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THE LIBRARY OB

TEE UNIVERSIIY OF CALIFORNIA LOS ANGELES

Der Rabe;

Ein Gedicht von Edgar Allan Poe.

Metrifh aus dem Englifchen überfegt

von

Carl Theodor Eben.

Mit

einer biographiſchen Skizze des Dichters.

Sllufrafionen von David Hcaftergood.

Philadelphia: Verlag von Barclay & Co.,

610 Arch Straße.

Alilliam

OF PHILADELPHIA,

THIS TRANSLATION OF THE CHEF-D’CEUVRE OF AMERICAN POETRY

Is REsPEcTFULLY DEDICATED.

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In the Olerks Office of the Distriet Court of the United States for the Eastern District of Pennsylvania.

LIERARY SETS

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ALDINE BOOK CO.

A. 4 p>

Sinnend ſaß und las son mancher längftverflung’nen Maͤhr' und Lehr Als ich ſchon mit matten Blicken im Begriff, in Schlaf zu nicken,

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Der Mabe.

Hörte plöglich ich ein Tiefen an die Zimmerthüre herz „Ein Beſuch wohl noch,“ fo dacht’ ich, „ven der Zufall führer her Ein Befuh und fonft Nichts mehr.‘“

Wohl hab’ ich's im Sinn behalten, im Dezember war's, im Falten, Und gefvenftige Geftalten warf des Feuers Schein umher. Sehnlich wünfcht ich mir den Morgen, feine Lind’rung war zu borgen: Aus den Büchern für die Sorgen— für die Sorgen tief und fihwer Um die Sel’ge, die Lenoren nennt der Engel heilig Heer

Hier, ach, nennt fie Niemand mehr!

Sedes Raufchen der Gardinen, die mir wie Gefpenfter fchienen, Füffte nun mein Herz mit Schreden Schreden nie gefühlt vorher; Wie es bebte, wie e8 zagte, bis ich endlich wieder. fagte: „Ein Beſuch wohl, der es wagte, in der Nacht zu fommen her Ein Beſuch, der fpät es wagte, in der Nacht zu fommen ber; Dies allein und fenft Nichts mehr.“

Und ermannt nach diefen Worten öffnete ich ftrads die Pforten:

„Dame oder Herr,“ fo fprach ich, „bitte um BVerzeihung fehr!

Doch ih war mit matten Blicken im Begriff, in Schlaf zu niden,

Und fo Leis hol Euer Tiden an die Zimmerthüre ber,

Das ich kaum es recht vernommen; doch nun fein willfommen ſehr!“ Dunfel da und font Nichts mehr.

Düfter in das Dunkel fhauend ftand ich Tange ftarr und grauend,

Träume träumend, die bienieden nie ein Menfch geträumt vorher;

Zweifel ſchwarz den Sinn bethörte, Nichts die Stille draußen ftörte,

Nur das eine Wort man hörte, nur „Lenore?“ Fang es ber;

Selber haucht' ich's, und „Lenore!” trug das Echo trauernd her Einzig dies und ſonſt Nichts mehr.

Als ich nun mit tiefem Bangen wieder in’s Gemach gegangen, Hört ich bald ein neues Pochen, etwas lauter als vorher, „Sicher,“ Sprach ich da mit Beben, „an das Fenſter pocht’ es eben, Nun wohlan, fo laß mich ftreben, daß ich mir das Ding erflär Still, mein Herz, daß ich mit Ruhe dies Geheimnig mir erklär' Wohl der Wind und fonft Nichts mehr.”

Riß das Fenfter auf jegunder, und herein ſtolzirt —o Wunder ! Ein gewalt'ger, hochbejahrter Rabe ſchwirrend zu mir her; Flog mit mächt'gen Flügelſtreichen, ohne Gruß und Dankeszeichen,

Der DMabe.

Stolz und ftattlich fonder Gleichen, nach der Thüre hoch und hehr Flog nach) einer Pallasbüfte ob der Thüre hoch und hehr Setzte fih und fonft Nichts mehr.

Und trog meiner Trauer brachte er dahin mich, daß ich Tachte,

So gefegt und grawitätifch herrfcht! auf meiner Büſte er,

„Ob auch alt und nah dem Grabe,“ fprach ich, „bift fein feiger Knabe,

Grimmer, glattgefhor'ner Nabe, der Du famft som Schattenheer—

Sprich, welch' ftolzen Namen führt Du in der Nacht pluton'ſchem Heer?” Sprach der Rabe: „Nimmermehr.“

Ganz erftaunt war ich, zu hören dies Geſchöpf mich fo belehren, Schien auch wenig Sinn zu Tiegen in dem Wort bedeutungsleer; Denn wohl Keiner Fünnte fagen, daß ihm je in feinen Tagen Sonder Zier und fonder Zagen fo ein Thier erfchienen wär), Das auf feiner Marmorbüfte ob der Thür gefeffen wär’

Mit dem Namen „Nimmermehr.“

Diefes Wort nur forach der Rabe dumpf und hohl, wie aus dem Grabe,

Als ob feine ganze Seele in dem einen Worte wär”,

Weiter Nichts ward dann gefprochen, nur mein Herz noch hört’ ich pochen,

Bis das Schweigen ich gebrochen: „Andre Freunde floh'n ſeither

Morgen wird auch er mich fliehen, wie die Hoffnung floh ſeither.“ Sprach der Rabe: „Nimmermehr!“

Immer höher ftieg mein Staunen bei des Raben dunflem Raunen,

Doch ich dachte: „Ohne Zweifel weiß er dies und fonft Nichts mehr;

Hat’3 son feinem armen Meifter, dem des Unglüds finftre Geifter

Drohten dreift und drohten dreifter, bis er trüb und trauerfchwer—

Bis ihm ſchwand der Hoffnung Sıhimmer, und er fortan feufzte ſchwer: ‚D nimmer —nimmermehr!’“

SOarreRE 000

Trog der Trauer wieder brachte er dahin mich, daß ich lachte; Einen Armſtuhr endlich rollte ich zu Thür und Vogel ber, In den ſammt'nen Kiffen liegend, in die Hand die Wange fchmiegend, Sann ich, hin und her mich mwiegend, was des Wortes Deutung wir’ Was der grimme, finft’re Vogel aus dem nächt'gen Schattenheer

Wollt’ mit feinem „Nimmermehr.”

Diefes ſaß ich ftill ermeffend, doch des Vogels nicht vergeffend, Deſſen Feueraugen jego mir das Herz beffemmten fehr ; Und mit fohmerzlichen Gefühlen ließ mein Haupt ich lange wühlen

a;

Der DMRabe.

Sn den veildhenfarb’nen Pfühlen, überftrahlt som Lichte hehr— Ach, in diefen fammtnen Pfühlen, überftrahlt som Lichte hehr Ruhet fie jegt nimmermehr !

Und ich wähnte, durch die Lüfte walten füge Weihrauchdüfte, Ausgeftreut durch unfichtbare Seraphshände um mich her, „Letbe, rief ich, „füße Spende ſchickt Dir Gott durch Engelshände, Daß fich son Lenoren wende Deine Trauer tief und ſchwer! Nimm, o nimm die füße Spende und vergiß der Taauer ſchwer!“

» Sprach der Rabe: „Nimmermehr !”

„Sramprophet!” rief ich soll Zweifel, „ob Du Vogel oder Teufel!

Ob die Hölle Dich mir fandte, ob der Sturm Dich wehte ber!

Du, der son des Orfus Strande— Du, der von dem Schreckenlande

Sich zu mir, dem Trüben, wandte fünde mir mein heiß Begehr:

Find’ ich Balfam noch in Gilead? ift noch Troft im Gnadenmeer?” Sprach der Rabe: „Nimmermehr!”

„Sramprophet!” rief ich soll Zweifel, „ob Du Vogel oder Teufel! Bei dem emw’gen Himmel droben, bei dem Gott, den ich verehr’— Künde mir, ob ich Lenoren, die hienieden ich verloren, Wieder find’ an Edens Thoren—fie, die thront-im Engelsheer— Jene Sel’ge, die Lenoren nennt der Engel heilig Heer!“ .

Sprach der Rabe: ‚„Nimmermehr !”

„Set dies Wort das Trennungszeichen! Bogel, Dämon, Du mußt weichen! Fleuch zurück zum Sturmesgrauen, oder zum pluton’fchen Heer! Keine Feder laß zurüde mir als Zeichen Deiner Tüde \ Laß allein mich dem Gefchife— wage nie Dich wieder ber! Sort und laß mein Herz in Frieden, das gepeinigt Du fo fehr 1" Sprach der Rabe: „Nimmermehr !”

Der DMabe.

Und der Rabe weichet nimmer —figt noch immer, fit noch immer

Auf der blaffen Pallasbüfte ob der Thüre hoch und hehr;

Sigt mit geifterhaftem Munfeln, feine Feueraugen funfeln

Gar dämoniſch aus dem dunfeln, düftern Schatten um ihn ber;

Und mein Geift wird aus dem Schatten, den er breitet um mich ber, Sich erheben —nimmermehr!

Nach Einigen foll das in der drittleßten Straphe des Originalgedichtes varfommende Wort „Aidenn‘ die Accufatio-Form des griechifchen „"Auöns‘‘ fein und daher „Hades“ bedeuten. Es fcheint und in- deffen durchaus nicht wahrfcheinlich, daß dem Dichter ein Hades im Sinne der bellenifchen Mythologie vorſchwebte. Schon die in dem Gedichte mehrfach vorfommende Anfpielung auf die Engel verbietet eine foldhe Annahme. Wenn wir daher diefes, felbit im Englifchen ungewöhnliche, Wort mit „Eden“ über- fegen, fo thun wir dies, geftüßt auf die aus dem Zufammenhang des Gedichtes fich ergebende Wahr- fcheinlichkeit, fowie auch auf das Urtheil Derer, die Edgar A. Poe perfünlich fannten und mit der Ge- fchichte des Gedichtes vertraut find, ;

Im Nachtrag zur neueſten Auflage von, Webſter's großem Wörterbuch (Seite 1545) Iefen wir übrigens Folgendes:

Aıpenn. An anglicized and disguised spelling of the Arabic form of the word Eden ;— used as a synonym for the celestial paradise, [Rare.]

Derfelbe Sinn ergiebt ſich aus folgender Stelle aus Griswold's biographifcher Skizze von Poe:

“—— and all night, with drenched garments and arms beating the winds and rains, he would speak as if to spirits that at such times only could be evoked by him from the Aidenn, elose by whose portals his disturbed soul sought to forget the ills to which his eonstitution subjected him—close by the Aidenn where were those he loved—the Aidenn which he might never see, but in fitful glimpses, as its gates opened to receive the less fiery and more happy natures, whose destiny to sin did not involve the doom of death.”

Unmerfung des Ueberſetzers. 10

Edgar Allan Boe.

