 168.

386—389. 399. 424. Kar 1 II , König v. England, I 191.

II 4 ff. 19—21. 48 f; 63. 103. 106. 111. 137. 139. 235 f. 245. 260 f. 287. 307 f. 347. 353. 388-391. 394. 402—404. III 18. 37. 259. 276. 302. 361. 868. 379. 482.

Karl IIL, Herzog v. Lothringen,

I 96. 156. 159. 179. II 148. 234. 264.

Karl (IV.), Prinz, dann Herzog v. Lothringen, II 142. 146—158.

III aS4. 340. 437—439. 467. Karl X. Gustav, König v. Schwe- den, I 48. 59. 140. 185 L 189. 193 f. 196 f. 199. 20L 203. 206 f. 211 f. 216—223. 226. 228-239. 242. 249. 251—253. 255. 257—269. 272 f. 276—278. 282 f. 285-296. 300 bis 304. 313-315.319. 321—826. 328 f. 333-335. 342 f. 348-350. 356 bis 358. II 76. 360.

Karl XL, König v. Schweden, I 358. II 8. 18. 82 f. 243. 334 bis 336. 345. 369 f. 373. 377. 388. 406. 408. III 253. 259 f. 279. 286. 288 f. 295. 312. 324. 328. 416.

Karl IL, König v. Spanien, III 380.

Karl Emil, Kurprinz v. Branden- burg, I 377. II 241. 262. 301. 316. 322. 325—327. III 19 f. 22—25. 27. 185. 187 f.

Karl Kaspar (v. d. Leyen), Kurf. V. Trier, II 117. 282 f. 301.

Karl Ludwig, Kurf. v. d. Pfalz,

II 28. 53. 273. 312 f. Hl 274. 399. 424 f.

Kaunitz, Graf, kaiserlicher Diplo*

mat, III 446. Kaunitz, Gräfin Maria Eleonore,

III 446. Kempen, Martin van. Gelehrter,

III 165.

Kern, Leonh., Bildhauer, I 429.

Khurtz, Graf Maximilian, bayr. Minister, I 306.

Kittelmann, Lazarus, brandenb. Beamter, I 197. 316.

Kl ei he, Dietr. Schweder, schwed. Regierungsprftsident, II 84. 86.

Kleist, Ewald von, brandenb. Ge- heimrat, I 67—^9. 87. 92. 105. 141. 170. 248. 381. III 40.

Klemens IX., Papst, III 148.

Klerck, Adam de, Maler, III 180.

K 1 i t z i n g , Job. Kasp. von, General, I I 26 f. i Knanst, schwed. Oberst, I 323.

PersoneDyerzeichnie.

503

Rnesebeck, Thomas von der,

brandenb. Geheimrat, II 348.

in 239. 434 f. Knyp hausen, Dodo Frhr. zu Inn-

und, brandenb. Hofkammerpräsid.,

III 60. 65. 68—71. 115. Koberstein, Daniel, Maler, I 429. Kochcwski, poln. Schriftsteller,

II 146. Kohl, Andr. von, kurmärk. Vixe-

kanzler, I 414. Koniecpolski, poln. General, I

211. Königseck, Bemb. von, preufs.

Edelmann, I 39. Königsmark, Hans Christoph Graf

von, schwed. General, I 127. 336. Königsmark, Otto Wilh. Graf von,

schwed. General, II 365. 370. 374 f.

386. 396 f. Kopiscb, Seidenhändler, III 93. Koricki, poln. Oberst, II 14. Kospatt, von, Kammerjunker, III

189. Kospoth, von, preuüs. Kanzler, II

181. Kospoth, von, kursächs. Diplomat,

II 346.

Kracht, von, brandenb. Oberst, 135.

Kramprich, Dan. Joh., kaiserl. Diplomat, II 140. 345. lU 358.

Krockow, kaiserl. General, I 47.

Krockow, Lorenz Georg von, brandenb. Diplomat, II 18. 89. 92. 130. 150. 232. 236. 239. 259. 262. 267. 287. 290. 310 f. 335. 344. 367. 422. in 137. 306 f.

Krosigk, von, hess. Kriegskom- missar I, 50.

K u n c k e l , Kammerdiener und Che- miker, m 92. 164.

L.

Lacky, poln. Oberst, II 195. Lafuente, Graf, span. Diplomat,

n, 25. La Grange, franz. Intendant, III

441. Lamberg, Johann Philipp, Graf,

kaiserlicher Diplomat, iU 26. 48.

54. 270 f. 275 f. &1. 292 f. 300. 305.

313. 315. 384. 855. Lambrechts, Jakob, Schiffskapi-

t&n, IU 890. Langerveid, Rütger van, Maler,

III 180. Lanskoronski,poln.Grofser, 1213. La Yang UV on, Graf, firanzös.

Diplomat, II 266 f. 270 f. 277. 821.

Ledebaur, Joh. von , brandenb.

Diplomat, I 284. II 79. 87 f. Lee, Pieter Fransen van der, Por- zellanbäcker, in 184. Lehndorff, Ahasv. von, brandenb.

Legationsrat, U 150. 194. 196 f. 250. Leibniz, berühmter Philosoph, II

371. ~ in 132. 450. Leuten, von, dänischer Diplomat,

III 852. Leonbard, Joh. Friedr., Kupfer- stecher III, 184. Leopold I., deutscher Kaiser, I

214. 263. 266. 278. 284 f. 288-291.

297. 304. 307—309. 344—347. 355 f.

359 f. 409. - II 5. 25. 28—41. 53-55.

72. 78. 83. 85 f. 89. 99. 101. 107 f.

110—121. 126—130. 132 f. 135 f.

189-141. 147-149. 151. 157. 233.

245. 241—243. 260. 263—268. 274 f.

281 f. 285 f. 290 f. 294. 301-303.

807. 313. 316 f. 320. 326. 344 f. 364.

367—872. 382 f. 386. 394. 397. 400

bis 402. 417 f. 435—437. III 30

138. 145 f. 250. 252. 264. 267. 269 f.

276—278.287. 292 f. 301 f. 307—309.

316. 319. 329 f. 332 f 387-340. 349 f.

353—355. 376. 379. 401. 406. 411

bis 416. 421—423. 426. 434. 436.

439-444. 446—448. 450—454. 458.

461-463. 465—468. 470. 481.

Leopold Wilhelm, Erzherzog, I

42. 116. 228 f. 243. Leopold Wilhelm, Markgrafvon

Baden, II 36. L e rod t , Baron von, neuburg. Kanz- ler, II 50. Lesseins, de, französ. Diplomat,

II 17. 22. 24. Leszczvnski, Bischof von Erme-

land, I 247. 271. Leszczynski, Joh., Palatin von

Posen, I 283. 285. Leti, Gregorio, Geschieh tschreiber,

m 165. Leuchtenberg, Maxim. Phil, von,

n, 16. Leuchtmar, Gerb. Rumelian von,

brandenb. Geheimrat, I 36. 41—47.

