•'■' , ' i'

1$

mmmmmmmmm*

y -■■:.:

November 1978 104. Jahrgang Nummer 11

x&gg? *■

'-'"■■■■»^^,

■-r

Vi

Veröffentlichung November 1978

der Kirche Jesu Christi der 104. Jahrgang

Heiligen der Letzten Tage Nummer 1 1

Erste Präsidentschaft: Spencer W. Kimball, N. Eldon Tanner, Marion G. Romney.

Der Rat der Zwölf: Ezra Taft Benson, Mark E. Petersen, LeGrand Richards, Howard W. Hunter,

Gordon B. Hinckley, Thomas S. Monson, Boyd K. Packer, Marvin J. Ashton, Bruce R. McConkie,

L. Tom Perry, David B. Haight, James E. Faust.

Beratendes Komitee: Gordon B. Hinckley, Marvin J. Ashton, L. Tom Perry, Marion D. Hanks,

James A. Cullimore, Robert D. Haies. Church Magazines: Dean L. Larsen, Herausgeber.

Internationale Redaktion: Larry A. Hiller, Carol Larsen, Roger Gylling.

Der Stern: Klaus Günther Genge, Übersetzungsabteilung, Grabenstraße 14, A-8010 Graz.

Nachrichtenredaktion: Holger G. Nickel, Porthstraße 5-7, D-6000 Frankfurt /Main 50, Telefon 0611/15 34278.

INHALT

Im Ebenbilde Gottes. Marion G. Romney 2

Ein ganzer Vater. Orson Scott Card 4

Das Feueropfer. Thomas J. Griffiths 8

Joseph Smiths Chirurg. LeRoy S. Wirthlin 10

Der schönste Tag ihres Lebens. Jay A. Parry 13

Ich habe eine Frage 18

John Taylor Ein Brief aus dem Exil 25

Ein Pioniermädchen. Gordon Irving 29

Für Kinder

Ich bin ein Kind des Herrn. Robert D. Haies 1

Von Freund zu Freund. J. Richard Clarke 5

Das macht Spaß 8

J ahresabonnement :

Bestellungen über den Sternagenten der Gemeinde:

DM 20, an Verlag Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage,

Postscheckkonto Frankfurt 6453-604.

sFr. 21,— an First National City Bank, Genf, Konto-Nr. 0/312750/007, Kirche Jesu Christi

der Heiligen der Letzten Tage.

ÖS 130,— an Erste Österreichische Spar-Casse, Wien, Konto-Nr. 000-81388,

Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.

USA und Kanada (nicht mit Luftpost): $ 8.00.

© 1978 by the Corporation of the President of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints.

All rights reserved.

Verlag Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Porthstraße 5-7,

D-6000 Frankfurt am Main 50.

Botschaft der Ersten Präsidentschaft

Im Ebenbild Gottes

Marion G. Romney

Zweiter Ratgeber des Präsidenten der Kirche

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde . . .

Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

Und Gott schuf den Menschen zu sei- nem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Weib. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch Untertan" (1. Mose 1:1. 25-28). Auf diese Weise setzte der Herr die erste Ehe zwischen dem Mann und der Frau ein. Der Mensch war in seinem Ebenbild geschaffen, als Mann und als Frau. Sie bildeten eine Einheit, jeder ein Teil des anderen. Der Herr unterwies beide. Das, was er sagte, ging beide gleichermaßen an. Im Herrn ist weder der Mann etwas ohne die Frau noch die Frau etwas ohne den Mann.

Mann und Frau sollen immer dieser grundlegenden Wahrheiten und des Zwecks der Ehe eingedenk sein. Sie sollen sich gut verstehen und ein- ander respektieren. Niemand soll seine eigenen Wege gehen. Sie sollen sich

beraten, miteinander beten und gemein- sam entscheiden.

In allen Fragen der Kindererziehung und der Verwaltung des Haushaltes sollen sich Mann und Frau in Liebe, Geduld, Freundlichkeit und Ver- ständnis begegnen. Der fortschreitende Verfall von Sitte und Moral und das in unserer Gesellschaft übliche verderbte Tun dürfen in unseren Familien auf keinen Fall Eingang finden; sie dürfen unsere edlen Grundsätze und unsere Ehe nicht beeinträchtigen. Die Einigkeit in der Ehe darf nicht durch ehrgeiziges Streben nach Selbstbestätigung gefähr- det werden.

Denken wir immer daran, daß weder die .'Frau noch der Mann der Sklave des anderen ist. Mann und Frau sind in der Ehe ebenbürtige Partner, und dies gilt besonders zwischen Mann und Frau, wenn sie der Kirche angehören. Dies soll ihnen stets bewußt sein und ihr Ver- halten bestimmen. Dann werden sie sich auch in der Ewigkeit so verhalten. Wie bereits gesagt: Der Mann ist nichts ohne die Frau, die Frau nichts ohne den Mann im Herrn. Kein Mann kann ohne Frau erlöst und im Reich Gottes erhöht werden. Auch die Frau kann Voll- kommenheit und Erhöhung im Reich Gottes nicht allein erlangen. Gott hat am Anfang die Ehe eingesetzt. Er hat den Menschen in seinem Ebenbild er- schaffen, als Mann und Frau, und schon bei der Schöpfung ist bestimmt worden, daß sie in den heiligen Banden der Ehe

vereinigt sein sollen und daß der eine ohne den anderen nicht vollkommen sei (siehe dazu Evangeliumslehre, 1970, Sei- te 306).

Die Frau ist dem Mann nicht unterge- ordnet. Es ist richtig, daß der Mann das Priestertum trägt und über die Familie in rechtschaffener Ausübung des Prie- stertums präsidieren soll. Dies muß er jedoch in dem Geiste tun, wie Christus über seine Kirche präsidiert. Der Pro- phet Joseph Smith hat die Mitglieder der Kirche darin unterwiesen, indem er dazu Worte aus dem Neuen Testament ver- wandt hat:

,Die Frauen seien untertan ihren Män- nern als dem Herrn. Denn der Mann ist des Weibes Haupt, gleichwie auch Chri- stus das Haupt ist der Gemeinde, die er als seinen Leib erlöst hat. Aber wie nun die Gemeinde ist Christus untertan, so seien es auch die Frauen ihren Männern in allen Dingen. Ihr Männer, liebet eure Frauen, gleichwie auch Christus geliebt hat die Gemeinde und hat sich selbst für sie gegeben, auf daß er sie heiligte, und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, auf daß er sie sich selbst darstellte als eine Gemeinde, die herrlich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen, sondern daß sie heilig sei und unsträflich. So sollen auch die Männer ihre Frauen lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst. Denn niemand hat jemals sein eigen Fleisch gehaßt; sondern er nährt es und pflegt es, gleichwie auch Christus die Gemein- de. Denn wir sind Glieder seines Leibes. Um deswillen wird ein Mensch verlassen Vater und Mutter und seinem Weibe anhangen, und werden die zwei ein Fleisch sein' (Epheser 5:22-31). Ihr Frauen, ordnet euch eurem Eheman- ne unter, wie es dem Herrn gefällt.

Ehemänner, liebt eure Frau und seid nicht unfreundlich zu ihr. Ihr Kinder, seid euren Eltern in allem gehorsam, denn dies ist dem Herrn wohlgefällig. Väter, behandelt eure Kinder nicht so, daß sie widerspenstig und mutlos wer- den" (Lehre des Propheten Joseph Smith).

Der Ehemann darf seine Priestertums- vollmacht nicht willkürlich gebrauchen, auch darf er sie nicht als Druckmittel seiner Frau gegenüber verwenden. Joseph F. Smith hat gesagt: „Wenn es irgend jemand gibt, der den Fluch des Allmächtigen verdient, so ist es der Mann, der die Mutter seines Kindes vernachlässigt, die Frau seines Herzens, sie, die selbst ihr Leben immer und immer wieder für ihn und seine Kinder hingegeben hat. Dies natürlich unter der Voraussetzung, daß die Frau eine treue und reine Gattin und Mutter ist" (Evangeliumslehre, 1970, Seite 351). „Keine Macht und kein Einfluß kann oder soll kraft des Priestertums anders ausgeübt werden als nur durch Über- redung, Langmut, Güte, Demut und unverstellte Liebe" (LuB 121:41). Im Zusammenhang mit anderen Versen gesehen, wird einem klar, daß sich diese Schriftstelle besonders damit befaßt, wie ein Priestertumsträger mit seinen Mit- menschen umgehen soll, und in noch weitaus stärkerem Maße gilt sie für den Umgang des Priestertumsträgers mit seiner Frau.

„Das Evangelium Jesu Christi ist das Gesetz der Liebe, und Gott von ganzem Herzen und von ganzem Gemüt zu lieben ist das höchste Gebot. Das andere aber ist ihm gleich: den Nächsten lieben wie sich selbst. Daran soll man auch in der ehelichen Beziehung denken, und wenn es auch heißt, das Verlangen der

Fortsetzung Seite 23

Ein ganzer

Vater

Orson Scott Card

55 Ach betreibe viel Dauerlauf. Manchmal begleitet mich dabei mein sechsjähriger Sohn. Weil er nicht so weit laufen kann wie ich, läuft er zu einem Punkt der Strecke und wartet dort auf mich. Auf dem Rückweg treffe ich ihn dann. Während wir so dahintraben, reden wir miteinander." „Mein Junge hat eine Mappe, in der er seine Schulsachen aufbewahrt. Manch- mal setzen wir uns am Morgen mit seiner Mappe zusammen. Er sieht sie durch und bespricht mit mir jeden Punkt

iund was er getan hat. Manchmal dauert das 15 oder 20 Minuten aber jede Sekunde ist unbezahlbar." „Ich muß oft verreisen. Ich vermisse meine Familie immer sehr; darum neh- me ich gewöhnlich eins von meinen Kindern mit. Die größeren lasse ich sogar chauffieren. In diesen Stunden des Beisammenseins gewinnen wir wieder zurück, was während der dazwischen- liegenden Wochen, in denen ich so beschäftigt war, verlorengegangen ist." Heutzutage, wo überarbeitete Väter im- mer weniger Zeit aufbringen, ihre Kin- der zu erziehen eine Erscheinung, die die Familie immer mehr aushöhlt ist es erfreulich, Väter wie diese zu finden, die sich die kostbarsten Stunden und Minuten nehmen, sich ihren Kindern zu widmen. Diese wiederum schauen zu ihnen auf, lieben sie und brauchen sie. Es ist sogar noch erfreulicher, daß die Bischöfe der Kirche solche Männer

und Väter sind fordert doch gerade dieses Amt besonders viel. Auch im Berufsleben sind sie meist bemerkens- wert erfolgreich. Doch sie und ihre Frauen sind entschlossen, daß nichts davon - - so wichtig es auch ist die Erziehung der Kinder beeinträchtigt. Robert M. Pixton, Bischof der Zweiten Gemeinde in Orlando, in Florida, erzähl- te: „Was ich vor wenigen Jahren alleine gemacht hätte, erledige ich nun mit einem oder zwei meiner Kinder. Ich erledige immer noch alles aber die Kinder wissen, daß ich sie liebe und daß sie die Möglichkeit haben, bei mir zu sein."

Das scheint das Erfolgsrezept dieser Väter zu sein: Sie machen aus ihrer kargen Freizeit das Beste. In der übrigen Zeit lassen sie so oft wie nur möglich die Kinder an ihrer Arbeit teilhaben.

Wie man ein guter Vater ist

„Wenn ich auf meinem Terminkalender einen freien Abend sehe, versuche ich ihn auch freizuhalten, damit ich den Abend zu Hause verbringen kann", sagte John F. Irwin, Bischof der Zweiten Gemeinde Detroit in Michigan. „Die Abende, wo ich arbeite, wären weniger hektisch, würde ich jeden A- bend nur zwei oder drei Aufgaben erledi- gen. Aber dadurch, daß ich mehr Arbeit an wenigen Abenden mache, bleibt mir an anderen mehr Zeit zu Hause bei meiner Familie zu sein." Zeiteinteilung ist überaus wichtig. Jedes- mal, wenn ich die Frage gestellt habe: „Wie haben Sie Zeit für Ihre Kinder?", war immer die erste Antwort: „Natür- lich wird der Familienabend unbedingt eingehalten."

„Montag abends ruft uns niemand an", erzählte mir Ära Call, Bischof der Zwei- ten Gemeinde in Santa Clara in Kalifor- nien. „An dem Sonntag, wo ich zum

Bischof ernannt wurde, stand ich auf und sagte der Gemeinde, Montag a- bends wäre ich nicht erreichbar, außer es handelte sich um einen Notfall." Aber der Familienabend ist erst der Anfang. „Jede Woche habe ich eine Unterredung mit unseren Kindern." So sagen viele. Und nicht wenige von ihnen betonen, daß einige dieser Unter- redungen geistiger Art waren, andere wieder, wo man das Kind ungezwungen von sich erzählen läßt. Wir sprechen über verschiedenes, was die Kinder interessiert über ihre Schulnoten, ihre Schularbeiten, über ihre Freunde und ihre Hobbys. Schließlich fragen mich die Kinder von selbst: „Papa, wann kann ich wieder mit dir beisammen sein?" Bruder Todd Christofferson, auch ein Bischof, achtet darauf, daß diese Unter- redungen so ungezwungen wie nur mög- lich verlaufen.

Bei dieser wöchentlichen Zusammen- kunft machen wir das, was den Kindern Spaß macht. Für gewöhnlich sprechen wir, aber wenn sie mir bei einer Arbeit helfen wollen oder auch nur Ball spielen möchten, dann tun wir eben das." „Wenn Sie sich wirklich bemühen", meint Richard P. Halvorsen von der Zweiten Gemeinde in Overland Park in Kansas „können Sie in einer halben Stunde ungeheuer viel erreichen. Man benötigt nicht viel Zeit, sich Freunde zu schaffen. Am besten sehen Sie das selbst an ihren eigenen Freunden. Sie müssen nicht Stunden um Stunden damit ver- bringen, ihnen Ihr Interesse zu zeigen. Einige Minuten genügen, um dem Be- treffenden mitzuteilen durch Wort oder Tat , daß er für Sie etwas Besonderes ist. Das schließt natürlich nicht aus, daß es von Zeit zu Zeit notwendig ist, auch etwas mehr Zeit zusammen zu verbringen." Jack L. Green, Präsident der Gemeinde Sterling Park in Virginia zeigt ein an-

deres Problem auf: Seine größeren Kin- der hatten für ihn nicht viel Zeit übrig. Die Lösung?

„Ich mache mich so oft wie möglich frei, um sie und ihre Freunde zu einer Tanz- oder anderen Veranstaltung zu fahren. Auf diese Weise habe ich Zeit, bei ihnen zu sein, ihre Freunde kennenzulernen und dem Gespräch mit ihren Freunden zuzuhören.

Wenn ich dann später mit meinen Kin- dern spreche, kenne ich die jungen Leute, von denen sie erzählen." Bruder Green meinte: ,,Die beste Zeit, mit den kleineren Kindern zu reden, ist, wenn ich von der Arbeit heimkomme. Gewöhnlich ist das Abendessen noch nicht fertig. Die Kleinsten warten schon gespannt, bis Papa nach Hause kommt. Dann halte ich sie auf dem Schoß oder beschäftige mich sonstwie eine Weile mit ihnen."

