EIN à AU arts M W nn AT AE 14 Pa | A è L ss ‘À A

A m

N: * EN ! : 4 MIN il Ve A 17 3 @) le CAN l t } 1 \ f sd ù û x Le, { 1 u | | x B \ { x Fa LI PV 4 r rc Hr x s Ta ' =. r . LA s Ve » À V H mA 4 pi r 4 il Ta ñ AA UE UNE D : f iz 68) A à LP en | wohn N Fan ES OT DECO à At AT ar Vente SN N \ \ AE à Lexl ff \ { { \ % Ar UE ff vye COS: pa Nas à N PET N 3 \ 1 A f N: 7 y f b " À i An 4 A F4 M 2 LU RER HAS = E a 10 ‘1 à ! “NE \ ? 0 2 \ Ar | à ? j Ÿ .." : = N dest { een

per ia

NG

ARM Vin, MAN AS Aa bn MS A RAGE nn

an 19229 {

C3 Q Q 1884g

Enr 2 GTS

1 ————_ D\ LL POPULIQUE II

L/V

VUUEUVE LE,

vr

]

V

VV VU:

INTERNATIONALE WISSENSCHAFTLICHE BIBLIOTMEK.

LXIV. BAND.

il

INTERNATIONALE WISSENSCHAFTLICHE BIBLIOTHEK,

TYNDALL, J. Das Wasser in seinen Formen als Wolken und Flüsse, Eis und Gletscher, Mit 26 Abbildungen. 2. verbesserte Auflage. Geh. 4 M. Geb. 5 M.

2. SCHMIDT, O. Descendenzlehre und Darwinismus. Mit 26 Abbildungen. 3. verbesserte

Auflage. Geh. 5 M. Geb. 6 M.

3. BAIN, A. Geist und Körper. 2. verb. Auflage. Mit 4 Abbild. Geh. 4 M. Geb. 5 M. 4, BAGEHOT, W. Der Ursprung der Nationen. Betrachtungen über den Einfluss der

or

natürlichen Zuchtwahl und der Vererbung auf die Bildung politischer Gemeinwesen, 2, verbesserte Auflage. Gen, 4M. Geb. 5 M.

. VOGEL, H. Die chemischen Wirkungen des Lichts und die Photographie in ihrer An- wendung in Kunst, Wissenschaft und Industrie. Mit 100 Abbildungen und 6 Tafeln. 2. vermehrte Auflage. Geh. 6 M. Geb. 7 M.

, 7. SMITH, E. Die Nahrungsmittel. 2 Theile. Mit 19 Abbild. Geh, 8M. Geb. 10 M.

. LOMMEL, E. Das Wesen des Lichts. Gemeinfassliche Darstellung der physikalischen Optik. Mit 188 Abbildungen und einer Spectraltafel. Geh. 6 M. Geb. 7 M.

. STEWART, B. Die Erhaltung der Energie, das Grundgesetz der heutigen Naturlehre, gemeinfasslich dargestellt. Mit 14 Abbildungen. 2. Auflage. Geh. 4 M. "Geb, 5 M.

F PETTIGREW, J. B. Die Ortsbewegung der Thiere, Nebst Bemerkungen über die Luft- schifffahrt. Mit 131 Abbildungen. Geh. 4 M. Geb. 5 M.

. MAUDSLEY, H. Die Zurechnungsfähigkeit der Geisteskranken. Geh. 5 M. Geb, 6 M.

2. BERNSTEIN, J. Die fünf Sinne des Menschen. Mit 91 Abbildungen. Geh. 5 M. Geb. 6 M. . DRAPER, J. W. Geschichte der Conflicte zwischen Religion und Wissenschaft. Geh.

6M. Geb.7M. . 15. SPENCER, H. Einleitung in das Studium der Sociologie. 2 Theile. Geh. 8M. Geb. 10 M. . COOKE, J. Die Chemie der Gegenwart. Mit 31 Abbildungen. Geh.5 M. Geb. 6 M.

. FUCHS, K. Vulkane und Erdbeben, Mit 36 Abbild. und Karte. Geh. 6 M. Geb. 7 M,

. VAN BENEDEN, P.J. Die Schmarotzer des Thierreichs. Mit 83 Abbild. 5M. Geb. 6 M, . PETERS, K. F. Die Donau und ihr Gebiet. Mit 71 Abbildungen. Geh. 6M. Geh. 7 M.

20. WHITNEY, W. D. Leben und Wachsthum der Sprache, Geh.5 M. Geb. 6 M.

. JEVONS, W. S. Geld uñd Geldverkehr, Geh. 5M. Geb. 6 M. A DUMONT, L. Vergnügen und Schmerz. Zur Lehre von den Gefühlen. Geh.5 M. Geb.6 M. 2 SCHÜTZENBERGER, P. Die Gärungserscheinungen. Mit 28 Abbild. Geh.5M. Geb. 6M.

24, BLASERNA, P. Die Theorie des Schalls in Beziehung zur Musik. Geh.4M. Geb.5M.

5 BERTHELOT, M. Die chemische Synthese. Geh. 5M. Geb. 6M.

26. LUYS, J. Das Gehirn, sein Bau u. seine Verrichtungen, Mit 6 Abbild. 5 M. Geb. 6 M. 2 ROSENTHAL, J. Allgemeine Physiologie der Muskeln und Nerven. Mit 75 Abbilduu-

gen. Geh. 5M. Geb. 6M.

. BRÜCKE, E. Bruchstücke’aus der Theorie d. bildenden Künste, 39 Abbild. 4M. Geb. 5M,

29. MEYER, H. Grundzüge des Strafrechts nach der deutschen Gesetzgebung unter Berück-

sichtigung ausländischer Rechte. Geh.5M. Geh. 6 M.

30, 3l. DE QUATREFAGES, A. Das Menschengeschlecht. 2 Theile. Geh. 9 M. Geb. 11 M.

. 33. BÖHMERT, V. Die Gewinnbetheiligung. Untersuchungen über Arbeitslohn und Unternehmergewinn. 2 Theile. Geh. 11. M. Geb. 13 M.

34. SECCHI, A. Die Sterne. Grundzüge der Astronomie der Fixsterne. Mit 78 Abbildun-

gen und 9 Tafeln in Farbendruck, Lithographie und Stahlstich. Geh. 8 M. Geb. 9 M.

39, LOCKYER, J. N. Studien zur Spectralanalyse. Mit 51 Abbildungen und 8 Tafeln in

Photographie, Farbendruck und Holzschnitt. Geh. 6 M. Geb. 7 M.

. VIGNOLI, T. Ueber das Fundamentalgesetz der Intelligenz im Thierreiche. Versuch einer vergleichenden Psychologie. Geh. 4 M. Geb.5 M.

. WURTZ, A. Die atomistische Theorie. Mit 1 lithogr. Tafel. Geh. 5 M. Geb. 6 M,

. HARTMANN, R. Die Völker Afrikas. Mit 94 Abbildungen. Geh. 6 M. Geb. 7 M. . 40. SEMPER, C. Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. 2 Theile, Mit 106 Abbildungen und 2 lithogr. Karten. Geh. 11 M. Geb. 13 M.

ROOD, O. N. Die moderne Farbenlehre mit Hinw eisung auf ihre Benutzungen in Ma- lerei und Kunstgewerbe. Mit 131 Abbildungen und 1 Farbentafel. Geh.5M. Geb.6M.

2, von MEYER, G. H. Unsere Sprachwerkzeuge und ihre Verwendung zur Bildung der

Sprachlaute. Mit 47 Abbildungen. Geh. 6 M. Geb. 7 M.

45. 44. THURSTON, R. H. Die "Dampfmaschine. Geschichte ihrer Entwickelung. Bear-

beitet von W. H. Uhland. 2 Theile. Mit 188 Abbildungen. Geh. 10 M. Geb. 11 M. . BAIN, A. Erziehung als Wissenschaft. Geh. 8 M. Geb. 9 M. , JOLY, N. Der Mensch vor der Zeit der Metalle. Mit 136 Abbilden- Geh. 8M. Geb. 9 M. . VIGNOLI, T. Mythus und Wissenschaft. Geh. 5 M. Geb. 6 M. . HUXLEY, T. H. Der Krebs. Eine Einleitung in das Studium der Zoologie. Mit 82 Ab- bildungen. Geh. 5 M. Geb. 6 M. . FRITZ, H. Das Polarlicht. Mit 2 Abbildungen, 1 Karte u. 4 Tafeln. Geh.6M. Geb, 7 M.

50. MORSELLI, H. Der Selbstmord. Ein Kapitel a. d. Moralstatistik. Mit Karte. 6 M. Geb, 7M. 5l. FICK, A. Mechanische Arbeit und Wärmeentwickelung bei der Muskelthätigkeit. Mit

35 Abbildungen. Geh, 5 M. Geb. 6 M.

. 53. BASTIAN, C. H. Das Gehirn als Organ des Geistes. 2 Theile. Mit 184 Abbildungen. Geh. 12 M. Geb. 14 M.

. DE SAPORTA, G., und A. F, MARION. Die paläontologische Entwickelung des Pflanzen- reichs. Die Kryptogamen. Mit 85 Abbildungen. Geh. 5 M. Geb. 6 M.

. LE CONTE, J. Die Lehre vom Sehen. Mit 131 Abbildungen. Geh.5M. Geb, 6 M.

. MELDE, F. Akustik. Fundamentalerscheinungen und Gesetze einfach tönender Körper. Mit 87 Abbildungen. Geh.7 M. Geb. 8 M.

. LUBBOCK, Sir J. Ameisen, Bienen und Wespen. 31 Abbild. u.5 Tafeln. Geh. 8M. Geb. 9M.

58. YOUNG, C.A. Die Sonne. Mit 82 Abbild. und 2 Lichtdrucktafeln. Geh. 6 M. Geh. 7 M. 59. MACH, E. Die Mechanik in ihrer Entwickelung historisch - kritisch dargestellt. Mit

61.

250 Abbildungen. Geh. 8 M. Geb. 9 M.

0. HARTMANN, R. Die menschenähnlichen Affen und ihre Organisation im Vergleich

zur menschlichen. Mit 65 Abbildungen. Geh. 6 M. Geb. 7 M. SCOTT, KR. H. Elementare Meteorologie. Mit 63 Abbild. u. 11 Taf. Geh. 6 M. Geb. 7 M.

62. SULLY, J. Die Illusionen. Eine psychologische Untersuchung. Mit 7 Abbildungen.

63,

Geh. 6 M. Geb. 7 M. HUXLEY, T, H, Physiographie. Mit 182 Abbild. und 8 Taf. Geh. 9 M. Geb. 10 M.

LES

DER URSPRUNG

DER

CULTURPFLANZEN

VON

ALPHONSE DE CANDOLLE,

CORRESPONDIRENDES MITGLIED DES INSTITUT DE FRANCE, DER KÖNIGL. GESELLSCHAFTEN ZU LONDON, EDINBURG UND DUBLIN, DER AKADEMIEN ZU BERLIN, MÜNCHEN, AMSTERDAM, BRÜSSEL,

KOPENHAGEN, STOCKHOLM, ST. PETERSBURG, ROM, TURIN, MADRID, BOSTON ETC. #

: UEBÉRSÉTZT-

VON

Dr. EDMUND GOEZE,

KÖNIGLICHER GARTENINSPECTOR IN GREIFSWALD.

AUTORISIRTE AUSGABE.

LEIPZIG: F. A. BROCKHAUS.

1884.

F _

© Das Recht der Vebersetzung ist ı

x :

AN % « (4 0 a à k > €, (- ? Ka ee Er ER t N \ P + 4 FA \ N F5 ? 10 h Mr & ER + ehr ey ER j x x UNE , « TD FA x. Sn N > L

à re | Ÿ ÉTAT er al Kol Mar. $ P

{ no ESP LL! Ge

|

ww

Fini

ÿ | LIBRARY

NEW YORK BOTANICAL GARDEN

VORWORT.

“Für Landwirthe und Botaniker, ja selbst für Ge-

schichtsforscher und Philosophen, welche dem Beginn

der Civilisation ihr Augenmerk zuwenden, ist die Frage über den Ursprung der Culturpflanzen von einer gewissen Wichtigkeit.

Schon vor Jahren habe ich sie in einem Kapitel mei- ner „Geographie botanique raisonnée“ behandelt; dieses Werk ist aber selten geworden, und überdies wurden seit 1855 wichtige Thatsachen von Reisenden, Botanikern und Archäologen entdeckt. Statt eine zweite Ausgabe meiner Arbeit vorzubereiten, habe ich eine ändere, ganz selbständige und ausgedehntere verfasst. Es handelt dieselbe über den Ursprung einer fast doppelten Anzahl von Arten der Tropenländer oder der gemässigten Re- gionen. Hier haben wir es beinahe mit der Gesammtsumme der Pflanzen zu thun, welche im Grossen für wirth- schaftliche Zxecke oder auch häufig in den Frucht- und Gemüsegärten angebaut werden.

Ganz besonders liess ich es mir angelegen sein, da- nach zu forschen, wie jede Art beschaffen war, wo sie spontan auftrat, ehe man sie der Cultur unterwarf. Zu diesem Zwecke war es nöthig, diejenige unter den

VI Vorwort.

zahlreichen Abarten zu unterscheiden, welche man als die älteste ansehen kann, und dann weiter zu sehen, aus welcher Region des Erdkreises sie hervorgegangen ist. Die Aufgabe ist schwieriger, als man glauben sollte. Im verflossenen Jahrhundert und bis Mitte des jetzigen beschäftigten sich die Schriftsteller überhaupt sehr wenig damit, und die fleissigsten trugen zur Verbreitung falscher Vorstellungen bei. So glaube ich in der That, dass drei Viertel der Linné’schen Angaben über das Vaterland der Culturpflanzen entweder unvollständig sind oder auf Irrthümern beruhen. Seine Aussagen sind aber dann wiederholt worden und finden sich noch immer, trotz der von neuern Schriftstellern für mehrere Arten ge- machten Berichtigungen, in Zeitschriften und popu- lären Werken wiedergegeben. Zeit ist es, Irrthümer zu beseitigen, welche bisweilen auf die Jahrhunderte der Griechen und Römer zurückgehen. Der gegenwär- tige Stand der Wissenschaft gestattet dies, sobald man sich auf verschiedene Schriftstücke stützt, welche ent- weder ganz neu oder selbst noch nicht im Druck ver- öffentlicht sind, und sie in einer Weise prüft, wie es bei historischen Forschungen zu geschehen pflegt. Das ist einer der ziemlich seltenen Fälle, bei welchen die con- creten Wissenschaften Zeugenbeweise zu Hülfe ziehen müssen. Man wird sehen, dass sie zu guten Erfolgen führen, da ich, sei es in ganz bestimmter Weise oder mit einem Grad von befriedigender Wahrscheinlichkeit, den Ursprung fast aller der Arten habe feststellen können.

Ich habe mich ausserdem bemüht, darzuthun, seit wie vielen hundert oder tausend Jahren jede Art angebaut worden ist, und wie sich die Cultur nach verschiedenen Richtungen hin in aufeinander folgenden Zeitabschnitten ausgebreitet hat.

Ei

Vorwort. VII

Bei einigen seit mehr als 2000 Jahren angebauten Pflanzen und selbst bei andern tritt der Fall ein, dass

man gegenwärtig den spontanen, d. h. wildwachsenden

L

Zustand nicht kennt, oder auch selbigen nicht genügend nachgewiesen hat. Derartige Fragen sind heikelig und erheischen wie die Unterscheidung der Arten vieles Nachforschen in Büchern und Herbarien. Ich sah mich selbst genöthigt, meine Zuflucht zu Reisenden oder Bo- tanikern zu nehmen, welche in allen Weltgegenden zer- streut waren, um neue Aufschlüsse zu erlangen. Bei Be- sprechung der einzelnen Arten werde ich diese Herren mit dem Ausdruck meines herzlichsten Dankes anführen. Trotz dieser Hülfe und ungeachtet aller meiner Untersuchungen stossen wir noch auf mehrere Arten, welche man im wilden Zustande nicht kennt. Wenn sie aus Regionen hervorgegangen sind, die botanisch noch wenig oder gar nicht erforscht wurden, oder wenn sie zu Pflanzen-Sippen gehören, die noch wenig gründlich bearbeitet worden sind, darf man allerdings hoffen, dass ihr Indigenat noch entdeckt und hinreichend festgestellt werden wird. Diese Hoffnung ist jedoch nicht begründet, sobald es sich um gut bekannte Arten und Länder han- delt. Dann bieten sich uns zwei Hypothesen: entweder haben sich diese Pflanzen in der Natur wie in der Cul- tur seit der historischen Zeit der Form nach so sehr verändert, dass man sie nicht mehr als zu derselben Art gehörig wiedererkennt, oder es sind ausgestorbene Arten. Die Linse, die Kichererbse kommen wahrschein- lich in der Natur nicht mehr vor und andere Arten, wie der Weizen, die Sau- oder Pferdebohne, der Färber- Saflor, die nur höchst selten wildwachsend gefunden wer- den, scheinen im Aussterben zu sein. Wenn sich die Zahl der Culturpflanzen, mit welchen ich mich be-

VIII Vorwort.

schäftigt habe, auf 247 beläuft, dürfte die Ziffer von 3, 4 oder 5 ausgestorbenen oder im Aussterben begriffenen Arten schon ein beträchtliches Verhältniss ergeben, wel- ches einem Tausend von Arten für die Gesammtsumme der phanerogamen Gewächse entspräche. Diese Ab- nahme an Formen würde in dem kurzen Zeitraum eini- ger Jahrhunderte stattgefunden haben, und zwar auf dem Festlande, wo sie sich ausbreiten konnten, und unter Umständen, die man als beständig anzusehen pflegt. Man sieht hier, in welcher Weise die Geschichte der Cultur- pflanzen mit den wichtigsten Fragen über die allgemeine Geschichte der organischen Wesen zusammenhängt.

GENF. A. ve CANDOLLE.

Der Uebersetzer kann sich darauf beschränken, hier dankend zu bemerken, dass der Herr Verfasser ihm im Laufe der Arbeit eine Reihe höchst werthvoller Notizen zur Verfügung gestellt hat, welche dieser deutschen Ausgabe unter besonderer Bezeichnung an den betreffenden Stellen mit beigefügt worden sind.

INHALT.

Seite en ee a LES SRE ERSTER THEIL.

Einleitende Bemerkungen und angewandte Methoden. 5 | ERSTES KAPITEL. In welcher Weise und in welchen Epochen der Anbau in verschiedenen Ländern angefangen hat , . . , . 1 ZWEITES KAPITEL. Methoden, um den Ursprung der Arten zu entdecken D een... . . . . . . .. SERGE $ 1. Allgemeine Betrachtungen Dei GRO SVT sl TE 9 $ 3. Archäologie und Paläontologie. "25 LAURENT FE Berichte , , . . . 2020. 4.200002 PTIT D cDiOrSehung . . à, 2... 22 2, 24 $ 6. Nothwendigkeit, die verschiedenen Methoden Bergen de. at UE u

ZWEITER THEIL.

Studium der Arten in Bezug auf ihren Ursprung, die ersten Zeiten ihres Anbaues und die wichtigsten Thatsachen ihrer Verbreitung.

ERSTES KAPITEL. Pflanzen, die ihrer unterirdischen Theile wegen, wie Wurzeln, Zwiebeln oder Knollen, angebaut werden . 36 ZWEITES KAPITEL.

Ihrer Stengel oder Blätter wegen angebaute Pflanzen , 103 Bester Abschnitt. Gemüse, . . --. . , ..., 103 Zweiter Abschnitt. Futterpflanzen. ..... 127

x Inhalt. Seite Dritter Abschnitt. Verschiedene Gebrauchs- anwendungen der Stengel oder der Blätter. . . 145 DRITTES KAPITEL. Pflanzen, welche ihrer Blüten oder der dieselben ein- hüllenden Organe wegen angebaut werden . . . . . 199

ei VIERTES KAPITEL. Ihrer Früchte wegen angebaute Pflanzen... . RE ;;

FÜNFTES KAPITEL.

Ihrer Samen wegen angebaute Pflanzen . . . . . . . 393 Erster Abschnitt. Nahrhafte Samen . . . 393 Zweiter Abschnitt. In verschiedener Weise be-

Rutzie DAMEN: vo ZEN AH

DRITTER THEIL. Rückblick und Schlussfolgerungen. ERSTES KAPITEL. Allgemeines Verzeichniss der Arten mit Angabe ihres Ursprungs und der Zeitperiode ihres Culturanfangs . 553

ZWEITES KAPITEL.

Allgemeine Bemerkungen und Schluss . . . 566 Erster Abschnitt. Regionen, aus welchen die Culturpflanzen hervorgegangen sind . . 566

Zweiter Abschnitt. Zahl und Beschaffenheit der angebauten Arten seit verschiedenen Zeit- perioden.. .. =... 4 2/4 474 0. SOON

Dritter Abschnitt. Culturpflanzen, die man im wildwachsenden Zustande kennt oder nicht kennt . . ER

Vierter Abschnitt. Culturpflanzen, welche im Aussterben begriffen oder ausserhalb des Cultur-

= bereichs ausgestorben ad . 2% 580

Fünfter Abschnitt. Verschiedene Betrachtungen 581

Register. :., . 06 wa RER

ERSTER THEIL.

Einleitende Bemerkungen und angewandte Methoden.

ERSTES KAPITEL.

In welcher Weise und in welchen Epochen der Anbau in verschiedenen Ländern angefangen hat.

Die von den Dichtern ausgeschmückten Ueberliefe- rungen der alten Völker haben die Anfänge alles Acker- baues und die Einführung von Nutzpflanzen gemeinig- lich einer Gottheit oder wenigstens einem grossen Kaiser oder Inka zugeschrieben. Bei einiger Ueberlegung stellt sich aber eine solche Annahme als wenig wahrschein- lich hin und es zeigt die Beobachtung der Ackerbau- versuche bei den wilden Völkerschaften der Jetztzeit, dass die Vorfälle einen ganz andern Verlauf nehmen.

Was die Fortschritte betrifft, welche die Civilisation herbeiführen, so sind ıhre Anfänge im allgemeinen schwach, dunkel und begrenzt. Gründe lassen sich an- führen, warum es sich bei den Erstlingsversuchen im Ackerbau oder der Gärtnerei ebenso verhält. Zwischen dem Gebrauche, Früchte, Samen oder Wurzeln auf dem Felde einzusammeln und jenem, die Gewächse, welche diese Erzeugnisse liefern, regelmässig anzubauen, liegen mehrere Stufen. Um ihre Wohnung herum kann eine Familie Samen ausstreuen und sich mit demselben Pro-

DE CANDOLLE. | 1

D Erster Theil. Erstes Kapitel.

duct im nächsten Jahre aus dem Walde versorgen. Gewisse Fruchtbäume können in der Nähe einer Nieder- lassung auftreten, ohne dass man weiss, ob sie durch Menschenhand gepflanzt sind oder ob die Hütte zum. Zwecke ihrer Verwerthung in ihrer Nähe errichtet wurde. Kriege und Jagden unterbrechen häufig die Anbauversuche, auch Eifersucht und Mistrauen tragen dazu bei, dass ein Volksstamm dem andern nur lang- sam etwas nachahmt. Wenn irgendeine hohe Persön- lichkeit den Befehl erlässt, eine Pflanze anzubauen, und eine Feierlichkeit anordnet, um den Nutzen dieser Cul- tur darzuthun, darf man annehmen, dass geringe und unbekannte Leute schon früher davon gesprochen haben, angestellte Versuche bereits von Erfolg gewesen sind. Vor ähnlichen Kundgebungen, welche oi Aufmerksam- keit grösserer Kr eise auf sich zu lenken geeignet waren, muss "schon eine mehr oder minder lange Zeit mit ört- lichen und rasch vergänglichen Versuch verstrichen sein. Es bedurfte Snkscheidender Gründe, um diese Versuche zu veranlassen, sie zu wiederholen und schliess- lich gelingen zu lassen. Wir können dies leicht ver- stehen.

Zunächst muss einem diese oder jene Pflanze zur Verfügung stehen, die gewisse, von allen Menschen ge- suchte Vorzüge darbietet. Die in der Gesittung am meisten zurückgebliebenen Wilden kennen die Pflanzen ihres Landes; bei den Australiern und Patagoniern sehen wir aber, dass wenn sie solche nicht für ergiebig, zum Anbau tauglich halten, sie auch gar nicht daran denken, Culturversuche mit denselben anzustellen. An- dere Bedingungen sind klar genug: ein nicht zu strenges Klima; in den wärmern Ländern keine zu anhaltende Dürre; ein bestimmter Grad von Sicherheit und Stetig- keit; schliesslich ein dringendes Bedürfniss, bedingt durch den Mangel an Hülfsquellen, wie Fischfang, Jagd oder Ertrag einheimischer Gewächse mit sehr nahrhaften Früchten, wie Kastanie, Dattelpalme, Banane oder Brot- fruchtbaum. Wenn die Menschen leben können, ohne

Anfang der Culturen. 3

zu arbeiten, so ziehen sie solches Leben vor. Ausser- dem ist das unsichere Treiben in Jagd und Fischfang für die noch ungesitteten, ja selbst für manche gebil- dete Menschen weit verführerischer als die schweren und regelmässigen Arbeiten des Ackerbaues.

Ich komme auf die Arten zurück, welche. die wilden Völkerschaften anzubauen geneigt sein können. Bis- weilen finden sie dieselben im eigenen Lande, oft er- halten sie solehe aber auch von den benachbarten Völ- kern, die mehr als sie selbst durch natürliche Bedin- gungen begünstigt sind oder schon einen gewissen Grad von Gesittung angenommen haben. Wenn ein Volk nicht auf einer Insel oder an einem schwer zugänglichen Orte seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat, empfängt es rasch anderswo entdeckte Pflanzen, deren Vorzüge ins Auge springen, und infolge dessen vernachlässigt es den Anbau mittelmässiger Arten des eigenen Landes. Die Geschichte zeigt uns, dass der Weizen, der Mais, die Batate, mehrere Hirsearten, der Taback und andere, vor- züglich einjährige Gewächse, sich vor der historischen Zeit sehr schnell verbreitet haben. Diese guten Arten haben die zaghaften Versuche bekämpft und aufgehalten, welche man hier und da mit nicht so ergiebigen oder weniger empfehlenswerthen Pflanzen hat anstellen kön- nen. Sehen wir nicht noch heutzutage, wie in ver- schiedenen Ländern der Weizen den Roggen verdrängt, der Mais dem Buchweizen vorgezogen wird, und viele Hirsearten, Gemüse oder andere für den Haushalt ver- . werthbare Pflanzen geringer geschätzt werden, weil an- dere, bisweilen weither gekommene Arten mehr Vor- züge darbieten? Zwischen bereits angebauten und ver- edelten Gewächsen ist jedoch die Ungleichheit im Werthe keine so grosse, wie dies einst zwischen angebauten und andern noch vollständig wilden Pflanzen der Fall war. Die natürliche Züchtung dieser grosse Factor, dessen so glückliche Einführung in die Wissenschaft Darwin’s Verdienst ist spielt eine wichtige Rolle, sobald einmal der Ackerbau begonnen hat; zu allen

1*

4 Erster Theil. Erstes Kapitel.

Zeiten jedoch und ganz vornehmlich bei den Cultur- anfängen ist die Auswahl der Arten von grösse- rer Wichtigkeit, als die natürliche Züchtung der Abarten. |

Die verschiedenen Ursachen, welche die Erstlingsver- suche im Ackerbau entweder begünstigen oder hemmen, tragen wesentlich zur Erklärung bei, warum gewisse Regionen seit Jahrtausenden von Feldbauern bevölkert, andere von Nomaden bewohnt werden. Allem Anscheine nach haben sich der Reis und mehrere Hülsenfrüchte im südlichen Asien, die Gerste und der Weizen in Meso- potamien und Aegypten, verschiedene Hirsearten in Afrika, der Mais, die Kartoffel, die Batate und die Cassavepflanze in Amerika infolge ihrer ins Auge sprin- genden trefflichen Eigenschaften und der günstigen kli- matischen Verhältnisse schnell und leicht anbauen lassen. Auf diese Weise bildeten sich Centralpunkte, von wel- chen aus die Verbreitung der nützlichsten Arten weiter vor sich ging. Im Norden von Asien, Europa und Amerika ist die Temperatur keine günstige, sind die einheimischen Gewächse wenig ergiebig; da aber Jagd und Fischfang natürliche Hülfsquellen darboten, musste sich der Ackerbau erst spät dort einbürgern, konnte man die guten Arten des Südens entbehren, ohne sehr darunter zu leiden. Für Australien, Patagonien und selbst für Südafrika trifft dies aber durchaus nicht ein. Die Pflanzen der gemässigten Regionen unserer Hemisphäre konnten der grossen Entfernung wegen nach jenen Ländern nicht hingelangen, und die der intertropischen Zone waren infolge grosser Trockenheit oder auch durch den Mangel an hohen Temperatur- graden von denselben ausgeschlossen. Dazu kommt, dass die dort einheimischen Gewächse recht erbärmlich sind. Es ist wahrlich nicht allein der Mangel an In- telligenz oder einem gewissen Sicherheitsgefühl, welcher die Bewohner davon abhielt, sie anzubauen. Ihre wenig empfehlenswerthen Eigenschaften tragen derart dazu bei, dass die Europäer in den hundert Jahren ihrer

Anfang der Culturen. 5

Niederlassung daselbst nur eine einzige Art, die Tetra- gonia, ein überdies recht mittelmässiges Gemüse, der Cultur unterworfen haben. Wohl weiss ich, dass Sir Joseph Hooker! über 100 Arten von Australien ange- führt hat, welche in dieser oder jener Weise verwerthet werden können; in Wirklichkeit aber hat man sie nicht angebaut, und auch jetzt, tretz der so vervollkomm- neten Verfahrungsweisen der englischen Colonisten, denkt noch keiner daran, dies zu thun. Hier haben wir den Beweis für die ebenerwähnten Grundsätze, dass nämlich die Wahl der Arten über die natürliche Züchtung den Sieg davonträgt, dass eine wildwachsende Pflanze von vornherein gute Eigenschaften besitzen muss, damit die Menschen veranlasst werden, einen Anbauversuch mit ihr zu machen.

Obgleich die Anfänge der Cultur in jeder Region in Dunkel gehüllt sind, steht es dennoch fest, dass sie zu gar verschiedenen Zeitpunkten eingetreten sind. Eins der ältesten Beispiele von angebauten Pflanzen ist, und zwar in Aegypten, eine Zeichnung in der Pyramide von Gizeh, welche Feigen darstellt. Der Zeitpunkt, wann dieses Monument errichtet wurde, ist ungewiss. Die Ge-

schichtschreiber schwanken zwischen 1500 und 4200 Jah-

ren vor Christi Geburt. Nimmt man etwa 2000 Jahre an, so ergibt dies ein wirkliches Alter von 4000 Jahren. Die Erbauung der Pyramiden hat aber nur von einem zahlreichen, bis zu einem gewissen Grade wohlorgani- sirten und gebildeten Volke ausgeführt werden können, welches demnach eine schon begründete Ackerbauwirth- schaft besass, die noch weiter, zum wenigsten um einige Jahrhunderte zurückgehen musste. In China ordnete 2700 Jahre v. Chr. der Kaiser Chen-nung jene bekannte Feierlichkeit an, bei welcher man fünf Arten von Nutz- pflanzen, den Reis, die Sojabohne, den Weizen und zwei Hirsearten aussäete.? Diese Pflanzen mussten schon

1 Hooker, Flora Tasmaniae, I, S. cx. 2 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, S. 7.

Neu

fs Fée pr

6 Erster Theil. Erstes Kapitel.

seit einiger Zeit und im gewissen Gegenden angebaut worden sein, um die Aufmerksamkeit des Kaisers der- art auf sich gelenkt zu haben. In China scheint dem- nach der Ackerbau ebenso alt zu sein wie in Aegypten. Die fortwährenden Beziehungen, welche letzteres Land mit Mesopotamien untärhielt, lassen eine fast gleich- zeitige Cultur in den Bar des Euphrat und Nil rutlimaasson. Warum könnte dieselbe in Indien und dem Malaiischen Archipel nicht ebenso alt sein? Die Geschichte der dravidischen und malaiischen Völker geht nicht weit zurück und ist immer noch sehr dun- kel, dessenungeachtet tritt nichts der Annahme ent- gegen, dass die Cultur dort, besonders an den Fluss- ufern, seit undenklichen Zeiten angefangen habe.

Die alten Aegypter und die Phönizier haben viele Pflanzen in der Mittelmeerregion weiter ausgebreitet, und die arischen Völker, deren Wanderungen nach Eu- ropa 2500 oder spätestens 2000 Jahre v. Chr. anfingen, haben desgleichen mehrere im westlichen Asien bereits angebaute nen verbreitet. Wenn wir die Geschichte einiger Arten weiter verfolgen, sehen wir, dass man wahrscheinlich gewisse Pflanzen schon in Europa und dem nördlichen Afrika anbaute. Wir können dies schliessen aus den Namen einzelner Pflanzen, welche aus Sprachen stammen, die älter sind als die arischen, z. B. aus der finnischen, baskischen, berberischen oder jener der Guanchen Di den Canarischen Inseln). In- dessen haben die sogenannten Kjökkenmöddings, Ueberbleibsel der ehemaligen Wohnplätze Dänemarks, bis auf den heutigen Tag weder einen Beweis von An- bau noch selbst ein Zeichen von dem Besitze eines Me- talls geliefert.! Die Skandinavier dieser Epoche lebten besonders vom Fischfang, der Jagd und vielleicht neben- her von einheimischen Pflanzen, wie dem Kohl, welche

1 De Nadaillac, Les premiers hommes et les temps préhistoriques, I, 266, 268. Das Fehlen von Ackerbauspuren in diesen Ueberbleibseln wird mir ausserdem von Heer und Cartailhac bestätigt, welche alle beide mit den Entdeckungen in der Archäologie sehr vertraut sind.

Anfang der Culturen. 74

nicht derartig beschaffen sind, um im Dünger oder im Schutt Spuren zurückzulassen, und deren Anbau man überhaupt unterlassen konnte. Das Fehlen von Me- tallen lässt in diesen Ländern des Nordens nicht auf ein Alter schliessen, welches weiter zurückgeht als das Jahrhundert des Perikles oder selbst die schönen Zeiten der römischen Republik. Später, als die Bronze in Schweden, einer von den damals civilisirten Ländern sehr fern gelegenen Region, bekannt geworden, hatte auch die Einführung des Ackerbaues glücklich stattge- funden. Man hat in den Ueberresten dieser Epoche die bildliche Darstellung eines Pfluges gefunden, der mit zwei Ochsen bespannt ist und von einem Menschen geleitet wird.!

Als die alten Bewohner der östlichen Schweiz stei- nerne aber keine metallene Werkzeuge besassen, wur- den schon mehrere Pflanzen und unter denselben einige asiatische, von ihnen angebaut. In seiner vortrefflichen Arbeit über die Pfahlbauten hat Heer? nachgewiesen, dass sie mit den im Süden der Alpen gelegenen Län- dern Verbindungen unterhielten. Auch von den Iberern, welche Gallien vor den Kelten in Besitz hielten, konn- ten sie angebaute Pflanzen erhalten haben. In dem Zeitraume, in welchem die Bewohner der Pfahlbauten der Schweiz und Savoyens die Bronze besassen, waren auch ihre Culturen mannichfaltiger. Es scheint selbst, als ob die Bewohner der italienischen Pfahlbauten zur Bronzezeit weniger Arten anbauten als die der savoyi- schen, was auf ein höheres Alter oder locale Umstände hindeuten mag. Die Ueberbleibsel der Pfahlbauten von Laibach oder des Mondsees in Oesterreich weisen auf einen ebenso ursprünglichen Ackerbau hin: keine Spur von Cerealien in Laibach und nur ein einziges Weizen-

1 M. Montelius, nach Cartailhac, Revue, 1875, S. 237.

2 Heer, Die Pflanzen der Pf:.ıulbauten (Zürich 1865). Vgl. den Ab- schnitt über Flachs.

3 Perrin, Etude préhistorique de la Savoie (1870); Castelfranco, Notizie intorno alla Stazione lacustre di Lagozza, und Sordelli, Sulle piante della torbiera della Lagozza, in den Atti della Soc. ital. d. sc. nat., 1880.

8 Erster Theil. Erstes Kapitel.

korn im Mondsee.! Der in diesem östlichen Theile Europas so wenig vorgeschrittene Stand des Ackerbaues befindet sich im Widerspruch mit der auf einige Worte alter Geschichtsforscher gebauten Hypothese, nach wel- cher die Aryas zunächst in der Donauregion gewohnt hätten und Thrazien vor Griechenland civilisirt worden sei. Trotz dieses Beispiels scheint der Ackerbau in den gemässigten Theilen Europas älter zu sein, als man es den Aussagen der Griechen nach annehmen dürfte, die, wie manche Völker der Neuzeit, nur zu sehr geneigt waren, allen Fortschritt aus ihrer eigenen Nation hervorgehen zu lassen.

In Amerika ist der Ackerbau vielleicht nicht ebenso alt wie in Asien und in Aegypten, wenn man nach dem Civilisationsgrade Mexicos und Perus schliessen will, der nicht einmal auf die ersten Jahrhunderte der christ- lichen Zeitrechnung zurückgeht. Die ungemein weite Ausbreitung einiger Culturen, wie die des Mais, des Tabacks und der Batate lässt jedoch einen alten Acker- bau von 2000 Jahren oder annähernd so viel ver- muthen. In diesem Falle lässt uns die Geschichte ım Stich, und nur durch Entdeckungen in der Archäologie und Geologie kann man weitere Aufklärungen erwarten.

. 1 Much, Mittheilungen d. anthropol. Ges. in Wien, Bd. VI; Sacken, Sitzungsber. d. Akad. Wien, Bd. VI. Heer’s Brief über diese Arbeiten und ihre Recension in Nadaillae, I, 247.

ZWEITES KAPITEL.

Methoden, um den Ursprung der Arten zu entdecken oder | festzustellen.

$ 1. Allgemeine Betrachtungen.

Da die meisten der angebauten Pflanzen zu einer sehr alten Epoche und oft in einer wenig bekannten Weise der Cultur unterworfen wurden, muss man schon ver- schiedene Mittel anwenden, um sich über ihren Ur- sprung Gewissheit zu verschaffen. Das erheischt für jede Art eine ähnliche Forschung, wie die Geschicht- schreiber und Archäologen solche anstellen, eine For- schung gar verschiedenartig, bei welcher man sich bald dieses, bald jenes Verfahrens bedient, um diese schliess- lich zusammenzufassen und ihrem bezüglichen Werthe nach abzuschätzen. Der Naturforscher befindet sich hier nicht mehr in seinem gewöhnlichen Bereich von Beob- achtungen und Beschreibungen. Er muss sich auf Zeugenbeweise stützen, von welchen in den Labora- torien nie die Rede ist, und wenn botanische Thatsachen hinzugezogen werden, handelt es sich nicht um Ana- tomie, der man sich vorzugsweise heutzutage widmet, sondern um Unterscheidung der Arten und ihre geo- graphische Verbreitung.

Ich muss mich somit solcher Methoden bedienen, welche einerseits den Naturforschern, andererseits den mit historischen Wissenschaften vertrauten Männern fremd sind. Zum Verständniss ihrer Anwendung und ihres möglichen Werthes will ich über jede derselben einige Worte sagen.

S 2. Botanik.

Eins der directesten Mittel, den geographischen Ur- sprung einer angebauten Art kennen zu lernen, besteht

10 Erster Theil. Zweites Kapitel. F in dem Forschen nach dem Lande, wo sie spontan, d. h. im wilden Zustande, ohne Hülfe des Menschen vor- kommt.

Beim ersten Blick erscheint die Sache einfach. Es scheint in der That, dass man sie mit Zuratheziehung der Floren, der Werke über die Gesammtmasse der Arten oder der Herbarien in jedem besondern Falle leicht lösen könne. Leider ist dies aber nicht der Fall, diese Frage erheischt im Gegentheil ganz speciell-bo- tanische Kenntnisse, namentlich in der Pflanzengeogra- phie, desgleichen eine durch lange Erfahrung begrün- dete Würdigung von Botanikern und Pflanzensammlern. Die Gelehrten, welche sich mit Geschichte oder Aus- legung der alten Schriftsteller beschäftigen, laufen Ge- fahr, in grosse Irrthümer zu verfallen, wenn sie sich mit den ersten besten Belegen in einem botanischen Werke begnügen. Die Reisenden andererseits, welche Pflanzen für Herbarien sammeln, verwenden nicht immer die genügende Aufmerksamkeit auf die Standorte und besondern Umstände, unter welchen sie dıe Arten fin- den. Häufig versäumen sie auch das niederzuschreiben, was sie daraufhin beobachtet haben. Eine Pflanze kann, wie man weiss, von in der Nachbarschaft angebauten Individuen abstammen, die Vögel, die Winde u. s. w. können ihre Samen nach grossen Entfernungen gebracht haben, oder es können solche auch zuweilen im Ballast der Schiffe oder mit Waaren vermischt anlangen. Derlei Fälle zeigen sich bei den gemeinen Arten, um so viel mehr noch bei den angebauten Pflanzen, welche in der Nähe des Menschen im Ueberflusse vorhanden sind. Ein Sammler oder Reisender muss mit einer scharfen Beobachtungsgabe ausgerüstet sein, um einigermaassen darüber sicher zu sein, bis zu welchem Punkte eine Pflanze wildwachsenden Individuen entsprungen ist, die zur Landesflora gehören, oder einen andern Ursprung hat. Sobald eine Pflanze in der Nähe von Wohnplätzen, auf Mauern, Schutthaufen, an Landstrassen u. s. w. wächst, genügt dies schon, um auf der Hut zu sein.

Botanik. 11

Es kann ‘auch vorkommen, dass sich eine Art ausser- halb des Culturbereichs, selbst fern von verdächtigen Localitäten weiter ausbreitet und dennoch nicht von Bestand ist, weil sie auf die Länge der Zeit hin weder den klimatischen Bedingungen, noch dem Kampf mit den einheimischen Pflanzen widersteht. Dies nennt man in der Botanik eine zufällig auftretende Art. Sie er- scheint und verschwindet Beweis, dass sie ım Lande nicht einheimisch ist. Solche Beispiele lassen sich in jedem Florengebiet nachweisen, erregen Befremden, so- bald sie in aussergewöhnlicher Menge vorkommen. So hatten die im Jahre 1870 von Algerien nach Frankreich in der Hast hinübergeschafften Truppen mit der Four- rage und in anderer Weise eine Menge afrikanischer oder mittelländischer Arten verbreitet, die als Fremd- linge sehr auffielen, von denen aber nach zwei oder drei Wintern keine Spur zurückgeblieben ist.

Manche Sammler und Autoren von Floren haben es sich angelegen sein lassen, auf solche Thatsachen ganz _ besonders hinzuweisen, und ich glaube, dank meinen persönlichen Beziehungen, sowie dem fleissigen Zurathe- ziehen von Herbarien und botanischen Büchern, die- selben hinlänglich zu kennen. Bei zweifelhaften Fällen werde ich mich daher gern auf dieselben berufen. Bei einigen Ländern und Arten wandte ich mich direct an diese achtungswerthen Naturforscher. Ihr Gedächtniss, ihre Notizen, ihre Herbarıen machte ich mir zu Diensten und wurde durch ihre Bereitwilligkeit in Stand gesetzt, manche noch nicht im Druck erschienene Schriftstücke denen hinzuzufügen, welche man bereits in verschiede- nen Werken antrifft. Aufrichtigen Dank schulde ich für derartige Nachweise den Herren C. B. Clarke über die Pflanzen Indiens, Boissier über jene des Orients, Sagot über die Arten des französischen Guiana, Cosson über die von Algerien, Decaisne und Bretschneider über die Pflanzen Chinas, Pancie über die Cerealien Ser- biens, Bentham und Baker über die Herbarienexemplare Kews, schliesslich Herrn Eduard André über amerika-

12 Erster Theil. Zweites Kapitel, Ri

nische Pflanzen. Dieser so eifrige Reisende hatte die Freundlichkeit, mir sehr interessante Exemplare von in Südamerika angebauten Pflanzen zu leihen, welche von ihm mit allen Anzeichen einheimischer Gewächse ge- sammelt waren.

Die Lösung einer andern Frage, welche man nicht an Ort und Stelle vornehmen kann, ist noch schwie- riger ob nämlich eine wirklich wild wachsende Art, die alle Anzeichen der einheimischen Arten darbietet, seit einer sehr langen Zeit in dem Lande auftritt oder sich zu einer mehr oder minder jüngern Zeitperiode dort eingebürgert hat.

Es gibt in der That naturalisirte Arten, d. h. solche, welche sich zwischen den alten Pflanzen der Flora ein- führen und dort halten trotz ihrer fremden Abstam- mung, sodass die einfache Beobachtung es nicht ermög- licht, sie von jenen zu unterscheiden, und man hier zu historischen Angaben, zu rein botanischen oder pflanzen- geographischen Erwägungen seine Zuflucht nehmen muss. In einem sehr allgemeinen Sinne kann man behaupten, dass fast alle Arten, besonders in den ausser den Wende- kreisen gelegenen Regionen einmal naturalisirt wurden, d. h. von einer Region in eine andere vermöge geo- graphischer und physikalischer Umstände übergegangen sind. Als ich im Jahre 1855 mit der Ansicht hervor- trat, dass unserer Epoche vorhergehende Bedingungen die meisten der auf die gegenwärtige Pflanzenverbrei- tung bezüglichen Thatsachen bestimmten, war dies der Ausdruck mehrerer der Abschnitte, die Schlussfol- gerung meiner zwei Bände über die Pflanzengeographie! man wunderte sich ein wenig. Die Paläontologie führte freilich einen deutschen Gelehrten, Dr. Unger, vermittelst allgemeiner Gesichtspunkte zu ähnlichen Vor- stellungen ?, und vor ıhm hatte Edward Forbes für einige Arten des Südens der britischen Inseln die Hypo-

1 Alph. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, Kap.X, S. 1055; Kan. X1 XIX, XIVH, 2 Unger, Versuch einer Geschichte der Pflanzenwelt (1852).

Botanik. 13

these eines ursprünglichen Zusammenhangs mit Spanien aufgestellt.! Als aber für die Gesammtmasse der gegen- wärtigen Arten der Beweis geliefert wurde, dass es un- möglich sei, ihre Standorte vermöge der seit einigen Jahrtausenden vorhandenen Bedingungen zu erklären, rief solcher mehr Eindruck hervor, weil er sich schon mehr im Bereich der Botaniker befand und sich nicht auf etliche Pflanzen eines einzigen Landes bezog. Die von Forbes vorgeschlagene Hypothese, seitdem zu eine- allgemeinen und gewissen Thatsache geworden, ist gegenr wärtig einer der Gemeinplätze der Wissenschaft. Alles was man über Pflanzen- oder Thiergeographie schreibt, stützt sich auf diesen nicht mehr angefochtenen Boden.

Bei ihrer Anwendung auf jedes Land oder jede Art treten einem freilich zahlreiche Schwierigkeiten ent- gegen, denn wenn auch eine Ursache einmal erkannt worden ist, so hält es nicht immer leicht, zu wissen, wie sie in jedem besondern Falle thätig gewesen ist. Bezüglich der angebauten Pflanzen machen es glück- licherweise die sich darbietenden Fragen nicht nöthig, auf sehr alte Zeiten zurückzugehen, ganz insbesondere nicht auf Daten, die der Zahl der Jahre oder Jahr- hunderte nach nicht genau festgestellt werden können. Ohne Zweifel gehen die meisten der specifischen For- men der Gegenwart auf eine Zeit zurück, die ung ferner liest als die grosse Ausdehnung der Eisberge in der nördlichen Hemisphäre, eine Erscheinung, die viele Jahr- tausende gedauert haben muss, wenn man den unge- heuern Umfang der von den Eismassen fortgerissenen und mitgeführten Anhäufungen in Erwägung zieht; die Culturen haben aber nach diesen Vorgängen begonnen, in vielen Fällen sogar erst seit einer historischen Epoche. Wir brauchen uns kaum mit dem zu befassen, was vor- hergegangen ist. Die angebauten Arten können vor

1 Forbes, On the connexion between the distribution of the existing fauna and flora of the British Isles with the geological changes which have affected their area, in: Memoirs of the Geological Survey, Bd, I (1846).

14 Erster Theil. Zweites Kapitel.

ihrer Cultur ein Land mit einem andern vertauscht oder während einer noch längern Zeit in ihren Formen sich verändert haben dies fällt in das Gebiet der allge- meinen Fragen über alle organischen Wesen zurück; bei unserer Arbeit wird es nur nöthig, jede Art zu untersuchen von dem Zeitpunkte ihres Anbaues an oder in den ihrer Cultur unmittelbar vorhergehenden Zeiten. Das ist eine grosse Vereinfachung.

In zweierlei Weise kann die somit begrenzte An- ciennetätsfrage erörtert werden: mit Hülfe historischer oder anderer Angaben, von welchen ich gleich sprechen werde, oder vermittelst der pflanzengeographischen Grundlehren.

Auf letztere will ich dem Hauptinhalte nach hin- weisen, um zu zeigen, in welcher Weise sie zur Ent- deckung des geographischen Ursprungs einer Pflanze beitragen können.

Jede Art zeigt gemeiniglich einen zusammenhängen- den Wohnsitz oder doch annähernd. Zuweilen ist sie aber getrennt, d. h. die sie ausmachenden Individuen finden sich in voneinander entfernten Regionen vertheilt. Diese für die Geschichte des Gewächsreichs und der Landoberflächen der Erdkugel sehr interessanten Fälle bilden aber bei weitem nicht die Majorität. Wenn demnach eine angebaute Art im wilden Zustande sehr häufig in Europa auftritt und weniger häufig in den Eigen Staaten, so liegt die Wahrscheinlichkeit vor, sie sich n_ ihres scheinbaren Heimatrechts in Amerika infolge einer zufälligen Ueberführung dort naturalisirt habe.

Die wenn auch meistens aus mehrern Arten zusam- mengesetzten Gattungen des Pflanzenreichs sind oft auf diese oder jene Region beschränkt. Daraus folgt, dass, je mehr Arten eine Gattung zählt, welche alle ein und demselben Welttheile angehören, es um so viel wahr- scheinlicher ist, dass eine dem Anscheine nach in einem andern Welttheile einheimische Art dorthin verschleppt wurde und sich daselbst naturalisirte, indem sie z. B.

Botanik. 15

den Culturen entsprang. Namentlich bei den Gattungen bewahrheitet sich dies, welche die Tropenländer be- wohnen, indem sie häufiger entweder auf die Alte oder auf die Neue Welt beschränkt sind.

Die Pflanzengeographie lehrt uns, welche Florenge- biete Gattungen und selbst Arten gemein haben, trotz der dazwischen gelegenen Länder, und welche im Gegen- theil ungeachtet der klimatischen Uebereinstimmungen oder einer nur geringen Entfernung sehr verschieden sind. Sie macht desgleichen auf die Arten, Gattungen und Familien aufmerksam, die einen sehr weiten Wohn- sitz haben, und welch andere dagegen eine durchschnitt- lich beschränkte Ausbreitung zeigen. Diese Data tragen wesentlich zur Bestimmung des wahrscheinlichen Ur- sprungs einer Art bei. Die sich naturalisirenden Pflan- zen verbreiten sich sehr rasch. Früher schon! habe ich Beispiele aus den letzten zwei Jahrhunderten ange- führt und ähnliche Vorgänge sind dann von Jahr zu Jahr beobachtet worden. Man kennt die vor kurzem mit reissender Geschwindigkeit erfolgte Invasion der Anacharis Alsinastrum in den süssen Gewässern Eu- ropas, desgleichen jene vieler europäischen Pflanzen nach Neuseeland, Australien, Californien etc., auf welche in mehreren Floren oder neueren Reiseberichten hingewiesen wird.

Das überaus reichliche Vorkommen einer Art ist kein Beweis von hohem Alter. Die trotz ihres amerikani- schen Ursprungs in der Mittelmeerregion so gemeine Agave americana und unsere Distel, welche gegenwärtig ungeheuere Strecken der La-Plata-Staaten bedeckt, sind hierfür beachtenswerthe Beispiele. Während die Invasion einer Art fast immer sehr rasch vor sich geht, ist das Aussterben im Gegentheil das Resultat eines Jahrhun- derte anhaltenden Kampfes gegen ungünstige Verhält- nisse.”

1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, Kap. VII und X. 2 Ebend., Kap. VIII, S. 804.

16 Erster Theil. Zweites Kapitel.

Welche Bezeichnung für Arten oder, um mich wissen- schaftlicher auszudrücken, für sich nahestehende Formen die geeignetste sein dürfte, stellt sich uns häufig als schwer zu lösende Aufgabe in der Naturgeschichte ent- gegen, und zwar in der Klasse der angebauten Arten noch mehr als bei den andern. Durch die Cultur ver- ändern sich diese Pflanzen. Es bemächtigt sich der Mensch neuer Formen, welche ihm zusagen, und ver- mehrt sie alsdann auf künstliche Weise durch Steck- linge, Pfropfen, Auswahl der Samen u. s. w. Um den Ursprung einer dieser Arten kennen zu lernen, muss man zunächst die dem Anscheine nach künstlichen For- men möglichst beseitigen, sein Augenmerk den andern zuwenden. Eine sehr einfache Erwägung dürfte bei dieser Wahl als Führer dienen: dass nämlich eine culti- virte Art Verschiedenheiten besonders in den Organen aufweist, welche sie zum Anbau tauglich machen. Die andern können unverändert bleiben oder unbedeutende Abänderungen erleiden, auf welche der Züchter kein weiteres Gewicht legt, weil sie für ihn keinen Nutzen darbieten. Somit muss man darauf gefasst sein, dass ein ursprünglicher und wilder Fruchtbaum kleine Früchte von nur wenig angenehmem Geschmack trägt, eine Ge- treideart kleine Körner hervorbringt, die wildwachsende Kartoffel kleine Knollen, der einheimische Taback schmale. Blätter u. s. w. u. s. w., man darf indessen nicht bis zu der Vorstellung gelangen, dass eine Art durch den Ein- fluss der Cultur sich Gb einer ungeheuern Ent- wickelung unterzogen habe, denn sicherlich würde der Mensch ihren Anbau gar nicht angefangen haben, wenn sie nicht von Anbeginn an einige nützliche oder ange- nehme Eigenschaften dargeboten hätte.

: Sobald einmal die angebaute Pflanze auf den Zustand Bee tihat ist, welchen eine billige Vergleichung mit Eichen spontanen Formen eh müssen wir uns auch darüber vergewissern, welche "Gruppe von fast gleichen Pflanzen man als eine Art ausmachend zu be- zeichnen für geeignet hält. Hierüber ein Urtheil zu

Archäologie und Paläontologie. 17

fällen, sind allein die Botaniker befugt, weil sie die Verschiedenheiten und Aehnlichkeiten abzuschätzen pfle- gen, ihnen die Verwirrung gewisser Arbeiten hinsichtlich der Nomenclatur nicht unbekannt ist. Es ıst hier nicht der Ort, sich weiter darüber auszulassen, was man mit Recht als Art bezeichnen kann. In einigen Artikeln meiner Arbeiten wird man die Grundsätze niedergelegt finden, welche mir hierfür die besten scheinen. Da ihre Anwendung häufig Beobachtungen nöthig machen würde, welche noch nicht gemacht worden sind, habe ich den Weg eingeschlagen, beinahe specifische Formen zuweilen in einer Gruppe zu unterscheiden, welche mir eine Art auszumachen scheint, und habe ich dann nach dem geo- graphischen Ursprung dieser Formen geforscht, als ob sie wirklich specifisch wären.

Mit wenig Worten: die Botanik bietet sehr schätzens- werthe Mittel, den Ursprung der angebauten Pflanzen zu errathen oder festzustellen und Irrthümer dabei zu vermeiden. Man muss sich übrigens überzeugt halten, dass die Beobachtungen auf dem Terrain und im Stu- dirzimmer Hand in Hand gehen müssen. Zuerst kommt der Sammler, welcher die Pflanzen in einer Gegend oder einer Region sieht und welcher vielleicht eine Flora oder einen Artenkatalog verfasst, dann muss man die geographische Verbreitung, sei solche bekannt oder ge- muthmasst, nach Büchern und Herbarien prüfen, sich ferner die Grundsätze der Pflanzengeographie, sowie die Fragen bezüglich der Klassifikation vergegenwärtigen, was weder beim Reisen noch Sammeln geschehen kann. Andere Forschungen, auf welche ich jetzt zu sprechen kommen werde, müssen mit den botanischen verbunden werden, um befriedigende Schlüsse zu erzielen.

$ 3. Archäologie und Paläontologie. Der möglichst directeste Beweis von dem frühen Auf-

treten einer Art in einem Lande besteht in dem Auf-

DE CANDoOLLE, 2

18 Erster Theil. Zweites Kapitel.

finden erkennbarer Fragmente in alten Gebäuden oder alten Ablagerungen, deren Alter mehr oder minder ge- wiss ist. |

Die Früchte, Samen und verschiedenen Pflanzenbruch- stücke, welche den Gräbern des alten Aegypten ent- stammen, die Zeichnungen, welche sie in den Pyramiden einfassen, wurden die Veranlassung zu sehr wichtigen Untersuchungen, auf welche ich oft hinweisen werde. Hierbei liegt freilich eine Möglichkeit zum Irrthum vor: die des betrügerischen Einschmuggelns von neuern Pflan- zen in die Mumiensärge. Leicht hat man solche er- kannt, sobald es sich beispielsweise um Maiskörner, eine Pflanze amerikanischen Ursprungs, handelte, die von den Arabern heimlich hineingelest waren; man kann aber auch Arten beigefügt haben, die seit zwei- oder drei- tausend Jahren in Aegypten angebaut waren und welche dann ein zu hohes Alter zu haben scheinen. Die Tu- muli oder Mounds von Nordamerika, die Denkmäler der alten Mexicaner und Peruaner haben Belege über die Pflanzen geliefert, welche man in jenem Welttheile an- baute. Hier handelt es sich also um jüngere Zeit- perioden als jene der ägyptischen Pyramiden.

Auch über die Fundstätten der schweizer Pfahlbauten oder Palafitten wurden bedeutende Arbeiten veröffent- licht, unter welchen die bereits erwähnte von Heer in erster Reihe genannt zu werden verdient. Aehnliche Abhandlungen sind über die Pflanzenüberreste geschrie- ben worden, welche man in andern Seen oder Torf- mooren der Schweiz, Savoyens, Deutschlands und Ita- liens aufgefunden hat. Bei Besprechung mehrerer Arten werde ich auf sie zurückkommen. Dr. Gros hatte. die Gefälligkeit, mir Früchte und Samen mitzutheilen, welche den Pfahlbauten des Neuenburgersees entnommen waren, und mein College, Professor Heer, theilte mir freund- lichst einige Angaben mit, die in Zürich nach der Ver- öffentlichung seiner Arbeit gesammelt waren. Ich habe schon erwähnt, dass die als Kjökkenmöddings bekannten

Geschichte. 19

Fundstätten in den skandinavischen Ländern keine Spur von angebauten Pflanzen geliefert haben.

Die Tuffsteine des südlichen Frankreichs enthalten Blätter und andere Pflanzenreste, welche von den Herren Martins, Planchon, de Saporta und andern Gelehrten bestimmt wurden. Vielleicht geht ihr Alter nicht immer weiter zurück als das der ersten Fundstätten der Pfahl- bauten und stimmt möglicherweise mit dem Alter ägyp- tischer Denkmäler und alter chinesicher Bücher überein. Schliesslich tragen die Erzschichten, welche ein beson- deres Studium für die Geologen ausmachen, schon viel zur Aufklärung über die Reihenfolge der Pfanzenfor- men in verschiedenen Ländern bei; es handelt sich dann aber um Zeitabschnitte, die dem Ackerbau weit vorher- gingen, und es würde ein eigenthümlicher und sicher- lich kostbarer Zufall sein, wenn man in der tertiären Epoche Europas eine gegenwärtig angebaute Art ent- deckte. Dies ist bisjetzt in einer über allen Zweifel erhabenen Weise nicht eingetreten, wenn auch nicht an- gebaute Arten in den Lagern erkannt wurden, die un- serer Eisperiode auf der nördlichen Hemisphäre vorher- gingen. Wenn man übrigens auch nicht dahin gelangt, solche zu entdecken, werden die Folgerungen nicht weniger verständlich sein, insofern man sagen könnte: jene Pflanze ist später von einer andern Region ange- langt, oder auch: sie hatte einst eine verschiedene Ge- stalt, welche es nicht ermöglichte, sie in den Fossilien wiederzuerkennen.

S 4. Geschichte.

Die historischen Documente sind für den Zeitpunkt gewisser Culturen in jedem Lande von Wichtigkeit. Sie liefern auch Angaben über den geographischen Ursprung der Pflanzen, wenn solche durch Wanderungen alter Völker, Reisen oder militärische Expeditionen fortge- pflanzt wurden.

D +

ei

D, tnt

æ

20 Erster Theil. Zweites Kapitel.

[ Ohne Prüfung darf man indessen die Behauptungen der Schriftsteller nicht annehmen.

Die meisten der alten Geschichtschreiber haben die Thatsache von dem Anbau einer Art in einem Lande mit derjenigen ihres frühern Wohnsitzes im wilden Zu- stande verwechselt. Gemeiniglich hat man, selbst noch zu unsern Tagen, von einer in Amerika oder in China angebauten Art behauptet, dass sie Amerika oder China bewohne. Ein ebenso häufiger Irrthum war derjenige, eine Art in einem Lande für einheimisch anzusehen, weil man sie von da und nicht von dem wirklichen Heimatlande erhalten hatte. So nannten die Griechen und Römer den Pfirsich persischen Apfel, weil sie ihn in Persien angebaut gesehen hatten, woselbst er aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wild vorkam, da er vielmehr in China ursprünglich zu Hause ist, wie ich dies neuerdings nachgewiesen habe. Als Apfel von Kar- thago (Malum.punicum) bezeichneten sie die Granate, welche sich von Persien nach Mauritanien schrittweise in den Gärten verbreitet hatte. Um so viel mehr haben sich sehr alte Schriftsteller wie Berosus und Herodot irren können, wenn sie äuch noch so sehr wünschten, genaue Angaben zu machen.

Bei Besprechung des Mais werden wir Gelegenheit haben zu sehen, dass historische Schriftstücke, die von einem Ende bis zum andern gefälscht sind, über den. Ursprung einer Art irreleiten können. Das ist seltsam, denn wenn es sich um eine auf den Anbau bezügliche Thatsache handelt, dürfte man annehmen, dass niemand ein Interesse daran hat, die Unwahrheit zu sagen. Glücklicherweise tragen die botanischen oder archäo- logischen Merkmale dazu bei, derartige Irrthümer von vornherein zu muthmassen.

Die Hauptschwierigkeit diejenige, welche sich meistens bei den alten Geschichtschreibern darbietet, besteht in der genauen Uebersetzung der Pflanzen- namen, welche in ihren Büchern meistens volksthüm- liche sind. Bald werde ich auf den Werth dieser Na-

t

Geschichte. 91

men, auf die Hülfsquellen der Sprachforschung bei den uns beschäftigenden Fragen zu sprechen kommen; zuvor dürfte aber anzugeben sein, welche historischen Kennt- nisse beim Studium der angebauten Pflanzen die nütz- lichsten sind.

Der Ackerbau ist vor alters, zum mindesten was die Hauptarten betrifft, aus drei grossen Regionen hervor- gegangen, wo gewisse Pflanzen wuchsen und welche in gar keiner Beziehung zueinander standen. Es sind:

China, der Südwesten von Asien (mit Aegypten ver- |

einigt) und das intertropische Amerika. Hiermit soll

nicht gesagt sein, dass in Europa, in Afrika oder an- | derswo wilde Völker nicht schon zu einer sehr frühen |

Epoche einige Arten in beschränkter Weise als Zubehör zur Jagd oder dem Fischfang anbauten; die grossen, auf den Ackerbau sich stützenden Bildungsstufen aber haben in den drei bezeichneten Regionen ihren Anfang genommen. Höchst bemerkenswerth ist es, dass sich in der Alten Welt die ackerbautreibenden Nationen be- sonders an den Flussufern bildeten, während dies in Amerika auf den Hochebenen von Mexico und Peru der Fall war. Vielleicht muss man dies dem ursprüng- lichen Standorte der zum Anbau geeigneten Pflanzen zuschreiben, denn jedenfalls sind die Ufer des Mississippi, des Orinoco und des Amazonas nicht ungesunder als die der Flüsse der Alten Welt.

Hier einige Worte über jede dieser drei Regionen.

China besass schon seit Tausenden von Jahren einen blühenden Acker- und selbst Gartenbau, als es durch die Gesandtschaft des Chang-Kien unter der Regierung des Kaisers Wu-ti im 2. Jahrhundert vor der christ- lichen Zeitrechnung zum ersten mal mit dem westlichen Asien in Verbindung trat. Aus den Pent-sao genannten Sammlungen, welche zur Zeit uusers Mittelalters ge- schrieben wurden, ersieht man, dass Chang-Kien die Pferdebohne, die Gurke, die Luzerne, den Safran, den Sesam, den Nussbaum, die Erbse, den Spinat, die Wassermelone und andere, den Chinesen damals unbe-

Dr

22 Erster Theil. Zweites Kapitel.

kannte Pflanzen aus dem Westen! mit sich brachte. Er war somit mehr als ein gewöhnlicher Gesandter, denn auch die geographischen Kenntnisse, die wirth- schaftlichen Zustände seiner Landsleute wurden durch ihn wesentlich erweitert und verbessert. Freilich hatte man ihn gezwungen, 10 Jahre im Westen zu verweilen, und gehörte er einem bereits civilisirten Volke an, bei an ein Kaiser 2700 Jahre v. Chr. den Anka ei- niger Pflanzen mit grossartigen Feierlichkeiten umgeben hatte. Die Mongolen waren zu ungesittet und kamen aus einem zu kalten Lande, als dass sie viele Nutz- pflanzen nach China hätten einführen können; beim Forschen nach dem Ursprung des Pfirsich- und Apri- kosenbaumes sehen wir aber, dass diese Bäume von China aus nach dem westlichen Asien gebracht wurden, und zwar wahrscheinlich durch vereinzelte Reisende, Kaufleute oder andere, deren Weg im Norden des Hi- malaja lag. Einige Arten haben sich in derselben Weise von Westen nach China schon vor der Gesandtschaft des Chang-Kien verbreiten können.

Die regelmässigen Verbindungen Chinas mit Indien haben erst zu Lebzeiten dieses Gesandten angefangen und zwar auf der abgelegenen Strasse von Baktrien?, es können aber auch Uebertragungen von Ort zu Ort von der Malaiischen Halbinsel oder Cochinchina aus stattgefunden haben. Den Gelehrten, welche im Norden Chinas thätig waren, haben solche um so viel mehr un- bekannt Elena en weil die südlichen Provinzen erst im 2. Jahrhundert v. Chr. dem Kaiserreich einver- leibt wurden.? 3

Japans erste Beziehungen mit China fanden gegen das Jahr 57 unserer Zeitrechnung durch die Mission eines Gesandten statt, und die Chinesen besassen nicht vor dem 3. Jahrhundert, zur Zeit der Einführung der

Bretschneider, a. a. O., S. 15. Ebend. Ebend., S. 23.

1) nm

Geschichte. 23

chinesischen Schreibkunst nach Japan, genaue Kennt- niss von ihren östlichen Nachbarn.!

Die weite vom Ganges nach Armenien und dem Nil sich ausdehnende Region hat früher nicht so abgeson- dert dagelegen wie China. Ihre Völker haben ange- baute Pflanzen nicht nur von Platz zu Platz mit grosser Leichtigkeit ausgetauscht, sondern sie auch weiter ge- bracht. Es genügt, daran zu erinnern, dass frühere Wanderungen oder Eroberungen die turanischen, arischen und semitischen Völker zwischen dem Kaspisee, Meso- potamien und dem Nil ohne Unterlass vermischt haben. Grosse Staaten bildeten sich ungefähr zu derselben Zeit an den Ufern des Euphrat und in Aegypten; ihnen gingen aber Volksstämme vorher, welche schon gewisse Pflanzen anbauten. Der Ackerbau ist in dieser Region ältern Datums als Babylon und die ersten ägyptischen Dynastien, deren Alter auf über 4000 Jahre hinausgeht. Die assyrischen und ägyptischen Kaiserreiche stritten dann um die Oberherrschaft, und wurden bei ihren Kämpfen Völkerschaften von einem Orte zum andern geleitet, was nur dazu beitragen konnte, die angebauten Pflanzen weiter auszubreiten. Andererseits haben sich die arischen Völker, welche ursprünglich im Norden von Mesopotamien ein für den Ackerbau wenig günstig ge- legenes Land bewohnten, nach Westen und Süden weiter ausgebreitet, indem sie die turanischen und dravidischen Nationen zurückdrängten oder unterwarfen. Ihre Sprache und ganz insbesondere die in Europa und Indien davon abgeleiteten, liefern den Beweis, dass sie mehrere Arten von Nutzpflanzen gekannt und weiter mit sich fortge- führt haben.” Nach diesen sehr alten Vorgängen, deren

1 Atsuma-gusa. Recueil pour servir à la connaissance de l’extr&me Orient, publié par Fr. Turretini, VI, 200, 293.

2 Ich möchte den Naturforschern, welche sich nicht speciell mit die- sen Fragen beschäftigt haben, zwei ausgezeichnete Résumés über die gegenwärtige Kenntniss des Orients und Aegyptens aufs wärmste an- empfehlen, nämlich: „Manuel de l’histoire ancienne de l’Orient‘ von François Lenormand, deutsch von Busch (3 Bde., Leipzig 1871—72) und „LW’Histoire ancienne des peuples de l’Orient‘, von Maspero, deutsch von Pietschmann (Leipzig 1877).

24 Erster Theil. Zweites Kapitel.

genauer Zeitpunkt meistens unermittelt bleibt, haben die Seereisen der Phönizier, die Kriege zwischen den Griechen und Persern, der Zug Alexander’s bis nach Indien und schliesslich die römische Oberherrschaft die Verbreitung der Culturen nach dem Innern des west- lichen Asiens und selbst ihre Einführung nach Europa und dem Norden von Afrika, überallhin wo das Klima nicht hemmend entgegentrat, vollends bewerkstellist. Später, zur Zeit der Kreuzzüge, konnte man nur noch sehr wenige Nutzpflanzen aus dem Orient heimbringen. Damals gelangten nach Europa einige Varietäten von Fruchtbäumen, welche die Römer nicht besassen, sowie verschiedene Zierpflanzen.

Mit der Entdeckung Amerikas ım Jahre 1492 schliessen die wichtigen Vorgänge ab, welche die Verbreitung der angebauten Pflanzen nach allen Ländern hin ermöglich- ten. Zunächst sind es die amerikanischen Arten, wie Kartoffel, Mais, indianischer Feigencactus, Taback u. s. w., welche nach Europa und Asien gebracht wurden. Dar- auf wurde eine Menge von Arten der Alten Welt nach Amerika eingeführt. Durch die Reise des Magelhaens (1520—21) wurde die erste directe Verbindung zwischen Südamerika und Asien herbeigeführt. In demselben Jahrhundert vermehrte der Sklavenhandel die Beziehun- gen zwischen Afrika und Amerika. Endlich haben die Entdeckung der Südseeinseln im 18. Jahrhundert, die zunehmende Leichtigkeit der Verkehrsmittel, verbunden mit den allerseits hervortretenden Verbesserungsbestre- bungen, die allgemeinere Verbreitung der Nutzpflanzen herbeigeführt, wovon wir heutzutage Zeugen sind.

S 5. Sprachforschung.

Die volksthümlichen Namen der angebauten Pflanzen sind meistens sehr bekannt und vermügen über die Ge- schichte einer Art Auskunft zu geben, es kommen aber auch Beispiele vor, wo dieselben ungereimt sind, auf Irrthümern beruhen oder sich als nichtssagend und an-

Sprachforschung. 29

fechtbar hinstellen, sodass ihre Anwendung grosse Vor- sicht erheischt.

Viele solcher abgeschmackten Namen, die allen Sprachen. entlehnt sind, könnte ich hier anführen, es möge aber genügen, auf folgende hinzuweisen:

Im Französischen nennt man den Mais blé de Turquie (türkischer Weizen), obgleich er nichts mit Weizen ge- mein hat und aus Amerika stammt.

In der englischen Sprache heisst der Erdapfel (He- lianthus tuberosus) Jerusalem artichoke, trotzdem er nicht von Jerusalem kommt, sondern von Nordamerika, und keine Artischoke ist.

Im Deutschen wird der Bocksbart (Tragopogon) auch Haferwurzel genannt.!

Eine Menge von Namen, welche die Europäer bei ihrer Niederlassung in den Colonien den ihnen fremden Pflanzen beilegten, bringen falsche oder nichtssagende Aehnlichkeiten zum Ausdruck. So ähnelt der neusee- ländische Flachs so wenig wie möglich dem Flachs, nur dass aus seinen Blättern ein spinnbarer Stoff gewonnen wird. Der pomme d’Acajou (im Deutschen sagt man Acajoubaum) von den französischen Antillen ist nicht die Frucht eines Apfelbaums, selbst nicht einmal einer Pomacee und steht in keiner Beziehung zu dem echten Acajou (Swietenia).

Zuweilen haben sich die volksthümlichen Namen beim Uebergange von einer Sprache in die andere derartig verändert, dass ihnen eine falsche oder lächerliche Be- deutung anhaftet. So wurde der Baum von Judäa, den die Franzosen Cercis Siliquastrum nennen, von den Eng- ländern in Judas-tree umgetauft (wie er auch im Deut- schen Judasbaum heisst). Die von den Mexicanern Ahuaca genannte Frucht ist zum Avocat der franzö- sischen Colonisten geworden.

1 „Nach dem, was Dr. Ascherson mir mittheilt, ist Hafer eine Ent- artung des Wortes Haber (Bock), der Name war somit das Aequivalent von Tragopogon; Haferwurzel ist aber immerhin eine lächerliche Be- zeichnung, weil man im Deutschen Hafer für Avena gebraucht.“ (Vom Verfasser dem Uebersetzer mitgetheilte Anmerkung.)

26 Erster Theil. Zweites Kapitel.

Häufig sind Pflanzennamen von demselben Volke in aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten oder in verschie- denen Provinzen bald als Gattungs- und bald als Arten- namen benutzt worden. Beispielsweise kann -b/é (Wei- zen) entweder mehrere Arten der Gattung Triticum, ja selbst sehr verschiedenartige Nährpflanzen (Mais und Weizen) bezeichnen oder auch eine ganz bestimmte Weizenart.

Manche volksthümliche Namen sind durch Irrthümer oder aus Unwissenheit von einer Pflanze auf die an- dere übergeführt worden. Die von alten Reisenden verursachte Verwirrung zwischen der Batate (Convol- vulus Batatas) und der Kartoffel (Solanum tuberosum) hat den Gebrauch nach sich gezogen, die Kartoffel im Englischen Potatoe und im Spanischen Patatas zu nennen.

Wenn der neuern Zeit angehörige civilisirte Völker, denen es leicht gemacht wird, die Arten zu vergleichen, ihren Ursprung kennen zu lernen, die Namen in den Büchern zu prüfen, sich schon ähnlicher Irrthümer schul- dig gemacht haben, so liegt die Wahrscheinlichkeit vor, dass die Alten deren noch mehr machten, in noch grö- bere verfielen. Die Gelehrten entfalten eine unendliche Weisheit, um den sprachlichen Ursprung eines Namens oder seine Abänderungen in den abgeleiteten Sprachen zu erklären, für die Fehler aber oder die im Volke ge- bräuchlichen Ungereimtheiten vermögen sie keine Er- klärung zu bieten. Schon viel eher werden solche von den Botanikern errathen oder erklärt. Beiläufig wollen wir hier bemerken, dass die Doppelnamen oder die zu- sammengesetzten die verdächtigsten sind. Sie können zwei Irrthümer enthalten, den einen in der Wurzel oder dem Hauptnamen, den andern in dem Zusatz oder Neben- wort, welches fast immer dazu bestimmt ist, einen geo- graphischen Ursprung, eine ins Auge fallende Eigen- schaft, oder irgendwelche Vergleichung mit andern Arten zum Ausdruck zu bringen. Je kürzer ein Name ist, um so mehr verdient er bei der Frage nach dem Ur-

Sprachforschung. 97

sprung oder dem Alter berücksichtigt zu werden, denn im Gefolge der Jahre, der Völkerwanderungen und des Pflanzentransports stellen sich häufig innige Beinamen ein. In den sinnbildlichen Schriften, wie jenen der Chinesen und Aegypter, lassen die alleinstehenden und einfachen Zeichen schon seit alters her bekannte Arten vermuthen, die keinen fremden Ländern entstammen, während dagegen die zusammengesetzten Zeichen ver- dächtig sind oder einen fremden Ursprung andeuten. Dabei darf man indess nicht ausser Acht lassen, dass die Zeichen häufig Bilderräthsel waren, die sich auf zufällige Aehnlichkeiten von Wörtern oder auch auf abergläubische und überspannte Vorstellungen stützten.

Die Uebereinstimmung eines volksthümlichen Namens für eine Art in mehreren Sprachen kann zwei gar ver- schiedene Bedeutungen haben. Sie kann daraus ent- stehen, dass eine Pflanze von einem Volke mitgeführt wurde, welches sich getrennt und zerstreut hat. Sie kann aber auch davon herrühren, dass eine Pflanze von einem Volke einem andern mit dem Namen des Hei- matlandes überliefert worden ist. Ersterer Fall tritt beim Hanf ein, dessen Name, wenigstens in Bezug auf seine Wurzel, in allen von den ursprünglichen Aryas abgeleiteten Sprachen ein ähnlicher ist. Der zweite Fall zeigt sich bei dem amerikanischen Namen des Ta- backs und dem chinesischen des Thees, die sich in un- zähligen Ländern weiter verbreitet haben, ohne dass diese in irgendeinem linguistischen oder ethnographi- schen Zusammenhange stehen. Dieser Fall hat sich häufiger in der Neuzeit als im Alterthume dargeboten, weil die Schnelligkeit der Verbindungen es heutzutage ermöglicht, eine Pflanze und ihren Namen zu gleicher Zeit selbst nach grossen Entfernungen hin einzu- führen.

Die Verschiedenheit der Namen für ein und dieselbe Art kann aus gar mannichfaltigen Ursachen entspringen. Im allgemeinen weist sie auf ein sehr frühes Vorkom- men in verschiedenen Ländern hin, sie kann aber auch

28 Erster Theil. Zweites Kapitel.

aus der Vermischung der Völker herrühren oder durch Namen von Varietäten, welche sich den ursprünglichen Namen anmaassen, herbeigeführt sein. So kann man in England, je nach den Grafschaften, einen celtischen, sächsischen, dänischen oder lateinischen Namen antreffen, und in Deutschland finden wir für ein und dieselbe Pflanze die Namen Flachs und Lein, welche augen- scheinlich verschiedenen Ursprungs sind.

Will man sich der volksthümlichen Namen bedienen, um denselben gewisse Wahrscheinlichkeiten über den Ursprung der Arten zu entlehnen, so müssen Wörter- bücher und philologische Abhandlungen zu Rathe ge- zogen werden, dabei darf man aber die Möglichkeit nicht ausser Augen lassen, dass diese Gelehrten, welche weder Ackerbauer noch Botaniker waren, sich in der Anwendung eines Namens für eine Art geirrt haben können.

Die bedeutendste Zusammenstellung von volksthüm- lichen Namen ist die von Nemnich!, welche 1793 ver- öffentlicht wurde. Ich besitze eine andere, noch aus- gedehntere im Manuscript, die in unserer Bibliothek von meinem frühern Schüler Moritzi mit Hülfe von Floren und mehrern botanischen Reisewerken redigirt wurde. Ausserdem gibt es Wörterbücher, die sich mit den Artennamen dieses oder jenes Landes oder einer besondern Sprache befassen. Derartige Sammlungen enthalten nicht oft Erklärungen über die Abstammung der Wörter; ein mit guter allgemeiner Bildung ausge- rüsteter Naturforscher aber, mag nun Hehn? sagen was er will, vermag die Verwandtschaftsgrade oder die Grund- verschiedenheiten gewisser Namen in den verschiedenen Sprachen zu erkennen, ohne dabei die modernen Sprachen mit den alten zu verwechseln. Hierzu braucht man nicht mit den spitzfindigen Unterschieden der Suffixe

1 Nemnich, Allgemeines Polyglotten - Lexicon der Naturgeschichte (2 Bde.).

2 Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien (3. Aufl., 1877).

Sprachforschung. 29

und Affixe, der Lippen- und Zahnlaute vertraut zu sein. Zweifelsohne vermag ein Philolog besser und weiter in die Etymologien einzudringen, bei den Untersuchungen über die angebauten Pflanzen ist dieses aber nur selten erforderlich. Andere Kenntnisse, besonders die der reinen Botanik, sind weit nützlicher, solche gehen den Philologen mehr ab, als die Sprachforschung den Natur- forschern, und zwar aus dem sehr klar liegenden Grunde, dass man im Unterrichtswesen den Sprachen mehr Ge- wicht beilegt als den Naturwissenschaften. Es scheint mir auch, dass die Sprachforscher, namentlich solche, welche sich mit dem Sanskrit beschäftigen, auf das Suchen nach Etymologien bei jedem Namen zu viel Werth legen. Sie denken nicht genug an den mensch- lichen Unverstand, durch welchen zu allen Zeiten ab- geschmackte, schwach begründete, aus irrigen oder aber- gläubischen Vorstellungen hergeleitete Namen ins Leben gerufen wurden.

Die Abstammung der neuern europäischen Sprachen ist jedermann bekannt. Die der alten Sprachen ist seit einem halben Jahrhundert Gegenstand wichtiger Arbeiten geworden. An dieser Stelle weiter hierauf einzugehen, ist mir nicht möglich. Genüge es, daran zu erinnern, dass alle jetzigen europäischen Sprachen ihren Ursprung von der Sprache der westlichen Arier ableiten, die aus Asien kamen; Ausnahmen hiervon machen die baskische (vom Iberischen abgeleitet), die finnische, türkische und ungarische Sprache, in welche sich überdies viele Worte arischen Ursprungs eingeführt haben. Andererseits stam- men mehrere Sprachen, die gegenwärtig in Indien, auf Ceylon und Java geredet werden, vom Sanskrit der östlichen Arier, die später als die Arier des Westens von Centralasien ausgingen. Mit ziemlicher Wahrschein- lichkeit muthmaasst man, dass die ersten Westarier 2500 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Europa an- kamen, und die Ostarier in Indien etwa tausend Jahre später.

Das Baskische (oder Iberische), die Sprache der

30 Erster Theil. Zweites Kapitel.

Guanchen von den Canarischen Inseln, welche einige Pflanzennamen enthält, und das Berberische, standen wahrscheinlich mit de alten Sprachen des Nordens von Afrika in Verbindung.

In vielen Fällen sich die Botaniker veranlasst, volksthümliche Namen zu beanstanden, welche von Rei- senden, Historikern und Philologen manchen Pflanzen Réelest wurden. Das geschieht infolge der Zweifel, welche sie selbst hegen bei Unterscheidung der Arten und der ihnen wohlbekannten Schwierigkeit, sich des volksthümlichen Namens einer Pflanze zu vergewissern. Die Ungewissheit wird um so viel grösser, wenn es sich um Arten handelt, die leichter miteinander zu verwech- seln, weniger allgemein bekannt sind, oder auch um Sprachen von wenig civilisirten Nationen. Von diesem Gesichtspunkte aus gibt es gewissermassen Abstufungen zwischen den Sprachen, und die Namen müssen mehr oder weniger gemäss diesen Abstufungen angenommen werden.

Was Gewissheit anbelangt, so stehen die Sprachen obenan, welche botanische Werke besitzen. Thatsäch- lich kann man eine Art mit Hülfe einer griechischen Beschreibung von Dioscorides oder Theophrast und selbst der weniger ausführlichen lateinischen Texte von Cato, Columella oder Plinius wiedererkennen. Die chi- nesischen Bücher geben auch Beschreibungen. Ihr Stu- dium ist von Dr. Bretschneider, Arzt der ‚russischen Gesandtschaft in Peking, eifrig betrieben und ich werde auf die von ihm veröffentlichten Arbeiten häufig zurück- kommen.!

Dann kommen die Sprachen, welche eine nur aus Werken der Theologie, Poesie oder Chroniken über Könige und Schlachten zusammengesetzte Literatur ent-

1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works with notes on the history of plants and geographical botany from Chi- nese sources (51 S. mit Abbildungen, Foochoo, ohne Jahreszahl, die Vorrede ist aber datirt vom December 1870). Notes on some botanical questions (14 S., 1880).

he ir

Sprachforschung. 31

halten. Solche Werke erwähnen hier und da Pflanzen, welchen Beiwörter oder Bemerkungen über ihre Blüte- zeit, Reife, Anwendung u. s. w. angefügt sind, wodurch man befähigt wird, einen Namen richtig zu verstehen, ihn auf die botanische Nomenclatur der Gegenwart zu- rückzuführen. Hilft man sich ausserdem mit Kennt- nissen über die Landesflora, mit volksthümlichen Namen in den Sprachen, welche aus der alten abgeleitet sind, so gelingt es einem in mehr oder minder befriedigender Weise, den Sinn einiger Wörter festzustellen. Dies ist bei dem Sanskrit!, dem Hebräischen? und Aramäischen? geschehen.

Eine dritte Klasse der alten Sprachen vermag schliess- lich gar keine Sicherheit darzubieten, sondern nur Ver- muthungen oder ziemlich seltene hypothetische Angaben. Das ist die der Sprachen, von welchen man kein Schrift- werk kennt, wie das Celtische mit allen seinen Dia- lekten, das Altslawische, das Pelasgische, das Iberische, die Sprache der ursprünglichen Aryas, der Turanen u. s. w. Durch zwei Verfahrungsweisen, denen aber beiden nicht zu trauen ist, lassen sich gewisse Namen oder ihre annähernde Form in diesen alten Sprachen muthmassen.

. 1 Das Wörterbuch von Wilson enthält Pflanzennamen, die Botaniker verlassen sich aber mehr auf die von Roxburgh in seiner Flora indica (3 Bde., 1832) und in Piddington’s Specialwörterbuch: English Index to the plants of India (Kalkutta 1832) angegebenen Namen. Die Gelehrten behaupten freilich, in den Originalwerken eine grössere Anzahl von Na- men zu entdecken, sie vermögen aber nicht die Bedeutung dieser Namen hinreichend nachzuweisen. Im allgemeinen geht dem Sanskrit das ab, was wir für das Hebräische, Griechische und Chinesische besitzen das in neuere Sprache übersetzte Citat die auf jedes Wort sich beziehenden, eigenthümlichen Ausdrucksweisen.

2 Das beste Werk über die Pflanzennamen des Alten Testaments ist das von Rosenmüller: Handbuch der biblischen Alterthumskunde (Bd. 4, Leipzig 1840). Ein gutes, kurzgefasstes Werk im Französischen ist: La Due de la Bible, von Fred. Hamilton (Nizza 1571).

3 Reynier, ein schweizer Botaniker, welcher sich in Aegypten aufge- halten, hat mit grossem Scharfsinn den Sinn vieler Pflanzennamen im Talmud wiedergegeben. Siehe seine Werke: Économie publique et rurale des Arabes et des Juifs (1820), und: Économie publique et rurale des Égyp- tiens et des Carthaginois (Lausanne 1823), Die neuern Arbeiten von Du- schak und von Löw stützen sich nicht auf die Kenntniss der Pflanzen des Orients und sind für die Botaniker ihrer in syrischen und hebräischen Buchstaben geschriebenen Namen wegen unlesbar.

32 Erster Theil. Zweites Kapitel.

Die erste und beste besteht in dem Zuratheziehen der abgeleiteten Sprachen oder solcher, deren directe Ableitung von den alten Sprachen gemuthmasst wird, wie das Baskische aus dem Iberischen, das Albanesische aus dem Pelasgischen, das Bretagnische, Irländische und Gälische aus dem Celtischen. Hierbei läuft man Gefahr, sich über die Abstammung der Sprachen zu täuschen, ganz insbesondere auch an das hohe Alter eines Pflan- zennamens zu glauben, welcher von einem andern Volke herrühren kann. So finden sich in der baskischen Sprache viele Namen, welche infolge der römischen Ober- herrschaft dem Lateinischen entlehnt zu sein scheinen. Das Berberische ist mit arabischen Namen angefüllt, und das Persische mit allen möglichen Namen, welche wahrscheinlich in der Zendsprache nicht vorkommen.

Das andere Verfahren besteht darin, eine alte Sprache ohne Literatur vermittelst ihrer Ableitungen wieder auf- zubauen, z. B. die Sprache der westlichen Aryas mit Hülfe der Wörter, die mehreren europäischen, aus ihr entsprungenen Sprachen gemein sind. Fick’s Wörter- buch kann für die Wörter der alten arischen Sprachen kaum benutzt werden, denn es enthält nur wenige Pflan- zennamen, und seine Anordnung macht es für alle, die das Sanskrit nicht kennen, unbrauchbar. Sehr viel wichtiger für die Naturforscher ist das Werk von A. Pictet, von welchem nach dem Tode des Verfassers eine zweite vermehrte und vervollständigte Ausgabe erschie- nen ist.! Die Pflanzennamen und die in der Land- wirthschaft gebräuchlichen Ausdrücke sind darin in um so befriedigender Weise erklärt und besprochen worden, da ihr genaue botanische Kenntnisse zu Grunde liegen. Lest der Verfasser auch vielleicht zu viel Gewicht auf zweifelhafte Etymologien, so macht er es durch ander- weitige Kenntnisse, durch viel Methode und Klarheit wieder gut.

1 Adolphe Pictet, Les origines des peuples indo-européens (3 Bde., Paris 1878).

Vereinigung der Methoden. 93

._ Die Pflanzennamen in euscarischer oder baskischer Sprache sind mit Rücksicht auf wahrscheinliche Ab- stammungen vom Grafen Charencey erläutert worden.! Ich werde Gelegenheit nehmen, auf diese Arbeit hinzu- weisen, bei welcher die Schwierigkeiten infolge des Mangels aller Literatur und abgeleiteter Sprachen recht bedeutende waren.

8 6. Nothwendigkeit, die verschiedenen Methoden zu vereinigen.

Die verschiedenen Verfahrungsweisen, von welchen ich soeben gesprochen, haben nicht ein und denselben Werth. Wenn einem über eine Art archäologische Belege, wie solche der ägyptischen Denkmäler oder der schweizer Pfahlbauten, zu Gebote stehen, so sind dies augenschein- lich Thatsachen von ganz besonderer Genauigkeit. Hieran reihen sich zunächst die botanischen Angaben, nament- lich solche über das spontane Auftreten einer Art in diesem oder jenem Lande. Unterwirft man sie einer sorgfältigen Prüfung, so können sie von grosser Wich- tigkeit sein. Die in den Büchern enthaltenen Aussagen, welche von Geschichtsforschern oder selbst Naturfor- schern zu einer Zeit gemacht wurden, wo die Wissen- .schaft sich noch in der Kindheit befand, besitzen nicht denselben Werth. Die volksthümlichen Namen schliess- lich sind nur ein Hülfsmittel, besonders in den neuern Sprachen, ein Mittel, dem man nicht trauen darf, wie wir gesehen haben. So viel lässt sich im allgemeinen Sinne sagen, bei jedem besondern Falle aber wird diese oder jene Methode zuweilen von grösserer Wichtigkeit.

Eine jede führt zu einer einfachen Wahrscheinlich- keit, weil es sich um alte Thatsachen handelt, welche sich directen und gegenwärtigen Beobachtungen ent- ziehen. Geleiten drei oder vier verschiedene Wege zu

1 Charencey, in: Actes de la Société philologique (Bd. I, Nr. 1, 1869). DE CANDOLLE. 3

34 Erster Theil. Zweites Kapitel.

derselben Wahrscheinlichkeit, so wird solche glücklicher- weise schon zur ziemlichen Gewissheit.

Bei Untersuchungen über die Geschichte der Pflanzen verhält es sich wie bei jenen über die Geschichte der Völker. Ein guter Schriftsteller zieht die Geschicht- schreiber zu Rathe, welche von gewissen Vorgängen be- richtet haben, ferner die Archive, welche unveröffentlichte Documente bergen, die Inschriften alter Denkmäler, die Zeitschriften, Privatbriefe, schliesslich die Abhandlungen und selbst mündliche Ueberlieferungen. Aus jeder Quelle schöpft er Wahrscheinlichkeiten, vergleicht die- selben dann untereinander, wägt sie ab und prüft sie, ‚ehe er sich entscheidet. Das ist eine Arbeit des Ver- standes, welche Scharfsinn und Beurtheilungsvermögen erheischt. Dieselbe unterscheidet sich wesentlich von der Beobachtung, wie sie in der Naturgeschichte ge- bräuchlich ist, desgleichen von der abstracten Schluss- folgerung, welche den mathematischen Wissenschaften eigen ist. Gelangt man, um es noch einmal zu wieder- : holen, vermöge mehrerer Methoden zu ein und derselben Wahrscheinlichkeit, so nähert sich diese immerhin der Gewissheit. Man kann selbst sagen, dass sie die Ge- wissheit gibt, auf welche man in den historischen Wissen- schaften Anspruch erheben darf. |

Hierfür bot sich mir der Beweis, indem ich meine jetzige Arbeit mit derjenigen verglich, welche ich nach denselben Methoden im Jahre 1855 ausgeführt hatte. Für die Arten, welche ich damals untersucht, standen mir mehr Schriftstücke, besser festgestellte Thatsachen zu Gebote, die Schlüsse aber über den Ursprung jeder Art sind fast dieselben geblieben. Da sie sich schon auf eine Vereinigung der Methoden stützten, sind die wahrscheinlichen Vorgänge noch wahrscheinlicher oder zur Gewissheit geworden und bin ich in keiner Weise zu Resultaten geführt worden, die den vorhergehenden ganz und gar entgegenstanden.

Die archäologischen, linguistischen und botanischen Data werden immer zahlreicher. Mit ihrer Hülfe bildet

Vereinigung der Methoden. 35

sich die Geschichte der Pflanzen aus, während die Aus- sagen der alten Autoren an Bedeutung verlieren, statt daran zuzunehmen. Dank den Entdeckungen der Alter- thumsforscher und Philologen kennen die Männer der Neuzeit Chaldäa und das alte Aegypten besser als die Griechen. Sie vermögen Irrthümer ım Herodot nach- zuweisen. Die Botaniker ihrerseits berichtigen Theo- phrast, Dioscorides und Plinius mit Hülfe der über Griechenland und Italien veröffentlichten Floren, wäh- rend das Studium der alten Classiker, dem sich die Gelehrten seit drei Jahrhunderten so oft hingaben, eben das geboten hat, was es bieten konnte. Eines Lächelns kann ich mich nicht enthalten, wenn ich sehe, wie heut- zutage Gelehrte wohlbekannte griechische oder latei- nische Redensarten wiederholen, um daraus Schlüsse zu ziehen, wie sie es nennen. Das ist dasselbe, als wenn man einer Citrone Saft entziehen wollte, die schon wieder und wieder ausgepresst wurde. Ganz ohne Scheu darf man sagen, dass die Werke, welche die Autoren des griechischen und römischen Alterthums wiedergeben und auslegen, ohne dabei die botanischen und archäologischen Thatsachen nicht zu allermeist zu berücksichtigen, sich nicht mehr auf dem Höhepunkt der Wissenschaft be- finden. Dessenungeachtet könnte ich solche anführen, welchen in Deutschland die Ehren dreier Ausgaben zu- theil geworden sind. Es hätte sich mehr der Mühe verlohnt, die frühern Arbeiten von Fraas und Lenz, von Targioni und Heldreich wieder drucken zu lassen, weil dieselben die jetzigen Angaben der Botanik stets über die unsichern Beschreibungen alter Schriftsteller stellten, d. h. Thatsachen über Worte und Redensarten.

3%

ZWEITER THEIL.

Studium der Arten in Bezug auf ihren Ursprung, die | ersten Zeiten ihres Anbaues und die wichtigsten Thatsachen ihrer Verbreitung.!

ERSTES KAPITEL.

Pflanzen, die ihrer unterirdischen Theile wegen, wie Wurzeln, Zwiebeln oder Knollen, angebaut werden.?

Raphanus sativus, Linne. Radies (fr. Radis, Raifort). Der Radies wird seiner sogenannten Wurzel wegen angebaut, welche, um genau zu sprechen, der untere Theil des Stengels mit der Pfahlwurzel ist.” Es ist bekannt, bis zu welchem Grade die Grösse, Form und Farbe dieser fleischig werdenden Organe sich je nach dem Boden und den angebauten Rassen verändern können.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Art in den

1 Eine gewisse Anzahl von Arten, deren Ursprung gut bekannt ist, wie die Mohrrübe, der Sauerampfer u. s. w., finden sich nur in der sum- marischen Uebersicht zu Anfang des letzten Theils erwähnt, dort wird auf die wichtigsten, sie betreffenden Thatsachen hingewiesen.

2 Einige Arten werden bald ihrer Wurzeln, bald ihrer Blätter oder Samen wegen angebaut. In andern Kapiteln finden sich solche Arten, die man ihrer Blätter (Futter) oder ihrer Samen wegen u.s.w. anbaut, Ich habe die Eintheilung nach der gebräuchlichsten Anwendung gemacht. Ausserdem weist das alphabetische Verzeichniss auf den für jede Art ge- wählten Platz hin.

3 Man sehe die Pflanze im jungen Zustande, wenn der unterhalb der Samenblätter befindliche Theil des Stengels noch nicht fleischig ist. Tur- pin hat davon eine Abbildung gegeben: Annales des sciences naturelles, 1."Berie, Bd: 21, Taf.5.

Radies. 37

gemässigten Regionen der Alten Welt ursprünglich zu Hause ist; da sie sich aber in den Gärten seit den älte- sten historischen Zeiten von China und Japan bis nach Europa verbreitet hat und sie sich häufig vom Cultur- lande aus weiter aussäet, hält es schwer, ihren Ausgangs- punkt festzustellen.

Unlängst verwechselte man mit der Raphanus sativus nahestehende Arten vom Mittelmeergebiet, denen man gewisse griechische Namen beilegte; der Botaniker J. Gay, welcher viel zur Beseitigung dieser analogen Formen beitrug, betrachtete aber Raphanus sativus als im Orient, vielleicht auch in China einheimisch.! Linne muthmaasste auch einen chinesischen Ursprung, zum we- nigsten von einer Varietät, welche man in China ihrer ölhaltigen Samen wegen anbaut.?

Mehrere Floren Südeuropas führen die Art als sub- spontan an oder auch als der Cultur entsprungen, da- gegen nie als wirklich wildwachsend. Ledebour hatte ein in der Nähe des Ararat gesammeltes Exemplar ge- sehen. Von demselben hatte er die Samen ausgesäet und dann die Art festgestellt.” DBoissier* jedoch be- schränkt sich in seiner Flora des Orients vom Jahre 1867 auf die Worte: „Subspontan in den Culturen von Anatolien, in der Nähe von Mersiwan (nach Wied), in Palästina (nach ihm selbst), in Armenien (nach Lede- -bour) und wahrscheinlich noch anderswo“, was dem in europäischen Floren Gesagten gleichkommt. Buhse führt eine Localität an, die Ssahendberge, im Süden des Kaukasus, welche schon ziemlich weit ausserhalb der Culturen liegen muss. Die neuern Floren von Bri- tisch-Indien ©, Loureiro’s alte Flora von Cochinchina führen die Art nur als angebaut auf. Maximowiez hat

1 In A: de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 826, 2 Linné, Spec. plant., S. 935.

3 Ledebour, F1. ross., I, 225.

4 Boissier, F1. orient., I, 400.

5 Buhse, Aufzählung Transcaucasien, S. 30.

6 Hooker, F1. Brit. India, I, 166.

38 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

sie in einem Garten des nordöstlichen China gesehen.! Thunberg spricht von ihr als einer in Japan allgemein angebauten Pflanze, die auch an den Landstrassen auf- tritt?; letzteres ist aber von neuern, wahrscheinlich besser unterrichteten Schriftstellern nicht wiederholt worden.?

Herodot spricht von einem Radis, welchen er Sur- mata nennt, von welchem eine Inschrift der Cheops- Pyramide den Gebrauch seitens der Arbeiter erwähnte. (Hist., 1. 2, c. 125). Unger* hat in dem Werke von Lepsius zwei Abbildungen aus dem Tempel von Karnak wiedergegeben, von welchen wenigstens die erste den Radis darzustellen scheint.

Hieraus können wir folgern: 1) die Art verbreitet sich leicht ausserhalb des Culturbereichs in der Region des westlichen Asiens und südlichen Europa, was in den Floren des östlichen Asiens nicht mit Gewissheit er- wähnt wird; 2) die im Süden des Kaukasus ohne Cul- turangabe gelegenen Localitäten lassen die Vermuthung zu, dass die Pflanze dort wıldwachsend ist. Aus diesen beiden Gründen scheint sie im westlichen Asien, zwischen Palästina, Anatolien und dem Kaukasus, vielleicht auch in Griechenland ursprünglich einheimisch zu sein; die Cultur würde sie dann seit sehr frühen Zeiten nach Westen und Osten verbreitet haben.

Die volksthümlichen Namen unterstützen diese Hypo- thesen. In Europa bieten sie wenig Interesse, wenn sie sich auf die Beschaffenheit der Wurzel oder auf irgendeine Vergleichung mit der Rübe (franz. Rave, ital. Ravanello, span. Rabica u. s. w.) beziehen; die alten Griechen hatten aber den besondern Namen Ra- phanos (welches leicht aufgeht) aufgestellt.

Das italienische Wort Ramoraccio stammt aus dem griechischen Armoracia, welches den R. sativus oder

Maximowicz, ie florae Amurensis, S. 47.

Thunberg, Fl. jap., S. 263.

Franchet et Savatier, ‘Enumer. plant. Jap., I, 39.

Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 51, Fig. 24 und 29.

HR Co 19 M

Radies. 39

eine verwandte Art bezeichnete. Forscher der Neuzeit haben es irrthümlicherweise zu Cochlearia Armoracia oder Meerrettig (Kren) gebracht, von welchem weiter unten die Rede sein wird. Die Semiten ! haben ganz andere Namen (Fugla im Hebräischen, Fuil, fidgel, figl u.s. w. im Arabischen). In Indien ist Mula oder Muli nach Roxburgh? der volksthümliche Name einer Va- rietät mit kolossaler Wurzel, die zuweilen die Dicke von dem Beine eines Mannes erreicht; im Sanskrit Mu- luka. Für Cochinchina, China und Japan endlich führen die Schriftsteller mehrere untereinander sehr verschie- dene Namen an. Nach dieser Verschiedenheit zu schliessen, dürfte die Cultur von Griechenland bis nach Japan eine sehr alte sein; weitere Folgerungen rück- sichtlich des ursprünglichen Vaterlandes als wildwach- sende Pflanze lassen sich aber daraus nicht entnehmen.

In Bezug hierauf ist eine vollständig verschiedene Meinung vorhanden, welche wir auch zu prüfen haben. Mehrere Botaniker? argwöhnen nämlich, dass Raphanus sativus nur eine besondere Form mit dicker Wurzel und nicht gegliederter Frucht von Raphanus Rapha- nistrum sei, einer Pflanze, die auf angebautem Boden des gemässigten Europa und Asiens sehr gemein ist, und welche man ebenfalls im wilden Zustande am Mee- resstrande und auf leichtem Sandboden antrifit, z. B. bei San-Sebastian, in Dalmatien und in Trapezunt.* Die gewöhnlichen Standorte auf den sich selbst über- lassenen Feldern und viele volksthümliche Namen, welche wilden Radies bezeichnen, weisen auf die Verwandtschaft der zwei Pflanzen hin. Ich würde nicht darauf zurück- kommen, wenn ihre muthmassliche Identität nur auf Einbildung beruhte, sie stützt sich aber auf Unter-

1 Nach meinem handschriftlichen Wörterbuch sind dies volksthümliche Namen, welche Floren entlehnt sind, die man vor 30 Jahren kannte.

2 Roxburgh, mind, IT 126.

3 rs Phytogr. Canar., 8. 83; Iter hisp., S. 71; Bentham, F1. Hong- kong, S. 17; Hooker, Fl. Brit. Ind., I, 166.

4 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 748; Viviani, Fl. dalmat., III, 104; Boissier, Fl. orient., I, 401.

40 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

suchungen und Beobachtungen, deren Kenntnissnahme von Wichtigkeit ist.®

Bei R. Raphanistrum ist die Schote gegliedert, d. h. eng von Platz zu Platz, und sind die Samen in jedem Gelenk enthalten. Bei R. sativus ist die Schote fort- laufend und bildet eine einzige, innere Höhlung. Auf diese Verschiedenheit hin hatten einige Botaniker ver- schiedene Gattungen, Raphanistrum und Raphanus, auf- gestellt. Drei sehr genaue Beobachter aber, die Herren Webb, J. Gay und Spach, haben unter den Pflanzen von Raphanus sativus, die denselben Samen entsprungen waren, bald einfächerige und bald gegliederte Schoten, welche dann zwei- oder mehrfächerig sind, nachgewiesen.! Webb, der diese Untersuchungen später wiederholte, ist zu keinen andern Resultaten gelangt, ausserdem ge- langte er aber auch zu der keineswegs unwesentlichen Gewissheit, dass der sich von selbst zufällig aussäende, also nicht angebaute Radies Schoten von Raphanistrum hervorbrachte.?

Eine andere Verschiedenheit zwischen den zwei Pflan- zen ‚zeigt sich an den Wurzeln, die bei À, sativus fleischig, bei À. Raphanistrum dünn sind; dies wechselt aber je nach den Culturen, wie Carrière, Obergärtner der Baumschulen im Pariser Pflanzengarten, nachgewiesen hat.” Er kam auf den Gedanken, Samen von Rapha- nistrum mit dünner Wurzel in schwerem und in leichtem‘ Boden auszusäen, und von der vierten Generation an erntete er fleischige Wurzeln, die in Form und Farbe wie jene unserer Gärten verschieden waren. Selbst Ab- bildungen hat er davon gegeben, die recht eigenthüm- lich und beweiskräftig sind. Der beissende Geschmack des Radies fehlte auch nicht. Um diese Abänderungen zu erzielen, machte Carriere im Monat September seine Aussaat, um auf diese Weise die einjährige Pflanze zu

1 Webb, Phytographia canariensis, I, 83.

2 Webb, Iter hispaniense, S. 72 (1838).

3 Carrière, Origine des plantes domestiques démontrée par la culture du Radis sauvage. (24 S., 1869.)

Radies. 41

einer fast zweijährigen zu machen. Dies hatte begreif- licherweise die Verdickung der Wurzel zur Folge, denn viele bisannuellen Pflanzen haben fleischige Wurzeln.

Nun bliebe der entgegengesetzte Versuch zu machen noch übrig, nämlich cultivirte Radies auf einem schlechten Boden auszusäen. Wahrscheinlich würden die Wurzeln immer dürrer werden, wie die Schoten in ähnlichem Falle immer gegliederter werden.

Stellen wir alle soeben besprochenen Untersuchungen zusammen, so gelangen wir zu dem Schlusse, dass Ra- phanus sativus recht gut eine Form von R. Raphanistrum sein könnte und zwar eine wenig beständige Form, die durch das Auftreten einiger Generationen auf einem fruchtbaren Boden bedingt wird. Man kann nicht an- nehmen, dass die alten, nicht civilisirten Völker ähn- liche Versuche wie die des Herrn Carriere angestellt haben, es ist aber immerhin möglich, dass ihnen Pflan- zen von Raphinistrum aufgefallen sind, die aus einem sehr stark gedüngten Boden kamen und demnach mehr oder minder fleischige Wurzeln hatten; dann konnte ihnen auch der Gedanke, sie anzubauen, nicht mehr fern liegen.

Indessen will ich auf einen der Pflanzengeographie entlehnten Einwand hinweisen. Raphanus Raphanistrum ist eine europäische Pflanze, welche in Asien nicht vor- kommt.! Demnach kann es auch nicht diese Art sein, von welcher die Einwohner Indiens, Chinas und Japans die Radies gewannen, welche sie seit Jahrhunderten an- bauen. Andererseits fragt man sich, in welcher Weise R. Raphanistrum, dessen Umwandlung in Europa statt- gefunden haben soll, in diesen frühen Zeiten durch ganz Asien fortgepflanzt wurde. Die Wanderungen von an- gebauten Pflanzen sind gemeiniglich von Asien nach Europa ausgegangen. Chang-kien hatte allerdings im 2. Jahrhundert v. Chr. Gemüse von Baktrien nach China

1 Ledebour. El. ross.; Boissier, Fl. orient.; die Werke über die Flora des Amur-Gebiets.

42 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

gebracht, unter denselben wird aber der Radies nicht genannt.

Cochlearia Armoracia, Linne. Meerrettig, Kren (fr. Cran, Cranson, Raifort sauvage).

Man nannte diese Crucifere, deren ziemlich harte Wurzel einen senfartigen Geschmack besitzt, - zuweilen Cran oder Cranson de Bretagne. Das war ein Irrthum, hervorgerufen durch einen alten botanischen Namen Armoracia, welchen man mit Armorica (de Bretagne) verwechselte. Armoracia findet sich schon im Plinius und bezog sich auf eine pontische Crucifere, vielleicht auf Raphanus sativus. Früher! schon habe ich auf diese Verwirrung hingewiesen und mich über den ver- kannten Ursprung der Art folgendermaassen ausge- sprochen:

„Die Cochlearia Armoracia wächst in der Bretagne nicht wild. Dies ist von den eifrigen Botanikern, welche gegenwärtig das westliche Frankreich erforschen, fest- gestellt worden. Der Abbe Delalande erwähnt es in seinem Werkchen «Hoedic et Houat»?, welches in fes- selnder Weise über die Gebräuche und Erzeugnisse dieser zwei kleinen Inseln der Bretagne berichtet. Der Verfasser beruft sich auf Le Gall, welcher in einer un- veröffentlichten Flora von Morbihan die Pflanze als einen Fremdling für die Bretagne hinstellt. Dieser Be- weis ist übrigens weniger stichhaltig als die andern, weil die nördliche Küste der bretonischen Halbinsel den Botanikern noch nicht hinlänglich bekannt ist und sich das alte Armorika über einen Theil der Normandie ausbreitete, wo man die wildwachsende Cochlearia ? jetzt bisweilen antrıfft. Dies veranlasst mich, von dem ur- sprünglichen Vaterlande der Art zu sprechen.

„Die englischen Botaniker führen sie für Grossbritan-

1 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 654,

2 Delalande, Hoedic et Houat (Nantes 1850), S. 109.

3 Hardouin, Renou et Leclerc, Catal. du Calvados, S.85; de Brebisson, Fl. de Normandie, S. 25.

i4iiid LE dt

Meerrettig, Kren. 43

nien als wildwachsend auf, hegen aber gewisse Zweifel bezüglich ihres Ursprungs. H. C. Watson! sieht sie als eingeführt an. «Die Schwierigkeit», sagt er, «sie von den Plätzen auszurotten, wo sie angebaut wird, ist eine Gärtnern wohlbekannte Thatsache.» Man darf sich daher nicht wundern, dass diese Pflanze von den sich selbst überlassenen Feldern Besitz ergreift und sich dort so festsetzt, um als ursprüngliche Pflanze zu er- scheinen. Babington? führt nur eine Localität an, wo die Art wirklich das Aussehen einer wildwachsenden besitzt, Swansea nämlich, in der Grafschaft Wales. So. müssen wir uns schon bemühen, das Problem mit an- dern Argumenten zu lösen.

„Die Cochlearia Armoracia ist eine Pflanze des ge- mässigten Europa, namentlich des Ostens. Sie ist von Finland bis nach Astrachan und der Wüste am Kuma° verbreitet. Grisebach führt sie auch für mehrere Locali- täten der europäischen Türkei auf, z. B. in der Nähe von Enos, wo sie am Meeresstrande häufig ist.*

„Je mehr man sich dem Westen Europas nähert, um

so weniger scheinen die Autoren von Floren über die

einheimische Eigenschaft sicher zu sein, um so zer- streuter und verdächtiger werden die Standorte. In Norwegen ist die Art seltener als in Schweden’, auf den britischen Inseln mehr als ın Holland, wo man keinen fremden Ursprung muthmaasst.®

„Die Namen der Art bestätigen einen ursprünglichen Wohnsitz eher im Osten als im Westen Europas; so findet sich der russische Name Chren in allen slawischen Sprachen wieder 7: Krenai im Litauischen, Chren im Ilyrischen.® Derselbe hat sich in einigen deutschen

1 Watson, Cybele, I, 159.

2 Babington, Manual of Brit. bot., 2. ed., S. 23. 3 Ledebour, F1. ross., I, 159.

4 Grisebach, Spicilegium F1. rumel., I, 265.

5 Fries, Summa, S. 30.

6 Miquel, Disquisitio pl. regn. Bat.

7 Moritzi, Dict. inéd. des noms vulgaires.

8 Ebendas.; Visiani, Fl. dalmat., III, 322.

44 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Dialekten, z. B. in der Nähe von Wien!, eingebürgert, oder ist auch, trotz Einführung der deutschen Sprache, dort verblieben. Auch das französische Wort Cran oder Cranson wird davon abgeleitet. Das in Deutschland gebräuchliche Wort Meerrettig und in Holland Meer- radys, woraus der Dialekt der französischen Schweiz das Wort Meridi oder Meredi abgeleitet hat, hat nichts so Ursprüngliches wie das Wort Chren. Wahrschein- lich entstand es daher, dass die Art in der Nähe des Meeres gedeiht, eine Eigenschaft, welche sie mit vielen Cruciferen theilt, und welche sich gerade für sie dar- bieten muss, wo sie im östlichen Russland mit seinen vielen salzigen Terrains spontan vorkommt. Der schwe- dische Name Peppar-rot? lässt auch vermuthen, dass die Art in Schweden neuern Datums ist als die Ein- führung des Pfeffers in den Handel des nördlichen Eu- ropa. Es wäre jedoch auch möglich, dass dieser Name einen ältern, unbekannt gebliebenen verdrängt hätte. Der englische Name Horse radish (Pferderadies) hat nichts Ursprüngliches an sich, was zu der Annahme be- rechtigen könnte, dass die Art vor der anglo-sächsischen Herrschaft im Lande aufgetreten sei. Man will eben nur die Stärke des Radies damit andeuten. Der walli- sische Name Rhuddygl maurth? ist nur die Uebersetzung des englischen, woraus man schliessen kann, dass die Kelten von Grossbritannien keinen besondern Namen hatten und die Art nicht kannten. Im westlichen Frank- reich bedeutet der gebräuchlichste Name Rarfort ganz einfach eine starke Wurzel. Früher pflegte man in Frankreich Moutarde des Allemands, Moutarde des ca- pucins zu sagen, was auf einen fremden und wenig alten Ursprung hinweist. Dagegen bietet das Wort Ohren aller slawischen Sprachen, welches in einige deutsche und französische Dialekte als Kren und Cran oder Cranson eingedrungen ist, etwas sehr Ursprüngliches,

1 Neilreich, Fl. Wien, S. 502. 2 Linné, Fl. suecica, Nr. 540. 3 H. Davies, Welsh Botanology, S. 63.

Rüben und Steckrüben. 45

beweist somit das hohe Alter der Art im gemässigten Osteuropa. Jedenfalls ist es höchst wahrscheinlich, dass die Pflanze seit ungefähr 1000 Jahren durch die Cultur von Osten nach Westen fortgepflanzt und naturalisirt wurde.“

Brassicae species et varietates radice incrassata. Rüben und Steckrüben mit fleischigen Wurzeln (fr. raves, navets).

Es lassen sich die unter diesen und andern Namen wie Kohlrabi, Rutabagas u. s. w. bekannten Varietäten mit ihren Untervarietäten auf vier Linne’sche Arten zurückführen: Brassica Napus, Br. oleracea, Br. Rapa und Br. campestris, von welchen die beiden letzten nach neuern Autoren eher in eine vereinigt werden dürften. Andere Varietäten derselben Arten werden ihrer Blätter wegen (Kohl), ihrer Blütenstände (Blumen- kohl) oder auch ihres Oeles wegen, welches man aus den Samen gewinnt (Raps, Kolza) angebaut. Wenn die Wurzeln oder der unterirdische Theil des Stengels ! fleischig sind, treten die Samen spärlich auf und ver- lohnt es sich nicht der Mühe, Oel daraus zu gewinnen; wenn dagegen jene Organe dünn sind, ist die Samen- production im Gegentheil die wichtigere, was eben über die wirthschaftliche Verwendung von Entscheidung ist. Mit andern Worten: die Aufspeicherungen der Nähr- substanzen finden sich bald im untern, bald im obern Theile der Pflanze niedergelegt, trotzdem die Organi- sation der Blume und der Frucht dieselbe oder fast gleiche bleibt.

Bezüglich des Ursprungs brauchen wir uns nicht mit den botanischen Artenbegrenzungen oder der Klassifi- kation der Rassen, Varietäten und Untervarietäten? zu

1 Bei den Rüben und Steckrüben besteht der fleischige Theil, wie bei dem Radies, aus dem untern Theile des Stengels (unterhalb der Samen- blätter) und einem mehr oder minder ausdauernden Theile der Wurzel (vgl. Turpin, Annales d. sc. nat., 1. Serie, Bd. 21); bei dem Kohlrabi (Bras- sica oleracea caulo-Rapa) ist es der Stengel.

2 Diese Klassifikation ist Gegenstand einer Abhandlung von Augustin

46 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

befassen, da alle Brassica in Europa und Sibirien ur- sprünglich zu Hause sind und sich daselbst noch unter irgendeiner Form im spontanen oder subspontanen Zu- stande antreffen lassen.

Pflanzen, die in den Culturen so gemein sind und deren Keimen ein so leichtes ist, breiten sich häufig in der Nähe angebauter Ländereien weiter aus. Dar- aus entsprang die Ungewissheit über die wildwachsende Eigenschaft der vereinzelten Exemplare, welche man im freien Felde antrifft. Von Linne werden indessen die sandigen Gestade in Schweden (Gothland), Holland und England für Prassica Napus angegeben, was von Fries! für das südliche Schweden bestätigt wird. Der- artigen Fragen widmete Fries stets besondere Aufmerk- samkeit, und wird Brassica campestris L. (Typus von Rapa mit dünnen Wurzeln) von ihm als wirklich spon- tan für die ganze Skandinavische Halbinsel, Finland, Dänemark aufgeführt. Ledebour? verzeichnet sie für ganz Russland, Sibirien und für die Ufer des Kaspisees.

Die Floren des gemässigten und südlichen Asiens er- wähnen die Rüben und Steckrüben als angebaute Pflan- zen, nie als sich dem Bereiche der Culturen entziehend.? Das ist schon ein Fingerzeig für ihren fremden Ur- sprung. Die linguistischen Schriftstücke sind nicht weniger deutlich.

Im Sanskrit findet sich kein Name für diese Pflanzen, man kennt nur neuere hindostanische und bengalische Namen, und auch die nur für Brassica Rapa und ole- racea.* Kaempfer? weist für die Rübe auf japanische

Pyramus de Candolle gewesen, welche in der Londoner Gartenbaugesell- schaft mit einem Preise gekrönt und in den Verhandlungen dieser Gesell- schaft veröffentlicht wurde (Bd. V). In den Annales de l’agric. franc. (Bd. XIX) und abgekürzt im Systema regni veget. (II, 582) ist diese Ab- handlung ebenfalls erschienen.

1 Fries, Summa veget. Scand., I, 29.

2 Ledebour, Fl. ross., I, 216.

3 Boissier, Flora orientalis; Sir J. Hooker, Flora of British India; Thunberg, Flora japonica; Franchet et Savatier, Enumeratio plant. japo- nicarum.

4 Piddington, Index.

5 Kaempfer, Amoen., S. 822.

Rüben und Steckrüben. 47

Namen hin, wie Busei oder gewöhnlicher Aona, nichts spricht jedoch für ein hohes Alter derselben. Dr. Bret- schneider, welcher die chinesischen Schriftsteller auf- merksam studirt hat, spricht von keiner Brassica. Augenscheinlich finden sie sich in den alten Werken über Botanik und Ackerbau nicht angegeben, wenn man auch jetzt mehrere Varietäten davon in China anbaut.

Versetzen wir uns jetzt nach Europa, wo ganz das Entgegengesetzte eintritt. Die alten Sprachen besitzen eine Menge von Namen, welche ursprünglich zu sein scheinen. Die Brassica Rapa heisst im Keltischen der Landschaft Wales Meipen oder Erfinen!; in mehreren slawischen Sprachen”? Repa, Rippa, was dem lateinischen Rapa entspricht und dem Neipa der Anglo-Sachsen ziemlich nahe steht. Die Brassica Napus ist im kel- tisch-wallisischen Bresych yr yd; ım irländischen Dia- lekt Braisseagh buigh nach Threlkeld?, welcher in Braisseagh den Ursprung von Brassica der Lateiner erkennt. Auch ein polnischer Name Karpiele und ein litauischer Jellazoji* kommen vor, ohne von einer Menge anderer zu sprechen, die zuweilen in der ge- . meinverständlichen Ausdrucksweise von einer Art auf eine andere übertragen wurden. Später, bei der Be- sprechung der Gemüse, werde ich auf die Namen von Brassica oleracea hinweisen.

Die Hebräer besassen keine Namen für den Kohl, die Rüben oder Steckrüben°; arabische Namen finden sich aber: Selgam für Brassica Napus, und Subjum oder Subjumi für Br. Rapa, welche sich im Persischen und selbst Bengalischen wiederfinden, und vielleicht von einer Art auf die andere übergeführt wurden. Die Cultur dieser Pflanzen hat sich somit im südwestlichen Asien seit dem hebräischen Alterthum verbreitet.

1 Davies, Welsh botanology, S. 65.

2 Moritzi, Diet. ms. tiré des flores publiées.

3 Threlkeld, Synopsis stirpium hibernicarum (1727).

4 Moritzi, Dict. ms.

5 Rosenmüller, Biblische Naturgeschichte (Bd. 1), führt keinen an.

48 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Alle diese Wege, botanische, historische und linguisti- sche, führen endlich zu folgenden Schlüssen:

1) Die Brassica mit fleischigen Wurzeln sind ur- sprünglich im gemässigten Europa heimisch.

2) In Europa hat sich ihre Cultur vor, in Indien nach der Invasion der Arjas verbreitet.

3) Die ursprüngliche Form von Brassica Napus mit dünner Wurzel, welche man Br. campestris nannte, hatte wahrscheinlich einen ursprünglich weitern Wohn- sitz, der sich von der Skandinavischen Halbinsel nach Sibirien und dem Kaukasus ausdehnte. Ihre Cultur hat sich vielleicht in China und Japan von Sibirien aus verbreitet, und zwar zu einer Epoche, die nicht weiter zurückzugehen scheint, als die griechisch-römische Ci- vilisation.

4) Der Anbau der verschiedenen Brassicaformen oder Arten hat sich im südwestlichen Asien seit den alten Hebräern verbreitet.

Sium Sisarum, Linne. Zuckerwurz (fr. Chervis).

Diese ausdauernde Umbellifere mit mehreren ausein- andergehenden, der Mohrrübe ähnlichen Wurzeln, soll aus dem östlichen Asien stammen. Linne! gibt China mit Vorbehalt als Vaterland an, Loureiro? China und Cochinchina, wo man sie, wie er sagt, anbaut. Andere führen Japan und Korea an, es gibt aber in diesen Ländern einige Arten, welche mit unserer Pflanze leicht verwechselt werden können, namentlich Sium Ninsi und Panaz Ginseng. Von Maximowiez *, welcher diese Pflan- zen in China und Japan antraf, und dem die Peters- burger Herbarien viele Aufschlüsse darboten, werden nur das altaische Sibirien und das nördliche Persien als Vaterland der wildwachsenden Sium Sisarum aner- kannt. Ich selbst hege grosse Zweifel, dass man sie in

1 Linn, Species, S. 361.

2 Loureiro, Fl: cochinch., S. 225.

3 Maximowiez, Diagnoses plantarum Japoniae et Mandshuriae, in: Mé- langes biologiques du Bulletin de l’Acad. St.-Petersbourg, Dec. 13, S. 18.

Zuckerwurz. 49

China oder dem Himalaja entdecken wird, da die neuern Arbeiten über das Amurgebiet und Britisch-Indien sie nicht anführen.

Zweifelhaft ist es, ob die alten Griechen und Römer diese Pflanze gekannt haben. Man schreibt ihr den Namen Sisaron von Dioscorides, Siser von Columella und Plinius zu.! Allerdings spricht der italienische, jetzt gebräuchliche Name Sisaro, Sisero zu Gunsten dieser Annahme, wie könnten die Autoren es aber übersehen haben, dass mehrere Wurzeln unten vom Stengel absteigen, während alle andern in Europa an- gebauten Doldengewächse nur eine Pfahlwurzel besitzen? Strenggenommen war Siser von Columella eine ange- baute Pflanze, vielleicht die Zuckerwurzel; was aber Plinius von Siser? sagt, passt nicht darauf. Nach ihm „war es eine officinelle Pflanze“ (inter medica dicendum). Er berichtet, dass Tiberius jedes Jahr eine grosse Menge davon aus Deutschland kommen liess, „was“, fügt er hinzu, „darauf hinweist, dass sie die kalten Länder liebte‘.

Hätten die Griechen die Pflanze direct aus Persien er- halten, so dürfte Theophrast sie wahrscheinlich gekannt haben. Vielleicht ist sie von Sibirien nach Russland und von da nach Deutschland gekommen. In diesem Falle könnte sich das Geschichtchen über Tiberius gern auf die Zuckerwurzel beziehen. Freilich finde ich kei- nen russischen Namen; die Deutschen besitzen aber ur- sprüngliche Namen Krizel oder Grizel, Görlein oder Gierlein, welche mehr als der jetzt gebräuchlichste Name Zuckerwurzel auf eine alte Cultur hinweisen.? Der dänische Name Sokerot, woraus die Engländer Skirret gemacht haben, hat dieselbe Bedeutung wie der deutsche. In Neugriechenland kennt man den Namen Sisaron nicht, selbst im Mittelalter war er dort unbe-

1 Dioscorides, Mat. med., I, 2, c. 139; Columella, I, 11, c. 3, 18, 35; Lenz, Bot. der Alten, S. 560.

2 Plinius, Hist. plant.. I. 19, c. 5.

3 Nemnich, Polygl. Lexicon, II, 1313.

DE CANDOLLE. 4

50 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

kannt, auch wird die Pflanze heutzutage in jenem Lande nicht angebaut.!

Dies sind die Gründe, welche den eigentlichen Sinn der Wörter Sisaron und Siser zweifelhaft erscheinen lassen. Einige Botaniker des 16. Jahrhunderts haben die Vermuthung laut werden lassen, dass Sisaron viel- leicht die Pastinake sei, und Sprengel? befürwortet dies.

Die französischen Namen Chervis und Girole? würden vielleicht zur Aufklärung beitragen können, wenn man ihren Ursprung kennte. Littr& leitet Chervis von dem spanischen Chirivia ab, es ist jedoch wahrscheinlicher, dass der spanische Name aus dem Französischen ent- sprungen ist. Johannes Bauhin* gibt im Niederlatei- nischen Servillum, Chervillum oder Servillam an, Wörter die sich aber im Lexikon von Ducange nicht finden. Wenn dies auch der Ursprung von Chervis sein könnte, müsste man weiter fragen, woher Servillum oder Cher- villum kämen. 6

Arracacha esculenta, de Candolle. Arrakatscha (fr. Arracacha oder Arracacia).

In Venezuela, Neugranada und Ecuador wird diese Umbellifere meistens als Nährpflanze angebaut. In den gemässigten Regionen dieser Länder kann sie der Kar- toffel im Werthe gleichgestellt werden, und liefert selbst, so wird versichert, ein feineres und wohlschmeckenderes Mehl. Der untere Theil des Stengels hat eine zwiebel- förmige Verdickung angenommen, auf welcher sich bei kräftiger Vegetation und während mehrerer Monate im Jahre seitliche Knollen oder Brutzwiebeln bilden, die noch mehr geschätzt werden als die centrale Knolle, und zu spätern Pflanzungen dienen.?

1 Lenz, a. a. O.; Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands; Langkavel, Botanik der spätern Griechen.

2 Sprengel, Dioscoridis, etc., II, 462.

3 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 471.

4 Bauhin, Hist. plant., III, 154.

5 Die genauesten Culturangaben wurden von Bancroft an Sir William

Arrakatscha. 51

Wahrscheinlich ist die Art in der Region, in welcher man sie anbaut, auch einheimisch, indessen finde ich hierüber bei den Schriftstellern keine positiven Aus- sagen. Die vorhandenen Beschreibungen sind nach an- gebauten Pflanzen gemacht worden. Von Grisebach hören wir freilich, dass er (muthmaasslich im Herbarium zu Kew) Exemplare gesehen hat, die in Neugranada, Peru und Trinidad! gesammelt waren; über die Spon- taneität lässt er aber nichts verlauten. Die andern Arten der Gattung, etwa zwölf an Zahl, wachsen in denselben Ländern Amerikas, was den angedeuteten Ursprung nur noch wahrscheinlicher macht.

Mehrere mal hat man die Einführung der Arrakatscha nach Europa versucht, aber immer ohne Erfolg. Das feuchte Klima Englands liess die Versuche von Sir W. Hooker mislingen; die unserigen aber, zweimal wieder- holt und unter sehr verschiedenen Bedingungen vorge- nommen, können sich ebenso wenig eines Erfolgs rüh- men. Die seitlichen Brutzwiebeln bildeten sich nicht aus und die Hauptknolle ging in dem Gewächshause, wo sie den Winter über aufbewahrt wurde, zu Grunde. Die von uns an verschiedene botanische Gärten in Ita- lien, Frankreich und anderswohin zur Vertheilung ge- kommenen Knollen hatten dasselbe Schicksal. Wenn die Pflanze in Amerika der Kartoffel im Ertrage und Geschmack auch wirklich gleichkommt, so wird dies in -Europa nie der Fall sein. Ihre Cultur hat sich in Amerika nicht bis nach Chile und Mexico ausgebreitet, wie dies bei der Kartoffel oder der Batate der Fall ist, und die anderswo beobachteten Schwierigkeiten in der Vermehrung finden hierin eine Bestätigung.

Hooker eingeschickt und finden sich im Botanical Magazine, Taf. 3092. A.P.de Candolle veröffentlichte in dem fünften Bericht über die seltenen Pflanzen des genfer botan. Gartens eine Abbildung, welche die Haupt- knolle darstellt.

1 Grisebach, Flora of British W. India Islands.

4*

52 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Rubia tinctorum, Linne. Färberröthe, Krapp (fr. Garance). |

Der Krapp tritt zweifelsohne in Italien, Griechenland, der Krim, Kleinasien, in Syrien, Persien, Armenien und in der Nähe von Lenkoran ! wildwachsend auf. Schreitet man in Südeuropa von Osten nach Westen vor, so wird die Eigenschaft der wildwachsenden, ursprünglichen Pflanze immer zweifelhafter. Schon in Frankreich hegt man in Bezug hierauf gewisse Zweifel. Im Norden und Osten scheint die Pflanze ‚in den Hecken, auf den Mauern ? naturalisirt‘“‘ oder auch infolge früherer Culturen ,,sub- spontan‘ zu sein.” In der Provence und Languedoc ist sie spontaner oder, wie man sagt, „wildwachsend“, es ist aber immerhin möglich, dass sie sich infolge ihres in recht grossartigem Maassstabe vorgenommenen Anbaues weiter verbreitet hat. Für die spanische Halbinsel wird sie als „subspontan“ angegeben.* Desgleichen für das nördliche Afrika.® Augenscheinlich sind das gemässigte Westasien und der Südosten Europas der frühere na- türliche und unbestreitbare Wohnort. Man scheint die Pflanze über den Kaspisee hinaus, in der einst von den Indo-Europäern in Besitz gehaltenen Region, nicht an- getroffen zu haben, jedoch ist diese Region noch wenig bekannt. In Indien kommt die Art nur im Zustande der angebauten Pflanze vor, und zwar ohne irgendeinen Sanskritnamen.® |

Ebenso wenig kennt man einen hebräischen Namen für sie, während die Griechen, Römer, die Slawen, Ger- manen, Kelten verschiedene Namen besassen, welche von einem Gelehrten vielleicht auf eine oder zwei Wurzeln zurückgeführt werden könnten, welche aber immerhin

1 Bertoloni, Flora italica, II, 146; Decaisne, Recherches sur la Ga-

a S. 58; Boissier, Flora orientalis, III, 17; Ledebour, Flora rossica, I, 405.

2 Cosson et Germain, Flore des environs de Paris, II, 365.

3 Kirschleger, Flore d’Alsace, I, 359.

4 Willkomm et Lange, Prodromus florae hispanicae, II, 307.

5 Ball, Spicilegium Florae maroccanae, S. 483; Munby, Catal. plant. Alger., 2. Aufl., S. 17.

6 Piddington, Index.

Erdapfel. 55

durch ihre mannichfaltigen Biegungen auf ein hohes Alter hinweisen. Wahrscheinlich hat man die wilden Wurzeln auf freiem Felde geerntet, ehe man auf den Gedanken verfiel, die Art anzubauen. Plinius betont, dass man sie zu seiner Zeit in Italien anbaute!, und es wäre möglich, dass dieser Gebrauch in Griechenland

und Kleinasien ältern Datums ist. Die Krappcultur wird in den französischen Urkunden

des Mittelalters häufig erwähnt.” Darauf hatte man sie vernachlässigt oder ganz aufgegeben, bis Althen sie Mitte des 18. Jahrhunderts von neuem in der Graf- schaft Avignon einführte. Vor zeiten blühte sie im El- sass, in Deutschland, Holland und besonders in Griechen- land, Kleinasien und Syrien, von wo eine bedeutende Ausfuhr stattfand; die Entdeckung von aus anorgani- schen Substanzen gewonnenen Farbstoffen hat aber diese Cultur zum Schaden der Provinzen, welche grossen Ge- winn daraus zogen, unterdrückt.

Helianthus tuberosus, Linne. Erdapfel (fr. Topi-

| nambour).

Im Jahre 1616 haben die europäischen Botaniker zum ersten mal von dieser Composite mit dicker Wurzel gesprochen, welche sich besser zur Viehfütterung als zur Nahrung für den Menschen eignet. Columna? hatte sie in dem Garten des Cardinals Farnese gesehen und sie Aster peruanus tuberosus benannt. Andere Schriftsteller desselben Jahrhunderts haben Bezeichnungen beigefügt, welche darauf hinweisen, dass man sie entweder in Brasilien, Canada oder in Indien, was Amerika bedeuten sollte, heimisch hielt. Auf Parkinson’s Meinung sich stützend, hatte Linn@* den canadischen Ursprung an- genommen, doch fehlte ihm aber jeglicher Beweis hierfür.

Plinius, XIX 2 Gasparin, ech “aan agriculture, IV, 253,

1 2 3 gr hrasis,

4 Linn, Hortus elilortishus, 3. 420.

54 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Von mir wurde früher die Bemerkung gemacht!, dass es von der Gattung Helianthus keine brasilianische Arten gibt, in Nordamerika dagegen zahlreiche Arten vorkommen.

Nachdem Schlechtendal? es ausser allen Zweifel ge- stellt, dass der Erdapfel von den strengen Wintern in Mitteleuropa nicht zu leiden hat, bemerkt er hierzu, dass dies zu Gunsten eines canadıschen Ursprungs und gegen die Abstammung aus einer südlichen Region spricht. Decaisne? hat bei der Synonymie von He- lianthus tuberosus auf die Unrichtigkeit mehrerer Citate hinweisen können, die auf einen südamerikanischen oder mexicanischen Ursprung schliessen lassen. Von ihm wie von den amerikanischen Botanikern wird das in Er- innerung gebracht, was alte Reisende über gewisse Ge- bräuche der Eingeborenen des Nordens der Vereinigten Staaten und Canadas berichtet haben. So hatte Cham- plain im Jahre 1603 „zwischen ihren Händen Wurzeln“ gesehen, ,,welche sie anbauen und welche den Geschmack von Artischoken besitzen“. Auch Lescarbot* erwähnt diese Wurzeln, welche den Geschmack der spanischen Artischoke haben und sich stark vermehren; dieselben wurden von ihm nach Frankreich gebracht, wo man sie als Topinambaux zu verkaufen anfing. Die Wilden nannten sie, sagt er, Chiquebi. Decaisne führt über- dies zwei französische Gärtner des 17. Jahrhunderts an, Colin und Sagard, die augenscheinlich vom Erd- apfel sprechen und hinzufügen, dass er aus Canada stamme. Dabei darf man nicht unberücksichtigt lassen, dass der Name Canada zu jener Zeit einen sehr unbe- stimmten Begriff hatte und einige Theile der jetzigen Vereinigten Staaten umfasste. In den Schriften des Amerikaners Gookin über die Sitten der Eingeborenen

1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 824.

2 Schlechtendal, Bot. Zeit., 1858, S. 113.

3 Decaisne, Recherches sur l’origine de quelques-unes de nos plantes alimentaires, in: ,, Flore des serres et jardins‘, Bd.23, 1881.

4 Lescarbot, Histoire de la Nouvelle-France (3. Aufl., 1618), VI, 931.

Lauchblätteriger Bocksbart. 55

findet sich der Passus, dass dieselben Stücke des Erd- apfels (Jerusalem artichoke) in ihre Suppen thaten.!

Wie man sieht, stimmen die botanischen Analogien und die Aussagen der Zeitgenossen über den Ur- sprung im nordöstlichen Amerika überein. Durch den Umstand, dass man die wilde Pflanze nicht fand, ge- langte Dr. Asa Gray zu der Vermuthung, dass man es mit einer Form von H. doronicoides, Lamarck, zu thun habe?, jetzt soll sie jedoch im Staate Indiana wild- wachsend gefunden worden sein.’

Der Name Topinambour scheint von einem wirk- lichen oder muthmaasslichen Namen der amerikanischen Sprachen herzurühren. Der englische Name Jerusalem artichoke ist eine Entartung des italienischen Girasole (Tournesol), nebst einer Anspielung auf den Artischoken- geschmack der Wurzel.

Tragopogon porrifolium, Linne. Lauchblätteriger Bocksbart (fr. Salsifis, früher Sercifi ®).

Vor einem oder zwei Jahrhunderten wurde diese Bocksbartart häufiger angebaut als heutzutage. Es ist eine zweijährige Composite, welche man in Griechenland, Dalmatien, Italien und selbst in Algerien ° wildwachsend antrifft. Im Westen Europas entschlüpft sie ziemlich häufig den Gartenculturen und naturalisirt sich halb- wegs.®

Die Commentatoren”? beziehen den Namen von Theophrast:

1 Pickering, Chronol. arrang., S. 749, 972.

2 „In einem gelehrten Artikel über diese meine Arbeit, welcher die Herren Asa Gray und J. H. Trumbull zu Verfassern hat (American Jour- nal of Science, 1883, S. 244), weist ersterer die muthmaassliche Identität der Helianthus tuberosus und doronicoidesvon sich, er sagt aber nichts von der Pflanze des Catalogue of Indian Plants, sodass, ihm zufolge, die spontane Eigenschaft der Helianthus tuberosus in den Vereinigten Staaten noch nicht nachgewiesen wäre.‘ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)

3 Catalogue of Indiana Plants, 1881, S. 15.

4 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 470. ne

5 Boissier, Flora orient., III, 745; Visiani, Fl. dalmat., II, 108; Berto- loni, Fl. ital., VIII, 348; Gussone, Synopsis fl. siculae, II, 384; Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 22.

6 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 671.

7 Fraas, Synopsis fl. class., S. 196; Lenz, Botanik der Alten, S. 485.

56 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Tragopogon (Bocksbart) bald auf diese Art und bald auf Tragopogon crocifolium, welche ebenfalls in Griechen- land wächst. Schwierig bleibt es, sich darüber Gewiss- heit zu verschaffen, ob die Alten diesen Bocksbart an- bauten oder als wildwachsende Pflanze einsammelten. Im 16. Jahrhundert berichtet Olivier de Serres, dass dies für sein Heimatsland, den Süden Frankreichs, eine neue Cultur war. Das französische Wort Sal- sifis kommt aus dem italienischen Sassefrica, zu deutsch einer der Steine reibt, was aber keinen vernünftigen Sinn darbietet.

Scorzonera hispanica, Linne. Schwarzwurzel (fr. Scorsonère d'Espagne).

Diese Pflanze wird im Französischen zuweilen Salsifis d'Espagne genannt, weil sie dem Salsifis (Tragopogon porrifolium) ähnlich ist; ihre Wurzel ist nach aussen braun, was zu dem botanischen Namen und dem von écorce noire (Schwarzrinde), wie er in einigen Provinzen üblich ist, Veranlassung gab.

Sie ist in Europa wildwachsend, von Spanien, wo sie ‚vielfach vorkommt, dem südlichen Frankreich und Deutschland bis nach der Region des Kaukasus und vielleicht bis nach Sibirien hin, sie fehlt aber in Sicilien und Griechenland.! In verschiedenen, Gegenden Deutsch- lands hat sich die Art wahrscheinlich infolge der Cul- turen naturalisirt.

Es hat nicht den Anschein, als ob man diese Pflanze seit mehr als 100 oder 150 Jahren anbaute. Die Bo- taniker des 16. Jahrhunderts sprechen von ihr nur als von einer wildwachsenden Art, die zuweilen in den botanischen Gärten cultivirt wurde. Olivier de Serres erwähnt sie nicht.

Früher wurde behauptet, dass sie ein Gegengift für

1 Willkomm und Lange, Prodromus florae hispanicae, II, 223; de Can- dolle, Flore francaise, IV, 59; Koch, Synopsis fl. germ., ed. 2, S. 488; Ledebour, Flora rossica, II, 794; Boissier, Fl. orient., III, 767; Bertoloni, Flora italica, VIII, 365.

Kartoffel. 57

Natternbiss sei, und man nannte die Pflanze zuweilen Natterkraut. Was die Abstammung des Wortes Scorzo- nera betrifft, so liegt diese so klar vor Augen, dass man es nicht begreift, wie ältere Schriftsteller, selbst Tourne- fort!, behaupten konnten, dass dasselbe von dem spa- nischen oder catalonischen escorso (Natter) abgeleitet würde. Natter heisst im Spanischen eher vibora.

- In Sieilien findet sich eine andere Art, die Scorzo- nera deliciosa, Gussone, aus deren äusserst zuckerhal- tiger Wurzel in Palermo Bonbons und Sorbets bereitet werden.”e Warum hat man sie nicht anzubauen ver- sucht? In Neapel setzte man mir Scorzonera-Eis vor, welches ich abscheulich fand, vielleicht war es aber aus der gewöhnlichen Art (Scorzonera hispanica) bereitet.

Solanum tuberosum, Linne. Kartoffel (fr. Pomme de terre).

Im Jahre 1855 wurde von mir alles, was man über den Ursprung der Kartoffel und ihre Einführung nach Europa wusste, weiter auseinandergesetzt und erörtert.? Jetzt will ich das hinzufügen, was man seit einem Viertel- jahrhundert darüber entdeckt hat. Man wird daraus ersehen, dass die früher erlangten Angaben gewisser geworden sind, und mehrere nebensächliche, etwas zweifelhafte Fragen ganz so geblieben sind, wenn auch mit dem Unterschiede, dass das, was mir früher schon wahrscheinlich schien, es jetzt in noch höherm Grade geworden ist.

Es ist zur Genüge bewiesen worden, dass die Cultur der Kartoffel zur Zeit der Entdeckung Amerikas mit allen Anzeichen eines alten Herkommens betrieben wurde, und zwar in den gemässigten Regionen, welche sich von Chile nach Neugranada erstrecken, und auf je nach den Breitegraden verschiedenen Höhen. So viel geht aus den Berichten von all den ersten Reisenden

1 Tournefort, Éléments de botanique, $. 379. 2 Gussone, Synopsis florae siculae. 3 A. de Candolle, Géogr. bot, raisonnée, S. 810—816.

58 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

hervor, unter welchen ich nur Acosta! für Peru und Peter Cieca, auf welchen sich Clusius? bezieht, für Quito namhaft machen will.

In allen gemässigten östlichen Theilen Südamerikas, z. B. auf den Höhen von Guyana und Brasilien, war die Kartoffel den Eingeborenen unbekannt, oder war es, falls sie eine ähnliche Pflanze kannten, das Solanum Commersonii, welches ebenfalls Knollen trägt und in Montevideo und dem südlichen Brasilien wildwachsend vorkommt. Die echte Kartoffel wird gegenwärtig in letzterm Lande angebaut, sie ist aber dort noch so neu, dass man sie englische Batate genannt hat.” Nach Humboldt war sie in Mexico * unbekannt, ein Umstand, der durch das Stillschweigen späterer Schriftsteller be- stätigt, aber auch bis zu einem gewissen Punkte durch eine andere historische Angabe widerlegt wird.

Es wird in der That erzählt, dass Walter Raleigh, oder vielmehr sein Gefährte auf mehreren Reisen, Tho- mas Herriott, im Jahre 1585 oder 1586 Kartoffelknollen von Virginien® nach Irland gebracht hatte. Diese wur- den dort Openawk genannt. Nach der Beschreibung der Pflanze von Herriott, welche von Sir Joseph Banks® wiedergegeben wird, unterliegt es keinem Zweifel, dass es die Kartoffel war und nicht die Batate, welche da- mals ab und zu mit ıhr verwechselt wurde. Ausserdem erzählt uns Gerard’, von Virginien die Kartoffel er- halten zu haben, welche er 1597 in seinem Garten an- baute und von welcher er eine mit Solanum tuberosum ganz und gar übereinstimmende Abbildung gibt. Er war darauf so stolz, dass sein Bildniss, zu Anfang des

1 Acosta, S. 163.

2 De L’Ecluse (oder Clusius), Rariarum plantarum historia, 1601, II, 79, mit Abbildung.

3 De Martius, Flora brasil., X, 12.

4 De Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., II, 451; Essai sur la géo- graphie des plantes, S. 29.

5 Zu jener Zeit unterschied man Virginien nicht von Carolina.

6 Banks, Transactions of the Horticult. Society, I, 3 (1805).

7 Gérard, Herbal, 1597, S. 781, mit Abbildung.

Kartoffel. 59

‚Buches, ihn darstellt, wie er einen blühenden Zweig dieser Pflanze in der Hand hat.

Wie war es möglich, dass die Art in Virginien oder in Carolina zu Raleigh’s Zeiten (1585) bekannt war, wo doch die alten Mexicaner sie nicht besassen und sich ihre Cultur bei den Eingeborenen im Norden Mexicos in keiner Weise verbreitet hatte? Von Dr. Roulin, welcher die über Nordamerika veröffentlichten "Werke mit grosser Aufmerksamkeit durchforscht hat, wurde mir schon früher die Annahme bestätigt, dass man von der Kartoffel vor Ankunft der Europäer keine Spur in den Vereinigten Staaten gefunden habe. Dr. Asa Gray sagte mir dasselbe und fügte hinzu, dass Harris, einer der in Kenntniss der Sprache und Ge- bräuche der Volksstämme Nordamerikas am besten be- wanderten Männer, derselben Meinung wäre. In neuern Arbeiten habe ich nichts gefunden, was diesem wider- spräche, und man darf nicht vergessen, dass eine so leicht anzubauende Pflanze sich selbst bei den Wander- völkern weiter ausgebreitet haben würde, hätten sie solche überhaupt besessen. Die Wahrscheinlichkeit scheint mir die zu sein, dass Bewohner Virginiens vielleicht auch englische Colonisten Knollen erhielten von spanischen oder andern Reisenden, welche sich in den 90 Jahren seit der Entdeckung Amerikas mit Han- del befassten oder auf Abenteuer ausgingen. Es liegt auf der Hand, dass von der Eroberung Perus und Chiles im Jahre 1535 an gerechnet bis 1585, viele Schiffe Kartoffelknollen als Proviant mit sich führen konnten, und kann W. Raleigh, der als Freibeuter die Spanier bekriegte, oder auch ein anderer ein Schiff geplündert haben, welches solche Vorräthe enthielt. Dies scheint um so viel weniger unwahrscheinlich zu sein, als die Spanier die Pflanze schon vor 1585 nach Europa ge- bracht hatten.

Sir Joseph Banks! und Dunal? haben recht gehabt,

1 Banks, a. a. O. 2 Dunal, Histoire naturelle des Solanum.

60 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

diese Thatsache der ersten Einführung durch die Spa- nier ganz besonders zu betonen, da man lange Zeit besonders von Walter Raleigh sprach, welcher der zweite Einführer war, und selbst von andern Engländern, welche nicht die Kartoffel, sondern die mehr oder minder häufig mit ihr verwechselte Batate nach Europa brachten.! Von einem berühmten Botaniker, Clusius?, werden gleichwol die Thatsachen in bemerkenswerther genauer Weise angegeben. Er veröffentlichte die erste gute Beschreibung von der Kartoffel unter dem Namen Papas Peruanorum und fügt eine getreue Abbildung bei. Nach ihm hat sich die Art durch die Wirkung einer fast 300jährigen Cultur nur sehr wenig verändert, denn sie trug von Anfang an bis zu 50 Knollen von ungleicher Grösse, die eine Länge von 1 bis 2 Zoll hatten, von unregelmässig eiförmiger Gestalt und röthlicher Farbe waren und die im November (in Wien)reiften. Nach aussen war die mit fünf grünen Längsstreifen ausgestattete Blume von einer rosa Färbung, nach innen blassrother, was man auch heutzutage noch oft antrıfft. Zweifels- ohne hat man zahlreiche Varietäten erzielt, die Urform ist aber nicht verloren gegangen. Clusius vergleicht den Geruch der Blumen mit jenem der Lindenblüte, der einzige Unterschied mit unsern jetzigen Pflanzen. Die von ihm ausgesäeten Samen lieferten eine Varietät mit weissen Blumen, wie wir solche gegenwärtig zu- weilen antreffen.

Die von Clusius beschriebenen Pflanzen waren ihm 1588 von Philippe de Sivry, Besitzer von Waldheim und Gouverneur von Mons zugeschickt worden, und dieser hatte sie von jemand aus dem Gefolge des päpst- lichen Botschafters in Belgien erhalten. Clusius fügt hinzu, dass man die Art in Italien von Spanien oder

1 Die von Sir Franeis Drake und Sir John Hawkins mitgebrachte Pflanze war, sagt Sir J. Banks, augenscheinlich die Batate; hieraus geht hervor, dass die von Humboldt erörterten Fragen über die von jenen Reisenden besuchten Gegenden sich nicht auf die Kartoffel beziehen.

2 De L’Ecluse, a. a. O.

Fr =.

2

Kartoffel. 61

von Amerika erhalten habe (certum est vel ex Hispa- nüs, vel ex America habuisse), und er wundert sich dar- über, dass die Gelehrten von der Schule zu Padua, wo die Pflanze in Italien doch schon so gemein war, um sie wie Rüben zur Speise zu benutzen, auch die Schweine damit zu füttern, erst durch die Knollen, welche er ihnen von. Deutschland schickte, mit ihr bekannt wurden. Targioni! konnte den Nachweis nicht liefern, dass die Kartoffel zu Ende des 16. Jahrhunderts in Italien so häufig angebaut wurde, wie wir dies von Clusius hören, er führt aber den Pater Magazzini von Valombrosa an, dessen nach des Verfassers Tode im Jahre 1623 herausgegebenes Werk die Art als eine schon früher, ohne Angabe des Datums, von Spanien oder Portugal durch die Barfüsser mitgebrachte erwähnt. Gegen Ende des 16. oder zu Anfang des 17. Jahrhun- derts musste sich somit die Cultur in Toscana weiter aus- gebreitet haben. Ganz abgesehen davon, was Clusius und der Agronom von Välombrosa über die Einführung durch die spanische Halbinsel sagen, ist es keineswegs wahr- scheinlich, dass die Italiener mit den Gefährten Raleigh’s Verbindungen gehabt haben.

Niemand kann es in Zweifel stellen, dass die Kartoffel von Amerika stammt; um aber genau zu wissen, aus welchem Gebiete dieses ungeheuern Continents, muss man in Erfahrung zu bringen suchen, ob und in welchen Gegenden die Pflanze im wildwachsenden Zustande dort vorkommt.

Zur bündigen Beantwortung dieser Frage sind zu- nächst zwei Gründe zum Irrthum zu beseitigen: der eine, dass man die Kartoffel mit verwandten Arten der Gattung Solanum verwechselt hat; der andere, dass sich die Reisenden über die wildwachsende Eigenschaft der Pflanze haben irren können.

Die verwandten Arten sind: Solanum Commersonii,

1 Targioni-Tozzetti, Lezzioni, II, 10; Cenni storici sulla introduzione di varie piante nell’ agricoltura di Toscana (Florenz 1553), S. 37. <

62 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Dunal, von welcher ich schon gesprochen habe, S. Mag- lia, Molina, eine chilenische Art, S. immite, Dunal, welche von Peru kommt, und $. verrucosum, Schlechtendal, welche in Mexico wächst. Diese drei Solanumarten haben kleinere Knollen als $. tuberosum, und unter- scheiden sich überdies durch andere Charaktere, wie sie sich in den Specialwerken über Botanik angegeben finden. Vom theoretischen Standpunkte aus kann man annehmen, dass alle diese und andere mehr in Amerika wachsende Formen von einer einzigen Urform ihre Ab- stammung herleiten; sie treten aber zu unserer geo- logischen Epoche mit solchen Verschiedenheiten auf, um specifische Unterscheidungen gerechtfertigt erschei- nen zu lassen, und es sind keine Versuche gemacht wor- den, welche den Beweis liefern könnten, dass man durch die Befruchtung der einen mit der andern Erzeugnisse erzielen würde, deren Samen (und nicht die Knollen) den Stamm fortführen würden.! Wir wollen diese mehr oder weniger zweifelhaften Fragen über die Arten bei- seite lassen, dagegen zu erfahren suchen, ob die ge- wöhnliche Form von Solanum tuberosum wild gefunden worden ist, und dabei nur bemerken, dass das häufige Vorkommen von knollentragenden Solanum in Amerika, wo sie in den gemässigten Regionen von Chile oder Buenos-Ayres bis nach Mexico wachsen, die Thatsache eines amerikanischen Ursprungs bestätigt. Eine auf grösserer Wahrscheinlichkeit beruhende Muthmaassung über das ursprüngliche Vaterland kennt man nicht. Der zweite Grund zum Irrthum wird in sehr bün- diger Weise von dem Botaniker Weddell? erörtert, welcher mit so grossem Eifer Bolivia und die benach- barten Länder durchstreift hat. „Wenn man erwägt“, sagt er, „dass in der dürren Cordillere die Indianer

1 Die Cultur von Solanum verrucosum, über dessen Einführung nach Gex in der Nähe von Genf ich im Jahre 1855 Mittheilungen gemacht, ist wieder aufgegeben worden, weil die Knollen zu klein waren, und die Art nicht, wie man gehofft hatte, dem Oidium widerstand.

2 Chloris Andina, S. 103.

Kartoffel. 63

ihre kleinen Culturen oft auf Stellen begründen, welche der grössern Mehrzahl unserer Landwirthe Europas fast unzugänglich erscheinen würden, wird man es auch ver- stehen, dass ein Reisender, welcher zufällig einen dieser seit langer Zeit aufgegebenen Culturplätze besucht und dort eine zufällig übriggebliebene Pflanze von Solanum tuberosum antrifft, sie in der Ueberzeugung einsammelt, dass sie dort wirklich spontan sei; aber wo ist der Beweis hierfür zu finden?“

Wir wollen uns jetzt die Thatsachen näher betrachten. Es gibt deren viele in Bezug auf die Spontaneität in Chile.

Im Jahre 1822 wurden der Londoner Gartenbau- gesellschaft vom englischen Consul Alexander Cald- cleugh ! Kartoffelknollen zugestellt, welche er „in den Schluchten um Valparaiso herum‘ gesammelt hatte, und er berichtet, dass diese Knollen klein seien, eine bald rothe, bald gelbliche Färbung zeigten und einen etwas bittern Geschmack besässen.” „Ich glaube“, fügt er hinzu, „dass diese Pflanze auf weiten Strecken des Küstengebiets vorkommt, denn sie findet sich im süd- lichen Chile, wo die Eingeborenen sie Maglia nennen.“ Hier handelt es sich wahrscheinlich um eine Verwechse- lung mit dem $. Maglia der Botaniker; die Knollen von Valparaiso aber, welche in London gepflanzt wur- den, lieferten die echte Kartoffel, was sofort ins Auge springt, wenn man die von Sabine in den Abhandlungen

der Gartenbaugesellschaft gegebene colorirte Abbildung betrachtet. Man setzte die Cultur dieser Pflanze einige Zeit lang fort, und Lindley bestätigte von neuem im Jahre 1847 ihre Identität mit der gewöhnlichen Kar- toffel.”® Hier der Bericht eines Reisenden an Sir William

1 Sabine, Transactions of the Horticultural Society, V, 249.

2 Man muss weder auf diesen Geschmack, noch auf die wässerige Eigenschaft gewisser Knollen Gewicht legen, da die Kartoffel in den war- men Ländern, selbst im Süden Europas, oft recht mittelmässig ist. Eine Lage nach dem Lichte hin färbt die Knollen grün, die ja unterirdische Theile des Stengels sind, und macht sie bitter.

3 Journal of the Horticult. Society, III, 66,

64 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Hooker! über die Pflanze von Valparaiso: „Ich habe die Kartoffel im Litorale bis zu 15 Stunden. nördlich von dieser Stadt angetroffen, und auch südlich da- von, ohne indessen diese Entfernung angeben zu kön- nen. Sie hat ihren Standort auf den Klippen und Hügeln in der Nähe des Meeres, und ich erinnere mich nicht, sie weiter als 2 oder 3 Stunden von der Küste gesehen zu haben. Wenn man sie auch in den gebirgigen Gegenden, fern von Culturen findet, kommt sie in der unmittelbaren Nachbarschaft der Felder und Gärten, wo man sie pflanzt, nicht vor, es sei denn, dass ein Bach diese Ländereien durchzieht und die Knollen nach den nicht angebauten Plätzen mit fort- führt.“ Die von diesen zwei Reisenden beschriebenen Kartoffeln hatten weisse Blumen, wie wir dies bei einigen in Europa angebauten Varietäten antreffen und was auch bei der von Clusius durch Samen erzielten Pflanze eintraf. Dies ist, darf man annehmen, die ur- sprüngliche Farbe für die Art oder zum wenigsten eine der häufigsten im wildwachsenden Zustande.

Auf seiner Reise an Bord des „Beagle“ fand Darwin die wilde Kartoffel im Chonos-Archipel des südlichen Chile auf den sandigen Gestaden, wo sie in grossen Massen auftrat und eine selten kräftige Vegetation zeigte, was man der Feuchtigkeit des Klimas zuschrei- ben kann. Die grössten Exemplare hatten 4 Fuss Höhe. Die Knollen waren klein, wenn auch eine der- selben 2 Zoll im Durchmesser hatte. Sie waren wässe- rig, geschmacklos, hatten aber nach dem Kochen keinen schlechten Geschmack. „Die Pflanze ist unzweifelhaft spontan“, sagt der Verfasser ?, und die specifische Iden- tität ist dann von Henslow und später von Sir Joseph Hooker in seiner „Flora antarctica“ ? bestätigt worden.

Ein Exemplar unsers Herbariums, welches von Claude Gay gesammelt und von Dunal als Solanum tuberosum

1 Hooker, Botanical Miscell., 1831, II, 203. 2 Journal of the voyage, etc., 1852, S. 285. 3 Bd. I, Theil 2, S. 329.

Kartoffel. 65

bestimmt wurde, besitzt auf seiner Etikette folgende Inschrift: „Im Centrum der Cordilleren von Talcague und Cauquenes, an Orten, welche nur von Botanikern und Geologen besucht werden.“ Derselbe Verfasser betont in seiner „Flora chilena“ 1 das häufige Vorkom- men der wilden Kartoffel in Chile bis zu den Arau- caniern in den Gebirgen von Malvarco, wo die Soldaten von Pincheira. den Pflanzen nachspürten, um sich mit ihren Knollen zu nähren. Diese Aussagen bestätigen zur Genüge das Indigenat für Chile, sodass ich weniger überzeugende, wie die von Molina und von Meyen, deren chilenische Exemplare nicht bestimmt wurden, hier un- berücksichtigt lassen kann.

Das chilenische Küstenklima dehnt sich, der Anden- kette folgend, nach den Höhen hin aus, und die Cultur der Kartoffel ist in den gemässigten Regionen Perus eine recht alte, die spontane Eigenschaft der Art ist daselbst aber viel weniger gut nachgewiesen als ın Chile. Pavon? behauptete, sie an der Küste bei Chan- cai und in der Nähe von Lima gefunden zu haben. Für eine Art, welche ein gemässigtes und selbst etwas kaltes Klima beansprucht, erscheinen diese Gegenden jedoch reichlich warm. Ausserdem gehört das von Pa- von gesammelte, im Herbarium Boissier befindliche Exemplar nach Dunal einer andern Art an, welche er Solanum immite nannte.? Ich habe das in Frage stehende Exemplar selbst gesehen und zweifle keinen Augenblick, dass es eine von $. tuberosum verschiedene Art ist. Sir W. Hooker* führt ein Exemplar an, welches Mac Lean auf den Hügeln um Lima herum ohne weitere Angabe über die Spontaneität gesammelt hatte. Die Exemplare (mehr oder minder wilde?), welche Matthews von Peru an Sir W. Hooker schickte, gehören nach Sir Joseph? zu etwas verschiedenen Varietäten der echten

V, 74.

Ruiz et Pavon, Flora peruviana, II, 38. Dunal, Prodromus, 13, Sect. 1, S. 32. Hooker, Bot. miscell., Bd. 2.

Hooker, Flora antarctica, 1. c.

Cr HR C9 29 m

QU

DE CANDOLLE.

66 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Kartoffel. Hemsley!, welcher sie neuerdings im Her- barium von Kew sah, betrachtet sie als „gut unterschie- dene Formen, wenn auch in nicht höherm Grade als gewisse Varietäten der Art“.

Weddell, dessen Vorsicht bezüglich dieser Frage bekannt ist, drückt sich folgendermaassen aus?: „In Peru habe ich Solanum tuberosum nie unter Um- ständen gefunden, welche irgendwelche Zweifel über die nicht einheimische Beschaffenheit der Pflanze zu- liessen; ich erkläre sogar, dass ich ebenso wenig an die Spontaneität anderer Individuen glaube, welche dann und wann auf den ausser-chilenischen Anden gesammelt und bisjetzt als wildwachsende angesehen wurden.“

Andererseits wurden von Ed. André? in zwei hoch- gelegenen und wild aussehenden Localitäten von Üo- lumbia und in einer andern bei Lima gelegenen, auf dem Amancaesgebirge, Exemplare mit grosser Sorgfalt gesammelt, welche er auf S. tuberosum zurückführen zu dürfen glaubte. Herr André hatte die Gefälligkeit, sie mir zu leihen. Ich habe sie sehr aufmerksam mit den Typen der Dunal’schen Arten in meinem Herbarium und dem des Herrn Boissier verglichen. Meiner Ansicht nach gehört keins dieser Solanum zu $. Zuberosum, wenn sich auch das in Columbia bei dem Flusse Cauca gesammelte ihm mehr nähert als die andern. Keins aber, und dies kann mit noch grösserer Gewissheit gesagt werden, entspricht dem $. immite von Dunal. Sie stehen dem S. Colombianum desselben Autors näher als dem $. tuberosum oder $. immite. Das Exemplar vom Berge Quindio weist einen recht eigenthümlichen Charakter eiförmige und zugespitzte Beeren? auf.

Die in Mexico Knollen tragenden Solanum, welche auf S. tuberosum, oder nach Hemsley? auf nahestehende

1 Journal of the Royal Hortic. Society, Neue Serie, Bd. 5.

2 Weddell, Chloris Andina, I. c.

3 Andre, in: Illustration horticole, 1877, S. 114.

4 Die Form der Beeren ist bei den $S. Colombianum und immite noch nicht bekannt.

5 Hemsley, 1. c.

Batate, 67

Formen zurückzuführen sind, dürfen allem Anscheine nach nicht als identisch mit der angebauten Pflanze angesehen werden. Sie beziehen sich auf $. Fendleri, welche Asa Gray zunächst als eine wirkliche Art an- sah, später ! aber als eine Form von $. tuberosum oder S. verrucosun.

Hieraus lässt sich nun folgern:

1. Die Kartoffel ist in Chile spontan, und zwar unter einer Form, welche sich noch bei unsern angebauten Pflanzen vorfindet.