52. 56. 76. 87.

Leuchtmar, Joh. Friedr. Kalckhun von , Hofmeister, I 7 f. 10. 12. 16.

Lewis, schottischer Lord, III 475 f.

Leygebe, Gottfr., Maler, III 181.

183. 185. Lilius, Propst, III 188. Lilljehöck, schwed. General, I 41. Lilljehöck, schwed. Diplomat, II

369. 387.

504

PersonenyeneichniB.

Lilljeström, schwed. Reicbsrat) I 36. 141.

Lionne, de, französ. Minister, I 115. 351. II 22. 24. 121. 131. 136. 141. 152. 154. 192. 226. 228. 236. 239. 243. in 45.

Li sola, Franz von, kaieerl. Diplo- mat, I 218. 223. 243. 248. 252, 256 f. 259. 263. 270—275. 277 f. 283. -

II 11. 31 f. 103. 111. 268. 313 f.

III 14.

Loben, Job. Friedr. von, brandenb.

Gebeimrat, I 49. 62. 87. 93. 102.

284. Lobkowitz, Wenzel, Fürst, kaiserl.

Minister, U 122. 242. 265. 274 f.

285. 294. III 463. L o c k a r t , engl. Staatsmann, 1 1 260. Longneville, Herz, von, französ.

Prinz, I 100. Lorge, de, französ. General II 329. Louvois, französ. Minister, II 223.

248. 271. 289. 295. 390. 421. III

198. 256. 265. 272. 856. 449. 452. 462. Lubomirski, Georg, poln. Grofs-

feldberr, I 187. 229. 283. - II 10.

12. 126—129. 165. 167. Ludolf, Erfurter Ratsmeister, II 41. Ludwig, brandenb. Prinz, III 22.

29—33. 37. 285. Ludwig, Dauphin, III 263. 380 f. Ludwig, brandenb. Kriegskom- missar, I 119. 393. Ludwig XIV., König v. Frank- reich, I 57. 225. 307 f. 338. 335.

353. II 4. 7. 18. 23. 25 f. 27 f.

58 f. 61. 63. 66. 70 f. 87. 92 f. 97

bis 99. 104 f. 107. 109. 111. 118.

117—121. 124. 129-132. 136. 138

bis 143. 147. 149. 154. 158 f. 223 f.

226 f. 231 f. 234. 236—240. 243—246.

254 f. 258—261. 266—270. 272. 277.

287 f. 289-291.299. 301—304. 307.

310. 312. 316. 323. 331—333. 352.

377. 390 f. 399. 402-407. 416—431.

433. III 30. 34. 42. 143. 147 bis

152. 195. 252. 257—269. 272. 274

bis 280. 282 f. 286. 288. 290—297.

299. 303-307. 310—314. 317-320.

324-428. 333. 336-349. 352. 356.

359. 363—366. 369—372. 374-376.

381. 385. 387. 389 f. 396-411. 415.

418—423. 426-429. 436. 440-442.

446-454. 457—463. 467. 469-474.

481. Ludwig Heinrieb, Grafv.Nassau-

Dillenburg, I 161. Luise Charlotte, Schwester des

Grofsen Kurfürsten, I 35. 44. 273. Luise Henriette (von Oranien),

erste Gemahlin des Grofsen Kur- fürsten, I 65—67. 70 f. 79. 155. 165.

168. 224. 230. 244. 257. 273. 281. 299. 874. 377. 382. 402. 405. 427. 447 f. II 14. 64 f. 127. IH 15—17. 23. 27. 35 f. 40 f. 44. 47.

169. 185 f.

Luise Hollandine von der Pfalz,

I 12. 16. 65. Luise Maria (von Gonzaga), Koni«

fin V. Polen, I 73. 229. 262. 270. 76. 278 f. 281 f. 289. 294. 299. 303. 339 f. 353-355. 357. 359. II 9 bb 12. 14-17. 73. 125-130. 145. 165. 168. 175. 177. Lumbres, de, französ. Diplomat,

I 195. 215. 225. 233. 237. 258. 271. 283. 291. 293. 330. 340. 353—357. -

II 10.

Lynar, Graf von, III 92.

Maffirus, prenfs. Chronist, II 185. Manreuholz, Kurt Asche von,

Präsident von Halberstadt, II 53.

122. 258. 303. M a i d e 1 , Theodor, poln. Grofsjftger-

meister, I 231. Maintenon, Marquise von, II 424. Mandelsloh, Philipp Ernst von,

brandenb. Legationsrat, III 387

bis 389. 425. Mangiot, Otto, Bildhauer, I 429. M a n s f e 1 d , Graf Maximilian, kaiserl.

Diplomat, IL 113. Man stein, Hauptmann von, III 111. Mardefeld, Konrad von, schwed.

Vizekanzler v. Pommern, II 305. Marescotti, Nunzius, III 143 f. Maria (v. Enffland), Prinzessin v.

Oranien, II 6. 19. Maria, Prinzessin v. England, H

389. 474. Maria Am alle, brandenb. Prin- zessin, III 34. MariaAnna, Kurfurstin v. Bayern,

I 306. Maria Anna, Prinzessin v. Bayern,

III 263. Maria Anna, Königin v. Spanien,

n 97. Marie Antonia, Kurfurstin v.

Bayern, III 445. Marie Eleonore, Königin v.

Schweden, I 8. 60 f. Marly, de, französ. General, III 473. Martanffis, von, französ. Diplo- mat, m 295, 318. Marwitz, von der, brandenb. Kam-

Personenyerzeichn u.

505

merjunker und Gesandter, I 18

S59f. M a r "w i t z , von der , brandenb.

Oberstleutn., I 173. lU 488. Matthiae, Job., scbwed. Biscbof,

I 60. Matthias, Michael, brandenb. Post-

direktoT, I 418 f. IH 98. 105 f. Maximilian Emanuei, Eurf. y.

Bayern, lU 268. 816 f. 426. 487.

445 f. Maximilian Heinrich, Kurf. y.

Köln, I 179. 181. 810. 312. n

117. 240. 246 f. 261. III 852 f.

855. 364. 407 f. 427. 480. 460. 469. Mazarin, Kardinal, firanzös. Pre- mierminister, I 68. 96. 101. 115.

176 f. 195. 218. 224. 272. 291. 308.

305. 807 f. 310. 319. 325. 380 f.