Biographiſche Skizze.

“He might have soared in the morning light, But he built his nest with the birds of night.” R. H. StopDArD,

Die allegorifche Sage von dem Engel und dem Dämon, die gleichzeitig das Innere eines Menjchen bewohnten und beftändig mit einander um die Oberhand rangen, hat fid) wohl nie fo unzweideutig an einem Sterblichen bewahrheitet wie an dem großen amerifanifchen Dichter und Schriftiteller, deflen berühmtes Meifterwerf wir in den vorhergehenden Seiten mittheilten. Wohl begegnen wir in der Geſchichte der Literatur—um uns nur auf dieſe zu bejhränfen—manden ‚Charafteren, in denen der Kampf zwifchen dem Geiftigen und Sinnlichen, das ftete Ringen zwifchen Verftand und Gefühl, die unaufhörliche Fehde zwijchen dem Erhabenen und dem Ge- meinen die grelliten Contrafte zu Tage treten ließen. Wir wollen hier nur an Byron und Heine erinnern, die fait auf jeder Seite ihrer Schriften von diejer entjeglichen innern Zerrifjen- heit Kunde geben, Nirgends aber tritt uns diejer ſchauderhafte Dualismus in fo koloſſalen Proportionen entgegen, nirgends bietet er ein jo furctbares Schaufpiel dar wie in Edgar Allan Poe. Hier feheint es wirklich, al$ ob—horribile dietu !—der höchjte Geiftesadel fich mit der tiefiten moralijchen Verworfenheit vermählt und als Frucht diejes unheiligen Bundes eine an Wahnſinn ftreifende Verzweiflung erzeugt habe. Die menjchliche Natur ſchaudert zurück bor diefem mit dem glänzenditen Genie begabten, für alles Schöne und Edle jo empfänglichen Manne, der uns in den meiſten feiner Schöpfungen in eine Nacht des Grauens verfegt, die von feinem auch noch fo ſchwachen Strahle der Hoffnung gemildert wird. Byron's Weltſchmerz gleicht dem tobenden Meere, deffen fturmgepeitfchte Wogen zu den Wolfen empor jchlagen und Alles zu verfchlingen drohen, was fih ihrem wilden Strudel naht; Poe's Lebensmüdigfeit dagegen erinnert an den halb ausgebrannten Bulfan, in deffen Innerem es noch focht und fiedet, mährend die äußere Hülle kalt und eifig if. Byron macht feinem Ingrimm in Flüchen und Verwünfhungen Luft; Poe bleibt ruhig und gefaßt, während die gräßlichiten Foltern fein Herz zerfleifchen, und Lächelt. Fürwahr, ein entjeliches Lächeln! Und gerade wie Byron’s Welt- ſchmerz, jo war auch Poe's Lebensmüdigfeit die unausbleibliche Folge des zu frühen Genießens und Erfennens, Die verbotene Frucht war genoffen, der Schleier der geheimnißvollen Statue mit frevler Hand gelüftet, der zaubervolle Reiz des Unbekannten oder nur Halbgeahnten zerftört —und nun blieb nichts mehr übrig als nur die nackte Wirflichfeit. Dieſe mit dem Idealen, dem Hehren auszugleichen, gebrach es dem englifchen wie dem amerifanifchen Dichter an Fähigkeit. Das vernichtende Prinzip war bei beiden daffelbe, nur die Art der Manifeftation war verfchieden.

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12 Edgar Allan Poe.

Byron's Zorn ift zündend und flammend, doc immer noch menſchlich; Poe's Verzweiflung dagegen ift die Verzweiflung eines Qucifer—fie ift wahrhaft dämoniſch und von eifiger Kälte.

Die Parallele zwiſchen den beiden Dichtern läßt ſich übrigens nod weiter verfolgen. Das Leben Beider bietet dem Aeußern nad) viele Aehnlichkeit dar. Bei Beiden machten fich jhon von Geburt an diefelben unheilvollen Einflüffe geltend ; Beiden mangelte es an einer richtigen Er- ‚ziehung ; Beide zeichneten fih ſchon in ihrer Jugend durd eine ftürmifche und ausjchweifende Zebensweije aus ; Beide ftarben in der Blüte ihrer Jahre, fait in gleichem Alter. Der Eine wie der Andere war der Gründer und das Haupt einer neuen Dichterjchule, jeder in der ihm eigen- thümlichen Sphäre. Der Eine wie der Andere glänzte durch fein Genie und drüdte feinen Werken den unverfennbaren Stempel der Originalität auf. Von Poe ſowohl wie von Byron läßt fich behaupten, daß fie ihre hohen Geiftesgaben auf die unverantwortlichfte Weije mißbraud- ten; doch befigen Poe’s Schriften einen Vorzug vor denen Byron's: jede Zeile derjelben ift, vom fittlihen Standpunkt aus betrachtet, vollftommen rein, und man darf fie ohne Bedenken felbft der zarteften, unverdorbenften Jungfrau vorlegen, während Byron’s Mufe an Unzüchtig- keit faum ihres Gleichen in der modernen Literatur hat.

Ferne fei es indeffen von uns, unbedingt in das VBerdammungsurtheil einzuftimmen, das von fo vielen wohlmeinenden, aber engherzigen Syperpuriften über die beiden unglücklichen Poeten ausgeſprochen wurde. Dem nüchternen, tiefer blickenden Pſychologen find fie eher Gegenſtände des Mitleids und Bedauerns als des Abjcheus. Wer vermag die Tragweite und die Folgen der Einflüffe zu ermeffen, welche ſchon vor der Geburt des Kindes die Neigungen des Fünftigen Man- nes bejtimmen? Welche irdiihe Macht ijt im Stande, die Erbanlagen eines Menjchen auszu- wurzeln oder radifal umzugeftalten? Auf welche Art kann den nothiwendigen Rejultaten einer unvernünftigen Erziehungsweife vorgebeugt werden? Wir wifjen, dab fich gewiffe Neigungen, jowohl zum Guten ald zum Böjen, anf ganze Generationen vererben; wir wijjen, daß fid) ver- fhiedenartige Eindrüde, weldhe die Mutter während der Maternitätsperiode erhält, dem jungen Weſen mit unverlöfchbaren Zügen aufprägen ; wir wiſſen, daß jelbjt zufallige, beim Werden des neuen Lebens obwaltende Umftände oft von größter Bedeutung für die Zufunft des noch unge- borenen Erdenbürgers find. Alle diefe prädisponirenden Urjachen jollten bei der Beurtheilung eines Menjchen gewichtig in die Wagjchale fallen; am gewichtigiten jedoch bei jogenannten „Problematiſchen Charakteren, in denen die guten und die böjen Grundanlagen gleich jtarf ent- wickelt find, in denen der Engel und der Dämon in bejtändigem Kampfe um die Oberherrichaft liegen. Das anjcheinend Problematijche oder Unerklärliche foldher Charaktere wird dem aufmerf- famen Beobachter verjtändlich werden, wenn er die Lebensgeſchichte derjelben nicht nur bis auf ihre Entitehung verfolgt, fondern fogar über dieſe Periode hinausgeht und die Geſchichte der El— tern und Voreltern in Betracht zieht. Das genaue Studium der Geſchichte eines Poe oder eine Byron wird ein Flares Licht auf manche, dem oberflächlichen Beurtheiler unbegreiflich er- ſcheinende Monftrofitäten des Charakters werfen und uns eher mit Mitleid als mit Empörung über die „moraliſche Verworfenheit“ diefer merkwürdigen Männer erfüllen. Der bejchränfte Raum gejtattet uns indeffen nicht, diefen Gegenftand ausführlich zu beſprechen, uud wir wollen Daher einen flüchtigen Blick auf das Leben unjeres Dichters werfen.

Edgar Poe war im Januar 1811 in der Stadt Baltimore geboren. Er ftammte aus einer der älteften und angejehenften Familien des Staates Maryland. Sein Urgroßvater, John Poe, heiratete in England eine Tochter des berühmten brittifchen Admirals ISames MeBride. Sein Großvater, David Poe, leiftete während des Revolutionskfrieges dem Lande feiner Adoption be- deutende Dienjte als General-Quartiermeifter und war ein intimer Freund des unfterblichen Lafayette. Sein Vater, David Poe, Ir., der vierte Sohn des General-Quartiermeifters, wid- mete fih dem Studium der Rechte in Baltimore, verliebte fich aber in eine ſchöne und populäre

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Edgar Allan Poe. 13

Schaufpielerin, Elizabeth Arnold, die er gegen den Willen feiner Eltern heiratete, worauf er jelbft ein Mitglied der Bühne wurde, Die Lebensweife diefes Paares foll eine jehr ausichweif- ende und ftürmifche gewejen fein, und es kann nicht bezweifelt werden, daß die Sitten der Eltern auf die Anlagen unferes Dichters einen bedeutenden Einfluß hatten. Nachdem fie etwa jechs bis fieben Jahre lang von Theater zu Theater gewandert waren, ftarben endlich Beide furz nad) ein- ander und hinterließen drei Fleine, hilfloje Kinder— Henry, Edgar und Rofalie Poe.

Edgar wurde von Herrn Allan, einem reichen, Finderlojen Kaufmann zu Richmond, adoptirt, der an dem muntern, aufgewecten Kleinen Gefallen fand. Leider aber war die Erziehung, die der wohlwollende Mann feinem Schügling angedeihen ließ, eine höchſt verfehlte. Anſtatt die herrlichen Gemüths- und Geiftesanlagen des Knaben auf die richtige, fegensreiche Früchte ver- heibende Bahn zu lenken, verdarb und verhätjchelte er ihn auf die unvernünftigite Weife und legte damit die Grundlage zu allen jenen Verfehrtheiten, die fich fpäterhin in fo entjeglichen Widerfprüchen manifeftirten. Nichts wurde geduldet, was möglichermweije feinen „Willen brechen“ konnte. Folgende Anekdote Liefert einen ſchlagenden Beweis von diefer Verkehrtheit. Als Poe ungefähr jechs Iahre alt war, jandte ihn fein Pflegevater in eine Schule, die von einer höchſt achtbaren Dame in der Stadt Richmond gehalten wurde. Hinter dem Schulhaufe befand fich ein Gemüfegarten, der an den Epielplaß der Knaben grenzte. Lebteren war es verboten, diejen Gemüfegarten zu betreten, und jeder Lebertreter der Geſetze mußte während der Unterrichts- ftunden eine Rübe an einem Strict um den Hals tragen. Diefe Strafe wurde einjt dem kleinen Poe zu Theil, der fich eine Mebertretung hatte zu Schulden kommen laffen. Als die Schule zu Ende war, und ehe die Lehrerin Zeit hatte, ihm die Rübe abzunehmen, jchlich er fich heimlich hinaus und begab fi) mit dem pojfirlihen Schmud um den Hals nach Haufe, wo er feinem Pflegevater einen ſchrecklichen Bericht von der ihm widerfahrenen „Mißhandlung“ abitattete. Wüthend hierüber verfügte Tich Herr Allan auf der Stelle nad) dem Schulhaufe, hielt der ver- wunderten Lehrerin im Beiſein mehrerer Schüler die Enormität diefer Beleidigung feines Pfleg- lings in fcharfen Worten vor und verlangte feine Rechnung, da er, wie er jagte, entſchloſſen war, den armen Kleinen nie wieder einer ſolchen Tyrannei auszufeßen.