Bruder Pixton hat einen anderen idealen Zeitpunkt: beim Zubettgehen. Barbara, seine Frau, erzählte: „Wenn er abends zu Hause ist, verbringt er oft den ganzen Abend, die Kinder einzeln ins Bett zu bringen. Das geht langsam vor sich er spricht mit jedem Kind eine Zeitlang - und braucht mehr Zeit, als ich oft mit jedem einzelnen von ihnen verbringe. Manchmal spielt er Klavier für die Kleineren, und sie tanzen dazu. Das haben sie sehr gern." „Ich bin in der glücklichen Lage", sagt Milo Le Baron jun., Bischof der 15. Gemeinde in Mesa, Arizona, „daß ich bei meiner Arbeit die Kinder zeitweise mitarbeiten lassen kann. Die zehn Mi- nuten Nachhauseweg von der Arbeit sind etwas Besonderes nur sie und ich sind im Auto, und dann unterhalten wir uns über verschiedenes." Dann gibt es noch die Ferien. Ob es nun Camping, Überlandfahrten, ein Haus- anbau oder nur gemeinsame Hausarbeit ist -- Ferienzeit ist gewöhnlich die Zeit,

in der die Familie beisammen ist. Lloyd D. Wilson, Bischof der Gemeinde Paci- fica in Kalifornien, ist ein begeisterter Camper und Angler. Auch er hat eine originelle Art, Ferien zu verbringen, gefunden. „Ich nahm meinen Ältesten, der in seinem letzten Jahr am Gymna- sium war, seinen Bruder und einen ihrer Freunde, und wir fuhren mit dem Rad von Ely, Nevada, nach Colorado. Wir gingen es gemächlich an - wenn wir müde waren, hörten wir auf. Aber an manchen Tagen schafften wir bis zu 225 Kilometer. Wir hatten diese Radtour gemeinsam geplant und hatten viel Spaß dabei.

Sich anpassen

Manchmal passiert es jedoch, daß der sorgfältigst ausgearbeitete Zeitplan über den Haufen geworfen wird: Eine ein- wöchige Geschäftsreise, die plötzliche Anhäufung von Arbeit, die Nachtarbeit erforderlich macht, oder Schichtarbeit. Das alles kann Väter auf Tage, manches Mal sogar Wochen von zu Hause fern- halten. Ein Vater kann nichts dagegen tun, will er nicht seinen Job verlieren! „Was haben Sie da gemacht?" fragte ich Robert C. Will, den Pfahlpräsidenten des Pfahles Mildland in Michigan. „Nehmen Sie sich eine gute Frau", hat er mir erwidert. Tatsächlich ist das oft der Schlüssel zum Erfolg, den ein viel- beschäftigter Familienvater in seinem Familienleben hat. Niemand kann den Platz des Vaters einnehmen, aber wenn seine Arbeit oder seine Berufung in der Kirche verlangen, daß er einige Zeit von seinen Kindern fort sein muß, dann kann die Einstellung der Mutter ent- scheidend sein.

Dazu die Frau eines Bischofs: „Als mein Mann Bischof wurde, war es anfangs schwer für mich. Nun hatte ich plötzlich alle Gartenarbeit zu tun - - zusätzlich zum Haushalt."

Ihr Gatte stimmte ihr zu: „Das hat meiner Frau eine ganz schöne Bürde auferlegt. Aber auch ich hatte eine wichtige Verantwortung zu tragen. Ich mußte mich immer daran erinnern, wenn ich nach Hause kam und das Geschirr vom letzten Abendessen war noch im Abwaschbecken, und das Wohnzimmer war nicht aufgeräumt, oder der Rasen mußte gemäht werden. Ich habe mich daran erinnern müssen, daß ich mich niemals darüber beschwe- ren kann. Statt dessen muß ich mithelfen und auch einige der Kinder. Meine Frau beschwert sich nie über das, was ich tue - warum sollte ich es tun?"

Bruder Halvorsen glaubt, daß man be- hutsam das Verhalten der Kinder be- einflussen kann. ,,lch achte sehr darauf, niemals zu sagen: ,Euer Vater kann nicht mit euch spielen, da er zu einer Versammlung gehen muß. Auch sage ich ihnen nicht nur, daß ich zu einer Versammlung muß. Ich erzähle ihnen etwas vom Thema der Versammlung und warum es wichtig ist.

Gerade weil ich ihnen Einzelheiten erzähle, verstehen sie mich besser. Da ich mir die Zeit nehme, ein paar Minu- ten mit ihnen zu spielen, wissen sie, daß ich gerne bei ihnen sein möchte. Sie fühlen sich nicht vernachlässigt oder übergangen.

Die richtige Einstellung der Frau und der Kinder ist ein wichtiger Faktor, daß häufige Fehlen des Vaters auszu- gleichen. Genauso wichtig aber ist die eigene Einstellung des Vaters.

Ein Universitätsprofessor, der zugleich Bischof einer Gemeinde in Kalifornien ist, erzählte: „Wo ich arbeite, gibt es Leute, die auf die Anzahl der Über- stunden, die sie leisten, sehr stolz sind. Sie arbeiten bis spät in die Nacht im Büro. Sie sind ständig in der Bibliothek. Ihre wissenschaftlichen Abhandlungen

werden veröffentlicht. Sie sind in ihrem Beruf erfolgreich. Aber sie bezahlen einen Preis. Sie sagen mir, sie täten es für ihre Familie - aber vieles spricht da- gegen."

Ein Vater in der Kirche weiß, was Vorrang hat. Es spielt dabei keine Rolle, wieviel Ämter er in der Kirche hat und wieviel der Beruf von ihm verlangt. Natürlich ist es erstrebenswert, im Berufsleben erfolgreich zu sein. Auch erwartet der Herr von uns, daß wir unsere Berufung in der Kirche gut erfüllen. „Aber nichts geht über meine Familie", sagt Robert E. Sorensen jun„ Bischof der Gemeinde Linda Mar in Kalifornien. „Manche erwarten von mir, daß ich meinen Beruf an die erste Stelle setze. Aber die Arbeit kommt an dritter Stelle hinter meiner Familie und der Kirche. Meine Arbeitskollegen ver- stehen das jetzt. Ich halte meine Ver- pflichtungen ihnen gegenüber ein, drük- ke mich nicht vor der Arbeit und schiebe auch nicht irgend etwas auf. Ich habe eine gute Dienstbeschreibung. Aber sie wissen, daß sie mich samstags nicht im Büro sehen werden da bin ich bei meiner Familie und bei meiner Gemein- de. Das trifft dann noch viel mehr auf den Sonntag zu.

Viele dieser Männer beschreiben das Erstaunen ihrer Kollegen, als sie er- kannten, daß es etwas Wichtigeres als das Vorankommen und das Geldver- dienen gibt. Aber sie berichten von wenig ablehnender Haltung, „haben doch auch mein Chef und meine Kolle- gen eine Familie", meinte ein Bischof. „Nach einiger Zeit bemerkte ich, daß auch sie öfters daheim waren. Seltsam, die Welt stürzte deswegen auch nicht zusammen, wenn sie nicht mehr 60 Stunden die Woche arbeiten." Tatsächlich beginnt dann alles erst wenn sie mit ihrer Familie zu Hause sind.

Das Feueropfer

Thomas J. Griffiths

We

enn jemand an diesem Herbst- abend an Emry Davis' Hütte vorbei- gekommen wäre, er wäre stehen- geblieben, um den Duft, der aus dem Rauchfang stieg, zu riechen. Hätte er in die Hütte hineinsehen können, er hätte etwas fast Unglaubliches gesehen. Doch zuerst sollten wir mit Herrn Emry Davis bekannt werden. Er lebt in einer kleinen walisischen Ortschaft; dort wur- de er auch geboren. Er führte ein einfaches Leben. Er war in einer nahege- gelegenen Kohlengrube als Angestellter beschäftigt. Mehrmals die Woche be- suchte er am Abend das Dorfwirtshaus, trank sein Bier und sah den anderen beim Billard und Würfelspiel zu. An den anderen Abenden blieb er zu Hause und las in der Bibel. In seinem Innersten war Emry Davis sehr religiös. Aus irgendeinem Anlaß war der Priester der hiesigen Pfarre an ihn herangetreten und hatte ihn zu einem Besuch seiner Gemeinde eingeladen, mit der Absicht, in ihm ein neues Mitglied zu bekommen. Er hatte abgelehnt und den guten Mann in ziemliche Verlegenheit gebracht, in- dem er ihm auf den Kopf zusagte, seine Predigten seien nur übertriebene Worte und stünden nicht im Einklang mit der Schrift. Dies war vor einigen Jahren, und der Priester hatte ihn nicht wieder eingeladen. Vor zwei Jahren nahm sein Leben einen tragischen Verlauf. Seine Frau starb bei der Geburt ihres Kindes.

Er konnte einfach nicht glauben, daß er und seine geliebte Gweyneth nun für immer getrennt sein sollten. Eines Abends, er saß gerade beim Kaminfeuer und las in der Bibel, klopfte es an der Tür. Als er öffnete, sah er sich zwei jungen Männern gegenüber. Ehe er sie noch fragen konnte, was sie wollten, sagte einer von ihnen: „Wir sind Missio- nare der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Wir möchten Ihnen etwas von unserer Kirche und ihren Lehren erzählen."

„Wieder nur Geschwätz", dachte sich Emry Davis und wollte die Tür zu- schlagen. Doch da sah er sie nochmals an. Es war etwas Besonderes an ihnen, etwas, was er nicht verstand. In ihren Gesichtern las er Wahrheitsliebe, Auf- richtigkeit und Mut. Er hörte sich sagen: „Kommen Sie weiter." Beim Schein des Kaminfeuers, das sich in ihren Gesichtern wider- spiegelte, erzählten ihm die zwei jungen Männer eine Geschichte, die ihn auch seine Bibel besser verstehen ließ. Was er zuerst nur als Geschwätz angesehen hatte, berührte nun sein Innerstes. Als sie ihn gegen Mitternacht verließen, bat er sie wiederzukommen.

8

Nach einigen Tagen kamen sie zurück und setzten die Diskussionen fort. Dann kam jener besondere Abend, an dem seine innigsten Gebete erhört wurden. Die Missionare erklärten ihm das Ge- setz der ewigen Ehe. Er und seine dahingeschiedene Frau konnten wieder vereint werden. Er mußte nur das Evan- gelium annehmen, es befolgen und seine Frau im Haus des Herrn an sich siegeln lassen.

Sein Innerstes schien von neuem Leben erfüllt zu sein. Er wußte, er hatte die Wahrheit gefunden. Es gab jedoch ein Hindernis, bevor er getauft werden kon- nte. Er liebte den Tabak. Mit dem Biertrinken aufzuhören, das würde ihm nicht schwer fallen. Im Laufe der Jahre hatte er aber eine Pfeifensammlung mit Pfeifen aus verschiedenen Ländern an- gelegt. Das Rauchen war ein Teil seines Lebens geworden. Er hatte den Wunsch geäußert getauft zu werden, nun aber fragte er sich, ob er die Kraft aufbrachte, das Rauchen zu überwinden. Über dem Kaminsims war eine Glasvitrine und darin waren die Pfeifen. Sie schienen auf ihn herabzublicken wie ein Götzenbild. In jener Nacht kniete er neben seinem Bett und bat um eine Antwort. Als der

Morgen über den walisischen Hügel heraufdämmerte, wußte er die Antwort. Der Herr hat durch seinen Propheten gesagt, daß Tabak nicht gut für den Menschen sei (LuB 89:8) und daß der Geist des Herrn nicht in unreinen Tem- peln wohne.

Am nächsten Sonntag nach der Abend- mahlsversammlung lud Emry Davis die Mitglieder in seine Hütte. Er hatte eine Waliser Torte und Limonade bereitet. Nach den Erfrischungen bat er seine Gäste um Aufmerksamkeit. „Eine Zeitlang", sagte er ,,habe ich mich einem schwierigen Problem gegenüber gesehen. Aber als wir heute das Schluß- lied gesungen haben, ist mir die Lösung eingefallen." Dann erklärte er ihnen das Problem mit seinen Pfeifen. Als er zu Ende erzählt hatte, langte er auf den Kaminsims und holte die Vitrine mit den Pfeifen herunter. Eine nach der anderen warf er in die Flammen und sah zu, wie sie von den Flammen verzehrt wurden. Neben ihm standen die Missio- nare und im Hintergrund die Mitglieder. Draußen war die Luft vom Geruch brennender Pfeifen erfüllt; im Inneren des Hauses aber war der Geist des Herrn.

9

Joseph Smiths

CHIRURG

LeRoy S. Wirthlin

Di

'ie Mitglieder der Kirche sind immer wieder davon ergriffen, wenn sie er- fahren, wie tapfer Joseph Smith schon als achtjähriger Junge gewesen ist. Da- mals hatte er eine Knocheninfektion im Bein, und eine Amputation schien fast unausweichlich. Joseph Smith war be- reit, die Schmerzen einer Operation tapfer in den Armen seines Vaters zu ertragen; und er lehnte es ab, sich vorher mit Alkohol zu betäuben. Da ich selbst

Chirurg bin, habe ich mir immer über diese Operation und die Ärzte, die sie erfolgreich durchgeführt haben, Gedan- ken gemacht.

Diese Operation erfolgte 1813 in einer der entlegensten Gegenden New Hampshires. Die Infektion, die Medizin nennt sie Osteomyelitis, folgte einer Epidemie von Typhusfieber, die sämtli- che Kinder der Smith' ergriffen hatte. Bis zur Entdeckung von Antibiotika in

10

unserem Jahrhundert war die Osteo- myelitis eine verheerende Krankheit. Die zur Zeit Joseph Smith' angewandte Behandlung mit heißen Breiumschlägen und Pflastern war schon zur Zeit des griechischen Arztes Hippokrates üblich aber mit wenig Erfolg. War der Knochen infiziert, starben ganze Knochenpartien ab. Der Körper pro- duzierte neue Knochensubstanz, und diese umgab die abgestorbenen Knochenteile mit einer neuen lebenden Schicht. Unvermeidlich, daß sich der tote Knochen absonderte und in der Mitte einer Abszeßhöhlung zu liegen kam.

Dort tropfte er aus, oder aber die Infektion griff auf andere Teile des Körpers über, was den Tod zur Folge hatte. Normalerweise mußte im letzten Stadium das Bein amputiert werden. 1874 wird zum erstenmal die Operationstechnik beschrieben, die heu- te als Sequestrektomie die Ent- fernung eines abgestorbenen Knochen- stückes — bekannt ist. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie zur üblichen Me- thode. Sie ermöglichte ein Austrocknen des Knochens.

Doch schon 1813 beschreibt Lucy Mack Smith diese Operation: „Die Chirurgen fuhren fort zu operieren. Sie bohrten den Knochen zuerst von der kranken und dann von der anderen Seite an und brachen ihn mit einer Pinzette oder Kneifzange ab. Auf diese Weise ent- fernten sie große Knochenteile."

Hier beschreibt Lucy Mack Smith also eine Operationstechnik, die erst 1874 bekanntwurde. Wie konnte eine solche Operation bereits 60 Jahre vorher in der winzigen Gemeinde Lebanon in New Hampshire erfolgen?

Heilige der Letzten Tage würden es schwerlich als Zufall bezeichnen. In einer wenig bekannten Anmerkung zur

Geschichte der Kirche erwähnt Joseph Smith die Namen seiner Ärzte: Smith, Stone und Perkins von der medizini- schen Schule in Hanover, New Hamp- shire — 8 km von seiner Farm entfernt. Es waren nicht gewöhnliche, schlecht ausgebildete Landärzte, wie man sie damals überall antraf. Nathan Smith, der an der medizinischen Fakultät von Harvard in Cambridge, Massachusetts promoviert hatte, war der alleinige Be- gründer der medizinischen Schule, und er gründete später drei weitere medizini- sche Schulen in Neuengland. Er war auch Präsident der medizinischen Gesellschaft von New Hampshire, und schon bevor er Joseph Smith be- handelt hatte, war er Erster Professor für Medizin und Chirurgie in Yale in New Haven, Connecticut. Er hatte die Übersiedlung nach New Haven aufge- schoben, so daß er die Opfer der Typhusepidemie von 1813 in Hanover und den umliegenden Ortschaften be- handeln konnte.

Cyrus Perkins war ein ehemaliger Stu- dent Nathan Smith' und promovierte an der Medical School von Dartmouth. Er kehrte später zurück und wurde Pro- fessor der Anatomie und praktizierte zusammen mit seinem früheren Lehr- meister.