338 f. 851-853. II 4. 10. 22. 97. Mef^elin, poln. Hauptmann, U 195. Meinders , Franz, brandenb. Staats- mann, n 60f. 114. 184. 152. 249 f.

256. 286. 298—296. 404-407. 415.

bis 417. 420—431. - III 18 f. 28.

34. 40—43. 51-56. 60. 68. 108. 212.

255—257. 260 f. 264. 273. 280. 294.

297. 299. 827. 884. 836. 844. 374.

882. 402. 416. Meinders, Placidus, Abt, III 141. Melyiile, schott. Lord, III 475. Memhardt, Baumeister, I 427. 429.

m 118. 121 f. 185. Menzel, Leibarzt, III 167. Meyercroon, dän. Diplomat, III

295. 812. 817. 458. Meyernberg, Frhr. yon, kaiserl.

Diplomat, n 148. Millet, Jenre de, französ. Oberst,

II 92. 104 f. 109. 113. 118 f. 121. | 127. 132. 184. 186. III 45. i

Mohammed Gerai, Khan der Ta- taren, I 219. 282. Moll, Vertreter der kleyischen

Städte, I 891 f. Monmouth, Herzog yon, III 861 f.

867 f. 385 f. 394. Montaffu, engl. Admirai, I 825.

Montecuccoli, Graf Raimund, kaiserl. Feldmarschall, I 288 f. 288—291. 304. 316-318. 828. 837. 844—347. 857. II 86 f. 265. 267. 274. 279-281. 2a3-286. 295. 802. 811. 816. 824. 344. 851. 866.

Monterey, Marques yon, General- statthalter der span. Niederlande, II 269. 802. 820 l

Montespan, Herzogin yon, II 424. - III 18.

Montgommeri, brandenb. Leut* nant, II 195-197. 200.

Morel, Jean, Abt y. St. Amoul, III 889. 398 f. 422.

Morosini, Job., yenezian. Diplo- mat, II 814.

Moroyas, Frtoyn de, Parlaments- präsident, III 422. 425.

Morsztjn, Andr., litauischer Grofs- meister, EU. 81.

Morsztjn, Anton, poln. Kronrefe- rentar, I 298. II 129 f.

Mull er, niederländ. Bildhauer II 72.

Müller, Seidenhftndler, lU 92.

Müller, Andr., Propst und Sino- loge, ni 168. 167. m.

Müller, Dr. Jakob, Lehrer, I 7.

Myrten s, Job., Maler, III 181.

Mjschezki, Daniel Ifiemowitsch, russ. Grofser, I 282.

N.

Nagel, münsterscher General, II

292. Narowski, Jos., Landmesser, III 88. Narwitz, österr. Beamter, II 152. Nassau, Gr&fin Eleonore yon, III 45. Nassen, Pieter, Maler, III 181. Nering, Job. Arnold, Architekt,

III 121. 181 f. Nestorow, russ. Gesandter, I 817. Neuhaus, Bürgermeister y. Colin

a. d. Spree, IQ 192. Nicolartz, kurköln. Agent, II 287. Niefs, Dr., Syndikus der kleyischen

Ritterschaft, I 898. Nimric, Frhr. yon, brandenb. Feld-

zeugm., III 214. Norprath, Job. yon, brandenb.

Generalleutn., I 52—54. 76 f. 79. 87. Noth, yan der, schwed. Oberst, II

376.

0.

0 b e r g , yon, bannoyerscher Minister,

lU 370. Oliyenkranz, schwed. Diplomat,

U 378. Olszowski, Andr., Bischof y. Kulm,

II 156 f. 159. 191. 198. 0 p d a m , Jakob yan Wassenaer, Herr

yon, niederl&nd. Admirai, I 209.

228. 239. 820. 822. 826. 828. 386

bis 889. 841. II 55. Opocki, Albert, poln. Unterkam-

merer, II 196. Orleans-Montpensier, Fräulein

von, U 187 f. III 18.

506

Personenverzeichnis.

Ostau, von, preufs. Ober-Appella-

tioDsrat, I 330. Oxenstierna, Graf Axel, schwcd.

Reichskanzler, I 36. 44. 46. 60 f.

95. 97. 188. Ozenstierna) Frhr. Bengt, I 145

bis 147. 204 f. 258. II 345.

405 f. III 279. 288. 416. Ozenstierna, Erich, Sohn des

Grafen Axel, I 189. 212. 217. 226.

228. 289 f. 252. Oxenstierna, Graf Johann, Brader

von Erich , I 41 f. 46 f. 60. 93. 95.

97 f. 101. 103—105. 107.

P.

Pac, litauischer Grofsfeldherr , II

388. 408 f. Pac, Christoph, poln. Grofskanzler,

U 149. P a l b i t z k i , Matthias, schwed. Diplo- mat, II 86. 94. Pastorius, Joachim, Hofhistorio-

graph, I 430. Patin, Reisender, III 123. Pels, niederländ. Diplomat, I 213. Pefiaranda, span. Diplomat, I 284. Per band, Gottfr. von, brandenb.

Oberst u. Kämmerer, III 22. Pesenecker, Kupferstichhändler,

in 170. Pettekum, niederländ. Oberst, III

475. P eucker, Nicolaus, Dichter, III 179. Pe ucker, pfälz. Diplomat, III 407. Philipp, orandenb. Prinz, III 29.

34. 382. 392. 426. 429. 482. Philipp, Herzog von Orleans, III

387. 421. Philipp IV., König von Spanien,

II 59. 97. 209. III 222. Philipp Wilhelm, Pfalzgraf v.

Neuburg, dann Kurfürst von der Pfalz, 181. 158 f. 161. 181. 224. 306. 310. 353. 391. 894. II 11. 47 f. 73 f. 127-181. 133. 137. 142 bis 144. 146-158. 288. III 386 bis 388. 399 f. 406 f. 420-422. 424. 436. 442. 470. 476.

Piso, Dr. Wilh., Arzt, III 7.

P 1 a t en , Klaus Ernst von, brandenb. General. Kriegskommissar, I 228. 230. 244. 432 f. II 60. 78-80.

III 212.

Plemont, Herr von, III 265.

Plettenberg, Georg von, kaiserl. Rat, I 99.

Podewiis, von, brandenb. Ober- kriegskommissar, III 190.

Podewiis, Georg Wilh. von, bran- denb. Kammerjunker, II 85. 250. Podlodowski, Graf, poln. Grofser,

I 227.

Pol e mann. Major, III 167 f. Pöllnitz, Gerh. Bemh. von, bran- denb. Oberstallmeister und General,

II 105. 121. 134. 228. 249. 268 f. 291. 299. 308. III 42. 45 f. 54. 98.