Kurz darauf begaben fich Herr und Madame Allan auf eine Reife nad England. Poe be- gleitete feine Pflegeeltern und wurde einem Dr. Bransby anvertraut, der in der Nähe von Lon— don eine höhere Knabenſchule hielt. Hier verblieb er bis zum Iahre 1822; von feinem Leben während feines Aufenthalts an diefem Orte ift indeffen weiter Nichts befannt, als was er uns in feiner unheimlichen Erzählung „William Wilſon“ mittheilt. Bald nach feiner Rückkehr nad) den Vereinigten Staaten befrat er eine Afademie in Richmond und einige Zeit fpäter die Uniber fität von Charlottesville in Virginien, wo er ſich vor allen feinen Collegen durch glänzende Fort: fchritte in feinen Studien, aber aud) durch maßloſe Liederlichfeit und Infubordination auszeichnete. Desgleichen that er fih hier als gewandter Fechter und Schwimmer hervor. An einem heißen Iunitage jhwamm er um eine Wette von Richmond nach Warwick auf eine Entfernung von fie- ben und einer halben Meile, und zwar gegen den Strom. (Der Lefer wird fi erinnern, daß Lord Byron ein Ähnliches Schwimmwagni über den Hellefpont von Seſtos nad) Abydos unternahm.) .

Während feines Aufenthaltes zu Charlottespille war Poe von Herrn Allan reichlich mit Geld verjehen worden. Dennoch verließ er den Ort tief verjchuldet, und als fein Pflegevater fich weigerte, einige feiner „Ehrenjchulden“ zu bezahlen, ſchrieb er ihm einen unverjchämten Brief und fchiffte fich Furz darauf nad) Europa ein, mit der quirotifchen Abficht, fich gleich Byron an dem griechifchen Freiheitsfampfe zu betheiligen. Er gelangte indeffen nie nach Griechenland, fondern tauchte arm und verlumpt in St. Petersburg auf, wo Herr Middleton, der amerifanijche Geſandte am ruffishen Hofe, fich feiner annahm und ihm die Rückkehr nad den Vereinigten

14 Edgar Allan Poe.

Staaten ermöglichte. Herr Allan verzieh ihm fein früheres Benehmen und verſchaffte ihm Auf- nahme in die Militär-Afademie zu Weit Point. Hier gab er fich eine furze Zeit lang mit großem Eifer feinen Studien hin; bald jedod) verfiel er in jeine alten Fehler und führte fich fo ſchlecht auf, daß er nad) Ablauf des zehnten Monats ſchimpflich Fajjirt werden mußte.

Kurz ehe Poe die Militär-Akademie betrat, war feine Pflegemutter, Madame Allan, geftorben, und bald darauf verheiratete ſich Herr Allan mit einer Dame, die nad) Einigen jung genug war, um als jeine Enkelin gelten zu konnen, Nach feiner Ausſtoßung von Weit Point begab fi Poe wieder nad) Richmond und wurde von Herrn Allan abermals mit Güte aufgenommen. Bald jedoch). fand diefer es für nothwendig, ihm fein Haus für immer zu verfchliegen. Die Urſache dieſes Zerwürfniffes ift- in einen undurddringlichen Schleier gehüllt. Seinen eigenen Angaben gemäß hatte Poe die Verheiratung des ältlihen Mannes mit der jungen Dame in einem Epott- gedichte (ähnlich Popes „Januar und Mai“) verhöhnt und fich jomit feinem eigenen Gejtänd- niffe zufolge des ſchwärzeſten Undanks jchuldig gemadt. Von Andern wird behauptet, Poe habe längit ſchon mit der fraglichen Dame ein Liebesverhältniß gehabt und daffelbe auch nad) ihrer Verheiratung mit Heren Allan fortgejegt. Dies würde ftarf an Byron's „Pariſina“ erin- nern. Noch Andere behaupten, daß er die junge Gattin feines Pflegevaters gewaltjam zu Falle zu bringen verfudht habe. Da num aber für die beiden legteren Darjtellungen der Sache feine: direften Beweife ‚vorliegen, jo iſt es nicht mehr als billig, Poe's eigene Angaben anzunehmen, und dieſe allein ſchon werfen einen jehr Dunkeln Schatten auf feinen Charakter... Was nun auch die wahre Urfache des Zerwürfniffes fein mochte, jo mußte Poe das Haus feines Mohlthäters für immer verlaffen und wurde von diejen in feinem Teſtamente aud) nicht mit einem einzigen Gent bedadht.*

Kurz nad) feiner Ausftoßung von Weft Point hatte Poe in Baltimore ein Bändchen Gedichte (worunter „Al Aaraaf“ und „Tamerlane‘ die bedeutendjten find) veröffentlicht, die von der Kritik mit Beifall aufgenommen wurden, und jo bejchloß er denn, ſich ganz und gar der Literatur zu widmen. Seine Bemühungen blieben indeflen zu jener Zeit ohne pefuniären Erfolg und bald nöthigte ihn die bitterjte Armuth. ſich als Gemeiner bei der regulären Armee anwerben zn laffen. Hier erfannten ihn einige Offiziere, die ihn zu Weit Point gejehen hatten, Dieſe madıten ihren Einfluß geltend, um ihm eine Offizierseommiffion zu verſchaffen; zu. ihrem nicht greingen Ver⸗ druſſe aber vereitelte er ihre Bemühungen, indem er deſertirte.

Von diejer Zeit an bis zu feinem Tode (1835—1849) führte er ein unftetes und regellofes

* Diefe fkandalöfe Affaire findet ihr würdiges Seitenftüd in der neueften Senfationsgefchichte in Bezug auf Lord Byron. In der September Nummer (1869) des Atlantic Monthly erſchien nämlih ein von Mrs. H. Beecher Stowe (ber Berfaiferin von „Onkel Tom’s Hütte‘) gefhriebener Artifel unter dem Titel: “The True Story of Lady Byror’s Life,” der das größte Aufſehen ſowohl in diefem Lande wie in Europa machte. In diefem Artikel theilt Mrs. Stome angeblich die wahre Urfadhe der Trennung Byron’s von feiner Gattin mit. Es iſt nämlich woblbefannt, dag Byron fich mit einer Miß Milbanfe verheiratete, daß diefe Ehe eine fehr unglüdliche war, und da die beiden Gatten fih Schon nad) einem Jahre für immer von einander trennten. Die Freunde der Gattin machten für diefe Trennung den Grund geltend, daß Byron fie ſchlecht behandelte; daß fein häufig Spuren des Wabhnſinns ver- rathendes Benehmen ein friedliches Zufammenleben unmöglih machte; daß er unerlaubten Umgang mit andern Frauen pflegte, und daß feine ausfſchweifende. verichwenderifche Pebensart den finanziellen Ruin feiner Gattin, bie er nur ihres Geldes wegen geheiratet habe, herbeizuführen drohte. Byron felbft und feine Freunde dagegen behaupte- ten, daß bie Kälte, Liebloſigkeit und Unverträglichfeit der Lady die Trennung zur Nothwendigfeit machte. Was nur auch die wahre Urfache fein mochte, fo fonnte es nicht ausbleiben. dat Byron's ſchamlos unfittliher Lebenswandel vor und nah der Trennung die Sympathie ver Welt feiner Gattin zumandte, die fih mit ihrem Kinde nad) ihrem elterlichen Haufe zurüdbegab. Byron wandte nun verſchiedene Mittel an, um feine Gattin in den Augen der Welt als ein egoiſtiſches unverfühnliches Weſen darzuftellen und die Sompatbie feiner Zeitgenoſſen auf ſich ſelbſt überzutra- gen. Leider gelang ibm dies nur zu gut. Die rührenden Anfpielungen auf die Kälte und Unverföhnfichfeit feiner Gattin, die fih bin und wieder in feinen Schriften zerftreut finden, hatten bie gewünschte Wirkung und liefen ibn als

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Edgar Allan Poe. / 15

Scheiftftellerleben, indem er bald hier, bald dort für Magazine und Zeitfehriften wirkte, Im Jahr 1838 ließ er ſich zu Philadelphia nieder, wo er längere Zeit ald Chef-Redakteur an Bur- ton’$ „„‚Gentleman’s Magazine’ und fpäter an ** Graham’s Magazine” thätig war. In diefen Magazinen erichrenen viele feiner beiten Erzählungen und Gedichte; auch als Kritiker ‚den gefränften Theil erfheinen. Dies gilt namentlich von feinem hochberühmten „Lebewohl,“ das wir unfern Leſern in deutſcher Ueberſetzung mittheilen wollen :

Lebewohl.

Fare thee well! and if for ever.

Lebe wohl! und ob für immer, Dies find Worte tiefrer Sorgen Sei's für immer—lebe wohl: Als man hört. an Grabespätt‘ 2 Grolleft Du mir au, o nimmer O der Dual, an jedem Morgen Sid, mein Herz empören fol, Finden ein verwittwet Bert! Sähſt Du diefes Herz voll Kummer, Wenn bei unfrer Kleinen Fallen Wo Dein Haupt fo oftmals lag, Troſtvoll ſich Dein Herz erhebt, Wo es fchlief ven ſüßen Schlummer, Willit fie lehren, „Vater! lallen, Den es nie mehr fhlummern mag ; Ob auch fern von ihr er lebt? Könnt! dies Herz Dir offenbaren Wenn ihr Händchen Dir begegnet, Jede Regumg, jeven Zug, Wenn ihr Mund den Deinen drück, Ah, Du würdeit dann erfahren, Denfe fein, der heiß Dich fegnet, Wie fo hart Dein Stolz es ſchlug! Sein, ven Du einſt hoch beglüdt ! Mag die Welt fih drob ergügen, Sollten ihre Züge gleichen Lobe fie Dein jtolges Herz, Denen, die Du nie mehr ftehft, Selbſt ihr Lob muß Did) verlegen, «+ * Wird Dein Puls Dir zitternd zeigen, Stügend fih auf meinen Schmer: Daß Du nod für mich erglühſt. Hab’ ih auch mich oft bergangen, AM mein Srren iſt Dir offen, Konnt’ fein andrer Arm als der, AL mein Fehlen, Niemand fund; Der mic liebend einſt umfangen, AU mein Sehnen, Wünfchen, Hoffen Mich verwunden, ad) jo jchwer ? Sit bei Dir zu jeder Stund'. Doc, o doch, bedenfe immer, Zürne nicht dem Hoffnungslofen— Liebe ſtirbt allmälig ab ; Stolz, den Feine Welt gebeugt, Nimmer aber fand, o nimmer, Beugt ſich Dir—von Dir veritopen Liebe ein fo jähes Grab. Nun mein legter Troſt entfleucht. Noch lebſt Du, vielleicht in Frieden, Doch umfonftt—auf Windesflügeln Noch Schlägt mein gebrochen Herz; Schwebt das eitle Wort hinan; Dod auf ewig nun geſchieden Doc wer kann Gedanten Be Was kann lindern diefen Schmerz? Mächtig brechen fie fih Bahn.