2. Sehr zweifelhaft ist es, dass sich der natürliche Standort bis nach Peru und Neugranada ausbreitet.

3. Die Cultur hat sich vor der Entdeckung Amerikas von Chile nach Neugranada verbreitet.

4. Wahrscheinlich hat sie sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in dem Theile der Vereinigten Staaten eingebürgert, welcher jetzt Virginien und Nord- carolina genannt wird.

5. Nach Europa wurde die Kartoffel in den Jahren 1580—85 gebracht, zunächst von den Spaniern und dann von den Engländern während der Reisen Raleigh’s in Virginien.?

Convolvulus Batatas, Linne. Batatas edulis, Choisy. Batate (fr. Batate oder Patate; engl. Sweet Potatoe).

Die zu Knollen sich verdickenden Wurzeln dieser Pflanze sehen wie Kartoffeln aus, was eine gleichartige Benennung dieser zwei sehr verschiedenen Arten seitens der Seefahrer des 16. Jahrhunderts zur Folge hatte. Die Batate gehört zur Familie der Convolvulaceen, die Kartoffel zu jener der Solanaceen; die fleischigen Theile ersterer sind Wurzeln, die der zweiten unterirdische Zweige.?

1 Asa Gray, Synoptical flora of N. Amer., II, 227.

2 Ueber die allmähliche Einführung nach verschiedenen Ländern Europas siehe: Clos, Quelques documents sur l’histoire de la pomme de terre, 1874, in: Journal d’agric. prat. du midi de la France.

3 Turpin hat gute Abbildungen veröffentlicht, welche dies deutlich zeigen. Siehe: Mémoires du Muséum, Bd. 19, Taf. 1, 2 und 5.

Li

68 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Die Batate ist zuckerhaltig und zu gleicher Zeit mehlig. Man baut sie in allen intertropischen oder den Wendekreisen nahegelegenen Ländern an, in der Neuen Welt vielleicht noch mehr als in der Alten.!

Vielen Autoren zufolge ist ihr Ursprung zweifelhaft. Humboldt?, Meyen®, Boissier* geben einen amerikani- schen Ursprung an; Bojer*, Choisy® u.A. einen asiatischen. Dieselbe Meinungsverschiedenheit macht sich in ältern Werken geltend. Die Frage ist eine um so viel schwie- rigere, da die Convolvulaceen seit sehr alten Epochen oder auch vermöge neuerer Transportwege mit zu den verbreitetsten Pflanzen auf der Erde gehören.

Zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs sprechen wichtige Gründe. Die 15 bekannten Arten der Gat- tung Batatas finden sich alle in Amerika, nämlich 11 urschliesklich in diesem Welttheile und 4 zu gleicher Zeit in Amerika und der Alten Welt, bei welchen die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Wanderung zu berücksichtigen ist. Die Cultur der gemeinen Ba- tate ist in Amerika sehr verbreitet und geht auf eine sehr entfernte Zeit zurück. Maregraff! führt sie für Brasilien unter dem Namen Jetica an. Nach Humboldt kommt der Name Camote von einem mexicanischen Worte. Das Wort Batatas (woraus durch irrthümliche Umstel- lung Potatoe, Kartoffel, entstand) wird als amerikanisch hingestellt. Sloane und Hughes® sprechen von der Batate als einer vielfach angebauten Pflanze, die auf den Antillen in mehreren Varietäten vertreten ist. Sie scheinen keinen fremden Ursprung zu muthmaassen. Clusius, welcher einer der ersten war, die von der

1 Im Journal de la Société d’hortic. de France, 2. Serie, Bd. 5, S. 450 —458, hat Dr. Sagot sehr interessante Details über das Culturverfahren, das Product u. s. w. gegeben.

2 Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., II, 470.

3 Meyen, Grundriss der Pflanzengeogr., S. 373.

4 Boissier, Voyage botanique en Espagne.

5 Bojer, Hort. maurit., S. 225.

6 Choisy, im Prodromus, IX, 338.

7 Marcgraff, Bres., S. 16, mit Abbild.

8 Sloane, Hist. Jam., I, 150; Hughes, Barb., S. 228.

Batate. 69

Batate sprachen, erzählt uns, dass er sie in Spanien gegessen habe, wo man sie von der Neuen Welt em- pfangen zu haben behauptete! Er führt die Namen Batatas, Camotes, Amotes, Ajes an?, welche den Sprachen der Alten Welt fremd waren. Sein Buch datirt aus dem Jahre 1601. Humboldt?, auf Gomara sich stützend, erzählt, dass, als Christoph Columbus zum ersten mal vor der Königin Isabella erschien, er ihr verschiedene Producte der Neuen Welt darbot, und unter diesen die Batate. „So war auch“, fügt er hinzu, „die Cultur dieser Pflanze in Spanien zu Mitte des 16. Jahrhun- derts ganz gemein.“ Oviedo*, dessen Schriften aus dem Jahre 1526 datiren, hatte die Batate von den Einge- borenen San-Domingos vielfach angebaut gesehen und hatte sie selbst nach Avila in Spanien gebracht. Rumphius ® berichtet in ganz positiver Weise, dass die Bataten der allgemeinen Meinung gemäss von den Spa- niern Amerikas nach Manilla und den Molukken ge- bracht worden seien, von wo die Portugiesen sie nach dem Indischen Archipel verbreiteten. Er führt volks- thümliche Namen an, die keine malaiischen sind, und welche auf eine Einführung durch die Castilier hin- deuten. Schliesslich ist es sicher, dass die Batate den Griechen, Römern und Arabern unbekannt war und in Aegypten nicht angebaut wurde, selbst noch nicht vor 80 Jahren®, was sich kaum erklären liesse, wenn man das ursprüngliche Vaterland nach der Alten Welt ver- legte. Andererseits gibt es aber auch Argumente zu Gunsten eines asiatischen Ursprungs. Die chinesische Encyklo- pädie über Ackerbau erwähnt die Batate und führt

1 Clusius, Hist., II, 77.

2 Ajes war ein Name für die Yamswurzel (Humboldt, Nouv.-Espagne, 2. Aufl., II, 467, 468).

3 Humboldt, Nouv.-Esp., 1. c.

4 Oviedo, Uebersetz. von Ramusio, Bd. 3, Thl. 3,

5 Rumphius, Amboin., V, 368,

6 Forskal, S. 54; Delile, Ill,

70 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

mehrere Varietäten an!; jedoch hat Dr. Bretschneider ? nachgewiesen, dass die Art zum ersten mal in einem Buche des 2. oder 3. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung beschrieben ist. Nach Thunberg * wurde die Batate von den Portugiesen nach Japan gebracht. Die auf Tahiti, den benachbarten Inseln und Neuseeland unter dem Namen Umara, Gumarra und Gumalla angebaute Pflanze, welche Forster? als Convolvulus chrysorhizus beschrieb, ist schliesslich nach Sir Joseph Hooker? die Batate. Seemann ® macht darauf aufmerksam, dass diese Namen dem quichuanischen Namen für die Batate in Amerika, nämlich Cumar, ähnlich sind. In Indien war die Cultur der Batate im 18. Jahrhundert ? verbreitet. Man schreibt ihr mehrere volksthümliche Namen zu, nach Piddington® selbst einen Sanskritnamen Ruktalı, welcher durchaus keine Verwandtschaft mit einem mir bekannten Namen hat und sich nicht in dem Sanskrit- Wörterbuch von Wilson findet. Nach einer mir von Adolphe Pictet zugegangenen Notiz scheint Ruktalu ein zusammengesetzter bengalischer Name des Sanskritwortes Alu (Rutka, plus älu, Name für Arum campanulatum) zu sein. Dieser Name bezeichnet in den neuern-Dia- lekten die Yamswurzel und die Kartoffel. Jedoch führt Wallich? mehrere andere Namen an, welche Piddington auslässt. Roxburgh!? gibt keinen Sanskritnamen an. Rheede !! berichtet, dass die Pflanze in Malabar ange- baut war, er führt indische volksthümliche Namen an.

Die Gründe, welche zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs sprechen, sind meiner Ansicht nach die ge- wichtigern. Wenn man die Batate in Indien zur Zeit

D’Hervey Saint-Denys, Rech. sur l’agric. des Chinois, 1850, S. 109. _ Study and value of Chinese bot. works, S. 13. Thunberg, Flora japon., S. 84.

Forster, Plantae escul., S. 56.

Hooker, Handb. New Zealand flora, S. 194. Seemann, Journal of Botany, 1866, S. 328. Roxburgh, edit. Wall., II, 69.

Piddington, Index.

9 Wallich, Flora Ind., 1. c.

10 Roxburgh, 1832, I, 433.

11 Rheede, Mal., VII, 9%.

1 O C1 PWDN MH

a

De N s

Batate. dl

der Sanskritsprache gekannt hätte, müsste sie sich in der Alten Welt auch weiter ausgebreitet haben, da ja ihre Cultur eine leichte und ihr Nutzen augenscheinlich ist. Es scheint im Gegentheil, dass diese Cultur lange Zeit hindurch auf den Sunda-Inseln, in Aegypten u. s. w. unbekannt blieb.!

Vielleicht gelangen wir vermittelst sorgfältiger Prü- fung zur -Ansicht von G. F. W. Meyer, welcher die asiatische Pflanze von den amerikanischen Arten unter- schied.? Gemeiniglich ist man jedoch diesem Autor nicht gefolgt, und wenn es wirklich eine asiatisch-ver- schiedene Art gibt, so ist es nicht, wie Meyer annahm, die von Rumphius beschriebene, welche seiner Aussage nach von Amerika dahin gebracht wurde, sondern die indische Pflanze von Roxburgh.

In Afrika baut man Bataten an; ihre Cultur ist aber eine seltene, oder es sind auch die Arten verschieden. Robert Brown? berichtet, dass der Reisende Lockhardt die Batate nicht gesehen hatte, welche von den portu- giesischen Missionaren als angebaut erwähnt wird. Thonning* führt sie nicht an. Vogel brachte eine an der Westküste angebaute Art mit, die nach den Autoren der Flora Nigritiana jedenfalls Batatas paniculata, Choisy, ist. Das würde somit eine zur Zierde, oder da die Wurzel abführend ist, als officinelle Art angebaute Pflanze sein.® Man könnte fast glauben, dass in ge- wissen Ländern der Alten oder der Neuen Welt die Ipomoea tuberosa, L., mit der Batate verwechselt worden

1 „Nach Lesung dieses Artikels schreibt mir Dr. Bretschneider von Peking, dass die in China angebaute Batate den chinesischen Autoren zu- folge jedenfalls fremden Ursprungs ist. Das Handbuch über Ackerbau: Nung chang tsüan shu, dessen Verfasser im Jahre 1633 starb, hebt dieses ausdrücklich hervor. Es spricht auch von einer andern, in China wild- wachsenden Batate, dieselbe heisst Chu, während die angebaute Batate Kan chu, d. i. süsse Batate genannt wird. Dem Min shu zufolge, einem im 16. Jahrhundert veröffentlichten Werke, hat die Einführung zwischen den Jahren 1573 und 1620 stattgefunden.“ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)

2 Meyer, Primitiae Fl. Esseq., S. 103.

3 R. Brown, Bot. Congo, 8. 55.

4 Thonning, Pl. Guin.

5 Wallich, in Roxburgh, Fl. Ind., II, 63.

Ar À en P 2 . .

72 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

wäre; von Sloane! hören wir aber, dass sich ihre kollos- salen Wurzeln wenig zur Speise eignen.?

In der Ipomoea mammosa, Choisy (Convolvulus mam- mosus, Loureiro, Batata mammosa, Rumphius, Amb., I, 9, Taf. 131) tritt uns eine Convolvulacee mit ess- barer Wurzel entgegen, die ganz gut mit der Batate verwechselt werden kann, wenn auch ihre botanischen Charaktere verschieden sind. Diese Art tritt bei Am- boina (Rumphius) wildwachsend auf, auch wird sie dort angebaut. In Cochinchina wird sie geschätzt.

Was nun die Batate (Batatas edulis) anbetrifit, so berichtet, meines Wissens nach, kein Botaniker, sie wildwachsend angetroffen zu haben, sei es in Indien oder auch in Amerika.? Nach Hörensagen bestätigt Clusius*, dass sie in der Neuen Welt und den benach- barten Inseln wildwachsend vorkommt.

Trotz der Wahrscheinlichkeit eines amerikanischen Ursprungs bleibt noch manches unbekannt oder unge- wiss über das ursprüngliche Vaterland, die Art und Weise der Verbreitung dieser Art, welche in den war- men Ländern eine so wichtige Rolle spielt. Wie kann man es erklären, möge sie nun von der Neuen oder von Alten Welt stammen, dass sie von Amerika nach China zu Anfang unserer Zeitrechnung gebracht worden sei, nach den Inseln des Stillen Oceans zu einer frühern Epoche, oder von Asien und Australien nach Amerika während einer fern genug liegenden Zeit, um sich mit ihrem Anbau vor zeiten von den südlichen Vereinigten Staaten bis nach Brasilien und Chile auszubreiten ? Man muss prähistorische Verbindungen zwischen Asien

1 Sloane, Jam., I, 152,

2 Mehrere Convolvulaceen haben dickleibige Wurzeln (genauer Stöcke), dann ist es aber der untere Theil des Stengels mit einem Theile der Wurzel, welcher sich verdickt hat, und ist dieser Wurzelstock immer ab- führend (Jalapa, Turpith u. s. w.), während sich bei der Batate ein an- deres Organ die seitenständigen Wurzeln verdickt.

3 In Schomburgk’s Sammlung (Coll. 1) ist Nr. 701 in Guiana wild- wachsend. Nach Choisy ist dies eine Varietät von Batatas edulis, nach Bentham dagegen (Hook., Journ. Bot., V, 352) Batatas paniculata. Mein ziemlich unvollständiges Exemplar scheint mir von beiden verschieden.

4 Clusius, Hist., II, 77.

Mangold, Runkelrübe, Rothe Rübe. 13

und Amerika annehmen, oder sich andern Hypothesen hingeben, die im gegenwärtigen Falle durchaus nicht unanwendbar sind. Die Convolvulaceen gehören zu den seltenen Familien der Dicotyledonen, bei welchen ge- wisse Arten einen sehr ausgedehnten, oder selbst zwi- schen den entfernten Festländern getrennten geogra- phischen Verbreitungsherd aufweisen.! Es kann eine Art, welcher gegenwärtig das Klima von Virginien und Japan zusagt, vor der Epoche der grossen Ausdehnung der Eisberge auf unserer Hemisphäre mehr nach Norden hin vorgekommen sein, und müssten die prähistorischen Menschen sie in südlicher Richtung weiter gebracht haben, sobald eine Aenderung des Klimas eintrat. Nach diesen Hypothesen zu schliessen, würde die Cultur allein die Art erhalten haben, es sei denn schon, dass man sie schliesslich noch an irgendeinem Orte ihres frühern Wohnortes, vielleicht z. B. in Mexico oder in Columbia, wildwachsend anträfe.

Beta vulgaris und PB. maritima, Linne. Beta vul- garis, Moquin. Mangold, Runkelrübe, Rothe Rübe (fr. Betterave, Bette, Poirée).

Sie wird bald ihrer fleischigen Wurzeln wegen ange- baut (Runkelrübe), bald ihrer Blätter wegen als Gemüse benutzt (Bete), und die Botaniker stimmen meistens darin überein, keine zwei Arten zu unterscheiden. Aus an- dern Beispielen weiss man, dass Pflanzen mit in der Natur dünnen Wurzeln leicht fleischige Wurzeln durch die Wirkung des Bodens oder der Cultur annehmen.

Die Form mit dünnen Wurzeln, welche man Bete nennt, findet sich wild in den sandigen Terrains, be- sonders an den Meeresgestaden, auf den Canarischen Inseln und in der ganzen Mittelmeerregion bis nach dem Kaspisee, Persien und Babylonien ?, selbst vielleicht in Westindien, nach einem von Jaquemont mitgebrachten

1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 1041—1043 und S. 516, 518. 2 Moquin-Tandon, im Prodromus, Bd. 13, Thl. 2, S. 55; Boissier, Flora orientalis, IV, 898; Ledebour, Fl, rossica, III, 692.

74 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Exemplar zu schliessen, ohne indessen die spontane Eigenschaft sicher nachzuweisen. Die Flora Indiens von Roxburgh und die neuere des Pendschab und Sindh von Aitchison führen die Pflanze nur als angebaut an.

Sie hat keinen Sanskritnamen!, woraus man schliessen kann, dass die Arier sie von dem gemässigten West- asien, wo sie vorkommt, nicht mitgebracht hatten. Die früher nach Europa ausgewanderten Völker ihres Stam- mes bauten sie wahrscheinlich ebenfalls nicht an, denn ich finde keinen Namen, der den indo-europäischen Sprachen gemein ist. Die alten Griechen, welche die Blätter und Wurzeln benutzten, nannten die Art Teut- lion?, die Römer Beta. Heldreich®? führt einen andern altgriechischen Namen an, Sevkle oder Sfekelie, welcher dem arabischen Namen Selg, be: den Nabatäern S#g, gleicht.* Der arabische Name ist in den portugiesischen Selga übergegangen. Ein hebräischer Name ist nicht bekannt. Alles weist auf eine Cultur hin, die nicht über vier bis sechs Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung hinausgeht.

Die Alten kannten schon die rothen und die weissen Wurzeln, die Zahl der Varietäten hat aber später sehr zugenommen, besonders seitdem die Runkelrübe im grossen, sei es als Viehfutter oder zur Zuckergewinnung ange- baut wird. Sie gehört zu den Pflanzen, welche durch natürliche Züchtung sehr leicht zu veredeln sind, wie dies die Versuche Vilmorin’s dargethan haben.’

Manihot utilissima, Pohl. Jatropha Manihot, Linne. Maniok- oder Cassavestrauch (fr. Manioe). Dieser kleine Baum oder Strauch aus der Familie

1 Roxburgh, Flora indica, II, 59; Piddington, Index.

2 Theophrast und Dioscorides, von Lenz angeführt, Botanik der Griechen und Römer, S. 446; Fraas, Synopsis fl. class., S. 233.

3 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 22.

4 Alawwäm, Agriculture nabathéenne (in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung?), nach E. Meyer, Geschichte der Botanik, IT, 75.

5 Notices sur l’amélioration des plantes par le semis, S. 15.

Maniok- oder Cassavestrauch. 75

der Euphorbiaceen hat mehrere Wurzeln, welche sich vom ersten Jahre an verdicken, eine unregelmässig elliptische Form annehmen, und Stärkemehl (Tapioca) sowie einen mehr oder minder giftigen Saft enthalten.

In den äquatorialen oder tropischen Regionen, be- sonders in Amerika, von Brasilien nach den Antillen, ist die Cultur sehr allgemein. In Afrika ist sie es weniger und scheint jüngern Datums zu sein. In ge- wissen asiatischen Colonien ist sie entschieden neuerer Einführung. Stecklinge der Stengel werden zur Fort- pflanzung benutzt.

Es gehen die Botaniker in ihrer Meinung auseinander, ob es angemessen sei, die unzähligen Formen von Ma- nioks als zu einer, zwei oder selbst zu mehreren Arten gehörig anzusehen. Pohl! liess an der Seite seiner Manihot utilissima mehrere zu, und Dr. J. Müller? führt in seiner Monographie der Euphorbiaceen die Form Aipi, welche mit den andern in Brasilien angebaut wird und deren Wurzel keine giftige ist, auf eine verwandte Art (M. palmata) zurück. Diese giftige Eigenschaft tritt nicht so scharf hervor, als man nach gewissen Werken und selbst nach den Aussagen der Eingeborenen annehmen könnte. Dr. Sagot?, welcher etwa ein Dutzend von in Cayenne angebauten Maniokvarietäten verglichen hat, sagt ausdrücklich: „Es gibt Manioks, von welchen die einen giftiger sind als die andern; ich bezweifle -aber, dass eine schädlicher Grundstoffe ganz und gar ledig sei.“

Von diesen seltsamen Eigenschaftsverschiedenheiten zwischen sehr ähnlichen Pflanzen kann uns die Kar- toffel als Beispiel dienen. Der Maniok und das Solanum tuberosum gehören alle beide zu verdäch- tigen Familien (Euphorbiaceen und Solanaceen). Meh- rere ihrer Arten sind in bestimmten Organen giftig; das Stärkemehl aber, wo es sich auch findet, kann nicht

1 Pohl, Plantarum Brasiliae icones et descriptiones, I. 2 J. Müller, im Prodromus, XV, Abthlg. 2, S. 1062, 1064. 3 Sagot, im Bull. de la Société botanique de France, 8. Dec. 1871.

16 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

schädlich sein, ebenso wenig das vollständig gereinigte, in Cellulose verwandelte Zellengewebe. Nun verwendet man bei der Bereitung des Cassavemehls grosse Sorgfalt darauf, die äussere Rinde der Wurzel abzukratzen, dann den fleischigen Theil zu zerstossen oder zu zerquetschen, um den mehr oder weniger giftigen Saft herauszutreiben, und schliesslich unterwirft man den Brei dem Processe des Kochens, wodurch die flüchtigen Theile entfernt werden.t Die Tapioca ist das reine Stärkemehl ohne Beimischung von Geweben, welche noch in dem Cassave- mehl vorkommen. Bei der Kartoffelknolle nimmt das äussere Häutchen schädliche Eigenschaften an, sobald es sich, dem Lichte ausgesetzt, grün färbt, und man weiss zur Genüge, dass schlecht gereifte oder verdorbene Knollen, welche bei vielem Saft zu wenig Stärkemehl enthalten, zum Essen sich nicht eignen, und den Per- sonen, welche grössere Mengen davon verzehren, ent- schieden schaden würden. Alle Kartoffeln und so auch wahrscheinlich alle Manioks, schliessen schädliche Be- standtheile ein, welche man bei den durch das De- stilliren gewonnenen Erzeugnissen wahrnimmt und die aus mehreren Gründen verschiedenartig sind; das Stärke- mehl ausgenommen, muss man gegen alle übrigen Stoffe Mistrauen hegen.

Die Zweifel, wie viele Arten man bei den cultivirten Manioks aufstellen darf, stehen uns bei der Frage über den geographischen Ursprung keineswegs im Wege. Sie bieten uns im Gegentheil, wie wir sehen werden, eine wichtige Handhabe zum Nachweis des amerikanischen Ursprungs.

Der Abbé Raynal hatte früher die irrige Meinung verbreitet, dass der Maniokstrauch von Afrika nach Amerika gebracht worden sei. Robert Brown bestritt dies im Jahre 1818?, ohne sich dabei auf Gründe zu

1 Ich weise auf das Hauptsächlichste in der Zubereitung hin. Die Details sind je nach den Ländern verschieden. Vergleiche hierfür: Aublet, Guyane, II, 67; Descourtilz, Flore des Antilles, III, 113; Sagot, a. a. O., etc.

2 R. Brown, Botany of Congo, S. 50.

Maniok- oder Cassavestrauch. 77

stützen, und Humboldt!, Moreau de Jonnes?, Auguste

- de Saint-Hilaire? haben auf dem amerikanischen Ur-

sprung bestanden. Aus folgenden Gründen kann man denselben kaum in Zweifel stellen:

1. Die Manioks wurden von den Eingeborenen Bra- siliens, Guyanas und der wärmern Gegenden Mexicos vor Ankunft der Europäer angebaut, wie dies alle ältern Reisenden bezeugen. Nach Acosta* war diese Cultur auf den Antillen im 16. Jahrhundert gemein genug, um dort ebenfalls für sie ein ziemlich hohes Alter anzu- nehmen. -

2. In Afrika ist sie weniger verbreitet, namentlich in den von der Westküste entfernten Regionen. Be- kanntlich wurde der Maniok nach der Insel Bourbon durch den Gouverneur derselben, de.Labourdonnais *, eingeführt. In den asiatischen Ländern, wo eine so leichte Cultur sich wahrscheinlich weiter ausgebreitet haben würde, wenn sie auf dem afrıkanischen Continent schon lange bestanden hätte, spricht man hier und da von ihr als einem fremdländischen Gegenstande der

Neugierde.

3. Die Eingeborenen Amerikas hatten mehrere alte Namen für die Maniokvarietäten, besonders in Brasi- lien’, was in Afrika, selbst an der Küste Guineas® nicht der Fall gewesen zu sein scheint.

4. Die in Brasilien, Guyana und auf den Antillen

_angebauten Varietäten sind sehr zahlreich, woraus man

auf eine sehr alte Cultur schliessen darf. Ganz anders verhält es sich mit Afrika.

1 De Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., II, 398.

2 Histoire de l’Acad. des sciences, 1824.

3 Guillemin, Archives de botanique, I, 239.

4 Acosta, Hist. nat. des Indes, trad. franc., 1598, S. 163.

5 Thomas, Statistique de Bourbon, II, 18.

6 Im Katalog des Buitenzorger botan. Gartens, 1866, S. 222, wird aus- drücklich bemerkt, dass die Manihot utilissima von Bourbon und von Amerika komme.

7 Aypi, Mandioca, Manihot, Manioch, Yuca etc., in: Pohl, Icones et deser. I, 30, 33. Martius, Beiträge z. Ethnographie etc. Brasiliens, II, 122, führt eine Menge von Namen an.

8 Thonning (in: Schumacher, Plant. guin.) gibt keinen volksthümlichen Namen für den Maniok an.

78 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

5. Die 42 bekannten Arten der Gattung Manihot, mit Ausschluss der M. utilissima, sind alle in Amerika wildwachsend; die meisten in Brasilien, einige in Guyana, Peru und Mexico; nicht eine einzige in der Alten Welt.! Sehr unwahrscheinlich ist es, dass eine einzige Art, und noch dazu die angebaute, zu gleicher Zeit in der Alten und in der Neuen Welt einheimisch sei, um so viel mehr, da in der Familie der Euphorbiaceen die Wohn- orte der holzigen Arten meistens beschränkt sind und eine Gemeinschaft zwischen Afrika und Amerika bei den phanerogamen Gewächsen immer zu den Selten- heiten gehört.

Indem der amerikanische Ursprung des Manioks so- mit nachgewiesen ist, kann man die Frage aufstellen, auf welche Weise ihre Einführung nach Guinea und an den Congo vor sich ging. Sie ist wahrscheinlich eine Folge der im 16. Jahrhundert häufigen Beziehungen zwischen den portugiesischen Handelsleuten und den Negern.

Manihot utilissima und die verwandte Aipi genannte Art oder Varietät, welche man ebenfalls anbaut, sind nicht im wildwachsenden Zustande gefunden worden. Humboldt und Bonpland haben freilich an den Ufern des Magdalenenstroms ein Exemplar von Manihot utilissima gesammelt, welches sie als fast spontan ausgeben; Dr. Sagot versichert mir aber, dass man die Pflanze in Guyana nirgendwo entdeckt habe, und die Botaniker, welche die heisse Region Brasiliens durchforschten, sind hierin nicht glücklicher gewesen. .Dies geht aus den Aeusserungen Pohl’s hervor, welcher viele Zeit auf das Studium dieser Pflanzen verwendet hat, die Sammlungen von Martius kannte und den amerika- nischen Ursprung nicht in Frage stellte. Hätte er eine spontane, mit den angebauten identische Form bemerkt, so würde er nicht die Hypothese aufgestellt haben, dass der Maniok von seiner Manihot pusilla? aus der Provinz

1 J. Müller, im Prodromus, XV, Abthlg. 1, S. 1057, 2 Kunth, in: Humb. et B., Nova Genera, II, 108. 3 Pohl, Icones et descript., I, 36, Taf. 26.

Knoblauch. 19

Goyaz abstamme, deren Habitus ein sehr kleiner ist,

“und welche man als eine wirkliche Art oder auch als

eine Varietät von Manihot palmata! ansieht. Auf zahl- reiche, nach seiner Reise ihm zugegangene Nachrichten gestützt, erklärt Martius im Jahre 1867, dass man die Pflanze im wilden Zustande nicht kenne.” Ein älterer, gewöhnlich recht sorgfältiger Reisender, Piso 3, spricht von einer wilden Mandihoca, von welcher die Tapuyerier, Eingeborene der Küste im Norden von Rio de Janeiro, die Wurzel ässen. Sie ist „der angebauten Pflanze sehr ähnlich“, sagt er; die Abbildung aber, welche er davon gibt, muss den Autoren, welche sich mit den Manioks beschäftigt haben, sehr schlecht erschienen sein. Pohl bringt sie zu seiner M. Aipi, Dr. Müller übergeht sie mit Stillschweigen. Was mich selbst betrifft, so bin ich geneigt, Piso Glauben zu schenken, und seine Ab- bildung scheint mir gar nicht so schlecht zu sein. Sie ist besser als die, welche Vellozo von einer wilden Maniok gibt und welche man mit einem Fragezeichen zu M. Aipi* bringt. Will man diesen Ursprung aus dem intertropischen Ostbrasilien nicht annehmen, so muss man zu zwei Hypothesen seine Zuflucht nehmen: entweder stammen die angebauten Manioks von einer der durch die Cultur veränderten wilden Arten ab, oder es sind Formen, die nur der Thätigkeit des Menschen ihr Fortbestehen verdanken, nachdem ihresgleichen aus

der gegenwärtig spontanen Pflanzenwelt verschwunden

sind.

Allium sativum, Linne. Knoblauch (fr. Aÿ).

In seinen Species gibt Linne Sicilien als Vaterland des gemeinen Knoblauchs an; im Hortus cliffortianus dagegen, ein Werk, welches gemeiniglich auf grössere Genauigkeit Anspruch erhebt, schweigt er über die Ab-

1 J. Müller, im Prodromus,

2 De Martius, Beiträge zur Ethnographie etc., I, 19, 136.

3 Piso, Historia naturalis Brasiliae, 1658, S. 55.

4 Jatropia sylvestris, Vell. Fl. flum., 16, t. 83. Siehe Müller, im Pro- dromus, XV, 1063.

80 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

stammung. Thatsache ist es, dass nach den neuesten und vollständigsten Floren von Sicilien, ganz Italien, Griechenland, Frankreich, Spanien und Algerien der Knoblauch in keinem dieser Länder als einheimisch an- gesehen wird, wenn man auch hier und da Exemplare gesammelt hat, welche den Schein, es zu sein, in höherm oder geringerm Grade darboten. Eine so allgemein angebaute und so leicht sich vermehrende Pflanze kann sich dem Bereiche der Gärten entziehen und einige Zeit fortbestehen, ohne deswegen einen spontanen Ursprung zu haben. Auf welche Autorität hin Kunth die Art für Aegypten anführt!, ist mir unbekannt. Nach den genauern Darstellungen über die Pflanzen dieses Landes? wird sie dort nur angebaut. Boissier, dessen Herbarium an Pflanzen des Orients so reich ist, besitzt kein wild- wachsendes Exemplar. Die Kirgisensteppe ist das ein- zige Land, wo der Knoblauch in positiv-gewisser Weise wild angetroffen wurde; dies lässt sich aus den von dort mitgebrachten und dann in Dorpat? cultivirten Zwiebeln, sowie aus den später von Regel* gesehenen Exemplaren schliessen. Letzterer sagt auch, ein Exem- plar gesehen zu haben, welches Wallich in Britisch- Indien als wildwachsend gesammelt hatte; Baker? aber, welchem. die reichen Herbarien zu Kew zur Verfügung standen, erwähnt diese Thatsache nicht in seiner Ueber- sicht der Alliumarten Indiens, Chinas und Japans.

Wir wollen sehen, ob die historischen und linguisti- schen Documente einen ausschliesslichen Ursprung vom südwestlichen Sibirien bestätigen.

In China wird der Knoblauch seit langer Zeit unter dem Namen Swan angebaut. Im Chinesischen schreibt man denselben mit einem einzigen Zeichen, was ge- wöhnlich ein Fingerzeig dafür ist, dass eine Art seit

1 Kunth, Enum., IV, 381.

2 Schweinfurth und Acherson, Aufzählung, S. 294,

3 Ledebour, Flora altaica, II, 4; Flora rossica, IV, 162. 4 Regel, Allior. monogr., S. 44.

5 Baker, in: Journ. of Bot., 1874, S. 295.

2 Bl ne Sc nn 71

Knoblauch. s1

alters her bekannt und selbst wildwachsend ist.t Die Floren Japans? sprechen nicht vom Knoblauch, woraus

ich schliesse, dass die Art in Ostsibirien und Daurien

nicht wildwachsend vorkam, sondern dass die Mongolen dieselbe nach China gebracht haben.

Herodot zufolge (Hist., 1. II, c. 125) machten die alten Aegypter einen starken Gebrauch vom Knoblauch.

Die Archäologen haben in den Denkmälern hierfür kei-

nen Beweis gefunden; dies kommt aber vielleicht daher, dass die Pflanze von den Priestern? als unrein ange- sehen wurde.

Es kommt ein Sanskritname vor, Mahuschouda*, wor- aus das bengalische Wort Loshoun entstanden ist, und welcher dem hebräischen Schoum, Schumin?’, woraus Thum oder Tum der Araber hervorging, nicht fern zu stehen scheint. Der baskische Name Baratchouria ist vom Grafen Charencey ® mit arischen Namen in Ver- bindung gebracht worden. Zur Bekräftigung seiner Behauptung will ich sagen, dass der berberische Name Tiskert ganz verschieden ist, und dass demnach die Iberer die Pflanze und ihren Namen eher von den Ariern als von ihren muthmaasslichen Vorfahren aus dem nörd- lichen Afrika empfangen zu haben scheinen. Die Letten sagen Kiplohks, die Esten Krunslauk, woraus wahr- scheinlich das deutsche Wort Knoblauch. Scorodon scheint der altgriechische Name gewesen zu sein, im Neugriechischen heisst der Knoblauch Scordon. Die Slawen Illyriens besitzen die Namen Bili, Cesan. Die Bretagner sagen Quinen‘; die Bewohner von Wales Craf, Cenhinen oder Gartleg, aus letzterm entstand das englische Garlic. Das lateinische Alium ist in die Sprachen lateinischen Ursprungs übergegangen.° Diese

1 Bretschneider, Study and value etc., S. 7, 15 und 47. 2 Thunberg, Fl. jap.; Franchet et Savatier, Enumeratio, 1376, Bd. II. 3 Unger, Pflanzen des Alten Aegyptens, S. 42. 4 Piddington, Index, nach der englischen Orthographie Mahooshouda. .5 Hiller, Hierophyton; Rosenmüller, Bibl. Alterthum, Bd. IV. - 6 De Charencey, Actes de la Société philologique, 1. März 1869. 7 Davies, Welsh Botanology. 8 Alle diese Namen finden sich in meinem von Moritzi nach den

DE CANDOLLE. 6

82 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

grosse Verschiedenheit der Namen lässt eine alte Be- kanntschaft mit der Pflanze ee selbst eine alte Cultur derselben im westlichen Asien und in Europa voraus- setzen. Auch wenn die Art nur in der Kirgisensteppe vorgekommen wäre, wo man sie gegenwärtig noch an- trifft, würden die Arjas sie angebaut und nach Indien und Europa gebracht haben können; dann fragt man sich aber, warum so viele keltische, slawische, griechi- sche, lateinische, vom Sanskrit verschiedene Ninon vor- kommen. Um eine Erklärung für diese Mannichfaltig- keit zu geben, müsste man eine Erweiterung des ur- sprünglichen Vaterlandes nach Westen hin gegen den jetzt bekannten Wohnort annehmen, eine Ausdehnung, die vor den Wanderungen der Arjas stattgefunden hätte.

Wenn man einmal die Gattung Allium in ihrer Ge- sammtheit zum Gegenstand einer so gewissenhaften Ar- beit machen würde, wie dies bei jener von J. Gay über einige ihrer Arten der Fall war!, liessen sich vielleicht gewisse in Europa spontane Formen, die jetzt von den Autoren zu A. arenarium, L., oder A. arenarium, Sm., oder auch zu A. scorodoprasum, L. gebracht werden, nur als Varietäten von A. sativum hinstellen. Dann würde alles im Einklang stehen: die ältesten Völker Europas und Westasiens würden die Art so angebaut haben, wie sie dieselbe von der Tatarei bis nach Spa- nien antrafen und ihr mehr oder minder verschiedene Namen beilegten.

Allium Cepa, Linne. Sommerzwiebel (fr. Oignon). Ich will zunächst das sagen, was man im Jahre 1855 darüber wusste.” Daran werde ich neuere botanische

Floren zusammengestellten Wörterbuch. Ich hätte noch eine grössere Anzahl anführen, auch mögliche Etymologien nach den Philologen er- wähnen können, z. B. nach dem Werke von Hehn: Kulturpflanzen aus Asien, S. 171 fg.; dies ist aber nicht erforderlich, um auf die Thatsache eines vielfachen geographischen Ursprungs, sowie auf eine alte Cultur in verschiedenen Ländern hinzuweisen.

1 Annales des sc. nat., 3. Serie, Bd. 8

2 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, II, S2S.

Sommerzwiebel. 83

Beobachtungen schliessen, welche die auf linguistische Angaben gestützten Vermuthungen bestätigen.

Die Sommerzwiebel ist eine der am längsten ange- bauten Arten. Ihr ursprünglicher Wohnort ist nach Kunth unbekannt.! Vielleicht wäre es möglich, ihn zu entdecken. Die Neugriechen nennen Allium Cepa, wel- ches sie vielfach anbauen, Krommudi.? Das berechtigt uns zu der Annahme, dass das Krommuon von Theo- phrast? dieselbe Art ist, eine schon bei den Autoren des 16. Jahrhunderts herrschende Meinung.* Plinius ° übersetzte dieses Wort mit Caepa. Die Alten kannten mehrere Varietäten, welche sie nach den Ländernamen,

Cyprium, Cretense, Samothraciae u. s. w. unterschieden.

Eine davon wurde in Aegypten angebaut‘; sie war von so ausgezeichneter Beschaffenheit, dass man ihr, einer Gottheit gleich, zur grossen Belustigung der Römer ?, Ehrenbezeigungen erwies. Die Aegypter der Neuzeit

‚bezeichnen Allium Cepa unter dem Namen Basal® oder

Bussul?, wodurch es wahrscheinlich wird, dass Betsalim oder Bezalim der Hebräer eine und dieselbe Art ist, wie es die Öommentatoren!? wahr haben wollen. Es gibt

_ ganz und gar verschiedene Sanskritnamen: Palandu,

Latarka, Sukandaka!!, auch eine Menge neuerer. in- discher Namen. In Indien, Cochinchina, China!? und selbst in Japan!? wird die Art allgemein angebaut. Die alten Aegypter verbrauchten sie in grossen Massen. Die Zeichnungen in ihren Denkmälern stellen diese Art oft dar.!* Somit geht die Cultur im südlichen Asien und in der östlichen Region des Mittelmeers auf eine

‚überall sehr fern liegende Epoche zurück. Ausserdem

haben die chinesischen, Sanskrit-, hebräischen, griechi-

1 Kunth, Enum., IV, 394. 2 Fraas, Syn. fl. class., S. 291.

3 Theophrast, Hist., lt, rc: # 4 J. Bauhin, Hist., II, 548.

5 Plinius, Hist., 1. 19, ae 6 Ebend. 7 Juvenalis, Sat. 15.

8 Forskal, S. 63. 9 Ainslies, Mat. med. Ind., I, 269.

10 Hiller, Hieroph., IT, 36; Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk., 7V2 96. 11 Piddington, Index; "Ainslies, a. à. ©.

12 Roxburgh, F1. ind., 2; Loureiro, Fl. cochinch., S. 249,

13 Thunberg, Fl. jap., Be 132.

14 Unger, Pflanzen d. Alt. Aegypt., S, 42, Fig. 22, 23, 24.

6*

84 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

schen und lateinischen Namen keinen offenbaren Zu- sammenhang. Aus dieser letzten Thatsache lässt sich die Hypothese ableiten, dass man nach der Trennung der indo-europäischen Völker auf den Anbau verfallen sei, indem die Art zu gleicher Zeit in verschiedenen Ländern zur Verfügung stand. Ganz anders verhält es sich mit der Gegenwart, denn man findet kaum un- deutliche Spuren von dem spontanen Auftreten von A. Cepa. In den europäischen Floren oder jenen des Kaukasus habe ich keine entdeckt; Hasselquist! hat aber gesagt: „wächst in den dem Meere nahegelege- nen Ebenen, in der Umgegend von Jericho“. Dr. Wallich hat in seiner Liste indischer Pflanzen, Nr. 5072, Exem- plare angeführt, welche er in den Gegenden von Ben- galen gesehen hatte, ohne hinzuzufügen, dass es ange- baute waren. Diese wenn auch wenig genügende An- gabe, das hohe Alter der Sanskrit- und hebräischen Namen, sowie auch die Verbindungen, welche bekannt- lich zwischen den Völkern Indiens und den Aegyptern obwalteten, bringen mich zu der Vermuthung, dass der Wohnsitz im westlichen Asien ein sehr weiter war, sich vielleicht von Palästina nach Indien ausbreitete. Ver- wandte Arten, welche man zuweilen für A. Cepa hielt, wachsen in Sibirien.?

Augenblicklich besitzt man bessere Kenntniss über die von anglo-indischen Botanikern gesammelten Exem- plare, auf welche Wallich zuerst hinwies. Stokes ent- deckte Allium Cepa als in Beludschistan einheimisch. Er sagt: „wild auf dem Chehil Tun“. Griffith brachte es von Afghanistan und Thomson von Lahore, ohne von andern Sammlern zu sprechen, welche sich über die spontane oder angebaute Eigenschaft der Pflanze nicht weiter ausgelassen haben.? Boissier besitzt ein wild- wachsendes Exemplar, welches in den gebirgigen Re- gionen von Khorasan gesammelt war, und bei dem-

1 Hasselquist, Voy. and trav., S. 279. 2 Ledebour, Fl. ross., IV, 169. 3 Aitchison, A Catalogue of the plants of Punjab and Sindh (1869), S. 19; Baker, in: Journal of Bot., 1874, S. 295.

Fe RD i TP

Winterzwiebel. 8

selben sind die Dolden kleiner als bei der cultivirten Pflanze, das ist aber auch der einzige Unterschied. Dr. Regel jun. fand die Art südlich von Kuldscha, Turkestan.! So sind meine Vermuthungen von ehe- mals vollständig gerechtfertigt, und es ist nicht un- wahrscheinlich, dass sich der Wohnsitz, wie Hasselquist es sagte, bis nach Palästina ausbreitet.

In China bezeichnet man die Sommerzwiebel durch einen einzigen Buchstaben (richtig geschrieben Tsung), was ein altes Vorkommen als einheimische Pflanze muth- maassen lässt.” Mir ist es jedoch sehr zweifelhaft, dass der Wohnsitz sich so weit nach Osten ausbreitet.

Humboldt? berichtet, dass die Amerikaner zu allen Zeiten die Sommerzwiebeln, mexicanisch Xonacatl, kann- ten. „Unter den Lebensmitteln, welche auf dem Markte des alten Tenochtitlan verkauft wurden, führt Cortes“, sagt er, „auch Sommerzwiebeln, Porre und Knoblauch an.“ Ich kann mich nicht zu dem Glauben verstehen, dass diese verschiedenen Namen sich auf unsere in Eu-

_ ropa angebauten Arten beziehen. Im 17. Jahrhundert

hatte Sloane nur ein einziges in Jamaica angebautes Allıum (A. Cepa) gesehen, und zwar in einem Garten mit andern europäischen Gemüsen.* Das Wort Xonacatl findet sich nicht im Hernandez, und von J. Acosta° wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Sommer- zwiebeln und Knoblauch Perus aus Europa stammen. In Amerika gibt: es nur wenige Arten der Gattung

Allium.

Allium fistulosum, Linné. Winterzwiebel (fr. Ci- boule commune).

Das Vaterland dieser Art wurde lange Zeit hindurch in den Floren und den Gartenbaubüchern als unbekannt hingestellt; die russischen Botaniker haben sie aber in

1 Ill. hortic., 1877, S.167. 2 Bretschneider, Study and value, S.7 u. 47. 3 De Humboldt, Nouv.-Esp., 2. Aufl., II, 476. 4 Sloane, Jam., I, 75. 5 Acosta, Hist. nat. des Indes, trad. franc., S. 165.

FRE

86 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Sibirien nach dem Altai hin am Baikalsee als wilde Pflanze gefunden.!

Die Alten kannten sie nicht.” Im Mittelalter oder etwas später muss sie von Russland aus nach Europa gekommen sein. Ein Autor des 16. Jahrhunderts, Do- doens?, gibt von ihr unter dem Namen Cepa oblonga eine wenig kenntliche Abbildung.

Allium Ascalonicum, Linné. Schalotte (fr. Echalote).

Plinius* zufolge glaubte man, dass die Pflanze nach der Stadt Askalon in Judäa benannt sei; Dr. E. Four- nier ist jedoch der Meinung, dass sich der lateinische Autor über die Bedeutung des Wortes Askalönion von Theophrast geirrt habe. Wie dem nun auch immer sei, so hat sich dieser Name in den neuern Sprachen als Echalote im Französischen, Chalote im Spanischen, Scalogno ım Italienischen, Eschlauch, Schaloëte im Deutschen u. s. w. fortgepflanzt.

Im Jahre 1855 sprach ich von dieser Art folgender- maassen ®:

„Nach Roxburgh? wird Allium Ascalonicum in Indien vielfach angebaut. Der Sanskritname Pulandu wird darauf bezogen, ein fast identisches Wort mit Palandu, welches sich auf Allium Cepa°® beziehen soll. Augen- scheinlich ist die Unterscheidung zwischen diesen zwei Arten in den indischen oder anglo-indischen Werken keine deutliche.

„Loureiro berichtet, das Allium Ascalonicum in Cochinchina? angebaut gesehen zu haben, China führt er aber nicht an, und Thunberg erwähnt sie nicht für Japan. Somit ist die Cultur nach der östlichen Region Asiens keine zu allgemeine. Diese Thatsache, sowie

Ledebour, Flora rossica, IV, 169.

Lenz, Botanik der alten’ Griechen und Römer, S. 295. Dodoens, Pemptades, S. 687. 4 Plinius, Hist., 19/00: In seiner Schrift „Cibaria“ wird er darüber sprechen. Geographie bot. raisonnee, S. 329.

Roxburgh, Fl. ind. (1332), II, 142. 8 Piddington, Index. Loureiro, Fl. cochinch., S. 251.

© I OO O1 69 NO MH

)

Schalotte, | 87

der Zweifel über den Sanskritnamen veranlassen mich zu dem Glauben, dass sie im südlichen Asien kein hohes Alter aufweise. Trotz des Namens der Art glaube ich ebenso wenig, dass sie im westlichen Asien vorkam. Rauwolf, Forskal und Delile geben sie für Sibirien, Arabien und Aegypten nicht an. Nach Linne! soll Hasselquist die Art in Palästina gefunden haben. Es fehlt ihm aber leider an Details über die Localität so- wie über die spontane Beschaffenheit. In den ,, Voyages‘ von Hasselquist? finde ich eine Cepa montana, welche auf dem Tabor und einem benachbarten Berge vor- kommt; es liegt aber kein Beweis vor, dass diese Art damit gemeint ist. In seiner Abhandlung über die Sommerzwiebeln und Knoblaucharten der Hebräer (5.290) erwähnt er nur Allium Cepa, sowie A. Porrum und sativum. Von Sibthorp ward sie in Griechenland nicht gefunden®, und Fraas spricht nicht von ihr als einer gegenwärtig in jenem Lande angebauten Pflanze.* Nach Koch hat sie sich in den Weinbergen bei Fiume natu- ralisirt. Jedoch wird sie von Visiani® nicht als in Dalmatien angebaut erwähnt.

„Stelle ich die Thatsachen zusammen, so gelange ich zu der Ansicht, dass Allium Ascalonicum keine Art ist. Um über das ursprüngliche Vorkommen Zweifel zu hegen, genügt es: 1) Theophrast und die Alten im all- gemeinen haben von ihr als einem Mittelding des Allium . Cepa gesprochen, welches selbst von geringerer Wich- tigkeit war als die in Griechenland, Thrazien und an- derswo angebauten Varietäten; 2) der Beweis fehlt für das Vorkommen im wilden Zustande; 3) in den Län- dern, wo die Schalotte muthmaasslich ihre Geburtsstätte hat, wie in Syrien, Aegypten, Griechenland, baut man sie wenig oder gar nicht an; 4) gemeiniglich bringt sie

1 Linné, Species, S. 4-9.

2 Hasselquist, Voy. and trav., 1766, S. 231, 232.

3 Sibthorp, Prodr. 4 Fraas, Syn. fl. class., S. 291, 5 Koch, Synops. fl. Germ., 2. Aufl., S. 833.

6 Visiani, Flora dalmat., S. 138.

88 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

keine Blumen hervor, weshalb Bauhin sie Cepa sterilis nannte, und steht die Menge der Zwiebelbrut mit dieser Thatsache in ganz natürlichem Zusammenhange; 5) wenn sie blüht, so gleichen die Blumenorgane jenen des A. Cepa, wenigstens hat man bis dahin noch keine Unter- schiede entdeckt, und besteht nach Koch! die einzige Verschiedenheit in dem weniger angeschwollenen, wenn auch röhrigen Schaft und Blättern.“

Dies war meine Meinung.” Meine Zweifel werden durch die seit 1855 veröffentlichten Thatsachen nicht beseitigt, sondern vielmehr bestärkt. Als Regel im Jahre 1875 seine Allium - Monographie herausgab, fügte er die Erklärung bei, dass er die Schalotte nur im angebauten Zustande gesehen habe. Aucher Eloy hat eine Pflanze Kleinasiens unter dem Namen A. As- calonicum (Nr. 2012) vertheilt, nach meinem Exemplar gehört sie aber sicherlich nicht zu dieser Art. Von Boissier höre ich, dass er A. Ascalonicum im Orient nie gesehen habe, und in seinem Herbarium keine Pflanze davon besitze. Die Pflanze von Morea, welche in der Flora von Bory und Chaubard diesen Namen trägt, ist eine ganz verschiedene Art, welche er A. gomphrenoides nannte. In seiner Uebersicht der Alliumarten Indiens, Chinas und Japans führt Baker? nach den Exemplaren von Griffith und Aitchison A. Ascalonicum für Gegenden Bengalens und des Pendschab an, doch mit dem Zusatze: „wahrscheinlich sind es angebaute Pflanzen“. Baker bringt zu Ascalonicum noch Allium Sulvia, Ham., von Nepaul, eine wenig bekannte Pflanze, deren wildwachsende Eigen- schaft ungewiss ist. Die Schalotte bringt eine Menge von Brutzwiebeln hervor, welche sich in der Nähe der Culturen vermehren oder fortbestehen können und so zu Irrthümern über den Ursprung Veranlassung geben.

Mit einem Worte, es ist diese Alliumform, trotz des Fortschritts der botanischen Forschungen im Orient und

1 Koch, Synops. fl. Germ. 2 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 829, 3 Baker, im: Journal of Bot., 1874, S. 295.

Rocambollen-Lauch. 89

in Indien noch nicht mit Bestimmtheit im wilden Zu- stande gefunden worden. Mehr als je erscheint sie mir somit als eine Modification des A. Cepa, die ungefähr zu Anfang der christlichen Zeitrechnung eingetreten ist, eine Abänderung, die von geringerm Belang ist als viele solcher, welche man bei andern angebauten Pflan- zen, z. B. den Kohlarten nachgewiesen hat.

Allium Scorodoprasum, Linne. Rocambollen-Lauch (fr. Rocambole).

Wenn man in den botanischen Werken von Linné an bis auf unsere Tage einen Blick auf die Beschrei- bungen und die Synonymie des A. Scorodoprasum wirft, so wird man bald gewahr werden, dass es einzig und allein der volksthümliche Name Rocambolle ist, welcher keine Meinungsverschiedenheit bei den Autoren zulässt. Was die unterscheidenden Merkmale anbetrifft, so ver- setzen selbige die Pflanze bald in die Nähe von Allium sativum, bald lassen sie das Gegentheil eintreten. Mit so verschiedenen Definitionen wird es schwer, zu wissen, in welchem Lande die gut bekannte, als Rocambolle an- gebaute Pflanze wild auftritt. Cosson und Germain zu- folge wächst sie in der Umgegend von Paris.! Nach Grenier und Godron? findet sich dieselbe Form im Osten Frankreichs. Burnat berichtet, die gut spontane Art im Departement der See-Alpen gefunden zu haben, und wurden Herrn Boissier von ihm mehrere Exemplare überwiesen. Willkomm und Lange sehen sie nicht als in Spanien wildwachsend an°, wenn auch A% oder Echalote d’Espagne einer der französischen Namen für die angebaute Pflanze ist. In Rücksicht auf die Un- sicherheit über die specifischen Charaktere scheinen mir viele andere Localitäten in Europa zweifelhaft zu sein. Ich bemerke jedoch, dass nach Ledebour* die Pflanze,

1 Cosson et Germain, Flore, II, 553.

2 Grenier et Godron, Flore de France, III, 197. 3 Willkomm et Lange, Prodrom. fl. hisp., I, 885. 4 Ledebour, Flora rossica, IV, 163.

90 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

welche er A. Scorodoprasum nennt, in Russland von Finland bis nach der Krim sehr gemein ist. Boissier erhielt ein ihm von dem Botaniker Sintenis zugeschicktes Exemplar aus der Dobrudscha. Demnach würde der natürliche Wohnsitz der Art an jenen von Allium sati- vum stossen, oder es wird auch ein aufmerksames Stu- dium aller der Formen den Beweis liefern, dass eine einzige, mehrere Varietäten umfassende Art sich über einen grossen Theil Europas und seine Grenzländer in Asien ausbreitet.

Die Cultur des Rocambollen-Lauchs scheint von kei- nem sehr hohen Alter zu sein. In den Werken über Griechenland und Rom ist nicht die Rede davon, des- gleichen nicht in der Aufzählung der Pflanzen, welche von Karl dem Grossen seinem Gartenintendanten an- empfohlen wurden. Auch Olivier de Serres schweigt hierüber. Nur eine kleine Zahl volksthümlicher, ur- sprünglicher Namen finden wir bei den alten Völkern. Die charakteristischsten zeigen sich im Norden: Skovlög in Dänemark, Keipe und Rackenboll in Schweden.? Rockenbolle, woraus der französische Name entstand, ist der deutsche. Er hat nicht die Bedeutung, welche Littré ihm zuschreibt. Seine Etymologie ist Bolle, Zwiebel und Rocken?®, zwischen den Felsen wachsend.

Allium Schoenoprasum, Linne. Schnittlauch (fr. Ciboulette, Civette).

Der Wohnsitz dieser Art ist auf der nördlichen He- misphäre ein sehr ausgebreiteter, nämlich ganz Europa von Corsica oder Griechenland bis nach dem südlichen Schweden; in Sibirien bis nach Kamtschatka, und auch in Nordamerika, da aber nur in der Nähe des obern Huronensees und weiter nach Norden*, was im Ver- gleich zu dem europäischen Wohnsitz als ein recht eigenthümlicher Umstand angesehen werden kann. Die

1 Le Grand d’Aussy, Histoire de la vie des Francais, I, 122, 2 Nemnich, Polyglott. Lexicon, S. 187. 3 Ebendas. 4 Asa Gray, Botany of Northern States, 5. Aufl., S. 534,

Taro. 91

Form, welche in den Alpen vorkommt, steht der an- gebauten am nächsten.!

Den Alten musste auf alle Fälle die Art bekannt sein, weil sie in Italien und Griechenland wildwachsend ist. Targioni ist der Meinung, dass dies das Scorodon Schiston von Theophrast ist, es handelt sich hier aber um Worte ohne Beschreibungen, und Autoren wie Fraas und Lenz, welche sich mit Auslegung der grie- chischen Texte speciell befassen, zeigen die Vorsicht, nichts zu bestätigen. Wenn die alten Namen zweifel- haft sind, so ist es die Thatsache der Cultur zu jener Zeit noch viel mehr. Möglich ist es, dass man die Pflanze auf freiem Felde einzusammeln pflegte.

Arum esculentum, Linne. Colocasia antiquorum, Schott.” Taro (fr. Colocase).

An feuchten Orten der meisten intertropischen Länder wird diese Art angebaut. Es ist der untere Theil des Stengels, welcher anschwillt und einen essbaren Wurzel- stock bildet, der dem unterirdischen Organe der Schwert- lilien zu vergleichen ist. Die Blattstiele und Blätter werden ausserdem als Gemüse verwerthet.

Seitdem die verschiedenen Formen der Art gut klassi- fieirt worden sind, und man genauere Documente über die Floren des südlichen Asiens besitzt, waltet kein Zweifel mehr darüber ob, dass diese Pflanze in Indien spontan ist, wie dies schon früher Roxburgh? und neuerdings Wight* und andere behaupteten; ebenso in Ceylon®, Sumatra® und andern Inseln des Malaiischen Archipels.?

Das erste chinesische Buch, welches dieses Gewächs

1 De Candolle, Flore francaise, IV, 227.

2 Arum Aegyptium, Columna, Ecphrasis, II, 1, Taf. 1; Rumphius, Am- boin., Bd. 5, Taf. 109. Arum Colocasia und A. esculentum, Linné. Colocasia antiquorum, Schott., Melet., I, 18; Engler, in: D. C. Monogr. Phaner., II, 491.

3 Roxburgh, Fl. ind., III, 495. 4 Wight, Icones, t. 786.

5 Thwaites, Enum. plant. Zeylan., S. 335.

6 Miquel, Sumatra, S. 258. 7 Rumphius, Amboin., V, 318.

92 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

erwähnt, erschien im Jahre 100 unserer Zeitrechnung.! Die ersten europäischen Seefahrer sahen sie in Japan und bis im Norden von Neuseeland angebaut?; diese Cultur ist wahrscheinlich frühern Einführungen zuzu- schreiben, und man kann mit Sicherheit kein gleich- zeitiges Bestehen wildwachsender Individuen nachweisen, Hingeworfene Fragmente vom Stengel oder der Knolle naturalisiren sich leicht am Ufer fliessender Gewässer. Nach den von den Autoren angegebenen Localitäten ? ist dieses vielleicht für die Fidschi-Inseln und Japan ein- getreten. Hier und da wird der Taro auf den Antillen und anderswo im tropischen Amerika angebaut, jeden- falls aber bedeutend weniger als in Asien und Afrika, und ohne dass irgendetwas einen amerikanischen Ur- sprung andeutete.

Es gibt in den Ländern, wo die Art wild vorkommt, volksthümliche, zuweilen sehr alte Namen, die unter sich ganz und gar verschieden sind, was einen localen Ursprung bestätigt. Der Sanskritname Kutschu findet sich in den neuern indischen Sprachen, z. B. im Ben- galischen.* Auf Ceylon heisst die wildwachsende Pflanze Gahala, die angebaute Kandalla.° Die malaiischen Namen sind Kelady®, Tallus, Tallas, Tales oder Ta- loes’, davon abzuleiten ist vielleicht der so bekannte Name Tallo oder Tarro® der Bewohner von Otahaiti und Neuseeland’; auf den Fidschi-Inseln nennt man die Pflanze Dalo.19 Die Japanesen haben einen ganz ver- schiedenen Namen, Imo!!, der auf ein sehr hohes Alter der Pflanze, sei es im wilden oder angebauten Zu- stande, hinweist.

Die europäischen Botaniker kannten den Taro zu- nächst von Aegypten aus, wo er seit einer vielleicht

1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botan. works, S. 12. 2 Forster, Plantae escul. 8.58.

3 Franchet et Savatier, Enum., S. 8; Seemann, Flora Vitiensis, S. 284. 2 Roxburgh, a. a. O. 5 Thwaites, a. 2. O. 6 Rumphius, a. a. O 7 Miquel, Sumatra, S. 258; Hasskarl, N horti bogor. alter, S.55.

8 Forster, 2. 2.0. 9 Seemann, a. 0. 10 Franchet et Savatier, a. a. O. in Plinius, Hist., L 19, c. 5.

Be Be.

Taro. 93

nicht sehr fern gelegenen Zeit angebaut wird. Die Denkmäler der alten Aegypter liefern keinen Finger- zeig; Plinius hat aber von dieser Pflanze unter dem Namen Arum Aegyptium gesprochen. Prosper Alpini sah sie im 16. Jahrhundert und spricht ausführlich von ihr.t Er berichtet, dass man sie in Aegypten Culcas nennt, welches Wort von Delile? @olkas und Koulkas geschrieben wird. In diesem bei den Aegyptern gebräuch- lichen arabischen Namen zeigt sich einige Analogie mit dem Sanskrit Kutschu, wodurch die ziemlich wahr- scheinliche Annahme einer Einführung von Indien oder von Ceylon aus noch mehr Begründung findet. Clu- sius® hatte die Pflanze in Portugal als von Afrika kommend angebaut gesehen, und zwar unter dem Na- men Alcoleaz, der augenscheinlich arabischen Ursprungs ist. In einigen Gegenden des südlichen Italien, wo sich die Art naturalisirt hat, nennt man sie, nach Par- latore®, Aro di Egitto.

Der von den Griechen einer Pflanze beigelegte Name Colocasia, deren Wurzel von den alten Aegyptern ver- werthet wurde, kann augenscheinlich von Colcas ab- stammen, wenn er auch auf eine andere Pflanze bezogen wurde als auf den echten Colcas. In der That bezieht Dioscorides ihn auf die Bohne des Pythagoras oder Nelumbium?, eine Pflanze mit dicker Wurzel oder viel- mehr Wurzelstock, der ziemlich faserig ist und sich zum Essen wenig eignet. Die zwei Pflanzen sind, be- sonders in der Blume, sehr voneinander verschieden. Die eine gehört zur Familie der Araceen, die andere zu jener der Nymphaeaceen, eine zur Klasse der Mono- cotyledonen, die zweite zu der der Dicotyledonen. Das ursprünglich indische Nelumbium findet sich nicht mehr in Aegypten, während sich die Colocasia der neuern

1 Alpinus, Hist. Aegypt. naturalis, 2. Auf, I, 166; II, 192.

2 Delile, Flora Egypt. ill., S. 28. De la Colocase des anciens, 1346.

3 Clusius, Historia, II, 75. . 4 Parlatore, Fl. ital., II, 255.

5 Prosper Alpinus, a. a. O.; Columna; Delile, Ann. du Mus., I, 375, De la Colocase des Anciens: Reynier, Économie des Égyptiens, S. 321.

94 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Botaniker dort erhalten hat. Wenn bei den griechischen Schriftstellern eine wahrscheinlich erscheinende Verwir- rung obgewaltet hat, so muss man sie durch die That- sache zu erklären suchen, dass der Colcas wenigstens in Aegypten selten zur Blüte gelangt. In Bezug auf die botanische Nomenclatur kommt es wenig darauf an, ob man sich einst über die Colocasia zu bezeichnenden Pflanzen geirrt hat. Glücklicherweise stützen sich die neuern wissenschaftlichen Namen nicht auf die zweifel- haften Bestimmungen der Alten, und wenn man auf Etymologien Werth legt, so genügt jetzt der Ausspruch, dass Colocasie infolge eines Irrthums von Colcas ab- stammt.

Alocasia macrorrhiza, Schott. Arum macrorrhizum, Linne (Fl. Zeyl. 327). Grosswurzelige Alocasie (fr. Alocase à grande racine).

Diese von Schott bald zur Gattung Colocasia und bald zu Alocasia gebrachte Aracee, deren Synonymie eine verwickeltere ist, als es nach den oben angegebe- nen Namen! erscheinen dürfte, wird weniger häufig als die gemeine Colocasia angebaut, doch ist ihre Cultur dieselbe und findet fast in denselben Ländern statt. Ihre Wurzelstöcke erreichen die Länge eines Armes, sie besitzen einen recht ausgeprägt scharfen Geschmack, welcher durch den Process des Kochens beseitigt wer- den muss.

Die Bewohner von Otahaiti nennen die Pflanze Ape, jene der Freundschaftsinseln Kappe.” Auf Ceylon ist ihr volksthümlicher Name nach Thwaites® Habara. Im Indischen Archipel kommen noch andere Namen vor, woraus man schliessen kann, dass sie schon vor den jetzigen Völkern jener Regionen dort auftrat.

Die Pflanze scheint besonders auf der Insel Otahaitif wildwachsend zu sein. Nach Thwaites, welcher während

1 Vgl. Engler in unsern Monographiae Phanerogarum, II, 502.

2 Forster, De plantis esculentis insularum Oceani australis, S. 58. 3 Thwaites, Enum. plant. Zeyl., 336.

4 Nadeaud, Enum. des plantes indigènes, S. 40,

Konjak. 19

‘einer langen Zeit auf Ceylon Pflanzen sammelte, soll sie es auch dort sein. Ausserdem führt man sie für Indien und selbst für Australien ! an, jedoch ohne dabei die wildwachsende Eigenschaft zu bestätigen, was immer bei einer Art schwer hält, die an Bächen angebaut wird und sich durch Brutzwiebeln vermehrt. Ausser- dem hat man diese Art zuweilen mit der Colocasia indica, Kunth, verwechselt, deren Wachsthum dasselbe ist und welche man hier und da in den Culturen an- trifft, auch wildwachsend oder naturalisirt in den Gräben oder an den Bächen des südlichen Asiens vorkommt, ohne dass sich über ihre Geschichte etwas mit Be- stimmtheit nachweisen lässt.

Amorphophallus Konjak, C. Koch. Amorphophallus Ri- vieri, du Rieu, var. Konjak, Engler.” Konjak (fr. Konjak). Der von den Japanesen im grossen angebaute Kon- jak, über dessen landwirthschaftliche Verwerthung Dr. Vidal im „Bulletin de la Société d’acclimatation‘“ vom

Juli 1877 sehr ausführliche Details gegeben hat, ist

eine Knollenpflanze aus der Familie der Araceen. Engler

‘sieht sie als eine Varietät des in Cochinchina heimi-

schen Amorphophallus Rivieri an, wovon die Garten- zeitungen seit einigen Jahren mehrfach Abbildungen ge- geben haben.” Im Süden Europas kann man sie, ähn- lich wie die Dahlien, aus Liebhaberei anbauen; will

. man aber den essbaren Werth der Knollen kennen ler-

nen, so muss man dieselben, wie dies die Japanesen thun, einer Bereitung mit Kalkmilch unterwerfen und sich des Gewinns an Stärkemehl auf einer gegebenen Fläche Landes vergewissern.

Vidal hat keine Beweise dafür, dass die Pflanze Ja- pans in dem Lande auch wildwachsend sei. Er ver- muthet es nur nach dem Sinn des volksthümlichen

1 Bentham, Flora austral., VIII, 155.

2 Engler, in DC. Monogr. Phaner., II, 313.

3 Gardener’s Chronicle, 1873, S. 610; Flore des serres et jardins, Taf, 1358, 1959; Hooker, Bot. Mag., Taf. 6195.

96 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Namens, welcher, wie er sagt, Konniyaku oder Yama- gonniyaku ist (Yama bedeutet Gebirge). Franchet und Savatier! haben die Pflanze nur in den Gärten angetroffen. Die cochinchinesische Form, von welcher man annimmt, dass sie zur selben Art gehöre, stammt aus den Gärten, und es fehlt die Bestätigung ihres spontanen Auftretens im Lande.

Dioscorea sativa, D. Batatas, D. japonica und D. alata. Yamswurzeln (fr. Ignames).

Die Yamswurzeln, monocotyledonische Pflanzen aus der Familie der Dioscoreaceen, machen die Gattung Dioscorea aus, von welcher die Botaniker fast zweihundert Arten beschrieben haben, die sich in allen intertropischen oder subtropischen Ländern verbreitet finden. Gewöhn- lich haben sie Wurzelstöcke, d. h. mehr oder minder fleischige, unterirdische Stengel oder Verzweigungen von Stengeln, welche sich dann zu verdicken anfangen, wenn der der Luft ausgesetzte, einjährige Theil am Absterben ist.” Wegen dieser mehligen Wurzelstöcke, welche ge- kocht wie Kartoffeln gegessen werden, baut man meh- rere Arten in verschiedenen Ländern an.

Die botanische Unterscheidung der Arten ist immer mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, weil sich die männlichen und weiblichen Blumen auf verschiedenen Individuen befinden, und man die Charaktere, welche in den Wurzelstöcken und dem untern Theile der über der Erde wachsenden Stengel liegen, in den Herbarien nicht antrifft. Die letzte zusammenfassende Beschreibuug ist die von Kunth? aus dem Jahre 1850. Sie verlangt eine Revision, da die Reisenden seit einigen Jahren zahlreiche Exemplare mitgebracht haben. Glücklicherweise kön- nen, sobald es sich um den Ursprung der angebauten

1 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, II, 7.

2 Sagot hat die Art und Weise des Wachsthums, sowie die Cultur der Yamswurzeln nach seinen in Cayenne gemachten Beobachtungen sehr gut beschrieben. Bull. de la Soc. bot. de France, 1871, S. 306.

3 Kunth, Enumeratio, Bd. V.

FL de

Yamswurzel. A

Arten handelt, gewisse historische und linguistische Er- wägungen den Weg zeigen, und es ist hierbei nicht durchaus erforderlich, die botanischen Charaktere jeder Art zu kennen und abzuschätzen.

Roxburgh zählt mehrere in Indien angebaute Dios- coreen ! auf, keine derselben fand er aber im wilden Zustande, und weder er noch Piddington ? führen San- skritnamen an. Dieser letzte Punkt lässt auf eine in In- dien wenig alte oder ehemals wenig verbreitete Cultur schliessen, die entweder von einheimischen, noch schlecht definirten oder von ausländischen, ee, angebauten Arten herrührte. Im cn und Hindustanischen ist Alu der generische Name, dem ein besonderes Beiwort für jede Varietät oder Art voransteht, z.B. Kam Alu für Dioscorea alata. Auch das Fehlen von bestimmten Namen in jeder Provinz lässt eine wenig alte Cultur annehmen. Thwaites? gibt für Ceylon sechs spontane Arten an, ausserdem werden Dioscorea alata L., D. sa- tiva L. und D. purpurea Roxb. als in den Gärten an-

gebaut, aber nicht wildwachsend von ihm aufgeführt.

Die chinesische Yamswurzel, Dioscorea Batalas De- caisne’s®, welche von den Chinesen als Sain-in im Grossen angebaut wird und von Montigny in die Gärten Eu- ropas eingeführt wurde, wo sie aber ein Luxusgemüse bleibt, ıst bisjetzt nicht wildwachsend in China auf- gefunden worden. Einige weniger bekannte Arten wer- den desgleichen von den Chinesen angebaut, besonders die Schu-yü, Tu-tschu, Schan-yü, welche sich in ihren alten Werken über Ackerbau erwähnt findet, und die, statt der spindelförmigen Wurzeln, wie bei D. Batatas, kugelrunde Wurzelstöcke besitzt. Nach Stanislas Julien bedeuten diese Namen so viel wie Arum vom Ge- birge, woraus auf eine wirklich zur Landesflora ge-

1 Es sind D. globosa, alata, rubella, purpurea, fasciculata, von welchen zwei bis drei nur Varietäten zu sein scheinen.

2 Piddington, Index. 3 Thwaites, Enum. plant. Zeylan., S. 326.

4 Decaisne, Histoire et culture de l’Igname de Chine, in: Revue hor- ticole, 1, Juli und Dec, 1853; Flore des serres et jardins, X, Taf, 971,

DE CANDOLLE, 4

98 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

hörige Pflanze geschlossen werden kann. Dr. Bret- schneider! führt drei in China angebaute Arten an (Dioscorea Batatas, alata, sativa), und er fügt hinzu: „Die Dioscorea ist in China einheimisch, denn sie wird in dem ältesten medicinischen Werke, dem des Kaisers Schen-nung, erwähnt.“

Die Dioscorea japonica, Thunberg, in Japan ange- baut, ist ebenfalls in dem Buschholz verschiedener Ge- genden angetroffen worden, ohne dass man mit irgend- welcher Bestimmtheit wüsste, berichten die Herren Franchet und Savatier?, bis zu welchem Grade sie dort einheimisch ist, oder infolge der Cultur weiter verbreitet wurde. Eine andere, noch häufiger in Japan angebaute Art vermehrt sich, nach denselben Verfassern, hier und da auf freiem Felde. Dieselben bringen sie zu der Dios- corea sativa Linné’s, man weiss aber, dass der berühmte Schwede mehrere asiatische und amerikanische Arten unter diesem Namen vereinigt hatte; derselbe ist daher ganz zu streichen oder auf eine der Arten vom Malai- ischen Archipel zu beschränken. Geschieht letzteres, so würde die echte D). sativa die auf Ceylon angebaute Pflanze sein, welche Linn& bekannt war, und die Thwaites in der That Dioscorea sativa, Linne, nennt. Verschie- dene Autoren lassen die Identität der ceylonischen Pflanze mit andern ın Malabar, Sumatra, Java, den Philippinen u. s. w. angebauten gelten. Blume”? behauptet, dass die D. sativa, L., auf welche er die Abbildung 51 von Rheede (,„Malabar‘‘, Bd. 8) bezieht, in den feuchten Ge- birgsgegenden von Java und Malabar wächst. Um die- sen Versicherungen Glauben zu schenken, müsste zuvor die Frage in Bezug auf die Art nach authentischen Exemplaren sorgfältig geprüft werden.

Die auf den Südseeinseln unter dem Namen Ubi am meisten angebaute Yamswurzel ist die Dioscorea alata Linne’s. Sie soll nach den Autoren des 17. und 18. Jahr-

1 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 12, 2 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, II, 47. 3 Blume, Enum, plant, Javae, S, 22,

Yamswurzel. 99

hunderts auf Otahaiti, in Neuguinea, auf den Molukken u. s. w. sehr verbreitet sein.! Je nach der Form der Wurzelstöcke unterscheidet man mehrere Varietäten von ihr. Niemand will diese Art im wilden Zustande ge- funden haben; die Flora der Inseln, wo sie wahr- scheinlich einheimisch ist, besonders die von Celebes, Neuguinea u. s. w., ist aber noch wenig bekannt.

Versetzen wir uns jetzt nach Amerika. Auch dort kommen mehrere Arten der Gattung, besonders in Bra- silien, Guyana u. s. w. wildwachsend vor, es scheint aber, als ob die angebauten Formen eher einge- führt wurden. So führen die Autoren in der That nur wenige angebaute Varietäten oder Arten an (Plumier eine, Sloane zwei), auch nur wenige volksthümliche Na- men. Der verbreitetste ist Yam, Igname oder Inhame, welcher nach Hughes afrikanischen Ursprungs ist, wie auch die zu seiner Zeit auf der Insel Barbadoes ange- baute Pflanze.?

Das Wort Yam bedeutet nach demselben Verfasser in den Idiomen mehrerer Negerstämme von der Küste Guineas soviel wie essen. Freilich haben zwei der Entdeckung Amerikas der Zeit nach näher stehende, von Humboldt? erwähnte Reisende das Wort Zgname auf dem amerikanischen Festlande gehört, nämlich Vespucei im Jahre 1497 an der Küste von Paria, Cabral drei Jahre später in Brasilien. Nach letzterm bezöge sich der Name auf eine Wurzel, aus welcher Brot gemacht würde, was sich besser auf den Maniok beziehen liesse und mich einen Irrthum befürchten lässt, um soviel mehr, da eine von Humboldt? anderwärts angeführte Stelle des Vespucci den Beweis liefert, dass derselbe den Maniok mit der Yamswurzel verwechselte. Die D. Cliffortiana Lam. wächst in Peru? und Brasilien® wild,

1 Forster, Plant. esculent., S. 56; Rumphius, Amboin., Bd. 5, Taf. 120, 121 etc.

2 Hughes, Hist. nat. Barb., S. 226 und 1750.

3 Humboldt, Nouv. Esp., 2. Aufl., II, 468. 4 Ebend., S. 403.

5 Haenke, in; Presl, Rel., S. 133. 6 Martius, Flora brasiliensis, V, 43,

Le À

{

100 Zweiter Theil. Erstes Kapitel,

es liegt mir aber kein Beweis vor, dass man sie an- baut. Presl sagt ,vero similiter colitur“ und die „Flora brasiliensis“ spricht von keiner Cultur.

Im französischen Guyana wird Dr. Sagot! zufolge ganz insbesondere Dioscorea triloba Lam. angebaut, dort indianische Yamswurzel genannt, welche auch in Bra- sılien und auf den Antillen verbreitet ist. Der volks- thümliche Name lässt darauf schliessen, dass sie im Lande einheimisch ist, während eine andere Art, D. Cayennensis Kunth, die ebenfalls in Guyana und zwar unter dem Namen I/gname pays-negre angebaut wird, wahrscheinlich von Afrika dorthin gelangte, eine Mei- nung, die um so wahrscheinlicher ist, da Sir W. Hooker die in Afrıka an den Ufern des Nun und der Quorra angebaute Yamswurzel mit der D. Cayennensis vergleicht.? Schliesslich ist die Zgname franche von Guyana nach Sagot die Dioscorea alata, die vom Malaiischen Archipel und Oceanien dorthin eingeführt wurde.

In Afrika gibt es weniger einheimische Dioscoreen als in Asien und Amerika, und auch die Cultur der Yamswurzeln ist dort eine nicht so allgemeine. An der Westküste werden nach Thonning? nur eine oder zwei Arten angebaut. Am Congo sah Lockhard nur eine Art und zwar nur an einem Orte.f Bojer° zählt für die Insel Mauritius vier angebaute Arten auf, die, wie er sagt, von Asien kommen sollen, und eine, D. bulbi- fera Lam., welche, wenn der Name der richtige ist, indischen Ursprungs sein würde. Bojer behauptet, dass sie von Madagascar kam und sich in den Wäldern, ausserhalb des Culturbereichs ausgebreitet hat. In Mau- ritius nennt man sie Cambare marron. Das Wort Cam- bare steht aber dem indischen Kam ziemlich nahe, und marron bezeichnet eine der Cultur entsprungene Pflanze. Die alten Aegypter bauten keine Yamswurzeln an, was eine in Indien weniger alte Cultur als die der Colocasia

Sagot, Bull. Soc. bot. France, 1871, S. 305. ; Hooker, Flora nigrit., S. 53. % Thonning, Plantae guineenses, S. 447,

Brown, Congo, S. 49, 5 Bojer, Hortus mauritianus,

nV

Pfeilwurzel. 101

muthmaassen lässt. Forskal und Delile sprechen nicht von in Aegypten zur Neuzeit angebauten Yamswurzeln.

Alles zusammengerechnet, wurden mehrere in Asien wildwachsende Dioscoreen (besonders im asiatischen Archipel) und andere, weniger zahlreiche in Amerika und Afrika einheimische, in die Culturen als Nähr- pflanzen eingeführt, dies geschah aber wahrscheinlich zu weniger fern liegenden Zeiten als bei vielen andern Pflanzenarten. Diese letzte Annahme stützt sich auf das Fehlen eines Sanskritnamens, auf die geringe geo- graphische Culturausbreitung und auf das dem Anscheine nach nicht sehr hohe Alter der Bewohner der Südsee- inseln.

Maranta arundinacea, Linne. Pfeilwurzel (engl. u. fr. Arrow-root).

Eine der Gattung Canna nahestehende Pflanze aus der Familie der Scitamineen, deren unterirdische Wurzelschöss- linge! das als Arrow-root bekannte ausgezeichnete Stärke- mehl liefern. Sie wird auf den Antillen und mehreren an- dern intertropischen Ländern des continentalen Amerika angebaut. Auch nach der Alten Welt, z. B. nach der Guineaküste, ist sie eingeführt worden.?

Jedenfalls ist die Maranta arundinacea amerikani- schen Ursprungs. Nach den Angaben Sloane’s? wäre sie von Dominica nach der Insel Barbadoes und von da nach Jamaica gebracht worden, woraus sich schliessen lässt, dass sie auf den Antillen nicht einheimisch ist. Zuletzt wurde die Gattung Maranta von Körnicke* be- arbeitet und derselbe spricht von mehreren in Guadeloupe, St.-Thomas, Mexico und in Centralamerika gesammelten Exemplaren; ob dieselben von spontanen, angebauten oder naturalisirten Pflanzen herrührten, ist von ıhm nicht weiter berücksichtigt worden. Die Sammler geben solches nie an, und es mangelt für den amerikanischen

1 Siehe die Beschreibung von Tussac, Flore des Antilles, I, 183. 2 Hooker, Niger Flora, S. 531. 3 Sloane, Jamaica, 1707, I, 254. 4 Im Bull, Soc. des natur. de Moscou, 1862, I, 34.

102 Zweiter Theil. Erstes Kapitel.

Continent, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, an Localfloren, ganz insbesondere an solchen, die von Bo- tanıkern verfasst wurden, welche sich im Lande selbst aufgehalten haben. Nach den veröffentlichten Arbeiten finde ich die Art als angebaut! angegeben, oder von Pflanzungen herrührend ?, zuweilen auch ohne alle An- gabe. Bei einer für Brasilien von Körnicke in der wenig bewohnten Provinz von Matto grosso angeführten Localität kann man das Fehlen von Culturen annehmen. Seemann ? gibt die Art bei Panama an, und zwar in recht sonnigen Gegenden.

Auf den Antillen cultivirt man auch eine andere Art, Maranta indica, welche Tussac als von Ostindien ge- bracht bezeichnet. Körnicke bringt die in Sillet ge- fundene M. ramosissima Wallich’s zu derselben und hält sie für eine Varietät der M. arundinacea. Von 36 mehr oder weniger bekannten Arten der Gattung Ma- ranta sind wenigstens 30 amerikanisch. Somit ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass zwei oder drei andere asiatisch sind. Die Lösung dieser Fragen über die Arten der Scitamineen und ihre Heimatländer bleibt bis zur Beendigung von Sir J. Hooker’s Flora von Bri- tisch-Indien in Dunkel gehüllt. 2

Die Anglo-Indier gewinnen Arrow-root aus einer an- dern Pflanze derselben Familie, welche in den Wäldern von Dekkan und in Malabar anzutreffen ist. Dies ist die Curcuma angustifolia Roxburgh{; ob man sie an- baut, ist mır nicht bekannt.

1 Aublet, Guyane, I, 3. 2 Meyer, Flora Essequebo, S. 11.

3 Seemann, Botany of Herald, S. 213.

4 Roxburgh, Fl. indica, I, 31; Porter, The tropical Agriculturist, S. 241; Ainslies, Materia medica, I, 19.

2

105

ZWEITES KAPITEL.

Ihrer Stengel oder Blätter wegen angebaute Pflanzen.

Erster Abschnitt. Gemüse.

Brassica oleracea, Linne. Gartenkohl (fr. Chou ordinaire).

Der gemeine Kohl, wie er sich in der „English Bo- tany“, Taf. 637, der „Flora Danica‘“, Taf. 2056, und an- derswo abgebildet findet, kommt auf den Felsen am Meeres- gestade vor, und zwar 1) auf der dänischen Insel La- land, auf Helgoland, im südlichen England und Irland, in der Normandie, den Inseln Jersey und Guernsey und dem Departement Charente-Inferieure !; 2) an der nörd- lichen Küste des Mittelmeers in der Nähe von Nizza, Genua und Lucca.” Ein Reisender des vorigen Jahr- hunderts, Sibthorp, berichtet, die Kohlpflanze auf dem Berge Athos gefunden zu haben, dies wird aber von keinem Botaniker der Neuzeit bestätigt, und die Art scheint in Griechenland und an den Ufern des Kaspisees sowol, wie auch in Sibirien, wo Pallas sie einst ge- funden haben will, und in Persien? fremd zu sein. Die zahlreichen Reisenden, welche jene Länder durch- forschten, haben sie dort nicht angetroffen, und die Winter im östlichen Europa und Sibirien scheinen auch für dieselbe zu kalt zu sein. Die Verbreitung auf recht isolirten Punkten und in zwei verschiedenen Regionen Europas bringt uns zu der Vermuthung, dass die an- scheinend wildwachsenden Individuen entweder das Re-

1 Fries, Summa, S. 29; Nylander, Conspectus, S. 46; Bentham, Handb. Brit. Flora, 4. Aufl., S.40; Mackay, Fl. hibern., S.28; Brebisson, Flore de Normandie, 2. Aufl., S. 18; Babington, Primitiae fl. sarnicae, S. S; Cla- vaud, Flore de la Gironde, I, 68.

2 Bertoloni, F1. ital., VII, 146; Nylander, a. a. O.

3 Ledebour, Fl. ross.; Grisebach, Spicilegium fl. rumel.; Boissier, Fl. or., etc,

104 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

sultat einer durch Culturen! bedingten Samenausstreuung sind, oder auch, dass die Art früher häufiger auftrat und dem Aussterben entgegengeht. Das Vorkommen auf den Inseln des westlichen Europas ist der letzten Hypothese günstig, während das Fehlen auf jenen des Mittelmeers ihr entgegensteht.?

Wir wollen jetzt sehen, ob historische und linguisti- sche Angaben etwas zu den pflanzengeographischen That- sachen hinzufügen können.

Zunächst müssen wir berücksichtigen, dass die zahl- losen Kohlvarietäten in Europa ins Leben gerufen wur- den ?, ganz insbesondere seit der Zeit der alten Griechen. Theophrast unterschied 3, Plinius die doppelte Anzahl, Tournefort etwa 20, de Candolle mehr als 30. Diese Abänderungen stammten nicht vom Orient, und dies ist ein neuer Fingerzeig für eine alte Cultur in Europa und einen europäischen Ursprung.

Die volksthümlichen Namen sind desgleichen recht zahlreich in den europäischen Sprachen, in den asia- tischen dagegen selten und neuern Datums. Ohne auf eine Menge früher* von mir schon erwähnter Namen zurückzukommen, will ich hier nur bemerken, dass sich dieselben auf vier oder fünf verschiedene und alte Wur- zeln zurückführen lassen:

Kap oder Kab in mehreren keltischen und slawischen Namen. Der französische Name Cabus wird davon abgeleitet. Wegen des kopfförmigen Wachsthums des Kohls ist der Ursprung augenscheinlich derselbe wie bei Caput.

1 Watson, welcher derartigen Fragen eine besondere Aufmerksamkeit widmete, stellt das Indigenat für England in Zweifel (Compendium of the Cybele, S. 103), die meisten Autoren von Floren Grossbritanniens sind je- doch entgegengesetzter Meinung.

2 Die Brassica balearica und Br. cretica sind ausdauernd, fast holzig, nicht zweijährig. Man stimmt darüber ein, sie von Br. oleracea zu trennen. °

3 Aug. Pyr. de Candolle veröffentlichte über die Abtheilungen und Unterabtheilungen der Zrassica oleracea eine besondere Arbeit (Trans- actions cf the Horticult. Soc., Bd. 5, ins Deutsche übersetzt und franzö- sisch in Bibl. univ. agricult., Bd. 8); häufig wird selbige gerade für der- artige Aufgaben als Muster hingestellt.

* Alph. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 839.

Gartenkohl. 105

Caul, Kohl, von mehreren lateinischen (Caulis gleich- bedeutend mit Stengel und Kohl), germanischen (Choli altdeutsch, Kohl neudeutsch, Kaal dänisch) und kelti- schen Sprachen (Cal im Irischen, Kaol und Kol im Bretonischen).!

Bresic, Bresych, Brassic der keltischen? und latei- nischen Sprachen (Drassica), woraus wahrscheinlich Berza und Verza der Spanier und Portugiesen, Varza der Rumänen entstanden sind.”

Aza der Basken (Iberer), welcher Name von Cha- rencey* als der euskarischen Sprache eigenthümlich an- gesehen wird, sich aber von den vorhergehenden nur wenig unterscheidet.

Krambai, Crambe der Griechen und Lateiner.

Die Verschiedenartigkeit der Namen in den keltischen Sprachen stimmt mit dem Vorkommen der Art an den Westküsten Europas überein. Wenn die arischen Kelten die Pflanze von Asien gebracht hätten, würden sie wahr-

‚scheinlich nıcht Namen erfunden haben, die drei ver-

schiedenen Quellen entsprangen. Der Annahme scheint

sich jedoch nichts entgegenzustellen, dass die arischen

Völker, als sie den einheimischen und vielleicht schon in Europa von den Iberern oder Liguriern verwertheten Kohl sahen, entweder neue Namen aufstellten oder sich solcher bedienten, wie sie bei den ältern Völkern in dem Lande Brauch waren.

Die Philologen haben das Krambai der Griechen mit dem persischen Namen Karamb, Karam, Kalam, dem kurdischen Kalam, dem armenischen Gaghamb in Verbin- dung gebracht’; andere wieder mit einer Wurzel der muth- masslichen Muttersprache der Arier; in den Einzelheiten stimmen sie aber nicht überein. Nach Fick ® bedeutet

1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 380.

2 Alph. de Candolle, a. a. O.; Ad. Pictet, a. a. O.

3 Brandza, Prodr. fl. romanae, S. 122.

4 De Charencey, Recherches sur les noms basques, in: Actes de la Société philologique, 1. März 1869.

5 Ad. Pictet, a. a. O.

6 Fick, Wörterb. d. indo-germ, Sprachen, 8. 34.

106 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Karambha in der ursprünglich indo-germanischen Sprache „Gemüsepflanze, Kohl, indem Karambha gleichbedeu- tend ist mit caulis, Stengel.“ Er fügt hinzu, dass Ka- rambha im Sanskrit der Name für zwei Gemüse ist. Die anglo-indischen Autoren führen diesen angeblichen Sanskritnamen nicht an, sondern nur einen neuern, in- dischen Sprachen entlehnten Namen, Kopee.t Ad. Pictet seinerseits spricht von dem Sanskritwort Kalamba, „Gemüsestengel, auf Kohl angewendet“. Was mich selbst betrifft, so muss ich gestehen, dass es mir schwer wird, diese orientalischen Etymologien des griechisch -latei- nıschen Wortes Crambe zuzulassen. Der Sinn des Sanskritwortes (wenn es überhaupt existirt) ist sehr zweifelhaft, und was das persische betrifft, so müsste man wissen, ob dasselbe ein altes ist. Ich bezweifle es, denn wenn der Kohl im alten Persien vorgekommen wäre, würden die Hebräer ihn gekannt haben.”

Aus allen diesen Gründen scheint mir die Art euro- päischen Ursprungs zu sein. Die Zeit ihres Anbaues ist wahrscheinlich eine sehr alte, die vor den arischen Invasionen datirt, doch hat man zweifelsohne damit an- gefangen, die wildwachsende Pflanze einzusammeln, ehe man daran dachte, sie anzubauen.

Lepidium sativum, Linne. Gemeine Gartenkresse (fr. Cresson alenois).

Diese kleine Crucifere, welche wir jetzt als Salat verwerthen, war in alten Zeiten wegen gewisser Eigen- schaften ihrer Samen sehr gesucht. Einige Autoren sind der Meinung, dass sie dem Cardamon von Dios- corides entspricht, während andere diesen Namen auf Erucaria aleppica beziehen.” Beim Mangel einer ge- nügenden Beschreibung scheint die erstere dieser zwei Vermuthungen die wahrscheinlichere zu sein, da der gegenwärtige volksthümliche Name Cardamon ist.*

1 Piddington, Index; Ainslies, Mat. med. ind.

2 Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk., führt keinen Namen an.

3 Vgl. Fraas, Syn. fl. class., S. 120, 124; Lenz, Bot. d. Alten, S. 617. 4 Sibthorp, Prodr. fl. graec., II, 6; Heldreich, Nutzpfl. Griechenl., S. 47.

Gemeine Gartenkresse. 107

Die Cultur der Art muss auf ein hohes Alter zurück-

gehen und sich sehr ausgebreitet haben, denn es be-

stehen sehr verschiedene Namen: im Arabischen Reschad, im Persischen Turchtezuk!, im Albanesisenen, einer von den Pelasgern herrührenden Sprache, Dieges #, ohne hier von Namen zu sprechen, die aus der Uebereinstimmung im Geschmack mit der Brunnen- oder Wasserkresse (Nasturtium officinale) abgeleitet sind. Im Hindustanı und Bengalischen gibt es sehr verschiedenartige Namen, im Sanskrit kennt man aber keinen.?

Gegenwärtig wird die Pflanze in Europa, Nordafrika, Westasien, Indien und anderswo angebaut; aber wo- her sie ursprünglich gekommen, ist ziemlich unklar.

Ich besitze mehrere in Indien gesammelte Exemplare,

‚wo Sir Joseph Hooker* die Art nicht als einheimisch

ansieht. Kotschy brachte sie von der Insel Karek oder Karrak im Persischen Meerbusen. Auf der beigefügten Etikette wird nicht erwähnt, ob es eine angebaute Pflanze war. Boissier® spricht von ihr, ohne irgend-

eine Bemerkung hinzuzufügen, und erwähnt ferner

Exemplare von Ispahan und von Aegypten, die auf Culturland gesammelt waren. Man führt Olivier an, der die Gartenkresse in Persien gesehen haben soll, jedoch wird nicht gesagt, ob auch in wirklich spon- tanem Zustande.® Die botanischen Bücher weisen wieder- holt darauf hin, dass Sibthorp sie auf der Insel Cypern gefunden hat; schlägt man in seinem Werke nach, so zeigt es sich, dass offene Felder die Fundstätte waren.’ Von Poech wird sie für Cypern nicht erwähnt.® Unger und Kotschy? führen sie auf dieser Insel als nicht spontan an. Nach Ledebour!® fand Koch sie beim Kloster auf dem Berge Ararat, Pallas in der Nähe von

1 Ainslies, Mat. med. ind., S. 95. 2 Heldreich, a. a. O.

> Piddington, Index; Ainslies, a. a. 0.

4 Hooker, Fl. Brit. India, I, 160. 5 Boissier, Fl. orient., Bd. I. 6 De Candolle, System. II, 535.

7 Sibthorp et Smith, Prodr. fl. graecae, II, 6.

8 Poech, Enum. plant. Cypri, 1842.

9 Unger und Kotschy, Insel Cypern, S. 331.

10 Ledebour, Fl. ross., I, 203.

108 "Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Sarepta, Falk am Oka-Ufer, einem Nebenflusse der Wolga; H. Martius endlich hat sie in seiner Flora von Moskau angeführt; Beweise für die Spontaneität in die- sen verschiedenen Gegenden fehlen aber. Lindemann! zählte im Jahre 1860 die Art nicht unter denen von Russland auf, und für die Krim gibt er sie nur als angebaut an.? Nach Nyman? hätte der Botaniker Schur sie in Siebenbürgen wildwachsend gefunden, dagegen findet sich die Art in den Floren von Oesterreich-Un- garn nicht angegeben, oder dieselben erwähnen sie nur als angebaut oder auf bebautem Terrain vorkommend.

Alle diese mehr oder weniger zweifelhaften Angaben zusammengenommen, neige ich mich zu dem Glauben hin, dass die Pflanze ursprünglich von Persien stammt, von wo sie sich nach der Sanskritepoche in den Gärten Indiens, Syriens, Griechenlands, Aegyptens und bis nach Abessinien weiter ausbreiten konnte.*

Portulaca oleracea, Linné. Gemeiner Portulak (fr. Pourpier).

Seit sehr alten Zeiten ist der Portulak eins der ver- breitetsten Suppenkräuter in der Alten Welt. Man hat ihn nach Amerika’ gebracht, wo er sich, wie in Europa, in den Gärten, auf Schutthaufen, an Landstrassen u. s. w. ansiedelt. Es ist ein mehr oder weniger gebrauchtes Gemüse, eine medicinische Pflanze und gleichfalls ein ausgezeichnetes Schweinefutter.

Lindemann, Index pl. in Ross., Bull. Soc. nat. Mosc., 1860, Bd. 33. Lindemann, Prodr. fl. Cherson., 8.21.

Nyman, Conspectus fl. europ., 1578, S. 69. :

Schweinfurth, Beitr. Fl. Aeth., S. 270.

„In den Vereinigten Staaten sah man den Portulak als fremden Ur- sprungs an (A. Gray, Fl. of U. St., 5. Aufl.; Bot. of Calif., I, 74), in einer neuern Arbeit dagegen (American Journ. of sc., 1583, 8. 253) führen die Herren Asa Gray und Trumbull Gründe an, welche zu dem Glauben be- rechtigen, dass der Portulak ebenso gut in Amerika wie in der Alten Welt einheimisch sei. Christoph Columbus hatte ihn auf San-Salvador und Cuba bemerkt; Oviedo erwähnt ihn für San-Domingo und J. de Lery für Brasilien. Das sind keine Zeugenaussagen von Botanikern. Nuttall und andere fanden ihn spontan in Obermissouri, Colorado und Texas, in An- betracht des Datums kann er aber dorthin eingeführt worden sein.“ (Vom Verfasser dem Uebersetzer mitgetheilte Anmerkung.)

Eu L9 M

|

Gemeiner Portulak. 109

Man kennt von ihm einen Sanskritnamen, Lonica oder Lunia, welcher sich in den neuern Sprachen Indiens wiederfindet.! Der griechische Name Andrachne und der lateinische Portulaca sind ganz verschieden, des- gleichen die Gruppe von Namen im Persischen Cholza, im Hindustanı Khursa oder Kursa, im Arabischen Kurfa Kara-or, aus welchen das polnische Kurza-noga abgeleitet zu sein scheint, Kurj-noha im Böhmischen, Kreusel im Deutschen, ohne von dem russischen Na- men Schrucha und einigen andern des östlichen Asiens zu sprechen.? Man braucht kein Sprachforscher zu sein, um in diesen Namen gewisse Ableitungen aufzu- finden, welche darthun, dass die asiatischen Völker auf ihren Wanderungen ihre Namen für diese Pflanze mit fortgeführt haben; das ist aber noch kein Beweis da- für, dass sie die Pflanze selbst mit fortführten. Sie können dieselbe in den Ländern, wo sie anlangten, wiedererkannt haben. Andererseits berechtigt das Vor- handensein von drei oder vier verschiedenen Wurzeln zu der Annahme, dass europäische Völker, die den Wanderungen der asiatischen vorhergingen, schon Na- men für die Art besassen, und dass diese somit in Eu- ropa wie in Asien ein hohes Alter aufweist.

Der angebaute, beim Culturlande naturalisirte oder spontane Zustand ist bei einer so weit verbreiteten Pflanze, welche sich vermittelst ihrer uuzähligen klei- nen Samen leicht vermehrt, sehr schwer zu erkennen.

Im Osten des asiatischen Continents scheint sie nicht so alt zu sein wie im Westen, und sie wird von den Autoren nie als eine wildwachsende Pflanze angeführt. ? Anders verhält es sich mit Indien. Sir J. Hooker * sagt: „wächst inIndien bis zur Höhe von 5000 Fuss im Himalaja.“ Für den nordwestlichen Theil des Landes gibt er auch

1 Piddington, Index to Indian Plants.

2 Nemnich, Polygl.-Lexikon d. Naturgesch., II, 1047.

3 Loureiro, Fl. Cochinch., I, 359; Franchet et Savatier, Enum. plant, Japon., I, 53; Bentham, Flora Hongkong., S. 127.

4 Hooker, Fl. Brit. Ind., I, 240.

110 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

die Varietät mit aufrecht stehendem Stengel an, welche mit der gemeinen in Europa angebaut wird. Ueber die Gegenden von Persien finde ich nichts Bestimmtes, es werden aber so zahlreiche Localitäten angeführt, und diese finden sich in so wenig angebauten Ländern, an den Ufern des Kaspisees, um den Kaukasus herum und selbst im südlichen Russland !, dass es schwierig erscheint, das Indigenat für diese Centralregion, von welcher aus die asiatischen Völker in Europa eindran- gen, nicht zuzulassen. In Griechenland findet sich die Pflanze im angebauten und wilden Zustande.” Weiter nach Westen zu, in Italien u. s. w., werden die Felder, Gärten, Schutthaufen und andere verdächtige Orte in den Floren als einzige Fundorte angegeben.” Es stim- men somit die linguistischen und botanischen Documente darin überein, der Art die ganze Region, welche sich vom westlichen Himalaja bis nach dem südlichen Russ- land und Griechenland ausdehnt, als ursprüngliches Vaterland zu überweisen.

Tetragonia expansa, Murray (fr. Tetragone étalée).

Die Engländer nennen diese Pflanze neuseelän- dischen Spinat (auch der gebräuchliche Name in Deutschland), weil sie bei der berühmt gewordenen Reise des Kapitäns Cook von Neuseeland nach England gebracht und von Sir Joseph Banks angebaut worden war. In zweierlei Weise haben wir es hier mit einer eigenthümlichen Pflanze zu thun. Zunächst ist es die einzige angebaute Art, welche von Neuseeland stammt, und dann gehört sie zu einer Familie von meist fleischi- gen Pflanzen, den Ficoideen, von welchen keine andere Art verwerthet wird. Die Gärtner empfehlen dieselben als einjähriges Gemüse, welches im Geschmack an Spinat

1 Ledebour, Fl. ross., II, 145; Lindemann, Prodr. fl. Chers., S. 74, sagt: In desertis et arenosis inter Cherson et Berislaw, circa Odessam.

2 Lenz, Bot. d. Alt., S. 632; Heldreich, F1. attisch. Ebene, S. 483. .

3 Bertol., Fl. it., V; Gussone, Fl. sic., I; Moris, Fl. sard., II; Will- komm et Lange, Prodr. fl. hisp., III. 5

4 Botanical Magazine, t. 2362; Bon Jardinier, 1880, S. 567,

Gartensellerie. 111

erinnert; dasselbe leidet weniger von der Trockenheit, und wird aus diesem Grunde eine Hülfsquelle, wenn der Spinat auf dem Markte nicht mehr anzutreffen ist.

Seit Cook’s Reise hat man diese Pflanze ganz beson- ders an den Meeresgestaden nicht nur in Neuseeland, sondern auch in Tasmanien, im südlichen und westlichen Australien, in Japan und in Südamerika wildwachsend angetroffen. Es bleibt übrigens noch ungewiss, ob sie sich in diesen letztgenannten Gegenden nicht naturali- sirt hat, denn in Japan und Chile? findet sich ihr Stand- ort in der Nähe von Städten.

Apium graveolens, Linne. Gartensellerie (fr. Céleri cultivé).

Wie viele andere, an feuchten Orten vorkommende Umbelliferen, hat der wildwachsende Sellerie eine aus- gedehnte Verbreitung. Von Schweden bis nach Algerien, Aegypten, Abessinien kommt er vor, und in Asien findet er sich vom Kaukasus bis nach Beludschistan und den Gebirgen von Britisch-Indien.”

Schon in der Odyssee findet er unter dem Namen Selinon Erwähnung, desgleichen im Theophrast; später aber unterscheiden Dioscorides und Plinius* den wild- wachsenden und den angebauten Sellerie. Bei letzterm lässt man die Blätter bleichen, wodurch die Bitterkeit sich sehr vermindert. In dem hohen Alter dieser Cultur finden wir eine Erklärung für die zahlreichen Gartenvarietäten. Eine der von der wildwachsenden Pflanze am besten unterschiedene ist die rübenförmige, deren fleischige Wurzel im gekochten Zustande ge- gessen wird.

1 Sir J. Hooker, Handbook of New Zealand Flora, S. 84; Bentham, Flora australiensis, III, 327; Franchet et Savatier, Enum. plant. Japo- niae, I, 177.

2 Cl. Gay, Flora chilena, II, 468.

3 Fries, Summa veget. Scandinaviae; Munby, Catal. Alger., 8. 11; Boissier, Flora orient., II, 856; Schweinfurth und Acherson, Aufzählung, S. 272; Hooker, Flora of Brit. India, II, 679.

4 Dioscorides, Mat. med., 1. 3, c. 67, 68; Plinius, Hist., 1. 19, e. 7, 8; Lenz, Bot, d. alten Griechen und Römer, S. 557,

ee a

112 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Scandix Cerefolium, Linne. Anthriscus Cerefolium, Hoffmann. Gartenkörbel (fr. Cerfeuil).

Das Vaterland dieser kleinen, in unsern Gärten so gemeinen Umbellifere war bis vor kurzem unbekannt. Wie viele andere einjährige Arten, sah man sie auf den Schutthaufen, an Hecken, auf wenig bebauten Ter- rains auftreten, und wusste man nicht, ob sie als spon- tan angesehen werden dürfe. Im westlichen und süd- lichen Europa scheint sie zufällig aufzutreten, mehr oder weniger naturalisirt zu sein; im südöstlichen Russland und im gemässigten Westasien scheint sie spontan. Steven! führt sie an „in den Wäldern der Krim, hier und da“. Boissier? erhielt mehrere Exem- plare aus den Provinzen im Süden des Kaukasus, von Turkomanien und den Gebirgen des nördlichen Persien, wahrscheinlich natürliche Fundstätten der Art. In den Floren Indiens und des östlichen Asien fehlt sie.

Die griechischen Autoren erwähnen sie nicht. Bei den Alten sprechen zuerst Columella und Plinius? von ihr, dies war also zu Anfang der christlichen Zeitrech- nung. Man baute sie an. Plinius nannte sie Cerefolium. Wahrscheinlich hat sich die Art seit den Zeiten des Theophrast in die griechisch-römischen Länder einge- führt, d. h. in dem Zeitraume dreier Jahrhunderte, welche der gegenwärtigen Zeitrechnung vorhergingen.

Petroselinum sativum, Moench. Petersilie (fr. Persil).

Diese zweijährige Umbellifere ist im Süden Europas eine wildwachsende Pflanze, und zwar von Spanien bis nach Macedonien. Man hat sie auch bei Tlemeen in Algerien und im Libanon gefunden.

Dioscorides und Plinius haben von ıhr unter dem Namen Petroselinon und Petroselinum gesprochen, sie erwähnen sie als eine wildwachsende und medicimische

1 Steven, Verzeichniss d. taurischen Halbinsel, S. 183.

2 Boissier, Flora orient., II, 913.

3 Lenz, Botanik d. alten Griechen und Römer, S. 572.

4 Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 22; Boissier, Flora orientalis, II, 857,

| à

Gemeines Myrrhenkraut. 113

Pflanze.! Es liegt kein Beweis vor, dass sie zu ihrer Zeit angebaut wurde. Im Mittelalter zählte Karl der Grosse sie zu den Pflanzen, welche er in seinen Gärten an- bauen lies.” Im 16. Jahrhundert wurde sie von Olivier de Serres angebaut. Die englischen Gärtner er- hielten sie im Behr 1548.°

Obgleich die Cultur weder ein hohes Alter aufweisen kann, noch von besonderer Wichtigkeit ist, so sind doch schon zwei Rassen aus derselben hervorgegangen; man würde dieselben Arten nennen, wenn man sie im wildwachsenden Zustande anträfe: die Petersilie mit krausen Blättern und die, deren fleischige Wurzel ge- gessen wird.

Smyrnium Olus-atrum, Linne. Gemeines Myrrhen- kraut (fr. Ache oder Muceron).

Von allen Umbelliferen, die als Gemüse Verwendung fanden, war diese in dem Zeitraume von etwa 15 Jahr- hunderten eine der gemeinsten in den Gärten, jetzt hat man aber ihren Anbau aufgegeben. Man kann ihre ganze Laufbahn von Anfang bis zu Ende verfolgen.

.Theophrast sprach von ihr als einer medicinischen

Pflanze unter dem Namen Zpposelinon, drei Jahrhun-' derte später sagt aber Dioscorides *, dass man die Wur- zel oder die Blätter nach Belieben als Speise benutzte, was auf einen Anbau schliessen lässt. Die Lateiner nannten sie Olus-atrum, Karl der Grosse Olisatum, und

_ dieser befahl, sie auf seinen Höfen anzusäen.” Als Mace-

rone® fand sie bei den Italienern vielfache Verwendung. Zu Ende des 18. Jahrhunderts kannte man in England die Ueberlieferung, dass diese Pflanze einst angebart

1 Dioscorides, Mat. medica, 1. 3, c. 70; Plinius, Hist., 1. 20, c. 12. 2 Die Liste dieser Pflanzen findet sich in Meyer, Geschichte der Bo- tanik, III, 401. j "Phillips, Companion to ee Garden, II, 4 'Theophr., Elistarl00 9471:.2,22147,16; ee Mat, med..i1.3,e.71 5 E. Meyer, Geschichte der ae III, 401. 6 Targioni, Cenni storiei, S. 58.

DE CANDOLLE, 8

114 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

worden sei; später wird sie von den englischen und französischen Gärtnern nicht mehr erwähnt.t

Das Smyrnium Olus-atrum ist im ganzen Süden von Europa, in Algerien, in Syrien und Kleinasien wild- wachsend.?

Valerianella olitoria, Linne. Rapunzel (fr. Mache oder Doucette).

Diese einjährige Valerianacee wird häufig als Salat- pflanze angebaut; im wildwachsenden Zustande findet sie sich im ganzen gemässigten Europa bis ungefähr zum 60. Grade, in Südeuropa, auf den Canaren, Ma- deira und den Azoren; in Nordafrika, Kleinasien und den Kaukasusgegenden.?” Sie zeigt sich daselbst häufig auf bebautem Lande, an den Zugängen von Dörfern u. s. w., wodurch es recht schwierig wird, den Standort vor ihrem Anbau festzustellen. Für Sardinien und Sicilien wird sie indessen als auf Wiesen und Gebirgs- triften angeführt.* Ich vermuthe, dass sie nur auf die- sen Inseln ursprünglich zu Hause ist, und dass sie an- derswo überall als zufällig auftretende oder naturali- sirte Pflanze erscheint. Zu dieser Annahme werde ich veranlasst, weil man bei den griechischen und lateinischen Schriftstellern keinen Namen aufgefunden hat, welcher sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auf diese Pflanze beziehen könnte. Mit einiger Gewissheit kann man selbst keinen Botaniker des Mittelalters oder des 16. Jahrhunderts anführen, welcher von ihr gesprochen habe. Nach dem ‚Jardinier francais“ von 1651 und dem Werke von Laurenberg, „Horticultura‘“ (Frankfurt 1632) wird der Rapunzel auch nicht unter den im 17. Jahr- hundert in Frankreich gebräuchlichen Gemüsen aufge-

1 English Botany, Taf. 230; Phillips, Companion to the Kitchen Garden; Le bon Jardinier.

2 Boissier, Flora orientalis, II, 927.

3 Krok, Monographie des Valerianella (Stockholm 1864), S. 88; Boissier, Flora orient., III, 104.

4 Bertoloni, Flora ital., I, 185; Moris, Flora sardoa, II, 314; Gussone, Synopsis fl, Siculae, 2. Aufl., I, 30,

Artischoke. 115

führt. Der Anbau und selbst die Verwendung als Salatpflanze scheinen somit neuern Datums zu sein, was bis dahin nicht vermerkt worden war.

Cynara Cardunculus, Linne. Spanische Artischoke (fr. Cardon).

Cynara Scolymus, Linne. C. Cardunculus, var. sativa, Moris. Grosse oder wahre Artischoke (fr. Artichaut).

Seit langer Zeit wurde von einigen Botanikern die Behauptung aufgestellt, dass die echte Artischoke wahr- scheinlich eine durch die Cultur erzielte Form der wilden oder spanischen Artischoke sei.! Genaue Beobachtungen haben heutzutage hierfür den Beweis geliefert. Bei- spielsweise wird von Moris?, welcher im turiner Garten die wildwachsende Pflanze Sardiniens an der Seite der echten Artischoke anbaute, die Bestätigung gegeben, dass gute Charaktere ihnen abgingen, um sie voneinander zu unterscheiden. Die Herren Willkomm und Lange *, welche in Spanien die wildwachsende Pflanze sowol, wie die dort angebaute Artischoke zu beobachten Ge-

legenheit hatten, sind derselben Meinung. Ausserdem

ist die Artischoke nie ausserhalb des Bereichs der Gärten gefunden worden, und da die Mittelmeerregion, das Vaterland aller Cynaren, gründlich durchforscht worden ist, kann man behaupten, dass sie nirgends wild vor- kommt.

Die Kardunkel-Artischoke, zu welcher man die ©. horrida Sibthorp’s zählen muss, ist in Madeira, auf den Canaren, auf den Gebirgen von Marokko in der Nähe von Mo- gador, im Süden und Osten der Iberischen Halbinsel, im Süden Frankreichs, Italiens, Griechenlands und auf den Inseln des Mittelmeers bis nach Üypern ein-

1 Dodoens, Hist. plant., S. 724; Linné, Species, S. 1159; de Candolie Prodromus, VI, 620.

2 Moris, Flora sardoa, II, 61.

» Willkomm et Lange, Prodr, fl, hisp,, II, 150,

116 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

heimisch. Munby? lässt C. Cardunculus nicht als in Algerien wildwachsend zu, wohl aber Cynara humilis, Linne, welche von einigen Autoren als eine Varietät angesehen wird.

Die angebaute Kardunkel-Artischoke varıırt sehr in Bezug auf die Theilung der Blätter, die Anzahl der Stacheln und den Wuchs, Verschiedenheiten, welche eine alte Cultur andeuten. Die Römer assen den Frucht- boden, welcher die Blumen trägt, und die Italiener. assen ihn ebenfalls als gérello. In der Neuzeit baut man die spanische Artischoke wegen des fleischigen Theils der Blätter an, ein Gebr welcher a in Griechenland noch nicht eingebürgert hat.

Die echte Artischoke zeigt weniger Varietäten, wo- durch die Meinung bekräftigt wird, dass sie von der spanischen Artischoke ihren Ursprung ableitet. In einem sehr gediegenen Aufsatze über diese Pflanze erzählt Targioni!, dass die Artischoke 1466 von Neapel nach Florenz. gebracht wurde, und er beweist, dass die Alten, selbst Athenäus, die echte Artischoke nicht kannten, sondern nur die wildwachsenden und angebauten Kar- dunkel-Artischoken. Als Anzeichen eines hohen Alters im Norden Afrikas muss man jedoch den Umstand an- führen, dass die Berber zwei ganz und gar besondere Namen für die zwei Pflanzen besitzen: Addad für die spanische, Taga für die echte Artischoke.°

Man glaubt, dass die Namen der Griechen, Kactos, Kinara und Scolimos, sowie das Carduus der römischen Gärtner sich auf die Cynara Cardunculus® bezogen, ob- gleich die ausführlichste Beschreibung, die von Theo- phrast, ziemlich verwirrt ist. „Die Pflanze“, sagte er,

1 Webb, Phyt. Canar., III, Sect. 2, S. 384; Ball, Spicilegium fl. maroce., S. 524; Willkomm et Lange, a. 2.055 eo Fl. ital., Pe 86; Boissier, Fl. orient. III, 357; Unger und Kotschy, Insel Cypern, S S .246.

2 Munby, Catal., 2. Aufl.

3 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 27. Targioni, Cenni storici, S. 52. Dictionnaire français-berbère, von der Regierung veröffentlicht.

6 Theophrastes, Hist., 1.6, c. 4; Plinius, Hist., 1. 19, c. 8; Lenz, Botanik der alten Griechen und Römer, S. 480.

r >

Artischoke. 117

„wächst in Sıcilien“, was sich noch bewahrheitet, und er fügt hinzu: „nicht in Griechenland“. Es wäre somit möglich, dass die heutzutage in jenem Lande beobach- teten Individuen das Ergebniss von durch Culturen be- dingten Naturalisationen wären. Nach Athenäus! hatte der ägyptische König Ptolemäus Euergetes, welcher im 2. Jahrhundert v. Chr. lebte, in Libyen eine grosse Menge von wilden Kinaras gefunden, welche seinen Soldaten zur Nahrung dienten.

Trotz der Nähe des natürlichen Wohnsitzes der Art hege ich doch starke Zweifel, dass die alten Aegypter die spanische oder die echte Artischoke angebaut haben. Pickering und Unger? glaubten sie in einigen Zeich- nungen der Denkmäler wiederzuerkennen; jedoch er- scheinen mir die zwei Abbildungen, welche Unger als die zulässigsten ansieht, äusserst zweifelhaft. Ausser- dem kennt man keinen hebräischen Namen, und würden die Juden wahrscheinlich von diesem Gemüse gesprochen haben, wenn sie dasselbe in Aegypten gesehen hätten. Die Ausbreitung der Art muss in Asien ziemlich spät vor sich gegangen: sein. Es gibt einen arabischen Na- men Hirschuff oder Kerschuff, und einen persischen Kunghir?, aber keinen Sanskritnamen, die Hindus nah- men den persischen Kunmjir* an, was auf die späte Zeit der Einführung hinweist. Die chinesischen Schriftsteller haben von keiner Cynara gesprochen.” In England wurde die Cultur der Artischoke nicht vor dem Jahre 1548 ein- geführt.° Eine der seltsamsten Thatsachen in der Ge- schichte der Cynara Cardunculus ist ihre in diesem Jahrhundert stattgefundene Naturalisation auf einem weiten Gebiete der Pampas von Buenos-Ayres, und zwar in so hohem Grade, dass sie dem Verkehr hem-

1 Athenäus, Deipn., II, 84.

2 Pickering, Chronol. arrangement, S. 71; Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 46, Fig. 27 und 28.

3 Ainslies, Mat. med. ind., I, 22. 4 Piddington, Index,

5 Bretschneider, Study etc., und Briefe von 1881.

6 Phillips, Companion to the Kitchen Garden, S. 22.

118 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

mend entgegentritt.! Auch in Chile verursacht sie Stö- rungen.” Von der echten Artischoke wird nirgends be- richtet, dass sie sich in ähnlicher Weise naturalisire, was noch ein weiterer Fingerzeig für einen künstlichen Ursprung ist.

Lactuca Scariola, var. sativa. Gemeiner Garten- lattich, Gartensalat (fr. Laitue).

Es stimmen die Botaniker darin überein, den Garten- salat als eine Abänderung der wildwachsenden Art Lactuca Scariola anzusehen.? Dieselbe wächst im ge- mässigten und südlichen Europa, auf den Canaren und Madeira®, in Algerien’, in Abessinien® und im ge- mässigten Westasien. Boissier spricht von im Peträi- schen Arabien bis nach Mesopotamien und dem Kau- kasus gesammelten Exemplaren.” Er erwähnt eme Varietät mit krausen Blättern, die demnach gewissen Salatarten unserer Gärten ähnlich wäre, und welche der Reisende Hausknecht ihm von einem Berge Kurdistans mitgebracht hatte. Ich besitze ein in Sibirien, in der Nähe des Flusses Irtysch gesammeltes Exemplar, und man weiss jetzt in bestimmter Weise, dass die Art im nördlichen Indien, von Kaschmir bis nach Nepal vor- kommt.$ In allen diesen Ländern findet sie sich häufig in der Nähe von Culturen oder auf Schutthaufen, ebenso häufig aber auch als wirklich wildwachsende Pflanze auf Felsen, in Buschholz oder auf Wiesen.

Der angebaute Gartensalat säet sich oft auf dem Felde ausserhalb der Gärten aus. Meines Wissens nach hat niemand ihn in diesem Falle während einiger Gene-

1 Aug. de St.-Hilaire, Plantes remarq. du Brésil, Introd., S. 58; Dar- win, Animals and Plants under domestication, II, 34.

2 Cl. Gay, Flora chilena, IV, 317.

3 Bischoff in seinen „Beiträgen zur Flora Deutschlands und der Schweiz“, S. 184, hat diese Frage mit möglichster Sorgfalt geprüft. Vgl. auch Moris, Fl. sardoa, II, 530.

4 Webb, Phytogr. canar., III, 422; Lowe, Fl. of Madeira, S. 544.

5 Munby, Catal., 2. Aufl., S. 22, unter dem Namen von Z. sylvestris.

6 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 285.

7 Boissier, Fl. orient., III, 809. 8 Clarke, Compos. indicae, S. 263.

Gemeiner Gartenlattich, Gartensalat. 119

rationen verfolgt oder den Versuch gemacht, die wild- wachsende L. Scariola anzubauen, um daraus zu ersehen, ob der Uebergang von der einen zur andern ein leichter ist. Es wäre immerhin möglich, dass sich der ursprüng- liche Wohnsitz der Art durch die Verbreitung der zur wilden Form zurückkehrenden angebauten Lattiche aus- gedehnt hätte. Es ist bekannt, dass die Zahl der an- gebauten Varietäten seit ungefähr 2000 Jahren zuge- nommen hat. Theophrast gab deren drei an!, „Le Bon Jardinier“ von 1880 etwa 40 in Frankreich vorkommende.

Die alten Griechen und Römer bauten den Lattich besonders als Salatpflanze an. Im Orient geht diese Cultur vielleicht auf noch frühere Zeiten zurück. Nach den ursprünglichen, volksthümlichen Namen, sei es in Asıen oder in Europa, gewinnt es indessen nicht den Anschein, als ob man diese Pflanze sehr allgemein und seit sehr langer Zeit angebaut hätte. Weder ein San- skrit-, noch hebräischer, noch ein aus der wieder auf- gebauten Sprache der Arier herrührender Name wird angeführt. Ein griechischer Name T’ridax, und ein lateinischer Lactuca kommen vor; im Persischen und Hindustani sagt man Kahu, und diesem ähnlich ist das arabische Chuss oder Chass. Der lateinische Name findet sich auch mit einer geringen Veränderung in mehrern slawischen und germanischen Sprachen wieder?, was sich dadurch erklären lässt, dass entweder die west- lichen Arier ihn weiter ausgebreitet haben, oder dass sich die Cultur später mit dem Namen vom Süden nach dem Norden Europas weiter ausbreitete.

Dr. Bretschneider hat meine Vermuthung ? bestätigt, dass der Lattich in China kein hohes Alter aufweist, und dass er vom Westen dort eingeführt wurde. Nach ihm datirt das erste Werk, in welchem der Lattich Er- wähnung findet, aus den Jahren 600 bis 900 unserer Zeitrechnung.?

1 Theophrastes, 1, 7, c. 4. 2 Nemnich, Polygl.-Lexicon. 3 A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 843. 4 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 17.

120 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Cichorium Intybus, Linne. Gemeine Cichorie (fr. Chicorée sauvage).

Die gemeine, perennirende Cichorie, welche man als Gemüse-, Salat- und Futterpflanze, dann auch ihrer Wurzeln wegen, aus denen Kaffee bereitet wird, an- baut, wächst in ganz Europa mit Ausnahme von Lapp- land, in Marokko und Algerien, von Osteuropa nach Afghanistan und Beludschistan?, im Pendschab und Kasch- mir”, und von Russland zum Baikalsee in Siıbirien.* Gewiss ist die Pflanze in den meisten dieser Länder wild- wachsend; da sie aber häufig an Wegen und Feldern auftritt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie vom Menschen über die Grenzen ihres ursprünglichen Vaterlandes hin- aus gebracht wurde. Dies kann sehr gut in Indien der Fall sein, denn es wird kein Sanskritname angeführt.

Die Griechen und Römer verwertheten diese Art so- wol im wildwachsenden wie im angebauten Zustande”, was sie aber darüber sagen, ist zu kurz, um verständ- lich zu sein. Nach Heldreich gebrauchen die Neu- griechen unter dem allgemeinen Namen Lachana 17 verschiedene Cichoraceen, die er einzeln anführt®, als (remüse- und Salatpflanzen. Gewöhnlich wird ıhm zu- folge Cichorium divaricatum, Schousboe (C. pumilum, Jacquin) angebaut, dies ist aber eine einjährige Art, und die von Theophrast erwähnte Cichorie war peren- nirend.

Cichorium Endivia, Linne. Endivien (fr. Chicorce Endive). -

Die Endivien unterscheiden sich von Cichorium Intybus durch ihre Einjährigkeit und ihren weniger bittern Geschmack. Ausserdem sind die Härchen ihrer Federkrone oberhalb des Samens viermal so lang und

1 Ball, Spicilegium Fl. marocc., S. 534; Munby, Catal., 2. Aufl., S. 21.

2 Boissier, Fl. orient., III, 715. 3 Clarke, Compos. ind., S. 250.

4 Ledebour, Fl. ross., II, 774.

5 Dioscorides, II, Kap. 160; Plinius, XIX, Kap. 8; Palladius, XI, Kap. 11. Lenz, Botanik d. Alten, S. 483, führt noch andere Autoren an.

6 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 28 u. 76.

Endivien. Rt

ungleich, statt gleich zu sein. Solange man diese Pflanze mit C. Intybus verglich, war es schwer, nicht zwei Arten zuzulassen. Den Ursprung von ©. Endivia kannte man nicht. Als ich vor 40 Jahren Exemplare eines von Hamilton C. Cosmia genannten indischen Cicho- rıum erhalten hatte, schienen mir dieselben der En- divie so nahe zu stehen, dass ich auf den Gedanken kam, Indien als das Vaterland derselben anzusehen, wie man dies bisweilen vermuthet hatte!; von den anglo- indischen Botanikern wird jedoch gesagt und mehr und mehr bestätigt, dass die indische Pflanze nur angebaut ist.? Die Ungewissheit über den geographischen Ur- sprung hielt somit an. Darauf kamen mehrere Bo- tanıker? auf den Gedanken, die Endivie mit einer ein- jährigen, in der Mittelmeerregion wildwachsenden Art, dem Cichorium pumilum, Jacquin (C. divaricatum, Schous- boe) zu vergleichen, und ergaben sich so geringe Ver- schiedenheiten, dass die specifische Identität von den einen gemuthmasst, von den andern bestätigt wurde.

Was mich selbst betrifft, so erhebe ich, nachdem ich

die wildwachsenden Exemplare von Sicilien gesehen und die guten von Reichenbach (Icones, Bd. 19, Taf. 1357 u. 1358) veröffentlichten Abbildungen verglichen habe, keinen Einwand, die angebauten Endivien für Varietäten derselben Art als C. pumilum anzusehen. In diesem Falle wäre ©. Endivia der älteste Name und muss, wie Schultz es gethan hat, beibehalten werden. Ueberdies erinnert er an einen mehreren Sprachen gemeinsam an- gehörenden volksthümlichen Namen.

Die spontane Pflanze findet sich in der ganzen Re- gion, von welcher das Mittelmeer das Centrum bildet, von Madeira®, Marokko und Algerien® bis nach Pa-

1 Aug. Pyr. de Candolle, Prodr., VII, S4; Alph. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 845.

2 Clarke, Compos. ind., S. 250.

3 De Visiani, Fl. dalmat., II, 79; Schultz, in: Webb, Phyt. canar., Sect. II, S. 391; Boissier, Fl. orient., III, 716.

4 Lowe, Flora of Madeira, S. 521. 5 Ball, Spicileg., S. 534.

6 Munby, Cat., 2. Aufl., S. 21.

122 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

lästina!, dem Kaukasus und Turkestan.” Besonders auf den Inseln des Mittelmeers und in Griechenland ist sie sehr gemein. In westlicher Richtung, z. B. in Spa- nien und auf Madeira, hat sie sich wahrscheinlich in- folge der Culturen naturalisirt; dies lässt sich aus den Standorten schliessen, welche sie auf den Feldern und an den Landstrassen EN

In den alten Origimalwerken findet sich ke positiver Beweis, dass die Förskchen und Römer? diese Pflanze verweitheten, wahrscheinlieh bleibt es aber immer, dass sie sich derselben wie mehrerer anderer Cichoraceen bedienten. Die volksthümlichen Namen deuten nichts an, weil sie sich eben auf zwei Cichorienarten beziehen konnten. Sie sind wenig verschiedenartig* und lassen auf eine aus der griechisch-römischen Mitte hervorge- gangene Cultur schliessen. Man kennt einen Namen im Hindustani, Kasni, und einen im Tamulischen, Koschi? aber keinen Sanskritnamen, was auf eine späte Cultur- ausbreitung nach Osten hinweist.

Spinacia oleracea, Linne. Spinat (fr. Epinard).

Dieses Gemüse war den Griechen und Römern unbe- kannt. Im 16. Jahrhundert war es in Europa neu, und man hat sich darüber gestritten, ob es Spanachia, als von Spanien kommend, oder Spinacia, wegen der Dornen seiner Früchte °, heissen müsste. Die Folge hat gelehrt, dass der Name aus dem arabischen Isfanadsch, Esbanach oder Sebanach stammt.” Die Perser sagen Ispany oder Ispanaj!®, und die Hindus, nach Piddington,

1 Boissier, a. a. O.

2 Bunge, Beiträge zur Flora Russlands und Centralasiens, S. 197.

3 Lenz, Botanik der Alten, S. 453, führt die Stellen ee "Autoren an. Vgl. auch Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. Nemnich, Polygl. on beim Worte Cichorium Endiia. Royle, Il. Himal., S. 247; Piddington, Index. J. Bauhin, Hist., I, "964; Fraas, Syn. fl. class.; Lenz, Bot. d. Alten. Brassavola, S. 176. 8 Mathioli, ed. Valgr., S. 343. Ebn Baithar, übers. von Sondtheimer, I, 34; Forskal, Egypt., S. 77; Delile, Ill. Aegypt., S. 29.

10 Roxburgh, F1. ind., 1832, III, 771, auf Spinacia tetrandra, welche dieselbe Art zu sein scheint, bezogen.

DIOoOUR

Spinat. 125

Isfany oder Palak, oder auch, nach demselben Autor und Roxburgh, Pinnis. Das Fehlen eines Sanskrit- namens weist auf eine wenig alte Cultur in diesen Re- gionen hin. Loureiro sah den Spinat in Canton, Maxi- mowicz in der Mandschurei ! angebaut; wir hören aber von Dr. Bretschneider, dass der chinesische Name Kraut von Persien bedeutet, und dass die westlichen Ge- müse meistens ein Jahrhundert vor der christlichen Zeit- rechnung eingeführt wurden.” Es ist somit wahrschein- lich, dass die Cultur seit der griechisch-römischen Civili- sation in Persien ıhren Anfang genommen hat, oder auch, dass dieselbe sich nicht rasch von ihrem persi- schen Ausgangspunkte nach Osten oder Westen ver- breitete. Einen hebräischen Namen kennt man nicht, sodass die Araber die Pflanze und den Namen von den Persern erhalten haben müssen. Nichts berechtigt zu der Vermuthung, dass sie dieses Gemüse nach Spanien brachten. Ebn Baithar, welcher ım Jahre 1235 lebte, war in Malaga geboren; die arabischen Werke, welche er anführt, erwähnen aber nicht, wo die Pflanze angebaut wurde, nur eins macht eine Ausnahme davon, dasselbe berichtet über ihren allgemeinen Anbau in Ninive und Babylon. In dem Werke Herrera’s über die spanische Ackerwirthschaft wird die Art nur in einem Supple- ment neuern Datums angegeben, woraus man schliessen darf, dass sie in der Ausgabe von 1513 nicht erwähnt wird. Somit muss die Cultur nach Europa ungefähr im 15. Jahrhundert vom Orient gelangt sein.

In einigen populären Büchern wiederholt man die Aussage, dass der Spinat ursprünglich vom nördlichen Asien stamme, nichts lässt aber darauf schliessen. Augenscheinlich kommt er aus dem alten Reiche der Meder und Perser. Nach Bosc? hatte der Reisende Olivier Samen davon aus dem Orient mitge- bracht, welche von ihm auf freiem Felde gesammelt

1 Maximowiez, Primitiae florae Amurensis, S. 222. 2 Bretschneider, Study ctc., of Chinese bot. works, $S. 15 u. 17. 3 Dict. d’agric., V, 906.

124 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

waren. Dies würde ein bestimmter Beweis sein, wenn die aus diesen Samen erzielten Pflanzen von einem Bo- taniker behufs Sicherstellung der Art und Varietät ge- prüft worden wären. Beim augenblicklichen Stand un- sers Wissens muss man immerhin zugeben, dass der Spinat im wildwachsenden Zustande noch nicht ange- troffen wurde, es sei denn, dass er eine durch die Cultur erzielte Abänderung der Spinacia tetrandra, Steven, ist, welche im Süden des Kaukasus, in Turkestan, Persien und Afghanistan wildwachsend auftritt, und auch als Gemüse unter dem Namen Schamum ! Verwendung findet.

Ohne mich hier auf eine rein bo Erörterung einzulassen, will ich nur bemerken, dass wenn man die von Boissier angeführten Beschreibiiägen liest, die Abbildung Wight’s? von der in Indien angebauten Spi- nacia tetr andre, Roxb., sowie einige Herbarienexemplare betrachtet, man keinen: unterscheidenden Charakter zwischen dieser Pflanze und dem angebauten Spinat mit dornigen Früchten antrifft. Das Wort éetrandra drückt den Gedanken aus, dass die eine der Pflanzen fünf, die andere vier Staubgefässe besässe, die Zahl variirt aber bei unsern angebauten Spinatsorten.*

Wenn, wie dies wahrscheinlich erscheint, die zwei Pflanzen zwei Varietäten ausmachen, die eine angebaut, die andere bald wildwachsend, bald angebaut, so müsste der älteste Name S. oleracea beibehalten werden, und zwar um so viel mehr, da sich die beiden Pflanzen in den Culturen des Heimatlandes antreffen lassen.

Der holländische oder dicke Spinat, dessen Frucht keine Dornen trägt, ist augenscheinlich ein Garten- erzeugniss. Tragus oder Bock war der erste, welcher denselben im 16. Jahrhundert erwähnt hat.?

1 Boissier, Fl. orient., VI, 234.

2 Wight, Icones, Taf. 818.

3 Nees, Gen. plant. fl. germ., Buch 7, Taf. 15. 4 Bauhin, Hist., III, 965.

Fe Fuchsschwanz. 195

Amarantus gangeticus, Linné. Fuchsschwanz vom Ganges (fr. Brede de Malabar).

Mehrere einjährige Fuchsschwanzarten werden auf den Inseln Mauritius, Bourbon und den Seychellen unter dem Namen Brede de Malubar! als Gemüse angebaut. Die erstgenannte scheint die wichtigste zu sein. In Indien baut man sie vielfach an. Die anglo-indischen Botaniker hielten sie einige Zeit lang für Amarantus oleraceus, Linne, und Wight bildet sie unter diesem Namen ab?; man ist jedoch zu der Einsicht gekommen, dass sie von dieser abweicht und zu A. gangeticus zu bringen ist. Ihre in Wuchs, Farbe u. s. w. sehr zahl- reichen Varietäten tragen in der Telingasprache den Namen Tota Kura, zuweilen mit Hinzufügung eines Adjectivs für jede derselben. Im Bengalischen und Hindustani gibt es andere Namen. Die jungen Triebe ersetzen zuweilen den Spargel auf dem Tische der Engländer.” Amarantus melancholicus, oft in den europäischen Gärten als Zierpflanze angebaut, wird als eine der Formen dieser Art angesehen.

Vielleicht ist Indien das Heimatland, indessen ersehe ich nicht, dass man dort die Pflanze ım wildwachsenden Zustande gesammelt habe, zum wenigsten wird dies von den Autoren nicht bestätigt. Alle Arten der Gat- tung Amarantus breiten sich auf bebauten Ländereien, auf Schutthaufen, an Landstrassen aus und naturalisiren . sich somit halbwegs in den warmen Ländern wie in Europa. Dadurch wird es äusserst schwierig, die Arten ‘zu unterscheiden und besonders ihren Ursprung zu er- rathen oder festzustellen. Die der A. gangeticus am meisten verwandten Arten scheinen asiatische zu sein.

Amarantus gangeticus wird von sehr zuverlässigen Autoren in Aegypten und Abessinien als wildwachsend

1 A. gangeticus, tristis und hybridus von Linne, nach Baker, Flora of Mauritius, S. 266.

2 Wight, Icones, Taf. 715.

3 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 606.

126 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

angegeben!; es handelt sich hier aber vielleicht um eine der von mir soeben besprochenen Naturalisationen. Das Vorkommen zahlreicher Varietäten und verschie- dener Namen macht den indischen Ursprung sehr wahr- scheinlich.

Die Japanesen bauen die Amarantus caudatus, man- gostanus und melancholicus (oder gangeticus) von Linne an?, kein Beweis liegt aber vor, dass eine derselben dort einheimisch sei. Auf Java wird der dort auf Schutthaufen, an Landstrassen®? u. s. w. sehr gemeine A. polystachyus, Blume, angebaut.

Später werde ich auf die ihrer Samen wegen ange- bauten Arten zu sprechen kommen.

Allium Ampeloprasum, var. Porrum. Gemeiner Lauch, Porre (fr. Poireau oder Porreau).

Nach der sehr sorgfältigen Monographie von J. Gay* würde der Porre in Uebereinstimmung mit dem von alten Schriftstellern? ausgesprochenen Verdachte nur eine angebaute Varietät von dem Allium Ampeloprasum Linne's sein, welche Art im Orient und in der Mittelmeerregion, besonders in Algerien so gemein ist, und welche sich in Mitteleuropa in den Weinbergen und in der Nähe alter Culturplätze zuweilen naturalisirt.e Gay scheint den Angaben der Floren des südlichen Europas grosses Mistrauen entgegengesetzt zu haben, denn im Gegensatz zu dem, was er bei den andern Arten thut, von denen er die ausserhalb Algeriens gelegenen Localitäten auf- zählt, führt er in dem vorliegenden Falle nur die al- gerischen Standorte an, wenn er auch die Synonymie der Autoren für andere Länder zulässt.

Die Form des angebauten Porrum ist nicht im wilden

1 Boissier, Flora orientalis, IV, 990; Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung u. s. w., S. 289.

2 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, I, 390.

3 Hasskarl, Plantae javan. rariores, S. 431.

4 Gay, Ann. des sc. nat., 5. Serie, Bd. 8.

5 Linné, Species; de Candolle, Fl. franc., III, 219.

6 Koch, Synopsis fl. germ.; Babington, Manual of Brit, Fl.; English Botany, u. 8, w,

Br Luzerne, Ewiger Klee. 127

Zustande gefunden worden. Sie wird nur in verdäch- tigen Localitäten, wie Weinbergen, Gärten u. s. w. an- gegeben. Ledebour! gibt für A. Ampeloprasum die Grenzen der Krim und die Provinzen im Süden des Kaukasus an. Wallich brachte von Kamaon in Indien? ein Exemplar mit, über dessen spontane Eigenschaft man indessen nicht sicher ist. Die Werke über Cochin- china (Loureiro), China (Bretschneider), Japan (Franchet und Savatier) sprechen nicht von dieser Pflanze.

Zweiter Abschnitt. Futterpflanzen.

Medicago sativa, Linné. Luzerne, Ewiger Klee (fr. Luzerne).

Den Griechen und Römern war die Luzerne bekannt. Sie nannten sie im Griechischen Medikai, im Lateinischen Medica oder Herba medica, weil man sie von Medien gebracht hatte zur Zeit des Perserkrieges, um das Jahr 470 vor der christlichen Zeitrechnung.” Die Römer bauten sie häufig an, wenigstens seit Beginn des 1. oder 2. Jahrhunderts. Cato spricht nicht von ihr *, wohl aber Varro, Columella, Virgil u. s. w. Von de Gasparin wird hervorgehoben, dass Crescenzi im Jahre 1478 ihrer für Italien nicht Erwähnung thut, und dass Tull im Jahre 1711 sie nicht jenseit der Alpen gesehen ‚hatte. Indessen berichtet Targioni, welcher sich in Bezug hierauf kaum irren konnte, dass sich der Luzerneanbau in Italien, besonders in Toscana seit alters her erhalten habe.° In Neugriechenland ist er selten. ?

Die französischen Landwirthe haben auf Luzerne häufig den Namen Esparsette (Sainfoin, früher Sain foin),

1 Ledebour, F1. ross., IV, 163. 2 Baker, Journal of bot., 1874, S. 295.

3 Strabo, XII, 560; Plinius, Buch 18, Kap. 16.

4 Hehn, Culturpflanzen u. s. w., S. 355.

5 Gasparin, Cours d’agricult., IV, S. 424.

6 Targioni, Cenni storici, S. 34.

7 Fraas, Synopsis florae classicae, S. 63; Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 70,

128 Zweiter Theil. Zweites Kapitel,

welcher für Onobrychis sativa gebraucht wird, bezogen, und diese Namensversetzung kommt beispielsweise noch in der Umgegend von Genf vor. Man vermuthete, dass der Name Luzerne von dem gleichnamigen Thale in Piemont abstammte, es gibt aber einen wahrschein- lichern Ursprung für denselben. Die Spanier hatten einen alten, von J. Bauhin ! angeführten Namen, Eruye, und die Catalonier sagen Userdus?, woraus vielleicht der Patoisname Laouzerdo des südlichen Frankreichs entstand, welcher wieder Luzerne nahe steht. In Spa- nien war die Cultur so allgemein verbreitet, dass die Pflanze von den Italienern zuweilen Herba spagna? ge- nannt wurde. Ausser den schon angegebenen Namen sagen die Spanier auch Mielga oder Melga, was von Medica zu kommen scheint; vorzugsweise gebrauchen sie aber die aus dem Arabischen abgeleiteten Namen Alfafu, Alfasafat, Alfalfa. Im 13. Jahrhundert bediente sich der berühmte Arzt Ebn Baithar, welcher in Malaga als Schriftsteller wirkte, des arabischen Wortes Fisfisat, welches er mit dem persischen Namen Isfist* in Ver- bindung bringt. Man ersieht daraus, dass, wenn man sich auf volksthümliche Namen verlassen wollte, das Vaterland der Pflanze in Spanien oder in Piemont, oder noch eher in Persien zu suchen wäre. Glücklicher- weise können die Botaniker directe und sichere Beweise über das Vaterland der Art liefern.

Mit allen Anzeichen einer einheimischen Pflanze ist sie in mehreren Provinzen Anatoliens, ım. Süden des Kaukasus, in mehreren Gegenden Persiens, in Afghanistan, in Beludschistan? und in Kaschmir‘ als wildwachsende Art gesammelt worden. Andere von den Autoren ım südlichen Russland angegebene Standorte sind vielleicht das Ergebniss der Culturen, wie solches im südlichen

1 Bauhin, Hist. plant., II, 581. 2 Colmeiro, Catal.

3 Tozzetti, Dizion. bot.

4 Ebn Baithar, Heil- und Nahrungsmittel, aus dem Arabischen über- setzt von Sontheimer, II, 257. >

5 Boissier, Fl. orient., II, 9. 6 Royle, Ill. Himal., S. 197,

Esparsette, gemeiner Süssklee. 129

Europa zu Tage tritt. Die Griechen können somit die Pflanze ebenso gut von Kleinasien als von Medien er- halten haben, unter welch letzterm Lande besonders das nördliche Persien verstanden wurde.

Dieser gut constatirte Ursprung der Luzerne lässt mich die eigenthümliche Wahrnehmung machen, dass man keinen Sanskritnamen von ihr kennt.! Auch der Klee und die Esparsette besassen keinen solchen, wes-

halb man muthmaassen kann, dass die Arier künstliche

Wiesen nicht kannten.

Hedysarum Onobrychis, Linné. Onobrychis sativa, Lamarck. Esparsette, gemeiner Süssklee (fr. Sain- foin, Esparcette).

Der Gebrauch dieser Leguminose, deren Nützlichkeit auf trockenen und kalkhaltigen Ländereien der ge- mässigten Regionen unwiderlegbar ist, hat kein hohes Alter aufzuweisen. Die Griechen bauten sie nicht an, und heutzutage haben ihre Nachkommen sie noch nicht in ihre Ackerwirthschaft eingeführt.” Die im Diosco-

rides und Plinius Onodbrychis genannte Pflanze ist die

Onobrychis Caput-Galli der neuern Botaniker, eine in Griechenland und anderswo wildwachsende Art, welche man nicht anbaut. Zu Lebzeiten von Olivier de Serres*, d. h. im 16. Jahrhundert, war die Esparsette, die Lu- pinella der Italiener, im Süden Frankreichs eine sehr geschätzte Futterpflanze; in Italien aber hat sich ıhr

Anbau besonders im 18. Jahrhundert, namentlich in

Toscana weiter ausgebreitet.

Die Esparsette ist ein perennirendes Gewächs, welches im gemässigten Europa, im Süden des Kaukasus, um den Kaspisee herum® und selbst jenseits des Baikalsees’

1 Piddinston, Index.

2 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 72.

3 Fraas, Synopsis fl. class., S. 58; Lenz, Botanik d. alten Griechen und Römer, S. 731.

4 O. de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 242.

5 Targioni-Tozzetti, Cenni storici, S. 34.

6 Ledebour. Fl. ross., I, 708; Boissier, Fl. orient., S. 532.

7 Turezaninow, Flora baical. Dahur., I, 340.

DE CANDOLLE. 9

130 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

im wildwachsenden Zustande auftritt. Im südlichen Europa findet sie sich nur auf den Hügeln. Gussone zählt sie nicht zu den spontanen Arten Siciliens, Moris nicht zu denen Sardiniens und Munby auch nicht zu jenen von Algerien.

Weder Sanskrit-, persische noch arabische Namen sind bekannt. Allem Anscheine nach hat die Cultur im südlichen Frankreich ihren Ursprung genommen und zwar möglicherweise erst im 15. Jahrhundert.

Hedysarum coronarium, Linné. Kronen-Hahnen- kopf (fr. Sulla oder Sainfoin d’Espagne).

Der Anbau dieser der Esparsette ähnlichen Legu- minose, von welcher sich ın „Flore des serres et des jardins“, Bd. 13, Taf. 1382, eine gute Abbildung findet, hat sich neuerdings in Italien, Sıcilien, auf Malta und den Balearen! weiter verbreitet. Der Marquis Gri- maldı, welcher im Jahre 1766 die Landwirthe zuerst auf diese Pflanze aufmerksam machte, hatte sie bei Seminara in Hintercalabrien gesehen; de Gasparin? em- pfiehlt sie für Algerien, und dürften die Landwirthe klimatisch ähnlicher Länder, in Australien, am Cap und in Südamerika oder Mexico immerhin einen Versuch mit ihr machen. In der Umgegend von Orange ging die Pflanze durch eine Kälte von C. zu Grunde.

Das Hedysarum coronarium wächst in Italien, von Genua an bis nach Sicilien und Sardinien?, im Süden Spaniens* und in Algerien, wo sie als selten ® bezeich- net wird. Es ist somit eine in ihrer geographischen Ausbreitung ziemlich beschränkte Art.

Trifolium pratense, Linne. Gemeiner Wiesenklee (fr. Trèfle).

1 Targioni Tozzetti, Cenni storici, S.35; Mares et Vigineix, Catal. des HR, S. 100. 2 De Gasparin, Cours d’agriculture, IV, 472. 3 Bertoloni, Flora italica, VIII, 6. £ Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 262. 5 Munby, Catal., 2. Aufl., 8.12.

ste:

Zu WE „7 m7 h - »

Die Cultur dieser Kleeart bestand nicht im Alterthum,

_ : wenn auch die Pflanze fast allen Völkern Europas und des gemässigten Westasiens zweifelsohne bekannt war. Die Pflanze wurde zuerst verwerthet in Flandern im 16. Jahrhundert, vielleicht auch noch früher, und nach Schwerz brachten die von den Spaniern ver- triebenen Protestanten dieselbe nach Deutschland, wo sie sich unter dem Schutze des Kurfürsten von der Pfalz niederliessen. Von Flandern aus erhielten auch die Engländer diese Pflanze im Jahre 1633 und zwar durch den Einfluss von Weston, Grafen von Portland,

dem damaligen Lordkanzler.!

Der gemeine Wiesenklee ist in allen Ländern Euro- pas, in Algerien?, auf den Bergen von Anatolien, in Armenien, Turkestan?, in Sibirien nach dem Altai* hin und in Kaschmir und Garwall?® einheimisch.

In Asien trat die Art somit in der von den arischen Völkern bewohnten Region auf, doch kennt man von ihr keinen Sanskritnamen, woraus man schliessen kann, dass sie nicht angebaut wurde.

Blutklee. 151

Trifolium incarnätum, Linne. Blutklee (fr. Trefle incarnat oder Farouch).

Eine einjährige Futterpflanze, deren Anbau, wie Vil- morin sagt, lange Zeit auf emige südliche Departements beschränkt, in Frankreich mit jedem Tage allgemeiner wird.° Zu Anfang dieses Jahrhunderts hatte de Can- dolle sie in der That nur im Ariège angetroffen.’ Seit ungefähr 60 Jahren kommt sie in der Umgegend von Genf vor. Targioni glaubt, dass sie in Italien kein hohes Alter aufweist°, und der sehr nichtssagende Name Trafogliolo bekräftigt diese Annahme.

1 De Gasparin, Cours d’agrieult., IV,445, nach Schwerz und A. Young. 2 Munby, Catal., 2. Aufl., S. 11. 3 Boissier, Flora orient., I, 115.

4 Ledebour, Flora rossica, I, 548.

5 Baker, in: Hooker, Flora of British India, II, 86.

6 Bon Jardinier, 1880, I, 618.

7 De Candolle, Flore franc., IV, 528.

8 Targioni, Cenni storici, S. 35.

9*

LT te D 1 132 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Die catalanischen Namen Fe, Fench! und diejenigen des südfranzösischen Patois? Farradje (Roussillon ), Furratage (Languedoc), Æéroutgé (Gascogne), woraus der Name Farouch, machen im Gegentheil eine Ur- sprünglichkeit geltend, welche auf eine alte Cultur im Gebiete der Pyrenäen hinweist. Das bisweilen gebräuch- liche Wort Trèfle du Roussillon beweist dies gleichfalls.

Spontan zeigt sich die Pflanze in Galizien, Biscaya und Catalonien?, dagegen nicht auf den Balearen*; auch in Sardinien® und in der Provinz Algerien® tritt sie auf. Für mehrere Gegenden Frankreichs, Italiens, Dal- matiens, der Donauregion und Macedoniens wird sie angegeben, ohne dass man jedoch in vielen Fällen weiss, ob dies nicht eine Folge benachbarter Culturen ist. Eine besondere Localität, welche sich nach den Aus- sagen englischer Schriftsteller als eine natürliche er- gibt, ist die Küste von Cornwallis in der Nähe der Land- spitze von Lizard. Hier handelt es sich, nach Bent- ham, um die blassgelbe Varietät, welche auf dem Con- tinent wirklich wild wächst, während die angebaute Varietät mit rothen Blumen sich in England infolge der Culturen nur naturalisirt hat.” Ich weiss nicht, bis zu welchem Punkte Bentham’s Beobachtung über die Spontaneität der einzigen Form mit gelblicher Farbe (var. Molinerii, Seringe) für alle die Länder, wo die Art vorkommt, bestätigt wird. Nur sie wird für Sar- dinien von Moris, für Dalmatien von Visiani® ange- geben, und zwar in Gegenden, die natürlich erscheinen (in pascuis collinis, in montanis, in herbidis). Die Au- toren des Bon Jardinier? bestätigen mit Bentham die Spontaneität der Varietät Molinerii für den Norden

1 Costa, Introd. fl. di Catal., S. 60. 2 Moritzi, Dict. mss., redigirt nach den vor Mitte des jetzigen Jahr- hunderts veröffentlichten Floren. | Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 366. Mares et Virgineix, Catal., 1880. Moris, Flora sardoa, I, 467. 6 Muuby, Catal., 2. Aufl. Bentham, Handbook of British Flora, 4. Aufl., S. 117. Moris, Flora sardoa, I, 467; Visiani, Fl. dalmat., III, 2%. Bon Jardinier, 1880, S. 619.

Ds Bad Bug Sr JS)

© +

Pr

Frankreichs, während die mit rothen Blumen vom Süden eingeführt wurde, und indem sie das Fehlen guter specifischer Unterscheidung zugeben, bemerken sie, dass bei dem Anbau die Form Molinerii ein lang- sames Wachsthum zeigt, und aus der einjährigen Pflanze häufig eine zweijährige wird.

Aegyptischer Klee. Erve, Ervenwicke. 133

Trifolium alexandrinum, Linne. Aegyptischer Klee (ir. Trèfle d'Alexandrie).

In Aegypten wird diese einjährige Kleeart unter dem arabischen Namen Bersym oder Berzun! häufig als Futterpflanze angebaut. Nichts weist darauf hin, dass dies seit alters her Brauch war. In den botanischen Büchern der Hebräer und Aramäer findet sich der Name nicht.

In Aegypten ist die Art nicht wildwachsend, sie ist es aber entschieden in Syrien und Kleinasien.?

Ervum Ervilia, Linné. Vicia Ervilia, Willdenow. Erve, Ervenwicke (fr. Ers).

Bertoloni* erwähnt nicht weniger als zehn volks- thümliche italienische Namen, Ervo, Lero, Zirlo u. s. w. Das deutet auf eine allgemeine und alte Cultur hin. Heldreich * erwähnt, dass die Neugriechen die Pflanze massenhaft als Futter anbauen. Sie nennen sie Robar, aus dem Altgriechischen Orobos, gleichwie Ervos von - dem lateinischen Ervum kommt. Die Cultur der Art wird von den Autoren des griechischen und lateinischen Alterthums erwähnt.ÿ Die alten Griechen gebrauchten die Samen, denn in den Trümmern von Troja hat man solche aufgefunden.® In Spanien kennt man viele volks- thümliche, selbst arabische Namen ‘; seit einigen Jahr-

1 Forskal, Flora aegypt., S. 71; Delile, Plant. cült. en Egypte, S. 10; Wilkinson, Manners and customs of ancient Egyptians, II, 398.

2 Boissier, Flora orient., II, 127. 3 Bertoloni, F1. ital., VII, 500.

4 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 71.

5 Vgl. Lenz, Botanik der Alten, S. 727; Fraas, Fl. class., S. 54.

6 Wittmack, Sitzungsber. d. bot. Vereins zu Brandenburg, 19. Dec. 187%

7 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 308.

134 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

hunderten wird die Art dort aber weniger angebaut.! In Frankreich wird sie es so wenig, dass manche neuere landwirthschaftliche Bücher von ihr nicht sprechen. In Britisch-Indien ist sie unbekannt.?

Die allgemeinen Werke geben Ervum Ervilia als im südlichen Europa wachsend an, wenn man aber von den zuverlässigsten Floren eine nach der andern in die Hand nimmt, ersieht man, dass es sich um ähnliche Localitäten wie Felder, Weinberge oder bebaute Län- dereien handelt. Ganz dasselbe trifft für Westasien zu, wo Boissier von in Syrien, Persien, Afghamistan gesammelten Exemplaren spricht.” In den abgekürzten Katalogen * wird der Standort zuweilen nicht angegeben, nirgends stosse ich aber auf die Behauptung, dass die Pflanze in von Culturflächen entfernten Gegenden spon- tan angetroffen worden sei. Die Exemplare meines Herbariums sind in dieser Beziehung nicht beweis- kräftiger. |

Aller Wahrscheinlichkeit nach war die Art einst in Griechenland, Italien, vielleicht auch in Spanien und Algerien wildwachsend, die Häufigkeit ihres Anbaues, selbst auf den Stellen, wo sie vorkam, ist aber ein Hinderniss für die Auffindung wildwachsender Individuen.

Vicia sativa, Linne. Gemeine Wicke, Futterwicke (fr. Vesce).

Die Vicia sativa ist eine einjährige Leguminose, welche in ganz Europa mit Ausnahme von Lappland spontan auftritt. Sie ist ebenfalls in Algerien? und im Süden des Kaukasus bis zur Provinz Talysch® gemein. Rox- burgh gibt sie für den Norden Indiens und in Bengalen als einheimisch an, was von Sir Joseph Hooker nur

1 Herrera, Agricultura (1819), IV, 72.

2 Baker, in: Hooker, F]. Brit. India.

3 Boissier, Fl. orient., II, 595.

4 Z. B.: Munby, Catal. plant. Algeriae, 2. Aufl., S. 12. 5 Ebend. _ 6 Ledebour, F1. ross., I, 666; Hohenacker, Enum. plant. Talych, S. 113; C. A. Meyer, Verzeichniss, S. 147.

für die Varietät amgustifolia! zugegeben wird. Man | kennt keinen Sanskritnamen von ıhr, und in den neuern Sprachen Indiens nur Hindinamen.? Targioni glaubt, dass das Ketsach der Hebräer? sich auf diese Pflanze be- zieht. Ich habe vom Cap und von Californien Exemplare erhalten. Sicherlich ist die Art dort nicht einheimisch, sondern ausserhalb des Culturbereichs naturalisirt.

Die Römer säeten schon zu Cato’st Zeiten diese Pflanze zum Futter und ihrer Samen wegen aus. Beweise für eine noch ältere Cultur habe ich nicht aufgefunden. Der Name Vik, woraus Vicia, kam schon sehr früh- zeitig in Europa vor, denn er findet sich mit geringen Abweichungen im Albanesischen , welches man als die Sprache der Pelasger ansieht, und bei den slawischen, schwedischen und germanischen Völkern. Dies beweist nicht, dass die Art angebaut wurde. Sie ist recht charakteristisch und den Herbivoren so nützlich, dass man ihr von altersher volksthümliche Namen bei- legte.

Rothe Platterbse. 135

Lathyrus Cicera, Linne. Rothe Platterbse, rothe Kicher (fr. Jarosse, Garousse, Gessette).

Eine einjährige, als Futterpflanze geschätzte Legu- minose, ihre Samen werden aber bis zu einem gewissen Grade gefährlich, sobald man sie in grössern Mengen als Nahrung benutzt.®

Unter dem Namen MochiT wird sie in Italien ange- baut. Einige Schriftsteller hegen die Vermuthung, dass es sich hier um die Cicera von Columella und die Er- vilia von Varo handelt®, der volksthümliche italienische

1 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, S. 323; Hooker, F1. Brit. Ind., II, 178.

2 Piddington, Index, führt vier an.

3 Targioni, Cenni storici, S. 30.

4 Cato, De re rustica (1535), Sd anne ls (en, 18

5 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 71. In der den Indo- Europäern vorhergehenden Sprache hat Vik eine andere Bedeutung, die von Weiler (Fick, Wörterb. indo-germ., S. 189).

6 Vilmorin, Bon jardinier, 1880, S. 603.

q Targioni, Cenni storiei, S. 31; Bertolini, Fl. ital., VII, 444, 447.

8 Lenz, Botanik der Alten, S. 730.

156 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Name ist aber von diesen sehr verschieden. In Griechen- land baut man die Art nicht an.! Mehr oder weniger geschieht dies in Frankreich und Spanien, ohne Angabe freilich, ob der Anbau auf sehr alte Zeiten zurückzu- führen sei. Wittmack? führte auf diese Art, wenn auch mit einigem Bedenken, gewisse Samen zurück, welche Virchow unter den Trümmern Trojas gefunden hatte.

Den Floren folgend, tritt die Art in trockenen Ge-

genden, fern von angebauten Ländereien, in Spanien und Italien augenscheinlich spontan auf.? Nach Schwein- furth und Ascherson * ist sie es desgleichen in Nieder- ägypten; für eine alte Cultur in jenem Lande oder bei den Hebräern liegen aber keine Beweise vor. Nach Osten zu wird die spontane Eigenschaft weniger sicher. Von Boissier wird die Pflanze auf „bebauten Lände- reien von der europäischen Türkei und Aegypten bis nach dem Süden des Kaukasus und bis nach Babylon angegeben“.? Für Indien wird sie weder als spontan noch als angebaut erwähnt, auch hat sie keinen Namen im Sanskrit.

Wahrscheinlich ist die Art in der zwischen Spanien und Griechenland liegenden Region ursprünglich zu Hause, vielleicht auch in Algerien 7, und eine nicht sehr alte Cultur hat sie nach Westasien verbreitet.

Lathyrus sativus, Linne. Essbare Platterbse, deutsche Kicher (fr. Gesse). |

Eine einjährige Leguminose, welche im Süden Eu- ropas seit sehr langer Zeit als Futterpflanze und neben- bei auch ihrer Samen wegen angebaut wird. Die Griechen nannten sie Zathyros$ und die Lateiner Cicercula.?

Fraas, Fl. class.; Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands. Wittmack, Sitzungsber. d. bot. Vereins zu Brandenburg, 19. Dec. 1879. Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, S. 313; Bertoloni, a. a. ©. Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung u. s. w., 8. 257.

Boissier, F1. orient., II, 605.

J. Baker, in: Hooker, Fl. of Brit. India. 7 Munby, Catal. Theophrastes, Hist. plant., 1. 8, c. 2, 10.

Columella, De re rustica, 1. 2, c. 10; Plinius, 1. 18, c. 13, 32.

© @ o O1 HR 0 9 rm

nA ns Vi 0: . sd} D.

>

+ Le

Essbare Platterbse. Foi

Auch im gemässigten Westasien und selbst im nörd- lichen Indien! baut man sie an, sie hat aber weder einen hebräischen? noch Sanskritnamen”, woraus man schliessen kann, dass die Cultur in diesen Regionen keine sehr alte ist.

In der grössern Mehrzahl der Floren des südlichen Europa und Algeriens finden wir die Pflanze als an- gebaut und fast spontan angegeben, selten und nur für einige Gegenden als spontan. Begreiflicherweise hält es schwer, die Spontaneität zu erkennen, wenn es sich um eine Art handelt, die oft mit dem Getreide ver- mischt vorkommt, sich leicht behauptet oder infolge der Culturen weiter ausbreitet. Heldreich gibt für Griechenland das Indigenat nicht zu.* Die Muth- maassung scheint ziemlich gerechtfertigt zu sein, dass die Pflanze im übrigen Europa und in Algerien aus den Culturen hervorgegangen sei.

Die Wahrscheinlichkeiten scheinen mir im entgegen- gesetzten Sinne für das westliche Asien zu sprechen.

Die Autoren erwähnen in der That Gegenden, die einen

genügend wilden Anstrich darbieten und in denen der Ackerbau eine weniger wichtige Stellung einnimmt als in Europa. Ledebour ? sah Exemplare, die in der Wüste nahe beim Kaspisee und in der Provinz Lenkoran ge- sammelt waren. Für Lenkoran wird dies von C. A. Meyer bestätigt. Nachdem Baker in der „Flora In- diens“ die Art als hier und da in den nördlichen Pro- vinzen verbreitet angegeben, fügt er hinzu: „oft angebaut“, es lässt sich daraus entnehmen, dass er dieselbe wenigstens für den Norden als einheimisch betrachtet. Boissier? bestätigt nichts bezüglich der persischen, in seiner „Flora des Orients“ erwähnten Localitäten.

1 Roxburgh, Fl. ind., 3; Hooker, Fl. of Brit. India, II, 178.

2 Rosenmüller, Handb. der bibl. Alterthumskunde, Bd. I.

3 Piddington, Index.

4 Heldreich, Pflanzen d. attisch. Ebene, S. 476; Nutzpflanzen Griechen- lands, S. 72.

5 Ledebour, Flora rossica, I, 681.

6 C. A. Meyer, Verzeichniss, S. 148. 7 Boissier, Fl. orient., II, 606.

138 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Mit einem Worte, es erscheint mir wahrscheinlich, dass die Art vor ihrem Anbau vom Süden des Kaukasus oder des Kaspisees bis nach Nordindien auftrat, und dass sie sich nach Europa hin infolge alter Culturen, vielleicht auch mit Getreide vermischt, ausbreitete.

Pisum Ochrus, Linne. Lathyrus Ochrus, de Candolle. Ochererbse (fr. Gesse Ochrus).

Als einjährige Futterpflanze in Catalonien unter dem Namen Tapisots angebaut!, desgleichen in Griechenland, namentlich auf der Insel Kreta unter dem von Ochros?, wird auch von Theophrast? erwähnt, ohne dass derselbe eine Beschreibung beifügt. Die lateinischen Schrift- steller sprechen nicht von ihr, sodass man eine locale und im Alterthum seltene Cultur annehmen kann.

In Toscana ist die Art entschieden wildwachsend.* Auch in Griechenland und Sardinien scheint sie es zu sein, wo Hecken als Standorte angegeben werden, ebenfalls in Spanien, wo sie auf unbebauten Strecken wächst‘; was aber den Süden Frankreichs, Algerien und Sicilien anbelangt, so schweigen die Autoren entweder über den Standort oder geben gemeiniglich Felder und bebaute Ländereien als solche an. Nach dem Orient zu kennt man die Pflanze nicht weiter, als bis nach Syrien‘, wo sie indessen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht spontan ist.

Nach der von Sibthorp in der „Flora graeca‘, Taf. 689, gegebenen schönen Abbildung zu schliessen, ‚möchte es sich der Mühe lohnen, die Art häufiger anzubauen.

Trigonella Foenum-graecum, Linne. Gemeiner Kuh- hornklee, griechisches Heu (fr. Fenu grec).

1 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 312.