Pomarius, Diakon., I 421 f.

Pomponne, Simon Amaud Mar- quis von, französ. Minister, II 243. 416. 421. 423. 430. - III 260 f. 264. 272.

Poorter, Victor de, Schiffbauer,

III 100.

Potocki, poln. Grofser, 1 211. 213.

n 15 f:

Ponssin, französ. Gesandtschafts- sekretär, in 479.

Pradel, französ. General, II 62.

Prazmowski, Erzb. v. Gnesen. II 146. 151. 154. 165. 179.

Puchenius, Theoloee, I 418.

Pufendorf, Samuel, Historiker und Staatsrechtslehrer, II 205 f. III 12. 132. 166 f.

Q.

Quast, von, brandenb. General- major, I 347. 349.

B.

Rabenhanpt, hess. Oberst, I 50. 54. 78.

Radziejowski, poln. Unterkanz- ler, I 187.

Radziejowski, Michael, Bisch, v. Ermland, III 143.

Radziwili, Fürst Boguslaw, Statt- halter v. Preufsen, 1284. 324. 327. 830. 348. 396. II 18 f. 150. 164* 170. 176. 192. III 31. 40. 130.

Radziwili, Luise Charlotte, Prin- zessin von, UI 31—4^3. 285.

Raesfeld, brandenb. Oberstleutn., n 178.

R a h d e n , Lucius von , kurm ärk. Vizekanzler, III 61. 160.

Rakoczj, Franz, Fürst v. Sieben- bürgen, II 16.

R a k 0 c z V , Georg I., Fürst v. Sieben- bürgen, I 255. 260. 262-264. 267.

Rakoczy, Georg IL, Fürst v. Siebenbüin^en, 11 30.

R a u e oder R a v e , Propst und Biblio- thekar, I 480. III 169.

Raule, Benj» brandenb. OberschifEs- direktor, II 365. 375. 884. Ul

Personenverzeichnis.

507

60. 97. 99—101. 220—223. 225-227. 229. 281 f. 235. 255.

R^benac, Fran^ois Pas de Feu- qaiöres, Graf von, franzöa. Diplo- mat, U 407. 419. 428 f. UT 22. 28. 50 f. 54 f. 57. 187. 202. 207. 266. 268. 273. 275. 279 f. 288. 290-292. 295—297. 299. 311. 313 f. 320. 327. 329. 333 f. 336. 343 f. 363. 365. 370. 381. 386. 390. 397. 400-402. 404. 408. 410. 418 f. 423 f. 427 f. 440. 458. 460. 467. 471. 473.

Reers, Cornelia, Commadore, III 224. 234.

Reichel, Buchhändler, III 170.

Reinhardt, Theologe, III 127. 133.

Reymond, Reisender, III 10.

Rochow, von, brandenb. Oberst, I 35 f.

Rocolles, Jean Baptist e de, Dom- herr, ni 165.

Rodt, Winand, brandenb. Diplo- mat, I 57 f. 63. 66.

R o j a B , D. Cristoval de, Bischof, II 209. 371. III 132.

Rollos, Peter, Kupferstecher, I 429.

Romandon, Abraham, Maler, III 181 f.

Romberg, von, I 391 f.

Romswinkel, brandenb. Diplomat, H 100. 120.

Roncaldo, poin. Gesandter, I 95.

R o n d e , Christian, Reisender, III 163.

Rort^, de, französ. Diplomat^ I 56.

Roseneck, Joach. Tromsee von, schwed. Diplomat, I 47 f. 59 f.

Roth, Hieronymus, Schöffenmeister, II 168. 170 f. 176-180.

Roth, dessen Bruder, Jesuit, II 168.

Roth, des Hieronymus Sohn, poln. Kammerherr, II 175. 180. 191. 194.

Roye, Graf von, französ. General, m 320.

Royen, van, Maler, III 180.

Ruck, Melchior von, brandenb. Diplomat, III 98. 222. 294. 339. 349. 401. Ruprecht, Prinz v. d. Pfalz, I 12. Ruyter, Michael de, niederl&nd. Admiral, I 324 f. 335. 343. 349. II 57. 87. 110. 377.

8.

Sahnitz, von, schwed. General- major, II 375.

Saint-Geran, Graf von, französ. Oberst, II 248—256. 258 f.

S a i n t- R o m a i n , de, französ. Diplo- mat, I 93. 97. 99 f. 115.

S a 1 V i u s , Adler, schwed. Staatsmann,

I 36. 89. 95. 98. 101. 107. 139. 141. 144.

Sandrart, Joach. von, Maler, III

181. Sapieha, poln. General, I 267. Sayn und Wittgenstein, Job.

Reichsgraf von, I 87. 99. 103. 105.

124. Schacky dän. General, I 349. Schaffgotsch, Graf, kaiserl. Diplo- mat, n 153. III 424. Schardius, Berliner Bürgermeister,

III 192. S c h e i d t , Job. Wehrenpfennig von,

neuburg. Geheimrat, I 79. Schenk von Winterstett,braun-

schw. Rat, I 178. Schilling, Jakob, Prediger, 1422. Schinckel, Bürgermeister v. Emden

und brandenb. Admiralitätsrat, III

232. Schlezer, A. F., brandenb. Diplo- mat, I 61. 192. Schlezer, Joh. Friedr., dessen

Bruder, I 191. Schlieben, Rittmeister, von, II 169. Schlieben, Graf, III 143. Schlieben- Birkenfelde, Graf

von, II 169 f. Schlippen bach, Graf Christoph

von, schwed. Staatsmann, I 189 f.

192. 205 f. 242. 251. 253. 263. 272.

274. 277. 283-286. 291. 300-302.

II 18.

Schlüter, berühmter Baumeister,

III 182.

Schmettau, von, brandenb. Diplo- mat, III 435. 465. 467.

Schmid, brandenb. Oberst, II 81.

Schmid, Kaspar, bayr. Kanzler, II 135. - III 317.

Schmid, Mich. Matth., Architekt, III 181.

Schmising, von, Münsterer Kom- tur, III 427 f.

Schnitter, von, Ingenieurkapitan, m 230. 236.

Schölten, Admiralitätsrat, ELI 232.

Schomberg, Friedrich Armand Herzog von, Marschall, III 34. 36. 57. 456-458. 475 f.

Schönberg, Marschall von, II 234.

Schöning, Hans Adam von, bran- denb. Hofrat, II 61.

Schöning, Hans Adam von, bran- denb. General, II 413. III 56 f. 424. 437-440. 443. 456 f.

S c h o 0 k , Martin, Historiograph, III 164.