Stone war höchstwahrscheinlich auch ein ehemaliger Student Smith'. In den ersten Klassenregistern von Dartmouth erscheinen einige Stones. Daß Nathan Smith einer der größten Ärzte Amerikas jener Zeit war, erscheint hier noch bedeutungsvoller. Er selbst hatte bereits 1798 die Operation und Behandlung der Osteomyelitis einge- führt und schrieb 1 827 eine Abhandlung darüber. Diese wurde aber durch zwei Generationen hindurch nicht beachtet. Er, der seiner Zeit weit voraus war, war der einzige Mann in Amerika, der Jo- seph Smith das Bein erhalten konnte.

11

Nathan Smith war drei Jahre lang Gehilfe eines Landarztes, ohne eine Hochschulausbildung genossen zu ha- ben. Dann eröffnete er seine eigene Praxis in Cornish, New Hampshire. Mit seiner Schulbildung jedoch war er nicht zufrieden. Deshalb immatrikulierte er drei Jahre später an der neugegründeten Fakultät von Harvard in Cambridge, Massachusetts. Er promovierte als fünf- ter Doktor, den diese Schule hervor- gebracht hatte. 1790 nahm er wieder seine Praxis als Landarzt auf. Er betrachtete es als seine Aufgabe, sowohl den allgemeinen medizinischen Standard als auch die Kenntnisse seiner Kollegen zu heben. Er richtete ein An- suchen an die Aufsichtsratmitglieder des Dartmouth College, eine medizinische Fakultät errichten zu dürfen. Er ver- brachte ein Jahr in Edinburgh, Schott- land, und sammelte dort klinische Er- fahrung. Er hielt seine Er- öffnungsvorlesung in Dartmouth 1797. Dreizehn Jahre lang unterrichtete er allein Anatomie, Chemie, Chirurgie, Heilmittelkunde und theoretische und praktische Medizin, bis ihm 1810 Per- kins als Professor für Anatomie zur Seite gestellt wurde.

Für ihre Lehrtätigkeit erhielten beide kein Gehalt. Schulgelder und ihre gemeinsame Praxis waren ihr Einkom- men. Dr. Smith wurde in vielen schwieri- gen Fällen konsultiert, da er in Neu- england einen guten Ruf hatte - er hatte viele Ärzte dort ausgebildet. Oft mußte er über 150 Kilometer auf dem Rücken eines Pferdes über schlechte Landstraßen zurücklegen. Gewöhnlich nahm er 10 bis 20 seiner Medizin- studenten mit. Es war dies Teil ihrer Ausbildung.

Dasselbe ereignete sich bei Joseph Smith. Nachdem Dr. Stone zwei erfolg- lose Operationen an Josephs er- kranktem Bein durchgeführt hatte, be-

stand seine Mutter darauf, die Meinung anderer Ärzte einzuholen, und sie ver- langte, daß sich ein Ärztegremium da- mit befasse. Nathan Smith, sein Kollege Cyrus Perkins und Medizinstudenten aus Dartmouth kamen, um die not- wendige Operation durchzuführen. Zuerst schlug man eine Amputation vor. Lucy Mack Smith bat statt dessen, eine Operation zu versuchen, um damit den erkrankten Knochen zu entfernen. Ihre Beschreibung des Vorgangs ist genau und deckt sich mit jener, die man in den Aufzeichnungen der einstigen Medizin- studenten gefunden hat. Die Operation war erfolgreich. Josephs Wunde heilte. Die Tatsache, daß eine Wunde mit einem freiliegenden Knochenschaft so rasch heilte, grenzt wahrhaftig an ein Wunder. Jedoch war Nathan Smith ein außergewöhnlich erfolgreicher Chirurg. Wir hören nie, daß er nach einer Operation amputieren mußte. Joseph mußte drei Jahre lang Krücken benutzen, aber sein Leben und sein Bein waren verschont geblieben. Nach der Epidemie und der Operation verließen Nathan Smith und Joseph Smith New Hampshire. Nathan Smith wurde Professer in Yale, und Joseph Smith kehrte auf drei Jahre nach Ver- mont zurück, bevor er nach Palmyra, New York, übersiedelte, wo er schließ- lich sein großes Werk begann. Man kann es schwerlich Zufall nennen: ein Junge, der trotz zweier erfolgloser Operationen den Mut hatte, die Ampu- tation abzulehnen. Eine Mutter, die es nochmals mit einer Operation versu- chen wollte, obwohl sie nicht wußte, daß Nathan Smith der einzige Chirurg in den Vereinigten Staaten war, der auf diese Weise erfolgreich Osteomyelitis behan- delt hatte. Schließlich ergab sich noch die undramatische Verbindung zwi- schen dem richtigen Mann und der richtigen Zeit.

12

59-lch habe Mutti und Vati noch nie so glücklich gesehen wie damals, als wir als Familie in den Tempel gingen. Wir knieten alle rund um den Altar, hielten uns an den Händen und dachten: ,Das ist wirklich das Schönste, was es geben kann - nun sind wir für immer eine Familie!'"

„An dem Tag, an dem wir im Tempel aneinander gesiegelt wurden, verliebte ich mich in meinen Mann." ,,Der Tag, an dem wir in den Tempel

gingen, um für Zeit und alle Ewigkeit aneinander gesiegelt zu werden, war wirklich der schönste Tag unseres Le- bens; wir werden ihn nie vergessen und immer gerne daran zurückdenken." „Als wir dieses heilige Gebäude be- traten, um aneinander gesiegelt zu wer- den, überkam uns ein Gefühl des Frie- dens und der Ruhe. Nie zuvor hatten wir uns untereinander und mit dem Vater im Himmel so eins gefühlt." In jedem Jahr wird der Traum vieler

Der schönste Tag ihres Lebens

Jay A. Parry

1 1

Heiliger wahr: sie werden an ihren Ehepartner, mit dem sie bereits für dieses Leben verheiratet sind, im Tem- pel für Zeit und alle Ewigkeit gesiegelt. Einige dieser Heiligen sind einmal Mit- glieder gewesen, die nicht richtig aktiv waren. Einige haben einen Ehepartner, der früher nicht der Kirche angehörte. Andere sind der Kirche Jahre fern gewesen, weil sie von schlechten An- gewohnheiten nicht lassen konnten. Viele gehörten einmal nicht der Kirche an, waren einmal inaktiv gewesen oder hatten kein gutes Leben geführt. Wel- chen Weg haben sie beschritten, um schließlich die Freude zu verspüren, die man im Tempel erlangen kann? „Vor ein paar Jahren", erzählte ein Mitglied, „dachte ich, es gäbe nichts Wichtigeres als Kegeln zu gehen, mit meinen Freunden zu trinken und zu rauchen und nicht nach Hause zu kom- men. Heute verstehe ich nicht, wie ich jemals so etwas tun konnte. Als wir nach Texas übersiedelten, stand es ähnlich um mich. Ich ging nicht zur Kirche und machte mir keine Gedanken über Reli- gion. Dann ging meine Frau zu unserem Bischof und bat ihn um Hilfe. Er trug die Bitte meinem Ältestenkollegiums- präsidenten vor, der darüber betete und dann beschloß, daß er selbst unser Heimlehrer sein sollte. Dann passierte etwas Merkwürdiges. Als er zu seinem ersten Besuch zu uns kam, ließ ich ihn unerklärlicherweise herein ich hatte noch nie vorher einen Heimlehrer in unsere Wohnung gelassen. Er sprach als Freund, und ich spürte sofort, daß ich ihm wichtig war. Er fragte mich, ob ich gerne Sport betreibe; nun, das war sehr gut, denn ich habe Sport sehr gern. Er erzählte mir, daß er Basketball spielte, und fragte mich, ob ich mich nicht ihm und den anderen in der Mannschaft anschließen wolle. Ich war froh, mit- machen zu dürfen. Nachdem ich die

guten Männer in der Mannschaft kennengelernt hatte, hatte ich das Ge- fühl, als ob die Freunde, die ich in der Bar gehabt hatte, eigentlich keine wirk- lichen Freunde seien." Aber dieser Bruder besuchte noch im- mer nicht die Versammlungen. Jeden Monat luden ihn die Heimlehrer dazu ein, und jeden Monat erfand er eine andere Ausrede. „Ich fürchtete mich vor der Veränderung. Aber der Kollegiums- präsident zeigt mir nie, daß mein Verhalten schlecht war oder daß ich mich meiner Ausreden wegen schämen müßte; ich war immer glücklich und froh, wenn er zu uns kam. Dann starb mein Vater. Ich erkannte, daß ich ihn mein ganzes Leben lang enttäuscht hat- te, und gelobte, daß ich ihn und meine Mutter nie wieder enttäuschen würde. Am nächsten Sonntag ging ich in Hou- ston das erste Mal in die Kirche. Die Mitglieder nahmen mich auf, als ob ich nie inaktiv gewesen wäre." Von da an brauchte er nur noch diesen neuen Weg weiter zu beschreiten, um mit seiner Frau und seinen Kindern in den Tempel gehen zu können. Viele Menschen ändern ihre Lebens- weise langsam und allmählich, wenn sie spüren, wie andere sie gerne haben oder wenn sie Buße tun.

1972 wurden ein Ehepaar und ihre sechs Kinder im Tempel aneinander gesiegelt. „Ich habe Mutti und Vati noch nie so glücklich gesehen wie damals, als wir als Familie in den Tempel gingen. Dieser freudenreiche Tag war der Höhepunkt von mehr als zwanzig Jahren Arbeit", erinnerte sich eine Tochter. Die Frau meint dazu: „Ich wuchs in einer starken Familie auf, die der Kirche angehörte, aber ich heiratete einen Mann, der nicht der Kirche angehörte, in dem Glauben, daß ich ihn bekehren könne. 1953 schloß er sich der Kirche an, aber bald erkannte ich, daß er das nur getan hatte, damit ich

14

endlich aufhörte, an ihm herumzunör- geln. Er begann nach seiner Taufe sogar zu trinken und zu rauchen, und das hatte er vorher nie getan. Ich glaube, ich habe ihn in diesen Jahren viel kritisiert. Selbstgerecht habe ich die Kinder in die Kirche mitgenommen, und wenn ich nach Hause kam, stritt ich mit ihm, weil er nicht auch gegangen war." Was hat schließlich die Veränderung bewirkt? „Während all dieser Jahre betete ich so viel, daß ich mir nicht die Zeit nahm, auf eine Antwort des Herrn zu hören. Und wenn ich sie hörte, beachtete ich sie nicht. Aber schließlich war ich so verzweifelt, daß ich keine andere Wahl mehr hatte, als es so zu tun, wie der Herr es wollte. ,Du mußt ihn so lieben, daß er von selbst kommt' flüster- te mir der Geist zu. ,Laß ihn so schnell gehen, wie er selbst kann.' Das machte ich schließlich, und es dauerte nicht sehr lange, da waren wir alle im Tempel." Zur gleichen Zeit wirkte der Herr auf diesen Mann auch noch auf andere Weise ein. Seine Arbeitskollegen be- gannen, sich über Joseph Smith lustig zu machen. Da hatte er das Gefühl, daß er für sich selbst herausfinden müsse, ob das, was sie sagten, wahr war. Wenn das alles stimmte, wollte er aus der Kirche austreten. „Ich begann, im Buch Mor- mon zu lesen. Nie zuvor hatte ich aufrichtig versucht, es zu verstehen. Es war ein herrliches Erlebnis. Und ich lernte, wie ich die Kirche am Arbeits- platz verteidigen mußte; ich erfuhr auch, daß es wert war, sie zu verteidigen. Mich dürstete richtig danach, die Wahrheit zu erfahren. Ich ging wieder in die Kirche. Und die ganze Zeit über war ich er- staunt, wie geduldig mir meine Frau zur Seite stand. Anstatt zu nörgeln und anstatt zu sagen: ,Das habe ich dir ja auch gesagt' wie sie das früher immer getan hatte, wenn ich wieder einmal zur Kirche ging, nahm sie einfach meine

Hand und sagte, daß sie mir helfen wolle, das zu tun, was mich am glück- lichsten machen würde." Er begann, in der Schrift zu lesen und die Versammlungen zu besuchen. An einem Fastsonntag gab er ein einfaches Zeug- nis; man ging mit ihm noch einmal die Missionarsdiskussionen durch, er gab das Trinken auf und bemühte sich sehr, auch das Rauchen aufzugeben. „Ich dachte, es wäre für mich ein leichtes, das Rauchen aufzugeben, obwohl ich schon sieben Jahre lang geraucht hatte denn im allgemeinen habe ich einen starken Willen. Ich versuchte immer und immer wieder aufzuhören, aber ich schaffte es nicht. Jedesmal, wenn ich ganz ent- schieden beschloß aufzuhören, passierte irgend etwas, und plötzlich hatte ich wieder eine Zigarette in der Hand und rauchte. Ich hatte erzählen gehört, daß der Herr den Menschen den Wunsch zu rauchen nimmt, wenn sie ihn aufrichtig im Gebet suchen, aber das funktionierte bei mir nicht. Vielleicht glaubte ich nicht stark genug, oder der Herr wollte, daß ich durch diese Schwierigkeiten noch mehr wachse. Ich wußte nur, daß ich nicht aufhören konnte. Schließlich wandte ich mich an den Herrn im Gebet und verpflichtete mich ihm gegenüber, daß ich nie wieder rauchen würde, selbst dann nicht, wenn es schwierig wäre. Es war nicht leicht selbst heute noch drängt es mich, wenn ich Tabak rieche, wieder zu rauchen aber seit damals habe ich mein Gelübde nie gebrochen.' ,Ich glaube nicht, daß das alles so hätte geschehen können, wenn wir nicht einen Plan aufgestellt hätten. Unsere Heim- lehrer sagten uns, daß es das beste wäre, wenn wir uns genaue Ziele darüber setzen würden, was wir zu tun hätten, bevor wir in den Tempel gehen könnten, und daß wir dann natürlich unsere Ziele in der festgesetzten Zeit erreichen müß- ten. Fürs erste beschlossen wir, alle

15

Versammlungen zu besuchen. Das war für mich sehr schwer, denn ich arbeitete nachts, und die Priestertums- versammlung begann eine Stunde nach Beginn der Zeit, wo ich üblicherweise zu Bett ging. Aber ich ging zur Versamm- lung. Zweitens mußte ich damit be- ginnen, nach dem Wort der Weisheit zu leben; drittens mußten wir Zehnten zahlen und so weiter. Diese Ziele be- wirkten die Veränderung. Sie gaben uns eine Frist, bis wann wir jeden Punkt erreicht haben wollten, und auch ein Datum, wann wir im Tempel sein woll- ten. Das war für uns die einzige Möglichkeit."