Lebe wohl !—getrennt auf immer, Freundlos, einfam, freudenleer,

Ohne Troit und Hoffnungsihimmer— Armes Herz, was braucht's noch mehr!

Byron verließ nad) der Trennung von feiner Gattin England für immer, durchreifte verfchiedene Länder, betheil- ägte fih am griechiſchen Freibeitsfampfe und ftarb 18% zu Miſſolunghi im fiebenundpreißigften Jahre feines Lebens. Lady Byron aber ertrug ihren Kummer in ftiller Geduld und widmete ſich in Zurückgezogenheit der Erziehung ihrer ‚Tochter Ada, dem einzigen Sprößling ihrer unglüdlihen Ehe. Mrs. Stowe, welde im Jahr 1856 England be- fuchte, hatte eine längere Unterredung mit Lady Byron und erfuhr bei dtefer Gelegenheit, wie jte in oben angezogenemt Artifel im Atlantic Monthly mittheilt, dte wahre Urfache, welche zur Trennung ber beiden Gatten führte. Jener ‚Mittheilung nach verhielt fih die Sache wie folgt:

Lord Byron traf einit bei einer Abendpartie Miß Milbanke, die einzige Tochter eines der reichiten Männer Eng- Jands. Ihre Schönheit und Anmuth machte einen tiefen Eindruck auf ihn, und nach kurzer Bekanntſchaft bot er ihr "feine Hand an. Aus Gründen, die nicht befannt wurden, lehnte fie feinen Antrag ab, verficherte ihn aber ihrer tiefiten und aufrichtigften Freundfhaft. Byron ftürzte fih nun in Ausfchweifungen jeder Art und ſah ſich endlich fo son der Sympathie aller achtbaren Menfchen ausgefchloifen, daß er dem Drängen einiger Freunde nadıgab und ein neues Leben zu beginnen beſchloß. Eine Heirat ſchien ihm das geeignetfte Mittel zur Durchführung feines Zwedes. In einer üblen Stunde fegte er fih hin und machte zwei Damen zu gleicher Zeit fchriftlihe Anträge, yon denen der eine

16 Edgar Allan Poe.

machte er ſich hier befannt und gefürchtet. Leider aber beharrte er auf feinem unordentlichen Lebenswandel und war zeitweife oft jo dem Trunfe ergeben, daß er nicht nur feine Berufsgejchäfte vernachläffigte, ſondern auch häufig mit feiner Familie —er hatte in Richmond feine ſchöne und liebenswürdige Coufine Virginia Clemm geheiratet—in Nahrungsjorgen geriet). Dabei ver- finfterte fich fein Gemüth mehr und mehr, und nicht felten bemerkte man Spuren des Irrfinns an ihm. Im Jahr 1844 fiedelte er nach New York über. Hier erjchien fein berühmtes, Meifter- werk, „Der Rabe,“ das jofort die ganze literarifche Welt Amerifa’s und Englands eleftrifirte. Er war jebt der Löwe des Tages und hatte die beiten Ausfichten auf eine glänzende Zufunft ; doch wiedernm bemächtigte fi) der Dämon des Trunkes feiner, und wiederum gerieth er in die tiefite Noth. Außer diefer Schwäche gebrach es ihm auch noch an allem amd jedem Gejchäftstaft, und gar häufig wurde er von ſchlaueren Menfchen betrogen. Bittere Erfahrungen in diejer Hin- fiht machten ihn nachgerade zum Mifanthropen, und immer düfterer und unheimlicher wurde fein Gemüth. Seine Gattin, feine innigft geliebte Virginia, hatte lange ſchon an der Auszehrung gelitten und war jet ihrem Ende nahe; er jelbit lag auf dem Kranfenbette und war nicht im Stande, für fie oder fich jelbit zu forgen. Die Noth ftieg endlich auf das Höchſte, bis theilnehm- ende Freunde in den Tagesblättern Aufrufe zu feiner Unterftügung ergehen ließen, denen aud) auf die edelmüthigite Weife entjprochen wurde. Endlich raffte ihm der Tod die theure Lebens- gefährtin hinweg und von nun an ſank er immer tiefer. Zuweilen jchien er dem Wahnſinn un- rettbar verfallen. So außerordentlich reizbar war fein Temperament, daß, wie Willis fagt, ein einziges Glas Wein hinreichte den Dämon in ihm wad zu rufen. Dann „pflegte er in einem Zuftand des Wahnfinns oder der Melancholie in den Straßen umherzuwandern, die Lip- pen von halberſtickten Flüchen bewegt, oder Die Augen in leidenjchaftlihem Gebete empor ge- wandt, (nie für fich ſelbſt, denn er fühlte, oder gab vor zu fühlen, daß er bereits verdammt jei,

abgelehnt wurde. Der andere, der günftige Aufnahme fand, war an Miß Milbanfe adreffirt, die fih diesmal von feinen Bitten und VBorftellungen erweichen ließ. Die Trennung fand bald darauf ſtatt, allein ſchon der erfte Tag der Ehe zeigte der Armen, in welches Unglüd fie ſich geftürzt hatte. Kaum hatte das junge Paar die Kirche verlaffen und in der Kutſche Plas genommen, als Byron in einem Parorysmus der Leidenfchaft ausrief: „Sie hätten mir dies erjparen fünnen, Madame; Sie hatten Alles in Ihrer Macht, als ich Ihnen den eriten Antrag madte! Damals hätten Sie aus mir machen fünnen, was Sie nur wollten ; jegt aber werden Sie finden, daß Sie einen Teufel ge heiratet haben!’

Nur ein einziges Jahr dauerte diefe Ehe, allein diefe Zeit war lange genug, um Lady Byr on zu zeigen, welche furdtbare, bodenlofe Vorworfenheit ihre Verbindung mit dem Dichter bemänteln follte. Sie hatte während dieſer furzen Zeit Kummer, Leiden unt Mißhandlungen jeder Art mit ächt weiblicher Geduld ertragen ; fie hatte ven tiefver- Tchuldeten Gatten zu wiederholten Malen mit ihren Mitteln aus den Händen feiner Dränger erlöſt; fie hatte mit heroiſcher Aufopferung gebetet, geduldet und gehofft —endlich aber kam eine Enthüllung, die felbit das ftärkite weibliche Herz in ven Staub niederfchmettern mußte. Byron batte—follte man es für möglid halten? sor und während feiner Ehe blutſchänderiſchen Umgang mit feiner eigenen Schwefter, der Gattin eines Mr. Leigh, gepflogen!

Der Schlag war furdtbar, überwältigend für das arme Weib, und dennoch verftieh fie den treulofen Gatten nidt; dennod fuhr fie fort, mit dem Dämon zu ringen, ber fi) feiner bemädhtigt hatte. Noch immer hegte fie die Hoffnung, den Tiefgefallenen durch ihren reinen, milden Einfluß wieder aufzurichten. Alle Bemühungen waren indeffen vergeb- lich; denn der jet von Haß gegen die tiefgefränfte Gattin erfüllte Unmenſch feste feinem Werfe die Krone auf, indem er fie aus dem Haufe vertrieb, das ihre Mittel ihm erworben hatten! Jedoch, bis der Tod ihm die Augen zudrückte, hing Lady Byron mit treuer Liebe an ihm und hoffte beftändig, daß der Engel doch noch in dem Unglüdlichen die Ober- band gewinnen und den Dämon austreiben möchte. Lange, lange Jahre bewahrte fie das ſchreckliche Geheimniß, und erft gegen das Ende ihres Lebens, als die Schmähungen der Welt über ihre „Kalte und Unverſöhnlichkeit“ immer lauter und ftärfer wurden, dachte fie darüber nach, ob es nicht ihre Pflicht wäre, die Wahrheit zu verfündigen. Mrs. Stome, ber fie diefe Mittbeilung machte, beitärkte fie in diefem Vorhaben, und da nad Lady Byron’s Ableben Sabre vergingen, ohne daß etwas von der Sache an bie Deffentlichkeit gelangte, fo unternahm fie es felbft, ven gefhmäh- ten und verfannten Charakter der unglüdlihen Dulderin dur Publizirung des erwähnten Artifels im Atlantic Monthly in feinem wahren Lichte darzuftellen.

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fondern) für das Glüc Derer, die für den Augenblid die Gegenftände feiner Verehrung waren ; —oder, den Blick in das von Qual zerriffene Herz gejenkt und das Antlitz von Gram umſchattet, ftellte er fich den wildeiten Stürmen bloß; und die ganze Nacht hindurch, mit Kleidern vom Negen triefend und mit den Armen in der Luft umberfahrend, pflegte er wie mit Geijtern zu fprechen, die er nur zu foldhen Zeiten aus dem Eden herzaubern fonnte, an deſſen Pforten feine zerrüttete Seele die Uebel zu vergefjen ſuchte, denen feine Gontitution ihn unterwarf—aus dem Eden, das feine dahingefchiedenen Theuren beherbergte—dem Eden, das er nimmermehr jehen follte, ausgenommen wenn feine Pforten fi) aufthaten, um die glüclicheren und minder feurigen Naturen aufzunehmen, die nicht dem Fluche der Verdammuiß anheimfielen,‘

Faft ein Jahr lang nad) dem Tode feiner Gattin ließ fih Poe nicht in der Deffentlichkeit blicken, war aber nichtsdeftomweniger unermüdlich thätig. Im Frühling 1848 Fündigte er feinen Entſchluß an, eine Reihe von Vorlefungen zu halten, mit deren Erlös er feinen längft gehegten Plan, ein eigenes monatliches Magazin zu gründen, in Ausführung zu bringen gedachte. Wirk— lich hielt er denn auch in New York eine Vorlefung über die Kosmogonie des Umiverjuns, die er fpäter unter dem Titel: „Eurefa, ein Gedicht in Proja” veröffentlichte. Die Vorlefung fand vor einem äußert geiftreichen Auditorium ftatt und erregte nicht wenig Aufjehen ; trogdem Fam das projeftirte Magazin nicht zu Stande. Etliche Jahre zuvor hatte er, anfangs in Gemeinſchaft mit einem Herrn Briggs und ſpäter allein, das „Broadway Journal‘ herausgegeben, das indej- fen an Folge feines gänzlichen Mangels an Geſchäftstakt wieder eingegangen war. Bon dieſer Zeit an fchrieb er nur noch wenig.