508

Personenveneichnis.

Schrei, Buchhändler, III 170. Schröder, Prediger, lil 129. Schröter, kaiserl. Geheimsekretar,

I 121. 123. Schul enhnrg, Werner von der,

I 10. Schulze, Christoph, Stendaler Bür- ger, II 214. Schütz, Dr., kaiserl. Diplomat, I

297. 315. Schwarz en b er g, Adam Graf, bran-

denb. Minister, I 13—16. 18—20.

27. 31-34. 66. 75. Schwarzenberg, Job. Adolf Graf,

später Fürst, dessen Sohn, I 34

bis 36. - II 34. 336. Schwerin, Bogislaw von, bran-

denb. Generalmajor, I 382. II

270. 366. 374. Schwerin, Otto von, dessen Bruder,

brandenb. Staatsmann, I 70. 87.

136 f. 166. 168-170. 190. 203—206.

230. 289. 245. 251. 255. 257—259.

268 f. 273-275. 279. 284 f. 290. 298.

300-302. 321. 326. 332 f. 853. 359.

371. 376. 380-383. 385. 409. II

13—15. 22 f. 55. 60. 99. 104. 113.

117. 131 f. 149. 164. 166 f. 169—171.

173-175. 179. 198-200. 210. 229.

236. 239. 249 f. 253. 256. 270. 286.

292 f. 299. 308. 312. 314 f. 348 f.

408. 424. 429. III 12—16. 23 f.

27. 40-47. 51. 84 f. 92. 95 f. 136. Schwerin, Otto von, der Jüngere,

dessen Sohn, 11 92. 128. 298. 347.

353. 389. III 44. 56. 94. 316. 319.

377. 384. Scultetus, Joach., brandenb.

Affent, II 150. Seckendorf, Veit Ludw. von,

Nationalökonom, II 213. Seidel, brandenb. Geheimrat, I 70. Seidel, Martin, Kammergerichtsrat,

in 135. Servien, Graf, französ. Diplomat,

I 57. 87. 89. 100. 105. 319. 351. Simonetti, Hofstukkateur, III 118. Sinzendorf, Rudolf Graf, kaiserl.

Diplomat, n 90. Skelton, engl. Diplomat, III 394.

431. 461. Skytte, Benedikt, schwed. Senator,

III 177 f. Smids, Baumeister, III 121. S o b i e s k i , Job., poln. Grofser, später

König V. Polen, II 10. 146. 150 f.

317. 352. 369. 386-388. 408.

III 31. 262. 285. 317. 340. Sobieski, Jakob, dessen Sohn, Ul

31. 285.

S 0 m n i t z ) Lorenz Christ, von, bran- denb. Geheimrat, I 217. 225. 227. 254. 274. 330. 355. 380. II 113. 200. 210. 250. 293. 879 f.

Sonnius, Eman., Maler, I 429.

S OD hie, Herzogin v. Hannover, U

Sophie Charlotte , Kurprinzessin V. Brandenburg, III 29. 33—35. 351. 363. 369.

Souches, de, kaiserl. General, I 346-348. 361. H 34. 36 f. 324.

S o u r d i s , Ritter von, französ. Gene- ral, III 265.

Southwell, engl. Diplomat, HI 249. 276.

Spaen, Alex, von, brandenb. Gene- ral, I 159. 245. II 51. 249. 285. 364. 390. 422. 426 f. lU 215. 37a 431. 476.

Spanheim, Ezechiel von, brandenb. Diplomat, lU 97. 149. 151 f. 168. 273—275. 282. 284. 299. 308. 312. 314. 326. 842. 366. 371. 375. 380. 385-388. 400-404. 407. 410. 424 f. 429. 452-463. 467.

Sparr, Otto Christ, von, brandenb. Feldmarschall, 1 151. 153. 165. 179. 201 f. 215. 233. 236. 279. 294. 817. 348. 435. II 23. 36. 59. 69. 78. 81. 270. DI 212.

Spengler, Ad., Marinekommissar, III 218.

Spiring, Kaufmann und Zollauf- seher, I 38 f.

Spork, kaiserl. General, I 347. 349.

Stempels, Trine, Hexe, lU 188.

Stenbock, Otto, schwed. Feldmar- schall, I 211. 216. 249. 261. 263 f 348 f.

S t e p h a n i , brandenb. Geheimrat, Ilf 92.

Sternberg, Ad. Wratislaw Graf von, kaiserl. Diplomat, II 371 f.

Stille. Christ. Barthol., brandenb. Hof-Amtmeister u. später General- Postdirektor, II 217 f. UI 106.

S 1 0 s c h , Barthol., Hofprediger, 1 407.

Stosch, Friedr. Wilh., dessen Sohn, III 162.

Stratmann, Theodor , neuburg. Staatsmann, 11.132.288—290. 293 f.

Strauch, Dr. Ägidius, Theologe,

II 387 f.

S u d o 1 e t z , Samuel , Landmesser,

III 88.

Su leim an Pascha, Grofswesir, lU

488 f. S u l z b a c h , Pfalzgraf von, sc h wed.

General, I 295. 321. 348 f.

Personenyerzeichnis.

509

Sydney, Sir Henry, III 476. SyverSy Abraham, Kaufmann, III 102.

T.

Talan, Major von, III 110. Tambonnean, französ. Diplomat,

III 366. Taren t, Heinrich Karl Prinz von,

I 65. 67. 70.

T a V e r n i e r , Jean Baptiste, Reisen- der, III 233.

Tempi e, Sir William, engl. Diplo- mat, II 402.

Ter Ion, Ritter von, franzö«. Diplo- mat, I 272. 283. 301. 314. 339. 850. 855 f.

Tettan, Hans yon, prenfs. Land- hofmeiBter, I 39.

Tbulden, Theodor von, Maler, lU 181.

Tbnn, Kardinal, Erzbisch, v. Salz- burg, II 122.

Tiefenbach, Berlin. Bürgermeister,

m 192.

T ocbt, van der, Pensionär v. Gouda,

n 372 f. 379. 381 f. Tökölv, Emmerich, ungar. Magnat,

II oO<5.

Tornow, Dr., brandenb. Geheim- rat, I 169 f.

Torstenson, schwed. Gkneral, I 42. 46-49. 405.

Tott, schwed. Diplomat, II 292.

Tourmont, französ. Beamter, II 426.

Tramp, dän. Oberst, I 346.

Trantmannsdorf, Graf, kaiserl. Staatsmann, 1 89—91. 98. 112.

Tromp, ComeÜB van, niederländ. Admiral, I 17. U 55. 111 21.