Ein Ehepaar in England wurde ein- geladen, ein besonderes Seminar zu besuchen, das für die abgehalten wurde, die noch nie im Tempel waren. ,, Jede Woche hörten wir das Zeugnis von vielen Mitgliedern, die gesegnet worden waren, weil sie die Gebote des Herrn gehalten hatten, von Mitgliedern, die ihr Leben ändern mußten, bevor sie in den Tempel gehen konnten. Das hat uns wirklich geholfen. Und jede Woche bekamen wir einen anderen Auftrag aus dem Evangelium, den wir in unser Leben einbeziehen und während der Woche erreichen mußten." Bei Ab- schluß des Seminars hatten sie das Gefühl, daß sie vorbereitet waren, in den Tempel zu gehen, auch die erforderli- chen Unterredungen wurden geführt. „Am 9. November 1973 konnten wir unser Endowment empfangen, und wir wurden mit unseren Kindern Jon und Jamey für Zeit und Ewigkeit aneinander gesiegelt. Das war wirklich der schönste Tag in unserem Leben." Eine andere Schwester erzählt, wie sie und ihre Familie schließlich in den Tempel gehen konnten: „Der Haupt- grund, warum ich in der Kirche völlig inaktiv wurde, war vielleicht der, daß ich das Wort der Weisheit nicht befolgte

und mich jedesmal sehr schuldig fühlte, wenn ich mit Mitgliedern zusammen war, die das taten, was sie tun sollten. Dann wurde mein Mann in einen an- deren Bundesstaat versetzt, und die Heimlehrer dort suchten uns auf. Sie hießen Bruder Fakatou und Bruder Marcek. Es machte einen großen Ein- druck auf mich, daß sie kein Aufhebens darüber machten, daß ich das Wort der Weisheit nicht befolgte; vielmehr spra- chen sie über andere Bereiche des Evan- geliums. Als sie uns immer wieder besuchten, wurde ihre Sorge und Liebe offensichtlich, und wir mußten an Zeiten denken, wo es uns besser ergangen war. Bruder Marcek holte unsere beiden Mädchen ab, um ihnen die Kaninchen zu zeigen, die er aufzog. Schwester Fakatou rief mich an, und wir plauder- ten miteinander wie alte Freunde. Es sah so aus, als würde sich die ganze Gemein- de um uns kümmern, obwohl wir nie zur Kirche gingen. Diese Heimlehrer und unsere neuen Freunde in der Gemeinde bewirkten, daß wir begannen das Wort der Weisheit und die anderen Gebote des Herrn zu befolgen, und schließlich in den Tempel gingen. Wir sahen, wie glücklich sie waren, weil sie das Richtige taten - und wir wußten, daß wir das auch erreichen konnten. Der Tag, an dem wir aneinander gesiegelt wurden, war der schönste in unserem Leben." Es gibt unzählige Zeugnisse wie diese, und die Umstände, die beschrieben wer- den, sind so verschieden wie die Men- schen, die es betrifft. Aber eines ist allen gemeinsam, die sich darauf vorbereite- ten, in den Tempel zu gehen. „Es war nicht annähernd so schwer, als wir es uns vorgestellt haben", sagte ein Ehepaar aus Kanada. „Wir dachten, wir würden es nie schaffen - - aber das war, bevor wir wirklich in uns gegangen waren und erkannt hatten, wo wir uns ändern mußten." Viele scheinen zu glauben,

16

jemand müsse vollkommen sein, um in den Tempel gehen zu können. Aber wer sich ernsthaft auf diese Segnungen vor- bereitet, erkennt, daß man ohne den Tempel niemals auf Vollkommenheit hoffen kann. Das Endowment und die Siegelung können die Heiligen erlangen, die bestimmte Bedingungen erfüllen; dadurch wird ihnen geholfen, Fort- schritt zu machen und sich zu ver- bessern.

Aber für manche scheinen die Forde- rungen dennoch ziemlich hoch, und zwar so lange, wie sie sich nicht ernstlich darum bemühen, das zu tun, was sie tun sollen.

Ein Ehepaar, das mit seiner Familie in den Tempel gehen möchte, um anein- ander gesiegelt zu werden, soll - - viel- leicht mit den Heimlehrern oder Prie- stertumsführern - - die oben angeführ- ten Bedingungen durchgehen, um fest- zustellen, was es zu tun hat. Gewöhnlich merken die Eheleute, daß sie in den meisten Bereichen bereit sind. Dann können sie einen Plan erstellen, auf dem sie festhalten, wie sie sich Schritt für Schritt in den anderen Bereichen vor- bereiten wollen und bis wann das ge- schehen soll. Meistens stellt es sich heraus, daß dies nicht so schwer ist, wie anfangs angenommen -- die Schwierig- keit liegt nur darin, daß man sich verpflichtet und damit beginnt. Der Lohn, den man dafür bekommt, daß man sich siegeln läßt, ist groß. Eine Tochter sagte: ,, Bevor Vati mit uns allen zum Tempel fuhr, war er herrisch und laut, und er verlor leicht die Be- herrschung. Jetzt ist er ruhig, höflich und liebevoll. Früher haßte ich ihn manchmal einfach. Dann sagte ich mei- ner Mutter, daß er für mich wie ein fremder Mann sei. Aber jetzt hat er einen so guten Geist; er strengt sich so an, um nach den Geboten zu leben, daß ich fast nicht glauben kann, daß er

derselbe Mann wie früher ist. Es ist einfach herrlich. Und ich weiß, daß das nur daher kommt, daß er sich mit der Hilfe des Herrn geändert hat; daher konnte er mit uns allen zum Tempel fahren, damit wir als Familie gesiegelt werden konnten."

„Nachdem er das in seinem Leben geändert hatte, wodurch er inaktiv ge- wesen war und weswegen er nicht in den Tempel gehen konnte, bereute mein Großvater sehr, daß er so viele Jahre verloren hatte. Immer wenn ein Baby gesegnet wurde, saß er still da und weinte, weil er nicht einmal zur Kirche gegangen war, als seine Kinder gesegnet wurden. Er hatte niemals das Priester- tum, das er trug, ausgeübt, um diese heilige Handlung selbst zu vollziehen. Nun war er sehr sanftmütig und demütig geworden und hatte Frieden mit sich selbst."

„Früher haßte ich mich wegen des Schlechten, das ich tat. Ich wußte, daß ich mich und meinen Mann in geistiger Hinsicht bremste. Dann überwand ich nach und nach, was schlecht war, und wir bereiteten uns darauf vor, in den Tempel zu gehen. Es kommt mir vor,als ob ich jetzt ein neuer Mensch bin. Und jetzt weiß ich, daß mein Leben vor dem Herrn annehmbar ist. Es ist das schönste Gefühl, das ich jemals hatte." Aber die endgültige Segnung, die wir durch eine Siegelung erhalten, kann man in diesem Leben nicht sehen. An einem der letzten Fastsonntage erzählte eine Schwester von ihrem kleinen Sohn Paul. Paul war in einen Wassergraben in der Nähe ihres Hauses gefallen und er- trunken. Die Schwester erzählte, wie sie und ihr Mann hoffnungslos und restlos verzweifelt gewesen waren. Seit vielen Jahren waren sie ohne Kinder geblieben; Paul war nach mehreren Fehlgeburten geboren worden, nachdem sie viel ge-

Fortsetzung Seite 23

17

Ich habe eine Frage

Die Antworten sollen Hilfe und Ausblick geben, sind aber nicht als offiziell verkündete Lehre der Kirche zu betrachten.

Warum ist es wichtig, nach einem Gebet oder einer Rede laut ,Amen' zu sagen?

Robert F. Clyde

Präsident des Pfahles Heber, Utah

Die Verwendung des Wortes „Amen" reicht Jahrtausende zurück, genauer gesagt, immer dann, wenn die Kirche auf Erden war, war „Amen"der vorgesehene Abschluß von Gebet und Predigt.

Im Alten Testament endet David den 106. Psalm mit den Worten: „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit, und alles Volk spreche: Amen!" (Psalm 106:48.) Der Herr sprach durch Mose über den Götzendienst und sagte: „Verflucht sei, wer einen Götzen oder ein ge- gossenes Bild macht, einen Greuel für den Herrn, ein Werk von den Händen der Werkmeister, und es heimlich auf- stellt! Und alles Volk soll antworten und sagen: Amen" (5. Mose 27:15). In der Mitte der Zeiten schloß der Er- löser das Vaterunser mit dem Wort „Amen", und Paulus lehrte es die Korinther (1. Korinther 14:16). Bruce R. McConkie vom Rat der Zwölf hat gesagt: „Es gibt ungefähr zwanzig Stellen in der Bibel, wo dieser

Ausdruck verwendet wird, fast doppelt so viele im Buch Mormon, und fast jede Offenbarung im Buch , Lehre und Bündnisse1 endet so" (Mormon Doc- trine, S. 32).

Die präsidierenden Brüder heute ha- ben uns folgendes gesagt: „Auf unseren kirchlichen Zusammen- künften klingt das gemeinsame „Amen" nach Gebeten und Reden im- mer schwächer. Alle Anwesenden sol- len es aber vernehmlich sprechen und dadurch bekunden, daß sie das Gesag- te gutheißen. Überall in der Kirche muß daher wieder einmal Nachdruck darauf gelegt werden, daß auf allen Zusammenkünften das Amen von den Anwesenden mitgesprochen werden soll" (Priestertumsnachrichten, Nr. 5., Oktober 1973, S. 4). Da wir die Anweisung bekommen ha- ben, das Gebet und jede Rede mit Amen zu beenden, müssen wir auch wissen, warum. Viele meinen, daß sie mit dem Amen nur ausdrücken, daß sie mit dem, was gesagt wurde, einver- standen sind, oder das Wort „Amen" bedeute, „so sei es"; in Wirklichkeit bedeutet es aber viel mehr. Grundsätzlich sind die Heiligen ein Volk, das mit Gott Bündnisse schließt. Wir schließen das Bündnis der Taufe, nehmen das Abendmahl, empfangen das Priestertum, das Endowment und die Siegelung der Ehe. Mit dem Wort „Amen"drücken wir aus, daß wir ein Bündnis schließen; wir drücken nicht nur hörbar aus, daß wir mit dem, was gesagt worden ist, einverstanden sind, sondern wir versprechen auch, daß wir die Grundsätze, die gelehrt worden sind, befolgen werden. Wenn wir einer Rede oder einem Ge-

18

Der Freund

11/1978

Ich bin

ein Kind des

Herrn

Robert D. Haies

vom Ersten Kollegium der Siebzig

Ich freue mich, daß ich heute für die Kinder, die den Kleinen Stern lesen, etwas schreiben kann. Ich möchte ih- nen von einer schönen und wichti- gen Evangeliumswahrheit erzählen, die wir alle verstehen und an die wir unser ganzes Leben lang denken sollen.

Diese große Wahrheit ist in dem Lied „Ich bin ein Kind des Herrn" enthalten; die Worte hat Schwester Naomi W. Randall geschrieben, die Melodie Mildred W. Pettit. Nicht jeder weiß, daß er ein Kind Gottes ist. Wenn wir die heilige Schrift lesen und auf die Worte unserer Pro- pheten hören, beginnen wir, diese Wahrheit und alle Grundsätze des Evangeliums zu verstehen. In der Köstlichen Perle steht, daß wir als Geistkinder bei unserem Vater im Himmel gewohnt haben, bevor wir auf diese Erde gekommen sind. Dort wurde eine große Rats-

versammlung abgehalten, bei der uns gesagt wurde, daß der Vater im Himmel es unserem Geist ermög- lichen würde, auf die Erde zu kom- men und in einem sterblichen Kör- per zu wohnen. Hier würden wir vieles lernen, aber auch versucht werden; aber weil der Vater im Himmel uns so sehr liebt, wollte er, daß wir zu ihm zurückkommen und wieder bei ihm leben können; er machte dies auch für uns möglich. Bei dieser Versammlung waren alle Kinder des himmlischen Vaters an- wesend. Wir freuten uns so über den Plan des Vaters, daß wir ,,jauchzten"(Hiob 38:7). Aber wir mußten auch eine Entscheidung darüber treffen, welches der Geist- kinder unseres Vaters auf die Erde kommen und seinen Plan ausführen sollte.

Luzifer war einer der strahlendsten Geistsöhne unseres Vaters im Him- mel. Er bat darum, auf die Erde gesandt zu werden; hier wollte er uns

1

/

alle dazu zwingen, in die Gegenwart des Vaters zurückzukehren, ohne daß wir für uns selbst wählen konn- ten, ob wir das Rechte tun wollten oder nicht.

Luzifer war eitel und sehr selbst- süchtig, denn er wollte dafür, daß der Plan des Herrn gelang, alle Ehre und Herrlichkeit für sich selbst ha- ben. Weil sein Plan nicht angenom- men wurde, wurde Luzifer böse und begann einen Aufruhr. Er und ein Drittel der Geistkinder, die ihm folgen wollten, wurden aus dem Himmel ausgestoßen. Luzifer der Name bedeutet auch Morgenstern erfuhr, daß er von nun an der Satan oder auch der Teufel genannt werden würde.

Der Satan und die, die ihm nach- folgten, bekamen die Erlaubnis, auf die Erde zu kommen und uns zu versuchen; sie dürfen auch versu- chen, uns zum Schlechten zu be- wegen. Aber keiner von ihnen hat einen sterblichen Körper. Sie sind eifersüchtig, weil wir einen Körper

haben, und sie tun alles, was sie können, um zu verhindern, daß wir in die Gegenwart des Herrn zurück- kehren.

Jesus, der älteste Sohn des Vaters, bot sich auch an, den Plan des Herrn auszuführen. Dieser Plan wurde schon in vielen Welten vor der unseren durchgeführt; er gewährte uns Entscheidungsfreiheit oder das Recht, selbst zu bestimmen, wie wir leben wollten. Weil Jesus, unser ältester Bruder, uns so sehr liebt, wollte er einen sterblichen Körper wie wir annehmen, um uns zu zei- gen, wie man richtig lebt. Außerdem war er bereit dazu, sein Leben zu opfern, damit uns auf wunderbare Weise die Vergebung unserer Sün- den möglich wäre, wenn wir Buße tun und uns entschließen, hier auf Erden rechtschaffen zu leben. Jesus wußte, daß wir in Versuchun- gen manchmal dazu verleitet wer- den würden, uns für das Falsche zu entscheiden. Aber mit seinem Plan konnten wir erkennen, wenn wir

etwas falsch gemacht haben, konn- ten dafür Buße tun und Vergebung erlangen. Buße tun heißt, daß man wirklich traurig ist, daß man sich von dem abwendet, was man falsch gemacht hat, Vergebung sucht und sich dann von ganzem Herzen be- müht, besser zu leben. Wir erkannten als Geister, was für eine große Segnung es ist, einen Körper zu erhalten und selbst wäh- len zu dürfen, was man tun möchte. Wir erfuhren auch, daß wir jedes- mal, wenn wir uns für das Richtige entscheiden würden, mehr Wissen erlangen und unseren Charakter verbessern und anderen Menschen besser helfen lernten. Schließlich sollten wir dadurch vollkommen werden, selbst wie unser Vater im Himmel vollkommen ist. Und so entschlossen wir uns dafür, den Weg zu gehen, den Jesus bereitet hat, als er den Plan des Vaters ausführte.

Weil wir wissen, daß jeder von uns ein Kind Gottes ist, verstehen wir

die schönen Worte in dem Lied „Ich bin ein Kind des Herrn" besonders gut. Je besser wir die Worte des Liedes verstehen, umso größer wird unser Zeugnis. Dann werden wir hoffentlich entschlossen „nein" sagen, wenn wir versucht werden, etwas Falsches zu tun. Unser Vater im Himmel liebt uns inniger, als wir begreifen können. Er hat gesagt, daß er „sein Volk gezählt habe" und daß jeder von uns wichtig für ihn ist. Er möchte, daß wir zurückkehren und wieder bei ihm und Jesus leben. Er möchte, daß wir mit ihm im Gebet sprechen, ihm sagen, daß wir ihn lieben und unsere Liebe dadurch zeigen, daß wir seine Gebote halten. Durch Gehorsam können wir ihm ähnlich werden und die Charaktereigenschaften ent- wickeln, die er bei seinen Kindern sehen möchte.

Dieses Leben hier auf Erden ist wichtig, um Fortschritt zu machen. Hier können wir als Brüder und Schwestern die Freude erleben, die

man spürt, wenn man anderen hilft und sich gemeinsam auf das ewige Leben vorbereitet. Adam und Eva waren die ersten Eltern auf der Erde. Sie gebrauchten ihre Entscheidungsfreiheit um zu wählen, welchen Gesetzen sie ge- horchen wollten. Sie wollten Eltern werden und Kinder haben, die sie zu Hause liebevoll im Evangelium unterweisen wollten. Auch eure El- tern haben sich dafür entschieden, euch und eure Brüder und Schwe- stern auf die Welt zu bringen, damit weitere Geistkinder unseres Vaters im Himmel auf die Erde kommen konnten.