2 Lenz, Bot. d. Alten, S. 730; Heldreich, Nutzpfl. Griechenl., S. 72. Lenz, a. 2. O.

4 Caruel, F1. tosc., S. 193; Gussone, Syn. fl. sic., 2. Aufl.

5 Boissier, F1. orient. II, 602; Moris, F1. sardoa, I, 582.

6 Willkomm et Lange, a. a.

7 Boissier, a. a. O

Gemeiner Kuhhornklee, griechisches Heu. 139

In Griechenland und in Italien bauten die Alten! diese einjährige Leguminose, sei es als Frühjahrs-Futter- pflanze oder auch ihrer medicinischen Samen wegen häufig an. Fast in dem gesammten Europa, ganz ins- besondere in Griechenland ? ist diese Cultur jetzt auf- gegeben, dagegen setzt man sie im Orient und in In- dien fort, wo sie wahrscheinlich auf eine sehr- alte Epoche zurückgeht, desgleichen in der ganzen Nil- region.*

Die Art ist im Pendschab und in Kaschmir, in den Wüsten Mesopotamiens und Persiens®, sowie in Klein- asien ? wildwachsend, in letzterm Lande erscheinen aber die angegebenen Fundorte von den bebauten Lände- reien nicht genügend unterschieden. Auch? für mehrere Gegenden Südeuropas, wie den Hymettus und andere Orte Griechenlands, die Hügel oberhalb Bologna und Genua, einige unbebaute Plätze in Spanien, wird sie angeführt; je weiter man aber nach Westen fortschrei- tet, um so mehr erweisen sich die angeführten Stand- orte als Feider, angebaute Ländereien u. s. w.; es haben somit auch die aufmerksamen Autoren Sorge ge- tragen, die Art als aus den Culturen hervorgegangen anzugeben.” Ohne Bedenken möchte ich behaupten, dass, wenn eine derartige Pflanze im südlichen Europa einheimisch wäre, sie dort auch viel allgemeiner auf- treten und beispielsweise den Inselfloren, wie jenen von Sicilien, Ischia und den Balearen nicht abgehen würde. 10

1 Theophrastes, Hist. plant., 1. S, c. 8; Columella, De re rustica, 1. 2, c. 10; Plinius, Hist., 1. 18, c. 16.

2 Fraas, Syn. fl. class., S. 63; Lenz, Bot. d. Alterth., S. 719.

3 Baker, in: Hooker, F1. of Brit. India, II, 57.

4 Schweinfurth, Beitr. z. Fl. Aethiop., S. 258.

5 Baker, a. a. ©.

6 Boissier, F1. orient., II, 70. 7 Ebend.

8 Sibthorp, Fl. graeca, Taf. 766; Lenz, a. a. O.; Bertoloni, F1. ital., VIII, 250; Willkomm et Lange, Prodr. fl. hispan., III, 390.

9 Caruel, F1. tosc., S. 256; Willkomm et Lange, a. a. O.

10 Die Pflanzen, welche sich von dem einen Lande nach dem andern verbreiten, gelangen viel schwerer nach den Inseln, wie dies aus den Beobachtungen zu ersehen ist, welche ich früher darüber veröffentlicht habe (Géogr. bot. raisonnée, S. 706).

140 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Das hohe Alter der Art und ihres Gebrauchs in Indien wird durch das Vorkommen mehrerer je nach den Völ- kern verschiedenartiger Namen, und ganz insbesondere durch einen Sanskritnamen und einen neuern hindusta- nischen, Methi!, bekräftigt. Es ist ein persischer Name, Schemlit, und ein arabischer in Aegypten sehr gebräuch- licher, Helbeh?, bekannt, ein hebräischer Name wird aber nicht angegeben.? Einer der Namen für die Pflanze im Altgriechischen, Tailis (Tux), dürfte vielleicht von den Philologen als ein von dem Sanskritnamen abge- leiteter angesehen werden, ich vermag dies nicht zu beurtheilen. Es wäre möglich, dass die Arier die Art eingeführt hätten und von dem ursprünglichen Namen keine Spur in den Sprachen des Nordens zurückgeblie- ben wäre, weil dieselbe nur im Süden Europas ihr Fortkommen findet.

Ornithopus sativus, Brotero. ©, isthmocarpus, Cosson. Serradella (fr. Serradelle).

Die echte Serradella, sowol die in Portugal wild- wachsende wie angebaute, wurde zum ersten mal im Jahre 1804 von Brotero beschrieben, und Cosson hat sie noch deutlicher von den verwandten Arten unter- schieden.° Einige Autoren verwechselten sie mit Orni- thopus roseus Dufour, und die Landwirthe legten ihr bisweilen den Namen einer sehr verschiedenen Art, O. perpusillus, bei, welche sich ihres sehr kleinen Wuchses wegen zum Anbau nicht eignen würde. Ein ‚Blick auf die Frucht oder Hülse von O. sativus genügt schon, um in Bezug auf die Art keine Zweifel zu hegen, denn bei der Reife ist dieselbe an den Gelenken beiderseits zusammengezogen und stark bogenförmig. Wenn sich

1 Piddington, Index. 2 Ainslie, Mat. med. ind., I, 130.

3 Rosenmüller, Bibl. Alterthumskunde.

* Wie gewöhnlich findet sich in Fick’s classischem Wörterbuch der indo-europäischen Sprachen der Name dieser Pflanze, welcher von den Engländern als Sanskritname hingestellt wird, nicht angegeben.

5 Brotero, Flora lusitanica, II, 160.

6 Cosson, Notes sur quelques plantes nouvelles ou critiques du midi de l'Espagne, S. 36.

4

Gemeiner Ackerspark. 141

auf den Feldern Individuen von gleichem Ansehen fin- den, deren Hülsen aber gerade und nicht zusammen- gebogen sind, müssen dieselben aus einer Samenver- mischung mit O. roseus abstammen, und wenn die Hülse gebogen, aber nicht zusammengezogen erscheint, dürfte es sich um OÖ. compressus handeln. Nach dem Aussehen dieser Pflanzen dürften sie in ähnlicher Weise angebaut worden sein und muthmaasslich dieselben Vorzüge darbieten. _ Nur für sandige und trockene Gegenden eignet sich die Serradella. Es ist eine einjährige Pflanze, welche in Portugal ein sehr zeitiges Frühlingsfutter liefert. Ihre nach dem Kempenland in Belgien eingeführte Cul- tur hat guten Erfolg gehabt.!

Die Ornithopus sativus scheint in mehreren Gegenden Portugals und des südlichen Spaniens spontan zu sein. Ich besitze ein Exemplar von Tanger (Salzmann), und Cosson brachte sie von Algerien. Oft findet man sie auf wüsten Feldern und selbst anderswo. Es kann schwer halten, zu erfahren, ob die gesammelten Exem-

plare nicht von Pflanzen abstammen, die den Culturen

entsprungen sind, bei einigen angeführten Standorten, z. B. ein Fichtenwald bei Chiclana im Süden Spaniens (Willkomm), ist dies aber nicht wahrscheinlich.

Spergula arvensis, Linne. Gemeiner Ackerspark

? (fr. Spergule oder Spargoule).

Diese unscheinbare einjährige Pflanze aus der Familie der Caryophyllaceen (Tribus der Alsineen) wächst auf den sandigen Feldern und ähnlichen Terrains in Eu- ropa, Nordafrika, selbst in Abessinien?, in Westasien bis nach Indien? und sogar in Java.* Schwer hält es, zu wissen, in welcher Ausdehnung der Alten Welt sie

1 Bon Jardinier, 1880, S. 512. 2 Boissier, F1. orient., I, 731.

3 Hooker, F1. of Brit. India, I, 243, und mehrere Exemplare von den Nilgherries und Ceylon in meinem Herbarium.

* Zollinger, Nr. 2556 in meinem Herbarium.

142 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

ursprünglich einheimisch war. Für viele Standorte weiss man nicht, ob sie wirklich spontan ist, oder den Culturen ihr Dasein verdankt. Zuweilen lässt sich eine Einführung neuern Datums muthmaassen. Seit einigen Jahren hat man beispielsweise in Indien zahlreiche Exemplare gesammelt, Roxburgh hingegen, welcher dort zu Ende des verflossenen und zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts so eifrig gesammelt hat, erwähnt sie nicht. Weder ein Sanskrit- noch ein neuerer indischer Name! sind von ihr bekannt, auch hat man sie nicht in den zwischen Indien und der Türkei gelegenen Ländern an- getroffen.

Einige Andeutungen über den Ursprung der Art und ihre Cultur lassen sich in den volksthümlichen Namen auffinden.

Man kennt weder einen griechischen Namen noch einen solchen der lateinischen Autoren. Der Name Sper- gula, im Italienischen Spergola, ist allem Anscheine nach in Italien ein alter volksthümlicher. Ein anderer ita- lienischer Name, Erba renaiola, weist nur auf das Vor- kommen im Sande (rena) hin. Die französischen, spa- nischen (Esparcillas), portugiesischen (Esparguta), deut- schen Namen (Spark) haben dieselbe Wurzel. Für den ganzen Süden Europas erscheint es, als ob die Art von den Römern vor Theilung der lateinischen Sprachen von Land zu Land gebracht worden sei. Für den Norden verhält sich die Sache ganz anders. Es gibt einen russischen Namen, Toritsa?, mehrere dänische, Humb oder Hum, Girr oder Kirr*, und schwedische, Knutt, Fryle, Nägde, Skorff.* Diese grosse Verschieden- artigkeit liefert den Beweis, dass man sich seit langer Zeit in jenen Ländern mit dieser Pflanze beschäftigt hat, und dass demgemäss die Cultur dort eine alte ist. Im 16. Jahrhundert wurde sie in der Umgegend von

1 Piddington, Index. 2 Sobolewski, Flora petropol., S. 109. 3 Rafn, Danmarks Flora, II, 799.

4 Wahlenberg, angeführt in: Moritzi, Diet. mss.; Svensk Botanik Taf. 308.

N ;- TA, ;

Guineagras. 143

Montbéliard betrieben !, und wird nicht gesagt, dass sie dort neu wäre. Wahrscheinlich hat dieser Anbau in Südeuropa zur Zeit des römischen Kaiserreichs sei- nen Anfang genommen und im Norden vielleicht früher. Auf alle Fälle muss Europa das ursprüngliche Vater- land gewesen sein.

Die Landwirthe unterscheiden eine höhere Form von Spergula?, die Botaniker stimmen aber darin über- ein, derselben keine genügenden Charaktere zuzuerken- nen, um sie als Art zu trennen, mehrere von ihnen machen nicht einmal eine Varietät daraus.

Panicum maximum, Jacquin.” Guineagras (fr. Herbe de Guinee).

Diese ausdauernde Grasart (Guinea grass der Eng- länder) erfreut sich als nahrhafte Futterpflanze in den intertropischen Ländern eines grossen Rufes und ist leicht anzubauen. Mit einiger Sorgfalt kann eine dar- aus zusammengesetzte Wiese 20 Jahre lang dauern.*

Die Cultur scheint auf den Antillen ihren Anfang genommen zu haben. Mitte des verflossenen Jahrhun- derts spricht P. Browne von ihr in seinem Werke über Jamaica und nach ihm Swartz.

Der erste erwähnt das Guinea grass ohne irgend- welche Bemerkung über den Ursprung der Art. Der zweite sagt: „früher von den Küsten Afrikas nach den Antillen gebracht“. Er hat sich wahrscheinlich mit der durch den volksthümlichen Namen gegebenen Andeutung zufrieden gegeben, wir wissen aber, bis zu welchem Punkte die derartig angegebenen Ursprungsorte falsch

1 Bauhin, Hist. plant., III, 722.

2 Spergula maxima, Boehninghausen, abgebildet in: Reichenbach, Plan- tae crit., VI, 513.

3 Panicun maximum Jacq., Coll. 1, S.71(im Jahre 1786); Jacq., Icones, I, Taf. 13; Swartz, Fl. Indiae occ., VII, 170. P. polygamum Swartz, Prodr., S. 24 (1788). P. jumentorum Persoon, Ench., I, 83 (1805). P. altissimun einiger Gärten und neuerer Autoren: Es ist Regel, dass der älteste Name beibehalten wird.

4 Auf Domingo, nach Imray, in: Kew Report f. 1879, S. 16.

144 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

sein können, als Beispiel hierfür genügt der sogenannte türkische Weizen, welcher aus Amerika stammt.

Swartz, ein tüchtiger Botaniker, sagt ferner, dass die Pflanze „auf den angebauten trockenen Weideplätzen Westindiens wächst, wo sie auch angebaut wird“, wor- unter eine auf früher angebauten Ländereien naturali- sirte Art verstanden werden kann. Mir ist es nicht bekannt, dass man auf den Antillen einen wirklich spontanen Zustand constatirt hätte. Nach den von Martius gesammelten und von Nees! bearbeiteten Do- cumenten, welche später von Doell? noch vermehrt und weiter geprüft wurden, erhält man die Gewissheit, dass Panicum maximum in den Lichtungen der benachbarten Wälder des Amazonenstroms bei Santarem, sowie in den Provinzen von Bahia, Ceara, Rio de Janeiro und St.- Paulo wächst. Wenn auch die Pflanze in diesen Län- dern häufig angebaut wird, so lassen doch die ange- gebenen Localitäten ihrer Natur und ihrer grossen Zahl nach auf das Indigenat schliessen. Doell hat ebenfalls Exemplare vom französischen Guyana und von Neu- granada gesehen.

Untersuchen wir weiter was Afrika betrifft.

Sir W. Hooker spricht von Exemplaren, die von Sierra Leone, von Aguapim, von den Ufern des Quorra und der Insel St.-Thomas in Westafrika herrührten. Nees* führt die Art in mehreren Localitäten der Cap- colonie an, selbst in Gebüschdickichten und gebirgigen Strecken. A. Richard? erwähnt Plätze in Abessinien, welche desgleichen ausserhalb der Culturen zu liegen scheinen, doch gibt er zu, über die Art nicht ganz sicher zu sein. Dagegen trägt Anderson kein Bedenken, die Pflanze als P. maximum hinzustellen, welche der Reisende Peters® von den Ufern des Zambesi und von Mozambique heimbrachte.

Nees, in: Martius, Fl. brasil., II, 166.

Doell, in: Flora brasil., Bd. II, Theil 2.

Sir W. Hooker, Niger Flora, S. 560.

Nees, Florae Africae austr. Gramineae, S. 36.

A. Richard, Abyssinie, II, 373. 6 Peters, Reise, Botanik, S. 546.

CU He O9 19 m

Chinesischer Theestrauch. 145

Mit Bestimmtheit weiss man, dass die Art nach der

. Insel Mauritius von dem frühern Gouverneur derselben,

Labourdonnais!, eingeführt wurde, und dort wie auf Rodriguez und den Seychellen? sich ausserhalb des Culturbereichs weiter ausbreitete. Die Einführung nach Asien kann keine alte sein, denn weder Roxburgh (Fl. ind.) noch Miquel (Fl. ind.-bat.) führen die Art an. Auf Ceylon wird sie nur angebaut.?

Der Angabe des volksthümlichen Namens und der all- gemeinen, wenn auch wenig begründeten Meinung der Autoren gemäss, scheint mir schliesslich manches zu Gunsten des afrikanischen Ursprungs zu sprechen. Da sich indess die Pflanze so leicht verbreitet, bleibt es immerhin seltsam, dass sie nicht von Abessinien oder Mozambique nach Aegypten gelangte, und dass man sie ebenfalls erst so spät auf den ostafrikanischen Inseln erhielt. Wenn vor Beginn der Culturen das gleich- zeitige Auftreten ein und derselben Art in Afrika und in Amerika nicht zu den grossen Seltenheiten gehörte, könnte man solches muthmaassen; es ist jedoch bei

einer angebauten Pflanze, deren Verbreitung augen-

scheinlich eine sehr leichte ist, wenig wahrscheinlich.

Dritter Abschnitt. Verschiedene Febrauchsanwen- dungen der Stengel oder der Blätter.

Thea sinensis, Linne. Chinesischer Theestrauch

(fr. Thé).

Als gegen Mitte des 18. Jahrhunderts noch sehr wenig über den Strauch bekannt war, welcher den Thee lie- fert, nannte Linné ihn Thea sinensis. In der bald darauf erscheinenden zweiten Ausgabe der „Species plantarum“ hielt er es für besser, zwei Arten, Thea Bohea und Thea viridis, zu unterscheiden, welche seiner

1 Bojer, Hortus mauritianus, S. 565. 2 Baker, Flora of Mauritius and Seychelles, S. 436. 3 Thwaites, Enum. plant. Ceylonae.

DE CANDOLLE. 10

146 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Meinung nach der kaufmännischen Unterscheidung von schwarzem und grünem Thee entsprächen. Seitdem liegen Beweise vor, dass es nur eine Art gibt, welche mehrere Varietäten in sich begreift, und dass man schwarzen und grünen Thee von allen Varietäten, je nach den Zubereitungsmethoden, gewinnen kann. Diese Frage war abgethan, als eine andere aufgeworfen wurde, ob nämlich die Aufstellung der von Camellia mehr oder minder verschiedenen Gattung Thea begründet sei. Mehrere Autoren machen aus Thca eine Unterabtheilung der alten Gattung Camellia; wenn man sich aber die von Seemann! in sehr genauer Weise gegebenen Cha- raktere vergegenwärtigt, so darf man, wie mir scheint, die Gattung Thea mit der alten und bei der Haupt- art gebräuchlichen Nomenclatur beibehalten.

Man weist häufig auf eine japanische von Kaempfer? mitgetheilte Legende hin. Ein im Jahre 519 unserer Zeitrechnung von Indien nach China gekommener Priester, welcher vom Schlafe überwältigt wurde, hätte sich, als er wachen und beten wollte, in einem Augenblick des Unwillens beide Augenlider abgeschnitten und diese hätten sich in einen Strauch, den Theestrauch, verwan- delt, dessen Blätter die besondere Eigenschaft besitzen, den Schlaf zu verscheuchen. Für diejenigen, welche Legenden, sei es ganz oder theilweise, gern Glauben schenken, tritt aber leider bei dieser der Umstand ein, dass die Chinesen, trotzdem sie sich im- eigenen Lande zugetragen hat, von ihr nichts wissen. Sie kannten den Theestrauch sehr gut vor dem Jahre 519, und wahrscheinlich war derselbe nicht von Indien dorthin gelangt. Dies erfahren wir von Dr. Bretschneider in seinem an botanischen und linguistischen Thatsachen so reichen Buche.? ‚Der «Pent-sao»“, sagt er, „er-

wähnt den Theestrauch 2700 Jahre v. Chr., die «Rya»

1 Seemann, in: Transactions of theLinnaean Society, XXII,337, Taf.61,

2 Kämpfer, Amoen. Japon.

3 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, S. 13 u. 45. :

Chinesischer Theestrauch. 147

5 bis 600 Jahre v. Chr., und im 4. Jahrhundert un- serer Zeitrechnung hat der Ausleger des letzten Werkes Einzelheiten über die Pflanze und den Gebrauch ihrer Blätter als Aufguss gegeben. Dies ist somit ein in China sehr alter Brauch. Weniger ist er es vielleicht in Japan, und wenn er seit langer Zeit in Cochinchina vorkommt, was immerhin möglich ist, so liegen doch keine Beweise vor, dass er sich einst nach Indien hin ausgebreitet habe; die Autoren führen keinen Sanskrit- namen an, selbst nicht einmal einen solchen aus den neuern indischen Sprachen. Jedenfalls wird dies uns seltsam erscheinen, wenn man das ın Betracht zieht, was sich über den natürlichen Wohnsitz der Art sagen lässt.

Die Samen des Theestrauchs verbreiten sich oft ausserhalb der Culturen, und flössen den Botanikern über die spontane Eigenschaft der Individuen, welche man hier und da antrifft, gewisse, Zweifel ein. Thun- berg hielt die Art für eine in Japan wildwachsende, dies wird aber von Franchet und Savatier! ent- schieden verneint. Fortune?, welcher die Theecultur in China so sorgfältig geprüft hat, spricht nicht von der wildwachsenden Pflanze. Fontanier? bestätigt, dass der Theestrauch meistens wildwachsend in der Man- dschurei auftritt. Wahrscheinlich ist es, dass er in den Gebirgsdistrikten des südwestlichen China wächst, wo- hin die Naturforscher bisjetzt noch nicht gedrungen sind. Loureiro sagt: „in Cochinchina angebaut und nicht an- gebaut“.* Sicherer ist es, dass die englischen Reisenden ihn in Oberassam und der Provinz Cachar gesammelt haben.$ Somit muss der Theestrauch in den Gebirgs-

1 Franchet et Savatier, Enumer. plant. Jap., I, 61.

2 Fortune, Three years wandering in China.

3 Fontanier, Bulletin de la Soc. d’acclimatation, 1870, S. 88. 4 Loureiro, Fl. cochinch., S. 144.

5 Griffith, Reports; Wallich, von Sir J. Hooker angeführt, Flora of Brit. India, J, 293.

6 Anderson, angeführt von Sir J. Hooker.

10*

148 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

ländern, welche die Ebenen Indiens von jenen Chinas scheiden, einheimisch sein.

Die Theecultur, welche jetzt nach mehreren Colonien eingeführt ist, liefert in Assam vorzügliche Resultate. Nicht nur ist der dort gewonnene Thee von einer bes- sern Qualität als die mittlern Sorten Chinas, sondern auch die Quantität nimmt rasch zu. Im Jahre 1870 erntete man in Britisch-Indien 13 Millionen Pfund Thee, 1878 37 Millionen und für 1880 hoffte man auf einen Ertrag von 70 Millionen Pfund!! Frost kann der Thee- strauch nicht ertragen’, und von der Trockenheit hat er zu leiden. Wie ich früher einmal gesagt habe?, stehen die Bedingungen, welche ihn begünstigen, den- jenigen entgegen, welche für die Weinrebe die geeig- netsten sind. Man hat mir entgegengehalten, dass der Theestrauch auf den Azoren, wo guter Wein erzeugt wird, gedeiht#; in Gärten und in kleinem Maassstabe können aber viele Pflanzen angebaut werden, deren Cultur im grossen nicht einträglich ist. Auch in China gibt es Weinreben, der Weinverkauf spielt dort aber eine ganz untergeordnete Rolle. Im Gegensatz hierzu hat kein Weinland Thee zur Ausfuhr geliefert. Nach China, Japan und Assam baut man auf Java, Ceylon und ın Brasilien den meisten Thee an, und sicherlich wird dort der Weinbau sehr wenig oder gar nicht be- trieben, während die Weine trockener Regionen, wie Australien, das Cap u. s. w., im Handel immer mehr Verbreitung finden.

Linum usitatissimum, Linne. Gemeiner Flachs oder Lein (fr. Lin).

1 The Colonies and India, nach Gardener’s Chronicle, 1880, I, 659.

2 „Ich hätte eher sagen sollen: fürchtet die starken Fröste. Uebrigens habe ich in den Werken über China nicht erfahren, welche Frostgrade die Art vertragen kann. Was die Spontaneität in China anbelangt, so nennt Griffith (Report on the Tea plant., S. 54) den Dr. Abel, welcher den wildwachsenden Theestrauch in See-Chow gesehen hat.“ (Vom Ver- fasser mitgetheilte Anmerkung.)

3 Rede, gehalten im Londoner botan. Congress von 1866.

4 Flora, 1868, S. 64.

Gemeiner Flachs oder Lein. 149

Die Frage über den Ursprung des Flachses oder vielmehr der angebauten Flachssorten ist eine der- jenigen, welche zu den interessantesten Untersuchungen Veranlassung gegeben haben.

Um die Schwierigkeiten zu würdigen, welche sie dar- bietet, muss man sich zunächst über sehr nahestehende Formen Rechnung ablegen, welche die Autoren bald als bestimmte Arten der Gattung Linum, bald als Va- rietäten einer einzigen Art bezeichnen.

Die erste wichtige, hierauf bezügliche Arbeit wurde von Herrn J. E. Planchon im Jahre 1848 veröffent- licht.! Die Verschiedenheiten der Linum usitatissimum, humile und angustifolium, welche recht wenig bekannt waren, wurden von ihm offengelegt. Später hat O. Heer? bei Gelegenheit seiner gründlichen Studien über die einstigen Culturen die angegebenen Charaktere noch einmal geprüft, und ist, indem er das Studium zweier Mittelformen, die Vergleichung zahlreicher Exemplare hinzufügte, endlich auf den Gedanken gekommen, eine einzige, aus mehreren leicht verschiedenen Beständen zusammengesetzte Art zuzulassen. Sein lateinisches Re- sume der Charaktere will ich hier übertragen und da- bei einen Namen für jede besondere Form hinzufügen, wie solches in den botanischen Büchern Brauch ist.

Linum usitatissimum.

1. Annuum (einjährig). Einjährige Wurzel; Stengel nur einer, auf- recht; Kapseln 7—8 mm lang, Samen 4—6 mm, in einen Schnabel aus- laufend. «. Vulgare (gemeiner). Die 7 mm langen Kapseln öffnen sich nur bei der Reife und zeigen nach innen glatte Wände. Zu deutsch: Schliesslein, Dreschlein. f. Humile (niedriger). Kapseln 8 mm. lang, öffnen sich bei der Reife sehr rasch, nach innen gewimpert. Li- num humile, Miller. L. crepitans, Boeninghausen. Zu deutsch: Klang- lein, Springlein.

2. Hyemale (winterlich). Wurzel ein- oder zweijährig, Stengel zahl- reich, an der Basis weitschweifig, gekrümmt; Kapseln 7 mm lang, aus- laufend in einen Schnabel. Linum hyemale romanum. Zu deutsch: Winterlein.

3. Ambiguum (zweideutig). Wurzel einjährig oder perennirend; Sten- gel zahlreich, Blätter zugespitzt; Kapseln 7 mm lang, mit wenig gewim-

1 Planchon, in: Hooker, Journal of Botany, VII, 165. 2 Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 35 (Zürich 1865); Ueber den Flachs und die Flachscultur (Zürich 1872).

150 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

perten Wänden; Samen von 4 mm, in einen kurzen Schnabel auslaufend, Linum ambiguum, Jordan.

4. Angustifolium (schmalblätterig). Wurzel einjährig oder perennirend; Stengel zahlreich, an der Basis weitschweifig, gekrümmt; Kapseln von 6 mm; mit gewimperten Wänden; Samen von 3 mm, an der Spitze kaum hakenförmig. Linum angustifolium, Hudson.

Man ersieht hieraus, wie viele Uebergänge zwischen den Formen vorkommen. Die einjährige, zweijährige oder perennirende Beschaffenheit, deren geringe Stetig- keit Heer muthmaasste, ist ziemlich unbestimmt, beson- ders bei L. angustifolium, denn Loret, welcher diese Leinart in der Umgegend von Montpellier beobachtete, drückt sich folgendermaassen aus!: „In den sehr war- men Ländern ist dieselbe fast immer einjährig, was nach der Aussage von Gussone in Sicilien der Fall ist; bei uns ist sie je nach der physikalischen Beschaffenheit des Bodens, in welchem sie wächst, einjährig, zweijährig oder selbst perennirend; man kann sich hiervon am Littorale, besonders bei Maguelone überzeugen. Dort kann man sehen, dass sie an den häufig betretenen Fusswegen von längerer Dauer ist als im Sande, wo die Sonne ihre Wurzeln rasch austrocknet und wo die Dürre des Bodens ihr nur ein Jahr zum Leben ge- stattet.‘

Wenn physiologische Formen von einer in die andere übergehen und sich je nach äussern Umständen durch ver- änderliche Charaktere auszeichnen, so ist dies eine Ver- anlassung, sie als eine einzige Art ausmachend anzu- sehen, wenn auch immer diese Formen einen gewissen Erblichkeitsgrad zeigen und vielleicht auf sehr alte Zeiten zurückzuführen sind. Bei den Untersuchungen über ihren Ursprung müssen wir sie indess getrennt behandeln. Zuerst werde ich darauf hinweisen, in wel- chen Ländern man jede Form im spontanen oder fast spontanen Zustande angetroffen hat. Dann werde ich auf die Culturen zu sprechen kommen, und wir werden sehen, bis zu welchem Punkte die geographischen oder

1 Loret, Observations critiques sur plusieurs plantes montpelliéraines, in: Revue des sc. nat., 1875.

Gemeiner Flachs oder Lein. 151

historischen Thatsachen die Meinung der specifischen Einheit bestätigen.

Der gemeine einjährige Flachs ist noch nicht in einem ausser allen Zweifel stehenden spontanen Zustande ge- funden worden. Ich besitze mehrere Exemplare von Indien, und Planchon hatte andere dieses Landes in den Herbarien zu Kew gesehen, die anglo-indischen Bota- niker wollen es jedoch nicht zugeben, dass die Pflanze in ihrer Region einheimisch sei. Die neuere Flora von Sir J. Hooker spricht von ihr als einer angebauten Art, ganz insbesondere des aus den Samen gewonnenen Oeles wegen, und der frühere Director des Kalkutta- Gartens, C. B. Clarke, schreibt mir, dass die ge- sammelten Exemplare von den Culturen herrühren müs- sen, welche ım Norden Indiens während der Winter- monate sehr häufig sind. Boissier! erwähnt ein L. humile mit schmalen Blättern, welches Kotschy „bei Schiras in Persien am Fusse des Berges Sabst Buchom“ gesammelt hatte. Hier handelt es sich vielleicht um einen weit ausserhalb der Culturen gelegenen Standort,

genügende Auskunft vermag ich aber hierüber nicht zu

geben. Hohenacker fand das L. usitatissimum „sub- spontan“ in der Provinz Talysch, im Süden des Kau- kasus, nach dem Kaspisee zu.” Steven spricht sich für das südliche Russland bestimmter aus.” Ihm zufolge „findet sich das L. usitatissimum ziemlich häufig auf

. den unfruchtbaren Hügeln der südlichen Krim, zwischen

Jalta und Nikita, und Professor Nordmann hat dasselbe an der Ostküste des Schwarzen Meeres gesammelt“. Schreitet man nach Westen im südlichen Russland oder der Mittelmeerregion fort, so findet sich die Art nur selten, und zwar als eine den Culturen entsprungene oder fast spontane, angegeben. Ungeachtet dieser

=

1 Boissier, Flora orient., I, 851. Dies ist das L. usitatissimum von Kotschy, Nr. 164.

2 Boissier, ebend.; Hohenh., Enum. Talysch, S. 168.

3 Steven, Verzeichniss der auf der Taurischen Halbinsel wildwachsen- den Pflanzen (Moskau 1857), S. 91.

152 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Zweifel und des Mangels an Schriftstücken halte ich es für sehr möglich, dass der einjährige Flachs unter der einen oder der andern seiner beiden Formen in der Region spontan ist, welche sich vom südlichen Persien nach der Krim hin ausbreitet, wenigstens in gewissen Localitäten.

Der Winterlein ist nur als angebaute Pflanze in einigen Provinzen Italiens bekannt.!

Das Linum ambiguum von Jordan wächst auf trocke- nen Stellen an der Küste der Provence und von Languedoc.?

Das Linum angustifolium schliesslich, von welchem das vorhergehende sich kaum unterscheidet, hat einen gut festgestellten und ziemlich weiten Wohnsitz. Wild- wachsend findet es sich besonders auf den Hügeln in der ganzen Ausdehnung der Region, von welcher das Mittelmeer das Centrum bildet, nämlich auf den Cana- rischen Inseln und Madeira, in Marokko°, in Algerien? und bis nach Kyrenaika°’, im südlichen Europa bis nach England‘, den Alpen und dem Balkan, und in Asien endlich vom Süden des Kaukasus’ nach dem Libanon und nach Palästina.° Für die Krim noch jenseit des Kaspisees finde ich es nicht erwähnt.

Wir wollen uns jetzt der Cultur zuwenden, die am häufigsten dazu bestimmt ist, ein spinnbares Erzeugniss zu liefern, oft aber auch zur Oelgewinnung dient, und bei einigen Völkern wegen der in den Samen enthal- tenen nahrhaften Substanz betrieben wird. Im Jahre 1855 ° habe ich mich mit der Frage über den Ursprung beschäftigt; damals trat sie uns in folgender Weise entgegen:

1 Heer, Ueber den Flachs, S. 17 u. 22.

2 Jordan, in: Walpers, Annal., Bd. II, und in Heer, a. a. O., S. 22. 3 Ball, Spicilegium fl. marocc., S. 380.

4 Munby, Catal., 2. Aufl., S. 7.

5 Rohlfs, nach Cosson, Bull. de la Soc. bot. de Fr., 1875, S. 46.

6 Planchon, a. a. O.; Bentham, Handbook of Brit. fl., 4. Aufl., S. 89. 7 Planchon, a. a. O. 8 Boissier, Fl. or., I, 861.

9 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 833.

Gemeiner Flachs oder Lein. 153

Genügende Gründe wurden für die Beweisführung aufgestellt, dass sich die alten Aegypter und Hebräer aus Flachs verfertigter Stoffe bedienten. Herodot be- stätigte dies. Ausserdem findet man die Pflanze auf den Zeichnungen des alten Aegypten abgebildet, und die mikroskopische Untersuchung der Bändchen, mit welchen die Mumien eingewickelt sind, lässt hierüber keinen Zweifel aufkommen.! Nach historischen An- gaben war die Cultur in Europa, z. B. bei den Kelten, und in Indien eine alte. Auch sehr verschiedenartige volksthümliche Namen deuten auf eine alte Cultur oder alte Gebräuche in verschiedenen Ländern hin. Der keltische Name Lin und der griechisch-lateinische Linon oder Linum zeigt keine Uebereinstimmung mit dem hebräischen Pischta? noch mit den Sanskritnamen Uma, Atasi, Utasi.” Einige Botaniker sprachen von dem Flachs als „fast spontan“ im südöstlichen Russland, im Süden des Kaukasus und in Westsibirien, eine wirkliche Spontaneität kannte man aber nicht. Die Wahrschein- lichkeiten fasste ich dann folgendermaassen zusammen: „Die vielfache Etymologie der Namen, das gleichzeitige hohe Alter in Aegypten, Europa und Nordindien, der Umstand, dass man in letzterm Lande den Flachs nur zur Oelgewinnung anbaut, veranlassen mich zu dem Glauben, dass man früher zwei oder drei Arten ver- schiedenen Ursprungs, die von den meisten Autoren - unter dem Namen von Linum usitatissimum verwech- selt wurden, in verschiedenen Ländern anbaute, die weder eins von dem andern etwas nachahmten, noch untereinander in irgenwelcher Beziehung standen ..... Besonders hege ich Zweifel, dass die von den alten

1 Thomson, Annals of Philos., Juni 1834; Dutrochet, Larrey et Costaz, Comptes rendus de l’Acad. des sc. (Paris 1837), Sem. I, S. 739; Unger, Bot. Streifzüge, IV, 62.

2 Andere hebräische Worte hat man mit Flachs übersetzt, dies ist aber das sicherste. Vgl. Hamilton, La botanique de la Bible (Nizza 1871), S. 58.

3 Piddington, Index Ind. Plants; Roxburgh, Fl. ind., 1832, II, 110. Der von Piddington angeführte Name Matusee gehört nach Pictet, Ori- gines indo-europ., 2. Aufl., I, 396, andern Pflanzen an.

154 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Aegyptern angebaute Art die in Russland und in Sibi- rien einheimische Art war.“

Zehn Jahre später hat eine sehr interessante Ent- deckung von Oswald Heer meine Vermuthungen be- stätigt. Zu einer Epoche, wo die Bewohner der Pfahl- bauten der östlichen Schweiz nur Werkzeuge aus Stein besassen und den Hanf nicht kannten, wurde von ihnen schon eine Flachsart angebaut und Gewebe daraus an- gefertigt, welche nicht unser gemeiner, einjähriger Flachs ist, sondern der Linum angustifolium genannte peren- nirende Flachs, welcher im Süden der Alpen spontan ist. Das geht aus der Prüfung der Kapseln, Samen und besonders des untern Theils einer Pflanze hervor, welche mit grosser Sorgfalt aus dem Schlamme von Robenhausen! zu Tage gefördert war. Die von Heer veröffentlichte Abbildung zeigt zur Genüge eine mit zwei bis vier Stengeln bedeckte Wurzel, ganz nach Art der perennirenden Pflanzen. Die Stengel waren abge- schnitten worden, während man unsern gemeinen Flachs ausreisst, was noch weiter die ausdauernde Eigenschaft der Pflanze beweist. Mit den Ueberresten des Flachses von Robenhausen finden sich Samen von Silene cretica, eine in der Schweiz ebenfalls fremde Art, welche in Italien auf den Flachsfeldern sehr gemein ist.? Daraus hat Heer den Schluss gezogen, dass die Bewohner der Schweizer Pfahlbauten Leinsamen von Italien kommen liessen. Dies scheint ın der That nothwendig so sein zu müssen, es sei denn schon, dass man der Schweiz früher ein anderes Klıma als das unserer Epoche zu- schriebe, denn der perennirende Flachs würde für ge- wöhnlich die jetzigen Winter der östlichen Schweiz nicht ertragen.? Heer’s Meinung wird durch die ganz uner-

1 Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 35 (Zürich 1865); Ueber den Flachs und die Flachscultur im Alterthum (Zürich 1872).

2 Bertoloni, Flora ital., IV, 612.

3 Wie wir gesehen haben, schreitet er gegen den Nordwesten Europas zu, im Norden der Alpen fehlt er aber. Vielleicht war das ehemalige Klima der Schweiz ein gleichmässigeres als heutzutage, waren grössere Schneemassen vorhanden, um den perennirenden Gewächsen Schutz zu gewähren.

Gemeiner Flachs oder Lein. 155

wartete Thatsache bekräftigt, dass der Flachs nicht in den Ueberbleibseln der Pfahlbauten von Laibach und am Mondsee in Oesterreich, welche Bronze einschliessen, gefunden worden ist.! Die späte Epoche der Ankunft des Flachses in jener Region lässt die Vermuthung nicht zu, dass die Bewohner der Schweiz denselben von Osteuropa erhielten, von welchem sie überdies durch ungeheuere Wälder getrennt waren.

Seit den geistreichen Beobachtungen des züricher Ge- lehrten hat man eine Flachsart entdeckt, die von den Bewohnern der prähistorischen Torfmoore von Lagozza in der Lombardei verwendet wurde; und Sordelli hat nach- gewiesen, dass dies die von Robenhausen, nämlich das L. angustifolium war.” Diese alten Bewohner kannten weder den Hanf noch die Metalle, besassen aber die- selben Cerealien wie die Bewohner der Pfahlbauten der Schweiz in dem steinernen Zeitalter, und assen wie jene die Eicheln der Wintereiche. Es gab somit schon eine etwas entwickelte Civilisation diesseit und jenseit der Alpen vor der Zeit, als die Metalle und selbst die

Bronze dort eine allgemeine Verwendung fanden, der

Hanf und das Haushuhn dort bekannt waren. Dies wäre vor Ankunft der Arier nach Europa oder etwas später eingetreten.{

Die volksthümlichen Namen des Flachses in den alten Sprachen Europas können etwas Licht auf diese Frage werfen.

Der Name Lin, Llin, Linu, Linon, Linum, Lein,

1 Mittheil. d. Anthropol. Gesellschaft zu Wien, VI, 122, 161; Abhandl. d. Wiener Akad., 81, S. 488.

2 Sordelli, Sulle piante della torbiera e della stazione preistorica della Lagozza, S. 37 u. 51, als Fortsetzung zu Castelfranco, Notizie all. sta- zione lacustre della Lagozza, Atti della Soc. ital. sc. nat., 1380.

3 Das Huhn wurde von Asien nach Griechenland im 6. Jahrhundert v. Chr. eingeführt; vgl. Heer, Ueber den Flachs, S. 25.

4 Diese Entdeckungen in den Torfmooren von Lagozza und andern Orten in Italien liefern den Beweis, bis zu welchem Punkte sich V. Hehn (Cul- turpfl., 3. Aufl., 1877, S. 524) geirrt hat, wenn er vermuthete, dass die schweizer Pfahlbauten der Helvetier sich den Zeiten Cäsar’s nähern. Die Menschen von derselben Civilisation wie sie selbst, im Süden der Alpen, gingen augenscheinlich auf ältere Zeiten zurück als die römische Repu- blik, übertrafen hierin vielleicht selbst die Ligurier.

156 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Lan findet sich in allen europäischen Sprachen arischen Ursprungs, des mittlern und südlichen Europas, in den keltischen, slawischen, griechischen oder lateinischen. Dies ist kein Name, der mit den arischen Sprachen Indiens Anknüpfungspunkte zeigt; „somit muss die Flachscultur“, sagt Ad. Pictet! mit Recht, „seitens der Westarier und vor ihrer Ankunft nach Europa ange- fangen haben“. Ich habe jedoch eine Erwägung ge- macht, welche mich zu einer neuen Untersuchung führte, die freilich erfolglos geblieben ist. Da der Flachs, sagte ich mir, von den Bewohnern der schweizer und italienischen Pfahlbauten vor Ankunft der arischen Völ- ker angebaut wurde, so war dies wahrscheinlich auch bei den Iberern der Fall, welche damals Spanien und Gallien bewohnten, und bei den Basken, den muth- maasslichen Nachkommen der Iberer, ist vielleicht ein besonderer Name dafür übriggeblieben. Nun sind auch den Wörterbüchern? zufolge Liho, Lino oder Li, je nach den Dialekten, gleichbedeutend mit Flachs, was mit dem im ganzen südlichen Europa verbreiteten Namen über- einstimmt. Die Basken scheinen somit den Flachs von den Völkern arischen Ursprungs erhalten zu haben oder sie haben vielleicht einen alten Namen verloren und denselben durch den keltischen und römischen ersetzt. Der Name Flachs oder Flax der germanischen Sprachen kommt von dem altdeutschen Flahs.$ Es gibt auch im nordwestlichen Europa besondere Namen für den Flachs: Pellawa, Aiwina im Finnischen*; Hor, Hör, Härr im Dänischen’, Hör und Tone im Altgothischen.® Haar findet sich auch im Deutschen von Salzburg.‘ Ohne Zweifel kann man dieses Wort durch die im Deutschen gewöhnliche Bedeutung von Faden, Haar er-

1 Ad. Pictet, Origines indo-europ., 2. Aufl., I, 396.

2 Van Eys, Dict. basque-francais, 1876; Gèze, Eléments de grammaire basque suivis d’un vocabulaire (Bayonne 1873); Salaberry, Mots basques navarrais (Bayonne 1856); Lécluse, Vocabul. français-basque, 1826.

Ad Piciet, a. 2.0:

4 Nemnich, Polygl. Lexicon d. Naturgesch., II, 420; Rafn, Danmark Flora, II, 390.

5 Nemnich, a. a. O. 6 Nemnich, a. a. O. 7 Nemnich, a. a. O.

Gemeiner Flachs oder Lein. 157

klären, wie der Name von Li auf dieselbe Wurzel wie

- ligare, knüpfen, zurückgeführt werden kann, und wie

Hör, in der Mehrheit Hörvar, von den Gelehrten ! mit Harva, deutsches Stammwort für Flachs, in Verbin- dung gebracht wird; nichtsdestoweniger bleibt es aber erwiesen, dass man sich in den skandinavischen Län- dern und in Finland anderer Ausdrücke als im Süden Europas bediente. Diese Verschiedenheit weist auf das hohe Alter der Cultur hin und stimmt mit der That- sache überein, dass die Bewohner der schweizer und italienischen Pfahlbauten eine Flachsart vor den ersten Invasionen der Arier anbauten. Es ist möglich, ich möchte selbst sagen wahrscheinlich, dass dieselben eher den Namen Li als die Pflanze oder ihren Anbau mit- brachten; da aber keine Flachsart im Norden Europas wildwachsend auftritt, so müsste ein altes Volk, die Finländer, von turanischem Ursprunge, den Flachs nach dem Norden vor den Ariern eingeführt haben. Dieser Hypothese gemäss würden sie den einjährigen Flachs angebaut haben, denn der perennirende Flachs könnte das rauhe Klima der nördlichen Länder nicht ertragen, während man weiss, bis zu welchem Punkte das Klima des mittlern Russlands dem Anbau des gemeinen ein- jährigen Flachses im Sommer günstig ist. Die erste Einführung nach Gallien, der Schweiz und nach Italien hat von Süden her durch die Iberer, und nach Finland durch die Finnen stattfinden können; darauf hätten

die Arier die bei ihnen gebräuchlichsten Namen’, Lin

im Süden und fahs im Norden, weiter verbreitet. Vielleicht hatten sie und die Finnen den einjäh- rigen Flachs von Asien gebracht, und denselben an die Stelle des perennirenden Flachses gesetzt, weil dieser für kalte Länder weniger vortheilhaft und nicht so geeignet ist. Mit Bestimmtheit weiss man nicht, zu welcher Epoche die Cultur des einjährigen

1 Vgl. Fick, Wörterbuch d. indo-germ. Spr., 2.Ausg.,I,722. Derselbe leitet den Namen Lina von dem lateinischen Linum ab, dieser Name geht aber weiter zurück, da er mehreren arisch-europäischen Sprachen gemein ist.

158 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Flachses die des perennirenden Linum angustifolium in Italien substituirt hat, dies muss aber vor der christlichen Zeitrechnung geschehen sein, denn die Autoren sprechen von einer gut begründeten Cultur, und Plinius be- richtet, dass man den Flachs im Frühjahr aussäete und im Sommer ausrisse.! Zu der Zeit fehlten keine metallenen Werkzeuge, und man würde somit den Flachs geschnitten haben, wenn derselbe perennirend gewesen wäre. Ueberdies würde derselbe, im Frühjahre ausge- säet, nicht vor dem Herbste zur Reife gelangt sein. Aus denselben Gründen musste der bei den alten Aegyptern angebaute Flachs einjährig sein. Bisjetzt hat man in den Grabstätten keine ganzen Pflanzen noch zahlreiche Samenkapseln gefunden, um auf diese Weise directe und unwiderlegbare Beweise darzubieten. Es war Unger? vorbehalten, eine Kapsel zu untersuchen, die zwischen den Mauersteinen eines Denkmals gefunden wurde, welches Lepsius dem 13. oder 14. Jahrhundert v. Chr. zuschreibt, und er fand diese Kapsel denjenigen von L. usitatissimum ähnlicher als von L. angustifolium. Von drei Samen, welche Braun? im berliner Museum : sah, und welche mit andern Sämereien verschiedener Culturpflanzen vermischt waren, schien ihm einer zu L. angustifolium, die beiden andern zu L. humile zu gehören, jedoch wird man zugeben müssen, dass ein einziges Samenkorn, ohne die Pflanze oder die Kapsel, kein genügender Beweis ist. Es zeigen die Zeichnungen des alten Aegypten, dass man den Flachs nicht wie die Cerealien mit einer Sichel erntete. Man riss ibn aus.* In Aegypten gehört der Flachs zu den Winter- culturen, denn die Trockenheit des Sommers würde einer ausdauernden Varietät ebenso schädlich sein wie die Kälte in den nördlichen Ländern, wo man im Früh-

1 Plinius, I, 19, Kap. 1: Vere satum aestate vellitur.

2 Unger, Botanische Streifzüge, 1866, Nr. 7, S. 15.

3 A. Braun, Die Pflanzenreste des Aegyptischen Museums in Berlin, (1877), S. 4.

4 Rosellini, Taf. 35 u. 36, citirt von Unger, Bct. Streifzüge, Nr. 4, S. 62,

Gemeiner Flachs oder Lein. 159

jahre säet, um im Sommer zu ernten. Wir können noch - hinzufügen, dass der einjährige Flachs, welcher zu der humile genannten Form gehört, der einzige heutzutage in Abessinien angebaute ist, ebenso der einzige, welchen neuere Sammler in Aegypten angebaut gesehen haben.!

Von Heer wird die Vermuthung ausgesprochen, dass die alten Aegypter das Linum angustifolium von der Mittelmeerregion anbauten, indem sie dasselbe als eine einjährige Pflanze behandelten.” Ich neige mich eher dem Glauben hin, dass sie ihren Flachs von Asien mit- genommen oder erhalten haben, und zwar unter der Form des humile. Die Gebräuche, die Abbildungen liefern den Beweis, dass ihre Flachscultur auf ein sehr hohes Alterthum zurückzuführen ist. Jetzt weiss man nun, dass die Aegypter der ersten Dynastien vor Cheops zu einer proto-semitischen, vom Isthmus von Suez ge- kommenen Rasse gehörten.” Man hat den Flachs in einer Grabstätte des alten, Babylon vorhergehenden, Chaldäa aufgefunden®, und sein Gebrauch in dieser Re- gion verliert sich in dem Dunkel der Zeiten. So haben die ersten Aegypter der weissen Rasse den angebauten Flachs weiter fortbringen können, oder ihre unmittel- baren Nachfolger konnten ihn auch von Asien erhalten haben, und zwar vor der Zeit der phönizischen Colo- nien in Griechenland und vor den directen Beziehungen Griechenlands mit Aegypten unter der 14. Dynastie.°

Bei einer sehr alten Einführung von Asien nach Aegypten ist aber immer die Annahme eines ununter- brochenen Verkehrs von Osten nach Westen während eines jüngern Zeitpunktes als die ersten ägyptischen Dynastien zulässig. Somit konnten die Westarier und

1 W, ne, Ascherson, Boissier, Schweinfurth, citirt in Al. Braun, 2 401: 5.

2 Heer, Ver. d. Flachs, S. 26.

3 Maspero, Histoire ancienne des peuples de l’Orient (3. Aufl., Paris 1873; deutsch Leipzig 1877), S. 13 fg.

4 Journal of the Royal Asiatic Ses XV, 271, in Heer citirt, a. a. O., S. 6.

5 Maspero, S. 213 fg.

160 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

die Phönizier den Flachs oder eine dem Linum an- gustifolium überlegene Flachsart während der Periode von 2500 bis.1200 Jahre v. Chr. nach Europa ge- bracht haben.

Die Ausbreitung seitens der Arier würde sich weiter nach Norden erstreckt haben, als die seitens der Phö- nizier. Zur Zeit des trojanischen Krieges bezog man in Griechenland noch schöne Leinwand von Kolchis, d. h. von der am Fusse des Kaukasus gelegenen Re- gion, wo man gegenwärtig den einjährigen gemeinen Flachs wildwachsend angetroffen hat. Es scheint nicht, als ob die Griechen die Pflanze zu jener Epoche an- gebaut hätten.! Die Arier hatten möglicherweise ihre Cultur schon nach der benachbarten Donauregion ein- geführt. Allerdings machte ich eben erst darauf auf- merksam, dass die Ueberreste der Pfahlbauten von Laibach und vom Mondsee keine Spur von Flachs er- geben haben. In den letzten Jahrhunderten vor der christlichen Zeitrechnung bezogen die Rönier sehr schö- nen Flachs von Spanien; die Namen der Pflanze in jenem Lande lassen jedoch die Vermuthung nicht auf- kommen, dass die Einführung durch die Phönizier be- werkstelligt worden sei. In Europa kommt kein orienta- liıscher Name für Flachs vor, der aus dem Alterthum oder dem Mittelalter stammt. Der arabische Name Kattan, Kettane oder Kittane, welcher persischen Ur- sprungs ist?, hat sich nach Westen hin nur bis zu den Kabylen Algeriens ausgebreitet.’

Alle Thatsachen und Wahrscheinlichkeiten zusammen- genommen, scheinen mir zu folgenden vier Behauptungen zu führen, die bis zu spätern Entdeckungen annehmbar sein dürften:

1. Das Linum angustifolium, meistentheils eine peren-

1 Die griechischen Texte werden besonders in Lenz, Botanik der alten Griechen und Römer, S. 672, sowie in Hehn, Culturpflanzen und Haus- thiere, 3. Aufl., S. 144, eitirt.

2 Ad. Pictet, a. a. O.

3 Dictionnaire francais-berbere, 1844.

Jute. 161

nirende, selten zwei- oder einjährige Pflanze, die von den Canarischen Inseln bis nach Palästina und dem Kaukasus wildwachsend auftritt, wurde in der Schweiz und im Norden Italiens von ältern Völkerschaften als die Eroberer arischer Rasse angebaut. Ihre Cultur wurde von jener des einjährigen Flachses verdrängt.

2. Der einjährige Flachs (L. usitatissimum), welcher wenigstens seit 4 oder 5000 Jahren in Mesopotamien, Assyrien und Aegypten angebaut wird, war und ist noch jetzt in den zwischen dem Persischen Golf, dem Kaspisee und dem Schwarzen Meere gelegenen Län- dern spontan. |

3. Dieser einjährige Flachs scheint von den Fin- nen (turanischer Rasse) nach dem Norden Europas eingeführt worden zu sein; darauf nach dem übrigen Europa von den Westariern, und vielleicht hier und da von den Phöniziern; endlich nach der Indischen Halb- insel von den Ostariern, nachdem sich diese von den Westariern getrennt hatten.

4. Diese zwei Hauptformen des Flachses finden sich in den Culturen, und sind in ihren gegenwärtigen Stand- orten wahrscheinlich seit wenigstens 5000 Jahren spon- tan. Es ist nicht möglich, ihren frühern Zustand zu errathen. Ihre Uebergänge und Abweichungen sind so zahlreich, dass man sie als eine Art ansehen kann, welche mit zwei oder drei Rassen oder erblichen Varie- täten, die selbst wieder Untervarietäten besitzen, aus- gerüstet ist.

Corchorus capsularis und Corchorus olitorius, Linné. Jute (fr. Jute).

Die Jutefasern, welche man seit einigen Jahren in grossen Massen besonders in England einführt, wer- den aus den Stengeln dieser zwei Corchorusarten, ein- Jährige Pflanzen aus der Familie der Tiliaceen, gewon- nen. Ihre Blätter dienen auch als Gemüse.

Die C. capsularis hat eine fast kugelrunde Frucht, die an der Spitze eingedrückt ist und von Längsrippen

DE CANDOLLE. 4

162 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

eingefasst wird. Eine gute colorirte.Abbildung findet sich in dem Werke von Jacquin fil., „Eclogae“, Taf. 119. Die C. olitorius hat dagegen eine längliche Frucht, ähn- lich wie die Schote einer Crucifere. Diese Art wird im „Botanical Magazine‘, Taf. 2810, und in Lamarck, „Illustr.“, Taf. 478, abgebildet.

Die Arten der Gattung sind ziemlich gleichmässig in den warmen Regionen Asiens, Afrikas und Amerikas vertheilt; demnach kann der Ursprung einer jeden nicht gemuthmaasst werden. Man muss ihm in den Floren und Herbarien nachspüren, und dabei historische oder andere Angaben zur Hülfe nehmen.

Die Corchorus capsularis wird häufig auf den Sunda- inseln, auf Ceylon, der Indischen Halbinsel, in Bengalen, Südchina, auf den Philippinen angebaut!; im allge- meinen also in Südasien. In seinem Werke über die bei den Bewohnern der Südseeinseln gebräuchlichen Pflanzen erwähnt Forster sie nicht, woraus man schliessen kann, dass sich ihre Cultur zur Zeit von Cook’s Reise vor einem Jahrhundert noch nicht nach jener Richtung hin verbreitet hatte. Hiernach darf man selbst vermuthen, dass dieselbe auf den Inseln des Indischen Archipels nicht auf eine sehr fern liegende Zeit zurückgeht.

Blume sagt, dass Corchorus capsularis auf dem sumpfigen Terrain von Java in der Nähe von Parang? wächst, und ich besitze zwei Exemplare von Java, welche nicht als angebaute bezeichnet sind.” Thwaites führt die Art für Ceylon als „sehr gemein“ an.* Auf dem in- dischen Festlande sprechen die Autoren vielmehr von ihr als von einer in Bengalen und China angebauten Pflanze. Wight, welcher eine gute Abbildung der Pflanze gibt, erwähnt keine Geburtsstätte. Edgeworth°, welcher die Flora des Districts von Banda durchforscht hat, gibt

1 Rumphius, Amboin., V, 212; Roxburgh, Fl. indica, II, 581; Lou- reiro, Fl. cochinch., I, 408 u. s. w.

2 Blume, Bijdragen, I, 110. 3 Zollinger, Nr. 1698 und 2761.

4 Thwaites, Enum. plant. Zeylan., S. 31.

5 Edgeworth, Linnaean Soc. Journ., IX.

Jute. 163

als solche „die Felder“ an. In der Flora von Britisch- Indien drückt sich Masters, welcher die Tiliaceen für dieselbe nach den Herbarien von Kew bearbeitete, fol- gendermaassen aus: „In den heissesten Gegenden In- diens; angebaut in den meisten der Tropenländer.‘ 1 Ich besitze ein Exemplar von Bengalen, welches nicht als angebaut bezeichnet ist. Loureiro sagt: „wildwach- send und angebaut in der chinesischen Provinz Canton‘ ?, womit er wahrscheinlich andeuten will, dass die Art in Cochinchina wildwachsend und in der Provinz Canton angebaut ist. In Japan wächst die Pflanze auf Cultur- land.? Nehme ich alles zusammen, so glaube ich nicht, dass die Art in wirklich spontanem Zustande nördlich von Kalkutta auftritt. Sie hat sich vielleicht dort an manchen Stellen infolge von Culturen ausgesäet.

C. capsularis ist nach verschiedenen intertropischen Ländern Afrikas oder selbst Amerikas eingeführt worden, sie wird aber dort nicht im grossen zur Gewinnung der Jutefasern angebaut, wie dies im südlichen Asien, besonders in Bengalen der Fall ist.

Corchorus olitorius wird mehr als Gemüse, weniger ihrer Fasern wegen benutzt. Ausserhalb Asiens wird sie ausschliesslich ihrer Blätter wegen verwerthet. Sie gehört zu den gewöhnlichsten Küchengewächsen der neuern Aegypter und Syrier, welche sie im Arabischen Melokych nennen, es ist aber nicht wahrscheinlich, dass die Alten sie kannten, denn kein hebräischer Name wird genannt.* Die jetzigen Bewohner Kretas bauen sie unter dem Namen Mouchlia? an, welcher augen- scheinlich dem Arabischen entlehnt ist; den Altgriechen war sie unbekannt.

Den Autoren® zufolge ist diese Corchorusart in mehreren

1 Masters, in: Hooker, Fl. ind., I, 397.

2 Loureiro, F1. cochinch., I, 408.

3 Franchet et Savatier, Enum., I, 66.

4 Rosenmüller, Bibl. Naturgeschichte.

5 Von Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 53.

6 Masters, in: Hooker, Fl. Brit. India, I, 397; Aitchison, Catal. Pun- jab, S. 23; Roxburgh, Fl. ind., II, 581.

Lt?

164 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Provinzen von Britisch-Indien wildwachsend. Thwaites sagt, dass sie in den heissen Theilen Ceylons gemein ist, auf Java wird sie aber von Blume nur auf den Schutthaufen angegeben (in ruderatis). In Cochinchina und in Japan finde ich sie nicht erwähnt. Boissier („Fl. or.“) hat Exemplare von Mesopotamien, Afgha- nistan, Syrien und Anatolien gesehen, als allgemeine Angabe führt er aber nur an: „Culta et in ruderatis subspontanea.“ Für die beiden angebauten Corchorus kennt man keinen Sanskritnamen.!

Was das afrikanische Indigenat anbelangt, so drückt sich Masters in Oliver’s „Flora of tropical Africa“ (I, 262) folgendermaassen aus: „Im ganzen tropischen Afrika wildwachsend oder als Gemüse angebaut.“ Er bringt zu derselben Art zwei Pflanzen von Guinea, welche G. Don als verschiedenartig beschrieben hatte, und über deren Spontaneität er wahrscheinlich nichts wusste. Ich habe ein Exemplar von Kordofan, welches Kotschy (Nr. 45) „am Saume von Hirsefeldern‘“ gesam- melt hatte. Meines Wissens nach ist Peters der ein- zige Autor, welcher die Spontaneität bestätigt. Er fand C. olitorius „im den trockenen Gegenden, sowie auch auf den Wiesen in der Umgegend von Sena und Tette‘“. Für die ganze Nilregion gibt Schweinfurth die Pflanze nur als angebaut an.” Ebenso verhält es sich mit der Flora von Senegambien nach Guillemin, Perrotet und Richard.

Nach allem scheint- ©. olitorius in den gemässigten Regionen des westlichen Indiens, Kordofans und wahrscheinlich einiger dazwischenliegender Länder spon- tan zu sein. Die Art würde sich nach Timor hin und bis nach Nordaustralien (Bentham, Fl. austr.), in Afrika und nach Anatolien hin infolge einer Cultur verbreitet haben, welche vielleicht, selbst von ihrem

1 Piddinston, Index. 2 Schweinfurth, Beiträge z. Fl. Aethiop., S. 264.

Gerber-Sumach, Essigbaum. 165

Ausgangspunkte, nicht weiter als die christliche Zeit- rechnung zurückgeht.

Trotz der in vielen Büchern wiederholten Be- hauptung wird die Cultur dieser Pflanze in Amerika nur selten erwähnt. Ich bemerke jedoch, dass sie nach Grisebach! auf Jamaica eine Naturalisation ausserhalb der Gärten herbeigeführt hat, wie dies häufig bei ein- jährigen angebauten Pflanzen eintritt.

Rhus Coriaria, Linne. Gerber-Sumach, Essigbaum (fr. Sumae).

Dieser Strauch wird in Spanien und Italien? ange-

baut, um aus den jungen, getrockneten Zweigen und Blättern ein Pulver zu bereiten, welches die Gerber kaufen. Unlängst sah ich eine Anpflanzung in Sicilien, deren Erzeugnisse nach Amerika ausgeführt wurden. Da die Eichenrinden immer seltener werden und Gerbe- material sehr gesucht wird, liegt die Wahrscheinlichkeit vor, dass sich diese Cultur ausbreiten wird und zwar um so viel mehr, da sie für trockene und öde Strecken geeignet ist. Nach Algerien, Australien, dem Cap, der Argentinischen Republik dürfte vielleicht mit ihrer Ein- führung ein Versuch gemacht werden. Die Alten bedienten sich der Früchte als einer säuer- lichen Zuthat zu ihren Speisen, und dieser Brauch hat sich hier und da erhalten; ich finde aber keine Be- lege, dass sie die Art angebaut hätten.

Im wilden Zustande wächst sie auf den Canaren, auf Madeira, in der Mittelmeerregion und jener des Schwarzen Meeres, vorzugsweise auf Felsen und im ausgetrockneten Gegenden. In Asien dehnt sich ihr Wohnsitz bis zum Süden des Kaukasus, dem Kaspisee

1 Grisebach, Flora of British W. Ind., S. 97.

2 Bose, Dietionnaire d’agriculture, beim Worte Sumac.

3 Die Bedingungen und das Culturverfahren des Gerber-Sumachs sind Gegenstand einer wichtigen Abhandlung des Herrn Inzenga gewesen, welche im Bulletin de la Société d’acclimatation (Febr. 1877) übersetzt wurde. In den Transactions of the Bot. Soc. of Edinburgh, IX, 341, findet sich der Auszug einer ersten Abhandlung des Verfassers über denselben Gegenstand,

166 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

und nach Persien aus.! Die Art tritt so häufig auf, dass man sie schon vor ihrer Cultur zu verwerthen anfing.

Sumach ist der persische und tatarische Name?, Rous, Rhus der alte Name bei den Griechen und Römern.’ Man sagt im Französischen Roux oder Roure des cor- royeurs (Gerber), was als ein Beweis für die Dauer ge- wisser volksthümlicher Namen dienen möge.

Catha edulis, Forskal. Celastrus edulis, Vahl. Katstrauch (fr. Cat).

Dieser Strauch aus der Familie der Celastraceen wird in Abessinien unter dem Namen T'schut oder Tschat, und ım Glücklichen Arabien als Cat oder Gat vielfach an- gebaut. Man kaut die Blätter im frischen Zustande wie die der Coca in Amerika, mit welcher sie dieselben erregenden und stärkenden Eigenschaften theilen. Die von nicht angebauten Pflanzen besitzen einen stärkern Geschmack und wirken selbst berauschend. In Yemen sah Botta ebenso wichtige Katculturen wie die des Kaffees, und er berichtet, dass ein Scheikh, der darauf angewiesen war, viele Besucher höflich bei sich aufzu- nehmen, täglich für 100 Francs Blätter kaufte.* In Abessinien gebraucht man die Blätter auch im Aufguss wie eine Art Thee.® Trotz der Leidenschaft, mit wel- cher man Erregungsmitteln nachspürt, hat sich diese Art doch nicht in den benachbarten Ländern, wie Be- ludschistan, das südliche Indien u. s. w., verbreitet.

Der Katstrauch wächst in Abessinien wild. In Ara- bien hat man ihn noch nicht als wildwachsende Pflanze angetroffen; freilich ist das Innere des Landes den Bo- tanıkern fast unbekannt. Sind die nicht angebauten

1 Ledebour, Fl. ross., I, 509; Boissier, Fl. orient., II, 4.

2 Nemnich, Polygl. Lexicon, II, 1156; Ainslie, Mat. med. ind., I, 414.

3 Fraas, Syn. fl. class., S. 85.

4 Forskal, Flora aegypto-arab., S. 65; Richard, Tentamen fl. abyss., I, 134, Taf. 30; Botta, Archives du Museum, II, 73.

5 Hochstetter, in: Flora, 1841, S. 663.

6 Schweinfurth und Acherson, Aufzählung, S. 263; Oliver, Flora of tropical Africa, I, 364.

Mate-Pflanze. Coca-Strauch. 167

Individuen, von welchen Botta spricht, spontan und im Lande heimisch oder den Culturen entsprungen und mehr oder weniger naturalisirt? Aus seinem Berichte lässt sich dies nicht entnehmen. Vielleicht ist der Katstrauch mit dem Kaffeebaum von Abessinien einge- führt worden, denn letzterer ist ebenso wenig im spon- tanen Zustande in Arabien angetroffen worden.

Ilex paraguariensis, St.-Hilaire. Mate-Pflanze (fr. Mate).

Seit undenklichen Zeiten gebrauchen die Bewohner Brasiliens und Paraguays die Blätter dieses Strauchs wie die Chinesen die des Theestrauchs. Sie sammeln dieselben besonders in den feuchten Wäldern des Innern zwischen dem 20. und 30° südl. Br., und diese werden dann im getrockneten Zustande als Handelsartikel weit- hin nach den meisten Ländern Südamerikas geschaft. Diese aromatischen und taninhaltigen Blätter enthalten einen dem Kaffee und Thee analogen Grundstoff, doch finden sie in den Ländern, wo chinesischer Thee ge- trunken wird, wenig Beifall. Die Mate-Anpflanzungen sind noch nicht von einer solchen Bedeutung, wie die Ausbeutung der wildwachsenden Sträucher, sie können aber mit der Zunahme der Bevölkerung gleichen Schritt halten. Ausserdem ist die Zubereitung eine leichtere als die des Thees, weil man die Blätter nicht aufrollt. Abbildungen und Beschreibungen der Art, mit zahl- reichen Details über ihre Anwendung und Eigenschaften, finden sich in den Werken von Saint-Hilaire, Sir W.

J. Hooker und von Martius.!

Erythroxylon Coca, Lamarck. Coca-Strauch (fr. Coca). Die Eingeborenen Perus und der benachbarten Pro-

1 Aug. de Saint-Hilaire, Mém. du Muséum, IX, 351, Ann. d. sec. nat., 3. Serie, XIV, 52; Hooker, London Journal of Botany, I, 34; de Martius, Flora brasiliensis, II, 119. [J. Münter, Ueber Mate und die Mate-Pflan- zen Südamerikas (Greifswald 1883). Nach dem Verfasser, welcher sich hierbei besonders auf Bonpland stützt, ist Mate nur der Collectivbegriff für mehrere südamerikanische Ilex-Arten, deren Blätter als Thee Verwen- dung finden. Anmerk. d. Uebers.]

168 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

vinzen, zum wenigsten in den heissen und feuchten Theilen, bauen diesen Strauch an, von welchem die Blätter wie die des Betelpfeffers in Indien gekaut wer- den. Dieser Brauch ist ein sehr alter. Er hat sich selbst nach den höher gelegenen Regionen verbreitet, wo die Art nicht mehr ihr Fortkommen findet. Seitdem es gelungen ist, den Hauptbestandtheil der Coca auszu- scheiden, und man ihre Vorzüge als tonisches Mittel erkannt. hat, welches den Menschen befähigt, Strapazen leichter zu ertragen, und welches die Uebelstände alkoholischer Getränke nicht theilt, liegt die Wahrscheinlichkeit vor, dass man versuchen wird, ihre Cultur, sei es in Amerika oder anderswo, weiter auszubreiten. In Guyana, dem Indischen Archipel, den Thälern von Sikkim und Assam, in Indien, wo die nothwendigen Bedingungen von feuchter Luft und Wärme vorhanden sind, könnte dies beispiels- weise der Fall sein. Frost ist der Art ganz insbeson- dere schädlich. Die besten Localitäten finden sich an den Abhängen von Hügeln, wo das Wasser nicht stehen bleibt. Ein in der Nähe von Lima gemachter Versuch ist nicht geglückt, weil Regen selten war, und vielleicht auch infolge ungenügender Wärme.!

Ich will hier das nicht wiederholen, was in mehreren vortrefflichen Arbeiten über die Coca gesagt wird?; nur will ich bemerken, dass das ursprüngliche Vaterland der Art in Amerika noch nicht mit genügender Sicher- heit nachgewiesen worden ist. Dr. Gosse hat festge- stellt, dass ältere Autoren, wie Joseph de Jussieu, de Lamarck und Cavanilles nur angebaute Exemplare ge- sehen haben. Mathews sammelte die Pflanze in Peru in der Schlucht (Quebrada) von Chinchao, was eine ausser dem Culturbereich gelegene Localität zu sein scheint. Auch die Exemplare von Cuchero, welche

1 Martinet, im Bull. de la Soc. d’acclimatation, 1874, S. 449.

2 Besonders in dem sehr gediegenen Resumé des Dr. Gosse: Mono- graphie de ’Erythroxylon Coca, 1861 (Separatabdruck aus den Mémoires de l’Acad. de Bruxelles, Bd. XII).

5 Hooker, Companion to the Bot. Mag., II, 25.

x RAR | K] j

_Pôppig mitbrachte, werden als wildwachsende genannt!,

doch war der Reisende selbst von ihrer spontanen Be- schaffenheit nicht überzeugt.” D’Orbigny glaubt den wildwachsenden Cocastrauch an einem Abhange im öst- lichen Bolivia gesehen zu haben.? Schliesslich hatte Herr Andre die Güte, mir die Erythroxylon seines Her- bariums mitzutheilen, und ich habe die Coca in meh- reren Exemplaren erkannt, welche vom Flussthale Cauca in Neugranada stammten, und auf deren Etikette sich die Bemerkung fand: „sehr häufig, spontan oder sub- spontan“. Von Triana wird jedoch die Art für sein Vaterland Neugranada nicht als spontan anerkannt.* Vergleicht man die hohe Wichtigkeit der Pflanze in Peru unter der Regierung der Inkas mit ihrem seltenen Ge- brauche in Neugranada, so gelangt man zu dem Glau- ben, dass die Localitäten des letztgenannten Landes in der That Culturplätze sind, und dass die Art nur im östlichen Theile Perus und Bolivias ursprünglich zu Hause ist, wie dies mit den Angaben verschiedener obengenannter Reisender übereinstimmt.

Indigo. 169

Indigofera tinctoria, Linne. Gemeiner Färberindigo (fr. Indigotier des teinturiers).

Diese Indigoart hat einen Sanskritnamen, Nil.’ Der lateinische Name Indicum weist darauf hin, dass die Römer den Indigo als eine von Indien kommende Sub- stanz kannten. In Bezug auf die spontane Eigenschaft der Pflanze sagt Roxburgh: „Geburtsstätte unbekannt, denn wenn auch augenblicklich in den meisten der in- dischen Provinzen wildwachsend, findet sie sich ge- meiniglich nie von den Plätzen weit entfernt, wo man sie gegenwärtig anbaut oder wo sie angebaut wurde.“ Wight und Royle, welche Abbildungen der Art ver- öffentlicht haben, lassen hierüber nichts verlauten, und

1 Peyritsch, in: Flora brasil., Fasc. 81, S. 156.

2 Hooker, a. a. O. 3 Gosse, Monogr., S. 12.

4 Triana et Planchon, in: Annales des sc. nat., Ser. 4, XVIII, 338. 5 Roxburgh, Flora indica, III, 379.

170 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

neuere Floren Indiens geben die Pflanze nur als ange- baut an.! Mehrere andere Indigofera-Arten sind in Indien spontan.

Diese hat man in den sandigen Gegenden von Sene- gal? gefunden, andere afrıkanische Fundstätten werden nicht angegeben, und da sie in Senegal häufig angebaut wird, schliesse ich auf eine Naturalisation. Durch das Vorkommen eines Sanskritnamens wird der asiatische Ursprung ziemlich wahrscheinlich.

Indigofera argentea, Linne. Silberfarbiger Indigo (fr. Indigotier argenté).

Diese Art ist entschieden in Abessinien, Nubien, Kordofan und Sennaar? wildwachsend. In Aegypten und Arabien baut man sie an. Danach sollte man glauben, dass es die Art ist, aus welcher die alten Aegypter eine blaue Farbe gewannen, sie liessen aber vielleicht den Indigo von Indien kommen, denn die Cultur in Aegypten geht wahrscheinlich nicht über das. Mittelalter zurück.?

Eine etwas verschiedene Form, welche Roxburgh als Art bezeichnete (Indigofera caerulea), die aber eher eine Varietät zu sein scheint, wird in den Ebenen der Indischen Halbinsel und Beludschistans wildwachsend angetroffen.

Amerikanische Indigo-Arten.

Wahrscheinlich kommen eine oder zwei Indigofera- Arten ursprünglich in Amerika vor, sie sind aber schlecht bestimmt, in den Culturen oft mit den Arten der Alten Welt vermischt und ausserhalb derselben naturalisirt. Die Synonymie ist eine zu ungewisse, als dass ich es

1 Wight, Icones, Taf. 365; Royle, Ill. Himal., Taf. 195; Baker, in: Flora of British India, II, 98; Brandis, Forest Flora, S. 136.

2 Guillemin, Perrottet et Richard, Florae Seneg. tentamen, S. 178.

3 Richard, Tentamen fl. abyss., I, 184; Oliver, Fl. of trop. Africa, II, 97; Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 256.

4 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 66; Pickering, Chronol. arrang., S. 443. x

5 Reynier, Economie des Juifs, S. 439; des Egyptiens, S. 354.

Echte Alkanna, Hennastrauch. 271

wagen sollte, nach ihrem Vaterlande weiter zu forschen. Einige Autoren glaubten, dass die I. Anil Linné’s eine dieser Arten sei. Jedoch sagt Linné, dass seine Pflanze von Indien stammt („Mantissa“, S. 273). Die blaue Farbe der alten Mexicaner wurde, nach dem was Her- nandez ! darüber erzählt, aus einem von den Indigofera sehr verschiedenen Gewächs gewonnen.

Lawsonia alba, Lamarck (Lawsonia inermis und L. spinosa verschiedener Autoren). Echte Alkanna, Hennastrauch (fr. Henne).

Die Sitte der Frauen des Orients, sich die Nägel mit dem aus den Blättern des Hennastrauchs gewonne- nen Safte roth zu färben, geht auf ein sehr hohes Alter- thum zurück. In den alten Gemälden und den ägyp- tischen Mumien findet sich hierfür der Beleg.

Schwer hält es, zu wissen, wann und in welchem Lande man die Art anzubauen angefangen hat, um den Ansprüchen einer ebenso lächerlichen wie bleibenden Mode zu genügen, sie kann aber auf eine sehr frühe Epoche zurückgehen, weil die Bewohner von Babylon, Ninive und der Städte Aegyptens Gärten besassen. Die Gelehrten werden es feststellen können, ob der Gebrauch, die Nägel zu färben, in Aegypten unter dieser oder jener Dynastie, vor oder nach gewissen Communicationen mit den orientalischen Völkern angefangen hat, für un- sere Zwecke genügt es, zu wissen, dass die Lawsonia, ein Strauch aus der Familie der Lythraceen, mehr oder : minder spontan in den heissen Regionen des westlichen Asien und Afrikas, im Norden des Aequators auftritt.

Ich besitze Exemplare, die von Indien, Java, Timor, selbst von China? und Nubien stammen, bei welchen nicht gesagt ist, ob sie von angebauten Pflanzen ge- nommen waren, und andere Exemplare von Guyana und den Antillen, welche zweifelsohne von eingeführten In- dividuen der Art abstammen. Stoks fand sie als ein-

1 Hernandez, Thes., S. 108. 2 Fortune, Nr. 32.

172 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

heimische Pflanze in Beludschistan!, Roxburgh des- gleichen an der Küste von Koromandel?, und Thwaites? erwähnt sie für Ceylon in einer Weise, welche eine spontane Art muthmaassen lässt. Clarke* hat sie „als in Indien sehr gemein und angebaut, im östlichen Theile vielleicht wildwachsend“ ausgegeben. Möglich ist es, dass sie sich in Indien von ihrem ursprünglichen Vaterlande aus weiter verbreitet hat, wie dies im 17. Jahrhundert zu Amboinaÿ und später auf den Antillen® infolge der Culturen einge- treten ist, denn die Pflanze wird auch des Wohlgeruchs ihrer Blumen wegen geschätzt und vermehrt sich stark durch Samen. Dieselben Zweifel stellen sich uns für das Indigenat in Persien, Arabien, Aegypten (vorzugs- weise Culturland), Nubien und bis in Guinea entgegen, wo man Exemplare gesammelt hat.” Es ist nicht sehr unwahrscheinlich, dass sich der Wohnsitz der Art von Indien nach Nubien erstreckte; indessen gehört eine derartige geographische Verbreitung zu den ziemlich sel- tenen Fällen. Vielleicht vermögen die volksthümlichen Namen einige Aufklärung zu bieten.

Man schreibt der Art einen Sanskritnamen zu, Sa- kachera°®; da derselbe aber in den verschiedenen Namen der neuern Sprachen Indiens keine Spur zurückgelassen hat, hege ich einige Zweifel über seine Echtheit. Der persische Name Hanna hat sich mehr als alle andern verbreitet und erhalten (Hina der Hindus, Henneh und Alhenna der Araber, Kinna der Neugriechen). Der von Cypros, welchen die Syrer zur Zeit von Dioscorides? gebrauchten, hat sich nicht derselben Gunst zu erfreuen gehabt. Dieser Umstand trägt zur Bekräftigung der Ansicht bei, dass die Art ursprünglich an den Grenzen

= Aitchison, Catal. of Punjab ete., S. 60; Boissier, Fl. or., II, 744.

2 Roxburgh, Fl. ind., II, 258. 3’ Thwaites, Enum. Ceyl., S. 122. Clarke, in: Hooker, Fl. Brit. India, II, 573.

Rumphius, Amb., ve 42. 6 Grisebach, Fl. Brit. W. Ind., I, 271. Oliver, Fl. of trop. Africa, II, 483.

Piddington, Index to plants of India.

9 Dioscorides, I, Kap. 124; Lenz, Bot. d. Alterthumsk., S. 177.

ao op 19

1°". 1%

- LL be ee.

Taback. 143

Persiens und Indiens oder in Persien zu Hause war, -und dass der Gebrauch wie die Cultur einst von Osten nach Westen, von Asıen nach Afrika fortschritten.

Nieotiana Tabacum, Linne, und andere Arten der Gattung. Taback (fr. Tabac).

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas war der Gebrauch des Rauchens, Schnupfens oder Kauens im grössten Theile dieses ungeheuern Continents verbreitet. Aus den von dem berühmten Anatomen Tiedemann! sehr vollständig gesammelten Berichten der ersten Reisenden ersehen wir, dass man in Südamerika nicht rauchte, sich aber des Schnupf- und Kautabacks bediente; nur in der La-Plata-Region, in Uruguay und Paraguay wurde der Taback in keinerlei Weise gebraucht. In Nord- amerika-war der Gebrauch des Rauchens von der Land- enge von Panama und den Antillen bis nach Canada und Californien ein allgemeiner, und er war mit Um- ständen verknüpft, welche auf ein hohes Alter hin- weisen. So hat man Pfeifen in den Gräbern der Az- teken Mexicos? und in den Grabhügeln (mounds) der Vereinigten Staaten gefunden. Dieselben sind sehr zahl- reich und von einer besondern Arbeit; einige stellen Thiere dar, die Nordamerika fremd sind.?

Da die Tabacke einjährige Pflanzen sind, welche un- geheuere Mengen von Samen liefern, war es leicht, sie anzusäen, anzubauen oder sie auch mehr oder weniger in der Nähe menschlicher Wohnplätze zu naturalisiren, es darf aber nicht übersehen werden, dass man in den verschiedenen Regionen Amerikas auch verschiedene Arten der Gattung Nicotiana gebrauchte, was auf einen verschiedenen Ursprung hinweist.

Die gemeiniglich angebaute Nicotiana Tabacum war die

1 Tiedemann, Geschichte des Tabacks, 1854; für Brasilien siehe Mar- tius, Beiträge zur Ethnographie und Sprachkunde Amerikas, I, 719.

2 Tiedemann, S. 17, Taf. 1.

3 Die Zeichnungen dieser Pfeifen werden dargestellt in dem neuern Werke von de Nadaillac: Les premiers hommes et les temps préhisto- riques, II, 45 u. 48,

174 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

verbreitetste Art und zuweilen die einzige, welche man in Südamerika und auf den Antillen gebrauchte. Die Spanier führten den Gebrauch des Tabacks nach den La-Plata-Staaten, Uruguay und Paraguay ein!, und man muss demnach den Ursprung der Pflanze mehr im Norden suchen. Martius ıst nicht der Ansicht, dass die- selbe in Brasilien einheimisch war?, und sagt ausser- dem, dass die alten Brasilianer die Blätter einer in- ländischen Art, welche die Botaniker Nicotiana Langs- dorffii genannt haben, zum Rauchen verwertheten. Als ich im Jahre 1855 die Frage über den Ursprung prüfte?, standen mir nur die von Blanchet aus der Provinz Bahia unter Nr. 3223 a geschickten, dem Anscheine nach spontanen Exemplare von N. Tabacum zur Ver- fügung. Weder vor noch nach dieser Zeit ist ein an- derer Autor glücklicher gewesen, und ich ersehe, dass die Herren Flückiger und Hanbury in ihrer vortreff- lichen Arbeit über Pflanzen-Droguen * ausdrücklich be- merken: „Der gemeine Taback ist amerikanischen Ur- sprungs, indess hat man ihn heutzutage dort nicht im wildwachsenden Zustande angetroffen“. Ich will es wagen, dieser Behauptung zu widersprechen, wenn auch die spontane Eigenschaft immer anfechtbar bleibt, so- bald es sich um eine Art handelt, die sich so leicht ausserhalb der Anpflanzungen ausbreitet.

In den Herbarien trifft man viele in Peru gesammelte Exemplare an, bei welchen nicht bemerkt ist, ob sie angebaut waren oder sich in der Nähe von Culturen befanden. Boissier’s Herbarium enthält zwei von Pavon gesammelte, die aus verschiedenen Localitäten kommen.? Pavon sagt in seiner Flora (II, 16), dass die Art in

1 Tiedemann, S. 38, 39.

2 Martius, Syst. mat. med. bras., S. 120; Fl. bras., X, 191.

3 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 849.

4 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues d’origine végétale, fran- zösische Ausg., 1878, II, 150.

5 Das eine derselben wird als Nicotiana fruticosa aufgeführt, dies ist meiner Ansicht nach dieselbe Art von hohem Wuchse, aber nicht holzig, wie der Name vermuthen lässt. Die N. auriculata, Bertero, ist nach mei- nen authentischen Exemplaren ebenfalls die N. Zabacum.

% its

7 -

Taback. 175

den feuchten und warmen Wäldern der peruanischen Anden wächst, und dass sie angebaut wird. Von noch grösserer Bedeutung sind die Exemplare, welche Eduard

ndré in der Republik Ecuador bei Saint-Nicolas am westlichen Abhange des Vulkans Corazon in einem von jeglicher Niederlassung weit entfernten Urwalde ge- sammelt hat; er hatte die Güte, mir dieselben zu schicken, und sie gehören augenscheinlich zu N. Tabacum von hohem Wuchse (2—3 Meter), deren obere Blätter schmal und lang zugespitzt sind, gerade so wie Hayne und von Miller sie abgebildet haben.! Die untern Blätter fehlen. Die Blume, welche die wirklichen Charaktere der Art gibt, ist jedenfalls die von N. Tabacum, und es ist bekannt, dass diese Pflanze in den Culturen rück- sichtlich ihres Wuchses und der Grösse ihrer Blätter sehr veränderlich ist.?

Breitete sich das ursprüngliche Vaterland im Norden bis nach Mexico, im Süden nach Bolivia, im Osten nach Venezuela hin aus? Dies ist sehr möglich.

Die Nicotiana rustica, Linné, eine von N. Tabacum? sehr verschiedene Art mit gelblichen Blumen, welche eine grobe Tabacksorte liefert, wurde bei den alten Mexicanern und den Eingeborenen im Norden Mexicos häufig angebaut. Ich besitze ein von Douglas aus Californien im Jahre 1839 mitgebrachtes Exemplar; zu der Zeit waren die Colonisten noch selten, jedoch er- kennen die amerikanischen Autoren die Pflanze nicht als spontan an, und Dr. Asa Gray bemerkt, dass sie sich auf öden Strecken Landes aussäet.* Das ist viel- leicht bei den Exemplaren des Herbariums von Boissier eingetreten, welche Pavon in Peru gesammelt hatte, die er aber in seiner peruanischen Flora nicht erwähnt.

1 Hayne, Arzneikunde d. Gewächse, Bd. XII, Taf. 41; Miller, Gar- dener’s Dict., Taf. 186, Fig. 1.

2 In den Exemplaren des Herrn André ist die Samenkapsel auf ein und derselben Pflanze bald kürzer, bald länger als der Kelch.

3 Siehe die Abbildungen von N. rustica in Plée: Types de familles naturelles de France, Solanées; Bulliard, Herbier de France, Taf. 289.

4 Asa Gray, Synoptical Flora of N. A. (1378), S. 241.

do‘ = ii Fr

176 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Die Pflanze wächst massenhaft bei Cordova in der Ar- gentinischen Republik!, der Zeitpunkt, seit wann dies der Fall ist, ist aber nicht bekannt. Nach dem alten Ge- brauche der Pflanze und dem Vaterlande der ihr am nächsten stehenden Arten sprechen die Wahrscheinlich- keiten zu Gunsten eines Ursprungs in Men; Texas oder Californien.

Mehrere Botaniker, selbst amerikanische, glaubten, dass die Art der Alten Welt angehöre. Dies ist sicher- lich ein Irrthum, wenn sich auch die Pflanze hier und da selbst in unsern Wäldern und zuweilen in grossen Mengen ? im Gefolge der Culturen ausbreitet. Die Au- toren des 16. Jahrhunderts haben von ıhr als einer fremdländischen Pflanze gesprochen, die in den Gärten eingeführt war und sich bisweilen dem Bereiche der- selben entzog.” In einigen Herbarien trifft man sie an unter den Namen von N. tatarica, turcica oder sibirica, dann handelt es sich aber um in den Gärten angebaute Exemplare, und kein Botaniker hat die Art in Asien oder an den Grenzen dieses Welttheils mit den An- zeichen einer spontanen Pflanze angetroffen.

Dies veranlasst mich, einen Irrthum zu widerlegen, der trotz meiner im = 1855 gelieferten Beweise allgemeiner verbreitet ist, und eine grössere Zähigkeit zeigt, nämlich den, einige schlecht beschriebene Arten nach angebauten Exemplaren als in der Alten Welt, besonders in Asien einheimisch anzusehen. Die Beweise für den amerikanischen Ursprung haben sich so ver- mehrt, und sind so übereinstimmend, dass ich sie, ohne mich auf viele Details einzulassen, folgendermaassen zusammenfassen kann:

A. Von etwa 50 im wildwachsenden Zustande an- getroffenen Arten der Gattung Nicotiana sind nur zwei Amerika fremd, nämlich: 1) die N. suaveolens von Au- stralien, zu welcher man jetzt auch die N. rotundifolia

1 Martin de Moussy, Descript. de la r&p. Argentine, I, 196. 2 Bulliard, a. a. O. 3 Caesalpinus, Buch VIII, Kap. 44; Bauhin, Hist., III, 630.

Taback. 171

desselben Landes rechnet, und die Ventenat irrthüm- licherweise N. undulata genannt hatte; 2) die N. fra- grans, Hooker (,,Bot. Mag.“, Taf. 4865) von der Nor- folkinsel, in der Nähe von Neucaledonien, welche sich nur wenig von der vorhergehenden unterscheidet.

B. Obgleich die asiatischen Völker grosse Taback- liebhaber sind, und seit einer fern gelegenen Zeit dem Rauchen einiger narkotischer Pflanzen zugethan waren, hat doch keins derselben den Taback vor der Ent- deckung Amerikas gebraucht. Von Tiedemann, welcher die Schriften der Reisenden des Mittelalters sorgfältig

durchgesehen hatte, wurde dies sehr gut nachgewiesen. !

Selbst für eine weniger alte Epoche, die gleich auf die

' Entdeckung Amerikas folgte, nämlich die von 1540—

1603, citirt er mehrere Autoren, und unter ihnen Bo- taniker wie Belon und Rauwolf, welche das türkische Reich und Persien durchstreiften, die Gebräuche mit grosser Aufmerksamkeit beobachteten, und nicht ein einziges mal den Taback erwähnt haben. Augenschein- lich wurde derselbe nach der Türkei zu Anfang des 17. Jahrhunderts eingeführt, und erhielten die Perser ihn sehr schnell von den Türken. Thomas Herbert ist der erste Europäer, welcher über das Rauchen in Per- sien nach eigener Anschauung im Jahre 1626 berichtet. Keiner der folgenden Reisenden hat den Gebrauch des Nargileh als gut eingebürgert zu erwähnen vergessen.

Olearius beschreibt diesen Apparat, welchen er im

Jahre 1633 gesehen hatte. Für Indien wird der Taback zuerst im Jahre 1605? erwähnt, und es ist wahrschein- lich, dass seine Einführung durch die Europäer bewerk- stelligt wurde. Nach dem Reisenden Methold® fing sie 1619 in Arracan und Pegu an. Es haben sich

1 Tiedemann, Geschichte des Tabacks (1854), S. 208. Zwei Jahre früher hatte Volz (Beiträge zur Culturgeschichte) schon eine grosse Anzahl von Thatsachen über die Einführung des Tabacks nach verschiedenen Läu- dern zusammengebracht.

2 Nach einem ungenannten indischen Schriftsteller, auf welchen Tiede- mann hinweist, S. 229.

3 Tiedemann, S. 234.

DE CANDOLLE, 12

178 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

einige Zweifel in Bezug auf Java erhoben, weil Rumphius, ein sehr genauer Beobachter, welcher in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts schrieb, gesagt hat!, dass der Taback nach den Ueberlieferungen einiger Greise vor Ankunft der Portugiesen im Jahre 1511 als Medi- cament gebraucht wurde und der Gebrauch des Rauchens erst durch die Europäer eingeführt wurde. Freilich fügt Rumphius hinzu, dass der Name Tabaco oder Tambuco, der in allen Gegenden verbreitet ist, fremden Ursprungs ist. Sir Stamford Raffles? nennt dagegen das Jahr 1601 als Datum der Einführung des Tabacks auf Java, und stützt sich dabei auf zahlreiche historische Untersuchungen über diese Insel. Die Portu- giesen hatten freilich die Küsten Brasiliens in den Jah- ren 1500—4 entdeckt; Vasco da Gama sowol wie auch seine Nachfolger gingen aber nach Asien um das Cap herum, oder durch das Rothe Meer, sodass sie schwerlich häufige oder directe Communicationen zwischen Amerika und Java eröffnen konnten. Nicot hatte die Pflanze 1560 in Portugal gesehen; demnach haben die Portu- giesen sie wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach Asien gebracht. Es wird von Thunberg bestätigt?, dass der Gebrauch des Tabacks von den Portugiesen nach Japan eingeführt wurde, und nach alten von Tiedemann genannten Reisenden geschah dies zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Schliesslich besitzen die Chinesen kein ursprüngliches und altes Schriftzeichen für den Taback: ihre Porzellanmalereien, welche sich in der dresdener Sammlung befinden, zeigen häufig seit dem Jahre 1700, nie aber zuvor, verschie- dene, sich auf den Taback beziehende Details*; endlich stimmen die Sinologen in der Aussage überein, dass die chinesischen Werke diese Pflanze nicht vor dem

1 Rumphius, Herb. Amboin., V, 225.

2 Raffles, Description of Java, S. S5.

3 Thunberg, Flora japonica, S. 91.

4 Klemm, angeführt in Tiedemann, S. 256.

Ze Zr u TFC | ur" t =

Taback. 179

Ende des 16. Jahrhunderts erwähnen.! Vergegenwärtigt man sich die reissende Geschwindigkeit, mit welcher sich der Tabacksgebrauch überall, wohin er eingeführt wurde, verbreitet hat, so fallen diese Aufschlüsse über Asien ganz besonders ins Gewicht.

C. Die volksthümlichen Namen des Tabacks bestä- tigen einen amerikanischen Ursprung. Wenn es ein- heimische Nicotiana-Arten in der Alten Welt gäbe, so würde man auch eine Menge verschiedener Namen ken- nen; im Gegentheil stammen aber die chinesischen, ja- panesischen, javanesischen, indischen, persischen Namen u. s. w. mit leichten Abänderungen von den amerika- nischen Namen Petum oder Tabak, Tabok, Tamboc ab. Freilich eitirt Piddington Sanskritnamen, Dhumrapatra und Tamrakouta?, doch weiss ich von Adolphe Pictet, dass der erste dieser Namen, welcher sich im Wörter- buch von Wilson nicht findet, Blatt zum Rauchen be- deutet, und von einer neuern Zusammensetzung zu sein scheint, während der zweite wahrscheinlich nicht älter ist und als irgendeine moderne Abänderung der ame- rikanischen Namen - erscheint. Das arabische Wort Docchan bedeutet einfach Rauch.°

Schliesslich müssen wir unsere Aufmerksamkeit noch zwei Nicotiana-Arten zuwenden, die asiatisch sein sollen. Die eine, welche Lehmann Nicotiana chinensis nannte, kam von dem russischen Botaniker Fischer, welcher

China als Vaterland angab. Lehmann hatte sie in einem Garten gesehen; nun weiss man aber, bis zu welchem Punkte der Ursprung der angebauten Pflanzen von den Gärtnern häufig als falsch angegeben wird, und es scheint ausserdem nach der Beschreibung einfach die N. Taba- cum gewesen zu sein, von welcher man die Samen viel- leicht von China erhalten hatte.* Die zweite Art ist

1 Stanislas Julien, in: de Candolle, Géographie bot. rais., S. 851; Bret- schneider, Study and value of Chinese botan. works, S. 17.

2 Piddington, Index. 3 Forskal, S. 63.

4 Lehmann, Historia Nicotianarum, S. 18. Die Bezeichnung sufruti- cosa ist eine auf Taback bezügliche Uebertreibung, weil alle Arten ein- jährig sind. Ich habe schon bemerkt, dass die N. suffruticosa einiger Au- toren die N. Tabacum ist.

126

180 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

die N. persica von Lindley, im „Botanical Register“ (Taf. 1592) abgebildet, deren Samen von Ispahan an die Londoner Gartenbau-Gesellschaft als die des besten in Persien angebauten Tabacks, des Schiras, geschickt worden waren. Es entging Lindley, dass seine Pflanze ganz genau die N. alata war, welche Link und Otto! drei Jahre früher nach einer Pflanze des berliner Bo- tanischen Gartens abgebildet hatten. Dieselbe kam von Samen aus dem südlichen Brasilien, welche Sello ein- geschickt hatte. Hier haben wir es gewiss mit einer brasilianischen Art zu thun, die eine weisse, sehr ver- längerte Blumenkrone hat und der Nicotiana suaveolens von Australien nahesteht. Somit ist die bisweilen mit dem gemeinen Taback gleichzeitig in Persien angebaute Tabackssorte, die sich durch feinern Wohlgeruch aus- zeichnen soll, amerikanischen Ursprungs, wie ich dies schon 1855 in meiner „Geographie botanique“ ver- muthet hatte. Es fehlt mir eine Erklärung dafür, wie diese Art nach Persien eingeführt wurde. Es muss durch Samen geschehen sein, die aus einem Garten stammten, oder zufällig von Amerika kamen, und es ist nicht wahrscheinlich, dass ıhr Anbau in Persien sewöhnlich war, denn Olivier und Bruguière, wie auch andere Naturforscher, welche die Tabacksculturen in jenem Lande gesehen haben, sprechen nicht davon.

Aus allen diesen Gründen gelangt man zu dem Schlusse, dass keine Tabacksart ursprünglich in Asien vorkommt. Alle sind amerikanisch, mit Ausnahme von N. suavcolens von Australien und N. fragrans von der Norfolkinsel im Süden Neu-Caledoniens.

Mehrere andere Nicotiana- Arten als Tabacum und

rustica sind hier und da von den Wilden oder auch aus Wissbegier von den Europäern angebaut worden.

1 Link et Otto, Icones plant. rar. horti ber., S. 63, Taf. 32. Sendtner, in: Flora brasil., X, 167, beschreibt dieselbe Pflanze von Sello, und zwar wie es scheint, nach den von diesem Reisenden eingeschickten Exemplaren, und Grisebach, Symbolae fl. argent., S. 243, erwähnt die N. alata für die Provinz Entrerios in der Argentinischen Republik.

Zimmtlorber, echter Kaneel. 181

Eigenthümlich ist es, dass man solchen Anbauversuchen

nicht grössere Aufmerksamkeit widmet, denn ganz be- sondere Tabackssorten könnten vielleicht auf diese Weise gewonnen werden. Die Arten mit weissen Blumen würden wahrscheinlich leichte und wohlriechende Sorten geben, und da gewisse Raucher den stärksten Tabacken zugethan sind, möchte ich ihnen die Nicotiana angusti- folia von Chile empfehlen, welche die Eingeborenen Tabaco del Diablo! nennen.

Cinnamomum zeylanicum, Breyn. Zimmtlorber, echter Kaneel (fr. Cannelier).

In grossen Mengen findet sich dieser kleine Baum aus der Familie der Lauraceen in den Wäldern Ceylons, und es ist die Rinde seiner jungen Zweige, welche den Zimmt des Handels ausmacht. Gewisse Formen, welche im continentalen Indien wildwachsend vorkommen, wur- den früher als ebenso viele verschiedene Arten ange- sehen; die anglo-indischen Botaniker stimmen aber darin überein, dieselben mit der ceylonischen Art zu vereinigen.?

Seit den ältesten Zeiten sind die Rinden des Zimmt- lorbers und anderer nicht angebauter Cinnamomum- arten, welche die Cassiarinde liefern, wichtige Handels- artikel gewesen. Die Herren Flückiger und Hanbury? haben diesen historischen Punkt mit einer so vollstän-

. digen Gelehrsamkeit behandelt, dass wir einfach auf ihr Werk verweisen wollen. Für unsere Zwecke muss die Angabe von Wichtigkeit sein, dass der Anbau des Zimmtlorbers viel neuern Datums ist, als die Ausbeu- tung der Art. Erst in den Jahren 1765—70 machte ein vom Gouverneur Falck unterstützter Colonist, Na- mens Koke, Anpflanzungen auf dieser Insel, welche den

1 Bertero, im Prodr., XII, Abth. I, 568. ; R es Thwaites, Enum. Zeylaniae, S. 252; Brandis, Forest Flora of India, , ESA 3 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues d’origine végétale, franzôs. Uebers., II, 224; Porter, The tropical Agriculturist, S. 268.

182 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

besten Erfolg hatten. Seit einigen Jahren haben die- selben auf Ceylon abgenommen, man hat sie aber an- derswo, in den Tropenländern der Alten und Neuen Welt ausgeführt. Die Art naturalisirt sich leicht ausser- halb der Culturen!, weil die Vögel den Früchten sehr nachstellen und die Samen in den Wäldern aussäen.

Bochmeria nivea, Hooker et Arnott. Chinesischer Hanf. Chinagras der Engländer (fr. Ramié).

Seit etwa 30 Jahren ist die Cultur dieser werthvollen Urticacee nach dem Süden der Vereinigten Staaten und Frankreich eingeführt worden; aber schon vor dieser Zeit wurde durch den Handel der ausserordentliche Werth dieser Fasern bekannt gemacht, die zäher als Hanf sind und in gewissen Fällen sogar biegsamer als Seide. In mehreren Werken finden sich interessante Details über die Art und Weise, die Pflanze anzu- bauen, und über die Gewinnung ihrer Fasern.” Ich will mich hier darauf beschränken, den geographischen Ursprung so gut wie möglich anzugeben.

Zu diesem Zwecke darf man den oft recht nichts- sagenden Worten der Autoren ebenso wenig Glauben schenken, wie den Etiketten an den Herbarıum-Exem- plaren, denn der Fall ist häufig eingetreten, dass man die angebauten Individuen, solche, welche den Culturen entsprungen sind, oder auch wirklich wildwachsende, nicht voneinander unterschieden hat, dass man ferner die Verschiedenheit der zwei Formen, der Boehmeria nivea (Urtica nivea, Linne und Boehmeria tenacissima, Gaudichaud, oder B. candicans, Hasskarl), welche wegen ihrer von einigen Botanikern beobachteten Uebergänge zwei Varietäten ein und derselben Art zu sein schei- nen, unberücksichtigt gelassen hat. Es gibt selbst eine

1 Brandis, a. a. O. Grisebach, Fl. of Brit. W. India Islands, S. 179.

2 Comte de Malartic, Journal d’agric. pratique, 7. Dec. 1871, 1872, Bd. II, Nr. 31; de la Roque, ebend., Nr. 29, Bull. Soc. d’acclimat., Juli 1872, S. 463; Vilmorin, Bon Jardinier, 1880, I, 700; Vetillart, Études sur les fibres végét. textiles, S. 99, Taf. 2. j

Untervarietät, deren Blätter auf beiden Seiten grün “sind, welche von den Amerikanern und von Herrn de Malartic im Süden Frankreichs angebaut wird.

Die vor alters bekannte Form (Urtica nivea, Linne), deren Blätter auf der untern Seite sehr weiss sind, wird als in China und einigen Nachbarländern wachsend angegeben. Linne sagt, dass sie sich auf den Mauern in China findet, was sich auf eine Schuttpflanze, die den Culturen ihr Dasein verdankt, bezöge; Loureiro ! sagt aber: Habitat, et abundanter colitur in Cochinchina et China, und nach Bentham? hat der Sammler Cham- pion sie massenhaft in den Schluchten der Insel Hong- kong gefunden. Franchet und Savatier * zufolge zeigt sie sich in Japan in den Gebüschdickichten und Hecken (in fruticetis umbrosis et sepibus). Von Blanco* wird sie für die Philippinen als sehr gemein angegeben. Es liegen mir keine Beweise vor, dass sie auf Java, Sumatra und andern Inseln des Indischen Archipels spontan sei. Rumphius? kannte sie nur als angebaute Pflanze. NRoxburgh ® glaubte sie auf Su- _matra einheimisch, was von Miquel? nicht bestätigt wird.

Die andern Formen sind nirgends wild gefunden wor- den, was die Annahme bekräftigt, dass es in den Cul- turen aufgekommene Varietäten sind.

Hanf. 183

Cannabis sativa, Linne. Gemeiner Hanf (fr. Chanvre). Des Hanfes mit seinen beiden, zweihäusigen Formen, der männlichen und weiblichen, wird in den ältesten chinesischen Werken, ganz besonders in dem 500 Jahre v. Chr. geschriebenen „Shu-king“, Erwähnung gethan.® Man kennt von ihm Sanskritnamen, Banga und Gangika”,

Loureiro, Flora cochinch., II, 683.

Bentham, Flora Hongkong, S. 331.

3 Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., I, 439.

4 Blanco, Flora de Filip., 2. Aufl., S. 484.

5 Rumphius, Amboin., V, 214. 6 Roxburgh, Fl. ind., IIT, 590. 7 Miquel, Sumatra, deutsche Ausg., S. 170.

8 Bretschneider, Value of Chinese botanical works, S. 5, 10, 48. 9 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 772.

1 2

Ed: D 4

nach Piddington’s! Orthographie Bhanga und Gunjika. Die Wurzel dieser Namen ang oder an findet sich in allen neuern indo-europäischen und semitischen Sprachen wieder: Bang im Hindustani und Persischen, Ganga im Bengalischen?, Hanf im Deutschen, Hemp im Eng- lıschen, Kanas im Keltischen und neuern Niederbre- tonischen?, Cannabis im Griechischen und Lateinischen, Cannab im Arabischen.

Nach Herodot (geb. im Jahre 484 v. Chr.) gebrauchten die Skythen den Hanf, zu seiner Zeit war er aber den Griechen kaum bekannt.5 Hiero IL, König von Syra- kus, kaufte den Hanf für die Taue seiner Schiffe in Gallien, und Lucilius ist der erste römische Schrift- steller, bei dem wir die Pflanze erwähnt finden (100 Jahre v. Chr.). In den hebräischen Büchern wird vom Hanf nicht gesprochen.® Die alten Aegypter gebrauchten ihn nicht, um ihre Mumien damit einzuwickeln. Selbst segen Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Hanf in Aegypten nur zur Gewinnung des Haschisch, einer be- rauschenden Substanz, angebaut.” Die als „Mischna“ bekannte Sammlung der judäischen Gesetze, welche unter der römischen Oberherrschaft verfasst wurde, spricht von den textilen Eigenschaften des Hanfs als einem wenig bekannten Gegenstande.° Es ist ziemlich wahr- scheinlich, dass die Skythen diese Pflanze auf ihren Wanderungen, welche gegen das Jahr 1500 v. Chr., etwas vor dem Trojanischen Kriege, stattfanden, von Centralasien und Russland nach dem Westen gebracht hatten. Sie hätte sich auch durch die noch frühern Invasionen der Arier m Thrazien und dem westlichen Europa einbürgern können; dann würde man aber in Italien schon eher von ihr gewusst haben. In den

184 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Piddington, Index. 2 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 772. Reynier, Economie des Celtes, S.448; Legonidec, Dictionn. bas-breton. J. Humbert, früher Professor der arabischen Sprache in Genf, nannte mir, je nach den Localitäten, Kannab, Kon-nab, Hon-nab, Hen-nab, Kanedir. Athenäus, eitirt von Hehn, Kulturpflanzen, S. 168.

Rosenmüller, Handb. d. bibl. Alterthumsk.

Forskal, Flora; Delile, Flore d’Egypte.

8 Reynier, Économie des Arabes, S. 434.

[Se

a ©!

Weisser Maulbeerbaum. 185

_Pfahlbauten der schweizer Seen! und des nördlichen Italien? hat man den Hanf nicht aufgefunden.

Was man über den Wohnsitz des Cannabis sativa hat feststellen können, stimmt mit den historischen und linguistischen Angaben gut überein. In einer der Mono- graphien des „Prodromus“ vom Jahre 1869? bot sich mir Gelegenheit, mich speciell damit zu befassen.

Wildwachsend hat man die Art ganz gewiss im Süden des Kaspisees*, in Sibirien am Irtysch, in der Kirgisen- steppe, jenseit des Baikalsees, in Daurien (Gouverne-

+ ment Irkutsk) aufgefunden. Die Autoren geben sie für das ganze südliche und mittlere Russland und im Süden des Kaukasus an’, die spontane Eigenschaft ist dort aber weniger sicher, da diese Länder bevölkert sind, und sich die Hanfsamen mit Leichtigkeit von den Gärten aus weiter verbreiten können. Das hohe Alter der Cultur in China lässt mich annehmen, dass sich der Wohnsitz ziemlich weit nach Osten hin ausbreitete, wenn dies von den Botanikern auch noch nicht fest- gestellt wurde.° Boissier gibt die Art für Persien als „fast spontan“ an. Ich bezweifle es, dass sie dort ein- heimisch ist, denn wenn sie es wäre, so würden die Griechen und Römer sie früher gekannt haben.

Morus alba, Linne. Weisser Maulbeerbaum (fr. Mürier blane).

Der Maulbeerbaum, dessen man sich in Europa am meisten zur Anzucht der Seidenwürmer bedient, ist die Morus alba. Seringe”? hat ihre sehr zahlreichen Varie- täten sorgfältig "beschrieben, und später ist dies von Bureau® geschehen. Nach Brandis, dem General-In- spector der Waldungen von Britisch-Indien, ist Morus

1 Heer, Ueber den Flachs, S. 25.

2 Sordelli, Notizie sull. staz. di Lagozza, 1580.

3 Vol. XVI, Sect.1,S.30. 4 De Bunge, Bull. Soc. bot. de Fr., 1860, S. 30.

5 Ledebour, Flora rossica, III, 634.

6 Bunge fand den Hanf im nördlichen China, aber auf Schutthaufen (Enum., Nr. 338).

7 Seringe, Description et culture des Müriers.

8 Bureau, in: de Candolle, Prodromus, XVII, 238.

SR

186 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

indica, Linne (Morus alba. var. indica, Bureau), die am meisten in Indien angebaute Art, im Pendschab und Sikkim wıldwachsend.! Zwei andere Varietäten, serrata und cuspidata, werden desgleichen als wildwachsend in verschiedenen Provinzen des nördlichen Indien ange- geben.” Abbe David fand in der Mongolei eine voll- kommen spontane Varietät, welche von Bureau unter dem Namen von Mongolica beschrieben wurde, und Dr. Bretschneider ? führt für den wildwachsenden Maulbeer- baum den alten chinesischen Namen Yen an. Er sagt freilich nicht, ob sich dieser Name auf den weissen Maulbeerbaum: Pe (weiss), Sang (Maulbeerbaum) der chinesischen Culturen bezieht.* Das hohe Alter des Anbaues in China? und Japan, sowie die Menge der verschiedenen Formen, welche man dort erzielt hat, lassen muthmaassen, dass sich das ursprüngliche Vater- land von Osten bis nach Japan erstreckte, man kennt aber die einheimische Flora des südlichen China noch sehr wenig, und wird die spontane Eigenschaft von den zuverlässigsten Autoren für japanesische Pflanzen nicht bestätigt. Franchet und Savatier® sagen: „Seit undenklichen Zeiten angebaut und hier und da ver- wildert.“ Es ist noch zu bemerken, dass der weisse Maulbeerbaum besonders bergige und gemässigte Länder zu lieben scheint, woraus sich schliessen lässt, dass man ihn ehemals vom nördlichen China nach den Ebe- nen des Südens eingeführt hätte. Bekanntlich gehen die Vögel seinen Früchten nach und tragen die Sa- men weithin nach unbebauten Flächen, wodurch die Feststellung der wirklich alten Wohnplätze erschwert wird.

1 Brandis, The Forest Flora of North-West and Central India (1874), S. 408. Diese Varietät hat schwarze Früchte, wie Morus nigra.

2 Bureau, a. a. O., nach den Exemplaren verschiedener Reisenden.

3 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 12.

4 Dieser Name findet sich, nach Ritter (Erdkunde, XVII, 489) im Pent-sao.

5 Nach Platt (Zeitschrift d. Gesellsch. für Erdkunde, 1371, S. 162) geht die Cultur auf 4000 Jahre v. Chr. zurück.

6 Franchet et Savatier, Enumeratio plantarum Japoniae, I, 435.

sf Là.

. Hire

Er

Weisser Maulbeerbaum. 187

Diese Leichtigkeit der Naturalisation bietet zweifels-

ohne eine Erklärung für das in aufeinanderfolgenden

Epochen sich geltend machende Auftreten des weissen Maulbeerbaums im westlichen Asien und in Südeuropa. Seitdem die Mönche im 6. Jahrhundert unter der Re- gierung des Justinian die Seidenraupe nach Konstanti- nopel gebracht hatten, und sich die Seidenzucht all- mählich nach Westen hin ausbreitete, hat diese Natu- ralisation besonders in Kraft treten müssen. Targioni hat jedoch den Beweis geliefert, dass nur der schwarze Maulbeerbaum, M. nigra, auf Sicilien und in Italien bekannt war, als die Seidenindustrie ım Jahre 1148 nach Sicilien und zwei Jahrhunderte später nach Tos- cana eingeführt wurde. Nach demselben Autor ist das Jahr 1340 der früheste Zeitpunkt der Einführung des weissen Maulbeerbaums nach Toscana. In gleicher Weise kann die Seidenindustrie in China ihren Anfang genommen haben, weil sich die Seidenraupe dort im wilden Zustande fand; es ist aber sehr wahrscheinlich, dass der Baum auch im nördlichen Indien vorkam, wo er von vielen Reisenden wildwachsend angetroffen wurde. In Persien, Armenien und Kleinasien halte ich ihn viel- mehr seit einer alten Epoche für naturalisirt, und steht diese Ansicht mit derjenigen von Grisebach im Wider- spruch, welcher die Region des Kaspisees als ursprüng- liches Vaterland hinstellt (,,Végét. du globe, trad. fran-

-çaise“, I, 424). Boissier führt ihn in diesen Ländern

nicht als spontan an.” Buhse? hat ihn in Persien bei Eriwan und Baschnaruschin gefunden, und er be- merkt: „Vielfach naturalisirt in den Provinzen Ghilan und Masenderan“. In der „Flora Russlands‘ von Ledebour* finden sich zahlreiche Localitäten um den Kaukasus herum angegeben, ohne dass die Spontaneität betont

1 Ant. Targioni, Cenni storici sulla introd. di varie piante nell’ agri- colt. toscana, S. 188.

2 Boissier, Flora orient., IV, 1153.

3 Buhse, "Aufzählung der transcauc. und persischen Pflanzen, S. 203.

4 Ledebour, F1. ross., III, 643.

188 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

wird, was auf eine naturalisirte Art hinweisen mag. In der Krim, in Griechenland und Italien findet er sich nur im Culturzustande.! Eine Varietät, tatarica, welche häufig im südlichen Russland angebaut wird, hat sich in der Nähe der Wolga naturalisirt.?

Wenn der weisse Maulbeerbaum nicht ursprünglich in Persien und nach dem Kaspisee hin vorkam, so muss er doch seit langer Zeit dahin vorgedrungen sein. Als Beweis führe ich den Namen Tut, Tuth, Tuta an, welcher zu gleicher Zeit persisch, arabisch, türkisch und tata- risch ist. Es gibt einen Sanskritnamen, Tula?, welchen man auf dieselbe Wurzel zurückführen kann als den persischen Namen; man kennt aber keinen hebräischen Namen, was zur Begründung der Ansicht von einer all- mählichen Ausdehnung nach dem westlichen Asien beiträgt.

Diejenigen meiner Leser, welchen ausführlichere Auf- schlüsse über die Einführung der Maulbeerbäume und der Seidenraupen erwünscht wären, finden solche ganz insbesondere in den gelehrten Werken von Targioni und Ritter, auf welche ich hingewiesen habe. Die neuerdings von verschiedenen Botanikern gemachten Entdeckungen ermöglichten es mir, genauere Angaben als die von Ritter über den Ursprung hinzuzufügen, und wenn unsere Meinungen über andere Punkte dem Anscheine nach auseinander gehen, so findet dieses na- mentlich darin seine Begründung, dass der berühmte Geograph eine Menge von Varietäten als Arten ange- sehen hat, welche die Botaniker nach sorgfältiger Prü- fung enger begrenzt haben.

Morus nigra, Linne. Schwarzer Maulbeerbaum (fr. Märier noir).

1 Steven, Verzeichniss der taurischen Halbinsel, S. 313; Heldreich, Pflanzen der attischen Ebene, S. 508; Bertoloni, Fl. ital., X, 177; Caruel, Fl. Toscana, S. 171.

2 Bureau, a. a. O.

3 Roxburgh, F1. ind.; Piddington, Index.

le en Ne + !

…\ééhimmestm dut. HS dés Se cmt u mn “it de tt ent à

u Be de ee Sd nn.

Bee. 1

Schwarzer Maulbeerbaum. 189

Derselbe wird mehr seiner Früchte als seiner Blätter wegen geschätzt, und müsste ich ihn somit bei der Classe der Fruchtbäume aufzählen. Indessen würde es schwer halten, seine Geschichte von der des weissen Maulbeerbaums zu trennen, und werden überdies die Blätter in vielen Ländern zur Seidenzucht verwendet, trotzdem die Seide von geringerer Qualität ist.

Der schwarze Maulbeerbaum unterscheidet sich von dem weissen durch mehrere Charaktere, ganz abgesehen von der schwarzen Farbe der Frucht, welche man auch bei verschiedenen Varietäten von M. alba antrifit.! Dann besitzt er auch eine viel geringere Zahl von For- men, was auf eine weniger alte und lebhafte Cultur, sowie auf ein weniger ausgedehntes ursprüngliches Vater- land schliessen lässt.

Die griechischen und lateinischen Schriftsteller, selbst die Dichter haben oft von dem Morus nigra gesprochen, welchen sie mit dem Ficus Sycomorus verglichen, und sogar in Bezug auf das Vaterland mit diesem ägyptischen Baume verwechselten. Seit zwei Jahrhunderten wieder- holen die Commentatoren eine Menge von Schriftstellen, welche keinen Zweifel über diesen Punkt zulassen, sonst aber wenig Interesse darbieten.? Ueber den Ursprung der Art liefern sie keinen Beweis, und wird Persien als muthmaassliches Vaterland hingestellt, wenn man die Fabel von Pyramus und Thisbe, die sich nach Ovid in Babylon abspielte, nicht als eine wirkliche Thatsache ansehen will.

Von den Botanikern wird das Indigenat für Persien nicht in positiver Weise nachgewiesen. Boissier, wel- chem mehr Material über den Orient zu Gebote steht als irgendeinem andern, begnügt sich damit, Hohen- acker als denjenigen zu nennen, welcher M. nigra in

1 Reichenbach hat in seinen Icones florae germ., Taf. 657 u. 658, von den beiden Arten gute Abbildungen gegeben.

2 Fraas, Synops. fl. class. S. 236; Lenz, Botanik d. alten Griechen und Römer, S. 419; Ritter, Erdkunde, XVII, 482; Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 336, ohne von andern ältern Schriftstellern zu sprechen.

190 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

den Wäldern von Lenkoran an der Südküste des Kaspi- sees antraf, und er fügt hinzu: „Wahrscheinlich spontan im nördlichen Persien nach dem Kaspisee zu.“! Vor ihm wies Ledebour in seiner „Flora Russlands“, hierbei den Berichten verschiedener Reisenden folgend, auf die Krim und die Provinzen im Süden des Kaukasus? hin, Steven bestreitet es aber, dass die Art in der Krim anders als im Culturzustande vorkommt.” Tchihatcheff und C. Koch* fanden Pflanzen des schwarzen Maul- beerbaums in hoch gelegenen und wilden Gegenden Armeniens. Sehr wahrscheinlich ist es, dass Morus nigra in der Region südlich vom Kaukasus und dem Schwarzen Meer spontan ist, d. h. eher ursprünglich als naturalisirt. Folgendes lässt mich dies annehmen: 1) weil derselbe, nicht einmal im angebauten Zustande, weder in Indien noch in China oder Japan bekannt ist; 2) weil er keinen Sanskritnamen hat; 3) weil er sich frühzeitig in Griechenland, dessen Verbindungen mit Armenien aus alter Zeit datiren, verbreitet hat.

Morus nigra hat sich im Süden Persiens so wenig ausgebreitet, dass man davon mit Bestimmtheit kei- nen hebräischen, selbst nicht einmal einen persischen von dem von Morus alba verschiedenen Namen kennt. In Italien wurde er vielfach angebaut, bis man die Vorzüge des weissen Maulbeerbaums als Nahrung für die Seidenraupen erkannte. In Griechenland ist die Cultur des schwarzen Maulbeerbaumes noch die ge- wöhnlichste.®° Hier und da hat er sich in diesen Län- dern sowie in Spanien naturalisirt.®

Agave americana, Linne. Agave (fr. Maguey). Diese holzige Pflanze aus der Familie der Amarylli-

1 Boissier, Flora orient. (1879), IV, 1153.

2 Ledebour, Fl. ross., III, 641.

3 Steven, Verzeichniss d. Pflanzen d. taurischen Halbinsel, S. 313.

4 Tchihatcheff, Uebersetzung von Grisebach, Vegetation du globe, I, 424.

5 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 19. 6 Bertoloni, Flora ital., X, 179; Visiani, FL. dalmat., I, 220; Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., 1; 250.

Bee 4 4

Agave. Zuckerrohr. 191

. daceen wird seit undenklichen Zeiten unter dem Namen Maguey oder Met! in Mexico angebaut, um zur Zeit der Entwickelung des Blütenschafts den als Pulque be- kannten Wein daraus zu gewinnen. Humboldt hat diese Cultur genau beschrieben !, und wir erfahren ausserdem von ihm?, dass die Art im ganzen südlichen Amerika

bis zu einer Höhe von über 3000 m auftritt. Sie wird auch für Jamaica, Antigua, Domingo und Cuba ge- nannt*; es ist aber dabei zu erwägen, dass sie sich durch Wurzelschösslinge leicht vermehrt und man sie gern von Wohnplätzen entfernt anpflanzt, um Hecken zu bilden oder die als pite bekannte Faser daraus zu gewinnen, wodurch es schwierig wird, zu erfahren, in welchem Lande sie ursprünglich vorkam. Seit langer Zeit nach der Mittelmeerregion verpflanzt, trifft man sie dort mit allen Anzeichen einer einheimischen Pflanze an, wenn sich auch über ihre Abstammung keine Zweifel erheben.* Nach den verschiedenen Anwendungen zu schliessen, zu welchen man sich ihrer in Mexico vor Ankunft der Europäer bediente, ist dieses Land wahr- scheinlich ihr Ausgangspunkt gewesen.

Saccharum officinarum, Linne. Zuckerrohr (fr. Canne à sucre).

Ueber den Ursprung des Zuckerrohrs, den Anbau desselben, sowie über die Zuckerfabrikation hat der Geograph Karl Ritter? eine ganz vorzügliche Arbeit veröffentlicht. In den nur den Anbau betreffenden und den wirthschaftlichen Details brauche ich ıhm nicht zu folgen; für den ursprünglichen Wohnsitz der Art, welcher

1 A. de Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., S. 487.

2 A. de Humboldt, in: Kunth, Nova Genera, I, 297.

3 Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 582.

4 Alph. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 739; H. Hoffmann, in Regel’s Gartenflora, 1875, S. 70.

5 K. Ritter, Ueber die geographische Verbreitung des Zuckerrohrs, 1840 (nach Pritzel, Thes. lit. bot.); Die Cultur des Zuckerrohrs (Saccharum) in Asien, geogr. Verbreitung u. s. w. (64 S., o. J.) Dies ist eine sehr gelehrte und kritische Monographie.

192 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

unser besonderes Interesse erregt, ist er aber der beste Führer, und die seit 40 Jahren beobachteten Thatsachen sind ım allgemeinen eine Bekräftigung seiner Ansichten oder bestätigen sie auch.

Gegenwärtig wird das Zuckerrohr in allen heissen Regionen der Erde angebaut, eine Menge historischer Beweise liegen aber vor, dass es zunächst im südlichen Asıen verwerthet wurde, von wo es sıch nach Afrika und später nach Amerika ausbreitete. Es handelt sich somit darum, zu erfahren, in welchen Theilen des Fest- landes oder der Inseln Südasiens die Pflanze vorkommt oder vorkam, als man sie zu verwenden anfing.

Ritter hat gute Methoden befolgt, um zu einer Lö- sung dieser Frage zu gelangen.

Er bemerkt zunächst, dass alle Arten, welche man im wildwachsenden Zustande kennt, und die bestimmt zur Gattung Saccharum gehören, in Indien sich antreffen lassen, eine ausgenommen, welche Aegypten angehört.! Seitdem hat man fünf Arten von den Inseln Java, Neu- guinea, Timor oder den Philippinen beschrieben.” Die Wahrscheinlichkeit spricht ganz zu Gunsten eines asia- tischen Ursprungs, wenn man von pflanzengeographischen Angaben ausgeht.

Unglücklicherweise wurde von keinem Botaniker weder zu Ritter’s Zeiten noch später das Saccharum officina- rum ın Indien, den angrenzenden Ländern oder auf dem im Süden Asiens gelegenen Archipel wildwachsend angetroffen. Alle anglo-ındischen Autoren, - Roxburgh, Wallich, Royle u. s. w., und neuerdings Aitchison ?, sprechen nur von der angebauten Pflanze. Roxburgh, welcher so lange in Indien als Botaniker thätig war, sagt ausdrücklich: „Where wild I do not know.“ In der Flora von Sir J. Hooker ist die Familie der Gra-

1 Kunth, Enumeratio plantarum (1838), I, 474. Man kennt keine be- schreibende Arbeit jüngern Datums über die Familie der Gramineen oder die Gattung Saccharum.

2 Miquel, Flora Indiae batavae (1355), III, 511.

3 Aitchison, Catalogue of Punjab and Sindh Plants (1869), S. 173.

Zuckerrohr. 193

mineen noch nicht erschienen. Was die Insel Ceylon anbetrifft, so hat Thwaites die wildwachsende Art so wenig angetroffen, dass er sie nicht einmal als ange- baute Pflanze namhaft macht.! Rumphius, welcher die Cultur in den holländischen Besitzungen sorgfältig be- schrieben hat, sagt nichts über das Vaterland der Art. Miquel, Hasskarl, Blanco (,„Fl. Filip.“) sprechen von keinem auf den Inseln Sumatra, Java oder den Philip- pinen wildwachsenden Exemplar. Trotz aller Mühe ist es Crawfurd nicht gelungen, solches zu entdecken.? Auf der Reise von Cook fand Forster ? das Zuckerrohr auf den kleinen Inseln der Südsee, und zwar nur im Zustande einer angebauten Pflanze. Die Eingeborenen Neucaledoniens bauen eine Menge von Varietäten des Zuckerrohrs an, gebrauchen dasselbe böständig, indem sie die zuckerhaltige Masse aussaugen; Vieillard * war aber vorsichtig genug, zu sagen: „Aus dem häufigen Vorkommen von vereinzelten Exemplaren des Saccha- rum officinarum zwischen Gebüschdickichten und selbst auf Bergen, würde man mit Unrecht den Schluss ziehen,

dass es sich um eine einheimische Pflanze handle, denn

ihre schwachen und kränklichen Individuen deuten ein- fach auf frühere Anpflanzungen hin, oder stammen von Bruchstücken des Zuckerrohrs ab, welche die Einge- borenen, die selten ohne ein Stück Zuckerrohr in der Hand ihren Marsch antreten, dort vergessen haben.“ Im Jahre 1861 drückte sich Bentham, dem die reichen Herbarien zu Kew zur Verfügung standen, in seiner Flora der Insel Hongkong folgendermaassen aus: „Wir haben keinen authentischen und sichern Beweis von einer Localität, wo das gemeine Zuckerrohr spontan aufträte.“

Ich weiss freilich nicht, warum Ritter und alle übri- gen eine Behauptung Loureiro’s in der „Flora von

1 Thwaites, Enum. Ceyloniae.

2 Crawfurd, Indian Archip., I, 475.

3 Forster, Plantae esculentae.

4 Vieillard, Ann. des sc. nat., 4. Serie, XVI, 32.

DE CANDOLLE, 13

194 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Cochinchina‘ ! unberücksichtigt gelassen haben: „Habi- tat, et colitur abundantissime in omnibus provinciis regni cochinchinensis: simul in aliquibus imperii sinensis, sed minori copia.“ Das Wort habitat, von dem übrigen Satze durch ein Komma getrennt, ist sehr entscheidend. Loureiro hat sich über das Saccharum officinarum nicht täuschen können, denn er sah dasselbe ringsumher ‘an- gebaut, zählte seine Hauptvarietäten auf. Wildwach- sende Individuen, wenigstens solche dem Anscheine nach, müssen von ihm gesehen worden sein. Vielleicht stamm- ten sie von einem benachbarten Culturlande, es. ist mir aber nichts bekannt, wodurch die Spontaneität in die- sem heissen und feuchten Theile des asiatischen Fest- landes zur Unwahrscheinlichkeit würde.

Forskal? hat die Art als spontan in den Bergen des Glücklichen Arabien unter einem seiner Ansicht nach indischen Namen angeführt. Wenn sie von Arabien käme, würde sie sich seit langer Zeit in Aegypten ver- breitet haben, würden die Hebräer sie gekannt haben.

Roxburgh hatte 1796 eine Saccharumart im botani- schen Garten von Kalkutta erhalten, die er in die Cul- turen Bengalens einführte; er nannte dieselbe S. sinense, und veröffentlichte von ihr eine Abbildung in seinem grossen Werke: „Plantae Coromandelianae“ (Bd. HI, Taf. 232). Vielleicht ist dies nur eine Form von 8. officinarum, und da sie ausserdem nur im angebauten Zustande bekannt ist, trägt sie nichts zur Kenntniss dieser oder anderer ee bei.

Von einigen Botanikern wurde die Behauptung auf- gestellt, dass das Zuckerrohr in Asien häufiger blüht als in Amerika oder ın Afrıka, und dass dasselbe an den Ufern des Ganges sogar Samen ansetzt, was nach ihnen ein Beweis des Indigenats wäre. Macfadyen sagt dies, ohne Beweise dafür zu liefern. Er stützt sich

1 Loureiro, Fl. Cochinch., 2. Aufl., I, 66.

2 Forskal, Fl. aegypto-arabica, S. 103.

3 Macfadyen, On the botanical characters of the sugar cane, in: Hooker, Bot. Miscell., I, 101; Maycock, Fl. Barbad., S. 50.

Zuckerrohr. 195

einfach auf eine Aussage, die ein Reisender in Jamaica ihm gemacht hatte; Sir W. Hooker hat aber Sorge ge- tragen, folgende Anmerkung beizufügen: „Trotz seines langen Aufenthalts an den Ufern des Ganges sind dem Dr. Roxburgh nie Samen des Zuckerrohrs zu Gesicht gekommen.“ Dasselbe blüht selten und setzt noch sel- tener Frucht an, wie dies im allgemeinen bei den Pflanzen der Fall ist, welche durch Stecklinge oder Wurzelschösslinge vermehrt werden, und wenn eine Varietät des Zuckerrohrs die Neigung zeigte, Samen hervorzubringen, dürfte sie wahrscheinlich weniger zuckerhaltig sein, und würde man sie als Culturpflanze sehr rasch auf die Seite schieben. Rumphius, der ein besserer Beobachter war als viele Botaniker der Neu- zeit, und welcher von dem auf den holländischen In- seln angebauten Zuckerrohr eine so gute Beschreibung gegeben hat, macht eine interessante Bemerkung.! „Es bringt nie Blüten oder Samen hervor, es sei denn, dass man es während einiger Jahre auf einem steinigen Terrain gelassen habe.“ Weder er, noch meines Wis- sens nach irgendein anderer, hat von dem Samen eine Beschreibung oder Abbildung gegeben. Dagegen hat man die Blüten ‘oft abgebildet, und ich besitze ein schönes Exemplar von Martinique? Schacht ist der einzige, welcher von der Blume mit Einschluss des Stengels eine gute Analyse entworfen hat; den reifen Samen hat auch er nicht gesehen.” Tussac* verdankt man eine recht mittelmässige Analyse, er spricht von dem Samen, doch hat er ihn nur im jungen Zustande, in dem des Eierstocks, gesehen.

In Ermangelung genauer Angaben über das Indigenat dürften die Hülfsmittel, historische und linguistische, um den asiatischen Ursprung darzulegen, von Interesse sein. Sie werden sorgfältig von Ritter angegeben; ich will mich damit begnügen, sie kurz zusammenzufassen.

1 Rumphius, Amboin., V, 186. 2 Hahn, N.. 480. 3 Schacht, Madeira und Teneriffa, Taf. 1. 4 de Tussac, Flore des Antilles, I, 153, Taf. 23.

13*

106 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

Im Sanskrit war der Name für Zuckerrohr Iksmı, Ikshura oder Ikshava; der Zucker hiess aber Sarkara oder Sakkara, und es lassen sich alle Namen für diese Substanz in unsern europäischen Sprachen arischen Ur- sprungs, von den alten wie der griechischen angefangen, in deutlicher Weise hiervon ableiten. Dies ist ein Fingerzeig für den asiatischen Ursprung und für das hohe Alter des Zuckerrohrproducts in den südlichen Regionen Asiens, mit welchen das Volk, welches das alte Sanskrit redete, commerzielle Beziehungen gehabt haben konnte. Die beiden Sanskritwörter sind im Ben- galischen unter der Form von Ik und Akh zurückge- blieben.! In den andern Sprachen aber jenseits des Indus findet man eine besondere Verschiedenartigkeit von Namen, zum wenigsten wenn solche nicht von jenen der Arier abstammen, z. B.: Panchadara in der Telinga- sprache, Kyam bei den Birmanen, Mia im Cochinchine- sischen, Kan und Tche oder Tsche im Chinesischen, und mehr nach Süden hin, bei den malaiischen Völkern, Tubu oder Tabu für die Pflanze und Gula für das Product. Diese Verschiedenartigkeit beweist ein sehr hohes Alter des Anbaues in den asiatischen Regionen, wo schon die botanischen Angaben den Ursprung der Art vermuthen lassen.

Es stimmt die Zeit der Einführung der Cultur nach verschiedenen Ländern mit der Ansicht eines Ursprungs von Indien, Cochinchina oder dem Indischen Archipel überein.

Die Chinesen kennen das Zuckerrohr seit einer nicht sehr -fern liegenden Zeit, und sie erhielten es vom Westen. Ritter widerspricht den Schriftstellern, welche eine sehr alte Cultur zugegeben hatten, und dies wird in der entschiedensten Weise bestätigt in dem mit den ausführlichsten Quellen über die chinesische Lite- ratur in Peking veröffentlichten Werke des Dr. Bret-

1 Piddington, Index.

Zuckerrohr. 197

schneider.! „Ich habe“, sagt dieser, „keinen Hin- weis auf das Zuckerrohr in den ältesten chinesischen Büchern (die fünf klassischen) entdecken können.“ Das- selbe scheint zum ersten mal von den Autoren des 2. Jahrhunderts v. Chr. erwähnt worden zu sein. Die erste Beschreibung findet sich im „Nan-fang-tsao-mu- tschuang“ im 4. Jahrhundert; es heisst da: „Das Che- che, Kan-che (Kan, süss; ché, Bambusrohr) wächst in Cochinchina (Kiaochi). Es misst mehrere Zoll im Um- fange und gleicht dem Bambusrohr. Der in Stücke zerbrochene Stengel ist essbar und sehr süss. Der daraus gewonnene Saft wird in der Sonne getrocknet. Nach einigen Tagen wird Zucker daraus (hier ein zu- sammengesetztes chinesisches Schriftzeichen), welcher im Munde schmilzt... Im Jahre 286 (der christlichen Zeit- rechnung) schickte das Königreich Funan (in Indien, jenseit des Ganges) Zucker als Tribut.“ Nach dem „Pent-sao“ hatte ein Kaiser, welcher von 627—650 unserer Zeitrechnung regierte, jemand nach der indi- schen Provinz Bahar geschickt, um die Art und Weise der Zuckerbereitung kennen zu lernen.

In diesen Werken ist nicht die Rede von der Spon- taneität in China, es findet sich dagegen der cochin- chinesische Ursprung, auf welchen Loureiro hinwies, in un- erwarteter Weise bekräftigt. Der wahrscheinlichste ur- sprüngliche Wohnsitz scheint mir Cochinchina und weiter bis nach Bengalen hin gewesen zu sein. Vielleicht er- streckte er sich nach den Sundainseln und den Molukken, die ein sehr ähnliches Klima besitzen; es gibt aber ebenso viele Gründe, um eine alte von Cochinchina oder der Malaiischen Halbinsel ausgehende Einführung anzunehmen.

Die Fortpflanzung des Zuckerrohrs von Indien in west- licher Richtung ist gut bekannt. Die griechisch-römische Welt hatte eine annähernde Kenntniss des Rohrs (cala-

1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botan. works etc., S. 45—47.

198 Zweiter Theil. Zweites Kapitel.

mus), welches die Indier gern aussogen, und aus welchem sie den Zucker gewannen.! Andererseits wird in den hebräischen Büchern der Zucker nicht erwähnt, woraus man schliessen kann, dass dıe Cultur des Zucker- rohrs im Westen des Indus zur Zeit der Gefangenschaft der Juden in Babylon noch nicht auftrat. Es sind die Araber, welche diese Cultur im Mittelalter nach Aegypten, Sicilien und dem Süden Spaniens eingeführt haben’, wo sie blühte, bis der Ueberfluss an Zucker von den Colonien ihr Aufgeben nothwendig machte. Don Hen- rique brachte das Zuckerrohr von Sicilien nach Madeira, von da gelangte es 1503 nach den Canarischen Inseln.* Von diesem Punkte aus wurde es zu Anfang des 16. Jahrhunderts nach Brasilien eingeführt.®° Nach San-Domingo brachte man es gegen das Jahr 1520, und etwas später nach Mexico®; Guadeloupe erhielt dasselbe im Jahre 1644, Martinique gegen das Jahr 1650, Bourbon seit Gründung der Colonie.” Die so- genannte Otaheiti-Varietät, welche auf dieser Insel nicht spontan ist, und welche man auch die von Bourbon nennt, wurde zu Ende des verflossenen und zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts nach den französischen und englischen Colonien eingeführt. ®

Die Verfahrungsweisen des Anbaues und der Zucker- bereitung sind in zahlreichen Werken beschrieben wor- den, unter denen zu empfehlen sind: de Tussac, ,, Flore des Antilles“ (3 Bde., Paris 1808), I, 151—182, und Macfadyen, in Hooker, „Botanical Miscellanies“ (1830), I, 103—116.

1 Vgl. die Citate von Strabo, Dioscorides, Plinius u. s. w., in: Lenz, Botanik der Griechen und Römer (1859), S. 267; Fingerhut, in: Flora (1839), II, 529; und viele andere Autoren.

2 Rosenmüller, Handbuch der bibl. Alterthumskunde.

3 Calendrier rural de Harib, im 10. Jahrhundert für Spanien geschrie- ben, übersetzt von Dureau de La Malle in seiner Climatologie de lItalie et de l’Andalousie, S. 71.

4 Von Buch, Canar. Inseln. 5 Piso, Brésil, S. 49.

6 Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., III, 34.

7 Notices statistiques sur les colonies françaises, I, 29, 83, 207.

8 Macfadyen, in: Hooker, Miscell., I, 101; Maycock, Fl, Barbad., S. 50.

Gewürznelkenbaum. 199

DRITTES KAPITEL.

Pflanzen, welche ihrer Blüten oder der dieselben einhüllenden Organe wegen angebaut werden.

Caryophyllus aromaticus, Linne. Gewürznelken- baum (fr. Giroflier).

Von dieser Myrtacee wird der von der Blütenknospe überragte Kelch unter dem Namen Gewürznägelein (elou de girofle) im Haushalte als Gewürz verwerthet.

Obgleich die Pflanze nach angebauten Exemplaren oft beschrieben und sehr gut abgebildet worden ist, weiss man über ihre Beschaffenheit im wildwachsenden Zustande noch nichts Bestimmtes. In meiner ,,Géo- graphie botanique raisonnée‘ vom Jahre 1855 habe ich diese Frage erörtert, es scheint aber, als ob sie seit- dem nicht weiter vorgeschritten ist, sodass ich mich veranlasst sehe, das früher Gesagte hier zu wiederholen.

Der Gewürznelkenbaum muss, wie Rumphius! dies gesagt hat, auf den Molukken zu Hause sein, denn es beschränkte sich seine Cultur vor zwei Jahrhunderten auf einige kleine Inseln dieses Archipels. Es liegt mir jedoch kein Beweis vor, dass man den echten Gewürz- nelkenbaum mit aromatischen Blütenstielen und Knospen in einem wildwachsenden Zustande angetroffen habe. Ganz als dieselbe Art sieht Rumphius? eine Pflanze an, welche er als Caryophyllum sylvestre beschrieben und abgebildet hat, und die auf allen Molukken spon- tan auftritt. Von einem Eingeborenen hatte er gehört, dass die angebauten Gewürznelkenbäume in diese Form ausarten, und Rumphius hatte selbst einen dieser wilden Gewürznelkenbäume in einer frühern Anpflanzung von eultivirten Gewürznelkenbäumen angetroffen. Seine Ab- bildung 3 unterscheidet sich indessen von Abbildung 1 des angebauten Gewürznelkenbaums durch die Form der

1 Bd. II, S. 3. 2 Bd. IT. Taf. 2.

u DEE ii a | 200 Zweiter Theil. Drittes Kapitel,

Blätter und der Kelchzähne. Von Abbildung 2 spreche ich nicht, die eine Misbildung des angebauten Baumes zu sein scheint. Rumphius sagt, dass der wildwach- sende Gewürznelkenbaum keine aromatische Eigen- schaft besitzt (S. 13); es ist aber bekannt, dass im allgemeinen die wildwachsenden Individuen einer Art die aromatischen Eigenschaften in stärkerm Maasse ent- wickelt haben als die angebauten. Sonnerat! veröffent- licht ebenfalls Abbildungen des echten Gewürznelken- baumes und eines unechten von einer kleinen Neuguinea benachbarten Insel. Man sieht sofort, dass sein un- echter Gewürznelkenbaum sich durch die stumpfen Blätter vollständig von dem echten, sowie von den zwei von Rumphius erwähnten Gewürznelkenbäumen unterscheidet. Ich kann mich nicht dazu entschliessen, diese verschie- denartigen Pflanzen, wildwachsende und angebaute, zu vereinigen, wie alle Autoren solches gethan haben.? Ganz insbesondere muss man die im „Botanical Maga- zine“ zugelassene Abbildung 120 von Sonnerat hiervon ausschliessen. In diesem Werke, in dem ,, Dictionnaire d'agriculture“ und in den naturgeschichtlichen Wörter- büchern findet sich eine historische Darlegung der Cul- tur des Gewürznelkenbaums, sowie seiner Uebertragung nach verschiedenen Ländern.

Wenn es sich nach Roxburgh ? bewahrheitet, dass die Sanskritsprache einen Namen Luvunga für die Gewürz- nelke besass, so würde der Handel mit diesem Gewürz aus einer sehr alten Epoche herrühren, selbst dann, wenn man annimmt, dass dieser Name neuern Datums wäre als das echte Sanskrit. Ich bezweifle das wirk- liche Vorhandensein desselben, denn es müssten die Römer von einem Gegenstande Kenntniss gehabt haben, dessen Versendung eine so leichte war, und es scheint

1 Sonnerat, Voy. Nouv.-Guinée, Taf. 19 und 20.

2 Thunberg, Diss., II, 326; de Candolle, Prodr., III, 262; Hooker, Bot. Mag., Taf. 2749; Hasskarl, Cat. h. Bogor. alt., S. 261.

3 Roxburgh, Flora indica, 1832, II, 494.

4

Hopien.. 201

nicht, als ob dieses Gewürz vor der Entdeckung der Molukken durch die Portugiesen nach Europa gelangte.

Humulus Lupulus, Linné. Hopfen (fr. Houblon).

Der Hopfen ist in Europa von England und Schweden bis zu den Gebirgen der Mittelmeerregion, und in Asien bis nach Damascus, bis zum Süden des Kaspisees und des östlichen Sibirien wildwachsend!, man hat ihn aber weder in Indien, noch in Nordchina und der Amur- region gefunden.?

Trotzdem alle Anzeichen für die vollständig wild- wachsende Beschaffenheit des Hopfens in Europa und zwar in von Culturen weit entfernten Localitäten vor- handen sind, hat man sich dennoch bisweilen gefragt, ob derselbe nicht ursprünglich von Asien stamme.? Ich glaube nicht, dass man dies beweisen kann, halte es nicht einmal für wahrscheinlich. Der Umstand, dass die Griechen und Lateiner nicht von der Verwendung des Hopfens zum Bier gesprochen haben, erklärt sich leicht durch die Thatsache, dass sie dieses Getränk nur oberflächlich kannten. Wenn die Griechen die Pflanze nicht erwähnt haben, so findet dies seine Begründung vielleicht darin, weil sie in ihrem Lande selten ist. Nach dem italienischen Namen Lupulo muthmaasst man, dass Plinius im Anschluss an andere Gemüse von ihm unter dem Namen Lupus salictarius gesprochen hat.*

1 Alph. de Candolle, im Prodromus, XVI, 29; Boissier, Fl. orient., IV, 1152; Hohenacker, Enum. plant. Talysch, S. 30; Buhse, Aufzählung Transcaucasiens, S. 202.

2 „Das Vaterland des Hopfens (Humulus Lupulus) muss in folgender Weise vervollständigt werden: Nach einem Briefe des Herrn Maximowicz vom 19. October 1882 ist die Art auf der Insel Yezo wildwachsend, des- gleichen, amerikanischen Autoren zufolge, in den östlichen Vereinigten Staaten. Durch eine recht ärgerliche Umstellung meiner Notizen wurde ich früher veranlasst, im Prodromus zu sagen, dass die Art, Asa Gray zufolge, dort nicht spontan sei, und ich habe diesen Irrthum in dem vor- liegenden Werke wiederholt. Es ist somit der Humulus Lupulus den Arten beizufügen (III. Theil, 2. Kapitel, 1. Artikel), welche der Alten und der Neuen Welt gemeinsam angehören.“ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerk.)

3 Hehn, Nutzpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien, 3. Aufl., S. 415.

4 Plinius, Hist., 1.21, c. 15. Er erwähnt an dieser Stelle den Spargel, en weiss, dass die jungen Hopfentriebe in ähnlicher Weise gegessen werden.

7 a Fr. + À a" À

202 Zweiter Theil. Drittes Kapitel.

Dass der Gebrauch des Brauens mit Hopfen sich erst ım Mittelalter verbreitet hat, beweist nichts, oder auch nur, dass man früher andere Pflanzen hierzu verwen- dete, wie dies in gewissen Gegenden noch zu geschehen pflegt. Die Kelten, die Germanen, andere Völker des Nordens und selbst Völker des Südens, welche die Weinrebe besassen, brauten Bier! aus Gerste oder an- dern gegohrenen Körnern, und setzten in gewissen Fällen verschiedene vegetabilische Stoffe, z. B. Eichenrinde, Rinde von Tamarix oder Früchte von Myrica Gale hinzu.” Es ist sehr möglich, dass sie die Vorzüge des Hopfens nicht frühzeitig bemerkten, und dass sie, nach- dem ihnen dieselben bekannt geworden waren, zunächst den wildwachsenden Hopfen hierzu gebrauchten, ehe sie daran dachten, denselben anzubauen. In einem Schen- kungsacte seitens Pipin’s, Vater Karl’s des Grossen, vom Jahre 768, findet sich die erste Erwähnung eines Hopfengartens.” Schon im 14. Jahrhundert war dies eine in Deutschland wichtige Cultur, in England hat sie erst unter Heinrich VIII. angefangen.

Die volksthümlichen Namen für den Hopfen liefern gewissermaassen nur negative Angaben über den Ur- sprung. Es gibt keinen Sanskritnamen ÿ, was mit dem Fehlen der Art in der Himalajaregion übereinstimmt, und zur Annahme berechtigt, dass die arischen Völker ihn nicht bemerkt und verwerthet hatten. Früher® habe ich einige europäische Namen angeführt und auf ihre Verschiedenartigkeit hingewiesen, obgleich es unter ihnen welche gibt, die von ein und derselben Quelle ihren Ursprung ableiten können. Hehn hat ihre Ety- mologie als Philolog behandelt und nachgewiesen, wie dunkel dieselbe ist; er hat aber nicht die von. Humle,

1 Tacitus, Germania, c.25; Plinius, 1.18, c. 7; Hehn, Kulturpflanzen u. 8. w., 3. Aufl., S. 125—137.

2 Volz, Beiträge zur Culturgeschichte, S. 149.

3 Volz, ebend.

4 Beckmann, Erfindungen, von Volz citirt.

5 Piddington, Index; Fick, Wörterbuch d. indo-germ. Sprachen, I, Ursprache.

6 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 857.

Färber-Saflor, Bastardsafran. 205

Hopf oder Hop und Chmeli weit entfernten Namen der skandinavischen, gothischen und slawischen Sprachen erwähnt, z. B. Apini im Lettischen, Apwynis im Li- thauischen, Zap im Esthnischen, Blust im Illyrischen !, die augenscheinlich auf andere Wurzeln zurückzuführen sind. Diese Verschiedenartigkeit trägt zur Bekräfti- gung der Ansicht bei, dass die Art vor Ankunft der arischen Völker in Europa vorkam. Mehrere verschie- dene Völkerschaften dürften die Pflanze nach und nach unterschieden, benannt und verwerthet haben, was die Ausdehnung in Europa und in Asien vor dem wirth- schaftlichen Gebrauch bestätigt.

Carthamus tinctorius, Linné. Färber-Saflor, Bastard- safran (fr. Carthame).

Der Färber-Saflor, eine einjährige Composite, gehört zu den ältesten angebauten Arten. Ihre Blumen dienen zum Gelb- oder Rothfärben, und aus dem Samen ge- winnt man Oel.

Die Bänder, welche die Mumien der alten Aegypter umhüllen, sind mit dem Bastardsafran gefärbt?, und ganz vor kurzem hat man in den bei Deir el Bahari? entdeckten Grabdenkmälern Ueberreste der Pflanze auf- gefunden. In Indien muss die Cultur ebenso alt sein, weil zwei Sanskritnamen, Cusumbha und Kamalottara, angegeben werden, von welchen der erste mehrere Ab- kömmlinge in den der Jetztzeit angehörigen Sprachen der Halbinsel zurückgelassen hat.* Die Chinesen er- hielten den Färbersaflor erst im 2. Jahrhundert v. Chr. Chang-kien war es, welcher ihnen denselben von Bak- trien brachte.ÿ Die Griechen und Lateiner kannten ihn wahrscheinlich nicht, denn es ist sehr zweifelhaft, dass die Pflanze damit gemeint ist, welche sie als Cnikos

1 Dictionnaire manuscrit compilé d’après les flores, par Moritzi.

2 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 47.

3 Schweinfurth, in einem an Herrn Boissier gerichteten Briefe von 1332. 4 Piddington, Index.

5 Bretschneider, Study and value etc., S. 15.

ee 1

204 Zweiter Theil. Drittes Kapitel.

oder Cnicus bezeichneten.! Später trugen die Araber sehr zur Verbreitung der Cultur des Färbersaflors bei; sie nennen denselben Qorton, Kurtum, woraus Carthame, oder Usfur, Ihridh oder Morabu?, und aus dieser Ver- schiedenartigkeit kann man auf ein altes Vorkommen in mehreren Ländern des westlichen Asiens oder Afrikas schliessen. Die Fortschritte in der Chemie stehen dieser Cultur wie vielen andern drohend entgegen; sie findet sich aber noch in Südeuropa, im Orient, in Indien und in der ganzen Nilregion.?

Von keinem Botaniker wurde der Färber-Saflor in einem wirklich spontanen Zustande angetroffen. Die Autoren führen ihn mit einem gewissen Zweifel für In- dien oder Afrika, ganz besonders für Abessinien als ursprünglich einheimisch an, doch haben sie ihn ent- schieden nur im angebauten Zustande gesehen, oder als eine dem Anscheine nach den Culturen entsprungene Pflanze.* Herr Clarkeÿ, früher Director des Kalkutta- Gartens, welcher vor kurzem die indischen Compositen einer Revision unterworfen hat, lässt die Art nur als angebaute zu. In der von Schweinfurth und Ascherson ® veröffentlichten summarischen Uebersicht der gegen- wärtigen Kenntnisse über die Pflanzen der Nilregion mit Einschluss von Abessinien, findet sich die Art eben- falls nur als angebaut verzeichnet, und die Pflanzen- listen der unlängst von Rohlfs ausgeführten Reise er- wähnen ebenso wenig den wildwachsenden Färber-Saflor. 7

Da die Art weder in Indien noch in Afrika wild- wachsend angetroffen wurde, ihr Anbau jedoch seit Jahrtausenden in diesen zwei Ländern betrieben wird, so verfiel ich auf den Gedanken, ihren Ursprung in der

1 Vgl. Targioni, Cenni storici, S. 108.

2 Forskal, Flora Aegypt., S. 73; Ebn Baithar, deutsche Uebers., I, 18; II, 196, 293.

3 Vgl. Gasparin, Cours d’agriculture, IV, 217.

4 Boissier, Fl. orient., III, 710; Oliver, Flora of tropical Africa, III, 439.

5 Clarke, Compos. indicae (1876), S. 244.

6 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 283.

7 Rohlfs, Kufra, 1881.

|

Echter Safran. 205

dazwischen liegenden Region zu suchen. In andern Fällen ist dieses Verfahren von Erfolg gewesen. Unglücklicherweise ist das Innere von Arabien fast unbekannt, und Forskal, welcher die Küsten Yemens besucht hat, berichtet uns nichts über den Färber- Saflor. Ganz ebenso verhält es sich mit den Arbeiten, welche von Botta und Bové über die Pflanzen ver- öffentlicht wurden. Ein Araber aber, Abu Anifa, auf welchen Ebn Baithar, ein Schriftsteller des 13. Jahrhun- derts, hinweist, hat sich folgendermaassen ausgedrückt!: „Usfur. Diese Pflanze liefert Material zum Gerben. Es gibt davon zwei Sorten, eine angebaute und eine wildwachsende, welche alle beide in Arabien vor- kommen, und deren Samen man Elkurthum nennt.“ Es ist immerhin möglich, dass Abu Anifa recht gehabt hat.

Crocus sativus, Linne. Echter Safran (fr. Safran).

Die Cultur des Safrans ist im westlichen Asien eine sehr alte. Die Römer lobten den Safran von Cilicien: sie zogen ihn dem in Italien angebauten vor.” Klein- asien, Persien und Kaschmir sind seit langer Zeit die Länder, welche am meisten davon ausführen. Indien erhält gegenwärtig seinen Safranbedarf von Kaschmir.’ Roxburgh und Wallich erwähnen die Pflanze nicht in ihren Werken. Die zwei von Piddington * angeführten Sanskritnamen bezogen sich wahrscheinlich auf die von

"Westen eingeführte Safransubstanz, denn der Name

Kasmira-jamma scheint das Heimatsland Kaschmir an- zudeuten. Der andere Name ist Kunkuma. Gemeinig- lich wird das hebräische Wort Karkom durch Safran übersetzt, nach dem jetzigen Namen für den Färber- Saflor im Arabischen dürfte es sich aber eher auf diese Pflanze beziehen. Ausserdem wird der Safran weder in Aegypten noch in Arabien angebaut.” Der griechische

1 Ebn Baithar, II, 196. 2 Plinius, 1. 21, c. 6.

3 Royle, Ill. Himal., S. 372. 4 Index, S. 25.

5 Nach Forskal, Delile, Reynier, Schweinfurth und Ascherson (Auf- zählung).

206 Zweiter Theil. Drittes Kapitel.

Name ist Krokos.! Safran, welches sich in allen neuern Sprachen Europas wiederfindet, stammt von dem ara- bischen Sahafaran?, Zafran.” Die den Arabern am nächsten stehenden Spanier sagen Azafran. Der ara- bische Name selbst kommt von Assfar, gelb.

Zuverlässige Autoren haben den C. sativus in Griechen- land #, in Italien und in den Abruzzen als spontan an- gegeben. Maw, welcher eine auf lange Beobachtungen in Gärten und Herbarien gestützte Monographie der Gattung Crocus vorbereitet, bringt sechs in den Gebirgen von Italien bis Kurdistan wildwachsende Formen zu C. sativus. Nach ıhm® ist keine derselben mit der an- gebauten Pflanze identisch; gewisse, unter andern Na- men (C. Orsinii, C. Cartwrightianus, C. Thomasti) be- schriebene Formen unterscheiden sich aber kaum davon. Sie gehören Italien und Griechenland an.

Die Safrancultur, deren Bedingungen sich in dem „Cours d’agrieulture“ von Gasparin und in dem „Bulle- tin de la Société d’acclimatation“ vom Jahre 1870 dar- gelegt finden, wird in Europa und Asien’ immer sel- tener. Bisweilen wurde durch sie die Naturalisation der Art bewirkt, wenigstens für einige Jahre, und zwar in Gegenden, wo sie dem Anscheine nach wild- wachsend ist.

1 Theophrast, Hist., 1, 6, c. 6.

2 J. Bauhin, Hist., II, 637.

3 Royle, a. a. O.

4 Sibthorp, Prodr.; Fraas, Syn. fl. class., S. 292. 5 J. Gay, angeführt von Babington, Man. Brit. fi. 6 Maw, in: Gardeners’ Chronicle, 1881, Bd. 16.

7 Jacquemont, Voy., III, 238.

Zuckerapfel, Zimmtapfel. | 207

VIERTES KAPITEL.

Ihrer Früchte! wegen angebaute Pflanzen.

Anona squamosa, Linne. Zuckerapfel, Zimmtapfel (engl. Sweet sop, Sugar apple?; fr. Pomme Canelle).

Das Vaterland dieser Art und anderer angebauter Anonen hat Zweifel erweckt, welche ein interessantes Problem bilden. Im Jahre 1855 habe ich mich be- müht, dieselben zu lösen. Die damals von mir fest- gehaltene Meinung findet sich durch die von Reisenden seitdem gemachten Beobachtungen bestätigt, und da es zweckmässig ist, darzuthun, bis zu welchem Punkte auf gute Methoden basirte Wahrscheinlichkeiten zu wirk- lichen Behauptungen führen, will ich das früher Ge- sagte? hier zunächst wiederholen, um dann auf neuere Entdeckungen hinzuweisen.

„Im Jahre 1818 stellte Robert Brown die Thatsache fest, dass alle Arten der Gattung Anona, mit Ausnahme der Anona senegalensis von Amerika kommen, und keine von Asien. Aug. de Saint-Hilaire* sagt, dass «Vellozo zufolge die A. squamosa in Brasilien eingeführt wurde, wo man sie der Aehnlichkeit ihrer Früchte wegen mit Tannenzapfen Pinha nennt, auch Ata, welch letzteres Wort augenscheinlich den für dieselbe Pflanze in Asien gebräuchlichen Namen Attoa und Atis entlehnt ist, und welche orientalischen Sprachen angehören». «Somit», fährt Saint-Hilaire fort, «haben die Portugiesen die A. squamosa von ihren indischen Colonien nach jenen Amerikas gebracht u. s. w.» Als ich 1832 eine Be-

1 Das Wort Frucht wird hier im allgemeinen Sinne für jeden fleischi- gen Theil, welcher sich nach der Blütezeit verdickt, gebraucht. Im streng botanischen Sinne sind die Anonen, Erdbeeren, Acajou-Aepfel, Ananas, die Frucht des Brotfruchtbaums, keine Früchte.

2 In Britisch-Indien Custard apple, dies ist aber in Amerika der Name für Anona muricata. Die À. squamosa findet sich abgebildet in Descour- tilz, Flore des Antilles, II, Taf. 83; Hooker, Botanical Magazine, Taf. 3095 und Tussac, Flore des Antilles, III, Taf. 4.

3 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 859.

4 Aug. de Saint-Hilaire, Plantes usuelles des Brésiliens, 6. Lfg., S. 5.

208 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

arbeitung der Familie der Anonaceen! veröffentlichte, hob ich dabei hervor, wie sehr Brown’s botanische Schlussfolgerung mehr und mehr an Bedeutung zunahm, denn trotz des bedeutenden Zuwachses von beschrie- benen Anonaceen, konnte man keine Anona, selbst nicht einmal eine Anonacee mit verwachsenen Eierstöcken namhaft machen, welche von Asien stammte. Ich liess die Wahrscheinlichkeit zu?, dass die Art von den An- tillen stammte, oder von dem naheliegenden Theile des amerikanischen Continents; durch eine Unachtsamkeit meinerseits schrieb ich Brown diese Ansicht zu, welcher sich darauf beschränkt hatte, einen amerikanischen Ur- sprung im allgemeinen zu beanspruchen. ?

„Seitdem haben verschiedenartige Thatsachen zur Bekräftigung dieses Gesichtspunktes beigetragen.

„Die Anona squamosa ist mit dem Anscheine einer vielmehr naturalisirten Pflanze in Asien wildwachsend gefunden worden; in Afrika und namentlich in Amerika dagegen mit den auf eine im Lande ursprünglich ein- heimische Pflanze hinweisenden Bedingungen. Nach Dr. Royle* ist diese Art in der That in mehreren Gegenden Indiens naturalisirt worden; mit dem An- scheine einer wildwachsenden Pflanze hat er sie nur an den Abhängen des Gebirges, wo sich das Fort Adjee- gurh im Bundlecund befindet, zwischen Tekbäumen an- getroffen. Wenn ein so ansehnlicher Baum in einem von Botanikern derartig‘ erforschten Lande nur in einer einzigen ausserhalb der Culturen gelegenen Localität bemerkt worden ist, liegt die grosse Wahrscheinlichkeit vor, dass er dem Lande nicht ursprünglich angehört. Sir Joseph Hooker hat ihn auf der Insel Santiago des Grünen Vorgebirges gefunden, wo er auf den Hügeln des Thales von Saint-Domingo grössere Bestände aus-

1 Alph. de Candolle, in: Mém. Soc. phys. et d’hist. nat. de Genève.

2 Ebendas.; Separatabdruck, S. 19.

3 Vgl. Botany of Congo und die deutsche mit alphabetischen Tabellen ausgestattete Uebersetzung der Werke Brown’s.

4 Royle, Ill. Himal., S. 60.

PCT,

ns à ii 52 :

Zuckerapfel, Zimmtapfel. 209

macht.! Da die Anona squamosa sich nur im angebauten Zustande auf dem benachbarten Continent antreffen lässt?, dieselbe überdies weder in Guinea von Thon- ning? angegeben wird, noch in Congo, Senegambien ?, Abessinien oder in Aegypten vorkommt, was auf eine Einführung jüngern Datums in Afrika hinweist, da schliesslich die Cap-Verdischen Inseln einen grossen Theil ihrer ursprünglichen Waldungen eingebüsst haben, so glaube ich in diesem Falle an eine Naturalisation, welche durch aus Gärten entsprungene Samen bewerk- stelligt wurde. Die Autoren stimmen in der Aussage überein, dass die Art auf Jamaica wildwachsend ist. Früher hat man die von Sloane® und P. Brown? auf- gestellte Behauptung unberücksichtigt lassen können, dieselbe wird aber von Mac-Fadyen°® bestätigt. Von Martius fand die Art in den Wäldern von Para”, eine Localität, die sicherlich einen ursprünglichen Charakter besitzt. Er sagt sogar: «Sylvescentem in nemoribus paraensibus inveni», woraus man annehmen kann, dass die Bäume für sich selbst einen Wald bildeten. Split- gerber stiess auf die Art in den Wäldern von Suri- nam, doch sagt er an spontanea? Die Menge von Localitäten in diesem Theile Amerikas ist recht be- zeichnend. Es ist wol kaum nöthig, daran zu erinnern, dass kein Baum sozusagen zu gleicher Zeit in dem intertropischen Asien, Afrika und Amerika als wirklich einheimisch angetroffen worden ist.!! Alle meine Unter- suchungen lassen eine ähnliche Thatsache für höchst wenig wahrscheinlich erscheinen, und falls ein Baum kräftig genug wäre, um eine derartige Ausbreitung zu zeigen, müsste er in allen den intertropischen Ländern äusserst gemein sein.

1 Webb, in: Fl. Nigr., S. 97. 2 Ebend., S. 204.

3 Thonning, Plantae Guineenses, 4 Brown, Congo, S. 6. 5 Guillemin, Perrottet et Richard, Tentamen fl. Seneg.

6 Sloane, Jam., II, 168. 7 P. Brown, Jam., S. 257.

8 Mac-Fadyen, FI. Jam., S. 9.

9 De Martius, Fl. Bras., fasc., II, 15.

10 Splitgerber, Nederl. Kruidk. Arch., I, 230.

11 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, Kap. X.

DE CANDOLLE. 14

910 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

„Ausserdem haben sich die historischen und linguisti- schen Beweisgründe zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs vermehrt. Die von Rumphius! gegebenen Details weisen darauf hin, dass die Anona squamosa auf den meisten der Inseln des Indischen Archipels eine neuerdings angebaute Pflanze war. Von Forster wird keine Anonacee auf den kleinen Inseln der Südsee als angebaut angegeben.” Rheede? nennt die A. squa- mosa einen Fremdling für Malabar; ıhm zufolge wurde sie zunächst von den Chinesen und Arabern, dann von den Portugiesen nach Indien gebracht. Gewiss ist es, dass man sie in China und in Cochinchina*, sowie auf den Philippinen anbaut; über den Zeitpunkt, seit wann dies geschieht, wissen wir aber nichts. Zweifelhaft ist es, ob die Araber sie anbauen.®° In Indien wurde sie seit Roxburgh’s Zeiten angebaut’: derselbe hatte die wildwachsende Art nicht gesehen und erwähnt auch nur einen volksthümlichen Namen neuerer Sprache (des Bengalischen), nämlich Afa, welcher sich schon bei Rheede findet. Später glaubte man in Gunda-Gatra einen Sanskritnamen zu erkennen°; als jedoch Dr. Royle? den berühmten Wilson, Verfasser des Sanskritwörter- buchs, in Bezug auf diesen Namen zu Rathe zog, wies dieser darauf hin, dass derselbe von Sabda chanrika, einer Zusammensetzung von verhältnissmässig

1 Rumphius, I, 139. 2 Forster, Plantae esculentae,

3 Rheede, Malab., III, 22.

4 Loureiro, Fl. coch., S. 427. 5 Blanco, Fl. Filip.

6 Das hängt von der Meinung ab, welche man sich über die A. glabra, Forsk. (A. asiatica, B. Dun., Anon., S. 71; A. Forskalü, D.C., Syst., I, 472) bildet, die zuweilen in den Gärten Aegyptens unter dem Namen Keschta, d. h. geronnene Milch, angebaut wurde, als Forskal dieses Land besuchte. Die Seltenheit ihres Anbaues und das Stillschweigen der alten Autoren deuten an, dass dies in Aegypten eine Einführung neuern Da- tums war. Ebn Baithar (deutsche Uebers. von Sontheimer, 2 Bde., 1840), ein arabischer Arzt des 13. Jahrhunderts, spricht von keiner Anonacee und erwähnt den Namen Xeschta nicht. Ich sehe nicht, wie Forskal’s Be- schreibung und Abbildung (Deser., S. 102, Ic. Taf. 15) von der À. squa- nıosa abweichen. Das Exemplar von Coquebert, auf welches im „Systema“ hingewiesen wird, stimmt mit der Abbildung von Forskal ziemlich über- ein; da sich dasselbe aber im Blühen befindet, die Abbildung dagegen die Frucht darstellt, so kann die Identität nicht gut nachgewiesen werden.