Tnrenne, Vicomte von, französ. Feldherr, I 49. 127. 852. II 24 f. 105. 134. 167. 261. 271 f. 280 282 f. 286-289. 291. 294. 302. 316. 322 bis 330. 351. 366. - III 45, 457.

ü.

Ucedo, Sebastian de, span. Diplo- mat, II 32.

Uffelmann, braunschw. General, U 89.

Uff ein, von, brandenb. General, I 292.

U h 1 f e 1 d t , Corfitz von, dän. Minister, n 8.

U 1 c k e n , holsteinischer Vizekanzler, m 454.

Ulrike Eleonore, Königin von

Schweden, III 260. Ursin US, Hofprediger, III 34.

y.

Vane, Sir Walter, engl. Diplomat,

n 63 f. 66 f. Vauban, französ. Marschall, II 261.

316. 377. III 209. Vaubrun, Marquis von, französ.

Diplomat, II 2^-280. Verjus de Cr^cy, Graf Louis de,

französ. Diplomat, 11228—241. 291.

294. 297. 300 f. 303 309. 312. 315.

319. 321. III 398. 465. Villars, Marschall von, lU 446. Vogelsangh, niederländ. Diplo- mat, I 339. 343. 360. Völcker, Buchhändler, III 170. V Ol mar, kaiserl. Diplomat, I 96. Yorstius. Philologe, UI 169. VoTs, Mathaeus de, Schiffskapitän,

III 229.

W.

Wachmann, bremischer Syndikus,

U 83f. Wagner, Jesuit und Historiker,

n 435. Wal deck, Georg Friedrich Graf

von, I 165. 167—172. 174r-182. 190.

193—195. 203-207. 210. 215. 224f.

227 f. 230. 233. 242. 244-246. 248 f.

252. 255. 261 f. 264. 268 f. 301. 321.

373. 375. 381. 383. 403. II 27.

59. 91. 114 f. 133. 141. 167. 250.

264. 299. 345. HI 40. 66. 188.

287. 348—350. 356. 358.

W a 1 do , Enffländer in Indien, HI 168.

Wallenroat, Job. Ernst von, bran- denb. Generalkriegskommissar, I 432.

Waller, Sir William, Oberst, III 97.

Wangelin, schwed. Oberst, II 281.

288. 302. 305. 315. 355 f. 373. Wangen heim, Fräulein von, HI

22. 54. Weber, Gottfr., Rektor, III 172. Wedel, Geore Ernst von, General-

minor, I 19. 35. Wedell, münsterischer General, II

364. Weiler, Ernst, brandenb. Artillerie- Oberst, III 211. W e i m a n n , Daniel , brandenb.

Staatsmann, I 190. 205—209. 225.

245. 254. 256. 289. 298. 300-302.

321. 334. 388 f. 393. II 19. 21. 50. W e i f s , Dr. brandenb. Leibarzt, 1 19.

510

PenoDenverzeichnis.

Weiffl, von, Offizier, III 110.

Wenner, Kapitän, III 431.

Wesenbeck, Aatthaens, brandenb. Geheimrat, I 87. 180. 240.

Wicqnefort, Abraham von, Diplo- mat, I 88. 97. 115. 119 f.

Wietzel, Gabriel, Maler, I 429.

W i Icken , Wassertechniker, III 102.

Wilhelm VI., Landgr. v. Hessen- Kassel. I 180 f. 418.

W i 1 h e l m IL (von Oranien), General- statth. der Niederlande, I 131. 142. 153. 281.

Wilhelm III., dessen Sohn, 1 198. II 5—7. 19 f. 60. 68 f. 98 f. 101. 128. 139. 241. 267. 269. 283. 289. 299. 302. 308 f. 314. 316. 320 f. 324. 343. 349 f. 365. 369. 377. 382. 386. 389 f. 392. 399 f. 416 f. 422. III 9. 29 f. 43. 57. 259. 281. 313. 315. 318. 339. 348. 356-358. 369. 377—382. 390 bis 394. 397 f. 417. 425 f. 428-432. 457. 473—476. 481 f.

Wilhelm Heinrich, brandenb. Prinz, I 71.

Wilich, Dietr. Karl Freiherr von, I 391 f.

Willing, Niklas, Maler, III 180.

Will mann, Michael, Maler, UI 183.

Winter feld, Samuel von, bran- denb. Geheimrat, I 43.

Wintgens, knrköln. Kriegsrat, III 363.

Wisnowiecki, Demeter von, poln. Magnat, II 16. 192.

Wisnowiecki, Michael, König v. Polen, n 156-159. 189. 191—193. 196 f. 805. 316.

Witt, Comelis de, niederl&nd. Ad- miral, I 322.

Witt, Johan de, hoUänd. Rats- pensionar, 1 199. 208 222. 256. 320. 326. 328. 338. 341. 343. II 7. 24. 47. 55. 57. 68. 71. 98. 101. 105. 118 bis 120. 123 f. 132. 138 f. 225.

Wittenberg, schwed. Feld- marschall, I 196. 206.

Wittgenstein, s. Sayn.

Wladislaw IV., König v. Polen,

I 38-40. 46. 56. 73 f. 95. 133. 419. Wolfgang Wilhelm, Pfalzgr. v.

Neuburg, I 75—77. 79—82. 149 bis

161. Wolfgrübel, Georg, Maler, III

183. 185. Wolframsdorf, s&chs. Diplomat,

III 263. Wolfsberg, schwed. Diplomat, I

192. 276 f. 295. 302. Workum, Wybrand van, Schiff- bauer, III 100. Wojna, von, Offizier, III 110. Wr a n g e 1 , Karl Gustav von, schwed.

Admiral, I 322. 388 f. 347. Wrangel, Karl Gustav Graf von,

schwed. Feldmarschall, I 116. 127.

282. 292. 295 f. II 36. 57. 84 bis

94. 133. 335. 339. 346. 858. 355 f.

360. 363. 370. Wrangel, Waldemarvon, schwed.

General, II 346. 355—360. W r e i ch , Christoph Sigismund von,

brandenb. Hofrat, I 316. 855 f. Wulleaum^, Jakob, Bildhauer, I

429. W u 1 f f e n , schwed. Generalmajor,

II 384.

WuUodowski, poln. Sprachlehrer.

I 8. Würtz, schwed. General, I 257.

260. 263. 267. 330. 347.

T.

Ysbrandt, niederländ. Diplomat, I 288 f. 294. 315.

Z.

Zaluski, Andreas, Bischof v. Kiew,

III 832 Zeidler, Dr., Theologe, III 130. Z e r 1 a n g , Bürgermeister von Berlin,

II 214. ZoUikofer, Gabriel, Rektor, III

173.

Inhaltsverzeichnis.