Mit unserer irdischen Geburt haben wir das Leben im Himmel als Geist- kinder Gottes vergessen. Doch der Heilige Geist kann jedem davon Zeugnis geben, daß er tatsächlich ein geistiges Kind Gottes ist, genau- so wie er ein irdisches Kind seines Vaters und seiner Mutter ist. Wenn wir wissen, wer wir sind, was wir tun sollen und wohin wir kommen, dann sind wir glücklich, und unser Leben hat einen Zweck. Der Vater im Himmel beabsichtigt für unsere lieben Eltern, daß sie im Himmel auch mit uns zusammen sein sollen. Dort werden wir zu- sammen als eine ewige Familie le- ben. Genauso, wie wir unserem Vater im Himmel zeigen, daß wir ihn lieben, wenn wir seinen Gesetzen und Geboten gehorchen, so ehren wir unsere irdischen Eltern, wenn wir sie lieben und ihnen gehorchen. Um in die Gegenwart des Vaters im Himmel zurückzukehren, müssen wir unsere Entscheidungsfreiheit so

gebrauchen, daß wir uns für das Richtige entscheiden. Wir müssen seinen Geboten gehorchen und auf- richtig Buße tun, wenn wir etwas falsch gemacht haben. Wie werden das Richtige tun , wenn wir auf unsere Eltern, unsere PV- und Sonn- tagsschullehrerin und auf die Menschen hören, die uns wirklich gerne haben.

Obwohl es nicht möglich ist, daß sie uns überallhin begleiten, können wir doch spüren, daß sie uns lieben und für uns beten. Sie wollen nur, daß wir glücklich sind. Sie wissen aus Erfahrung, daß dies nur dann mög- lich ist, wenn wir rechtschaffen le- ben.

Wir können auch vom Heiligen Geist geführt werden, wenn wir so leben, daß wir dazu würdig sind. Jede Woche nehmen wir am Abend- mahl teil, um uns an Jesus Christus und daran zu erinnern, was er für uns getan hat. Uns wird gesagt, daß wir seinen Geist immer bei uns haben werden, wenn wir seine Ge- bote halten und immer an ihn denk- en. Mit der Führung des Heiligen Geistes können wir unseren Weg zurück in die Gegenwart unseres Vaters im Himmel finden. Doch nur wenn wir das tun, was wir gelernt haben, können wir eines Tages in unser himmlisches Zu- hause zurückkehren und immer mit dem Vater, mit seinem Sohn Jesus Christus und mit all denen leben, die wir liebhaben.

Wir können ein glücklicheres Leben führen, wenn wir die Worte „Ich bin ein Kind des Herrn"ganz verstehen lernen.

Von Freund zu Freund

J. Richard Clarke

Zweiter Ratgeber des Präsidierenden Bischofs

Seit ich der Präsidierenden Bischof- schaft angehöre, habe ich die Mög- lichkeit, in den Wohlfahrtsdiensten der Kirche mitzuarbeiten. Dies war für mich eine der bisher interessan- testen Aufgaben. 1936 wurde das Wohlfahrtsprogramm eingeführt, als Heber J. Grant Präsident der Kirche war. Es hat sich so aus- geweitet, daß es jetzt viele verschie- dene Bereiche unseres Lebens um- faßt.

Die meisten von euch wissen, daß durch die Wohlfahrtsdienste für die!Armen und Bedürftigen gesorgt und denen geholfen wird, die nicht so viel haben wie wir. Vielleicht habt ihr schon einmal die Möglichkeit gehabt, mit eurer Familie an einem Wohlfahrtsprojekt mitzuarbeiten. Ich kenne eine Familie, die mit ihren

Kindern zu einer Wohlfahrtsfarm im Salzseetal fuhr. Die Kinder, die drei, zehn und elf Jahre alt waren, jäteten mit ihrem Vater in einem Zuckerrübenfeld das Unkraut. Als die Arbeit immer schwerer wurde, hörte das zehnjährige Mädchen plötzlich zu arbeiten auf und wandte sich an ihren Vater und fragte: „Warum tun wir denn das, Vati?" Er erklärte ihr, daß die Zuckerrüben durch ihre Arbeit besser wachsen können. Die Rüben würden wachs- en und geerntet werden, der Zucker hergestellt und in das Vorratshaus des Bischofs gebracht werden. Der Zucker und andere verschiedene Nahrungsmittel, die von Wohl- fahrtsfarmen der Kirche stammen, kommen in das Vorratshaus des Bischofs, damit man sie Mitgliedern

der Kirche geben kann, die nicht genügend Geld haben, um sich Nahrungsmittel zu kaufen. Doch die Wohlfahrtsdienste umfas- sen mehr als das. Durch sie lernen und planen wir, wie wir uns selbst und unserer Familie in vielen Be- reichen helfen können. Vor mehr als hundert Jahren gab Brigham Young den Müttern und Vätern in der Kirche den folgenden Rat:

„Wenn die kleinen Mädchen eine Puppe haben wollen, sollen sie eine bekommen? Ja. Aber muß man die Puppe zum Schneider tragen, damit sie Kleider bekommt? Nein. Die Mädchen sollen lernen, die Klei- dung ihrer Puppen selbst zu schnei- dern, und ein paar Jahre danach werden sie für sich selbst und andere die Kleidung nähen können. Die Jungen sollen Werkzeug besitzen und ihre eigenen Schlitten, Wagen usw. basteln. Wenn sie groß sind, können sie mit dem Werkzeug um- gehen und selbst einen Karren, ein

Haus oder sonst etwas bauen"(Discourses of Brigham Young, S. 210).

Junge Freunde, es ist heute genauso notwendig wie damals, daß die Jun- gen und Mädchen lernen, Dinge selbst herzustellen. Wenn ihr klein seid, sollt ihr die Fertigkeiten lernen, die ihr später, wenn ihr älter seid, braucht. Ihr Mädchen und Jungen sollt heute lernen, wie man kocht, näht und etwas zusammenbaut. Ihr könnt daran Spaß haben und zu gleicher Zeit lernen und eurer Fami- lie helfen.

Der Prophet, Spencer W. Kimball, hat noch auf andere Möglichkeiten hingewiesen, wie wir uns selbst und anderen helfen können. Er hat jede Familie in der Kirche aufgefordert, sich einen Jahresvorrat an Nah- rungsmitteln und Kleidung zu schaf- fen. Er hat auch jede Familie aufge- fordert, einen Garten anzulegen. In Virginia hatte eine Familie mit acht kleinen Kindern einen großen Garten, wo jedes Kind für ein Pflan-

zenbeet sorgen mußte. Das Kind hat gelernt, wie es seinen Teil des Gar- tens bearbeitet, und der ganzen Familie war damit geholfen. Zwei Jungen in einer anderen Fami- lie bekamen den Auftrag, eine Liste darüber anzulegen, welche Nahr- ungsmittel die Familie gelagert hat- te. Sie hatten die wichtige Aufgabe, immer darauf zu achten, welche Nahrungsmittel da waren, und die Eltern wissen zu lassen, wann etwas nachgekauft werden sollte. Ob ihr nun ein Stück Garten be- arbeitet, ob ihr über den Lebens- mittelvorrat Buch führt, ob ihr näht, kocht, baut oder eine andere wichti- ge Fertigkeit erlernt: je mehr ihr wißt und tut, desto eher könnt ihr eurer Familie helfen. Es ist sehr schön, heranzuwachsen und die Fertigkeiten zu erlernen, die euch eines Tages helfen werden, eine gute Mutter oder ein guter Vater zu sein! Ich habe nur ein paar Möglichkeiten aufgezählt, wie junge Menschen an den Wohlfahrtsdiensten der Kirche

teilhaben können. Wenn ihr lernt, eurer Familie helft und eurem Nächsten und Freunden dient, wer- det ihr sehr glücklich sein, und unser Vater im Himmel wird euch für eure Glaubenstreue segnen. Wir lesen im Buch , Lehre und Bündnisse': „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr seid kleine Kinder und habt noch nicht verstanden, welch große Se- gnungen der Vater in seinen Händen und für euch bereitet hat . . . Das Reich und seine Segnungen samt den Schätzen der Ewigkeit sind euer . . . Tut also die Dinge, die ich euch geboten habe" (LuB 78:17, 18, 20).

Ja, gibt's denn das?

Siehst du zwei Gesichter oder eine Vase?

Endloser Fortschritt ist hier möglich, aber er führt zu nichts.

w

mm

Verbinde die Punkte von 1-34.

.«9 18,

2.0

Z7

2b

za

bet zuhören und dabei daran denken, daß wir unsere Zustimmung dazu mit einem hörbaren Amen geben sollen, erreichen wir damit mehrere s. Erstens werden wir uns mehr auf das konzentrieren, was gesagt wird, und wenn wir hören, daß Grundsätze, die wir schon vorher verstanden oder Bündnisse, die wir geschlossen haben, erwähnt werden, werden wir uns ihnen von neuem weihen. Dann geloben wir in unserem Herzen erneut, was wir bei der Taufe, bei Unterredungen mit Priestertumsführern und im Tempel versprochen haben, und wir strengen uns mehr an, rechtschaffen zu leben. Zweitens werden wir dadurch oft im-

stande sein, unser Versprechen, gehor- sam zu sein, auszuführen, denn Gott hat gesagt: „Gehorsam ist besser als Opfer und Aufmerken besser als das Fett von Widdern" (1. Samuel 15:22). Drittens wird durch unser gemeinsa- mes Amen die Einigkeit und das gute Verhältnis unter den Anwesenden ge- fördert; außerdem können die Heili- gen dadurch geistig wachsen. Wenn wir „Amen" sagen, bringen wir zum Ausdruck, daß wir die Weisungen der Führer der Kirche befolgen wol- len. Dies ist für Gott hinlänglich Grund und für uns daher zwingend. Wenn wir uns danach halten, werden wir immer glücklich sein.

Das einzige Kind, das wir bisher haben, ist vor kurzem gestorben. Wir wissen, daß es in der Ewigkeit zu unserer Familie gehören wird, aber wir fragen uns, was wir tun können, damit es auch ein Teil unserer Familie hier auf Erden ist, wenn wir weitere Kinder haben werden.

Marvin R. Van Dam

Ratgeber des Bischofs der 20. Gemeinde in Holladay, Pfahl Salt Lake Olympus

Die Erinnerung unserer Familie an unseren kleinen Patrick begann, als ich sein Grab an einem wunder- schönen Augustnachmittag im Jahre 1972 weihte.

Patrick wurde in Abington in Pennsyl- vanien geboren, aber es gab bei der Geburt Komplikationen, deswegen lebte er nur sechs Tage. Wir wohnten gerade in der Nähe eines kleinen Friedhofs, aber wir beschlossen, daß wir ihn dort begraben wollten, wo wir endgültig wohnen würden oder zu- mindest in einer Gegend, wo wir leichter hinkommen konnten. Wegen meines Berufs waren wir viele Jahre lang gezwungen, oftmals umzuziehen. Daher fand das Begräbnis in Utah statt, wo wir aufgewachsen waren und wo auch unsere Eltern lebten. Inzwi- schen waren wir in zwei verschiedenen europäischen Ländern und kamen schließlich nach Utah zurück. Wir sind froh darüber, diese Entscheidung getroffen zu haben.

19

Im Weihungsgebet, das ich am Grab sprach, bat ich inständig, daß unsere Familie so leben möge, daß wir eines Tages würdig sein werden, an diesen vollkommenen Ort zu gelangen, wo Patrick jetzt ist. Jetzt, nach sechs Jahr- en, beten wir noch immer oft um diese Segnung, und wir haben festgestellt, daß dies unserer Familie viel Kraft gibt und sie auch anspornt, daran zu arbeiten, diesem Ziel näherzukommen.

Wir beten nicht nur darum, daß wir diesen lieben Sohn und Bruder eines Tages wiedersehen und mit ihm zu- sammen sein können, sondern wir meinen auch, daß wir für seinen gegenwärtigen Erfolg und für sein Wohlergehen beten sollen. Natürlich wissen wir, daß es ihm gutgeht, denn der Herr hat ja die Verheißung gege- ben, daß kleine Kinder vollkommen und würdig sind, in sein Reich einzu- gehen.

Da wir jetzt so nahe beim Friedhof wohnen, gehen wir von Zeit zu Zeit dorthin, um gemeinsam als Familie dort ein Gebet zu sprechen. Manch- mal sagt eines unserer Kinder: „Kön- nen wir bitte bei Patricks Grab vorbei- gehen und ein Gebet sprechen?" Wenn wir dies tun, bietet sich uns immer ei- ne gute Gelegenheit, die Kinder in wichtigen, heiligen und ewigen Angelegenheiten zu belehren.

Wir sind der Meinung, daß Patrick ge- nauso ein Teil unserer Familie ist wie jedes lebende Kind, und deshalb denk- en wir auch an seinen Geburtstag; selbst ein Geburtstagskuchen wird zu seinen Ehren gebacken. Wir ziehen großen Nutzen daraus, daß unsere Kinder unseren Glauben daran sehen, daß Patrick tatsächlich lebt, daß sein kleiner Körper einmal auferstehen wird und daß wir ewig als Familie zu- sammen sein können.

Vier unserer Kinder wurden nach Pa- tricks Tod geboren, und wir sind froh, daß wir für ihn ein Buch der Er- innerung angelegt haben, um uns an ihn zu erinnern. Es enthält seine Ur- kunden, Photos aus dem Krankenhaus und vom Begräbnis, Korrespondenz über ihn und andere kleine Schätze.

Wenn wir den Kindern dieses Buch der Erinnerung zeigen, bleibt Patrick den Kindern, die ihn gekannt haben, weiter im Gedächtnis, und für die Kinder, die ihn nicht gekannt haben, wird er zu einer wirklichen Persönlich- keit.

Meine Frau und ich sind außer- ordentlich dankbar dafür, daß der Herr uns die Gnade der Geburt und des Todes dieses kleinen Jungen ge- währt hat. Dies wurde zu einem der schönsten und geistigsten Erlebnisse, die wir als Familie seit unserer Ehe- schließung gehabt haben. Der Herr hat uns die Gegenwart und selbst den Tod Patricks so schön gemacht; wir halten nicht nur die Erinnerung an Pa- trick selbst hoch, sondern auch die Er- innerung an diese besonderen und hei- ligen Tage, die wir damals mit- einander verbracht haben. Damals studierten wir die Lehren der Kirche und was über kleine Kinder, die ster- ben, aufgezeichnet ist, so genau wie nur möglich. Wir als Eltern und als Familie können schwer ausdrücken, wie dankbar wir dafür sind, daß so herrliche Segnungen für die Zukunft darauf verheißen sind. Ich möchte be- tonen, daß wir als Familie nicht dau- ernd an Patrick denken und auch nicht dauernd von ihm sprechen, aber wir arbeiten bewußt daran, daß wir ihn nicht vergessen, ebensowenig wie die besondere Aufforderung und Ver- heißung, die unsere Familie durch ihn erhalten hat.

20

„Ich wurde zur FHV-Leiterin unserer Gemeinde berufen und weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin nicht der Typ, eine leitende Beamtin zu

sein'

Eugenia T. Herlin

Pfahl-FHV-Leiterin des Pfahles Boston, Massachusetts

Es schien mir immer, daß der Herr mindestens zwei wichtige Gründe haben muß, wenn jemand zu einer Aufgabe berufen wird. Der eine ist der, daß wir anderen dienen und ihnen dabei helfen sollen, Fortschritte zu machen. Der andere ist der, daß wir selbst auch Fortschritt machen sollen. Wenn wir zu einem leitenden Amt berufen werden, dann können wir sicher sein, daß der Herr uns dabei helfen wird, die notwendigen Fähig- keiten zu entwickeln - - vorausgesetzt, daß wir uns entsprechend anstrengen wollen. Und dabei geht es insbesonde- re darum, daß wir uns selbst alles richtig einteilen.

In erster Linie ist es wichtig und uner- läßlich, daß man seine Aufgabe kennt. Jede Leiterin, der die vielen verschie- denen Aspekte der FHV bewußt sind, macht sich verständlicherweise Ge- danken über ihre Berufung. Sie muß das gesamte Programm der FHV gut verstehen. Aber wie?