7 Roxburgh, Fl. ind., 1832, II, 657. 8 Piddington, Index, S. 6.

9 Royle, Ill. Himal., S. 60.

|

Ente; a 2 r . -

‚Zuckerapfel, Zimmtapfel. | 211

4 neuerm Datum genommen sei. Die Namen Afa und Ati finden sich bei Rheede und Rumphius.! Dies diente wahrscheinlich Saint-Hilaire zur Grundlage seiner Beweisführung; jedoch wird in Mexico ein sehr ver- wandter Name für die Anona squamosa gebraucht, nämlich Ate, Ahate de Panucho; derselbe findet sich bei Her- nandez? mit zwei ziemlich gleichen und recht mittel- mässigen Abbildungen, die man mit Dunal? entweder auf die A. squamosa, oder mit Martius® auf die A. Cherimolia beziehen kann. Oviedo gebraucht den Na- men Anon.° Es ist immerhin sehr möglich, dass der Name Ata nach Brasilien von Mexico und den Nach- barländern gelangte. Ich gebe freilich zu, dass er auch von den portugiesischen Colonien in Ostindien kommen kann. Von Martius sagt allerdings, dass die Art von den Antillen eingeführt wurde.° Es ist mir nicht be-

. kannt, ob er Beweise hierfür gehabt hat, oder ob er seine Aussage auf das Werk von Oviedo stützt, welches er anführt, das mir aber nicht zur Verfügung steht. Der ‚hierauf bezügliche, in Marcgraf’s Werk”? übertragene Ab- schnitt von Oviedo’ gibt eine Beschreibung der Art, ohne von ihrem Ursprunge zu sprechen.

„Alle Thatsachen zusammengenommen sprechen mehr und mehr zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs. Die Wälder von Para sind die Localität, wo die Art am meisten den Charakter einer spontanen Pflanze an- genommen hat. Ihre Cultur ist in Amerika eine alte, indem Oviedo einer der ersten Autoren ist (1535), welche über dieses Land berichtet haben. Zweifelsohne ist ihre Cultur auch in Asien eine recht alte, wodurch ein seltsames Problem entsteht. Es liegen mir jedoch keine Beweise vor, dass diese asiatische Cultur vor der Entdeckung Amerikas datirt, und scheint mir überdies,

1 Rheede und Rumphius, I, 139. 2 Hernandez, S. 348 und 454.

3 Dunal, M&m. Anon., S. 70. 4 De Martius, Fl. bras., fasc. 2, S 15.

5 Davon kommt der Gattungsname Anona, welchen Linné in Annon« (Vorrath) umwechselte, weil er keinen Namen aus barbarischen Sprachen zuliess und Wortspiele nicht fürchtete.

6 De Martius, a. a. O. 7 Marcgraf, Brasil., S. 94.

14*

ORNE EN

212 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

dass ein Baum mit so wohlschmeckenden Früchten sich mehr in der Alten Welt verbreitet haben würde, wenn er daselbst von Anfang an vorgekommen wäre. Bei der Voraussetzung eines altweltlichen Ursprungs würde man überdies sehr in Verlegenheit sein, für seinen An- bau in Amerika zu Anfang des 16. Jahrhunderts eine Erklärung zu finden.“

So weit meine frühern Auseinandersetzungen; jetzt lasse ich die von verschiedenen Autoren später ver- öffentlichten Thatsachen folgen.

1. Die Schlussfolgerung, dass keine Art der Gattung Anona asiatisch sei, ist von grösserer Bedeutung als je. Die A. asiatica, Linné, beruhte auf Irrthümern (siehe meine Anmerkung in „Geogr. bot.“, S. 862). Die A. obtusifolia, Tussac (,Fl. des Antilles“, I, 191, Taf. 28), welche früher in San-Domingo als eine Pflanze asiati- schen Ursprungs angebaut wurde, begründet sich viel- leicht auf einen Irrthum. Ich vermuthe, dass man die Blume einer Art (A. muricata) und die Frucht einer andern (A. squamosa) abgebildet hat. Anonen sind keineswegs in Asien entdeckt worden, dagegen kennt man gegenwärtig statt einer oder zwei! vier oder fünf in Afrıka und eine beträchtlichere Anzahl als ehemals in Amerika.

2. Die Autoren neuerer Floren von Asien tragen kein Bedenken, die Anonen und besonders die A. squamosa, welche man hier und da anscheinend spontan antrifft, als eine in der Nähe von Culturen und europäischen Niederlassungen naturalisirte Pflanze anzusehen.?

3. In den neuen, schon angeführten afrikanischen Floren sind die A. sguamosa und die andern, von wel-

1 Vgl. Baker, Flora of Mauritius, S. 3. Die von Oliver, Flora of trop. Africa, I, 16, zugelassene Identität von A. palustris von Amerika mit derjenigen von Senegambien scheint mir sehr merkwürdig, obgleich es sich um eine Art handelt, welche in den Sümpfen wächst, d.h. einen weiten Wohnsitz darbietet.

2 Hooker, Flora of Brit. India, I, 78; Miquel, Flora Indo-Batava, I, Thl. 2, S.33; Kurz, Forest Flora of Brit. Burma, I, 46; Stewart and Bran- dis, Forest of India, S. 6.

Stacheliger Flaschenbaum. 215

chen ich gleich sprechen werde, immer als angebaute Arten angegeben.

4. Der Gärtner Mac Nab hat die A. squamosa in den trockenen Ebenen Jamaicas! gefunden, was als eine Bestätigung der alten Autoren anzusehen ist. Eggers? sagt, dass diese Art in den Dickichten der Insel Sainte-Croix und der Jungferninseln gewöhnlich ist. Mir ist es nicht bekannt, dass man sie auf Cuba wild- wachsend gefunden habe.

5. Auf dem amerikanischen Continent führt man sie als angebaut an.” Von Andre erhielt ich indessen ein Exemplar von einer steinigen Localität des Magdalena- thals, welche zu dieser Art zu gehören und spontane Eigenschaften zu besitzen scheint. Durch das Fehlen der Frucht wird die Bestimmung zweifelhaft. Es ist, nach der Anmerkung auf dem Etikett, eine köstliche Frucht, die mit der von A. squamosa übereinstimmt. Warming * führt für Lagoa-Santa in Brasilien die Art als angebaut an. Sie scheint somit in Para, Guyana und in Neugranada infolge der Culturen eher angebaut oder naturalisirt zu. sein.

Man kann schliesslich, will mir scheinen, kaum daran zweifeln, dass sie nicht von Amerika und ganz beson- ders von den Antillen stammt.

Anona muricata, Linne. Stacheliger Flaschenbaum (engl. Sour sop, fr. Corossol).

Dieser nach allen Colonien der Tropenländer ein- geführte Fruchtbaum ist auf den Antillen wildwach- send; wenigstens hat man sein Vorkommen auf den In- seln Cuba, San-Domingo, Jamaica und mehreren der klei- nern Inseln nachgewiesen.° Auf dem südamerikanischen

1 Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 5.

2 Eggers, Flora of Sainte-Croix and Virgin-Islands, S-128:

3 Triana et Planchon, Prodr. fl. novo-granatensis, S.29; Sagot, Journ. soc. d’hortic., 1872.

4 Warming, Symbolae ad fl. bras., XVI, 434.

5 Abgebildet in Descourtilz, F1. méd. des Antilles, II, Taf. 87, und in Tussac, FI. des Antilles, II, Taf. 24.

6 Richard, Plantes vasculaires de Cuba, S. 29; Swartz, Obs., S. 221;

214 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Festlande findet man ihn zuweilen in der Nähe mensch- licher Niederlassungen naturalisirt.! Ed. Andre sammelte davon Exemplare in der Caucaregion und Neugranada; er behauptet freilich nicht, dass dieselben von spon- tanen Pflanzen kommen, und ich sehe, dass Triana (Prodr. fl. granat.) den Baum nur als angebaut anführt.

Anona reticulata, Linné. Netzförmiger Flaschen- baum (im Engl. Custard apple [auf den Antillen], Bul- lock’s Heart [in Indien]; fr. Cœur de bœuf).

Diese in Descourtilz, ,, Flore médicale des Antilles“, 2, Taf. 82, und im „Botanical Magazine“, Taf. 2912, abgebildete Anona ist auf den Antillen spontan, z. B. auf den Inseln Cuba, Jamaica, Saint-Vincent, Guadeloupe, Santa-Cruz, der Insel Barbadoes’, ferner auf der Insel Taboga in der Bai von Panama? und in der Provinz Antioquia Neugranadas.* Wenn sie in diesen letztern Localitäten ebenso wildwachsend auftritt wie auf den Antillen, so erstreckt sich ihr Wohnsitz wahrscheinlich nach mehreren Staaten Centralamerikas und Neu- granadas.

Obgleich die Art ihrer Früchte wegen wenig geschätzt wird, hat man sie doch nach den meisten der Colonien tropischer Regionen eingeführt. Rheede und Rumphius hatten sie schon in den Anpflanzungen Südasiens ange- troffen. Nach Welwitsch naturalisirt sie sich ausserhalb der Gärten Angolas im westlichen Afrika”, und das- selbe ist in Britisch-Indien eingetreten.®

Anona Cherimolia, Lamarck. Tschirimajabaum (fr. Cherimolia).

P. Brown, Jamaïque, S. 255; Mac-Fadyen, Fl. Jamaiq., S. 7; Eggers, Fl. of Sainte-Croix, S. 23; Grisebach, F1. Brit. W. India, S. 4.

1 Martius, Fl. Brasil., fasc. 2, S. 4; Splitgerber, Plant. de Surinam, in: Nederl. Kruidk. Arch., I, 226.

2 Richard, a. a. O.; Mac-Fadyen, a. a. O.; Grisebach, a. a. O.; Eggers a. à. O.; Swartz, Obs., S. 222; Maycock, Fl. Barbad., S. 233.

3 Seemann, Botany of Herald, S. 75.

4 Triana et Planchon, Prodr. Fl. Novo-Granatensis, S. 29,

5 Oliver, Flora of tropical Africa, I, 15.

6 Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, I, 78.

4

Tschirimajabaum. 215

Die Cherimolia oder Chirimoya wird trotz ihrer vor- züglichen Frucht in den Colonien nicht so allgemein angebaut wie die vorhergehenden Arten. Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum man von der Frucht noch nicht einmal eine weniger schlechte Abbildung als die von Feuillee (Obs. 3, Taf. 17) veröffentlicht hat, während die Blume im ,,Botanical Magazine“, Taf. 2011, unter dem Namen von A. tripetala gut ab- gebildet ist.

Ich lasse das im Jahre 1855 von mir über den Ur- sprung der Art Gesagte hier folgen!:

„Der Tschirimajabaum wird von Eamarck und Dunal als in Peru wachsend angegeben; Feuillée aber, welcher zuerst von ihm spricht”, erwähnt ihn nur als angebaut. Mac-Fadyen®? sagt, dass dieser Baum auf den Bergen von Port-Royal in Jamaica häufig ist; er fügt aber hinzu, dass Peru das ursprüngliche Vaterland ist, und die Einführung nach jener Insel schon seit langer Zeit stattgefunden haben muss; danach gewinnt es den An- schein, als ob die Art in den Plantagen der höher ge- legenen Theile eher angebaut wird als spontan ist. Sloane erwähnt diese Art nicht. Humboldt und Bon- pland haben sie in Venezuela und Neugranada ange- baut gesehen; Martius in Brasilien , wo man die Samen von Peru erhalten hatte. Die Art wird auf den Cap- Verdischen Inseln und an der Guineaküste angebaut’;

es scheint aber nicht, als ob man sie in Asien ver-

breitet habe. Ihr amerikanischer Ursprung steht ausser allem Zweifel. Ich möchte indessen nicht weiter gehen und behaupten, dass eher Peru als Neugranada, oder selbst Mexico als ihr Vaterland anzusehen ist. Wahr- scheinlich wird man sie in einer dieser Regionen wild- wachsend antreffen. Meyen hat sie nicht von Peru gebracht.‘ 5

1 A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 863.

2 Feuillee, Obs., TIL, 23, Taf. 17. 3 Mac-Fadyen, Fl. Jam., S. 10. 4 De Martius, F1 bras., "fasc. 3,815: 5 Hooker, F1. Nigr., S. 205. 6 Nov. act. nat. CUT, REX, Suppl.

216 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Dank einer freundlichen Mittheilung des Herrn André sind meine Bedenken jetzt mehr geschwunden. Zunächst will ich erwähnen, dass ich Exemplare von Mexico ge- sehen habe, die von Botteri und von Bourgeau gesam- melt waren, und dass die Autoren die Art oft für diese Region, für die Antillen, Centralamerika und Neugranada angeben. Sie sagen freilich nicht, dass sie dort wild- wachsend auftritt, im Gegentheil bemerken sie, dass sie angebaut wird, den Gärten entspringt und sich natura- lisırt.! Von Grisebach wird die Bestätigung gegeben, dass sie von Peru bis nach Mexico spontan ist, Be- weise hierfür liefert er allerdings nicht. Andre hat in einem Thale des Südwestens von Ecuador Exemplare gesammelt, die gewiss dieser Art angehören, soweit sich dies eben, ohne die Früchte zu sehen, behaupten lässt. Er sagt nichts über die spontane Beschaffenheit, doch da er in andern Fällen mit grosser Sorgfalt die angebauten Pflanzen oder solche, welche sich vielleicht den Culturen entzogen haben, angibt, so glaube ich, dass er seine Exemplare auf wildwachsende Bäume zu- rückführt. Claude Gay berichtet, dass die Art seit undenklichen Zeiten in Chile angebaut wird.” Indess schweigt Molina hierüber, der doch mehrere Frucht- bäume der alten Culturen des Landes erwähnt hat.?

Alles zusammengerechnet, halte ich es für sehr wahr- scheinlich, dass die Art in Ecuador zu Hause ist, und vielleicht auch in dem Nachbarstaate, in Peru.

Citrus, Linne. Orangen- und Citronenbäume (fr. Orangers et citronniers).

Die verschiedenen in den Gärten angebauten Formen von Citronen, Limonen, Orangen, Pompelmusen u. s. w. haben einigen Gärtnern, unter welchen Gallesio und

1 Richard, Plant. vascul. de Cuba; Grisebach, Fl. Brit. W. Ind. Islands; Hemsley, Biologia centrali-amer., S. 118; Kunth, in: Humb. et Bonpland. Nova Gen., V, 57; Triana et Planchon, Prodrom. fl. Novo-Granat., S. 28.

2 Gay, Flora chil., I, 66.

3 Molina, französische Uebersetzung.

ET LL

é Orangen- und Citronenbäume. >17

Risso ! in erster Reihe zu nennen sind, zu bemerkens- werthen Arbeiten Veranlassung gegeben. Die Schwierig- keiten waren sehr grosse, um so viele Formen zu be- obachten und zu klassificiren. Recht gute Resultate wurden erzielt, doch muss man zugeben, dass die an- gewendete Methode auf falscher Basis ruhte, insofern die beobachteten Gewächse ausschliesslich angebaute waren, d. h. mehr oder minder der Kunst ihr Dasein verdankten, und in gewissen Fällen vielleicht als Ba- starde sich hinstellten. Die Botaniker sind jetzt glück- licher. Dank den Entdeckungen der Reisenden in Bri- tisch-Indien vermögen sie jetzt spontane, und somit wirkliche, natürliche Arten zu unterscheiden. Nach Sir Joseph Hooker?, welcher selbst in Indien botanisirt hat, verdankt man Brandis? die beste Arbeit über die Citrusarten dieser Region. Er folgt ihm in seiner Flora, und in Ermangelung einer monographischen Arbeit über die Gattung werde ich hier dasselbe thun, will da- bei auch bemerken, dass eine Arbeit, in welcher die seit zwei Jahrhunderten in Gärten beschriebenen und abgebildeten Formen so gut wie, es eben geht auf spontane Arten zurückgeführt werden, auszuführen noch übrigbleibt.*

Dieselben Arten und vielleicht noch andere kommen wahrscheinlich im wildwachsenden Zustande in Cochin- china und China vor; dies ıst aber noch nicht an Ort und Stelle, und ebenso wenig vermittelst solcher Exemplare nachgewiesen worden, die von Botanikern untersucht wurden. Vielleicht werden die wichtigen Arbeiten des Herrn Pierre, deren Publication bereits

1 Gallesio, Traité du Citrus (Paris 1811); Risso et Poiteau, Histoire naturelle des Orangers (1818), 109 Tafeln.

2 Hooker, Flora of British India, I, 515.

3 Stewart and Brandis, The forest of North-West and Central India, S.50.

4 Um eine derartige Arbeit zu erzielen, müssten zunächst gute Ab- bildungen der wildwachsenden Arten veröffentlicht werden, und dabei würde auf ihre Früchte, welche man in den Herbarien nicht antrifft, be- sondere Aufmerksamkeit zu verwenden sein. Dann würde es uns ermög- licht, zu sagen, welche in den Abbildungen von Risso, Duhamel und An- dern sich am meisten den wildwachsenden Typen nähern.

a Lie 2

218 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

begonnen hat, uns darüber Kunde bringen, wie es sich in Bezug auf Cochinchina verhält. Was China betrifft, so will ich hier einen Ausspruch des Dr. Bretschneider! als von besonderm Interesse wegen der eingehenden Kenntnisse des Autors anführen: „Die Orangen, welche sich in China in grosser Mannichfaltigkeit finden, wer- den von den Chinesen unter die wildwachsenden Früchte gebracht. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die meisten‘ derselben einheimisch sind und seit altersher angebaut werden. Dies findet darin seinen Beweis, dass jede Art oder Varietät einen besondern Namen hat, ausserdem in den meisten Fällen durch ein besonderes Schrift- zeichen dargestellt wird und in dem Shu-king, Rh-ya und andern alten Werken erwähnt ist.“

Die Samen der Aurantiaceen werden durch Menschen und Vögel ausgestreut, und in dieser Thatsache finden wir eine Erklärung für die Ausdehnung ihrer Wohn- plätze, für ihre Naturalisation in den heissen Regionen der Alten und Neuen Welt. In Amerika hat sich dies seit dem 1. Jahrhundert nach der Eroberung”? gezeigt, und heutzutage haben sich sogar im Süden der Ver- einigten Staaten Orangenwälder gebildet.

Citrus decumana, Willdenow. Pompelmus, Para- diesapfel (engl. Shaddock; fr. Pompelmouse).

Ich will zunächst von dieser Art sprechen, weil sie einen botanisch deutlichern Charakter darbietet als die übrigen. Sie bildet sich zu einem grössern Baume heran, und ist die einzige, deren junge Triebe und un- tere Seite der Blätter mit Flaumhaaren bekleidet sind. Die Frucht ist kugelförmig oder fast so, grösser als eine Orange, zuweilen ebenso gross wie der Kopf eines Menschen. Der Saft besitzt eine ziemliche Säure, die Schale ist auffallend dick. Gute Abbildungen der Frucht

1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, S. 5. >

t

Acosta, Hist. nat. des Indes, französische Uebersetzung, 1598, S. 187.

Pompelmus, Paradiesapfel. 219

finden sich im neuen Duhamel, VII, Fig. 42, und in Tussac, „Flore des Antilles‘, II, Fig. 17, 18.

Die Menge der Varietäten im Archipel des Südens von Asien weist auf eine alte Cultur hin. Bisjetzt kennt man noch nicht in ganz bestimmter Weise das ursprüngliche Vaterland, weil die anscheinend einheimi- schen Individuen den infolge eines häufigen Anbaues hervorgerufenen Naturalisationen ihr Dasein verdanken können. Roxburgh berichtet, dass man in Kalkutta die Art von Java erhalten hattel, und Rumphius ? glaubte, dass sie im südlichen China zu Hause wäre. Weder er noch neuere Botaniker haben sie ım wild- wachsenden Zustande auf dem Indischen Archipel an- getroffen.” In China hat die Art einen einfachen Na- men, Ya; das charakteristische Schriftzeichen® erscheint aber für eine wirklich einheimische Pflanze zu ver- wickelt. In China und Cochinchina ist dieser Baum nach Loureiro recht gewöhnlich, womit freilich nicht gesagt sein soll, dass er dort spontan ist.” Die meisten Anzeichen eines wildwachsenden Daseins findet man auf den Inseln im Osten des Indischen Archipels. Schon früher sagte Forster® von dieser Art: „sehr gemein auf den Freundschaftsinseln“. Für die Fidschi-Inseln ist Seemann’? noch bestimmter, indem er sagt: „äusserst gemein und an den Flussufern sich hinziehend“.

Es wäre sehr seltsam, dass sich ein im ganzen süd- lichen Asien so vielfach angebauter Baum bis zu diesem Punkte auf gewissen Inseln der Südsee naturalisirt hätte, während das anderswo kaum beobachtet worden ist. Wahrseheinlich ist er dort einheimisch, was aller- dings nicht ausschliesst, dass man ihn möglicherweise

1 Roxburgh, Flora indica (1832), III, 393.

2 Rümphius, Hortus amboinensis, II, 98.

3 Miquel, Flora indo-batava, Bd. I, Thl. 2, S. 526.

4 Bretschneider, a. a. O.

5 Loureiro, F1. Cochinch., II, 572. Für eine andere Art der Gattung rg es wohl zu betonen, dass sie spontan und nicht angebaut ist,

6 Forster, De plantis esculentis oceani australis, S. 35.

7 Seemann, Flora Vitiensis, S. 33.

220 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

auch auf andern, Java näher gelegenen Inseln wild- wachsend antreffen wird.

Der Name Pompelmus ist holländisch (Pompelmoes). Die Benennung Shaddock erfolgt nach einem Kapitän dieses Namens, welcher der erste war, der die Art nach den Antillen brachte.!

Citrus medica, Linne. Agrume, gemeiner Citronen- oder Cedratbaum (fr. Cédratier, Citronnier, Limonier).

Dieser Baum, wie auch der gewöhnliche Orangen- baum, ist in allen seinen Theilen unbehaart. Seine mehr längliche als breite Frucht wird bei den meisten der Varietäten von einer Art Warze überragt. Der Saft ist mehr oder minder sauer. Die jungen Triebe und die Blumenblätter nehmen häufig eine röthliche Färbung an; die Fruchtschale ist oft voller Beulen und bei ge- wissen Untervarietäten sehr dick.?

Brandis und Sir Joseph Hooker unterscheiden vier angebaute Varietäten:

1. Citrus medica, die eigentliche Art (Cedratier der Franzosen; Citron der Engländer; Cedro der Italiener); mit grosser, nicht sphärischer Frucht, deren sehr aromatische Schale mit Beulen bedeckt ist, und deren spär- licher Saft keine grosse Säure besitzt. Nach Brandis hiess sie im San- skrit Vijapüra.

2. Citrus medica Limonum (Citronnier der Franzosen; Lemon der Eng- länder); die nicht sphärische Frucht von mittlerer Grösse, Saft reichlich und sauer.

3. Citrus medica acida (C. acida, Roxburgh); kleine Blume, Frucht meistens klein, von veränderlicher Form, sehr sauerer Saft. Nach Brandis hiess sie im Sanskrit Jambira.

4. Citrus medica Limetta (C. Limetta und ©. Lumia von Risso); Blumen denen der vorhergehenden Varietat ähnlich, Frucht aber sphärisch und süsser, nicht aromatischer Saft. In Indien nennt man sie Sweet Lime, d.h. süsse Limone.

Es wird von dem Botaniker Wight bestätigt, dass die letzte dieser Varietäten in der Indischen Halbinsel auf den Nilgherries wildwachsend vorkommt. Andere For- men, die sich mit geringerer oder grösserer Genauig- keit zu den drei übrigen Varietäten bringen lassen, wurden von mehreren anglo-indischen Botanikern* in

= Plukenet, Almagestes, S. 239; Sloane, Jamaique, I, 41. 2 Cédrat à gros fruit du nouveau Duhamel, NAT, 68. Taf. 22. 3 Royle, Ill. Himal., S. 129; Brandis, Forest Flora, S. 52; Hooker, Flora of Brit. India, I, 514.

Agrume, gemeiner Citronen- oder Cedratbaum. 221

den heissen Regionen am Fusse des Himalaja, jenen von Garwal im Sikkim, im Südosten in Chittagong und Birma, endlich im Südwesten auf den westlichen Ghats und den Satpuragebirgen wildwachsend angetroffen. Danach ist es nicht zweifelhaft, dass die Art in Indien ursprünglich zu Hause ist und sogar unter verschie- denen Formen, deren Alter sich im Dunkel der prä- historischen Zeiten verliert.

Es scheint mir fraglich, ob sich ihr Vaterland nach China zu oder den Inseln des Asiatischen Archipels er- streckt. Loureiro führt die Citrus medica für Cochin- china nur als angebaut an, und von Bretschneider hören wir, dass die Limone chinesische Namen besitzt, welche sich in den alten Werken nicht finden und überdies zusammengesetzte Zeichen in der Schreibweise haben, was vielmehr auf eine fremdländische Art hindeutet. Sie mag, sagt er, eingeführt worden sein. In Japan wird die Art nur angebaut.! Endlich zeigen mehrere Ab- bildungen von Rumphius Varietäten, die auf den Sunda- inseln angebaut sind, von denen der Verfasser aber nicht eine einzige als wirklich wildwachsend und ein- heimisch ansieht. Um die Localität anzugeben, bedient er sich bisweilen des Ausdrucks in hortis sylvestribus, was man mit Hainen übersetzen kann. Indem er von seiner Lemon Sussu spricht (Bd. 2, Fig. 25), die eine Citrus medica mit elliptischer Frucht von sauerm Ge- schmack ist, erwähnt er, dass sie nach Amboina einge- führt wurde, dort aber nicht so gewöhnlich ist wie ın Java, woselbst „die Wälder ıhren Hauptstandort aus- machen“. Dies kann die Folge einer zufälligen, durch Culturen herbeigeführten Naturalisation sein. Miquel trägt in seiner neuern Flora der holländischen Be- sitzungen in Ostindien? kein Bedenken, zu sagen, dass die ©. medica und Limonum im Archipel nur ange- baut sind.

4

1 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, S. 129. 2 Miquel, Flora indo-bat., Bd. I, Thl. 2, S. 528.

rt

999 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Die Cultur der mehr oder minder sauern Varietäten hat sich frühzeitig im westlichen Asien, wenigstens in Mesopotamien und Medien, verbreitet. Man kann kaum daran zweifeln, weil zwei Formen Sanskritnamen hatten, und weil ausserdem die Griechen die Frucht durch die Meder kennen lernten, woraus der Name Citrus medica entstanden ist. Theophrast ! war der erste, welcher von dieser Frucht als dem medischen und persischen Apfel gesprochen hat, der betreffende Satz ist seit zwei Jahrhunderten oft wiederholt und commentirt worden.” Derselbe bezieht sich augenscheinlich auf Citrus medica; doch wenn auch der Verfasser über die Art und Weise der Aussaat in Töpfen, sowie über die spätere Verpflan- zung der jungen Pflanzen Erklärungen gibt, so sagt er nicht, ob dies in Griechenland geschah, oder ob er ein Verfahren der Meder beschrieb. Wahrscheinlich bauten die Griechen den Citronenbaum noch nicht an, denn die Römer hatten ihn zu Anfang der christlichen Zeitrechnung noch nicht in ihren Gärten. Dioscorides, in Cilicien geboren und im 1. Jahrhundert als Schriftsteller thätig, spricht? von diesem Baume fast in denselben Ausdrücken wie Theophrast. Man nimmt an, dass die Art nach vielfältigen Versuchen * im 3. oder 4. Jahr- hundert in Italien angebaut wurde. Im 5. Jahrhundert spricht Palladius von ihr als einer wohlbegründeten Cultur.

Die Unwissenheit der Römer der classischen Epoche in Bezug auf ihrem Lande fremde Pflanzen liess sie unter dem Namen lignum citreum das Citrusholz mit dem der Cedrus verwechseln, aus welchem man sehr schöne Tische verfertigte, und welche eine Ceder oder eine Thuja war, die beide zu der ganz verschiedenen Familie der Coniferen gehören.

1 Theophrastes, 1. 4, c. 4.

2 Bodaeus, in Theophrastes (1644), S. 322, 343; Risso, Traité du Citrus, S. 198; Targioni, Cenni storici, S. 196.

3 Dioscorides, I, 166.

4 Targioni, a. a. O.

Agrume, gemeiner Citronen- oder Cedratbaum. 223

Die Hebräer müssen wegen ihrer häufigen Beziehungen mit Persien, Medien und den Nachbarländern den Ci- tronenbaum vor den hömern gekannt haben. Es ist bei den Juden der Neuzeit Brauch, am Tage des Laub- hüttenfestes mit einer Citrone in der Hand die Syna- goge zu betreten, und diese Sitte hatte zu dem Glauben geführt, dass das Wort Hadar im 3. Buch Mosis Citrone oder Cedrat bedeutete; durch die Vergleichung der alten Texte ist es Risso aber gelungen, zu zeigen, dass dieses Wort eine schöne Frucht oder die Frucht eines schönen Baumes bedeutet. Derselbe ist sogar der Ansicht, dass die Hebräer den Citronen- oder Cedratbaum zu Anfang unserer Zeitrechnung nicht kannten, weil die Septua- ginta Hadar mit Frucht eines sehr schönen Baumes übersetzt. Da die Griechen den Citronenbaum in Me- dien und Persien zu Zeiten des Theophrast, drei Jahr- hunderte v. Chr., gesehen hatten, würde es immerhin sehr seltsam sein, wenn die Hebräer zur Zeit ihrer Ge- fangenschaft in Babylon keine Kenntniss von ihm ge-

habt hätten. Ausserdem sagt der Historiker Josephus,

dass die Juden zu seiner Zeit bei ihrem Feste persische Aepfel, malum persicum, in den Händen hielten, und dies ist einer der bei den Griechen gebräuchlichen Na- men für den Cedrat.

Die Varietäten mit sehr sauerer Frucht, wie Li- monum und Acida, haben die Aufmerksamkeit viel-

- leicht nicht ebenso rasch auf sich gezogen wie der Ci-

tronenbaum, indessen scheint der stark aromatische Ge- ruch, von welchem Theophrast und Dioscorides sprechen, auf sie aufmerksam zu machen. Es sind die Araber, welche die Cultur des Limonenbaums (Citronnier der Franzosen) in Afrika und in Europa sehr verbreitet haben. Nach Gallesio haben dieselben ihn im 10. Jahr- hundert unserer Zeitrechnung von den Gärten Omans nach Palästina und Aegypten gebracht. Jakob von Vitry gibt im 13. Jahrhundert eine sehr gute Beschrei- bung von der Limone, welche er in Palästina gesehen hatte. Ein Autor Namens Falcando erwähnt im Jahre

294 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

1260 sehr sauere ,, Lumias“, welche man bei Palermo anbaute, und Toscana besass sie zur selben Zeit.!

Citrus Aurantium, Linne (excl. var. y). (Citrus Au- rantium, Risso. Orangenbaum (fr. Oranger).

Die Orangenbäume unterscheiden sich von den Pom- pelmusen (C. decumana) durch das gänzliche Fehlen von Haaren auf den jungen Trieben und den Blättern, durch eine weniger grosse Frucht, die immer eine sphä- rische Form hat und deren Schale weniger dick ist; von den Citronenbäumen (C. medica) durch die voll- ständig weissen Blumen, durch eine nie längliche Frucht ohne Warze an der Spitze, deren Schale wenig oder - keine Beulen zeigt und mit dem saftigen Theile etwas verwachsen ist.

Es ist weder Risso in seiner ausgezeichneten Arbeit über Citrus, noch neuern Autoren wie Brandis und Sir Joseph Hooker gelungen, einen andern Charakter als den Geschmack anzugeben, um den Orangenbaum mit mehr oder minder bittern Früchten, d. h. den Pome- ranzenbaum von dem eigentlichen Orangenbaum mit süsser Frucht zu unterscheiden. Als ich im Jahre 1855 die Frage über den Ursprung prüfte, schien mir diese Verschiedenheit vom botanischen Standpunkte so gering zu sein, dass ich mich mit Risso der Ansicht hinneigte, beide Sorten von Orangenbäumen als einfache Varie- täten anzusehen. Die jetzigen anglo-indischen Autoren thun dasselbe. Sie fügen noch eine dritte Varietät, welche sie Bergamia nennen, hinzu, das ist der Berga- mottenbaum mit kleinerer Blume und deren sphärische oder birnenförmige Frucht von aromatischem und leicht säuerlichem Geschmack kleiner ist als die gemeine Orange.

Man hat diese letzte Form im wildwachsenden Zu- stande nicht angetroffen, und ich halte sie vielmehr für ein Erzeugniss der Cultur.

1 Targioni, a. a. O., S. 217.

Orangenbaum. 225

Häufig wirft man die Frage auf, ob die Apfel- sinen, wenn man sie aussäet, auch süsse Orangen geben, und die Pomeranzen wieder bittere Orangen. Das bleibt sich in Bezug auf Unterscheidung von Arten oder Varietäten ziemlich gleich, denn bekanntlich sind in beiden Reichen alle Charaktere mehr oder minder erblich, sind gewisse Varietäten es so durchgängig, dass man sie als Rassen hinstellen muss, und sich demnach die Absonderung in Arten auf andere Erwägungen, wie das Fehlen von Zwischenformen oder der Mangel einer Kreuzung, deren Sprösslinge selbst wieder fruchtbar sind, stützen muss. In dem vorliegenden Falle ist die Frage jedoch nicht ohne Interesse, und ich will be- merken, dass die Versuche zuweilen widersprechende Resultate ergeben haben.

Gallesio, ein vortrefflicher Forscher, drückt sich folgendermaassen aus: „Während einer langen Reihe von Jahren habe ich Apfelsinenkerne ausgesäet, die bald von durch Samen erzielten Bäumen, bald von auf Pomeranzen- oder Citronenbäumen gepfropften Orangenbäumen genommen waren. Diese Aussaat lie- ferte immer Bäume mit süssen Früchten. Seit mehr als 60 Jahren ist dieses Resultat von allen Gärtnern in der Gegend von Finale festgestellt worden. Es gibt kein Bei- spiel von einem Pomeranzenbaum, der aus Samen der süssen Orange hervorgegangen sei, noch von einem Orangen- baum mit süsser Frucht, welcher einer Aussaat vom Pomeranzenbaume sein Dasein verdanke...... Als im Jahre 1709 der Frost die Orangenbäume von Finale zerstört hatte, wurde es Brauch, Orangenbäume mit süssen Früchten aus Samen zu erzielen; unter diesen Sämlingen befand sich nicht ein einziger, welcher nicht Früchte mit süssem Safte trug.“ I

Im Gegensatz hierzu sagt Mac-Fadyen in seiner „Flora von Jamaica“: „Es ist eine begründete Thatsache, die allen denen, welche einige Zeit auf dieser Insel zuge-

1 Gallesio, Traité du Citrus, S. 32, 67, 355, 357. DE CANDOLLE. 15

2926 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

bracht haben, wohl bekannt ıst, dass man aus den Samen der Apfelsinen sehr häufig Bäume mit bittern Früchten gewinnt, und sind solche gut bewiesene Bei- spiele zu meiner persönlichen Kenntniss gelangt. Ich habe jedoch nie sagen hören, dass Samen der Pomeranze je Bäume mit süssen Früchten gegeben hätten...... Der bittere Orangenbaum oder der Pomeranzenbaum war somit“, fährt der Verfasser höchst verständig fort, „der ursprüngliche Typus.“! Er behauptet, dass auf kalkhaltigem Boden der Apfelsinenbaum durch Samen constant bleibt, während er auf andern Bodenarten in Jamaica Früchte erzeugt, die mehr oder minder sauer oder bitter sind. Duchassaing sagt, dass auf Guade- loupe die Samen süsser Orangen oft bittere Früchte geben”, während sie nach Dr. Ernst in Caracas zu- weilen saure Früchte, aber keine bittern hervorbringen.? Diese Verschiedenheiten zeigen den veränderlichen Erb- lichkeitsgrad und bestätigen die Ansicht, dass man in den beiden Sorten von Orangenbäumen nicht zwei Arten, sondern zwei Varietäten erkennen muss.

Ich bin indessen gezwungen, sie hier eine nach der andern aufzuzählen, um ihren Ursprung sowie die Aus- dehnung ihrer Cultur zu verschiedenen Zeitabschnitten zu erklären.

1. Citrus vulgaris, Risso. C. Aurantium, var. Biga- radia, Brandis und Hooker. Pomeranzenbaum (ital. Arancio forte, fr. Bigaradier).

Den Griechen und Römern war derselbe ebenso un- bekannt wie der Apfelsinenbaum. Da sie mit Indien und Ceylon Verbindungen gehabt hatten, so vermuthet Gallesio, dass zu ihrer Zeit diese Bäume nicht im west- lichen Theile Indiens angebaut wurden. Von diesem Gesichtspunkte aus hat er die Berichte alter Reisenden und Geographen, wie Diodorus von Sicilien, Nearchus, Arianus durchforscht, bei keinem aber eine Erwähnung

1 Mac-Fadyen, Flora of Jamaica, S. 129 u. 130. 2 Angeführt in: Grisebach, Veget. Karaiben, S. 34. 3 Ernst, in: Seemann, Journal of Bot., 1867, S. 272.

Pomeranzenbaum. 227

von Orangenbäumen gefunden. Das Sanskrit hatte in- dessen einen Namen für die Orange, Nagarunga, Nagrunga. Daraus ist selbst das Wort Orange entstanden, denn die Hindus machten nach Royle Narungee, nach Pid- dington Nerunga, die Araber nach Gallesio Narunj, die Italiener Naranzi, Arangi daraus, und im Mittel- alter sagte man. im Lateinischen Arancium, Aran- gium, dann Aurantium.? Bezog sich aber der Sanskrit- name auf die bittere Orange oder auf die süsse? Der Philolog Adolphe Pictet hat mir seinerzeit eine selt- same Auskunft über diesen Punkt gegeben. Er hatte in den Sanskritwerken die bezeichnenden Namen ge- sucht, welche der Orange oder dem Orangenbaume bei- gelegt waren, und deren siebzehn gefunden, die alle auf die Farbe, den Geruch, die saure Beschaffenheit (danta catha, den Zähnen schädlich), den Ort des Wachsthums u. 8. w., nie aber auf einen süssen oder angenehmen Geschmack hindeuten. Diese Menge von mit den Bei- wörtern übereinstimmenden Namen lässt uns eine von alters her bekannte Frucht erkennen, die aber einen von der süssen Orange oder Apfelsine ganz verschiedenen Geschmack hatte. Ausserdem haben die Araber, welche die Orangenbäume nach dem Occident brachten, zuerst die bittere Orange oder die Pomeranze gekannt, haben ihr den Namen Narunj? beigelest, und ihre Aerzte haben vom 10. Jahrhundert an den bittern Saft der- selben verschrieben.* Die eingehenden Untersuchungen von Gallesio zeigen, dass die Art sich seit den Zeiten der Römer von der Seite des Persischen Golfs verbreitet hatte, zu Ende des 9. Jahrhunderts nach Arabien ge- langte, und zwar nach Zeugenaussage des arabischen Schriftstellers Masudi durch Oman, Bassora, Irak und Syrien hindurch. Die Kreuzfahrer sahen den Pome-

1 Roxburgh, Fl. ind. (1832), II, 392; Piddington, Index.

2 Gallesio, S. 122.

3 In den neuern Sprachen Indiens ist der Sanskritname, so berichtet Brandis, durch eine der in der volksthümlichen Sprache so häufigen Um- stellungen auf die süsse Orange oder Apfelsine angewendet worden.

4 Gallesio, S. 122, 247, 248.

197

228 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

ranzenbaum in Palästina. In Sicilien baute man ihn seit dem Jahre 1002 an, wahrscheinlich infolge der Einfälle seitens der Araber. Diese sind es, welche ihn nach Spanien eingeführt haben und wahrscheinlich auch nach Ostafrika. Die Portugiesen fanden ihn an dieser Küste angepflanzt, als sie 1498 das Cap umsegelten.!

Nichts berechtigt zu der Vermuthung, dass der bittere oder süsse Orangenbaum in Afrika vor dem Mittelalter auftrat, denn die Fabel vom Garten der Hesperiden kann sich auf irgendeine Aurantiacee beziehen, und jeder kann ihr einen beliebigen Platz anweisen, da die Einbildungskraft der Alten ganz besonders er- giebig war.

Die ersten anglo-indischen Botaniker wie Roxburgh, Royle, Griffith, Wight hatten den wildwachsenden Pome- ranzenbaum nicht angetroffen; alle Wahrscheinlichkeiten aber wiesen auf die östliche Region von Indien als sein ursprüngliches Vaterland hin. Dr. Wallich hat die Localität von Silhet erwähnt?, ohne die Spontaneität zu bestätigen. Nach ihm hat Sir Joseph Hooker®? den Pomeranzenbaum in mehreren Distrikten südlich vom Himalaja, von Garwal und Sikkim nach den Khasiabergen zu ganz gewiss spontan angetroffen. Seine Frucht war sphärisch oder ein wenig zusammengedrückt, von zwei Zoll im Durchmesser, sehr gefärbt, nicht essbar, und, wenn ich mich recht erinnere, spricht der Verfasser von einem widerlichen (mawkish) und bittern Geschmack. Die Citrus fusca von Loureiro®, welche, wie er meint, der Abbildung 23 von Rumphius ähnlich ist und in Cochinchina und China spontan vorkommt, könnte sehr wohl der Pomeranzenbaum sein, dessen Wohnsitz sich somit nach Osten ausbreiten würde.

2. Citrus Aurantium sinense, Gallesio. Apfelsine (ital. Arancio dolce, fr. Oranger à fruit doux).

1 Gallesio, S. 240. Goeze, Beitrag zur Kenntniss der Orangengewächse, (1874), S. 13, verweist bezüglich dieser Thatsache auf alte portugie- sische Reisende.

2 Wallich, List, Nr. 6384. 3 Hooker, Fl. of Brit. India, I, 515.

4 Loureiro, Fl. Cochinch., S. 571.

Apfelsinenbaum. 229

Nach Royle! kommt der wildwachsende Apfelsinen- baum in Silhet und auf den Nilgherries vor; seine Aus- sage ist aber nicht so eingehend, um ihr weitere Wich- tigkeit beizumessen. Demselben Verfasser zufolge hatte man auf Turner’s Zuge wildwachsende „köstliche“ Orangen in Buxedwar gepflückt, einem nordöstlich von Rungpur in Bengalen gelegenen Ort. Dagegen er- wähnen die Botaniker Brandis und Sir Joseph Hooker den Apfelsinenbaum nicht als wildwachsend für Britisch- Indien. Sie sprechen von ıhm nur als angebaut. In seiner Forstflora von Britisch-Birma führt Kurz ihn gar nicht an. Weiter nach Osten hat Loureiro? in Cochin- china eine ©. Aurantium beschrieben, mit halb säuer- lichem, halb süssem Fruchtfleisch (acido dulcis), dies scheint der Apfelsinenbaum zu sein, welcher „im ange- bauten und nicht angebauten Zustande Cochinchina und China bewohnt“. Ich erinnere daran, dass die chine- sischen Schriftsteller die Orangenbäume im allgemeinen als Bäume ihres Landes ansehen; bezüglich des Indi- genats fehlt es aber auch an genauern Nachrichten über jede Art oder Varietät.

Nach der Gesammtmasse dieser Schriftstücke zu schliessen, dürfte der Apfelsinenbaum im südlichen China und Cochinchina ursprünglich zu Hause sein, und wäre seine durch Samenausstreuung bewirkte Verbreitung nach der indischen Region zweifelhaft und zufällig.

Wir wollen sehen, in welchem Lande seine Cultur angefangen und in welcher Weise sie sich ausgebreitet hat. Dies wird uns vielleicht über den Ursprung und die Unterscheidung der eigentlichen Orangenbäume von den Pomeranzenbäumen Aufklärung bieten.

Es ist kaum möglich, dass eine so grosse und im Geschmack so angenehme Frucht wie die Apfelsine in einer Region vorkommen konnte, ohne dass der Mensch nicht den Versuch gemacht hätte, sie anzubauen. Die

1 Royle, Illustr. of Himalaja, S. 160. Er eitirt Turner, Voyage au Thibet, $. 20 u. 387. „2 Loureiro, Fl. cochinch., S. 569.

230 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Aussaaten sind leicht und liefern fast immer dieselbe geschätzte Eigenschaft: Die alten Reisenden oder Hi- storiker können ebenso wenig die Wichtigkeit eines so bemerkenswerthen Fruchtbaumes unberücksichtigt ge- lassen haben. In Bezug auf diesen historischen Punkt haben die von Gallesio in den alten Werken gemachten Studien äusserst interessante Resultate ergeben.

Er liefert zuerst den Beweis, dass die von Indien durch die Araber nach Palästina, Aegypten, Südeuropa und der Ostküste von Afrika gebrachten Orangenbäume keine Apfelsinenbäume waren. Bis zum 15. Jahrhun- dert sprechen die arabischen Werke und die Chroniken nur von bittern oder sauern Orangen. Als jedoch die Portugiesen auf den Inseln des südlichen Asien an- kamen, fanden sie dort Apfelsinenbäume, die ihnen aber, so scheint es, nicht mehr neu waren. Der Floren- tiner, welcher Vasco de Gama begleitete und einen Be- richt über die Reise veröffentlicht hat, sagt: ,, Sonvi melarancie assai, ma tutte dolci“ (es gibt viele Orangen, die aber alle süss sind). Weder dieser Rei- sende noch die, welche folgten, drücken irgendwelches Erstaunen aus, als sie eine so angenehme Frucht koste- ten. Gallesio schliesst daraus, dass die Portugiesen nicht die ersten gewesen sind, welche die Apfelsinen von Indien brachten, wo sie 1498 anlangten, auch nicht von China, wo ihre Einführung in das Jahr 1518 fällt. Ausserdem sprechen viele Schriftsteller des 16. Jahrhunderts von der Apfelsine als einer be- reits in Italien und Spanien angebauten Frucht. Für die Jahre 1523 und 1525 gibt es mehrere Zeugenaus- sagen. (rallesio beharrt bei der Ansicht, dass die Apfel- sine zu Anfang des 15. Jahrhunderts nach Europa eingeführt wurde!; Targioni macht aber, Valeriani zu- folge, auf eine Verordnung von Fermo aus dem 14. Jahr- hundert aufmerksam, in welcher von Cedraten, Apfel-

1 Gallesio, S. 321.

Apfelsinenbaum. 231

sinen u. s. w. die Rede ist!, und die neuerdings von Goeze? nach alten Autoren gesammelten Nachweise über die Einführung in Spanien und Portugal stimmen mit diesem Zeitpunkte überein. Es scheint mir somit wahr- scheinlich, dass die später von China durch die Portu- giesen erhaltenen Orangen nur bessere waren als die, welche man vorher in Europa kannte, und dass die volksthümlichen Namen, wie Orangen von Portugal und von Lissabon diesem Umstande ihr Entstehen ver- dankten.

Wenn die Apfelsine seit sehr langer Zeit in Indien angebaut worden wäre, würde sie auch einen besondern Namen im Sanskrit gehabt haben, würden die Griechen sie zur Zeit des Zuges von Alexander gekannt haben, müssten die Hebräer sie frühzeitig von Mesopotamien erhalten haben. Man würde jedenfalls diese Frucht im römischen Kaiserreiche geschätzt, angebaut und ver- mehrt haben, hätte sie der des Limonen-, Citronen- und Pomeranzenbaums vorgezogen. Ihr Vorkommen in In- dien muss somit jüngern Datums sein.

Im Indischen Archipel wurde der Apfelsinenbaum als von China kommend angesehen.” Zur Zeit der Reise von Cook war derselbe auf den Inseln der Südsee wenig verbreitet.{

Auf allen diesen Wegen gelangen wir schliesslich zu der Ansicht, dass die süsse Varietät des Orangenbaums aus China und Cochinchina hervorgegangen ist, und dass sie sich in Indien vielleicht zu Anfang der christ- lichen Zeitrechnung verbreitet hat. Infolge der Cul- turen hat sie sich in vielen Gegenden Indiens und in allen Tropenländern naturalisiren können, wir haben aber bereits gesehen, dass Samenpflanzen sich nicht immer zu Apfelsinenbäumen heranbilden. Es dient

1 Auf Seite 205 der Cenni storici gibt Targioni als Datum dieser Ver- ordnung das Jahr 1379 an, auf Seite 213 dagegen das von 1309.

2 Goeze, Ein Beitrag zur Kenntniss der Orangengewächse (Hamburg 1574), S. 26.

3 Rumphius, Amboin., II, Kap. 42.

4 Forster, Plantae esculentae, S. 35.

232 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

dieser Erblichkeitsmangel in gewissen Fällen zur Be- gründung der Hypothese eines Uebergangs des Pome- ranzenbaums in den Apfelsinenbaum, und zwar wäre dies zu einer fern liegenden Epoche in China und Cochinchina eingetreten, und man hätte diese Uebergangsform ihres gärtnerischen Werthes wegen sorgfältig vermehrt.

Citrus nobilis, Loureiro. Mandarine, Tangerine (fr. Mandarines).

Diese Art wird jetzt in Europa sehr geschätzt, wie sie es in China und Cochinchina seit den ältesten Zeiten wurde. Ihre Frucht ist kleiner als die gewöhnliche Orange und auf der Oberfläche voller Beulen, sphärisch, aber nach oben zu platt und besitzt einen ganz besondern Geschmack. Die Chinesen nennen sie Kan.! Rum- phius, welcher die Art auf allen Sundainseln angebaut gesehen hatte?, berichtet, dass sie von China stammte, .in Indien hatte sie sich aber nicht verbreitet. Rox- burgh und Sir Joseph Hooker erwähnen sie nicht, von Clarke erfahre ich aber, dass ihre Cultur in dem Khasia- District eine grosse Ausdehnung angenommen hat. In den europäischen Gärten war sie zu Anfang des 19. Jahr- hunderts neu, als Andrews im „Botanist Repository (Fig. 608) eine gute Abbildung von ihr gab.

Nach Loureiro® bewohnt dieser Baum mittlerer Grösse Cochinchina, und auch, fügt er hinzu, China, obgleich er ihn in Canton nicht gesehen habe. Dies ist freilich in Bezug auf die spontane Beschaffenheit keine sehr genaue Auskunft, doch lässt sich kein anderer Ursprung voraussetzen. Nach Kurz* wird die Art in Britisch- Birma nur angebaut. Bestätigt sich dies, so würde das Vaterland auf Cochinchina und einige Provinzen Chinas beschränkt sein.

1 Bretschneider, On the value of Chinese bot. works, S. 11.

2 Rumphius, Amboin., II, Taf. 34, 35, wo indessen die Form der Frucht nicht die unserer Mandarine ist.

3 Loureiro, Fl. cochinch., S. 570.

4 Kurz, Forest Flora of British Burma.

mr

Be

Wohlriechende Mangostane. Aprikose von S.-Domingo. 233

Garcinia Mangostana, Linné. Wohlriechende Man- gostane (fr. Mangostan).

Im „Botanical Magazine“ findet sich eine gute Ab- bildung (Fig. 4847) von diesem Baume aus der Familie der Guttiferen, dessen Frucht als eine der besten be- kannten Früchte angesehen wird. Er erheischt ein sehr heisses Klima, denn Roxburgh konnte ihn in Indien nicht über 23!/,° nördl. Breite erzielen!, und nach Jamaica gebracht, hat er nur mittelmässige Früchte ge- liefert.” Auf den Sunda-Inseln, der Malaiischen Halb- insel und auf Ceylon wird er angebaut.

In den Wäldern der Sunda-Inseln® und der Malai- ischen Halbinsel* ist die Art sicherlich spontan. Unter den angebauten Pflanzen ist sie eine der örtlichsten, sei es in Bezug auf den ursprünglichen Wohnsitz oder bezüglich des Anbaues. Sie gehört freilich zu den Familien, bei welchen die durchschnittliche Verbreitung der Arten eine äusserst beschränkte ist.

Mammea americana, Jacquin. Aprikose von San-

Domingo (fr. Abricotier d'Amérique).

Aus der Familie der Guttiferen, wie der Mangostan, erheischt dieser Baum sehr viel Wärme. Die Eng- länder nennen ihn Mamey oder Mammee. Obgleich auf den Antillen und in den wärmsten Theilen Venezuelas angebaut’, hat man ihn kaum nach Asien und Afrika

- verpflanzt, oder es haben auch die dortigen Anpflanzungs-

versuche keinen Erfolg gehabt, wie wir dies aus dem Stillschweigen der meisten Schriftsteller schliessen können.

In den Wäldern der meisten der Antillen® ist dieser Baum bestimmt einheimisch. Jacquin führt ihn auch

1 Royle, Ill. Himalaja, S. 133, und Roxburgh, Flora indica, II, 618.

2 Mac-Fadyen, Flora ir Jamaica, S. 134.

3 Rumphius, Amboin., I, 133; Miquel, Plantae Junghun., I, 290; Flora indo-batava, Bd. I, Thl. 2, S. 506.

4 Hooker, F1. of Brit. India, I, 260.

5 Ernst, in: Seemann, Journal of Botany, 1867, S. 273; Triana et Planchon, Prodr. fl. Novo- Granat., S. 285.

6 Sloane, Jamaica, I, 123; Jacquin, Amer., S. 268; Grisebach, Fl. of Brit. W. India, CT

RN 254 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

für das nahe liegende Festland an, von neuern Au- toren wird dies aber meines Wissens nach nicht be- stätigt.

Die beste Abbildung findet sich in Tussac’s „Flore des Antilles“, III, Fig. 7, und der Verfasser gibt dabei viele Einzelheiten über die Verwendung der Frucht.

Hibiscus esculentus, Linne. Okra oder Gombo.

Die noch jungen Früchte dieser einjährigen Malvacee sind eins der zartesten Gemüse in den Tropenländern. Die „Flore des Antilles“ von Tussac enthält eine gute Abbildung der Art und gibt alle Einzelheiten, welche ein Feinschmecker über die Zubereitungsweise des bei den Creolen der französischen Inseln so beliebten calou- lou nur wünschen kann.

Als ich vor Jahren! den Temäch machte, über das Vaterland dieser in der Alten und Neuen Welt ange- bauten Pflanze eine Erklärung abzugeben, veranlassten mich das Fehlen irgendeines Sanskritnamens sowie die Thatsache, dass die ersten Autoren der indischen Flora sie wildwachsend nicht gesehen hatten, die Hypo- these eines asiatischen Ursprungs ganz unberücksichtigt zu lassen. Da indessen die neuere Flora von Britisch- Indien? dieselbe als „wahrscheinlich einheimischen Ur- sprungs‘“ angegeben hat, sah ich mich zu neuen Unter- suchungen veranlasst.

Obgleich das südliche Asien seit 30 Jahren gut er- forscht worden ist, wird keine Localität: angegeben, wo der Gombo spontan oder fast spontan angetroffen worden sei. Es gibt nicht einmal Fingerzeige für eine alte Cultur in Asien. Somit kann man nur zwischen Afrıka und Amerika schwanken.

Die Pflanze ist auf den Antillen von einem guten Beobachter® spontan gesehen worden, ich finde aber keine ähnliche Behauptung seitens eines andern Bota-

1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 768. ; 2 Flora of British India, I, 343. 3 Jacquin, Observationes, III, 11.

Okra oder Gombo. 235

nikers, sei es für die Inseln, sei es für das amerika- nische Festland. Der älteste Autor, welcher über Ja- maica geschrieben, ist Sloane!, und dieser hat die Art nur im angebauten Zustande gesehen. Marcgraf? hatte sie auf den Plantagen in Brasilien gesehen, und da er einen Namen von Congo und von Angola erwähnt, nämlich Quillobo, woraus die Portugiesen Quingombo machten, so findet sich der afrikanische Ursprung schon dadurch angedeutet.

Schweinfurth und Ascherson®? haben die wildwachsende Pflanze in der Nilregion, in Nubien, Kordofan, Sennaar, Abessinien gesehen und auch in Bahr-el-Abiad, woselbst sie freilich angebaut ist. Es werden noch andere Rei- sende für in Afrika gesammelte Exemplare erwähnt ®, dabei wird aber nicht gesagt, ob die Pflanzen angebaut oder spontan und entfernt von menschlichen Nieder- lassungen waren. Wir würden noch immer im Zweifel sein, hätten die Herren Flückiger und Hanburyÿ nicht eine bibliographische Entdeckung gemacht, welche die Frage entscheidet. Die Araber nennen den Gombo Bamyah oder Bâmiat, und Abul-Abbas-Elnabati, welcher Aegypten lange vor der Entdeckung Amerikas, im Jahre 1216, besucht hatte, hat den Gambo, welcher zu jener Zeit von den Aegyptern angebaut wurde, sehr deutlich beschrieben.

Trotz des jedenfalls afrikanischen Ursprungs hat es nicht den Anschein, als ob man die Pflanze vor der Epoche der arabischen Oberherrschaft in Niederägypten angebaut hätte. In den alten Denkmälern hat man keine Beweise gefunden, wenn auch Rosellini die Pflanze in einer Abbildung wiederzuerkennen glaubte, die nach Unger sehr verschieden davon ist.$ Nach Piddington

1 Sloane, Jamaica, I, 223.

2 Marcgraf, Hist. plant., S. 32, mit Abbildungen.

3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 265, unter dem Namen Abelmoschus.

4 Oliver, Flora of tropical Africa, I, 207.

5 Flückiger et Hanbury, Drogues, franz. Uebers., I, 132. Die Beschrei- bung ist im Ebn Baithar (Uebers. von Sondtheimer), I, 118.

6 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 50.

236 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

kommt nur ein einziger Name in den neuern Sprachen Indiens vor, und findet die Ansicht von einer Verbrei- tung nach dem Orient seit der christlichen Zeitrechnung hierin eine Bekräftigung.

Vitis vinifera, Linne. Edle Weinrebe (fr. Vigne).

Im spontanen Zustande findet sich die Weinrebe im gemässigten Westasien, in Südeuropa, Algerien und Marokko.! Ganz insbesondere im Pontus, in Armenien, im Süden des Kaukasus und des Kaspisees bietet sie den Anblick einer wildwachsenden Liane, welche hohe Bäume überzieht und ohne Schnitt oder irgendwelche Cultur eine Menge von Früchten trägt. Im alten Bak- trien, in Kabul, Kaschmir und selbst in Badakschan nördlich vom Hindukusch wird auf ihr kräftiges Wachs- thum hingewiesen.” Selbstverständlich wirft man sich da wie anderswo die Frage auf, ob die Pflanzen nicht von durch Vögel aus Anpflanzungen mitgeführten Samen abstammen. Jedoch will ich gleich bemerken, dass die zuverlässigsten Botaniker, welche die transkaukasischen Provinzen Russlands am meisten durchstreift haben, über die Spontaneität und das Indigenat der Art in dieser Region keine Zweifel hegen. Schlägt man den Weg nach Indien und Arabien, nach Europa und Nord- afrika ein, so findet man in den betreffenden Arbeiten über diese Florengebiete sehr häufig den Ausdruck, dass die Weinrebe „subspontan“ ist, d. h. vielleicht wild- wachsend oder verwildert.

Die Ausstreuung der Samen durch die Vögel hat sehr frühzeitig anfangen müssen, sobald überhaupt die Beeren der Art vorkamen, also vor der Cultur, vor der Wan- derung der ältesten asiatischen Völker, vielleicht schon vor dem Auftreten des Menschen in Europa und selbst

1 Grisebach, La végétation du globe, französ. Ausgabe von Tchi- hatcheff, I, 162, 163, 442; Munby, Catal. Alger.; Ball, Fl. maroccanae spici- legium, S. 392.

2 Adolphe Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 295, nennt mehrere Reisende für diese Regionen, unter andern Wood, Journey to the sources of the Oxus.

Edle Weinrebe. 231

in Asien. Indessen haben die Häufigkeit der Culturen, die Menge der angebauten Traubensorten die Naturali- sationen weiter ausdehnen gekonnt, um bei den wild- wachsenden Weinreben jene durch die Cultur entstan- dene Mannichfaltigkeit zu bedingen. Offen gestanden, sind es die natürlichen Agenten, wie Vögel, Winde, Strömungen gewesen, welche die Wohnplätze der Arten, ohne dass der Mensch hierbei in Thätigkeit getreten sei, immer vergrössert haben, und zwar bis zu den Grenzen, welche in jedem Jahrhundert durch geogra- phische und physische Bedingungen, sowie durch die schädliche Einwirkung anderer Gewächse und Thiere bedingt sind. Ein absolut ursprünglicher Wohnsitz ist mehr oder minder eine Mythe; allmählich ausgedehnte oder beschränkte Wohnsitze liegen aber in der Macht der Ereignisse. Sie begründen mehr oder weniger alte und wirkliche Heimatsländer, vorausgesetzt, dass sich die Art, ohne das unaufhörliche Hinzuführen neuer Samen, dort wildwachsend erhalten hat.

Was nun die Weinrebe betrifft, so liegen uns Beweise vor von einem in Europa wie in Asien sehr hohen Alter.

Weinrebensamen sind unter den Pfahlbauten von Castione bei Parma, die aus der Bronzezeit datiren, gefunden worden, desgleichen in einer prähistorischen Station des Sees von Varese? und auch in der Pfahlbauten- station von Wangen in der Schweiz, in letzterer aber bei unbestimmter Tiefe. Ja noch mehr! Man hat Weinrebenblätter in den Tuffsteinen von Montpellier entdeckt, wo sie sich wahrscheinlich vor der historischen Epoche abgelagert haben*, sowie auch in denen von Meyrargue in der Provence, die jedenfalls prähistorisch

1 Sie finden sich abgebildet in: Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 24, Fig. 11. a x on, in: Rivista arch. della prov. di Como (1850), fasc. 17, . 50 fe. 3 Heer, a. a. O. 4 Planchon, Étude sur les tufs de Montpellier (1864), 8. 63.

238 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

sind, wenn auch jüngern Datums als die Tertiärepoche der Geologen.!

Ein russischer Botaniker, Kolenati?, hat im südlichen Kaukasien, ein Land, welches man als Centralpunkt für die Art hinstellen kann, wo sie vielleicht auch ihren ältesten Sitz hatte, sehr interessante Beobachtungen gemacht über die verschiedenen, sei es im spontanen, sei es im angebauten Zustande auftretenden Formen der Weinrebe. Seine Arbeit verdient meines Dafür- haltens noch um so viel mehr Berücksichtigung, da sich der Verfasser bemüht hat, die Varietäten je nach den Charakteren der Behaarung und der Benervung der Blätter einzutheilen; in der Cultur sind solche Charak- tere ganz unwesentlich, stellen aber um so viel mehr die in der Natur sich zeigenden Merkmale dar. Dem Verfasser zufolge gruppiren sich die wildwachsenden Weinreben, von welchen er ungeheuere Mengen zwischen dem Schwarzen Meere und dem Kaspisee antraf, in zwei Unterarten, dieselben sind von ıhm beschrieben, lassen sich, seiner Aussage nach, leicht von weither erkennen, und dürften alle angebauten Weinreben, wenigstens in Armenien und den umliegenden Landschaften,- von ihnen abstammen. Um den Ararat herum, in einer Zone also, wo man die Weinrebe nicht anbaut, sie selbst nicht anbauen könnte, hat er dieselben wieder angetroffen. Andere Charaktere, beispielsweise die Form und die Farbe der Beeren, variren in jeder der beiden Unter- arten. Wir können uns hier bei den streng botanischen Einzelheiten dieser Arbeit von Kolenati nicht weiter aufhalten, auch denen einer neuern Arbeit von Regel über die Gattung Vitis? keine weitere Berücksichtigung

1 De Saporta, La flore des tufs quaternaires de Provence (1867), S. 15 u. 27. 2

2 Kolenati, in: Bulletin de la Société impériale des naturalistes de Moscou, 1846, S. 279.

3 Regel, in: Acta horti imper. petrop. In dieser abgekürzten Ueber- sicht der Gattung lässt Regel die Ansicht laut werden, dass die Fitis vini- fera zwei wildwachsenden Arten, V. culpina und V. Labrusca, die durch Hybridisation und Cultur mannichfache Abänderungen erlitten haben, ihr Dasein verdanken; Beweise hierfür gibt er aber nicht an, und seine Cha-

a J

ds u zug

we.

Edle Weinrebe. 239

schenken; der Nachweis ist hier aber am Platze, dass eine seit sehr fern liegenden Zeiten angebaute Art, deren in verschiedenen Werken beschriebene Formen sich jetzt vielleicht auf 2000 belaufen, wenn sie in der Region spontan auftritt, in welcher ihr Vorkommen ein sehr altes ist, wenigstens zwei Hauptformen und an- dere von geringerer Wichtigkeit aufweist, vor. allem Culturanfang wahrscheinlich aufgewiesen hat. Wenn man mit derselben Sorgfalt die wildwachsenden Wein- reben Persiens und Kaschmirs, des Libanons und Grie- chenlands beobachtete, so würden sich vielleicht andere Unterarten von einem wahrscheinlich prähistorischen Alter auffinden lassen.

Verschiedene Völker, ganz insbesondere solche des westlichen Asiens, wo die Weinrebe massenhaft auftrat, gutes Gedeihen zeigte, haben auf den Gedanken ver- fallen können, den Traubensaft einzusammeln und aus seiner Gärung Nutzen zu ziehen. In einer wissen- schaftlichern Weise als zahlreiche Autoren vor ihm hat Adolphe Pictet! die geschichtlichen, linguistischen und selbst mythologischen Fragen in Bezug auf die Wein- rebe bei den Völkern des Alterthums erörtert, und er ist zu der Einsicht gelangt, dass die Semiten und die Arier ebenfalls den Gebrauch des Weines gekannt ha- ben, sodass sie denselben nach allen Ländern, wohin sie auswanderten, bis nach Aegypten, Indien und Eu- ropa, einführen konnten. Ihnen wurde dies um so leichter, als sie die wildwachsende Pflanze in mehreren dieser Länder antrafen.

Für Aegypten gehen die Documente über die Cultur der Weinrebe und über die Kunst der Weinbereitung auf 5- oder 6000 Jahre zurück.” Im Westen ist die

raktere für die beiden wildwachsenden Arten sind sehr wenig genügend. Es wäre sehr zu wünschen, dass man bei den Weinreben Asiens und Eu- ropas, einerlei, ob solche wildwachsend oder angebaut sind, eine Ver- gleichung ihrer Samen vornähme, denn eben diese bieten, nach den Ar- beiten Engelmann’s über die amerikanischen Weinreben, ausgezeichnete Unterschiede dar.

1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 298—321.

2 Delchevalerie, in: Illustration horticole, 1881, S. 28. Er erwähnt

Er > We

240 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Ausbreitung der Cultur durch die Phönizier, Griechen und Römer genügend bekannt; nach dem östlichen Asien zu ist sie aber erst spät vor sich gegangen. Die Chi- nesen, welche die Weinrebe heutzutage in ihren nörd- lichen Provinzen anbauen, besassen sie nicht vor dem Jahre 122 unserer Zeitrechnung.! Mehrere wildwach- sende Weinreben kommen bekanntlich in Nerdchina vor; ich kann Regel jedoch darin nicht beipflichten, dass die unserer Weinrebe am nächsten stehende, die Vitis Amurensis von Ruprecht, zu unserer Art gehöre. Die in der „Gartenflora“, 1861, Taf. 33, abgebildeten Samen davon weichen zu sehr ab. Wenn die Frucht dieser Weinreben des östlichen Asiens irgendwelchen Werth hätte, würden die Chinesen gewiss den Versuch gemacht haben, sie zu verwerthen:

Zizyphus vulgaris, Lamarck. Gemeiner Judendorn (fr. Jujubier commun).

Nach Plinius? wurde der gemeine Judendorn von dem Consul Sextus Papinius gegen Ende der Regierung des Augustus von Syrien nach Rom gebracht. Die Bota- niker weisen jedoch darauf hin, dass die Art in den steinigen Gegenden Italiens gemein ıst?, und dass man sie ausserdem eine höchst eigenthümliche Thatsache wildwachsend in Syrien noch nicht angetroffen hat, ob- gleich sie dort wie auch in der ganzen Region, welche sich vom Mittelmeer nach China und Japan erstreckt#, angebaut wird.

Die Forschung nach dem Ursprunge des gemeinen Judendorns als wildwachsender Baum trägt trotz der eben erwähnten Einwendungen zur Bekräftigung der

besonders das Grabdenkmal von Phtah-Hotep, welcher in Memphis 4000 Jahre v. Chr. lebte.

1 Bretschneider, On the value and study of Chinese botanical works, S. 16.

2 Plinius, Hist., 1. 15, c. 14.

3 Bertoloni, Fl. ital., II, 665; Gussone, Synopsis F1. siculae, II, 276.

4 Willkomm et Lange, Prodr. F1. hispanicae, III, 4850; Desfontaines, F1. Atlant., I, 200; Boissier, F1. orient., II, 12; J. Hooker, Fl. of Brit. India, I, 633; Bunge, Enum. plant. Chin., S. 14; Franchet et Sayatier, Enum. plant. Japon., I, 81. ;

Gemeiner Judendorn. 241

Aussage von Plinius bei. Pflanzensammler und Autoren von Floren stimmen darin überein, dass die Art im Osten ihres grossen gegenwärtigen Wohnsitzes spon- taner und länger angebaut scheint als im Westen des- selben. So sagt Bunge beispielsweise, dass sie für den Norden Chinas „in den bergigen Districten sehr gemein und (ihrer Stacheln wegen) sehr unbequem ist“. Die stachelige Varietät hat er in den Gärten gesehen. Dr. Bretschneider! erwähnt die Jujuben unter den in China gesuchtesten Früchten, die Art führt dort ein einfaches Schriftzeichen und heisst Tsao. Er führt auch die beiden Formen an, die stachelige und die stachellose, erstere als wildwachsend.? Im Süden Chinas und im eigent- lichen Indien kommt die Art wegen des feuchtwarmen Klimas nicht vor. Wildwachsend findet man sie ferner im Pendschab, nordwestlich von Britisch-Indien, sowie in Persien und Armenien.

Brandis® zählt sieben verschiedene Namen für den gemeinen Judendorn (oder seiner Varietäten?) in den neuern Sprachen Indiens auf, einen Sanskritnamen kennt man aber nicht. Hiernach zu schliessen, ist die Art vielleicht von China nach Indien zu einer nicht sehr fern gelegenen Zeit eingeführt worden, alsdann wäre sie den Culturen entsprungen und in den sehr trocke- nen Provinzen des Westens als wildwachsende Pflanze aufgetreten. Der persische Name ist Anob, bei den Arabern heisst sie Unab. Ein hebräischer Name ist nicht bekannt, was einen neuen Fingerzeig bieten mag, dass die Art im westlichen Asien nicht sehr alt ist.

Die alten Griechen haben vom gemeinen Juden- dorn nicht gesprochen, wol aber von einer andern Art, Zizyphus Lotus. Dies ist wenigstens die Mei- nung des Botanikers Lenz.* Der neugriechische Name Pritzuphuia steht freilich in keiner Beziehung

1 Bretschneider, On the study etc., S. 11.

2 Der Zyzyphus chinensis mehrerer Autoren ist dieselbe Art. 3 Brandis, Forest Flora of Brit. India, S. 84.

4 Lenz, Botanik der Alten, S. 651.

DE CANDOLLE. 16

249 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

zu den Namen, welche von Theophrast oder Dioscorides einst auf eine Zizyphus bezogen wurden, sondern nähert sich dem lateinischen Namen Zizyphus (die Frucht Zizy- phum) des Plinius, welcher sich bei noch ältern Au- toren nicht findet und eher orientalischer als latei- nischer Abstammung zu sein scheint. Heldreich! lässt den wildwachsenden Judendorn für Griechenland nicht zu, und andere stellen ıhn als ,,naturalisirt, sub- spontan“ hin, was die Hypothese von einem jüngern Auftreten bestätigt. Dieselben Gründe beziehen sich auf Italien. Die Art kann sich somit seit der von Plinius erwähnten Einführung in den Gärten dort na- turalisirt haben.

In Algerien ist der Judendorn nur angebaut oder „subspontan“.?” Dasselbe ist in Spanien der Fall. Für Marokko wird er nicht aufgeführt, ebenfalls nicht für die Canarischen Inseln, was ein wenig altes Auftreten in der Mittelmeerregion vermuthen lässt.

Ich halte es somit für wahrscheinlich, dass die Art in Nordchina ursprünglich zu Hause ist, dass sie nach der Epoche der Sanskritsprache, vor etwa 2500 oder 3000 Jahren, im westlichen Asien eingeführt und natu- ralisirt wurde, dass die Griechen und Römer sie zu Anfang unserer Zeitrechnung erhielten, und dass letztere sie nach der Berberei und nach Spanien brachten, wo sie sich infolge der Culturen in einer oft zweifelhaften Weise naturalisirt hat.

Zizyphus Lotus, Desfontaines. Afrikanischer Brust- beerenbaum (fr. Jujubier Lotus).

Nur vom historischen Standpunkte aus verdient die Frucht dieser Art hier besprochen zu werden. Es wird gesagt, dass dieselbe die Nahrung der Lothophagen ausmachte, ein an der Küste Libyens wohnendes Volk, von welchem Homer und Herodot? mehr oder minder

1 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 57.

2 Munby, Catal., 2. Aufl., 8. 9.

3 Odyssee, I. 1, v. 9; Herodot, 1. 4, S. 177; übersetzt in: Lenz, Bota- nik der Alten, S. 653.

Echter Jujubendorn. 243

genau berichtet haben. Man musste in jenem Lande schon recht arm oder mässig sein, denn eine Beere von der Grösse einer kleinen Kirsche, die einen schalen Ge- schmack hat und nur wenig zuckerhaltig ist, würde gewöhnliche Menschen nicht zufrieden stellen.

Es liegt kein Beweis vor, dass die Lotophagen die- sen kleinen Baum oder Strauch anzubauen pflegten. Zweifelsohne sammelten sie seine Früchte auf freiem Felde ein, denn die Art ist in Nordafrika ziemlich ge- wöhnlich. In einer Ausgabe von Theophrast findet sich allerdings die Angabe, dass es Früchte dieser Art ohne Kerne gab, was eine Cultur voraussetzt.! Man pflanzte dieselben in den Gärten, wie dies noch heutzutage in Aegypten geschieht?; es scheint aber nicht, als ob die- ser Brauch selbst bei den Alten häufig gewesen sei.

Uebrigens sind sehr verschiedene Meinungen über den Lotos der Lotophagen? zu Tage getreten, und man darf einer so dunkeln Frage, bei welcher die Einbildungskraft eines Dichters, die im Volke verbrei- tete Unwissenheit eine grosse Rolle spielen konnten, nicht allzu viel Gewicht beilegen.

Von Aegypten bis nach Marokko, in Südspanien, in Terracina und bei Palermo wird dieser Baum gegen- wärtig wildwachsend angetroffen.* In diesen isolirten italienischen Localitäten ist es wahrscheinlich die Folge von Culturen.

Zizyphus Jujuba, Lamarck. Echter Jujubendorn (fr. Jujubier de l'Inde‘, Ber der Hindus und Anglo- Inder, Masson auf der Insel Mauritius).

Im Süden wird diese Jujubenart mehr angebaut als

1 Theophrastus, Hist., 1.4, c.4, Ausg. von 1644. Die Ausgabe von 1613 enthält nicht die hierauf bezüglichen Worte.

2 Schweinfurth und Ascherson, Beitr. zur Flora Aethiopiens, S. 263.

3 Vgl. den Artikel über den Johannisbrotbaum.

4 Desfontaines, F1 atlant., I, 200; Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 9; Ball, Spicil. fl. Marocc., S. 301; Willkomm et Lange, Prodr. fl, hisp., III, 481; Bertoloni, Fl. ital., II, 664. !

5 Dieser wenig gebräuchliche Name findet sich schon bei Bauhin in der Form von Jujuba indica.

16*

244 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

die gemeine. Die Frucht gleicht bald einer Kirsche vor der Reife, bald einer Olive, wie dies aus der von Bouton in Hooker’s „Journal of Botany“, I, Taf. 140, veröffentlichten Abbildung hervorgeht. Die Anzahl der bekannten Varietäten weist auf eine sehr alte Cultur hin. Dieselbe erstreckt sich gegenwärtig vom südlichen China, dem Indischen Archipel und Queensland durch Arabien und Aegypten hindurch bis nach Marokko, und selbst bis nach dem Senegal, nach Guinea und Angola.! Man trifft sie ebenfalls auf der Insel Mauritius an, es scheint aber nicht, dass man sie bisjetzt nach Amerika eingeführt habe, es sei denn, nach einem Exemplar meines Herbars zu schliessen, in Brasilien.? Nach den Aussagen der Autoren ist diese Frucht der gewöhn- en Jujube vorzuziehen.

Welches war der Wohnsitz der Art vor dem Beginn aller Cultur? Dies zu ergründen hält nicht leicht, weil die Kerne sich leicht aussäen und die Naturali- sation der Pflanze ausserhalb der Gärten bewirken.?

Wenn wir uns durch die Häufigkeit im wildwachsen- den Zustande leiten lassen, so scheint es, als ob Birma und Britisch-Indien das alte Vaterland sein könnten. In meinem Herbar besitze ich mehrere von Wallich im Königreich Birma gesammelte Exemplare, und Kurz hat die Art in den trockenen Waldungen dieses Landes bei Ava und Prome häufig angetroffen.* Beddone lässt die Art für die Wälder von Britisch-Indien als wildwachsend zu, Brandis hat sie jedoch nur in solchen Localitäten gefunden, wo Niederlassungen von Eingeborenen ge- wesen waren.ÿ Früher als diese Autoren beschrieb Rheede® im 17. Jahrhundert diesen Baum als in Mala-

1 Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, I, 632; Brandis, Forest Flora of India, I, 87; Bentham, F1. Austral., I, 412; Boissier, F1. orient., II, 13; Oliver, Fl. of tropical Africa, I, 379.

2 Von Martius herrührend, Nr. 1070, vom Cabo frio.

3 Bouton, a. a. O.; Baker, Fl. of Mauritius, S. 61; Brandis, a. a. O.

4 Kurz, Forest Flora of Burma, I, 266.

5 Beddone, Forest Flora of India, I, Fig.149 (die wildwachsende Frucht darstellend, welche kleiner ist als die angebaute); Brandis, a. a. O

6 Rheede, IV, Fig. 141.

Kaschu- oder Acajoubaum. 245

bar wildwachsend, und die Botaniker des 16. Jahrhun- derts hatten ihn von Bengalen erhalten.

Das Vorkommen von drei Sanskritnamen und von elf andern Namen in den neuern indischen Sprachen kann als Stütze für den indischen Ursprung angesehen werden.!

Die Einführung nach Amboina, nach dem östlichen Theile des Archipels war noch neu, als Rumphius sich dort aufhielt?, und er gibt selbst die Art als in- dische an. Vielleicht fand sie sich vor alters auf Su- matra und andern der Malaiischen Halbinsel nahe ge- legenen Inseln. Die alten Autoren Chinas erwähnen sie nicht, wenigstens ist dem Dr. Bretschneider solches nicht bekannt. Die im Süden und Osten des indischen Fest- landes stattfindende Ausdehnuug und Naturalisation scheinen somit nicht weit zurückzugehen.

In Arabien und Aegypten muss die Einführung noch jüngern Datums sein. Dort war kein alter Name be- kannt, und weder haben Forskal vor 100 Jahren noch Delile zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts die Art gesehen, welche Schweinfurth neuerdings als ange- baut anführt. Von Asien muss sie sich nach Zanzibar und so immer weiter von Ort zu Ort durch Afrika hindurch, oder mit Hülfe der europäischen Schiffahrt bis nach der Westküste ausgebreitet haben. Doch dürfte dies erst ziemlich neuen Datums sein, denn Robert Brown (,„Bot. of Congo“) und Thonning haben von der Art in Guinea keine Kenntniss gehabt.’

Anacardium occidentale, Linné. Kaschu- oder Acajoubaum (engl. Cashew, fr. Pommier d’Acajou).

Man hat früher die falschesten Behauptungen über den Ursprung dieses Baumes* aufgestellt, und finden

1 Piddinston, Index. 2 Rumphius, Amb., II, Taf. 36.

3 Zizyphus abyssinicus, Hochst., scheint eine verschiedene Art.

4 Tussac, Flore des Antilles, III, 55 (woselbst Taf. 13 eine sehr gute Abbildung gegeben wird), sagt, dass diese Art von Ostindien stamme, wo- durch der Irrthum von Linné, welcher Amerika und Asien als Vaterland ansah, noch erschwert wird,

246 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

sich solche trotz meiner im Jahre 1855 erfolgten Aus- emandersetzung ! noch hier und da wiederholt.

Der französische Name Pommier d’Acajou ist so lächerlich wie möglich. Es handelt sich hier um einen Baum aus der Familie der Terebinthaceen (oder Ana- cardiaceen), der von jenen der Rosaceen und der Melia- ceen, zu welchen die Apfelbäume und der Acajou (Maha- gonibaum) gehören, sehr verschieden ist. Der essbare Theil gleicht eher einer Birne als einem Apfel, und im botanischen Sinne ist es keine Frucht, sondern der Blütenstiel oder Fruchtträger, der mit einer grossen Bohne Aehnlichkeit hat. Die beiden Namen, der fran- zösische und der englische, stammen von einem Namen der Eingeborenen Brasiliens ab, nämlich von Acaju, Acajaiba, welchen alte Reisende anführen.?

In den Wäldern des intertropischen Amerika und selbst in einer grossen Ausdehnung dieser Region, z. B.

in Brasilien, Guyana, am Isthmus von Panama und auf.

den Antillen, ist die Art sicherlich spontan.” Dr. Ernst? hält sie nur in jenem Lande, welches dem Amazonen- strome zunächst liegt, für ursprünglich einheimisch, ob- gleich er sie auch von Cuba, Panama, Ecuador und Neugranada kennt. Er stützt sich darauf, dass die spanischen Schriftsteller zur Zeit der Eroberung von ihr nicht gesprochen haben, doch ist dies ein nega- tiver Beweis, welchen man für eine einfache Wahr- scheinlichkeit nehmen muss.

Rheede und Rumphius hatten diesen Baum auch für Südasien angegeben. Ersterer sagt, dass er in Malabar gewöhnlich ist.° Das gleichzeitige Auftreten ein und derselben tropischen Baumart in Asien und in Amerika war so wenig wahrscheinlich, dass man zunächst eine

1 Géographie botanique raisonnée, S. 873.

2 Piso et Marcgraf, Historia rerum naturalium Brasiliae (1648), S. 57.

3 Vgl. Piso et Marcgraf, a. a. O.; Aublet, Guyane, S. 392; Seemann, Botany of the Herald, S. 106; Jacquin, Amériq., S. 124; Mac-Fadyen, Pl. Jamaic., S. 119; Grisebach, Fl. of Brit. W. India, S. 176.

4 Ernst, in: Seemann’s Journal of Bot., 1867, S. 273.

5 Rheede, Malabar, III, Taf. 54.

sn.

Kaschu- oder Acajoubaum. 247

_specifische Unterscheidung oder wenigstens solche einer Varietät muthmaasste; dies hat sich aber nicht be- stätigt. Verschiedene Gründe, historische und linguisti- sche, hatten mich auf einen Asien fremden Ursprung hingewiesen. Ausserdem sprach der immer genaue Rumphius von einer alten Einführung, welche von Ame- rika nach dem Asiatischen Archipel durch die Portu- giesen bewerkstelligt worden war. Der von ihm ci- tirte malaiische Name Cadju ist amerikanisch; jener in Amboina gebräuchliche bedeutete Frucht von Portugal, und der von Macassar bezog sich auf eine Aehnlichkeit mit der Frucht der Jambosa. „Die Art war“, sagt Rumphius, „auf den Inseln nicht sehr verbreitet“; Garcia ab Orto hatte sie 1550 in Goa nicht angetroffen, dann hatte Acosta sie aber in Cochin gesehen, und sie war von den Portugiesen in Indien und dem Indischen Ar- chipel vermehrt worden. Auf Java wird die Art, nach Blume und Miquel, nur angebaut. Freilich berichtet Rheede, dass sie in Malabar sehr häufig ist (provenit ubique), er führt aber nur einen Namen an, welcher indisch scheint, Kapa-mava, während die andern von dem amerikanischen Namen abstammen. Piddington führt keinen Sanskritnamen an. Nachdem die anglo- indischen Botaniker zu Anfang über den Ursprung Zweifel gehegt, geben sie schliesslich eine Einführung von Amerika während einer schon alten Epoche zu. Sie fügen hinzu, dass sich die Art in den Wäldern von Britisch-Indien naturalisirt habe.?

Das afrikanische Indigenat ist noch anfechtbarer, und es wird nicht schwer, hierfür den Nachweis zu liefern. Loureiro ? hatte die Art an der Ostküste dieses Conti- nents gesehen, er vermuthete aber einen amerikanischen Ursprung. Thonning hat sie in Guinea nicht gesehen, und von Brown wurde sie im Congogebiet nicht ange-

1 Rumphius, Herb. Amboin., I, 177, 178. LE done, Flora sylvatica, Taf. 163; Hooker, Flora of British India, 8 Loureiro, Fl. cochinch., 8. 304.

948 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

geben. Allerdings finden sich im Herbarium zu Kew Exemplare, die von letzterm Lande und den Inseln des Golfs von Guinea stammen, jedoch spricht Oliver nur von der angebauten Art.? Da der Wohnsitz dieses Baumes in Amerika ein ausgedehnter ist, und sich der- selbe seit zwei Jahrhunderten in mehreren Regionen Indiens naturalisirt hat, so würde er ebenfalls auf einem weiten Gebiete des intertropischen Afrika vorkommen, wenn er überhaupt in diesem Welttheile einheimisch wäre.

Mangifera indica, Linne. Mangobaum (fr. Manguier).

Aus derselben Familie wie der Acajoubaum, gibt dieser Baum jedoch eine wirkliche Frucht, die in Form und Farbe an eine Aprikose erinnert.?

Man kann über seinen südasiatischen Ursprung oder einen solchen vom Indischen Archipel nicht zweifelhaft sein, sobald man die grosse Anzahl der angebauten Varietäten in diesen Ländern sieht, sich die Menge der alten volksthümlichen Namen, besonders einen Sanskrit- namen * vergegenwärtigt, und sein häufiges Vorkommen in den Gärten von Bengalen, der Indischen Halbinsel und Ceylon selbst zu Rheede’s Zeiten berücksichtigt. Nach China hin war seine Cultur eine weniger verbreı- tete, denn von Loureiro wird sie nur für Cochinchina angeführt. Rumphius* zufolge hatte man sie seit Menschen- gedenken auf gewissen Inseln des Asiatischen Archipels eingeführt. Zur Zeit der Cook’schen Expedition wird die Art von Forster in seiner Arbeit über die Früchte der Südsee nicht erwähnt. Der volksthümliche Name auf den Philippinen, Manga‘, weist auf einen fremden Ursprung hin, denn es ist der malaiische und spanische Name. In Ceylon heisst sie Ambe, was mit dem San- skrit Amra übereinstimmt, aus welchem der persische

1 Brown, Congo, S. 12 u. 49.

2 Oliver, Flora of trop. Africa, I, 443.

3 Vgl. Taf. 4510 im Botanical Magazine.

4 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., II, 435; Piddington, Index.

5 Rumphius, Herb. Amboin., I, 95. 6 Blanco, Fl. Filip., S. 181.

Mangobaum. 249

und arabische Name Amb!, die neuern indischen Namen und vielleicht die malaiischen Namen Mangka, Manga, Manpelaan, welche von Rumphius angegeben werden, entstanden sind. Es gibt indessen auch noch andere auf den Sundainseln, den Molukken und in Cochinchina gebräuchliche Namen. Die Verschiedenartigkeit dieser Namen lässt, im Widerspruch mit der Meinung von Rumphius, eine alte Einführung im Indischen Archipel voraussetzen.

Die von diesem Autor auf Java im wildwachsenden Zustande gesehenen Mangiferen, sowie auch die von Roxburgh in Silhet entdeckte Mangifera sylvatica sind andere Arten; der echte Mango wird aber von den neuern Autoren in den Wäldern Ceylons, den Gegenden am Fusse des Himalaja, besonders nach Osten zu, in Arracan, Pegu und auf den Andamaneninseln als spontan angegeben.” Miquel führt ihn auf keiner der Inseln des Malaiischen Archipels als wildwachsend an. Trotz des Wohnsitzes auf Ceylon und den freilich weniger be- stätigenden Angaben des Sir J. Hooker in der Flora

von Britisch-Indien. ist die Art auf der Indischen Halb- insel wahrscheinlich selten oder auch nur naturalisirt. Die Grösse der Samen ist eine so bedeutende, dass die Vögel sie nicht fortschaffen können, die Häufigkeit der Cultur führt aber eine Ausstreuung durch den Menschen herbei. Wenn der Mangobaum im Westen von Britisch- Indien nur naturalisirt ist, so muss dies in Anbetracht eines Sanskritnamens schon seit sehr langer Zeit der Fall sein. Die Völker des westlichen Asiens müssen ihn andererseits erst ziemlich spät kennen gelernt haben, weil sie die Art nicht nach Aegypten oder anderswo nach Westen hin gebracht haben.

Gegenwärtig baut man sie im intertropischen Afrika an, auch selbst auf Mauritius und den Seychellen,

1 Rumphius, a. a. O.; Forskal, S. CVII.

2 Thwaites, Enum. plant. Ceylonae, S. 75; Stuart and Brandis, Forest Flora, S. 126; Hooker, Flora of Brit. India, II, 13; Kurz, Forest Flora of Brit. Burma, I, 304.

250 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

woselbst sie sich in den Wäldern etwas naturali- sirt hat.!

Brasilien war das erste Land in Amerika, wohin die Art eingeführt wurde, denn von dort liess man gegen Mitte des verflossenen Jahrhunderts Mangosamen nach Barbadoes kommen.” Ein französisches Schiff brachte im Jahre 1782 Pflanzen dieses Baumes von Bourbon nach San-Domingo, unterwegs wurde dasselbe von den Engländern gekapert, und diese brachten die jungen Mangobäume nach Jamaica, wo sie herrlich gediehen. Zur Zeit der Freilassung der Negersklaven, als die Kaffeeplantagen aufgegeben wurden, bildete der Mango- baum, dessen Samen von den Schwarzen überall hin ausgestreut wurden, auf dieser Insel Wälder, welche ihrer schattengebenden Eigenschaften, der nahrhaften Früchte wegen zu einer Quelle des Reichthums ge- worden sind.” Zu Aublet’s Zeiten, Ende des 18. Jahr- hunderts, war der Mangobaum in Cayenne noch nicht angebaut, gegenwärtig gibt es in dieser Colonie ganz vorzügliche Mangofrüchte. Die Bäume sind meisten- theils gepfropft, weil man die Erfahrung gemacht hat, dass solche bessere Früchte liefern als die unveredelten, aus Samen erzielten.#

Spondias dulcis, Forster. Süsse Monbinpflaume (fr. Evi).

Dieser Baum aus der Familie der Anacardiaceen ist auf den Gesellschafts-, Freundschafts- und Fidschi- Inseln einheimisch.® Seine Früchte dienten den Ein- geborenen zur Nahrung, als Kapitän Cook dort lan- dete. Sie gleichen einer grossen gedörrten Pflaume, sind von der Farbe eines Apfels und enthalten einen

1 Oliver, Flora of tropical Africa, I, 442; Baker, Flora of Mauritius and Seychelles, S. 63.

2 Hughes, Barbadoes, S. 177.

3 Mac-Fadyen, Flora of Jamaica, S. 221; Sir J. Hooker, Discours à l’'Institution royale, übers. in Ann. sc. nat., Serie 6, VI, 320.

4 Sagot, Journal de la Soc. centr. d’agric. de France (1872).

5 Forster, De plantis esculentis insularum oceani australis, S. 33; Seemann, Flora Vitiensis, S. 31; Nadaud, Enum. des plantes de Taiti, S. 75.

ne ‘lé

. mit langen, hakenförmigen Spitzen bedeckten Kern.

Walderdbeere, 251

1

Nach den Aussagen der Reisenden ist der Geschmack ein vorzüglicher. Dieser Baum gehört nicht zu den in den Colonien verbreitetsten Fruchtbäumen; man baut ihn jedoch auf den Inseln Mauritius und Bourbon unter dem ursprünglich polynesischen Namen Evi oder Hewi?

desgleichen auf den Antillen. Im Jahre 1782 wurde er nach Jamaica eingeführt und von da gelangte er nach San-Domingo. Dass er in vielen der heissen Länder Asiens und Afrikas fehlt, ist wahrscheinlich dem Um- stande zuzuschreiben, dass er erst vor einem Jahrhun- dert auf kleinen Inseln entdeckt wurde, die mit dem Auslande in keinem Verkehr standen.

Fragaria vesca, Linne. Walderdbeere (fr. Fraisier).

Unsere gemeine Walderdbeere gehört zu den auf der Erde verbreitetsten Pflanzen, was zum Theil der Klein- heit ihrer Samen zuzuschreiben ist, welche die Vögel, angezogen durch den fleischigen Theil, auf welchem die- selben eingebettet sind, nach weiten Entfernungen fort- schaffen.

In Europa int die Pflanze von den Shetlands- inseln und Lappland? bis nach den gebirgigen Gegenden des Südens, in Madeira, Spanien, Sicilien und Griechen- land * wildwachsend vor. Man findet sie auch in Asien, und zwar vom nördlichen Syrien und Armenien bis

‘nach Daurien. Die Erdbeeren des Himalaja und Ja-

pans®, welche verschiedene Autoren zu dieser Art brin- gen, gehören möglicherweise zu einer andern’, und ich stelle demnach auch den von einem Missionar? für China

1 Vgl. die gut colorirte Abbildung von Tussac, Flore des Antilles, III, Taf. 28.

2 Bojer, Hortus mauritianus, S. 81.

3 H. C. Watson, Compendium Cybele brit., I, 160; Fries, Summa veg. Scand., S. 44.

4 Lowe, Manual fl. of Madeira, S. 246; Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 324; Moris, Flora sardoa, II, 17.

5 Boissier, a. 2.0. 6 Ledebour, Flora rossica, II, 64.

7 Gay, ebend.; Hooker, Fl. Brit. India, II, 344; Franchet et Savatier, Enum. pl. Japon., I, 129.

8 Perny, Propag. de la foi, citirt in: Decaisne, Jardin fruitier du Mus., S. 27; J. Gay, ebend., S. 27, gibt China nicht an.

252 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

angegebenen Standort in Frage. Auf Island! ist die Walderdbeere spontan, desgleichen im Nordosten der Vereinigten Staaten?, beim Fort Cumberland und an der Nordwestküste ?, vielleicht auch in der Sierra Ne- vada Californiens.* Der Wohnsitz erstreckt sich somit um den Nordpol, mit Ausnahme von Ostsibirien und der Amurregion, denn Maximowicz führt die Art in seinen „Primitiae florae amurensis“ nicht an. In Ame- rika dehnt sich der Wohnsitz bis nach den Höhen Mexicos aus, denn die Fragaria mexicana, welche im pariser Pflanzengarten cultivirt wird, ist nach J. Gay’s Untersuchungen nichts anderes als F. vesca. Nach dem in dieser Frage sehr competenten Botaniker kommt sie auch in der Nähe von Quito vor.?

Von den Griechen und Römern wurde die Erdbeere nicht angebaut. Wahrscheinlich führte man ihre Cultur im 15. oder 16. Jahrhundert nach diesen Ländern ein. Im 16. Jahrhundert sprach Champier von ihr als einer Neuheit für den Norden Frankreichs®; im Süden und auch in England? war sie damals schon bekannt.

Nach den Gärten der Colonien gebracht, hat sich die Erdbeere in einigen feucht gelegenen Localitäten, fern von menschlichen Wohnplätzen, naturalisirt. Das ist in Jamaica®, auf der Insel Mauritius? und noch mehr auf der Insel Bourbon eingetreten, wo Pflanzen von Com- merson nach der hohen, sogenannten Kaffernebene ge- bracht worden waren. Bory Saint-Vincent berichtet, dass er 1801 daselbst Plätze angetroffen‘ hätte, die ganz mit rothen Erdbeeren bedeckt waren, sodass die Füsse beim Hindurchschreiten von einem wirklichen, mit

1 Babington, in: Journal of Linn. Soc., XI, 303; Gay, a. a. O.

2 A. Gray, Botany of the Northern Staates (1868), S. 156.

3 Sir W. Hooker, F1. bor. amer., I, 184.

4 A. Gray, Bot. of California, I, 176.

5 J. Gay, in: Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Fraisier, S. 30.

6 Le Grand d’Aussy, Histoire de la vie privée des Francais, I, 233, u. III,

7 Olivier de Serres, Théâtre d’agric., S. 511; Gerard, nach Phillips, Pomarium britannicum, S. 334.

8 Purdie, in: Hooker, London Journal of Botany, 1844, S. 515.

9 Bojer, Hortus mauritianus, S. 127.

ai A ET DE u Aue Em

Erdbeeren. 253

vulkanischem Schlamme vermischten Brei gefärbt wur- den.! Wahrscheinlich lassen sich in Tasmanien, Neu- seeland und anderswo ähnliche Naturalisationen antreffen.

Die Gattung Fragaria ist mit mehr Sorgfalt als viele andere Gattungen untersucht worden von Duchesne Sohn, dem Grafen von Lambertye, Jacques Gay, und ganz ins- besondere von Frau Elisa Vilmorin, deren Scharfsinn im Beobachten des Namens so würdig war, welchen sie trug. Eine kurze Uebersicht ihrer Arbeiten mit ausgezeichneten colorirten Abbildungen findet sich in Decaisne’s ,, Jardin fruitier du Museum“. Grosse Schwierigkeiten wurden von diesen Autoren überwunden, um die Varietäten und Bastarde, die in den Gärten vervielfältigt werden, von den wirklichen Arten zu tren- nen und um diese auf gute Charaktere zu begründen. Einige Erdbeeren mit mittelmässigen Früchten hat man nicht weiter berücksichtigt, und die jetzt als beste Sorten anerkannten wurden durch Kreuzung der Arten von Virginien und Chile, auf welche ich jetzt zu sprechen

komme, erzielt.

Fragaria virginiana, Ehrhart. Virginische oder Scharlacherdbeere (Fraisier de Virginie oder Fr. écarlate). Diese in Canada und im Osten der Vereinigten Staaten einheimische Art, von welcher sich eine Varietät nach Westen hin bis zu den Felsengebirgen, vielleicht selbst

. bis nach dem Oregongebiet erstreckt?, wurde im Jahre

1629 in die englischen Gärten eingeführt.” Im ver- flossenen Jahrhundert wurde sie vielfach in Frankreich angebaut, jetzt werden ihre mit andern Arten erzielten Hybriden mehr geschätzt.

Fragaria Chiloensis, Duchesne. Chilenische oder Riesenerdbeere (fr. Fraisier du Chili).

A rs Bory Saint-Vincent, Comptes-rendus de l’Acad. des sc., 1836, Sem. 2, 103%

2 Asa Gray, Manual of bot. of the North. States (1868), S. 155; Botany of California, I, 177.

3 Phillips, Pomarium brit., S. 335.

254 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Eine im südlichen Chile Concepcion, Valdivia und Chiloee gewöhnliche Art!, die hier häufig angebaut wird. Frezier brachte sie 1715 nach Frank- reich. Sie wurde alsdann im pariser Pflanzengarten angebaut, und verbreitete sich bald nach England und anderweit. Durch verschiedene Kreuzungen, nament- lich mit der F. virginiana, hat man von dieser sehr grossfrüchtigen, äusserst wohlschmeckenden Art Erd- beersorten, wie Ananas, Victoria, Trollope, Rubis u. s. w. erzielt, deren Werth allgemein anerkannt ist.

Prunus avium, Linne. Süsskirschenbaum (fr. Ceri- sier des oiseaux).

Ich bediene mich hier des Wortes Kirschbaum, weil es das gebräuchliche ist und den angebauten Arten oder Varietäten dabei nicht zu nahe getreten wird, jedoch hat das Studium der nahe stehenden, nicht angebauten Arten die Meinung Linne’s bestätigt, nach welcher die Kirschbäume als Gattung von den Pflaumenbäumen nicht getrennt werden können.

Alle Varietäten angebauter Kirschbäume lassen sich auf zwei im wildwachsenden Zustande auftretende Arten zurückführen, nämlich: 1) Prunus avium, Linne, von hohem Wuchse, die aus den Wurzeln keine Schösslinge macht, bei welcher die untere Seite der Blätter behaart ist, und deren Frucht einen süssen Geschmack hat; 2) Prunus Cerasus, Linne, von weniger hohem Wuchse, Schösslinge aus den Wurzeln treibend, mit ganz kahlen Blättern, und einer mehr oder minder sauern oder bittern Frucht.

Die erste dieser beiden Arten, von welcher der spa- nische gefleckte Herzkirschenbaum und der rothe Süss- kirschenbaum abstammen sollen, findet sich wildwach- send in Asien, nämlich ın den Wäldern von Ghilan (Nordpersien), in den russischen Provinzen des süd- lichen Kaukasien und Armenien?; in Europa: in Süd-

1 Cl. Gay, Hist. Chili, Botanica, II, 305. 2 Ledebour, Flora rossica, II, 6; Boissier, Fl. orient., II, 649.

Süsskirschenbaum. 255

russland, und gemeiniglich vom südlichen, Schweden bis nach den gebirgigen Theilen Griechenlands, Italiens und Spaniens. Selbst in Algerien kommt sie vor.?

Je mehr man sich von der im Süden des Kaspisees und des Schwarzen Meeres gelegenen Region entfernt, um so spärlicher scheint der Süsskirschenbaum auizu- treten, sein Wohnsitz um so viel weniger ursprünglich zu sein, dagegen vielleicht mehr durch Vögel bestimmt zu werden, welche seinen Früchten gierig nachstellen und die Kerne weiter fortschaffen.” Es unterliegt kei- nem Zweifel, dass sich die Art auf diese Weise in- folge der Culturen in Nordindien®, in vielen Ebenen des südlichen Europa, auf Madeira? und hier und da in den Vereinigten Staaten® naturalisirt hat; wahr- scheinlich ist es jedoch, dass dies für den grössten Theil Europas zu sehr alten, prähistorischen Zeiten eingetreten ist, da die Vögel vor den ersten Völker- wanderungen, selbst vor dem Auftreten des Menschen in Europa, in dieser Weise thätig waren. Mit der Ab- nahme der Eisberge hätte sich dann der Wohnsitz in dieser Region weiter‘ ausgebreitet.

Die volksthümlichen Namen in den alten Sprachen hat Adolphe Pictet einer gelehrten Erörterung unter- zogen‘, in Bezug auf den Ursprung lässt sich aber nichts daraus ableiten, und ausserdem hat man in der populären Nomenclatur die verschiedenen Arten oder "Varietäten häufig miteinander verwechselt. Von viel grösserer Wichtigkeit ist es, zu erfahren, ob die Archäo- logie uns über das Auftreten des Süsskirschenbaumes in Europa zu prähistorischen Zeiten Kunde gibt.

1 Ledebour, a. a. O.; Fries, Summa Scandin., S. 46; Nyman, Conspec- tus fl. europ., S. 213; Boissier, a. a. O.; Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 245.

2 Munby, Catal. Alg., 2. Aufl., S. 8.

3 Da die Vögel nach der Reifezeit der Kirschen ihren Zug beginnen, so streuen sie die Kerne besonders in der Nähe der Anpflanzungen aus.

4 Sir J. Hooker, F1. of Brit. India.

5 Lowe, Manual fl. of Madeira, S. 235.

6 Darlington, F1. cestrica, 3. Aufl., S. 73.

7 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, 2, Aufl., I, 281.

256 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Heer hat in seiner Arbeit über die Pfahlbauten der westlichen Schweiz Kerne von Prunus avium abgebildet.! Nach seinen mir gütigst gemachten Mittheilungen vom 14. April 1881 kamen diese Kerne aus einem oberhalb alter Ablagerungen des Steinalters befindlichen Torf- lager. In den Pfahlbauten des Sees von Bourget hat de Mortillet? ähnliche Kerne nachgewiesen, und diese Pala- fitten datiren aus einer nicht sehr fern gelegenen, dem Steinalter folgenden Zeit. Von Dr. Gross erhielt ich solche Kerne von der ebenfalls verhältnissmässig weniger alten Corcelette-Fundstätte im Neuenburgersee, und die Herren Strobel und Pigorini haben solche auch in der „Terramare“ von Parma? entdeckt. Es handelt sich hier immer um Stationen, die dem Steinalter folgen und vielleicht aus einer historischen Zeit stammen. Falls keine ältern Kerne dieser Art in Europa entdeckt werden, liegt die Wahrscheinlichkeit vor, dass die Naturalisation nicht vor den Wanderungen der Arier erfolgte.

Prunus Cerasus, Linne. Cerasus vulgaris, Miller. Sauerkirschenbaum, Weichselkirschenbaum (engl. Sour cherry, fr. Cerisier commun oder Griottier).

Die Kirschbäume von Montmorency, die Glaskirschen oder Amarellen, die eigentlichen Weichseln und einige andere gärtnerische Kategorien stammen von dieser Art ab.

Hohenacker 5 hat Prunus Cerasus bei Lenkoran, nicht weit vom Kaspisee gesehen, und C. Koch® in den Wäldern Kleinasiens, d. h. nach dem von ihm durch- streiften Gebiete zu urtheilen, im Nordosten jenes Lan- des. ,,Aeltere Autoren fanden sie“, berichtet Ledebour’”,

1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 24, Fig. 17, 18, und S. 26.

2 In Perrin, Etudes préhistoriques sur 1a Savoie, S. 22.

3 Atti Soc. ital. sc. nat., Bd. VI.

4 Für die so zahlreichen Varietäten mit ihren je nach den Provinzen verschiedenartigen volksthümlichen Namen vgl. man den Nouveau Du- hamel, Bd. V, woselbst auch gute colorirte Abbildungen gegeben werden.

5 Hohenacker, Plantae Talysch, S. 128.

6 Koch, Dendrologie, I, 110.

7 Ledebour, F1. ross., II, 6.

Sauerkirschenbaum, Weichselkirschenbaum. 257

„bei Elisabethpol und Eriwan“. Grisebach! führt ihn für den bithynischen Olymp an und fügt hinzu, dass derselbe in den Ebenen Macedoniens fast spontan auf- tritt. Der wahre und sehr alte Wohnsitz scheint sich vom Kaspisee bis nach Konstantinopel hin auszudehnen; doch selbst in diesem Ländergebiet stösst man häufiger auf Prunus avium. So scheinen Boissier und de Tchi- hatcheff Prunus Cerasus selbst nicht einmal im Pontus gesehen zu haben, obgleich sie von dort mehrere Exem- plare von Prumus avium erhalten oder mitgebracht haben.?

In Nordindien findet sich Pr. Cerasus nur im ange- bauten Zustande.” Die Chinesen scheinen unsere beiden Kirschbäume nicht gekannt zu haben. Danach kann man annehmen, dass die Einführung nach Indien keine sehr alte ist, und man wird hierin durch das Fehlen eines Sanskritnamens noch bestärkt.

Wir sahen, dass Pr. Cerasus nach Grisebach in Mace- donien fast spontan ist. Man hatte den Baum auch für die Krim als spontan ausgegeben, Steven* sah ihn jedoch nur angebaut, und Rehmann° erwähnt für das südliche Russland als wildwachsend nur die verwandte Art Pr. chamaecerasus, Jacquin. Für jegliche im Norden des Kaukasus gelegene Localität scheint mir die spontane Beschaffenheit sehr zweifelhaft zu sein. Selbst in Griechenland, wo Fraas den wildwachsenden Baum gesehen zu haben berichtete, kennt von Heldreich ihn nur im angebauten Zustande.° In Dalmatien? stösst man auf eine wirklich wildwachsende, eigenthümliche Varietät oder verwandte Art, Prunus Marasca, aus deren Früchten der Maraschinoliqueur bereitet wird. Prunus Cerasus wird in den gebirgigen Districten

1 Grisebach, Spicilegium fl. rumelicae, S. 86.

2 Boissier, Fl. orient., II, 649; Tchihatcheff, Asie Mineure, Bot., S. 193. 3 Sir J. Hooker, Fl. of Britisch India, II, 313.

4 Steven, Verzeichniss der taur. Halbinseln 8. ww 8, LE

5 Rehmann, Verhandl. d. Nat. Ver. zu Brünn, X, 1871.

6 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, = 69; "Pflanzen d. attischen Ebene, S. 477.

7 Visiani, Fl. Dalmat., III, 258. DE CANDOLLE. 17

258 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Italiens! und im mittleren Frankreich? wildwachsend angetroffen; weiter aber im Westen, im Norden und in Spanien wird die Art nur noch als angebaut angeführt, welche sich hier und da, und zwar häufig als Strauch naturalisirt. Augenscheinlich hat diese Art in Europa in höherem Grade als der Süsskirschenbaum den Anschein eines fremdländischen Baumes, der sich so ziemlich eingebürgert hat.

Keine der in Theophrast, Plinius und andern alten Schriftstellern oft genannten Stellen? scheint sich auf Prunus Cerasus zu beziehen. Die bezeichnendste, jene von Theophrast, passt auf Prunus avium, wegen der Grösse des Baumes, weil sich dieser dadurch von Prunus Cerasus unterscheidet.* Theophrast nannte den Süss- kirschenbaum Kerasos, die Neugriechen geben ihm den Namen Kerasaia, und hierin finde ich ein linguistisches Kennzeichen für das hohe Alter von Prunus Cerasus: es bezeichnen nämlich die Albanesen, welche von den Pelasgern abstammen, denselben als Vyssine, ein alter Name, welcher sich in dem deutschen Weichsel und dem italienischen Visciolo° wiederfindet. Da nun die Albanesen auch den Namen Kerasie besitzen, und zwar für Pr. avium, so berechtigt dies zu der Annahme, dass ihre Vorfahren die beiden Arten vor Alters, vielleicht vor Ankunft der Hellenen in Griechenland, unterschie- den und benannt haben.

Ein anderes Merkmal eines hohen Alters findet sich bei Virgil, wenn er von einem Baume sagt:

Pullulat ab radice aliis densissima sylva Ut cerasis ulmisque. (Georg., II, 17.)

Dies bezieht sich auf Pr. Cerasus, nicht auf Pr. avium.

1 Bertoloni, F1. ital., V, 131.

2 Lecoq et Lamotte, Catal. du plateau central de la France, S. 148.

3 Theophrastus, Hist. plant., 1. 3, c. 13; Plinius, 1.15, c. 25, und andere eitirt in Lenz, Botanik der Alten, S. 710. 4 Ein Theil der sich bei Theophrast findenden Ausdrücke geht hervor aus der Verwechselung mit andern Bäumen. Er betont, dass der Kern weich sei.

5 Ad. Pictet nennt Formen desselben Namens im Persischen, Tür- kischen, Russischen, und leitet davon den französischen Namen Guigne ab, welcher Varietäten beigelegt wird.

Sauerkirschenbaum, Weichselkirschenbaum. 259

In Pompeji hat man zwei Bilder vom Kirschbaum gefunden, es scheint aber nicht mit Bestimmtheit ange- geben werden zu können, ob sie sich auf die eine oder die andere der beiden Arten beziehen.! Comes gibt sie unter dem Namen von Prunus Cerasus an.

Irgendeine archäologische Entdeckung würde beweis- kräftiger sein. Die Kerne beider Arten zeigen eine Verschiedenheit in der Furche, was dem Scharfsinn der Herren Heer und Sordelli nicht entgangen ist. Un- glücklicherweise hat man in den prähistorischen Fund- stätten Italiens und der Schweiz nur einen Kern ent- deckt, der auf Prunus Cerasus zu beziehen ist, und überdies ist das Lager, dem man selbigen entnommen hat, nicht genügend festgestellt worden. Dem Anscheine nach war es keine archäologische Schicht.?

Fasse ich diese sich etwas widersprechenden und ziemlich unbestimmten Angaben zusammen, so neige ich mich dem Glauben zu, dass Prunus Cerasus schon zu Anfang der griechischen Civilisation bekannt war und sich naturalisirte, etwas später auch in Italien, doch noch vor der Zeit, als Lucullus einen Kirschbaum von Kleinasien heimbrachte.

Seiten liessen sich darüber schreiben, wenn man alle die Schriftsteller, selbst neuere, anführen wollte, welche, hierin Plinius folgend, die Einführung des Kirschbaums in Italien diesem reichen Römer im Jahre 64 vor der christlichen Zeitrechnung zuschreiben. Da dieser Irr- thum durch seine beständige Wiederholung in den clas- sischen Schulen fortbesteht, so will ich hier noch ein- mal wiederholen, dass es Kirschenbäume, wenigstens Süsskirschenbäume in Italien vor Lucullus’ Zeiten gab, und dass der berühmte Feinschmecker gewiss nicht die Art mit sauern oder bittern Früchten aufzufinden ge- trachtet hat. Sehr wahrscheinlich erfreute er die Römer mit einer guten, im Pontus angebauten Varietät, welche

1 Schouw, Die Erde, S. 44; Comes, Ill. delle piante etc., S. 56. 2 Sordelli, Piante della torbiera di Lagozza, S. 40.

40%

Sr: 2208

260 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

sich die Gärtner durch Pfropfen zu vermehren beeilten, hierauf beschränkt sich aber die Rolle des Lucullus.

Nach dem, was man jetzt über Cerasus und die alten Namen der Kirschbäume weiss, möchte ich die zu der allgemeinen Meinung im Widerspruch stehende Be- hauptung aufstellen, dass es sich um eine Varietät des Süsskirschenbaumes handelt, wie z. B. den spanischen gefleckten Herzkirschenbaum oder den Merisier, deren fleischige Frucht einen süssen Geschmack hat. Ich stütze mich darauf, dass Kerasos im Theophrast der Name für Prunus avium ist, und diese Art von den beiden in Kleinasien die häufigste ist. Die Stadt Cerasus (Ke- rasun) entlehnte davon ihren Namen, und das häufige Auftreten von Prunus avium in den nahe liegenden Wal- dungen war für die Bewohner wahrscheinlich die Ver- anlassung, den Bäumen nachzuspüren, welche die besten Früchte trugen, um sie alsdann in ihre Gärten zu ver- pflanzen. Wenn Lucullus schöne Herzkirschen heim- brachte, so waren seine Landsleute, die höchstens kleine, wildwachsende Kirschen kannten, sicherlich zu dem Aus- rufe berechtigt: „Dies ist eine Frucht, welche wir nicht besassen!“ Weiteres hat auch Plinius nicht berichtet.

Ich möchte hier zum Schluss noch eine Hypothese über die beiden Kirschbäume zum Ausdruck bringen. In ihren Charakteren unterscheiden sie sich nur wenig, und es gleichen sich, was sehr selten vorkommt, die beiden alten am besten nachgewiesenen Vaterländer (vom Kaspisee nach Westanatolien). Die beiden Arten verbreiteten sich nach Westen hin, aber auf ungleiche Weise. Diejenige, welche in dem Heimatlande die ge- wöhnlichste und die kräftigste war (Pr. avium), hat sich zu einer noch ältern Zeit weiter ausgebreitet und besser naturalisirt. Prunus Cerasus ist somit vielleicht ein während einer prähistorischen Zeit aufgetretener Abkömmling der andern. Somit gelange ich, wenn auch auf einem andern Wege, zu einer von Caruel! aufge-

1 Caruel, Flora toscana, S. 48.

Mc fins

Angebaute Pflaumenbäume. 261

stellten Ansicht; anstatt jedoch zu sagen, dass man viel- leicht gut thun würde, die beiden Arten in eine zu vereinigen, sehe ich sie gegenwärtig für verschieden- artig an und begnüge mich, eine Descendenz zu muth- maassen, welche nachzuweisen übrigens nicht leicht fallen dürfte.

Angebaute Pflaumenbäume.

Plinius spricht von der ungeheuern Pflaumenmenge, welche man zu seiner Zeit kannte. .‚Ingens turba pru- norum.“1 Heutzutage zählen die Gärtner über 300 Sor- ten. Einige Botaniker haben den Versuch gemacht, die- selben auf wildwachsende, getrennte Arten zurück- zuführen, sie stimmen aber nicht immer überein und scheinen, nach den specifischen Namen zu urtheilen, namentlich in Bezug auf Arten sehr verschiedene An- sichten zu haben. Die Verschiedenheit dreht sich um zwei Punkte, bald um die wahrscheinliche Descendenz von dieser oder jener angebauten Form, und bald um

die Unterscheidung der spontanen Formen in Arten

oder Varietäten.

Ich erhebe nicht den Anspruch, die unzähligen ange- bauten Formen zu classificiren, und halte eine solche Arbeit bezüglich der Fragen nach dem geographischen Ursprung für ziemlich nutzlos, denn es zeigen sich die Verschiedenheiten besonders in der Form, der Grösse,

der Farbe und dem Geschmack der Frucht, d. h. in

solehen Merkmalen, welche die Gärtner zu vervielfäl- tigen wünschten, sobald sie sich zeigten, von welchen sie immer neue zu erzielen möglichst bestrebt waren. Empfehlenswerther ist es, sich an die Verschiedenheiten der im wildwachsenden Zustande beobachteten Formen zu halten, besonders an solche, aus welchen die Men- schen keinen Gewinn ziehen, und welche wahrscheinlich dieselben geblieben sind, welche sie waren bevor es es noch Gärten gab.

1 Plinius, Hist., 1. 15, c. 13.

262 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Seit etwa 30 Jahren haben die Botaniker für die drei Arten oder Rassen, welche in der Natur vorkom- men, wirklich vergleichende Charaktere aufgestellt. Sie lassen sich folgendermaassen zusammenfassen:

Prunus domestica, Linne; Baum oder hoher Strauch, nicht stachelig; Aestchen kahl; Blüten zur selben Zeit als die Blätter hervorkommend, Blütenstiele meistens flaumig; Früchte niederhängend, länglich, von süssem Geschmack.

Prunus insititia, Linné; Baum oder hoher Strauch, nicht stachelig; Aestchen sammtig; Blüten zur selben Zeit als die Blätter hervorkommend, Blütenstiele sehr feinflaumig oder kahl; Früchte kugelig oder schwach elliptisch, hängend, von süssem Geschmack.

Prunus spinosa, Linné; sehr stacheliger Strauch, Zweige rechtwinkelig ausgebreitet; Aestchen flaumig; Blüten aufgeblüht vor der Entfaltung der Blätter; Blütenstiele kahl; Früchte kugelig, aufrecht, von herbem Ge- schmack.

Augenscheinlich entfernt sich diese dritte Form, welche in unsern Hecken so gemein ist, von den beiden andern. So scheint es mir auch unmöglich, wenn man nicht vermittelst einer Hypothese das auszulegen versucht, was vor irgendwelcher Beobachtung hat eintreten kön- nen: die drei Formen als eine einzige Art aus- machend anzusehen, oder man müsste schon Uebergänge von der einen in die andere in den Organen nachweisen können, welche durch die Cultur keine Abänderungen erlitten haben, dies ist aber bisjetzt nicht geschehen. Höchstens kann man die Verschmelzung der zwei ersten Kategorien zugeben. Die beiden Formen mit von Natur aus süssen Früchten traten in einigen Ländern auf. Für den Züchter boten sie grössere Reize dar als Prunus spinosa mit herber Frucht. Somit müssen wir versuchen, die angebauten Pflaumenbäume auf sie zu- rückzuführen.

Des bessern Verständnisses wegen will ich von ihnen

als von zwei Arten sprechen.?

Prunus domestica, Linne. Zwetschenbaum (fr. Pru- nier domestique).

1 Koch, Synopsis fl. germ., 2. Aufl., S. 228; Cosson et Germain, Flore des environs de Paris, I, 165.

2 Hudson, Flora anglica (1778), S. 212, vereinigt sie unter dem Namen von Prunus communis.

al Le rt

Zwetschenbaum. 263

Mehrere Botaniker! haben denselben in ganz Ana- tolien, in der Region südlich vom Kaukasus und in Nordpersien, z. B. um den Elbrus herum, wildwachsend angetroffen.

Für die Localitäten in Kaschmir, der Kirgisensteppe und China, von welchen in einigen Floren die Rede ist, liegen mir keine Beweise vor. Oft ist die Art zweifelhaft, und es handelt sich vielmehr um Prunus énsititia; in andern Fällen ist es die Beschaffenheit einer spontanen, alten Pflanze, welche ungewiss erscheint, denn augenscheinlich sind die Keime vermöge der Culturen weiter ausgestreut worden. Das Vaterland scheint sich nicht bis zum Libanon zu erstrecken, wenn auch die in Damascus angebauten Pflaumen schon seit Plinius’ Zeiten besonders geschätzt wurden. Es wird ange- nommen, dass Dioscorides? diese Art als in Damascus wachsend unter dem Namen Coccumelea von Syrien bezeichnete. Karl Koch erzählt, dass Kaufleute an den Grenzen Chinas ihm die Häufigkeit der Art in den

Wäldern des westlichen Theils des Kaiserreichs bestä-

tigt haben. Die Chinesen bauen freilich seit undenk- lichen Zeiten verschiedene Pflaumenbäume an, doch kennt man dieselben zu wenig, um sich ein Urtheil über sie zu erlauben, auch weiss man nicht, ob sie dort wirklich einheimisch sind. Da keiner unserer Pflaumen- bäume in Japan oder der Amurregion wildwachsend

“angetroffen wurde, wird es ziemlich wahrscheinlich, dass

die in China gesehenen Arten von den unserigen ver- schieden sind. Das scheint auch aus dem, was Bret- schneider darüber sagt, hervorzugehen.?

Für Europa ist das Indigenat von Prunus domestica sehr zweifelhaft. In den Ländern des Südens, wo der Baum erwähnt wird, trifft man ıhn besonders in den Hecken nahe bei Wohnplätzen an; er tritt mit den Anzeichen

1 Ledebour, Fl. ross., II, 5; Boissier, Fl. orient., II, 652; K. Koch, Dendrologie, I, S. 94; Boissier und Buhse, Aufzähl. Transcaucas., S. 80.

2 Dioscorides, a. a. O., S. 174; Fraas, Syn. fl. class., S. 69.

3 Bretschneider, On the study etc., S. 10.

T RÄT, à EU

264 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

eines höchstens naturalisirten Baumes auf, der hier und da dem unaufhörlichen Zuflusse von aus Anpflanzungen stammenden Kernen sein Fortbestehen verdankt. Die Autoren, welche die Art im Orient gesehen haben, tragen kein Bedenken, sie als subspontan hinzustellen. Fraas! versichert, dass sie in Griechenland nicht wildwachsend vorkommt, was Heldreich ? für Attica bestätigt; Steven bestätigt es ebenfalls für die Krim.? Wenn es sich so in der Nähe von Kleinasien verhält, hat man jeden- falls noch mehr Grund, dieselben Verhältnisse für die übrigen Gebiete Europas anzunehmen.

Wenn auch die Römer einst eine grosse Menge von Pflaumenbäumen anbauten, so findet sich doch auf den in Pompeji entdeckten Gemälden keine Spur davon an- gedeutet.*

Auch in den Ueberresten de Pfahlbauten Italiens, der Schweiz und Savoyens, in welchen man auf Kerne von Prunus insititia und spinosa stiess, hat man Prunus domestica nicht aufgefunden.

Aus diesen Thatsachen, sowie aus der kleinen Anzahl von Wörtern, die sich in den griechischen Autoren auf die Art beziehen lassen, kann man den Schluss ziehen, dass sie sich seit höchstens 2000 Jahren in Europa halbwegs naturalisirt hat, mehr oder minder spontan geworden ist.

Die Damascenerpflaumen, die Prunellen und andere ähnliche Formen gehören hierher.

Prunus insititia, Linné.$ Pflaumenbaum, Hafer- schlehe (fr. Prunier proprement dit).

Im wildwachsenden Zustande kommt derselbe im Süden Europas vor.° Auch in Cilicien, Armenien, im Süden

Fraas, Syn. fl. class., S. 69. 2 Heldreich, Pflanzen d. att. Ebene, Steven, Verzeichniss d. Halbinseln, I, 472.

4 Comes, Ill. piante pompeiane.

5 Insititia bedeutet fremd. Das ist ein sonderbarer Name, da jede Pflanze anderswo als in ihrem Vaterlande fremd ist.

6 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 244; Bertoloni, Fl. ital. V, 135; Grisebach, Spieilegium fl. Rumel., S. 85; Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 68.

1 3

Pflaumenbaum, Haferschlehe. 265

des Kaukasus und in der Provinz Talysch nach dem Kaspisee hin! ist er angetroffen worden. Spontan scheint er besonders in der europäischen Türkei und im Süden des Kaukasus aufzutreten. In Italien und Spanien ist er dies vielleicht in geringerm Grade, obgleich zu- verlässige Autoren, welche den Baum an Ort und Stelle gesehen haben, solches nicht in Zweifel stellen. Was die europäischen Gebiete nördlich von den Alpen bis nach Dänemark betrifft, so sind die angegebenen Localitäten wahrscheinlich die Folge von Naturalisa- tionen, welche wiederum durch Culturen bedingt wur- den. Die Art findet sich gemeiniglich in den Hecken, nicht weit von Wohnplätzen entfernt, und bietet nur ge- ringe Anzeichen einer spontanen Pflanze dar.

Dies alles stimmt mit den historischen und archäo- logischen Angaben recht gut überein.

Die alten Griechen unterschieden die Coccumeleen ihres Landes von jenen Syriens?, woraus man geschlossen hat, dass die ersten eben die Prunus insititia waren. Es ist dies um so wahrscheinlicher, weil die Neugriechen sie Coromeleia? nennen. Die Albanesen sagen Corom- bile*, was einen alten, pelasgischen Ursprung vermuthen lässt. Uebrigens darf man auf die volksthümlichen Na- men der Pflaumenbäume nicht allzu viel Gewicht legen, denn jedes Volk konnte die eine oder die andere der Arten, vielleicht auch diese oder jene der angebauten Varietäten ziemlich willkürlich bezeichnen. Im allge- meinen scheinen sich die Namen, über welche in den gelehrten Werken viel geschrieben worden ist, auf die Beschaffenheit der Pflaume oder ihres Baumes zu be- ziehen, ohne eine ganz bestimmte Bedeutung zu haben.

Kerne von Prunus insititia sind in den Terramare Italiens noch nicht aufgefunden worden; Heer hat jedoch

1 Boissier, Flora orient., II, 651; Ledebour, F1. ross., II, 5; Hohen- acker, Plantae Talysch, S. 128.

2 Dioscorides, LRO AS 1735, Erans; a. a 10;

3 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 68.

4 Ebend.

266 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

solche beschrieben und abgebildet, welche aus den Pfahlbauten von Robenhausen stammen. Heutzutage scheint die Art in jenem Theile der Schweiz nicht ein- heimisch zu sein, wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Bewohner der Pfahlbauten im Canton Zürich, wie dies aus der Geschichte des Flachses zu ersehen ist, zur Steinzeit Verbindungen mit Italien unterhielten. Diese alten Schweizer waren in der Wahl ihrer Lebens- mittel leicht zu befriedigen, denn sie sammelten auch die Früchte des Schlehendorns ein (Prunus spinosa), welche uns ungeniessbar scheinen. Wahrscheinlich be- reiteten sie durch Kochen ein Mus daraus.

Prunus Armeniaca, Linne. Armeniaca vulgaris, La- marck. Aprikosenbaum (fr. Abricotier).

Die Griechen und Römer erhielten den Aprikosen- baum zu Anfang der christlichen Zeitrechnung. Unbe- kannt zu Zeiten des Theophrast, erwähnt Dioscorides ? denselben unter dem Namen von Mailon armeniacon. „Die Lateiner‘‘, sagt er, „nannten ihn Praikokion“. Dies ist in der That eine der von Plinius® unter dem Na- men Praecocium (auf die Frühreife der Art Bezug neh- mend“) erwähnten Früchte. Der armenische Ursprung wurde durch den griechischen Namen angedeutet, viel- leicht sollte dieser Name aber auch nur anzeigen, dass die Art in Armenien angebaut wurde. Die neuern Botaniker hatten während einer langen Zeit gewichtige Gründe, dieselbe in jenem Lande als spontan anzusehen. Pallas, Güldenstädt und Hohenacker berichteten, die Art um den Kaukasus herum, sowol im Norden an den Ufern des Terek, wie auch im Süden, zwischen dem

1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 27, Fig. 16, c.

2 Dioscorides, 1. 1, c. 165. 3 Plinius, 1. 2, c. 12.

4 Der lateinische Name ist in den neugriechischen (Prikokkia) über- gegangen. Der spanische Name (Albaricoque), der französische (Abricot) u. s. w. scheinen von arbor precox oder Pr&ecocium zu kommen, während der altfranzösische Name Armegne, der italienische Armenilli von Mailon armeniacon abstammen. In meiner ,, Géographie bot. raisonnée‘, S. 880, finden sich weitere Details über die Namen der Art.

ah

Aprikosenbaum. 267

Kaspisee und dem Schwarzen Meer angetroffen zu haben.! Boissier? lässt diese Localitäten zu, ohne sich über die Spontaneität weiter auszusprechen. Er hat ein von Hohen- acker bei Elisabethpol gesammeltes Exemplar gesehen. Andererseits scheint Tchihatcheff?, der zu verschiedenen malen Anatolien und Armenien durchstreift hat, den wildwachsenden Aprikosenbaum nicht gesehen zu haben, und, was noch bezeichnender ist, Karl Koch, welcher die im Süden des Kaukasus gelegene Region mit der Ab- sicht bereiste, derartige Thatsachen zu beobachten, drückt sich folgendermaassen aus*: „Vaterland unbekannt. We- nigstens habe ich während meines verlängerten Aufent- halts in Armenien den wildwachsenden Aprikosenbaum nirgendwo angetroffen, ihn auch nur selten angebaut gesehen.“

Ein Reisender, W. J. Hamilton’, berichtete freilich, ihn bei Orgu und Utsch-Hisar in Anatolien gefunden zu haben; es ist diese Aussage aber von keinem Bo- taniker bestätigt worden.

Der angeblich wildwachsende Aprikosenbaum der Ruinen von Baalbek, welcher von Eusèbe de Salle be- schrieben wurde®, ıst nach dem, was er über das Blatt und die Frucht sagt, von dem gemeinen Aprikosenbaum ganz und gar verschieden. Boissier und die verschie- denen Sammler, welche ihm Pflanzen von Syrien und dem Libanon zugeschickt haben, scheinen die Art nicht gesehen zu haben. Spach” behauptet, dass sie in Per- sien einheimisch sei, ohne aber Beweise dafür zu lie- fern. In ihrer Aufzählung der Pflanzen Transkaukasiens und Persiens erwähnen Boissier und Buhse® den Baum nicht.

Es ist nutzlos, den Ursprung in Afrika zu suchen.

1 Ledebour, Fl. ross., II, 3. 2 Boissier, F1. orient., II, 652.

3 Tehihatcheff, Asie Mineure, Botanique, Bd. I.

4 K. Koch, Dendrologie, I, 87.

5 Nouv. annales des voyages, Febr. 1839, S. 176.

6 E. de Salle, Voyage, I, 140.

7 Spach, Hist. des vég. phanérog., I, 389.

8 Boissier und Buhse, Aufzählung der auf einer Reise u. s. w. (1860)

268 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Die Aprikosenbäume, welche Reynier! in Oberägypten „fast wildwachsend“ angetroffen zu haben berichtet, mussten von Kernen herrühren, die ausserhalb der An- pflanzungen ausgestreut waren, wie man dies auch in Algerien beobachten kann.? Schweinfurth und Ascherson? führen in ihrem Verzeichniss der Pflanzen Aegyptens und Abessiniens die Art nur als angebaut an. Wenn sie vor Zeiten in Nordafrika aufgetreten wäre, würden über- dies die Hebräer und Römer sie frühzeitig gekannt haben. Nun gibt es aber keinen hebräischen Namen, und Plinius sagt, dass die Einführung in Rom seit 30 Jahren datirte, als er an seinem Buche arbeitete.

Wir wollen uns jetzt mit unserm Forschen nach dem Orient wenden.

Die anglo-indischen Botaniker? erklären einstimmig, dass der im Norden Indiens und in Tibet allgemein angebaute Aprikosenbaum dort nicht einheimisch ist; sie fügen aber hinzu, dass er das Bestreben zeigt, sich zu naturalisiren, oder dass man ihn an solchen Stellen antrifft, wo früher Dörfer gestanden haben, Die Gebrüder Schlagintweit haben mehrere Exemplare aus dem nord- westlichen Indien und aus Tibet mitgebracht; dieselben wurden von A. Wesmael? geprüft, doch schreibt mir der- selbe, dass er die spontane Eigenschaft nicht bestätigen könne, indem die Etikette der Sammler hierüber keinen Nachweis gäbe.

Roxburgh6, welcher die Fragen nach dem Ursprung nicht übersah, sagt, indem er vom Aprikosenbaume spricht: „in China wie auch im Westen Asiens einheimisch“. Nun lese ich in dem merkwürdigen Werkchen des Dr.

1 Reynier, Économie des Égyptiens, S. 371.

2 Munby, Catal., Fl. d'Algérie, 2. Aufl., S. 49.

3 Schweinfurth und Ascherson, Beiträge zur Flora Aethiopiens (1867),

«259.

4 Royle, Ill. of Himalaya, S.205; Aitchison, Catal. of Punjab and Sindh, S. 56; Sir J. Hooker, F1. of Brit. India, II, 313; Brandis, Forest Flora of N. W. and Centr. India, S. 191.

5 Wesmael, im Bull. Soc. bot. Belgiq., VIII, 219.

6 Roxburgh, Fl. ind., 2. Aufl., II, 501.

PT

Aprikosenbaum. 269

Bretschneider!, welches in Peking verfasst wurde, fol- gende Stelle, welche die Frage zu Gunsten des chine- sischen Ursprungs zu entscheiden scheint: „Sing ist, wie man weiss, die Aprikose (Prunus Armeniaca). Das Schriftzeichen (ein chinesisches gedrucktes Zeichen, S. 10) kommt, als eine Frucht bezeichnend, weder im «Schu- king» noch in den «Schi-king, Tschéu-li» u.s.w. vor; das «Schan-hai-king» sagt aber, dass mehrere Sing auf den Hügeln wachsen (hier ein chinesischer Buchstabe). Ausser- dem wird der Name der Aprikose durch ein besonderes Schriftzeichen dargestellt, was darauf hinweisen mag, dass sie in China einheimisch ist.“ Das ,,Schan-hai- king“ wird dem Kaiser zugeschrieben, welcher 2905—2198 v. Chr. lebte. Decaisne?, welcher der erste war, der den chinesischen Ursprung der Aprikose muth- maasste, hatte neuerdings von Dr. Bretschneider Exem- plare erhalten, die von folgender Anmerkung begleitet waren: „Nr. 24, wildwachsender Aprikosenbaum von den Bergen Pekings, woselbst er in grossen Mengen vorkommt. Die Frucht ist klein (21}, cm Durchmesser). Die Schale ist von gelber und rother Farbe; das Fleisch gelbröthlich, von saurem Geschmack, aber essbar. Nr. 25, Kerne des in der Umgegend von Peking ange- bauten Aprikosenbaums. Die Frucht ist zweimal so gross als die wildwachsende.“ ? Decaisne fügte in einem an mich gerichteten Briefe noch folgende Bemerkung bei: „In der Form und der Aussenseite gleichen die Kerne ganz und gar denen unserer kleinen Aprikosen; sie sind glatt und nicht runzelig.“ Die mir von ihm geschickten Blätter gehören zweifelsohne dem Aprikosen- baume an.

1 Bretschneider, On the study and value of Chinese botan. works etc., D 10 u: 19;

2 Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Bd. VIII, Artikel Abricotier.

3 Dr. Bretschneider bestätigt dies in seinem neuern Werkchen: Notes on botanical questions, S. 3.

4 Prunus Armeniaca von Thunberg ist Pr. Mume von Siebold und Zuccarini. Franchet und Savatier führen den Aprikosenbaum in ihrer Enumeratio u. s. w. nicht auf.

270 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Weder in der Amurregion noch in Japan wird der Aprikosenbaum angeführt.! Vielleicht®sst die Strenge des Winters daselbst eine zu beträchtliche. Bedenkt man, dass vor alters keine Verbindungen zwischen China und Indien bestanden, sowie dass das Indigenat der Art für beide Länder als sicher hingestellt wurde, so neigt man sich zunächst der Ansicht hin, dass das alte Vaterland sich vom nordwestlichen Indien nach China erstreckte. Will man indessen dieser Hypothese folgen, so muss man weiter zugeben, dass sich die Cultur des Aprikosenbaums ziemlich spät nach Westen hin aus- breitete. Man kennt von ihm in der That weder einen Sanskritnamen noch einen hebräischen, sondern nur einen Hindinamen, Zard-alu, und einen persischen, Mischmisch; letzterer ist in das Arabische übergegangen.? Wie kann man nur annehmen, dass eine so ausge- zeichnete Frucht, die man so reichlich im westlichen Asien antrifft, sich in solch langsamer Weise vom Nord- westen Indiens nach der griechisch-römischen Welt aus- gebreitet hätte. Die Chinesen kannten sie 2- oder 3000 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung. Schang- kien war ein Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung bis nach Baktrien gekommen, und er ist der erste, welcher seine Landsleute mit dem Occident bekannt machte.? Vielleicht ist dies der Zeitpunkt, dass der Aprikosen- baum im westlichen Asien bekannt wurde, dass man ihn anbauen und er sich hier und da im Nordwesten Indiens und am Fusse des Kaukasus infolge der ausser- halb der Anpflanzungen ausgestreuten Kerne naturali- siren konnte.

1 „Herr Capus berichtet (Ann. sc. nat., Serie 6, XV, 206), dass er den wildwachsenden Aprikosenbaum in Turkestan zwischen 4—7000 Fuss Höhe angetroffen habe. Hieraus geht hervor, dass sich das alte Vaterland viel- leicht vom nördlichen China nach Turkestan erstreckte, und dass sich derselbe von da in die Gärten Armeniens ausbreitete.‘‘ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)

2 Piddington, Index; Roxburgh, F1. ind., a. a. O.; Forskal, Fl. Egypt.; Delile, Ill. Egypt.

3 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works,

ce u 2 ee

Gemeiner Mandelbaum. 27T

Amygdalus communis, Linne. Pruni species, Baillon. Prunus Amygdalus, Hooker fil. Gemeiner Mandel- baum (fr. Amandier).

Der Mandelbaum tritt mit den Anzeichen einer ganz und gar oder fast spontanen Pflanze in den warmen und trockenen Gegenden der Mittelmeerregion und des westlichen gemässigten Asiens auf. Da die aus den Cul- turen hervorgegangenen Kerne die Art leicht naturali- siren, muss man zu gar verschiedenen Angaben seine Zuflucht nehmen, um das alte Vaterland zu errathen.

Wir wollen zunächst die Ansicht von einem ostasia- tischen Ursprung beseitigen. In den Floren Japans findet sich der Mandelbaum nicht angegeben. Der Baum, welchen Bunge in Nordchina angebaut sah, war Persica Davidiana.! Von Dr. Bretschneider? hören wir in seinem classischen Werkchen, dass er den Man- delbaum in China nie angebaut gesehen habe, und dass die unter dem Namen Pent-sao im 10. oder 11. Jahr- hundert unserer Zeitrechnung veröffentlichte Sammlung ihn als einen Baum aus dem Lande der Mohammedaner, womit das nordwestliche Indien oder Persien gemeint ist, bezeichnet.

Die anglo-indischen Botaniker ? berichten, dass der Mandelbaum in den kühlen Regionen Indiens angebaut wird, einige fügen aber hinzu, dass er daselbst nicht gedeiht und man viele Mandeln aus Persien kommen lasse. Man kennt keinen Sanskritnamen, selbst nicht einmal einen aus vom Sanskrit abgeleiteten Sprachen. Es liest auf der Hand, dass das ursprüngliche Vater- land der Art anderswo zu suchen ist als im Nordwesten Indiens.

Dagegen fehlt es in Mesopotamien und Turkestan bis nach Algerien nicht an Localitäten, in welchen sehr zuverlässige Botaniker den Mandelbaum in ganz und

1 Bretschneider, Early European researches, S. 149. * 2 Bretschneider, Study and value etc., S. 10, u. Early Europ. researches, S. 149. 3 Brandis, Forest Flora; Sir J. Hooker, Fl. of Brit. India, III, 313. 4 Roxburgh, F1. ind., 2. Aufl., II, 500; Royle, Ill. Himal., S. 204.

272 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

gar wildwachsendem Zustande gefunden haben. Boissier! sah Exemplare, die auf steinigem Terrain in Mesopo- tamien, in Aderbeidschan, Turkestan, Kurdistan und in den Wäldern des Antilibanon gesammelt worden waren. Karl Koch? hat ihn ebenso wenig im Süden des Kaukasus wildwachsend angetroffen, wie Tchihatcheff in Klein- asien. Cosson®? stiess auf natürliche Holzungen von Mandelbäumen in Algerien, nahe bei Saida. Auch an den Küsten Siciliens und Griechenlands* wird er als wildwachsend angesehen; dort aber und noch mehr in den Localitäten, wo er sich in Italien, Frankreich und Spanien zeigt, liegt die Wahrscheinlichkeit, ja fast die Gewissheit vor, dass dies das Resultat von infolge von Culturen zufällig ausgestreuten Kernen ist.

Einen Beweis für das hohe Alter des Vorkommens im westlichen Asien finden wir in der Thatsache, dass für die Mandeln? hebräische Namen wie Schaked, Luz oder Zus (was noch der arabische Name Luz ist) und Schekedim bekannt sind. Die Perser haben einen andern Namen, Badam, von welchem ich den Altersgrad nicht kenne. Theophrast und Dioscorides® erwähnen den Mandelbaum unter einem ganz verschiedenen Na- men, Amugdalai, welcher von den Lateinern in Amyg- dalus übersetzt wurde. Daraus lässt sich schliessen, dass die Griechen die Art nicht vom Innern Asiens er- halten hatten, sondern sie in ihrem eigenen Lande oder wenigstens in Kleinasien gefunden hatten. Der Mandel- baum ist mehreremal auf den in Pompeji entdeckten Gemälden abgebildet.” Plinius® bezweifelt es, dass die Art zu Cato’s Zeiten in Italien bekannt war, weil sie

1 Boissier, F1. or., III, 641.

2 K. Koch, Dendrologie, I, 80; Tchihatcheff, Asie Mineure, Botanique, I, 108.

3 Ann. des sc. nat., Serie 3, XIX, 108.

4 Gussone, Synopsis fl. siculae, I, 552; Heldreich, Nutzpflanzen Grie- chenlands, S. 67.

5 Hiller, Hierophyton, I, 215; Rosenmüller, Handb. der bibl. Alter- thumskunde, IV, 263.

6 Theophrastus, Hist., 1, 1, c. 11, 18 ete.; Dioscorides, 1. 1, c. 176.

7 Schouw, Die Erde etc.; Comes, Ill. piante nei dipinti pompeiani, S. 15.

8 Plinius, Hist., 1. 16, c. 22.

Hr

BET

ara

Pfirsichbaum. 213

als griechische Nuss bezeichnet war. Möglich ist es, dass der Mandelbaum von den griechischen Inseln nach Rom eingeführt worden war. Man hat keine Mandeln in den ,,Terramare‘ von Parma, selbst nicht einmal in den obern Schichten gefunden.

Ich gebe zu, dass das wenig beträchtliche Alter der Art bei den Römern, sowie das Fehlen irgendwelcher Naturalisation ausserhalb der Culturen in Sardinien und Spanien! mir das Indigenat an der Nordküste Afrikas und in Sicilien zweifelhaft erscheinen lassen. Es han- delt sich hier, will mir scheinen, vielmehr um einige Jahrhunderte zurückgehende Naturalisationen. Zur Be- gründung dieser Hypothese führe ich den berberischen Namen Talouzet? für die Mandel an, welcher augen- scheinlich mit dem arabischen Louz in Verbindung steht, d. h. mit der Sprache der Eroberer, die den Römern folgten. Dagegen kann man das Indigenat im west- lichen Asien, sogar an einigen Punkten Griechenlands als prähistorisch ansehen; den Ausdruck ursprünglich

gebrauche ich nicht, weil allem etwas vorherging.

Zum Schluss will ich noch bemerken, dass die Griechen und selbst die Hebräer schon den Unterschied zwischen süssen und bittern Mandeln kannten.

Am ygdalus Persica, Linne. Persica vulgaris, Miller. Prunus Persica, Bentham und Hooker. Pfirsichbaum (fr. Pécher).

Zunächst will ich hier den Abschnitt? anführen, in welchem ich früher den Pfirsich als ursprünglich von China stammend bezeichnet hatte, was mit der da- mals herrschenden Meinung im Widerspruch stand, eine Meinung, die auch jetzt noch von Leuten, welche mit der Wissenschaft wenig vertraut sind, wiederholt wird.

1 Moris, Flora sardoa, II, 5; Willkomm et Lange, Prodr. Fl. hisp. III, 243.

‘2 Dictionnaire français-berbère, 1844.

3 Alph. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 851.

DE CANDOLLE. 18

974 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Sodann werde ich auf die seit 1855 entdeckten That- sachen zu sprechen kommen.

„Die Griechen und Römer haben den Pfirsichbaum ungefähr zu Anfang der christlichen Zeitrechnung er- halten.“ Die Namen Persica, Malum persicum deuteten schon an, von wo er zu ihnen gelangte. Es ist nicht nöthig, auf diese wohlbekannten Thatsachen zurückzu- kommen.!

„Gegenwärtig baut man im Norden Indiens? verschie- dene Pfirsichbäume an, doch, seltsam genug, kennt man von ihnen keinen Sanskritnamen?, woraus man auf ein wenig altes Vorkommen, auf eine ebenso wenig alte Cultur in diesen Regionen schliessen kann. Roxburgh, der gemeiniglich in Bezug auf neuere indische Namen so ausführlich ist, erwähnt nur arabische und chine- sische. Auch Piddington spricht von keinem indischen Namen und Royle weist nur auf persische Namen hin.

„Im nordöstlichen Indien gedeiht der Pfirsichbaum nicht oder erheischt doch grosse Pflege zu seinem Fort- kommen.* In China dagegen geht seine Cultur auf die ältesten Zeiten zurück. In diesem Lande kommen eine Menge abergläubischer Begriffe und Legenden über die Eigenschaften verschiedener Varietäten von Pfirsichen vor’; die Anzahl dieser Varietäten ist eine sehr be-

1 Theophrastus, Hist., 1. 4, c. 4; Dioscorides, 1. 1, c. 164; Plinius, Genfer Ausgabe, 1. 15, c. 13.

2 Royle, Ill. Himal., S. 204. -

3 Roxburgh, Fl. ind., 2. Aufl., II, 500; Piddington, Index; Royle, a. 4.10.

4 Sir J. Hooker, Journ. of Bot., 1550, S. 54.

5 Rose, Vorsteher des französischen Handels in Canton, hatte sie nach chinesischen Manuscripten gesammelt, und Noisette (Jard. fruit., I, 76) hat einen Theil dieser Arbeit wörtlich übertragen. Beispielsweise führe ich einige derselben hier an: Die Chinesen betrachten die in eine Spitze auslaufenden und auf einer Seite sehr roth gefärbten Pfirsiche als das Sinnbild eines langen Lebens. Dieser uralten Ueberzeugung gemäss spie- len diese Pfirsiche auf allen Verzierungen, sei es in der Malerei oder der Bildhauerei und besonders bei Beglückwünschungsgeschenken u. s. w. eine gewisse Rolle. Nach dem Buche von Schin-nong-king schützt der Pfirsich Yu vor dem Tode; und wenn man ihn nicht zeitig genug hat essen kön- nen, so bewahrt er wenigstens den Körper bis an das Ende der Welt vor Verwesung. Der Pfirsich wird immer unter den Früchten der Unsterb- lichkeit aufgeführt, mit welchen man den Hoffnungen von Tsinschi-Hoang, Wuty, der Han und anderer Kaiser, welche auf Unsterblichkeit Anspruch erhoben, schmeichelte, u. s. w.

a

Di

Barker ©

Pfirsichbaum. 219

trächtliche!; ganz insbesondere findet sich dort die eigenthümliche Form des flachen Pfirsichs?, welche sich mehr als irgendeine andere von dem natürlichen Zu- stande der Art zu entfernen scheint; schliesslich legt man dem gemeinen Pfirsisch einen nicht zusammenge- setzten Namen, nämlich 70, beı.?

„Nehme ich diese Thatsachen zusammen, so neige ich mich dem Glauben hin, dass der Pfirsichbaum eher von China stammt als aus dem westlichen Asien. Wenn er von jeher in Persien oder in Armenien vorgekommen wäre, hätten sich die Kenntniss und die Cultur eines durch seine Früchte so hervorragenden Baumes früher nach Kleinasien und Griechenland verbreitet. Durch den Zug Alexander’s lernte Theophrast ihn wahrscheinlich kennen (322 v. Chr.), derselbe spricht von ihm als einer persischen Frucht. Vielleicht geht diese unklare Kenntniss der Griechen bis auf den Rückzug der Zehn- tausend zurück (401 v. Chr.); doch wird der Pfirsich- baum von Xenophon nicht genannt. In den hebräischen Büchern wird desselben keine Erwähnung gethan. Einen

Sanskritnamen besitzt der Pfirsichbaum nicht, und den-

noch war das Volk, welches jene Sprache redete, von Nordwesten nach Indien gekommen, somit von dem Lande, welches gemeiniglich als die muthmaassliche Heimat der Art hingestellt wird. Wie kann man es aber erklären, falls dieses Vaterland anerkannt wird, dass weder die Griechen seit Bestehen des Landes, noch die Hebräer und ebenso wenig das sanskritredende Volk, welche alle aus der obern Region des Euphrat hervor- gingen oder mit derselben in Verbindung standen, den Pfirsichbaum anbauten. Dagegen ist es sehr möglich, dass Kerne eines seit undenklichen Zeiten in China angebauten Fruchtbaums mitten durch die Gebirge hin- durch von Centralasien nach Kaschmir, der Bucharei und Persien gebracht wurden. Diese Strasse war von

1 Lindley, Trans. hort. soc., V, 121. 2 Trans. hort. soc. Lond., IV, 512, Taf. 19. 3 Roxburgh, a. a. O.

LA CN x

276 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

den Chinesen seit einer sehr langen Zeit entdeckt wor- den. Die Einführung würde in der zwischen der Epoche der Sanskritauswanderung und den Beziehungen der Perser zu den Griechen gelegenen Zeit stattgefunden haben. Einmal auf diesem Punkte begründet, würde der Anbau des Pfirsichbaums leicht vorwärts geschritten sein, und zwar einmal nach Westen hin, dann über Kabul nach dem Norden Indiens, woselbst der Anbau kein hohes Alter aufweist.

„Man kann zur Begründung der Hypothese eines chinesischen Ursprungs noch hinzufügen, dass der Pfir- sichbaum von China nach Cochinchina ! eingeführt wor- den ist, und dass die Japanesen den Pfirsich mit dem chinesischen Namen Tao? bezeichnen. Herr Stanislas Julien hatte die Freundlichkeit, mir einige Stellen aus der «Encyclopédie japonaise» (lv. LXXXVI, S. 7) zu übersetzen, in denen der Pfirsichbaum als ein Baum westlicher Länder hingestellt wird, womit im Bezug auf die Ostküste die centralen Gebiete Chinas verstanden werden sollen, weil die Stelle einem chine- sischen Schriftsteller entlehnt worden ist. Der Tao findet sich schon in den Büchern des Confucius, im 5. Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung, ja selbst im «Rituel» des 10. Jahrhunderts v. Chr. In der erwähnten Eueyklopädie wird auf die spon- tane Beschaffenheit der Pflanze nicht besonders hinge- wiesen; das kommt daher, weil die chinesischen Autoren auf eine derartige Frage wenig Aufmerksamkeit ver- wenden.“

Nachdem ich einige Einzelheiten über die volksthüm- lichen Namen des Pfirsichs in verschiedenen Sprachen gegeben, sagte ich: „Das Fehlen von Sanskrit- und. hebräischen Namen bleibt als die wichtigste Thatsache

1 Loureiro, Fl. Cochinch., S. 336.

2 Kaempfer, Amoen., S. 798; Thunberg, Fl. Jap., S. 199. Kämpfer und Thunberg führen auch den Namen Momu an, dagegen bezieht Siebold (Fl. Jap., I, 29) einen ziemlich ähnlichen Namen, Mume, auf einen Pflau- menbaum, Prunus Mume, Sieb. et Z.

Pfirsichbaum. ATT

zurück, aus ihr kann man auf eine Einführung nach dem westlichen Asien von weit her, d. h. von China schliessen.

„In mehreren Gegenden Asiens ist der Pfirsichbaum spontan angetroffen worden, man kann sich aber immerhin fragen, ob er daselbst ursprünglich zu Hause war, oder ob dieses spontane Auftreten durch Ausstreuung von Kernen bedingt wurde, welche von angebauten Bäumen stammten. Diese Frage erscheint um so nothwen- diger, weil Pfirsichkerne leicht keimen, und mehrere Abänderungen des Pfirsichbaums erblich sind. An- scheinend wildwachsende Exemplare sind häufig in der Nähe des Kaukasus gefunden worden. Pallas? hat solche an den Ufern des Terek gesehen, wo die Ein- wohner sie Scheptala® nennen, ein Name, der diesem Autor zufolge persisch sein soll. Die Früchte davon sind filzig, herbe (austeri), wenig fleischig, kaum grösser als die des Nussbaums, der Baum selbst niedrig. Pallas muthmaasst, dass dieser Strauch von den ange- bauten Pfirsichbäumen abstammt. Er fügt hinzu, dass man ihn in der Krim, im Süden des Kaukasus und in Persien antrifft; aber weder Marschall von Bieberstein noch C. A. Meyer oder Hohenacker geben den wild- wachsenden Pfirsichbaum beim Kaukasus herum an. Alte, von Ledebour genannte Reisende, Gmelin, Gülden- städt und Georgi, haben darüber berichtet. ©. Koch? ist der einzige Botaniker der Neuzeit, welcher den Pfirsichbaum im Ueberfluss in den kaukasischen Pro- vinzen gefunden haben will. Ledebour fügt jedoch vorsichtigerweise hinzu: «Ist er wildwachsend?» Die Kerne, welche Bruguiere und Olivier von Ispahan ge- bracht hatten, und die, in Paris ausgesäet, eine gute Pfirsich mit filziger Bekleidung hervorbrachten, stammten

2 +).

1 Noisette, Jard. fr., S. 77; Trans. Soc. hört. London, IV, S. 51

2 Pallas, Fl. ross., S. 13.

3 Schuft-alu ist nach Royle (Til. Him., S. 204) das persische Wort für den glatten Pfirsich.

4 Ledebour, Fl. ross., I,3. Vgl. die S. 282 folgende Meinung von Koch,

278 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

nicht, wie Bosc! behauptet, von einem in Persien wild- wachsenden Pfirsichbaume, sondern von einem Baume aus den Gärten Ispahans.? Mir liegen keine Beweise vor, dass man einen Pfirsichbaum in Persien wildwach- send gefunden habe, und wenn solches von Reisenden angegeben wird, muss man immer befürchten, dass es sich um gesäete Bäume handelt. Dr. Royle? sagt, dass der Pfirsichbaum in mehreren Gegenden des Südens vom Himalaja, ganz insbesondere nahe bei . Mussuri wild wächst, wir haben aber gesehen, dass die Cultur des Baumes in diesen Regionen keine alte ist, und weder Roxburgh noch die «Flora nepalensis» von Don erwähnen den wildwachsenden Pfirsichbaum. Bunge * hat in Nordchina nur angebaute Exemplare angetroffen. Es ıst dieses Land kaum erforscht worden, und die chinesischen Legenden scheinen zuweilen auf wildwach- sende Pfirsichbäume hinzuweisen. So besagt der «Schu- y-ki» nach dem obengenannten Autor: «Wer immer Pfirsiche von dem Gebirge Kuoliu isst, erlangt ein ewiges Leben.» In Bezug auf Japan sagt Thunberg°: «Crescit ubique vulgaris, precipue juxta Nagasaki. In ommi horto colitur ob. elegantiam florum.» Nach dieser Stelle zu urtheilen, erscheint es, als ob die Art ausser- halb der Gärten sowie in den Gärten wüchse; vielleicht handelt es sich aber im erstern Falle nur um auf freiem Felde angebaute Pfirsichbäume.

„Bisjetzt habe ich noch nicht von der Unterscheidung gesprochen, welche zwischen den verschiedenen Varie- täten oder Arten von Pfirsichbäumen aufzustellen ist. Die meisten derselben werden in allen Ländern ange- baut, wenigstens die unter sich scharf abgesonderten Klassen, welche man als botanische Arten ansehen könnte. - So findet sich die wichtige Unterscheidung der filzigen Pfirsiche und der glatten Pfirsiche, auf welche man zwei Arten zu gründen vorgeschlagen hat (Persica

1 Bosc, Dict. d’agrie., IX, 481. 2 Thouin, Ann. Mus., VIII, 433. 3 Royle, Ill. Himal., S. 204. 4 Bunge, Enum. plant. chin., S. 23. 5 Thunberg, F1. Jap., S. 199.

di

nu”

Pfirsichbaum. 279

vulgaris, Mill, und P. levis, DC.), in Japan! und in Europa, wie auch in den meisten der dazwischenliegen- den Länder.” Weniger Gewicht wird auf die Unter- scheidungen gelegt, welche sich auf die Lösbarkeit und die Unlösbarkeit der Oberhaut, auf die weisse, gelbe oder rothe Farbe des Piöikehes und auf die allgemeine Form der Frucht stützen. Die zwei grossen Klassen von Pfirsichen, filzige und glatte, bieten zum grössten Theil diese Abänderungen dar, und dies sowol in Eu- ropa wie in Westasien und wahrscheinlich auch in China. Gewiss ist es, dass in letzterm Lande die Form mehr abwechselt als anderswo, denn man sieht dort wie in Europa längliche Pfirsiche, und ausserdem solche, von welchen ich bereits sprach, die vollständig flach von oben her zusammengedrückt sind, bei welchen die Spitze des Kerns nicht einmal von Fleisch bedeckt ist.” Auch die Farbe ist dort grossen Abwechselungen unterworfen.* In Europa waren die am besten unterschiedenen Varie- täten, ganz besonders die glatten und die filzigen Pfir- siche, mit lösbarem oder nicht lösbarem Kerne schon vor drei Jahrhunderten bekannt, denn sie werden von J. Bauhin mit grosser Genauigkeit aufgezählt’, und vor ihm hatte auch Dalechamp im Jahre 1587 die haupt- sächlichsten angegeben.° Die glatten Pfirsiche wurden damals Nucipersica genannt, weil sie in Form, Grösse und Farbe mit der Frucht des Nussbaums Aehnlichkeit besassen. Dieselbe Bedeutung hat das bei den Ita- lienern noch jetzt gebräuchliche Wort Pescanoce. „vergebens habe ich nach einem Beweise dafür ge- sucht, dass dieser glatte Pfirsich schon bei den alten Römern vorkam. Plinius’, welcher in seiner Zusammen- stellung der Pfirsich- und Pflaumenbäume auch den

à Thunberg, Fl. Jap., S. 199.

2 Die von mir zu Rathe gezogenen Berichte über China erwähnen des en Pfirsich nicht; da derselbe aber in Japan vorkommt, ist es höchst wahrscheinlich, dass er sich auch in China findet.

3 Noisette, a. AU NErAns Soc. hort., IV, 512, Taf,-19. 4 Lindley, Trans. hort. Soc., V, 122.

5 J. Bauhin, Hist., I, 162 und 163.

5 Dalechamp, Hist,, Y, 295. Pline sc 1% ur 19.

280 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Laurus Persea und vielleicht noch andere Bäume hin- zuzieht, gebraucht keinen Ausdruck, welcher sich auf eine ähnliche Frucht beziehen könnte. Man glaubte ihn einigemal in den T'uberes, von welchen er spricht!, wiederzuerkennen. Dies war ein Baum, der zu Zeiten des Augustus von Syrien nach Italien gebracht worden war. Es gab weisse und rothe Tuberes. Andere (Tu- beres? oder Mala?) aus der Umgegend von Verona waren filzig. Der Schluss des Kapitels scheint nur die Mala zu betreffen. Hübsche, von Dalechamp”? ange- führte Verse des Petronius liefern den deutlichen Be- weis, dass unter den Tuberes der Römer zu Zeiten Nero’s eine glatte Frucht verstanden war; das konnte aber ebenso gut der Judendorn (Zizyphus), der Dios- pyros oder eine Crataegusart wie der Pfirsichbaum mit glatter Frucht sein. Jeder Schriftsteller der Renaissance- zeit hatte seine hierauf bezügliche Meinung oder machte es sich zur Aufgabe, die Aussage der andern zu kriti- siren.” Vielleicht gab es, wie Plinius berichtet, Tuberes von zwei oder drei Arten, und eine derselben, welche auf Pflaumenbäumen * gepfropft wurde, war der glatte Pfirsich. Ich bezweifle es, dass man jemals diese Frage aufklären wird.?

„Selbst, wenn man zugibt, dass der Nucipersica erst im Mittelalter nach Europa eingeführt wurde, lässt sich der Thatsache nichts entgegenstellen, dass eine Vermischung der den Pfirsichen anhaftenden wichtigsten Eigenschaften in den europäischen Culturen seit mehreren Jahrhun- derten, in Japan seit unbekannten Zeiten anzutreffen war. Es hat den Anschein, als ob diese verschiedenen Eigenschaften sich überall vermittelst einer ursprüng-

1 Plinius, De div. gen. malorum, 1. 2, ce. 14.

2 Dalechamp, Hist., I, 358.

3 Dalechamp, a. a. O.; Matthioli, S. 122; Caesalpinus, S. 107; J. Bau- hin, S. 163, etc.

2PlınTuslaldsae10:

5 Für die glatte Frucht habe ich keinen italienischen oder andern Namen entdecken können, welcher von fuber oder fuberes abstammt. Dies ist höchst seltsam, denn im allgemeinen haben sich die alten Fruchtnamen unter irgendeiner Form erhalten.

Te

Pfirsichbaum. 281

lichen Art der filzigen Pfirsich erzeugt hätten. Wenn es ursprünglich zwei Arten gab, würden diese entweder in verschiedenen Ländern aufgetreten sein, und sich ihre Cultur für sich getrennt begründet, oder sie würden sick in ein und demselben Lande befunden haben, und in diesem Falle ist es wahrscheinlich, dass die alten Verkehrsmittel hier eine, anderswo die an- dere der Arten eingeführt hätten.“

Im Jahre 1855 betonte ich noch andere Erwägungen, um die Ansicht zu begründen, dass der glatte Pfirsich (Brugnon, im Englischen Nectarine) von dem gemeinen Pfirsichbaum abstamme; Darwin hat eine so grosse Menge von Fällen angeführt, bei welchen ein Necta- rinenzweig plötzlich aus einem Pfirsichbaum mit fil- ziger Frucht hervorsprosste, dass es unnöthig erscheint, hier noch weiter darüber zu sprechen. Ich will nur noch bemerken, dass der glatte oder Blutpfirsichbaum ganz das Ansehen eines Baumes hat, welcher der Kunst sein Dasein verdankt. Man hat ihn weder wildwach- send angetroffen, noch naturalisirt er sich ausserhalb der Gärten, und jedes Individuum zeigt ein kürzeres Leben als die gemeinen Pfirsichbäume. Er ist eine entkräftete Form.