Wenn Griswold's hämijchen Angaben Glauben zu fchenfen ift, fol fih Poe nun mit einer jehr angefehenen Schriftitellerin in Neu-England verlobt, jedoch um die Verbindung mit ihr abzubrechen, am Abend vor dem zur Hochzeit bejtimmten Tage ſich in einem Zuftand beftialifcher Berrunfenheit nach ihrem Haufe begeben und dafelbft jo unanftändig aufgeführt haben, daß die Polizei herbeigerufen werden mußte, um ihn hinauszumwerfen. Die Wahrheit diefer Mittheilung wird indeſſen von Vielen bezweifelt.

Im August 1849 verließ Poe Nerv York, um ſich nad) Virginien zu begeben. In Rhiladelphia traf er etliche frühere Trinfgefährten, mit denen er fich mehrere Tage lang Exceſſen der ſchlimm— ften Art überließ. Nachdem er den legten Cent vergeudet hatte, erbettelte er ſich von etlichen Be- kannten die Mittel zur Fortfegung feiner Reife und gelangte endlich nach Nidhmond. Dort ſchloß er fich einer Temperenz-Gejellihaft an und zeigte durch fein Betragen, daß es ihm Ernft damit war, fortan ein anderes Leben zu führen. Er hielt etliche Vorlefungen, die ſtark befucht waren, und wirklich ſchien es, al$ wollte das Glück ihm günftig fein. Er ernenerte die Befanntichaft mit einer Dame, die er jchon in feiner Jugend gekannt hatte, verlobte fich mit ihr und traf Anftalten, ſich bleibend iu Richmond niederzulaffen. Einem Freunde fhrieb er, dab er glänzende Ausfichten " auf die Zukunft Habe und daß die „verlorene Lenore“ endlich gefunden jei. Doch nur fehr Furze Zeit hatte es mit feinem Glücke Beitand. Am Donnerstag den 4. Oftober machte er fich auf den Weg nad New York, um noch einige Geſchäfte zu erı digen und fich auf die Hochzeit vorzuberei- ten. In Baltimore angelangt begab er fi) nach einem Hotel, um eine Mahlzeit zu genießen. Dort traf er einige Bekannte, die ihn zum Trinfen einluden. Bald waren feine guten Vorſätze, ſowie Braut, Hochzeit und Alles vergeffen ; er brachte die Nacht beim vollen Becher zu, irrte dann in einem Anfall von Säuferwahnſinn in den Straßen umher und wurde am folgenden Morgen in fterbendem Zuftand in einer Goffe liegend gefunden. Man brachte ihn nach einem Hoipital und wandte alle Mittel an, um ihn zu retten; allein menfchliche Hilfe kam zu fpät und zwei Tage darauf, am Sonntag den 7. Oktober 1849, hauchte er in feinem achtunddreißigiten Jahre fein Leben aus. Kein Stein, fein Denkmal deutet die Stelle an, wo Amerika's genialfter Dichter

18 Edgar Allan Boe. von den Stürmen und Drangjalen eines vielbewegten Lebens ruht; doch ſoll ihm demnächſt ein Monument in jeiner Vaterjtadt errichtet werden.

Nach diejer peinlihen Aufzählung jeiner Schwächen und Lafter wäre es indeſſen umgeredt, wenn wir feine edleren Eigenjchaften unerwähnt lafjen wollten. In feinen befferen Augenblicten war er bejheiden, zuvorfommend und gefällig, jowie ftreng gewifjenhaft in allen Gejhäftsange- Tegenheiten. Für Arme und Nothleidende hatte er ftets ein warmes, liebevolles Herz, und gar häufig theilte er feine eigene kümmerliche Habe mit andern Unglüdlichen. Am Liebenswürdig- ften aber erſchien er in feinem häuslichen Kreife. Seine ſchöne, zarte Gattin liebte und verehrte er mit der innigjten Hingebung, und auch der Mutter derjelben, die in feinen dunfeln und heitern Stunden ſtets wie ein guter Engel über ihm wachte, begegnete er beſtändig mit der größten Adht- ang. Der Letern widmete er nad) dem Tode feiner Gattin folgendes rührende Sonnett:

) An meine Mutter.

Diemweil ich fühle, daß im Himmel dorten Der Engel Flüftern, jüß und anmuthreich,

Bei allen heil'gen, glüh'nden Liebesworten Kein Wort befigt, dem Namen „Mutter“ gleich

Nannt ftets ich Dich bei diejem theuren Namen, Dich, die Du mehr als Mutter warejt mir,

Mein Herz erfüllend, feit die Engel famen, Virginia’s Geift zu führen fort von bier.

Ach, meine eig'ne Mutter, früh verichieden, Mar Mutter meiner jelbit nur; Du jedoch

Warſt Mutter meines höchſten Guts bienieden Und theurer als die pigne Mutter noch

Um jo unendlich theurer als mein Weib

Mir war, als meines Selbjtes Seel’ und Leib.

Poe's äußere Erfcheinnng war impofant. Die hohe, ſchön gewölbte Stirn, von dunflem Haar umjfchattet, fowie die großen, ſchwarzen und leuchtendeu Augen befundeten fchon auf den eriten Blick die Amvejenheit des Genies; dagegen verriethen der faft weibliche Mund und das zartgeformte Kinn Mangel am Energie und Entjchloffenheit. Seine Manieren waren äußerit einnehmend, feine Stimme melodiſch und ausdrudsvoll und feine Beredtjamfeit ganz außerge- wöhnlih. Wenn die Glut der Begeifterung ihn ergriff, übte er eine wahrhaft mesmeriſche Ge— walt auf ſeine Umgebung aus. Faſt jederzeit hatten ſeine Züge einen melancholiſchen Ausdruck und ſelten nur ſah man ihn lächeln. Allerdings waren feine Leiden und Mißgeſchicke groß, anjtatt ihn aber zu läutern und zu veredeln, hatten diefelben nur die Wirkung, fein Gemüth zu verfinjtern und feiner gewaltigen Phantafie einen wildfchauerlichen Anftrich zu geben. Die Idee, bon Gott und der Welt verlaffen zu fein, fam ihm nie aus dem Sinn ; daher jene furchtbare Ver: zweiflung, jener düftere „Schatten des Raben,“ der ihn ewig umhüllte—daher jene unendliche Sehnſucht nach der „verlorenen Lenore,” die ihn immer wieder zu neuem Kämpfen und Ringen antrieb.

Der nun ebenfalls dahingefchiedene Dichter Willis, der Poe lange und intim Fannte, Schreibt, dat er ihn während der ganzen Zeit jeiner Bekanntſchaft mit ihm auch nicht ein einziges- mal in jenem dämonijchen Zuftand gefehen habe. in welchem er fich, wie Andere verfichern, als wahres Scheufal zu zeigen pflegte. Ihm erjchien er jederzeit als derjelbe melancholiſche, einneh- mende und zudorfommende Gentleman der durch fein würdevolles Benehmen die Achtung Aller geivann, mit denen er in Berührung fam. Es jei unmöglich gewejen, jagt Willis, ihn nicht mit der zartejten Söflichfeit zu behandeln.

Edgar Allan Poe. 19

Auch die Hochgefeierte und allgemein verehrte Dichterin, Mrs. Frances Sargent Osgood, entwirft und ein jehr anmuthiges Bild von Poe. „Ich habe ihn,‘ fchreibt fie, „nie anders als fanft, edelmüthig, und feingebildet, fat ariftofratifch, gejehen. Für eine feinfühlende und zart erzogene Frau lag ein eigeuthümlicher und unwiderſtehlicher Zauber in der chevaleresten, graziöfen, fait zärtlihen Verehrung, mit welcher er jederzeit allen Frauen begegnete, die feine Achtung gewannen, . .. In feiner eigenen einfachen und dennoch poetiichen Heimat war es je- doch, wo mir Edgar Poe's Charakter in feinem ſchönſten Lichte erſchien. Scherzhaft, liebevoll, wigig, abwechjelnd nachgiebig und eigenfinnig wie ein verhätjcheltes Kind hatte er für feine junge, zarte und vergöfterte Frau, ſowie für Alle, die ihn auffuchten, felbft mitten in feinen befchwerlich- ften literarifchen Arbeiten ein freundliches Wort, ein einnehmendes Lächeln und höfliche, zarte Aufmerkſamkeit. Meine erite Begegnung mit dem Dichter fand im Aftor Houfe ftatt. Einige Tage zuvor hatte mir Willis an der table d’höte jenes prächtige und merfwürdige Gedicht, „Der Rabe," gereicht und zugleich bemerkt, daß der Verfaffer defjelben meine Anficht darüber zu vernehmen wünjche. Ich las das Gedicht und fat war mir dabei zu Muthe, als laufchte ich einem überirdifchen Geifterchor. Nicht ohne ein gewiffes Grauen vernahm ich daher, dab Poe mir vorgeftellt zu werden wünſchte. Nie werde ich jenen Morgen vergeffen, an dem Willis mich nach) dem Salon geleitete, um den Dichter zu empfangen. Den ftolzen, ſchönen Kopf auf- gerichtet, die Dunkeln Augen von dem zündenden Feuer des Gefühls und der Gedanken blikend, mit einer eigenthümlichen und unnachahmlichen Miſchung von Zartheit und Stolz in feinem Aus- drud und Weſen, grüßte er mich ruhig, ernft, ja faft Falt, dennoch aber mit einem fo marfirten Ernite, daß ich nicht umhin fonnte, mich tief davon durchdrungen zu fühlen. Bon jenem Augen- blit an bis zu feinem Tode waren wir Freunde, und in feinen legten Worten noch, ehe die Ber- nunft ihren fürftlihen Thron in jenem übermäßig angeftrengten Gehirn für immer verließ, gab er mir einen rührenden Beweis feiner unwandelbaren Freundſchaft.“

Poe's-Werke wurden nach feinem Tode von Dr. R. W. Griswold in einer Gefammtaus- gabe von vier Bänden veröffentlicht.* Dieſe enthalten Gedichte, Erzählungen, äfthetifche und philofophifche Abhandlungen und Kritifen, ES ift ſchwer zu fagen, in welcher Schreibart er fich am meiften auszeichnete. Alle feine Produfte befunden hohes Genie, ſcharfe Auffaflung, ein- greifende Analyje und ungemeine Formgewandtheit. Seine Erzählungen find wahre Mujter eines Haffiihen Stils und ftehen in diefer Hinficht vielleicht in der ganzen englifchen Literatur unerreicht da ; allein faft insgefammt behandeln fie die düfterften und fchauerlichjten Gegenftände, die man fich nur denken kann. Mit großer Vorliebe befchreibt Poe die Krebsihäden des Geiftes und fecirt diefelben von den Wurzeln an bis zu den äußerften Verzweigungen. Nicht minder gewandt iſt er in der Analyfe der Idiofynkrafien der menihlihen Natur. Mit wahrer Meifter- band malt er uns eine Monomanie, wie z. B. in * The Fall of the House of Usher,’’ in Ligeia,” in * William Wilson,” u.f.w. Mit unheimlicher Zaubergewalt fejjeln uns feine ratioeinativen Erzählungen, wie: **Mesmeric Revelation,’’ “The Facts in the Case of M. Valdemar,” The Murders of the Rue Morgue,” u. ſ. w. Schauder und Entjegen erfüllen uns bei Durchlefung folcher Produftionen wie: ** The Pit and the Pendu- lum,” “The Premature Burial,’”’ “A. Descent into the Maelstrom,” u.j. w. An— fangs erfcheinen uns mande feiner Erzählungen wie gräßliche Hragenbilder ; bei aufmerkſamerem Studium aber werden wir den tiefern Einn gewahr und jhaudern zurück vor dem furchtbaren

* Die diefen Bänden vorangeſchickte Biographie Poe's ift in äußerſt gehäffigem Tone gefhrieben und gereicht Dr. Griswold, der einen perfünlichen Groll gegen den Verftorbenen hegte, keineswegs zur Ehre. Griswold erblidt in Pre ein moralifches Ungeheuer, das allen befferen und edferen Negungen unzugänglich iſt. Manche in diefer Bio- graphie enthaltene Angaben find reine Erfindungen, während viele andere cum grano salis aufgenommen werden ſollten.