Zuerst gibt es eine grundlegende Informationsquelle: das Handbuch. Es soll gebeterfüllt immer wieder gelesen, der Inhalt analysiert und Wichtiges unterstrichen werden. Dieses Buch enthält Offenbarung, Anleitung, Er- fahrungen, Beurteilung und Rat- schläge für die FHV; außerdem er- klärt es das Programm. Der Geist wird das Verständnis der neuen Leite- rin erleuchten, wenn sie einen Absatz nach dem anderen liest. Nachdem sie das Handbuch gelesen und die Führung des Herrn gesucht hat, kann die neue Leiterin mit ihrer Vorgängerin zusammenkommen, um mit ihr über die gegenwärtig starken und schwachen Punkte der FHV zu sprechen und um Berichte und Unter- lagen zu übernehmen. Die Leiterin muß vieles über jede einzelne Frau wissen, der sie dienen soll: Ist sie aktiv oder inaktiv? Ver- heiratet oder ledig? Ist sie zu Hause oder berufstätig? Wo wohnt sie? Wel- che Fähigkeiten hat sie, und welche Erfahrungen hat sie in der Kirche gemacht? Wenn die Leitung zusammenkommt, um gebeterfüllt die anderen Beamtinnen und Lehrerinnen auszusuchen, soll sie noch einmal im Detail die Aufgaben jeder Berufung durchgehen, um die Fähigkeiten jeder Schwester zu berücksichtigen. Sie soll dem Bischof eine Liste mit den Ver- sammlungen geben, die eine Schwe- ster, die zu einem Amt vorgeschlagen ist, besuchen soll; ferner sollen darauf ihre Aufgaben vermerkt sein. Wenn sie berufen wird, kann e keine Miß- verständnisse geben, und der Bischof kann betonen, wie wichtig die Schul- ung ist, die die Schwester erhalten kann. Gewöhnlich hat er all diese Informationen nicht bei der Hand, wenn sie die FHV-Leiterin oder die Bildungsratgeberin nicht zusammen-

21

stellt. Liegen sie ihm aber in geschrie- bener Form vor, kann er sie mit der Schwester, die berufen werden soll, durchgehen und sie ihr geben. Eine genaue Aufstellung davon, was erwar- tet wird, ist die beste Garantie für hingebungsvolle Arbeit. Dieselbe Sorg- falt sollte man dort walten lassen, wo man die Aufgaben der Besuchslehrerinnen aufschreibt, bevor diese berufen werden. Wenn man mit den Besuchslehrerinnen vierteljährlich eine Unterredung führt, werden diese ebenso wie die Leitung geistig auf- gerichtet; so trägt jeder dazu bei, daß man sich um jede Schwester kümmert. Unser Regionalrepräsentant, Bryant W. Rossiter, hat uns als Führungs- beamte ausgezeichnete Ratschläge und Anregungen gegeben. Er hat gesagt: (1) Ein erfolgreicher Führungsbeamter macht es den Menschen, die er führt, möglich, selbst erfolgreich zu sein. (2) Jeder Auftrag soll unmißverständlich ausgesprochen werden, damit er in einer bestimmten Zeit erfüllt werden kann. (3) Es soll ein Datum dafür festgelegt werden, wann über die Er- gebnisse berichtet und der Auftrag erfüllt werden soll; zur geplanten Zeit soll dann darüber berichtet werden. Bestimmte, immer gleichbleibende Aufgaben sollen sorgfältig geplant und eingeteilt werden. Diese Einteilung bildet dann für die Leitungsbeamti- nnen einen Arbeitsrahmen. Solche Arbeiten brauchen nicht länger dis- kutiert zu werden, man braucht keine größeren Entscheidungen zu treffen. Die Aufgaben sollen unter der Leitung verteilt werden. Jede Schwester weiß dann, welchen Bereich sie überwachen und worüber sie berichten soll. Dies trifft auch für die Tagesordnung aller Versammlungen und Sitzungen zu. In machen Gebieten der Kirche treten ungewöhnliche Schwierigkeiten

auf. In unserem Pfahl umfaßt beinahe jede Gemeinde ein geographisches Gebiet von annähernd 770 km2 . Die Schwestern wohnen in kleinen Sied- lungen, allein oder in einer Stadt. Wir haben den Schwestern vorgeschlagen, einen genauen Plan der Gemeinde anzuschaffen und den Wohnort jeder Schwester genau zu markieren.

Der Kirche schließen sich so viele neue Bekehrte an, und die Mit- gliederschaft ändert sich so sehr, daß es unbedingt notwendig ist, daß die Mitgliedsscheine auf dem laufenden und die Besuchslehrdistrikte richtig eingeteilt sind; wenn man sich daran hält, kann das bedeuten, daß ein Mit- glied entweder aktiv ist und Fort- schritt macht; andernfalls aber kann es übersehen werden und letzten En- des verloren gehen. Ein erfreulicher und wesentlicher Teil der Aufgabe einer FHV-Leiterin im Missionars- programm der Kirche ist es, immer auf neue Schwestern zu achten und sie willkommen zu heißen.

Das vorher Gesagte ist das Wesentli- che eines Führungsgremiums es muß sich organisieren, bereit sein zu arbeiten und vorbereitet, den „Odem des Lebens"(L Mose 2:7) zu empfan- gen. Ich möchte von einem Tele- phonanruf erzählen, den ich kürzlich erhalten habe, um zu veran- schaulichen, wie der Herr den Odem des Lebens in diese Körperschaft bringt.

Eine relativ neue GemeindeFHVLei- terin rief mich eines Morgens sehr früh an, um mir glücklich und be- geistert von einer besonderen Be- amtinnen- und Lehrerinnenversamm- lung zu erzählen, die sie am Abend zuvor abgehalten hatten. Sie hatten gefastet und waren zusammen- gekommen, um demütig um den Geist

22

zu bitten, damit ihre Anstrengungen gesegnet sein mögen. Eine Schwester erzählte, wie sie wieder aktiv gewor- den war, weil sie in die FHV gekom- men war und die Besuchslehrerinnen sie besucht hatten; sie erzählte von der Liebe und Hingabe, die diese Schwe- stern ihr gezeigt hatten. Eine andere Schwester sprach davon, welche Se- gnungen sie erhalten hatte, weil sie die Schrift gebeterfüllt gelesen und daraus unterrichtet hatte; eine weitere Schwe-

ster sprach über die wahre Bedeutung eines Zeugnisses und darüber, was es heiße, Jesus Christus als Sohn Gottes anzuerkennen und zu wissen, daß das Evangelium wahr ist. Diese Schwe- stern sangen gemeinsam und hörten die Zeugnisse, der Geist des Herrn einte sie, und sie fühlten Frieden und Freude. Die Liebe und Freude, die diese Schwestern in sich haben, wird bestimmt ein Segen für die ganze Gemeinde sein.

Im Ebenbild Gottes (Fortsetzung von Seite 3) Frau solle nach ihrem Manne gehen, er aber solle ihr Herz sein, so muß dies doch so verstanden werden, daß es in Liebe und nicht mit Tyrannei geschieht. Gott herrscht niemals mit Gewalt, es sei denn, die Menschen seien so verderbt, daß sie nicht mehr lebensfähig sind" (Evangeliumslehre, 1970, Seite 307 f.).

„Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib" (1. Mose 1:27).

Ehemänner und Ehefrauen, lassen Sie uns weiterhin bestrebt sein, in seinem Ebenbild zu sein, indem wir gemäß dem Gesetz der Liebe leben. Denn Gott ist Liebe.

Der schönste Tag ihres Lebens

(Fortsetzung von Seite 17)

betet hatten. Von Anfang an erkannten sie in ihm Intelligenz, Liebe und eine starke, gehorsame Persönlichkeit. Das Ehepaar freute sich so sehr über Paul; als er starb, litten die beiden sehr. Drei Wochen nach diesem traurigen Erlebnis stand die Schwester vor ihrer Gemeinde und erzählte, wie sie auf diese Prüfung reagiert hatte. Ihre Augen wa- ren trocken, aber Nahestehende wußten, daß sie innerlich weinte. „Brüder und Schwestern, ich danke Ihnen für all die Hilfe und die Unter- stützung, die wir in den vergangenen Wochen von Ihnen bekommen haben. Es war ziemlich schwierig . . .", sie

stockte und senkte ihren Blick. Als sie wieder zu sprechen begann, klang ihre Stimme belegt, und sie bemühte sich, deutlich zu sprechen. „Aber Sie sollen wissen, daß ich mehr als je zuvor weiß, daß unser Vater im Himmel mich liebt. Wir freuen uns darüber, daß Paul das Ziel, an dem mein Mann und ich unser ganzes Leben lang arbeiten werden, schon erreicht hat. Ich fühle Trost darin, daß ich weiß, daß wir durch das heilige Priestertum als Familie aneinander ge- siegelt worden sind. Wenn es nicht so wäre, wäre es unmöglich, all das zu ertragen. Aber so weiß ich, daß wir einmal alle wieder beisammen sein wer- den, wenn wir würdig sind. "

23

24

JOHN TAYLOR

EIN BRIEF AUS DEM EXIL

John Taylor, der dritte Präsident der Kirche, wurde am 1. November 1808 in Milnthorp in England geboren. Am

19. Dezember 1838 wurde er von Brigham Young und

Heber C. Kimball zum Apostel ordiniert. Am 6. Oktober

1877 wurde er Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel

und am 10. Oktober 1880, im Alter von 71 Jahren,

Präsident der Kirche. Er starb am 25. Juli 1887 in

Kaysville/Utah im Alter von 78 Jahren.

Die Bekehrungsgeschichte Präsident Taylors sowie ein allgemeiner Überblick über sein Leben und Wirken wurden bereits in früheren A usgaben des Sterns abgedruckt (siehe u. a. Der Stern, Fe- bruar 1975). Für diese Folge unserer Auswahl aus den Werken und Reden der Präsidenten der Kirche haben wir Aus- züge aus einem Brief gewählt, den John Taylor und sein Erster Ratgeber, George Cannon, verfaßt haben. Dieser Brief wurde den Mitgliedern der Kirche im April 1886 auf der Generalkonferenz vorgelesen.

Zu dieser Zeit hatte die Kirche unter heftiger Verfolgung zu leiden. Ihre Ge- gner in Utah und anderen Bundesstaaten, die regionale und überregionale Presse und viele Geistliche anderer Glaubens- gemeinschaften führten eine Hetz- und Verleumdungskampagne gegen die Kir- che, die sich hauptsächlich gegen die Lehre von der Vielehe richtete. Das führte dazu, daß die Bundesregierung rigorose Gesetze erließ, die jedem der in Vielehe

lebte, das Wahlrecht, die Annahme eines öffentlichen Amtes und die Bestätigung als Schöffe versagten. Darüber hinaus konnte jeder, der eine Vielehe einging, zu einer Geldstrafe von 500 Dollar und fünf Jahren Haft verurteilt werden. Diese Gesetze richteten sich einzig und allein gegen die Heiligen der Letzten Tage, und die Bundesbeamten, die nach Utah entsandt wurden, setzten im Verein mit dortigen Gegnern der Kirche alles daran, die Mitglieder aufzuspüren und vor Gericht zu bringen, die in Vielehe lebten. Frauen und Kinder wurden ge- zwungen, gegen ihren Ehemann bezie- hungsweise Vater auszusagen. So waren ansonsten gesetzestreue Männer gezwun- gen, sich verborgen zu halten. Unter ihnen befanden sich etliche Führer der Kirche, wie John Taylor und sein Ratgeber Geo- rge Cannon. (Joseph F. Smith, der Zwei- te Ratgeber John Taylors, war damals gerade auf Mission in Hawaii, j Und so schrieben John Taylor und George Cannon aus dem Exil folgenden Brief:

25

Wi

ir haben allen Grund, dank- bar zu sein, mögen wir auch noch so sehr verfolgt werden. Unser Land trägt im Überfluß. Weder Mensch noch Tier muß bei uns Hunger leiden. Kein Bettler bittet auf unseren Straßen um ein Almo- sen, und jeder hat, was er zum Leben braucht. Wir haben genug zu essen, bequeme Kleidung, ein schönes Zu- hause, und Gott segnet uns mit seinem unschätzbaren Frieden, den er jedem treuen Heiligen der Letzten Tage schenkt Frieden im Herzen, in der Familie, in unserem Gemeinwesen. Die- sen Frieden kann uns die Welt Gott sei Dank auch nicht nehmen. Seien Sie deshalb dankbar, Brüder und Schwe- stern, preisen Sie den Herrn für seine Güte und Barmherzigkeit. Er hat Zion seine Verheißungen gegeben; seien Sie gewiß, er wird Sie nicht vergessen. Mag Zion auch mit den Worten des Pro- pheten Jesaja sagen: „Der Herr hat mich verlassen, der Herr hat meiner ver- gessen" (Jesaja 49:14). Der Herr antwortet darauf: „Kann auch ein. Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir" (Jesaja 49:15, 16).

Niemals hat der Herr seinem Volk verheißen, sein Glaube werde nicht ge- prüft werden.

Schon bald nach der Gründung der Kirche sagte der Herr zu seinem Volk: „Denn ich habe in meinem Herzen beschlossen, spricht der Herr, euch in allen Dingen zu prüfen, ob ihr meinem Bunde treu bleiben werdet, sogar bis zum Tode, damit ihr möchtet würdig erfunden werden. Denn wenn ihr mei- nem Bunde nicht treu bleibt, seid ihr meiner nicht wert " (LuB 98:14, 15). Wir

brauchen Sie wohl kaum daran zu erinnern, daß Sie, solange der Satan noch Macht hat, mit Prüfungen rechnen müssen, wenn Sie nach Christi Geboten leben wollen.