„Die Leichtigkeit“, sagte ich, „mit welcher sich un- sere Pfirsichbäume durch Aussaat in Amerika vermehrt, und ohne weitere Veredelung fleischige, bisweilen sehr schöne Früchte getragen haben, veranlasst mich zu dem Glauben, dass sich die Art in einem natürlichen Zu- stande befindet, der durch eine lange Cultur oder durch Kreuzungen nur wenige Abänderungen erlitten hat. In Virginien und den Nachbarstaaten hat man Pfirsiche, die von Sämlingen, nicht von durch Pfropfen veredelten Bäumen stammen, und sie finden sich in-so ungeheuern Mengen, dass, um sie zu verwerthen, Branntwein dar- aus gewonnen wird.! Auf einigen Bäumen sind die Früchte von ganz vorzüglicher Qualität.” Auf Juan-

1 Braddick, Trans. hort. Soc. Lond., II, 205. 2 Ebend., Taf. 13.

289 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Fernandez ist», sagt Bertero!, «der Pfirsichbaum so häufig, dass man sich von der Menge der eingesam- melten Früchte gar keinen Begriff machen kann; wenn auch die Bäume daselbst in den wildwachsenden Zu- stand zurückgekehrt sind, so liefern sie im allgemeinen doch recht gute Früchte» Nach diesen Beispielen würde es durchaus nicht befremden, wenn die wild- wachsenden, im westlichen Asien angetroffenen Pfirsich- bäume mit mittelmässigen Früchten ganz einfach der unter einem wenig günstigen Klima bedingten Naturali- sation ıhr Dasein verdankten, und die Art in China, wo die Cultur als die älteste erscheint, ursprünglich zu Hause wäre.“

Dr. Bretschneider ?, welchem in Peking alle Quellen der chinesischen Literatur offen standen, begnügte sich, nach Lesung des Vorhergehenden, mit dem Ausspruche: „Tao ist der Pfirsichbaum. De Candolle glaubt, dass China das Heimatsland des Pfirsichs ıst; er kann recht haben (he may be right).

Ueber das hohe Alter des Vorkommens der Art, so- wie über ihre Spontaneität im westlichen Asien hegt man jetzt noch mehr Zweifel als ım Jahre 1855. Die anglo-indischen Botaniker sprechen vom Pfirsich- baume als einem ausschliesslich angebauten® oder durch die Cultur im nordwestlichen Indien naturalısirten, dem Anscheine nach spontanen Baume.* Von Boissier? werden Exemplare angeführt, die in Ghilan und im Süden des Kaukasus gesammelt waren, aber nichts wird von ihm in Bezug auf die spontane Eigenschaft bestätigt, und nachdem Karl Koch® diese Region durchstreift hatte, stellt er das Vaterland des Pfirsichbaums als unbekannt hin, meint, dass Persien es sein könne. Boissier sah

1 Bertero, in: Ann. sc. nat., XXI, 350.

2 Bretschneider, On the study and value of Chinese botanical works, S. 10.

3 Sir J. Hooker, Fl. of Brit. India, II, 313.

4 Brandis, Forest Flora etc., S. 191

5 Boissier, Flora orientalis, II, 640.

6 K. Koch, Dendrologie, I, 33.

Pfirsichbaum. 283

Bäume, welche sich in den Schluchten des Berges Hy- mettus bei Athen festgesetzt hatten.

Der Pfirsichbaum breitet sich mit Leichtigkeit in den Ländern aus, wo man ıhn anbaut, sodass es nicht leicht ; hält, zu wissen, ob ein bestimmtes Individuum ursprüng- lich im Lande heimisch ist, vor der allgemeinen Cultur, oder ob es sich naturalisirt hat; in China hat man aber sicherlich damit angefangen, den Pfirsichbaum anzu- pflanzen; 2000 Jahre vor seiner Einführung in die griechisch-römische Welt, ein Jahrtausend vielleicht vor seinem Bekanntwerden in den Ländern der Sanskrit- sprache, kannte man den angebauten Pfirsichbaum be- reits im Reiche der Mitte.

Die Gruppe der Pfirsichbäume (Gattung oder Unter- gattung) wird gegenwärtig aus fünf Formen zusammen- gesetzt, welche Decaisne! als Arten betrachtete, die aber von andern Botanikern meistens als Varietäten be- zeichnet werden. Die eine ist der gemeine Pfirsich- baum, die zweite der mit glatter Frucht, welcher, wie wir gesehen haben, aus ersterm hervorgegangen ist, die dritte ist der Pfirsichbaum mit flacher, d. h. von öben her zusammengedrückter Frucht (P. platycarpa, De- caisne), welcher in China angebaut wird, und die beiden letzten sind in China einheimisch (P. Simonii, Decaisne, und P. Davidii, Carrière); es ist somit der Hauptsache nach eine aus China stammende Gruppe.

Nach dieser Zusammenstellung von Thatsachen dürfte es schwer halten, für den gemeinen Pfirsichbaum China nicht als ursprüngliches Heimatsland hinzustellen, wie ich ‚dies bereits vor Jahren nach weniger zahlreichen Documenten gemuthmaasst hatte. Seine Ankunft in Italien zu Anfang der christlichen Zeitrechnung wird heutzutage durch das Fehlen von Pfirsichkernen in den Terramare oder Pfahlbauten von Parma und der Lom- bardei, sowie auch durch Pfirsichbäume darstellende

1 Decaisne Jardin fruitier du Muséum, Pechers, S. 42.

a re

Gemälde ın den Häusern der Reichen von Pompeji bestätigt. ! |

Zum Schluss muss ich noch auf eine Ansicht zu sprechen kommen, die vor zeiten von A. Knight auf- gestellt und von mehreren Gärtnern unterstützt wurde, dass nämlich der Pfirsichbaum eine Abänderung des Mandelbaums wäre. Darwin? hat alle Schriftstücke zur Begründung dieser Meinung vereinigt, doch hat er es auch nicht versäumt, eins anzuführen, welches, wie er glaubt, dagegen spricht. Kurz zusammengefasst ergibt sich daraus: 1) eine Kreuzung, die Knight ziemlich zweifelhafte Resultate geliefert hat; 2) Zwischenformen in Bezug auf die Fleischfülle und den Kern, welche durch Aussaaten oder zufällig in den Culturen erzielt waren, Formen, von welchen der seit langer Zeit be- kannte Mandelpfirsich als Beispiel genannt werden kann. Decaisne® fand in der Form und der Länge der Blätter, ganz abgesehen von den Kernen, die zwischen dem Mandel- und Pfirsichbaume obwaltenden Verschieden- heiten. Knight’s Ansicht behandelt er als eine „selt- same Hypothese‘.

Die Pflanzengeographie spricht gegen diese Hypo- these, denn der Mandelbaum stammt aus dem west- lichen Asıen, kam ehemals im Centrum des asiatischen Continents nicht vor, und seine Einführung nach China als angebauter Baum geht nicht über die christliche Zeitrechnung hinaus. Die Chinesen besassen ihrerseits seit Tausenden von Jahren verschiedene Formen des ge- meinen Pfirsichbaums, und ausserdem die zwei spon- tanen Formen, von welchen ich gesprochen habe. Der Mandelbaum und der Pfirsichbaum waren von zwei sehr voneinander entfernten Regionen ausgegangen, und schon aus diesem Grunde kann man sie kaum als ein und dieselbe Art betrachten. Der eine war auf China, der andere auf Syrien und Anatolien angewiesen. Nachdem

284 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Comes, Illustr. piante nei dipinti Pompeiani, S. 14. Darwin, On variations etc., I, 338. Decaisne, a. a. O., S. 2.

C2 19 m

Gemeiner Birnbaum. 285

der Pfirsichbaum von China nach Centralasien, und etwas vor der christlichen Zeitrechnung nach Westasien ge- bracht worden war, kann er daselbst nicht der Stamm- vater des Mandelbaums geworden sein, weil sich dieser letztere bereits in dem Lande der Hebräer vor- fand. Und wie wäre es möglich, falls der Mandelbaum des westlichen Asiens den Pfirsichbaum erzeugt hätte, dass dieser in China seit einer sehr fern liegenden Zeit

auftrat, während er doch der griechisch-römischen Welt fehlte?

Pyrus communis, Linne. Gemeiner Birnbaum (fr. Poirier commun).

Der Birnbaum zeigt sich im wildwachsenden Zustande im ganzen gemässigten Europa und in Westasien, vor- nehmlich in Anatolien, im Süden des Kaukasus und im Nordpersien!, vielleicht auch in Kaschmir, doch ist letzte- res zweifelhaft.” Von einigen Autoren wird der Wohn- sitz bis nach China ausgedehnt. Dies hat seinen Grund darin, dass sie die Pyrus sinensis, Lindley, als derselben Art zugehörig ansehen. Mich hat schon die einfache Prüfung der Blätter, bei welchen die zahnartigen Ein- schnitte in ein feines Seidenhärchen verlaufen, zu der Ueberzeugung einer specifischen Verschiedenheit der beiden Bäume gebracht.”

Unser wildwachsender Birnbaum unterscheidet sich nur wenig von gewissen angebauten Varietäten. Seine Frucht ist herbe, gesprenkelt, die Form derselben bald

unten abgeflacht oder fast kugelrund.* Bei vielen an-

dern angebauten Arten hält es schwer, die von einer wildwachsenden Pflanze abstammenden Individuen von

1 Ledebour, F1. ross., II, 94; und besonders Boissier, Fl. orient., II, 653, der mehrere Exemplare untersucht hat.

2 Sir J. Hooker, Flora’ of British India, II, 374.

3 Der von Lindley beschriebene P. sinensis ist in Bezug auf die zahn- förmigen Einschnitte der Blätter im Botanical Register schlecht abgebil- det, im Jardin fruitier du Muséum von Decaisne dagegen sehr gut. Dies ist dieselbe Art als der P. ussuriensis, Maximowiez, aus dem östlichen Asien.

4 Im Nouveau Duhamel, VI, Taf. 59, sowie in Decaisne’s Jardin fruitier du Muséum, Taf. 1, Fig. B u.C, sehr gut abgebildet. Der P. Balanse, Taf. 6 desselben Werkes, scheint nach Boissier’s Beobachtungen gleichartig zu sein.

286 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

denen zu unterscheiden, welche eine zufällige Samen- fortschaffung fern von menschlichen Niederlassungen ins Leben gerufen hat. In dem uns vorliegenden Falle ist dies nicht so schwierig. Die Birnbäume finden sich häufig in den Wäldern und erreichen unter allen Frucht- barkeitsbedingungen einer einheimischen Pflanze einen hohen Wuchs. Wir wollen jedoch sehen, ob sich in dem weiten von ihnen eingenommenen Ländergebiet in gewissen Ländern ein weniger altes oder weniger gut begründetes Vorkommen muthmaassen lässt als in andern.

Man kennt keinen Sanskritnamen für die Birne, wo- durch man zu der Behauptung berechtigt wird, dass die Cultur im nordwestlichen Indien kein hohes Alter aufzuweisen hat, und dass die ausserdem zu ungenaue Angabe von wildwachsenden Exemplaren in Kaschmir von keiner Bedeutung ist. Auch gibt“es weder he- bräische noch aramäische Namen?; dies wird aber durch die Thatsache erklärt, dass der Birnbaum nicht in den heissen Ländern gedeiht, wo diese Sprachen geredet wurden.

Homer, Theophrast und Dioscorides erwähnen den Birnbaum unter den Namen Ochnai, Apios oder Achras. Die Lateiner nannten ihn Pirus oder Pyrus?, und we- nigstens zu Plinius’ Zeiten wurde eine grosse Anzahl Varietäten von ihnen angebaut. Die Wandgemälde von Pompeji zeigen uns oft diesen Baum mit seiner Frucht.*

Die Bewohner der schweizer und italienischen Pfahl- bauten sammelten die wildwachsenden Aepfel. in grossen

.

1 Dies ist beispielsweise nach den Beobachtungen Godron’s, De V’ori- gine probable des Poiriers cultivés, 1873, S. 6, in den Wäldern Loth- ringens der Fall.

2 Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk.; Löw, Aramäische Pflanzennamen, 1581.

3 Die Schreibweise Pyrus, wie Linné sie angenommen hatte, findet sich im Plinius, Historia (1631), S. 301. Einige Botaniker haben es besser machen wollen, indem sie Pirus schreiben, die Folge davon war, dass man beim Nachschlagen in einem Buche der Neuzeit das Inhaltsverzeich- niss an zwei Stellen zu Rathe ziehen muss, oder Gefahr läuft, zu glauben, dass die Birnbäume sich in dem Werke nicht verzeichnet finden. Auf alle Fälle ist der Name der Alten ein volksthümlicher Name, der wirklich botanische Name ist jener von Linné, dem Gründer der als gültig ange- nommenen Nomenclatur, und Linné schrieb Pyrus.

4 Comes, Ill. piante dipinti Pompeiani, S. 59.

u Au

Gemeiner Birnbaum. 287

Massen ein, und unter diesen Vorräthen fanden sich, wenn auch nur selten, Birnen. Heer hat eine abge- bildet, die von den Pfahlbauten von Wangen und Robenhausen stammt, und diese Abbildung lässt über die Identität keine Zweifel zu. Es ist eine unten ab- geflachte Frucht, die 28 mm lang und 19 breit ist; sie ist der Länge nach durchgeschnitten, sodass auf diese Weise um den knorpeligen centralen Theil ein Fleisch von nur geringer Dicke sichtbar wird.! In den savoyischen Pfahlbauten des Sees von Bourget hat man keine ge- funden. In jenen der Lombardei hat der Professor Ragazzoni? eine Birne entdeckt, die der Länge nach durchgeschnitten war und bei 25 mm Länge eine Breite von 16 mm zeigte. Sie fand sich in Bardello im See von Varese. Die im „Nouveau Duhamel“ abge- bildeten wildwachsenden Birnen haben 30—33 mm Länge bei einer Breite von 30—32, und diejenigen von La- ristan, welche im ,,Jardin fruitier du Muséum‘ unter dem Namen von P. Balans@ abgebildet sind, und welche mir als derselben Art zugehörig und wirklich spontanen

Ursprungs erscheinen, messen 26—27 mm in Länge bei

einer Breite von 24—25. Bei diesen wildwachsenden Birnen der Gegenwart ist das Fleisch etwas dicker; die alten Bewohner der Pfahlbauten liessen aber ihre Früchte trocknen, nachdem sie dieselben der Länge nach zer- schnitten hatten, wodurch die Dicke vermindert werden

. musste. In den genannten Pfahlbauten findet sich keine

Spur von Metallen noch vom Hanf, zieht man aber ihre Entfernung von civilisirtern Gegenden der alten Zeiten in Betracht, ganz insbesondere, sobald es sich um die Schweiz handelt, so ist es immerhin möglich, dass die entdeckten Ueberreste auf eine nicht ältere Zeit als bis zum Trojanischen Krieg oder zur Gründung Roms zurückgehen.

Ich führte drei Namen des alten Griechenlands und

1 Heer, Pfahlbauten, S. 24, 26, Fig. 7. 2 Sordelli, Notizie staz. lacustre di Lagozza, S. 37.

288 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. 2

einen lateinischen Namen an, es gibt aber eine Menge anderer: z. B. Pauta im Armenischen und Georgischen, Vatzkor im Ungarischen; in den slawischen Sprachen Gruscha (russisch), Hrusska (böhmisch), Kruska (illyrisch). Dem lateinischen Pyrus analoge Namen finden sich in den keltischen Sprachen: Peer (irländisch), Per (cym- risch und armorikanisch).! Ich überlasse es den Sprach- forschern, Vermuthungen über den mehr oder weniger arischen Ursprung mehrerer dieser Namen und des deut- schen Namens Birne aufzustellen, dagegen dient mir deren Verschiedenartigkeit und Mannichfaltigkeit als Beweis eines sehr alten Vorkommens vom Kaspisee an bis zu dem Atlantischen Ocean. Die Arier haben sicherlich auf ihren Wanderungen nach Westen hin keine Birnen oder Birnenkerne mit sich geführt; wenn sie aber in Europa auf eine Frucht stiessen, welche sie schon kannten, so haben sie ihr den oder die bei ihnen ge- bräuchlichen Namen beigelegt, während andere, frühere Namen in einigen Ländern verbleiben konnten. Als Beispiel dieses letztern Falles will ich zwei baskische Namen für den Birnbaum anführen, Udarea und Ma- daria?, welche mit den schon bekannten asiatischen oder europäischen Namen keine Uebereinstimmung zeigen. Die Basken waren wahrscheinlich von den Kelten -unter- worfene und gegen die Pyrenäen hin zurückgedrängte Iberer; das Alter ihrer Sprache ist ein sehr hohes, und was die in Frage stehende Art betrifft, so haben sie sicherlich die Namen weder von den Kelten noch von den Römern erhalten.

Schliesslich kann man den gegenwärtigen Wohnsitz des Birnbaums von Nordpersien nach der Westküste des gemässigten Europa, namentlich in den gebirgigen Re- gionen als prähistorisch und selbst als jeglicher Cultur

1 Nemnich, Polygl. Lexicon d. Naturgesch.; Ad. Pictet, Origines indo- européennes, I, 277; und mein handschriftliches Wörterbuch von volks- thümlichen Namen.

2 Nach einer Liste von Pflanzennamen, die von Herrn d’Abadie dem Professor Clos in Toulouse mitgetheilt wurde.

Schneebirne. 289

vorhergehend ansehen. Man muss aber dessenungeachtet hinzufügen, dass durch die Häufigkeit der Culturen in Nordeuropa und auf den britischen Inseln die Ausbrei- tung und Vervielfältigung der Naturalisationen während einer verhältnissmässig neuern Epoche, deren charak- teristische Merkmale jetzt kaum mehr anzugeben sind, bedingt wurden.

Der von Godron aufgestellten Hypothese, dass die zahlreichen angebauten Varietäten von einer unbekann- ten asiatischen Art abstammen!, kann ich nicht bei- treten. Es scheint als ob sich dieselben, wie dies von De- eaisne betont wird, an P. communis oder an P. nivalis, auf welche ich gleich zu sprechen komme, anlehnen können, wenn man die Wirkungen zufälliger Kreuzungen, der Cultur und einer langen natürlichen Züchtung zulässt. Ausser- dem ist das westliche Asien zur Genüge erforscht wor- den, um zu der Ansicht berechtist zu sein, dass sich dort keine andern als die schon beschriebenen Arten vorfinden.

Pyrus nivalis, Jacquin. Schneebirne (fr. Poirier Sauger).

In Oesterreich, ın Norditalien und in mehreren De- partements des östlichen und mittlern Frankreichs wird ein Birnbaum angebaut, welchen Jacquin Pyrus nivalis genannt hat?, er stützte sich dabei auf den deutschen Namen Schneebirne, welcher in dem Gebrauche der österreichischen Bauern, die Früchte davon zu essen, wenn die Berge von Schnee bedeckt sind, seine Be- gründung findet. In Frankreich nennt man ıhn Poirier Sauger, weil die untere Seite der Blätter mit einem weissen Flaum bedeckt ist, wodurch sie der Sauge (Salbei) ähnlich werden. Decaisne? hielt alle Varietäten der Schneebirne für Abkömmlinge der Pyrus Kotschyana,

1 Godron, a. a. O., S. 28. 2 Jacquin, Flora austriaca, II, 4, Fig. 107. 3 Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Poiriers, Taf. 21.

DE CANDOLLE. 19

290 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Boissier !, welche in Kleinasien wild wächst. Dieser Name müsste dann dem von nivalis, als dem ältesten, Platz machen.

Die in Frankreich zur Bereitung von Birnmost an- gebauten Schneebirnen sind hier und da in den Wäldern verwildert.? Sie bilden die Hauptmasse der sogenannten Cider-Birnbäume, welche sich, ganz abgesehen von den Charakteren des Blattes, durch die Herbigkeit der Frucht unterscheiden.

Die Beschreibungen der Griechen und Römer sind zu unvollkommen, um feststellen zu können, ob sie diese Art besassen. Man kann dies jedoch als wahrschein- lich annehmen, weil sie Obstwein bereiteten.?

Pyrus sinensis, Lindley.* Chinesischer Birnbaum (fr. Poirier de Chine).

Es wurde von mir schon auf diese Art hingewiesen, welche dem gemeinen Birnbaum nahe steht, in der Mongolei und Mandschurei®° wildwachsend vorkommt, und in China sowol wie in Japan angebaut wird.

Ihre Frucht, die besser aussieht als sie schmeckt, wird als Kochobst benutzt. Die Art ist in den euro- päischen Gärten noch zu neu, um den Versuch gemacht zu haben, sie mit unsern Arten zu kreuzen, dies wird vielleicht eintreten, ohne dass es beabsichtigt wird.

Pyrus Mulus, Linné. Gemeiner Apfelbaum (fr. Pommier). Im wildwachsenden Zustande zeigt sich der Apfel-

1 Decaisne, Jardin fruitier du Muséum, Poiriers, Taf. 18, und Einlei- tung, S. 30. Mehrere Varietäten von Schneebirnen, einige mit grossen Früchten, sind in demselben Werke abgebildet.

2 Boreau, Flore du centre de la France, 3. Aufl., II, 236.

3 Palladius, De re rustica, 1. 3, c. 25. Hierzu gebrauchte man „Pira sylvestria, vel asperi generis“.

4 Thouin hatte den chinesischen Quittenbaum Pyrus sinensis genannt. Unglücklicherweise hat Lindley denselben Namen einer wirklichen Pyrus- art gegeben.

5 Decaisne (Jardin fruitier du Muséum, Poiriers, Taf. 5) hat Exem- plare gesehen, die von diesen beiden Ländern kamen. Franchet und Sa- vatier führen sie für Japan nur als angebaut an.

tés LA ti

Gemeiner Apfelbaum. 291

baum in ganz Europa (mit Ausnahme des äussersten Nordens), in Anatolien, dem Süden des Kaukasus und der persischen Provinz Ghilan.! In der Nähe von Trapezunt hat der Botaniker Bourgeau davon einen ganzen kleinen Wald angetroffen.” Auf den Gebirgen des nordwestlichen Indien ist er nach dem Ausspruche des Sır J. Hooker in seiner Flora von Britisch-Indien dem Anscheine nach wildwachsend (apparently wild). Kein Autor erwähnt ihn in Sibirien, der Mongolei oder Japan.”

In Deutschland findet man zwei spontane Formen, die eine mit kahlen Blättern und ebensolchen Eierstöcken, die andere mit wolligen Blättern nach unten, und Koch fügt hinzu, dass diese Behaarung sehr abwechselnd ist.* In Frankreich weisen sehr genaue Autoren ebenfalls auf zwei spontane Varietäten hin, freilich mit Charakteren ausgestattet, die mit denen der deutschen Flora nicht ganz und gar übereinstimmen.” Es würde sich diese Verschiedenheit erklären lassen, wenn die wildwachsen- den Bäume in gewissen Provinzen von angebauten Va- rietäten abstammen, deren Kerne ausgestreut worden wären. Die sich uns darbietende Frage besteht somit darin, zu erfahren, bis zu welchem Grade die Art im verschiedenen Ländern wahrscheinlich eine alte und ur- sprüngliche ist, und ob ein Vaterland nicht älter ist als die andern, welches sich allmählich durch zufällige Aussaaten von durch Kreuzungen und Cultur abge- änderten Formen weiter ausgebreitet hätte.

Fragt man sich, in welchem Lande der Apfelbaum mit den stärksten Anzeichen einer einheimischen Pflanze angetroffen wurde, so muss die Region von Trapezunt

1 Nyman, Conspectus florae europeae, S. 240; Ledebour, Flora rossica, II, 96; Boissier, Flora orient., II, 656; Decaisne, Nouvelles Arch. Mus., 2. HET

2 Boissier, a. a. O.

3 Maximowiez, Primitiae ussur.; Regel, Opit flori etc., über die Pflanzen von Ussuri von Maak; Schmidt, Reisen am Amur; Franchet et Savatier, Enum. Jap., sprechen nicht davon. Bretschneider erwähnt einen chine- sischen Namen, welcher sich, wie er sagt, auf andere Arten beziehen soll,

4 Koch, Synopsis fl. germ., I, 261.

5 Boreau, Flore du centre de la. France, 3. Aufl., II, 236.

19*

299 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

nach Ghilan genannt werden. Die Form, welche man dort wildwachsend antrifft, besitzt Blätter, deren untere Seite wollig ist, einen kurzen Blütenstiel und süsse Früchte !, was dem von Boreau beschriebenen Malus communis von Frankreich entspricht. Hier bietet sich ein Fingerzeig für die Ausbreitung des prähistorischen Vaterlandes vom Kaspisee bis nahe nach Europa.

Piddington führte in seinem Index einen Sanskrit- namen für den Apfelbaum an, wir hören aber von Adolphe Pictet?, dass dieser Name, Seba, Hindustani ist und vom persischen Séb, Séf abgeleitet wird. Das Fehlen eines ältern Namens in Indien lässt vermuthen, dass die gegenwärtig in Kaschmir und Tibet häufige Cultur und besonders jene in den Provinzen des nord- westlichen und centralen Indien älter sind. Der Apfel- baum war wahrscheinlich nur den westlichen Ariern bekannt.

Diese hatten aller Wahrscheinlichkeit nach einen auf Ab, Af, Av, Ob begründeten Namen, denn man be- merkt diese Wurzel in mehreren europäischen Sprachen arıschen Ursprungs. Ad. Pictet citirt: im Irischen Aball, Ubhal, im Kymrischen Afal, im Armoricanischen Aval, im Altdeutschen Aphal, im Angelsächsischen Appel, im Skandinavischen Apli, im Litauischen Obolys, ım Altslawischen Jabluko, im Russischen Jabloko. Danach scheint es, als ob die westlichen Arıer, indem sie den wildwachsenden oder schon naturalisirten Apfelbaum in Nordeuropa antrafen, den Namen beibehalten haben, unter welchem sie denselben kannten. Die Griechen sagten Mailea oder Maila, die Lateiner Malus, Malum, Worte, deren Ursprung, meint Ad. Pictet, ein sehr un- gewisser ist. Die Albanesen, welche auf die Pelasger zurückzuführen sind, sagen Molé.* Theophrast * spricht von wildwachsenden und angebauten Maila. Schliess-

1 Boissier, a. a. 0.

2 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, I, 276. 3 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 64. 4 Theophrastus, De causis, 1. 6, c. 24,

Gemeiner Apfelbaum. 293

lich will ich noch einen ganz besondern Namen der Basken (alte Iberer?) hier anführen, Sagara, welcher ein den arischen Invasionen vorhergehendes Vorkommen muthmaassen lässt.

Die Bewohner der Terramare von Parma und der Pfahlbauten der lombardischen, savoischen und schweizer Seen machten von Aepfeln grossen Gebrauch. Sie zer- schnitten sie immer der Länge nach und bewahrten sie im getrockneten Zustande als Wintervorräthe. Die Exemplare sind infolge von Bränden häufig verkohlt, die innere Structur der Frucht lässt sich aber dann um so besser erkennen. Heer!, welcher bei der Beobachtung dieser Einzelheiten viel Scharfsinn ent- wickelt hat, unterscheidet bei den Aepfeln der schweizer Pfahlbauten, wo man noch keine Metalle besass, zwei Varietäten bezüglich der Grösse. Der Längsdurchmesser der kleinern zeigt 15—24 mm und etwa 3 mm mehr der Querdurchschnitt (im getrockneten und verkohlten Zustande); die grössern haben 29—32 mm Länge bei einer Breite von 36 mm (im getrockneten, nicht ver- kohlten Zustande). Die in der „English Botany‘“, Taf. 179, abgebildeten wilden Aepfel Englands sınd 17 mm hoch und 22 breit. Es ist möglich, dass die kleinen Aepfel der Pfahlbauten wilde waren; da sie aber unter den Vorräthen so reichlich vertreten waren, kann man dies bezweifeln. Von Dr. Gross erhielt ich zwei Aepfel von den weniger alten Pfahlbauten des Neuenburgersees, von welchen (im verkohlten Zustande) der eine 17, der andere 22 mm im Längsdurchmesser enthielt. Sordelli? führt für Lagozza in der Lombardei einen Apfel an, der bei 17 mm in der Länge 19 in der Breite mass, und bei einem andern stellte sich dieses Verhältniss auf 19 zu 27. In einem prähistorischen Fundort des Sees von Varese, in Bardello, fand Ragaz- zoni unter den angehäuften Vorräthen einen Apfel, der etwas grösser war als die andern.

1 Heer, Pfahlbauten, S. 24, Fig. 1—7. 2 Sordelli, Sulle piante della stazione della Lagozza, S. 35.

294 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Fasst man alle diese Thatsachen zusammen, so sehe ich das Vorkommen des Apfelbaums in Europa sowol ım wildwachsenden als angebauten Zustande als prä- historisch an. Aus dem Fehlen der Beziehungen zu Asien vor den arischen Invasionen lässt sich vermuthen, dass der Baum ebenso einheimisch in Europa wie in Anatolien, dem Süden des Kaukasus und Nordpersien war, und dass seine Cultur überall frühzeitig begon- nen hat.

Cydonia vulgaris, Persoon. Quittenbaum (fr. Co- gnassier).

In Nordpersien, in der Nähe des Kaspisees, in der Region südlich vom Kaukasus und in Anatolien tritt der Quittenbaum in Holzungen spontan auf.! Einige Botaniker haben ihn auch in der Krim und ım Norden Griechenlands mit allen Anzeichen der Spontaneität an- getroffen?, es lassen sich aber schon in diesen östlichen Theilen Europas alte Naturalisationen vermuthen, und je mehr man sich Italien, besonders aber dem südwestlichen Europa und Algerien nähert, um so wahrscheinlicher wird es, dass die Art dort von alters her in der Nähe von Dörfern, in Hecken u. s. w. naturali- sirt ıst.

Man kennt keinen Sanskritnamen für den Quitten- baum, und hieraus kann man den Schluss ziehen, dass sich der Wohnsitz nicht nach dem Centrum von Asien ausdehnte. Es gibt ebenfalls keinen hebräischen Namen, obgleich die Art auf dem Taurus wildwachsend auf- tritt.” Der persische Name ist Haivah*, ob derselbe aber auf das Zend zurückgeht, weiss ich nicht. Der- selbe Name findet sich im Russischen, Aiva, für den angebauten Quittenbaum, während die wildwachsende Pflanze Armud heisst, ein dem armenischen Armuda”

1 Boissier, Fl. orient. II, 656; Ledebour, F1. ross., II, 55.

2 Steven, Verzeichniss d. taur. Halbinsel, S. 150; Sibthorp, Prodr. fl. gräecae, I, 344.

3 Boissier, a. a. O. + Nemnich, Polygl. Lexicon. 5 Ebend.

| |

Quittenbaum. 295

entlehntes Wort. Die Griechen hatten auf einer ge- meinen Varietät Strution, eine bessere Sorte, die von Cydon auf der Insel Kreta stammte, gepfropft; daraus ist der Name xuöwvıov (kudönion) entstanden, welcher von den Lateinern mit Malum cotoneum übersetzt wurde: Cydonia und alle europäischen Namen, wie Codogno im Italienischen, Coudougner und später Coing im Fran- zösischen, Quitte im Deutschen u. s. w. stammen da- von ab. Es gibt polnische, Pigwa, slawische, Tunja ! und albanesische (pelasgische?) Namen, Ftua?, welche von den andern ganz und gar verschieden sind. Diese Verschiedenartigkeit von Namen lässt eine alte Kennt- niss der Art im Westen ihres ursprünglichen Vater- landes vermuthen, und der albanesische Name vermag selbst ein den Hellenen vorhergehendes Auftreten anzu- deuten. |

Was Griechenland betrifft, so ergibt sich das Alter auch aus den von Plinius und Plutarch erwähnten abergläu- bischen Gebräuchen, dass nämlich die Frucht des Quitten- baums schlimme Einwirkungen fern hielt, und dass die- selbe auch bei den von Solon vorgeschriebenen Heiraths- ceremonien eine Rolle spielte. Einige Autoren sind so weit gegangen, zu behaupten, dass der von Juno, Venus und Minerva streitig gemachte Apfel eine Quitte war. Diejenigen, welche sich für diese Fragen interessiren sollten, finden genaue Angaben darüber in dem von Comes über die auf den pompejanischen Gemälden ab- gebildeten Gewächse veröffentlichten Memoire. Der Quittenbaum wird auf denselben zweimal dargestellt. Das darf nicht überraschen, weil dieser Baum schon zu Cato’s Zeiten bekannt war. |

Wahrscheinlich handelt es sich, wie mir scheint, um eine Naturalisation im östlichen Europa vor dem Troja- nischen Kriege.

Die Quitte ist eine durch die Cultur wenig veränderte

1 Nemnich, a. a. O. 2 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 64. 3 Neapel 1879. ÆGato, De re rustiea, 1. 7, c. 2.

296 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Frucht. In frischem Zustande ist sie noch ebenso herb und sauer wie zu Zeiten der alten Griechen.

Punica Granatum, Linné. Granatbaum (fr. Gre- nadier).

In den steinigen Gegenden Persiens, Kurdistans, Af- ghanistans und Beludschistans! tritt der Granatbaum wildwachsend auf. Burnes sah ganze Holzungen davon in Mazanderan südlich vom Kaspisee.? Auch im Süden des Kaukasus scheint er spontan zu sein.” Nach Westen hin, d.h. in Kleinasien, Griechenland, überhaupt in der Mittelmeerregion, in Nordafrika und auf Madeira hat es mehr den Anschein, als ob sich die Art imfolge der Culturen und der Samenausstreuung durch die Vögel naturalisirt hätte. In vielen Floren Südeuropas wird die Art als „subspontan‘‘ oder ,,naturalisirt‘ auf- geführt. In seiner „Flora atlantica“ zählt Desfontaines sie zu den spontanen Gewächsen Algeriens, spätere Au- toren sehen sie daselbst aber eher als naturalisirt an.* Ich bezweifle ihre spontane Beschaffenheit in Belu- dschistan, wo der Reisende Stocks sie gesammelt hat?, denn von den anglo-indischen Botanikern wird das Indigenat im Osten des Indus nicht als sicher zuge- lassen, und bemerke ich das Fehlen der Art in den Sammlungen vom Libanon und Syrien, auf welche Boissier immer sorgfältig hinweist.

In China findet sich der Granatbaum nur im ange- bauten Zustande. Schang-kien führte ihn 11}, Jahr- hundert vor der christlichen Zeitrechnung von Samar- kand dorthin ein.®

In der Mittelmeerregion ist die Naturalisation so ge- wöhnlich, dass man dieselbe als eine Ausdehnung des alten Wohnsitzes bezeichnen kann. Wahrscheinlich

1 Boissier, F1. orient. II, 737; Sir Joseph Hooker, Flora of British India, II, 581.

2 Nach Royle, Ill. Himal., S. 208. 3 Ledebour, F1. rossica, II, 104.

+ Munby, F1. d’Alger, S.49; Ball, Spicilegium florae maroccanae, S. 458.

5 Boissier, a. a. O. 6 Bretschneider, On study etc., S. 16. :

er

: 3

4 à

Granatbaum. 297

schreibt sie sich aus einer frühen Zeitperiode her, denn die Cultur der Art im westlichen Asien geht auf eine sehr alte Epoche zurück.

Wir wollen jetzt sehen, ob die historischen und lin- guistischen Schriftstücke in dieser Beziehung uns einige Aufklärung zu bieten vermögen.

Zuerst mache ich auf das Vorhandensein eines San- skritnamens, Darimba, aufmerksam, von welchem meh- rere neuere Namen Indiens abgeleitet werden.! Es lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass die Art seit langer Zeit in den Ländern bekannt war, durch welche die Arier auf ihrem Zuge nach Indien geführt wurden.

Der Granatbaum wird mehrere mal im Alten Testa- ment unter dem Namen Rimmon erwähnt?, aus welchem der arabische Name Rummän oder Rumän entsprungen ist. Er gehörte zu den Fruchtbäumen des verheissenen Landes, und die Hebräer hatten ihn in den Gärten Aegyptens schätzen lernen. Viele Localitäten Palä- stinas hatten ihren Namen von diesem Strauche ent-

lehnt, in dem Urtext wird er aber immer nur als

angebaute Art erwähnt. Bei den religiösen Feierlich- keiten der Phönizier spielten die Blüte und Frucht des Granatbaums eine gewisse Rolle, und die Göttin Aphrodite hatte ihn mit eigener Hand auf der Insel Cypern gepflanzt?, was vermuthen lässt, dass er daselbst noch nicht vorkam. Schon zu Homer’s Zeiten war die Art den Griechen bekannt. Zweimal ist von ihr in der Odyssee die Rede, als von einem Baume in den Gärten der Könige von Phäakia und Phrygien. Sie nannten sie Roia oder Roa, welcher Name, wie die Gelehrten behaupten, von dem altsyrischen und hebräischen Namen* abstammen soll, und auch Sidai?, ein anscheinend pe- lasgisches Wort, denn der albanesische Name der Jetzt-

1 Piddington, Index.

2 Rosenmüller, Bibl. Naturgeschichte, I, 273; Hamilton, La botanique de la Bible (Nizza 1871), S. 48.

3 Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere aus Asien, 3. Aufl., S. 106.

4 Hehn, ebend.

5 Lenz, Botanik d. alten Griechen und Römer, S. 681.

ROC LE)

zeit ist Sege.! Nichts berechtigt zu der Vermuthung, dass die Art ın Griechenland spontan war, woselbst Fraas und Heldreich sie jetzt ausschliesslich als natura- lisirt angeben.?

Auch in den Legenden und bei den religiösen Feier- lichkeiten der ältesten Römer war der Granatbaum ver- treten.” Cato spricht von seinen wurmabtreibenden Eigenschaften. Nach Plinius* kamen die besten Granat- äpfel von Karthago. Daraus war der Name Malum punicum entstanden; man hätte aber nicht, wie dies vorgekommen ist, zu dem Glauben veranlasst werden sollen, dass die Art ursprünglich von Nordafrika stammte. Wahrscheinlich hatten die Phönizier sie nach Karthago eingeführt, und zwar lange Zeit vor den Beziehungen der Römer zu dieser Stadt, woselbst sie wie in Aegyp- ten zweifelsohne angebaut wurde.

Wenn der Granatbaum vor zeiten in Nordafrıka und Südeuropa spontan gewesen wäre, würden die Lateiner ihm ursprünglichere Namen als Granatum (von granum abstammend?) und Malum punicum beigelegt haben. Man würde vielleicht einige locale, von alten westlichen Sprachen abgeleitete Namen anzuführen haben, während der semitische Name ARimmon im Griechischen sowol wie im Arabischen die Oberhand behalten hat und sich sogar, durch den Einfluss der Araber, bei den Berbern vorfindet.ÿ Der afrikanische Ursprung gehört jeden- falls, wie man wird zugeben müssen, zu den Irrthümern, welche durch die schlechten volksthümlichen Bezeich- nungen der Römer ins Leben gerufen wurden.

In dem pliocänen Terrain der Umgegend von Mexi- mieux hat man Blätter und Blumen eines Granatbaums gefunden, welche von G. de Saporta® als eine Va- rietät der jetzigen Punica Granatum beschrieben wurden.

298 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

1 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 64. 2 Fraas, Fl. class., S. 79; Heldreich, a. a. O. 3 Hehn, a. a. O. 4 Plinius, 1213, 1C- 10;

5 Dictionnaire français- berbère, von d. franz. Regierung veröffentlicht. 6 De Saporta, Bull. soc. géol. de France du 5 avril 1369, S. 767, 169.

le. fn st À de. der à

Rosenapfel. 239

Unter dieser Form hat die Art somit vor der gegen- wärtigen Epoche mit andern Arten bestanden, von welchen einige ausgestorben, andere sich noch in Süd- europa vorfinden und noch andere schliesslich auf die Canaren beschränkt sind; die Continuität des Bestehens bis auf unsere Tage wird aber daraus noch immer nicht nachgewiesen.

Schliesslich stimmen die botanischen, historischen und linguistischen Argumente darin überein, Persien und einige daranstossende Länder als ursprüngliche Heimat dieser der Gegenwart angehörenden Art anzusehen. Ihre Cultur hat in einer prähistorischen Zeit begonnen, und ihre ım Alterthum stattfindende Ausbreitung zu- nächst nach Westen, dann nach China hin hat Natura- hsationen hervorgerufen, welche über den wirklichen Ursprung irreführen können, da sie häufig auftreten, von hohem Alter und langer Dauer sind.

Zu diesen Schlussfolgerungen war ich im Jahre 1855! gelangt, dessenungeachtet findet sich die irrige Mei- nung von einem afrikanischen Ursprunge in einigen Werken wieder vorgeführt.

Eugenia Jambos, Linne. Jambosa vulgaris, de Can- dolle. Rosenapfel (fr. Pomme rose).

Ein kleiner Baum aus der Familie der Myrtaceen. Gegenwärtig wird derselbe in den tropischen Regionen der Alten und der Neuen Welt angebaut, vielleicht ebenso sehr der Zierlichkeit seiner Belaubung als seiner

Frucht wegen, deren nach Rosen duftendes Fleisch

allzu dünn ist. Im ,,Botanical Magazine“, Taf. 3356, findet sich eine vortreffliche Abbildung und gute Be- schreibung des Rosenapfels. Der Same schliesst eine giftige Substanz -ein.?

Da die Cultur dieser Art in Asien eine alte war, konnte man an ihrem asiatischen Ursprung nicht zweifeln, man

1 Géographie bot. raisonnée, S. 391. 2 Descourtilz, Flore médicale des Antilles, V, Taf. 315.

300 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

wusste aber nicht recht, wo sie im wildwachsenden Zu- stande zu finden sei. Die Aussage Loureiro’s, nach welcher sie Cochinchina und mehrere Gegenden Indiens bewoh- nen sollte, bedurfte der Bestätigung, und diese fand sich in einigen Schriftstücken neuern Datums. Der Jambos ist auf Sumatra und anderweitig auf den hollän- dischen Inseln des Indischen Archipels wildwachsend. Kurz traf ihn in den Wäldern von Britisch-Birma nicht an; als aber Rheede diesen Baum in den Gärten von Malabar sah, erfuhr er, dass man ihn Malacca-Schambu nannte, was auf einen Ursprung von der Malaiischen Halbinsel hinweist. Schliesslich führt Brandis ihn in Sikkim, nördlich von Bengalen, als spontan an. Der natürliche Wohnsitz breitet sich wahrscheinlich von den Inseln des Indischen Archipels bis nach Cochinchina und selbst nach dem Nordosten Indiens aus, wo er sich je- doch möglicherweise infolge der Culturen und durch die Thätigkeit der Vögel naturalisirt hat. Die Naturali- sation hat in der That auch anderwärts stattgefunden, z. B. in Hongkong, auf den Seychellen, Mauritius und Rodriguez, sowie auf mehreren Inseln der Antillen.?

Eugenix malaccensis, Linné. Jambosa malaccensis, de Candolle. Jambusenbaum (fr. Jamalac oder Jam- bosier de Malacca).

Eine der Eugenia Jambos verwandte Art; sie unter- scheidet sich von derselben durch die Stellung der Blüten und durch ihre verkehrt eirunde Frucht, d.h. statt eirund zu sein, befindet sich ıhr engster Theil an dem Anheftungspunkte, gerade wie ein Ei auf seiner kurzen Spitze. Die Frucht ist fleischiger und duftet ebenfalls nach Rosen; je nach den Ländern und Varietäten wird dieselbe entweder sehr? oder nur wenig* geschätzt.

1 Miquel, Sumatra, S. 118; Flora Indiae Batavae, I, 425, Blume, Mu- seum Lugd.-Bat., I, 9.

2 Hooker, Flora of Brit. India, II, 474; Baker, Flora of Mauritius etc., S. 115; Grisebach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 235.

3 Rumphius, Amboin., I, 121, Taf. 37.

4 Tussac, Flore des Antilles, III, 89, Taf. 25.

Guajavenbaum. z 301

Die zahlreichen Varietäten unterscheiden sich durch die hell- oder dunkelrothe Färbung der Blüten, sowie durch die Grösse, Form und Farbe der Früchte.

Die Vielfältigkeit der Abarten weist auf eine alte Cultur im Indischen Archipel hin, wo die Art auch ihre ursprüngliche Heimat hat. Um dies zu bestätigen, erinnere ich daran, dass sie sich auf den Inseln der Südsee, von Tahiti nach den Sandwichinseln festgesetzt hatte, als Forster dieselben auf Cook’s Reise berührte.!

In den Wäldern des Asiatischen Archipels und der Halbinsel von Malakka ist die Art spontan.?

Nach Tussac wurde sie im Jahre 1793 von Tahiti nach Jamaica gebracht. Gegenwärtig hat sie sich auf mehreren der Antillen, sowie auf Me und den Seychellen weiter ausgebreitet und naturalisirt.?

Psidium Guayava, Raddi. Guajavenbaum (fr. Goyavier).

Von den alten Autoren, wie Linné und einigen Bota- nikern nach ıhm, wurden zwei Arten bei diesem Frucht- baume aus der Familie der Myrtaceen zugelassen, die eine mit elliptischen oder sphärischen Früchten von rothem Fruchtfleisch, Psidium pomiferum, die andere mit birnenförmiger Frucht, deren Fleisch von weisser oder rosarother Färbung ist und einen angenehmern Ge- schmack besitzt Psidium pyriferum. Aehnliche Ver- schiedenheiten stimmen mit dem überein, was bei den Birnen, Aepfeln und Pfirsichen zu Tage tritt; somit hat man auch schon seit lange die Vermuthung ausge- sprochen, dass es rathsamer sei, alle Psidiumarten als zu einer einzigen Art gehörig anzusehen. Von Raddi wurde sozusagen die Einheit festgestellt, als er in Bra- silien birnenförmige Früchte und andere fast runde

2 Forster, Plantae esculentae, S. 36. 2 Blume, "Museum Lugd. Bat., I, 91; Miquel, Fl. Indiae Batavae, I, 411; rn Fl. "Brit. India, Tr; 472: $ 3 Grisebach, Fl. of Brit. W. India, S. 235; Baker, Fl. of Mauritius, 115.

Be

302 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Früchte auf einem und demselben Baume antraf.! Heut- zutage folgt die Mehrzahl der Botaniker, namentlich diejenigen, welche die Guajaven in den Colonien beob- achtet haben, der Ansicht Raddı’s?, welcher ich mich schon im Jahre 1855 aus der geographischen Verbrei- tung entlehnten Erwägungen zuneigte.?

Low“, welcher in seiner Flora von Madeira die Unter- scheidung in zwei Arten wenn auch mit einigem Be- denken aufrecht erhalten hat, versichert, dass sich beide in ihren Charakteren durch Samen fortpflanzen. Es sind somit Rassen wie bei unsern Hausthieren und vielen angebauten Pflanzen. Jede dieser Rassen begreift Varietäten in sich. |

Will man dem Ursprunge der Guajavenbäume weiter nachforschen, so tritt uns bei ıhnen in hohem Grade eine Schwierigkeit entgegen, wie solche sich bei vielen ähnlich ausgestatteten Fruchtbäumen zeigt, ihre fleischi- gen, mehr oder minder aromatischen Früchte werden nämlich von den Omnivoren sehr gern gefressen, die ihre Samen in den entlegensten Gegenden wieder ab- geben. Die Samen der Guajaven keimen leicht und tragen schon im dritten oder vierten Jahre Früchte. Das Vater- land hat sich somit infolge von Naturalisationen weiter ausgebreitet, breitet sich immer noch weiter aus, und zwar ganz insbesondere in den tropischen Ländern, wo Wärme und Feuchtigkeit nicht zu sehr obwalten.

Um die Untersuchung nach dem Ursprung zu verein- fachen, will ich zunächst die Alte Welt unberücksichtigt lassen, denn augenscheinlich kommen die Guajaven von

1 Raddi, Di alcune specie di.Pero Indiana (Bologna 1821), S. 1.

2 Martius, Syst. mat. medicae bras., S. 32; Blume, Museum Lugd.-Bat., I, 71; Hasskarl, in: Flora, 1844, S. 589; Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, II, 468.

3 Géogr. bot. raisonnée, S. 893.

+ Low, A manual flora of Madeira, S. 266.

5 Vgl. Blume, a. a. O.; Descourtilz, Flore médicale des Antilles, II, 20, wo eine Abbildung der birnenförmigen Guajave gegeben wird; Tussac, Flore des Antilles, II, 92, welche uns die abgerundete Form in einer guten Abbildung vorführt. Die beiden letztgenannten Werke enthalten inter- essante Details über die Verwendungsweise der Guajavenfrüchte, über das Wachsthum der Art u. s. w.

Guajavenbaum. 303

Amerika. Von etwa 60 Arten der Gattung Psidium sind alle die, welche man hinlänglich darauf geprüft hat, amerikanisch. Freilich haben die Botaniker vom 16. Jahrhundert an Pflanzen von Psidium Guayava (Va- rietäten pomiferum und pyriferum) mehr oder minder spontan auf den Inseln des Indischen Archipels und im südlichen Asien angetroffen!, alles lässt aber darauf schliessen, dass dies das Ergebniss von wenig alten Naturalisationen war. Man liess für jede - Localität einen fremden Ursprung zu, nur trug man Bedenken, ob derselbe ein asiatischer oder amerikanischer sei. Andere Erwägungen rechtfertigen diese Ansicht. Die

volksthümlichen malaiischen Namen stammen von dem

amerikanischen Worte Guiava ab. Von den alten chi- nesischen Autoren werden die Guajaven nicht erwähnt, wenn diese auch vor 1'!/, Jahrhunderten von Loureiro als in Cochinchina wildwachsend angegeben werden. Auf Cook’s Reise führt Forster sie nicht unter den auf den Südseeinseln angebauten Pflanzen auf, was ziemlich be- zeichnend ist, wenn man sich die Leichtigkeit, diese Bäume anzubauen, sowie ihre unvermeidliche Samen- ausstreuung vergegenwärtigt. Auf Mauritius und den Seychellen wird ihre vor kurzem erfolgte Einführung und Naturalisation von Keimen bezweifelt.?

Grössere Schwierigkeiten stellen sich uns entgegen, diejenigen Gebiete Amerikas zu entdecken, von welchen

die Guajaven ausgegangen sind.

Im gegenwärtigen Jahrhundert sind sie gewiss ausser- halb des Culturbereichs auf den Antillen, in Mexico, in Centralamerika, in Venezuela, Peru, Guyana und Bra- silien wildwachsend?, aber seit wann? Ist es, seitdem die Europäer ihre Cultur weiter ausgebreitet haben? Oder ist dies schon früher, infolge der weitern Fort- schaffung durch die Eingeborenen und besonders durch die Vögel eingetreten? Die Beantwortung dieser Fragen

Rumphius, Amboin., I, 141, 142; Rheede, Hortus malab., III, Taf. 34. Bojer, Hortus mauritianus; Baker, Flora of Mauritius, S. 112. Alle Floren, und Berg, in: Flora Brasiliensis, XIV, 196.

wur

aa

.

304 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

scheint seit dem Jahre 1855, wo ich mich mit ihnen beschäftigte, keine weitern Fortschritte gemacht zu haben.! Heute jedoch, wo ich etwas mehr Erfahrung in derartigen zweifelhaften Fragen besitze, und die specifische Einheit der beiden Guajaven ausserdem aner- kannt worden ist, will ich den Versuch machen, das anzudeuten, was mir das Wahrscheinlichste erscheint. Einer der ersten Autoren über die Naturgeschichte der Neuen Welt, J. Acosta?, spricht sich über die apfelförmige Guajave folgendermaassen aus: „Es gibt auf San-Domingo und andern Inseln Berge, die ganz mit Guajaven bedeckt sind, und man sagt, dass solche Bäume vor Ankunft der Spanier dort nicht vorkamen, sondern dass sie dorthin von wer weiss woher gebracht waren.“ Die Art wäre sonach vielmehr ursprünglich vom Festlande gekommen. Acosta hebt hervor, dass sie auf dem Festlande wächst, und fügt hinzu, dass die Guajaven Perus ein weisses Fleisch besitzen, welches dem der rothen Früchte bei weitem vorzuziehen sei. Dies lässt eine alte Cultur auf dem Festlande vermuthen. Hernandez® hatte die beiden spontanen Formen in Mexico gesehen und zwar in den heissen Strichen der Ebenen und der Gebirge nahe bei Quauhnaci. Die Be- schreibung und Abbildung, welche er von Ps. pomiferum gibt, sind sehr deutlich. Piso und Marcgraf* hatten ebenfalls die beiden wildwachsenden Guajavenbäume in den brasilianischen Ebenen angetroffen; sie bemerken aber, dass sich solche leicht ausbreiten. Marcgraf be- richtet, dass man glaubte, sie seien in Peru einheimisch, oder auch in Nordamerika, womit die Antillen. oder Mexico gemeint sein können. Augenscheinlich war die Art zur Zeit der Entdeckung Amerikas in einem grossen Theile des Continents spontan. Wenn der Wohnsitz

1 Géogr. bot. raisonnée, S. 894 u. S95.

2 Acosta, Hist. nat. et morale des Indes orient. et occid., franz. Ueber- cetzung (1598), S. 175.

3 Hernandez, Novae Hispaniae Thesaurus, S. 85.

4 Piso, Hist. Brasil, S. 74; Maregraf, ebend., S. 105.

a Zn ae

Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse. 305

einmal beschränkter gewesen ist, so ist dies wahrschein- lich zu einer viel ältern Epoche der Fall gewesen.

Die volksthümlichen Namen wichen bei den einhei- mischen Völkerschaften voneinander ab. In Mexico sagte man Xalxocotl; in Brasilien hiess der Baum Araca- Iba und die Frucht Araca-Guacu; der Name Guajaros oder Guajava wird von Acosta und Hernandez bei Be- sprechung der Guajavenbäume Perus und San-Domingos erwähnt, ohne dass indessen der Ursprung genau an- gegeben ist. Durch diese Namenverschiedenheit wird die Hypothese eines sehr alten und ausgedehnten Wohn- sitzes bestätigt.

Nach dem, was die ersten Reisenden von einem frem- den Ursprunge auf San-Domingo und in Brasilien sagen eine Aussage, die man freilich auch bezweifeln darf vermuthe ich, dass sich der älteste Wohnsitz von Mexico bis nach Columbien und Peru erstreckte, und dass sich derselbe nach Brasilien hin vor der Ent- deckung Amerikas, auf den Antillen nach jener Zeit

vergrôsserte. Die älteste Form der Art, welche auch

am meisten im wildwachsenden Zustande angetroffen wird, würde die mit sphärischer, herber und stark ge- färbter Frucht sein. Die andere Form ist vielleicht durch die Cultur entstanden.

Lagenaria vulgaris, Seringe. Cucurbita lagenaria, Linne. Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse (fr. Gourde!, Cougourde, Calebasse).

Die Frucht dieser Cucurbitacee zeigt in den Cul- turen die verschiedenartigsten Formen, nach der Ge- sammtmasse der übrigen Theile der Pflanze wird aber von den Botanikern nur eine Art angenommen, die in verschiedene Varietäten zerfällt.” Die bemer-

1 Im Englischen wird das Wort Gourd für den Riesenkürbis ((xcur- bita mazima) gebraucht. Dies ist eins der Beispiele von der Verwirrung der volksthümlichen Namen und von der wesentlich grössern Genauigkeit der wissenschaftlichen Namen. .

2 Naudin, in: Annales des sciences nat., Serie 4, XII, 91; Cogniaux, in unsern Monogr. Phaner., III, 417.

DE CANDOLLE, 20

0 A Re

306 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

kenswerthesten unter denselben sind die Gourde des pèlerins, mit flaschenförmiger Frucht; die Cougourde, bei welcher der Flaschenhals verlängert ist; die Gourde massue oder trompette, und die Calebasse, meistens gross und ein wenig zu eng. Ändere weniger verbreitete Varietäten haben eine kreiselförmige oder zusammen- gedrückte und sehr kleine Frucht, wie Gourde tabatière. Die Art erkennt man immer an ihrer weissen Blume und an der Härte des äussern Theils der Frucht, wes- halb man sie als Gefäss, um Flüssigkeiten darin auf- zubewahren oder auch als Luftreservoir, um die An- fänger im Schwimmen über Wasser zu halten, gebrauchen kann. Das innere Fruchtfleisch ist bald süss und ess- bar, bald bitter und von abführender Wirkung.

Linne! sagte, dass die Art amerikanisch sei. De Candolle? glaubte, dass sie wahrscheinlich indischen Ursprungs sei, und die Folge hat letztere Meinung be- stätigt.

Man hat die Lagenaria vulgaris im der That in Ma- labar und den feuchten Wäldern von Deyra Doon * wildwachsend gefunden. Auch Roxburgh* sah sie in Indien wirklich als spontan an, obgleich die spätern Floren sie nur als angebaut angegeben haben. Rum- phius Ÿ endlich weist auf wildwachsende Exemplare hin, die am Meeresgestade in einer Localität der Molukken angetroffen wurden. Die Autoren erwähnen gemeinig- lich, dass das Fruchtfleisch bei den wildwachsenden Pflanzen bitter sei, dies tritt aber auch zuweilen bei den angebauten Formen ein. Die Sanskritsprache unter- schied bereits den gemeinen Flaschenkürbis, Ulavu, und eine andere, bittere, Kutu-Tumbi, auf welche Ad. Pictet auch den Namen Tiktaka oder Titkika bezieht.°

1 Linné, Species plantarum, S. 1434, unter Cucurbita.

2 A. P. de Candolle, Flore francaise (1805), III, 692.

3 Rheede, Malabar, 8, Taf. 1, 5; Royle, Ill. Himal., S. 218.

4 Roxburgh, Flora indica (1532), III, 719.

5 Rumphius, Amboin., V, 397, Taf. 144.

6 Piddington, Index, beim Worte Cxcurbita Lagenaria (indem man die fehlerhafte englische Schreibart ändert); Ad. Pictet, Origines indo-europ., 3. Aufl., I, 386.

Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse. 307

Seemann ! hat die Art auf den Fidschi-Inseln angebaut und naturalisirt angetroffen. Von Thozet wurde sie an der Küste von Queensland in Australien? gesammelt, hier handelt es sich aber vielleicht um aus benachbarten Culturen entsprungene Exemplare. Die Localitäten des continentalen Indiens scheinen zuverlässiger und zahl- reicher zu sein als jene von den Inseln Südasiens.

Von Dillon wurde die Art ebenfalls in Abessinien wildwachsend im Hiehathale gefunden, Schimper fand sie unter Büschen und Steinen einer andern Localität.”

Von diesen zwei Regionen der Alten Welt hat sie sich in den Gärten aller Tropenländer und der ge- mässigten Länder mit einer genügenden Sommerwärme weiter ausgebreitet. Zuweilen hat sie sich, wie man dies in Amerika beobachtet hat, ausserhalb der Cul- turen naturalisirt.?

Das älteste chinesische Werk, welches den Flaschen- kürbis erwähnt, ist jenes von Tschong-tschi-schu aus dem 1. Jahrhundert v. Chr.: nach Dr. Bretschneider wird dasselbe in einem Werke des 5. oder 6. Jahrhunderts genannt.” Es handelt sich in diesem Falle um ange- baute Pflanzen. Die jetzigen Formen in den Gärten von Peking sind die Herkuleskeule (Gourde massue), welche gegessen wird, und der Flaschenkürbis (Gourde bouteille).

Die griechischen Autoren haben von dieser Art nicht gesprochen, dagegen wird sie bei den Römern von Be- ginn des Kaiserreichs an erwähnt. In den oft ange- führten Versen ® des zehnten Buchs von Columella wird ziemlich deutlich auf sie hingewiesen. Nachdem er die

1 Seemann, Flora Vitiensis, S. 106.

2 Bentham, Flora Australiensis, III, 316.

3 Zuerst unter dem Namen von Lagenaria idolatrica beschrieben. A. Richard, Tentamen fl. abyss., I, 293, und später Naudin und Cogniaux haben die Uebereinstimmung mit ZL. vulgaris erkannt.

4 Torrey and Gray, Flora of North America, I, 543; Grisebach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 288.

5 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881.

6 Tragus, Stirp., S. 285; Ruellius, De natura stirpium, S. 498; Nau- din, a. 2.0.

20*

308 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

verschiedenen Formen der Frucht beschrieben, fährt er fort:

RE A CAPE dabit illa capacem,

Nariciæ pieis, aut Actæi mellis Hymetti,

Aut habilem lymphis hamulam, Bacchove lagenam,

Tum pueros eadem fluviis innare docebit.

Plinius! spricht von einer Cucurbitacee, aus welcher man Gefässe und Behälter für den Wein verfertigte, was sich nur auf diese Art beziehen kann.

Es hat nicht den Anschein, als ob die Araber sie frühzeitig gekannt hätten, denn Ibn Alawäm und Ibn Baithar haben nichts darüber gesagt.” Die Commentatoren der hebräischen Bücher haben keinen Namen in be- stimmter Weise auf diese Art beziehen können, und doch war das Klima von Palästina so recht dazu an- gethan, den Gebrauch der Flaschenkürbisse zu verall- gemeinern, wenn man sie gekannt hätte. Danach scheint es mir ziemlich zweifelhaft, dass die alten Aegyp- ter diese Pflanze besessen haben, wenn auch eine ein- zige Abbildung von Blättern, die man in einem Grabe sah, bisweilen auf sie bezogen worden ist.? Alexander Braun, Ascherson und Magnus verweisen in ihrer ge- lehrten Arbeit über die ägyptischen Pflanzenreste des berliner Museums* auf mehrere Cucurbitaceen, ohne diese zu erwähnen. Die ersten Reisenden der Neuzeit, wie Rauwolf? im Jahre 1574, haben sie in den Gärten Syriens gesehen, und der sogenannte Pilgerkürbis, wel- cher 1539 von Brunfels abgebildet wurde, war wahr- scheinlich seit dem Mittelalter im Heiligen Lande be- kannt.

Alle Botaniker des 16. Jahrhunderts haben Abbil- dungen von dieser Art gegeben, die damals häufiger in Europa angebaut wurde als es heutzutage der Fall ist.

\

1 Plinius, Hist. plant., 1. 19, e. 5.

2 Ibn Alawäm, nach E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 60; Ibn Baithär, Uebersetzung von Sondtheimer.

3 Unger, Pflanzen d. alten Aegyptens, S. 59; Pickering, Chronolog. arrangement, S. 137.

4 1977. Br

5 Rauwolf, Flora orient., S. 125.

|

Gemeiner Flaschenkürbis, Calebasse. 309

In diesen alten Werken war sie gewöhnlich unter dem Namen Cameraria bekannt, und unterschied man drei Formen von Früchten. Wegen der weissen Farbe der Blume, die immer besonders erwähnt ist, kann man be- züglich der. Art keine Zweifel haben. Ich mache noch auf eine, wenn auch schlechte Abbildung aufmerksam, wo die Blume fehlt, die Frucht aber ganz genau dem Pilgerkürbis entspricht; diese Zeichnung ist von hohem Interesse, weil sie vor der Entdeckung Amerikas erschien. Dieselbe findet sich im „Herbarius Pataviae impressus“ (1485), Taf. 46, einem seltenen Werke. Trotz gewisser Synonyme der Autoren glaube ich nicht, dass der Flaschenkürbis vor Ankunft der Euro- päer in Amerika vorkam. Die T'aquera.von Piso! und die Cucurbita lageneforma von Marcgraf? beziehen sich vielleicht nach den Aussagen der Monographen? auf Lage- naria vulgaris, und die brasilianischen Exemplare, auf welche sie Bezug haben, können nicht beanstandet werden; das beweist aber noch nicht, dass die Art in

dem Lande vor der Reise des Amerigo Vespucei im

Jahre 1504 bekannt war. Von da bis zu den Reisen dieser beiden Botaniker in den Jahren 1637 und 1638 ist mehr als genügende Zeit verflossen, um die Ein- führung und Ausbreitung einer einjährigen Art zu ver- muthen, deren Form eine eigenthümliche war, die sich leicht anbauen liess und deren Samen die Keimkraft

: lange Zeit bewahren. Sie kann sich selbst infolge der

Culturen naturalisirt haben, wie dies auch anderswo beobachtet worden ist. Um so viel mehr kann die Cucurbita Siceratia, Molina, die bald auf unsere Art, bald auf Cucurbita maxima* bezogen wird, zwischen den Jahren 1538, dem Zeitpunkt der Entdeckung Chiles, und 1787, in welchem Jahre die italienische

1 Piso, Indiae utriusque etc. (1658), S. 264.

2 Marcgraf, Hist. nat. Brasiliae (1648), S. 44.

3 Naudin, a. a. O.; Cogniaux, in: Flora brasil., fasc., 78, S. 7, und in: de Candolle, Monograph. Phaner., III, 418.

4 C1. Gay, Fl. Chilena, II, 403.

,

310 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Ausgabe von Molina erschien, nach diesem Lande ein- geführt worden sein. Acosta! spricht auch von den Cale- bassen, deren sich die Peruaner als Becher oder Vasen be- dienten, die spanische Ausgabe seines Buches ist aber vom Jahre 1591, also gegen 100 Jahre nach der Er- oberung. Unter den Naturforschern, welche die Art als dem Zeitpunkte der Entdeckung ‘Amerikas (1492) am nächsten angegeben haben, befindet sich Oviedo?, welcher das Festland besucht hatte und nach einem Aufent- halte in Vera-Paz 1515 nach Europa zurückkehrte, dann aber im Jahre 1539 wieder nach Nicaragua gegangen war.? Nach Ramusio’s* Zusammenstellung hat er von zucche gesprochen, die zur Zeit der Entdeckung Ame- rikas auf den Antillen und in Nicaragua massenhaft angebaut und als Flaschen gebraucht wurden. Die Au- toren über die Floren Jamaicas im 17. Jahrhundert haben die Art als auf dieser Insel angebaut erwähnt. Indessen wird von P. Brown‘ auf einen grossen ange- bauten Flaschenkürbis, und einen kleinen wildwachsen- den hingewiesen, dessen bitteres Fleisch abführende Eigenschaften besass.

Für die südlichen Vereinigten Staaten sprach sich Elliott im Jahre 1824 folgendermaassen aus: „Die L. vulgaris findet sich nur selten in den Holzungen und ist sicherlich nicht einheimisch. Es scheint, als ob die alten Bewohner unsers Landes sie von einem wärmern Lande mitgebracht haben. Gegenwärtig ist die Art in der Nähe menschlicher Niederlassungen spontan ge- worden, ganz insbesondere auf den Inseln im Meere.“ Der Ausdruck „Bewohner unsers Landes“ scheint sich eher auf die Colonisten als auf die Eingeborenen zu beziehen. Zwischen der Entdeckung Virginiens durch Cabot im Jahre 1497 oder den Reisen von W. Raleigh im Jahre 1584 und den Floren neuerer Botaniker lagen

1 Jos. Acosta, französische Uebersetzung, S. 167.

Pickering, Chronol. arrang., S. 861. 3 Ebend.

Ramusio, III, 112. 5 P. Brown, Jamaica, 2. Aufl., S. 354. Elliott, Sketch of the botany of S. Carolina and Georgia, II, 663.

© H

Riesenkürbis. 511

mehr als zwei Jahrhunderte, und würden die Einge- borenen Zeit genug gehabt haben, die Cultur der Art weiter auszubreiten, wenn sie dieselbe von den Euro- päern erhalten hätten. Es ist aber die Thatsache an und für sich zweifelhaft, dass die Indianer zur Zeit der ersten Beziehungen mit den Europäern diese Cultur auf eigenen Antrieb unternommen haben. Torrey und Gray! hatten sie in ihrer in den Jahren 1830—40 veröffentlichen Flora als gewiss erwähnt, und von dem zweiten dieser beiden fleissigen Botaniker? wird in einem Aufsatze über die den Eingeborenen bekannten Cucurbitaceen die Calabash oder Lagenaria nicht ge- nannt. Dieselbe Unterlassung bemerke ich in einem andern eingehenden, vor einigen Jahren über denselben Gegenstand veröffentlichten Aufsatze.? ‚In ihrem Artikel über dieses mein Buch führen die Herren A. Gray und Trumbull American Journal of science», 1883, S. 370) Gründe an, um die Vermuthung zu begründen, dass die Art vor Ankunft der Europäer in der Neuen Welt be- kannt und einheimisch war. Aus ihrer Beweisführung geht hervor, dass die Bewohner von Peru und Brasilien Flaschenkürbisse besassen (im Spanischen calabayas), ich finde aber keinen Beweis dafür, dass dies die von den Botanikern als Cucurbita Lagenaria bezeichnete Art war. Der einzige von der veränderlichen Form der Frucht unabhängige Charakter ist die weisse Farbe der Blumen, doch wird derselbe nicht angegeben.“ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)

Cucurbita maxima, Duchesne. Riesenkürbis (fr. Potiron).

Indem ich die Aufzählung der Arten von der Gattung Cucurbita beginne, muss ich zuvor bemerken, dass die früher sehr schwierige Unterscheidung der Arten von Naudin* auf wissenschaftlichem Wege vermittelst einer

1 Torrey and Gray, Flora of N. America, I, 544.

2 A. Gray, in: American Journal of science, 1857, XXIV, 442.

2 Trumbull, in: Bulletin of the Torrey Club of botany, 1876, VI, 69. 4 Naudin, in: Annales des sciences nat., Serie 4, VI, 5; XII, 81.

ur de + F : Fire Ÿ à

312 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

sehr sorgfältig betriebenen Cultur der Varietäten und fortgesetzter Untersuchungen über ihre Kreuzungen be- gründet worden ist. Arten nennt derselbe die Formen- gruppen, welche sich nicht gegenseitig befruchten lassen oder deren Erzeugnisse nicht fruchtbar und constant gewesen sind, und als Rassen oder Varietäten bezeich- net ‘er die Formen, welche unter sich Befruchtungen eingehen und fruchtbare und veränderliche Erzeugnisse liefern. Die Fortsetzung dieser Untersuchungen! hat ihn darauf hingewiesen, dass die Begründung der Arten auf dieser Basis Ausnahmen zulässt, bei der Gattung Cucurbita stimmen aber die physiologischen Thatsachen mit den äussern Verschiedenheiten überein. Naudin hat wirkliche unterscheidende Merkmale zwischen Cu- curbita maxima und Cucurbita Pepo aufgestellt. Die erste hat abgerundete Blattlappen, die Blütenstiele zeigen bei ihr eine glatte Fläche, und die Lappen der Blumen- krone sind nach aussen zurückgebogen; bei der zweiten laufen die Lappen des Blattes spitz zu, die Blütenstiele sind mit Rippen und Furchen markirt, die Blumen- krone ist nach unten zu verengt und ihre Lappen sind fast immer in die Höhe gerichtet.

Die Hauptformen von Cucurbita maxima sind der Potiron jaune, welcher bisweilen ein sehr beträchtliches Gewicht erlangt?, der Potiron turban oder Giraumon, der Courgeron u. s. w.

Da die volksthümlichen Namen und alte Autoren nicht mit den botanischen Bestimmungen übereinstim- men, so darf man in die früher verbreiteten Aussagen über den Ursprung und die Einführung der Cultur dieses oder jenes Kürbisses zu einer gewissen Zeit- periode nach gewissen Ländern nicht allzu viel Ver- trauen setzen. Dies ıst einer der Gründe, weshalb mir, als ich mich im Jahre 1855 mit diesem Gegen- stande beschäftigte, das Vaterland dieser Pflanzen un-

1 Naudin, in: Annales des sciences nat., Serie4, XVIII, 160; XIX, 180. 2 Nach Le bon Jardinier, 1550, S. 150, bis zu 100 kilogr.

(ab

Riesenkürbis. al

bekannt oder sehr zweifelhaft geblieben war. Jetzt kann man die Frage schon gründlicher untersuchen.

Sir Joseph Hooker! zufolge hat Barter die Cucur- bita maxima „dem Anscheine nach einheimisch“ (appa- rently indigenous) an den Ufern des Niger in Guinea gefunden, und Welwitsch in Angola, ohne dass von letzterm die spontane Beschaffenheit bestätigt wird. Keine Angabe über die Spontaneität finde ich in den Werken über Abessinien, Aegypten und andere afrıka- nische Länder, in welchen die Art gemeiniglich ange- baut wird. Die Abessinier bedienen sich des Wortes Dubba, welches sich im Arabischen auf Kürbisse ganz im allgemeinen bezieht.

Lange Zeit wurde ein indischer Ursprung vermuthet und man stützte sich dabei auf ähnliche Namen wie Indischer Kürbis (Courge d’Inde), welche von den Bo- tanikern des 16. Jahrhunderts aufgestellt waren, und ganz insbesondere auf die von Lobel? abgebildete Pepo maximus indicus, welche entschieden zu unserer Art gehört; diese Art von Beweisen steht aber immer auf schwachen Füssen, denn die volksthümlichen Angaben bezüglsch des Heimatlandes sind oft falsch. So viel bleibt Thatsache, dass, wenn auch die Kürbisse im südlichen Asien angebaut werden wie anderswo unter den Tropen, die Pflanze nicht im wildwachsenden Zu- stande angetroffen worden ist.? Keine ähnliche oder dieser entsprechende Art findet sich in den alten chi- nesischen Werken angegeben, und die neuern Namen der gegenwärtig in China angebauten verschiedenartigen Kürbisse (gemeiner und Riesenkürbis) weisen auf einen fremden, südlichen Ursprung hin.* Unmöglich ist es, zu wissen, auf welche Art sich der Sanskritname Kur- karu bezog, welcher von Roxburgh der Cucurbita Pepo

1 Hooker, Flora of tropical Africa, II, 555.

2 Lobel, Icones, Taf. 641. Die Abbildung ist wiedergegeben in: Dale- champ, Hist., I, 626.

3 Clarke, in: Hooker, Flora of Brit. India, II, 622.

4 Bretschneider, Brief vom 23. August 1851.

re Ca SI "1

314 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

zugeschrieben wird, und in Bezug auf die von den Griechen und Römern angebauten Kürbisse und Melonen ist die Ungewissheit eine ebenso grosse. Das Vorkommen eines Riesenkürbis im alten Aegypten ist nicht nach- gewiesen worden. Vielleicht wurde er in jenem Lande und in der griechisch-römischen Welt angebaut? Die Pepones, deren Cultur Karl der Grosse auf seinen Be- sitzungen anordnete!, gehörten entweder zu dieser Art oder zu Cucurbita Pepo; vor dem 16. Jahrhundert wurde aber weder eine deutliche Abbildung noch Beschreibung von diesen Pflanzen gegeben.

Alles dies könnte einen amerikanischen Ursprung ver- muthen lassen. Dass sich die Art im spontanen Zu- stande in Afrika findet, kann freilich als Einwurf gel- ten, denn die Arten der Familie der Cucurbitaceen sind auf sehr kleine Gebiete beschränkt; es gibt aber Be- weise zu Gunsten Amerikas, und ich muss sie mit um so grösserer Sorgfalt prüfen, da man mir in den Vereinigten Staaten den Vorwurf gemacht hat, sie nicht genügend berücksichtigt zu haben.

Zunächst sind von den zehn bekannten Arten der Gattung Cucurbita mit Sicherheit sechs in. Amerika spontan (in Mexico oder in Californien), dies sind aber perennirende Arten, während die angebauten Kürbisse zu den einjährigen Gewächsen gehören.

Die von den Brasilianern Jurumu genannte Pflanze, welche von Piso und Marcgraf? abgebildet ist, wird von den neuern Botanikern zu Cucurbita maxima ge- stellt. Die Abbildung und die von den beiden Au- toren gegebenen kurzen Erklärungen passen ganz gut, es scheint aber, als ob es eine angebaute Pflanze war. Sie kann von Afrika oder Europa durch die Europäer dorthin gebracht worden sein, und zwar innerhalb der Zeit, welche zwischen der Entdeckung Brasiliens im

1 Die Liste findet sich in E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 401. Die Cucurbita, von welchen er ebenfalls spricht, mussten der Flaschen- kürbis, Lagenaria, sein.

2 Piso, Brasil. (1658), S. 264; Marcgraf (1648), S. 44.

DR A x + 47

x

M

z

Riesenkürbis. 315

Jahre 1504 und den in den Jahren 1637 und 1638 erfolgten Reisen der oben genannten Autoren liegt. Von keinem wurde die wildwachsende Art weder ın Süd- noch in Nordamerika gefunden. In den Werken über Brasilien, Guyana, die Antillen finde ich keinen Hin- weis auf alte Cultur oder spontanes Auftreten, weder nach den Namen, noch nach den mehr oder minder ge- nauen Ueberlieferungen oder Ansichten lässt sich ein solcher beibringen. In den Vereinigten Staaten haben die Gelehrten, welche am besten mit den Sprachen und den Gebräuchen der Eingeborenen vertraut sind, wie früher z. B. Dr. Harris und neuerdings Trumbull!, die Behauptung aufrecht erhalten, dass die Cucurbitaceen, welche von den Anglo- Amerikanern Squash genannt werden und welchen alte Reisende in Virginien die Namen Macock oder Cashaw, Cushaw beilegen, sich auf Kürbisse beziehen. Trumbull hält Squash für ein in- dianisches Wort. Seiner Versicherung will ich gern Glauben beimessen, es haben aber weder die geschick- testen Sprachforscher noch die Reisenden des 17. Jahr- hunderts?, welche die in ihren Büchern als Citrouilles, Courges, Pompions, Gourdes bezeichneten Früchte bei den Eingeborenen antrafen, den Beweis liefern können, dass es sich um diese oder jene von den Arten handle, die von den Botanikern der Neuzeit als verschieden aner- kannt werden. Wir erfahren daraus nur, dass die Ein- geborenen ein Jahrhundert nach der Entdeckung Vir- giniens, 24 Jahre nach der durch W. Raleigh bewerk- stellisten Colonisation von gewissen Üucurbitaceen- früchten Gebrauch machten. Die volksthümlichen Na- men sind in den Vereinigten Staaten noch so verwirrt, dass Dr. Gray im Jahre 1868 die Namen Pumpkin und Squash auf Cucurbita-Arten bezogen haben wıll?, wäh- rend Darlinston* den Namen Pumpkin auf den ge-

1 Harris, American Journal, 1857, XXIV, 441; Trumbull, Bull. of Torrey’s Club, 1876, VI, 69.

2 Champlain, in 1604, Strachey, in 1610 u. s. w.

3 Asa Gray, Botany of the Northern States (1368), S. 156.

4 Darlington, Flora cestrica (1853), S. 94.

316 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

meinen Kürbis (Cucurbita Pepo), und den Namen Squash auf die Varietäten derselben bezieht, welche in den Formenkreis Melopepo der alten Botaniker eintreten. Ein besonderer und bestimmter Name wird von ihnen nicht auf den Riesenkürbis (Cucurbita maxima) bezogen.

Ohne schliesslich dem Indigenat an den Ufern des Niger, welches sich auf die Aussagen eines einzigen Reisenden stützt, unbedingten Glauben beizumessen, beharre ich bei der Meinung, dass die Art von der Alten Welt stammt und durch die Europäer nach Ame- rika eingeführt wurde.

Cucurbita Pepo und C. Melopepo, Linne. Gemeiner Kürbis, Melonenkürbis (fr. Courge Pepon).

Die neuern Autoren begreifen unter Uucurbita Pepo die meisten der von Linné unter diesem Namen be- zeichneten Formen, und ausserdem diejenigen, welche er C. Melopepo nannte. Diese Formen sind in Bezug auf die Früchte ausserordentlich veränderlich, was auf eine sehr alte Cultur hinweist. Aus ıhrer Zahl hebe ich folgende hervor: die Courge oder Citrouille des

1 „Die Herren A. Gray und Trumbull haben die Zeugenaussagen alter Reisender über das Vorkommen der Cucurbita mazxima in Amerika vor Ankunft der Europäer von neuem zusammengefasst und mit grosser Sorg- falt vervollständigt (American Journ. of sc., 1883, S. 872). Sie bestätigen, was man schon wusste, dass die Eingeborenen Kürbisse (Cucurbita) unter amerikanischen Namen anbauten, von welchen einige in der jetzigen Sprache der Vereinigten Staaten zurückgeblieben sind. Von keinem der alten Reisenden wurden die botanischen Charaktere festgestellt (s. S. 312), auf welche Naudin die Unterscheidung von Cucurbita mazima und C. Pepo begründete, demnach weiss man immer nicht, welche Arten sie gemeint haben. Aus verschiedenen Gründen hatte ich schon den amerikanischen Ursprung für Cucurbita Pepo zugelassen, in Bezug auf C. maxima beharre ich aber bei meinen Zweifeln. Indem sie den Tragus und Matthiole mit grösserer Aufmerksamkeit lasen als ich es gethan hatte, bemerken die Herren Gray und Trumbull, dass sie unter /ndian das bezeichneten, was aus Amerika käme. Wenn nun auch diese Botaniker West- und Ostindien nieht miteinander verwechselten, so geschah dies von mehreren andern und dem Publikum im allgemeinen, was über den Ursprung der Arten Irrthümer hervorrief, welche von den Gelehrten wiederholt werden konn- ten. Zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs von ©. maxima will ich ein neues Merkmal anführen. Dr. Wittmack schrieb mir vor kurzem, dass er Samen, die von Naudin als solche von (©. mazxima bestimmt wurden, aus den Gräbern von Ancon gesehen habe. Dies würde sehr beweis- kräftig sein, wenn das Alter solcher Gräber immer mit Sicherheit nachge- wiesen werden könnte (s. weiter unten Artikel: Phaseolus eulgaris, Garten- bohne).‘“ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)

ee à a

PEN ENT

Gemeiner Kürbis, Melonenkürbis. 317

Patagons, mit sehr grossen eylindrischen Früchten; den sogenannten brasilianischen Zuckerschalenkür- bis; den Markkürbis oder Vegelable marrow der Engländer, mit kleinen länglichen Früchten; die Bar- berines mit beuligen Früchten; den Patisson oder Bonnet d’electeur (Kurfürstenmütze), mit konischer Frucht, die flach gedrückt und eigenthümlich gelappt ist, u. s. w. Bei dieser Bezeichnung von Varietäten darf man den im Lande gebräuchlichen Namen keinerlei Werth bei- messen, denn häufig drücken sie, wie wir gesehen haben, ebenso viele Irrthümer wie Wahres aus. Die botani- schen Namen, welche von Naudin und Cogniaux auf diese Art bezogen werden, sind zahlreich, und zwar in- folge der noch vor kurzem herrschenden Unsitte, ein- fache Gartenformen als Arten zu beschreiben, ohne dabei die überraschenden Wirkungen zu berücksichti- gen, welche Cultur und natürliche Züchtung auf das Organ einer Pflanze ausüben, welches sie eben zum An- bau geeignet macht.

Die meisten der Varietäten finden sich in den Gärten der heissen oder gemässigten Regionen der Alten und der Neuen Welt. Der Ursprung der Art wird als zweifelhaft hingestellt. Im Jahre 1855 ! schwankte ich zwischen dem südlichen Asien und der Mittelmeerregion. Naudin und Cogniaux ? lassen Südasien als wahrschein- lıch zu, und von den Botanikern der Vereinigten Staaten wurden andererseits Gründe angeführt, um an einen amerikanischen Ursprung zu glauben. Es verlohnt sich der Mühe, die Frage mit grosser Sorgfalt zu prüfen.

Zunächst wollen wir zu erfahren suchen, welche von den Formen, die jetzt zu der Art gebracht werden, irgendwo de im spontanen Zustande auftretend ange- geben worden sind.

Die eiförmige Varietät, Cucurbita ovifera, Linne, ist vor Zeiten von Lerche in der-Nähe von Astrachan ge-

1 Géogr. bot. raisonnée, S. 902. 2 Naudin, Ann. sc. nat., Serie 5, VI, 9; Cogniaux, in: de Candolle, Monogr. Phaner, LIT, 546:

ae ii: db

318 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

sammelt worden; kein Botaniker unsers Jahrhunderts hat aber diese Thatsache bestätigt, und es liegt die Wahr- scheinlichkeit vor, dass es sich um eine angebaute Pflanze handelte. Alle asiatischen und afrikanischen Floren sind von mir zu Rathe gezogen worden, ohne dass ich in denselben die geringste Angabe über eine wildwach- sende Varietät gefunden hätte. Von Arabien oder selbst von der Guineaküste bis nach Japan werden die Art oder die auf sie bezogenen Formen immer nur als angebaut angegeben. Für Indien hatte Roxburgh schon früher darauf hingewiesen, und Clarke hat jedenfalls gute Gründe gehabt, dass er in der neuern Flora von Bri- tisch-Indien keine Localitäten ausserhalb des Cultur- bereichs angibt.

In Amerika liegen die Thatsachen ganz anders.

Eine Varietät terana, Cucurbita terana, Asa Gray !, die nach diesem Autor der ovata sehr nahe steht, und welche man jetzt ohne Bedenken zu C. Pepo zieht, ist von Lindheimer „mit allen Anzeichen einer einheimischen Pflanze am Saume von Dickichten und in den feuchten Holzungen an den Ufern des obern Guadalupe“ ge- funden worden. Dr. Asa Gray fügt hinzu, dass dies vielleicht eine Folge von Naturalisationen sei. Da in- dessen mehrere Arten der Gattung Cucurbita in Mexico und im Südwesten der Vereinigten Staaten wildwach- send vorkommen, fühlt man sich veranlasst, der Aus- sage des Sammlers vollen Glauben beizumessen. Von andern Botanikern wurde diese Pflanze, wie es den Anschein hat, weder in Mexico noch in den Vereinigten Staaten gefunden. Sie wird weder in der „Biologia centrali-americana‘ von Hemsley erwähnt, noch in Dr. Asa Gray’s neuerer Flora Californiens.

Einige Synonyme oder Exemplare Südamerikas, die auf ©. Pepo bezogen werden, scheinen mir sehr zweifel- haft. Es ist unmöglich, zu wissen, was Molina? unter

1 A. Gray, Plantae Lindheimerianae,.II, 193. 2 Molina, Hist. nat. du Chili, S. 377.

2

PETE,

Gemeiner Kürbis, Melonenkürbis. 319

den Namen von C. Siceratia und C. mammeala ver- standen hat, welche überdies angebaute Pflanzen ge- wesen zu sein scheinen. Zwei in der Reise von Spix und Martius (II, 536) kurz beschriebene und ebenfalls auf ©. Pepo! bezogene Pflanzen werden bei dem Ka- pitel über angebaute Pflanzen an den Ufern des Rio Franeisco angegeben. Schliesslich handelte es sich bei dem Exemplar von Spruce, 2716, von dem Rio Uaupes, einem Nebenflusse des Rio Negro welches gesehen zu haben Cogniaux? nicht erwähnt, und das er zuerst auf ©. Pepo, später auf ©. moschata bezogen hat um eine angebaute oder infolge irgendwelcher Fortschaffung oder Cultur naturalisirte Pflanze, trotzdem dieses Land nur von wenigen Menschen bewohnt wird.

Die botanischen Angaben sprechen somit zu Gunsten eines mexicanischen oder texanischen Ursprungs. Wir wollen sehen, ob die historischen Schriftstücke mit dieser Ansicht übereinstimmen oder derselben wider- sprechen.

Es gehört zur Unmöglichkeit, sich darüber Gewissheit zu verschaffen, ob ein bestimmter Sanskrit-, griechischer oder lateinischer Name von Kürbissen sich mehr auf die eine oder auf eine andere der Arten bezieht. Die Form der Frucht ist oft dieselbe, und die unterscheidenden Merkmale werden von den Alten nie besonders erwähnt.

Kein Kürbis ist in dem ,,Herbarius Pataviae im-

* pressus‘“ vom Jahre 1485, also der Entdeckung Ame-

rikas vorhergehend, abgebildet, dagegen haben die Au- toren des 16. Jahrhunderts Abbildungen veröffentlicht, welche sich auf Kürbisse beziehen. Ich verweise hier auf die drei Formen von Pepones, die S. 406 von Do- doens, Ausgabe von 1557, abgebildet sind. Eine vierte, Pepo rotundus mäjor, die der Ausgabe von 1616 bei- gefügt ist, scheint mir zu C. maxima zu gehören. Bei der Abbildung von Pepo oblongus in Lobel’s ,,Icones“,

* 1 Cogniaux, a. a. O., und Flora brasil., fasc. 78, S. 21. 2 Cogniaux, Fl. bras. und Monogr. Phan., III, 547.

320 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

641, ist der Charakter des Blütenstiels deutlich wieder- gegeben. Die diesen Pflanzen beigelesten Namen weisen auf einen fremden Ursprung hin; die Autoren konnten aber hierauf bezüglich nichts Bestätigendes aussagen, um so weniger als der Name Indien sich bald auf Südasien, bald auf Amerika bezog.

Somit stehen die historischen Angaben der Ansicht eines amerikanischen Ursprungs nicht entgegen, ohne solchen indessen zu bestätigen.

Wenn sich der spontane Wohnsitz in Amerika be- stätigt, wird man von jetzt an sagen können, dass die von den Römern und im Mittelalter angebauten Kür- bisse die Cucurbita maxima waren, und die der Ein- geborenen Nordamerikas, welche im 17. Jahrhundert von verschiedenen Reisenden gesehen wurden, die Cu- curbita Pepo. 3

Cucurbita moschata, Duchesne. Moschuskürbis (fr. Courge musquée ou melonnée).

Im ,,Bon Jardinier‘“ werden als Hauptformen dieser Art die Courges muscade de Provence, pleine de Naples und de Barbarie angeführt. Ich brauche nicht erst zu sagen, dass diese Namen in Bezug auf den Ursprung nichts andeuten. Die Art ist durch ihre leichte und weiche Behaarung, den fünfeckigen, nach der Spitze hin glatten Fruchtstiel, durch die mit einem mehr oder minder flaumartigen meergrünen Anflug bedeckte Frucht mit reichlichem, in geringerm oder höherm Grade nach Moschus schmeckenden Fleische leicht zu erkennen. Die Kelchlappen sind oft durch einen blattartigen Saum begrenzt.! In allen Tropenländern angebaut, geht sie in den gemässigten Ländern nicht so weit vor als die andern Kürbisarten.

Cogniaux? vermuthet, dass sie aus Südasien stammt, ohne indessen den Beweis hierfür beizubringen. Ich

1 Vgl. die vorzügliche Abbildung von Wight in Icones, Taf. 507, unter dem falschen Namen von Cucurbita mazxima. 2 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 647.

Be,

Moschuskürbis. 321

habe die Floren der Alten und der Neuen Welt durch- gesehen und bin nicht im Stande gewesen, irgendwo den Hinweis auf einen wirklich spontanen Zustand zu entdecken. Die Angaben, welche sich diesem am meisten nähern, sind: 1) in Asien ein auf der Bangka-Insel ge- sammeltes, von Cogniaux untersuchtes Exemplar und welches nach Miquel! von einer nicht cultivirten Pflanze herrührt; 2) in Afrika, von Welwitsch in Angola ge- sammelte Exemplare, die demselben zufolge ganz und gar spontan sind, aber „wahrscheinlich das Ergebniss einer Einführung sind“?; 3) in Amerika, fünf Exemplare von Brasilien, Guyana oder Nicaragua, die von Cogni- aux erwähnt werden, ohne dass man weiss, ob sie an- gebaut, naturalisirt oder spontan waren. Dies sind durch- aus unbedeutende Merkmale, und in der Ansicht der Autoren finden wir hierfür eine Bestätigung. So haben Rumphius, Blume, Clarke (in „Flora of Brit. India “) für Asien und Schweinfurth (in Baker, „Tropical Flora“) für Afrika die Pflanze entschieden nur im angebauten Zustande gesehen. In China ist die Cultur keine alte.? In den amerikanischen Floren findet sich die Art sehr selten angegeben.

Man kennt keinen Sanskritnamen, und die indischen, malayischen und chinesischen Namen sind weder sehr zahlreich noch besonders ursprünglich, wenn auch die Cultur in Südasien eine verbreitetere zu sein scheint als in den andern zwischen den Wendekreisen gelege- nen Regionen. Nach dem „Hortus Malabaricus“, wo wir eine gute Abbildung antreffen (Bd. VIII, Fig. 2), war sie es schon im 17. Jahrhundert.

Es scheint nicht, als ob die Botaniker des 16. Jahr- hunderts diese Art gekannt haben, denn die von Dale- champ („Hist.“, I, 616) gegebene Abbildung, welche Seringe auf sie bezieht, weist nicht die Charaktere von

1 Miquel, Sumatra, unter dem Namen von Gymnopetalum, S. 332. 2 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 547. 3 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881.

DE CANDOLLE. 21

322 Zweiter Theil. Viertes Kapitel. ihr auf, und ich kann keine andere Abbildung ent- decken, welche ihr gleicht.

Cucurbita ficifolia, Bouché. Cucurbita melanosperma; Braun. Feigenblätteriger Kürbis (fr. Courge à feuilles de figuier).

Seit etwa 30 Jahren hat man einen Kürbis mit schwarzen oder zuweilen braunen Samen in die Gärten eingeführt, welcher sich dadurch von den andern ange- bauten Arten unterscheidet, dass er ausdauernd ist. Er geht auch unter dem Namen von Melon de Siam. Der „Bon Jardinier‘“ gibt China als Vaterland an. Dr. Bretschneider hat ihn nicht erwähnt in dem an mich ge- richteten Briefe vom Jahre 1881, in welchem er die von den Chinesen angebauten Kürbisse -aufzählt.

Bisjetzt hat kein Botaniker ihn ım wildwachsenden Zustande angetroffen. Mir ist es sehr zweifelhaft, dass derselbe aus Asien stammt, denn alle bekannten peren- nirenden Cucurbita-Arten kommen von Mexico oder Californien.

Cucumis Melo, Linne. Melone (fr. Melon).

Die Frage nach dem Ursprunge der Melone hat seit den Arbeiten von Naudin eine gänzliche Umgestaltung erfahren. Die Arbeit, welche er 1859 in den „Annales des sciences naturelles“, Serie 4, Bd. XI, über die Gat- tung Cucumis veröffentlicht hat, ist ebenso bemerkens- werth wie jene über die Gattung Cucurbita. Wir finden in dieser Arbeit seine während mehrerer Jahre fortge- setzten Beobachtungen und Untersuchungen über die Veränderlichkeit der Formen und die Kreuzungen, welche bei einer Menge von aus allen Weltgegenden stammen- den Arten, Rassen oder Varietäten gemacht wurden. Ich habe bereits (S. 312) von dem physiologischen Grundsatz gesprochen, nach welchem er die Formen- gruppen, welche er Arten nennt, unterscheiden zu kön- nen glaubt, obgleich gewisse Ausnahmen zu Tage ge- treten sind, wodurch das unterscheidende Merkmal

Melone. >23

der Befruchtung an Wichtigkeit verliert. Trotz dieser Ausnahmefälle liegt es auf der Hand, dass, wenn sich nahverwandte Formen leicht kreuzen lassen ‘und frucht- bare Nachkömmlinge hervorbringen, wie wir dies bei- spielsweise beim Menschengeschlecht sehen, man solche als eine einzige Art ausmachend ansehen muss.

In diesem Sinne wird durch Cucumis Melo, nach den von Naudin an ungefähr 2000 lebenden Pflanzen ge- machten Beobachtungen eine Art gebildet, welche eine sehr grosse Menge von Varietäten und selbst Rassen umfasst, die sich durch Samen in ihren Charak- teren erhalten. Diese Varietäten oder Rassen können unter sich Befruchtungen eingehen und verschieden- artige und veränderliche Erzeugnisse hervorbringen. Sie sind vom Verfasser in zehn Gruppen klassificirt, die- selben heissen nach ihm Cantaloups, Melons brodes, Sucrins, Melons d'hiver, serpents, forme de concombre, Chito, Dudaim, rouges de Perse und sauvages, jede der- selben enthält Varietäten oder unter sich verwandte Rassen. Letztere sind auf 25—30 verschiedene Weisen von den Botanikern benannt worden, welche, ohne die Uebergangsformen, die Leichtigkeit der Bekreuzung oder die geringe Stabilität beim Anbau weiter zu berück- sichtigen, alles als Arten bezeichnet haben, was bei ge- gebenen Zeit- und Ortsverhältnissen mehr oder minder voneinander abweicht.

Als Resultat ergibt sich, dass mehrere Formen, die man im wildwachsenden Zustande angetroffen hatte und welche als Arten beschrieben wurden, die Typen oder Stammväter der angebauten Formen sein müssen, und Naudin bemerkt sehr richtig, dass diese wildwachsenden, sich mehr oder minder voneinander unterscheidenden Formen auch angebaute verschiedenartige Formen her- vorbringen konnten. Dies ist um so wahrscheinlicher, da sie zuweilen weit voneinander entfernte Länder be- wohnen, wie Südasien und das tropische Afrika, sodass die mit der Isolirung im Bunde stehenden klimatischen

21%

324 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Verschiedenheiten die Unterschiede hervorrufen und be- festigen gekonnt haben.

Naudin zählt folgende Formen als wildwachsend auf:

1. Diejenigen von Indien, welche von Willdenow Cucumis pubescens und von Roxburgh C. turbinatus oder C. Maderaspatanus genannt wurden. Ihr natürlicher Wohnsitz ist Britisch-Indien in seiner ganzen Ausdeh- nung und Beludschistan. Die spontane Eigenschaft ist selbst für nicht botanische Reisende ! augenscheinlich. Die Früchte varliren von der Grösse einer Pflaume bis zu der einer Citrone. Sie sind glatt, gestreift oder buntscheckig nach aussen, wohlriechend oder geruchlos. Ihr Fleisch ıst von zuckersüssem, schalem oder säuer- lichem Geschmack, Unterschiede, welche mit denen der angebauten Kantalupen grosse Aehnlichkeit haben. Nach Roxburgh sammeln die Indier die Früchte der turbinatus und der Maderaspatanus ein, sie bauen die- selben nicht an, lieben aber ihren Geschmack.

Zieht man die neueste Flora von Britisch-Indien zu Rathe, in welcher Clarke die Cucurbitaceen bearbeitet hat (Bd. Il, S. 619), so gewinnt es den Anschein, als ob dieser Autor nicht mit Naudin über die indischen spontanen Formen übereinstimmte, trotzdem allen beiden die zahlreichen Exemplare des Herbars zu Kew bei ihren Untersuchungen zu Gebote gestanden haben. Die Meinungsverschiedenheit, welche übrigens mehr dem Scheine als der Wirklichkeit nach besteht, beruht darin, dass der englische Autor die Formen, welche Naudin zu Cucumis Melo bringt, auf eine verwandte, jedenfalls wildwachsende Art, Cucumis trigonus, Roxburgh, bezieht. Cogniaux?, welcher seitdem dieselben Exemplare ge- sehen hat, bringt nur ©. turbinatus zu trigonus. Die specifische Unterscheidung zwischen Cucumis Melo und C. trigonus ist unglücklicherweise nach den von den drei Autoren gegebenen Charakteren eine dunkle.

1 Gardener’s Chronicle, 1857, S. 153; 1858, S. 130, mit J. H. H. be- zeichnete Aufsätze. 2 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 485.

Melone. 325

Der Hauptunterschied liegt darin, dass die Melo ein- jährig ist, die andere ausdauernd, diese Dauer scheint aber nicht sehr constant zu sein. Clarke selbst sagt, dass C. Melo aus dem Anbau von C. trigonus her- vorgegangen ist, seiner Meinung nach also aus Formen, die von Naudin auf C. Melo bezogen werden.

Die von Naudin! während drei aufeinanderfolgender Jahre angestellten Untersuchungen mit den Nachkömm- lingen der von Melo befruchteten Cucumis trigonus scheinen die Ansicht von einer zulässigen specifischen Verschiedenheit zu unterstützen, denn wenn die Be- fruchtung stattgefunden hat, sind die Erzeugnisse in der Form verschieden gewesen und häufig zu einem der ursprünglichen Vorfahren zurückgekehrt.

2. Die afrikanischen Formen. Herrn Naudin standen keine sehr guten Exemplare zu Gebote, die auch in Bezug auf die Spontaneität keine genügende Sicherheit boten, sodass er den Wohnsitz in Afrika nicht in po- sitiver Weise bestätigen konnte. Nur mit einem ge- wissen Bedenken lässt er denselben zu. Angebaute Formen oder andere wildwachsende, von welchen er keine Früchte gesehen hat, werden von ihm zu der Art gebracht. Später hat Sir Joseph Hooker? beweiskräf- tigere Exemplare gehabt. Ich will hier nicht von denen aus der Nilregion sprechen, welche wahrscheinlich von angebauten Individuen herrühren ?, sondern von Pflan- zen, die Barter in Guinea an den sandigen Ufern des Niger gesammelt hatte. Thonning* hatte bereits in den sandigen Gegenden Guineas eine Cucumis gefunden, welche von ihm als arenarius beschrieben wurde, und Cogniaux? brachte dieselbe, nachdem er ein von diesem Reisenden mitgebrachtes Exemplar gesehen hatte, zu C. Melo, wie dies auch von Sir Joseph Hooker ange- nommen wurde. Die Neger essen die Frucht der von

1 Naudin, in: Annales sc. nat., Serie 4, X VIII, 171.

2 Hooker, in: Flora of tropical Africa, II, 546.

3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 267.

4 Schumacher et Thonning, Guineiske planten, S. 426. 5 Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 483.

TER 1

326 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Barter gesammelten Pflanze. Der Geruch ist der einer unreifen, frischen Melone. Bei der Pflanze von Thon- ning ist die Frucht eiförmig, von der Grösse einer Pflaume. Somit hat die Art sowol in Afrika wie in Indien ım wildwachsenden Zustande kleine Früchte, was nicht überraschen darf. Unter den angebauten Varietäten nähert sich ihr die Dudaim.

Die grössere Mehrzahl der Arten aus der Gattung Cucumis findet sich in Afrika, eine schwache Minorität in Asien oder in Amerika. Andere Arten von Cucur- bitaceen sind zwischen Asıen und Afrika vertheilt, ob- gleich die Wohnsitze bei dieser Familie gemeiniglich fortlaufend und beschränkt sind. Die Cucumis Melo ist vielleicht einmal ebenso wie die Koloquinthe (Citrullus Colocynthis) aus derselben Familie, von der Westküste Afrıkas bis nach Indien hin spontan gewesen.

Ich habe früher von der zweifelhaften Sponta- neität der Melone im Süden des Kaukasus gesprochen; alte Autoren lassen solche zu, von spätern Botanikern ist sie nicht bestätigt worden. Hohenacker, welcher die Art, wie man sagte, in der Nähe von Elisabethpol gefunden hatte, führt sie in seiner Schrift über die Pflanzen. der Provinz Talysch nicht an. In seiner „Flora des Orients“ lässt Boissier die Cucumis Melo nicht zu, sondern sagt nur, dass sie sich mit Leichtigkeit auf Schutthaufen und sich selbst überlassenem Boden na- turalisire. Ganz dasselbe ist auch anderswo beobachtet worden, z. B. in den Sandgegenden- von Ussuri in Ost- asien. Dies würde ein Grund sein, um die sandigen Localitäten des Niger mit Mistrauen anzusehen, wenn die Kleinheit der Früchte in diesen Gegenden nicht an die wildwachsenden Formen Indiens erinnerte.

Die Cultur der Melone oder ihrer verschiedenen Va- rietäten hat in Indien und in Afrika unabhängig von- einander ihren Anfang nehmen können.

Ihre Einführung nach China scheint sich erst aus dem 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung herzuschreiben, wie man dies aus dem Zeitpunkt des ersten Buches,

.

Melone. 327

welches von ihr gesprochen hat, schliessen kann.! Da die Beziehungen der Chinesen zu Baktrien und dem nordwestlichen Indien durch die Gesandtschaft von Schang-kien auf das 2. Jahrhundert v. Chr. zurück- gehen, ist es immerhin möglich, dass die Cultur der Art damals in Asien nicht sehr verbreitet war. Die Klein- heit der wildwachsenden Frucht ermuthigte nicht zum Anbau. Man kennt keinen Sanskrit-, dagegen einen wahrscheinlich weniger alten Tamulnamen, Molam?, wel- cher dem lateinischen Worte Melo ähnlich ist.

Es ist nicht bewiesen worden, dass die alten Aegypter die Melone angebaut haben. Die von Lepsius * abge- bildete Frucht lässt sich nicht erkennen. Wenn die Cultur in jenem Lande eine gebräuchliche und alte ge- wesen wäre, würden die Griechen und Römer sie früh- zeitig gekannt haben. Nun ist es aber zweifelhaft, ob die Sikua von Hippokrates und Theophrast, oder die Pepon von Dioscorides, oder die Melopepo von Plinius die Melone waren. Die Originaltexte sind kurz und nichtssagend; Galenus* ist deutlicher, wenn er sagt, dass man das Innere der Melopepones, Ses nicht der Pepones esse. Ueber diese Namen ist vielfach gestritten wor- den, man bedarf aber der Thatsschön eher als der Worte. Den besten Beweis, welchen ich von dem Vor- handensein der Melone bei den Römern habe entdecken können, ist eine sehr genau abgebildete Frucht auf dem schönen, Früchte darstellenden Mosaik im Museum des Vaticans. Dr. Comes bestätigt ausserdem, dass die Hälfte einer Melone auf einer Zeichnung Herculanums dargestellt ist.© Die Art hat sich wahrscheinlich zur Zeit des Kaiserreichs, zu Anfang der christlichen Zeit- rechnung bei den Griechen und Römern eingeführt. Die

1 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881. 2 Piddington, Index. 3 Vgl. die Copie in Unger, „Pflanzen des alten Aegyptens, Fig. 25. 4 Galenus, De alimentis, 1. Gr:

5 Vgl. alle die Floren Virgibe und Naudin, Ann. sc. nat., Serie 4, RIECHT.

6 Comes, Ill. piante nei dipinti pompeiani, S. 20, nach Museo nazion,, Bd. III, Taf. 4.

3928 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Beschaffenheit der Frucht war vermuthlich eine mit- telmässige, da die Autoren in einem Lande, wo es an Feinschmeckern nicht fehlte, entweder ganz darüber schweigen oder nur schwache Lobeserhebungen machen. Seit der Renaissancezeit hat eine vervollkommnetere Cultur und die Beziehungen mit dem Orient und Aegyp- ten bessere Varietäten in die Gärten eingeführt. Wir wissen übrigens, dass sie oft ausarten, einmal durch die Unbilden des Wetters oder die schlechten Bodenver- hältnisse, dann auch durch eine Kreuzung mit geringern Varietäten der Art.

Citrullus vulgaris, Schrader. Cucurbita Oitrullus, Linne. Wassermelone (fr. Pasteque, Melon d’eau).

Lange Zeit war der Ursprung der Wassermelone nicht richtig erkannt oder ganz unbekannt. Nach Linne war es eine Pflanze des südlichen Italiens.! Diese Aussage war Matthiole entlehnt, ohne darauf Rücksicht zu neh- men, dass jener Autor die Art als angebaut angab. Von Seringe? wurde im Jahre 1828 Afrika und Indien als muthmaassliches Vaterland hingestellt, ohne dass er Beweise dafür vorbrachte. Ich glaubte, dass sie vom südlichen Asien stammte, weil ihre Cultur in jener Re- gion sehr gewöhnlich ist. Im wildwachsenden Zustande kannte man sie nicht. Schliesslich ist sie im inter- tropischen Afrika, diesseit und jenseit des Aequators ® als einheimische Pflanze gefunden worden, was die Frage entscheidet. Livingstone* hat Ländereien gesehen, die buchstäblich davon bedeckt wurden. Vom Menschen sowol wie von mehreren Thierarten werden diese wild- wachsenden Früchte sehr gern als Speise benutzt. Sie sind bitter oder sind es auch nicht, was sich von aussen nicht bestimmen lässt. Die Neger schlagen die Frucht mit einem Beile an und kosten den Saft, um zu er-

1 Habitat in Apulia, Calabria, Sicilia. (Linne, Species, 1763, S. 1435.)

2 Seringe, in: Prodromus, III, 301.

3 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XII, 101; Sir J. Hooker in: Oliver, Fl. of tropieal Africa, II, 549.

4 Französische Ausgabe, S. 56.

D DO er LA » »

Wassermelone. 329

fahren, ob derselbe gut oder schlecht ist. Diese Ver- schiedenartigkeit bei wildwachsenden Pflanzen, die unter demselben Klima und in demselben Boden wachsen, ist ganz dazu angethan, den geringen Werth dieses Merk- mals bei den angebauten Cucurbitaceen in Erwägung zu ziehen. Uebrigens ist die häufige Bitterkeit der Wassermelone durchaus nicht befremdlich, da die ihr am nächsten stehende Art die Koloquinthe (Citrullus Colocynthis) ist. Naudin hat fruchtbare Blendlinge von einer Kreuzung zwischen einer bittern, am Cap wild- wachsenden und einer angebauten Wassermelone erzielt, was die specifische, durch die äussern Formen schon angedeutete Einheit bestätigt.

In Asien hat man die wildwachsende Art nicht ge- funden.

Die alten Aegypter bauten die Wassermelone an. Auf ihren Zeichnungen findet sie sich wiedergegeben.! Dies führt uns schon zu der Annahme, dass die Israeliten die Art kannten und sie, wie berichtet wird, Abbatitchim nannten; ausserdem ist aber das arabische Wort Battich, Batteca, welches augenscheinlich von dem hebräischen Namen abgeleitet wird, der jetzt gebräuch- liche Name für die Wassermelone. Der französische Name stammt durch den arabischen von dem hebräi- schen ab. Einen Beweis des hohen Alters der Pflanze in den Culturen Nordafrikas finden wir in dem berbe- rischen Namen Tadellaät?, der von dem arabischen zu verschieden ist, um nicht der Eroberung vorherzugehen. Die spanischen Namen Zandria, Cindria und jener der Insel Sardinien, Sindria?, welche ich keinem andern nähern kann, lassen ebenfalls eine alte Cultur in der westlichen Mittelmeerregion muthmaassen. In Asien hat sich die Cultur frühzeitig ausgebreitet, denn man kennt einen Sanskritnamen, Chaya-pula*, die Chinesen haben

1 Unger hat die Abbildungen des Werkes von Lepsius reproducirt in seinem Werk: Die Pflanzen des alten Aegyptens, Fig. 30, 31, 32.

2 Dictionnaire français-berbère, unter Pastèque.

3 Moris, Flora Sardoa. 4 Piddington, Index.

330 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

aber die Pflanze nicht vor dem 10. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung erhalten. Sie nennen sie Si- kua, was Melone des Westens bedeutet.!

Die einjährige Wassermelone reift ausserhalb der Tropen in den Ländern, wo die Sommerwärme eine ge- nügende ist. Die Neugriechen bauen sie vielfach an und nennen sie Carpusea oder Carpusia?; man findet dieses Wort aber weder bei den Autoren des Alter- thums noch selbst in dem Griechischen der Periode des Verfalls der lateinischen Sprache und in dem des Mittelalters? Das Karpus der Türken Konstanti- nopels* ist dasselbe Wort, es findet sich auch im Russi- schen unter der Form von Arbus und im Bengali und Hindustani als Tarbuj, Turbouz.$ Ein anderer, von Forskal angeführter Name aus Konstantinopel, Chi- monico, findet sich im Albanesischen, Chimico.’ Das Fehlen eines altgriechischen Namens, der mit Sicherheit auf die Art zu beziehen wäre, lässt vermuthen, dass sie ungefähr zu Anfang der christlichen Zeitrechnung bei den Griechen und Römern eingeführt wurde. Das Gedicht Copa, welches Virgil und Plinius zugeschrieben wird, hat, wie Naudin annımmt, vielleicht von dieser Frucht gesprochen (Buch 10, Kap. 5), immerhin bleibt dies aber zweifelhaft.

Durch die Europäer wurde die Wassermelone nach Amerika gebracht, wo man sie jetzt von Chile bis nach den Vereinigten Staaten anbaut. Die Jacé der Brasi- lianer, welche von Piso und Marcgraf abgebildet wird, wurde augenscheinlich eingeführt, denn der erste dieser Autoren gibt die Pflanze als angebaut und fast natu- ralisirt an.®

1 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 17.

2 Heldreich, Pflanzen d. attischen Ebene, S. 591; Nutzpflanzen Griechen- lands, S. 50.

3 Langkavel, Botanik der spätern Griechen.

4 Forskal, Flora aegypto-arabica, I, 34.

5 Nemnich, Polygl.-Lexicon, I, 1309.

6 Piddington, Index; Pickering, Chronological arrangement, S. 72.

7 Heldreich, Nutzpflanzen, S. 50.

8 „Sativa planta et tractu temporis quasi nativa facta.“ Piso (1658), S. 233.

Gemeine Gurke. 331

Cucumis sativus, Linne. Gemeine Gurke (fr. Con- combre).

Trotz der sehr deutlichen Verschiedenheit zwischen der Melone und der Gurke, welche alle beide zur Gat- tung Cucumis gehören, wird von den Züchtern die Ver- muthung gehegt, dass Kreuzungen zwischen diesen Arten stattfinden können, und bisweilen auf die Eigenschaften der Melone schädlich einwirken. Naudin! hat sich durch Untersuchungen vergewissert, dass eine solche Befruchtung nicht möglich ist, und auf diese Weise den Beweis geliefert, dass die Unterscheidung der zwei Arten eine wohlbegründete ist.

Das Heimatsland der Cucumis sativus wurde von Linne und Lamarck als unbekannt hingestellt. Im Jahre 1805 behauptete Willdenow?, dass dieselbe aus der Tatarei und Indien stamme, ohne indessen Beweise da- für vorzubringen. Von den ihm folgenden Botanikern ist diese Angabe nicht bestätigt worden. Als ich im Jahre 1855 der Frage näher trat, hatte man die wild- wachsende Art noch nirgends angetroffen. Aus ver- schiedenen Gründen, die sich auf ıhre alte Cultur in Asien und in Europa, und ganz insbesondere auf das Vorkommen eines Sanskritnamens Sukasa? stützten, sprach ich mich folgendermaassen aus: „Das Vaterland ist wahrscheinlich das nordwestliche Indien, z. B. Kabul oder ein daran stossendes Land. Alles deutet darauf hin, dass man dasselbe eines Tages in diesen noch wenig bekannten Regionen entdecken wird.“

Dies ist in der That eingetreten, wenn man mit den gegenwärtig am besten unterrichteten Autoren zugibt, dass die Cucumis Hardwicki, Royle, in den Formen- kreis der Cucumis sativus eintritt. In Royle’s Werk: „Ilustrations of Himalayan plants“, S. 220, Taf. 47, findet sich eine colorirte Abbildung dieser Gurke, die am Fusse der Himalajaberge gesammelt wurde. Die

1 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XI, 31. 2 Willdenow, Species, IV, 615. 3 Piddington, Index.

332 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Stengel, Blätter und Blumen sind ganz und gar die der ©. sativus. Die elliptische und glatte Frucht hat einen bittern Geschmack; es gibt aber bei der ange- bauten Gurke analoge Formen, und man weiss, dass bei andern Arten der Familie, z. B. bei der Wasser- melone, das Fruchtfleisch süss oder bitter ist. Sir Jo- seph Hooker gibt eine Beschreibung von einer ausge- zeichneten Varietät, der sogenannten Sikkimgurke!, und fügt hinzu, dass die von Kumaon nach Sikkim spontane Form Hardwickii, von welcher er Exemplare gesammelt hat, sich nicht mehr von den angebauten Pflanzen unter- scheidet, als gewisse Varietäten der letztern unter- einander abweichen, und Cogniaux schliesst sich nach einer Besichtigung der Pflanzen im Herbarium zu Kew dieser Meinung an.? :

Die seit wenigstens 3000 Jahren in Indien angebaute Gurke wurde erst im 2. Jahrhundert v. Chr., als Schang- kien von seiner Gesandtschaft nach Baktrien zurück- gekehrt war, in China eingeführt.” In westlicher Rich- tung ist die Ausbreitung der Art rascher vorwärts ge- schritten. Die alten Griechen bauten die Gurke unter dem Namen Sikuos an, welcher sich im Neugriechischen als Sikua erhalten hat. Die jetzigen Bewohner des Landes sagen auch Agguria, ein auf eine alte Wurzel der arischen Sprachen zurückzuführendes Wort, welches zuweilen auf die Wassermelone bezogen wird, und sich bezüglich der Gurke im Böhmischen Agurka, im Deut- schen Gurke u. s. w. wiederfindet. Die - Albanesen (Pelasger?) haben einen ganz andern Namen, Krat- savets Ÿ, welcher im slawischen Krastavak wieder zum Vorschein kommt. Die Lateiner nannten die Gurke Cucumis. Diese verschiedenen Namen weisen auf das hohe Alter der Art in Europa hin. Selbst einen est-

1 Botanical Magazine, Fig. 6206.

2 Cogniaux, in: de Candolle, Monogr. Phaner., III, 499.

3 Bretschneider, Briefe vom 23. und 26. August 1881.

4 Theophrastus, Hist., 1. 7, c. 4; Lenz, Botanik der alten Griechen und Römer, S. 492.

5 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 50.

u Zah

Anguriagurke. 333

nischen Namen, Uggurits, Ukkurits, Urits, will ich hier anführen.! Derselbe scheint nicht finnisch, sondern vielmehr derselben arıschen Wurzel wie Agguria ent- lehnt zu sem. Wenn die Gurke vor den Ariern nach Europa gekommen wäre, würde man vielleicht irgend- einen besondern Namen in der baskischen Sprache be- sitzen, oder ihre Samen in den Pfahlbauten der Schweiz und Savoyens gefunden haben, keins von beiden ist aber der Fall. Die dem Kaukasus nahe wohnenden Völker haben vom Griechischen ganz verschiedene Na- men: im Tatarischen Kiar, im Kalmückischen Chaja, im Armenischen Karan.? Der Name Chiar kommt auch im Arabischen für einige Varietäten der Gurke vor.? Dies würde somit ein dem Sanskrit vorhergehender tura- nischer Name sein, demnach würde die Cultur im west- lichen Asien ein Alter von mehr als 3000 Jahren aufweisen.

Gemeiniglich wird gesagt, dass die Gurke die Kisch- schuim war, eine der Früchte Aegyptens, nach welchen die Israeliten in der Wüste Verlangen trugen.* Ich

. finde indessen unter den drei von Forskal angeführten

Namen keinen arabischen, welcher mit diesem in irgend- einer Beziehung stände, und bisjetzt hat man kein An- zeichen von dem Vorhandensein der Gurke ım alten Aegypten aufgefunden.

Cucumis Anguria, Linne. Anguriagurke (fr. Con- combre Anguria).

Diese kleine Gurkenart wird im „Bon Jardinier“ unter dem Namen Concombre Arada bezeichnet. Die Frucht, von der Grösse eines Eies, ist sehr stachelig. Man isst sie gekocht oder in Essig eingemacht. Da die Pflanze sehr ergiebig ist, wird sie in den amerika- nischen Colonien häufig angebaut. Descourtilz und Sir J. Hooker haben von ihr gute, colorirte Abbildungen

1 Nemnich, Polygl.-Lexicon, = 1306. 2 Ebend.

3 Forskal, Flora aegypt., S. 3

4 Rosenmüller, Biblische then, I, 97; Hamilton, Bota- nique de la Bible, S. 34.

C9

334 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

veröffentlicht, und Cogniaux desgleichen eine mit ein- gehenden Analysen der Blume.!

Das Indigenat auf den Antillen wird von mehreren Botanikern bestätigt. Im verflossenen Jahrhundert nannte P. Browne? die Pflanze Petit Concombre sau- vage (auf Jamaica). Descourtilz hat sich folgender Ausdrücke bedient: „Die Gurke kommt überall wild- wachsend vor und ganz insbesondere auf den trockenen Savannen und in der Nähe von Flüssen, deren Ufer eine reiche Vegetation darbieten.“ Die Einwoher nen- nen sie Concombre marron. Grisebach? hat Exemplare von mehreren andern Antilleninseln gesehen, und scheint ihre spontane Eigenschaft zuzulassen. Andre fand die Art am Meeresgestade auf dem Sande bei Porto-Ca- bello, und Burchell auf ähnlichem Terrain in einer nicht näher bezeichneten Localıtät Brasiliens, des- gleichen Riedel nahe bei Rio de Janeiro.* Für eine grosse Menge anderer im östlichen Amerika von Bra- silien bis nach Florida gesammelter Exemplare weiss man nicht, ob sie von wildwachsenden oder angebauten Pflanzen abstammen.

Eine wildwachsende Pflanze Brasiliens, die von Piso? sehr schlecht abgebildet wurde, wird als zu unserer Art gehörend aufgeführt, mir scheint dies aber sehr zweifelhaft.

Von Tournefort bis auf unsere Tage sind die Bota- niker der Ansicht gewesen, dass die Anguria aus Ame- rika stamme, ganz insbesondere von Jamaica. Naudin® war der erste, der darauf hinwies, dass alle andern Cucumis der Alten Welt angehören, namentlich Afrika. Er hat sich die Frage gestellt, ob diese nicht von den

1 Descourtilz, Flore médicale des Antilles, 5, Taf. 329; Hovker, Bota- nical Magazine, Fig. 5817; Cogniaux, in: Flora brasiliensis, fasc. 78, Fig. 2.

2 Browne, Jamaica, 2. Aufl., S. 353.

3 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 288.

4 Cogniaux, à. a. O. .

5 Guanerva-oba, in: Piso, Brasil (1658), S. 264; Marcgraf (1648), S. 44, ohne Abbildung, spricht von ihr unter dem Namen Cucumis sylvestris Brasiliae.

6 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XI, 12.

Bu zu > a ia m

LA

IF LA

Anguriagurke. 990

Negern nach Amerika eingeführt worden sei, wie dies bei vielen andern Pflanzen, welche sich dort naturali- sirt haben, der Fall ist. Es war ihm jedoch nicht möglich, irgendeine dieser ähnliche afrikanische Pflanze aufzufinden, und so ist er der Meinung der andern bei- getreten. Dagegen neigt Sir Joseph Hooker sich der Ansıcht hin, dass C. Anguria eine angebaute und von irgendeiner afrikanischen mit ©. prophetarum und C. Figarei nahe verwandten Art modificirte Form _ sei, trotzdem dass diese ausdauernd sind. Zu Gunsten dieser Hypothese will ich hinzufügen: 1) der auf den französischen Antillen übliche Name Concombre marron weist auf eine verwilderte Pflanze hin, wie man unter negres marrons die entlaufenen flüchtigen Neger versteht; 2) die grosse Ausdehnung in Amerika, von Rrasilien bis nach den Antillen, und zwar immer an der Küste, wo der Sklavenhandel am lebhaftesten war, scheint auf einen fremden Ursprung hinzudeuten. Wenn die Art Amerika schon vor der Entdeckung dieses Con- tinents angehört und einen ähnlich ausgedehnten Wohn- sitz eingenommen hätte, würde sie sich auch an der Westküste Amerikas und im Innern gefunden haben, was nicht der Fall ist.

Die Frage wird nur durch eine vollständigere Kennt- niss der afrikanischen Cucumis, sowie durch Befruch- tungsuntersuchungen gelöst werden, vorausgesetzt, dass im letztern Falle jemand die nöthige Geduld und Ge- schicklichkeit besitzt, um mit der Gattung Cucumis ähnliche Versuche anzustellen, wie Naudin dies mit den Cucurbita-Arten gethan hat.

Zum Schluss mache ich noch auf den in den Ver- einigten Staaten volksthümlichen, verdrehten Namen für die Anguria, Jerusalem Cucumber, aufmerksam.t Ein hübsches Beispiel, wie sich die volksthümlichen Namen oft beim Forschen nach dem Vaterlande verwerthen lassen!

1 Darlington, Agricultural botany, S. 58.

336 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Benincasa hispida, Thunberg. Benincasa cerifera, Savi. Wachstragende Benincasa, Weisser Kürbis.

Diese Art, welche für sich allein die Gattung Benin- casa ausmacht, gleicht den Kürbissen so sehr, dass alte Autoren sie, trotz des wachsartigen Anfluges auf der Oberfläche der Frucht, für die Courge Pepon! ange- sehen hatten. In den Tropenländern wird sie allge- mein angebaut. Vielleicht hat man Unrecht gehabt, sie in Europa, nachdem Culturversuche mit ihr angestellt waren, zu vernachlässigen, denn von Naudin und dem „Bon Jardinier‘ wird sie einstimmig empfohlen.

Sie ist die Cumbalam von Rheede, die Camolenga von Rumphius; beide Autoren hatten sie in Malabar und auf den Sunda-Inseln nur angebaut gesehen*und Abbildungen davon gegeben.

Nach mehreren, selbst neuern Arbeiten? könnte man glauben, dass sie nie im spontanen Zustande gefunden worden wäre; achtet man dagegen auf die verschiedenen Namen, unter welchen sie beschrieben wurde, so ver- hält es sich anders damit. So sind Cucurbita hispida, Thunberg, und Lagenaria dasystemon, Miquel, nach authentischen von Cogniaux?® gesehenen Exemplaren Synonyma der Art und sind dies in Japan wildwach- sende Pflanzen.* Unter Cucurbita littoralis, Hasskarl°, welche in den Gebüschdickichten am Meeresgestade auf Java gefunden wurde, und unter Gymnopetatum septem- lobum, Miquel, ebenfalls auf Java, wird nach Cogniaux die Benincasa verstanden. Desgleichen unter Cucurbita vacua, Müller®, und Cucurbita pruriens, Forster, von welchen er authentische Exemplare gesehen hat, die in Rockingham in Australien und auf den Gesellschafts-

1 Dies ist die Cucurbita Pepo von Loureiro und Roxburgh.

2 Clarke, in: Flora of British India, II, 616.

3 Cogniaux, in: de Candolle, Monogr. Phaner., III, 513. a 4 Thunberg, FI. Jap., S. 322; Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., ‚173.

5 Hasskarl, Catal. horti bogor., alter., S. 190; Miquel, Flora indo-bat.

6 Müller, Fragm., VI, 186; Forster, Prodr. (ohne Beschreibung); Seemann, Journal of Botany, II, 50.

gi

er

Beer 'r.

Cylinderförmiger Balsamapfel. 357

Inseln gefunden waren. Nadeaud! erwähnt letztere nicht. Man kann auf den Inseln der Südsee und im Queensland zeitweilige Naturalisationen‘ vermuthen, die Localitäten von Java und Japan scheinen aber sehr sicher zu sein. Ich glaube um so viel mehr an die des letztern Landes, da die Cultur der Benincasa im China auf ein hohes Alterthum zurückgeht.?

Momordica cylindrica, Linne. Luffa cylindrica, Rö- mer. Cylinderförmiger Balsamapfel (fr. Lufa cylin- drique).

„Die Lufa cylindrica“, sagt Naudin®, „welche in einigen unserer Colonien den indischen Namen Petole beibehalten hat, stammt wahrscheinlich aus Südasıen, vielleicht kommt sie aber auch von Afrika, Australien und den oceanischen Inseln. Von den meisten der Völker heisser Länder wird sie angebaut, und sie scheint sich an vielen Orten naturalisirt zu haben, wo sie zweifelsohne ursprünglich nicht vorkam.“ Cogniaux * ist bestimmter, wenn er sagt: „Eine in allen tropischen Regionen der Alten Welt einheimische Art; zwischen den Wendekreisen in Amerika häufig angebaut und subspontan.“

Zieht man die von diesen beiden Monographen ge- nannten Werke, sowie die Herbarien zu Rathe, so De det sich die wildwachsende Eigenschaft der Pflanze zu- weilen in bestimmter Weise nachgewiesen.

Was Asien betrifft’, so hat Rheede sie auf sandigem Terrain, in den Wäldern und an andern Orten von Malabar gesehen; von Roxburgh wird sie in Hindostan, von Kurz in den Wäldern von Birma und von Thwaites endlich auf Ceylon als spontan angegeben. Ich besitze

1 Nadeaud, Plantes usuelles des Tahitiens; Enumération des plantes indigènes à Taiti.

3 Bretschneider, Brief vom 26. August 1881.

3 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XII, 121.

4 Cogniaux, in: Monogr. Phanerog., III, 458.

5 Rheede, Hort. Malabar., VIII, 15, Taf. 8; Roxburgh, Fl. ind., III, 714, 715, unter dem Namen Z. clevata; "Kurz, Contrib., 187° 100; Thwaites, Enum.

DE CANDOLLE. 2

1

338 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Exemplare von Ceylon und von Khasia. Einen San- skritnamen kennt man nicht, und Dr. Bretschneider er- wähnt weder in seinem Werkchen: „On the study ete.“, noch in seinen Briefen irgendeine in China angebaute oder wildwachsende ZLufa. Ich nehme somit an, dass die Cultur, selbst ın Indien, keine alte ist.

In Australien findet sich die Art an den Flussufern von Queensland! spontan, und danach ist es wahr- scheinlich, dass man sie im Asiatischen Archipel wild- wachsend finden wird, wo Rumphius, Miquel u. A. von ihr nur als von einer angebauten Pflanze sprechen.

In den Herbarien finden sich eine Menge von Exem- plaren, die im tropischen Afrika, von Mozambique an der Guineaküste und bis nach Angola gesammelt sind; die Sammler scheinen aber nicht angegeben zu haben, ob es wildwachsende oder angebaute Exemplare waren. Im Herbarium Delessert hat Heudelot die fruchtbaren Striche in der Umgegend von Galam als Fundstätte angegeben. Sir Joseph Hooker? führt solche an, ohne etwas zu bestätigen. Die Herren Schweinfurth und Ascherson®, welche diesen Fragen immer besondere Auf- merksamkeit zuwenden, führen die Art in der Nilregion als ausschliesslich angebaut an. Dies ist seltsam ge- nug, weil man, da die Pflanze im 17. Jahrhundert in den Gärten Aegyptens unter dem arabischen Namen Luff* gesehen worden war, die Gattung Lufa und die Art Luffa aegyptiaca genannt hat. In den Denkmälern des alten Aegyptens findet sich von ihr keine Spur. Das Fehlen eines hebräischen Namens macht die An- nahme noch wahrscheinlicher, dass sich ihre Cultur erst im Mittelalter in Aegypten eingebürgert hat. Heutzu- tage wird sie im Nildelta betrieben, nicht nur der Früchte wegen, sondern auch zum Versand der Samen,

1 Mueller, Fragmenta, III, 107; Bentham, Flora Austral., III, 317, unter Namen, welche der Z. cylindrica von Naudin und Cogniaux gleich- bedeutend sind.

2 Hooker, in: Flora of tropical Africa, II, 530.

3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 268.

4 Forskal, F1. aegypt., S. 75.

i

Scharfeckige Netzgurke. 339

der sogenannten courgettes, welche als Absud die Haut geschmeidig machen.

Die Art wird in Brasilien, Guyana, Mexico u. s. w. angebaut, ich finde aber kein Anzeichen, dass sie in Amerika einheimisch sei. Hier und da scheint sie sich naturalisirt zu haben, nach einem Exemplar von Levy beispielsweise in Nicaragua.

Alles zusammengenommen, ist der asiatische Ursprung gewiss, der afrikanische sehr zweifelhaft, der amerika- nische imaginär oder vielmehr die Wirkung einer Na- turalisation.

Lufa acutangula, Roxburgh. Scharfeckige Netz- gurke (fr. Luffa anguleux, Papengay).

Der Ursprung dieser wie der vorhergehenden in allen Tropenländern angebauten Art ist nach Naudin und Cogniaux! nicht recht klar. Der erste bezeichnet Sene- gal, der zweite Asien und mit Zweifel Afrika als Vater- land. Es ist kaum nöthig hinzuzufügen, dass Linné? sich irrte, wenn er die Tatarei und China als solches bezeichnete.

Clarke verlegt in der Flora von Sir J. Hooker ohne Bedenken das Indigenat nach Britisch-Indien. Von Rheede? war die Pflanze früher in den sandigen Strecken Malabars angetroffen worden. Der natürliche Wohnsitz scheint begrenzt zu sein, denn die Art wird von Thwaites auf Ceylon, von Kurz in Britisch-Birma und von Lou- reiro für Cochinchina und China* nur als angebaut oder auf Schutthaufen in der Nähe von Gärten vorkommend, angegeben. Rumphius® nennt sie eine Pflanze von Bengalen. Einem Brief des Dr. Bretschneider zufolge wird seit lange keine Lufa in China angebaut. Einen

1 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XII, 122; Cogniaux, in: Monogr. Phaner., III, 459.

2 Linné, Species, S. 1436, unter dem Namen von Cucumis acutangulus.

3 Rheede, Hort. malab., VIII, 13, Taf. 7.

4 Thwaites, Enum. Ceylan., S. 126; Kurz, Contrib., II, 101; Loureiro, F1. cochinch., S. 727. >

5 Rumphius, Amboin., V, 408, Taf. 149.

22*

340 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Sanskritnamen kennt man nicht. Dies sind ebenso viele Anzeichen einer seit nicht sehr langer Zeit in Asien betriebenen Cultur.

Eine Varietät mit bitterer Frucht ist in Britisch- Indien! eine gemeine wildwachsende Pflanze, die kein Interesse für den Anbau darbietet. Sie kommt auch auf den Sunda-Inseln vor. Dies ist die Lufa amara, Roxburgh, und die L. sylvestris, Miquel. Die L. sub- angulata ıst eine andere, auf Java wachsende Form, welche Cogniaux nach Kenntnissnahme gewisser Exem- plare damit vereinigt.

Naudin führt den Reisenden nicht an, dem zufolge die Pflanze in Senegambien side u vorkäme; er sagt aber, dass die Neger sie Papengaye nennen, und da sie von den Colonisten auf Mauritius? so genannt wird, ist es wahrscheinlich, dass es sich im Senegal um eine angebaute, vielleicht in der Nähe von Wohnplätzen naturalisirte Pflanze handelt. In der ‚Flora of tropical Africa“ gibt Sir Joseph Hooker die Art in Afrika wild- wachsend an, ohne indessen den Beweis dafür darzu- bringen, und Cogniaux fasst sich noch kürzer. Schwein- furth und Ascherson* zählen sie für Aegypten, Nubien und Abessinien weder als spontan noch als angebaut an. In Aegypten findet sich keine Spur einer alten Cultur.

Von den Antillen, Neugranada, Brasilien und andern Gegenden Amerikas hat man die Art oft erhalten: es liegen aber keine Anzeichen vor, dass sie in jenen Län- dern ein hohes Alter hat, nicht einmal dass sie sich dort in einiger Entfernung von Gärten in einem wirk- lich spontanen Zustande findet.

Wir sehen also, dass die Bedingungen oder Wahr- scheinlichkeiten hinsichtlich des Ursprungs und Cultur- alters für die beiden angebauten Luffa fast dieselben sind. Zur Begründung der Hypothese, dass letztere

1 Clarke, in: Flora of British India, II, 614. 2 Bojer, "Hortus mauritianus. 5 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 268.

Schlangenfrüchtige Haarblume. 341

nicht von Afrika stammen, will ich nur bemerken, dass die vier andern Arten der Gattung entweder asiatisch oder amerikanisch sind, und ich füge als weitern Finger- zeig hinzu, dass die Cultur der Lufa keine sehr alte ist, dass die Form der Frucht viel geringern Abände- rungen unterworfen gewesen ist, als bei den andern angebauten Cucurbitaceen.

Trichosanthes anguina, Linne. Schlangenfrüchtige Haarblume (fr. Trichosanthes serpent).

Eine einjährige, kletternde Cucurbitacee, die durch ihre gefranste Blumenkrone bemerkenswerth ist. Auf der Insel Mauritius heisst sie nach einem auf Java ge- bräuchlichen Namen Petole. Die nach Art einer fleischi- gen Leguminosenschote verlängerte Frucht wird im tro- pischen Asien sehr geschätzt und wie die Gurken im gekochten Zustande gegessen.

Die Botaniker des 17. Jahrhunderts erhielten sie von China, und glaubten, dass die Pflanze dort einheimisch sei, wahrscheinlich war sie dort aber angebaut. Von Dr. Bretschneider! hören wir, dass der chinesische Name Mankua Gurke der Barbaren des Südens bedeutet. Indien oder der Indische Archipel müssen das Vater- land sein. Indessen bestätigt keiner der Autoren, sie im wirklich spontanen Zustande gefunden zu haben. So begnügt sich Clarke in der Flora von Britisch- Indien (II, 610) einfach zu sagen: „Indien, angebaut“. Vor ihm sagte Naudin?: „Bewohnt Ostindien, wo man sie ihrer Früchte wegen vielfach anbaut. Selten zeigt sie sich im wildwachsenden Zustande.“ Für Amboina ist Rumphius? nicht bestimmter. In Bezug auf Cochin- china und Birma haben Loureiro und Kurz, für die Inseln im Süden Asiens Miquel und Blume nur die an- gebaute Pflanze gesehen. Die 39 andern Arten der Gattung gehören alle der Alten Welt an, sind zwischen

1 Bretschneider, On the study etc., S. 17. 2 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XVIII, 190. 3 Rumphius, Amboin., V, Taf. 148.

342 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

China, Japan, Ostindien und Australien vertheilt, treten aber namentlich in Indien und dem Archipel auf. Ich halte den indischen Ursprung für den wahrscheinlichsten.

Man hat die Art nach Mauritius gebracht, wo sie sich in der Nähe von Culturen weiter aussäet. An- derswo hat sie sich wenig verbreitet. Einen Sanskrit- namen für sie kennt man nicht.

Sechium edule, Swartz. Chochokürbis (fr. Chayote).

Man baut diese Cucurbitacee im intertropischen Ame- rika ihrer Früchte wegen an, welche die Form einer Birne und den Geschmack einer Gurke haben. Sie enthalten nur einen Samen, sind also um so viel fleischiger.

Die Art bildet für sich die Gattung Sechium. In allen Herbarien finden sich Exemplare von ihr, doch gewöhnlich wurde von den Sammlern nicht angegeben, ob es angebaute, naturalisirte oder wirklich spontane Pflanzen seien, die allem Anscheine nach dem Lande ursprünglich angehören. Ohne von Werken zu sprechen, in welchen behauptet wird, dass diese Pflanze von Ost- indien stamme, was ganz und gar falsch ist, will ich nur auf mehrere der anerkannt besten verweisen, welche das Vaterland nach Jamaica verlegen.t Indessen sagte P. Browne? zu Mitte des verflossenen Jahrhunderts in ganz bestimmter Weise, dass sie sich dort im Cultur- zustande befände, und vor ihm hat Sloane gar nicht davon gesprochen. Jacquin ? berichtet, dass sie „Cuba bewohne und man sie dort anbaue“, und Richard hat diesen Satz in der Flora von R. de la Sagra wieder- holt, ohne irgendeinen Beweis hinzuzufügen. Naudin* sagte: „Pflanze von Mexico“, ohne Belege für seine Be- hauptung hinzuzufügen. In seiner neuerdings erschie- nenen Monographie verweist Cogniaux 5 auf eine Menge

1 Grisebach, Fl. of Brit. W. India Islands, S. 286. 2 Browne, Jamaica, S. 355.

3 Jacquin, Stirp. amer. hist., S. 259.

4 Naudin, in: Ann. sc. nat., Serie 4, XVIII, 205.

5 In: Monogr. Phaner., III, 902.

N

Indischer Feigencactus. 343

von Exemplaren, die von Brasilien bis nach den An- tillen gesammelt waren, ohne jedoch zu sagen, dass er eins unter denselben angetroffen habe, welches auf die Bezeichnung spontan Anspruch erheben könnte. See- mann! hat die Pflanze in Panama angebaut gesehen, und er fügt eine, falls sie auf Genauigkeit beruht, wich- tige Bemerkung hinzu, dass nämlich der im Isthmus ge- bräuchliche Name Chayote eine Verstümmelung des az- tekischen Namens Chayotl sei. Hier wäre ein Fingerzeig eines alten Vorkommens in Mexico, doch finde ich diesen Namen nicht bei Hernandez, dem classischen Autor der mexicanischen, der Eroberung vorhergehenden Pflanzen. Die Chayote wurde in Cayenne vor 10 Jahren noch nicht angebaut.” Nichts lässt auf eine alte Cultur in Brasilien schliessen. Von den alten Autoren, wie Piso und Marcgraf, wird die Art nicht erwähnt, und der Name Chuchu, der brasilianisch sein soll?, scheint mir von dem auf Jamaica gebräuchlichen Worte Chocho abzustammen, welcher wieder möglicherweise eine Ver- stümmelung des mexicanischen Wortes ist.

Die Wahrscheinlichkeiten sprechen, kurz gefasst, 1) für einen südmexicanischen und centralamerikanischen Ursprung; 2) für eine Einführung nach den Antillen und Brasilien etwa im 18. Jahrhundert.

Später hat man die Art in den Gärten der Insel Mauritius und neuerdings nach Algerien eingeführt, wo sie herrlich gedeiht.?

Opuntia Ficus indica, Miller. Indischer Feigen- cactus (fr. Opuntia Figue d’Inde).

Die saftige Pflanze aus der Familie der Cactaceen, welche eine Frucht hervorbringt, die man im Süden Europas indische Feige nennt, steht ebenso wenig mit den Feigenbäumen in Beziehung wie die Frucht mit der Feige. Sie stammt nicht von Indien, sondern

1 Seemann, Bot. of Herald, S. 128. 2 Sagot, Journal de la Soc. d’hortic. de France, 1872. 3 Cogniaux, Flora brasil., fasc. 78. 4 Sagot, a. a. O., 19.

344 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

von Amerika. In diesem volksthümlichen Namen ist alles falsch und lächerlich. Da Linne indessen einen lateinischen Namen daraus machte, Cactus Ficus indica, welcher später zur Gattung Opuntia gebracht wurde, so hat man den specifischen Namen beibehalten müssen, um Abänderungen, die Verwirrung herbeiführen, zu ver- meiden und auf die volksthümliche Bezeichnung hinzu- weisen. Die stacheligen und mehr oder minder stachel-

losen Eormen sind von einigen Autoren als verschiedene _ Arten hingestellt worden, eine genaue Prüfung vereinigt sie aber zu einer.!

Die Art kam in Mexico vor Ankunft der Spanier spontan und angebaut vor. Von Hernandez? werden neun Varietäten beschrieben, was auf eine alte Cultur -hinweist. Die eine fast stachellose scheint mehr als die andern zur Nahrung für die Lackschildlaus oder Cochenille gedient zu haben, welche man mit der Pflanze nach den Canaren und anderswohin eingeführt hat. Es lässt sich nicht bestimmen, bis zu welchem Punkte sich der Wohnsitz ın Amerika erstreckte, bevor der Mensch die Bruchstücke der Pflanze und ihre Früchte, welche beide als leichte Verbreitungsmittel angesehen werden können, weiter fortschaffte. Vielleicht waren die auf Jamaica und andern Antilleninseln wildwach- senden Individuen, von welchen Sloane im Jahre 1725 sprach, das Ergebniss einer Einführung durch die Spa- nier. Sicherlich hat sich die Art in dieser Richtung so weit naturalisirt, als das Klima es ihr gestattete, z. B. bis nach dem südlichen Florida.

Sie gehört zu den ersten Pflanzen, welche die Spanier nach der Alten Welt, sei es nach Europa, sei es nach Asien brachten. Ihr eigenthümliches Aussehen erregte um so mehr Aufsehen, als man noch keine Art aus dieser Familie bis dahin gesehen hatte.” Alle Bota-

1 Webb et Berthelot, Phytographia canariensis, I, 208.

2 Hernandez, Thesaurus Novae Hispaniae, S. 78

3 Sloane, Jamaica, II, 150.

4 Chapman, Flora of the southern United States, S. 144. 5 Der Cactos der Griechen war etwas ganz Verschiedenes.

Stachelbeere. 345

niker des 16. Jahrhunderts haben von ihr gesprochen, und die Art hat sich gleichzeitig in Südeuropa und in Afrıka immer weiter naturalisirt, je mehr sie angebaut wurde. In Spanien hat man die Opuntia zuerst unter dem amerikanischen Namen Tuna gekannt, und wahr- scheinlich brachten die Mauren sie nach der Berberei, als sie von der Halbinsel vertrieben wurden. Sie nannten dieselbe Christfeige.! Der Gebrauch, die Besitzungen mit dem indischen Feigencactus als eine Art Einfrie- digung zu umgeben und der Nährwerth der recht zucker- haltigen Früchte haben die Ausbreitung um das Mittel- meer herum und im allgemeinen in allen den Tropen nahe liegenden Ländern herbeigeführt.

Die Cochenillezucht, welche der Fruchterzeugung hinderlich war?, ist seit der Fabrikation der Farbstoffe durch chemische Processe ganz in Verfall gerathen.

Ribes Grossularia und R. Uva-crispa, Linne. Stachelbeere (fr. Groseillier à maquereaux).

Die angebauten Formen zeigen gemeiniglich eine glatte oder mit nur wenigen grossen steifen Haaren bedeckte Frucht, während die Frucht der wildwachsenden Form (R. Uva-crispa) weiche und weniger lange Haare hat; es sind aber Zwischenformen nachgewiesen worden, und man hat durch Versuche dargethan, dass durch die Aus- saat der Samen von der angebauten Frucht Pflanzen

erzielt werden, deren Früchte bald behaart, bald glatt

sind.? Es gibt demnach nur eine Art, welche durch die Cultur in Bezug auf die Grösse, die Farbe oder den Geschmack der Frucht eine Hauptvarietät und meh- rere Untervarietäten hervorgebracht hat.

Die Stachelbeere wächst im ganzen gemässigten Eu- ropa wild, vom südlichen Schweden bis nach den ge- birgigen Theilen Centralspaniens, Italiens und Griechen- lands.* Sie wird auch für Nordafrika erwähnt; der zu-

1 Steinheil, in: Boissier, Voyage bot. en Espagne, I, 25.

2 Webb et Berthelot, Phytogr. canar.

3 Robson, in: English Botany, Taf. 2057. 4 Nyman, Conspectus fl. europeae, S. 266; Boissier, Fl. or., II, 815.

946 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

letzt über die Pflanzen Algeriens veröffentlichte Kata- log! führt sie aber nur für die Gebirge von Aurès an, und Ball hat von ıhr eine recht charakteristische Va- rietät auf dem Atlasgebirge Maroccos gefunden.” Auch im Kaukasus kommt sie vor?, desgleichen unter mehr oder minder verschiedenen Formen im westlichen Himalaja.*

Die Griechen und Römer haben von dieser im Süden seltenen Art nicht gesprochen, die da wo die Trauben reifen, anzubauen auch kaum der Mühe verlohnt. Na- mentlich baut man sie in Deutschland, Holland und England seit dem 16. Jahrhundert? an, insbesondere zur Würze, woraus die Namen @ooseberry ım Englischen und Groseille à maquereaux im Französischen entstanden sind. Man bereitet aus ihr auch eine Art Wein.

Die Häufigkeit der Cultur auf den britischen Inseln, sowie die häufig in der Nähe von Gärten sich bemerk- bar machenden Standorte wurden für mehrere englische Botaniker die Veranlassung, anzunehmen, dass es sich bei ihr um eine zufällige Naturalisation handle. Für Irland ® ist dies ziemlich wahrscheinlich, da es sich aber hier um eine wesentlich europäische Art handelt, so sehe ich nicht ein, warum sie ın England, wo die wildwachsende Pflanze sehr gemein ist, nicht seit Nieder- lassung der meisten Arten der englischen Flora hätte vorkommen können, d.h. seit dem Ende der Eisperiode, vor der Trennung der Insel vom Festlande. Phillips führt einen alten, ganz besondern englischen Namen an, Feaberry oder Feabes, was auch zur Begründung eines alten Auftretens beiträgt, desgleichen zwei welsche Namen’, deren Originalität ich jedoch nicht bestätigen kann.

Munby, Catal., 2. Aufl., S. 15.

Ball, Spicilegium fl. maroce., S. 449.

Ledebour, F1. ross., II, 194; Boissier, a. a. O.

Clarke, in: Hooker, Fl. of Brit. India, II, 410.

Phillips, Account of fruits, S. 174.

Moore and More, Contrib. to the Cybebe hibernica, S. 113. Davies, Welsh Botanology, S. 24.

NO À © LD nm

RE u DE

Rothe Johannisbeere. 347

Ribes rubrum, Linné. Rothe Johannisbeere (fr. Groseillier rouge).

Im nördlichen und gemässigten Europa, in ganz Si- birien! bis nach Kamtschatka hin, und in Amerika von Canada und Vermont bis zur Mündung des Mackenzie- flusses? tritt die gemeine rothe Johannisbeere wild- wachsend auf.

Wie die vorhergehende war sie den Griechen und Römern unbekannt, und ihre Cultur hat sich erst im Mittelalter eingeführt. Die angebaute Pflanze unter- scheidet sich kaum von der wildwachsenden. Der fremd- ländische Ursprung für den Süden Europas wird durch den ihr im 16. Jahrhundert in Frankreich? beigelegten Namen Groseille d’outremer bestätigt. In Genf geht die Johannisbeere noch unter dem volksthümlichen Namen Raisin de mare, und im Canton Solothurn heisst sie noch Meertrübli. Mir ist es unbekannt, warum man sich vor drei Jahrhunderten der Einbildung hingab, dass die Art eine überseeische sei. Vielleicht lässt sich dies in dem Sinne erklären, dass die Dänen und Normannen sie mitgebracht, oder dass diese nordischen Völker, welche zu Wasser anlangten, ihre Cultur eingeführt

hätten. Ich bezweifle es jedoch, denn die Ribes rubrum

ist fast in ganz Grossbritannien* und in der Normandie? spontan; die Engländer, welche mit den Dänen häufige Verbindungen unterhielten, bauten sie im Jahre 1557 noch nicht an, wie dies aus einer zu jener Epoche von Th. Tusser zusammengestellten und von Phillips ver- öffentlichten Fruchtliste hervorgeht‘, und selbst zu Ge- rard’s Zeiten, im Jahre 15977, war ihre Cultur selten und die Pflanze hatte keinen besondern Namen; schliess- lich gibt es französische und bretagnische Namen, welche

1 Ledebour, F1. ross., II, 199.

2 Torrey and Gray, Fl. N. Amer., I, 150.

3 Dodonaeus, S. 748. 4 Watson, Cybebe brit.

5 Brebisson, Flore de Normandie, S. 99.

6 Phillips, Account of fruits, S. 136. 7 Gerard, Herbal, S. 1143.

8 Der Name Currant ist später entstanden, infolge der Analogie mit Korinthen (Phillips, a. a. O.).

548 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

eine den Normannen im westlichen Frankreich vorher- gehende Cultur vermuthen lassen.

Die alten französischen Namen finden sich in dem Wörterbuch von Ménage. Nach ihm nannte man die rothen Johannisbeeren in Rouen Gardes, in Caen Grades, in der untern Normandie Gradilles, und in seiner Heimat, in Anjou, Castilles. Ménage leitet alle diese Namen von rubius, rubicus u. s. w. ab, und zwar infolge imagi- närer Verwandlungen des Wortes ruber, roth. Legonidec! belehrt uns, dass die rothen Johannisbeeren in der Bretagne auch Kastilez heissen, und er leitet diesen Namen von Castille (Castilien) ab, als ob eine in Spanien wenig bekannte und im Norden so verbreitete Frucht von der Halbinsel kommen könnte. Diese gleichzeitig in und ausserhalb der Bretagne verbreiteten Namen scheinen mir keltischen Ursprungs zu sein, und um dies zu bekräftigen, bemerke ich, dass in dem Wörter- buch des Legonidec selbst gardiz im Bretonischen herbe, scharf, prickelnd, sauer u. s. w. bedeutet, was die Etymologie errathen lässt. Der Gattungsname Ribes hat zu andern Irrthümern Veranlassung gegeben. Man hatte eine von den Arabern so benannte Pflanze wieder- zuerkennen geglaubt; dieses Wort stammt aber viel eher von einem für die Johannisbeere im Norden sehr ver- breiteten Namen ab, nämlich von Ribs im Dänischen‘, Risp und Resp im Schwedischen.# Die slavischen Namen sind alle ganz verschieden und ziemlich zahlreich.

Ribes nigrum, Linne. Schwarze Johannisbeere (fr. Cassis).

Die schwarze Johannisbeere findet sich wildwachsend im nördlichen Europa, von Schottland und Lapland bis nach Nordfrankreich und dem nördlichen Italien; ferner in Bosnien, in Armenien, in ganz Sibirien, der Amur-

1 Legonidec, Diction. celto-breton.

2 Moritzi, Dict. inéd. des noms vulgaires.

® Linné, Flora suecica, n. 197.

4 Watson, Compend. Cybebe, I, 177; Fries, Summa veg. Scandinaviae, S. 39; Nyman, Conspectus florae europeae, S. 266.

5 Boissier, Fl. or., II, 815.

Schwarze Johannisbeere. 349

region und im westlichen Himalaja.! Häufig naturalisirt sie sich, z. B. im mittlern Frankreich.?

Die Griechen und Römer kannten diesen Strauch nicht, welcher kältern Ländern angehört, als die ihrigen es sind. Aus der Verschiedenartigkeit seiner Namen in alten, selbst den Ariern vorhergehenden Sprachen des nördlichen Europas lässt sich deutlich schliessen, dass man den Früchten zu einer sehr alten Zeit nachging, und dass man wahrscheinlich vor dem Mittelalter ange- fangen hat ihn anzubauen. J. Bauhin? berichtet, dass der- selbe in den Gärten Frankreichs und Italiens angepflanzt wurde, die meisten der Autoren des 16. Jahrhunderts schweigen aber darüber. In der 1782 erschienenen „Histoire de la vie privee des Frangais“, von Le Grand d’Aussy, findet sich (Bd. I, S. 232) folgender recht interessanter Satz: ,, Die schwarze Johannisbeere wird seit etlichen vierzig Jahren angebaut, und zwar infolge einer Schrift, die den Titel führt: «Culture du cassis», in welcher der Verfasser dem Strauche alle nur denkbaren Tugenden zuschreibt.“ Weiter (Bd. III, S. 80) kommt der Verfasser auf den häufigen Gebrauch des schwarzen Johannisbeer- Branntweins seit Veröffentlichung der in Frage stehenden Schrift zu- rück. Bosc, der in seinen Artikeln des ,, Dictionnaire d'agriculture‘ immer genau ist, spricht sich folgen- dermaassen aus: „Seit sehr langer Zeit baut man die- sen Strauch seiner Früchte wegen an, die einen eigen- thümlichen, manchen angenehmen, andern unangeneh- men Geruch besitzen, und welche als magenstärkendes und diuretisches Mittel gelten.“ Bei der Fabrikation der als Ratafıa und Cassis* bekannten Liqueure werden sie verwendet.

1 Ledebour, Fl. ross., S. 200; Maximowiez, Primitiae fl. Amur., S. 119; Clarke, in: Hooker, F1. of Brit. India, II, 411.

2 Boreau, Flore du centre de la France, 3. Aufl., S. 262.

3 Bauhin, Hist. plant., II, S. 99.

4 Der Name Cassis ist ziemlich eigenthümlich. Littré sagt in seinem Wörterbuche, dass er erst spät in der Sprache aufgenommen zu sein scheint und dass man seinen Ursprung nicht kennt. Ich habe ihn in den vor Mitte des 13. Jahrhunderts erschienenen botanischen Büchern nicht ge-

350 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Olea europea, Linne. Oelbaum (fr. Olivier).

Der wildwachsende Oelbaum, welcher in den bota- nischen Büchern als Varietät sylvestris oder Oleaster bezeichnet wird, unterscheidet sich von dem angebauten Baume durch eine kleinere Frucht mit weniger dickem Fleische. Durch die Auswahl der Samen, durch Steck- linge oder durch Pfropfreiser guter Varietäten erzielt man bessere Früchte.

Der Oleaster findet sich gegenwärtig in einer ausge- dehnten Region im Osten und Westen Syriens, vom Pendschab und Beludschistan ! bis nach Portugal und selbst auf Madeira, auf den Canarischen Inseln und in Marokko?; und in der Richtung von Süden nach Nor- den, vom Atlas bis zum südlichen Frankreich, dem alten Macedonien, der Krim und dem Kaukasus.? Vergleicht man die Aussagen der Reisenden und der Autoren von Floren, so ist es nicht schwer, zu sehen, dass man an den Grenzen dieses Wohnsitzes in Bezug auf die spon- tane und einheimische, d. h. sehr alte Beschaffenheit der Art oft Zweifel hegt. Bald bildet er Gebüsch- dickichte, die wenig oder gar nicht Früchte tragen, und bald zeigen sich nur, wie beispielsweise in der Krim, vereinzelte Stämme, als ob dieselben ausnahms- weise vor den zerstörenden Wirkungen zu strenger Winter, die eine feste Niederlassung nicht zulassen, bewahrt geblieben wären. Was Algerien und Süd- frankreich anbetrifft, so sind die Zweifel durch eine Erörterung zu Tage getreten, welche zwischen sehr

funden. Meine Manuscriptsammlung von volksthümlichen Namen weist unter mehr als 40 Namen für diese Art in verschiedenen Sprachen oder Dialekten nicht einen einzigen analogen Namen auf. In seinem „Dietion- naire des plantes‘ (1770), S. 289, nennt Buchoz die Pflanze cassis oder cassetier des Poitevins. Der alte französische Name war poivrier oder gro- seillier noir. Das Wörterbuch von Larousse sagt, dass man geschätzte Liqueure in Cassis in der Provence anfertigte. Könnte dies der Ursprung des Namens sein ?

1 Aitchison, Catalogue, S. 86.

2 Lowe, Manual flora of Madeira, II, 20; Webb et Berthelot, Hist. nat. des Canaries, Géogr. bot., S. 48; Ball, Spicilegium florae marocea- nae, S. 565.

3 Cosson, Bull. Soc. bot. France, IV, 107, und VII, 31; Grisebach, Spicilegium florae rumelicae, II, 71; Steven, Verzeichniss der taurischen Halbinseln, S. 248; Ledebour, Fl. ross., S. 38.

Oelbaum. 351

competenten Persönlichkeiten in einer Versammlung der Pariser Botanischen Gesellschaft stattfand.! Dieselben stützen sich auf die unwiderlegbare Thatsache, dass die Olivenkerne von den Vögeln häufig nach unbebauten und unfruchtbaren Gegenden gebracht werden, wo sich die wildwachsende Form des Oleaster weiter fortpflanzt und naturalisirt.

Man hat die Frage nicht richtig gestellt, wenn man sich fragt, ob die Olivenbäume von dieser oder jener Localität wirklich spontan sind. Bei einer holzigen Art, welche ein sehr hohes Alter erreicht und von unten wieder austreibt, wenn irgendein Zufall den Stamm zum Fallen gebracht hat, ist es unmöglich, den Ursprung der Individuen nachzuweisen, welchen wir unsere Aufmerk- samkeit zuwenden. Durch Menschen oder Vögel können sie zu einer sehr alten Epoche gesäet worden sein, denn man kennt Oelbäume, die ein Alter von über 1000 Jahren aufweisen. Die Folge dieser Aussaaten ist eine Natu- ralisation, welche schliesslich mit einer Erweiterung des Wohnsitzes gleichbedeutend ist. Es wäre somit die Frage zu erörtern, welches das Vaterland der Art in sehr alten prähistorischen Zeiten gewesen ist, und wie sich dasselbe infolge aller möglichen Beförderungsweisen mehr und mehr ausgedehnt hat. Nicht durch den An- blick der jetzt bestehenden Oelbäume lässt sich diese Frage lösen. Wir müssen zu erfahren suchen, in welchen Ländern die Cultur angefangen hat und wie sie sich weiter verbreitete. Je älter sie in einer Region ge- wesen ist, um so wahrscheinlicher wird es, dass sich die Art seit den geologischen, der Thätigkeit des prä- historischen Menschen vorhergehenden Ereignissen, dort im wildwachsenden Zustande vorfand.

Die ältesten hebräischen Bücher sprechen von dem wildwachsenden und angebauten Oelbaum Sait oder Zeit.? Er war einer der verheissenen Bäume des Landes Kanaan.

1 Bulletin, IV, 107. 2 Rosenmüller, Handbuch der biblischen Alterthumskunde, IV, 258, und Hamilton, Botanique de la Bible, S. 80, wo die Stellen angegeben sind.

4

352 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Die älteste Erwähnung findet sich in der Genesis, wo gesagt ist, dass Noah eine Taube fliegen liess, die ein Oelblatt zurückbrachte. Will man auf diese Ueber- lieferung, die von wunderbaren Nebenumständen be- gleitet ist, weitere Rücksicht nehmen, so dürfte hinzu- gefügt werden, dass sich der Berg Ararat der Bibel, pach den Entdeckungen neuerer Gelehrten, im Osten des jetzigen Ararat Armeniens, welcher früher Masis genannt wurde, befinden musste. Beim Studium des Textes der ‚Genesis‘ versetzt Francois Lenormand! den in Frage stehenden Berg bis zum Hindukusch und selbst bis an die Quellen des Indus. Dann befindet er sich aber, seiner Meinung nach, in der Nähe des Landes der Arier, und man kennt doch keinen Sanskrit- namen für den Oelbaum, selbst nicht einmal von dem Sanskrit, aus welchem die indischen Sprachen hervor- gingen.” Wenn der Oelbaum im Pendschab vorgekom- men wäre, wie es jetzt der Fall ist, würden die Ario- Indier ihm auf ihren Wanderungen nach Süden wahr- scheinlich einen Namen beigelegt haben, und wenn er in Mazanderan, südlich vom Kaspisee, wie gegenwärtig aufgetreten wäre, würden die westlichen Arier ihn viel- leicht gekannt haben. Diesen negativen Anzeichen lässt sich nur entgegenhalten, dass der wildwachsende Oel- baum nicht sehr dazu angethan ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und dass man vielleicht erst spät in diesem Theile Asiens auf den Gedanken verfallen ist, Oel aus seinen Früchten zu gewinnen.

Nach Herodot? brachte Babylonien keine Oelbäume hervor, und bedienten sich seine Bewohner des Sesam- öls. Sicherlich war ein solches Land, welches oft über- schwemmt wurde, dem Oelbaume durchaus nicht günstig. Die Kälte schloss denselben von den höhern Plateaux und den Gebirgen Nordpersiens aus.

1 Fr. Lenormand, Manuel de l’histoire ancienne de l’Orient (1869),

2 Fick, Wörterbuch. Piddington, Index, erwähnt nur einen hindus- tanischen Namen, Julpai. 3 Herodot, Hist., 1. 1, c. 19.

Oelbaum. 393

Es ist mir unbekannt, ob ein Zendname besteht, der semitische Name Sait muss aber auf ein hohes Alter- thum zurückgehen, denn er findet sich gleichzeitig im neupersischen Seitun! und im arabischen Zeitun, Sjetun?; auch im Türkischen und bei den Tataren der Krim findet er sich als Seitun? wieder, was auf einen turanischen Ursprung oder auf den sehr fern gelegenen Zeitpunkt der Vermischung semitischer und turanischer- Völker schliessen lassen könnte.

Die alten Aegypter bauten den Oelbaum an, welchen sie Tat* nannten. Mehrere Botaniker haben das Vor- handensein von Zweigen und Blättern des Oelbaums in den Mumiensärgen nachgewiesen.” Nichts ist gewisseg als das, obgleich Hehn neuerdings das Gegentheil be- hauptete, ohne irgendeinen Beweis zur Begründung seiner Meinung vorzubringen.® Interessant würde es sein, zu erfahren, unter welcher Dynastie die ältesten Särge, in welchen man Oelzweige gefunden hat, beige- setzt wurden. Der von dem semitischen ganz verschie-

dene ägyptische Name deutet ein den ersten Dynastien

vorhergehendes Auftreten an. Ich werde sogleich auf eine Thatsache verweisen, die dieses hohe Alterthum weiter begründen kann.

Nach Theophrast” gab es in Kyrene viele Oelbäume, man gewann dort viel Oel, doch sagt er nicht, ob die Art daselbst wildwachsend war, und der Umstand einer

reichlichen Oelgewinnung lässt auf eine angebaute Va-

rietät schliessen. Das niedrige und sehr warme Land zwischen Aegypten und dem Atlas dürfte kaum einer ausserhalb der Anpflanzungen eintretenden Naturalisation des Oelbaums günstig sein. Kralik, ein sehr sorgfäl-

1 Boissier, Flora or., IV, 36.

2 Ebn Baithar, deutsche Uebersetzung, S. 569; Forskal, Plantae Egypt., S. 49.

3 Boissier, a. a. O.; Steven, a. a. O.

4 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 45.

5 De Candolle, Physiol. végét., S. 696; Al. Braun, à. a. O., S. 12; Pleyte, von Braun und Ascherson genannt, Sitzungsber. d. Naturforsch. Gesellsch. vom 15. Mai 1877.

6 Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 88, Z. 9.

7 Theophrastus, Hist. plant., 1. 4, c. 3, am Schluss.

DE CANDOLLE. 23

354 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

tiger Botaniker, hat ıhn auf seiner Reise in Tunis und Aegypten nirgends wildwachsend angetroffen !, obgleich er in den Oasen angebaut wird. Nach Schweinfurth und Ascherson, in ihrer Uebersicht der Flora der Nil- region?, zeigt sich der Oelbaum in Aegypten nur im angebauten Zustande.

Das prähistorische Vaterland dehnte sich wahrschein- lich von Syrien nach Griechenland aus, denn der wild- wachsende Oelbaum ist an der Südküste Kleinasiens sehr gemein. Er bildet daselbst wirkliche Wälder.’ Da und im Archipel haben die Griechen zweifelsohne diesen Baum frühzeitig kennen gelernt; hätten sie ihn im eigenen Lande nicht gesehen, sondern ihn von se- mitischen Völkern erhalten, so würden sie ihm keinen besondern Namen, Elaia, beigelegt haben, aus welchem die Lateiner Olea machten. Die „Iliade“ und die „Odyssee“ erwähnen die Härte des Holzes vom Oel- baume, weisen auch auf den Gebrauch hin, sich den Körper mit seinem Oel einzureiben. Letzteres wurde allgemein zur Nahrung und Beleuchtung verwendet. Die Mythologie schrieb der Minerva die Anpflanzung des Oelbaums ın Attika zu, womit wahrscheinlich die Einführung angebauter Varietäten und passender Ver- fahrungsweisen zur Gewinnung des Oels gemeint ist. Aristäus hatte das Verfahren des Fruchtpressens einge- führt oder vervollkommnet.