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Panorama, das er und eröffnet. Poe beſaß zwei Fakultäten, die wir felten vereinigt finden, nämlich die Gewalt, den Geijt des Lejers ganz unbemerflic mit dem Schatten des Geheimnih- vollen zu umhüllen, und eine Genauigfeit in den Details, die auch nicht den geringften Umftand außer Acht läßt. Er berechnete von vorne herein die Wirkung, die er hervorbringen wollte, und ließ daher alle untergeordneten Theile direft auf das Centrum hinfpielen. Diefe analyfirende Tendenz jeines Geiftes hielt feiner ſchöpferiſchen das Gleichgewicht und fegte ihn in den Stand, feinen ünnatürlichſten Phantafiegebilden den Anſchein der Wirflichfeit zu verleihen. Beſonders liebte er es, durch dunkle Andeutungen Grauen zu erregen und dann der Einbildungsfraft des Lejers die Vollendung des fchredlichen Gemäldes zu überlaffen.

Derjelbe düjtere, morbide Ton, der feine Proſa charakteriſirt, iſt auch feiner Poefie eigen, ob- gleich hier das Prinzip der Schönheit überwiegend an den Tag tritt und das Grauenvolle mildert. Höchſt originell in Form und Inhalt gehören manche feiner Gedichte zu den herrlichiten Juwelen der englijchen Literatur; jo 3.8. “The Haunted Palace,” ‘“ The Bells,” Lenore,” * Annabel Lee,’ und die Threnodie ** Ulalume.” x Krone feiner Dichtung- en aber, und das größte Meiſterwerk der amerifanifchen Poefie ift „Der Nabe.“ Im diefer Prachtſchöpfung ergoß er jeine ganze furchtbare Verzweiflung und feine unendliche Sehnfucht nach dem Hohen und Himmlifhen. Vom rein artiftiihen Standpunft betrachtet ift dieſes Gedicht unbedingt das vollfommenfte und großartigite, das je in der englijhen Sprache gejchrieben wurde. Bersmaß, Rhythmus, Ton—Alles ijt dem Gegenftande angemeffen ; die eigenthümliche Monotonie, die Alliterationen und Wiederholungen verleihen dem Ganzen einen gewaltigen Effekt. Dabei wogt es von einem gewiſſen Unterftrome tieferer Bedeutung, der fic) fort und fort fteigert. bis in der legten Strophe die ſymboliſche Intention des Gedichtes Flar an den Tag tritt. Diefer geheimnißvolle Unterftrom ift es hauptfächlich, was uns jo mächtig „hinanzieht,“ und was diefer Schöpfung einen fo großen Vorzug vor manden bloß ſchauerlich-fantaſtiſchen Balladen, wie 3. B. Bürgers „Lenore,“ giebt.

Im „Raben’ zeigt fich der amerifanifche Weltſchmerz in feiner höchſten Potenz, gleichtwie der Deutfche im „Fauſt.“ Während ſich aber in letzterem die unendliche Sehnfucht befriedigend auflöft, behält in Poe’s Schöpfung die Verzweiflung die Oberhand. Der Rabe bleibt. Stumm, ftarr und regungslos verharrt er auf der Büfte und durchbohrt den von entjeglichen Qualen zer- riffenen Jüngling mit feinen Feueraugen. Immer dichter und finfterer umhüllt fein Schatteft den Unglüclichen, dem jeder Troft, jede Hoffnung auf einjtige Seligfeit erbarmungslos benom- men iſt.

Durch diefes einzige Gedicht würde Poe, felbjt wenn er nichts Anderes gefchrieben hätte, feinen Anſpruch Jauf Unfterblichfeit begründet haben. Keine Ueberſetzuug wäre im Stande, die unvergleichlihe Schönheit diefer majeftätifch dahin fließenden Ballade wiederzugeben ; doc mag der oben mitgetheilte Verſuch dazu dienen, dem deutfchen Lejer einen ſchwachen Begriff von der Großartigfeit des Originals zu verleihen.

Als Kritifer war Poe rückſichtslos ftrenge und machte fich daher viele Feinde. Faſt beftändig lag er mit andern Schriftitellern in heftigem Streit. Mit derjelben Strenge wie die Produfte Anderer Fritifirte er indefjen feine eigenen ; ja es madıte ihm fogar Vergnügen, den Enthufiasmus des Publikums für diefelben herabzuftimmen, wie z. B. in dem chniſchen Artikel * The Philoso- phy of Composition,’ in welchem er uns glauben machen will, daß der „Rabe nad) rein mathematifchen Grundfägen entitanden fei.

Es gebricht uns an Raum, Poe's äfthetifche Schriften und das merkwürdige Werf „Eureka“ näher zu befprechen. In erfteren, namentlich in der Heinen Schrift *“ The Poetic Principle,“ hat-er feine Anfichten und Ueberzeugungen in Bezug auf literarifhe Schöpfungen. befonders in Bezug auf die Poefie, in der ihm eigenthümlichen fcharffinnigen und deutlichen Weife niederge-

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legt. Die Epik ift ihm zuwider, da, wie er fagt, ein Gedicht feinen Totaleindruck verliert, wenn man es nicht auf einmal, d. h. ohne Unterbredung, durchleſen kann. Jede Erregung, jomit auch die poetifche, ift nothwendigerweife von kurzer Dauer und verliert fi, nachdem fie ihren Höhepunkt erreicht hat, allmälig, bis fie endlich völliger Plattheit weit. Geradezu verhaßt ift ihm die „Keperei des Didaktiſchen,“ die mehr zur Verderbniß der poetifchen Literatur beigetragen habe als alle andern Feinde derjelben zufammen. Er leugnet, dab der Endzwed aller Poefie Wahrheit ſei. . Gerade das,“ jagt er, „was im Liede jo unentbehrlich it, ift das, womit die Wahrheit Nichts zu thun hat. Sie mit Blumen und Edelfteinen bededen, heißt fie zu einer grellen Paradogie herabwürdigen. Wahrheit beweifen erfordert Kälte ftatt Schwung der Sprache. Mir müffen ruhig und leidenjchaftslos dabei fein. Kurzum, wir müſſen uns gerade in der Stimmung befinden, die foviel wie möglich das Entgegengejegte der poetiſchen Stimmung iſt.“ Die Schönheit gilt ihm als der einzig legitime Endzwed der Poefie. Den erhabeniten aller poetifchen Töne aber erblickt er in der Verbindung der Schönheit mit wehmuthsvoller Trauer. „Eurefa“ ift ein Werk, zu deffen Würdigung ſchon eine philoſophiſche Bildung erforderlich iſt und das daher bei weitem weniger Leſern zuſagt als Poe's übrige Produftionen. Er behand- elt darin einen der erhabenften Gegenftände, die es nur geben kann, nämlich die Theorie der Weltihöpfung. Seine philofophifche Anfchauungsweife hat eine ſtark pantheiftifhe Färbung, die zuweilen an Hegel, noch mehr aber an Schelling erinnert. Im fchöner, blühender Sprache bejchreibt er die Entjtehung der Weltförper aus den vom Centrum des Weltalls ausgeftrömten Atomen.

Welchen Einfluß hat num aber Poe auf die Literatur feines Landes ausgeübt? Dies ift eine Frage, die bis dahin Faum zu beantworten ift. An Nachahmern, oder vielmehr Nachäffern, hat es ihm ficherlich nicht gefehlt. Faſt jeder Tag fieht Produktionen in Proja und Poeſie erftehen, deren Berfaffer fih Poe’s eigenthümlichen Stil zum Mufter nehmen, ohne im Stande zu fein, ihren Machwerken feinen Geift einzuhauchen. Natürlich mußte der „Rabe zu unzähligen Imitationen herhalten. Die gelungenfte der letztern ift vielleicht das von Miß Lizzie Doten, dem befannten Spiritualiften-Medium, als Eingebung von Poe veröffentlichte Gediht: “* The Streets of Baltimore,” in welchem der dahingejchiedene Dichter feinen Todesfampf und feinen Eintritt in die Ewigkeit bejchreibt. Wirklich gelungen ift folgende darin vorfommende Strophe:

In that grand, eternal city, where the angel hearts take pity

On the sin which men forgive not, or inactively deplore,

Earth has lost the power to harm me, Death can nevermore alarm me, And I drink fresh inspiration from the source which I adore-- Through my grand apotheosis, that new birth in Baltimore !