In der Vorsehung des Allmächtigen erfüllt die Verfolgung einen bestimmten Zweck. Jedes treue Mitglied muß dies verstehen und akzeptieren. Jeder sieht die Auswirkungen an sich selbst, an seinen Freunden und Nachbarn. Ver- folgung festigt den Charakter. Durch sie lernen wir uns selbst besser kennen. Wir entdecken an unseren Brüdern und Schwestern Eigenschaften, die uns vor- her vielleicht verborgen waren. Die Nachstellungen der vergangenen acht- zehn Monate waren wohl recht schmerz- lich für uns alle, doch haben sie ihren Zweck gewiß nicht verfehlt. Die Ge- treuen haben neuen Mut geschöpft und blicken zielstrebig vorwärts. Viele, die nachlässig und gleichgültig geworden waren, haben sich von ihrer Trägheit losgesagt und sich mit neuem Eifer dem Herrn geweiht. Die Heuchelei von vielen ist offen zutage getreten, sie haben die Maske der Freundschaft und Gemein- schaft abgeworfen und ihren wahren Charakter offenbart. Doch vor allem hat sich die Verfolgung auf unsere jüngsten Mitglieder ausgewirkt. Viele Jungen und Mädchen waren in der friedlichen Zeit, als ihre Eltern und Freunde nicht bedroht waren, der Mei- nung, sie könnten ohne jedes Risiko für sich selbst oder ihren Glauben in enger Gemeinschaft mit der Welt leben. Der Unterschied zwischen uns und der Welt sagte ihnen nichts. Sie glaubten, sie könnten mit beiden in Freundschaft leben. Jeder erfahrene Heilige der Letz- ten Tage weiß, wie gefährlich solche Ansichten für unsere Kinder sind. Die Verfolgungen haben sie jedoch recht unsanft aus diesen Träumen gerissen. Die Kluft zwischen den Heiligen der

26

Letzten Tage und der Welt ist so deutlich geworden, daß sie (falls sie nicht ab- gefallen sind) für ihre Eltern und Freun- de Partei ergreifen müssen; das ist ihnen schärfer ins Bewußtsein getreten als je zuvor. So hat die heranwachsende Ge- neration eine überraschend enge Bin- dung zueinander gefunden. Das macht auch auf die kleineren Kinder einen Eindruck, den die Jahre niemals aus- löschen werden. Mit Schmerzen erfah- ren sie am eigenen Leib, wovon der Herr gesprochen hat, als er sagte: „Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb. Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasset euch die Welt " (Johannes 15:19). Die Welt wird es erfahren: der Glaube, den Jesus die Apostel und durch sie die Welt lehrte und der damals wie heute die gleichen Früchte hervorbringt, läßt sich in einem reinen Volk nur ausrotten, wenn man es vernichtet. Diesen Glaub- en hat der Herr der Erde zurückgegeben, und er ist unter uns zu finden. Solange die Männer und Frauen, die solchen Glauben haben, rein bleiben, kann er weiterleben und rechtschaffene Früchte hervorbringen. Das hat jeder Heilige der Letzten Tage bewiesen. Doch muß der Glaube genährt werden. Nur dann kann er wachsen. Gegenwärtig müssen sich die Heiligen der Letzten Tage mit all ihrer Kraft ihrer Religion weihen. Sie müssen so leben, daß der Heilige Geist mit ihnen sein kann. Seine Gaben brau- chen jeder Mann und jede Frau, wenn sie die Prüfungen bestehen wollen, die noch auf sie zukommen. Wir halten es für angebracht, daß wir die Heiligen der Letzten Tage eindringlich vor jeglicher Unmoral und Unkeusch- heit warnen. Man beschuldigt uns ständ- ig, wir lehrten und praktizierten unter dem Deckmantel der Religion sexuelle Ausschweifungen. Keine Anklage ist

weniger begründet als diese, denn so strikt und nachdrücklich wie die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage haben seit Anbeginn der Welt keine Philosophie, keine Ethik oder Religion gelehrt, wie überaus wichtig die Reinheit in der Beziehung zwischen den Geschlechtern ist. Dessen sind sich die Mitglieder wohl bewußt. Handeln wir also unserem Glauben gemäß; denn wir können sichergehen, daß uns weder persönliches Ansehen, Familienbande oder Reichtum vor Strafe schützen, wenn wir das Gesetz Gottes darin hin- tergehen. Erst vor wenigen Wochen hatte der Rat der Zwölf die traurige Aufgabe, einen Mann aus der Gemein- schaft der Heiligen zu entfernen, der das Gesetz der Keuschheit übertreten hatte. Er war gebildet, erfahren, intelligent, seit langem Mitglied der Kirche; doch weder das noch seine hohe Berufung im Priestertum konnten ihn vor der Strafe bewahren, nachdem er das Gesetz so leichtfertig übertreten hatte. Wie ihm muß es jedem anderen ergehen. Die Beamten der Kirche müssen die Gesetze gerecht und unparteiisch zur Ausfüh- rung bringen. Darin liegt keine Böswil- ligkeit gegen irgendeinen Menschen, sondern es geht darum, die Gebote Gottes und seinen heiligen Namen zu achten. Höre es, Haus Israel! Hört es, die ihr das celestiale Reich unseres Vaters erlangen wollt: nur wer ein reines Herz hat, kann Gott schauen; nur wer all seine Wünsche und Neigungen völlig seinem Gesetz unterworfen hat, kann in seiner ewigen Gegenwart bestehen! Ver- gessen wir auch nicht, daß der Zustand einer Gemeinschaft davon abhängt, in welcher Verfassung sich jeder einzelne befindet, der dazugehört. Sie ist so gut wie die Teile, aus denen sie sich zusammensetzt. Wenn in einem Volk jeder einzelne weise, gerecht, klug, ehr- lich, ehrenhaft und rein ist, zeichnet sich

27

das ganze Volk vor allen anderen Völ- kern aus. Für uns heißt das: wenn jeder einzelne von uns will, daß die Kirche Jesu Christi sich wie eine Braut auf das Kommen des Erlösers vorbereitet, so müssen wir persönlich nach unserer Religion leben und die Tugenden ver- körpern, die der Herr von seiner Braut

erwartet. Reinheit, Glauben, Fleiß und gute Werke können wir nicht unserem Nachbarn überlassen. Jeder muß selbst seine Pflicht tun, sein Haus in Ordnung bringen, seine Berufung erfüllen, sich Gott nahen, wenn er erwartet, daß Gott sich ihm naht.

Ich habe seit meiner Jugend, mehr als sechzig Jahre lang, mit Männern wie Brigham Young, Heber C. Kimball, Willard Richards, George A. Smith, Jedediah M. Grant, Daniel H. Wells, John Taylor, George Q. Cannon, Wilford Woodruff und seinen Mitarbeitern, Lorenzo Snow und seinen Mitarbeitern, den Mitgliedern des Rates der Zwölf Apostel, den Siebzigern, den Hohenpriestern in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zusammen gedient. Ich möchte bezeugen, so daß es jeder Fremde, den meine Stimme erreicht, hören kann: Bessere Menschen als diese haben in meinem ganzen Bekanntenkreis niemals gelebt . . .

Ich gebe Zeugnis von der Lauterkeit John Taylors als eines der reinsten Männer, die ich je gekannt habe, ein Mann, vom Scheitel bis zur Sohle rein; rein an Körper und Geist, frei von aller Gemeinheit, die man so oft unter den Menschen antrifft. Ich weiß, was ich sage; denn ich war bei ihm Tag und Nacht, Monat um Monat, Jahr um Jahr, und ich zeuge von seiner Lauterkeit. Er war zusammen mit Joseph Smith ein Märtyrer, er erlitt Schreckliches, als er das Martyrium Josephs und Hyrums miterlebte, und der Herr bewahrte und ehrte ihn dadurch, daß Er ihn berief, Sein Werk auf Erden eine Zeitlang zu leiten. Auf diese Weise erhob Er ihn zur glorreichsten und verantwortlichsten Stellung, zu der ein Mann in der K irche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage berufen werden kann . . .

Aus „Evangeliumslehre" von Joseph F. Smith

28

zy

Ein Pioniermädchen

Die Abenteuer der Margaret Judd Clawson

von Gordon Irving

-i A argaret Judd, ein siebzehnjähriges Mädchen, das mit seiner Familie 1849 im Jahr des Goldrausches - - nach dem Westen zog, schrieb nieder, was sie unterwegs erlebt hatte. Ihr Bericht ist sehr lebhaft geschrieben und beweist Humor. Margaret wurde in Ontario in Kanada geboren. Dort schlössen sich ihre Eltern der Kirche an, als sie fünf Jahre alt war. Sechzig Jahre nach dem Treck schrieb Margaret, welche Inter-

essen und Eindrücke sie gehabt hatte, als sie als halbwüchsiges Mädchen nach Utah zog, wo der Traum der Familie, sich mit den Heiligen zu sammeln, wahr wurde. Ihre Aufzeichnungen tragen den Titel „Rambling Reminiscenses of Mar- garet Gay Judd Clawson" ( „Gemischte Erinnerungen der Margaret Gay Judd Clawson"). Drei Jahre nach ihrer An- kunft in Salt Lake City wurde Margaret kurz vor ihrem 21 . Geburtstag die zweite Frau des jungen Hiram B. Claw- son. Bruder Clawson wurde ein ange- sehener Geschäftsmann und Händler und leitete Präsident Brigham Youngs Finanzielle Angelegenheiten. Einer von Hirams und Margarets Söhnen, Roger, wurde Präsident des Rats der Zwölf. Margaret starb 1912 im Alter von 81 Jahren in Salt Lake City. „Nachdem die Heiligen Nauvoo ver- lassen hatten, verdoppelten meine El- tern ihre Anstrengungen, um einen Wa- gen und die Ausrüstung für die Reise in die Rocky Mountains zu bekommen. Vater war inzwischen jedoch zwei- oder dreimal ziemlich krank; das hielt uns gewaltig auf. Ich erinnere mich noch genau daran, wie schwer es für ihn war, die Tiere daran zu gewöhnen, einen Wagen zu ziehen. Wir hatten sechs Kühe und zwei Ochsen. Die Ochsen waren gut gezähmt und ziemlich ruhig, aber die Kühe wild und nicht zu lenken. Er holte sich Hilfe, um sie ins Joch zu spannen. Plötzlich rannte jede in eine andere Richtung, wo Vater sie nicht haben wollte, oder sie rannten zur Rückseite des Wagens und brachten dort alles durcheinander.

Tag für Tag geschah das gleiche, und während Vater das Vieh abrichtete, betete meine Mutter. Später erzählte sie mir, daß sie viele Nächte lang, während wir schliefen, in den Obstgarten hinter unser Haus ging und dort ernsthaft betete; sie bat den Herrn, er möge uns

einen Weg öffnen, wie wir mit den Heiligen mitziehen könnten. Sie war bereit, Not und Entbehrung auf sich zu nehmen, wenn sie nur bei ihnen sein konnte.

Sie hatte auch meinetwegen Angst, denn ich war halbwüchsig und mit siebzehn in dem Alter, wo man für Romantisches sehr empfänglich ist. Mutter wußte das und hatte Angst, mich könnte ein junger Mann dazu bringen, mehr an ihn als an sie zu denken, und mich überreden, dort zu bleiben. Sie konnte ohne die Kirche nicht leben und wollte auch keines ihrer Kinder zurücklassen. Deswegen sagten meine Eltern, daß wir nicht länger dortbleiben dürften.

Nach Wochen schwerer Arbeit hatte Vater die Kühe soweit, daß er sie lenken konnte, und am 9. Mai 1849, am 16. Geburtstag meines Bruder Riley, sagten wir unseren Freunden und Verwandten Lebewohl, stiegen in unsere Wagen und begannen eine weite, ereignisreiche Rei- se. Das Gesicht meiner Mutter strahlte vor Freude! Was machte ihr schon Mühsal aus, wenn sie nur das Ziel erreichen konnte! In der ersten Nacht nach Beginn der Reise schliefen wir im Freien in der Prärie; Vater nahm dem Vieh das Joch ab und ließ es im Gras weiden. Er mußte auf die Tiere auf- passen, damit sie nicht davonliefen. Wir hatten genug Brennholz zusammenge- tragen, um ein gutes Feuer zu machen, und Mutter kochte gerade das Abend- essen, als plötzlich ein heftiges Gewitter losging. Es goß in Strömen, und wir waren alle durchweicht. Obwohl wir, so schnell wir konnten, zum Wagen liefen, peitschte der Wind den Regen so sehr, daß uns der Wagen wenig Schutz bot.

Natürlich ging das Feuer aus, und wir konnten an diesem Abend auch kein Essen kochen. Doch am nächsten Tag schien die Sonne wieder, alles wurde

30

trocken, und wir konnten unsere Reise fortsetzen.

Ich kann mich nicht erinnern, wie lange wir gebraucht haben, bis wir nach Coun- cil Bluffs in Iowa kamen, aber ich weiß, daß wir dort unser Lager einen ganzen Monat lang aufgeschlagen hatten, um zu warten, bis die anderen bereit waren. Sie mußten sich organisieren, um sich vor den Indianern zu schützen. O, so ein Lagerleben ist eintönig, wenn man nicht weiterfahren kann! Wir freuten uns alle sehr, als wir endlich unsere Reise nach Salt Lake City beginnen konnten. Alles war eitel Wonne. Ich war jung und gesund. Alles erschien mir wunder- schön. Pflicht, Angst und Sorge oblag meinen Eltern.

So, wie wir reisten, glich ein Tag sehr dem anderen. Am Abend eines Reise- tages schlugen wir unser Lager auf. Die Männer versorgten die Tiere, während die Frauen das Abendessen zubereite- ten. Danach machten die Jugendlichen gewöhnlich ein Lagerfeuer, um das sie sich setzten, miteinander redeten, ein- ander Geschichten erzählten, Lieder sangen und so weiter. Jeder mußte den Lagerplatz des anderen respektieren; das war so viel Platz, wie man für die Joche der Ochsen, den Kochkessel und alles das brauchte, was für die Reise notwendig war. Wenn ich daher von einem Jugendlichen Besuch bekam, saß ich auf einem Ochsenjoch genauso gut wie zu Hause auf einem bequemen Stuhl im Wohnzimmer. So ist das Leben im Freien. Mein Bruder führte einer Witwe und ihrem kleinen Mädchen das Ochsen- gespann. Das kleine Mädchen war sehr reizend und lieb, die Mutter eher merk- würdig. Mein Bruder sagte, daß sie an einem Tag mehr Fragen stellte, als zehn Männer in einer Woche beantworten könnten. Er war ein geborener Witze- macher, und Spaßmachen gehörte bei

ihm ebenso wie das Atmen zum Leben. Er konnte ihr das Absurdeste und Lä- cherlichste erzählen, sie glaubte ihm immer. Er wurde ihrer Fragen ganz überdrüssig. Es waren immer die glei- chen: ,Riley, wie weit sind wir heute wohl gefahren?' ,Wie weit werden wir morgen wohl fahren ?' ,Ob wir Wasser finden werden?' ,Ich frage mich, ob wir Indianer treffen werden?' ,Was werden die denn machen?' und , Werden sie freundlich oder wild sein?' Ihre Fragen wurden so eintönig, daß er sie fast nicht aushalten konnte.

Zuletzt rächte er sich, als wir den Chimney Rock erblickten. Jeder, der die große Ebene mit dem Wagen oder mit dem Zug überquert hat, hat ihn sicher- lich gesehen. Er ist ganz typisch für die Landschaft, sieht irgendwie wie ein Schornstein aus und ist wahrscheinlich schon jahrhundertealt. Bei unserem Reisetempo konnten wir ihn mehrere Tage lang sehen, bevor wir ihn erreich- ten. Als sie begann, ihre Vermutungen über den Felsen anzustellen, sagte er ihr ganz vertraulich, daß er ihn umstoßen werde, sobald sie dort angelangt seien; denn ihm wäre es ohnehin zu dumm, so viel über den Chimney Rock zu hören; außerdem meinte er, der Felsen habe schon lange genug dort gestanden. So- bald er seine Hand daran legen würde, würde der Fels umkippen. Sie bat ihn und flehte ihn an, den Felsen doch stehen zu lassen, damit andere Aus- wanderer, die nach uns kämen, ihn auch noch sehen könnten, aber er blieb hart. Dann drohte sie ihm und sagte, sie würde es Brigham Young erzählen, sobald sie in das Salzseetal kämen. Das war immer ihre letzte Zuflucht. So ängstigte er sie weitere zwei Tage, bis wir nur noch ungefähr einen Kilometer vom Felsen entfernt waren. Dann gab er ihren Bitten nach und sagte, er würde ihn doch stehen lassen. Sie freute sich so

31

sehr darüber, daß sie ihm an diesem Tag ein besonders gutes Essen bereitete. Er hatte nicht die Absicht, seinen letzten Witz mit ihr so ausgehen zu lassen, wie es dann letzten Endes geschah. Nur um sie zu necken, hatte er ihr gesagt bevor wir zur letzten Schlucht kamen , daß ihr Wagen umkippen würde, ja, daß er wisse, daß es so kommen würde. Sie sagte, daß sie das Brigham Young erzählen würde, falls es wirklich passie- ren sollte. Und dann kippte der Wagen tatsächlich um. Es war selbst für einen Mann schwer, einen Wagen durch die Schlucht zu lenken. Riley erlebte damit eine böse Überraschung. Er war noch ein Junge und hatte nun große Angst. Keiner arbeitete so angestrengt wie er, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Mit der Hilfe der Männer aus dem Lager gelang es ihm schließlich, den Wagen wieder auf die kurvige und steile Straße hinaufzubringen. Der Wagen sah ziemlich demoliert aus die Stützen für die Plane waren zerbrochen, aber der Inhalt wurde wenigstens kaum beschä- digt. Es war unser letzter Tag, bevor wir ins Tal kamen, und so überstand er ihn gut. Riley hat nie etwas davon gehört, ob die Witwe Brigham Young davon er- zählt hat oder nicht. Nachdem wir ein paar hundert Kilo- meter dahingezogen waren, wurde die Eintönigkeit dadurch unterbrochen, daß unsere Tiere durchgingen. Es sah so aus, als ob die Tiere umso leichter zu erschrecken waren, je länger wir unter- wegs waren, und je mehr sie sich an- strengten. Eines Nachts erlebte ich einen furchtbaren Schreck. Wir hatten den Auftrag bekommen, die Tiere jede Nacht in die Wagenburg zu treiben; ich denke, daß uns dies wegen der Indianer oder wegen der großen Büffelherden geboten wurde, die wir täglich sahen. Am Abend wurde das Vieh freigelassen, damit es weiden konnte, es wurde bewacht und

behütet und danach in die Wagenburg gebracht. Dafür wurde mit den Wagen ein großer Kreis gebildet, die Wagen standen Rad an Rad; eine Öffnung wurde freigelassen, durch die die Tiere hereingetrieben wurden. Danach wur- den Balken quer über die Öffnung gelegt, damit die Tiere ganz sicher waren.