Dieselbe mythologische Persönlichkeit hatte angeblich den Oelbaum von Nordgriechenland nach Sicilien und Sardinien gebracht. Die Phönizier haben dies wol auch in ähnlicher Weise und sehr frühzeitig thun können, ich möchte aber doch zu weiterer Begründung der Ansicht, dass die Einführung der Art, oder doch einer ver- besserten Varietät, durch die Griechen erfolgt sei, noch bemerken, dass der semitische Name Zeit auf den Inseln des Mittelmeers keine Spur zurückgelassen hat. Es ist

1 Kralik, in: Bull. Soc. bot. Fr., IV, 108. 2 Schweinfurth und Ascherson, Beiträge zur Flora Aethiopiens, S. 281. 3 Balansa, Bull. Soc. bot. de France, IV, 107.

Oelbaum. 355

der griechisch-lateinische Name, welcher dort wie in Ita- lien vorkommt!, während es an der benachbarten Küste Afrikas und in Spanien der ägyptische oder arabische Name ist, wie ich dies gleich näher erklären werde.

Die Römer haben den Oelbaum später kennen lernen als die Griechen. Nach Plinius? wäre dies erst zur Zeit des Tarquinius Priscus im Jahre 627 v. Chr. ge- schehen, wahrscheinlich kam aber die Art wie in Griechen- land und auf Sicilien schon in Grossgriechenland vor. Plinius wollte überdfes vielleicht von dem angebauten Oelbaume sprechen.

Es ist eine sehr eigenthümliche Thatsache, welche die Philologen weder bemerkt noch weiter erörtert haben, dass der berberische Name für den Oelbaum und seine Frucht, die Olive, in Uebereinstimmung mit dem Tat der alten Aegypter, Taz oder Tas zur Wurzel hat. Nach dem von der französischen Regierung veröffent- lichten französisch - berberischen Wörterbuche nennen die Kabylen von Algerien den wildwachsenden Oelbaum Tazebboujt, Tesettha Ou’ Zebbouj, und den gepfropften Oelbaum Tazemmourt, Tazettha Ou zemmour. Die Tua- regs, ein anderer berberischer Volksstamm, sagen Ta- mahinet.® Dies sind gute Anzeichen von dem hohen Alter des Oelbaums in Afrika. Indem die Araber dieses Land eroberten und die Berbern nach den Gebirgen und der Wüste zurückdrängten, indem sie ebenfalls Spanien mit Ausnahme des Baskenlandes unterwarfen, sind die aus dem semitischen Zeit abgeleiteten Namen selbst in Spanien die vorwiegenden geblieben. Die Araber von Algerien sagen Zenboudje für den wildwachsenden, Zitoun für den angebauten Oelbaum®, und Zit für das Olivenöl. Die Andalusier nennen den wildwachsenden Oelbaum Azebuche und den angebauten Aceytuno.° In andern Provinzen werden gleichzeitig der Name latei-

1 Moris, Flora sardoa, III, 9; Bertoloni, Flora ital., I, 46,

2 Plinius, Hist., 1. 15, c. 1.

3 Duveyrier, Les Touaregs du nord (1864), S. 179.

4 Munby, Flore de l’Algérie, S. 2; Debeaux, Catal. Boghar, S. 6% 5 Boissier, Voyage bot. en Espagne, 1. Aufl., II, 407.

23*

356 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

nischen Ursprungs, Olivio, und die arabischen Namen gebraucht.! Das Oel heisst im Spanischen aceyte, was beinahe der echt hebräische Name ıst; das zur letzten Oelung gebrauchte heisst aber oleos santos, weil es auf Rom Bezug hat. Die Basken bedienen sich des latei- nischen Wortes für den Oelbaum.

Alte Reisende auf den Canarıschen Inseln, z. B. Bon- tier im Jahre 1403, erwähnen den Oelbaum auf diesem Archipel, wo die Botaniker der Neuzeit ihn als ein- heimisch ansehen.” Er kann von den Phöniziern ein- geführt worden sein, wenn er nicht schon früher dort vorkam. Man weiss nicht, ob dıe Guanchen Worte für Oelbaum und Oel besassen. In ihrem gelehrten Kapitel über die Sprache der Ureinwohner sprechen Webb und Berthelot nicht davon.” Man kann sich somit verschie- denen Vermuthungen hingeben. Es scheint mir, dass das Oel eine wichtige Rolle bei den Guanchen gespielt haben würde, wenn sie den Oelbaum besessen hätten, und dass dann irgendwelche Spur davon in der jetzigen volksthümlichen Sprache zurückgeblieben sein würde. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die Naturalisation auf den Canaren vielleicht nicht so alt als die Reisen der Phönizier.

Kein Oelblatt ist bisjetzt in dem Tuffstein des süd- lichen Frankreich, Toscanas und Siciliens gefunden worden, wo man doch den Lorbeer, die Myrte und andere noch jetzt dort vorhandene Sträucher nachgewiesen hat. Bis der Gegenbeweis geliefert wird, ist dies ein Anzeichen späterer Naturalisation.

Der Oelbaum gedeiht gut in trockenen Klimaten, welche mit dem von Syrien oder Algerien übereinstim- men. Er kann am Cap, in mehreren Regionen Amerikas, in Australien fortkommen, und zweifelsohne wird er dort spontan werden, wenn man ihn häufiger anpflanzen wird. Die Langsamkeit seines Wachsthums, die Noth-

1 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hispan., II, 672. 2 Webb et Berthelot, Hist. nat. des Canaries, Géogr, bot., S. 47 u. 48. 3 Ebend., Ethnographie, S. 188,

Sternapfel. 357

wendigkeit, ihn zu pfropfen oder Ausläufer einer bessern Varietät zu wählen, besonders aber die Concurrenz anderer ölhaltiger Arten, haben bisjetzt seine Ausbrei- tung verzögert, ein Baum aber, der selbst auf dem un- dankbarsten Boden Erträgnisse liefert, kann nicht für immer in dieser untergeordneten Stellung verharren. Selbst in unserer Alten Welt, wo er seit Tausenden von Jahren auftritt, wird man seinen Ertrag verdoppeln, sobald man sich der Arbeit unterzieht, die wildwachsen- den Bäume, nach Art der Franzosen in Algerien, durch Pfropfen zu veredeln.

Chrysophyllum Cainito, Linne. Sternapfel (fr. Cainitier).

Der Cainitier oder Caömitier, Star apple der Eng- länder, gehört zur Familie der Sapotaceen. Er bringt eine im tropischen Amerika recht geschätzte Frucht hervor; die Europäer legen ihr aber keinen grossen Werth bei. Ich glaube nicht, dass man damit umge- gangen ist, ihn nach den afrikanischen oder asiatischen Colonien einzuführen. In seiner „Flore des Antilles“, Bd. II, Taf. 9, hat Tussac eine gute Abbildung davon gegeben.

Seemann! hat den Chrysophyllum Cainito in mehreren Gegenden des Isthmus von Panama wildwachsend ge- sehen. De Tussac, der sich auf San-Domingo ange- siedelt hatte, betrachtete ıhn als wildwachsend in den Wäldern der Antillen, und Grisebach? sagt, dass er auf Jamaica, San-Domingo, Antigoa und Trinidad wild- wachsend und angebaut vorkommt. Vor ihm sah Sloane den Baum auf Jamaica als den Culturen entsprungen an, und Jacquin bediente sich eines unbestimmten Aus- drucks, indem er sagt: „Bewohnt Martinique und San- Domingo.“ à

1 Seemann, Botany of Herald, S. 166. 2 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 398. 3 Sloane, Jamaïque, II, S. 170; Jacquin, Amer., S. 52.

358 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Lucuma Caimito, Alph. de Candolle.

Man darf diesen Caimito von Peru nicht mit dem Chrysophyllum Cainito von den Antillen verwechseln. Alle beide gehören zur Familie der Sapotaceen, aber ihre Blumen und Samen sind verschieden. In Ruiz und Pavon, „Flora peruviana“, Bd. III, Fig. 240, ist diese Art abgebildet.

In Peru angebaut, hat man sie nach Ega am Ama- zonenstrome verpflanzt, desgleichen nach Para, wo sie gewöhnlich Ab? oder Abiu! genannt wird.

Nach Ruiz und Pavon kommt sie in den heissen Theilen Perus, am Fusse der Anden, wildwachsend vor.

Lucuma mammosa, Gärtner (fr. Mammei oder Mam- mei-Sapote). |

Dieser ebenfalls zur Familie der Sapotaceen gehörende Fruchtbaum des tropischen Amerika hat in den bota- nischen Werken zu mehreren Irrthümern Veranlassung gegeben.” In vollständiger und befriedigender Weise ist er noch nicht abgebildet worden, weil die Colo- nisten und Reisenden ihn für zu bekannt halten, um sorgfältig gewählte Exemplare davon nach Europa zu schicken, welche man dann in den Herbarien beschreiben könnte. Diese Art von Vernachlässigung kommt übrigens ziemlich häufig vor, wenn es sich um angebaute Pflan- zen handelt.

Der Mammei wird auf den Antillen und in einigen der heissern Regionen des amerikanischen Festlandes angebaut. Von Sagot hören wir, dass er es nicht in Cayenne ist, wol aber in Venezuela.? Ich glaube nicht, dass man ihn nach Afrika oder Asien, wenn nicht vielleicht nach den Philippinen, verpflanzt hat*, und zwar wahr- scheinlich wegen des schalen Geschmacks seiner Frucht.

Humboldt und Bonpland fanden ihn wildwachsend in

1 Flora brasil., V, 88.

2 Siehe die Synonymie in Flora brasiliensis, VII, 66.

3 Sagot, in: Journal Soc. d’hort. de France, 1872, S. 347.

4 Blanco, Fl. de Filipinas, unter dem Namen Achras Lucuma.

D - ARE s in À

P

Gemeiner Breiapfel. Essbarer Nachtschatten. 359

den Wäldern der Missionen am Orinoco.! Alle Au- toren führen ihn auf den Antillen an, aber als ange- baut oder ohne hervorzuheben, dass er dort wildwach- send sei. In Brasilien findet man ihn ausschliesslich in den Gärten.

Sapota Achras, Miller. Sapotillbaum, gemeiner Breiapfel (fr. Sapotillier).

Die Frucht des Sapotillbaums ist die geschätzteste aus der Familie der Sapotaceen und eine der besten der intertropischen Regionen. „Eine überreife Sapo- tillenfrucht“, sagt ne in seiner „Flore des An-

tilles“, „zerschmilzt auf der Zunge und enthält die

süssen Düfte des Honigs, des Jasmins und der Mai- blume.“ Im „Botanical Magazine“, Taf. 3111 u. 3112, wird die Art sehr gut abgebildet, desgleichen in Tussac’s „Flore des Antilles“, Bd. I, Taf. 5. Schon zur Zeit von Rumphius und Rheede hat man sie in den Gärten der Insel Mauritius, des Asiatischen Archipels und Indiens eingeführt, ihr amerikanischer Ursprung wird aber von

_ niemand bezweifelt.

Mehrere Botaniker haben sie im spontanen Zustande in den Wäldern der Landenge von Panama, der Cam- pechebai?, Venezuelas®? und vielleicht Trinidads* ge- sehen. Zu Sloane’s Zeit kam sie auf Jamaica nur in den Gärten vor.’ Sehr zweifelhaft ist es, ob sie auf den andern Antillen wildwachsend auftritt, wenn auch

hier- und dorthin ausgestreute Samen sie bis zu einem

gewissen Grade naturalisirt haben. Nach Tussac er- fordern die jungen Bäumchen in den Anpflanzungen eine

besondere Pflege.

Solanum Melongena, Linne. Solanum esculentum, Dunal. Essbarer Nachtschatten, Eierpflanze (fr. Aubergine).

1 Nova genera, III, 240.

2 Dampier et Lussan, in: Sloane, Jamaica, II, 172; Seemann, Bot. of Herald, S. 166.

3 Jacquin, Amer., S. 59; Humboldt et Bonpland, Nova genera, III, 239.

4 Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 399. -5 Sloane, a. a. O.

360 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Die Eierpflanze hat einen Sanskritnamen und mehrere Namen, welche Piddington in seinem „Index“ gleich- zeitig als sanskritische und bengalische ansieht, wie Bong, Bartaku, Mahoti, Hingoli. In seiner Ausgabe der indischen Flora von Roxburgh nennt Wallich Vartta, Varttaku, Varttaka, Bunguna, woraus das hindosta- nische Bungan entstanden ist.

Danach lässt sich nicht bezweifeln, dass die Art in Indien seit einer sehr fern liegenden Zeit bekannt war. Rumphius hatte sie in den Gärten der Sunda-Inseln gesehen, und Loureiro in jenen Cochinchinas. Thunberg führt sie für Japan nicht an, obgleich jetzt mehrere Varietäten davon ın jenem Lande angebaut werden. Die Griechen und Römer kannten sie nicht, und kein Botaniker hat von ihr in Europa vor Anfang des 17. Jahrhunderts gesprochen!, nach Afrıka hat sich ihre Cultur aber vor dem Mittelalter ausbreiten müssen. Der arabische Arzt Ebn Baithar?, ein Schriftsteller des 13. Jahrhunderts, hat von ihr gesprochen, und er führt Rhazes an, welcher im 9. Jahrhundert lebte. Rauwolf? hatte die Pflanze gegen Ende des 16. Jahrhunderts in den Gärten von Aleppo gesehen. Man nannte sie Me- lanzana und Bedengiam. Dieser arabische Name, wel-. cher von Forskal Badindjan geschrieben wird, ist mit dem hindostanischen, von Piddington angeführten Bu- danjan übereinstimmend. Ein Anzeichen von hohem Alter in Nordafrika tritt uns in dem Namen Tabendjalts bei den Berbern oder Kabylen der Provinz Algerien * entgegen, und dieser Name entfernt sich ziemlich von dem arabischen. Neuere Reisende haben die angebaute Eierpflanze in der ganzen Nilregion und an der Guinea- küste angetroffen.” Man hat sie nach Amerika ver- pflanzt.

1 Dunal, Histoire des Solanum, S. 209.

2 Ebn Baithar, deutsche Uebersetzung, I, 116.

3 Rauwolf, Flora orient., Ausg. Gröningen, S. 26.

4 Dictionnaire français-berbère, von der französischen Regierung ver- öffentlicht.

5 Thonning, unter dem Namen S. edule; Hooker, Niger Flora, S. 473.

Rs {

Spanischer oder Cayennepfeffer. 361

Die angebaute Form des Solanum Melongena ist bis- jetzt noch nicht im wildwachsenden Zustande gefunden worden, die Botaniker stimmen aber ziemlich darin überein, Solanum insanum, Roxbureh, und S. inca- num, Linne, als zur selben Art gehörend anzusehen. Man fügt selbst, einem von Nees von Esenbeck nach zahlreichen Exemplaren gemachten Studium zufolge, noch andere Synonyma hinzu.! Nun scheint das Sola- num insanum-ın der Provinz Madras und in Tong-Dong bei den Birmanen wildwachsend gefunden worden zu sein. Das demnächstige Erscheinen der Solanaceen in der Flora von Britisch-Indien von Sir Joseph Hooker wird wahrscheinlich hierüber genauere Einzelheiten geben.

Capsicum. Spanischer oder Cayennepfeffer (fr.

_Piments, Poivre de Cayenne).

In den besten botanischen Werken ist die Gattung Capsicum von einer Menge angebauter Formen über- laden, welche man im wildwachsenden Zustande nicht kennt, und welche besonders durch die Dauer des Sten- gels unter sich verschieden sind ein recht veränder-

liches Merkmal oder auch durch die Form der

Frucht, ein ziemlich werthloses Charakteristicum bei den angebauten Pflanzen gerade bezüglich der Früchte. Ich will hier von zwei Arten sprechen, die am meisten angebaut werden, ich kann mich aber nicht enthalten, die Meinung auszudrücken, dass kein Capsicum ur- sprünglich der Alten Welt angehört. Ich halte sie alle amerikanischen Ursprungs, ohne dies in vollstän- diger Weise beweisen zu können. Hier meine Gründe. Derartige ins Auge fallende Früchte, die so leicht in den Gärten heranzuziehen sind und einen den Bewohnern heisser Länder so angenehmen Geschmack besitzen, würden sich sehr rasch in der Alten Welt verbreitet

1 Transactions of the Linnean Society, XVII, 48; Baker, Flora of Mauritius, S. 215.

362 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

haben, wenn sie im südlichen Asien, wie bisweilen an- genommen wird, vorgekommen wären. Sie würden Na- men in mehreren der alten Sprachen haben. Indessen waren sie weder den Römern, Griechen, noch selbst den Hebräern bekannt. In den alten chinesischen Büchern werden sie nicht erwähnt.! Zur Zeit von Cook’s Reise bauten die Bewohner der Südseeinseln sie nicht an?, trotzdem die Sunda-Inseln ihnen so nahe liegen, wo Rumphius. auf ihren sehr gewöhnlichen Gebrauch hin- weist. Der arabische Arzt Ebn Baithar, welcher ım 13. Jahrhundert alles gesammelt hat, was die Orientalen über die medicinisch wichtigen Pflanzen gesagt hatten, spricht nicht von ihnen.

Roxburgh kannte für Capsicum keinen Sanskrit- namen. Später hat Piddington für Capsicum fru- tescens einen Namen, Bran-maricha, angeführt, welcher nach ihm dem Sanskrit angehören soll®?; ist aber dieser Name, welcher auf einer Vergleichung mit dem schwarzen Pfeffer beruht (Muricha, Murichung), im der That ein alter? Wie käme es, dass er in den indischen, vom Sanskrit abgeleiteten Sprachen keine Spur zurück- gelassen hätte? 4

Die spontane, alte Eigenschaft der Capsicum bleibt wegen der Häufigkeit der Culturen immer ungewiss; in Asien scheint sie mir aber häufiger zweifelhaft zu sein als in Südamerika. Die von den zuverlässigsten Au- toren beschriebenen indischen Exemplare stammen fast alle aus den Herbarien der Ostindischen Compagnie, bei welchen man nie weiss, ob eine Pflanze wirk- lich wildwachsend erschien, ob sie von menschlichen Wohnplätzen entfernt auftrat, in den Wäldern ihren Standort hatte u. s. w. Bezüglich der Localitäten im Indischen Archipel geben die Autoren häufig Schutt- haufen, Hecken und ähnliche Fundstätten an.

1 Bretschneider, On the study etc., S. 17.

2 Forster, De plantis esculentis insularum etc. 3 Piddington, Index.

4 Piddington, unter dem Worte Capsicum.

Spanischer Pfeffer, Guineapfeffer. 365

Wir wollen jetzt jede der gewöhnlich angebauten Arten einer nähern Prüfung unterwerfen.

Capsicum annuum, Linne. Spanischer, türkischer, indischer Pfeffer, Schotenpfeffer, Beissbeere (fr. Piment annuel).

Diese Art hat in unsern europäischen Sprachen eine Menge verschiedener Namen erhalten!, welche alle auf einen fremden Ursprung und auf die Geschmacksähn- lichkeit mit dem Pfeffer hinweisen. In Frankreich nennt man ihn oft Guineapfeffer oder auch brasilianischer, indischer Pfeffer u. s. w., welchen Bezeichnungen man unmöglich irgendwelchen Werth beilegen kann. Die Cultur dieser Art hat sich in Europa seit dem 16. Jahr- hundert verbreitet. Es ist eine der Pfeffersorten, welche Piso und Marcgraf? in Brasilien unter dem Namen

- Quija oder Quiya angebaut gesehen hatten. Ueber die

Abstammung sagen sie nichts. Seit sehr langer Zeit scheint die Art auf den Antillen angebaut worden zu sein, wo man sie unter mehreren karaibischen Namen kennt.?

Die Botaniker, welche sich am meisten mit Cap- sicum®* beschäftigt haben, scheinen in den Herbarien nicht ein einziges Exemplar angetroffen zu haben, wel- ches man als spontan ansehen könnte, und ich bin hierin nicht glücklicher gewesen.

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Brasilien das ur- sprüngliche Heimatland.

Das C. grossum, Willdenow, scheint eine Form der- selben Art. Man baut es in Indien unter dem Namen Kafree-murich und Kaffree-chilly an; Roxburgh glaubte aber nicht an seinen indischen Ursprung.°

Capsicum frutescens, Willdenow. Strauchartige Beissbeere, Guinea- oder Vogelpfeffer (fr. Piment ar- brisseau).

1 Nemnich, Lexicon, gibt 12 französische und 8 deutsche Namen an.

2 Piso, S. 107 ; Marcgraf, S. 39.

3 Descourtilz, ‘Flore médicale des Antilles, Bd. VI, Taf. 423.

4 Fingerhuth, CPE gen. Capsici, 8. 12; Sendtner, in: Flora brasil., X, 147. 5 Roxburgh, Fl. ind., ed. Wall., FE 260; (1832), II, 574,

564 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Diese Art, welche höher und am Grunde holziger ist, als ©. annuum, wird allgemein in den heissen Re- gionen der Neuen und der Alten Welt angebaut. Aus ihr wird die grösste Menge des Cayennepfeffers für den Gebrauch der Engländer gewonnen, dieser Name bezieht sich aber zuweilen auch auf die Erzeugnisse anderer dieser Pflanzen.

Roxburgh, bekannt als der Autor, welcher dem Ur- sprunge der indischen Pflanzen die meiste Aufmerksam- keit zugewendet hat, führt diese Art für Indien durch- aus nicht als spontan an. Nach Blume hat sie sich im Indischen Archipel in den Hecken naturalisirt.!

Dagegen hat man sie in Amerika, wo sie seit alters angebaut wird, mehrere mal mit den Anzeichen einer einheimischen Pflanze angetroffen. Martius brachte sie mit von den Ufern des Amazonenstroms, Pöppig aus der Provinz Maynas des östlichen Peru, und Blanchet aus der Provinz Bahia.” Somit dehnt sich das Vaterland von Bahia bis zum östlichen Peru aus, was die Aus- breitung in Südamerika im allgemeinen erklärt.

Lycopersicum esculentum, Miller. Liebesapfel, Pa- radiesapfel, Tomate (fr. Tomate).

Die Tomate oder der Liebesapfel gehört zu einer Gattung von Solanaceen, deren Arten alle amerikanisch sind.” Weder in den alten Sprachen Asiens, noch selbst in den neuern indischen Sprachen findet sich ein Name für dieselben angegeben.* Zu Zeiten Thunberg’s, d. h. vor einem Jahrhundert, wurde sie in Japan noch nicht an- gebaut, und aus dem Schweigen der alten Schriftsteller über China geht hervor, dass ıhre Einführung nach jenem Lande neuern Datums ist. Rumphius° hatte sie in den Gärten des Asiatischen Archipels gesehen. Die Malaien nannten sie Tomatte, dies ist aber ein ameri-

1 Blume, Bijdr., II, 704. 2 Sendtner, in: Flora bras., X, 143. 3 Alph. de Candolle, Prodr., XIII, ı, 26.

4 Roxburgh, Flora indica (1832), I, 565; Piddington, Index.

5 Rumphius, Amboin., V, 416.

Liebesapfel, Paradiesapfel, Tomate. 365

kanischer Name, denn C. Bauhin bezeichnet die Art als Tumatle Americanorum. Nichts lässt darauf schliessen, dass sie vor der Entdeckung Amerikas in Europa be- kannt war.

Die ersten von den Botanikern im 16. Jahrhundert ihr beigelegten Namen lassen vermuthen, dass man die Pflanze von Peru erhalten hatte! Auf dem amerika- nischen Festlande wurde sie früher angebaut als auf den Antillen, denn Sloane führt sie für Jamaica nicht an, und Hughes? berichtet, dass sie vor kaum mehr als einem Jahrhundert von Portugal nach Barbadoes ge- bracht wurde. Humboldt betrachtete die Cultur der Tomaten in Mexico als alt.” Ich bemerke jedoch, dass das erste Werk über die Pflanzen jenes Landes (Her- nandez, „Historia“) die Pflanze nicht erwähnt. Die ersten Autoren über Brasilien, Piso und Marcgraf, sprechen ebenfalls nicht von ihr, obgleich die Art jetzt im ganzen intertropischen Amerika angebaut ist. Wir kommen somit durch Rückschluss zu der Ansicht eines peruvianischen Ursprungs zurück, wenigstens hinsicht- lich der Cultur.

Martius* hat die spontane Pflanze in der Umgegend von Rio de Janeiro und Para gefunden, sie war aber vielleicht den Gärten entsprungen. Mir ist kein Botaniker bekannt, welcher sie wirklich wildwachsend in dem uns bekannten Zustande mit ihren mehr oder minder grossen, beuligen, an den Seiten ausgebauchten Früchten angetroffen hätte; anders verhält es sich mit der sphärischen, klein- früchtigen Form, die in einigen botanischen Werken L, cerasiforme genannt wird, in andern dagegen, und wie mir scheint mit Recht, als zu derselben Art gehörig angesehen

1 Mala peruviana, Pomi del Peru, in: Bauhin, Hist., III, 621.

2 Hughes, Barbadoes, S. 148.

3 Humboldt, Nouv.-Espagne, 2. Aufl., II, 472,

4 Flora brasil., X, 126.

5 Die Grössenverhältnisse des Kelches und der Blumenkrone sind die- selben wie bei der angebauten Tomate, sie sind aber verschieden bei der verwandten Art Z. Humboldti, deren Früchte nach Humboldt ebenfalls een werden, und. welche er wildwachsend in Venezuela gefun-

en hat.

366 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

wird. Dieselbe ist im Küstengebiet Perus!, in Tarapaca, ım östlichen Peru? und an den Grenzen Mexicos und der Vereinigten Staaten nach Californien hin? wildwachsend. Sie naturalisirt sich zuweilen auf den Abfällen in der Nähe der Gärten.* Auf diese Weise hat sich ihr Wohn- sitz in Peru wahrscheinlich nach Nord und Süd aus- gebreitet.

Persea gratissima, Gärtner. Aguacatebaum, Ad- vogatobaum (fr. Avogatier).

Der Avocat, Alligator pear der Engländer ist eine der geschätztesten Früchte der Tropenländer; er gehört zur Familie der Lauraceen. Im Ansehen gleicht er einer Birne mit einem grossen Kern, wie sich dies aus den in Tussac, „Flore des Antilles“, III, Fig. 3, und im „Botanical Magazine“, Taf. 4580, veröffent- lichten Abbildungen ersehen lässt.

Nichts ist lächerlicher als seine volksthümlichen Na- men. Alligator pear kommt wer weiss wo her. Avocat ist die Verstümmelung eines mexicanischen Namens Ahuaca oder Aguacate. Der botanische Name Persea hat nichts gemein mit dem Persea der Griechen, welches eine Cordia war.

Nach Clusius®, im Jahre 1601, war der Advogatobaum ein amerikanischer Fruchtbaum, der nach Spanien in einen Garten eingeführt worden war; da sich derselbe aber in den Colonien der Alten Welt sehr verbreitet hatte, und dort zuweilen fast spontan wurde®, so kann man sich über seinen Ursprung täuschen. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts fand sich dieser Baum noch nicht in den Gärten von Britisch-Indien. Man hatte ihn gegen Mitte des 18. Jahrhunderts nach den Sunda-Inseln ge-

1 Ruiz et Pavon, Flora peruv., II, 37.

2 Spruce, Nr. 4143, im Herbarium Boissier.

3 Asa Gray, Bot. of California, I, 538.

4 Baker, Flora of Mauritius, S. 216.

5 Clusius, Historia, S. 2.

6 Z. B. auf Madeira, nach Grisebach, Fl. of Brit. W. India, S. 280 auf den Inseln Mauritius, den Seychellen und Rodriguez, nach Baker, Flora, S. 290.

Gemeiner Melonen- oder Papayabaum. 367

bracht!, und im Jahre 1750 nach Mauritius und Bourbon.?

In Amerika ist der jetzige Wohnsitz der spontanen Pflanze ganz besonders ausgedehnt. Man hat die Art in den Wäldern, an Flussufern, im Küstengebiet von Mexico und den Antillen bis nach der Amazonenregion gefunden.* Nicht immer hat sie diese grosse Ausdeh- nung gehabt. P. Browne sagt ganz bestimmt, dass der Advogatobaum vom Festlande nach Jamaica eingeführt wurde, und Jacquin glaubte dasselbe für die Antillen im allgemeinen.* Piso und Marcgraf haben ihn für Brasilien nicht erwähnt, und von Martius wird kein brasilianischer Name angegeben.

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas war der Advo- gatobaum nach Hernandez in Mexico gewiss angebaut und einheimisch. Nach Acostaÿ baute man ihn in Peru unter dem Namen Palto an, was der Name eines Volks ım östlichen Peru war, woselbst er massenhaft vorkam.° Ich kann keinen Beweis vorbringen, dass er auf dem peruanischen Küstengebiete spontan war.

Carica Papaya, Linne. Papaya vulgaris, de Can- dolle. Gemeiner Melonen- oder Papayabaum (fr. Papayer).

Dies ist eher eine grosse perennirende Pflanze, als ein wirklicher Baum. Der saftreiche Stamm läuft nach Art des Baumkohls in einen Büschel Blätter aus, und die melonenähnlichen Früchte hängen unterhalb der Blätter herab.” Der Melonenbaum wird jetzt in allen Tropenländern selbst bis zum 30.—32. Breitengrade

1 Findet sich nicht bei Rumphius. 2 Aublet, Guyane, I, 364.

3 Meissner, in: Prodromus, XV, 1, 52, und Flora brasil., Ÿ, 158. Für Mexico: Hernandez, S. 89. Für Venezuela und Para: Nees, Laurineae, S. 129. Für das östliche Peru: Pöppig, Exsicc., von Meissner gesehen.

4 P. Browne, Jamaica, S. 214; Jacquin, Obs., 351.38.

5 Acosta, Hist. nat. des Indes (1598), S. 176.

6 Laet, Hist. nouv. monde, I, 325, 341.

7 Vgl. die guten Abbildungen von Tussac, Flore des Antilles, III, 45, Taf. 10 u. 11. Der Melonenbaum gehôrt zu der kleinen Familie der Pa- payaceen, die von einigen Botanikern zu den Passifloraceen und von an- dern zu den Bixaceen gebracht wurde.

368 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

angebaut. Ausserhalb der Anpflanzungen naturalisirt er sich leicht. Dies ist einer der Gründe, weshalb man ihn asiatischen oder afrikanischen Ursprungs hielt, und bei dieser Meinung auch noch beharrt, trotzdem Robert Brown und ich in den Jahren 1818 und 1855 seinen amerikanischen Ursprung nachgewiesen haben.! Ich will hier die Gründe gegen den angenommenen alt- weltlichen Ursprung wiederholen.

Die Art hat keinen Sanskritnamen. In den neuern Sprachen Indiens nennt man sie nach dem amerika- nischen Namen Papaya, welcher vom karaibischen Na- men Ababai abgeleitet wird.” Nach Rumphius* glaubten die Eingeborenen des Indischen Archipels, dass sie aus- ländischen Ursprungs und von den Portugiesen einge- führt sei, sie legten ıhr Namen bei, die entweder die Aehnlichkeit mit andern Pflanzen oder eine Einführung vom Auslande andeuten sollten. Zu Anfang des 18. Jahr- hunderts führt Sloane* mehrere seiner Zeitgenossen an, denen zufolge man sie von Westindien nach Asien und Afrika gebracht hatte. , Forster hatte sie auf Cook’s Reise nicht in den Anpflanzungen der Südseeinseln ge- sehen. Loureiro® hatte sie zu Mitte des 18. Jahrhun- derts unter den Culturen Chinas, Cochinchinas und Zanzibars angetroffen. Eine so gewinnbringende und so besonders aussehende Pflanze würde sich seit Tau- senden von Jahren in der Alten Welt verbreitet haben, wenn sie überhaupt dort vorgekommen wäre. Alles trägt zu der Annahme bei, dass sie seit der Ent- deckung Amerikas nach den West- und Ostküsten von Afrika und Asien eingeführt wurde.

Alle Arten der Familie sind amerikanisch. Diese muss von Brasilien bis zu den Antillen und bis nach Mexico vor Ankunft der Europäer angebaut worden

1 R. Brown, Botany of Congo, S. 52; A. de Candolle, Géographie bot raisonnée, S. 917.

2 Sagot, Journal de la Société centrale d’horticulture de France, 1872.

3 Rumphius, Amboin., I, 147.

4 Sloane, Jamaica, S. 165.

5 Loureiro, Flora Cochinch., S. 772.

Gemeiner Melonen- oder Papayabaum. 369

sein, weil die ersten Schriftsteller über die Erzeugnisse der Neuen Welt von ihr gesprochen haben.!

Marcgraf hatte oft männliche Pflanzen (immer zahl- reicher als die weiblichen) in den Wäldern Brasiliens gesehen, während sich die weiblichen Exemplare in den Gärten befanden. Ciusius war der erste, welcher eine Abbildung von der Pflanze gab?; er berichtet, dass diese Zeichnung „in der Bai von Todos Santos“ (Pro- vinz Bahia) im Jahre 1607 gemacht worden sei. Ich kenne keinen neuern Botaniker, welcher den Wohnsitz in Brasilien bestätigt hätte. Martius erwähnt die Art nicht in seinem Wörterbuche über die Fruchtnamen in der Tupisprache.? Für Guyana und Columbia wird sie nicht als spontan aufgeführt. Im Gegensatz hierzu bestätigt P. Browne* die spontane Eigenschaft auf Ja- maica, und vor ihm hatten Ximenes und Hernandez dies für San-Domingo und Mexico gethan. Oviedo? scheint den Melonenbaum in Centralamerika gesehen zu haben, und er führt für Nicaragua den volksthümlichen Namen ‚Olocoton an. Indessen betrachen die Herren Correa de Mello und Spruce, nachdem sie in der Amazonenregion, in Peru und anderswo viele Pflanzen gesammelt hatten, in ihrer wichtigen Arbeit über die Papayaceen die An- tillen als ursprüngliches Vaterland des Melonenbaums und halten dafür, dass derselbe nirgendwo auf dem Festlande wildwachsend sei. Ich habe Exemplare ge- -sehen®, die von den Mündungen des Flusses Manate in Florida, von Puebla in Mexico und Columbia kamen; auf den Etiketten findet sich aber keine Bemerkung über die spontane Eigenschaft. Wie man sieht, sind

1 Marcgraf, Brasil., S. 103, und Piso, S. 159, für Brasilien; Ximenes, in: Marcgraf et Hernandez, Thesaurus, S. 99, für Mexico; letzterer für San-Domingo und Mexico.

2 Clusius, Curae posteriores, S. 79, 80,

3 Martius, Beiträge zur Ethnographie, II, 418.

4 P. Browne, Jamaica, 2. Aufl., S. 360. Die erste Ausgabe, welche ich nicht gesehen habe, ist vom Jahre 1756.

5 Was Oviedo darüber sagt, ist von Correa de Mello und Spruce ins Englische übersetzt worden im Journal of the Proceedings of the Linnean Society, X, 1.

6 Prodromus, XV, 1, 414.

DE CANDOLLE. 94

370 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

die Anzeichen für die Gestade des Mexicanischen Golfs und für die Antillen sehr zahlreich. Der sehr verein- zelte Wohnsitz in Brasilien ist verdächtig.

Ficus Carica, Linne. Feigenbaum (fr. Figuier).

Die Geschichte des Feigenbaums zeigt in Bezug auf den Ursprung und die geographischen Grenzen viele Uebereinstimmung mit jener des Oelbaums. Die Aus- breitung seines Wohnsitzes hat infolge der Ausstreuung der Samen mit der Ausbreitung der Cultur gleichen Schritt halten können. Die Wahrscheinlichkeit hierfür liegt vor, denn die Samen gehen unversehrt durch die Verdauungsorgane der Menschen und der Thiere hin- durch. Es lassen sich jedoch Länder anführen, in welchen der Feigenbaum seit wenigstens 100 Jahren angebaut wird, ohne sich auf diese Weise naturalisirt zu haben. Ich will nicht von Europa im Norden der Alpen sprechen, wo der Baum besondere Pflege er- heischt und seine Früchte schlecht reifen, selbst die, welche zuerst gepflückt werden, sondern z. B. von In- dien, dem Süden der Vereinigten Staaten, der Insel Mauritius und Chile, wo, nach dem Stillschweigen der Autoren von Floren, die Thatsachen eines mehr oder minder spontanen Auftretens selten zu sein scheinen.

Heutzutage ist der Feigenbaum in einer weiten Re- gion spontan oder fast spontan, von welcher Region Syrien ungefähr die Mitte bildet, nämlich vom östlichen Persien oder selbst von Afghanistan durch die ganze Mittelmeerregion hindurch bis nach den Canarischen Inseln.! Von Süden nach Norden varlirt diese Zone je nach den localen Umständen vom 25. bis zum 40.—42. Breitengrade. Im allgemeinen bleibt der Feigenbaum wie der Oelbaum am Fusse des Kaukasus und der Ge- birge Europas, welche das Mittelmeerbecken begrenzen, stehen, er zeigt sich aber in fast spontanem Zustande,

1 Boissier, Flora orientalis, IV, 1154; Brandis, Forest Flora of India, S. 418; Webb et Berthelot, Hist. nat. des Canaries, Botanique, III, 257.

Ber

Feigenbaum. Dt

dank der Milde der Winter, an der Südwestküste Frankreichs.!

Wir wollen sehen, ob die historischen und linguisti- schen Schriftstücke im Alterthum einen weniger ausge- dehnten Wohnsitz vermuthen lassen.

Die alten Aegypter nannten die Feige Teb?, und die ältesten Bücher der Hebräer sprechen von dem wild- wachsenden oder angebauten Feigenbaume unter dem Namen Teenah*, von welchem sich eine Spur in dem arabischen Tnt wiederfindet. Der persische Name, Unjir ist ganz verschieden; ich weiss aber nicht, ob derselbe auf die Zendsprache zurückzuführen ist. Pid- dington erwähnt in seinem „Index“ einen Sanskritnamen Udumvara, welchen Roxburgh, der bei diesen Fragen sehr sorgfältig verfährt, nicht anführt, und welcher, nach den vier von diesen Autoren genannten Namen zu urtheilen, keine Spur in den neuern Sprachen Indiens zurückgelassen hätte. Das sehr alte Vorkommen im Osten Persiens scheint mir ein wenig zweifelhaft, bis der dem Sanskrit zugeschriebene Name weiter geprüft worden sei. Die Chinesen haben den Feigenbaum von Persien erhalten, aber erst ım 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung.” Herodot® berichtet, dass es den Persern nicht an Feigen fehlte, und Reynier, welcher über die Gebräuche dieses alten Volkes sehr gewissenhafte For- schungen angestellt hat, erwähnt den Feigenbaum nicht. Dies beweist nur, dass die Art nicht verwerthet und

1 Graf von Solms-Laubach hat in einer gelehrten Abhandlung (Her- kunft, Domestication u. s. w. des Feigenbaums, 1882) derartige Thatsachen an Ort und Stelle nachgewiesen, wie sie schon von verschiedenen Autoren angegeben worden waren. Er hat keine mit Embryonen ausgestatteten Samen gefunden (S. 64), was er der Abwesenheit des Insekts (Blastophaga) zuschreibt, welches gewöhnlich auf dem wildwachsenden Feigenbaume lebt und die Befruchtung von einer Blume zur andern im Innern der Frucht begünstigt. Es wird jedoch behauptet, dass die Befruchtung zu- weilen ohne Mitwirkung des Insekts vor sich geht.

2 Chabas, Mélanges égyptol., Serie 3 (1873 3), 1292

3 Rosenmüller, Bibl. Âlterthumskunde, I, 285; Reynier, Économie pu- blique des Arabes” et des Juifs, S. 470 (für die Mischna).

4 Forskal, Fl. aegypt.-arab., S. 125. Herr de Lagarde (Revue crit. d’hist., 27. Febr. 1882) sagt, dass dieser ee Name sehr alt ist.

5 Bretschneider, in: Solms, 22.0. 5.93% 6 Herodot, I, 71.

24*

312 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

angebaut wurde, vielleicht aber im wildwachsenden Zu- stande dort vorkam.

Die Griechen nannten den wildwachsenden Feigenbaum Erineos, und die Lateiner Caprificus. Homer erwähnt in der „Iliade‘“ ein Exemplar dieses Baumes, welches sich in der Nähe von Troja befand.! Hehn behauptet?, dass der angebaute Feigenbaum nicht vom wildwachsen- den Feigenbaume abstammen kann, alle Botaniker sind aber entgegengesetzter Meinung’, und ohne von den einzelnen Blütentheilen zu sprechen, auf welche sie sich stützen, will ich nur sagen, dass Gussone ganz dieselben Samen von Exemplaren der Caprificusform und der an-. dern gewonnen hat.* Die von mehreren Gelehrten ge- machte Bemerkung, dass in der „lliade‘“ nicht von der angebauten Feige, Sukai, die Rede ist, beweist somit nicht das Fehlen des Feigenbaums in Griechenland zur Zeit des Trojanischen Krieges. In der „Odyssee“ da- gegen wird die süsse Feige von Homer erwähnt, und zwar noch in einer sehr unklaren Weise. Hesiod, sagt Hehn, spricht nicht von ihr, und Archilochus (700 Jahre v. Chr.) ist der erste, welcher die Cultur bei den Griechen in Paros deutlich erwähnt hat. Da- nach fand sich die Art vor Einführung der aus Asien stammenden angebauten Varietäten wildwachsend in Griechenland, wenigstens im Archipel. Theophrast und Dioscorides sprechen von wildwachsenden und ange- bauten Feigenbäumen.’

Romulus und Remus waren, der Sage nach, unter

1 Lenz, Botanik der Griechen, S. 421, eitirt vier Verse aus Homer, Vgl. auch Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 34.

2 Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 513. :

3 Man muss sich nicht an die übertriebenen Unterabtheilungen halten, welche Gasparino bei Ficus Carica, Linne, aufstellte. Die Botaniker, welche nach ihm den Feigenbaum zu ihrem Studium gemacht haben, lassen nur eine Art gelten und zählen bei dem wildwachsenden Feigenbaume mehrere Varietäten auf. Für die angebauten Formen sind diese un- zählbar.

4 Gussone, Enum. plant. Inarimensium, S. 301.

5 Für die Gesammtgeschichte des Feigenbaums und des etwas zweifel- haften Verfahrens, nämlich die mit Insekten behafteten Caprificus- Stämme zwischen den angebauten zu verbreiten, siehe die Abhandlung des Grafen Solms.

Feigenbaum. 31a

einem Ficusstamme, welchen man rwminalis, von rumen (Brust, Zitze) nannte, gesäugt worden.! Der lateinische Name Ficus, welchen Hehn mit Anstrengung grosser Ge- lehrsamkeit vom griechischen Sukai ableitet?, lässt eben- falls auf ein altes Vorkommen in Italien schliessen, und die hierauf bezügliche Meinung des Plinius ist bestimmt. Die guten angebauten Varietäten wurden später bei den Römern eingeführt. Sie kamen von Griechenland, Kleinasien und Syrien. Zu Tiberius’ Zeiten kamen, wie noch heute, die besten Feigen vom Orient.

Wir haben in der Schule gelernt, wie Cato in einer Senatsversammlung Feigen von Karthago, die noch frisch waren, vorlegte, um damit auf die Nähe des Landes hinzuweisen, welches er hasste. Durch die Phönizier waren jedenfalls gute Varietäten nach der Küste Afrikas und den andern Colonien des Mittelmeers, selbst bis nach den Canarischen Inseln gelangt, der wildwachsende Feigenbaum kann aber schon früher in diesen Ländern aufgetreten sein.

In Bezug auf die Canaren bietet sich uns ein Beweis hierfür in den Guanchenamen, Arahormaze und Achor- maze für die frischen Feigen, T'aharemenen und Teha- hunemen für die getrockneten. Den Gelehrten Webb und Berthelot?, welche diese Namen angeführt haben, und welche behauptet hatten, dass die Guanchen und Berbern ein und desselben Ursprungs seien, würde es eine Genugthuung gewesen sein, zu sehen, dass die Tuaregs, ein berberischer Volksstamm, den Feigen- baum als Tahart kannten*, gleichwie sich in dem später veröffentlichten französisch-berberischen Wörter- buche die Namen Tabeksist für die frische Feige und Tagrourt für den Feigenbaum befinden. "Diese alten Namen, die einen ältern und localern Ursprung haben

1 Plinius, Hist., 1. 15, c. 18.

2 Hehn, a. a. O., S. 512.

3 Webb et Berthelot, a. a. O.; Ethnographie, S. 186, 187; Phytogra- phie, III, 257.

4 Nach Duveyrier, Les Touaregs du nord, S. 193.

374 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

als der arabische, sprechen zu Gunsten eines sehr alten Wohnsitzes in Nordafrika bis nach den Canaren.

Durch unsere Untersuchungen gelangen wir somit dahin, dem Feigenbaume die mittlere und südliche Re- gion des Mittelmeers, von Syrien bis nach den Canaren als prähistorischen Wohnsitz anzuweisen.

Ueber das hohe Alter der jetzt sich im südlichen Frankreich befindenden Feigenbäume kann man Zweifel hegen; es muss aber eine sehr seltsame Thatsache hier erwähnt werden. Planchon fand nämlich in dem quater- nären Tuffstein von Montpellier, und der Marquis de Saporta! in jenem der Aygaladen nahe bei Montpellier, sowie in dem quaternären Terrain von La Celle in der Nähe von Paris Blätter und selbst Früchte des wildwachsenden Ficus Carica mit Zähnen des Elephas primigenius und Blättern von Gewächsen, von denen einige nicht mehr vorkommen, während andere, wie Laurus canariensis, sich noch auf den Canarischen Inseln finden. Somit ist der Feigenbaum vielleicht unter seiner jetzigen Form in einer so fern gelegenen Zeit vorgekommen. Es ist möglich, dass er in Südfrankreich zu Grunde ge- gangen ist, wie dies sicherlich bei Paris eingetreten ist; später würde er dann nach den Gegenden des Südens als wildwachsende Pflanze zurückgekehrt sein. Vielleicht stammten die Feigenbäume, von welchen Webb und Berthelot in den wildesten Localitäten der Canaren Exemplare gesehen hatten, von jenen ab, welche zur Diluvial- und Alluvialperiode vorkamen.

Artocarpus incisa, Linne. Echter Brotbaum (fr. arbre à Pain).

Der Brotbaum wurde auf allen dem Aequator nahe- liegenden Inseln des Asiatischen Archipels und des Grossen Oceans, von Sumatra bis nach den Marquesas

1 Planchon, Étude sur les tufs de Montpellier, 8. 63; de Saporta, La flore des tufs quaternaires en Provence, in: Comptes rendus de la 33°ses- sion du Congrès scientifique de France; "Separatausg., S. 27; und Bull. Soc. géolog., 1873—74, S. 442. .

Echter Brotbaum. 319

angebaut, als die Europäer dieselben zu besuchen an- fingen. Seine Frucht wird wie bei der Ananas durch eine Vereinigung von blütenständigen Blättern und von zu einer fleischigen, mehr oder minder sphärischen Masse verwachsenen Früchten zusammengesetzt und bei den angebauten, ergiebigsten Varietäten verkümmern die Samen, wie dies ebenfalls bei der Ananas der Fall ist. Scheiben einer solchen Frucht werden gekocht und dann gegessen.

Sonnerat? hatte den Brotbaum nach der Insel Mau- ritius gebracht, wo der Intendant Poivre sich seine Ver- breitung angelegen sein liess. Kapitän Bligh erhielt den Auftrag, ihn nach den englischen Antillen zu brin- gen. Sein erster Versuch schlug bekanntlich fehl infolge einer Meuterei seiner Bemannung, auf seiner zweiten Reise war er aber glücklicher. Im Januar des Jahres 1793 landete er 150 Brotbäumchen auf der Insel Saint- Vincent, und von dort hat man die Art nach mehreren Gegenden des äquatorealen Amerika verbreitet.” Rum-

phiusf hatte die Art auf mehreren der Sunda-Inseln

im wildwachsenden Zustande gesehen. Die neuern Au- toren, welche weniger aufmerksam, oder auch nur an- gebaute Bäume beobachtet haben, sprechen sich hier- über nicht aus. Für die Fidschi-Inseln sagt Seemann”: „Angebaut und allem Anscheine nach in einigen Locali- täten wildwachsend.“ Auf dem Festlande Südasiens

wird er nicht einmal angebaut, da das Klima nicht die

genügende Wärme besitzt.

Augenscheinlich stammt der Brotbaum von Java, Am- boina und den benachbarten Inseln; durch das hohe Alter seiner Cultur in der ganzen Inselregion, wofür die Menge der Varietäten den Beweis liefert, und durch die Leichtigkeit, mit welcher er sich durch Ausläufer

1 Gute Abbildungen finden sich in: Tussac, Flore des AntiHes, Bd. II, Taf. 2 u. 3; und Hooker, Botanical Magazine, Taf. 2869—2871.

2 Voyage à la Nouvelle-Guinée, S. 100. 3 Hooker, a. a. O.

* Rumphius, Herb. Amboin., I, 112, Taf. 33.

5 Seemann, Flora Vitiensis, S. 255.

910 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

und Stecklinge vermehren lässt, wird es uns aber schwer gemacht, seine Geschichte genau kennen zu lernen. Auf den Inseln im äussersten Osten, wie Tahiti, lassen ge- wisse Fabeln und Ueberlieferungen eine nicht sehr alte Einführung muthmaassen, und dies wird durch das Fehlen von Samen bestätigt.!

Artocarpus integrifolia, Linne. Ganzblätteriger Brotfruchtbaum (fr. Jacquier oder Jack).

Die Frucht dieses Baumes ist grösser als die des echten Brotbaums, denn sie wiegt bis an 80 Pfund, und hängt von den Zweigen eines 30—50 Fuss hohen Baumes herab.” Wenn der gute La Fontaine sie gekannt hätte, würde er seine Fabel von der Eichel und dem Kürbis nicht geschrieben: haben.

Ve volksthümliche Name ist dem indischen Namen Jaca oder Tsjaka entlehnt.

Der Jackbaum wird seit lange in Südasien, vom Pen- dschab bis nach China, vom Himalaja nach den Molukken angebaut. Nach den kleinen, mehr im Osten gelegenen Inseln hat er sich nicht eingeführt, was eine weniger alte Cultur auf dem Indischen Archipel als auf dem asiatischen Festlande vermuthen lässt. Im nordwest- lichen Indien hat die Cultur vielleicht ebenfalls kein sehr hohes Alter aufzuweisen, denn über das Vorkommen eines Sanskritnamens ist man nicht sicher. Roxburgh führt einen an, Punusa, später lässt aber Piddington denselben in seinem „Index“ nicht zu. Die Perser und Araber scheinen die Art nicht gekannt zu haben. Ihre ungeheuere Frucht würde sie jedoch in Erstaunen ge- setzt haben, wenn die Art in der Nähe ihrer Grenzen angebaut worden wäre. In seinem Werkchen über die den alten Chinesen bekannten Früchte erwähnt Dr. Bret- schneider die Artocarpus nicht, woraus man schliessen

1 Seemann, a. a. O.; Nadeaud, Enum. des plantes indigènes de Taiti, S. 44; Id., Plantes usuelles des Tahitiens, S. 24.

2 Vgl. die Abbildungen in: Tussac, Flore des Antilles, Taf. 4; und Hooker, Botanical Magazine, "Taf. 2833, 2834.

Ganzblätteriger Brotfruchtbaum. Dattelpalme. 377

kann, dass nach China hin wie in andern Richtungen der Jackbaum kein seit einer sehr alten Epoche ver- breiteter Baum war.

Die erste Kenntniss über sein Vorkommen im wild- wachsenden Zustande wird uns durch Rheede in ziem- lich zweifelhaften Ausdrücken geboten: „Dieser Baum wächst überall in Malabar und in ganz Indien.“ Der ehrwürdige Autor verwechselte vielleicht der gepflanzten Baum mit dem wildwachsenden. Nach ihm hat jedoch Wight die Art zu wiederholten malen auf der Indischen Halbinsel, besonders in den westlichen Ghats mit allen Anzeichen eines einheimischen, wildwachsenden Baumes gefunden. Auf Ceylon pflanzt man ihn vielfach an; Thwaites aber, als die beste Autorität für die Flora dieser Insel, erkennt ıhn als wildwachsend nicht an. Auf dem Archipel im Süden Indiens ist er es nach der allgemeinen Meinung ebenso wenig. Schliesslich hat Brandis Exemplare dieses Baumes in den Wäldern des Districts von Attaran, dem Lande der Birmanen im Osten Indiens, gefunden, er fügt aber hinzu, dass dies immer in der Nähe verlassener Niederlassungen der Fall war. Kurz hat die spontane Art in Britisch-Birma nicht angetroffen.!

Somit stammt die Art vom Fusse der westlichen Ge- birge der Indischen Halbinsel, und ihre Ausbreitung nach den Nachbarländern im angebauten Zustande geht wahrscheinlich nicht weiter als die christliche Zeitrech- nung zurück. Der Admiral Rodney brachte sie im Jahre 1782 nach Jamaica und von da gelangte sie nach San-Domingo.? Man hat sie auch nach Brasilien, den In- seln Mauritius, Rodriguez und den Seychellen eingeführt.

Phœnix dactylifera, Linné. Dattelpalme (fr. Dattier). Seit den prähistorischen Zeiten findet sich die Dattel- palme in der trockenen und heissen Zone, welche sich

1 Rheede, Malabar, III, 18; Wight, Icones, II, Nr. 678; Brandis, Forest Flora of India, S. 426; Kurz, Forest Flora of Brit. Burma, 432. 2 Tussac, a. a. ©. 3 Baker, Flora of Mauritius etc., S. 282.

378 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

vom Senegal nach dem Indusbecken, ganz insbesondere zwischen dem 15. und 30. Breitengrade ausdehnt. Man trifft sie hier und da mehr nach Norden zu an, dies geschieht aber infolge ausserordentlicher Umstände und des Zweckes ihres Anbaues. Es gibt in der That über den Punkt hinaus, wo die Früchte jedes Jahr zur Reife gelangen, eine Zone, in welcher dieselben schlecht oder selten reifen, dann noch eine letzte Grenze, bis zu welcher der Baum noch fortkommt, aber ohne Früchte anzusetzen, selbst ohne zu blühen. Die Linie dieser Grenzen ist von Martius, Karl Ritter und mir selbst in sehr vollkommener Weise gegeben worden.! Hier dürfte es unnöthig sein, dieselben wieder vorzuführen, da dieses Buch es sich zur Aufgabe macht, nach dem Ursprunge zu forschen.

Was die Dattelpalme betrifft, können wir uns kaum auf das mehr oder minder sicher nachgewiesene Vor- kommen von wirklich wildwachsenden Individuen stützen. Die Datteln lassen sich leicht fortschaffen; ihre Kerne keimen, sobald man sie auf feuchtem Terrain, in der Nähe einer Quelle oder eines Flusses und selbst in den Felsspalten aussäet. Die Bewohner der Oasen haben Dattelpalmen in günstigen Localitäten, wo die Art viel- leicht vor dem Menschen auftrat, gepflanzt oder gesäet, und es wird dem Reisenden, welcher auf alleinstehende. von Wohnplätzen entfernte Bäume stösst, schwer, zu sagen, ob solche nicht von durch Karavanen ausge- streute Samen abstamwen. Die Botaniker lassen frei- lich eine Varietät sylvestris, d. h. wildwachsend, zu, die kleine und herbe Beeren trägt; hier handelt es sich aber vielleicht um die Wirkung einer wenig alten Na- turalisation auf ungünstigem Boden. Die historischen und linguistischen Thatsachen werden in dem vorliegen- den Falle von grösserm Werthe sein, obgleich auch sie in Anbetracht des hohen Alters der Culturen zweifels-

1 De Martius, Genera et species Palmarum, III, 257; K. Ritter, Erd- kunde, XIII, 760; Alph. de Candolle, Géogr. botanique raisonnée, S. 343.

Dattelpalme. 379

ohne nur wahrscheinliche Angaben zu bieten ver- mögen.

Nach den ägyptischen und assyrischen Alterthümern zu schliessen, kam die Dattelpalme sehr häufig in der Region vor, welche sich vom Euphrat nach dem Nil erstreckt, was auch mit den Ueberlieferungen und den ältesten Werken im Einklang steht. “Die ägyptischen Denkmäler enthalten Früchte und Zeichnungen dieses Baumes.! Zu einer weniger fern gelegenen Zeit (5. Jahr- hundert v. Chr.) spricht Herodot von Palmenwaldungen, die sich in Babylonien fanden; später hat Strabo sich in ähnlicher Weise über die Dattelpalmen Arabiens aus- gesprochen, und daraus scheint hervorzugehen, dass die Art damals viel gemeiner war als jetzt, und mehr die Bedingungen eines natürlichen Waldbaumes darbot. Andererseits macht Karl Ritter die geistreiche Bemer- kung, dass die ältesten hebräischen Bücher nicht davon sprechen, dass die Dattelpalmen eine zur Nahrung der Menschen gesuchte Frucht trügen. Gegen das Jahr 1000 v. Chr., etwa sieben Jahrhunderte nach Moses, zählt der König David die Dattelpalme nicht unter den Bäumen auf, welche er in seinen Gärten anpflanzen möchte. Freilich gelangen die Datteln in Palästina, Jericho ausgenommen, kaum zur Reife. Später sagt Herodot von den Dattelpalmen Babyloniens, dass nur die grössere Anzahl der Bäume gute Früchte erzeugte, die zum Gebrauche dienten. Dies scheint den An- fang einer vervollkommneten Cultur vermittelst der Aus- wahl der Varietäten und der Hinschaffung männlicher Blüten in die Mitte der Zweige weiblicher Exemplare anzudeuten, vielleicht soll aber auch damit gesagt wer- den, dass Herodot das Verhandensein männlicher Pflanzen nicht kannte.

Im Westen von Aegypten existirte die Dattelpalme wahrscheinlich seit Hunderten oder Tausenden von Jahren, als Herodot von ihnen sprach. Er spricht von Libyen.

1 Unger, Pflanzen des alten Aesyptens, 8. 38.

380 | Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Ueber die Oasen der Sahara ist kein historisches Schrift- stück bekannt, Plinius! aber erwähnt die Dattelpalmen der Canarischen Inseln.

Die Namen der Art liefern den Beweis für ein hohes Alter sowol in Asien wie in Afrika, insofern sie zahl- reich und sehr verschieden sind. Die Hebräer nannten die Dattelpalme T'amar und die alten Aegypter Begq.? Die ausserordentliche Verschiedenheit dieser Worte eines hohen Alterthums lässt vermuthen, dass die Völker die einheimische Art gefunden und vielleicht schon im west- lichen Asien und in Aegypten benannt hatten. Die Menge der persischen, arabischen und berberischen Na- men grenzt ans Unglaubliche.? Die einen stammen von dem hebräischen Worte ab, die andern von unbekannten Quellen. Sie beziehen sich häufig auf die verschiedene Beschaftenheit der Frucht oder auf verschiedene ange- baute Varietäten, was ebenfalls auf alte Culturen in verschiedenen Ländern hinweist. Webb und Berthelot haben in der Sprache der Guanchen keinen Namen für die Dattelpalme aufgefunden, was sehr zu bedauern ist. Der griechische Name Phoenix bezieht sich einfach auf Phönizien und die Phönizier, Besitzer der Dattelpalme.*- Die Namen Dactylus und Datte sind von Dachel in einem hebräischen Dialekt abgeleitet.” Kein Sanskrit- name wird genannt, weshalb man annehmen kann, dass die Anpflanzungen von Dattelpalmen in Ostindien kein sehr hohes Alter aufweisen. Das indische Klima ist für die Art kein günstiges.f Der hindustanische Name Khurma ıst dem Persischen entlehnt.

Mehr nach Osten hin ist die Dattelpalme lange Zeit unbekannt gewesen. Die Chinesen haben sie im 3. Jahr- hundert unserer Zeitrechnung und später zu wieder- holten malen von Persien erhalten, heutzutage wird sie dort nicht mehr angebaut.“ Im allgemeinen hat die

1 Plinius, Hist., 1. 6,.C. 37. 2 Unger, a 3.02

3 K. Ritter, a. a. O. 4 Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 234. 5 K. Ritter, a. a. O., S. 828. 6 Nach Roxburgh, Royle u. s. w. 7 Bretschneider, On the study etc., S. 31.

Pisang, Banane. 381

Dattelpalme ausserhalb der trockenen Region, welche sich vom Euphrat nach dem Süden des Atlasgebirges und den Canaren erstreckt, unter analogen Breiten kein Gedeihen gezeigt, oder hat wenigstens nicht in den Culturen eine wichtige Stellung eingenommen. In Australien und am Cap würde sie treffliche Bedingungen zu ihrem Fort- kommen antreffen; die Europäer, welche diese Länder colonisirt haben, begnügen sich aber nicht wie die Araber mit Feigen und Datteln zu ihrer Nahrung. Schliesslich glaube ich, dass ın den Zeiten, welche den ersten ägyptischen Dynastien vorhergingen, die Dattel- palme schon spontan oder hier und da von Nomaden- stämmen angepflanzt, in der Zone vom Euphrat bis nach den Canarischen Inseln vorkam, ‘und dass man sie später bis nach dem nordwestlichen Indien einerseits, und andererseits bis nach den Inseln des Grünen Vor- gebirges! anzubauen anfıng, sodass ihr natürlicher Wohn- sitz etwa 5000 Jahre hindurch ungefähr ein und der- selbe geblieben ist. Was sie zu einer frühern Epoche

war, werden wir vielleicht eines Tages durch paläonto-

logische Entdeckungen erfahren.

Musa sapientum und M. paradisiaca, Linne. Pi- sang, Banane (fr. Bananier).

Im allgemeinen glaubte man, dass der Pisang oder die Bananen aus Südasien stammten und von den Euro-

. päern nach Amerika gebracht worden seien, bis von A.

von Humboldt über den ausschliesslich asiatischen Ur- sprung Zweifel erhoben wurden. In seinem Werke über Neuspanien? hat er alte Autoren citirt, denen zufolge man die Banane vor der Entdeckung in Amerika anbaute.

Es wird von ihm zugegeben, dass nach Oviedo? es

1 Nach Schmidt, Flora der Cap-Verd. Inseln, S. 163, ist die Dattel- palme auf diesen Inseln selten und kommt dort sicherlich nicht wild- wachsend vor. Dagegen bietet sie nach Webb et Berthelot, Hist. nat. des Canaries, Botanique, III, 289, auf einigen der Canarischen Inseln alle Anzeichen eines einheimischen Baumes dar.

2 A.von Humboldt, uns, II, 360,

3 Oviedo, Hist. nat. (1556), S. 112—114. Die erste Arbeit von Oviedo ist aus dem Jahre 1526. Dies ist der älteste naturwissenschaftliche Rei- sende, welcher von Dryander (Bibl. Banks.) für Amerika genannt wird.

382 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

der Pater Thomas de Berlangas war, welcher im Jahre 1516 die ersten Bananen von den Canarischen Inseln nach San-Domingo brachte, von wo sie nach andern Inseln und dem Festlande eingeführt wurden. Auch wird von ihm eingeräumt, dass in den Berichten von Columbus, Alonzo Negro, Pinzon, Vespuzzi und Cortez von Bananen nie die Rede ist. Das Stillschweigen von Hernandez, welcher 50 Jahre nach Oviedo lebte, be- fremdet ıhn und scheint ıhm eine sonderbare Nach- lässiekeit zu sein, „denn“, sagt er?, „in Mexico und auf dem ganzen Festlande gilt es als eine feste Ueber- lieferung, dass der Platano arton und der Dominico lange Zeit vor Ankunft der Spanier angebaut wurden.“ Der Autor, welcher mit der grössten Sorgfalt die ver- schiedenen Epochen vermerkt hat, in welchen der ame- rikanische Ackerbau sich mit ausländischen Erzeug- nissen bereichert hat, der Peruaner Garcilasso de la Vega, sagt ausdrücklich, dass zur Zeit der Inkas der Mais, die Quinoapflanze, die Kartoffel, und in den heissen und gemässigten Regionen die Bananen den Hauptbestandtheil der Nahrung für die Eingeborenen ausmachten. Er beschreibt die Musa von dem Anden- thale, er unterscheidet selbst die seltenere Art mit kleiner zuckerhaltiger und aromatischer Frucht, die Dominico von der gemeinen Banane oder Arton. Von dem Pater Acosta® wird ebenfalls, wenn auch in weniger bestimmter Weise, behauptet, dass die Musa von den Amerikanern vor Ankunft der Spanier angebaut wurde. Schliesslich fügt Humboldt nach seinen eigenen Erfah- rungen noch hinzu: „An den Ufern des Orinoco, des Cassiquiarı oder des Beni, zwischen den Gebirgen von Esmeraldas und den Ufern des Flusses Caromi, inmitten der dichtesten Wälder, wo man auf indianische Stämme

1 Ich habe diese Stelle gleichfalls in der von Ramusio ausgeführten Uebersetzung von Oviedo gelesen, III, 115.

2 A. von Humboldt, Nouvelle-Espagne, 2. Aufl., S. 385.

3 Garcilasso de la Vega, Commentarios reales, I, 282.

4 Acosta, Hist. nat. de Indias (1608), S. 250.

Pisang, Banane. 389

stösst, die mit den europäischen Niederlassungen in keinerlei Beziehungen gestanden haben, findet man Ma- niok- und Bananenanpflanzungen.“ Demnach hat Hum- boldt die Hypothese aufgestellt, dass man mehrere Musa-Arten oder constante Varietäten, von welchen einige der Neuen Welt ursprünglich angehörten, unter- einander. verwechselt habe.

Desvaux hat es sich angelegen sein lassen, die spe- cifische Frage weiter zu prüfen, und in einer wirklich vorzüglichen Arbeit, die im Jahre 1814 veröffentlicht wurde!, hat er alle ihrer Früchte wegen angebauten Bananen als eine einzige Art angesehen. Bei dieser Art unterscheidet er 44 Varietäten, welche er ın zwei Abtheilungen bringt, die Bananen mit grossen Früchten (7—15 Zoll Länge), und die mit kleinen Früchten (1—6 Zoll), gemeiniglich figues bananes (Feigen-Bana- nen) genannt. Robert Brown in seiner 1818 erschie- nenen Arbeit über die Pflanzen des Congo, S. 51, ver- sichert ebenfalls, dass in dem Baue der in Asien und Ame- rıka angebauten Bananen nichts der Ansicht entgegen- träte, sie als zu einer einzigen Art gehörend anzusehen. Er wählt den Namen Musa sapientum, welcher mir ın der That dem von Musa paradisiaca, den Desvaux an- genommen hatte, vorzuziehen zu sein scheint, weil die Varietäten mit kleinen fruchtbaren Früchten, die zu M. sapientum, L., gebracht werden, sich mehr dem Zu- 'stande der in Asien wildwachsend gefundenen Musa zu nähern scheinen.

In Bezug auf die Ursprungsfrage bemerkt Brown, dass alle andern Arten der Gattung Musa der Alten Welt angehören; dass von niemand behauptet wird, in Amerika Varietäten mit fruchtbaren Früchten im wild- wachsenden Zustande gefunden zu haben, wie dies in Asien vorgekommen ist; dass endlich Piso und Marc- sraf die Banane als vom Congo nach Brasilien einge- führt angesehen haben. Trotz dieser drei gewichtigen

1 Desvaux, Journ. bot., IV, 5.

|

384 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Belege hat Humboldt in der zweiten Ausgabe seines Essai sur la Nouvelle-Espagne‘“ (Bd. II, S. 397) doch noch nicht ganz seiner Meinung entsagt, Er sagt, dass der Reisende Caldcleugh! bei den Puris die bestimmte Ueberlieferung gefunden habe, dass man seit langer Zeit vor den Beziehungen mit den Portugiesen an den Ufern des Prato eine kleine Bananenart anbaute, und er fügt hinzu, dass man in den amerikanischen Sprachen Worte, die nicht eingeführt seien, anträfe, um die Frucht der Musa zu unterscheiden, z. B. Paruru in der Tamanak-, Arata in der Maypuresprache. Ich habe ebenfalls in der Reise von Stevenson? gelesen, dass in den Huacas oder peruanischen Gräbern, die aus der Periode vor der Erobe- rung stammen, Lager von Blättern der zwei gewöhnlich in Amerika angebauten Bananen gefunden worden seien; da aber dieser Reisende in diesen Auacas auch Pferde- bohnen gesehen haben will’, und die Pferde- oder Sau- bohne auf alle Fälle aus der Alten Welt stammt, so verdienen seine Aussagen kaum weitere Berücksichti- gung. Boussingault* glaubte, dass wenigstens der Pla- tano arton von Amerika stamme, Beweise hierfür hat er aber nicht geliefert. Meyen, der auch in Amerika ge- wesen war, fügt den vor ıhm bekannten Argumenten keine weitern hinzu.” Ganz so verhält es sich mit dem Geographen Ritter®, welcher für Amerika ganz einfach die von Humboldt angeführten Thatsachen wiedergibt.

Andererseits sprechen die Botaniker, welche sich ın neuerer Zeit in Amerika aufhielten, sich ohne Bedenken für den asiatischen Ursprung aus. Ich nenne hier See- mann für die Landenge von Panama, Ernst für Vene- zuela und Sagot für Guyana.’ Die beiden erstern heben hervor, dass Namen für die Banane ın den

1 Caldeleugh, Trav. in S. Amer. (1825), I, 25. i

2 Stevenson, Trav. in S. Amer., I, 328. 3 Ebend., I, 363.

4 Boussingault, in: Comptes rendus de l’Acad, se., Paris, 9. Mai 1836.

5 Meyen, Pflanzengeographie (1836), S. 383.

6 Ritter, Erdkunde, IV, 370 fg.

7 Seemann, Botany of Herald, S. 213; Ernst, in: Seemann, Journal of Botany, 1867, S. 289; Sagot, in: Journal de la Société d’hortic. ce France, 1372, S. 226.

Pisang, Banane. 385

peruanischen und mexicanischen Sprachen fehlen. Piso kannte keinen brasilianischen Namen. Martius! hat seitdem in der Tupisprache Brasiliens die Namen Pa- coba oder Bacoba angeführt. Dieser selbe Name Ba- cove wird nach Sagot von den Franzosen in Guyana gebraucht. Vielleicht stammt er von dem Namen Bala oder Palan in Malabar, und zwar infolge einer seit Piso’s Reise durch die Portugiesen ins Werk gesetzten Einführung.

Das hohe Alter und die Spontaneität der Banane in Asien sind unbestreitbare Thatsachen. Man kennt von ihr mehrere Sanskritnamen.? Die Griechen, die Lateiner und darauf die Araber haben von ihr als von einem ausgezeichneten Fruchtbaume Indiens gesprochen. Plı- nius® spricht in deutlichen Ausdrücken von der Banane. Er berichtet, dass die Griechen, welche den Zug Alexan- der’s mitmachten, sie in Indien gesehen hatten, und er führt den Namen Pala an, welcher noch ın Malabar vorkommt. Die Weisen ruhten unter ihrem Schatten und assen ıhre Früchte. Daraus entstand der Name der Botaniker Musa sapientum. Musa ist dem ara- bischen Mouz oder Mauwz entlehnt, welchen Namen man schon im 13. Jahrhundert bei Ebn Baithar an- trifft. Der specifische Name paradisiaca beruht auf lächerlichen Voraussetzungen, welche der Banane in der Geschichte Eva’s und des Paradieses eine Rolle an- wiesen.

Es ist sehr eigenthümlich, dass die Hebräer und alten Aegypter* diese indische Pflanze nicht gekannt haben. Dies ist ein Fingerzeig dafür, dass dieselbe in Indien seit einer sehr fern liegenden Zeit nicht auftrat, sondern vielmehr von dem Indischen Archipel stammte.

Die Banane bietet in Südasien, sowol auf dem Fest- lande wie auf den Inseln, eine ungeheuere Menge von

1 Martius, Ethnogr. Sprachenkunde Amerikas, S. 123.

2 Roxburgh et Wallich, F1. ind.. II, 485; Piddington, Index.

5 Plinius, Hist., 1. 12, e. 6. « 4 Unger, a. a. O., und Wilkinson, II, 403, erwähnen sie nicht. Heut- zutage wird die Banane in Aegypten angebaut.

DE CANDOLLE. 25

386 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Varietäten; die Cultur dieser Varietäten geht in Indien, China, im Indischen Archipel auf eine Epoche zurück, deren Alter festzustellen unmöglich ist; vor alters brei- tete sie sich selbst nach den Inseln der Südsee! und nach der Westküste Afrikas aus?; endlich wiesen die Varietäten in den am weitesten voneinander entfernten asiatischen Sprachen, wie dem Sanskrit, dem Chine- sischen, dem Malanschen, verschiedene Namen auf. Alles dies weist auf ein ausserordentlich hohes Culturalter hin, somit auch auf ein ursprüngliches Vorkommen in Asien und auf eine mit jener der Menschenrassen gleichzeitige oder noch frühere Ausbreitung.

Die Banane soll in mehreren Gegenden spontan ge- funden worden sein. Dies muss um so viel mehr be- merkt werden, da die angebauten Varietäten nicht oft Samen tragen und sich durch Theilung fortpflanzen, somit die Art sich kaum durch Aussaaten ausserhalb der Culturen naturalisiren kann. Roxburgh® hatte sie unter der Form der Musa sapientum in den Wäldern von Chittagong gesehen.* Rumphius beschreibt eine auf den Philippinen wildwachsende Varietät mit kleinen Früchten. Loureiro* spricht wahrscheinlich von der- selben unter dem Namen M. seminifera agrestis, welche er der M. seminifera domestica entgegenstellt, und welche somit in Cochinchina spontan sein würde. Blanco führt ebenfalls eine auf den Philippinen wildwachsende Banane an®, seine Beschreibung ist aber ungenügend. Finlayson ?” hat die wildwachsende Banane in grossen Mengen auf der kleinen Insel Pulo Ubi, im äussersten Süden des Königreichs Siam gefunden. Thwaites® sak die Form der M. sapientum in den steinigen Wäldern des Innern der Insel Ceylon, und trägt kein Bedenken,

1 Forster, Plant. esc., S. 28. Clusius, Exot., S. 229; Brown, Bot. Congo, S. 51.

Roxburgh, Corom., Taf. 275; Flora indica, a. a. ©. Rumphius, Amboin., V, 139. 5 Loureiro, Fl. coch., S. 791. Blanco, Fl., 1. Aufl., S. 247. Finlayson, Journ. to Siam, 1826, S. 86, Thwaites, Enum. plant. Ceylan., S. 321.

> 12

So

nach Ritter, Erdk., IV, 875

D

Aa

Pisang, Banane. 387

zu sagen, dass aus derselben die angebauten Bananen hervorgegangen seien. Sir J. Hooker und Thomson! haben sie in Khasia wildwachsend angetroffen.

In Amerika stellen sich uns die Thatsachen ganz anders entgegen. Man hat dort die wildwachsende Ba- nane nie gesehen, nur auf Barbadoes? geschah dies, dort ist es aber ein Baum, welcher seine Früchte nicht reift, und demnach aller Wahrscheinlichkeit nach das Ergebniss angebauter, an Samen armer Varietäten. Die wild plantain von Sloane” scheint eine von den Musas sehr verschiedene Pflanze zu sein. Es gibt nur zwei Va- rietäten, von denen man behauptet, dass sie in Amerika einheimisch seien, und im allgemeinen werden dort viel weniger Varietäten angebaut als in Asien. Die Bananen- cultur ist in einem grossen Theile Amerikas, kann man sagen, neuern Datums, denn sie geht kaum auf mehr als drei Jahrhunderte zurück. Piso* berichtet in posi- tiver Weise, dass die Pflanze nach Brasilien eingeführt wurde und keinen brasilianischen Namen hatte. Er sagt

‚nicht, von woher sie kam. Wir sahen, dass die Art,

Oviedo zufolge, von den Canaren nach San-Domingo gebracht wurde. Dies, sowie das Stillschweigen von Hernandez, welcher gewöhnlich in Bezug auf die Nutz- pflanzen Mexicos, spontane oder angebaute, so genau ist, bringen mich zu der Ueberzeugung, dass die Ba- nane zur Zeit der Entdeckung Amerikas dem ganzen östlichen Theile dieses Festlandes fehlte.

Kam sie in dem westlichen Theile, an den Gestaden des Stillen Oceans vor? Dies erscheint sehr unwahr- scheinlich, wenn man an die Verbindungswege denkt, welche zwischen den beiden Küsten nach dem Isthmus von Panama zu bestanden, und ferner daran, dass die Ein- geborenen schon vor Ankunft der Europäer sehr darauf bedacht waren, die Nutzpflanzen wie Maniok, Mais, Kartoffel im ganzen Amerika weiter auszubreiten. Sicher-

1 Nach Aitchison, Catal. of Punjab, S. 147. 2 Hughes, Barb., S. 182; Maycock, Fl. Barb., S. 396. 3 Sloane, Jamaica, II, 148. 4 Piso, Hist. nat. (1648), S. 75.

257

338 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

lich hätte man die Banane, welche seit drei Jahrhun- derten dort so hoch geschätzt wird, sich durch Ausläufer so leicht vermehrt und auf den grossen Haufen durch ihre äussere Erscheinung einen solchen Eindruck her- vorruft, in einigen mitten in Wäldern gelegenen Dör- fern oder im Küstengebiet nicht übersehen.

Ich gebe zu, dass die Meinung Garcilasso’s, eines Nachkommen der Inkas, welcher ın den Jahren 1530 —68 lebte, eine gewisse Bedeutung hat, indem er sagt, dass die Eingeborenen die Banane vor der Er- oberung kannten. Hören wir indessen einen andern sehr zuverlässigen Schriftsteller, Joseph Acosta, wel- cher in Peru gewesen war, und auf welchen Humboldt sich zur Begründung des Vorhergehenden beruft. Seine Worte führen mich zu einer verschiedenen Meinung.! Er spricht sich folgendermaassen aus?: „Der Grund, weshalb die Spanier sie plane genannt haben (denn die Eingeborenen hatten keinen solchen Namen), war der, weil sie, wie bei den andern Bäumen, Aehnlich- keiten zwischen den beiden gefunden haben.“ Er zeigt, wie sehr die Platane (Platanus) der Alten ver- schieden war. Von der Banane gibt er eine sehr gute Beschreibung und fügt hinzu, dass dieser Baum in Indien (hier ist Amerika gemeint) sehr gemein sei, „obgleich sie (die Indier) sagen, dass er ursprünglich von Aethiopien stamme..... Es gibt eine Art von klei- nen weissen und sehr feinschmeckenden planes, welche man im Spanischen ® Dominique nennt. Andere sind stärker und grösser und von rother Farbe. Keineswegs wächst er in Peru, sondern man bringt sie von Indien“,

1 Humboldt hat die spanische Ausgabe von 1608 angeführt. Die erste Ausgabe ist vom Jahre 1591. Ich konnte nur die französische Ueber- setzung von Regnault zu Rathe ziehen, welche vom Jahre 1598 ist, und welche alle Merkmale der Genauigkeit darbietet, ganz abgesehen von dem Vorzuge, dass sie in französischer Sprache geschrieben ist.

2 Acosta, 1. 4, c. 21. Nach der französischen Uebersetzung von 1598.

3 Das heisst wahrscheinlich auf Hispaniola oder San-Domingo, denn wenn er hätte sagen wollen in spanischer Sprache, so würde man es durch Castilianisch übersetzt haben, ohne grossen Anfangsbuchstaben. Siehe weiter S. 168 des Werkes.

4 Wahrscheinlich beruht hier Zndes auf einem Druckfehler für Andes, denn

Pisang, Banane. 389

wie von Cuernavaca und den andern Thälern nach Me- xico. Auf dem Festlande und auf einigen Inseln finden sich grosse planares, welche mit sehr dichten Gebüsch- gruppen zu vergleichen sind.“ Sicherlich würde sich der Autor nicht in solcher Weise über einen Frucht- baum amerikanischen Ursprungs ausgesprochen haben. Er würde amerikanische Namen, amerikanische Gebräuche angeführt haben. Besonders würde er auch nicht sagen, dass die Eingeborenen sie fremden Ursprungs hielten. Die Ausbreitung in den heissen Gebieten Mexicos kann wol zwischen dem Zeitpunkte der Eroberung und jenem, wo Acosta als Schriftsteller wirkte, vor sich gegangen sein, weil Hernandez, dessen gewissenhafte Unter- suchungen auf die ersten Zeiten der spanischen Ober- herrschaft in Mexico zurückgehen (obgleich erst später in Rom veröffentlicht), kein Wort über die Banane sagt.! Der Geschichtsforscher Prescott hat alte Werke. oder Handschriften gesehen, denen zufolge die Bewohner von Tumbez Bananen zu Pizarro brachten, als er an der Küste Perus landete, und er glaubt auch an die in den Huacas gefundenen Blätter, seine ‚Beweise hierfür führt er aber nicht an.?

Bezüglich des Arguments der von den Eingeborenen zur Jetztzeit angestellten Culturen in Gegenden Ame- rikas, die von den europäischen Niederlassungen sehr weit entfernt liegen, wird es mir schwer zuzugeben, dass Völkerschaften seit drei Jahrhunderten so voll- ständig abgesondert geblieben seien und nicht einen so nützlichen Baum durch Vermittelung der colonisirten Länder erhalten hätten.

Indes hat an dieser Stelle keinen Sinn. Dasselbe Werk sagt S. 166, dass in Peru keine Ananas vorkommen, sondern dass man sie von den Andes dorthin bringt, und S. 173, dass der Cacaobaum von den Andes kommt, Damit waren die heissen Regionen gemeint. Das Wort Andes ist später infolge einer seltsamen und unglücklichen Umstellung auf die Gebirgs- kette bezogen worden.

1 Ich habe das ganze Werk durchgesehen, um mich zu vergewissern.

2 Prescott, Geschichte der Eroberung von Peru, I, 106, 210. Der Autor hat kostbare Quellen benutzt, unter anderm eine Handschrift von Monte- sinos vom Jahre 1527, er weist aber nicht bei jeder Thatsache auf seine Gewährsmänner hin, und begnügt sich mit unbestimmten Collectivangaben, die bei weitem nicht genügen.

390 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

Nach allem erscheint mir eine durch die Spanier und Portugiesen frühzeitig bewerkstelligte Einführung nach San-Domingo und Brasilien am wahrscheinlichsten, was freilich einen Irrthum seitens Garcilasso’s in Bezug auf die Ueberlieferungen der Peruaner voraussetzt. Wenn jedoch spätere Untersuchungen den Beweis lie- fern sollten, dass die Banane in einigen Theilen Ame- rikas vor der Entdeckung durch die Europäer vorkam, so möchte ich eher an eine zufällige, nicht sehr alte Einführung glauben, und zwar infolge eines unbe- kannten Verkehrswegs mit den Inseln der Südsee oder der Guineaküste, als an ein ursprüngliches und gleich- zeitiges Auftreten der Banane in beiden Welten. Die gesammte Pflanzengeographie macht diese letztere Hypo- these unwahrscheinlich, ich möchte fast sagen, ihre An- nahme unmöglich, besonders bei einer Gattung, die den zwei Welten nicht gemeinsam angehört.

Schliesslich will ich noch darauf hinweisen, um das zum Abschluss zu bringen, was ich über die Banane zu sagen habe, wie sehr die Verbreitung der Varietäten zu Gunsten der Ansicht von dem Vorhandensein einer ein- zigen Art spricht, welche Meinung von Roxburgh, Desvaux und R. Brown vom rein botanischen Gesichtspunkte aus verfochten wurde. Wenn zwei oder drei Arten vor- kämen, würde die eine wahrscheinlich durch die Varie- täten vertreten sein, deren Ursprung von Amerika man muthmaasste, würde eine zweite z. B. aus dem Indischen Archipel oder China und die dritte aus Indien hervor- gegangen sein. Es sind aber gerade im Gegentheil alle die Varietäten geographisch vermischt. Ganz insbeson- dere weichen die beiden in Amerika am meisten ver- breiteten wesentlich voneinander ab, und jede von ihnen vermischt sich mit den asiatischen Varietäten oder tritt denselben sehr nahe.

Ananassa sativa, Lindley. Bromelia Ananas, Linne. Ananas. Trotz der von einigen Autoren erhobenen Zweifel

Ananas. 391

muss die Ananas eine Pflanze Amerikas sein, dıe früh- zeitig von den Europäern nach Asien und Afrika ein- geführt wurde.

Nana war der brasilianische Name!, woraus die Por- tugiesen Ananas gemacht haben. Die Spanier hatten sich den Namen Pinas ausgesonnen, und zwar wegen der Uebereinstimmung der Fruchtform mit dem Zapfen der Pinie.? Alle Schriftsteller, die zuerst über Amerika geschrieben haben, sprechen von ihr.” Hernandez sagt, dass die Ananas die warmen Gegenden von Tahiti und Mexico bewohne. Er führt einen mexicanischen Namen an, Matzatli. Man hatte eine Ananasfrucht an Karl V. gebracht, welcher der Sache mistraute und die Frucht nicht kosten wollte.

Die Werke der Griechen, Römer und Araber deuten

ın keiner Weise auf diese Art hin, die augenscheinlich

nach der Entdeckung Amerikas nach der Alten Welt eingeführt wurde. Im 17. Jahrhundert war Rheede* davon überzeugt; dann hat aber Rumphiusÿ dies in

Abrede gestellt, weil, wie er sagte, die Ananas zu sei-

ner Zeit in allen Theilen Indiens angebaut wurde, und man wildwachsende Pflanzen auf Celebes und anderswo antraf. Das Fehlen eines asiatischen Namens wird je- doch von ihm vermerkt. Derjenige, welcher von Rheede für Malabar angegeben wird, ist augenscheinlich einer Vergleichung mit der Frucht des Jackbaums (S. 376)

“entlehnt und zeigt nichts Ursprüngliches. Es ist ohne

Zweifel einem Irrthum zuzuschreiben, dass Piddington der Ananas einen Sanskritnamen beilegt, denn der- selbe Name, Anarush, scheint von Ananas abzustam- men. Roxburgh kannte keinen solchen, und im Wörter- buch von Wilson wird der Name Anarush nicht er- wähnt. Royle® sagt, dass die Ananas im Jahre 1594

1 Marcgraf, Brasil., S. 33.

2 Oviedo, Uebers. von Ramusio, III, 113; Jos. Acosta, Hist. nat. des Indes, franz. Uebers., S. 166.

3 Thevet, Pison, ete.; Hernandez, Thes., S. 341.

4 Rheede, Hort. malab., XI, 6. 5 Rumphius, Amboin., V, 228.

6 Royle, Ill., S. 376.

392 Zweiter Theil. Viertes Kapitel.

nach Bengalen eingeführt wurde. Nach Kircher! bauten die Chinesen diese Frucht im 17. Jahrhundert an, man glaubte aber, dass sie dieselbe von Peru erhalten hatten.

Clusius? hatte 1599 Ananasblätter gesehen, die von der Guineaküste gebracht worden waren. Dies lässt sich durch eine nach der Entdeckung Amerikas er- folgte Einführung erklären. Robert Brown spricht von der Ananas bei Gelegenheit der in Congo angebauten Pflanzen, er sıeht aber die Art als amerikanisch an.

Obgleich die angebaute Ananas für gewöhnlich gar keine oder wenige Samen enthält, naturalisirt sie sich dessenungeachtet bisweilen in den heissen Ländern. Derartige Beispiele werden auf den Inseln Mauritius?, Rodriguez und den Seychellen, im Indischen Archipel, in Indien und in einigen Theilen Amerikas, wo sie nicht einheimisch war, z. B. auf den Antillen, angeführt.

Wildwachsend hat man sie in den heissen Gebieten Mexicos (wenn man der Mittheilung von Hernandez trauen kann), in der Provinz Veragua°, nahe bei Pa- nama, dem Thale des obern Orinoco®, in Guyana’ und in der Provinz Bahia® gefunden.

1 Kircher, Chine illustree, Uebersetzung von 1670, S. 253.

2 Clusius, Exotic., Kap. 44. 3 Baker, Flora of Mauritius. 4 Royle, a. a. 0. 5 Seemann, Bot. of Herald, S. 215.

6 Humboldt, Nouv.-Esp., 2. Aufl., II, 478.

7 Gardeners’ Chron., 1881, I, 657.

Martius, Brief an A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 927.

x

Wahrer Cacaobaum. 393

FÜNFTES KAPITEL.

Ahrer Samen wegen angebante Pflanzen.

Erster Abschnitt. Nahrhafte Samen.

Theobroma Cacao, Linne. Wahrer Cacaobaum (fr. Cacaoyer). :

Die Theobromen aus der Familie der den Malvaceen nahestehenden Byttneriaceen machen eine Gattung von 15—18 Arten aus, welche alle aus dem intertropischen Amerika, besonders aus den heissesten Gebieten Bra- siliens, Guyanas und Centralamerikas stammen.

Der gemeine Cacaobaum, Theobroma Cacao, ist ein kleiner Baum, der in den Wäldern des Amazonenstroms, des Orinoco! und ihrer Nebenflüsse bis zu einer Er- hebung von etwa 400 Meter spontan auftritt. Er wird gleichfalls für die der Mündung des Orinoco nahege- legene Insel Trinidad als wildwachsend angeführt.” Ich finde keinen Beweis dafür, dass er in Guyana einhei- misch sei, wenn auch die Wahrscheinlichkeit hierfür vorliegt. Viele alte Autoren bezeichneten ihn zur Zeit der Entdeckung Amerikas von Panama bis nach Guatemala ‚und der Campechebai als wildwachsend und ange- baut; die zahlreichen, von Sloane? gesammelten Citate lassen aber befürchten, dass die spontanen Bedingungen nicht hinreichend geprüft worden sind. Die neuern Botaniker drücken sich in dieser Beziehung undeutlich aus, und sie erwähnen im allgemeinen den Cacaobaum in dieser Region und auf den Antillen nur als ange- baute Pflanze. G. Bernoulli*, welcher in Guatemala

1 Humboldt, Voy., II, 511; Kunth, in: Humboldt et Bonpland, Nova genera, V, 316; Martius, Ueber den Cacao, in: Büchner, Repert. Pharm. 2 Schach, in: Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 91.

3 Sloane, Jamaica, II, 15. 4 G. Bernoulli, Uebersichten der Arten von Theobroma, S. 5.

394 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

gelebt hatte, begnügt sich mit den Worten: „Spontan und angebaut im ganzen tropischen Amerika“, und Hems- ley! führt in seiner Uebersicht der Pflanzen Mexicos und Centralamerikas, vom Jahre 1879, wozu ihm das Herbar zu Kew das reiche Material lieferte, keine Localität an, wo die Art einheimisch sei. Vielleicht ist sie von den Indianern vor der Entdeckung Amerikas nach Centralamerika und den heissen Gebieten Mexicos eingeführt worden. Die Cultur kann sie hier und da naturalisirt haben, wie dies angeblich auf Jamaica stattgefunden hat.” Zur Begründung dieser Hypothese dürfen wir nicht übersehen, dass Triana? den Cacao- baum in den heissen Theilen von Neugranada, dem Lande, welches zwischen der Orinocoregion und Panama liegt, nur als angebaut angibt.

Wie dem nun auch sei, die Art wurde zur Zeit der Entdeckung Amerikas in Centralamerika und Yucatan angebaut. Die Samen wurden nach den höhern Regionen Mexicos versandt, und man bediente sich ihrer sogar als Münzen, ein Beweis, wie hoch sie geschätzt wurden. Der Gebrauch, Chocolade zu trinken, war ein allge- meiner. Der Name dieses ausgezeichneten Getränkes ist mexicanisch.

Die Spanier haben in den Jahren 1674 und 1680 den Cacaobaum von Acapulco nach den Philippinen gebracht.* Er zeigt dort ein herrliches Gedeihen. Man baut ıhn auch auf den Sunda-Inseln an. Ich vermuthe, dass er an den Küsten von Zanzibar und-Guinea gut fortkommen würde; er ist aber nicht dazu geeignet, in den Ländern angebaut zu werden, welche weder sehr heiss noch feucht sind.

Eine andere Art, Theobroma bicolor, Humboldt und Bonpland, findet sich mit dem gemeinen Cacaobaum in den amerikanischen Culturen vermischt. Ihre Samen

1 Hemsley, Biologia centrali-americana, II, 133.

2 Grisebach, a. a. O,

3 Triana et Planchon, Prodr. florae Novo-Granatensis, S. 208. 4 Blanco, Flora de Filipinas, 2. Aufl., S. 420.

Wohlschmeckende Zwillingspflaume. Longanbaum. 395

. werden weniger geschätzt. Andererseits erheischt sie weniger Wärme und kann bis zu einer Erhebung von 950 Meter in dem Magdalenathale fortkommen. In Neugranada tritt sie in grossen Mengen spontan auf.! Bernoulli versichert, dass sie in Guatemala nur ange- baut ist, obgleich die Einwohner sie Cacao de mon- tagne nennen.

Nephelium Lit-chi, Cambessèdes. Wohlschmeckende Zwillingspflaume, Litschibaum (fr. Li-Tschi).

Der Same dieser Art und der beiden folgenden ist mit einem fleischigen, sehr zuckerhaltigen und wohl- riechenden Auswuchse (Samenmantel) überkleidet, wel- chen man sehr gern beim Thee isst. Wie die Sapinda- ceen im allgemeinen, bilden die Nephelien Bäume. Diese Art wird in Südchina, Indien und dem Asiati- schen Archipel seit einer nicht näher zu bestimmenden Zeit angebaut. Die chinesischen Autoren, welche in Peking lebten, lernten den Li-Tschi erst spät, im 3. Jahr- hundert unserer Zeitrechnung, kennen.” Die Einführung nach Bengalen datirt von dem Ende des 18. Jahrhunderts.

Allgemein wird angenommen, dass die Art Südchina zum Vaterlande hat, und Blume* fügt noch Cochinchina und die Philippinen hinzu; es scheint aber nicht, als ob sie von irgendeinem Botaniker unter den Bedingun- gen eines wirklich spontanen Baumes gefunden worden sei. , Dies ist wahrscheinlich dem Umstande zuzuschrei- ben, dass die südlichen Theile Chinas, nach Siam hin, noch wenig besucht worden sind. In Cochinchina, Birma, in Chittagong ist der Li-Tschi nur angebaut.°

Nephelium Longana, Cambessèdes. Longanbaum (fr. Longan). Diese zweite, im südlichen Asien wie die Li-Tschi

1 Kunth, in: Humboldt und Bonpland, a. a. O.; Triana, a. a. O.

2 Bretschneider, Brief vom 23. August 1831.

3 Roxburgh, Fl. indica, II, 269. 4 Blume, Rumphia, III, 106.

5 Loureiro, Fl. Cochinchina, S. 233; Kurz, Forest Flora of British Burma, S. 293.

+

396 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

sehr häufig angebaute Art ist in Britisch-Indien, von Ceylon und Concan bis nach den Gebirgen im Osten Bengalens und in Pegu! wildwachsend. Durch die Chinesen wurde sie erst seit einigen Jahr- hunderten nach dem Asiatischen Archipel gebracht.

Nephelium lappaceum, Linne. Klettenartige Zwil- lingspflaume, Rambutan (fr. Ramboutan).

Soll im Indischen Archipel wildwachsend sein, wo- selbst diese Art, nach der bedeutenden Menge ihrer Varietäten zu schliessen, seit langer Zeit angebaut. sein muss. Ein malaiischer Name, den Blume anführt, be- deutet wildwachsender Baum. Nach Loureiro soll sie in Cochinchina und auf Java spontan sein. Ich finde indessen in den neuern Werken für Cochinchina, selbst nicht einmal für die Inseln eine Bestätigung hierfür. Die neue Flora von Britisch-Indien? gibt die Art für Singapore und Malacca an, ohne die einheimische Be- schaffenheit zu bestätigen, über welche die Herbarien- etiketten meistens nichts nachweisen. Sicherlich ist die Art auf dem asıatischen Festlande nicht spontan, was auch immer Blume und Miquel hierüber in ziemlich unbestimmter Weise sagen’; wahrscheinlich ist es, dass sie vom Malaiischen Archipel stammt.

Trotzdem die Li-Tschi- und Rambutanfrüchte sehr geschätzt werden und sich zum Verschicken eignen, scheint man diese Bäume nicht nach den tropischen Colonien Afrikas oder Amerikas eingeführt zu haben, es sei denn vielleicht nach einigen Gärten als Gegen- stand der Neugierde.

Pistacia vera, Linne. Echte Pistacie, Pimpernuss- baum (fr. Pistachier).

Die echte Pistazie, ein Strauch aus der Familie der Terebintaceen, findet sich wildwachsend in Syrien.

1 Roxburgh, Flora indica, II, 271; Thwaites, Enum. Zeylaniae, S. 58; Hiern, in: Flora of British India, I, 688.

2 Hiern, in: Flora of British India, I, 687.

3 Blume, Rumphia, III, 103; Miquel, Flora indo-batava, I, S. 554.

Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 397

_ Boissier! hat sie nördlich von Damascus auf dem Anti- libanon gefunden. Er hat Exemplare von Mesopota- mien gesehen, ohne ihre spontane Eigenschaft bestä- tigen zu können. Derselbe Zweifel besteht bei in Arabien gesammelten Zweigen, welche von mehreren Autoren erwähnt worden sind. Plinius und Galenus? wussten bereits, dass die Pflanze von Syrien komme. Von ersterm erfahren wir, dass sie von Vitellius gegen Ende der Regierung des Tiberius nach Italien, und von dort durch Flavius Pompejus nach Spanien eingeführt wurde.

Es liegt kein Grund vor, zu glauben, dass die Pista- ziencultur in dem Heimatlande dieses Strauches eine sehr alte war, heutzutage wird sie aber im Orient, wie auch auf Sicilien und in Tunis betrieben. In Südfrank- reich und in Spanien ist sie von geringer Bedeutung.

Faba vulgaris, Mönch. Vicia Faba, Linne. Boh- nenwicke, Sau- oder Pferdebohne u. s. w. (fr. Fêve).

In seinem besten beschreibenden Werke, „Hortus Cliffortianus“, wird von Linne zugegeben, dass der Ur- sprung dieser Art, wie vieler seit alters her angebauter Pflanzen, in Dunkel gehüllt ist. In seinen ,, Species“, ein häufiger angeführtes Werk, hat er später gesagt, ohne irgendwelchen Beweis dafür beizubringen, dass die Pferdebohne „Aegypten bewohne“. Ein russischer Reisender, Lerche, hat sie gegen Ende des verflossenen Jahrhunderts in der Wüste Mungan von Mazanderan, im Süden des Kaspisees wildwachsend gefunden.” Von den Reisenden, welche in dieser Region gesammelt

1 Boissier, Flora orient., II, 5.

2 Plinius, Hist, nat., 1. 13, c. 15; 1. 15, c. 22; Galenus, De alimentis, Je. AU:

3 Lerche, Nova acta Acad. Caesareo-Leopold, Bd. V, Anhang, S. 203, veröffentlicht im Jahre 1773. Von Maximowicz (Brief vom 23. Febr. 1882) erfahre ich, dass sich das Exemplar von Lerche im Herbar des kaiserl. bot. Gartens von Petersburg befindet. Es ist in Blüte und gleicht ganz und gar der angebauten Pferdebohne, nur dass seine Höhe ungefähr einen halben Fuss beträgt. Das Etikett erwähnt die Localität und Spontaneität ohne weitere Bemerkung.

398 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

haben, ıst sie bisweilen angetroffen worden!, in ihren Werken erwähnen sie dieselbe aber nicht?, mit Ausnahme von Ledebour, welcher in dem Citat, auf welches er sich stützt, nicht genau ist.” Bosc* hat behauptet, dass Olivier die wildwachsende Pferdebohne in Persien ge- funden habe. In Olivier’s „Voyage“ finde ich nicht die Bestätigung hierfür, und im allgemeinen scheint Bose etwas leichtfertig angenommen zu haben, dass dieser Reisende viele unserer angebauten Pflanzen ım Innern von Persien gefunden habe. Er sagt dies vom Buchweizen und dem Hafer, von denen Olivier gar nicht gesprochen hat.

Die einzige Angabe, welche ich ausser jener von Lerche in den Floren auffinde, betrifft eine ganz ver- schiedene Localität. Munby° erwähnt die Pferdebohne als wildwachsend in Algerien, in Oran. Er fügt hinzu, dass sie daselbst selten sei. Kein Autor hat sie meines Wissens nach in Nordafrika angeführt. Cosson, welcher die Flora Algeriens besser kennt, als irgend sonst jemand, hat mir versichert, kein Exemplar der wild- wachsenden Pferdebohne von Nordafrika weder gesehen noch erhalten zu haben. Ich habe mich vergewissert, dass sich in Munby’s Herbar, das jetzt in Kew ist, keins vorfindet. Da die Araber diese Bohnenart viel- fach anbauen, ist es möglich, dass sie sich zufällig ausserhalb des Culturbereichs antreffen lässt. Wir dür- fen jedoch nicht übersehen, dass Plinius (1. 18, c. 12) von einer in Mauritanien wildwachsenden Bohne spricht; er fügt aber hinzu, dass sie hart ist und sich nicht

1 Es gibt in demselben Herbar transkaukasische Exemplare, die aber grösser im Wuchse sind und von denen nicht gesagt wird, dass sie spon- tan seien.

2 Marschall von Bieberstein, Flora Caucaso-Taurica; C. A. Meyer, Ver- -zeichniss; Hohenacker, Enum. plant. Talysch; Boissier, F1. orient., S. 578; Buhse et Boissier, Plantae Transcaucasiae.

3 Ledebour, Fl. ross., I, 664, führt de Candolle, Prodromus, II, 354, an; der Artikel Faba im Prodromus, in welchem, wahrscheinlich nach Lerche in Willdenow, der Süden des Kaspisees angegeben wird, ist von Seringe bearbeitet worden.

4 Bosc, Diet. d’agricult., V, 512. 5 Munby, Catalogus plant. in Algeria sponte nascentium, 2. Aufl., S. 12:

RL

Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 309

kochen lässt, was Zweifel erweckt hinsichtlich der Art. Die Botaniker, welche über Aegypten und Cyrenaica ge- schrieben haben, besonders in neuester Zeit!, führen die Pferdebohne als angebaut an.

Diese Pflanze bildet für sich allein die Gattung Faba.

Man kann sich somit auf keine botanische Analogie be-

rufen, um ihren Ursprung zu muthmaassen. Man muss der Geschichte der Cultur, dem Namen der Art weiter nachforschen, will man das Land errathen, wo sie seit alters her heimisch war.

Wir wollen zunächst einen Irrthum beseitigen, welcher infolge einer schlechten Auslegung der chinesischen Werke ins Leben gerufen wurde. Stanislas Julien hatte geglaubt, dass die Pferdebohne eine der fünf Pflanzen ausmachte, welche der Kaiser Chin-Nong vor 4600 Jah- ren unter grossen Feierlichkeiten jedes Jahr auszusäen angeordnet hatte.? Nun ist aber nach Dr. Bretschnei- der?, dem in Peking alle Hülfsquellen zur Erforschung der Wahrheit zu Gebote stehen, der einer Pferdebohne ähnliche Same, welchen die Kaiser bei der anbefohlenen Ceremonie aussäen, derjenige der Soja (Dolicho Soja), und wurde die Pferdebohne erst ein Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung, zur Zeit der Gesandt- schaft von Schang-kien vom westlichen Asien nach China eingeführt. So zerfällt eine Aussage in nichts, die man schwer mit andern Thatsachen, z. B. dass die Pferde-

bohne nicht seit alters in Indien angebaut wurde und

man keinen Sanskritnamen oder auch nur einen solchen einer neuern indischen Sprache von ihr kannte, in Ein- klang bringen konnte.

Die alten Griechen kannten die Pferdebohne, welche sie Kuamos und zuweilen Kuamos von Griechenland, Kuamos ellenikos nannten, um sie von jener Aegyptens, welche der Same eines sehr verschiedenen Wasserge- wächses war, des Nelumbium, zu unterscheiden. Die

1 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 256; Rohlfs, Kufra. 2 Loiseleur-Deslongchamps, Considérations sur les céréales, S. 29.) 3 Bretschneider, On study and value of Chinese bot. works, S. 7 u. 15.

A400 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Iliade spricht schon von der Pferdebohne als einer angebauten Pflanze!, und Virchow fand Samen davon bei den in Troja gemachten Ausgrabungen.” Die La- teiner nannten sie Faba. Nichts deutet in den Schrif- ten des Theophrast, Dioscorides, Plinius u. s. w. darauf hin, dass die Pflanze in Griechenland oder in Italien einheimisch war. Sie war seit alters bekannt, weil man bei dem alten Cultus der Römer an dem Tage der Göttin Carna Pferdebohnen als eins der Opfer dar- bringen musste, woraus der Name Fabariae calendae® entstanden ist. Das Geschlecht der Fabier entlehnte seinen Namen vielleicht von Faba, und im 12. Kapitel des 18. Buches von Plinius wird in einer keinem Zweifel unterworfenen Weise auf die alte und wichtige Rolle dieser Bohnenart in Italien hingewiesen.

Das Wort Faba findet sich in mehreren der arischen Sprachen Europas wieder und zwar mit Abänderungen, die nur von den Philologen erkannt werden können. Wir dürfen indessen die sehr richtige Bemerkung von Adolphe Pictet* nicht übersehen, dass man für die Samen von Cerealien und Leguminosen häufig Namen von einer Art auf eine andere bezogen hat, oder dass gewisse Namen bald für eine ganze Gattung, bald nur für eine Art gebraucht wurden. Mehrere Samen von übereinstimmender Form sind. von den Griechen Kuamos genañnt worden; mehrere verschiedenartige Bohnen (Phaseolus, Dolichos) haben denselben Namen im Sanskrit, und Faba, im Altslawischen Bobu, im Altpreussischen babo, Fao im Armoricanischen u. s. w. kann sehr gut für Erbsen, Bohnen und andere derartige Samen ge- braucht worden sein. Wird nicht heutzutage der Kaffee ın der Handelssprache eine Bohne genannt? Indem Plinius von Fabariae-Inseln sprach, wo sich Bohnen massenhaft vorfanden, und diese Inseln im nordischen

1 Ilias, 13, V. 589.

2 Wittmack, Sitzungsber. des Vereins zu Brandenburg, 1879. 3 Novitius Dietionnarium, unter dem Worte Faba.

4 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 335.

Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 401

Ocean gelegen waren, hat man mit Recht geglaubt, dass es sich hier um eine bestimmte wildwachsende Erbse handelte, die man in der Botanik Pisum mari- timum genannt hat.

Die alten Bewohner der Schweiz und Italiens in dem Bronzezeitalter bauten eine kleinsamige Varietät der Faba vulgaris an. Heer! bezeichnet sie unter dem Namen Cel- tica nana, weil der Same 6—9 mm lang ist, wäh- rend die Länge unserer jetzigen Feldbohne (Feverolle) 10—12 mm beträgt. Er hat die Exemplare von Montelier am Murtnersee und von der Petersinsel im Bielersee mit andern von Parma aus derselben Periode verglichen. De Martillet hat in den gleich- alterigen Pfahlbauten des Sees von Bourget dieselbe kleine Pferdebohne gefunden, welche nach ihm einer jetzt in Spanien angebauten Varietät sehr ähnlich sein soll.?

Die Pferdebohne wurde bei den alten Aegyptern an- gebaut.” Freilich hat man bisjetzt noch keine Samen von ihr gefunden oder sie darstellende Abbildungen in den Särgen oder Denkmälern angetroffen. Der Grund hierfür liegt angeblich darin, dass sie als unrein galt.* Herodot spricht sich folgendermaassen aus: Die Aegyp- ter säen nie Pferdebohnen auf ıhren Ländereien aus, und kommen solche dort vor, so werden sıe weder roh noch gekocht gegessen. Die Priester können sich nicht einmal dazu entschliessen, sie anzublicken, da sie sich einbilden, dass dieses Gemüse unrein sei. Die Pferde- bohne sd sich somit in Aegypten und wahrscheinlich auf den angebauten Ländereien, denn der ihr zusagende Boden befand sich meistens im Culturzustande. Viel- leicht hatte die arme Bevölkerung und die gewisser

1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 22, Fig. oc 47.

2 Perrin, Étude préhistorique sur a Savoie, S.

3 Delile, Plant. cult. en Egypte, 12; Economie des Egyp- tiens et Carthaginois, S. 340; Ünger, ennen d. alten Aegyptens, S. 64; Wilkinson, Manners ‘and customs of Ancient Egyptians, II, 402.

4 Reynier, a. a. O., sucht hierfür die Gründe zu errathen.

DE CANDOLLE. 26

402 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Districte nicht dieselben Vorurtheile wie die Priester. : Weiss man doch, dass die abergläubischen Gebräuche je nach den Bezirken voneinander abwichen. Plutarch und Diodorus von Sicilien haben von der Cultur der Pferdebohne in Aegypten gesprochen, sie schrieben aber 500 Jahre nach Herodot.

Im Alten Testament! findet man zweimal das Wort Pol, welches wegen der durch den Talmud erhaltenen Ueberlieferungen und wegen des arabischen Namens foul, fol oder ful, worunter die Pferdebohne verstanden wird, mit Pferdebohne übersetzt worden ist. Der erste dieser zwei Verse lässt die Kenntniss dieser Art bei den Hebräern auf das Jahr 1000 v. Chr. zurückgehen.

Schliesslich will ich auf einen Beweis sehr alten Vor- kommens der Pferdebohne in Nordafrika hinweisen. Derselbe findet sich in dem berberischen Namen Ibiou, in der Mehrzahl Zabouen, welcher bei den Kabylen der Provinz Algerien in Gebrauch ist.” Er gleicht in keiner Weise dem semitischen Namen und geht vielleicht auf ein sehr hohes Alterthum zurück. Die Berbern bewohn- ten einst Mauritanien, wo die Art nach Plinius wild- wachsend war. Es ıst nicht bekannt, ob die Guanchen, berberischer Volksstamm der Canaren, die Pferdebohne kannten. Ich bezweifle, dass die Iberer sie besassen, denn ihre muthmaasslichen Nachkommen, die Basken, bedienen sich des Wortes Baba, welches dem Faba der Römer entspricht.

Diesen Schriftstücken zufolge war die Cultur der Pferdebohne in Europa, Aegypten und in Arabien prä- historisch. Nach Europa wurde sie wahrscheinlich von den Westariern zur Zeit ihrer ersten Wanderungen (Pe- lasger, Kelten, Slawen) eingeführt. Erst später, ein Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung, gelangte sie nach China, noch später nach Japan und ganz neuer- dings nach Indien.

1 Samuel, II, Kap. 17, V. 28; Hesekiel, Kap. 4, V. 9. 2 Dictionnaire français-berbère, von d. franz. Regierung veröffentlicht. 3 Herrn Clos von Herrn d’Abadie mitgetheilt.

Bohnenwicke, Sau- oder Pferdebohne. 403

In Bezug auf den spontanen Wohnsitz ist es immerhin möglich, dass derselbe vor einigen Tausend Jahren ein doppelter war, indem der eine sich im Süden des Kaspi- sees, der andere in Nordafrika befand. Derartige Wohn- sitze, welche ich getrennte genannt und mit welchen ich mich früher viel beschäftigt habe!, sind bei den dicoty- ledonischen Pflanzen selten; aber gerade in den Län- dern, von welchen ich soeben gesprochen habe, kommen solche Beispiele vor.” Es ist wahrscheinlich, dass sich der Wohnsitz der Pferdebohne seit langer Zeit auf dem Wege des Abnehmens und des Aussterbens befindet. Die Natur der Pflanze unterstützt diese Hypothese, denn ihre Samen sind nicht besonders für eine weitere Verbreitung ausgestattet, und die Nage- sowie andere Thiere können sich ihrer leicht bemächtigen. Der Wohnsitz im westlichen Asien war einst vielleicht we- niger begrenzt als jetzt, und jener in Afrika dehnte sich vielleicht zu Plinius’ Zeiten mehr oder weniger aus. Der Kampf ums Dasein, ungünstig für diese Pflanze wie für den Mais, würde ıhn nach und nach auseinander- gerissen, die Pflanzen haben verschwinden lassen, wenn der Mensch ihr nicht beisprang, indem er sie anbaute.

Die der Pferdebohne ähnlichste Pflanze ist die Vicia . narbonensis. Die Autoren, welche die Gattung Faba nicht zulassen, deren Charaktere von jenen der Vicia nur wenig abweichen, bringen diese beiden Arten in -eine Abtheilung zusammen. Die Vicia narbonensis ist aber in der Mittelmeerregion und im Orient bis nach dem Kaukasus, Nordpersien und Mesopotamien wild- wachsend.* Ihr Wohnsitz ist nicht getrennt, doch macht sie nach Analogie die von mir erwähnte Hypo- these wahrscheinlich.

1 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, Kap. X.

2 Rhododendron ponticum findet sich nur noch in Kleinasien und im Süden der Spanischen Halbinsel.

3 Boissier, Fl. orient., II, 577.

26°

404 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Ervum Lens, Linne. Lens esculenta, Mönch. Ge- meine Linse (fr. Lentille). |

Die Pflanzen, welche der Linse am ähnlichsten sind, werden von den Autoren bald in die Gattung Ervum, bald in eine besondere Gattung, Lens, und zuweilen in die Gattung Cicer gebracht; die Arten dieser schlecht begrenzten Gruppen finden sich aber alle in der Mittel- meerregion oder im westlichen Asien. Dies kann als Fingerzeig dienen für den Ursprung der angebauten Pflanze. Unglücklicherweise findet sich die Linse nicht mehr in einem spontanen Zustande, wenigstens kann solcher nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden. Die Floren von Südeuropa, Nordafrika, vom Orient und von Indien erwähnen sie immer als angebaut oder auf den Feldern nach oder zwischen andern Culturen vor- kommend. Ein Botaniker! hat sie in den Provinzen im Süden des Kaukasus „angebaut und hier und da in der Nähe von Dörfern fast spontan‘ gesehen. Ein an- derer”? führte sie in undeutlicher Weise für das südliche Russland an, die neuesten Floren bestätigen . dies aber nicht. RR

Vielleicht können wir durch die Geschichte und die Namen dieser Pflanze zu grüsserer Klarheit über ihren Ursprung gelangen. 4

Sie ist seit einer prähistorischen Zeit im Orient, der Mittelmeerregion und selbst in der Schweiz angebaut. Nach Herodot, Theophrast u. s. w. machten die alten Aegypter einen grossen Gebrauch von ihr.. Wenn ihre Denkmäler hierfür nicht den Beweis geliefert haben, so liegt dies vielleicht daran, dass ihr Same wie die Pferdebohne als gemein und schmuzig angesehen wurde. Im Alten Testament wird sie dreimal unter dem Namen Adaschum oder Adaschim erwähnt, derselbe muss sicher- lich Linse bedeuten, denn der arabische Name ist Ads’

*

1 C. A. Meyer, Verzeichniss der kaukas. Pflanzen, S. 147. Georgi, in: Ledebour, Flora rossica. Forskal, Fl. Aegypt.; Delile, Plant. cult. en Egypte, S. 13.

2 o o

'Gemeine Linse. 405

oder Adas.! Die rothe Farbe der berühmten Suppe Esau’s ist von den meisten der Autoren nicht verstanden worden. Reynier?, welcher sich in Aegypten aufge- halten hatte, bestätigt die vom Geschichtschreiber Jo- sephus vor Zeiten gegebene Erklärung: „Die Linsen waren roth, weil sie ausgehülst waren.“ „Noch jetzt pflegen die Aegypter“, sagt Reynier, „diesen Samen ihre äussere Haut abzuziehen, und sie zeigen in diesem Falle eine blassrothe Farbe.“ Die Berbern haben von den Semiten den Namen Adès für die Linse erhalten. Von den Griechen wurde die Linse, Fakos oder Fa- kai, angebaut. Schon bei Aristophanes ist von ıhr als einem Nahrungsmittel für die Armen die Rede.* Die Lateiner nannten sie Lens, ein Wort unbekannten Ur- sprungs, welches wahrscheinlich mit dem altslawischen Namen Lesha, dem illyrischen Lechja, dem lttauischen Lenszie? verknüpft ist. Die Verschiedenheit der grie- chischen und lateinischen Namen weist darauf hin, dass die Art vor ihrem Anbau vielleicht in Griechenland und Italien vorkam. Ein anderer Beweis für das alte Vorkommen in Europa ist der, dass man Linsen in den Pfahlbauten der Petersinsel des Bielersees ge- funden hat®, welche freilich aus der Bronzezeit sind. Man kann die Art von Italien bezogen haben. Theophrast zufolge? kannten die Bewohner Baktriens (jetzige Bucharei) die Fakos der Griechen nicht. Adolphe * Pictet führt einen persischen Namen Manyu oder Margu an, welcher sich beispielsweise in dem Zend-Avesta fin- det. Er lässt für die Linse mehrere Sanskrıtnamen zu, Masura, Renuka, Mangalya u. s. w., während die anglo- indischen Botaniker Roxburgh und Piddington keinen

1 Ebn Baithar, II, 134. 2 Reynier, Économie publique et rurale des Arabes et des Juifs (Genf 1820), S. 429. 3 Dictionnaire français-berbère, 1844. 4 Hehn, Kulturpflanzen u. s. w., 3. Aufl., III, 188. 5 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 364; Hehn, a. à. O. 6 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 23, Fig. 49.

7 Theophrastus, Hist., 1. 4, ce. 5.

406 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

kannten." Da dieselben aber einen übereinstimmenden hindustanischen und bengalischen Namen, Mussour, er- wähnen, so darf man annehmen, dass mit Masura ent- schieden die Linse gemeint ist, während das Mangu der Perser an den andern Namen Mangalya erinnert. Da Roxburgh und Piddington keinen Namen in den andern indischen Sprachen angeben, kann man vermuthen, dass die Linse in jenem Lande vor Ankunft des sanskrit- sprechenden Volkes nicht bekannt war. In den alten chinesischen Werken ist von der. Art nicht die Rede; wenigstens spricht Dr. Bretschneider nicht von ihr, weder in seiner Schrift vom Jahre 1870, noch in den ausführlicheren, neuerdings an mich gerichteten Briefen.

Nehmen wir alles zusammen, so scheint die Linse im gemässigten Westasien, in Griechenland und Italien auf- getreten zu sein, als die Menschen in einer sehr alten, prähistorischen Zeit auf den Gedanken verfielen, sie an- zubauen, und sie nach Aegypten brachten. Die Cultur scheint sich zu einer weniger fernliegenden, aber kaum ‚historischen Zeit im Westen und Osten, d. h. in Europa und Indien, weiter ausgebreitet zu haben.

Cicer arietinum, Linne. Kichererbse (fr. Pois chiche).

Man kennt 15 Arten der Gattung Cicer, welche alle mit Ausnahme einer, die von Abessinien stammt, dem westlichen Asien oder Griechenland angehören. Die Wahrscheinlichkeit ist somit eine sehr grosse, dass die angebaute Art von den zwischen Griechenland und dem Himalaja gelegenen Ländern kommt, die im weiten Sinne als Orient bezeichnet werden.

Man hat sie unter den Bedingungen einer spontanen Pflanze nicht mit Sicherheit angetroffen. Alle Floren Südeuropas, Aegyptens und Westasiens bis nach dem Kaspisee und Indien sprechen von ihr als von einer auf Feldern und urbar gemachtem Lande angebauten Pflanze.

1 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, 324; Piddington, Index.

Kichererbse. 407

Man hat sie bisweilen! in der Krim, ım Norden und besonders im Süden des Kaukasus als fast spontan an- gegeben; von den gut unterrichteten Autoren der Neu- zeit wird dies aber bezweifelt.” Dieser der Sponta- neität sich nähernde Zustand kann nur zu der Ver- muthung eines Ursprungs aus Armenien und den be- nachbarten Ländern führen.

Die Cultur und die Namen der Art werden vielleicht etwas Licht auf die Frage werfen.

Bei den Griechen wurde die Kichererbse schon zu Homer’s Zeiten angebaut, man kannte sie als Erebin- thos® und auch als Krios*, so genannt wegen der Aehn- lichkeit des Samens mit dem Kopfe eines Widders. Die Lateiner nannten sie Cicer, ein Wort, von welchem die neuern Namen in Südeuropa ihren Ursprung ableiten. Dieser Name findet sich auch bei den Albanesen, Nach- kommen der Pelasger, unter der Form von Kikere.’ Das Vorkommen von so verschiedenen Namen lässt auf eine seit alters her bekannte und im Südosten Europas vielleicht einheimische Pflanze schliessen.

Die Kichererbse ıst in den Pfahlbauten der Schweiz, Savoyens oder Italiens nicht gefunden worden. Was die beiden ersten Länder betrifft, darf man sich hier- über nicht wundern, da das Klima nicht warm genug ist.

Ein gemeinsamer Name findet sich bei den Völkern im Süden des Kaukasus und des Kaspisees, nämlich

"Nachuda im Georgischen, Nachius, Nachunt im Tür-

kischen und Armenischen, Nochot im Persischen.° Die Sprachforscher können sich darüber aussprechen, ob dies ein sehr alter Name ist und ob er mit dem Sanskrit- namen Chennuka in irgendwelcher Beziehung steht. Die Kichererbse ist in Aegypten seit Beginn der

1 Ledebour, F1. ross., I, 660, nach Pallas, Falk und C. Koch.

2 Boissier, Fl. orient., II, 560; Steven, Verzeichniss der taurischen Halbinseln, S. 134.

3 Iliade, 1. 13, v. 589; Theophrastus, Hist., 1. 8, c. 3.

4 Dioscorides, 1. 2, c. 126.

5 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 71.

6 Nemnich, Polyglotten-Lexicon, I, 1037; Bunge, in: Göbel’s Reise, LE Tes.

408 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

christlichen Zeitrechnung so häufig angebaut!, dass sie muthmaasslich auch den alten Aegyptern bekannt ge- wesen ist. In den Abbildungen oder den Samenfund- stätten ihrer Denkmäler lassen sich hierfür keine Be- weise auffinden, man kann aber annehmen, dass dieser Same wie die Pferdebohne und Linse als gemein oder unrein angesehen wurde. Reynier? glaubte, dass der Ketsech, von Jesaias ım Alten Testament erwähnt, viel- leicht die Kichererbse wäre; gewöhnlich wird dieser Name aber auf Schwarzkümmel (Nigella sativa) oder auf Vicia sativa bezogen, ohne dessen jedoch gewiss zu sein.” Da die Araber die Kichererbse mit einem ganz verschiedenen Namen bezeichnen, Omnos, Homos, wel- cher sich bei den Kabylen als Hammez * wiederfindet, ist es nicht wahrscheinlich, dass der Ketsech der Juden dieselbe Pflanze war. Diese Einzelheiten führen mich zu der Vermuthung, dass die Art den alten Aegyptern und Israeliten unbekannt war. Sie hat sich vielleicht von Griechenland oder Italien aus zu Anfang unserer Zeitrechnung bei ihnen eingebürgert.

Die Einführung nach Indien ist eine ältere gewesen, denn man kennt einen Sanskritnamen und mehrere über- einstimmende oder verschiedene Namen in den neuern Sprachen.® Bretschneider erwähnt für China die Art nicht.

Meines Wissens liegen keine Beweise vor von dem hohen Alter der Cultur in Spanien; indessen kann der castilianische Name Garbanzo, welcher von den Basken in der Form von Garbantzua und im Französischen als Garvance gebraucht wird, aber weder lateinischen noch arabischen Ursprungs ist, auf eine ältere Zeit- periode als die Eroberung des Landes durch die Römer zurückgeführt werden.

1 Clemens von Alexandrien, Strom., 1. 1, nach Reynier, Économie des Egyptiens et Carthaginois, S. 343.

2 Reynier, Economie des Arabes et des Juifs, S. 430.

3 Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk., I, 100; Hamilton, Botanique de la Bible, S. 180.

4 Rauwolf, Fl. orient., Nr. 220; Forskal, Fl. Aegypt., S S1; Diction- naire français-berbère.

5 Roxburgh, Fl. ind., III, 324; Piddington, Index.

Weisse Feigbohne, Wolfsbohne, Lupine. 409

Es stimmen die botanischen, historischen und lin- guistischen Angaben in der Annahme überein, dass die Art vor ihrer Cultur die Länder im Süden des Kau- kasus und im Norden Persiens bewohnte. Die West- arier (Pelasger, Hellenen) haben die Pflanze vielleicht nach Südeuropa eingeführt, wo sie indessen ziemlicher Wahrscheinlichkeit nach auch einheimisch war. Die Ostarier brachten sie nach Indien. Das Vaterland dehnte sich vielleicht von Persien nach Griechenland aus, und gegenwärtig findet sich die Art nur noch auf bebauten Ländereien, wo es sich nicht nachweisen lässt, ob sie von ursprünglich wildwachsenden oder angebauten In- dividuen abstammt.

Lupinus albus, Linne. Weisse Feigbohne, Wolfs- bohne, Lupine (fr. Lupin).

Die alten Griechen und Römer bauten diese Legu- minose an, theils um sie als Gründünger unterzugraben, theils ihrer Samen wegen, die als Futter für das Rind- vieh gut sind, aber auch dem Menschen zur Nahrung dienen. Die von den -neuern Autoren citirten Ausdrücke des Theophrast, Dioscorides, Cato, Varro, Plinius u. s. w. beziehen sich auf die Cultur und die medicinischen Eigenschaften der Samen, und weisen nicht darauf hin, ob es sich um die Lupine mit weissen Blumen (Z. albus) oder jene mit blauen Blumen (Z. hirsutus) handelte, welch letztere in Südeuropa wildwachsend auftritt. Nach Fraas! wird letztere gegenwärtig in Morea an- gebaut; Heldreich? sagt aber, dass dies in Attika die L. albus sei. Da man in Italien diese seit langer Zeit anbaut, so ist es wahrscheinlich, dass sie die Lupine der Alten ıst. Im 16. Jahrhundert wurde sie vielfach, besonders in Italien, angebaut, und von Clusius wird die Art festgestellt, indem er sie Lupinus sativus albo

1 Vgl. Fraas, Flora class., S. 51; Lenz, Botanik der Alten, 8. 73. 2 Heldreich, "Nutzpflanzen Griechenlands, S. 69. 3 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture (1529), S. 88.

410 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

fore! nennt. Das hohe Alter der Cultur in Spanien wird durch das Vorkommen von vier je nach den Pro- vinzen verschiedenen volksthümlichen Namen nachge- wiesen; die Pflanze zeigt sich dort aber nur im ange- bauten oder auf den Feldern und in sandigen Gegenden im halbwegs spontanen Zustande.?

In Italien ist die Art von Bertoloni auf den Hügeln von Sarzane angeführt worden. Caruel glaubt jedoch nicht, dass sie dort und ebenso wenig in andern Ge- genden der Halbinsel spontan sei.” Gussone* ist für Si- cilien sehr bestätigend. Er führt die Pflanze an „auf den trockenen und sandigen Hügeln und auf den Angern (in herbidis)“. Grisebach® endlich hat sie massenhaft in der europäischen Türkei nahe bei Ruskoi angetroffen®, und d’Urville desgleichen in den Wäldern nahe bei Kon- stantinopel. Dies wird durch Castagne in einem mir gehörenden Manuscriptkatalog bestätigt. Boissier führt für den Orient keine Localıtät an; in Indien ist von der Art nicht die Rede, die russischen Botaniker haben sie aber im Süden des Kaukasus gesammelt, wenn man auch nicht weiss, ob es sich hierbei um spontane Exemplare handelte.” Vielleicht werden andere Locali- täten zwischen Sicilien, Macedonien und dem Kaukasus entdeckt werden.

Lupinus Termis, Forskal. Aegyptische Wolfsbohne (fr. Termis). |

In Aegypten und selbst auf der Insel Kreta wird diese Lupinenart vielfach angebaut, sie steht der L. albus so nahe, dass man bisweilen den Vorschlag gemacht hat, beide Arten in eine zu vereinigen.” Die augen- scheinlichste Verschiedenheit beruht darin, dass die

Clusius, Historia plant., II, 228.

Willkomm et.Lange, F1. hisp., III, 466.

Caruel, Fl. toscana, S. 136.

Gussone, Florae siculae synopsis, 2. Aufl., II, 266. Grisebach, Spicilegium F1. rumelicae, S. 11.

D’Urville, Enum., S. 86. 7 Ledebour, F1. ross., I, 510. Caruel, Fl. toscana, S. 136.

d@ © 1 À 5 9 m

ER ; Aegyptische Wolfsbohne. Stockerbse. A171

Blume der Termis nach oben zu blau und auch ihr Sten-

gel höher ist wie bei der L. albus. Die Samen finden wie jene der gemeinen Lupine Verwendung, nachdem sie vorher, ihrer Bitterkeit wegen, eingeweicht worden sind. 3

Die L. Termis ist im Sandboden und auf den Hügeln Sieiliens, Sardiniens und Corsicas spontan!, nach Boissier? auch in Syrien und Aegypten, doch würde sie Schwein- furth und Ascherson zufolge in Aegypten nur angebaut sein.? Hartmann hat sie in Oberägypten wildwachsend gesehen.” Unger? führt sie unter den bei den alten Aegyptern angebauten Pflanzen an, er bezieht sich aber weder auf ein besonderes Exemplar noch auf eine Ab- bildung. Wilkinson® begnügt sich mit der Erwähnung, dass sie in den Gräbern gefunden wurde.

In Indien wird keine Lupine angebaut, auch kennt

man keinen Sanskritnamen; Lupinensamen werden in den Bazars unter dem Namen Tourmus (Royle, „Il“, S. 194) verkauft. Der Name Termis oder Termus der Araber ist der- selbe, welcher bei den Griechen für Lupine, Termos, gebraucht wird. Muthmaasslich haben die Griechen sie von den Aegyptern erhalten. Da die Art im alten Aegypten: bekannt war, erscheint es seltsam, dass kein hebräischer Name genannt wird.’ Vielleicht ist sie nach Aegypten erst nach dem Auszuge der Juden eingeführt worden.

Pisum arvense, Linne. Stockerbse (fr. Pois des champs, Pois gris, Bisaille).

Hier handelt es sich um die Erbse, welche man ihrer Samen wegen und zuweilen auch als Viehfutter im

Gussone, F1. sic. syn., II, 267; Moris, Flora sardoa, I, S. 596. Boissier, F]. orient., II, 29.

Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung u. s. w., S. 257. Schweinfurth, Plantae nilot. a Hartmann coll., S. 6.

5 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 65.

6 Wilkinson, Manners and customs of Ancient Egyptians, II, 403. 7 Rosenmüller, Bibl. Alterthumskunde.

R ©) 19 ha

412 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

(Grossen anbaut. Wenn sie sich auch durch ihr äusseres Ansehen und ihre botanischen Charaktere von der ge- meinen Gartenerbse leicht unterscheiden lässt, so wurde sie doch von den griechischen und römischen Autoren mit jener verwechselt oder dieselben drückten sich in Bezug hierauf nicht deutlich genug aus. Aus ihren Werken ersieht man nicht, ob sie zu ihrer Zeit an- gebaut wurde. In den Pfahlbauten der Schweiz, Sa- voyens und Italiens hat man sie nicht gefunden. Eine Legende von Bobbio aus dem Jahre 930 erwähnt, dass die italienischen Landleute einen Samen Herbilia nann- ten, und daraus hat man geschlossen, dass dies die jetzige Rubiglia oder das Pisum sativum der Botaniker sei.! Die Art wird im Orient und bis nach Nordindien hin angebaut.” In letzterm Lande ist die Cultur keine alte, denn man kennt keinen Sanskritnamen, und Piddington führt nur einen einzigen für die neuern Sprachen an.

Wie es sich nun auch mit der Einführung der Cultur verhalten möge, so ist die Art in wirklich wildwachsen- dem Zustande in Italien nachgewiesen worden, und zwar nicht nur in den Hecken und in der Nähe des Culturlandes, sondern auch in den Wäldern und an unbebauten Stellen der Gebirge” In den Floren Spaniens, Algeriens, Griechenlands und des Orients finde ich keine bestimmte, hiermit übereinstimmende Angabe. Auch für Südrussland ıst dıe Pflanze als einheimisch angegeben worden; bald ist aber die spontane Eigen- schaft sehr zweifelhaft, und bald ist es die Art selbst, die nicht gewiss ist, weil sie mit Pisum sativum oder P. elatius verwechselt wird. Royle ist unter den anglo- indischen Botanikern der einzige, welcher für Nordindien das Indigenat zuliess.

1 Muratori, Antich. ital., I, 347; Diss., 24; nach Targioni, Cenni storici, S. 31.

2 Boissier, Fl. orient., II, 623; Royle, Ill. Himal., S. 200.

3 Bertoloni, Fl. ital., VII, 419; Caruel, Fl. tosc., S. 184; Gussone, F]. siculae synopsis, II, 279; Moris, F1. sardoa, I, 577.

Gemeine Gartenerbse. 415

Pisum sativum, Linne. Gemeine Gartenerbse (fr. Pois des jardins, petit Pois).

Die Erbse unserer Gemüsegärten ist zarter als die der Felder, die Stockerbse. Sie kann Frost und Trockenheit nicht vertragen. Wahrscheinlich war ihr natürlicher Wohnsitz vor dem Anbau mehr im Süden und beschränkter.

Thatsache ist es, dass man sie im wildwachsenden Zustande noch nicht gefunden hat, weder in Europa noch in Westasien, von wo sie muthmaasslich gekom- men ist. Die Angabe Bieberstein’s für die Krim ist nach Steven, welcher dort gewohnt hat, nicht genau.! Vielleicht haben die Botaniker ihren Wohnsitz dort übersehen. Vielleicht ist die Pflanze von ihrem Ur- sprungsorte verschwunden, oder vielleicht ist sie nur eine durch die Culturen erzielte Modification von Pisum arvense. Diese letzte Meinung war die von Alefeld?; was er aber darüber veröffentlicht hat, ist so kurz, dass sich nichts daraus schliessen lässt. Seine Aussage läuft einfach darauf hinaus, dass er eine grosse Anzahl von ihm angebauter ‘Formen der Stock- und Garten- erbse als zu ein und derselben Art gehörend ansieht. Darwin ® hatte durch eine Mittelsperson erfahren, dass Knight die Stockerbse mit einer preussische Erbse genannten Varietät der Gartenerbse gekreuzt hatte, und dass die daraus erzielte Züchtung vollständig fruchtbar erschienen war. Dies wäre ein guter Beweis für die specifische Einheit, jedoch sind hierfür noch mehr Beob- achtungen, weitere Versuche nöthig. Vorläufig bin ich bei dieser Untersuchung nach dem geographischen Ur- sprunge genöthigt, die beiden Formen getrennt zu be- trachten, und will ich zu diesem Zwecke die Frage in Bezug auf Pisum sativum prüfen.

Die Botaniker, welche viele Arten bei der Gattung

Steven, Verzeichniss, S. 134. Alefeld, Botanische Zeitung, 1860, S. 204. 3 Darwin, Variations of animals and plants under domestication, S. 326.

1 2

414 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Pisum unterscheiden, lassen acht zu, die sämmtlich Europa oder Asien angehören.

Das Pisum sativum wurde bei den Griechen zu Theo- phrast’s Zeiten angebaut.! Sie nannten es Pisos oder Pison. Die Albanesen, Nachkommen der Pelasger, nen- nen es Pizelle?” Die Lateiner sagten Pisum.?” Diese Einförmigkeit der Nomenclatur lässt vermuthen, dass die Arier bei ihrer Ankunft in Griechenland und Italien die Pflanze kannten und dieselbe vielleicht mit sich geführt hatten. Die andern Sprachen arischen Ursprungs enthalten mehrere Worte für Erbsen im generischen Sinne; nach der gelehrten Abhandlung von Adolphe Pictet* liegt es aber auf der Hand, dass man keinen dieser Namen auf Pisum sativum insbesondere anzu- wenden wissen würde. Selbst wenn eine der neuern Sprachen, slawische oder bretonische, den Sinn auf die Gartenerbse beschränkt hat, ist es immerhin sehr mög- lich, dass einst, beim Ursprunge dieser Namen, dieses Wort Stockerbse, Linse oder irgendeine andere Hülsen- frucht bedeutete.

Man hat die Gartenerbse® in den Ueberresten der Pfahlbauten der Bronzezeit ın der Schweiz und Savoyens aufgefunden. Der Same ist sphärisch, wodurch sich die Art von Pisum arvense unterscheidet, auch ıst er kleiner als derjenige unserer jetzigen Gartenerbsen. Heer be- richtet, denselben auch aus der Steinzeit in Moossee- dorf gesehen zu haben; er ist aber weniger bestimmt und gibt nur Abbildungen von der weniger alten Erbse der Petersinsel. Wenn die Art in der Schweiz auf das Steinalter zurückgeht, würde dies ein Grund zu der Annahme sein, dass sie den arischen Völkern vorherging.

1 Theophrastus, Hist.. 1. 8, c. 3, 5.

2 Heldreich, Nutzpflanzen” Griechenlands, S.

3 Plinius, Hist., 17182 c1.,327 HS handelt Br: gewiss um Pisum sa- tivum, denn der Autor berichtet, dass es die Kälte schlecht vertrage.

4 Ad. Pictet, Les origines indo- PR 2. Aufl., I, 359.

5 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, 23, Fig. 48; Perrin, Études pré- historiques” sur la Savoie, S. 22.

Sojabohne. 415

Es gibt keine Angabe über die Cultur von Pisum sativum im alten Aegypten oder bei den Hebräern. Dagegen ist diese Erbsenart seit langer Zeit in Nord- indien angebaut, wenn sie, wie Piddington meint, einen Sanskritnamen Harenso hatte und durch mehrere, von diesem sehr verschiedene Namen in den jetzigen indischen Sprachen bezeichnet wird.! Nach China hat man sie von Westasien eingeführt. Der zu Ende des 16. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung veröffentlichte „Pent-sao‘“ nennt sie mohammedanische Erbse.?

Kurz, die Art scheint im westlichen Asien, vielleicht vom Süden des Kaukasus bis nach Persien vorgekom- men zu sein, ehe sie angebaut wurde. Die arischen Völker würden sie nach Europa eingeführt haben, viel- leicht fand sie sich aber in Nordindien schon vor An- kunft der Ostarier.

Vielleicht tritt sie im spontanen Zustande nicht mehr auf, und wenn sie uns auf den Feldern im fast spon- tanen Zustande entgegentritt, so sagt man nicht, dass sie eine abgeänderte Form besitze, welche sich den an- dern Arten nähert.

Dolichos Soja, Linne. Glycine Soja, Bentham. Sojabohne (fr. Soja).

Die Cultur dieses einjährigen Hülsengewächses geht in China und Japan auf ein fernliegendes Alterthum -zurück. Man konnte dies aus der vielfachen Verwen- dung des Samens und der ungeheuern Anzahl der Varietäten schliessen. Man glaubt aber überdies, dass dies eine der Mehlsorten sei, welche in den chine- sischen Werken aus der Zeit des Confucius Schu genannt werden, obgleich der neuere Name für die Pflanze Ta-tou ist.” Die Samen sind nahrhaft und gleichzeitig sehr ölhaltig, weshalb in der japanischen und chinesischen Küche aus ihnen ähnliche Substanzen

1 Piddington, Index. Roxburgh spricht von keinem Sanskritnamen. 2 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 16. 3 Ebend., S. 9.

416 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

wie Butter, Oel, Käse gewonnen werden. Die Soja- bohne wird auch im Indischen Archipel angebaut, zu Ende des 17. Jahrhunderts war sie aber auf Amboina noch selten?, und Forster hatte sie auf Cook’s Reise auf den Inseln der Südsee nicht angetroffen. In Indien muss ihre Einführung neuern Datums sein, denn Rox- burgh hatte die Pflanze nur im botanischen Garten von Kalkutta gesehen, wohin sie von den Molukken gelangt war. Indische volksthümliche Namen sind nicht be- kannt.* Wenn überdies die Cultur in Indien eine alte wäre, würde sie sich nach Westen hin, nach Syrien und Aegypten, weiter verbreitet haben, und dies ist nicht eingetreten.

Kämpfer ® hatte einst eine sehr gute Abbildung von der Sojabohne veröffentlicht. Seit einem Jahrhundert wurde sie in den botanischen Gärten Europas ange- baut, als zahlreiche Nachrichten über China und Japan einen ausserordentlichen Eifer wachriefen, sie in unsern Ländern einzuführen. Es wurden besonders in Oester- reich-Ungarn und in Frankreich Versuche im Grossen. angestellt, und man hat solche in Werken zusammen- gefasst, die über ihren Anbau vorzügliche Rathschläge enthalten.° Wir wollen wünschen, dass der Erfolg die- sen Anstrengungen entsprechen möge; um aber wieder auf den Zweck unserer Untersuchungen zurückzukom- men, wollen wir hier den wahrscheinlichen Ursprung der Art näher ins Auge fassen.

Linne hat in seinen „Species“ gesagt: „Habitat en India“; danach verweist er auf Kämpfer, welcher über die Pflanzen Japans berichtet hat, und auf seine eigene Flora von Ceylon, woraus man ersieht, dass die Pflanze auf dieser Insel angebaut war. In der neuern Flora

1 Vgl. Pailleux, im: Bulletin de la Société d’acclimatation, September und October 1880.

2 Rumphius, Amboin., V, 388.

3 Roxburgh, Flora indica, III, 514. 4 Piddington, Index.

5 Kämpfer, Amoen. exot., S. 837, Fig. 838.

6 Haberlandt, Die Sojabohne (Wien 1878), Auszug im Französischen von Pailleux, a. a. O.

* Sojabohne. Catjang. 417 Ceylons von Thwaites wird dieselbe gar nicht erwähnt. Augenscheinlich muss man mehr nach Ostasien vor- gehen, um sowol den Ursprung der Cultur wie der Art zu entdecken. Von Loureiro hören wir, dass sie Cochin- china bewohnt und in China oft angebaut wird.! Mir ist nichts bekannt, dass man sie im letztern Lande wildwachsend angetroffen habe, vielleicht wird man sie aber dort in Anbetracht des hohen Alters der Cultur noch auffinden. Die russischen Botaniker? haben sie in Nordchina und nach dem Amurflusse zu nur als an- gebaute Pflanze gefunden. Sicherlich ist sie in Japan spontan.” Schliesslich hat Junghuhn * sie in Java auf dem Berge Gunung-Gamping gefunden, und eine Pflanze, die Zollinger ebenfalls von Java eingeschickt hat, wird auf dieselbe Art bezogen, ohne dass man indess weiss, ob sie auch wirklich spontan war.” Ein malaiischer Name, Kadelee®, der von den volksthümlichen japane- sischen und chinesischen Namen ganz und gar abweicht, trägt zur Begründung des Indigenats auf Java bei.

Schliesslich war die Sojabohne, den bekannten That- sachen und den historischen und linguistischen Wahr- scheinlichkeiten zufolge, von Cochinchina bis nach dem südlichen Japan und auf Java spontan, als alte Bewohner zu einer sehr fern liegenden Zeit sich daran machten, sie anzubauen, sie in verschiedener Weise zu ihrer Nahrung zu verwerthen, und von ihr Varietäten er- . zielten, deren Zahl, besonders in Japan, eine be- trächtliche ist.

Cajanus indicus, Sprengel. Cytisus Cajan, Linne. Catjang (fr. Cajan)..

Diese in den Tropenländern sehr häufig angebaute

1 Loureiro, Fl. coch., II, 538.

2 Bunge, Enum. plant. Chin., Nr. 118; Maximowicz, Primitiae Fl. Amur., S. 37.

3 Miquel, Prolusio, in: Ann. Mus. Lugd.-Bat., III, 52; Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., I, S. 108.

4 Junghuhn, Plantae Jungh., S. 255.

5 Die Soja angustifolia, Miquel; vgl. Hooker, Fl. Brit. India, II, 154.

6 Rumphius, a. a. O.

DE CANDOLLE. |

418 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Leguminose ist strauchartig, sie trägt aber vom ersten Jahre an Früchte, und man zieht es in einigen Ländern vor, sie als einjährige Pflanze zu behandeln. Ihre Sa- men bilden einen wichtigen Bestandtheil der Nahrung für die Neger oder die Eingeborenen, während sie von den europäischen Colonisten viel weniger geschätzt und von denselben höchstens vor der Reife nach Art unserer Schoten als Gemüse benutzt werden.

Die Pflanze naturalisirt sich sehr leicht auf schlechtem Boden ausserhalb der Culturen, selbst auf den Antillen, wo sie entschieden nicht ursprünglich zu Hause ist.!

Auf der Insel Mauritius heisst sie Ambrevade; in den englischen Colonien Doll, Pigeon-Pea, und auf den französischen oder englischen Antillen Pois d’Angola, Pois de Congo, Pois pigeon.

Für eine auf den drei Festländern so verbreitete Art kennt man, seltsamerweise, nur wenige Varietäten. Es werden zwei genannt, deren Unterscheidung ausschliess- lich auf der gelben oder röthlichen Färbung der Blumen beruht, und welche bisweilen als verschiedene Arten angesehen, bei gründlicherm Studium aber, der Linne’- schen Meinung gemäss, zu einer einzigen gebracht wur- den.” Die geringe Anzahl der erzielten Varietäten, selbst in Bezug auf den Theil, für welchen man die Art anbaut, ist ein Fingerzeig, dass ihre Cultur keine alte ist. Dieses müssen wir indessen weiter zu erforschen suchen, denn der Wohnsitz, von dem die Cultur ihren Anfang nahm, ist ungewiss. Die ausgezeichnetsten Bo- taniker haben bald Indien, bald das intertropische Afrika als solchen hingestellt. Bentham, welcher sich viel mit den Leguminosen beschäftigte, glaubte 1861 an einen afrikanischen Ursprung, und im Jahre 1865 neigte er

1 De Tussac, Flore des Antilles, IV, 94, Taf. 32; Grisebach, Flora of Brit. W. India, I, 191.

2 In Bezug auf diese Frage vgl. Wight et Arnott, Prodr. Fl, penins. ind., S. 256; Klotzsch, in: Peters, Reise nach Mozambique, I, 36. Die Va- rretät mit gelber Blume ist abgebildet in Tussac, a. a. O., die mit röth- licher Blume im Botanical Register, 1845, Taf. 31.

Catjang. 419

sich mehr dem asiatischen Indigenat zu.t Die Frage ist somit eine recht interessante.

Zunächst kann hier von einem amerikanischen Ur- sprung nicht die Rede sein. Der Catjanstrauch ist nach den Antillen von der afrikanischen Küste durch den Sklavenhandel eingeführt worden, wie dies die bereits angeführten volksthümlichen Namen nachweisen? und durch die übereinstimmende Meinung der Autoren von amerikanischen Floren bestätigt wird. Man hat die Art gleichfalls nach Brasilien, Guyana und den heissen Re- gionen des amerikanischen Festlandes gebracht.

Die Leichtigkeit, mit welcher sich dieser Strauch naturalisirt, würde für sich allein es nicht gestatten, den Aussagen der Sammler, welche ihn in Asien oder Afrika mehr oder minder spontan angetroffen haben, viel Gewicht beizulegen, und ausserdem sind diese Angaben nicht genau, sondern werden im allgemeinen von Zweifeln begleitet. Die meisten der Autoren von Floren des continentalen Indiens haben die Pflanze nur im ange- bauten Zustande gesehen.” Keiner von ihnen bestätigt meines Wissens die spontane Beschaffenheit. Hinsichtlich der Insel Ceylon spricht Thwaites{ sich folgendermaassen aus: „Es wird gesagt, dass sie nicht wirklich wild- wachsend sei, und die Namen im Lande scheinen dies zu bestätigen.“ In seiner Flora von Britisch-Indien sagt Sir Joseph Hooker: „Wildwachsend? und im Hima- .laja bis zu 6000 Fuss angebaut.“

Loureiro® führt sie als angebaut und nicht angebaut „in Cochinchina und in China“ an. Die chinesischen Schriftsteller scheinen von ihr nicht gesprochen zu haben, denn Dr. Bretschneider erwähnt die Art nıcht in seinem Werkchen „On study etc.“ Auf den Sunda- Inseln wird sie als angebaut angeführt, war aber auf

1 Bentham, Flora Hongkongensis, S. 89 Bentham et Hooker, Genera, I, 541.

2 De Tussac, Flore des Antilles; Jacquin, Obs., S. 1.

3 Rheede, Roxburgh, Kurz, Burm. Flora etc.

4 Thwaites, Enum. plant. Ceylan.

5 Loureiro, Fl. Cochinch., S. 565.

; Flora Brasil., XV, 199;

27*

420 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Amboina zu Ende des 17. Jahrhunderts Rumphius zu- folge sogar noch ziemlich selten.! Forster hatte sie wäh- rend Cook’s Reise auf den Südseeinseln nicht gesehen, von Seemann erfahren wır aber, dass sie von den Mis- sionaren seit kurzem in die Gärten der Fidschi-Inseln eingeführt wurde.” Alles dies lässt eime wenig alte Culturausdehnung im Osten und Süden des asiatischen Continents voraussetzen. Ausser dem Citat von Lou- reiro finde ich noch eine andere Fundstätte für die Art auf dem Berge Magelang der Insel Java? angegeben; setzt man aber eine wirkliche und alte Spontaneität in diesen beiden Fällen voraus, so dürfte es immerhin be- fremdend sein, dass man die Art nicht ebenfalls in vielen andern asiatischen Localıtäten antraf.

Die vielen indischen und malaiischen Namen? weisen auf eine ziemlich alte Cultur hin. Piddington nennt selbst einen Sanskritnamen Arhuku, welcher Roxburgh nicht bekannt war, ersterer gibt aber keinen Beweis zur Be- gründung seiner Aussage. Nach den Namen Urwr und Orol im Hindustani und Bengali zu schliessen, könnte jener Name einfach auf einer Vermuthung beruhen. Einen semitischen Namen kennt man nicht.

In Afrika wird der Catjanstrauch häufig angeführt von Zanzibar nach der Guineaküste.” Die Autoren sprechen von ihm als angebaut oder drücken sich hierüber nicht weiter aus, was zuweilen spontane Exemplare anzu- deuten scheint. In Aegypten ist die Cultur ganz neuen Datums, erst aus dem 19. Jahrhundert.f

Nach allem bezweifle ich, dass die Art in Asien wirklich spontan ist und sich dort seit mehr als 3000 Jahren findet. Wenn die alten Völker sie ge- kannt hätten, würde sie den Arabern und Aegyptern

1 Rumphius, Amboin., Bd. V, Taf. 155. Seemann, Flora Vitiensis, S. 74. Junghuhn, Plantae Jungh., fasc., I, 241. Piddington, Index; Rheede, Malabar, VI, 23 u. s. w. 5 Pickering, Chronol. arrangement of Plants, S. 442; Peters, Reise, S. 36; R. Brown, Bot. of Congo, S. 53; Oliver, Flora of tropical Africa, - II, 216. 6 Bulletin de la Soc. d’acclimatation, 1871, S. 663.

DEV

FN

mn"

Sl hf tue B { Fr

Johannisbrotbaum, Karobenbaum. 421

vor unserer Epoche bekannt geworden sein. Dagegen ist es möglich, dass sie wildwachsend oder angebaut im äquatorealen Afrika seit einer sehr langen Zeit vor- kommt, und dass sie nach Asıen durch alte Reisende gelangte, welche den Grosshandel von Zanzibar nach Indien und Ceylon in Händen hatten.

Die Gattung Cajanus hat nur eine Art, sodass man sich auf keine Uebereinstimmung geographischer Ver- breitung berufen kann, um ihr Vaterland eher nach Asien als nach Afrika zu verlegen oder auch umgekehrt.

Ceratonia Siliqua, Linne. Johannisbrotbaum, Ka- robenbaum (fr. Caroubier ?).

Es ist bekannt, wie sehr die Früchte oder Hülsen des Johannisbrotbaums in den warmen Gegenden der Mittelmeerregion als Nahrung für die Thiere und selbst für den Menschen gesucht werden. Gasparin? hat be- merkenswerthe Einzelheiten über die Behandlungsweise, die Verwendung und den Wohnsitz der Art gegeben, indem er solche als angebauten Baum ansah. Er be- merkt, dass sie in nördlicher Richtung die Grenze, wo der Orangenbaum ohne Schutz fortkommt, nicht über- schreitet. Dieser schöne Baum mit immergrüner Be- laubung gedeiht ebenso wenig in den sehr heissen Län- dern, namentlich wenn auch hohe Feuchtigkeitsgrade vorwalten. Er liebt die Nähe des Meeres und steiniges Terrain. Sein Vaterland ist, nach Gasparin, ,,wahr- scheinlich Centralafrika. Denham und Clapperton haben ihn“, sagt er, „in Bornu gefunden“. Dieser Beweis scheint mir ungenügend, denn in der ganzen Nilregion und in Abessinien ist der Johannisbrotbaum nicht wild- wachsend, ist er selbst nicht einmal angebaut.” In seinem Memoire über die Pflanzen der Reise von Denham

1 Hier aufgeführt, um ihn von andern nur ihrer Samen wegen ange- bauten Leguminosen nicht zu trennen.

2 De Gasparin, Cours d’agriculture, IV, 328.

3 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 255; Richard, Tentamen fl. abyssinicae.

499 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

und Clapperton spricht R. Brown nicht von ihm. Meh- rere Reisende haben ihn in den Wäldern der Cyrenaika zwischen dem Küstengebiet und dem Tafellande ge- sehen, die emsigen Botaniker aber, welche ein Verzeich- niss der Pflanzen dieses Landes angefertigt, haben Sorge getragen, zu sagen!: „Vielleicht einheimisch.“ Die meisten der Botaniker haben sich begnügt, die Art für das Centrum und den Süden der Mittelmeerregion, von Marokko und Spanien bis nach Syrien und Anatolien anzuführen, ohne gründliche Studien darüber anzustellen, ob sıe dort einheimisch oder angebaut sei, und ohne die Frage nach dem wirklichen, der Cultur vorhergehenden Vaterlande weiter zu erörtern. Gewöhnlich führen sie den Johannisbrotbaum als „angebaut und subspontan oder fast naturalisirt“ an. Indessen wird er von Held- reich in Griechenland, von Gussone und Bianca in Si- cilien, von Munby? in Algerien als spontan angesehen, und dies sind alles Autoren, welche lange genug in diesen verschiedenen Ländern gelebt haben, um sich eine wirklich klare Ansicht zu bilden.

Bianca bemerkt jedoch, dass der Johannisbrotbaum in den ziemlich beschränkten Localitäten, wo er auf Sicilien vorkommt, auf den kleinen naheliegenden In- seln und an der Küste Italiens nicht immer kräftig und ergiebig ist. Er stützt sich ausserdem auf den ita- henischen, dem arabischen sehr ähnlichen Namen Car- rubo, um sich dahin zu äussern, dass eine alte Einfüh- rung nach Südeuropa stattgefunden habe, die Art aber vielmehr von Syrien oder Nordafrika stamme. Bei dieser Gelegenheit vertheidigt er die Meinung von Hoefer und Bonné* als wahrscheinlich, nach welcher der Lotos der Lotophagen der Johannisbrotbaum war, dessen Blüte

1 Ascherson etc. in: Rohlfs, Kufra (1881), I, 519.

2 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 73; Die Pflanzen der atti- schen Ebene, S. 477; Gussone, Synopsis fl. siculae, S. 646; Bianca, Il Car- rubo, in: Giornale d’agricoltura italiana, 1851; Munby, Catal. pl. in Alger. spont., S. 13.

3 Hoefer, Histoire de la botanique, de la minéralogie et de la géologie, 5. 20; Bonné, Le Caroubier ou l’arbre des Lotophages (Algier 1869; ange- führt nach Höfer). Vgl. den Abschnitt über den Judendorn, S. 241.

Johannisbrotbaum, Karobenbaum. 423

zuckerhaltig ist, und dessen Frucht einen honigartigen Geschmack besitzt, wie dies mit den Ausdrücken Ho- mer’s übereinstimmt. Da die Lotophagen Cyrenaika bewohnten, musste der Johannisbrotbaum in ihrem Lande massenhaft vorkommen. Um diese Hypothese zuzulassen, müsste man glauben, dass Herodot und Ph- nius die Pflanze Homer’s nicht kannten, denn der erste hat den Lotos beschrieben als ob seine Frucht mit der Beere vom Mastixbaume Aehnlichkeit hätte, und der zweite als einen Baum, welcher seine Belaubung im Winter verliere.!

Es ist kaum möglich, dass man sich bei einer Aus- einandersetzung über naturgeschichtliche Thatsachen einer Hypothese über eine zweifelhafte Pflanze, von welcher ein Dichter vor Zeiten gesprochen hat, als Stütze bedienen könnte. Nach alledem war der Lotos Homer’s vielleicht ... in dem phantastischen Garten der Hesperiden. Ich komme auf Belege ernsterer Art zurück, welche Bianca kurz berührt hat.

Man kennt den Johannisbrotbaum in den mehr oder minder alten Sprachen unter zwei Namen, von denen der eine, Keraunia oder Kerateia?, griechisch, der andere, Chirnub oder Charüb, arabisch ist. Der erste drückt die Form der Hülse aus, die mit einem ziemlich zu- rückgebogenen Horne Aehnlichkeit hat. Der zweite be- zeichnet eine in die Länge gezogene Frucht (Hülse), denn aus dem Werke von Ebn Baithar®? ersieht man, dass vier andere Hülsenfrüchte unter demselben Namen mit einem Beiworte verstanden werden. Die Lateiner hatten keinen besondern Namen für den Johannisbrot- baum. Sie bedienten sich des griechischen Wortes oder des Ausdrucks Siliqua, Siliqua graeca, d. h. Schote von Griechenland.* Dieser grosse Mangel an Namen deutet

3Plıaaus, Hist., 1: 16, c: 30.

2 Theophrastus, Hist. plant., 1. 1, e. 11; Dioscorides, 1.1, c. 155; Fraas, Syn. fl. class., S. 65.

3 Ebn Baithär, deutsche Uebers., I, 354; Forskal, Flora aegypt., S. 77.

4 Columna, angeführt in: Lenz, Botanik der alten Griechen und Rö- mer, S. 733; Plinius, Hist., 1. 15, ce. 8.

- 424 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

einen früher beschränkten Wohnsitz an, desgleichen eine wahrscheinlich nicht auf prähistorische Zeiten zurück- gehende Cultur. Der griechische Name hat sich in Griechenland erhalten. Der arabische Name findet sich gegenwärtig bei den Kabylen, welche die Frucht Khar- roub, den Baum Takharrout! benennen, wie die Spa- nier Algarrobo sagen. Seltsam ist es, dass auch die Italiener den arabischen Namen angenommen haben, Currabo, Carubio, woraus der französische Name (a- roubier entstanden ist. Es scheint, als ob eine Ein- führung durch die Araber im Mittelalter stattgefunden hätte, also nach der römischen Epoche, wo ein ver- schiedener Name gebraucht wurde.

Diese Einzelheiten unterstützen die Ansicht Bianca’s, dass es sich nämlich um ein südlicheres Vaterland als Sieilien handelt. Plinius zufolge kam die Art von Sy- rien, Knidos und Rhodus, er sagt aber nicht, ob sie dort wildwachsend oder angebaut war.

Nach demselben Autor fand sich der Johannisbrotbaum nicht in Aegypten. Man hat denselben jedoch in den Denkmälern zu erkennen geglaubt, welche der Zeit des Plinius weit vorhergingen, und die Aegyptologen haben sogar zwei ägyptische Namen, Kontrates oder Jiri?, auf ihn bezogen. Lepsius hat die Abbildung einer Schote gegeben, welche wirklich eine Karube zu sein scheint, und der Botaniker Kotschy, welcher einen Stock heim- brachte, der aus einem der dortigen Särge genommen war, hat sich vermittelst des Mikroskops vergewissert, dass derselbe von dem Holze des Johannisbrotbaums ist.” Man kennt keinen hebräischen Namen für diese im Alten Testamente auch nicht erwähnte Art. Das Neue Testament spricht von ihr mit dem griechi- schen Namen in dem Gleichniss vom verlorenen Sohn.

1 Dictionnaire français-berbère, beim Worte Caroube.

2 Lexicon oxon., citirt in: Pickering, Chronological hist. of plants, Ss. 141.

3 Die Zeichnung ist wiedergegeben in: Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, Fig. 22. Kotschy’s Beobachtung bedarf der Bestätigung eines gewiegten Anatomen.

Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 425

. Die Ueberlieferung der Christen vom Orient besagt, dass Johannes der Täufer sich in der Wüste mit Ka- rubenfrüchten ernährt habe, hierauf. stützen sich die im Mittelalter aufgekommenen Namen, wie Pain de Saint- Jean und Johannisbrotbaum.

Augenscheinlich ist dieser Baum zu Anfang der christ- lichen Zeitrechnung von einer gewissen Bedeutung ge- worden, und es waren die Araber, welche ihn besonders nach dem Occident hin verbreitet haben. Wenn er früher in Algerien bei den Berbern und in Spanien vorgekommen wäre, würden sich Namen aus einer ältern Sprache als der arabischen erhalten haben, und die Art würde wahrscheinlich nach den Canaren durch die Phönizier eingeführt worden sein.

Ich fasse die gesammten Angaben folgendermaassen kurz zusammen:

Der Johannisbrotbaum war im Osten des Mittelmeers, wahrscheinlich an der Südküste Anatoliens und in Syrien, vielleicht auch in der Cyrenaika, spontan. Seine Cultur hat seit historischen Zeiten ihren Anfang genommen. Die Griechen haben ihn in ihrem Lande und in Italien weiter verbreitet, später aber haben sich die Araber noch mehr damit befasst und haben ıhn bis nach Ma- rokko und in Spanien verbreitet. In allen diesen Län- dern hat sich die Art hier und da naturalisirt, und zwar unter einer weniger ergiebigen Form, sodass man gezwungen wird den Baum zu pfropfen, um bessere Früchte zu gewinnen.

Bisjetzt hat man den fossilen Johannisbrotbaum noch nicht in den Tuffsteinen und den quaternären Ablage- rungen von Südeuropa gefunden. Er bildet die einzige Art in der Gattung Ceratonia, was bei den Legumi- nosen, besonders in Europa, ziemlich selten ist. Nichts lässt vermuthen, dass er in den alten tertiären oder quater- nären Floren des südwestlichen Europa vorgekommen sei.

Phaseolus vulgaris, Savı. Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne (fr. Haricot commun).

426 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

5

Als ich mich im Jahre 1855! mit dem Vaterlande der Phaseolus und Dolichos beschäftigen wollte, war die Unterscheidung der Arten so wenig vorgeschritten, kannte man noch so wenige Floren tropischer Länder, dass ich mehrere Fragen hatte unberücksichtigt lassen müssen. Dank den Arbeiten von Bentham und Georg von Martens?, welche die frühern von Savi? vervoll- ständigten, sind die Leguminosen der heissen Länder jetzt besser bekannt, und schliesslich haben die den peruarischen Gräbern von Ancon entnommenen Samen, welche von Wittmack geprüft wurden, die Ursprungs- frage vollständig modificirt.

Ich will mich zunächst mit der Schneidebohne be- schäftigen und werde dann von andern Arten sprechen, ohne alle die aufzuzählen, welche man anbaut, denn mehrere unter ihnen sind noch schlecht begrenzt.

Lange Zeit glaubten die Botaniker, dass die Schneide- bohne aus Indien stamme. Niemand hatte sie im wild- wachsenden Zustande gefunden, und das ist auch jetzt noch der Fall; man hatte sich eben einen indischen Ursprung eingebildet, obgleich die Art auch in den ge- mässigten oder heissen Regionen Afrikas und Amerikas, wenigstens in denen die nicht feucht und übermässig heiss sind, angebaut wurde. Ich machte darauf auf- merksam, dass sie keinen Sanskritnamen besass, und dass die Gärtner des 16. Jahrhunderts die Schneide- bohne oft türkische Bohne nannten. Da ich ausser- dem wie jedermann davon überzeugt war, dass die Griechen diese Pflanze unter dem Namen Fasiolos und Dolichos angebaut hatten, so behauptete ich, dass sie von Westasien, nicht von Indien stammte; Georg von. Martens machte diese Ansicht zu der seinigen.

Es fehlt jedoch viel daran, dass die Worte Dolichos von Theophrast, Fasiolos von Dioscorides, Faseolus und

1 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 961.