Denjenigen, welche die „Quelle kannten, aus der ſich Poe fo häufig zu „infpiriren‘ pflegte, mag die vorlegte Zeile obiger Strophe etwas zweideutig und amüfant vorfommen. Eine andere ziemlich gute Nahahmung des „Raben“ ift das von C. D. Gardette veröffentlichte Gedicht: The Fire-Fiend.’”’ Es ift übrigens fehr zu wünſchen, daß diefe Manie, die äußeren Eigen- thümlichfeiten der Schöpfungen Poe's nadhzuahmen, endlich einmal aufhöre. Poe jelbit hat das geleiftet, was nur einmal mit Erfolg geleiftet werden kann ; jede aud) nur annähernde Wie- derholung muß unfehlbar Ueberfättigung und Efel erzeugen,

Endlich mag es noch am Plage fein, einen Bli auf die Pofition zu werfen, die poe unter den Amerifanifchen D Dichtern eimimmt. Nehmen wir Originalität und Schwung der Phantaſie zum Maßſtab der Beurtheilung, ſo müſſen wir unbedingt einräumen, daß ſich bis dahin keiner ſeiner Landsleute mit ihm meſſen kann, und doch iſt nicht in Abrede zu ſtellen, daß er wenig oder gar Nichts zur Veredlung feines Volkes beigetragen hat. Der wahre Dichter iſt nicht blos der

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Erponent feiner eigenen individuellen Gefühle und Empfindungen, er ift zugleich auch der Lehrer und Freund des Volkes. Er jucht fi aufs Engſte mit demjelben zu identifiziren, macht fid) mit feinen inmerjten Neigungen und Sympathien befannt und ſucht diefe nach beften Kräften zu heben und zu veredeln. Nur was vom Herzen fommt, das geht zum Herzen. Dies ift das wahre Ge- heimniß der Popnlarität jo mandes Schriftitellers ; hieraus erjehen wir, warum Schiller weit tiefere Wurzeln im Herzen der deutſchen Nation gejchlagen hat ald Goethe, und hierin finden wir auch den Grund, aus dem Longfellow, Bryant, Wbhittier, Lowell, Willis und Andere ſich beim amerikaniſchen Volke einer größeren Popularität erfreuen als Poe. Selbit von Wohlwollen und Liebe zur Menſchheit überfließend, fanden Jene leicht den Schlüffel zum menſchlichen Herzen, und indem fie die ſympathetiſchen Saiten dejjelben berührten, erweckten fie einen ftärfern Wiederhall als der Dichter des „Raben, wie jehr auch diefer auf unfere Bewun— derung Anſpruch machen kann. Die Mufe eines Bryant oder eines Longfellow läßt ſich mit der Sonne vergleichen, deren milde Glut die Herzen Aller erwärmt und freudig erregt: Poe's Genius dagegen gleicht dem feurigen Kometen, der flammend und ſchimmernd feine erratijche Bahn am nächtlihen Himmel verfolgt. Er leuchtet und blendet, kann aber nicht wär- men; er erfüllt uns mit Staunen, vielleicht mit unheimlichem Grauen, allein er erweckt feine bejeligende Gefühle und Rührungen in uns. Wir bewundern die Phantafie, die den „Raben“ ſchuf, aber unmwillfürlich rufen wir aus: „Möge nie wieder eine ähnliche Verzweiflung ein ähn- liches Gedicht hervor zaubern !"

Sum Schluß theilen wir noch eine Meberfegung der Ballade *'Ine Haunted Palace” mit, in welder Poe den Uebergang vom gefunden zum Franken Geifteszuftande in höchft artiftifcher Reife jymbolifirt., Wer möchte behaupten, dab der unglückliche Dichter nicht felbft den Keim zu jenem unheilbaren Wahnfinn in fich barg, den er in den zwei legten Strophen jo treffend bejchreibt ?

Die Organifation feines ganzen Weſens ſcheint eine folhe Annahme zu rechtfertigen. Aehn— lichen Erfcheinungen begegnen wir leider nur zu häufig unter den begeifterten Mufenföhnen, fo 3. B. bei dem genialen deutfchen Dichter Lenau, deſſen trauriges Ende jeden Bewunderer wah- rer Poeſie mit Wehmuth erfüllen muß ; fo auch bei dem unglücklichen irifchen Poeten Mangan, deſſen Schickſal eine überrafchende Aehnlichkeit mit dem Poe's hatte, und der in feinem „Lied eines Namenloſen“ feiner Verzweiflung in erfehütternder Weiſe Ausdruck gab; jo ferner bei dem Sranzofen Alfred de Muffet, deffen „Dezembernacht” wohl Niemand ohne innere Beflemm- ung leſen kann; fo endlich auch bei dem Ruffen Lermontoff, deffen wehmuthsvolle Melodien ebenfalls von ſchrecklicher Gemüthszerrüttung zeugen.

Der gejpenjtige Palaſt.

In dem grünften unfrer Thale, Guter Engel Aufenthalt,

Hob fein Haupt im Sonnenftrahle Ein Palaſt einft, lichtumwallt. Stolz auf des Gedanfens Hügel

Prangte er; Nie umrauſcht' ein Seraphsflügel Ein Gebäude halb fo hehr.

Edgar Allan Poe.

Goldne Banner glorreich wallten Von der Zinne hoch und breit; (Dies—all dies —war in der alten Längſt entſchwund'nen Zeit ;) Jeder Zephyr, der umſpielte Den ſchönen Ort, Nahm, wenn er die Wälle fühlte, Süßen Duft mit fi hinfort.

Wandrer in dem trauten Thale Sahen durch zwei Fenſterlein

Geiſter ziehen bei dem Schalle Einer Laute ſüß und rein

Um den Thron, auf welchem ſitzend, (Porphyrogen!)

Seine Würde wohl benützend, War der Herr des Reichs zu ſehn.

Sieh, in Perlen und Rubinen Glänzte des Palajtes Thür, Durch welche ftets zu kommen fchienen, Trillernd für und für, Süße, holde Echoflänge, Deren Pflicht Mar, zu feiern durch Gefänge Ihres Herrichers Weisheitslicht. * * *

Doch ach, es zog ein Heer von Sorgen In des Monarchen hohes Haus ! (Ia, trauert nur—kein lichter Morgen Treibt fortan dieſe Gäfte aus!) Und all der Glanz, der einft fo milde

Das Herz erfreut, Sit jego nur ein Traumgebilde Aus der Vergangenheit.

Und Wandrer; die durch's Thal hin ziehen, Seh'n durch der Fenfter rothen Schein Phantaftifche Geitalten fliehen In dämonartig wirrem Neih'n; Dieweil gleich einem wilden Fluffe Entitrömt ein Heer - Der blaffen Thür in tollem Schuffe Und lacht—nicht lächelnd mehr.

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NER emo Pa | we >, N- Seventn * TER 7, m —— PHlLapgıpr\h ——

Over many a quaint and curious volume of forgotten lore— While I nodded, nearly napping, suddenly there came a tapping, As of some one gently rapping, rapping at.my chamber door. ‘“”Tis some visitor,” I muttered, tapping at my chamber door—

Only this and nothing more.”

2 distinetly I remember, it was in the bleak December, And each separate dying ember wrought its ghost upon the floor. Eagerly I wished the morrow ;—vainly I had sought to borrow From my books surcease of sorrow—sorrow for the lost Lenore— For the rare and radiant maiden whom the angels name Lenor, Nameless here for evermore.

And the silken sad uncertain rustling of each purple curtain Thrilled me—filled me with fantastic terrors never felt before; So that now, to still the beating of my heart, I stood repeating, “’Tis some visitor entreating entrance at my chamber door— Some late visitor entreating entrance at my chamber door,— This it is and nothing more.”

25

26 THE RAVEN.

Presently my soul grew stronger; hesitating then no longer,

“Sir,” said I, “or Madam, truly your forgiveness I implore;

But the fact is I was napping, and so gently you came rapping,

And so faintly you came tapping, tapping at my chamber door,

That I scarce was sure I heard you,”—here I opened wide the door —— Darkness there and nothing more.

Deep into that darkness peering, long I stood there wondering, fearing, Doubting, dreaming dreams no mortal ever dared to dream before; But the silence was unbroken, and the stillness gave no token,

And the only word there spoken was the whispered word, “Lenore?” This I whispered, and an echo murmured back the word, Lenore! Rn

Merely this and nothing more. s

Back into the chamber turning, all my soul within me burning, Soon again I heard a tapping, something louder than before. “Surely,” said I, “surely that is something at my window lattice; Let me see, then, what thereat is, and this mystery explore— Let my heart be still a moment and this mystery explore ;——

’Tis the wind and nothing more.”

Open here I flung the shutter, when, with many a flirt and flutter, In there stepped a stately Raven of the saintly days of yore. Not the least obeisance made he; not a minute stopped or stayed he;

- But, with mien of lord or lady, perched above my chamber door—

Perched upon a bust of Pallas just above my chamber door,— Perched, and sat, and nothing more.

Then this ebony bird beguiling my sad fancy into smiling, By the grave and stern decorum of the eountenance it wore:

Though thy erest be shorn and shaven, thou,” I said, “art sure no craven,

THE RAVEN.

Ghastly grim and aneient Raven wandering from the Nightly Shore— Tell me what thy lordly name is on the Night’s Plutonian Shore!” Quoth the Raven, “Nevermore.”

Much I marvelled this ungainly fowl to hear discourse so plainly,

Though its answer little meaning—little relevancy bore;

For we cannot help agreeing that no living human being

Ever yet was blessed with seeing bird above his chamber door—

Bird or beast upon the sculptured bust above his chamber door, With such name as Nevermore.”

But the Raven, sitting lonely on that placid bust, spoke only

That one word, as if his soul in that one word he did outpour. Nothing farther then he uttered; not a feather then he fluttered— Till I scarcely more then muttered, “Other friends have flown before, On the morrow he will leave me, as my Hopes have flown before.”

Then the bird said, Nevermore.”

Startled at the stillness broken by reply so aptly spoken, “PDoubtless,” said I, “what it utters is its only stock and store, Caught from some unhappy master whom unmereiful Disaster Followed fast and followed faster till his songs one burden bore— Till the dirges of his Hope that melancholy burden bore

Of ‘Never—nevermore.’”

But the Raven still beguiling all my sad soul into smiling,

Straight I wheeled a cushioned seat in front of bird and bust and door;

Then, upon the velvet sinking, I betook myself to linking

Fancy unto faney, thinking what this ominous bird of yore—

What this grim, ungainly, ghastly, gaunt and ominous bird of yore Meant in eroaking Nevermore.”

27

98 THE RAVEN.

This I sat engaged in guessing, but no syllable expressing

To the fowl whose fiery eyes now burned into my bosom’s core;

This and more I sat divining, with my head at ease reclining

On the eushion’s velvet lining that the lamp-light gloated o’er,

But whose velvet violet lining with the lamp-light gloating o’er, She shall press, ah, nevermore!

Then, methought, the air grew denser, perfumed from an unseen censer, Swung by Seraphim whose foot-falls tinkled on the tufted floor. “Wretch,” I cried, “thy God hath lent thee—by these angels he hath sent thee Respite—respite and nepenthe from thy memories of Lenore! Quaff, oh quaff this kind nepenthe and forget this lost Lenore!”

Quoth the Raven, “Nevermore.”

“Prophet!” said I, “thing of evil!—prophet still, if bird or devil !—

Whether Tenpter sent, or whether tempest tossed thee here ashore,

Desolate, yet all undaunted, on this desert land enchanted—

On this home by Horror haunted—tell me truly, I implore—

Is there—is there balm in Gilead ?—tell me—tell me, I implore!” Quoth the Raven, Nevermore.”