Seite

Vorwort III— V

Sechstes Buoh. Der Grofse Kurfttrst, sein Staat und Volk,

1660-1688 1—245

Fünfunddreifsigstes Kapitel. Der Grofse Kurfürst

und sein Hof 3—57

Charakter des Kurfürsten, S. 8. Seine Tätigkeit, 8. 8. Neigungen, S. 10. Aufgeklärter Absolutismus, S. 12. Ge- mahlinnen: Luise Henriette, S. 15. Dorothea, S. 18. Söhne: Karl Emil, S. 22. Friedrich, S. 25. Friedrichs Zerwürfnis mit den Eltern, S. 27. Ludwig, S. 31. Beilegung der Zer- würfnisse, S. 82. Die Testamente des Grofsen Kurfürsten, S. 86. Minister: Schwerin und Jena, S. 40. Meinders, S. 41. Goltz und Pöllnitz, S. 44. Anhalt, S. 46. Derflf- linger, S. 49. Fuchs, S. 53. Schöning, S. 56. Sechsunddreifsigstes Kapitel. Die Verwaltung . . . 58—83 Das Beamtentum, S. 58. Der Geheime Rat, S. 60. - Gerichts- verfassung, S. 61. Schwächung der Selbstverwaltung, S. 63. Finanzverwaltung, S. 66. Staatseinnahmen, S. 70. Staats- ausgaben, S. 78. Verdienste des Kurfürsten auf diesem Ge- biete, S. 82. Siebenunddreifsigstes Kapitel. Kurfürst und Volks- wohlstand 84—125

Innere Kolonisation, S. 84. Die R^fng^^s, S. 85. Müil- roser Kanal, S. 89. Gewerbepolitik, S. 91. Kommerz- koliegien, S. 95. Handelspolitik, S. 96. Schiffbau und See- handel, S. 99. -- Elbhandel, S. 103. Post, S. 105. Münz- wesen, S. 106. Handwerkspolitik, S. 107. Adel, S. 109. Bürger, S. 112. Bauern, S. 112. Berlin, S. 116. Potsdam, S. 124. Achtunddreifsigstes Kapitel. Die Religionsbekennt- nisse 12Ö— 161

Frömmigkeit und Duldsamkeit des Kurfürsten, S. 126. Einigung der evangelischen Bekenntnisse, S. 127. Verteidi- gung seiner Glaubensgenossen im Auslande, S. 137. Wohl- wollen gegen die Katholiken, S. 138. Schutz der Evangeli-

512 Inhaltsyerzeichnis.

S«ite

sehen gegenüber dem Kaiser, S. 145. Gegenüber Ludwig XI\ ., 8. 147. Das Potsdamer Edikt, 8. 150. Mennoniten und Sozinianer, S. 154. Juden, 8. 156. Souyeränit&t des Staates in Kirchensachen, 8. 160. Neununddreifsigstes Kapitel. Geist und Sitte .... 162—192 Allseitige wissenschaftliche Interessen des Kurfürsten, 8. 162.

Hofhistoriographen, S. 164. Pufendorf, 8. 166. Bücher- wesen, 8. 168. Volksschule, 8. 170. Gymnasien, 8. 171. Universitäten, 8. 173. Dichtung und Künste, 8. 179. Klei- dung, 8. 185. Sitten, S. 186. Aberglaube, 8. 187. Duelle, 8. 189. Entstehendes Nationalgefühl, 8. 191.

Vierzigstes Kapitel. Das Heer .193—218

Beseitigung des Lehns* und Milizheeres, 8. 193. St&rke des stehenden Heeres, 8. 194. Organisation, 8. 195. An- werbung, 8. 197. Bekleidung, 8. 198. Milit&rjustiz, S. 199.

Musterungen, 8. 200. Taktik, S. 201. Der Kurfürst als Feldherr, 8. 202. Sold und Verpflegung, 8. 202. Avance- ment, 8. 204. Generalquartiermeisterstab, 8. 204. Innere Beschaffenheit des Heeres, 8. 205. Invalidenwesen, 8. 207. Festungen, 8. 209. Artillerie, 8. 210. Verwaltung, 8. 211.

General- Kriegskommissariat und dessen Beamte, 8. 212. Bedeutung als Landes- Verwaltungsbehörde, 8. 217.

Einundvierzigstes Kapitel. Marine und Kolonien . . 219—286 Vielseitigkeit und Originalität des Grofsen Kurfürsten, 8. 219.

Raule, 8. 231. Seekrieg mit Spanien, 8. 222. Treffen bei San Vincent^ 8. 225. Afrikanische Kompanie, S. 226. Kolonien an der Goldküste, 8. 227.

Zweiundvierzigstes Kapitel. Der Anheimfall Magde- burgs 237—245

Bedeutung der Stadt Magdeburg, S. 237. End- gültige Besitznahme des Landes, 8. 289. Neuorganisation, 8. 239. Tatsächliche Beseitigung der mittelalterlichen „Libertät^ 8. 241.

Biebentes Bueb. Des Grofsen Kmfftnten Aasgang .... 247—487

Dreiundvierzigstes Kapitel. Das französische Bündnis 249—289 Gründe für den Übertritt des Kurfürsten zu Frankreich, 8. 249. Absichten auf Schwedisch-Pommem, 8. 253. Seine Vorschläge an Frankreich, S. 255. Mifstrauen Frankreichs, 8. 256. Geheimvertrag zu St. Germain, 8. 262. Dänisch- hamburgischer Streit, 8. 267. R^benac, französ. Gesandter in Berlin, S. 268. Bemühungen des Kaisers und der Nieder- lande um den KurfQrsten, 8. 269. Colbert-Croissj, 8. 272. Spanheim in Paris, 8. 273. Hoffnungen und Entwürfe Fried- rich Wilhelms, 8. 278. Engeres Bündnis mit Frankreich, zu Berlin, 8. 279. Die Reunionen, 8. 286. Der Assoziations- vertrag, 8. 288.