2 Bentham, in: Ann. d. wiener Museums, Bd. II; Georg von Mar- tens, Die Gartenbohnen (Stuttgart 1860); 2. Ausg. 1869. i

3 Savi, Osserv. sopra Phaseolus i Dolichos, 1, 2, 3.

Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 497

‚Phasiolus der Römer! in den Originalen genügend be- stimmt seien, um sie mit Sicherheit auf Phaseolus vul- garis beziehen zu können. Mehrere angebaute Legu- minosen halten sich durch Ranken, von welchen die Autoren sprechen, und zeigen Hülsen und Samen, die sich untereinander gleichen. Der beste Beleg, um diese Namen durch Phaseolus vulgaris zu übersetzen, ist der, dass die jetzigen Griechen und Italiener von Fusiolos abgeleitete Worte für unsere gewöhnliche Schneidebohne besitzen. Die Neugriechen sagen Fasoulia, und die Albanesen (Pelasger ?) Fasulé; die Italiener Fagiolo. Man kann jedoch auch eine Namensversetzung einer Erbsen-, Wicken-, Platterbsen- oder einer vor alters angebauten Bohnenart für die gemeine Schneide- oder Schminkbohne befürchten. Berücksichtigt man die Schwierigkeiten, welche sich den Botanikern der Neuzeit bei Unter- scheidung der Arten, auch wenn sie die Pflanzen selbst vor Augen haben, darbieten, so muss man den Muth bewundern, eine Phaseolusart nach einem oder zwei Beiwörtern in einem alten Schriftsteller bestimmen zu wollen. Man hat sich jedoch bestimmt dahin aus- sprechen wollen, dass mit dem Dolichos von Theophrast unsere Stangenbohne, mit dem Fasiolos die Zwergbohne unserer Culturen gemeint seien, welche beide die jetzigen zwei Hauptrassen der gemeinen Schminkbohne mit einer ungeheueren Menge von Unterrassen in Bezug auf Schoten und Samen ausmachen. Was mich selbst be- trifft, so will ich einfach sagen, dass dies wahrschein- lich ist.

Wenn die gemeine Schminkbohne vor Zeiten nach Griechenland kam, gehörte sie jedenfalls nicht zu den ersten Einführungen, denn zu Cato’s Zeiten war der Faseolus in Rom noch unbekannt, und erst bei Beginn des Kaiserreichs haben die lateinischen Schriftsteller von dieser Pflanze gesprochen. Aus den bei Troja ge-

1 Theophrastus, Hist., 1.8, e.3; Dioscorides, 1.2, e. 130; Plinius, Hist. 1. 18, c. 7, 12, ausgelegt von Fraas, Synopsis fl. class., S. 52; Lenz, Bota- nik der alten Griechen und Römer, S. 731; Martens, a. a. O., S. 1.

428 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

machten Ausgrabungen brachte Virchow mehrere Legu- minosensamen mit, welche nach Wittmack! zu folgenden Arten gehörten: Pferdebohne (Faba vulgaris), Garten- erbse (Pisum sativun), Erve (Ervum ervilia), und viel- leicht rothe Platterbse (Lathyrus Cicera), aber keine Bohne (Phaseolus). Ebenso wenig hat man in den alten Pfahlbauten der Schweiz, Savoyens, Oesterreichs und Italiens die letztere aufgefunden.

Auch finden sich keine Beweise oder Anzeichen von ihrem Vorkommen im alten Aegypten. Man kennt kei- nen hebräischen Namen, welcher denen von Dolichos oder Phaseolus der Botaniker entspräche. Ein weniger alter, nämlich arabischer Name, Loubia, ist in Aegyp- ten für Dolichos Lubia und im Hindustani unter der Form Loba für Phaseolus vulgaris bekannt.” Für letztere Art führt Piddington im den neuern Sprachen Indiens nur zwei Namen, alle beide hindustanisch, an, Loba und Bakla. Hieraus, sowie aus dem Fehlen eines Sanskritnamens lässt sich entnehmen, dass die Einfüh- rung in Südasien nicht so weit zurückliegend war. Die chinesischen Schriftsteller sprechen nicht von der gemei- nen Schminkbohne (Ph. vulgaris)?; dies ist ein neuer Fingerzeig für eine spätere Einführung nach Indien und auch nach Baktrien, von wo die Chinesen seit dem 2. Jahr- hundert unserer Zeitrechnung Gemüse bezogen haben.

Alle diese Umstände lassen mich bezweifeln, dass die Art in Asien vor der christlichen Zeitrechnung bekannt war. Der Beleg der neugriechischen und italienischen, dem Fasiolos entsprechenden Namen für die Schmink- bohne muss noch in irgendeiner Weise begründet wer- den. Zu seinen Gunsten lässt sich sagen, dass er im Mittelalter wahrscheinlich für die gemeine Schminkbohne gebraucht worden ist. In der Liste der Gemüse, welche Karl der Grosse auf seinen Besitzungen auszusäen an-

Wittmack, Sitzungsber. d. Bot. Vereins zu Brandenb. v. 19. Dec. 1879. Delile, Plantes cultivées en Egypte, S. 14; Piddington, Index.

3 Weder in seiner Schrift: On study eté., noch in seinen an mich gerichteten Briefen spricht Dr. Bretschneider von ihr.

1 2

Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 429

ordnete, findet man Fasiolum! ohne weitere Erklä- rung. Albertus Magnus beschreibt unter dem Namen Faseolus ein Hülsengewächs, welches die jetzige Zwerg- bohne zu sein scheint.” Dann bemerke ich aber auch, dass die Autoren des 15. Jahrhunderts von keinem Faseolus oder einem ähnlichen Namen sprechen. Dies ist der Fall bei Pedro Crescenzio® und Macer Floridus.* Dagegen geben nach der Entdeckung Amerikas vom 16. Jahrhundert an alle Autoren Abbildungen und Be- schreibungen von Phaseolus vulgaris mit einer grossen Menge von Varietäten. |

Ob ihre Cultur im tropischen Afrika ein sehr hohes Alter aufweist, ist zweifelhaft, jedenfalls wird von ihr weniger häufig gesprochen, als von jener anderer Arten der Gattungen Dolichos und Phaseolus.

Niemand dachte daran, den Ursprung der gemeinen Schminkbohne in Amerika zu suchen, als ganz vor kurzem höchst sonderbare Entdeckungen von Früchten und Samen in den peruanischen Gräbern von Ancon nahe bei Lima gemacht wurden. Herr de Rochebrune’ hat eine Artenliste aus verschiedenen Familien nach einer Sammlung von de Cessac und L. Savatier ver- öffentlicht. Darunter befinden sich drei Bohnensorten, von welchen keine, dem Autor zufolge, die Phaseolus vulgaris ist; Wittmack® hingegen, welcher die durch die Reisenden Reiss und Stübel von denselben Gräbern mitgebrachten Leguminosen untersucht hat, behauptet das Vorhandensein mehrerer Varietäten der gemeinen Schminkbohne nachgewiesen zu haben, untermischt mit

1 E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 404.

2 „Faseolus est species leguminis et grani, quod est in quantitate pa- rum minus quam Faba et in figura est columnare sicut faba, et herba ejus minor est aliquantulum quam herba Fabae. Et sunt faseoli multorum colorum, sed quodlibet granorum habet maculam nigram in loco cotyle- donis.“ (Jessen, Alberti Magni, De vegetabilibus, ed. critica, S. 515.)

3 P. Crescens, französische Uebersetzung von 1539.

4 Macer Floridus (1485), und Erläuterung von Choulant (1332).

5 De Rochebrune, Actes de la Société linnéenne de Bordeaux, Bd. 53, Januar 1850, von welcher ich ein Referat im Bot. Centralblatt, 1880, S. 1635, gesehen habe.

6 Wittmack, Sitzungsbericht des bot. Vereins zu Brandenburg vom 19. Dee. 1579, und ein Privatbrief von demselben.

430 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

andern zu Phaseolus lunatus, Linne, gehörigen Samen. Er hat sie identificirt mit den Varietäten von Ph. vul- garis, welche von den Botanikern oblongus purpureus (Martens), ellipticus praecox (Alefeld) und ellipticus atro- Jfuscus (Alefeld) genannt wurden und in die Classe der Zwergbohne gehören.

Es kann nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, dass die fraglichen Gräber alle aus einer der Ankunft der Spanier vorhergehenden Zeit stammen. Das Werk der Herren Reiss und Stübel, welches augenblicklich im Drucke begriffen ist, wird vielleicht Aufklärungen hierüber bieten; Wittmack ist aber, den Autoren hierin folgend, der Ansicht, dass ein Theil dieser Gräber kein hohes Alter aufzuweisen habe. Eine von diesem Herrn unberücksichtigt gebliebene Thatsache ist mir jedoch aufgefallen, dass nämlich die 50 in Rochebrune’s Liste aufgezählten Arten alle amerikanisch sind. Ich finde darunter nicht eine einzige, von welcher man einen europäischen Ursprung muthmaassen könnte. Augen- scheinlich sind entweder diese Pflanzen und Samen vor der Eroberung niedergelegt worden, oder es haben auch die Bewohner Sorge getragen, in gewisse Gräber, welche vielleicht jüngern Datums sind, keine ausländischen Arten hineinzulegen. Dies war ihren Ansichten zufolge ganz natürlich, weil der Gebrauch solcher Pflanzenanhäufungen nicht auf die katholische Religion zurückzuführen ist, sondern mit den Sitten und Lehren der Eingeborenen zu thun hat. Das Vorhandensein der gemeinen Schmink- bohne unter diesen ausschliesslich amerikanischen Pflan- zen scheint mir daher von einer grossen Bedeutung zu sein, welches Alter diese Gräber auch immer haben mögen.

Man kann mir entgegenhalten, dass Samen nicht ge- nügen, um die Art eines Phaseolus zu bestimmen, und dass man in Südamerika vor Ankunft der Spanier meh- rere Pflanzen dieser Gattung anbaute, welche noch nicht hinreichend bekannt sind. Molina! spricht von 13 oder

1 Molina (Essai sur l'hist, nat. du Chili, franz. Uebersetzuzg, S. 101)

Gemeine Schminkbohne, Schneide-, türkische Bohne. 431

14 Arten (oder Varietäten?), welche früher allein in ‘Chile angebaut wurden.

Wittmack besteht auf dem häufigen und alten Ge- brauch der Bohnen in verschiedenen Ländern Südame- rikas. Das beweist wenigstens, dass mehrere Arten daselbst einheimisch waren und angebaut wurden. Er beruft sich auf das Zeugniss von Joseph Acosta, einem der ersten Schriftsteller nach der Eroberung, dem zu- folge die Peruaner „Hülsenfrüchte anbauten, welche sie Frisoles und Palares nannten, und in ähnlicher Weise verwendeten wie die Spanier die Garbanzos (Kicher- erbsen), Pferdebohnen und Linsen. Ich habe keines- wegs erkannt“, fügt er hinzu, „dass diese oder andere Hülsenfrüchte Europas sich dort vorfanden, bevor die Spanier dort eindrangen.“ Frisole, Fajol, Fasoler sind spanische Namen für die gemeine Schminkbohne und durch Verstümmelung des lateinischen Faselus, Fasolus, Fascolus entstanden. Paller ist amerikanisch.

An dieser Stelle will ich mir erlauben, den Ursprung des französischen Namens Haricot nachzuweisen. Früher . habe ich ihn gesucht!, ohne ihn zu finden, ich wies aber auf die Thatsache hin, dass Tournefort (,,Instit.‘, S. 415) der erste war, welcher sich desselben bediente.? Ich erinnerte auch an das Wort Arachos (apaxoc) im Theophrast, womit wahrscheinlich eine Vicia-Art gemeint war, und an das Wort Harenso im Sanskrit für die gemeine Erbse. Ich suchte auch die wenig wahrscheinliche An- sicht zu bekämpfen, dass der Name einer Hülsenfrucht von. einem Fleischgerichte, welches man haricot oder laricot de mouton nannte, herrühren könne, wie dies von einem englischen Schriftsteller behauptet worden war. Ich kritisirte schliesslich Bescherelle, welcher Haricot aus dem Keltischen ableitete, während die bre-

führt Phaseolus an, welche er Pallar und Asellus nennt, und die Flore du Chili von Cl. Gay fügt mit nur wenigen erklärenden Worten Ph. Cu- mingii, Bentham, hinzu.

1 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 691.

2 Tournefort, Éléments (1694), I, 328; Instit., S. 415.

432 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

tonischen Namen der Pflanze ganz und gar verschieden sind, und fève menue (fa-munud) kleine Pferdebohne oder irgendeine Erbse (Pis-ram) bedeuten. Littre hat in seinem Wörterbuch ebenfalls nach der Etymologie dieses Namens gesucht. Ohne von meinem Aufsatz Kenntniss zu besitzen, neigt er sich der Vermuthung hin, dass haricot (Hülse) von ragoût abstamme, da die- ses letztere das ältere in der Sprache sei und man eine gewisse Aehnlichkeit zwischen dem Haricotsamen und den Fleischstücken des Ragouts auffinden könne, oder auch weil dieser Same sich zur Würze des Gerichts eignete. Gewiss ist es, dass die Hülse bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts nach dem lateinischen Namen im Französischen Fazeole oder Faséole genannt wurde; dem Zufall aber verdanke ich es, -welcher mich auf den wahren Ursprung des Wortes haricot hinleitete. Es ist ein italienischer Name, Araco, der sich im Durante und Matthioli findet, lateinisch Aracus niger! für ein Hül- sengewächs, welches von den Autoren der Neuzeit auf die Ochererbse (Lathyrus Ochrus) bezogen wird. Man darf sich nicht darüber wundern, dass ein italienischer Name aus dem 17. Jahrhundert von französischen Züch- tern des folgenden Jahrhunderts auf ein anderes Hülsen- gewächs bezogen worden sei, und dass man dabei ara in art umgetauft habe. Derartige Irrthümer kommen noch immer vor. Ausserdem ist Aracos oder Arachos von den Commentatoren auf mehrere Hülsengewächse aus den Gattungen Lathyrus, Vicia u. s w. bezogen worden. Durante sagt, dass sein Araco mit dem asaxoc der Griechen synonym sei, woraus man die Etymologie gut erkennt. Pater Feuillée? schrieb im Französischen Aricot. Vor ıhm gebrauchte Tournefort Haricot. Er glaubte vielleicht, dass das & des griechischen Wortes einen harten Accent hätte, was aber, wenigstens bei den guten Autoren, nicht der Fall ist.

1 Durante, Herbario nuovo (1555), S. 39; Matthioli, ed. Valgris, S. 322; Targioni, Dizionario bot. ital., I, 13. 2 Feuillée, Hist. des plantes médicinales du Pérou etc. (1725), S. 54.

Mondförmige Bohne. 455

Ich schliesse diesen Abschnitt, indem ich sage: 1) ® Phaseolus vulgaris wird noch nicht seit langer Zeit in Indien, dem Südwesten Asiens und in Aegypten angebaut. 2) Man ist nicht ganz sicher darüber, ob vor der Ent- deckung Amerikas diese Art in Europa bekannt war. 3) Gleich nach diesem weltgeschichtlichen Ereigniss hat sich die Zahl der Varietäten in den Gärten Europas plötzlich vermehrt, und alle Schriftsteller haben ange- fangen davon zu sprechen. 4) Die grössere Mehrzahl der Arten dieser Gattung findet sich in Südamerika. 5) Samen, welche dieser Art anzugehören scheinen, sind in peruanischen Gräbern, deren Alter etwas ungewiss ist, mit vielen andern ausschliesslich amerikanischen Arten vermischt aufgefunden worden.

Ich will die Frage nicht weiter prüfen, ob Phaseolus vulgaris vor dem Beginn des Anbaues in der Alten und gleichfalls in der Neuen Welt vorkam, weil derartige Beispiele unter den phanerogamen Landpflanzen der Tropenländer äusserst selten sind. Unter tausend kommt vielleicht noch nicht einmal eine vor, und selbst dann kann man noch oft eine durch den Menschen hervor- gerufene Wanderung vermuthen.! Um diese Hypothese in Bezug auf Ph. vulgaris zu erörtern, müsste man wenigstens diese Pflanze dem Anscheine nach wild- wachsend in der Alten und Neuen Welt gefunden haben, was aber nicht der Fall gewesen ist. Wenn sie einen so weiten Wohnsitz gehabt hätte, würde dies durch wirklich spontane Individuen in sehr voneinander ent- fernten Regionen ein und desselben Continents ange- deutet sein. Bei der folgenden Art, Ph. lunatus, findet dies in der That statt.

Phaseolus lunatus, Linne. Mondförmige Bohne (fr: Haricot courbe). Phaseolus lunatus macrocarpus, Bent- ham. Phas. inamænus, Linne (fr. Haricot de Lima).

1 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, Kapitel über die ge- trennten Arten.

DE CANDOLLE. 28

434 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Diese Bohnenart, sowie die Varietät von Lima ist in allen Tropenländern so verbreitet, dass man sie, ohne es zu ahnen, unter mehreren Namen beschrieben hat.! Alle ihre Formen lassen sich auf zwei Gruppen zurück- führen, aus welchen Linné zwei Arten machte. Die jetzt in den Gärten gewöhnlichste ist die, welche man seit Anfang dieses Jahrhunderts als Haricot de Lima kennt. Sie unterscheidet sich durch ihren hohen Wuchs und durch die Grösse ihrer Hülsen und Samen. In den Ländern, welche ihrem Gedeihen günstig sind, ist sie mehrjährig.

Linne glaubte, dass seine Phaseolus lunatus aus Ben- galen stamme und die andere Form aus Afrika, ohne indessen Beweise hierfür zu geben. Während eines Jahrhunderts wiederholte man das, was er gesagt hatte. Jetzt sieht Bentham?, der diesen Fragen nach dem Vaterlande grosse Aufmerksamkeit widmet, die Art und ihre Varietät als zweifelsohne amerikanisch an; er lässt nur über das Auftreten in Afrika und Asien als spon- tane Pflanze Zweifel laut werden.

Irgendein Anzeichen vom hohen Alter des Vorkom- mens in Asien ist mir unbekannt. Nicht nur ist die Pflanze nie im wildwachsenden Zustande gefunden wor- den, man kennt von ihr auch keine Namen in den neuern Sprachen Indiens noch im Sanskrit.” In den chinesi- schen Werken wird sie nicht erwähnt. Die Anglo-Indier nennen sie, wie die gemeine Schminkbohne, French bean*, ein Beweis, bis zu welchem Punkte die Cultur neuern Datums ist. |

In Afrika wird sie fast überall zwischen den Wende- kreisen angebaut. Schweinfurth und Ascherson? führen sie indessen für Abessinien, Nubien oder Aegypten nicht auf. Oliver® spricht von vielen Exemplaren aus Guinea

1 Phaseolus bipunctatus, Jacq., inamoenus, Linne, puberulus, Kunth, saccharatus, Mac-Fadyen u. S. w.

2 Bentham, in: Flora brasil., XV, 181.

3 Roxburgh, Piddington u. s. w. 4 Royle, Ill. Himalaya, S. 190.

5 Aufzählung, S. 257. 6 Oliver, Flora of tropical Africa, S. 192.

:

Aconitblätterige Bohne. 435

und dem Innern Afrikas, ohne weiter anzugeben, ob dieselben von spontanen oder angebauten Pflanzen stam- men. Würde die Art ursprünglich aus Afrika stammen oder hätte ihre Einführung dahin in sehr frühen Zeiten stattgefunden, so wäre auch ihre Verbreitung nach Aegyp- ten und Indien erfolgt.

Ganz anders treten uns die Thatsachen ın Südamerika entgegen. Bentham führt spontane Exemplare von der Region des Amazonenstroms und Centralbrasiliens an. Sie beziehen sich besonders auf die grossfrüchtige Form (macrocarpus). Dieselbe Varietät findet sich, nach Wittmack, in den peruanischen Gräbern von Ancon.! Hier haben wir es augenscheinlich mit einer brasilia- nischen Art zu thun, welche die Cultur seit langer Zeit im tropischen Amerika verbreitet und vielleicht hier und da naturalisirt hat. Ich möchte mich gern der Ansicht hinneigen, dass sie durch den Sklavenhandel nach Guinea eingeführt wurde und von dieser Seite aus das Innere des Landes und die Küste von Mozambique erreichte. | |

Phaseolus aconitifotius, Willdenow. Aconitblätterige Bohne (fr. Haricot à feuille d’Aconit).

Eine einjährige, in Indien als Futterpflanze angebaute Art; man kann ihre Samen auch essen, sie werden aber wenig geschätzt. Der hindustanische Name ist Mout, bei den Sikhs heisst sie Moth. Sie gleicht der Phaseolus trilobus, welche der Samen wegen angebaut wird.

Phaseolus aconitifolius ist in Britisch-Indien, von Cey- lon bis zum Himalaja spontan.?

Das Fehlen eines Sanskritnamens und verschiedener Namen in den neuern Sprachen Indiens lässt eine wenig alte Cultur vermuthen.

Phaseolus trilobus, Willdenow. Dreiblätterige Bohne (fr. Haricot trilobe).

1 Wittmack, Sitzungsber. d. bot. Vereins zu Brandenb. v. 19. Dec. 1879. 2 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, 299; Aitchison, Catal. of Punjab, S. 48; Sir J. Hocker, Flora of Brit. India, II, 202.

28*

436 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Eine der am meisten in Indien angebauten Bohnen!, wenigstens seit einigen Jahren, denn Roxburgh ? hatte sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur im spontanen Zustande gesehen. Alle Autoren stimmen in der An- gabe überein, dass sie am Fusse des Himalaja und bis nach Ceylon hin wildwachsend auftritt. Sie kommt auch in Nubien, in Abessinien und am Zambesi vor?, doch wird nicht gesagt, ob sie dort angebaut oder spon- tan ist.

Piddington führt einen Namen in Sanskrit und mehrere in den neuern Sprachen Indiens an, was auf eine Cultur oder eine Kenntniss der Art seit wenigstens drei Jahr- tausenden schliessen lässt.

Phaseolus Mungo, Linne. Mungobohne (fr. Mungo).

Eine in Indien und der Nilregion allgemein angebaute Art. Die beträchtliche Zahl ihrer Varietäten und das Vorkommen von drei verschiedenen Namen in den in- dischen Sprachen der Jetztzeit lassen ein Culturalter von wenigstens ein bis zweitausend Jahren vermuthen, einen Sanskritnamen führt man aber nicht an.* In Afrika ist sie wahrscheinlich von geringem Alter.

Die anglo-indischen Botaniker stimmen darin überein, dass sie in Indien spontan sei.

Dolichos Lablab, Linne. Lablab (fr. Lablab).

In Indien und dem tropischen Afrika baut man diese Art vielfach an. Roxburgh zählt bis sieben Varietäten, welche indische Namen haben. Piddington führt in seinem „Index‘ einen Sanskritnamen an, Schimbi, welcher sich in den neuern Sprachen wiederfindet. Die Cultur hat somit vielleicht ein Alter von wenigstens 3000 Jahren. Indessen hat sich die Art vor alters nicht in China und in Westasien oder Aegypten ausgebreitet, wenigstens

> Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, II, 201. s 2 Roxburgh, Flora indica, III, 299. 3 Schweinfurth, Beitr. z. Flora Aethiopiens, S. 15; Aufzählung, S. 257; Oliver, Flora- of tropical Africa, 8. 194. 4 Vel. die bei P. trilobus genannten Autoren. - 1

Lablab. Lubia. 437

entdecke ich keine Spur davon. Die geringe Ausdeh- nung mehrerer dieser essbaren Leguminosen ausserhalb Indiens während längst vergangener Zeiten ist eine ziemlich auffallende Thatsache. Es ist möglich, dass die Cultur dieser Art nicht sehr weit zurückgeht.

Der Lablab ist unstreitig in Indien und selbst angeb- lich auf Java spontan.! Er hat sich infolge der Cul- turen auf den Seychellen naturalisirt.? Die Angaben der Autoren gestatten es nicht, zu sagen, ob er in Afrika spontan sei.’

Dolichos Lubia, Forskal. Lubia‘ (fr. Lubia). Diese nach Forskal und Delile?® unter dem Namen

1 Sir J. Hooker, Flora of Brit. India, II, 209; Junghuhn, Plantae Junghuhn., fasc. II, 240.

2 Baker, Fl. of Mauritius, S. 83.

3 Oliver, Fl. of tropical Africa, II, 210.

4 „Von Aegypten erhielt ich Samen der unter dem Namen ZLoubich oder Zubia angebauten Art. Sir Joseph Hooker, dem ich dieselben zu- schickte, antwortet mir, dass es sich hier um die Catiang (Dolichos Catiang, L., Vigna Catiang, A. Richard) handle, welche in den tropischen,Regionen der Alten Welt angebaut wurde, und die ich zu meinem Leidwesen un- erwähnt gelassen habe. Von Dr. Schweinfurth, dem ich diese Samen zeigte, wurde mir die angedeutete Identität bestätigt. Die Lubia ist somit dieselbe Art wie Vigna Catiang, Dolichos sinensis, L., D. tranquebaricus, Jacq., und andere. Welches ist nun der geographische Ursprung dieser Art?

Roxburgh und Piddington erwähnen keinen Sanskritnamen, sondern nur zwei neuere hindustanische. Von Dr. Bretschneider wird die Catiang nicht unter den Arten aufgeführt, auf welche die alten chinesischen Schrift- steller hingewiesen haben. Einen hebräischen Namen kennt man nicht von ihr, und die ägyptischen Alterthümer haben keine Spur von ihr auf- gedeckt. Ihre Cultur scheint somit keine sehr alte zu sein. Roxburgh

"kannte die Art nur im angebauten Zustande. Baker (F1. Brit. Ind., II, 205)

stellt sie «in der tropischen Zone als einheimisch und angebaut» hin, wo- durch aber ihre spontane Eigenschaft für Indien nicht genügend nachge- wiesen wird. Die in Malabar einheimische Pflanze, von welcher Rheede spricht (Bd. VIII), scheint einer andern Art anzugehören. Rumphius (Am- boina, IX, 384, Taf. 141) gibt den Catiang in Fernate und auf den Mo- lukken als spontan an. Nach Richard (Fl. d’Abys., I, 219) ist unsere Pflanze eine Bewohnerin der Hecken und Gebüsche in Abessinien, sodass man sie fast als wildwachsend ansehen kann. Die Herren Schweinfurth und Ascherson gehen noch weiter, indem sie dieselbe zu den spontanen Arten Abessiniens rechnen (Aufzähl., S. 259), nicht einmal hinzufügen, dass man sie dort anbaue. Oliver endlich (F1. of trop. Africa, II, 204) verweist auf eine ganze Reihe von im tropischen Afrika gesammelten Exemplaren, ohne sich über die spontane Eigenschaft weiter auszulassen. Die Gattung Vigna findet sich in Asien, Afrika und Amerika, Arten finden sich von ihr aber weit mehr in Afrika als in Asien oder Amerika. So weit unsere augenblicklichen Kenntnisse reichen, kann das tropische Afrika als muthmaassliches Vaterland der Catiang hingestellt werden.“ (Vom Verfasser eingesandte Anmerkung.) h

5 Forskal, Descript., S. 133; Delile, Plant. cult. en Egypte, S. 14.

438 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Lubia, Loubya, Loubye in Aegypten angebaute Art ist den Botanikern wenig bekannt. Nach Delile findet sie sich auch in Syrien, Persien und Indien; in den neuern Werken über diese zwei Länder finde ich aber nirgends die Bestätigung hierfür. Schweinfurth und Ascherson! lassen sie freilich als besondere Art gelten, die in der Nilresion angebaut wird. Niemand hat sie bisjetzt spontan angetroffen.

Man kennt weder Dolichos noch Phaseolus in den Denkmälern des alten Aegypten. Wir werden auf an- dere, volksthümlichen Namen entlehnte Anzeichen stossen, die ebenfalls zu der Ansicht führen, dass sich diese Pflanzen nach der Pharaonenzeit in den ägyptischen Ackerbau eingeführt haben.

Der Name Zubia wird von den Berbern ohne irgend- welche Abänderung und in Spanien unter der Form Alubia auf die gemeine Schminkbohne, Phaseolus vul- garis, bezogen.?

Obgleich sich die beiden Gattungen Dolichos und Phaseolus sehr gleichen, so kann dies doch als Bei- spiel dienen, welch geringen Werth volksthümliche Na- men bei Feststellung der Arten darbieten.

Ich erinnere hier daran, dass Loba einer der Namen für Phaseolus vulgaris im Hindustani ist, und dass Lobia in derselben Sprache Dolichos sinensis bedentet.?

Für die Orientalisten würde es sich empfehlen, danach zu forschen, ob Lubia in den semitischen Sprachen ein alter Name ıst. Es ıst mir nicht bekannt, dass man einen ähnlichen Namen im Hebräischen anführt, und es wäre möglich, dass die Aramäer oder Araber Lubia für Lobos (koßo<) der Griechen angesehen hätten, was einen vorspringenden Theil bedeutet, z. B. den Ohrlappen, eine Frucht wie die der Hülsengewächse, und nach Ga-

1 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 256.

2 Dietionn. français-berbère, beim Worte haricot; Willkomm et Lange, Prodr. fl. hisp., III, 324. Die gemeine Schminkbohne hat auf der Spani- schen Halbinsel nicht weniger als fünf verschiedene Namen.

3 Piddington, Index.

Kriechender Erdbohrer. 439

lenus sich ganz insbesondere auf Phaseolus vulgaris be- zieht. Lobion (hoftoy) ist bei Dioscorides, wenigstens nach der Meinung der Commentatoren!, die Frucht von Phaseolus vulgaris. Im Neugriechischen findet es sich mit derselben Bedeutung in der Form von Loubion wieder.?

Glycine subterranea, Linne fil. Voandzeia subterranea, du Petit-Thouars. Kriechender Erdbohrer (fr. Voandzou).

Die Reisenden, welche zuerst Madagaskar erforschten, hatten dieses einjährige Hülsengewächs angetroffen, welches die dortigen Bewohner anbauen, um nach Art der Erbsen, Bohnen u. s. w. die Frucht oder die Samen zu essen. Es gleicht der Erdnuss, namentlich insofern, dass sich der Blumenträger zurücklegt und die junge Frucht oder Hülse in den Boden eindrückt. Die Cultur dieser Pflanze ist besonders in den Gärten des tropischen Afrika und weniger allgemein des südlichen Asien verbreitet.? In Amerika scheint sie wenig betrieben zu werden“, höch- stens in Brasilien, wo sie Mandubi d’Angola’ ge- nannt wird.

Die alten Schriftsteller über Asien sprechen nicht ‚von ihr. Somit muss man ihren Ursprung in Afrika suchen. Loureiro® hatte sie an der Ostküste dieses Continents gesehen, du Petit-Thouars auf Madagaskar, sie sagen aber nicht, ob sie dort spontan war. Die Verfasser der Flora von Senegambien? haben sie als in ‘Galam angebaut und „wahrscheinlich spontan“ be- schrieben: Schweinfurth und Ascherson® endlich haben

1 Lenz, Botanik der alten Griechen und Römer, S. 732.

2 Langkavel, Botanik der spätern Griechen, S. 4; Heldreich, Nutz- pflanzen Griechenlands, S. 72.

3 Sir J. Hooker, Flora of British India, II, 205; Miquel, Flora indo- batava, I, 175.

4 Linné fil., Decad., Bd. II, Taf. ‘19, scheint die Art mit Arachis ver- wechselt zu haben, und aus diesem Grunde führt er die Voandzeia viel- leicht als zu seiner "Zeit in Surinam angebaut an. Die jetzigen Autoren über Amerika haben sie nicht gesehen oder es unterlassen, von ihr zu sprechen.

5 Gardener’s Chronicle, 4. September 18380.

6 Loureiro, Flora Cochinchina, II, 523.

7 Guillemin, Perrottet, Richard, Florae Sene gambiae tentamen, S. 254.

8 Aufzählung, S. 259.

440 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

sie an den Ufern des Nils, von Chartum nach Gondo- koro wildwachsend angetroffen. Trotzdem die Möglich- keit einer Naturalisation infolge des Anbaues vorliegt, ist es äusserst wahrscheinlich, dass die Pflanze im inter- tropischen Afrika spontan sei.

Polygonum Fagopyrum, Linné. Fagopyrum esculen- tum, Mönch. Gemeiner Buchweizen, Heidekorn (fr. Sarrasin ou blé noir).

Die Geschichte dieser Art ist seit einigen Jahren sehr offen gelegt.

Sie wächst im natürlichen Zustande in der Man- dschurei, an den Ufern des Amurstromes!, in Daurien und in der Nähe des Baikalsees.? Sie wird auch in China und auf den Gebirgen Nordindiens angegeben?, es ist mir jedoch ungewiss, ob die wildwachsende Eigen- schaft der Pflanze dort nachgewiesen sei. Roxburgh hatte sie in Nordindien nur im angebauten Zustande gesehen, und Dr. Bretschneider * sieht das Indigenat für China als zweifelhaft an. Der Anbau daselbst ist nicht alt, denn der erste Autor, welcher von ihr gesprochen hat, schrieb in der zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung liegenden Periode.

Im Himalaja baut man den Buchweizen unter den Namen Ogal oder Ogla und Kouton an. Da weder für diese noch für die folgenden Arten Sanskritnamen be- kannt sind, so ist mir das hohe Alter ihrer Cultur auf den Gebirgen Centralasiens sehr zweifelhaft. Man weiss bestimmt, dass die Griechen und Römer die Fagopyrum- arten nicht kannten. Dieser griechische Name ist von den Botanikern der Neuzeit zusammengesetzt worden, weil die Form des Samens mit der Frucht der Buche (Fagus) Aehnlichkeit zeigt, wie man aus demselben

1 Maximowicz, Primitiae fl. amur., S. 236.

2 Ledebour, Fl. ross., III, 517.

3 Meissner, in: Prodr., XIV, 143.

4 Bretschneider, On study etc., S. 9.

5 Madden, Transactions of Edinb. Bot. Soc., V, 118.

Gemeiner Buchweizen, Heidekorn. 441

‚Grunde im Deutschen Buchweizen! und im Italie- nischen Faggina sagt.

Die europäischen Sprachen arischen Ursprungs haben keinen Namen für diese Pflanze, der auf eine gemein- schaftliche Wurzel hindeutet. Somit kannten die West- arier die Art ebenso wenig wie die Ostarier der Sanskrit- sprache, ein neuer Fingerzeig, dass sie ehemals in Cen- tralasien nicht vorkam. Auch jetzt noch ist sie wahr- scheinlich in Nordpersien und der Türkei unbekannt, weil sie in den Floren nicht erwähnt wird.” Bosc hat in dem landwirthschaftlichen Wörterbuch angeführt, dass Olivier sie in Persien wildwachsend gesehen hätte, in dem gedruckten Reisebericht dieses Naturforschers finde ich aber hierfür keinen Beweis.

Die Art kam im Mittelalter von der Tatarei und Russland nach Europa. Die erste Erwähnung ihres Anbaues in Deutschland findet sich in einem mecklen- burgischen Register vom Jahre 1436.% Im 16. Jahr- hundert hat sie sich nach Mitteleuropa verbreitet und hat dort auf armen Ländereien, wie jenen der Bretagne, einen wichtigen Platz eingenommen. Reynier, der meistens sehr genau ist, hatte sich vorgestellt, dass der Name Sarrasin aus dem Keltischen käme*, Le Gall hat mir aber vor kurzem geschrieben, dass die bretonischen Namen einfach Korn von schwarzer Farbe (Ed-du) oder schwarzen Weizen (Gwinis-du) bedeuten. Es gibt keinen ursprünglichen Namen in den keltischen Sprachen, was uns jetzt, wo wir den Ursprung der Art kennen, ganz natürlich erscheint.?

Als sich die Pflanze nach Frankreich und Belgien ein- führte und man sie selbst ın Italien kannte, d. h. im 16. Jahrhundert, ist der Name Blé sarrasin oder Sarrasin

1 Der englische Name Buckwheat und der französische einiger Gegen- den Buscail stammen aus dem Deutschen.

2 Boissier, F1. orient.; Buhse und Boissier, Pflanzen Transcaucasiens.

3 Pritzel, Sitzungsber. der naturforschenden Freunde zu Berlin vom 15. Mai 1866. _

4 Reynier, Économie des Celtes, S. 425.

5 In der Géographie bot. raisonnée, S. 953, habe ich die volksthüm- lichen Namen ausführlicher besprochen.

442 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

meistentheils angenommen worden. Die volksthümlichen Namen sind bisweilen so lächerlich, in so oberflächlicher Weise gegeben worden, dass man in dem vorliegenden Falle nicht wissen kann, ob der Name von der Farbe des Samens abstammt, welche die den Sarazenen zuge- schriebene war, oder von der Einführung, die vielleicht von den Arabern oder Mauren ausgegangen war. Man wusste damals noch nicht, dass die Art ın den Ländern südlich vom Mittelmeere, selbst nicht einmal in Syrien und Persien, gar nicht bekannt ist. Möglich ist es, dass man die Ansicht von einem südlichen Ursprunge wegen des Namens Sarrasin, der durch die Farbe begründet war, angenommen hat. Jedenfalls ist der südliche Ur- sprung bis Ende des verflossenen Jahrhunderts und selbst noch im gegenwärtigen nicht beanstandet worden.! Reynier hat ihn vor mehr als 50 Jahren zuerst be- kämpft.

Der Buchweizen entspringt zuweilen den Culturen und wird fast spontan. Dies tritt uns um so häufiger entgegen, je mehr man sich seinem Heimatlande nähert, und die Folge davon ist, dass es an den Grenzen Eu- ropas und Asiens, ım Himalaja oder in China schwer fallen dürfte, seine Grenze als spontane Pflanze festzu- stellen. In Japan sind diese Halbnaturalisationen nicht selten.?

Polygonum tataricum, Linne. Fagopyrum tataricum, Gärtner. Tatarischer Buchweizen (fr. Sarrasin ou ble noir de Tartarie).

Weniger empfindlich gegen Kälte als der gemeine Buchweizen, aber ein mittelmässiges Korn liefernd, baut man ihn zuweilen in Europa und Asien, z. B. im Hi- malaja an.” Es ist eine wenig alte Cultur. Die Schrift- steller des 16. und 17. Jahrhunderts haben die Pflanze nicht erwähnt, Linné ist einer der ersten, welcher von

1 Nemnich, Polygl.-Lexicon, S. 1030; Bosc, Diet. d’agricult., XI, 379. 2 Franchet et ra Enum. plant. Japoniae, I, 403. Royle, Ill. Himal., S. 317.

cs

Tatarischer und ausgerandeter Buchweizen. 443

ıhr als einer tatarischen Pflanze gesprochen hat. Zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts hatten Roxburgh- und Hamilton sie in Nordindien nicht gesehen, und in China und Japan finde ich sie auch nicht angegeben.

In der Tatarei und in Sibirien bis nach Daurien ist ihre Spontaneität keinem Zweifel unterworfen!; mehr nach Osten hin, z. B. in der Amurregion, haben die russischen Botaniker die Art nicht gefunden.”

Da diese Pflanze von der Tatarei nach Osteuropa gelangte, und zwar nach dem gewöhnlichen Buchweizen, so heisst letzterer in mehreren slawischen Sprachen Tatrika, Tatarka oder Tattar, welcher Name in Anbe- tracht des Ursprungs besser auf den tatarischen Buch- weizen passen würde.

Die arischen Völker mussten anscheinend diese Art sekannt haben, indessen findet man in den indo-euro- päischen Sprachen keinen Namen für sie. Bisjetzt ist noch keine Spur von ihr in den Ueberresten der schweizer oder savoyischen Pfahlbauten entdeckt worden.

Polygonum emarginatum, Roth. Fagopyrum emargi- natum, Meissner. Ausgerandeter Buchweizen (fr. Sarrasin émarginé).

Diese dritte Art von Buchweizen wird in den hoch- gelegenen und östlichen Theilen Nordindiens unter dem Namen Phaphra oder Phaphar?, sowie in China* an- gebaut.

Mir liegt kein bestimmter Beweis vor, dass man sie wildwachsend gefunden habe. Roth sagt nur, dass sie „China bewohne‘ und dass ihre Samen als Nahrung Verwendung finden. Don?’ war der erste, welcher von ‚ihr gesprochen hat, und er berichtet, dass man sie kaum als spontan ansähe. Sie wird weder in den Werken

1 Gmelin, Flora sibirica, III, 64; Ledebour, Flora rossica, III, 516.

2 Maximowicz, Primitiae; Regel, Opit flori etc.; Schmidt, Reisen im Amur-Lande, sprechen nicht von ihr.

3 Royle, Ill. Himal., S. 317; Madden, Trans. Bot. Soc. Edinb., V, 118

4 Roth, Catalecta botanica, I, 48. 5 Don, Prodr. fl. nepal., S. 74.

444 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

über die Amurregion noch in Japan angegeben. Nach, dem Lande, wo sie angebaut wird, zu schliessen, dürfte es wahrscheinlich sein, dass sie im östlichen Himalaja und dem nordwestlichen China wildwachsend auftritt.

Die Gattung Fagopyrum hat acht Arten, welche alle dem gemässigten Asien angehören.

Chenopodium Quinoa, Willdenow. Quinoa (fr. Quinoa).

In Neugranada, Peru und Chile bildete die Quinoapflanze zur Zeit der Eroberung eine der Grundlagen der Er- nährung für die Bewohner der hochgelegenen und ge- mässigten Gegenden jener Länder. Aus Gewohnheit und auch der Ergiebigkeit wegen hat man diese Cultur dort fortgesetzt.

Zu allen Zeiten hat man die Quinoapflanze mit bunter Belaubung und jene mit grünen Blättern und weissen Sa- men unterschieden. Letztere wurde von Moquin? als Varietät einer Art angesehen, die nicht gut bekannt und wahrscheinlich asiatischen Ursprungs sei; ich glaube aber deutlich genug nachgewiesen zu haben, dass die beiden Quinoapflanzen Amerikas wahrscheinlich sehr alte Rassen ein und derselben Art sind.” Man kann vermuthen, dass die weniger gefärbte, welche zugleich die mehl- haltigste ist, von der andern ihren Ursprung ableitet.

Nach den im „Botanical Magazine“ enthaltenen Be- richten liefert die weisse Quinoapflanze einen in Lima sehr geschätzten Samen; in demselben Werke findet sich auch eine gute Abbildung von ihr (Taf. 3641). Die Blätter geben ein dem Spinat ähnliches Gemüse.*?

Von keinem Botaniker wird die Quinoapflanze in einem spontanen oder fast spontanen Zustande erwähnt. Das neueste und vollständigste Werk über eines der Länder, in welchen man die Art anbaut, die Flora Chiles von Cl. Gay, spricht nur von ihr als einer an-

1 Molina, Hist. nat. du Chili, S. 101.

2 Moquin, in: Prodromus, XIII, 1, 67.

3 A. de Candolle, Géogr. bot. raisonnée, S. 952. 4 Bon Jardinier, 1880, S. 562.

Quinoa. Mehlreicher Fuchsschwanz. 445

gebauten Pflanze. Der Pater Feuillee und Humboldt haben sich in Bezug auf Peru und Neugranada in ähn- licher Weise ausgesprochen. Vielleicht haben die Sammler, weil das Aeussere der Pflanze wenig ins Auge fällt und sie mit einem Gartenunkraut viele Aehnlichkeit besitzt, es versäumt, wildwachsende Exemplare davon mitzu- bringen. Indessen versichert mir Philippi (Brief vom 15. August 1882), „dass die Art in Chile, von Acon- cagua bis nach Chiloe wildwachsend ist“.!

Amarantus frumentaceus, Roxburgh. Mehlreicher - Fuchsschwanz (fr. Kiery).

Eine einjährige Pflanze, deren kleine, mehlreiche Sa- men, wegen welcher sie auf der Indischen Halbinsel ange- baut wird, in einigen Gegenden die Hauptnahrung der Einwohner ausmachen.” Die mit dieser Art bepflanzten Felder bieten wegen der rothen oder goldigen Färbung der Blätter eine schöne Zierde für die Landschaft.

Nach dem, was Roxburgh berichtet, hatte Dr. Bucha- nan die Pflanze „auf den Hügeln von Mysore und Coim- batore‘ entdeckt, was einen wildwachsenden Zustand anzudeuten scheint.

Die in den Gärten angebaute und im „Botanical Ma-

gazine“, Taf. 2227, abgebildete Amarantus speciosus scheint dieselbe Art zu sein. Hamilton fand sie in Nepal. - An den Abhängen des Himalaja wird eine Varietät oder verwandte Art, Amarantus Anardana, Wallich *, angebaut, die von den Botanikern bisjetzt schlecht be- stimmt worden ist.

Andere Arten werden als Gemüse benutzt. Siehe oben S. 125, Amarantus gangeticus.

1 Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.

2 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., III, 609; Wight, Icones, Fig. 720; Aitchison, Punjab, S. 130. . 3 Madden, Trans. of the Edinb. Bot. Soc., V, 118.

4 Don, Prodr. fl. nepal., S. 76.

5 Wallich, List, Nr. 6903; Moquin, in: D.C. Prodr., XIII, 11, 256.

446 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Castanea vulgaris, Lamarck. Echte Kastanie, Ma- ronenbaum (fr. Chätaignier).

Die echte Kastanie aus der Familie der Cupuliferen hat einen ziemlich ausgedehnten, aber getrennten na- türlichen Wohnsitz. Sie bildet Wälder oder Holzungen in den gebirgigen Ländern der gemässigten Zone, vom Kaspisee bis nach Portugal. Man hat sie auch auf den Gebirgen von Edough in Algerien und neuerdings an den Grenzen von Tunis (Brief des Herrn Letourneux) gefunden. Berücksichtigt man die Varietäten Japonica und Americana, so findet sie sich auch in Japan und in dem gemässigten Theile von Nordamerika. In meh- rern Gegenden Süd- und Westeuropas hat man sie ge- säet und gepflanzt, sodass es schwer hält, zu wissen, ob sie dort spontan oder angebaut ist. Die Haupt- cultur besteht indessen darin, gute Varietäten auf Bäume geringerer Qualität zu pfropfen. Zu diesem Zwecke sucht man besonders die Varietät, welche die Maronen liefert, d. h. Früchte, die nur einen, ziemlich grossen Samen enthalten und nicht zwei oder drei kleine, durch Häute getrennte, wie dies bei der Art im wild- wachsenden Zustande vorkommt.

Die Römer unterschieden zu Plinius’ Zeiten? ur acht Varietäten, es lässt sich aber aus dem Original dieses Autors nicht ersehen, ob sie den Maronenbaum besassen. Die besten Kastanien kamen von Sardes (Klein- asien) und dem neapolitanischen Gebiete. Olivier de Serres® (im 16. Jahrhundert) lobt die Kastanien Sar- donne und Tuscanes, welche die sogenannten Maronen von Lyon gaben.* Er hält dafür, dass diese Varietäten von Italien kommen, und von Targioni? erfahren wir,

1 Für weitere Einzelheiten vgl. meinen Aufsatz im Prodromus, XVI, 11, 114, und Boissier, Fl. orient., IV, 1175.

2 Plinius, Hist. nat., 1. 19, c. 23.

3 Olivier de Serres, Théâtre de l’agriculture, S. 114.

4 Jetzt kommen die lyoner Maronen besonders aus der Dauphiné und dem Vivarais. Auch im Departement Var und bei Luc (Gasparin, Traité d’agricult., IV, 744) werden welche geerntet.

5 Targioni, Cenni storici, S. 180.

Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen. 447

dass der Name marrone oder marone schon im Mittel- alter (1170) in diesem Lande gebräuchlich war.

Weizen oder verwandte Formen und Arten.

Die unzähligen Rassen des eigentlichen Weizens, dessen Samen sich bei der Reife von selbst aus ihrer Umhüllung lösen, sind von Vilmorin! in vier Gruppen eingetheilt worden, welche je nach den Autoren be- stimmte Arten oder Abänderungen des gemeinen Wei- zens ausmachen. Zum Studium ihrer Geschichte muss ich sie hier unterscheiden, doch werden wir sehen, dass gerade ihre Geschichte die Ansicht von einer einzigen Art unterstützt.?

I. Triticum vulgare, Villars. Triticum hybernum und Tr. aestivum, Linne. Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen (fr. Froment ordinaire).

Nach den von Abbe Rozier und später von Tessier gemachten Versuchen ist die Unterscheidung von Winter- und Sommerweizen von keiner Bedeutung. „Aller Wei- zen“, sagt dieser letztere? der beiden landwirthschaft- lichen Schriftsteller, ‚‚ist entweder Winter- oder Som- mersorte. Mit der Zeit gehen sie alle, wie ich mich vergewissert habe, in den Zustand des Winter- oder Sommerweizens über. Es handelt sich nur darum, sie nach und nach daran zu gewöhnen, indem man all- mählich den Winterweizen (bles d’automne) später, den Sommerweizen (blés de Mars) früher aussäet, als es geschieht.“ Thatsache ist es, dass unter der unge- heueren Anzahl von angebauten Weizenrassen einige von der Winterkälte mehr zu leiden haben als andere, und daraus ist der Brauch entstanden, sie ım Früh- jahr auszusäen.* In Bezug auf die Frage nach dem

1 L. Vilmorin, Essai d’un catalogue méthodique et _synonymique des froments (Paris 1850).

2 Die besten Abbildungen dieser Hauptformen vom Weizen finden sich in: Metzger, Europäische Cerealien (Heidelberg 1824), und in: Host, Gramineae, Bd. III.

3 Tessier, Diet. d’agricult., VI, 198.

4 Loiseleur-Deslongchamps, Considérations sur les céréales, 8 . 219.

448 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Vaterlande brauchen wir uns kaum mit diesen Unter- scheidungen zu befassen, um so weniger als die meisten der erzielten Rassen auf sehr fernliegende Zeiten zu- rückgehen.

Die Weizencultur kann in der Alten Welt als prä- historisch hingestellt werden. Sehr alte Denkmäler Aegyptens, die aus einer frühern Zeit stammen als die Invasion der Hyksos, sowie die hebräischen Bücher weisen auf diese Cultur als eine schon begründete hin, und wenn die Aegypter oder die Griechen von ihrem Ursprunge gesprochen haben, so schrieben sie dieselbe mythischen Personen wie Isis, Ceres und Triptolemos zu.! In Europa bauten schon die Bewohner der ältesten Pfahlbauten in der westlichen Schweiz eine kleinkörnige Weizenart an, welche von Heer? als Triticum vulgare antiquorum sehr sorgfältig beschrieben und abgebildet worden ist. Nach einer Zusammenstellung verschiedener Thatsachen waren die ersten Pfahlbauten von Roben- hausen mehr oder minder mit dem Trojanischen Krieg gleichalterig, vielleicht auch noch älter. Die Cultur ihres Weizens hat sich nach den in Buchs gefundenen Proben bis zur Eroberung durch die Römer in der Schweiz erhalten. Regazzoni hat diese Weizenart eben- falls in den Ueberresten der Pfahlbauten von Varese, und Sordelli in jenen von Lagozza in der Lombardei entdeckt.? Unger hat dieselbe Form in einem Ziegel- stein der Pyramide von Dashur in Aegypten aufge- funden, welche nach ihm aus dem Jahre 3359 v. Chr. stammt (Unger, Bot. Streifzüge, VII; Ein Ziegel u. s. w., S. 9). Eine andere Varietät ( Tretieum vulgare - com- pactum muticum, Heer) war zu Beginn des Steinalters

1 Diese gelehrten Gegenstände sind in einer sehr wissenschaftlichen und sachgemässen Weise von vier Schriftstellern behandelt worden: Link, Ueber die ältere Geschichte der Getreidearten, in: Abhandl, der berliner Akademie, 1816, XVII, 122; 1826, S. 67, und in: Die Urwelt und das Alterthum, 2. Aufl. (Berlin 1834), S. 399; Reynier, Economie des Celtes et des Germains (1818), S. 417; Dureau de 1a Malle, Ann. des sc. nat., Bd. IX (1826); und Loiseleur-Deslongchamps, Considérat. sur les céréales (1342), 1052: x ’"2 0. Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 13, Taf. I, Fig. 14-18. 3 Sordelli, Sulle piante della torbiera di Lagozza, 8. 31.

Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen. 449

in der Schweiz weniger gewöhnlich, man hat sie aber häufiger in den nicht so alten Pfahlbauten der West- schweiz und Italiens angetroffen. Schliesslich wurde noch eine dritte, eine Zwischenvarietät in Agotelek in Ungarn gefunden, die zur Zeit des Steinalters angebaut wurde.” Keine von ihnen stimmt mit dem jetzt ange- bauten Weizen überein. Man hat sie durch bessere Formen ersetzt.

Für die Chinesen war der Weizen, den sie 2700 Jahre vor unserer Zeitrechnung anbauten, eine Gabe des Him- mels.” Bei der alljährlich wiederkehrenden, vom Kaiser Schen-nung oder Schin-nong angeordneten Feierlichkeit, fünf Samenarten auszusäen, bildet der Weizen eine dieser Arten, die vier andern sind der Reis, die Hirse, die Setaria italica und die Sojabohne.

Da verschiedene Namen für den Weizen in den älte- sten Sprachen vorkommen, müssen wir ein sehr hohes Alterthum für den Anbau annehmen. Es gibt Namen im Chinesischen, Mai, Sanskrit, Sumana und Gödhitma, Hebräischen, Chittah, Aegyptischen, Br, in der Sprache der Guanchen, Yrichen, abgesehen von mehreren aus dem ursprünglichen Sanskrit abgeleiteten Namen, oder von einem baskischen Namen, Ogaia oder Okhaya, der viel- leicht auf die Iberer zurückzuführen ist*, oder von meh- reren finnischen, tatarischen, türkischen u. s. w.°, welche wahrscheinlich von turanischen Namen abstammen. Diese ausserordentliche Verschiedenheit würde sich durch einen weiten Wohnsitz erklären lassen, wenn es sich um eine sehr gemeine wildwachsende Pflanze handelte, der Weizen befindet sich aber unter ganz entgegenge-

1 Heer, a. a. O.; Sordelli, a. a. O.

2 Nyary, von Sordelli angeführt, a. a. O.

3 Bretschneider, Study and value of Chinese bot. works, S. 7 u. 8.

4 Bretschneider, On study ete.; Ad. Pictet, Les origines indo-euro- péennes, 2. Aufl., I, 328; Rosenmüller, Biblische Naturgeschichte, I, 77; Pickering, Chronol. arrangement, S. 78; Webb et Berthelot, Canaries, part. Ethnographie, S. 187; d’Abadie, Notes mss. sur les noms basques; de Cha- rencey, Recherches sur les noms basques, in: Actes Soc. philolog., 1. März 1869.

5 Nemnich, Polygl.-Lexicon, S. 1492.

DE CANDOLLE. 29

450 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

setzten Bedingungen. Nur mit Mühe lässt sich sem Auftreten als wildwachsende Pflanze an einigen Punkten von Westasien nachweisen, wie wir gleich sehen wer- den. Wenn er, bevor man ıhn der Cultur unterwarf, sehr verbreitet gewesen wäre, würden Abkömmlinge von ihm hier und da in entfernten Ländern übriggeblieben sen. Die vielfachen Namen ın den alten Sprachen müssen somit eher aus dem äusserst hohen Cultur- alter in den gemässigten Regionen Asiens, Europas und Afrikas zu erklären sein, ein Alter, das weiter zu- rückgeht als die Sprachen, welche als die ältesten an- gesehen werden.

Welches war vor dem Beginn ihres Anbaues das Vaterland der Art in der unermesslichen Zone, die sich von China nach den Canaren erstreckt? - Man kann diese Frage auf zwei Wegen beantworten: 1) in- dem man die Meinung der Schriftsteller des Alterthums hört, 2) indem man das mehr oder minder erwiesene Vorkommen des Weizens im wildwachsenden Zustande in diesem oder jenem Lande nachweist.

Nach dem ältesten aller Geschichtschreiber, Berosus, einem chaldäischen Priester, von dem Herodot Bruch- stücke erhalten hat, sah man in Mesopotamien zwischen dem Euphrat und Tigris den wildwachsenden Weizen (Frumentum agreste).‘ Die Bibelverse über den Reich- thum an Weizen in dem Lande Kanaan, Aegypten u. s. w. beweisen weiter nichts, als dass man den Weizen an- baute und dieser sehr ergiebig war. Strabo?, geb. um 60 v. Chr., berichtet, dass Aristobulus zufolge in dem Lande der Musicani (an den Ufern des Indus beim 25. Breitengrade) ein Korn im spontanen Zustande wüchse, welches dem Weizen sehr ähnlich wäre. Er sagt auch’, dass in Hirkanien (dem jetzigen Masanderan) der aus den Aehren fallende Weizen sich von selbst aussäete. Dies lässt sich heutzutage mehr oder weniger überall wahr-

1 G. Syncelli, Chronogr., 1652, S. 28. 2 Strabo (1707), II, 1017. 3 Ebend., I, 124, und II, 776.

is an

Gemeiner Weizen, Winter- und Sommerweizen. 451

‚nehmen, und der Verfasser vergisst den wichtigen Punkt festzustellen, ob sich diese zufälligen Aussaaten an Ort und Stelle von Generation zu Generation weiter fort- pflanzten. Nach der Odyssee! wuchs der Weizen in Sicilien ohne Hülfe des Menschen. Was kann das Wort eines Dichters bedeuten und noch dazu eines solchen, dessen Dasein bestritten worden ist? Diodorus von Sicilien sagt zu Anfang der christlichen Zeitrechnung dasselbe, und man kann ihm mehr Vertrauen schenken, weil er ein geborener Sicilianer war. Er kann sich in- dessen über die spontane Eigenschaft leicht geirrt haben, da der Weizen damals in Sicilien ganz allgemein an- gebaut war. Eine andere Stelle in Diodorus? erwähnt die Ueberlieferung, dass Osiris von ungefähr auch unter andern Pflanzen wachsenden Weizen und Gerste ın Nisa antraf, und Dureau de La Malle hat nachgewiesen, dass diese Stadt in Palästina lag. Von allen diesen Zeugen- aussagen scheinen mir diejenigen von Berosus und Strabo für Mesopotamien und Ostindien die einzigen zu sein, welche einigen Werth besitzen.

Die fünf Samenarten der vom Kaiser Schin-nong ein- gesetzten Feierlichkeit werden von den chinesischen Ge- lehrten als in ihrem Lande einheimisch betrachtet?, und Dr. Bretschneider fügt hinzu, dass die Beziehungen Chinas mit -Westasien erst seit der Gesandtschaft von Schang-kien im 2. Jahrhundert v. Chr. datiren. Es be- darf jedoch einer bestimmtern Aussage, um den Weizen in China für einheimisch zu halten, denn es ist immer- hin möglich, dass eine Pflanze, welche in Westasien 2000 oder 3000 Jahre vor dem Kaiser Schin-nong an- gebaut wurde, und deren Samen so leicht fortzuschaffen sind, sich nach dem Norden Chinas durch vereinzelte und unbekannte Reisende in derselben Weise einführen liess, wie die Aprikosen- und Pfirsichkerne zu prä-

1 Odyssee, 1. 9, v. 109. 2 Diodor, französ. Uebersetzung von Terasson, II, 186, 190. 3 Bretschneider, a. a. O., S. 15.

29%

452 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

historischen Zeiten wahrscheinlich von China nach Per- sien gelangt sind.

Es ist von den Botanikern nachgewiesen worden, dass der wildwachsende Weizen gegenwärtig in Sieilien nicht vorkommt.! Zuweilen entspringt er den Culturen, man hat ihn aber nicht ins Unendliche fortdauern gesehen.? Die Pflanze, welche von den Bewohnern wildwachsender Weizen (Frumentu sarvaggiu) genannt wird, und die unbebaute Strecken Landes überzieht, ist nach der Aus- sage von Inzenga der Aegilops ovata.?

Ein eifriger Sammler, Balansa, glaubte den Weizen auf dem Berge Sipylus in Kleinasien unter Umständen gefunden zu haben, welche keinen Zweifel über seine spontane Beschaffenheit zuliessen‘; die von ihm mitge- brachte Pflanze ist aber nach einem sehr genauen Bo- taniker, welcher sie untersucht hat’, ein Einkorn, das Tritieum monococcum. Vor ıhm fand Olivier®, als er sich am rechten Ufer des Euphrat, im Nordwesten von Anah, einem für den Anbau ungeeigneten Lande be- fand, „den Weizen, die Gerste und das Einkorn in einer Art von Schlucht, und“, fügt er hinzu, „wir hatten dieselben schon mehreremal in Mesopotamien gesehen“.

Linne zufolge’ hatte Heintzelmann den Weizen im Lande der Baschkiren gefunden, doch hat niemand diese Aussage bestätigt, und von keinem Botaniker der Neu- zeit ist die Art wirklich spontan um den Kaukasus herum oder in Nordpersien angetroffen worden. Bunge®, dessen besondere Aufmerksamkeit auf diesen Punkt ge- richtet war, erklärt, dass er kein Anzeichen gefunden habe, welches zu dem Glauben berechtige, dass die Cerealien in diesen Ländern einheimisch seien. Es

1 Parlatore, Fl. ital., I, 46 u. 508. Seine Aussage verdient um so mehr Berücksichtigung, weil er Sicilianer war.

2 Strobl, in: Flora, 1830, S. 348.

3 Inzenga, Annal. agricult. sicil.

4 Bull. de la Soc. bot. de France, 1854, S. 108.

5 J. Gay, Bull. de la Soc. bot. de France, 1860, S. 50.

6 Olivier, Voy. dans l’Empire othoman (1307), III, 460.

7 Linné, Species plant., 2. Aufl., I, 127.

3 Bunge, Bull. de la Soc. bot. France, 1860, S. 29.

Englischer Weizen, Glockenweizen. 4553

scheint nicht einmal, als ob der Weizen eine Neigung hätte, in diesen Regionen ausserhalb des Culturbereichs zufällig aufzugehen. Für Nordindien, China oder die Mongolei habe ich keine Erwähnung von Spontaneität entdecken können.

Es bleibt schliesslich bemerkenswerth, dass zwei Aus- sagen über das Indigenat in Mesopotamien in einem Zwischenraume von 23 Jahrhunderten gemacht worden sind, die eine vor alters von Berosus und die andere in der Jetztzeit von Olivier. Die Region des Euphrat befand sich ungefähr in der Mitte der Culturzone, welche sich ehemals von China nach den Canarischen Inseln erstreckte, und es wird somit äusserst wahrscheinlich, dass sie der Hauptpunkt des Wohnsitzes in sehr alten prähistorischen Zeiten gewesen ist. Vielleicht dehnte sich dieser Wohnsitz in Anbetracht des ähnlichen Kli- mas nach Syrien aus; aber im Osten und Westen von Westasien ist der Weizen wahrscheinlich nie anders als im angebauten Zustande gewesen, d. h. in einer jeglicher bekannten Civilisation vorhergehenden Zeit.

I. Triticum turgidum et Tr. compositum, Linne. Englischer Weizen, Glockenweizen (fr. Gros blé, Peta- nielle ou Poulard).

Unter den sehr zahlreichen volksthümlichen Namen für die Formen dieser Gruppe bemerkt man den Namen . :Aegyptischer Weizen, und es scheint, dass man ihn augenblicklich viel in jenem Lande und in der ganzen Nilregion anbaut. A. P. de Candolle! berichtet, diesen Weizen unter den Sämereien erkannt zu haben, die alten Mumiensärgen entnommen waren, doch hatte er die Aehren nicht gesehen. Unger? ist der Meinung, dass derselbe von den alten Aegyptern angebaut wurde, gibt indessen hierfür keinen auf Zeichnungen oder auf gefundenen Proben gegründeten Beweis. Es erscheint

1 De Candolle, Physiol. bot., II, S. 696. 2 Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 31.

454 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

mir die Thatsache bezeichnend, dass man dieser Art keinen hebräischen oder aramäischen Namen! hat zu- schreiben können. Sie zeigt wenigstens, dass die so erstaunlichen Formen mit verzweigten Aehren, gemeinig- lich Wunderweizen (blé de miracle, blé d’abondance) genannt, in den alten Zeiten noch nicht vorkamen, denn sonst würden die Israeliten sie sicher gekannt haben. Man kennt auch keinen Sanskritnamen, nicht einmal neuere indische Namen, und einen persischen Namen entdecke ich ebenso wenig. Die arabischen Namen, welche Delile? auf die Art bezieht, müssen vielleicht andern Weizenformen zugeschrieben werden. Ein ber- berischer Name ist nicht vorhanden.? Aus allem scheint mir schliesslich hervorzugehen, dass die unter dem Na- men Triticum turgidum vereinigten Pflanzen, und be- sonders ihre Varietäten mit verzweigten Aehren, weder in Nordafrika noch in Westasien ein hohes Alter auf- weisen.

In seiner so sorgfältigen Arbeit über die Pflanzen der Pfahlbauten in der Schweiz während des Steinalters schreibt Oswald Heer? zwei nicht verzweigte Aehren, die eine bebartet, die andere fast bartlos, von welchen er Abbildungen veröffentlicht hat, dem Tr. turgidum zu. Später hat Messicommer bei einer Erforschung der Palafitten von Robenhausen sie nicht gefunden, obgleich eine Menge von Getreidekörnern angetroffen wurden.’ Ströbel und Pigorini berichten, „den Weizen «a grano grosso duro“ (Tr. turgidum) in den Parmesanischen Pfahlbauten gefunden zu haben. Uebrigens sieht Heer’ diese Form als eine Rasse des gemeinen Weizens an, und Sordelli scheint sich derselben Ansicht zuzuneigen.

Fraas vermuthet, dass mit dem Krithanias des Theo-

1 Rosenmüller, Bibl. Naturgeschichte; Löw, Aramäische Pflanzen- namen (1881).

2 Delile, Plantes cult. en Egypte, S. 3; Florae Aegypt. illustr., S. 5. Diet. français-berbère, publié par le gouvernement. Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig. 4; S. 52, Fig. 20. Messicommer, in: Flora, 1869, S. 320. Angeführt nach Sordelli, Notizie sull. Lagozza, S. 32. Heer, a. a. 0%, S: 50.

1 © GR 0

intitulé

Bartweizen. 455

phrast das Triticum turgidum gemeint war, dies ist aber völlig unsicher. Nach Heldreich! ist die Einführung des Gros blé in Griechenland neuern Datums. Plinius? hat kurz von einem Weizen mit verzweigten Aehren gesprochen, die 100 Körner enthielten, und dies wird wahrscheinlich unser Wunderweizen gewesen sein.

Somit stimmen die historischen und linguistischen Schriftstücke darin überein, die Formen des Triticum turgidum als in den Culturen erzielte Abänderungen des gemeinen Weizens anzusehen. Die Form mit ver- zweigten Aehren geht vielleicht nicht viel weiter zurück als bis auf die Zeiten des Plinius.

Diese Schlussfolgerungen würden in nichts zerfallen, wenn man Triticum turgidum im wildwachsenden Zu- stande entdeckte, was aber bisjetzt noch nicht in einer allem Zweifel überhobenen Weise der Fall gewesen ist. Was auch immer C. Koch? behauptet, niemand wird die Thatsache einräumen, dass Tr. turgidum bei Kon- stantinopel und in Kleinasien ausserhalb des Cultur- bereichs wachse. Das an Pflanzen des Orients so reiche Herbar von Boissier. besitzt diese Pflanze nicht. Für Aegypten wird sie von Schweinfurth und Ascherson als spontan angegeben, dies geschah aber infolge eines typographischen Irrthums.#

I. Triticum durum, Desfontaines. Bartweizen (fr. Blé dur).

Seit langer Zeit in der Berberei, in der Südschweiz und zuweilen noch anderswo angebaut, ist diese Weizen- art nie im wildwachsenden Zustande gefunden worden.

In den verschiedenen Provinzen Spaniens kennt man nicht weniger als 15 Namen dafür’, keiner derselben ist dem arabischen Namen Quemah entlehnt, welcher

1 Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, S. 5. 25Plmins, Hist., 1: 18, c. 10.

3 Koch, Linnaea, XXI, 427.

4 Brief von Dr. Ascherson, 1831.

5 Handschriftliches Verzeichniss volksthümlicher Namen.

456 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

in Algerien! und in Aegypten? der gebräuchlichste ist. Sehr befremdend ist das Fehlen von Namen in meh- reren andern Ländern und besonders von ursprüng- lichen Namen. Dies spricht ferner zu Gunsten einer Abstammung von dem gemeinen Weizen, die zu einer unbekannt gebliebenen Zeitperiode, vielleicht seit der christlichen Zeitrechnung, in Spanien und Nordafrika eintrat.

IV. Triticum polonicum, Linne. Polnischer Weizen (fr. Blé de Pologne).

Auch diese Art von Bartweizen mit noch längern Körnern, welche besonders in Osteuropa angebaut wird, ist nicht im wildwachsenden Zustande gefunden worden.

Im Deutschen gibt es einen Originalnamen, Ganer, Gommer, Gümmer?, in andern Sprachen aber nur solche Namen, welche sich auf Leute oder Länder be- ziehen, von welchen man die Samen bezogen hatte. Man kann nicht daran zweıfeln, dass wir es hier mit einer Form zu thun haben, die ın den Culturen, wahr- scheinlich in Osteuropa zu einer unbekannten, vielleicht ziemlich neuern Zeit erzielt wurde.

Schlussfolgerungen über die specifische Ein- heit dieser Hauptrassen.

Wir haben soeben darauf hingewiesen, dass die Ge- schichte und die volksthümlichen Namen der grossen Weizenrassen zu Gunsten einer mit dem Menschen gleich- zeitigen, wahrscheinlich nicht sehr alten Abstammung von der Form des gemeinen Weizens sprechen, vielleicht des kleinkörnigen Weizens, welcher einst von den Aegyp- tern und den Bewohnern der schweizer und italienischen Pfahlbauten angebaut wurde. Alefeld? gelangte zu der

1 Debeaux, Catal. des plantes de Boghar, S. 110.

2 Nach Delile, a. a. O., heisst der Weizen QamAh, und ein horniger, rother Weizen Qamh-ahmar.

3 Nemnich, Lexicon, S. 1488.

4 Alefeld, Botanische Zeitung, 1865, S. 9.

Ueber den angeblichen Mumienweizen. 457

Ansicht von der specifischen Einheit des Triticum vul- gare, turgidum und durum vermittelst eines sorgfältigen Studiums ihrer unter gleichen Bedingungen angebauten Formen. Die Versuche von Henri Vilmorin! über die künstlichen Befruchtungen dieser Weizenarten führen zu demselben Ergebniss. Obgleich Vilmorin noch nicht die Erzeugnisse von mehreren Generationen gesehen hat, hat er sich doch vergewissert, dass die verschieden- artigsten Hauptformen sich leicht kreuzen und keim- fähige Samen erzeugen. Wenn die Befruchtung als Maasstab des engen Verwandtschaftsgrades angesehen wird, welcher die Zusammenstellung von Individuen in eine einzige Art rechtfertigt, so darf man in diesem vorliegenden Falle keine weitern Bedenken hegen, zu- mal die historischen Erwägungen, von welchen ich ge- sprochen habe, dies weiter begründen.

Ueber den angeblichen Mumienweizen.

Bevor ich diesen Abschnitt beendige, halte ich die Bemerkung für passend, dass es noch nie gelungen ist, irgendeinen aus einem Sarge des alten Aegyptens entnommenen und von Gärtnern sorgfältig ausgesäeten Samen zum Keimen zu bringen. Nicht als ob dies zu den Unmöglichkeiten gehörte, denn die Samen halten sich um so viel besser, je mehr sie gegen den Zutritt von Luft und Temperatur- oder Feuchtigkeitsverände- rungen geschützt sind, und es bieten die ägyptischen Denkmäler sicherlich diese Bedingungen dar; Thatsache aber bleibt es, dass diese Aussaatversuche von diesen alten Samen nie Erfolg gehabt haben. Der Versuch, von welchem man am meisten geredet hat, ist jener des Grafen von Sternberg in Prag.” Derselbe hatte Weizen- körner erhalten, welche nach den Aussagen eines glaub- würdigen Reisenden aus einem Mumiensarge stammten. Zwei dieser Körner keimten, sagte man, doch ich habe

1 H. Vilmorin, Bulletin de la Société botanique de France, 1881, S. 356. 2 Flora, 1835, S. 4.

458° - Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

die Gewissheit erlangt, dass die gut unterrichteten Per- sonen in Deutschland irgendeine Betrügerei vermuthen, die entweder durch die Araber ausgeführt wurde, welche bisweilen neuere Samen (selbst vom Mais, einer ameri- kanischen Pflanze!) in die Gräber hineinschmuggeln, oder auch durch die Angestellten des ehrenwerthen Grafen von Sternberg. Die im Handel unter dem Namen von Mumienweizen verbreiteten Samen sind nie von irgend- einem Beweise bezüglich ihres alten Ursprungs begleitet gewesen.

Spelz, Dinkel und verwandte Formen oder Arten.!

Louis Vilmorin?, dem die ausgezeichnete Arbeit von Seringe über die Cerealien? als Muster diente, hat die Weizensorten in eine Gruppe vereinigt, deren Samen bei der Reife in ihrer Umhüllung eng eingeschlossen sind, sodass es einer besondern Vorkehrung bedarf, um sie aus derselben zu lösen eine Charakterisirung, welche mehr für den Landwirth als für den Botaniker von Bedeutung ist. Er zählt dann die Formen dieser mit einem Ueber- zuge versehenen Weizensorten unter drei Namen auf, die für die meisten der Botaniker mit ebenso vielen Arten gleichbedeutend sind.

I. Triticum Spelta, Linne. Spelz, Dinkel (fr. Epeautre, Grande Epeautre).

Mit Ausnahme des südlichen Deutschlands und der deutschen Schweiz wird die Cultur des Spelzes kaum irgendwo mehr betrieben. Früher verhielt es sich an- ders damit.

Die griechischen Autoren haben die Cerealien in so kurzer und nichtssagender Weise beschrieben, dass man immer über den Sinn der von ihnen gebrauchten Namen Zweifel hegen kann. Nach den von ihnen bezeichneten

1 Vgl. die Abbildungen von Metzger und Host in den soeben ge- nannten Werken.

2 Essai d’un catalogue méthodique des froments (Paris 1350).

3 Seringe, Monographie des céréales de la Suisse (Bern 1818).

Spelz, Dinkel. 459

Gebräuchen glauben die Gelehrten ! indessen, dass die ‚Griechen den Spelz zuerst Olyra, später Zeia genannt haben, Namen, welche sich bei Herodot und Homer finden. Dioscorides? unterscheidet zwei Sorten von Zeia, welche dem Triticum Spelta und Tr. monococcum zu entsprechen scheinen. Man glaubt, dass der Spelz der Semen (Korn im allgemeinen) und der Far des Plinius war, wel- cher den Lateinern, wie er berichtet, während 360 Jah- ren als Nahrung diente, ehe sie die Brotbereitung kann- ten.? Da der Spelz nicht in den Pfahlbauten der Schweiz und Italiens gefunden worden ist, und die Bewohner der erstern verwandte Formen, nämlich Tr. dicoccum und monococcum anbauten*, ist es immerhin möglich, dass der Far der Lateiner eine von diesen beiden Arten war.

Das Vorkommen des echten Spelzes im alten Aegypten und den benachbarten Ländern scheint mir noch zweifel- hafter zu sein. Die Olyra der Aegypter, von welcher Herodot spricht, war nicht die Olyra der Griechen. Einige Autoren haben die Vermuthung ausgesprochen, dass dies der Reis, Oryza°, war. Was den Spelz be- trifft, so ist dies eine Pflanze, die in den so warmen Ländern nicht angebaut wird. Die Forscher der Neu- zeit, von Rauwolf an bis auf unsere Tage, haben sie in den Culturen Aegyptens nicht gesehen. In den ägyp- tischen Denkmälern ist sie nicht aufgefunden worden. Dies brachte mich zu der Vermuthung’, dass das hebräische Wort Kussemeth, welches dreimal in der Bibel vorkommt °, sich nicht auf den Spelz beziehen könnte, was freilich der Ansicht jener, die als Kundige der hebräischen Sprache angesehen werden, entgegen-

1 Fraas, Synopsis fl. class., S. 307; Lenz, Botanik der Alten, S. 257.

2 Dioscorides, Mat. med., II, 111—115.

3 Plinius, Hist., 1. 18, e. 7; Targioni, Cenni storici, S. 6.

4 Heer, a. a. O., S. 6; Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 52.

5 Delile, Plantes cultivées en Egypte. S. 5.

6 Reynier, Econ. des Egyptiens, S. 337; Dureau de la Malle, Ann. sc. nat., IX, 72; Schweinfurth und Ascherson, a. à. O. Das Tr. Spelta von Forskal wird vomskeinem spätern Autor zugelassen.

7 Géogr. bot. raisonnée, S. 933.

8 2. Mosis IX, 32; Jesaias, XXVIII, 25; Hesekiel, IV, 9.

460 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

steht.! Ich hatte vermuthet, dass hiermit vielleicht die verwandte Form Tr. monococcum gemeint sei, dieselbe wird jedoch ebenso wenig in Aegypten angebaut.

Der Spelz hat keinen Namen im Sanskrit, nicht ein- mal in den neuern Sprachen Indiens und im Persischen?, also noch viel weniger im Chinesischen. Dagegen gibt es sehr viele europäische Namen, die auf eine alte Cultur, besonders in Osteuropa hinweisen, z. B. Spelta im Alt- sächsischen, woraus Epeautre entstanden ist; Dinkel im Neudeutschen, Orkisz im Polnischen, Pobla im Rus- sischen ? sind dagegen Namen, welche ganz verschiedene Wurzeln zu haben scheinen. In Südeuropa sind die Namen seltener. Ein spanischer Name, Escandia*, der Asturier muss jedoch genannt werden; baskische Namen kenne ich nicht.

Die historischen und namentlich die linguistischen Wahrscheinlichkeiten sprechen zu Gunsten eines Ur- sprungs im gemässigten Osteuropa und einem Asien benachbarten Gebiete. Wir wollen sehen, ob die Pflanze im wildwachsenden Zustande entdeckt worden ist.

Wir haben bereits auf die Stelle verwiesen’, wo Olivier berichtet, den Spelz mehreremal in Mesopota- mien gefunden zu haben, und zwar ganz insbesondere am rechten Euphratufer, im Norden von Anah an einem für die Cultur ungeeigneten Orte. Ein anderer Bota- niker, Andre Michaux, hatte denselben 1783 in der Nähe von Hamadan, einer Stadt der gemässigten Region Persiens, gesehen. Dureau de La Malle zufolge hatte er Samen davon an Bosc geschickt, welcher aus dresen in Paris ausgesäeten Samen den gemeinen Spelz ge- wonnen hatte; dies erscheint mir aber zweifelhaft, denn weder Lamarck im Jahre 1786°, noch Bose selbst im

1 Rosenmüller, Bibl. Alterthumskunde, IV, S3; Second, französ. Ueber- setzung des Alten Testaments, 1874.

2 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 348.

3 Ebend.; Nemnich, Lexicon.

4 Willkomm et Lange, Prodr. fl. hispan., I, 107. |

5 Olivier, Voyage (1807), III, 460.

6 Lamarck, Diet. encycl., II, 560.

Emmer, Amelkorn. 461

dem 1809 veröffentlichten ,, Dictionnaire d’agrieulture‘, "Abschnitt Epeautre, sagen ein Wort hierüber. Die Her- barien des Pariser naturgeschichtlichen Museums ent- halten kein Exemplar der Cerealien, von welchen Olivier spricht.

Wie man sieht, ist der Ursprung der Art als spon- tane Pflanze sehr ungewiss. Dies veranlasst mich, jener Hypothese mehr Bedeutung beizulegen, nach welcher der Spelz durch die Cultur vom gemeinen Weizen ab- stamme, oder aus einer Zwischenform zu einer prä- historischen nicht sehr alten Periode hervorgegangen sel. Die Versuche von H. Vilmorin! tragen zur Be- gründung derselben bei, denn die Kreuzungen des Spelzes mit dem weissen zottigen Weizen und umge- kehrt haben Sprösslinge hervorgebracht, die vollkommen fruchtbar waren und in ihren Merkmalen ein Gemisch von beiden Aeltern aufwiesen, wenn auch die des Spelzes etwas vorwiegend waren.?

IL Triticum dicoccum, Schrank. Tritieum amyleum, Seringe. Emmer, Amelkorn (fr. Amidonier).

Diese besonders in der Schweiz des Stärkemehls wegen angebaute Form hat von den strengen Wintern gar nicht zu leiden. Sie enthält, wie der echte Spelz, zwei Samen in jedem Aehrchen.

Von Heer? wird eine im den schweizer Pfahlbauten von Wangen im schlechten Zustande gefundene Aehre auf eine Varietät des Tr. dicoccum bezogen. Seitdem hat Messicommer dasselbe in Robenhausen gefunden.

Man hat die Art nie im spontanen Zustande gesehen. Die Seltenheit von volksthümlichen Namen ist auffallend. Beides, ferner auch der geringe Werth der botanischen Merkmale, um sie von Tr. Spelta zu unterscheiden, veranlassen uns, sie als eine alte angebaute Rasse letz- terer zu betrachten.

1 H. Vilmorin, Bull. de la Soc. bot. de France, 1881, S. 858, 2 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig..22, 23, und 8. 15. 3 Ebend.

462 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Ill. Triticum monococcum, Linne. Einkorn, Spelzreis, Schwabenkorn (fr. Locular, Engrain, Petit Epeautre).

Das Einkorn unterscheidet sich von den vorhergehen- den dadurch, dass nur ein Same in dem Aehrchen enthalten ist, und auch durch andere Charaktere, weshalb die meisten Botaniker sie als eine wirklich verschie- dene Art ansehen. Die Versuche von H. Vilmorin ! unterstützen bisjetzt diese Ansicht, denn es ist ihm nicht gelungen, das Triticum monococcum mit den an- dern Spelz- oder Weizenarten zu kreuzen. Das kann, wie er selbst bemerkt, durch irgendeine Kleinigkeit bei dem Kreuzungsverfahren hervorgerufen worden sein. Er beabsichtigt, die Versuche zu wiederholen, und wird dann vielleicht mehr Erfolg haben. Inzwischen wollen wir sehen, ob diese Spelzform von alter Cultur ist und ob man sie irgendwo in einem wildwachsenden Zustande angetroffen hat.

Das Einkorn begnügt sich mit dem schlechtesten und steinigsten Boden. Es ist wenig ergiebig, liefert aber vorzüglich feines Mehl. Man säet es besonders in Ge- birgsländern, in Spanien, Frankreich und Osteuropa, da- gegen finde ich dasselbe in der Berberei, in Aegypten, dem Orient oder in Indien und China nicht erwähnt.

Man glaubte es nach einigen Worten im Tiphai des Theophrast? wiederzuerkennen. Mit weniger Mühe kann man sich auf Dioscorides? beziehen, denn dieser unter- scheidet zwei Sorten von Zeia, von welchen die eine zwei, die andere einen Samen trägt. Letztere würde das Einkorn sein. Nichts weist darauf hin, dass die Griechen und Lateiner dasselbe für gewöhnlich anbauten.

1

1 ,,H. Vilmorin sagt (Bull. Soc. bot. France, 1883, S. 62), dass es ihm

im dritten und vierten Jahre nicht besser als im ersten geglückt sei, das Triticum monococcum mit den andern Triticumarten zu kreuzen. Nun will er die Kreuzung mit Triticum boeoticum, Boissier, aus Serbien versuchen, von welcher Art ich durch die Güte des Herrn Pancié Samen erhalten habe. Dies wird ein interessanter Versuch werden, weil man annimmt, dass diese Art der Stammvater des angebauten 77. monococcun ist.“ (Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.)

2 Fraas, Synopsis fl. class., S. 307.

3 Dioscorides, Mat. med., 3, ec. III, 155.

Einkorn, Spelzreis, Schwabenkorn. 463

Von ihren Nachkommen wird es auch gegenwärtig nicht verwerthet.!

Dasselbe besitzt weder einen Sanskrit- noch persi- schen oder arabischen Namen. Früher hatte ich die Hypothese aufgestellt, dass mit dem Kussemeth der He- bräer diese Pflanze gemeint sein könnte, jetzt dagegen scheint es mir schwer, diese Behauptung aufrecht zu erhalten.

Marschall Bieberstein? hatte das Triticum monococcum, wenigstens eine besondere Form desselben, in der Krim und dem östlichen Kaukasus als spontan angegeben, dies ist aber von keinem Botaniker bestätigt worden. Steven, welcher in der Krim lebte, erklärt die Art nie anders als von den Tataren angebaut gesehen zu haben. Andererseits ist die von Balansa auf dem Gebirge Si- pylus in Armenien im spontanen Zustande gesammelte Pflanze nach J. Gay“ das Tr. monococcum, und derselbe bringt mit dieser Form auch das Triticum boeoticum, Boissier, zusammen, welches in der Ebene von Büotien* und in Serbien ® spontan ist.

Nach diesen Thatsachen würde das Triticum mono- coccum aus Serbien, Griechenland und Kleinasien stammen, und da es nicht geglückt ist, dasselbe mit den andern Spelz- oder Weizenarten zu kreuzen, so hat man Recht, daraus im Sinne Linné’s eine Art zu machen.

- Was die Trennung der Weizensorten mit freien Samen und der Spelzarten betrifft, so dürfte sie aus einer Zeit

1 Heldreich, Nutzpflanzen BE

2 Bieberstein, Flora tauro-caucas., I, 85.

3 Steven, Verzeichniss der en 4. taurischen Halbinsel, S. 354.

4 Bull. Soc. bot. de France, 1860, S. 30.

5 Boissier, Diagnoses, Serie 1; fasc. 13, ME :69:

6 Balansa (1854), Nr. 137, im Herbarium Boissier, woselbst man auch ein auf den Feldern in Serbien gefundenes Exemplar, sowie eine auf den Wiesen in Serbien wachsende, von Pancic eingeschickte Varietät mit brau- nen Grannen antreffen kann. Derselbe Botaniker von Belgrad hat mir spontane Exemplare aus Serbien geschickt, welche ich von Tr. monococcum nicht unterscheiden konnte. Er bestätigt es mir, dass man letztere in Ser- bien nicht anbaut. Bentham schreibt mir, dass Triticum boeoticum, von welchem er mehrere Exemplare aus Kleinasien gesehen hat, seiner Mei- nung nach das monococcum ist.

464 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

datiren, die den historischen Angaben, vielleicht den ee alles Ackerbaues vorhergeht. Weizen würde sich zuerst in Asien gezeigt haben, dann die Spelzarten vielmehr in Osteuropa und Anatolien. Schliesslich würde unter den Spelzen das Tr. monococcum die älteste Form sein, von welcher sich die andern infolge einer seit mehreren tausend Jahren bestehenden Cultur und einer natürlichen Züchtung entfernt hätten.

Hordeum distichon, Linne. Zweizeilige Gerste (fr. Orge à deux rangs).

Die Gerstenarten gehören zu den ältesten angebauten Pflanzen. Da die Bedingungen für ihr Wachsthum fast die- selben sind und sie auch gleiche Verwendung finden, so darf man bei den Schriftstellern des Alterthums und in den volksthümlichen Sprachen nicht die Genauigkeit voraus- setzen, welche es uns ermöglicht, die von den Botanikern zugelassenen Arten zu erkennen. In vielen Fällen hat man sich des Wortes Gerste in einem unbestimmten oder generischen Sinne bedient. Dies ist eine Schwierig- keit, welche wir nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Die Ausdrücke im Alten Testament, von Berosus, Moses von Khorene, Pausanias, Marco Polo, und mehr in neuerer Zeit von Olivier, welche ‚die spontane oder angebaute Gerste“ in diesem oder jenem Lande angeben, beweisen beispielsweise gar nichts, weil man nicht weiss, welche Art gemeint ist. Für China gilt dasselbe Dunkel. Dr. Bretschneider! sagt, dass die Chinesen, einem im Jahre 100 vor unserer Zeitrechnung veröffentlichten Werke zufolge, eine „Gerste“ anbauten, doch erklärt dies nicht welche. Im äussersten Westen der Alten Welt bauten die Guanchen ebenfalls Gerste an, von welcher man den Namen, aber nicht die Art kennt.

Die ee Gerste ist unter ihrer gewöhnlichen Form, bei welcher die Körner bis zur Reife bedeckt sind, wildwachsend in Westasien gefunden worden, näm-

1 Bretschneider, On the study etc., 8. 8.

Zweizeilige Gerste. 465

lich im Peträischen Arabien!, um den Berg Sinai? herum, auf den Ruinen von Persepolis?, in der Nähe des Kaspisees*, zwischen Lenkoran und Baku, in der Wüste von Schirwan und Awhasie, ebenfalls im Süden des Kau- kasus 5, und in Turkmanien.$ Von keinem Autor wird sie für die Krim, Griechenland, Aegypten oder im Osten Persiens angegeben. Willdenow ? führt sie in Samara, im südöstlichen Russland an, was von den neuern Au- toren nicht bestätigt wird. Das gegenwärtige Vater- land ist somit vom Rothen Meer bis nach dem Kau- kasus und dem Kaspisee.

Danach müsste die zweizeilige Gerste eine der von den semitischen und turanischen Völkern angebauten Formen sein. Indessen hat man sie in den ägyptischen Denkmälern nicht gefunden. Es scheint, als ob die Arier sie hätten kennen müssen, in den volksthümlichen Namen oder der Geschichte finde ich aber keine Be- weise hierfür.

Theophrast® spricht von der zweizeiligen Gerste. Die Bewohner der Pfahlbauten in der Ostschweiz bauten sie an, bevor sie Metalle besassen”, die sechszeilige Gerste war bei ihnen aber gewöhnlicher.

Die Rasse, bei welcher der Same zur Reifezeit nackt ist (H. distichon nudum, Linne), welche man im Fran- zösischen unter allen möglichen abgeschmackten Namen kennt, Orge à cafe, O. du Pérou ete., ist nie im wild- eksehden Zustande gefunden worden.

Die Reisgerste (Hordeum Zeocriton, Linne, fr. l’Orge en éventail) scheint mir eine cultivirte Form der zwei-

1 Herbarium Boissier, ein von Reuter gut bestimmtes Exemplar. 2 Figari et de Notaris, Agrostologiae aegypt. fragm., S. 18.

t 3 Sehr ärmliche, von Kotschy, Nr. 290, gesammelte Pflanze, von wel- cher ich ein Exemplar besitze. Boissier hat sie bestimmt als 7. distichon, varietas.

4 C. A. Meyer, Verzeichniss, S. 26, nach den auch von Ledebour, Fl, ross., IV, 327, gesehenen Exemplaren.

3 Ledebour, a. .3..0.

6 Regel, Descr. plant. nov. (1881), fasc. 8, S. 37.

7 Willdenow, Spec. plant., I, 473.

8 Theophrastus, Hist. plant. F5 0C:,4.

9 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 13; Messicommer, Flora, bot.

Zeitung, 1869, S. 320.

DE CANDOLLE,

C9

0

466 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

zeiligen Gerste zu sein. Man kennt sie nicht im spon- tanen Zustande. Man hat sie weder in den ägyptischen Denkmälern, noch in den Ueberresten der schweizer, savoyischen und italienischen Pfahlbauten gefunden.

Hordeum vulgare, Linne. Gemeine Gerste (fr. Orge commune).

Die gemeine vierzeilige Gerste ist von Theophrast erwähnt worden!, es scheint aber, als ob man sie im Alterthum weniger anbaute als die zwei- und sechs- zeilige Gerste.

Auch sie ist weder in den ägyptischen Denkmälern noch in den Ueberresten der schweizer, savoyischen und italienischen Pfahlbauten gefunden worden.

Willdenow? sagt, dass sie in Sicilien und im süd- östlichen Russland, in Samara, wachse; die neuern Flo- ren jener Länder bestätigen dies keineswegs. Auch weiss man nicht, welche Gerstenart von Olivier in Meso- potamien wildwachsend gesehen worden war; demnach ist die gemeine Gerste noch nicht in sicherer Weise wildwachsend gefunden worden.

Die Menge der ihr zugeschriebenen volksthümlichen Namen ist von keinem Nutzen, um den Ursprung nach- zuweisen, denn in den meisten Fällen ist es unmöglich, zu wissen, ob dieses Namen für die Gerste im allge- meinen sind, oder für eine besondere, in diesem oder jenem Lande angebaute Art.

Hordeum hexastichon, Linne. Sechszeilige Gerste (fr. Orge à six rangs, Escourgeon).

Dies war die am meisten im Alterthum angebaute Art. Nicht nur die Griechen haben von 1hr gesprochen, sondern man hat sie auch in den ältesten Denkmälern Aegyptens gefunden, sowie in den Ueberresten der

1 Theophrastus, Hist. plant., 1. 8, e. 4.

2 Willdenow, Species plant., I, 472.

3 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 33; Ein Ziegel der Dashur- Pyramide, S. 109.

Sechszeilige Gerste. 467

schweizer (Steinalter), savoyischen und italienischen (Bronzezeitalter) Pfahlbauten.! Heer hat selbst bei der vor Zeiten in der Schweiz angebauten Art zwei Varie- täten unterschieden. Die eine derselben stimmt mit der sechszeiligen Gerste überein, welche 600 Jahre v. Chr. auf den Medaillen von Metaponte, einer Stadt des südlichen Italien, abgebildet wurde.

Nach Roxburgh? war dies die einzige zu Ende des verflossenen Jahrhunderts in Indien angebaute Gerste. Er bezieht den Sanskrıtnamen Yuwa auf sie, aus welchem im Bengali Juba geworden ist. Adolphe Pictet? hat die Sanskritnamen und jene der indo-euro- päischen Sprachen, welche sich auf den Gattungsnamen Gerste beziehen, sorgfältig geprüft, den jede Art be- treffenden Einzelheiten hat er aber nicht folgen können.

Die sechszeilige Gerste ist nicht unter solchen Be- dingungen einer spontanen ‚Pflanze gesehen worden, dass ein Botaniker daraus die Art festgestellt haben würde. In dem an Pflanzen des Orients so reichen

Herbar des Herrn Boissier habe ich sie nicht gefunden.

Möglich ist es, dass die wildwachsenden, von alten Au- toren und von Olivier erwähnten Gerstensorten das Hordeum hexastichon gewesen sind, Beweise hierfür fehlen aber.

Ueber die Gerstensorten im allgemeinen.

Wir haben soeben gesehen, dass die einzige, heutzu- tage wildwachsend angetroffene Form die einfachste, die am wenigsten ergiebige ist, Hordeum distichon, deren Cultur wie die von H. hexastichon prähistorisch ist. Vielleicht ist die Cultur von H. vulgare eine weniger alte als die der beiden andern.

1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig. 2 u. 3; S. 13, Fig. 9; Flora, bot. Zeitung, 1869, S. 320; de Mortillet, nach Perrin, Études pré- historiques sur la Savoie, S. 23; Sordelli, Sulle piante della torbiera di Lagozza, S. 33.

2 Roxburgh, Flora indica (1832), I, 358.

3 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 333.

30=

468 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Aus diesen Angaben lassen sich zwei Hypothesen auf- stellen: 1) Eine Abstammung der vier- und sechszeiligen Gerstensorten von den zweizeiligen, eine Abstammung, welche auf prähistorische Culturen zurückzuführen wäre, welche jenen der alten Aegypter, der Erbauer der Denk- mäler, vorhergingen. 2) Die vier- und sechszeiligen Gerstensorten wären einst spontane Arten gewesen, die seit der historischen Epoche ausgestorben wären. In diesem Falle würde es höchst eigenthümlich sein, dass keine Spur von ihnen in den Floren der zwischen dem Indus, dem Schwarzen Meer und Abessinien gelegenen weiten Region übriggeblieben wäre, wo doch die Cultur wenigstens der sechszeiligen Gerste mit ziemlicher Sicher- heit nachgewiesen worden ist.

Secale cereale, Linne. Roggen (fr. Seigle).

Die Cultur des Roggens ist keine sehr alte, es sei denn vielleicht in Russland und Thrazien.

In den ägyptischen Monumenten ist er nicht gefunden worden, und in den semitischen Sprachen, selbst den neuern, finden sich keine Namen für ıhn. Ganz das- selbe ist der Fall im Sanskrit und den indischen Sprachen, welche vom Sanskrit abgeleitet werden. Diese Thatsachen stimmen mit dem Umstande überein, dass der Roggen in den nördlichen Ländern besser gedeiht als in jenen des Südens, wo er in unserer Zeit meistens nicht angebaut wird. Dr. Bretschneider ! glaubt, dass derselbe den chinesischen Landwirthen unbekannt ist. Er bezweifelt die entgegengesetzte Aussage eines Schrift- stellers der Neuzeit und hebt hervor, dass eine in den Denkschriften des Kaisers Kanghi erwähnte Getreideart, welche man möglicherweise für diese Art halten kann, ihrem Namen zufolge aus Russland gebrachter Weizen be- deutet. Nun wird der Roggen, wie er sagt, in Sibirien viel angebaut. In den japanischen Floren ist nicht die Rede von ihm.

1 Bretschneider, On study etc., S. 18, 44.

SF.

ER ha ee

Roggen, 469

Die alten Griechen kannten ihn nicht. Der erste Schriftsteller, welcher ihn zur Zeit des römischen Kaiser- reichs erwähnt hat, ist Plinius!, welcher von dem in Turin am Fusse der Alpen unter dem Namen Asia an- gebauten Roggen spricht. Galenus?, im Jahre 131 un- serer Zeitrechnung geboren, hatte ihn in Thrazien und Macedonien unter dem Namen Briza angebaut gesehen. Diese Culturen scheinen, wenigstens in Italien, von kei- nem hohen Alter zu sein, denn man hat in den Ueber- resten der Pfahlbauten Norditaliens, Savoyens und der Schweiz, selbst jenen der Bronzezeit, keinen Roggen gefunden. Jetteles hat solchen zugleich mit bronzenen Werkzeugen in der Nähe von Olmütz aufgefunden, und Heer*, welcher diese Proben gesehen hat, spricht noch von andern in der Schweiz, die aus der Römerzeit stammen.

In . Ermangelung archäologischer Beweise weisen die europäischen Sprachen darauf hin, dass der Roggen seit langer Zeit in den germanischen, keltischen und slawi- schen Ländern bekannt war. Der Hauptname gehört, Adolphe Pictet* zufolge, den Völkern Nordeuropas an: angelsächsisch Ryge, Rig, skandinavisch Rägr, altdeutsch Roggo, altslawisch Ruji, Roji, polnisch Rez, illyrisch Raz u. s. w. Der Ursprung dieses Namens muss, sagt er, auf eine der Trennung .der Germanen und Litauer Slawen vorhergehende Epoche zurückzuführen sein. Das lateinische Wort Secale findet sich unter einer fast gleichen Form bei den Bretonen, Segal, und bei den Basken, Cekela, Zekhalea; man weiss aber nicht, ob die Lateiner dasselbe von den Galliern und Iberern ent- lehnt haben, oder ob umgekehrt diese letztern den Na- men von den Römern erhielten. Diese zweite Hypo- these erscheint wahrscheinlich, weil die diesseit der Alpen wohnenden Gallier zu Plinius’ Zeiten sich eines

us Kiste. 18,-er 16. 2 Galenus, De alimentis, I, 13, angeführt nach Lenz, Botanik d. Alten, 8. 259. 3 Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten, S. 16. 4 Ad. Pictet, Origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 344.

u A

470 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

ganz verschiedenen Namens bedienten. Ich finde auch einen tatarischen, Aresch!, und einen ossetischen Namen, Syl, Sil?, erwähnt, welche auf eine alte Cultur im Osten Europas schliessen lassen.

Somit weisen die historischen und linguistischen An- gaben auf einen wahrscheinlichen Ursprung in den Ländern im Norden der Donau, sowie auf eine Cultur hin, die für das römische Kaiserreich kaum über die christliche Zeitrechnung hinausgeht, in Russland und der Tatarei vielleicht aber älter ist.

Der Hinweis auf den wildwachsenden Roggen, wie er von mehreren Autoren gegeben wird, darf fast nie als Thatsache angenommen werden, denn es ist häufig vor-, gekommen, dass man mit Secale cereale ausdauernde Arten verwechselt hat oder auch solche, deren Aehre leicht bricht, welche von den Botanikern der Neuzeit mit Recht unterschieden wurden.® Viele Irrthümer, welche daraus hervorgingen, sind durch die Unter- suchung von Originalexemplaren beseitigt worden; an- dere lassen sich muthmaassen. So weiss ich wirklich nicht, was man von den Aussagen des Herrn L. Ross denken soll, der da behauptete, den wildwachsenden Roggen in mehreren Gegenden von Anatolien gefunden zu haben, noch von jenen des russischen Reisenden Ssaewerzoff, welcher ihn in Turkestan gefunden haben will.’ Letztere Thatsache ist freilich ziemlich wahr- scheinlich, doch wird nicht gesagt, dass ein Botaniker die Pflanze als solche erkannt hätte. Kunth® hatte be- reits „die Wüste zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaspisee‘“ angegeben, ohne zu sagen nach welchem Reisenden oder welchen Exemplaren. Das Herbar von

1 Nemnich, Lexicon der Naturgeschichte.

2 Pietet,,a. a. O.

3 Secale fragile, Bieberstein; S. anatolicum, Boissier; $. montanum, Gussone; $. villosum, Linné. In der „Geographie botanique“, S. 936, habe ich die Irrthümer erklärt, welche aus dieser Verwirrung hervorge- gangen, als man den Roggen für Sicilien, Kreta und zuweilen für Russ- land als spontan hinstellte.

4 Flora, bot. Zeitung, 1850, S. 520. 5 Ebend., 1369, S. 93.

6 Kunth, Enum., I, 149.

AN en Eh n

Gemeiner und türkischer Hafer. | 471

Boissier hat mir kein spontanes Secale cereale gezeigt, es hat mir aber die Ueberzeugung gegeben, dass ein Reisender eine andere Roggenart leicht für diese an- sehen kann, und dass daher die Aussagen sorgfältig geprüft werden müssen.

In Ermangelung genügender Beweise für wildwach- sende Individuen liess ich früher in meiner „Geographie botanique raisonnée‘ einen Beleg von einiger Bedeu- tung gelten. Secale cereale säet sich ausserhalb der Culturen von selbst aus und wird in den Ländern des österreichischen Kaiserstaats! fast spontan, was sich kaum anderswo wahrnehmen lässt.? So findet der Roggen im östlichen Theile Europas. wo die Geschichte auf eine alte Cultur hinweist, heutzutage die günstigsten Bedin- gungen zu seinem Fortkommen ohne Hülfe des Menschen.

Nach dieser Gesammtmasse von Thatsachen kann man kaum noch daran zweifeln, dass der Roggen in der Re- gion zu Hause sei, welche sich zwischen den Alpen Oesterreichs und dem Norden des Kaspisees erstreckt. Dies ist um so wahrscheinlicher, da dıe fünf oder sechs andern bekannten Arten der Gattung Secale das ge- mässigte Westasien und den Südosten Europas be- wohnen.

Falls dieser Ursprung zugelassen wird, würden die arischen Völker die Art nicht gekannt haben, wie die Sprachforschung dies schon nachgewiesen hat; bei ihren "Wanderungen nach Westen hin haben sie denselben aber unter verschiedenen Namen antreffen müssen, und würden diese dann da und dorthin weitergeführt haben.

Avena sativa, Linne, und Avena orientalis, Schreber. Gemeiner und türkischer Hafer (fr. Avoine ordinaire und Avoine d'Orient).

1 Sadler, F1. pesth., I, 80; Host, Fl. austr., I, 177; Baumgarten, Fl. transyl., III, 225; Neilreich, Fl. Wien, S. 58; Visiani, Fl. dalmat., I, 97; Farkas, Fl. croatica, S. 1288.

2 Strobl hat ihn indessen um den Aetna herum in den Holzungen ge- sehen, und zwar infolge der Einführung seiner Cultur im 18. Jahrhundert. (Oesterr. bot. Zeitung, 1881, S. 159.)

472 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Der Hafer wurde bei den alten Aegyptern und den Hebräern nicht angebaut, jetzt wird er aber in Aegyp- ten ausgesäet.! Weder im Sanskrit noch in den neuern Sprachen Indiens kennt man einen Namen dafür. Die Engländer säen ihn zuweilen in Indien aus, um ihre Pferde damit zu füttern.” In China wird der Hafer zuerst in einem historischen Werke über die Jahre 626 bis 907 der christlichen Zeitrechnung erwähnt, und es handelt sich hier um die Varietät, welche die Botaniker Avena sativa nuda* nennen. Den alten Griechen war die Gattung Hafer gut bekannt, welche sie Bromos* nannten, wie sie von den Lateinern Avena genannt wurde, diese Namen beziehen sich aber gemeiniglich auf Arten, welche man nicht anbaut, und die zu den unter den Cerealien vorkommenden Unkräutern gehören. Es liegt kein Beweis vor, dass sie den gemeinen Hafer an- gebaut haben. Die Bemerkung des Plinius”, dass die Germanen sich von dem aus dieser Pflanze gewonnenen Mehle nährten, lässt annehmen, dass die Römer sie nicht anbauten.

Die Hafercultur wurde somit vor alters im Norden von Italien und Griechenland betrieben. Später hat sie sich theilweise auch im Süden des Römischen Kaiser- reichs ausgebreitet. Möglich ist es, dass sie in Klein- asien ältern Datums war, denn Galenus® berichtet, dass der Hafer in Mysien, oberhalb Pergamum, in Fülle vor- handen war, dass man die Pferde damit fütterte und die Menschen sich in den Jahren der Noth davon nähr- ten. Eine gallische Colonie war vor Zeiten in Klein- asien gegründet worden.

Hafer ist in den Ueberresten der schweizer Pfahl- bauten aus der Bronzezeit gefunden worden’, desgleichen in Deutschland nahe bei Wittenberg in mehreren Grä-

Schweinfurth und Ascherson, Beiträge zur Flora Aethiopiens, S. 298 Royle, Ill., S. 419.

Bretschneider, On the study etc., S. 18, 44.

Fraas, Synopsis fl. class., S. 303; Lenz, Botanik der Alten, S. 243. Plinius, Hist., 1. 18, c. 17. 6 Galenus, De alimentis, I, c. 12. Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 6, Fig. 24.

IUPON m

i lan dub. éd à

Gemeiner und türkischer Hafer. 473

bern aus den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeit- ‘rechnung oder aus einer etwas ältern Zeit.! Bisjetzt haben die Pfahlbauten des nördlichen Italien noch kei- nen aufgewiesen, wodurch die Annahme bestätigt wird, dass die Art zur Zeit der Römischen Republik nicht angebaut wurde.

Die Namen beweisen ferner ein altes Vorkommen im Norden und Westen der Alpen und an den Grenzen Europas nach dem Kaukasus und der Tatarei zu. Der verbreitetste dieser Namen wird durch das lateinische Avena bezeichnet, der altslawische Name ist Ovisu, Ovesu, Ovsa, der russische Ovesu, der litauische Awiza, der lettische Ausas, der ostjakische Abis.? Das englische Oats stammt, nach Ad. Pictet, aus dem angelsächsischen Afa oder Afe. Aus dem baskischen Namen Olba oder Oloa® kann man auf eine sehr alte Cultur bei den Iberern schliessen.

Die keltischen Namen sind von den andern verschie- dent: Coörce, Cuirce, Corca, im Irischen, Kerch im Ar- moricanischen. Der tatarische Name Sulu, der geor- gische Kari, der ungarische Zab, der kroatische Zob, der esthnische Kaer und andere mehr werden von Nemnich® als auf das generische Wort Avena bezügliche angegeben, es ist aber nicht wahrscheinlich, dass der- artig verschiedene Namen bestanden hätten, wenn es sich nicht um eine angebaute Art gehandelt hätte. Als ‚etwas Eigenthümliches erinnere ich an einen berberischen Namen Zekkoum®, obgleich nichts eine alte Cultur in Afrika vermuthen lässt.

Alles Vorhergehende liefert den Beweis, wie falsch jene Ansicht war, nach welcher der Hafer von der Insel Juan Fernandez stammte, eine Meinung, die im ver- flossenen Jahrhundert vorwaltete” und aus einer Be-

1 Lenz, Botanik der Alten, S. 245.

2 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 350.

3 Von Clos mitgetheilte Anmerkungen. 4 Ad. Pictet, a. a. O.

5 Nemnich, Polyglotten-Lexicon für Naturgeschichte, S. 548.

6 Diet. français-berbère, veröffentlicht von der französ. Regierung. 7 Linné, Species, S. 118; Lamarck, Dict, encycl., I, 431.

474 _ Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

hauptung des Seefahrers Anson! hervorgegangen zu sein scheint. Nicht in der südlichen Hemisphäre muss man das Vaterland der Art suchen, sondern augenscheinlich in den Ländern der nördlichen Hemisphäre, wo man sie seit alters angebaut hat. Wir wollen nun sehen, ob sie sich daselbst noch in einem spontanen Zustande an- treffen lässt.

Der Hafer säet sich auf Schutthaufen, an Wegen und in der Nähe angebauter Strecken leichter aus als die andern Getreidearten und setzt sich dort bisweilen so fest, dass er das Aussehen einer spontanen Pflanze ge- winnt. Diese Beobachtung ist in sehr voneinander ent- fernten Gegenden, wie Algerien und Japan, Paris und Nordehina, gemacht worden.?

Derartige Thatsachen müssen uns gegen den Hafer, welchen Bové in der Wüste des Berges Sinai gefunden haben will, mit Mistrauen erfüllen. Es ist auch be- hauptet worden, dass der Reisende Olivier den wild- wachsenden Hafer in Persien gesehen hätte, in seinem Werke spricht er aber nicht davon. Ausserdem ist es leicht, dass ein Reisender durch mehrere einjährige, dem gemeinen Hafer sehr ähnliche‘ Arten irregeleitet wird. Weder in den Büchern, noch in den Herbarien kann ich das Vorkommen von wirklich spontanen Individuen, sei es in Asien, sei es in Europa, entdecken, und von Bentham erhielt ich die Bestätigung, dass es solche in den reichen Herbarien zu Kew nicht gibt; gewiss aber zeigt sich bei dieser wie bei den Formen, auf welche ich” gleich zu sprechen kommen werde, die fast spon- tane oder fast naturalisirte Bedingung in den öster- reichischen Staaten, von Dalmatien sch Siebenbürgen? häufiger als irgendwo anders. Dies ist eine Angabe

: Phillips, Cult. veget., II, 4.

2 Munby, Catal. Alger., 2. Aufl., S. 36; Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., II, 175; Cosson, Fl. Paris, I 637; Ei Enum. chin., DT für die Varietät nvda.

3 Lamarck, Dict. encycl., I, 331.

4 Visiani, FL dalmat., T, 69; Host, Fl. austr., I, 133; Neilreich, Fl. Wien, S. 85; Baumgarten, Enum. Transylv., III, 259; Farkas, Fl. croa- tica, S. 1277.

Echte Hirse. 475

des Ursprungs, welche man den historischen und lin- guistischen Wahrscheinlichkeiten zu Gunsten des ge- mässigten Osteuropas hinzufügen muss.

Avena strigosa, Schreber, ist nach den Culturver- suchen, auf welche Bentham hinweist, eine Form des gemeinen Hafers, freilich bedürfen dieselben, fügt er hinzu, noch der Bestätigung. In Host, „Icones Gra- minum austriacorum“, Bd. II, Taf. 56, findet sich eine gute Abbildung dieser Pflanze, und es ist interessant, dieselbe mit der Taf. 59 von A. sativa zu vergleichen. Uebrigens hat man Avena strögosa nicht im spon- tanen Zustande gefunden. Sie zeigt sich in Europa auf den sich selbst überlassenen Feldern, was die Hypo- these von einer durch Cultureinflüsse abgestammten Form unterstützt.

Avena orientalis, deren Aehrchen sich nur nach einer Seite neigen, wird auch seit Ende des 18. Jahrhunderts in Europa angebaut. Im spontanen Zustande kennt man sie nicht. Oft mit dem gemeinen Hafer vermischt, unter- scheidet sie sich beim ersten Anblick von demselben. Die ihr in Deutschland beigelegten Namen türkischer oder ungarischer Hafer, weisen auf eine neuere, von Osten kommende Einführung hin. Sie ist von Host sehr gut abgebildet worden (,,Gram. austr.“, Bd. I, Taf. 44).

Indem diese Haferarten angebaut waren, ohne dass man weder die einen noch die andern in wirklich spontanem Zustande entdeckt hätte, wird es sehr wahrscheinlich, dass sie von einer einzigen, prähistorischen Form ab- stammen, deren Vaterland das gemässigte Osteuropa und die Tatarei war.

Panicum miliaceum, Linné. Echte Hirse (fr. Mallet commun).

In Südeuropa, Aegypten und Asien ist die Cultur dieser Graminee eine prähistorische. Die Griechen kann-

1 Bentham, Handbook of British Flora, 4. Aufl., S. 544.

476 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

ten sie als Kegchros, die Lateiner als Milium.! Die Bewohner der schweizer Pfahlbauten machten zur Stein- zeit grossen Gebrauch von dieser Hirse.? Man hat sie auch in den Ueberresten der Palafitten des Varesersees in Italien gefunden.” Da anderswo solche Proben aus diesen alten Zeiten nicht gefunden werden, ist es un- möglich, zu wissen, welches das von den lateinischen Autoren erwähnte Panicum oder Sorghum war, welches den Bewohnern Galliens, Pannoniens und anderer Länder zur Nahrung diente.

Unger zählt Panicum miliaceum zu den Arten des alten Aegypten, es scheint aber nicht, als ob er hier- für bestimmte Beweise besitzt, denn weder Denkmal noch in den Gräbern gefundene Zeichnung oder Samen werden von ihm angegeben. Ebenso wenig hat man materielle Beweise von alter Cultur in Mesopotamien, Indien und China. Für letzteres Land ist die Frage aufgeworfen worden, ob der Schu, eine der fünf Ce- realien, welche der Kaiser alljährlich unter grossen Feier- lichkeiten aussäen liess, das Panicum miliaceum, eine verwandte Art oder auch Sorghum sei; es scheint aber, dass der Sinn des Wortes Schu sich verändert hat, und dass man einst vielleicht Sorghum oder Durra? aussäete.

Die anglo-indischen Botaniker® schreiben der jetzigen Art zwei Sanskritnamen zu, Unu und Vrihib-heda, ob- gleich der neuere hindostanische und bengalische Name China und der Telinganame Worga ganz verschieden sind. Wenn die Sanskritnamen echt sind, so weisen sie auf eine alte Cultur in Indien hin. Man kennt weder einen hebräischen noch berberischen Namen’; dagegen gibt es arabische Namen, Dokhn in Aegypten und Kos-

1 Die Stellen von Theophrast, Cato und andern sind in Lenz, Botanik der Alten, S. 232, übersetzt.

2 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 17.

3 Regazzoni, Riv. arch. prov. di Como (1880), fase. 7. Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 34. Bretschneider, Study and value of Chinese bot. works, S. 7, S u. 45. Roxburgh, Fl. ind. (1832), S. 310; Piddington, Index. Rosenmüller, Bibl. Alterthumsk.; Dictionn. francais-berb£re.

[ou

bte u We ee

Echte Hirse. 477

jaejb in Arabien gebräuchlich.! Die europäischen Namen sind verschiedenartig. Ausser den zwei griechischen und lateinischen Namen gibt es einen altslawischen Proso?, der in Russland und Polen beibehalten ist, einen alt- deutschen Namen Hirsi und einen litauischen Sora.? Das Fehlen von keltischen Namen ist auffallend. Es scheint, als ob die Art ganz besonders in Osteuropa angebaut worden wäre und sich zu Ende der gallischen Oberherrschaft nach Westen zu verbreitet hätte. Wir wollen sehen, ob sie sich irgendwo spontan findet. Linne® sagte, dass sie Indien bewohne, und die meisten Autoren wiederholen es; dagegen führen die anglo-in- dischen Botaniker? sie immer als angebaut an. Sie fin- det sich nicht in den Floren Japans. In Nordchina hat Bunge sie nur angebaut gesehen®, Maximowiez in der Nähe von Ussuri, an Wiesenrändern und an Localitäten, die nahe bei chinesischen Wohnplätzen lagen.” Nach Ledebour® ist sie im altaischen Sibirien und mittlern Russland fast spontan, im Süden des Kaukasus und in Talysch spontan. Für letzteres Land beruft er sich auf Hohenacker. Dieser sagt jedoch: „fast spontan“.? In der Krim, wo sie das Brot der Tataren ausmacht, findet man sie hier und da fast spontan !’, was eben- falls in Südfrankreich, Italien und Oesterreich!!! der Fall ist. Sie ist in Griechenland nicht spontan!?, und niemand hat sie in Persien oder Syrien gesehen. Forskal und Delile haben sie für Aegypten angeführt; Ascherson

1 Delile, Fl. Aegypt., S. 3; Forskal, Arab., S. cıv.

2 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 351.

3 Ebendas.

4 Linne, Species plant., I, 86.

5 Roxburgh, a. a. O.; Aitchison, Punjab, S. 159.

6 Bunge, Enumer., Nr. 400.

7 Maximowicz, Primitiae Amur., S. 330.

8 Ledebour, F]. ross., IV, 469.

9 Hohenacker, Plant. Talysch., S. 13.

10 Steven, Verzeichniss der taurischen Halbinsel, S. 371.

11 Mutel, Fl. franç., IV, 20; Parlatore, Fl. ital., I, 122; Visiani, Fl. dalmat., I, 60; Neilreich, F1. Nieder-Oesterr., S. 32.

12 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands, S. 3; Pflanzen der attischen Ebene, S. 516.

478 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

lässt dies nicht zu!, und Forskal führt sie für Ara- bien an.?

Die Art hätte sich in dieser Region seit der Zeit der alten Aegypter infolge eines häufigen Anbaues na- turalisiren können. Indessen ist die spontane Beschaffen- heit anderswo so zweifelhaft, dass die Wahrscheinlich- keit für einen ägypto-arabischen Ursprung spricht.

Panicum italicum, Linne. Setaria italica, Beauvois. Borstengras (fr. Panic d’Italie oder Millet à grappe).

Die Cultur dieser Art ist in der prähistorischen Epoche eine der verbreitetsten in den gemässigten Theilen der Alten Welt gewesen. Ihre Samen dienten dem Menschen zur Nahrung, während sie jetzt besonders als Vogel- futter benutzt werden.

In China gehört sie zu den fünf Pflanzen, welche der Kaiser bei einer öffentlichen F eierlichkeit nach den 2700 Jahre v. Chr. gegebenen Befehlen von Schen-nung alljährlich aussäen muss.” Der gewöhnliche Name ist Siao-mi (kleines Korn), und der ältere Name war Ku, doch scheint dieser auf eine ganz verschiedene Art an- gewandt worden zu sein.* Pickering sagt, sie in zwei Zeichnungen des alten Aegypten erkannt zu haben’, und fügt hinzu, dass sie jetzt dort unter dem Namen Dokn angebaut wird, dies ist aber der Name für Pani-

cum miliaceum. Es ist somit sehr zweifelhaft, dass die

alten Aegypter sie angebaut haben.

Man hat sie in den Ueberresten der schweizer Pfahl- bauten aus der Steinzeit gefunden, natürlich um so mehr auch in jenen Savoyens aus der darauf folgenden Epoche.®

Die alten Griechen und Lateiner haben von ihr nicht

1 Ascherson benachrichtigte mich in einem Briefe, dass man in der „Aufzählung“ das Wort cult. nach dem Panicum miliaceum aus Versehen weggelassen habe.

= Forskal, F1. arab., S. cıv.

3 Bretschneider, On the study and value of er. bot. works, S.7, 8.

4 Ebend., S. 9. 5 Nach Unger, a. a. O., S.

6 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 5, Fig. mn 5. 17, Fig..28, 29. Per- rin, Études préhistor. sur la Savoie, S. 22,

les.

Ai

A nn

Pr

Borstengras. 479

gesprochen, oder man hat wenigstens die Art nach dem, was sie über mehrere Panicum- oder Miliumarten sagen, nicht bestimmen gekonnt. Heutzutage wird die Art nur selten in Südeuropa angebaut, in Griechenland z. B. ganz und gar nicht!, auch sehe ich sie nicht in Aegyp- ten angegeben, dagegen ist sie in Südasien häufig.? Dieser Graminee werden die Sanskritnamen Kungu und Priyungu zugeschrieben; ersterer hat sich im Bengali erhalten.” In seinem Index führt Piddington mehrere andere Namen aus indischen Sprachen an. Ains- lies? nennt einen persischen Namen, Arzun, und einen arabischen; letzterer wird aber gewöhnlich auf Panicum miliaceum bezogen. Einen hebräischen Namen gibt es nicht, und die Pflanze wird in den botanischen Werken über Aegypten und Arabien nicht angeführt. Die euro- päischen Namen haben keinerlei historischen Werth; sie haben nichts Ursprüngliches und beziehen sich meistens auf die Fortpflanzung der Art nach andern Ländern oder auf ihre Cultur in diesem oder jenem Lande. Der specifische Name italicum ist hierfür ein recht abgeschmacktes Beispiel, da die Pflanze in Italien kaum angebaut, geschweige denn spontan war. Rumphius nennt sie spontan auf den Sunda-Inseln, ohne indessen sehr bestätigend zu sein.? Wahrschein- lich ging Linné hiervon aus, um einen Irrthum zu über- treiben und selbst weiter zu bringen, indem er sagt: „Be- wohnt Indien.“ Sicherlich stammt sie nicht von Ost- indien. Roxburgh versichert, sie in Indien nie wild- wachsend gesehen zu haben. In der „Flora“ von Sir J. Hooker sind die Gramineen noch nicht erschienen; aber beispielsweise führt Aïtchison? die Art als ausschliess- lich im nordwestlichen Indien angebaut an. Die Pflanze Australiens, von welcher Robert Brown gesagt hatte,

1 Heldreich, Nutzpflanzen Griechenlands.

2 Roxburgh, Fl. ind. (1832), I, 302; Rumphius, Amboyn., V, 202, Taf. 75. 3 Roxburgh, a. a. O. 4 Ainslies, Mat. med. ind., I, 226.

5 Obeurrit in Baleya etc. (Rumphius, V, 202).

6 Habitat in Indiis (Linné, Spec., I, 83).

7 Aitchison, Catal. of Punjab, S. 162.

480 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

dass sie diese Art sei, gehört einer andern an.t In Japan scheint P. italicum spontan zu sein, wenigstens unter der von einigen Autoren germanica genannten Form?, und die Chinesen betrachten die fünf Cerealien der jährlichen Feierlichkeit als ihrem Lande angehörig. Indessen haben Bunge in Nordchina und Maximowicz in der Amurregion die Art nur im Grossen angebaut gesehen, und zwar immer in der Form der Varietät germanica.® Für Persien*, die Kaukasusregion und Europa finde ich in den Floren nur die Angabe als angebaute Pflanze, die bisweilen den Culturen entspringt und sich auf Schutthaufen, an Landstrassen, auf sandi- : gen Strecken u. s. w. festsetzt.°

Nach Zusammenstellung der historischen, linguisti- schen und botanischen Schriftstücke gelange ich zu der Ansicht, dass die Art vor jeglicher ‘Cultur, d. h. vor Tausenden von Jahren, in China, Japan und dem In- dischen Archipel vorkam. Die Cultur muss sich seit alters nach Westen verbreitet haben, weil Sanskrit- namen bekannt sind; es scheint aber nicht, als ob sie sich nach Arabien, Syrien und Griechenland hin ausge- breitet habe, und wahrscheinlich gelangte sie frühzeitig durch Russland und Oesterreich hindurch zu den Be- wohnern der schweizer Pfahlbauten aus der Steinzeit.

Holcus Sorghum, Linne. Andropogon Sorghum, Bro- tero. Sorghum vulgare, Persoon. Kaffernhirse (fr. Sorgho commun).

In Bezug auf die Unterscheidung mehrerer Sorghum- arten und selbst bezüglich der Aufstellung von Gat- tungen in dieser Gramineenabtheilung weichen die Mei- nungen der Botaniker sehr voneinander ab. Eine gute monographische Arbeit würde hier wie für die Paniceen.

1 Bentham, Flora austral., VII, 49.

2 Franchet et Savatier, Enum. Japon., II, 262.

3 Bunge, Enum., Nr. 399; Maximowicz, Primitiae Amur., S. 330. 4 Buhse, Aufzählung, S. 232.

5 Vgl. Parlatore, Fl. ital., I, 113; Mutel, Fl. franç., IV, 20 etc.

Kaffernhirse. 481

sehr erwünscht sein. Inzwischen will ich hier einige Aufschlüsse über die Hauptarten geben, welche bei der Ernährung des Menschen, zur Anzucht des Geflügels und als Futter eine sehr wichtige Rolle spielen.

Als Typus der Art wollen wir das in Europa ange- baute Sorghum nehmen, wie es sich von Host in seinen „Gramineae austriacae“ (IV, Taf. 2) abgebildet findet. Dies ist eine der am meisten von den Aegyptern der Neuzeit unter dem Namen Durra, im äquatorealen Afrika, Indien und China angebauten Pflanzen.! Sie ist in den heissen Ländern so ergiebig, dass ungeheure Bevölke- rungen der Alten Welt sich von ihr ernähren.

Linné und alle Autoren, selbst unsere Zeitgenossen, sagen, dass sie von Indien kommt; in der ersten Aus- gabe der Flora von Roxburgh, im Jahre 1820 ver- öffentlicht, bestätigt dieser Gelehrte, den man wohlweis- lieh hätte zu Rathe ziehen sollen, dass er sie nie an- ders als angebaut gesehen habe. Dieselbe Bemerkung macht er über die verwandten Formen (bicolor, saccha- ratus etc.), welche man oft als einfache Varietäten an- sieht. Auch Aitchison hat das Sorghum nur angebaut gesehen. Das Fehlen eines Sanskritnamens macht den indischen Ursprung gleichfalls sehr zweifelhaft. Bret- schneider seinerseits bezeichnet Sorghum als ın China einheimisch, obgleich die alten chinesischen Autoren, ihm zufolge, nicht davon gesprochen haben. Freilich führt er den in Peking volksthümlichen Namen Kao- liang (hohe Hirse) an, welcher auch für Holcus saccha- ratus gebraucht wird, für welchen er sich besser eignet.

Die Kaffernhirse ist nicht in den Ueberresten der schweizer und italienischen Pfahlbauten gefunden wor- den. Die Griechen haben nicht von ihr gesprochen. Die Stelle im Plinius? über ein zu seiner Zeit von In- dien nach Italien eingeführtes Mikum hat zu der Mei-

1 Delile, Plantes cultivées en Egypte, S. 7; Roxburgh, Fl. ind. (1832), I, 269; Aitchison, Catal. Punjab, S. 175; Bretschneider, On study etc., S.9. 2 Plinius, Hist., 1. 18, c. 7.

DE CANDOLLE.- 31

482 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

nung geführt, dass es sich um die Kaffernhirse han- delte, es war aber eine höhere Pflanze, vielleicht Hol- cus saccharatus. In den Gräbern des alten Aegyptens hat man das Vorkommen der Kaffernhirse nicht mit Sicherheit nachgewiesen. Dr. Hannerd glaubte sie nach einigen zerdrückten Samen zu erkennen, welche Rosel- linı von Theben mitgebracht hatte!; von dem Conser- vator der ägyptischen Alterthümer im Britischen Mu- seum, Herrn Birch, wurde aber neuerdings die Er- klärung abgegeben, dass man die Art in den alten Gräbern nicht entdeckt habe.” Pickering will Blätter von ıhr mit denen des Papyrus vermischt erkannt haben. Er berichtet auch, Zeichnungen von ihr ge- sehen zu haben, und Lepsius hat solche wiedergegeben, die von ihm wie auch von Unger und Wilkinson für die Durra der neuern Culturen angesehen werden.” Wuchs und Form der Aehre sind in der That die der Kaffern- hirse. Möglich ist es, dass mit dieser Art der Dochan gemeint sei, welcher einmal im Alten Testament als eine Getreideart, aus welcher man Brot bereitete, er- wähnt wird. Indessen bezieht sich das jetzige arabische Wort Dochn auf die Zuckerhirse.

Durch die volksthümlichen Namen habe ich nichts erfahren, weil man oft einen und denselben Namen auf verschiedene Panicum- und Sorghumarten angewandt hat. In den alten Sprachen Indiens oder Westasiens ver- mag ich keinen sichern Namen zu entdecken, was auf eine nur wenige Jahrhunderte vor der christlichen Zeit- rechnung stattgefundene Einführung schliessen lässt.

Von keinem Botaniker wird die Durra für Aegypten pder Arabien als spontan angeführt. Eine übereinstim- mende Form ist im äquatorealen Afrika wildwachsend, R. Brown hat dieselbe aber nicht genau bestimmen ge-

1 Angeführt von Unger, Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 34.

2 S. Birch, in: Wilkinson, Manners and customs of ancient Egyptians (1878), II, 427.

3 Die Zeichnungen von Lepsius finden sich wiedergegeben in: Unger, a. a. O., und in Wilkinson,.a. a. O, |

4 Hesekiel IV, 9.

Moorhirse, Durragras, chinesisches Zuckerrohr. 483

konnt!, und von der Flora des tropischen Afrika, welche in Kew bearbeitet wird, ist der Abschnitt über die Gramineen noch nicht erschienen. Somit bleibt einzig und allein die Aussage des Dr. Bretschneider übrig, dass das Sorghum von hohem Wuchs in China ein- heimisch se. Wenn dieses wirklich unsere Art ist, hätte sich dieselbe erst spät nach Westen verbreitet. Die alten Aegypter besassen sie aber, und man muss sich dann fragen, wie sie dieselbe von China erhalten haben konnten, ohne dass die Völker der dazwischenliegenden Länder Kenntniss von ihr genommen hätten. Leichter wird das Verständniss für das Indigenat im äquatorealen Afrıka mit einer prähistorischen Verpflanzung nach Aegypten, Indien und schliesslich nach China, wo die Cultur keine sehr alte scheint, denn das erste Werk, welches davon spricht, datirt aus dem 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung.

Zur Begründung eines afrikanischen Ursprungs will ich die Beobachtung von Schmidt? anführen, dass die Art auf der Insel San-Antonio des Capverdischen Archi- pels in steinigen Localitäten in Ueberfluss vorhanden ist. Er hält sie für vollständig naturalisirt, was viel- leicht einen wirklichen Ursprung verbirgt.

Holcus saccharatus, Linne. Andropogon Saccharatus,

Roxburgh. Sorghum Saccharatum, Persoon. Moor- . hirse, Durragras, chinesisches Zuckerrohr (fr. Sorgho sucré).

Diese Art, welche höher wird als das gemeine Sorghum und eine weitschweifige Rispe besitzt?, wird in den Tropemländern ihrer Samen wegen angebaut, welche in- dessen nicht so gut sind als jene der Kaffernhirse; in den weniger heissen Regionen dient sie als Futterpflanze, ja man gewinnt daraus auch Zucker, der sich in dem Stengel in ziemlich beträchtlicher Menge angehäuft fin-

1 Brown, Bot. of Congo, S. 54. 2 Schmidt, Beiträge zur Flora der Capverdischen Inseln, S. 158. 3 Vgl. Host, Gramineae austriacae, Bd. IV, Taf. 4.

3:7

ASA Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

det. Die Chinesen bereiten Alkohol daraus, aber keinen Zucker.

Die ziemlich allgemeine Meinung, welche von den Botanikern getheilt wird, lässt sie von Indien kommen, nach Roxburgh aber wird sie in jener Region nur an- gebaut. Ganz dasselbe ist auf den Sunda-Inseln der Fall, wo der Battari die vorliegende Art ist. Die Chi- nesen kennen sie als Kao-liang (grosse Hirse). In China soll sie nicht spontan sein. Von den der christlichen Zeitrechnung vorhergehenden Schriftstellern wird sie nicht erwähnt.! Will ich aus diesen verschiedenen Zeugenaussagen, sowie aus dem Fehlen jeglichen Sanskrit- namens einen Schluss ziehen, so scheint mir der asia- tische Ursprung auf Täuschung zu beruhen.

In Aegypten baut man die Pflanze jetzt weniger an als die Kaffernhirse, in Arabien kennt man sie als Dochna oder Dochn. Von keinem Botaniker ist sie in diesen Ländern spontan gesehen worden.” Kein Beweis von ihrer Cultur bei den alten Aegyptern liest vor. Herodot? hat von einer baumartigen Hirse in den Ebe- nen Assyriens gesprochen. Dies könnte unsere Art sein, aber wie es beweisen?

Die Griechen und Lateiner kannten sie nicht, wenig- stens nicht vor der Zeit des Römischen Kaiserreichs, möglich ist es aber, dass es die sieben Fuss hohe Hirse war, von welcher Plinius berichtet*, dass sie zu seinen Lebzeiten von Indien eingeführt worden war.

Wahrscheinlich muss man den Ursprung im inter- tropischen Afrika suchen, wo die Art allgemein ange- baut wird. Sir W. Hooker? führt Exemplare von den Ufern des Flusses Nun an, welche vielleicht wildwach- sende waren. Die bevorstehende Veröffentlichung der

1 Roxburgh, Fl. ind., 2. Aufl., I, 271; Rumphius, Amboin., V, 194, Taf. 75, Fig. 1; Miquel, Fl. indo-batava, III, 503; Bretschneider, On the study ete., S. 9 u. 46; Loureiro, Fl. cochinch., II, 792.

2 Forskal, Delile, Schweinfurth und Ascherson, a. a. O.

3 Herodot, 1. 1, ce. 19.

4 Plinius, Hist., 1. 18, c. 7. Dies könnte die bicolor genannte Varietät oder Art sein.

5 W, Hooker, Niger Flora.

Krummährige Eleusine. 485

Gramineen in der Flora des tropischen Afrika wird diese Frage wahrscheinlich aufklären.

Die Ausdehnung der Cultur vom Innern Afrikas nach Aegypten seit den Pharaonen, nach Arabien, dem In- dischen Archipel und, nach der Sanskritepoche, nach Indien und schliesslich, zu Anfang unserer Zeitrechnung, nach China, würde mit den historischen Angaben über- einstimmen, und diese Annahme bietet keine weitern Schwierigkeiten dar. Die entgegengesetzte Hypothese einer Verpflanzung von Osten nach Westen lässt eine Menge von Einwendungen zu.

Mehrere andere Sorghumformen werden in Asien und Afrika angebaut, z. B. die cernuus mit geneigten Aeh- ren, von welcher Roxburgh spricht und welche Prosper Alpini in Aegypten gesehen hatte; die bicolor, welche in ihrem Wuchse der saccharatus gleicht, und die niger und rubens, welche noch mehr Culturvarietäten zu sein scheinen. Keine von ihnen ist wildwachsend gefunden worden, und es dürfte wahrscheinlich sein, dass sie von einem Monographen als einfache abgestammte Formen zu den oben genannten Arten gebracht werden.

Eleusine Coracana, Gärtner. Krummährige Eleu- sine (fr. Coracan).

Diese einjährige, den Hirsearten ähnliche Graminee wird besonders in Indien und dem Indischen Archipel angebaut. Sie wird es auch in Aegypten! und Abessi- nien?, da aber viele Botaniker, welche von den Pflanzen des innern oder westlichen Afrika gesprochen haben, hierüber nichts verlauten lassen, darf man annehmen, dass die Cultur auf diesem Continent eine wenig ver- breitete ist. In Japan? entspringt sie bisweilen dem Culturlande. Die Samen reifen in Südeuropa; ausge- nommen als Futterpflanze hat sie aber keinen Werth.®

1 Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 299. 2 Bon Jardinier, 1880, S. 585.

3 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japon., II, 172. 4 Bon Jardinier, ebend.

486 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Kein Autor will sie im wildwachsenden Zustande in Asien oder Afrika gefunden haben. Nachdem Roxburgh!, welcher derartigen Fragen immer die grösste Aufmerk- samkeit gewidmet, über ihre Cultur gesprochen hat, fügt er hinzu: „Ich habe sie nie wildwachsend gesehen.“ Unter dem Namen Eleusine stricta unterscheidet er eine in Indien noch häufiger angebaute Form, welche eine einfache Varietät der Coracana zu sein scheint, und welche er ebenso wenig ausserhalb der Culturen ange- troffen hat.

Das Vaterland wird uns durch andere Mittel ange- geben werden.

Zunächst sind die Arten der Gattung Eleusine in Südasien zahlreicher als in den andern tropischen Regionen.

Ausser der angebauten Pflanze erwähnt Royle? andere Arten, deren Samen die arme Bevölkerung Indiens auf freiem Felde einsammelt.

Nach dem Index von Piddington gibt es einen Sanskrit- namen Rajika und mehrere andere Namen in den neuern Sprachen Indiens. Coracana stammt von dem auf Ceylon gebräuchlichen Namen Kourakhan* ab. In dem In- dischen Archipel scheinen die Namen weniger zahlreich und weniger ursprünglich zu sein.

In Aegypten kann die Cultur dieser Art keine alte sein. Die Denkmäler des Alterthums weisen keine Spur von ihr auf. Die griechisch-römischen Autoren, welche das Land kannten, haben von ihr nicht gesprochen, ebenso wenig später Prosper Alpini, Forskal, Delile, Wir müssen erst zu einem ganz neuen Werke gelangen, wie dem von Schweinfurth und Ascherson, um die Art erwähnt zu finden, und auch einen arabischen Namen kann ich nicht entdecken.*.

1 Roxburgh, Flora indica, 2. Aufl., I, 345.

2 Royle, Ill. Himal. plants.

3 Thwaites, Enum. plant. Ceylan., S. 371. SE

4 Mehrere Synonyme und das arabische Wort in Linné, Delile u. 8. w. beziehen sich auf Dactyloctenium aegyptiacum, Willdenow, oder Eleusine aegyptiaca einiger Autoren, die nicht angebaut wird.

Reis. 487

Somit stimmen alle botanischen, historischen und linguistischen Wahrscheinlichkeiten überein in dem Hin- weis auf einen indischen Ursprung.

Aus der Flora von Britisch-Indien, in welcher die Gramineen noch nicht erschienen sind, werden wir viel- leicht erfahren, ob man die wildwachsende Pflanze auf neuern Entdeckungsreisen gefunden hat.

In Abessinien wird eine nahverwandte Art, Eleu- sine Tocussa, Fresenius!, angebaut, eine noch sehr wenig bekannte Pflanze, die vielleicht von Afrika stammt.

Oryza sativa, Linné. Reis (fr. Riz).

Bei der vom Kaiser Schin-Nong, 2800 Jahre v. Chr. festgesetzten Feierlichkeit spielt der Reis die Haupt- rolle. Es ist der regierende Kaiser selbst, welcher ihn aussäen muss, während die vier andern Arten gewöhn- lich von den Prinzen seines Hauses ausgesäet werden.? Die fünf Arten werden von den Chinesen als einheimisch angesehen, und man muss zugeben, dass dies für den Reis sehr wahrscheinlich ist, da seine Verwendung eine allgemeine und alte ist, und zwar in einem von Kanälen und Flüssen durchzogenen Lande, Bedingungen, die den Wasserpflanzen so günstig sind. Die Botaniker haben China noch nicht hinlänglich durchforscht, um von ihnen zu erfahren, bis zu welchem Punkte sich der Reis ausserhalb der Culturen befindet, von Loureiro ? ist er aber in den Sümpfen Cochinchinas gesehen worden.

Rumphius und die neuern Autoren über den Indischen Archipel führen ihn nur als angebaut an. Aus der Menge der’ Namen und Varietäten kann man auf eine sehr alte Cultur schliessen. In Britisch-Indien stammt sie wenigstens aus der Zeit der arischen Invasion, weil der Reis Sanskritnamen hat, Vrihi, Arunya*, von welchen

1 Fresenius, Catal. sem. horti (Frankfurt 1834); Beiträge zur Flora Abyssin., S. 141.

2 Stanislas Julien, in: Loiseleur, Consid. sur les céréales, I, 29; Bret- schneider, On the study and value of Chinese botanical works, S. 8 u. 9.

3 Loureiro, Fl. cochinch., I, 267.

4 Piddington, Index; Hehn, Kulturpflanzen, 3. Aufl., S. 47

488 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

mehrere Namen neuerer Sprachen Indiens, ebenso Oruza oder Oruzon der alten Griechen, Rouz oder Arous der Araber abstammen. Theophrast! hat von dem Reis als einer in Indien angebauten Pflanze gesprochen. Die Griechen hatten dieselbe durch den Zug Alexander’s ken- nen gelernt. „Aristobulus zufolge“, sagt Strabo?, „wächst der Reis in Baktrien, Babylonien, Susis und im untern Syrien“. Später bemerkt er, dass die Indier sich davon nähren und eine Art Wein bereiten. Diese Aussagen, die für Baktrien vielleicht zweifelhaft sind, weisen auf eine wenigstens seit Alexander’s Zeiten (400 Jahre v. Chr.) in der Region des Euphrat, und seit Beginn un- serer Zeitrechnung in den heissen und bewässerten Ge- genden Syriens wohlbegründete Cultur hin. Im Alten Testament ist vom Reis nicht die Rede; ein immer ge- nauer und einsichtsvoller Schriftsteller, L. Reynier?, hat aber in den Büchern des Talmud mehrere auf seine Cultur bezügliche Stellen aufgedeckt. Durch diese That- sachen wird man zu der Vermuthung veranlasst, dass die Indier den Reis später als die Chinesen in Gebrauch nahmen, und dass derselbe sich gegen den Euphrat hin noch später verbreitete, was freilich immer noch früher eintrat als die Invasion der Arier nach Indien. Seit dem Auftreten dieser Cultur in Babylonien verflossen mehr als 1000 Jahre, bis er nach Syrien gelangte, und seine Einführung nach Aegypten folgte wahrschein- lich zwei oder drei Jahrhunderte später. In der That findet sich kein Anzeichen vom Reis in den Sä- mereien oder den Gemälden des alten Aegyptens.* Strabo, welcher sich in diesem Lande ebenso wie in Syrien aufgehalten hatte, berichtet nicht, dass der Reis

1 Theophrastus, Hist., 1. 4, c. 4, 10.

2 Strabo, Geographie, 1. 15, c. 1. $

3 Reynier, Economie des Arabes et des Juifs (1820), S. 450; Economie publique et rurale des Egyptiens et des Carthaginois (1823), S. 324.

4 Von Unger wird keins genannt. M.S. Birch hat 1878 folgende An- merkung gemacht in Wilkinson’s Manners and customs of the ancient Egyptians, II, 402: Man besitzt keinen Beweis von der Cultur des Reis, von welchem man keine Samen gefunden hat,

Reis. 489

zu seiner Zeit in Aegypten angebaut wurde, wol aber dass die Garamantes! ihn anbauten, und soll dieses Volk eine Oase im Süden von Karthago bewohnt haben. Hatten sie ihn von Syrien erhalten? Dies ist immerhin möglich. Auf alle Fälle konnte es nicht lange währen, dass Aegypten eine Cultur besass, die seinen beson- :dern Bewässerungsbedingungen so wohl zusagte. Durch die Araber wurde die Art nach Spanien eingeführt, wie dies der spanische Name Arroz andeutet. Die ersten Reisculturen in Italien in der Nähe von Pisa datiren aus dem Jahre 1468.? Die von Louisiana gehören der Neu- zeit an.

Wenn ich eine in Indien weniger alte Cultur vermuthete als in China, habe ich damit nicht gemeint, dass die Pflanze dort nicht spontan wäre. Sie gehört zu einer Familie, bei welcher die Wohnsitze der Arten ausge- dehnt sind, und die Wasserpflanzen besitzen ausserdem gemeiniglich weitere Wohnsitze als die andern. Der Reis fand sich vielleicht vor jeglicher Cultur in Süd- asien, von China bis nach Bengalen, worauf die Ver- - schiedenheit der Namen in den einsilbigen Sprachen der Völker zwischen Indien und China hindeutet.? Ausser- halb des Culturbereichs hat man ihn in mehreren Gegen- den Indiens gefunden, dies wird von Roxburgh* be- stätigt. Er erzählt, dass der wildwachsende Reis, von den Telinga Newaree genannt, in Ueberfluss an den Ufern der Seen im Lande der Circars wächst. Der Same wird von den reichen Hindus sehr geschätzt; man säet ihn aber nicht aus, weil er wenig ergiebig ist. Roxburgh bezweifelt nicht, dass dies die ursprüng- liche Pflanze sei. Thomson hat die wildwachsende Reispflanze bei Moradabad in der Provinz Delhi ge- sammelt. Die historischen Gründe unterstützen die An- sicht, dass diese Exemplare einheimische sind. Sonst

1 Reynier, a. a. OÖ. 2 Targioni, Cenni, S. 24. 3 Crawfurd, in: Journal of Botany, 1866, S. 324. 4 Roxburgh, Fl. ind. (1832), II, 200.

5 Nach Aitchison, Catal. Punjab, S. 157. -

490 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

könnte man glauben, dass dieselben von der gebräuch- lichen Cultur der Art herrührten, und zwar um so mehr, weil es hinlänglich bekannt ist, dass sich der Reis in den heissen und feuchten Ländern mit Leichtig- keit von selbst aussäet und naturalisirt.! Gleichwol geht die Zusammenstellung der historischen Anzeichen und der botanischen Wahrscheinlichkeiten darauf hin- aus, für Indien ein Vorkommen vor der Cultur zuzu- lassen.?

Zea Mays, Linne. Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen (fr. Maïs).

„Der Mais stammt von Amerika und wurde nach der Alten Welt erst seit der Entdeckung der Neuen einge- führt. Ich sehe diese beiden Behauptungen trotz der entgegengesetzten Meinung einiger Autoren, trotz des seitens des berühmten Agronomen Bonafous (dem wir die vollständigste Abhandlung über den Mais verdanken) laut gewordenen Zweifels, als gewiss an.“# In dieser Weise sprach ich mich im Jahre 1855 aus, nachdem ich bereits die Meinung von Bonafous beim Erscheinen seines Werkes bekämpft hatte.* Die Beweise zu Gunsten des amerikanischen Ursprungs haben sich seitdem ver- stärkt. Indessen sind Versuche im entgegengesetzten Sinne gemacht worden, und da der Name Türkischer Weizen einen Irrthum einschliesst, dürfte es ange- rathen sein, die Auseinandersetzung mit neuen Schrift- stücken in der Hand wieder aufzunehmen.

Niemand bestreitet es, dass der Mais in Europa zu Zeiten des Römischen Kaiserreichs unbekannt war, es

1 Nees, in: Martius, Flora brasil., II, 518; Baker, Flora of Mauritius, S. 458.

2 „Baron Ferdinand von Müller schreibt mir, dass der Oryza im tro- pischen Australien sicherlich spontan ist. Ob derselbe sich dort aber nicht zufällig ausgesäet und naturalisirt hat, ist eine zweite Frage.“ [Vom Verfasser mitgetheilte Anmerkung.] è

3 Bonafous, Hist. nat. agric. et économique du Maïs (Paris und Turin 1556).

4 A. de Candolle, Bibliothèque universelle de Genève (1836); Géogr. bot. raisonnée, S. 942.

Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 491

ist aber behauptet worden, dass man ihn im Mittelalter vom Orient gebracht hätte. Der Hauptbeweisgrund stützte sich auf eine von Molinari! veröffentlichte Ur- kunde aus dem 13. Jahrhundert, nach welcher zwei Kreuzfahrer, Waffengefährten von Bonifazius IIL, Mar- quis von Montferrat, im Jahre 1204 der Stadt Incisa ein Stück des echten Kreuzes..... ferner einen Beutel gegeben hätten, welcher goldgelbe und zum Theil weisse Samenkörner enthielt, die ım Lande unbekannt waren und welche sie von Anatolien gebracht hatten, wo man dieselben Meliga nannte u. s. w. Der Geschichtschreiber der Kreuzzüge, Michaux, und später Daru und de Sis- mondi, haben diese Urkunde mehrfach erwähnt; der Botaniker Delile, ferner Targioni-Tozzetti und sogar Bonafous selbst waren aber der Meinung, dass es sich hierbei um eine Sorghumart und nicht um den Mais handelte. Diese alten Erörterungen sind lächerlich ge- worden, denn vom Grafen Riant? wurde nachgewiesen, dass die Urkunde von Incisa nichts anderes war als das Machwerk eines Betrügers dieses Jahrhunderts! Ich führe dieses Beispiel an, um darzuthun, wie leicht sich die Gelehrten, welche nicht Naturforscher sind, bei Aus- legung von Pflanzennamen irren können, wie bedenklich es ferner ist, sich bei historischen Fragen auf einen vereinzelt dastehenden Beweis zu stützen.

Der Name Türkischer Weizen, welcher dem Mais in fast allen neuern Sprachen Europas beigelegt wor- den ist, weist nicht besser als die Urkunde von In- cisa auf einen Ursprung aus dem Orient hin. Diese Namen sind’ ebenso falsch wie derjenige des Truthahns, Indians oder Kalkuttischen Hahns (franz. Coq d’Inde, engl. Turkey), womit ein aus Amerika stammender Vogel bezeichnet wurde. Man nannte den Mais in Lothringen und in den Vogesen Blé de Rome, in Toscana Sicili- scher Weizen, in Sicilien Indischer Weizen, in den

1 Molinari, Storia d’Ineisa (Asti 1310). 2 Riant, La charte d’Incisa (1377), ee aus der Revue des questions historiques.

492 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Pyrenäen Blé d’Espagne, in der Provence Blé de Barbarie oder de Guinée. Die Türken kennen ihn als Aegypti- schen Weizen und die Aegypter als Syrisches Durra. In letzterm Falle beweist dies wenigstens, dass er weder aus Aegypten noch aus Syrien stammt. Der so ver- breitete Name Türkischer Weizen datirt aus dem 16. Jahr- hundert. Er entstand aus einem Irrthum über den Ur- sprung der Pflanze, der vielleicht durch die Haarkronen, welche sich an der Spitze der Maiskolben befinden und die man mit dem Barte der Türken verglichen hatte, oder infolge des kräftigen Aussehens der Pflanze, wel- ches einen ähnlichen Ausdruck wie „stark wie ein Türke“ rechtfertigte, unterhalten wurde. Der erste Botaniker, bei welchem .man den Namen Türkischer Weizen findet, ist Ruelliust im Jahre 1536. Nachdem Bock oder Tragus?, welcher eine Abbildung der Art gegeben hatte, die er Frumentum turcicum (Welschkorn) nannte, im Jahre 1552 von Kaufleuten in Erfahrung gebracht hatte, dass dieselbe von Indien käme, verfiel er auf die unglückliche Vermuthung, dass sie eine gewisse Typha von Baktrien sei, von welcher die Alten in unbestimmter Weise gesprochen hatten. Diese Irrthümer wurden 1583 von Dodoens, 1588 von Camerarius und auch von Matthiole * berichtigt, und dieselben bestätigen in ganz bestimmter Weise den amerikanischen Ursprung. Sie nahmen den Namen Mais an, indem sie wussten, dass derselbe amerikanisch sei.

Wir haben gesehen (S. 458), dass mit dem Zea der Griechen der Spelz oder Dinkel gemeint war. Sicherlich haben die Alten den Mais nicht gekannt. Die Reisen- den“, welche zuerst die Erzeugnisse der Neuen Welt beschrieben, waren, als sie denselben sahen, sehr er-

1 Ruellius, De natura stirpium, S. 428: „Hanc quoniam nostrorum aetate e Graecia vel Asia venerit Turcicum frumentaceum nominant.“ Fuchsius, S. 824, wiederholt diese Stelle im Jahre 1543.

2 Tragus, Stirpium etc. (1552), S. 650.

3 Dodoens, Pemptades, S. 509; Camerarius, Hort., S. 9; Matthiole (1570), S. 305.

4 P. Martyr, Ercilla, Jean de Lery etc., von 1516—78.

Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 493

staunt; dies ist ein augenscheinlicher Beweis, dass sie ihn in Europa nicht gekannt hatten. Hernandez!, wel- cher nach den einen im Jahre 1571, nach den andern? im Jahre 1593 Europa verlassen hatte, wusste nicht, dass man in Sevilla vom Jahre 1500 an viele Maissamen erhalten hatte, um diese Pflanze anzubauen. Diese That- sache, welche von Fée, der die Register der städtischen Behörde® durchgesehen hatte, beglaubigt wurde, beweist hinlänglich den amerikanischen Ursprung, weswegen Hernandez den Namen Türkischer Weizen für sehr un- ' passend hielt.

Man wird vielleicht sagen, dass der Mais, welcher für Eu- ropa im 16. Jahrhundert noch neu war, irgendwo in Asien oder Afrika vor der Entdeckung Amerikas sich vorgefun- den hat. Wir wollen sehen, was man davon zu halten hat.

Der berühmte Orientalist d’Herbelot? hatte mehrere Irr- thümer zusammengestellt, die von Bonafous und mir selbst aufgedeckt wurden und welche sich auf eine Stelle des per- sischen Geschichtsschreibers Mirchond aus dem 15. Jahr- hundert bezogen. Dieselbe lautet dahin, dass Rous, Japhet’s Sohn, an den Gestaden des Kaspisees eine Ge- treideart ausgesäet hatte, welche mit dem Türkischen Weizen der neuern Autoren identisch sein sollte. Es verlohnt sich nicht der Mühe, länger bei den Aussagen eines Gelehrten zu verweilen, dem es nicht eingefallen war, die Werke der Botaniker seiner oder früherer Zeit zu Rathe zu ziehen. Weit mehr fällt es ins Gewicht, dass die Reisenden, welche Asıen und Afrika vor der Entdeckung Amerikas besucht haben, kein Wort über den Mais veflauten lassen, dass man ferner keinen he- bräischen oder Sanskritnamen für diese Pflanze kennt, und dass sich schliesslich keine Probe oder Zeichnung davon in den Denkmälern des alten Aegyptens gefunden hat. Rifaud hat freilich einmal einen Maiskolben in

1 Hernandez, Thes. mexic., S. 242.

2 Lasègue, Musée Delessert, S. 467.

3 Fée, Souvenirs de la guerre d’Espagne, S. 128.

4 Bibliotheque orientale (Paris 1697) unter dem Worte Rous.

5 Kunth, Ann. sc. nat., Serie 1, VIII, 418; Raspail, ebend.; Unger,

5

b

x>

494 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

einem Sarge von Theben gefunden, doch glaubt man, dass hierbei irgendeine Betrügerei seitens eines Arabers im Spiele war. Wenn der Mais im alten Aegypten vor- gekommen wäre, würde man ihn in allen Denkmälern antreffen, würde er mit den religiösen Vorstellungen wie die andern bemerkenswerthen Pflanzen verflochten ge- wesen sein. Eine so leicht anzubauende Art würde sich nach den Nachbarländern verbreitet haben. Man würde die Cultur nicht aufgegeben haben; statt dessen sehen wir, dass Prosper Alpini, welcher Aegypten im Jahre 1592 bereiste, nicht hiervon gesprochen hat, und dass Forskal! zu Ende des 18. Jahrhunderts den Mais als eine in Aegypten noch wenig angebaute Pflanze er- wähnte, woselbst er keinen von den Sorghumarten ver- schiedenen Namen erhalten hatte. Ebn Baithar, ara- bischer Arzt des 13. Jahrhunderts, welcher die zwischen Spanien und Persien gelegenen Länder durchstreift hatte, führt keine Pflanze an, unter welcher man irgend- wie den Mais vermuthen könnte.

Nachdem J. Crawfurd? den Mais im Indischen Archipel unter einem seiner Ansıcht nach einheimischen Namen, Jarung, allgemein angebaut gesehen hatte, glaubte er, dass die Art von diesen Inseln abstamme. Wie käme es dann aber, dass Rumphius denselben mit keiner Silbe erwähnt hätte? Das Stillschweigen eines solchen Schrift- stellers lässt eine Einführung seit dem 17. Jahrhundert voraussetzen. Auf dem indischen Festlande war der Mais im verflossenen Jahrhundert so wenig verbreitet, dass Roxburgh® in seiner Flora, die erst lange Zeit nachdem sie fertig gestellt, veröffentlicht wurde, Fol- gendes sagen konnte: „Angebaut in verschiedenen Gegen- den Indiens, aber nur als Luxusartikel in den Gärten, doch nirgendwo auf dem indischen Festlande im grossen

Pflanzen des alten Aegyptens; A. Braun, Pflanzenreste d. ägypt. Mus. in Berlin; Wilkinson, Manners and customs of ancient Egyptians.

1 Forskal, S. LIII.

2 Crawfurd, History of the Indian Archipelago (Edinburgh 1820); Jour- nal of Bot., 1866, S. 326.

3 Roxburgh, Flora indica (1832), III, 568.

Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 495

Maassstabe.“ Wir haben bereits gesehen, dass es für den Mais keinen Sanskritnamen gibt. In China wird der Mais gegenwärtig häufig ange- baut, seit mehreren Generationen besonders um Peking herum !, obgleich die meisten Reisenden des letzten Jahrhunderts nichts davon erwähnt haben. In seiner Schrift aus dem Jahre 1870 trug Dr. Bretschneider kein Bedenken zu behaupten, dass der Mais nicht aus China stamme; einige Worte in seinem Briefe aus dem Jahre 1881 lassen mich aber annehmen, dass er jetzt einem alten chinesischen Autor Bedeutung beilegt, von welchem Bonafous und nach ihm Hance und Mayers viel- fach gesprochen haben. Es handelt sich um das Werk von Li-schi-tschin, „Phen-thsao-Kang-Mu“ oder „Pen- tsao-kung-mu“ betitelt, eine Art von Abhandlung über Naturgeschichte, welche nach Bretschneider ? gegen Ende des 16. Jahrhunderts erschien. Bonafous ist genauer, ihm zufolge wurde dasselbe 1578 beendigt. Es ent- hält die Abbildung des Mais mit dem chinesischen Schriftzeichen. ose Abbildung findet sich in dem Werke von Bonafous zu Anfang des Kapitels über das Vaterland des Mais wiedergegeben. Augenscheinlich stellt sie die Pflanze dar. Dr. Hance® scheint sich auf die Untersuchungen von Mayers gestützt zu haben, denen zufolge alte chinesische Schriftsteller behaupten, dass der Mais in unbekannt gebliebener Zeit lange vor Ende des 15. Jahrhunderts von Sifan (untere Mongolei, im Westen Chinas) gebracht worden sei. Die Abhandlung enthält eine Copie von der Abbildung des „Pen-tsao-kung-mu‘“, welches nach ihm aus dem Jahre 1597 datirt.

Die Einfuhr durch die Mongolei ist in so hohem Grade unwahrscheinlich, dass es sich nicht der Mühe verlohnt, weiter darüber zu sprechen, und bezüglich .

1 D dite, On study and value etc., S. 7, 18.

2 Ebend., S.

3 Der se findet sich im Pharmaceutical Journal von 1870. Ich kenne ihn nur durch einen kurzen Auszug in: Seemann, Journal of Bo- tany, 1871, S. 62.

496 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

der Hauptaussage des chinesischen Schriftstellers muss man die ungewissen oder später angegebenen Daten nicht ausser Acht lassen. Das Werk wurde nach Bona- fous im Jahre 1578 beendigt, und nach Mayers ım Jahre 1597. Wenn sich dies so verhält, besonders wenn letztere Jahreszahl sicher ist, so lässt sich an- nehmen, dass der Mais seit der Entdeckung Amerikas nach China gebracht wurde. Die Portugiesen gelangten nach Java im Jahre 14961, d. h. vier Jahre nach der Entdeckung Amerikas, und nach China seit dem Jahre 1516.2 Magellan’s Reise von Südamerika nach den Philippinen fand im Jahre 1520 statt. Während der 58 oder 77 Jahre, welche zwischen 1516 und jenen den Ausgaben des chinesischen Werkes zugeschriebenen Daten liegen, konnten Maiskörner von Reisenden, die aus Amerika oder Europa kamen, nach China gebracht worden sein. Dr. Bretschneider schrieb mir vor kur- zem, dass die Chinesen keinerlei Kenntniss von der Neuen Welt vor den Europäern besassen, und dass unter den Ländern, welche im Osten ihres Landes lie- gen, von denen zuweilen in ihren alten Werken die Rede ist, Japan gemeint war. Er hatte bereits die Meinung eines chinesischen Gelehrten angeführt, nach welcher die Einführung des Mais in der Nähe von Pe- king aus den letzten Zeiten der Dynastie Ming datirt, welche im Jahre 1644 zu Ende ging. Dies ist eine Jahreszahl, welche mit den andern Wahrscheinlichkeiten übereinstimmt.

Die Einführung nach Japan ist wahrscheinlich aus späterer Zeit, da die Art von Kämpfer nicht erwähnt wurde.

Aus dieser Zusammenstellung von Thatsachen geht hervor, dass der Mais der Alten Welt nicht angehörte. Er hat sich daselbst nach der Entdeckung Amerikas

1 Rumphius, Amboin., V, 225.

2 Malte-Brun, Géographie, I, 493.

3 Eine auf einer alten Waffe eingravirte Pflanze, welche Siebold für den Mais angesehen hatte, ist nach Rein ein Sorghum; vgl. Wittmack, Ueber antiken Mais.

Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 497

sehr rasch verbreitet, und diese Geschwindigkeit selbst trägt zum Beweise bei, dass wenn derselbe irgendwo in Asien oder in Afrika vorgekommen wäre, er seit Tausenden von Jahren eine sehr wichtige Rolle gespielt haben würde.

In Amerika werden wir auf Thatsachen stossen, welche mit diesen in Widerspruch stehen.

Zur Zeit der Entdeckung des neuen Continents bil- dete der Mais eine der Grundlagen seines Ackerbaues und zwar von der La Plata-Region bis nach den Ver- einigten Staaten. Er hatte Namen in allen Sprachen.! Die Eingeborenen säeten ihn um ihre zeitweiligen Woh- nungen herum aus, so lange sie keine zusammen- gedrängte Bevölkerung bildeten. Die sogenannten Mounds, Grabstätten der Eingeborenen Nordamerikas, welche denen unserer Zeit vorhergehen, die Gräber der Inkas, die Katakomben Perus schliessen Maiskolben oder Samen ein, geradeso wie die Denkmäler des alten Aegyptens Gersten-, Weizen- oder Hirsekörner. In Mexico war eine Göttin, welche einen von dem Mais * abgeleiteten Namen trug (Cinteutl, de Cintli), der Ceres der Griechen zu vergleichen, denn sie empfing die Erst- linge der Maisernte, wie die griechische Göttin die un- _ serer Cerealien. In Cuzco bereiteten die Sonnenjung- frauen Maisbrot für die Opfer. Nichts beweist besser das hohe Alterthum und die Allgemeinheit der Cultur einer Pflanze als diese innige Verschmelzung mit den religiösen Gebräuchen alter Bewohner. Man darf in- dessen diesen Angaben in Amerika nicht dieselbe Be- deutung beilegen wie in unserer alten Welt. Die Civili- sation der Peruaner unter den Inkas und die der Tol- teken und Azteken in Mexico gehen nicht auf ein so hohes Alterthum der Civilisationen Chinas, Chaldäas und Aegyptens zurück. Sie schreibt sich höchstens aus den Anfängen der christlichen Zeitrechnung her, der Anbau des Mais ist aber älter als die Denkmäler, dies

1 Vgl. Martius, Beiträge zur Ethnographie Amerikas, S. 127.

DE CANDOLLE, 32

498 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

kann man aus den vielen dort vorhandenen Varietäten der Art, sowie aus ihrer Verbreitung in sehr weit von- einander entfernten Regionen schliessen.

Darwin hat einen noch bemerkenswerthern Beweis von hohem Alter entdeckt. Dieser berühmte Gelehrte hat Maiskolben und 18 Arten von Muscheln aus der Jetztzeit im Boden eines peruanischen Küstenstrichs eingebetttet gefunden, welcher jetzt wenigstens 85 Fuss über dem Meeresniveau liegt.! Es war dieser Mais vielleicht nicht angebaut, doch würde er dann als Zeichen für den Ursprung der Art von noch grösserm Interesse sein.

Trotzdem Amerika von einer grossen Anzahl Bota- niker erforscht worden ist, hat keiner derselben den Mais unter Bedingungen einer wildwachsenden Pflanze angetroffen.

Auguste de Saint-Hilaire? glaubte den spontanen Ty- pus in einer besondern Form wiederzuerkennen, bei welcher jedes Samenkorn im Innern seines Deckblattes verborgen ist. Man kennt dieselbe in Buenos-Ayres unter dem Namen Pinsigallo. Dies ist Zea Mays tunicata von Saint-Hilaire, welche Bonafous auf seiner Taf. 5bis unter dem Namen Zea cryptosperma abgebildet hat. Lindley # hat von derselben ebenfalls eine Beschreibung und Abbildung gegeben, wobei er sich auf Samen stützte, die von den Felsengebirgen gekommen sein sollten, ein Ursprung, welcher den neuerdings über Cali- fornien veröffentlichten Floren zufolge nicht bestätigt wor- den ist. Ein junger Guarani, welcher in Paraguay oder an den Grenzen dieses Landes geboren war, hatte die- sen Mais wiedererkannt und sagte zu Saint-Hilaire, dass derselbe in den feuchten Wäldern seines Landes wüchse. Als Indigenatsbeweis ist dies nicht genügend. Mei- nes Wissens ist diese Pflanze in Paraguay oder in Brasilien von keinem Reisenden gesehen worden. Man

Darwin, Variations of animals and plants under domestication, I, 320. A. de Saint-Hilaire, Ann. sc. nat., XVI, 143. Lindley, Journal of the Hortic. Society, I, 114.