“Prophet!” said I, “thing of evil!—prophet still, if bird or devil!—

By that Heaven that bends above us—by that God we both adore!—

Tell this soul with sorrow laden if, within the distant Aidenn,

It shall elasp a sainted maiden whom the angels name Lenore—

Clasp a rare and radiant maiden whom the angels name Lenore.” Quoth the Raven, “Nevermore.”

“Be that word our sign of parting, bird or fiend!” I shrieked, upstartine “Get thee back into the tempest and the Night’s Plutonian Shore! Leave no black plume as a token of that lie thy soul hath spoken!

THE RAVEN. 29

Leave my loneliness unbroken !—quit the bust above my door! Take tlıy beak from out my heart, and take thy form fronı off my door!” Quotli the Raven, Nevermore,”

And the Raven, never flitting, still is sitting, still is sitting

On the pallid bust of Pallas just above my chamber door;

And his eyes have all the seeming of a demon’s that is dreaming,

And the lamp-light o’er him streaming throws his shadow on the floor;

And my soul from out that shadow, that lies floating on the floor, Shall be lifted—nevermore!

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ROMINENT among the most renowned poetical productions of the nineteenth century is Poe’s famous chef-d’euovre, “THE RAVEN,’ which will stand forever as a monument of the capacities of the English language, as well as of its author’s nameless despair. If it cannot be called a ‘*great poem,’’ in the sense in which

we apply the terın to productions like the Iliad, the Divine Comedy, or Paradise Lost, it will at least be conceded thatitis a undque poem—.a poem fullof wild, weird imagina- tion—the outpouring of a heart overwhelmed with despair and yearning for the lost Aidenn. Asa work of art, it has certainly not its equal in the literature of any age or country; no metrical production can compare with it as far as ingenuity of construction and rhythmical beauty are concerned. Nothing bearing even the faintest resemblance to the wonderful ‘*‘mechanism’’ of this ballad has ever been attempted before, though a host of imitations have followed upon its track. Itisa poem which we must study if we would appreciate it in all its beauty. We must peruse it again and again ; we must analyze it and examine every individual part— plot, metre, rhythm, rhyme, and all—just as we would scan and study some unique painting by a Raphael, a Titian, or a Rubens. There is something exceedingly weird and powerfully effective in the very monotony of “* Tue RAVEN’, in its repetitions, alliterations, triple rhymes, and in the constantly recurring burden of **Nevermore.’’ But there is something more in the poem than the mere plot, rhyme and rlıythm. There isa spiritual under-current which imparts to *“ Tue RAVEN’’ a charm far sur- passing that of merely weird and fantastical ballads. With regard to this under- current we beg leave to quote Poe’s own words :—

*But in subjects so handled, however skilfully, or with however vivid an array of incident, there is always a certain hardness or nakedness, which repels the artistie eye. Two things are invariably required—first, some amount of complexity, or more properly, adaptation; and secondly, some amount of suggestiveness— some under-current, however indefinite of meaning. It is this latter, in especial, which imparts to a work of art so much of that röchness (to borrow from colloquy a forcible term) which we are too fond of confounding with the ideal. It is the excess of the suggested meaning—it is the rendering this the upper ‚instead of the under-current of the theme— which turns into prose (and that of the very flattest kind) the so- called poetry of the so-called transcendentalists. Holding these opinions, I have added the two concluding stanzas of the poem—their suggestiveness being thus made to pervade allthe narrative which has preceded them. The under-current of meaning is rendered first apparent in the lines—

and take thy form from off my door!? Qnoth the Raven, * Nevermore!’

“It will be observed that the words, ‘from out my heart’ involve the first metaphorical expression of the poem. They, with the answer, Nevermore,’ dis- pose the mind to seek a moral in all that has been previously narrated. The reader begins now to regard the Raven as emblematical—but it is not until the very last line of the very last stanza that the intention of making him emblematical of Mourn- Jul and Never-ending Remembdrance is permitted distinctly to be seen :—

And my soul from out that shadow. that lies floating on the floor, . Shall be lifted—nevermore.” * * ——

It is a matter of little surprise that Taun Raven’ should have become the type of a school of poetry ofitsown. Tlıe very imitations and parodies, which it has called

30

‘Take thy beak from out my heart

THE RAVEN. 31

forth, form almost a literature in themselves. A moderate volume of the latter might be collected without difieulty. Among the imitations, two deserve special mention ; one having been written by Charles D. Gardette, and printed at first as * from an unpublished MS. of the late Edgar A. Poe,” but subsequently embodied in a volume of poems by said Gardette. The hoax proved successful, for the ** FiRE- FıIEnD’ was accepted, by American as well as English critics, as an undoubted production of its so3-disant author. Though greatly inferior to * Tus Raven,” it cannot be denied that the *‘ FIRE-FIEND’’ possesses many of the peculiarities of the latter. Our limited space not permitting to give it in full, we content ourselves with quoting a stanza or two :—

In the deepest dearth of Midnight, while the sad and solemn swell

Still was floating, faintly echoed from the forest chapel bell—

Faintly, falteringly floating o’er the sable waves of air

That were through the Midnight rolling, chafed and billowy with the tolling, In my chamber I lay dreaming by the fire-light’s fitful gleaming,

And my dreams were dreams foreshadowed on a heart foredoomed to carel,

As the last long lingering echo of the Midnight’s mystic chime— Lifting through the sable billows to the Thither Shore of Time— Leaving on the starless silence not a token nor a trace— In a quivering sigh departed; from my couch in fear I started: Started to my feet in terror, for my dreams phantasmal error Painted in the fitful fire a frightful, fiendish, fiaming face.

* * * Iam Monarch of the Fire! Iam Vassal-King of Death! World-eneircling, with the shadow of its dooın upon my breath! With the symbol of Hereafter flaming from my fatal face! I command the Eternal Fire! Higher! higher! higher! higher! Rise my ministering demons, like phantasmagoric lemans Hugging universal Nature in their hideous embrace!”

* * * Through my ivy-fretted casement filtered in a tremulous note From the tall and stately linden, where a robin swelled his throat— Querulous, quaker-breasted robin, calling quaintly for his mate! Then I started up, unbidden, from my slumber nightmare-ridden, With the memory of that dire demon in my central fire On my eye’s interior mirror like the shadow of a Fate!

The second of the imitations alluded to is entitled, * Tre STREETS OF BALTIMORE,” and is alleged to have been given by the spirit of Edgar A. Poe, on Sunday night, January 11th, 1863, at Metropolitan Hall, in the City of Baltimore, through the mediumship of Miss Lizzie Doten. The poet describes in these stanzas the terrors and tortures through which he passed during his last hours on earth before departing for the Land of Spirits. From whatever source it may have emanated, it must be admitted that this poem has the true ring of Poe’s wild, weird rhythm. We give it in full.

THE STREETS OF BALTIMORE.

Woman weak, and woman mortal, through thy spirit’s open portal

I would read the Runic record of mine earthly being o’er—

I would feel the fire returning, which within my soul was burning, When my star was quenched in darkness, set to rise on earth no more, When I sank beneath life’s burden in the Streets of Baltimore!

No one near to save or love me! No kind face to watch above me! Though I heard the sounds of footsteps, like the waves upon the shorel } Beating, beating, beating, beating, now advancing, now retreating— With a dull and dreamy rhythm—with a long, continuous roar—

Heard the sounds of human footsteps in the Streets of Baltimore!

There at length they found me lying, weak and wildered, sick and dying, And my shattered wreck of being to a kindly refuge bore.

But my woe was past enduring, and my soul cast off its mooring, Crying, as I floated outward: “I am of the Earth no more!

I have forfeited Life’s blessings in the Streets of Baltimore!”

Gazing back without lamenting, with no sorrowful repenting, I can read my life’s sad story in a light unknown before!

For there is no woe so dismal, not an evil so abysmal,

But a rainbow arch of glory spans the yawning chasm o’er! And across that bridge of beauty did I pass from Baltimore!

32 THE RAVEN.

In that grand, eternal city, where tlıe angel hearts take pity

On the sin which men furgive not, or inactively deplore,

Earth has lost the power to harm me, Death can nevermore alarm me! And I drink fresh inspiration from the source which I adore— Througlı my grand aputheosis—that new birth in Baltimore!

Now, no longer sadly yearning, love for love finds sweet returning, And there comes no ghostly Raven, tapping at mıy chamber door! Calınly iu the golden glory 1 can sit and read Jife’s story—

For my soul from vut that shadow hath been lifted evermore— From that deep and dismal shadow iu the Streets of Baltimore!

Granting the spiritual origin of the above stanzas—for we understand that Miss Doten disclaims the authorslup—it must surprise us that Poe has not been able to invent new rhythms in tlıose celestial halls, where “the angels’ feet make music over all the starry floor.”’ Great poets are not generally in the habit of repeating them- selves on earth; why should they do so in the Spirit-World ? If they needs must continue composing poetry, why do they not sing in strains such as mortals never listened to ?

We conclude with citing another imitation of the RAvEn,” an imitation, how- ever, of tlıe sentiment rather than of tlıe manner. Its author is the Australian poet HENRY KENDALL, a native of the City of Melbourne, we believe. His admirers claim for him the appellation of the ‘Australian Poe,’’ on account of his morbid genius and his wayward life. The poem we quote reminds us of both “* Tue RAvEn’’ and ULALUME.’

ASTARTE.

Across the dripping ridges— Ah, Helen Hope in Heaven, Oh, look, luxurious Night! My Queen of Long Ago! She comes, the bright-haired beauty, I’ve swooned with adoration, My luminous delight ! But could not tell you so! My lumimous delight! Or dared not tell you so! So hush, ye shores, your roar, My radiant Queen of yore! That my soul may sleep forgetting And you’ve passed away, and left me Dead Love’s wild Nevermore! Dead Love’s wild Nevermore ! Astart&, Syrian Sister! Astart& knoweth, darling, Your face is wet with tears; Of eyes that once did weep, I think you know the secret What time outwearied Passion One heart hath held for years! Hath kissed your lips in sleep! One heart hath held for years! Hath kissed your lips in sleep! But hide your hapless lore, But now these tears are o’er, And my sweet, my Syrian Sister, Gone, my Saint, with many a moan, to Dead Love’s wild Nevermore! Dead Love’s wild Nevermore!

If Iam past all erying, What thouglıts are maddening me, Of you, my darling, dying Upon the lone, wide Sea? Upon the lone, wide Sea? Ah, hush, ye shores, your roar, That my soul may sleep, forgetting Dead Love’s wild Nevermore!

In the opening pages of this brochure an attempt of a German translation of “Type RavEn” has been given—a feeble attempt, indeed, for no human skill could succeed in perfectly rendering into another language a poem of such transcendent beauty. All that could be accomplished was a strict preservation of metre, rhythm, rhyme, and burden, in some measure even of the alliterations, and a tolerably

accurate rendition of the plot. But the delicate aroma which pervades the original— alas! it is feared that it has evaporated so as to leave scarcely a trace in the trans-

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