Inbaltsyenseichnis. 513

8«ito

Vierundy ierzigstes Kapitel. Der Anschlag auf

Schweden 290—330

Frankreich regt das Unternehmen auf Vorpominem an, S. 290. Der Kurfürst Gefolgsmann Frankreichs, 8. 292. Ostfriesland. 8. 301. Itzehöer Bündnis, 8. 303. Spannung zwischen Brandenburg und Frankreich, S. 304. Brandenburg in Ostfriesland, S. 308. Orange, S. 313. Brandenburg zum Abfall yon Frankreich geneigt, S. 314. Frankreich betreibt das „Konzert" mit Brandenburg und Dänemark, 8. 317. Scheitern des Konzerts, S. 324. Vereinsamung des Kur- fürsten, S. 328. Fünfundyierzigstes Kapitel. Die Braunschweiger

Fehde 331—372

Die Türken yor Wien, S. 332. Der Kurfürst ist bereit, dem Kaiser zu helfen, 8. 332. Unfreundliche Haltung des Kaisers, S. 385. Der Generalstaaten, 8. 389. Bettung Wiens und ihre Folgen, 8. 340. Der Kurfürst rettet den Frieden, 8. 342. Neues Bündnis mit Frankreich, 8. 844. Streitigkeiten mit Braunschweig-Lüneburg, 8. 354. Fuchs' erste Sendung nach dem Haag, 8. 356. Feindseligkeiten gegen die Braunschweiger, 8. 358. Der Kurfürst für den Frieden, 8. 360. Gewaltuten Frankreichs, 8. 366. Bündnis mit den Braunschweigem, S. 369. Der zwanzigjährige Waffen- stillstand, 8. 372. Sechsundyierzigstes Kapitel. Die Abkehr yonFrank-

reich 378—419

Wendung der brandenburgischen Politik gegen Frankreich, 8. 373. Die Freiheit Europas und der eyangelische Bund, 8. 876. Jakob II. yon England, 8. 879. Fuchs abermals nach dem Haag, 8. 381. ^ Fridag in Berlin, 8. 884. Be- mühungen um England, S. 385. Die Pfälzer Erbschaft, 8. 886. Das Bündnis mit Holland, S. 390. Verschärfung des Pfälzer Erbstreits, 8. 398. Gegensatz zu Frankreich, 8. 400. Er- gebenheitserklärung des Kurfürsten, 8. 408. Verhandlungen mit dem Kaiser: der Schwiebuser Kreis, 8.411. Bündnis mit dem Kaiser, 8. 414. Bündnis mit Schweden, 8. 416. Brandenburg an der Spitze des europäischen Freiheitsbünd- nisses, 8. 418. Siebenundyierzigstes Kapitel. Augsburger Bund und

Türkenkrieg 420—455

Beruhigung im Pfälzer Erbstreite, S. 422. Das branden- burgische Hilfskorps gegen die Türken, S. 423. Die Augs- burger Allianz, S. 426. Zusammenkunft des Kurfürsten und Oraniens in Kleye, 8. 429. Rettung Hamburgs yor den Dänen, 8. 433. Heldenmut der Brandenburger yor Ofen, 8. 487. Gewalttaten Frankreichs, 8. 441. Undankbarkeit des Kaisers gegen Brandenburg, 8. 443. Drohende Haltung

Philipp son, Der OroDM KurfOrtt. III. 33

514 Inhaltsverzeichnis.

8«ite

Ludwigs XIV., S. 445. Sturz Gottfried v. Jenas, S. 451. Friedenshemühungen, S. 454. Achtundvierzigstes Kapitel. Der Ahschlufs .... 456 487 Schomherg, hrandenhurgischer Feldmarschall, S. 456. Kurf&rst gegen vorzeitigen Krieg, S. 459. Die Franzosen in Trarbach, S. 461. Gefahren für den Kurfürsten, S. 465. Tod Maximilian Heinrichs von Köln: drohender Konflikt mit Frankreich, S. 469. Hoffnung des Kurfürsten: ein Unter- nehmen Oraniens auf England, S. 478. Friedrich Wilhelms Ende, S. 477. Charakteristik und Ergebnisse seiner Regie- rung, S. 479.

Aktenstücke 488-— 494

Personenverzeichnis 495—510

Inhaltsverzeichnis 511 514

Picr«rBch« Hofbuehdruokerei Stephan ^i^ih^\ k Co. in AlUnbarg.

VERLAG SIEGFRIED CRONBACH, BERLIN.

Napoleon und Bernadotte im Herbstfeldzuge 1813.

Von

Dr. Ernst Wlehr.

Mit 6 Skizzen. Preis 7 Mk. 50 Pf.

■^ Von allen historischen Zeltschriften wird dieses Weric ai^ eine bedeutende Arbelt bezeichnet.

Die „VoBsiKche Zeitung*' schreibt: Dies dem Professor Delbrück ^- widmete Buch wird nicht verfehlen, Aufsehen su erregen, denn es rüttelt an einer bei uns tief eingewurzelten und beinahe geheiligten Oberlieferung.

Kriegsführung und Politik

König Friedrichs des Grofsen in den ersten Jahren des siebenjährigen Krieges.

Von

Dr. Gustav Berthold Volz.

Preis 8 Mk.

Die „Internationale Reyne** über die gesamten Armeen und Flotten urteilt: Die kritischen Untersuchungen, welche Dr, Volz auf die beiden ersten Jahre des siebenjährigen Krieges ausdehnt, haben den Zweck, die Absichten de» grof:«en Königs, welche seine politischen und strategischen Mafsnahmen motivieren, an der Hand eines reichen Quellenmaterials klarzulegen und darzustellen. Da der Verfasser hierbei zu wesentlich anderen Ergebnissen gelangt, als andere vonin- gehende und gleichzeitige Schriftsteller (F. Wagner), so mufs seine Schrift die be- sondere Aufmerksamkeit derer erregen, welche sich Friedrich den Grofsen und seine Kriege zum besonderen Studiums-Gegenstand gewählt haben. . . .

Die

deutsehen Einheitsbestrebungen

im neunzehnten Jahrhundert und ihre

Verwirklichung.

Von

Dr. Ed. Loewenthal.

Preis broschiert 2 Mk. 50 Pf., gebunden 3 Mk.

„Hessisch-Nassauischer Volksbote'' in Frankfurt a. M.: Ausgehend von den Ereignissen am Schlufs des 18. Jahrhunderts, schildert der Verfasser die darauf folgende Auflösung des alten deutschen Reichs und die Erniedrigung Deutsch- lands zu Anfang unseres Jahrhunderts mit dem Beginn der französischen Revo- lution. Dann geht es aufwärts, es folgt die erste Periode der deutschen Einheits- bestrebuugen , die zweite derselben in den 50er Jahren, die mit der Neu);rfindung des deutschen Reichs ihren Abschlufs findet Ein hundertjähriger Geschichtsabschnitt ist in diesem kleinen Buche unter obigem Titel zusammengestellt Der Schlufs behandelt den staatlichen Aufbau des Reiches luid seine Gesetzgebung, Handel und "" *kehr, Industrie u. s. w. Alten und jungen Volksgenossen empfehlen wir die An- '■ffung dieses Buches angelegentlichst N.

Picrersehe Hofbuchdmcker»! Stephan Ueibel & Co. in Altenburg. t)t

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