Wir befanden uns in dem Gebiet, in dem es viele Büffel gab. Wir haben davon gehört, wie schrecklich es ist, wenn eine Büffelherde durchgeht. Wir hatten auch gehört, daß vor kurzem eine Büffelherde in Panik losgerast war und daß die Büffel, als sie zum Ufer des Platte River kamen, sich hineinstürzten. Die ersteren bildeten für die Nachfolgenden eine Brücke und wurden von diesen zu Tode getrampelt, und sie ertranken. Eines Nachts es war zwei Uhr lag das ganze Lager in friedlichem Schlaf, als man plötzlich ein schreckliches Trampeln und Dröhnen hörte. Der Boden zitterte, und unsere Wagen schaukelten und bebten. Mir schoß es durch den Kopf, daß wohl eine Büffel- herde auf panischer Flucht war und uns alle zu Tode trampeln würde. Deshalb zog ich mir die Decke über den Kopf und bereitete mich auf das Sterben vor. Die Mutter rief gleich Phebe und mich, weil sie aus unserem kleinen Schlafge- mach nichts hörte (wir hatten die Vor- derseite des Wagens). Ich antwortete mit erstickter Stimme aus meiner Decke heraus, daß ich noch am Leben war. Schließlich stellte sich heraus, was wirk- lich geschehen war. Unser eigenes Vieh war aus der Wagenburg ausgebrochen. Irgend etwas hatte die Tiere erschreckt, und sie waren vorerst wie wild im Innern der Wagenburg immer wieder im Kreis herumgelaufen und hatten dann die Balken bei der Öffnung durchbrochen. Nichts konnte sie zurückhalten. Sie verstreuten sich viele Kilometer weit in

32

der Umgebung. Unsere Männer brauch- ten viele Tage lang, um sie wieder zurückzubringen. Die Tiere, die uns erhalten geblieben waren denn einige starben an Erschöpfung, und einige wurden getötet , sahen schrecklich aus. Zwei der Rinder unseres Führers waren einen sehr steilen Hügel hin- aufgelaufen, aber dann hinuntergestürzt und hatten sich das Genick gebrochen das ergab ein Paar weniger, die seinen Wagen ziehen sollten; es bedeutete auch, daß er weniger Milch bekam (gute Milch

- was für ein Luxus in dem Gebiet). Bei diesem Vorfall wurden zwei oder drei Männer verletzt - - einer davon ziemlich arg. Es war ein Goldgräber auf dem Wag nach Kalifornien, der uns eingeholt hatte und eine Weile mit uns reiste. Die Auswanderer nach Kalifor- nien kamen viel schneller voran als wir Mormonen. Als er versucht hatte, ein Rind aufzuhalten, wurde er niederge- trampelt. Er stöhnte schrecklich. Ich sah ihn erst wieder, als er uns an einem Tag im darauffolgenden Winter besuchte. Die ganze Zeit über war er auf seinen Knien. Er konnte aufstehen, aber nicht sitzen. Ich habe nie wieder von ihm gehört, außer daß er auf dem Weg nach den Goldminen war. Viehhüter sagen, daß das Hausrind das wildeste Tier sei, wenn es in der Herde durchgehe. Es geschieht zwar selten, aber wenn, laufen diese Tiere alle auf einmal los, so, als ob ein Blitz sie alle im gleichen Augenblick getroffen hätte.

Bald danach ereignete sich das nächste erschreckende Abenteuer. Als wir an einem schönen Nachmittag in einem gemütlichen Tempo weiterzogen, rasten plötzlich alle Wagen unserer Gruppe blitzschnell in alle Richtungen davon. Ich glaube, die schnellsten Pferde hätten nicht so schnell sein können, wie es unser Vieh war. Vater saß auf dem Wagen und versuchte, über seine verläßlichen, alten

Ochsen wieder die Kontrolle zu ge- winnen: einmal redete er ihnen gütlich zu, dann mußte er wieder die Peitsche gebrauchen. Er befürchtete, daß die Tiere mit anderen Gespannen zusam- menprallen und einen Unfall verursa- chen könnten. Es hätte auch sein kön- nen, daß die Tiere den Wagen, in dem wir alle saßen, umgeworfen hätten. Wir fuhren über Stock und Stein. Wir wur- den so hin und her geworfen, daß wir unseren Kopf manchmal an den oberen Wagenbogen stießen und dann wieder irgendwo im Wageninneren landeten. Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Wieder hatte ich den Tod vor Augen und steckte deswegen meinen Kopf unter die Decke. Wenn ich sterben sollte, dann wollte ich dabei nicht zusehen müssen. Mutter zog mir die Decke schnell vom Kopf, und als unser Wagen wieder stillstand, belehrte sie mich ausführlich darüber, daß ich immer aufpassen und nach einer Möglichkeit zur Flucht Aus- schau halten müsse. Als die Tiere vom Laufen zu erschöpft waren, blieben sie stehen. Es war zu mehreren Unfällen gekommen, und eine Frau war sogar dabei getötet worden, als sie zu Boden gestoßen und überrannt wurde. Sie hinterließ mehrere Kinder. Wir alle fürchteten solche Ereignisse sehr es ist auch zum Fürchten, wenn eine Rinderherde in Panik gerät. Selbst bei den Menschen ist es oft so, daß man sie nicht dafür verantwortlich machen kann, wenn die Furcht größer wird als der Verstand.

Eine Kuh in unserem Gespann war wirklich intelligent. Ja, sie war so klug, daß sie sich hinter Weiden versteckte, um nicht angespannt zu werden; aber wenn Vater sie fand und anspannte, dann arbeitete sie gut. Auch gab sie viel Milch. Einmal wurde sie lahm und konnte kaum weitergehen. Meine Eltern

33

machten sich deswegen viele Sorgen, besonders weil wir ja auch schon eine Kuh verloren hatten. Sie fürchteten, daß wir nicht so schnell wie die anderen weiterziehen konnten, und deshalb sagte Mutter, sie würde der Kuh einen Breiumschlag auflegen, sobald sie sich für die Nacht niedergelegt hatte. Sie legte einen wirklich großen auf, der die ganze lahme Hüfte bedeckte. Am nächsten Tag, als Vater zu den Tieren hinausging, rief er aus : , Mutter, du hast die falsche Hüfte behandelt.' Mutter sagte: ,Mach dir nur keine Sorgen deswegen. Das paßt schon. Es hat schon gewirkt.' Und tatsächlich humpelte die Kuh an diesem Tag fast nicht, und es ging ihr so gut wie immer. Ich weiß, daß Mutter in diesen Breiumschlag viel Glauben gemischt hatte. Im Frühherbst fanden wir gewöhnlich wilde Früchte wie Kirschen, Eisbeeren und kleine rote Beeren, die wir Büffel- oder Indianerfraubeeren nannten. Die Beeren schmeckten uns alle sehr gut. Eines Tages beschloß ich, am selben Abend einen Empfang zu geben. Nach- dem wir das Lager aufgeschlagen hat- ten, lud ich einige Mädchen und Jungen ein, am Abend bei unserem Lagerfeuer zu sitzen. Der Empfang sollte stattfin- den, nachdem wir alle unsere Arbeit getan hatten. Niemand schlug die mündliche Einladung oder eine kurze Mitteilung ab. Sie freuten sich alle, daß sie kommen konnten, und niemand sagte nein.

In der Zwischenzeit hatte ich Mutter um die Erlaubnis gebeten, einen Büffelbee- renkuchen zu bereiten. Natürlich er- laubte sie mir das. Ein Kuchen war schon etwas ganz Besonderes und auf unserer Reise selten. Ich wollte meine Gäste mit einem solchen Luxus an Erfrischungen überraschen. Und das gelang mir. Kaum hatte ich das Joch der Ochsen und anderes kunstvoll aufge-

stellt, als auch schon meine Gäste ein- trafen. Sie kamen nicht so spät, wie es heutzutage üblich ist. Wir plauderten ein bißchen und sangen einige Lieder, und dann entschuldigte ich mich, ging in die Vorratskammer (eine Kiste unter dem Wagen) und brachte meinen Kuchen. Als ich den Kuchen verteilte, bemerkte ich entschuldigend, daß der Kuchen vielleicht nicht süß genug sein könnte. Ein höflicher junger Mann sagte schnell: ,0, alles, was diese Hände machen, muß einfach süß sein.' Und ich glaubte ihm gerne.

Nachdem ich meiner Gesellschaft jedem ein Stück Kuchen gegeben hatte, nahm auch ich mir eines. Ich biß ab und aß, aber es schmeckte, als ob es mit Zitronen- säure gesüßt worden wäre! Nie wieder habe ich auf der Reise einen Kuchen gebacken. Ich habe mich oft gefragt, wie alle das essen konnten, aber der Anstand verlangte es. Ich glaube nicht, daß es im ganzen Lager genug Zucker gegeben hätte, um diesen Kuchen süßen zu können.

Das beste Essen, das ich auf unserer Reise aß, war für mich unser Mit- tagessen. Mutter machte morgens einen Kessel voll Weizenbrei und wickelte ihn dann ein, um ihn warm zu halten. Nach dem Melken wurde die Milch in ein kleines Faß gegeben, das verschlossen wurde, damit nichts überlief. Wenn wir dann zu Mittag das Lager aufschlugen, um die Tiere weiden zu lassen, holte Mutter den Brei und die Milch heraus. Es schmeckte einfach zu gut für so arme Leute wie uns! Meine Schwester Phebe mochte es überhaupt nicht. Sie sagte, sie würde immer hungrig davon. Bei unse- rer Reise über die Ebenen hörte ich nie jemanden über schlechten Appetit kla- gen. Alles schmeckte gut, ausgenommen mein Kuchen. Brot und Speck schmeck- ten besser als der Pflaumenpudding und der Mehlkuchen, den wir jetzt bekom-

34

men. Wie die Umstände unseren Ge- schmack verändern können! Die größte Mühsal hatte ich zu erleiden, einen Tag bevor wir nach Laramie in Wyoming kamen. Die Rinder waren müde und hatten wunde Beine; sie zogen den Wagen wirklich schwer, und so sagte Vater uns in der Früh, daß wir alle gehen müßten. Wir durften an diesem Tag nicht fahren. Diesen erinnerungs- würdigen Marsch werde ich nie ver- gessen; Männer und Frauen sanken knöcheltief im Sand ein, die Rinder und Wagen noch viel tiefer. Als wir an diesem Abend unser Lager aufschlugen.

hatten wir 16 Kilometer zurückgelegt. Ich hatte den Eindruck, es wären tau- send gewesen, und ich wünschte mir an diesem Tag oft, daß ich irgendwo sein könnte, wo die Menschen nicht müde würden.

Zuletzt gelangten wir an das Ende unserer langen, ermüdenden Reise, und am Abend des 15. Oktober schlugen wir unser Lager am Anfang des Emigration Canyon auf. Oh, wir hatten einen herr- lichen Blick hinunter auf das Tal des Großen Salzsees! Am nächsten Morgen standen wir zeitig und fröhlich auf und fuhren bald hinunter."

Soll die Jugend Zions zittern?

Soll die Jugend Zions zittern in dem Kampf um Licht und Recht? Wenn der Feind sich drohend nahet, weichen wir dann vom Gefecht? Nein! Treu in dem Glauben, den Eltern uns lehrten, treu stets der Wahrheit, die Helden begehrten! Gott zugewandt Aug, Herz und Hand, standhaft und treu sei stets unser Stand.

Will das Finstre uns verdunkeln reiner Wahrheit helles Licht, weichen wir als Kinder Gottes von dem ewgen Bunde nicht. Nein! Treu in dem Glauben, den Eltern uns lehrten, treu stets der Wahrheit, die Helden begehrten! Gott zugewandt Aug, Herz und Hand, standhaft und treu sei stets unser Stand.

Eurer Seligkeit zu leben folget dem, der Gutes schafft, wachend, betend, kämpfend, wirkend mit der Jugend Feuerkraft! Ja! Treu in dem Glauben, den Eltern uns lehrten, treu stets der Wahrheit, die Helden begehrten! Gott zugewandt Aug, Herz und Hand, standhaft und treu sei stets unser Stand.

35

Auszug aus „Seine Kirche wiederhergestellt" von William Edwin Berrett

John Taylor wurde am 1. November 1808 in Milnthorp in der englischen Grafschaft Westmoreland geboren. Er war in der anglikanischen Kirche augewachsen, aber mit seiner natürlichen Lebhaftigkeit hatte er für die steife Förmlichkeit der Konfession nicht viel übrig. Tief im Herzen trug er eine starke Gottesfurcht, und diese brachte ihn dazu, daß er sich auch für andere Religionen interessierte. Mit sechzehn Jahren verließ er die Hochkirche und trat zu den Methodisten über. Mit siebzehn war er bereits „Exhorter" oder örtlicher Prediger.

Im Frühjahr 1 836 sprach Parley Pratt bei John Taylor zu Hause vor. Er brachte ein Empfehlungsschreiben von einem gemeinsamen Bekannten mit, einem Mr. Moses Nickerson. John Taylor hatte schon so viele Gerüchte über die Mormonen gehört, daß er von dem Besuch des Missionars nicht sonderlich beeindruckt war. Er hörte sich aber die seltsame Geschichte von der Wiederherstellung an . . . Da jedoch trat der wahre Geist John Taylors zutage, der Geist, der für sein ganzes Leben charakteristisch war. Er stand auf und wandte sich mit den folgenden Worten an die Gruppe: „Wir sind hier, angeblich um die Wahrheit zu suchen. Bisher haben wir

andere Glaubensbekenntnisse

gründlich untersucht und sie als falsch erkannt. Warum sollen wir uns scheuen, die Lehre der Mormonen zu untersuchen? Dieser Herr hier, Mr. Pratt, hat uns viele Lehren dargelegt, die mit unseren Ansichten übereinstimmen. Wir haben viel erduldet und manche Opfer gebracht um unserer religiösen Überzeugung willen. Wir haben zu Gott gebetet, Er möge uns einen Boten senden, wenn es Seine wahre Kirche auf Erden gibt. Mr. Pratt ist unter eigenartigen Umständen zu uns gekommen, und es gibt da etwas, was ihn unserer Beachtung würdig macht: Er ist ohne Beutel, ohne Tasche zu uns gekommen, wie die Apostel in alter Zeit gereist sind; und niemand von uns ist imstande, seine Lehren mit der Schrift oder mit der Logik zu widerlegen. Ich möchte seine Lehren und die von ihm geltend gemachte Vollmacht prüfen und würde mich freuen, wenn einige von Ihnen, meine Freunde, sich mir bei dieser Untersuchung anschließen. Wenn sich aber keiner dazu bereit findet, dann seien Sie versichert: Ich mache diese Untersuchung auch allein! Wenn ich diese Religion als wahr erkenne, werde ich sie annehmen ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen; wenn sie falsch ist, dann werde ich sie bekämpfen.11

36

:

Ul»

* , «* '

I

' '. '.,< - -?