Du

[in

eh

Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 499

hat sie aber in Europa angebaut und hat den Nach- weis geliefert, dass sie häufig in die Form des gemei- nen Mais übergeht. Lindley hat dies schon nach einer Cultur von zwei oder drei Jahren beobachtet, und Professor von Radit hat von einer einzigen Aussaat 225 Kolben der Form #funicata und 105 der gewöhn- lichen Form mit nackten Samen erzielt.! Augenschein- lich ist diese Form, welche man für eine wirkliche Art halten könnte, deren Vaterland jedoch zweifelhaft war, kaum als eine Rasse hinzustellen. Sie gehört zu den unzähligen, mehr oder minder erblichen Varietäten, aus welchen die angesehensten Botaniker wegen ihrer ge- ringen Beständigkeit und der bei ihnen häufig sich zeigenden Uebergänge nur eine einzige Art machen.

Ueber die Beschaffenheit der Zea Mays und ihren Wohnsitz in Amerika, bevor der Mensch anfing sie anzu- bauen, kann man sich nur Vermuthungen hingeben, Ich werde dieselben von meinem Gesichtspunkte aus hier vorführen, weil sie immerhin gewisse wahrscheinliche Hinweise zu bieten vermögen.

Ich mache zunächst darauf aufmerksam, dass der Mais eine Pflanze ist, welcher in auffallender Weise die Mittel zur Verbreitung und zum Schutze abgehen. Die Samen lösen sich schwer aus dem Kolben und dieser selbst ist mit einer Umhüllung ausgestattet. Sie be- sitzen keine Federkrone oder Flügel, deren sich der . Wind bemächtigen kann. Wenn schliesslich der Mensch die Kolben nicht einsammelt, so fallen sie, eingebettet in ihre Achse, ab und die Samen müssen dann von Nage- und andern Thieren massenhaft zerstört werden, um so mehr, da sie nicht hart genug sind, um unversehrt durch die Verdauungskanäle hindurchzugehen. Wahrscheinlich wurde eine so wenig günstig angepasste Art in einer be- grenzten Region immer seltener, ging dem Aussterben ent- ‚gegen, als ein wandernder Stamm von Wilden auf ihre

1 Ich führe diese Thatsachen an nach Wittmack, Ueber antiken Mais aus Nord- und Südamerika, S. 87, in: Sitzungsber. d. berliner anthropolog. Gesellschaft vom 10. Nov. 1879.

3

500 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel. | ;

nahrhaften Eigenschaften aufmerksam wurde und sie durch den Anbau vor dem Untergange bewahrte. Ich glaube um so mehr an einen natürlichen beschränkten Wohnsitz, da die Art für sich allein dasteht, mit andern Worten eine sogenannte monotypische Gattung aus- macht. Augenscheinlich haben die Gattungen mit we- nigen Arten und besonders die monotypischen, durch- schnittlich einen engern Wohnsitz als die andern. Durch die Paläontologen werden wir vielleicht eines Tages er- fahren, ob in Amerika mehrere Zea oder ähnliche Gra- mineen vorkamen, von welchen unser Mais die letzte sein würde. Gegenwärtig ist die Gattung Zea nicht nur monotypisch, sondern sie steht auch in ihrer Fa- milie ziemlich vereinzelt da. Ihr zur Seite kann man eine einzige Gattung stellen, Euchlaena von Schrader, welche eine Art in Mexico, eine andere in Guatemala besitzt, es ist dies aber eine ganz besondere Gattung, die keine Uebergänge zu Zea aufweist.

Wittmack hat merkwürdige Untersuchungen ange- stellt, um zu erfahren, welche Maisvarietät mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Form einer den Cul- turen vorhergehenden Epoche aufweist. Zu diesem Zweck hat er Kolben und Körner verglichen, welche aus den Mounds Nordamerikas und den Gräbern Perus genommen waren. Wenn diese Denkmäler eine einzige Maisform aufgewiesen hätten, würde das Ergebniss be- zeichnend gewesen sein; es sind aber sowol in den Mounds wie in Peru mehrere verschiedene Varietäten aufgefunden worden. Man darf sich hierüber nicht wundern. Diese Denkmäler sind nicht sehr alt. Der Kirchhof von Ancon ın Peru, aus welchem Wittmack die besten Proben gewonnen hat, ist ungefähr gleich- alterig mit der Entdeckung Amerikas.! Nun war schon zu jener Zeit, den Autoren zufolge, die Anzahl der Varie-

1 Rochebrune, Recherches ethnographiques sur les sépultures péru- viennes d’Ancon, nach einem Auszuge von Wittmack, in: Uhlworm, Bot. Centralblatt, 1880, S. 1633, woraus man ersieht, dass der Kirchhof vor und nach der Entdeckung Amerikas als Begräbnissstätte diente,

At:

Mais, Welschkorn, Türkischer Weizen. 501

täten eine beträchtliche, was auf eine viel ältere Cultur hinweist.

Versuche, bei welchen man in mehreren aufeinander- folgenden Jahren Maisvarietäten auf unbebauten Län- dereien zur Aussaat brächte, würden vielleicht eine Rück- kehr zu einer gemeinsamen Form ergeben, welche man dann als den Stammhalter ansehen könnte. Derartiges ist noch nieht unternommen worden. Man hat nur die Beobachtung gemacht, dass die Varietäten trotz ihrer grossen Verschiedenheit wenig beständig sind.

Was nun den Wohnsitz der ursprünglichen, unbe- kannt gebliebenen Form betrifft, so will ich hier einige Beweisgründe anführen, welche dieselbe bis zu einem gewissen Grade errathen lassen.

Die dichten Bevölkerungen konnten sich nur in den Ländern bilden, wo sich naturgemäss nahrhafte, leicht anzubauende Arten finden. Die Kartoffel, die Batate und der Mais haben zweifelsohne diese Rolle in Amerika gespielt, und da sich die grossen Bevölkerungen dieses _ Welttheils zunächst in höher gelegenen Regionen, von Chile nach Mexico zeigten, so ist es wahrscheinlich, dass dort der wildwachsende Mais auftrat. In den niedrigen Regionen, wie Paraguay, die Ufer des Amazonenstroms, oder die heissen Länder Guyanas, Panamas und Mexicos, darf man nicht danach suchen, weil ihre Bewohner vor Zeiten weniger zahlreich waren. Ausserdem sind die- . Wälder den einjährigen Pflanzen keineswegs günstig, und es gedeiht der Mais in den heissen und feuchten Ländern, wo, die Maniokpflanze angebaut wird, nur mittelmässig. !

Andererseits wird seine Verpflanzung von Ort zu Ort leichter begreiflich, wenn der Ausgangspunkt als im Cen- trum liegend vermuthet wird, als wenn man denselben nach einer der äussersten Spitzen des Flächenraums verlegt, auf welchem die Art zur Zeit der Inkas und

1 Sagot, Culture des céréales de la Guyane française (Journal de la Soc. centr. d’hort. de France, 1872, S. 94.

502 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Tolteken, oder vielmehr der Mayas, Nahuas und Chib- chas, welche ihnen vorhergingen, angebaut wurde. Die Völkerwanderungen sind nicht in regelmässiger Weise von Norden nach Süden oder von Süden nach Norden erfolgt. Man weiss, dass solche in je nach den Zeit- perioden und Ländern verschiedenen Richtungen statt- gefunden haben.! Die alten Peruaner hatten von den Mexicanern kaum Kenntniss und umgekehrt, wie dies aus ihren Glaubenslehren und den äusserst verschiedenen Gebräuchen hervorgeht. Sollen sie alle beide früh- zeitig den Mais angebaut haben, so muss man ver- muthen, dass der Ausgangspunkt zwischen diesen zwei Ländern oder doch in deren Nähe lag. Ich nehme an, dass Neugranada diesen Bedingungen recht gut entspricht. Das Chibcha genannte Volk, welches das Tafelland Bo- gota zur Zeit der Eroberung durch die Spanier inne- hielt und sich als Ureinwohner betrachtete, war ein ackerbautreibendes. Es genoss einen gewissen Bildungs- grad, was durch die Denkmäler, welche man zu er- forschen anfängt, dargelegt wird. Vielleicht war es dieses Volk, welches den Mais besass und seinen Anbau angefangen hatte. Von der einen Seite grenzte es an die noch wenig civilisirten Peruaner, und von der an- dern an die Mayas, welche Centralamerika und Yucatan innehielten. Diese hatten oft Streitigkeiten mit den nordwärts lebenden Nahuas, den Vorgängern der Tol- teken und Azteken in Mexico. In einer Ueberlieferung heisst es, dass Nahualt, das Oberhaupt der Nahuas, die Maiscultur lehrte.?

Ich wage mich nicht der Hoffnung hinzugeben, dass man wildwachsenden Mais entdecken wird, obgleich sein der Cultur vorhergehender Wohnsitz wahrscheinlich so klein war, dass die Botaniker vielleicht noch nicht auf

1 In seinem Werke: Les premiers hommes et les temps préhistoriques, gibt de Nadaillac einen Auszug von dem Wenigen, was man gegenwärtig über diese Wanderungen und im allgemeinen über die alten _ Völker Ame- rikas weiss. Vgl. besonders den 2. Bd., Kap. 9.

2 De Nadaillac, II, 69, welcher das classische Werk von Bancroft an- führt: The Native Races of the Pacific States.

Gartenmohn. | 503

denselben gestossen sind. Die Art ist derartig von allen den andern verschieden und so ins Auge fallend, dass die Eingeborenen oder wenig unterrichtete Colo- nisten sie bemerkt und von ihr gesprochen haben wür- den. Die Gewissheit über den Ursprung wird vielmehr durch archäologische Entdeckungen kommen. Wenn man eine grössere Anzahl alter Denkmäler in allen Theilen Amerikas erforscht hat, wenn man dahin gelangt, die hieroglyphischen Inschriften einiger derselben zu entziffern, und wenn es gelingt, die Jahreszahlen der Wanderungen und der wirthschaftlichen Begebenheiten kennen zu lernen, wird unsere Hypothese gerechtfertigt, abgeändert oder umgestossen sein.

Zweiter Abschnitt. In verschiedener Weise benutzte Samen. |

Papaver somniferum, Linné. Gartenmohn (fr. Pavot).

Man baut den Gartenmohn gemeiniglich des Mohnöls (huile d’oeillette) wegen an, welches aus den Samen gewonnen wird, und zuweilen, namentlich in Asien, des Saftes wegen, welchen man durch Einschnitte in die Samenkapseln gewinnt und welcher das Opium liefert.

Die seit Jahrhunderten angebaute Form entspringt leicht dem. Culturbereiche oder naturalisirt sich mehr oder weniger in gewissen Gegenden des südlichen Eu- ropa.! Man kann nicht behaupten, dass sie im wirklich wildwachsenden Zustande vorkommt, die Botaniker stim- men aber darin überein, sie als eine Abänderung des Papaver setigerum genannten Mohns anzusehen, welcher in der Mittelmeerregion, besonders in Spanien, Algerien, auf Corsica, Sicilien, in Griechenland und auf der Insel Cypern spontan auftritt. In Ostasien? hat man ihn

1 Willkomm et Lange, Prodr. fi, flisp., III, 372. 2 Boissier, Fl. orient.; Tchihatcheff, Asie Mineure; Ledebour, EI. rossica, u. à.

504 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

nicht angetroffen, wenn demnach die angebaute Form von ihm ihren Ursprung ableitet, so muss die Cultur in Europa oder Nordafrika ihren Anfang genommen haben.

Um diese Erwägung weiter zu begründen, weise ich darauf hin, dass die Bewohner der schweizer Pfahl- bauten zur Steinzeit einen Mohn anbauten, welcher sich dem P. setigerum mehr nähert als dem somniferum. Heer! hat seine Blätter nicht entdecken können, die Samenkapsel wird aber wie bei dem setigerum von acht Narben überragt und nicht von zehn bis zwölf wie bei dem angebauten Mohn. Diese letzte, in der Natur un- bekannte Form scheint sich somit später, in historischen Zeiten gezeigt zu haben.

In Nordfrankreich baut man Papaver setigerum gleich- zeitig mit somniferum zur Gewinnung des huile d’oeil- lette an.? |

Die Griechen kannten den angebauten Mohn sehr gut. Homer, Theophrast und Dioscorides haben von ihm ge- sprochen. Die schlafeinflössenden Eigenschaften des Saftes waren ihnen nicht unbekannt, und die Varietät mit weissen Samen wurde von Dioscorides? schon er- wähnt. Die Römer bauten den Mohn vor der Zeit der Republik an, wie sich dies aus der Anekdote über Tar- quinius ersehen lässt. Die Samen wurden von ihnen mit dem Mehl zur Brotbereitung vermischt.

Zu Zeiten des Plinius* bedienten sich die Aegypter des Mohnsafts als Arzneimittel, es liegen aber keinerlei Beweise vor, dass diese Pflanze schon früher in Aegypten angebaut wurde.® Im Mittelalter® war dies eine der Hauptculturen dieses Landes, ganz insbesondere zur Gewinnung des Opiums, und ist es auch gegenwärtig

1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 32, Fig. 65, 66.

2 De Lanessan, in der französ. Uebers. von Flückiger und Hanbury, Histoire des drogues d’origine végétale, I, 129.

3 Dioscorides, Hist. plant., 1. 4, c. 65.

4 Plinius, Hist. plant., 1. 20, c. 18.

5 Unger, Die Pflanze als Erregungs- und Betäubungsmittel, S. 47; Die Pflanzen des alten Aegyptens, S. 50.

6 Ebn Baithar, deutsche Uebers., I, 64.

Gartenmohn. 505

geblieben. In den hebräischen Büchern wird die Art nicht erwähnt. Andererseits kommen ein oder zwei Sanskritnamen vor. Piddington gibt als solchen Chosa und A. Pictet Khaskhasa an, welch letzterer nach ihm sich im persischen Chashchâsh, im armenischen Chash- chash und im Arabischen wiederfindet.! Ein anderer persischer Name ist Kouknar.? Diese und andere Na- men, welche ich anführen könnte, die von dem Maikön (Mnxwv) der Griechen sehr verschieden sind, sind ein Fingerzeig für das hohe Alter einer in Europa und Westasien verbreiteten Cultur. Wenn die Art zu einer prähistorischen Zeit angebaut wurde und zwar zunächst in Griechenland, wie dies wahrscheinlich scheint, hat sie sich nach Osten hin vor der Invasion der Arier in Indien verbreiten gekonnt; seltsam bleibt es aber, dass man für ihre Ausdehnung nach Palästina und Aegypten vor der römischen Epoche keine Beweise beibringen kann. Möglich ist es noch, dass man in Europa zu- nächst die als Papaver setigerum bekannte wildwach- sende Form, welche die Bewohner der schweizer Pfahl- _ bauten verwertheten, angebaut habe, und dass die Form der jetzigen Culturen aus Kleinasien gekommen sei, wo die Art seit wenigstens 3000. Jahren angebaut wurde. Was zu dieser Vermuthung führen kann, ist das Vor- handensein des griechischen Namens Maikön, im Dori- schen Makon, der in mehreren slawischen und südkau- _ kasischen Sprachen als Mack wieder auftaucht.?

Die Mohncultur hat gegenwärtig in Indien wegen der Opiumausfuhr nach China zugenommen, doch werden die Chinesen bald aufhören die Engländer zu betrüben, indem sie ihnen dieses Gift abkaufen, denn sie haben sich selbst mit Eifer ans Werk gemacht, dasselbe zu gewinnen. Auf mehr als der Hälfte ihres Territoriums baut man jetzt den Mohn an. Die Art ist keineswegs

1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 3. Aufl., I, 366. 2 Ainslies, Mat. med. indica, I, 326.

3 Nemnich, Polyglotten-Lexicon, S. 848.

4 Martin, in: Bull. Soc. d’acclimatation, 1872, S. 200.

506 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

in den östlichen Regionen Asiens spontau, und was | China betrifft, ıst selbst diese Cultur keine alte.!

Der Name Opium, welcher für das aus der Samenkapsel gewonnene Arzneimittel gebraucht wurde, geht auf grie- chische und lateinische Schriftsteller zurück. Dioscorides schrieb Opos (Orog). Die Araber machten daraus Afiun? und haben ihn im Orient bis nach China verbreitet.

Flückiger und Hanbury* haben sehr ausführliche und interessante Einzelheiten über die Gewinnung, den Han- del und die Verwendung des Opiums in allen Ländern, besonders in China gegeben. Indessen nehme ich an, dass man folgende Auszüge aus den von Peking 23. Au- gust 1881, 28. Januar und 18. Juni 1882 datirten Briefen des. Dr. Bretschneider mit Vergnügen lesen wird. Sie enthalten die sichersten Aufschlüsse, welche die chinesischen Bücher bei richtiger Interpretirung darbieten können:

„Der Verfasser des « Pent-sao-kang-mu», welcher in den Jahren 1552 und 1578 schrieb, gibt einige Einzel- heiten in Bezug auf den a-fu-yong (d.h. Afiun, Opium), eine ausländische, aus einer Art Ying su mit rothen Blumen in dem Lande Tien fang (Arabien) erzeugte und neuer- dings als Arzneimittel in China gebrauchte Drogue. Zur Zeit der vorhergehenden Dynastie (der mongolischen, 1280 —1368) hatte man von den a-fu-yong noch nicht viel sprechen hören. Der chinesische Schriftsteller gibt einige Einzelheiten über die Gewinnung des Opiums in seinem Vaterlande, aber er sagt nicht, dass er auch in China gewonnen werde. Er spricht auch nicht von dem Gebrauche, denselben zu rauchen. In Crawfurd’s «Descriptive Dictionary of the Indian Islands», S. 312, finde ich folgenden Passus: «The earliest account we have of the use of Opium, not only from the Archi- pelago, but also for India and China, is by the faith-

u

1 Sir J. Hooker, Flora of British India, I, 117; pretsoke is ‘He and value etc., S. 47.

2 Ebn Baithar, T, 64.

3 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues d’origine en franz. Uebersetzung, 2 Bde., 1378, I, 97—130.

Gartenmohn. 507

ful and intelligent Barbosa.! He writes the word am- . fiam, and in his account of Malacca, enumerates it among the articles brought by the Moorish and gentile merchants of Western India, to exchange for the car- gos of Chinese junks.»

„Es hält schwer, den Zeitpunkt näher zu bestimmen, wann die Chinesen anfingen, Opium zu rauchen und den Mohn anzubauen, aus welchem man Opium bereitete. Es herrscht, wie ich schon gesagt habe, eine grosse Verwirrung bezüglich dieser Frage, und der Name Ying su wird nicht nur von den europäischen Schriftstellern, sondern auch von den jetzigen Chinesen ebenso auf P. somniferum wie auf P. Rhoeas bezogen. P. somniferum wird gegenwärtig im grossen Maassstabe in allen Provinzen des chinesischen Kaiserreichs, ferner in der Mandschurei und in der Mongolei angebaut. Williamson (Journeys in North China, Manchuria, Mongolia, 1868, II, 65) hat ihn überall in der Mandschurei angebaut gesehen. Man erzählte ihm, dass die Mohncultur zweimal soviel einbrächte als die der Cerealien. Der russische Rei- sende Potanin, welcher im Jahre 1876 die nördliche Mongolei bereiste, hat ungeheuere Mohnanpflanzungen in dem Kiranthale (zwischen dem 47. und 48. Breiten- grade) gesehen. Dies flösst der chinesischen Regierung keinen geringen Schrecken ein, noch mehr aber den Engländern, welche eine Concurrenz des «native opium »

befürchten. „Es wird Ihnen wahrscheinlich nicht unbekannt sein, dass man in Indien und Persien das Opium isst, aber nicht raucht. ‘Der Gebrauch, diese Drogue zu rauchen, dürfte als eine chinesische Erfindung angesehen werden, ist aber kein alter. Nichts weist darauf hin, dass die Chinesen das Opium vor Mitte des verflossenen Jahr- hunderts rauchten. Die im 17. und 18. Jahrhundert in China sich aufhaltenden Jesuitenmissionare sprechen nicht davon. Nur der Pater d’Incarville berichtet im

1 Barbosa veröffentlichte sein Werk im Jahre 1516.

508 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Jahre 1750, dass der Opiumverkauf verboten sei, weil man diese Drogue häufig dazu verwendete, um sich zu vergiften.

„Zwei obrigkeitliche Verordnungen, das Rauchen des Opiums verbietend, datiren von vor 1730, und eine andere aus dem Jahre 1796 bezieht sich auf das Ueber- handnehmen dieses in Frage stehenden Lasters. Don Sinibaldo de Mas, welcher 1858 ein sehr gutes Buch über China veröffentlichte, in welchem Lande er sich viele Jahre als spanischer Gesandter aufgehalten hatte, behauptet, dass die Chinesen diese Gewohnheit von dem Volke Assams angenommen haben, in welchem Lande seit langen Zeiten Opium geraucht wurde.“

Eine so verderbliche Sitte ist ganz dazu angethan, sich wie der Genuss von Absinth und Taback weiter zu ver- breiten. Nach und nach führt sie sich in den Ländern ein, welche mit China häufige Beziehungen haben. Wir können nur wünschen, dass sie nicht in eben demselben Maassstabe um sich greift, wie beispielsweise bei den Bewohnern von Amoy, wo die Opiumraucher die Ziffer von 15—20 Procent der erwachsenen Bevölkerung aus- machen.

Bixa Orellana, Linné. Gemeiner Orleansbaum, Rucubaum (fr. Rocou).

Der im Französischen als ÆRocou, im Englischen als Arnotto bekannte Farbstoff wird aus dem Brei der äussern Samenhülle gewonnen.

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas bedienten sich : die Einwohner der Antillen, der Landenge von Darien und Brasiliens desselben, ihre Körper roth zu färben, und die Mexicaner gebrauchten ihn zu verschiedenen Malereien.? :

Die Bixa, ein kleiner Baum aus der Familie der Bixaceen, findet sich wildwachsend auf den Antillen ?

1 Hughes, Trade Report, in Flückiger und Hanbury angeführt.

2 Sloane, Jamaica, II, 53.

3 Sloane, ebend.; Clos, Ann. sc. nat., Serie 4, VIII, 260; Grisebach, Fl. of Brit. W. India Islands, S. 20. > :

Gemeiner Orleansbaum. Baumwollstaude. 509

und einem grossen zwischen den Wendekreisen liegenden Gebiete des amerikanischen Festlandes. In den Herba- rien und Floren sind die Localitäten massenhaft ver- zeichnet, gewöhnlich sagt man aber nicht, ob die Art angebaut, spontan oder naturalisirt war. Dagegen finde ich die Versicherung des Indigenats bei Seemann für die nordwestliche Küste Mexicos und Panama, bei Triana für Neugranada, bei M. Meyer für das holländische Guyana und bei Piso und Claussen für Brasilien.! Bei einem so ausgedehnten Wohnsitz ist es nicht zu ver- wundern, dass es in den amerikanischen Sprachen sehr zahlreiche Namen für die Art gab. Aus dem brasilia- nischen Urucu stammt das französische Rocou.

Zur Gewinnung des Products war es nicht durchaus geboten, diesen Baum anzupflanzen, doch berichtet Piso, dass sich die Brasilianer im 16. Jahrhundert nicht an den wildwachsenden Individuen genügen liessen, und im 17. Jahrhundert waren die Rucu -Änpflanzungen auf Jamaica gewöhnlich. Dies ist eine der ersten Arten, welche von Amerika nach Südasien und Afrika gebracht wurden. Sie hat sich zuweilen derartig naturalisirt, dass sie von Roxburgh? als in Indien einheimisch ange- sehen wurde.

Gross ypium herbaceum, Linné. Baumwollstaude (fr. Cotonnier herbacé).

Als ich im Jahre 1855 nach dem Vaterlande der an- gebauten Baumwollstauden forschte *, herrschte eine grosse Ungewissheit in Bezug auf die Unterscheidung der Arten. Seit dieser Zeit sind in Italien zwei aus- gezeichnete Arbeiten erschienen, auf welche man sich stützen kann, die eine von Parlatore*, ehemaligem Di- rector des botanischen Gartens von Florenz, die andere

1 Seemann, Bot. of Herald, S. 79, 268; Triana et Planchon, Prodr. fl. novo-granat., S. 94; Meyer, Essequebo, S. 202; Piso, Hist. nat. Brasil. (1648), S. 65; Claussen, in: Clos, 2:

2 Roxburgh, Fl. ind., ET, 581; Oliver, Flora of tropical Africa, I, 114.

3 Geographie botanique raisonnée, SIE

4 Parlatore, Le specie dei cotoni (Firenze 1866).

510 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

von dem Senator Todaro! in Palermo. Beide Werke sind mit vorzüglichen colorirten Abbildungen versehen und für das Studium der angebauten Baumwollstauden kann man nichts Besseres wünschen. Andererseits hat die Kenntniss der wirklichen Arten, nämlich jener, welche in der Natur, im spontanen Zustande vorkommen, nicht die erhofften Fortschritte gemacht. In den Arbeiten des Dr. Masters? ist jedoch die Bestimmung der Arten eine ziemlich genaue, und ich werde mich vorzugsweise nach derselben richten. Der Autor nähert sich den Ansichten Parlatore’s, wel- cher sieben gut bekannte und zwei zweifelhafte Arten zuliess, während Todaro deren 54 aufzählt, von welchen nur zwei zweifelhaft sind, indem er also alle durch irgendein Merkmal verschiedene, aber in den Culturen entstandene und fortgepflanzte Formen als Arten hinstellt.

Die volksthümlichen Namen der Baumwollsorten kön- nen von keinem Nutzen sein. Man läuft durch sie selbst Gefahr, sich über den Ursprung vollständig zu täuschen. So heisst eine Sorte Siambaumwolle, die zuweilen von Ame- rika kommt, eine andere je nach der Laune oder irrigen Ansicht der Züchter brasilianische oder Avabaumwolle.

Wir wollen hier zunächst von Gossypium herbaceum sprechen, eine alte Art der asiatischen Culturen, die jetzt auch in Europa und den Vereinigten Staaten am meisten verbreitet ist. In den heissen Ländern, wo sie zu Hause ist, hält ihr Stengel einige Jahre aus, ausser- halb der Wendekreise wird sie aber durch die Ein- wirkung der Winterkälte einjährig. Ihre Blume ist meistens gelb mit einem rothen Grunde. Die von ihr gewonnene Baumwolle hat je nach den Varietäten eine gelbe oder weisse Farbe.

Parlatore hat mehrere spontane Herbarienexemplare untersucht und andere, die von auf der Indischen Halb-

1 Todaro, Relazione della coltura dei cotoni in Italia seguita da una monografia del genere Gossypium (Rom und Palermo 1877—78); diesem Werke gingen mehrere andere, weniger ausgedehnte voran, von welchen Parlatore Kenntniss gehabt hatte.

2 Masters, in: Oliver, Flora of tropical Africa, S. 210; und in Sir J. Hooker, Flora of British India, I, 346.

Baumwollstaude. 511

insel wildwachsenden Exemplaren abstammten, angebaut. Er räumt ausserdem das Indigenat für Birma und den Indischen Archipel ein, wobei er sich auf Exemplare von Sammlern stützt, welche vielleicht die wıldwachsende Eigenschaft der Pflanze nicht genügend geprüft haben.

Mit Sicherheit sieht Masters eine von ihm Gossypium Stocksii benannte Form in Sindh als spontan an, welche ihm zufolge wahrscheinlich die wildwachsende Form von Gossypium herbaceum und anderer seit lange in Indien angebauten Baumwollarten ist. Todaro, welcher sich wenig geneigt zeigt, viele Formen unter einer einzigen Art zusammenzufassen, lässt jedoch die Identität jener mit dem gemeinen G. herbaceum zu. Die gelbe Farbe der Baumwolle würde somit der natürliche Zustand der Art sein. Der Same zeigt nicht den kurzen Flaum, welcher zwischen den länglichen Haaren bei LES angöhduten G. herbaceum vorkommt.

Die Cultur hat wahrscheinlich den Wohnsitz der Art ausserhalb des ursprünglichen Landes ausgedehnt. Dies ist muthmaasslich für die Sunda-Inseln und die Malaiische Halbinsel der Fall, wo gewisse Individuen mehr oder minder spontan scheinen. In seiner Flora von Birma erwähnt Kurz! das @. herbaceum mit gelber oder weisser Baumwolle als angebaut und zu gleicher Zeit als in wüsten Gegenden und vernachlässigten Ländereien wild- wachsend.

Die krautige Baumwollpflanze heisst Kapase im Bengali, Kapas im Hindustani, ein Beweis, dass das Sanskritwort Karpasoi sich auf die Art bezieht.” Ihr Anbau hatte-sich frühzeitig in Baktrien verbreitet, wo die Griechen sie bei dem Zuge Alexander’s bemerkt hatten. Theophrast® spricht von ihr in einer Weise, welche hierüber keinen Zweifel zulässt. Die baumartige Baumwollpflanze von der Insel Tylos im Persischen Meerbusen, von welcher er in einem andern Kapitel

1 Kurz, Forest flora of British Burma, I, 129. 2 Piddington, Index, 8 Theophrastus, Hist. plant., 1. 4, c. 5. |

512 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

spricht!, war wahrscheinlich ebenfalls das Gossypium herbaceum, denn Tylos ist von Indien nicht weit ent- fernt, und unter einem so heissen Klima wird aus der krautartigen Baumwollpflanze ein Strauch.

Die Einführung irgendeiner Baumwollpflanze nach China hat erst im 9. oder 10. Jahrhundert unserer Zeit- rechnung stattgefunden?, was auf einen vor Zeiten wenig ausgedehnten Wohnsitz des @. herbaceum im Süden und Osten Indiens schliessen lässt.

Die Kenntniss und vielleicht die Cultur der asiati- schen Baumwollpflanze hatte sich in der griechisch- römischen Welt nach dem Zuge Alexander’s, aber vor den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung weiter ausgebreitet. Wenn mit dem Byssos der Griechen die Baumwollpflanze gemeint war, wie dies die meisten der Gelehrten annehmen, so baute man sie nach Pau- sanias und Plinius ? in der griechischen Landschaft Elis an; Curtius und C. Ritter* sehen aber das Wort Byssos als einen Gesammtausdruck für Garn überhaupt an, und ihnen zufolge handelte es sich in diesem Falle um sehr feine Leinwand. Augenscheinlich war die Baumwoll- cultur bei den Alten gar nicht vertreten oder wenigstens nicht gewöhnlich. Nun würde sie aber in Anbetracht ihrer Nützlichkeit sehr um sich gegriffen haben, wenn sie beispielsweise nach einer einzigen Gegend von Griechenland eingeführt worden wäre. Die Araber waren es, welche sie später um das Mittelmeerbecken verbreitet haben, wie der Name Qutn oder Kutn° dies andeutet, der in die neuern Sprachen Südeuropas als Cotone, Coton, Algodon übergegangen ist. Ebn el Awan von Sevilla, der im 12. Jahrhundert lebte, beschreibt

1 Theophrastus, Hist. plant., 1. 4, c. 9.

2 Bretschneider, Study and value of Chinese botanical works, S. 7.

3 Pausanias, 1. 5, c. 5; 1. 6, c. 26; Plinius, 1. 19, c. 1. Vgl. Brandes, Baumwolle, S. 96.

4 C. Ritter, Die geographische Verbreitung der Baumwolle, S. 25.

5 Es ist unmöglich, die Aehnlichkeit dieses Namens mit jenem des arabischen Kattan oder Kittan für Flachs zu übersehen; dies ist ein Bei- spiel der bei den Namen eintretenden Verwirrung, sobald Uebereinstim- mungen zwischen den Producten stattfinden. >

Baumartige Baumwollpflanze. 513

die Cultur, wie sie zu seiner Zeit auf Sicilien, in Spa- nien und im Orient betrieben wurde.!

Gossypium herbaceum ist die in den Vereinigten Staaten am meisten angebaute Art.” Sie wurde wahr- scheinlich von Europa dahin gebracht. Dies war vor 100 Jahren eine neue Cultur, denn man confiscirte 1774 in Liverpool einen von Nordamerika kommenden Baum- wollballen aus dem Grunde, weil die Baumwoll- pflanze dort, wie man sagte, nicht wüchse.” Die lang- haarige Baumwolle (Sea island) ıst die einer andern amerikanischen Art, auf welche ich gleich zu sprechen kommen werde.

Gossypium arboreum, Linné. Baumartige Baum- wollpflanze (fr. Cotonnier arborescent).

Dieselbe ist höher im Wuchse und von längerer Dauer als die krautartige, die Blattlappen sind enger und die Deckblätter weniger geschlitzt oder ungetheilt. Die Blüte zeigt meistens eine rosa Färbung mit einem rothen Grunde. Die Baumwolle ist immer weiss.

Nach den anglo-indischen Botanikern findet sich diese Art nicht in Indien, wie man geglaubt hatte, und wird dort selbst nur selten angebaut. Ihr Vaterland ist das intertropische Afrika. Man hat sie in Oberguinea, Abes- sinien, Sennaar und Oberägypten spontan gesehen.# Sie ist aus diesen Ländern von einer so grossen Anzahl von Sammlern heimgebracht worden, dass man kaum noch daran zweifeln kann; die Cultur hat aber diese Art dermaassen verbreitet und mit den andern vermischt, dass man sie unter mehreren Namen in den Werken über Südasien beschrieben hat.

Parlatore hatte auf @. arboreum asiatische Exemplare

1 De Lasteyrie, Du Cotonnier, S. 290.

2 Torrey and Asa Gray, Flora of North America, I, 230; Darlington, Agricultural Botany, S. 16.

3 Schouw, Naturschilderungen, S. 152.

4 Masters, in: Oliver, Flora of tropical Africa, S. 211; Hooker, Flora of Brit. India, I, 347; Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 265 (unter dem Namen Gossypium nigrum); Parlatore, Specie dei Cotoni, S. 25

x DE CANDOLLE. 33

514 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

von @. herbaceum und eine sehr wenig bekannte Pflanze, welche Forskal in Arabien angetroffen hatte, bezogen. Danach vermuthete er, dass die Alten G. arboreum ebenso gut kannten als @. herbaceum. Gegenwärtig, wo man diese beiden Arten besser unterscheidet, den Ur- sprung der einen sowol wie der andern kennt, ist dies nicht wahrscheinlich. Die krautartige Baumwollpflanze lernten sie von Indien und Persien aus kennen, während die baumartige nur durch Aegypten zu ihnen gelangen konnte. Parlatore selbst hat einen höchst interessanten Beweis hierfür geliefert. Bis zu seiner Arbeit vom Jahre 1866 wusste man nicht, zu welcher Art die Samen der Baumwollpflanze gehörten, welche Rosellini in einer Vase aus den Denkmälern des alten Theben gefunden hat.! Diese Samen sind im Museum von Florenz auf- bewahrt. Sie wurden von Parlatore sorgfältig unter- sucht und gehören nach ihm zu Gossypium arboreum.? Rosellini behauptet, dass er nicht das Opfer einer Be- trügerei hat sein können, da er der erste war, der das Grab und die Vase öffnete. Nach ıhm hat kein Archäo- loge Anzeichen von Baumwollpflanzen in den alten Zeiten der ägyptischen Civilisation weder gesehen noch von ihnen gelesen. Wie hätte es kommen können, dass eine so ins Auge fallende Pflanze, durch ihre Blu- men und Samen gleich bemerkenswerth, weder abgebil- det, beschrieben noch dem Gebrauche gemäss in den Gräbern aufbewahrt worden wäre, wenn man sie ange- baut hätte? Weshalb hätten Herodot, Theophrast und Dioscorides bei dem Abschnitt über Aegypten in ihren Werken nicht von ihr gesprochen? Die Streifen, mit welchen alle Mumien eingewickelt sind, die, wie früher angenommen wurde, von Baumwolle waren, bestehen nach Thomson und vielen mit dem Mikroskop bewan- derten Beobachtern ausschliesslich aus Leinwand. Ich schliesse daraus, dass wenn die von Rosellini gefundenen

1 Rosellini, Monum. della Egizia, S. 2; Mon. civ., I, 60. 2 Parlatore, Specie dei Cotoni, S. 16.

Baumartige Baumwollpflanze. 515

Samen wirklich uralt waren, sie eine Seltenheit sein mussten, eine Ausnahme von den Gebräuchen, vielleicht das Erzeugniss eines in einem Garten angebauten Baumes, oder sie konnten auch von Oberägypten gekommen sein, dem Lande, wo, wie wir gesehen haben, die baumartige Baumwollpflanze wildwachsend auftritt. Plinius! hat nicht berichtet, dass die Baumwollpflanze in Unter- ägypten angebaut wurde; ich will hier aber die Ueber- setzung dieser sehr bemerkenswerthen so oft angeführten Stelle seines Werkes folgen lassen: „Der obere Theil von Aegypten, gegen Arabien zu, zeuget einen Strauch, welchen einige Baumwolle, Gossipion, andere das Woll- holz, Xylon, nennen, das daraus gemachte Garn heisst daher Baumwollenzeug, æylina. Er ist klein, trägt eine Frucht einer Bartnuss gleich, aus deren Hülse die Wolle gesponnen wird. Keine Art ist dieser an Weisse und Weiche vorzuziehen.“

Plinius fügt hinzu: „Die daraus gemachten Kleider lieben die ägyptischen Priester besonders.“ Viel- leicht wurde die für diesen Gebrauch bestimmte Baumwolle von Oberägypten geschickt, oder es hat sich der Autor, welcher die Zubereitung nicht ge- sehen hatte und nicht im Besitz unserer Mikro- skope war, über die Beschaffenheit der priesterlichen Gewänder geirrt, wie dies bei unsern Zeitgenossen der Fall war, die Hunderte von Mumienumhüllungen in Händen gehabt, ehe sie darüber aufgeklärt wurden, dass ‘solche nicht von Baumwolle waren. Bei den Juden mussten die Gewänder der Priester, dem Gesetze nach, von Leinwand sein, und es ist nicht wahrscheinlich, dass sie sich in diesem Brauche von den Aegyptern unterschieden.

Pollux?, der ein Jahrhundert nach Plinius und in Aegypten geboren wurde, drückt sich deutlich über die

1 Plinius, Hist. plant., 1. 19, e. 1. 2 Pollux, Onomasticon, Mu in: C. Ritter, a. a. 23 + 26.

99

516 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Baumwollpflanze aus, deren Fasern von seinen Lands- leuten verwerthet wurden; er sagt aber nicht, von wo der Strauch stammte und es lässt sich nicht bestimmen, ob dies Gossypium arboreum oder herbaceum war. Man ersieht selbst nicht einmal, ob die Pflanze in Unter- ägypten angebaut wurde, oder ob man die Baumwolle aus den südlichen Regionen erhielt. Trotz dieser Zweifel kann man sich der Vermuthung hingeben, dass sich eine Baumwollpflanze, wahrscheinlich die von Ober- ägypten, vor kurzem nach dem Nildelta eingeführt hatte. Die Art, welche Prosper Alpini im 16. Jahrhundert in Aegypten angebaut gesehen hatte, war die baumartige Baumwollpflanze. Die Araber und später die Europäer haben die krautartige Baumwollpflanze nach verschie- denen Ländern verpflanzt, indem sie dieselbe der baum- artigen vorzogen, welche ein weniger gutes Erzeugniss liefert und mehr Wärme beansprucht.

In Vorstehendem habe ich mich bezüglich der zwei Baumwollpflanzen der Alten Welt so wenig wie möglich solcher Belege bedient, welche griechischen Namen wie Buscos, owwöov, Evhov, OSuv etc., oder Sanskrit- und vom Sanskrit abgeleiteten Namen, wie Carbasa, Carpas, oder hebräischen Namen, wie Schesch, Buz, die man mit Zweifel auf Baumwolle bezieht, entlehnt sind. Dies ist ein Gegen- stand, der zu sehr vielen Erörterungen Veranlassung gegeben hat!; durch die genauere Unterscheidung der Arten, die Entdeckung ihres Vaterlandes, haben diese Fragen aber sehr an Bedeutung verloren, wenigstens für die Naturforscher, denen Thatsachen lieber sind als Worte. Ausserdem sind Reynier und nach ihm Karl Ritter bei ihren Forschungen zu einer Schlussfolgerung gelangt, welche man sich in Erinnerung bringen muss, dass nämlich dieselben Namen bei den Alten oft auf verschiedene Pflanzen oder Gewebe bezogen worden

1 Reynier, Economie des Arabes et des Juifs, S. 363; Bertoloni, Nov. act. Acad. bonon., II, 213, und Miscell. bot., VI; Viviani, in Bibl. ital., LXXXI, 94; Ritter, Geogr. Verbreitung der Baumwolle; Targioni, Cenni storici, S. 93; Brandis, Die Baumwolle im Alterthum (1866).

Baumwollpflanze von Barbadoes. 517

sind, z. B. auf die Leinwand und Baumwolle. In die- sem Falle wie in vielen andern gibt die Botanik der Neuzeit eine Erklärung für die alten Worte, während die Worte und Commentare der Sprachforscher irre- leiten können.

Gossypium barbadense, Linne, Baumwollpflanze von Barbadoes (fr. Cotonnier de Barbade).

Zur Zeit der Entdeckung Amerikas fanden die Spa- nier die Cultur und die Anwendung der Baumwolle von den Antillen nach Peru und von Mexico nach Brasilien allgemein begründet. Dies ist eine von allen Geschicht- schreibern jener: Epoche festgestellte Thatsache. Von welchen Arten rührte aber diese amerikanische Baum- wolle her und in welchen Ländern waren jene ein- heimisch? Es hält noch sehr schwer, dies in Erfahrung zu bringen. Die Unterscheidung der amerikanischen Arten oder Varietäten befindet sich in einem entsetz- lichen Wirrwarr. Selbst die Autoren, welche grosse Sammlungen von lebenden Baumwollpflanzen gesehen haben, stimmen in Bezug auf ihre besondern Merkmale nicht En Sie fühlen sich auch durch die Schwie- rigkeit behindert, zu wissen, welche specifischen Namen von Linn& beibehalten werden müssen, denn die ur- sprünglichen Begrenzungen sind nicht genügend. Die Einführung von amerikanischen Samen in die Culturen . Afrikas und Asiens hat diese Fragen noch mehr ver- wirrt, da die Botaniker von Java, Kalkutta, Bourbon ete. oft amerikanische Formen als Arten unter verschie- denen Namen beschrieben haben. Todaro lässt etwa zehn amerikanische Arten zu, Parlatore reduzirt solche auf drei, welche ihm zufolge dem Gossypium hirsutum, G. barbadense, G. religiosum von Linné entsprechen; schliesslich vereinigt Dr. Masters alle amerikanischen Formen unter einer einzigen, welche er @. barbadense nennt; als Hauptcharakteristicum für dieselbe führt er an, dass der Same ausschliesslich von langen Haaren um- - geben ist, während die Arten der Alten Welt einen kurzen

518 . Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Flaum unterhalb der verlängerten Haare besitzen.! Die Blume ist gelb mit rothem Grunde. Die Baumwolle ist weiss oder gelb. Parlatore hat sich bemüht, 50 oder 60 der angebauten Formen nach Sicht der in den Gärten oder Herbarien vorhandenen Pflanzen in die drei von ihm zugelassenen Arten zu bringen. Von Dr. Masters werden wenige Synonyme erwähnt, und es ist möglich, dass sich gewisse Formen, welche ihm unbekannt wa- ren, nicht in die Begrenzung seiner einzigen Art hinein- ‚bringen lassen.

Bei einer derartigen Verwirrung würde es für die Botaniker am gerathensten sein, nach den in Amerika spontanen Gossypiumpflanzen zu forschen, die Arten oder die Art ausschliesslich auf sie zu begründen und den angebauten Formen ihre barocken, häufig abge- schmackten Namen, welche über den Ursprung nur irre- leiten, zu lassen. Ich trete mit dieser Ansicht hervor, weil ich bei keiner andern Gattung von angebauten Pflanzen so sehr davon durchdrungen bin, dass die Naturgeschichte sich auf natürliche Thatsachen und nicht auf künstliche Producte der Cultur stützen muss.

Will man von diesem Gesichtspunkte ausgehen, wel- cher das Verdienst besitzt, eine wirklich wissenschaft- liche Methode zu sein, so muss man leider feststellen, dass die Kenntnisse über die in Amerika einheimischen Baumwollpflanzen noch sehr wenig fortgeschritten sind. Höchstens lassen sich zwei Sammler namhaft machen, welche wirklich spontane Gossypiumpflanzen gefunden haben, die dieser oder jener angebauten Form ähnlich sind oder mit ihr sehr übereinstimmen.

Selten nur kann man. sich auf alte Botaniker und Reisende in Bezug auf die spontane Eigenschaft einer Pflanze verlassen. Die Baumwollpflanzen gehen zu- weilen in der Nachbarschaft der Anpflanzungen auf und naturalisiren sich in geringerm oder hôüherm Grade,

1 Masters, in: Oliver, Flora of tropical Africa, I, 322, und in Hooker, Flora of Brit. India, I, 347.

i Baumwollpflanze von Barbadoes. 519;

indem der Flaum ihrer Samen die zufälligen Wande- rungen erleichtert. Der gewöhnliche Ausdruck der alten Autoren: die Baumwollpflanze von dem und dem Namen wächst in jenem Lande, bezieht sich häufig auf eine an- gebaute Pflanze. Linné selbst, mitten im 18. Jahrhundert, sagt häufig von einer angebauten Art: „Habitat“, ja er gebraucht es bisweilen in etwas leichter Weise.! Unter den Autoren des 16. Jahrhunderts wird Hernandez als einer der genauesten genannt, ein in Mexico wild- wachsendes Gossypium beschrieben und abgebildet zu haben; das Original ruft aber bezüglich der spontanen? Bedingung dieser Pflanze einige Zweifel hervor, von Parlatore wird dieselbe zu @. hörsutum, Linne, gebracht. In seinem Pflanzenkatalog Mexicos begnügt sich Hems- - ley*, von einem Gossypium, welches er barbadense nennt, zu sagen: „angebaut und wildwachsend“. Für letztere Bedingung liefert er keinerlei Beweise. Mac-Fadyen* spricht von drei auf Jamaica wildwachsenden und an- gebauten Formen. Er legt ihnen specifische Namen bei und fügt hinzu, dass sie vielleicht zu @. hirsutum, Linné, gehören. Von Grisebach® wird die Spontaneität einer Art, G. barbadense, auf den Antillen zugelassen. In Bezug auf specifische Unterscheidungen erklärt er, sie nicht mit Sicherheit feststellen zu können.

Für Neugranada beschreibt Triana® ein Gossypium, welches er G. barbadense, Linne, nennt; er sagt von demselben: „angebaut und subspontan längs des Rio Seco, Provinz Bogota, und in dem Caucathale, bei Cali“, und fügt eine Varietät hörsutum hinzu, welche am Rio Seco entlang wächst (ob spontan, wird nicht gesagt).

Für Peru, Guyana und Brasilien kann ich keine

1 So hat er beispielsweise von Gossypium herbaceum, welches den vor ihm bekannten Thatsachen zufolge sicherlich der Alten Welt angehört, gesagt: Habitat in America.

2 Nascitur in calidis, humidisque, cultis praecipue, locis (Hernandez, Novae Hispaniae thesaurus, S. 308).

3 Hemsley, Biologia centrali-americana, I, 123.

4 Mat-Fadyen, Flora of Jamaica, S. 72.

5 Grisebach, Flora of Brit. W. India Islands, S. 86.

6 Triana et Planchon, Prodr. fl. novo-granatensis, S. 170.

7 Die Malvaceen sind in der Flora brasiliensis noch nicht erschienen,

520 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

übereinstimmende Aussage entdecken; in der von Cl. Gay! veröffentlichten Flora Chiles wird aber ein Gossy- pium „als fast spontan in der Provinz Copiapo“ er- wähnt, welches der Autor auf die Form des @. peru- vianum, Cavanilles, bezieht. Cavanilles stellt diese Pflanze aber nicht als spontan hin, und Parlatore classi- ficirt sie mit @. religiosum, Linne.

Eine für die Cultur wichtige Form ist die der lang- haarigen Baumwolle, von den Anglo-Amerikanern Sea island oder Long staple cotton genannt, die Parlatore zu G. barbadense, Linné, bringt. Sie soll amerikani- schen Ursprungs sein, niemand hat sie aber wildwach- send gesehen.

Kurz, wenn die historischen Schriftstücke zuverlässig sind in Bezug auf die Verwendung der Baumwolle in Amerika seit den der Ankunft der Europäer weit vor- hergehenden Zeiten, so ist der spontane Wohnsitz der Pflanze oder der Pflanzen, welche diesen Stoff lieferten, noch sehr wenig bekannt. Bei dieser Gelegenheit wird uns das Fehlen ähnlicher Werke für das tropische Ame- rika wie über die englischen und holländischen Colo- nien Afrikas und Asiens recht fühlbar.

Arachis hypogaea, Linne. Erdnuss (fr. Arachide, Pistache de terre).

Nichts ist seltsamer, als die Befruchtungsweise dieser einjährigen Leguminose, welche in allen heissen Län- dern, sei es ihrer essbaren Samen wegen, sei es zur Gewinnung des in den Keimblättern enthaltenen Oels, angebaut wird.” In der „Flora brasiliensis“, Bd. XV, Taf. 23, hat Bentham hierüber sehr interessante Einzel- heiten gegeben, aus welchen man ersieht, wie das Blüten- stielchen sich nach der Blüte krümmt und die Hülse in der Erde vergräbt.

1 C1. Gay, Flora Chilena, I, 312.

2 Gardeners’ Chronicle vom 4. Septbr. 1880 gibt Einzelheiten über die Cultur dieser Pflanze, über die Verwerthung ihrer Samen und über die ungeheuere Ausfuhr, die gegenwärtig von der Westküste Afrikas, von Brasilien, Indien u. s. w. nach Europa stattfindet.

Erdnuss. 521

Ueber den Ursprung der Erdnuss wurde während eines Jahrhunderts gestritten, selbst von Botanikern, die gute Methoden anwandten, um ihn zu entdecken. Es dürfte von Nutzen sein, zu sehen, wie man zur Wahrheit ge- langt ist; dies kann als Wegweiser für ähnliche Fälle dienen. Ich will somit zunächst das wiederholen, was ich im Jahre 1855! gesagt habe, und werde damit schliessen, neue Beweise anzuführen, in deren Gefolge keine Zweifel mehr aufkommen können.

„Linne? hatte von der Erdnuss gesagt: «Sie bewohnt Surinam, Brasilien und Peru.» Seiner Gewohnheit ge- mäss liess er sich nicht weiter darüber aus, ob die Art an diesen Ländern spontan war oder angebaut wurde. R. Brown® sprach sich 1818 wie folgt aus: «Wahr- scheinlich ist sie von China nach dem indischen Fest- lande, nach Ceylon und dem Malaiischen Archipel ein- geführt worden, wo man sie, trotz ihrer jetzt allge- meinen Cultur, nicht für einheimisch halten kann, und zwar insbesondere der Namen wegen, welche man ıhr beilest. Ich sehe es als nicht sehr unwahrscheinlich an, dass man sie von Afrika nach verschiedenen äqui- noctialen Regionen -Amerikas gebracht haben würde, obgleich sie bereits in einigen der zuerst über dieses Festland, namentlich über Peru und Brasilien erschie- nenen Schriften erwähnt wird. Sprengel zufolge hätte Theophrast von ihr als in Aegypten angebaut ge- sprochen; es ist aber durchaus nicht ersichtlich, dass die Erdnuss diejenige Pflanze war, auf welche sich Theophrast bezog. Wenn man sie ehemals in Aegypten angebaut hätte, würde sie sich wahrscheinlich noch in jenem Lande finden; nun wird sie aber weder in dem Kata- log von Forskal, noch in der ausführlichern Flora von Delile angeführt. Es liegt nichts sehr Unwahrschein- liches in der Hypothese», fährt Brown fort, «dass die Erdnuss in Afrika und selbst in Amerika einheimisch

1 A. de Candolle, Géographie botanique raisonnée, S. 962. 2 Linné, Species plantarum, S. 1040. 3 R. Brown, Botany of Congo, S. 53.

Da Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

sei; will man sie aber als nur in einem dieser Conti- nente einheimisch ansehen, so ist es wahrscheinlicher, dass sie von China auf dem Wege durch Indien nach Afrika gebracht sei, als dass sie ihren Weg im ent- gegengesetzten Sinne gemacht hätte.» Mein Vater kam 1825 im «Prodromus» (II, 474) auf die Meinung Linne’s zurück. Ohne Zaudern gab er den amerika- nischen Ursprung zu. Wir wollen, sagte ich 1855, die Frage mit den Angaben, welche die Wissenschaft jetzt zu bieten vermag, wieder aufnehmen.

„Arachis hypogaea war zu Brown’s Zeiten die einzige bekannte Art dieser eigenthümlichen Gattung. Seitdem hat man sechs andere Arten entdeckt, die alle brasilianisch sind.! Wenn wir somit die Wahrschein- lichkeitsregel anwenden, aus welcher Brown zuerst einen so grossen Vortheil gezogen hat, so neigen wir uns ‘von vornherein der Ansicht eines amerikanischen Ur- sprungs zu. Wir wollen auch nicht vergessen, dass Marcgraf? und Piso? die Pflanze als in Brasilien vor- kommend beschreiben und abbilden unter dem Namen Mandubi, welcher einheimisch zu sein scheint. Sie führen Monardes, einen Schriftsteller des 16. Jahrhunderts an, der sie in Peru mit einem verschiedenen Namen, Anchic, erwähnt hat. Joseph Acosta* spricht nur von dem einen jener in Amerika gebräuchlichen Namen, Mani, und zwar bei Besprechung der Arten, die nicht fremden Ursprungs in Amerika sind. In Guyana, auf den An- tillen und in Mexico war die Erdnuss nicht seit alters her bekannt. Aublet? führt sie als angebaute Pflanze nicht in Guyana, aber auf der Insel Mauritius an. Her- nandez lässt sie unerwähnt. Sloane® hatte sie nur in einem Garten aus Samen von Guinea gezogen ange- troffen. Er berichtet, dass die Sklavenhändler ihre

1 Bentham, in: Trans. Linn. Soc., XVIII, 159; Walpers, Reperto- rium, I, 727.

2 Marcgraf et Piso, Brasil. (1648), S. 37. 3 Ebend. (1658), S. 256.

4 Acosta, Hist. nat. Ind., trad. france. (1598), S. 165.

5 Aublet, Pl. Guyan., S. 765. 6 Sloane, Jamaica, S. 184.

Erdnuss. 523

Schiffe damit beluden, um die Sklaven während der Ueberfahrt zu ernähren, was auf eine damals in Afrıka sehr verbreitete Cultur hinweist. In der zweiten Aus- gabe (1658, S. 256), in jener von 1648 nicht, bildet Piso eine sehr ähnliche Frucht ab, die von Afrika nach Brasilien unter dem Namen Mandobi gebracht war, der dem für die Arachis gebräuchlichen Mundubi sehr nahe- steht. Nach den drei Blättchen der Pflanze zu schliessen, würde dies die in Afrika so häufig angebaute Voandzeia sein; die Frucht scheint mir aber länglicher, als man sie für diese Gattung angibt, und sie enthält zwei oder drei Samen statt eines oder zweier. Wie dem auch immer sein möge, die von Piso begründete Unterschei- dung zwischen diesen beiden Samen, von denen der eine brasilianisch, der andere afrikanisch ist, läuft auf die Vermuthung hinaus, dass die Erdnuss von Brasi- lien stammt.

„Das hohe Alter und die Allgemeinheit ihrer Cultur in Afrika ist indessen ein Beleg von einigem Gewicht, welcher bis zu einem gewissen Grade dem hohen Alter in Brasilien und dem Auftreten von sechs andern Arachis- arten allein in diesem Lande das Gleichgewicht hält. Ich würde demselben eine grosse Bedeutung beimessen, wenn die Arachis von den alten Aegyptern und den Arabern gekannt worden wäre; durch das Stillschweigen der griechischen, lateinischen und arabischen Autoren, wie durch das Fehlen der Art zu Forskal’s Zeiten, gelange ich zu der Vermuthung, dass ihre Cultur in Guinea, am Senegal! und an der Ostküste Afrikas? nicht auf eine sehr alte Zeit zurückgeht. Ebenso wenig sind ıhr Merkmale von einem sehr hohen Alter in Asien eigen. Man kennt in der That keinen Sanskrit-°, sondern nur einen Hindustani-Namen für sie. Rumphius* zufolge wäre sie von Japan nach mehreren Inseln des In- dischen Archipels eingeführt worden. Sie hätte damals

1 Guillemin et Perrottet, Flora seneg. 2 Loureiro, Fl. cochinch. 3 Roxburgh, Fl. ind., III, 280; Piddington, Index. 4 Rumphius, Herb. amboin., V, 426 u. 427.

524 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

‚nur fremde Namen gehabt, wie z. B. den chinesischen, welcher einfach Erdbohne bedeutet. Zu Ende des ver- flossenen Jahrhunderts war sie in China und Cochin- china allgemein angebaut. Nun stellt sich aber der Ansicht des Rumphius von einer Einführung nach den Inseln von Japan oder China aus die Thatsache ent- gegen, dass Thunberg sie in seiner „Flora japonica“ nicht erwähnt. Japan hat aber seit 16 Jahrhunderten Beziehungen zu China gehabt, und die angebauten ein- heimischen Pflanzen des einen dieser beiden Länder sind gewöhnlich frühzeitig in das andere übergegangen. Sie wird auch nicht von Forster unter den auf den kleinen Inseln der Südsee gebräuchlichen Pflanzen an- gegeben. Die Gesammtmasse dieser Thatsachen lässt den amerikanischen, ich will sogar sagen brasilianischen Ursprung vermuthen.

„Keiner der von mir zu Rathe gezogenen Autoren berichtet, die spontane Pflanze, sei es in der Alten, sei es in der Neuen Welt, gesehen zu haben. Diejenigen, welche über Afrika oder Asien sprechen, haben sich bestrebt, zu bemerken, dass die Pflanze dort angebaut wurde. Für Brasilien sagt Marcgraf dies nicht; Piso gibt die Art als ausgesäet an.“

Samen der Erdnuss sind in den peruanischen Gräbern von Ancon! gefunden worden, was auf ein altes Vor- kommen in Amerika schliessen lässt und meine Meinung von 1855 unterstützt.

Das Studium der chinesischen Bücher durch Dr. Bret- schneider? wirft die Hypothese von Brown um. Die Erdnuss wird in den alten Werken dieses Landes nicht erwähnt, selbst nicht einmal in dem ım 16. Jahrhundert veröffentlichten ‚Pent-sao“. Bretschneider fügt hinzu, dass die Einführung seinem Dafürhalten nach erst im verflossenen Jahrhundert stattfand.

Alle neuern Floren Asiens und Afrikas erwähnen die

1 Rochebrune, nach dem im Botanischen Centralblatt, 1880, S. 1634, enthaltenen Auszuge. Für das Datum vgl. S. 429. 2 Bretschneider, On the study and value of Chinese bot. works, S. 18.

|

Kaffeebaum. 525

Art als angebaut, und die meisten Autoren glauben für

.sie an einen amerikanischen Ursprung. Nachdem Bent-

ham festgestellt hatte, dass man sie weder in Amerika noch anderswo wildwachsend angetroffen habe, lässt er die Meinung laut werden, dass sie vielleicht eine von den sechs andern in Brasilien spontanen Arten der Gat- tung abgeleitete Form sei, doch sagt er nicht von welcher. Dies ist ziemlich wahrscheinlich, denn eine in so besonderer und wirksamer Weise zum Keimen aus- gestattete Pflanze scheint nicht zum Aussterben ver- anlagt zu sein. Man würde sie in Brasilien in dem- selben Zustande wie die angebaute Pflanze gefunden haben, wenn letztere nicht ein Erzeugniss der Cultur wäre. Die Werke über Guyana und andere amerika- nische Regionen führen die Art als angebaut an. Von Grisebach ! hören wir ausserdem, däss sie sich auf meh- reren der Antillen ausserhalb des Culturbereichs natu- ralisirt.

Es ist kaum anzunehmen, dass eine Gattung, von welcher alle ihre gut bekannten Arten so in einer einzigen Region Amerikas vereinigt sind, eine Art ent- halte, die der Neuen und Alten Welt gemeinschaftlich angehöre. Dies würde eine allzu grosse Ausnahme von den für gewöhnlich bestehenden Grundlehren der Pflan- zengeographie sein. Dann fragt man sich aber, auf welche Weise die Art (oder angebaute Form) ihren Uebergang vom amerikanischen Continent nach der Alten Welt bewerkstelligt habe. Die Ansicht scheint mir nicht zu fernliegend zu sein, dass eine Verpflanzung von Brasilien nach Guinea durch die ersten Sklaven- händler ins Werk gesetzt worden sei, an welche sich weitere Transporte von Brasilien nach den Inseln im Süden Asiens durch die Portugiesen seit Ende des 15. Jahrhunderts anschlossen.

Coffea arabica, Linne. Kaffeebaum (fr. Cafeier). Dieser kleine Baum aus der Familie der Rubiaceen

1 Grisebach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 189.

526 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

ist in Abessinien!; im Sudan? und an den beiden ent- gegengesetzten Küsten von Guinea und Mozambique? wildwachsend. Vielleicht hat er sich in letztern vom Centralpunkt entfernten Localitäten infolge der Culturen naturalisirt. Niemand hat ihn bisjetzt in Arabien ge- funden, dies mag aber von der Schwierigkeit herrühren, in das Innere des Landes einzudringen. Sollte man ihn dort entdecken, so wird es nicht leicht sein, die spontane Beschaffenheit festzustellen, denn die Samen, welche ihre Keimkraft rasch verlieren, gehen häufig in der Nähe von Culturen auf und naturalisiren die Art. Das hat man in Brasilien und auf den Antillen ge- sehen, wo man mit Gewissheit weiss, dass der Kaffee- baum nie einheimisch gewesen ist.

Der Gebrauch des Kaffees scheint in Abessinien alt zu sein. Shehabeddin Ben, Verfasser einer arabischen Handschrift aus dem 15. Jahrhundert (Nr. 944 der pariser Bibliothek), welchen John Ellis’ in seiner ausgezeich- neten Abhandlung anführt, berichtet, dass man den Kaffee seit undenklichen Zeiten in Abessinien gebrauchte. Es hatte sich dieser Gebrauch, selbst als Arzneimittel, nicht nach den benachbarten Ländern verbreitet, denn die Kreuzfahrer wussten nichts davon, und der be- rühmte, in Malaga geborene Arzt Ebn Baithar, welcher zu Anfang des 13. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung Nordafrika und Syrien durchwandert hatte, sagt kein Wort vom Kaffee.5 Im Jahre 1596 schickte Bellus an Clusius Samen, aus welchem die Aegypter das Getränk Cave bereiteten.” Ungefähr zur selben Zeit hatte Prosper Alpini in Aegypten selbst Kenntniss davon erlangt. Er bezeichnet den Strauch unter dem Namen „arbor Bon,

1 Richard, Tentamen fl. abyss.; I, 349; Oliver, Flora of tropical Africa,

III, 180. *2 Ritter, angeführt in: Flora, 1846, S. 704.

3 Meyen, Pflanzengeographie, englische Uebersetzung, S. 384; Grise- bach, Flora of Brit. W. Indian Islands, S. 338.

4 H. Welter, Essai sur l’histoire du café (Paris 1868).

5 Ellis, An historical account of Coffee (1774).

6 Ebn Baithar, übers. von Sondtheimer, Bd. II (1842).

7 Bellus, Epist. ad Clus., S. 309.

2

Kaffeebaum. 527

cum fructu suo Buna“. Der Name Bon findet sich auch

bei den ersten Autoren unter der Form von Bunnu,

Buncho, Bunca! wieder. Die Namen von Cahue, Cahua, Chaube?, Cave? bezogen sich in Aegypten und Syrien vielmehr auf das zubereitete Getränk und sind der Ur- sprung des Wortes Kaffee geworden. Der Name Bunnu oder ein diesem ähnlicher ist so gewiss der ursprüngliche Name der Pflanze, dass die Abessinier sie noch heutzutage Bun nennen.*

Wenn der Gebrauch des Kaffees in Abessinien älter ist als anderswo, so beweist’ dies noch nicht, dass die Cultur daselbst eine sehr alte ist. Sehr möglich ist es, dass man während Jahrhunderten die Bohnen in den Wäldern eingesammelt hat, wo sie zweifelsohne sehr gemein waren. Dem oben citirten arabischen Schriftsteller zufolge hätte ein mit ihm fast zu gleicher Zeit lebender Mufti von Aden Namens Gemaleddin, nachdem er Kaffee in Persien hatte. trinken sehen, diese Sitte nach Aden eingeführt, und von da würde sie sich nach Mokka, Aegypten u. s. w. weiter verbreitet haben. Derselbe Schriftsteller berichtet auch, dass der Kaffee- baum in Arabien wüchse.® Andere Erzählungen oder Ueberlieferungen kommen vor, denen zufolge es immer arabische Mönche oder Priester sein würden, welche das Kaffeegetränk erfunden hätten®, sie lassen uns aber ebenfalls in Ungewissheit über die erste Zeit der Cultur. Wie dem auch immer sei, indem sich der Gebrauch des

Kaffees ım Morgenlande, dann im Abendlande trotz

vieler Verbote und wunderlicher Streitigkeiten? verbrei- tete, ist auch die Production für die Colonien ein Gegen- stand von Bedeutung geworden. DBoerhaave erzählt, dass der Bürgermeister von Amsterdam, Nikolas Witsen, Director der holländischen Handelscompagnie, den Gou-

1 Rauwolf, Clusius. 2 Rauwolf; Bauhin, Hist., I, 422.

3 Bellus, a. a. O. 4 Richard, Tentamen fl. abyss., S. 350.

5 Ein Auszug desselben Verfassers in: Playfair, Hist. of Arabia Felix (Bombay 1859), erwähnt diese Aussage nicht.

6 Nouv. Dict. d’hist. nat., IV, 552.

7 Ellis, a. a. O.; Nouy. Dict., a. a. O.

598 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

verneur von Batavia, Van Hoorn, dringend aufforderte, Kaffeesamen von Arabien nach Batavia kommen zu lassen; dies geschah, und ermöglichte es Van Hoorn, lebende Pflänzchen davon im Jahre 1690 an Witsen zu schicken. Dieselben wurden in dem von Witsen ge- gründeten botanischen Garten in Amsterdam gepflegt und trugen daselbst Früchte. Im Jahre 1714 schickte die Behörde dieser Stadt eine kräftige und mit Früchten bedeckte Pflanze davon an Ludwig XIV., welcher sie in seinem Garten zu Marly unterbrachte. Man zog den Kaffeebaum auch in den Gewächshäusern des König- lichen Gartens in Paris. Einer der Professoren die- dieses Instituts, Antoine de Jussieu, hatte bereits 1713 in den „Memoires de l’Académie des sciences“ eine interessante Beschreibung der Pflanze veröffentlicht, und zwar nach einem lebenden Exemplar, welches ihm von Pancras, dem Director des amsterdamer Gartens, zu- geschickt worden war.

Die ersten in Amerika angepflanzten Kaffeebäume wurden von den Holländern im Jahre 1718 nach Suri- nam eingeführt. De La Motte-Aigron, Gouverneur von Cayenne, erhielt bei seinem Aufenthalte in Surinam unter der Hand einige Pflanzen und vermehrte dieselben 1725. Nach Martinique wurde der Kaffeebaum durch einen Marineoffizier Namens de Clieu? eingeführt, dies soll nach Deleuze im Jahre 1720, nach den , Notices statistiques sur les colonies françaises“ * im Jahre 1723

1 Diese Darstellung ist entlehnt aus: Ellis, Diss. Caf., S. 16. Die

Notices statistiques sur les colonies françaises, II, 46, sagen: „Gegen das .

Jahr 1716 oder 1721 wurden frische Kaffeesamen, trotz der Ueberwachung der Holländer, heimlich von Surinam gebracht, und setzte sich die Cultur dieser Colonialwaare in Cayenne fest.‘

2 Der Name dieses Seemanns ist je nach den Werken verschieden- artig geschrieben worden: Declieux, Duclieux, Desclieux. Nach Erkundi- gungen, die ich im Kriegsministerium eingezogen habe, war de Clieux ein mit dem Grafen von Maurepas verwandter Edelmann. In der Nor- mandie geboren, war er 1702 in die Marine eingetreten und hatte nach einer sehr ehrenwerthen Carrière im Jahre 1760 seinen Abschied genom- men. Seine Dienstzeugnisse habe ich in einer Anmerkung meiner Géo- graphie botanique, S. 971, angeführt. Er starb 1775. Die officiellen Be- richte haben es nicht unterlassen, die wichtige Thatsache anzuführen, dass er den Kaffeebaum nach den französischen Colonien eingeführt hatte.

3 Deleuze, Hist. du Muséum, I, 20.

4 Notices statist. sur les colonies francaises, I, 30.

Ber

if

6

Kaffeebaum. 529

stattgefunden haben. Von dort führte man ihn nach den andern französischen Inseln ein, z. B. 1730 nach Guadeloupe. Sir Nicolas Lawes baute ihn zuerst auf Jamaica an.” Vom Jahre 1718 an hatte die französische Handelscompagnie Mokka-Kaffeepflanzen nach der Insel Bourbon geschickt*, nach andern®* geschah es schon 1717, dass ein gewisser Dufougerais-Grenier von Mokka Kaffeepflanzen nach dieser Insel kommen liess. Bekannt ist es, wie sich die Cultur dieses Strauchs auf Java, Ceylon, den Antillen und in Brasilien verbreitet hat. Nichts hält sie davon ab, sich in den meisten

intertropischen Ländern weiter auszudehnen, um so

mehr, als der Kaffeebaum auf abfälligem und ziemlich dürrem Terrain fortkommt, wo andere Erzeugnisse nicht gedeihen können. In der tropischen Landwirthschaft ist er ein Ersatz für die Weinrebe in Europa, den Theestrauch in China.

Weitere Details finden sich in dem von H. Welter’ veröffentlichten Bande über die wirthschaftliche und commerzielle Geschichte des Kaffees. Der Verfasser hat selbst ein interessantes Kapitel über die verschiedenen Surrogate hinzugefügt, mit welchen man bald in ziem- lich befriedigender, bald in sehr ungenügender Weise einen Samen zu ersetzen sucht, der in seinem Natur- zustande gar nicht hoch genug geschätzt werden kann.

Coffea liberica, Hiern.° Liberischer Kaffeebaum (fr.

' Cafeier de Liberie).

Pflanzen dieser Art, welche in Liberien, Angola, Go- lungo alto? und wahrscheinlich in mehreren andern Gegenden des tropischen Westafrika wildwachsend auf-

1 Notices statist. sur les colonies francaises, I, 209.

2 Martin, Statist. colon. Brit. Emp.

3 Nouv. Dict. d’hist. nat., IV, 135.

4 Notices statist. sur les colonies françaises, II, 84.

5 H. Welter, Essai sur l’histoire du café (Paris 1868).

6 Hiern, Transactions of the Linnean Society, Serie 2, I, 171, Taf. 24. Diese Abbildung findet sich in dem Bericht über den Königlichen Garten zu Kew vom Jahre 1376.

7 Oliver, Flora of tropical Africa, III, 181.

DE CANDOLLE. 34

530 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

treten, sind seit einigen Jahren vom Königlichen Garten in Kew nach den englischen Colonien geschickt worden.

Das Wachsthum ist ein kräftigeres als jenes des ge- meinen Kaffeebaums, und die grössern Samen ergeben eine ausgezeichnete Waare. Die officiellen Berichte des Gartens zu Kew, veröffentlicht von seinem gelehrten Director, Sir Joseph Hooker, machen uns mit den Fort- schritten dieser Einführung bekannt, welche besonders auf Domingo in hohem Ansehen steht.

Madia sativa, Molina. Madia.

Vor der Entdeckung Amerikas bauten die Bewohner von Chile diese einjährige Compositenart wegen ihres in den Samen enthaltenen Oels an. Seitdem viele Oel- bäume gepflanzt wurden, wird die Madia von den Chi- lenen gering geachtet, welche sich nur über die Pflanze als ein in ihren Gärten unbequemes Unkraut beschweren.! Dann haben sich die Europäer daran gemacht, sie an- zubauen, freilich nur mit einem mittelmässigen Erfolge, da ihre Blütenköpfchen einen schlechten Geruch be- sitzen. |

Die Madia ist in Chile und ebenso in Californien ? einheimisch. Man kennt noch andere Beispiele von solcher Theilung des Wohnsitzes zwischen den beiden Ländern.®

Myristica fragrans, Houttuyn. Muskatnussbaum (fr. Muscadier).

Dieser kleine Baum aus der Familie der Myristica- ceen ist auf den Molukken spontan, besonders auf den Banda-Inseln.* Nach der beträchtlichen Anzahl seiner Varietäten zu. schliessen, wird er dort seit einer sehr langen Zeit angebaut.

Die Europäer erhielten die Muskatnuss seit dem

1 Cl. Gay, Flora Chilena, IV, 268.

2 Asa Gray, Botany of California, I, 359.

3 A. de Candolle, Géographie bot. raisonnée, S. 1047. 4 Rumphius, Amboin., II, 17; Blume, Rumphia, I, 180.

Muskatnussbaum. Sesam. 531

Mittelalter durch den Handel Asiens; es haben sich aber seit lange die Holländer das Monopol seiner Cultur gesichert. Als die Engländer zu Ende des verflossenen Jahrhunderts die Molukken in Besitz hielten, haben sie lebende Muskatnussbäume nach andern Inseln ge- bracht.! Dieser Baum hat sich dann auf Bourbon, Mauritius, Madagascar und in einigen Üolonien des tropischen Amerika weiter ausgebreitet, vom commer- ziellen Gesichtspunkte aus jedoch nur mit einem mit- telmässigen Erfolge.

Sesamum indicum, de Candolle. $. indicum und 8. orientale, Linne. Sesam.

Der Sesam wird seit sehr langer Zeit in den warmen Regionen der Alten Welt seines aus den Samen > wonnenen Oeles wegen angebaut.

Die Familie der Sosameent zu welcher diese ein- jäbrige Pflanze gehört, wird aus mehreren Gattungen zusammengesetzt, die in den tropischen Regionen Asiens, Afrikas und Amerikas verbreitet sind. Die Gattung Sesamum, im weitesten Sinne genommen?, hat etwa zehn Arten, die alle afrikanısch sind, mit Ausnahme vielleicht der angebauten Art, nach deren Ursprung wir suchen wollen. Diese bildet für sich allein die echte Gattung Sesamum, welche ın dem Werke von Bentham und Hooker eine Unterabtheilung ausmacht. Die botanische Analogie dürfte auf einen afrikanischen Ursprung hin- weisen, man weiss aber, dass es viele Pflanzen gibt, deren Wohnsitz sich von Südasien nach Afrika erstreckt.

Die Sesampflanze zeigt zwei Rassen, die eine mit schwarzen, die andere mit weissen Samen, und mehrere Varietäten in Bezug auf die Form der Blätter. Die Farbenverschiedenheit der Samen geht auf ein hohes Alterthum zurück, wie solches sich auch bei der Mohn- pflanze zeigt.

1 Roxburgh, Flora indica, III, 845. 2 Bentham et Hooker, Genera plantarum, II, 1059.

34*

532 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Die Samen verbreiten sich häufig ausserhalb der Cul- turen und naturalisiren die Art mehr oder weniger. Man hat sie in sehr weit voneinander entfernten Re- gionen angetroffen, z. B. in Indien, auf den Sunda-In- seln, in Aegypten und selbst auf den Antillen, wo die Cultur sicherlich neuerer Einführung ist.! Dies ist vielleicht der Grund, weshalb kein Autor die Pflanze im wildwachsenden Zustande angetroffen haben will. Blume?, ein sehr zuverlässiger Beobachter, macht hiervon eine Ausnahme, er erwähnt eine Varietät mit röthern Blumen als gewöhnlich, die in den Bergen Javas wächst. Dies ist ohne Zweifel ein Fingerzeig für den Ursprung, zum wirklichen Beweise bedarf es solcher aber mehr. Ich werde sie in der Geschichte des Anbaues suchen. Das Land, wo derselbe angefangen hat, muss der alte Wohnsitz der Art sein oder mit diesem alten Wohnsitz in Beziehung gestanden haben.

Dass die Cultur in Asien auf eine sehr fern gelegene Epoche zurückgeht, unterliegt nach der Verschiedenheit der Namen keinem Zweifel. Der Sesam heisst im San- skrit Tia, im Malaiischen Widjin, im Chinesischen Moa (nach Rumphius) oder Chi-ma (nach Bretschneider), im Japanischen Koba.* Der Name Sesam ist, einige unbe- deutende Buchstabenabänderungen ausgenommen, im Griechischen, Lateinischen und Arabischen derselbe. Dar- aus könnte man schliessen, dass der Wohnsitz ein sehr ausgedehnter war und dass man die Pflanze in mehreren Ländern für sich anzubauen angefangen hatte. Man darf aber einem derartigen Belege nicht zu viel Be- deutung zuschreiben. Die chinesischen Werke lassen schliessen, dass der Sesam nach China nicht vor der christlichen Zeitrechnung eingeführt worden ist. Die erste, ziemlich sichere Notiz findet sich in einem Buche

1 Pickering, Chronol. History of Plants, S. 223; Rumphius, Herb. amboinense, V, 204; Miquel, Flora indo-batava, II, 760; Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 273; Grisebach, Flora of Brit. W. India, S. 458.

2 Blume, Bijdragen, S. 778.

3 Roxburgh, Fl. ind. (1832), III, 100; Piddington, Index.

4 Thunberg, Flora japon., S. 254.

Sesam. 533

aus dem 5. oder 6. Jahrhundert, welches den Titel „Isi min yao schu“! führt. Vordem herrschte einige Namensverwirrung mit dem Lein, dessen Samen eben- falls Oel liefert und welcher in China nicht seit langer Zeit vorkommt.?

Theophrast und Dioscorides berichten, dass die Aegyp- ter eine Sesam genannte Pflanze anbauten, um Oel daraus zu gewinnen, und Plinius fügt hinzu, dass die- selbe aus Indien stamme.® Er spricht auch von einem in Aegypten wildwachsenden Sesam, aus welchem Oel ge- wonnen würde, dies war aber wahrscheinlich die Ricinus- pflanze.* Der Beweis ist nicht geliefert worden, dass die alten Aegypter vor der Zeit des Theophrast den Sesam angebaut haben. Man hat in den Denkmälern weder eine Abbildung noch Samen von ihm gefunden. Eine Zeichnung der Grabstätte von Rhamses Ill. führt den Brauch vor, kleine Samen mit dem Mehl für feineres Backwerk zu vermischen, und heutzutage geschieht dies noch in Aegypten mit dem Sesamsamen; man bedient sich aber auch anderer Samen (Kümmel, Schwarzküm- mel), und es ist unmöglich, auf der Zeichnung den Se- sam besonders zu érkennen.5 Wenn die Aegypter die Art zur Zeit des Auszugs der Juden aus ihrem Lande (1100 Jahre vor Theophrast) gekannt hätten, würden die hebräischen Bücher sie wahrscheinlich wegen der verschiedenartigen Gebrauchsanwendungen des Samens und besonders des Oels erwähnt haben. Indessen ist von den Commentatoren keine Spur davon im Alten Testa- ment aufgefunden worden. Der Name Semsem oder Sim- sim ist ein gut semitischer, freilich wird er nur aus der weniger weit zürückreichenden Zeit des Talmud® und

1 Bretschneider, Brief vom 23. August 1881.

2 Bretschneider, On the study etc., S. 16.

3 Theophrastus, 1. 8, c. 1, 5; Dioscorides, 1. 2, c. 121; Plinius', Hist., 1. 18, c. 10.

4 Plinius, Hist., 1. 15, c. 7.

5 Wilkinson, Manners and customs ete., Bd. II; Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 45.

6 Reynier, Économie publique des Arabes et des Juifs, S. 431; Löw, Aramäische Pflanzennamen, S. 376.

534 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

der aus der christlichen Zeitrechnung stammenden Ab- handlung über Landwirthschaft von Alawwam! herge- schrieben. Vielleicht sind es die Semiten, welche die Pflanze und den Namen Semsem (woraus das griechische Sesam) seit der Epoche der grossen Denkmäler und des Auszugs nach Aegypten gebracht haben. Sie haben dieselbe mit dem babylonischen Namen empfangen kön- nen, wo man, Herodot zufolge, den Sesam anbaute.?

Eine alte Cultur in der Euphratregion steht mit dem Vorhandensein eines Sanskritnamens, Tila, des Tilu der Brahmanen (Rheede, ‚„Malabar“, I, 9, S. 105, 107) im Einklang, ein Wort, von welchem sich Ueberreste in mehreren neuern Sprachen Indiens, ganz insbesondere auf Ceylon vorfinden.? Somit werden wir in Ueber- einstimmung mit dem Ursprunge, von welchem Plinius sprach, nach Indien zurückgeführt, es ist aber immer- ‘hin möglich, dass Indien selbst die Art von den Sunda- Inseln vor Ankunft der arischen Eroberer erhalten hat. Rumphius gibt für diese Inseln drei Sesamnamen an, die unter sich sehr verschieden sind und von dem Sanskritnamen völlig abweichen; dies unterstützt die Annahme, dass die Art auf dem Archipel ein älteres Vorkommen zeigt als auf dem Continent.

Nach der Spontaneität auf Java und den historischen und linguistischen Belegen zu urtheilen, scheint schliess- lich der Sesam ursprünglich von den Sunda-Inseln ab- zustammen. Seit 2000 oder 3000 Jahren ist er nach Indien und der Euphratregion eingeführt worden, und nach Aegypten in einer weniger weit zurückreichenden Epoche, 1000—500 v. Chr.

Man ist im Ungewissen darüber, seit welcher Zeit er im übrigen Afrika angebaut wird, aber die Portu- giesen haben ihn von der Guineaküste nach Brasilien gebracht.{

1 E. Meyer, Geschichte der Botanik, III, 75. 2 Herodot, 1. 1, c. 193. 3 Thwaites, Enum., S. 209. 4 Piso, Brasil. (1658), S. 211.

Ricinuspflanze. 535

Ricinus communis, Linné. Rieinuspflanze (fr. Ricin).

Die neuesten und anerkannt besten Werke verlegen das Heimatland dieser Euphorbiacee nach Südasien; zu- weilen führen sie gewisse Varietäten in Asien, andere in Afrika oder in Amerika an, ohne die angebauten Pflanzen von den wildwachsenden zu unterscheiden. Ich habe Grund zu glauben, dass sich das wirkliche Vaterland im intertropischen Afrika befindet, was mit der von Ball ausgesprochenen Meinung übereinstimmt.!

Die Schwierigkeiten, welche diese Frage umgeben, sind dem hohen Culturalter in verschiedenen Ländern zuzuschreiben, ferner der Leichtigkeit, mit welcher sich die Ricinuspflanze von selbst aussäet und sich auf Schutthaufen und sogar auf unbebauten Ländereien na- turalisirt, schliesslich der Verschiedenartigkeit ihrer Formen, welche man häufig als Arten beschrieben hat. Der letzte dieser drei Punkte darf uns nicht weiter aufhalten, denn die sorgfältige Monographie von Dr. J. Müller? stellt das Vorkommen von 16 kaum erb- lichen Varietäten fest, welche sich durch zahlreiche Uebergänge miteinander vermischen und demnach in ihrer Gesammtheit eine einzige Art ausmachen.

Die Zahl dieser Varietäten ist ein Fingerzeig für eine sehr alte Cultur. Sie unterscheiden sich mehr oder minder durch die Samenkapseln, die Samen, den Blüten- stand u. s. w. Ausserdem sind es kleine Bäume in den heissen Ländern, ertragen aber nicht leicht den Frost ‘und werden nördlich von den Alpen und in ähnlichen Regionen einjährige Pflanzen. Man säet sie alsdann zum Schmuck der Gärten, während dies in den tropi- schen Regionen und selbst in Italien des Oeles wegen geschieht, welches in dem Samen enthalten ist. Dieses mehr oder minder abführende Oel dient in Bengalen und auch anderwärts zur Beleuchtung.

In keiner Region ist die Ricinuspflanze in einer so

1 Ball, Florae maroccanae spicilegium, S. 664. 2 Müller, Argov., in: De Candolle, Prodromus, XV, 11, 1017.

536 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

gewissen Weise wildwachsend nachgewiesen worden als in Abessinien, ın Sennaar und Kordofan. Die Mittheilun- gen der Autoren und Sammler lauten ganz bestimmt. Die Ricinuspflanze ist in den steinigen Gegenden des Chirethales bei Goumalo gemein, sagt Quartin Dillon; sie ist spontan in den Gegenden von Obersennaar, welche während der Regenzeit überschwemmt sind, berichtet Hartmann.! Ich besitze ein Exemplar von Kotschy, Nr. 243, welches am Nordabhange des Berges Kohn in Kordofan gesammelt wurde. Die Angaben der Reisenden in Mozambique und an der gegenüberliegen- den Küste von Guinea sind nicht ganz so deutlich, es ist aber sehr möglich, dass sich der spontane Wohnsitz über einen grossen Theil des tropischen Afrika erstreckt. Da es sich um eine nützliche, sehr ins Auge fallende und leicht zu vermehrende Art handelt, haben die Neger sie seit langer Zeit verbreiten müssen. Sobald man sich jedoch dem Mittelmeer nähert, ist vom Indigenat nicht mehr die Rede. Schon für Aegypten geben Schweinfurth und Ascherson? die Art nur als angebaut und naturalisirt an. Wahrscheinlich hat sie sich in Al- gerien, Sardinien, Marokko und selbst auf den Cana- rischen Inseln, wo man sie besonders am sandigen Meeresgestade antrifft, seit Jahrhunderten naturalisirt. Dasselbe lässt sich von den Exemplaren sagen, welche Schimper von Dschedda in Arabien mitbrachte, und die in der Nähe einer Cisterne gesammelt waren. Indessen hat Forskal® die Ricinuspflanze auf den Gebirgen des Glücklichen Arabien gesammelt, was eine spontane Fundstätte andeuten mag. Boissier* führt sie für Be- ludschistan und Südpersien an, aber als „subspantan“, desgleichen für Syrien, Anatolien und Griechenland. Rheedeÿ spricht von der Ricinuspflanze als in Malabar

1 Richard, Tentamen florae abyssinicae, II, 250; Schweinfurth, Plantae niloticae a Hartmann etc., S. 13. Schweinfurth und Ascherson, Aufzählung, S. 262. Forskal, Fl. arab., S. 71. 4 Boissier, F1. orient., IV, 1143.

Rheede, Malabar, II, 57, Taf. 32.

€) t9

ot

L =

Ricinuspflanze. pat

angebaut und im Sande wachsend, von den neuern anglo- indischen Botanikern wird aber in keiner Weise die Spon- taneität zugegeben. Mehrere schweigen ganz über die Art. Einige heben die Leichtigkeit hervor, mit welcher sie sich ausserhalb des Culturbereichs naturalisirt. Loureiro hatte unsere Pflanze in Cochinchina und China „angebaut und nicht angebaut“ gesehen, was vielleicht den Culturen ent- sprungen bedeuten soll. Für die Sunda-Inseln ist Rum- phius! wie immer eine der interessantesten Quellen. „Die Rieinuspflanze“, sagt er, „wächst besonders auf Java, wo sie ungeheuere Felder bedeckt und eine grosse Menge Oel liefert. In Amboina pflanzt man sie mehr als Arzneipflanze hier und da in der Nähe der Wohnplätze und auf den Fel- dern. Die wildwachsende Pflanze findet sich in Gärten, die sich selbst überlassen sind (in desertis hortis); sie stammt zweifelsohne von der angebauten Pflanze ab (sine dubio degeneratio domesticae). In Japan findet sich die Ricinuspflanze unter Sträuchern und an den Abhängen des Berges Wunzen, aber Franchet und Sava- tier? fügen hinzu: „wahrscheinlich eingeführt“. Schliess- lich erwähnt Dr. Bretschneider die Art weder in seiner Schrift vom Jahre 1870 noch in den später an mich gerichteten Briefen, was mich eine wenig alte Einfüh- rung in China vermuthen lässt.?

Im intertropischen Amerika baut man die Ricinus- pflanze an. Sie naturalisirt sich dort leicht in den Gebüschdickichten, auf Schutthaufen u. s. w.; aber kein Botaniker hat sie dort unter den Bedingungen einer wirklich einheimischen Pflanze angetroffen. Die Ein- führung muss auf die ersten Zeiten der Entdeckung von Amerika zurückgehen, denn auf den Antillen führt man einen volksthümlichen Namen, Lamourou, an, und Piso weist auf einen andern in Brasilien hin, Nhambu-Guacu,

1 Rumphius, Herb. Amboin., IV, 93.

2 Franchet et Savatier, Enum. plant. Japoniae, I, 424.

3 „Dr. Bretschneider spricht von der Ricinuspflanze in einer Anmer- kung seiner «Study» etc., S. 70, welche ich übersehen hatte, was er aber darüber sagt, auch in einem Briefe vom Jahre 1881, weist nicht auf eine alte Cultur in China hin.“ [Vom Verfasser zugeschickte Anmerkung.]

538 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Figuero inferno der Portugiesen. Von Bahia habe ich die meisten Proben erhalten, doch ist für keine davon der Nachweis des wirklichen Indigenats bestimmt be- hauptet worden.

In Aegypten und Westasien datirt die Cultur der Ricinuspflanze aus so fernliegenden Zeiten, dass sie über den Ursprung irregeführt haben. Herodot, Pli- nius, Diodor u. s. w. fee) betrieben sie die alten Aegypter in grossem Maassstabe. In Bezug auf die Art waltet kein Zweifel ob, denn man hat in den Grä- bern Samen davon gefunden.! Der ägyptische Name war Kiki; derselbe wird von Theophrast und Dios- corides erwähnt und ist von den Neugriechen beibe- halten worden?, während die Araber einen ganz ver- schiedenen Namen haben, Kerua, Kerroa, Charua.?

Roxburgh und Piddington citiren einen Sanskrit- namen, Eranda, Erunda, von welchem andere in den neuern Sprachen Indiens abgeleitet werden. Auf welche Epoche des Sanskrit geht dieser Name zurück? Das erfahren wir nicht von den Botanikern. Da es sich um eine Pflanze warmer Länder handelt, haben die Arier vor ihrer Ankunft in Indien von ihr keine Kennt- niss besitzen können, das war also zu einer Epoche, die weniger alt ist als die ägyptischen Denkmäler.

In de ausserordentlichen Schnelligkeit des Wachs- thums der Ricinuspflanze finden verschiedene Namen in den asiatischen Sprachen, wie auch der des Wunder- baums im Deutschen, ihre Begründung. Aus demselben Grunde und aus der Uebereinstimmung mit dem ägypti- schen Namen Kiki hat man vermuthet, dass der Kikajon des Alten Testaments*, welcher, wie man sagte, in einer Nacht aufgewachsen war, die Ricinuspflanze sei.

Ich will hier eine Menge volksthümlicher, mehr oder

1 Unger, Pflanzen des alten Aegyptens, S. 61.

2 Theophrastus, Erste 1a e19; Dioscorides, 1. 4, c. 171; Fraas, Synopsis fl. class., 5.9.

3 Nemnich, Polyg lotten-Lexicon; Forskal, Flora aegypt., S. 75.

4 Jonas, IV, 6; Pickering, Chronol. hist. of plants, S. 225, schreibt Kykwın.

Gemeiner Walnussbaum. 539

minder abgeschmackter Namen, wie Palma Christi, Gi- rasole einiger Italiener u. s. w. übergehen, es ist aber angebracht, auf den Ursprung des Namens Castor und Castor-oil der Engländer hinzuweisen, da er als Beweis dienen kann, wie sie Namen ohne Prüfung annehmen und dieselben zuweilen entstellen. Es scheint, als ob man im verflossenen Jahrhundert auf Jamaica, wo die Ricinuspflanze vielfach angebaut wurde, dieselbe mit einem ganz und gar verschiedenen Strauche, dem Vitex Agnus castus, welchen die Portugiesen und Spanier Agno casto nennen, verwechselt hatte. Aus Casto haben die englischen Pflanzer und der londoner Handel Castor gemacht.!

Juglans regia, Linné. Gemeiner Walnussbaum (fr. No; yer).

Vor einigen Jahren kannte man den Walnussbaum wildwachsend in Armenien, in der Region im Süden des Kaukasus und des Kaspisees, in den Gebirgen von Nord- und Nordostindien und in Birma.” Das Indigenat im Süden des Kaukasus und in Armenien, welches C. Koch? bestreitet, wird von mehreren Reisenden nach- gewiesen.* Man hat seitdem das spontane Vorkommen in Japan festgestellt, wodurch es ziemlich wahrschein- lich wird, dass die Art sich auch in Nordchina findet, wie Loureiro und Bunge es gesagt hatten’, ohne die spontane Beschaffenheit genügend zu erörtern. Held- reich® hat es ausser allen Zweifel gestellt, dass der Nussbaum auf den Gebirgen Griechenlands wildwachsend im Ueberfluss auftritt, was mit den bis dahin über- sehenen Stellen im Theophrast? übereinstimmt. Endlich

1 Flückiger et Hanbury, Histoire des drogues, franz. Uebers., II, 320.

2 C. de Candolle, Prodr., XVI, 11, 136; Tchihatcheff, Asie Mineure, a 125 Ledebour, Fl. ross., I, 507; Roxburgh, Fl, ind., III, 630; Boissier, FL orient., IV, 1160; Brandis, Forest flora of India, S. 498); Kurz, Forest flora of British Burma, S. 390.

3 C. Koch, Dendrologie, I, 584.

4 Franchet et Savatier, Enum. plant. Jap., I, 453.

5 Loureiro, F1. Cochinch., S. 702; Bunge, 'Enum., 62.

6 Heldreich, Verhandl. d. "bot. Vereins für ee 1879,08: 147.

7 Theophrastus, Hist. plant., 1.3, c. 3,6. Diese und andere Stellen der

540 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

hat Heuffel ihn ebenfalls wildwachsend auf den Gebirgen des Banats gesehen.!

Der augenblickliche Wohnsitz, mit Ausschluss des Culturlandes, breitet sich somit vom gemässigten Ost- europa bis nach Japan hin aus.

Es gab eine Zeit, wo sich derselbe mehr in west- licher Richtung befand, denn Blätter unsers Walnuss- baums sind in den quaternären Tuffsteinen der Provence 'gefunden worden.” In den sogenannten tertiären und quaternären Perioden kamen viele Juglansarten auf un- serer Hemisphäre vor; jetzt sind solche auf höchstens zehn beschränkt, die über Nordamerika und das ge- mässigte Asien verbreitet sind.

Die Verwerthung der Früchte des Walnussbaumes und die Anpflanzung desselben haben in verschiedenen Ländern, wo sich die Art fand, ihren Anfang nehmen können, und der Ackerbau hat seinen künstlichen Wohn- sitz nach und nach, aber in unbedeutender Weise aus- gedehnt. Der Walnussbaum gehört nicht zu den Bäu- men, welche sich leicht aussäen und naturalisiren. Die Beschaffenheit seiner Samen setzt sich dem vielleicht entgegen, und ausserdem erheischt er Klimate, die sich durch geringe Kälte und eine gemässigte Wärme aus- zeichnen. Er überschreitet kaum die nördliche Grenze der Weinrebe und geht nach Süden viel weniger weit vor.

Die Griechen, an das Olivenöl gewöhnt, haben mehr oder weniger den Walnussbaum vernachlässigt, bis sie von Persien eine bessere Varietät, die sogenannte Königs- nuss (Karuon basilikon? oder Persikon)*, erhielten. Die Römer bauten den Walnussbaum seit der Zeit ihrer Kö- nige an; sie hielten ihn persischen Ursprungs.ÿ Man kennt ihren alten Gebrauch des Werfens von Nüssen bei den Hochzeitsfeierlichkeiten.

Alten werden von Heldreich angeführt und besser gedeutet als von Hehn und andern Gelehrten.

Heuffel, Abhandl. d. zool.-bot. Gesellschaft in Wien, 1853, S. 194. De Saporta, 33e session du Congrès scientifique de France, Dioscorides, 1. 1, c. 176.

Plinius, Hist. plant., 1. 15, c. 22. 5 Ebend.

C2 +9 mi

we

Gemeiner Walnussbaum. 541

Die Archäologie hat diese Einzelheiten bestätigt. Die einzigen Nüsse, welche man bisjetzt unter den Pfahl- bauten der Schweiz, Savoyens oder Italiens gefunden hat, beschränken sich auf eine Localität aus der Um- gegend von Parma Namens Fontinellato, sie stammen aus einer Schicht der Eisenzeit.! Das zur Zeit des Trojanischen Krieges noch sehr seltene Eisen wurde wahrscheinlich von der Ackerbau treibenden Bevölke- rung Italiens nicht vor dem 5. oder 6. Jahrhundert v. Chr. gebraucht, ein Zeitpunkt, zu welchem man jenseit der Alpen vielleicht nicht einmal die Bronze kannte. In den Pfahlbauten von Lagozza sind die Früchte des Walnussbaums in einer ganz und gar obern und keines- wegs alten Bodenschicht gefunden worden.” Augen- scheinlich stammen die Walnussbäume Italiens, der Schweiz und Frankreichs nicht von den bereits er- wähnten fossilen Individuen des quaternären Tuff- steins ab.

Es ist unmöglich, zu wissen, in welcher Epoche man den Nussbaum in Indien anzubauen angefangen hat. Dies muss seit alters geschehen sein, denn man kennt einen Sanskritnamen Akschöda, Akhöda oder Akhöta. Die chinesischen Schriftsteller berichten, dass der Walnussbaum unter der Dynastie Han, gegen das Jahr 140—150 v. Chr. durch Schang-kien von Tibet aus bei ihnen eingeführt wurde. Es handelte sich viel- leicht um eine vervollkommnete Varietät. Ausserdem ist es, den jetzigen Schriftstücken der Botaniker zu- folge, wahrscheinlich, dass der spontane Walnussbaum im Norden Chinas selten ist und vielleicht im östlichen Theile ganz fehlt. Der Zeitpunkt, wann die Cultur in Japan anfing, ist unbekannt.

Der Baum und die Nüsse haben bei den alten Völ- kern eine ungeheuere Menge von Namen erhalten, mit

1 Heer, Pflanzen der Pfahlbauten, S. 31.

2 Sordelli, Sulle piante della torbiera etc, I. 89.

3 Bretschneider, On the study and value ete. ; ©. 16, und Brief vom 23. August 1881.

542 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

welchen sich die Wissenschaft und die Einbildungskraft der Sprachforscher befasst haben!; der Ursprung der Art ıst aber zu deutlich, als dass wir uns weiter damit zu beschäftigen bräuchten.

Areca Catechu, Linne. Areca- oder Betelnusspalme (fr. Arec).

In dem Lande, wo der Gebrauch des Betelkauens verbreitet ist, d. h. im ganzen Südasien, wird diese Palme vielfach angebaut. Die Nuss oder vielmehr die Mandel, welche den Hauptbestandtheil des in der Frucht enthaltenen Samens ausmacht, ist das, worum es sich des aromatischen Geschmackes wegen handelt. In Stücke zerschnitten, mit Kalk vermischt und in ein Blatt des Betelpfeffers eingewickelt, geben diese Nüsse ein ange- nehmes Erregungsmittel ab, welches Speichel erregend ist und die Zähne zur Befriedigung der Eingeborenen schwarz färbt.

Der Verfasser des wichtigsten Werkes über die Fa- milie der Palmen, von Martius?, spricht sich über den Ursprung der Art wie folgt aus: „Das Vaterland ist nicht sicher (non constat); wahrscheinlich sind es die Sunda-Inseln.“ Indem wir besonders neuere Autoren zu Rathe ziehen, wollen wir sehen, ob es möglich ist, irgendetwas darauf hin zu bestätigen.

Auf dem Festlande von Britisch-Indien, auf Ceylon und in Cochinchina wird die Art immer als angebaut angeführt.? Dasselbe ist für die Sunda-Inseln, die Mo- lukken u. s. w. im Süden Asiens der Fall. In seinem schönen Werke „Rumphia‘‘ sagt Blume®, dass die Halb- insel von Malakka, Sıam und die Nachbarinseln das

1 Ad. Pictet, Les origines indo-européennes, 2. Aufl., I, 289; Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere, 3. Aufl., S. 341.

2 Martius, Hist. nat. Palmarum, III, 170 (ohne Angabe der Jahreszahl, aber vor 1851 veröffentlicht).

3 Roxburgh, Fl. ind., III, 616; Brandis, Forest flora of India, S. 551; Kurz, Forest flora of British Burma, S. 537; Thwaites, Enum. Zeylan., S. 327, Loureiro, Fl. eochinch., S. 695.

4 Blume, Rumphia, II, 67; Miquel, Fl. indo-batava, III, 9; Suppl. de Sumatra, S. 253.

u A ee. 2 ee ee Me ne

Betelnuss- und Oelpalme. 545

Vaterland seien. Er scheint indessen die einheimischen Exemplare, von welchen er spricht, nicht gesehen zu haben. Dr. Bretschneider! ist der Ansicht, dass die Art auf dem Malaiischen Archipel, besonders auf Su- matra, ursprünglich zu Hause sei, denn diese Inseln und die Philippinen sind, so sagt er, die einzigen Locali- täten, wo man sie wildwachsend antrifft. Die erste dieser Thatsachen wird von Miquel nicht bestätigt, auch die zweite von Blanco? nicht, welcher auf den Philip- pinen lebte. Die Meinung von Blume scheint die wahr- scheinlichste zu sein, man kann aber immer noch mit Martius sagen: das Vaterland ist nicht bestimmt nach- gewiesen worden.

Das Vorkommen einer Menge malaiischer Namen, Pinang, Jambe ete., und eines Sanskritnamens, Guvaka, sowie die sehr zahlreichen Varietäten deuten auf das hohe Alter der Cultur hin. Die Chinesen haben sie unter dem malaiischen, Pin-lang geschriebenen Namen von den südlichen Ländern im Jahre 111 v. Chr. er- halten. Der Telinganame Arck ist der Ursprung des

botanischen Namens Areca.

Elaeis guineensis, Jacquin. Afrikanische Oelpalme (fr. Elaeis de Guinée).

Schon die Reisenden, welche die Küste von Guinea in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts? berührten, wurden aufmerksam auf diese Palme, aus welcher die

Neger durch Auspressung des fleischigen Theils der

Frucht Oel gewannen. Dies ist ein an der ganzen Küste einheimischer Baum.* Er wird auch angepflanzt, und die Ausfuhr des sogenannten Palmöls ist für den Handel von grosser Bedeutung.

Da diese Palme sich ebenfalls wildwachsend in Bra-

silien zeigt und vielleicht auch in Guyana’, so hat sich

1 Bretschneider, Study and value etc., S. 28.

2 Blanco, Flora de Filipinas, 2. Aufl.

3 Da Mosto, in: Ramusio, I, 104, von R. Brown angeführt,

4 R. Brown, Botany of Congo, S. 55.

5 Martius, Hist. nat. Palmarum, II, 62; Drude, in: Fl. brasil., fasc. 85,

544 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

ein Zweifel über den wirklichen Ursprung erhoben. Man konnte denselben um so mehr für amerika- nisch halten, da die einzige Art, welche mit dieser die Gattung Elaeis ausmacht, Neugranada bewohnt.! Indessen erklären R. Brown und die Autoren, welche sich am meisten mit der Familie der Palmen beschäf- tigt haben, einstimmig, dass man Klaeis guineensis als in Amerika durch die Neger und die Sklavenschiffe bei ihrer Ueberfahrt von der Guineaküste nach der gegenüberliegenden amerikanischen eingeführt betrachten müsse. Viele Thatsachen unterstützen diese Meinung. Die ersten Botaniker, welche Brasilien bereist haben, wie Piso und Marcgraf, haben nicht von der Elaeis gesprochen. Sie findet sich nur im Küstengebiet, von Rio de Janeiro bis zur Mündung des Amazonenstroms, nie im Innern. Sie wird häufig angebaut oder hat das Aussehen einer den Anpflanzungen entsprungenen Art. Sloane?, welcher Jamaica im 17. Jahrhundert erforscht und in Europa Früchte, die von Afrika kamen, gesehen hatte, berichtet, dass dieser Baum zu seiner Zeit von Guinea nach einer von ihm näher bezeichneten Plantage gebracht worden sei. Seitdem hat er sich in einigen Localitäten der Antillen naturalisirt.®

Cocos nucifera, Linne. Kokospalme (fr. Cocotier).

Von allen Bäumen der intertropischen Länder ist die Kokospalme vielleicht derjenige, welcher die verschieden- artigsten Erzeugnisse darbietet. Ihr Holz und ihre Fasern finden mehrfache Verwendung. Der aus dem untern Theile des Blütenstandes gewonnene Saft gibt ein alkoholhaltiges sehr beliebtes Getränk. Die Schale der Frucht dient als Gefäss, die Milch des Samens

S. 457. Ich finde keinen Autor, der die spontane Beschaffenheit in Guyana bestätigt, wie Martius dies für Brasilien gethan hat.

1 Elaeis melanocarpa, Gärtner. Die Frucht enthält ebenfalls Oel, es scheint aber nicht, als ob man die Art anbaue, da die Zahl der ölhaltigen Pflanzen in allen Ländern eine beträchtliche ist.

2 Sloane, Natural history of Jamaica, II, 115.

3 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 522.

Kokospalme. 545

macht vor der Reife ein angenehmes Getränk aus, schliess- lich enthält der mandelähnliche Kern eine grosse Menge Oel. Es ist daher nicht zu verwundern, dass man einen so kostbaren Baum auf alle mögliche Weise auszusäen und zu verpflanzen bestrebt gewesen ist. Ausserdem wird seine Ausbreitung durch natürliche Ursachen be- günstigt. Dank ihrer faserigen Umhüllung können die Kokosnüsse im Salzwasser schwimmen, ohne dass der lebende Theil des Samens davon berührt wird. Daraus ergibt sich eine Möglichkeit des Transports nach grossen Entfernungen durch die Strömungen und eine Naturali- sation an den Küsten, sobald die klimatischen Verhält- nisse günstige sind. Unglücklicherweise erheischt dieser Baum ein heisses und feuchtes Klima, wie man es nur zwischen den Wendekreisen oder in den klimatisch be- sonders begünstigten daranstossenden Gegenden antrifft. Ausserdem gedeiht er nur in der Nähe des Meeres. Die Kokospalme findet sich im Küstengebiet der heissen Regionen Asiens, von den Inseln bis zum Süden dieses Festlandes, sowie auch in den entsprechenden Ländern Afrikas und Amerikas im Ueberfluss vertreten, es lässt sich aber der Nachweis liefern, dass ihre Ein- führung nach Brasilien, den Antillen und der. West- küste Afrikas auf weniger als 300 Jahre zurückgeht. Für Brasilien scheinen Piso und Marcgraf! einen fremden Ursprung zuzulassen, ohne dass sie es aus- _drücklich betonen. Martius, welcher ein sehr bedeu- tendes Werk über die Palmen veröffentlicht hat?, und die Provinzen Bahia, Pernambuco und andere, wo die Kokospalme sehr häufig vorkommt, bereiste, erwähnt nicht, dass sie dort spontan sei. Durch Missionare wurde sie nach Guyana eingeführt.” Sloane* sagt, dass sie auf: den Antillen fremden Ursprungs sei. Ein von ihm genannter alter Schriftsteller des 16. Jahrhunderts,

1 Piso, Brasil., S. 65; Marcgraf, S. 138.

2 Martius, Historia natur. Palmarum, II, 125. 3 Aublet, Guyane, Suppl., S. 102.

4 Sloane, Jamaica, II, 9.

DE CANDOLLE, 35

546 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Martyr Anghiera, spricht von dieser Einführung. Wahr- scheinlich fand sie wenige Jahre nach der Entdeckung Amerikas statt, denn Joseph Acosta! hatte die Kokos- palme im 16. Jahrhundert in Portorico gesehen. Nach Martius waren es die Portugiesen, welche sie nach der Küste von Guinea brachten. Viele Reisende haben sie in dieser Region, wo sie augenscheinlich von untergeord- neter Bedeutung ist, nicht einmal erwähnt. An der Ost- küste und auf Madagascar häufiger, wird sie indessen mehreren Werken über die Pflanzen von Zanzibar, den Seychellen, Mauritius u. s. w. nicht genannt, vielleicht weil man sie in dieser Region für angebaut hielt.

Augenscheinlich kann die Kokospalme weder von Afrıka, noch von dem östlichen Theile des intertropi- schen Amerika ursprünglich herrühren. Wenn wir von diesen Ländern absehen, bleiben die Westküste des tropischen Amerika, die Inseln der Südsee, der Indische Archipel und der Süden des Asiatischen Archipels übrig, woselbst der Baum mit allen Anzeichen einer mehr oder minder grossen Spontaneität und einer sehr alten Cultur in grossen Mengen auftritt.

Die Seefahrer Dampier und Vancouver? haben sie zu Anfang des 17. Jahrhunderts auf den Inseln nahe bei Panama, nicht auf dem Festlande und auf der in der Südsee liegenden, 300 engl. Meilen vom Festlande ent- fernten Kokosinsel, ganze Wälder bildend, gefunden. Zu jener Zeit waren diese Inseln nicht bewohnt. Später hat man die Kokospalme an der Westküste, von Mexico bis Peru, angetroffen, im allgemeinen bestätigen die Autoren aber nicht, dass sie dort spontan war; eine Ausnahme hiervon macht Seemann?, welcher die Kokospalme sowol wildwachsend wie angebaut auf der Landenge von Pa- nama gesehen hat. Nach Hernandez*, im 12. Jahrhun-

1 J. Acosta, Hist. nat. des Indes, französ. Uebers. (1598), S. 178.

2 Vafer, Voyage de Dampier (1705), S. 186; Vancouver, französ. Ausg., . 325, eitirt von Martius, Hist. nat. Palmarum, I, 188. 3 Seemann, Botany of Herald, S. 204. 4 Hernandez, Thesaurus mexic., S. 71. Er bezieht denselben Namen, 5

Kokospalme. 547

dert, nannten die Mexicaner sie Coyolli, ein Wort, welches nicht den Anschein eines einheimischen Na- mens hat.

Oviedo 1, welcher 1526, von den ersten Zeiten der Eroberung Mexicos an, als Schriftsteller thätig war, berichtet, dass die Kokospalme an der Küste der Süd- see, in der Provinz des Kaziken Chiman, häufig war, und er beschreibt die Art in deutlicher Weise. Das ist aber noch kein Beweis für die spontane Eigenschaft des Baumes.

In Südasien, besonders auf den Inseln, zeigt sich die Kokospalme im wildwachsenden Zustande oder angebaut. Je kleiner und niedriger diese Inseln sind, je mehr sie dem Einfluss der Seeatmosphäre unterworfen sind, um so mehr herrschen die Kokospalmen vor und ziehen die Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich. Einige dieser Inseln haben ıhren Namen von dieser Palme entlehnt, unter anderm zwei in der Nähe der Andamanen und eine nahe bei Sumatra.

Da die Kokospalme sich mit allen Anzeichen eines alten spontanen Zustandes in Asien und im westlichen Amerika findet, so ist die Frage über den Ursprung eine dunkele. Ausgezeichnete Autoren haben sie in ver- schiedener Weise gelöst. Martius sieht es für wahr- scheinlich an, dass eine Wanderung durch die Strö- mungen von den im Westen Centralamerikas liegenden Inseln nach jenen des Asiatischen Archipels bewirkt worden sei. Früher? neigte ich mich derselben Hypo- these zu, die seitdem von Grisebach ohne weitere Er- örterung angenommen wurde; die Botaniker des 17. Jahrhunderts sahen die Art aber häufig als asiatisch an, und nach sorgfältiger Prüfung bleibt Seemann * un- schlüssig. Ich will hier das anführen, was für und wider diese Hypothesen spricht.

1 Oviedo, Uebersetzung von Ramusio, III, 53. 2 A. de Candolle, Géogr. bot. rais., S. 976.

3 Grisebach, Vegetation der Erde, S, 11, 323. 4 Seemann, Flora Vitiensis, S. 275.

©9 ot x

548 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

Zu Gunsten eines amerikanischen Ursprungs kann man anführen:

1. Die 11 andern Arten der Gattung Cocos gehören Amerika an und sogar alle die, welche Martius gut kannte, stammen aus Brasilien.! Drude?, welcher sich viel mit Palmen beschäftigt, hat eine Arbeit veröffent- licht, in welcher er die Ansicht vertheidigt, dass jede Gattung dieser Familie entweder der Alten oder der Neuen Welt eigenthümlich sei, die Gattung Elaeis aus- genommen, und auch da vermuthet er eine Wanderung der E. guineensis von Amerika nach Afrika, was durch- aus nicht wahrscheinlich ist (s. weiter oben S. 543).

Die Kraft dieses Arguments wird durch den Umstand

etwas abgeschwächt, dass Cocos nucifera ein Baum des Küstengebiets und feuchter Gegenden ist, während die andern Arten unter verschiedenen Bedingungen, häufig entfernt vom Meer oder Flüssen, vorkommen. Die in der Nähe des Meeres wachsenden Pflanzen, solche von Sümpfen oder feuchten Orten haben gewöhnlich einen ausgedehntern Wohnsitz als ihre Gattungsgenossen.

2. Die Passatwinde der Südsee, welche im Süden und noch mehr im Norden des Aequators auftreten, treiben die im Gegensatz zu der Richtung der Hauptströmungen im Wasser schwimmenden Körper von Amerika nach Asien.? Man weiss ausserdem, vergegenwärtigt man sich die Fälle, wo Flaschen, die Nachrichten enthielten, ganz unerwartet an verschiedenen Küsten landeten, dass der Zufall bei diesen Beförderungsweisen eine grosse Rolle spielt.

Die Argumente zu Gunsten des asiatischen Ur- sprungs, oder die gegen den amerikanischen sprechen, sind folgende:

1. Eine unter dem 3. bis 5. Grad nördl. Br. sich

1 Die Kokos der Malediven gehört zur Gattung Lodoicea. Die Cocos mamillaris, Blanco, von den Philippinen, ist eine Varietät der angebauten Cocos nucifera.

2 Drude, in: Bot. Zeitung, 1876, S. 801, und Flora brasiliensis, fasc. 85, 5. 405.

3 Stieler’s Handatlas, 1867, 3. Karte.

Kokospalme. 549

befindende Strömung geht direct von den Inseln des Indischen Archipels nach Panama.! Es gibt freilich im Norden und im Süden andere Strömungen im entgegen- gesetzten Sinne, sie kommen aber aus für die Kokos- palme zu kalten Regionen und berühren nicht Central- Amerika, wo sie seit alten Zeiten einheimisch sein soll.

2. Die Bewohner der asiatischen Inseln sind viel kühnere Seefahrer gewesen als die Indianer Amerikas. Es ist sehr möglich, dass die Piroguen, welche Kokos- nüsse als Proviant mit sich führten, durch Stürme oder verkehrte Führung von den Inselmeeren Asiens nach den Inseln oder der Westküste Amerikas geworfen wur- den. Das Gegentheil ist im hohen Grade unwahr- scheinlich.

3. Seit drei Jahrhunderten ist der Wohnsitz in Asien ein viel ausgedehnterer als in Amerika, vor diesem Zeit- punkte war der Unterschied ein noch grösserer, denn man weiss, dass die Kokospalme im Osten des tropi- schen Amerika nicht alt war.

4. Die Völker des insularen Asien besitzen eine grosse Anzahl von Varietäten dieses Baumes, was eine sehr alte Cultur vermuthen lässt. In seiner „Rumphia“ zählt Blume 18 Varietäten für Java und die benachbarten Inseln und 39 für die Philippinen auf. Für Amerika ist nichts Aehnliches nachgewiesen worden.

5. Die Verwendung der Kokospalme ist in Asien auch verschiedenartiger und gebräuchlicher. Kaum dass die Eingeborenen Amerikas sie anders als ihrer Milch und Kerne wegen verwertheten, ohne Oel daraus zu gewinnen.

6. Die volksthümlichen Namen, welche, wie wir weiter unten sehen werden, in Asien sehr zahlreich und ur- sprünglich sind, sind in Amerika selten und oft euro- päischen Ursprungs.

7. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die alten Mexi- caner und die Bewohner von Centralamerika es sich

1 Stieler’s Handatlas, 1867, 9. Karte.

550 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

nicht hätten angelegen sein lassen, die Kokospalme nach verschiedenen Richtungen hin zu verbreiten, wenn sie seit einer sehr fern gelegenen Zeit auf ihrem Con- tinent vorgekommen wäre. Die geringe Breite der Landenge von Panama würde die Beförderung von einer Küste nach der andern erleichtert haben und die Art hätte sich auf den Antillen, in Guyana u. s. w. rasch ausgebreitet, wie sie sich auf Jamaica, Antigua! und anderswo seit der Entdeckung Amerikas naturalisirt hat.

8. Wenn die Kokospalme in Amerika auf geologische Perioden zurückginge, welche älter sind als die plio- cänen oder selbst eocänen Formationen in Europa, so würde man sie wahrscheinlich an allen Küsten und den östlichen und westlichen Inseln ziemlich gleichmässig angetroffen haben.

9. Wir können keine alte Jahreszahl über das Vor- kommen der Kokospalme in Amerika besitzen; ihr Auf- treten in Asien vor 3000 oder 4000 Jahren wird aber durch mehrere Sanskritnamen festgestellt. In seinem „Index“ führt Piddington nur einen an, Narikela. Dies ist der sicherste, denn er findet sich in den neuern Sprachen Indiens wieder. Von den Gelehrten werden etwa zehn aufgezählt, welche sich nach ihrer Bedeutung entweder auf die Art oder auf ihre Frucht zu beziehen scheinen.” Narikela ist mit einigen Abänderungen in das Arabische und Persische übergegangen.” Man fin- det ihn selbst auf Tahiti unter der Form von Ari oder Haari* mit einem malaiischen Namen übereinstimmend.

10. Die Malaien haben einen im Archipel sehr ver- breiteten Namen, Kaläpa, Kläpa, Klöpo. Auf Sumatra und Nikobar findet man den Namen Njior, Nieor, auf den Philippinen Niog, in Bali Nöuh, Njo, auf Tahiti

1 Grisebach, Flora of British W. India Islands, S. 522.

2 Eugène Fournier wies mich beispielsweise auf folgende hin: Drda- pala (mit harter Frucht), Palakecara (mit behaarter Frucht), Jalakajka (Wasserbehälter) u. s. w.

3 Blume, Rumphia, III, S2.

4 Forster, De plantis esculentis, S. 48; Nadeaud, Enum. des plantes de Tahiti, S. 41.

see dt >

dhes a

Kokospalme. 551

Niuh und auf andern Inseln Nu, Nidju, Ni, selbst auf Madagascar Wua-niu.! Die Chinesen sagen Ye oder Ye-tsu (Baum Ye). Mit dem Haupt-Sanskritnamen bil- det dies vier verschiedene Wurzeln, welche ein altes Vorkommen in Asien vermuthen lassen. Indessen wird : durch die Gleichförmigkeit der Nomenclatur im Archipel bis nach Tahiti und Madagascar auf eine durch Menschen bewirkte Verpflanzung seit dem Vorkommen der be- kannten Sprachen hingewiesen.

Der chinesische Name bedeutet: Kopf des Königs von Yue. Er geht auf eine lächerliche Legende zurück, welche von Bretschneider erwähnt wird.” Die erste Er- wähnung der Kokospalme findet sich, diesem Gelehrten zufolge, in einem Gedicht des 2. Jahrhunderts v. Chr.; deutlichere Beschreibungen finden sich aber in den Wer- ken aus dem 9. Jahrhundert der christlichen Zeitrech- nung. Freilich kannten die alten Schriftsteller kaum den Süden von China, das einzige Gebiet des Kaiser- reichs, wo die Kokospalme fortkommen kann.

Trotz der Sanskritnamen datirt das Vorkommen der Kokospalme auf der Insel Ceylon, wo sie sich im Küsten- gebiet gut festgesetzt hat, aus einer ungefähr histo- rischen Zeit. Bei Point de Galle, so berichtet uns Seemann, sieht man auf einem Felsen die Figur eines eingeborenen Prinzen Namens Kottah Raya eingegraben, dem man die Entdeckung der Anwendungen der vor ihm unbekannten Kokospalme zuschreibt, und die älteste Chronik von Ceylon, die „Marawansa‘“, spricht nicht von diesem Baume, obgleich sie die von verschiedenen Prinzen eingeführten Früchte sehr genau angibt. Wir müssen auch bemerken, dass die alten Griechen und Aegypter trotz ihrer Beziehungen zu Indien und Ceylon von der Kokosnuss erst spät, als von einer indischen Seltenheit, Kenntniss erhielten. Apollonius von Tyana

1 Blume, Rumphia, III, 32. 2 Bretschneider, Study and ue ‚etc., S. 24. 3 Seemann, Flora Vitiensis, S.

552 Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.

hatte sie zu Anfang der christlichen Zeitrechnung in Hindustan gesehen.!

Nach diesen Thatsachen würde sich der älteste Wohn- sitz in Asien eher auf dem Archipel als auf dem Fest- lande oder Ceylon befunden haben, und in Amerika auf den Inseln im Westen von Panama.

Was muss man von diesen verschiedenartigen und sich widersprechenden Angaben halten? Einst glaubte ich, dass die Beweisgründe zu Gunsten des westlichen Amerika die stärkern seien. Jetzt dagegen, wo ich mehr Nachweise und mehr Erfahrung in derartigen Fragen besitze, neige ich mich der Ansicht von einem Ursprung auf dem Indischen Archipel zu.

Die Ausbreitung nach China, Ceylon und dem conti- nentalen Indien geht nicht auf weiter als 3000 oder 4000 Jahre zurück, die durch das Meer an den Küsten Amerikas und Afrikas bewirkten Wanderungen datiren aber vielleicht aus ältern Zeiten, wenn auch immer den Epochen folgend, in welchen geographische und physi- kalische Bedingungen von denen der Jetztzeit verschie- den waren.

1 Pickering, Chronological arrangement, S. 428.

DRITTER THEIL. Rückblick und Schlussfolgerungen.

ERSTES KAPITEL.

Allgemeines Verzeichniss der Arten mit Angabe ihres Ursprungs und der Zeitperiode ihres Culturanfangs.!

Nachfolgendes Verzeichniss schliesst einige Arten ein, über welche in dem Vorhergehenden nichts Näheres ge- sagt worden ist, und zwar aus dem Grunde, weil ihr Ursprung gut bekannt, ihre Verwerthung von unter- geordneter Bedeutung ist.

Einheimische Arten in der Alten Welt. Angebaut wegen ihrer unterirdischen Theile.

Name und Dauer. Zeit. Ursprung. Raphanus sativus, Radis.? © B Gemässigtes Westasien. Cochlearia Armoracia, Gem. C Gemässigtes Osteuropa.

Meerrettich. Æ

1 Die angewendeten Zeichen sind: (©) einjährige Pflanze, ©) zweijährige Pflanze, 2] ausdauernd oder perennirend, @ kleiner Strauch, & Strauch, h kleiner Baum, 5 grosser Baum.

Die Buchstaben geben den gewissen oder wahrscheinlichen Zeitpunkt an, wann die Cultur der Art begann, nämlich:

Für die Arten der Alten Welt: A, eine seit mehr als 4000 Jahren angebaute Art (den alten Geschichtschreibern, den Denkmälern des alten Aegypten, den chinesischen Werken und den botanischen oder lin- guistischen Angaben zufolge). B, angebaut seit mehr als 2000 Jahren (angegeben im T'heophrast, oder aufgefunden in den Ueberresten der Pfahl- bauten, oder aus einer bekannten Zeitangabe der Alten, oder verschiedene Merkmale aufweisend, wie hebräische oder Sanskritnamen). C, angebaut seit weniger als 2000 Jahren (angeführt von Dioscorides, nicht von Theo- phrast, in den Zeichnungen Pompejis gesehen, eingeführt zu einer be- kannten Zeit u. s. w.).

Für die amerikanischen Arten: D, sehr alte Cultur in Amerika (nach ihrer grossen Ausdehnung und der Menge der Varietäten zu schliessen). E, vor der Entdeckung Amerikas angebaute Art, ohne Anzeichen eines sehr hohen Culturalters darzubieten. F, Art, deren Cultur seit der Ent- deckung Amerikas begann.

2 Nach dem Texte S. 36—42 dürfte das Vaterland eher das gemässigte Asien als das gemässigte Westasien sein. Dr. Bretschneider schreibt mir von Peking (22. December 1882), dass die Art bereits in der „Rya‘, einem 1100 Jahre v. Chr. erschienenen Werke, erwähnt ist. Es hält in der That schwer, zu sagen, ob sie von China stammt oder vom westlichen Asien.

DD =. Dritter Theil. Erstes Kapitel.

er

Name und Dauer. Zeit. Ursprung.

Brassica Rapa, Rüben- A Europa, Westsibirien (?). kohl. &

Brassica Napus, Reps- A Europa, Westsibirien (?). kohl. &

Daucus Carota, Mohr- rübe. ©

Pastinaca sativa, Gem. Pastinak. ©

B Europa, gemässigtes West- C Chaerophyllum bulbosum, C Mitteleuropa, Kaukasus. C B

asien (?). Mittel- und Südeuropa.

Knollenkörbel. &

Sium Sisarum, Zucker- wurz. U

Rubia tinctorum, Krapp. U

Altaisches Sibirien, Nord- persien.

Gemässigtes Westasien, süd- östliches Europa.

Tragopogon porrifolium, C(?) Südosteuropa, Algerien. Lauchbl. Bocksbart. ©)

Scorzonera hispanica, C Südwesteuropa, Süden des Schwarzwurzel. Kaukasus.

Campanula Rapunculus, C Gemässigtes und südliches Rapunzel. (: Europa.

Beta vulgaris, Mangold.@©% B Canarische Inseln, Mittel- Runkelrübe. meerregion,Gem.W. Asien.

Der Cultur entstammend. Alliumsativum,Knoblauch.Y B Kirgisensteppe, im gemäss,

Westasien.

Allium Cepa, Sommerzwie- A Persien, Afghanistan, Belu- bel. ©) dschistan, Palästina (?). Allium fistulosum, Winter- C Sibirien (Land der Kirgisen

zwiebel. 4 am Baikal). Allium ascalonicum, Scha- C Abänderung der Cepa (?). lotte. 4 Spontan unbekannt.

Allium Scorodoprasum, Ro- C Gemässigtes Europa. kambollen-Lauch. 4 Allium Schoenoprasum, C(?) Gemäss. und Nordeuropa, Schnittlauch. 4 Sibirien, Kamtschatka. Nordamerika (Huron-See). Colocasia antiquorum, Colo- B Indien, Indischer Archipel,

casie. 2} Polynesien. Alocasia macrorhiza, Alo- (?) Ceylon, Indischer Archipel, casie. U Polynesien.

Amorphophallus Konjak, (?) Japan (?). Konjak. 4

Dioscorea sativa, Yams- B(?)Südasien, bes. Malabar (?), wurzel. 4 Ceylon (?), Java (?).

Allgemeines Verzeichniss der Arten. 55

5 Name und Dauer. Zeit. Ursprung.

Dioscorea Batatas, Yams- B(?)China (?).

wurzel. 4 Dioscorea japonica, Yams- (?) Japan (?).

wurzel. 4 Dioscorea alata, Yamswur- (?) Asiatischer Archipel im

zel. 4 Osten.

Angebaut wegen ihrer Stengel oder Blätter. 1. Gemüse.

Brassica oleracea, Garten- A Europa.

kohl. © OB.

Brassica chinensis, Chines. (?) China (?), Japan (?). Kohl. &

Nasturtium officinale, Brun- (?) Europa, Nordasien. nenkresse. 4

Lepidium sativum, Garten- B Persien (?). kresse. ©

Crambe maritima, Gemeiner C Gemässigtes Westeuropa. Meerkohl. 4

Portulaca oleracea, Portu- A Vom westl. Himalaja nach lak. © Südrussland u. Griechen].

Tetragonia expansa, Neu- C Neuseeland und Australien. seeländischer Spinat. ©

Apium graveolens, Garten- B Gemäss. und südl. Europa, sellerie. © Nordafrika, Westasien.

Anthriscus cerefolium, Gar- C Südöstl. Russland, gemäss. tenkörbel. © Westasien.

Petroselinum sativum, Peter- C Südeuropa, Algerien, Liba- silie. © non. Zu

Smyrnium Olus-atruuı, Ge- C Südeuropa, Algerien, gem. meines Myrrhenkraut. © Westasien.

Valerianella olitoria, Ge- C Sardinien, Sicilien. meiner Baldrian. ©

Cynara Cardunculus. Y C Südeuropa, Nordafrika, Ca- Kardunkel-Artischoke. narische Inseln, Madeira. Echte Artischoke. Ursprung von ersterer abgel.

Lactuca Scariola, Wilder B Südeuropa, Nordafrika, West- Lattich. © asien.

Cichorium Intybus, Gemeine C Europa, Nordafrika, gemäss. Cichorie. A Westasien.

Cichorium ÆEndivia, En- C Mittelmeerregion, Kaukasus, divie. © Turkestan.

556

Name und Dauer. Spinacia oleracea, Gemeiner Spinat. © Atriplex hortensis, Garten- melde. © Amarantus gangeticus, Fuchsschwanzv. Malabar.© Rumex acetosa, Gemeiner Sauerampfer. U Rumex Patientia, Gemüse-

ampfer. 4 Asparagus officinalis, Spar- gel.

Allium ampeloprasum, Som- merlauch. 4

Dritter Theil.

Erstes Kapitel.

Zeit.

C C () (?) () B B

Ursprung. Persien (?).

Nordeuropa und Sibirien.

Afrıka

Tropisches —:In- dien (?).

Europa, Nordasien, Gebirge von Indien.

Europäische Türkei, Persien.

Europa, gemässigtes West- asien. Mittelmeerregion.

2. Futterkräuter.

Medicago sativa, Luzerne. U

"Onobrychis sativa, Espar- sette. 2

Hedysarum coronarium, Kronen-Hahnenkopf. 4

Trifolium pratense, (Gem. Wiesenklee. 4

Trifolium hybridum, Weisser

Wiesenklee. © Trifolium incarnatum, Blut- klee. © Trifolium alexandrinuin, Aegyptischer Klee. © Ervum Ervilia, Erve © Vicia sativa, Futterwicke. ©)

Lathyrus Cicera, Rothe Kicher. ©

Lathyrus sativus, Essbare Platterbse. ©

Lathyrus Ochrus, Ocher- erbse. ©

Trigonella foenum-graecum, Griechisches Heu. ©

Ornithopus sativus, Serra- della. ©

Medicago lupulina, Hopfen- luzerne © ©)

B

C C C C C C B B B B B B

B(?)Portugal,

Gemässigtes Westasien.

Gemässigtes Europa, Süden des Kaukasus.

Centrale und westl. Mittel- meerregion.

Europa, Algerien, BE Westasien.

Gemässigtes Europa.

Südeuropa. Syrien, „Anatolien.

Mittelmeerregion (?). Europa, Algerien, Süden d. Kaukasus. Von Spanien und Algerien nach Griechenland. Süden des Kaukasus (?). Italien. Spanien. Nordöstliches Indien und ge- mässigtes Westasien. Südspanien, Al- gerien.

C Europa, Nordafrika (?), Ge-

mässigtes Asien.

Allgemeines Verzeichniss der Arten, 557

Name und Dauer. Zeit. Ursprung. Spergula arvensis, Gemeiner B(?)Europa. Ackerspark. © Panicum maximum, Guinea- C(?)Intertropisches Afrika.

gras. 4 3. Verschiedene Anwendungen.

Theasinensis,Theestrauch.5 A Assam, China, Mandschurei. Linum angustifolium, Vor A Mittelmeerregion.

alters angeb. Flachs. 4A9& Linum usitatissimum, in der A(?)Westasien(?). Von dem vor-

Jetztzeit angeb. Flachs. © hergehenden abstamm. (?), Corchorus capsularis, Jute.& C(?)Java, Ceylon.

olitorius, Jute. © C(?)Nordwestindien, Ceylon.

Rhus Coriaria, Gelber Su- C Mittelmeerregion, gemässig-

mach. D | tes Westasien. Celastrus edulis, Kat- (?) Abessinien Arabien (?). strauch. 5

Indigofera tinctoria, Gem. B Indien (?). Färber-Indigo. 5

Indigofera argentea, Aegyp- (?) Abessinien, Nubien, Kordo- tischer Indigo. 5 fan, Sennaar Indien (?),

Lawsonia alba, Henna- A Tropisches Westasien,. Nu-

. strauch. 5 bien (?).

Eucalyptus globulus, Blau- C Australien. gummibaum. D

Cinnamomum zeylanicum, C Zimmt. D

Boehmeria nivea (China- (?) China, Japan. grass), Ramie. 45 :

Cannabis sativa, Hanf. © A Daurien, Sibirien.

Morus alba, Weisser Maul- A(?)Indien, Mongolei. beerbaum. D

Morus nigra, Schwarzer B(?)Armenien, Nordpersien, Maulbeerbaum. 5

Saccharum officinarum , B Cochinchina (?), südwest- Zuckerrohr. 4 liches China.

Ceylon, Indien.

Angebaut wegen ihrer Blumen oder ihrer Hüllen.

Caryophyllus aromaticus, (?) Molukken. Gewürznelke. E Humulus Lupulus,Hopfen.Y C Europa, gemässigtes West- asien, Sibirien.

558 Dritter Theil.

Erstes Kapitel.

Name und Dauer. Zeit. Ursprung.

Carthamus tinctorius, Fär- ber-Saflor. © Crocus sativus, Safran. U

A Arabien (?).

A Süditalien, Griechenland, Kleinasien (?).

Angebaut wegen ihrer Früchte.

Citrus decumana, Pompel- mus. D

Citrus medica, Citrone. 5 Aurantium Bigara- dia, Pomeranze. D

Citrus Aurantium sinense, Apfelsine. 5

Citrus nobilis, Mandarine. 5

Garcinia Mangostana, Man- gustan. D

Hibiscus esculentus, Okra. ©

Vitis vinifera, Weinrebe. 5

Zizyphus vulgaris, Gemeiner Judendorn. 5

Zizyphus Lotus, Afrikani- scher Brustbeerenbaum. D

Zizyphus Jujuba, Echter Judendorn. D

Mangifera indica, Mango. 5

Spondias dulcis, Süsse Mom- binpflaume. D

Rubus idaeus, Himbeere. 5

Fragaria vesca, Walderd- beere. 4

Prunus avium,Süsskirsche.D

Prunus Cerasus, Sauer- kirsche. D

Prunus domestica, Zwetsche. D

Prunus insititia, Pflaume. 5

Prunus Armeniaca, Apri- kose. D

Amygdalus communis, Man- del. D

B Südseeinseln östlich von |

Java. B Indien. B Osten von Indien.

C China und Cochinchina.

?) China und Cochinchina.

?) Sunda-Inseln, Malaiische Halbinsel.

C Tropisches Afrika.

A Gemässigtes Westasien, Mit- telmeerregion.

B China.

(?) Von Aegyptennach Marokko. A(?)Birma, Indien. |

A(?)Indien. (?) Gesellschafts-, Freund- schafts-, Fidschi-Inseln. Europa und gemäss. Asien. Europa u. gemäss. Westasien, Nordamerika im Osten. Gemäss. Westasien, gemäss. Europa.

Vom Kaspisee nach West- anatolien.

Anatolien, Süden des Kau- kasus, Nordpersien.

(?) Südeuropa, Armenien, Süden

des Kaukasus, Talysch. A China.

ee ee res

A Mittelmeerregion, gemässig- tes Westasien.

Ai ae un

ent ee + dot bee dun > ie aA ee ee ds à |

“ii an le Gb. de...

Allgemeines Verzeichniss der Arten. + 1009

Name und Dauer. Zeit. Ursprung. Amygdalus Persica, Pfir- A China. sich. D Pyrus communis, Birn- A Gemässigtes Europa und baum. D Asien.

Pyrus sinensis, Chinesischer (?) Mongolei, Mandschurei. Birnbaum. 5 -Pyrus Malus, Apfelbaum. 5 A Europa, Anatolien, Süden des Kaukasus. Cydonia vulgaris, Quitte. D A Nordpersien, Süden des Kau- kasus, Anatolien. Eriobotrya japonica, Japa- (?) Japan. nische Mispel. 5 Punica granatum, Gra- A Persien, Afghanistan, Be-

nate. D ludschistan. Jambosa vulgaris, Rosen- B Indischer Archipel, Cochin- apfel. D china, Birma, nordöst- liches Indien. Jambosa malaccensis, B Indischer Archipel, Malakka.

Grosser Rosenapfel. 5 Cucurbita Lagenaria, Ge- C Indien, Molukken Abes-

meiner Flaschenkürbis. © sinien. Cucurbita maxima, Riesen- C(?)Guinea. kürbis. © Cucumis Melo, Melone. © C Indien Beludschistan Guinea. Citrullus vulgaris, Wasser- A Intertropisches Afrika. melone. ©

Cucumis sativus, Gurke. © A Indien. Anguria, Angurien- C(?)Intertropisches Afrika. gurke. © Benincasa hispida, Weisser (?) Japan, Java. | Kürbis. © Lufa cylindrica, Cylindr. C Indien. Netzgurke. © Lufa acutangula, Scharf- C Indien, Indischer Pen eckige Netzgurke. © Trichosanthes “anguina, C Indien (?). Schlangenfrüchtige Haar- blume. © Telfairia oder Joliffia. Y__C(?)Zanzibar. Ribes Grossularia, Stachel- C Gemäss. Europa, Nordafrika,

beere. © Kaukasus, westl. Himalaja. Ribes rubrum, Rothe Jo- C Nord- und gemäss. Europa, ' hannisbeere. © Sibirien, Kaukasus, Hima- _

laja— NO. d. Ver. Staaten.

560 Dritter Theil. Erstes Kapitel.

Name und Dauer. Zeit. Ursprung. Ribes nigrum, Schwarze Jo- C Nord- und Mitteleuropa, Ar- hannisbeere. © menien, Sibirien, Man-

dschurei, westl. Himalaja. Diospyros Kaki, Kaki- (?) Japan, Nordchina (?). pflaume. D Diospyros Lotus, Italieni- (?) China, Indien, Afghanistan, sche Dattelpflaume. 5 Persien, Armenien, Ana- tolien. Olea europaea, Oelbaum. 5 A Syrien, Südanatolien und be- nachbarte Inseln. Solanum Melongena, Eier- A Indien. pflanze. © Ficus Carica, Feigenbaum.b A Mittlere u. südl. Mittelmeer- region (von Syrien nach den Canaren). Artocarpus incisa, Echter (?) Sunda-Inseln. Brotbaum. D Artocarpus integrifolia, B(?)Indien. Jackfrucht. 5 Phoenix dactylifera, Dattel- A Westasien u.Westafrika(vom

palme. 5 Euphrat nach d. Canaren).

Musa sapientum, Banane. ’b A Südasien. Elaeis guineensis, Afrika- (?) Guinea. nische Oelpalme. 5

Angebaut wegen ihrer Samen.

1. Nahrhafte.

Nephelium Lit-chi, Litschi- (?) Südchina, Cochinchina. baum. D

Nephelium Longana, Lon- (?) Indien, Pegu. ganbaum. 5

Nephelium lappaceum, Ram- (?) Indien, Pegu. butan. D

Pistacia vera, Echte Pi- C Syrien. stazie. Ö

Faba vulgaris, Pferde- A Süden des Kaspisees. bohne. ©

Ervum Lens, Gem. Linse. Q A Gemäss. Westasien, Griechen-

land, Italien.

Cicer arietinum, Kicher- A Süden des Kaukasus und des erbse. © Kaspisees.

Lupinus albus, Weisse Feig- B Sicilien, Macedonien, Süden bohne. © des Kaukasus.

Ai VE MT nn.

Allgemeines Verzeichniss der Arten. 561

Name und Dauer. Zeit. Ursprung. Lupinus Termis, Aegypti- A Von Corsica nach Syrien. sche Wolfsbohne. © Pisum arvense, Stockerbse.© C(?) Italien. Pisum sativum, Gemeine B Vom Südend. Kaukasus nach Erbse. © Persien (?), Nordindien (?). Dolichos Soja, Sojabohne. © A Cochinchina, Japan, Java. Cajanus indicus, Indischer C Aequatorialafrika. Bohnenbaum. 5 Ceratonia Siliqua, Johannis- A(?)Südküste von Anatolien, Sy- brotbaum. D rien, Cyrenaika. Phaseolus aconitifolius, C Indien. Aconitblätterige Bohne. © Phaseolus trilobus, Simbi- B Indien, tropisches Afrika. bohne. © Phaseolus Mungo, Mungo- B(?)Indien. bohne. © Phaseolus Lablab, Lablab- B Indien. bohne 4 © Phaseolus Lubia, Lubia- C Westasien (?). bohne. ©

Voandzeia subterranea, (?) Intertropisches Afrika. Kriechende Erdbohne. ©

Fagopyrum esculentum, C Mandschurei, Central - Sibi- Gemeiner Buchweizen. © rien.

Fagopyrum tataricum, Ta- C Tatarei, Sibirien bis nach tarischer Buchweizen. ©) Daurien.

Fagopyrum emarginatum, (?) Westchina, Osthimalaja. Ausgerandeter Buchwei- zen. © Amarantus frumentaceus, (?) Indien. Mehlr. Fuchsschwanz. © Castanea vulgaris, Echte (?) Von Portugal nach d. Kaspi- Kastanie. D see, östl. Algerien. Varie- täten: Japan, Nordamerika. Triticum vulgare und Varie- A Euphratregion. täten, Gemeiner Weizen.) Triticum Spelta, Spelz, Din- A Vom Vorhergehenden ab-

kel. © stammend. Triticum monococcum, Ein- (?) Serbien,Griechenland, Anato- korn. © lien (wenn man die Identität

mit Tr. baeoticum zulässt). Hordeum distichon, Zwei- A Gemässigtes Westasien. zeilige Gerste. © Hordeum vulgare, Gemeine (?) Vom Vorhergehenden ab- Gerste. © stammend (?).

DE CANDOLLE. 36

562 Dritter Theil. Erstes Kapitel.

Name und Dauer. Zeit. Ursprung. Hordeum hexastichon, Sechs- A Vom Vorhergehenden ab- zeilige Gerste. © stammend. Secale cereale, Roggen. © B Gemässigtes Osteuropa (?). Avena sativa, Hafer. © B Gemässigtes Osteuropa (?).

Avena orientalis, Oriental. C(?)Westasien (?). Hafer. © | Panicum miliaceum, Echte A Aegypten, Arabien. Hirse. © Panicum italicum, Borsten- A China, Japan, Indischer gras. © Archipel. Holcus Sorghum, Kaffern- A Tropisches Afrika (?). hirse. © Holcus saccharatus, Moor- (?) Tropisches Afrika (?).

hirse. © Eleusine Coracana, Cora- B Indien. can. : Oryza sativa, Reis. © A Indien, Südchina (?).

2. Verschiedene Gebrauchsanwendungen.

Papaver somniferum, Mohn- B Stammt ab von dem in der

pflanze. © Mittelmeerregion einhei- mischen P. setiferum.

Sinapis alba, Weisser B Gemäss. u. Südeuropa, Nord-

Senf. © afrıka, gemäss. Westasien.

Sinapis nigra, Schwarzer B Dieselben Regionen. Senf. © l Camelina sativa, Flachs- B(?)Gemäss. Europa und Kau-

dotter. © kasus, Sibirien. Gossypium herbaceum, B Indien.

Baumwollstaude. © ©

Gossypium arboreum, Baum- (?) Oberägypten. artige Baumwollpflanze. 5

Coffea arabica, Kaffee- baum. 5

Coffea liberica, Liberischer Kaffeebaum. D

C Tropisches Afrika (Mozam- C Sesamum indicum, Sesam.© A Sunda-Inseln. B A

bique, Abessinien, Guinea). Guinea, Angola.

Myristica fragrans, Muskat- Molukken. nussbaum. 5

Ricinus communis, Ricinus- Abessinien, Sennaar, Kor-

pflanze. 5 _ dofan. Juglans Regia, Walnuss- (?) Gemässigtes Osteuropa, ge- baum. D mässigtes Asien. .

ul 1 ee ch in ae Dad ar à:

Allgemeines Verzeichniss der Arten.

Name und Dauer. Piper nigrum, Schwarzer Pfeffer. 5 Piper longum, Pfeffer. 5 Piper officinarum, neller Pfeffer. 5 Piper Betle, Betelpfeffer. 5 Areca Catechu, Betelnuss- palme. D Cocos nucifera, palme. D

Langer Offici-

Kokos-

Zeit.

B B

B B B

(?)

563 Ursprung. Indien.

Indien. Indischer Archipel.

Indischer Archipel. Indischer Archipel.

Indischer Archipel (?), Poly- nesien (?).

Ursprünglich amerikanische Arten.

Angebaut wegen ihrer unterirdischen Theile.

Arracacha esculenta, Arra- E Neugranada (?).

cacha. 4 ©

Helianthus tuberosus, Erd- apfel. 4

Solanum tuberosum, Kar- toffel.

Convolvulus Batatas, Süsse Batate. 4

Manihot utilissima, Man-

diokstrauch. 5 Maranta arundinacea , Ar- rowroot. U

E(?)Nordamerika (Indiana).

E D E

(?)

Chile, Peru (?). Tropisches Amerika (wo ?). Intertropisches Ostbrasilien,

Tropisches Amerika (conti- nentales ?).

Angebaut wegen ihrer Stengel und Blätter.

Jlex paraguariensis, Maté. 5

Erythroæylon Coca, Coca. 5

Cinchona Calisaya, Gelbe Kônigsrinde. D

Cinchona officinalis, Braune Königsrinde. E

Cinchona succirubra, Rothe Fieberrinde. 5

Nicotiana Tabacum, back. ©

Nicotiana rustica, Taback.©O

Ta-

Agave americana, Amerika- nische Agave. D

D D F F F D E

E

Paraguay und Westbrasilien, Ostperu, Ostbolivia. Bolivia, Südperu.

Ecuador (Provinz Loxa). Ecuador (Provinz Cuenca). Ecuador und anstossende Länder (?). Mexico (?), Texas (?), Califor-

nien (?). Mexico (?).

36*

564 Dritter Theil. Erstes Kapitel.

Angebaut wegen ihrer Früchte.

Name und Dauer. Zeit. Ursprung. Anona squamosa, Zimmt- (?) Antillen. apfel. D

Anona muricata, Stacheliger (?) Antillen. Flaschenbaum. D

a Me , Rahm- (?) Antillen, Neugranada. apfel.

Anl Cherimolia, Tschiri- E Ecuador, Peru (?). majabaum. D

Mammea americana, Mam- (?) Antillen.

mey-Apfel. 5

Amacardium occidentale, (?) Intertropisches Amerika. Caju. D

Fragaria virginica, Schar- F Gemässigtes Nordamerika. lacherdbeere. 4 E

Fragaria chiloensis, Riesen- F Chile. erdbeere. 4

Psidium Guayava, Guaya- E Tropisch-continentales Ame- ven. D rika.

Cucurbita Pepo et Melopepo, E Gemässigtes Nordamerika. Gem. u. Melonenkürbis. ©

Opuntia Ficus-indica, E Mexico. Feigencactus. D

Sechium edule, Chayota. © E Mexico (?), Centralamerika.

Chrysophyllum Cainito, E Antillen, Panama. Sternapfel. 5

Lucuma Caimito, Caimito. 5 E Peru.

Lucuma mammosa, Zitzen- E Orinocoregion. artige Lucume. D

Sapota Achras, Sapotill- E Kampechebai, Isthmus von baum. D Panama, Venezuela.

Diospyros virginica, Persi- F Oestliche Vereinigte Staaten. monpflaume.

Capsicum annuum, Cayenne- E Brasilien (?). pfeffer. ©

Capsicum frutescens, Ca- E Von Ostperu nach Bahia. yennepfeffer. 5

Lycopersicum esculentum, E Peru. Liebesapfel. ©

-Persea gratissima, Advo- E Mexico. gatobirne. D

Papaya vulgaris, Melonen- E Antillen, Centralamerika. baum. D

u ee

| : vise fées

| u a |

a nr en ni it dt #

Allgemeines Verzeichniss der Arten. 565

Name und Dauer. Zeit. Ursprung. Ananassa sativa, Ananas. Y E Mexico, Centralamerika, Pa- nama, Neugranada, Gu- yana (?), Bahia (?).

Angebaut wegen ihrer Samen. 1. Nahrhafte Samen.

Theobroma Cacao, Kakao- D Region d. Amazonas, d. Ori- baum. D noco,Panama(?),Yucatan(?).

Phaseolus lunatas, Ge- E Brasilien. krümmte Bohne. 4

Chenopodium Quinoa, Qui- E Neugranada (?), Peru (?), noapflanze. © Chile.

Zea Mays, Mais. © D Neugranada (?).

2. Von verschiedenen Gebrauchsanwendungen.

Bixa Orellana, Rucubaum. b D Intertropisches Amerika. Gossypium barbadense, Neugranada (?), Mexico (?), Baumwollpflanze von Bar- (?) Antillen (?). badoes. 5 Arachis hypogaea, Erd- E Brasilien (?). nuss. © Madia sativa, Madia. © E Chile Californien.

Kryptogame, der ganzen Pflanze wegen angebaut.

Agaricus campestris, Gem. C Nördliche Hemisphäre. essbarer Champignon. U

Arten, deren Ursprung völlig unbekannt oder ungewiss ist.

Phaseolus vulgaris, Gemeine Schminkbohne. © Cucurbita moschata, Moschuskürbis. © Cucurbita ficifolia, Feigenblätteriger Kürbis. 4

566 Dritter Theil. Zweites Kapitel.

ZWEITES KAPITEL.

Allgemeine Bemerkungen und Schluss.

Erster Abschnitt. Regionen, aus welchen die Culturpflanzen hervorgegangen sind.

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war der Ursprung der meisten angebauten Pflanzen noch unbekannt. Linne hatte sich durchaus nicht bemüht, denselben zu ent- decken, und von den spätern Autoren waren nur die unbestimmten oder irrigen Ausdrücke wiedergegeben, deren er’ sich zur Angabe ihrer Wohnplätze bedient hatte. Alexander von Humboldt brachte somit im Jahre 1807 den wirklichen Stand der Wissenschaft zum Aus- druck, wenn er sagte: „Der Ursprung, das erste Vater- land der dem Menschen nützlichsten Gewächse, welche ihm seit den fernsten Zeiten folgen, ist ein ebenso undurchdringliches Geheimniss wie die Heimat aller Hausthiere..... Wir wissen nicht, welche Region den Weizen, die Gerste, den Hafer und den Roggen spon- tan hervorgebracht hat. Die Pflanzen, welche die na- türlichen Reichthumsquellen aller Tropenbewohner aus- machen, die Banane, der Melonenbaum, der Maniok- strauch und der Mais, sind nie im wildwachsenden Zu- stande gefunden worden. Bei der Kartoffel stossen wir auf dieselbe Erscheinung.“ ! |

Wenn gegenwärtig einige der angebauten Arten noch nicht in einem spontanen Zustande angetroffen worden sind, so ist dies doch bei der weit überwiegenden Mehrzahl derselben geschehen. In den meisten Fällen wissen wir wenigstens, in welchen Ländern sie ursprüng- lich zu Hause sind. Dies ging schon aus meiner Arbeit vom Jahre 1855 hervor und findet durch die gegen- wärtigen noch ausgedehntern Forschungen fast immer

1 Essai sur la géographie des plantes, S. 28.

Lo Smet + de fi Dés. a

Allgemeine Bemerkungen. 567

seine Bestätigung. Dieselben haben 247 Arten um- fasst!, die entweder von den Landwirthen im grossen, oder auch in den Gemüse- und Obstgärten angebaut werden. Ich hätte noch einige hinzufügen können, die selten angebaut werden, schlecht bekannt sind, oder deren Cultur wieder aufgegeben wurde; die statistischen Ergebnisse würden aber wesentlich dieselben gewesen sein.

Von den 247 Arten, mit denen ich mich beschäftigt habe, hat die Alte Welt 199, Amerika 45. geliefert und über drei walten in dieser Beziehung noch Zweifel.

Keine Art gehörte, bevor ihre Cultur begann, den tropischen oder südlichen Theilen der beiden Welten gemeinschaftlich an. Das Allium Schoenoprasum, die Walderdbeere (Fragaria vesca), die rothe Johannisbeere (Ribes rubrum), die echte Kastanie (Castanea vulgaris), der Hopfen (Humulus Lupulus)? und der gemeine ess- bare Champignon (Agaricus campestris) waren den nörd- lichen Regionen der Alten und Neuen Welt gemeinsam. Ich habe sie als der Alten Welt angehörend aufge- zählt, weil sie dort ihren Hauptwohnsitz haben, dort ihre bee begann.

Eine sehr grosse Zahl von Arten sind gleichzeitig in Europa und Westasien, in Europa und Sibirien, in der Mittelmeerregion und Westasien, in Indien und dem Asiatischen Archipel, auf den Antillen und in Mexico, in diesen beiden Regionen und Columbia, in Peru und Brasilien, oder in Peru und Columbia u. s. w. einheimisch. Man kann sie in dem Verzeichniss auf- finden. Dies dient als ein Beweis, wie unmöglich es ist, die Erdtheile in Unterabtheilungen zu bringen und die Inseln nach natürlichen, genauer bestimmten Regionen einzutheilen. Welcher Art die Eintheilung auch immer sein möge, wir werden immer auf Arten stossen, die zwei, drei oder vier Regionen gemeinsam angehören, und auf andere, deren Wohnsitz nicht.über einen klei-

1 Indem man zwei oder drei Formen mitrechnet, welche eher als sehr verschiedene Rassen anzusehen sind. 2 Vgl. S. 201, Anmerkung.

568 Dritter Theil. Zweites Kapitel.

nen Theil eines einzigen Landes hinausgeht. Dieselben Thatsachen zeigen sich bei den nicht angebauten Arten.

Eins muss hier noch besonders bemerkt werden, näm- lich das gänzliche Fehlen oder die ausserordentliche Seltenheit von aus gewissen Ländern abstammenden, angebauten Pflanzen. Keine ist beispielsweise aus den arktischen oder antarktischen Regionen gekommen, deren Floren freilich nur aus einer kleinen Anzahl von Arten zusammengesetzt werden. Trotz ihres ausgedehnten Territoriums, welches bald Hunderten von Millionen von Menschen ein Obdach gewähren wird, boten die Vereinigten Staaten von Nährpflanzen, deren Anbau sich der Mühe verlohnte, thatsächlich nur den Erdapfel (Helianthus tuberosus) und einige Kürbisse dar. Die Zi- zania aquatica, welche von den Eingeborenen im wild- wachsenden Zustande eingesammelt wurde, ist eine hinter unsern Cerealien und dem Reis zu weit zurückstehende Graminee, als dass es sich der Mühe verlohnte, sie aus- zusäen. Man fand daselbst auch einige essbare Zwie- beln und Beeren, doch wurde kein Anbauversuch mit ıhnen gemacht, weil der Mais, der so unendlich viel mehr werth ist, frühzeitig dahin gelangte.

Patagonien und das Cap der Guten Hoffnung haben nicht eine einzige Art geliefert. Australien und Neu- seeland haben einen Baum, Eucalyptus globulus, und ein wenig nahrhaftes Gemüse, die Tetragonia, darge- boten. Es mangelte ihren Floren besonders an Gra- mineen, die mit unsern Cerealien übereinstimmten, an Leguminosen mit essbaren Samen, und an Cruciferen mit fleischigen Wurzeln.! In dem tropischen und feuchten Gebiete Australiens hat man den Reis und die Alocasia macrorhiza wildwachsend oder vielleicht naturalisirt angetroffen; der bei weitem grösste Theil des Landes leidet aber zu sehr von der Trockenheit, als dass sich diese Arten dort hätten verbreiten können.

1 Vgl. die Liste der Nutzpflanzen Australiens in: Sir J. Hooker, Flora Tasmaniae, S. CX, und Bentham, Flora australiensis, VII, 150, 156.

Allgemeine Bemerkungen. 569

Im allgemeinen hatten die südlichen Regionen sehr ° wenig einjährige Pflanzen, und unter ihrer so beschränk- ten Zahl bot keine augenscheinliche Vorzüge dar. Nun lassen sich aber gerade die einjährigen Arten am leich- testen anbauen. In den alten Culturen der andern Länder haben sie eine wichtige Rolle gespielt. Schliesslich war die ursprüngliche Vertheilung der angebauten Arten eine äusserst ungleiche. Sie stand in keinem Verhältniss weder zu den Bedürfnissen des Menschen, noch zu der Ausdehnung der Ländergebiete.

Zweiter Abschnitt. Zahl und Beschaffenheit der angebauten Arten seit verschiedenen Zeitperioden.

Diejenigen Arten, welche in dem Verzeichniss auf S. 553 mit A vermerkt werden, sind von einer sehr alten Cultur; ihre Zahl beträgt 44. Einige der mit B bezeichneten Arten sind wahrscheinlich ebenso alt, ohne dass dies festgestellt werden konnte. Schliesslich sind die fünf amerikanischen, mit D bezeichneten Arten wahrscheinlich von einem fast ebenso hohen Culturalter als die der Kategorie A oder als die ältesten der Kate- gorie B.

Wie sich voraussehen liess, sind die Arten A beson- ders solche Pflanzen, die mit zur Nahrung des Menschen sich eignenden Wurzeln, Früchten oder Samen ausge- stattet sind. Dann kommen einige Arten, welche wohl- schmeckende Früchte oder solche von textilen, farbe- und ölhältigen Eigenschaften hervorbringen, oder aus denen man durch Aufguss oder Gärung erregende Ge- tränke bereitet. Sie weisen nur zwei grüne Gemüse auf und enthalten nicht eine einzige Futterpflanze. Die Cruciferen, Leguminosen und Gramineen sind die Fami- lien, welche vorherrschen.

Die Zahl der einjährigen Arten ist 22 : 44, d. 1. 50 Procent. Unter den fünf amerikanischen mit D be- zeichneten Arten gibt es zwei einjährige. In der Ka-

570 Dritter Theil. Zweites Kapitel.

tegorie A finden sich drei zweijährige Arten, während die Kategorie D keine hat. In der Gesammtmasse der Phanerogamen gehen die einjährigen Arten nicht über 15 Procent hinaus, erreichen die zweijährigen kaum die Ziffer von 1 oder höchstens 2 Procent. Es ist leicht be- greiflich, dass bei Beginn der Civilisation diejenigen Pflan- zen die gesuchtesten waren, deren Erzeugnisse nicht auf sich ‚warten liessen. Sie bieten ausserdem den Vorzug, dass man ihre Cultur verbreiten und vervielfältigen kann, entweder wegen des Ueberflusses an Samen oder auch weil sich dieselbe Art den Sommer über im Nor- den, während des Winters oder das ganze Jahr hin- durch in den Tropenländern anbauen lässt.

Die ausdauernden oder perennirenden Pflanzen sind in den Kategorien A und D sehr selten, sie belaufen sich auf nicht mehr als zwei Arten oder 4 Procent, wenn man nicht Brassica oleracea und die gewöhnlich aus- dauernde Form des Flachses ( Linum angustifolium), welche die Bewohner der schweizer Pfahlbauten anbauten, hin- zufügen will. In der Natur machen die ausdauernden Arten ungefähr 40 Procent der Phanerogamen aus.!

A und D schliessen unter 49 Arten 20 holzige ein, oder ungefähr 41 Procent. In die Gesammtmasse der Phanerogamen treten diese mit 43 Procent ein.

Somit wurden von den ersten Anbauern besonders einjährige oder zweijährige Arten verwerthet, etwas weniger schon holzige Pflanzen und viel weniger noch ausdauernde oder perennirende Arten. Diese Verschie- denheiten müssen ihren Grund haben in der dem Ver- hältniss von wirklich nützlichen Arten aus jeder der Abtheilungen entsprechenden Leichtigkeit der (Cul- turen.

Die mit B bezeichneten Arten der Alten Welt werden seit mehr als 2000 Jahren angebaut, einige gehören

1 Die Verhältnisse, welche ich für die Gesammtmasse der Phanero- gamen angebe, stützen sich auf eine annähernde Berechnung, welche ver- mittelst der ersten 200 Seiten des Nomenclator von Steudel angestellt wurde. Ihre Richtigkeit erweist sich durch den Vergleich einiger Floren.

Allgemeine Bemerkungen. 511

aber vielleicht, ohne dass man es weiss, zur Kategorie A. Die amerikanischen, mit E bezeichneten wurden vor Christoph Columbus, vielleicht seit mehr als 2000 Jah- ren angebaut. Viele andere in den Tabellen mit (?) vermerkten Arten datiren wahrscheinlich auch aus einer alten Epoche; da sie aber meistens in Län- dern vorkommen, die keine Literatur besitzen, keine archäologischen Documente aufweisen, so bleibt ihre Geschichte unbekannt. Es hat weiter keinen Nutzen, bei so zweifelhaften Kategorien länger zu verweilen; ‚dagegen verdienen die Pflanzen, von denen man weiss, dass sie in der Alten Welt seit weniger als 2000 Jah- ren, oder in Amerika seit der Zeit der Entdeckung angebaut wurden, mit denen, welche man seit uralten Zeiten anbaute, verglichen zu werden.

Diese Arten der Culturen der Neuzeit belaufen sich auf 61 von der Alten Welt, mit C bezeichnet, und auf 6 von Amerika, mit F bezeichnet; im ganzen also auf 67.

Nach ihrer Dauerzeit eingetheilt, zählen sie 37 Pro- cent einjähriger, 7—8 Procent zweijähriger, 33 Procent ausdauernder und 22—23 Procent holziger.

Das Verhältniss der einjährigen oder zweijährigen ist auch hier noch stärker als bei der Gesammtzahl der Gewächse, es ist aber geringer als bei den Arten einer sehr alten Cultur. Die Verhältnisse der ausdauernden oder holzigen sind geringer als im gesammten Pflanzen- reich, sie sind aber höher als bei den Arten A von sehr alter Cultur.

Die seit weniger als 2000 Jahren angebauten Ge- wächse machen besonders künstliche Futterpflanzen aus, welche die Alten kaum kannten; dann kommen einige Zwiebeln, Gemüse, medicinische Pflanzen (Cinchonas), Pflanzen mit essbaren Früchten, nahrhaften (Buchweizen) oder aromatischen (Kaffeebaum) Samen u. s. w. Seit 2000 Jahren haben die Menschen nicht eine einzige Art entdeckt und angebaut, welche mit dem Mais, dem Reis, der süssen Batate, der Kartoffel, dem Brotbaum, der

D? Dritter Theil. Zweites Kapitel.

Dattelpalme, den Cerealien, der Hirse, dem Sorghum, der Banane, der Sojabohne’ einen Wettstreit eingehen könnte. Die Cultur dieser geht auf 3000, 4000 oder 5000 Jahre, in gewissen Fällen vielleicht selbst auf 6000 Jahre zurück. Während der Dauer der griechisch- römischen Civilisation und in den dann folgenden Zeiten entsprechen die der Cultur unterzogenen Arten der grössern Mehrzahl nach verschiedenartigern und aus- gesuchteren Bedürfnissen. Viel Arbeit hat man auch dar- auf verwandt, die alten Arten eines Landes nach einem andern zu verbreiten, und man richtete gleichzeitig sein Augenmerk auf die natürliche Züchtung von bei jeder Art eintretenden bessern Varietäten.

Die Einführungen seit 2000 Jahren haben in einer sehr unregelmässigen und wechselnden Weise statt- gefunden. Ich könnte nicht eine einzige Art namhaft machen, die seit jener Zeit von den Chinesen, diesen grossen Landbauern der alten Zeiten, der Cultur unter- worfen wurde. Die Völker des südlichen oder west- lichen Asien haben bis zu einem gewissen Grade Neue- rungen eingeführt, indem sie die Buchweizen, mehrere Cucurbitaceen, einige Alliumarten u. s. w. anbauten. In Europa haben die Römer und weiter im Mittelalter ver- schiedene Völker die Cultur von gewissen Gemüsen oder Früchten, sowie die mehrerer Futterpflanzen eingeführt. In Afrika hat dann eine kleine Anzahl von Culturen vereinzelt ihren Anfang genommen. Die Folge der von Vasco de Gama und Christoph Columbus unternommenen Reisen war eine rasche Ausbreitung der bereits in der einen oder andern Hemisphäre angebauten Arten. Diese Beförderungsweisen sind während drei Jahrhunderten fortgesetzt worden, ohne dass man sich ernstlich mit neuen Culturen beschäftigt hätte. In den 200 oder 300 Jahren, welche der Entdeckung Amerikas vorher- gingen, und den 200, welche dann folgten, ist die An- zahl der angebauten Arten fast vollständig auf dem- selben Punkte stehen geblieben. Die Erdbeeren Ame- rikas, die Persimonpflaume, der Meerkohl (Crambe

Allgemeine Bemerkungen. 573

maritima) und die Tetragonia expansa, welche im 18. Jahrhundert eingeführt wurden, sind kaum von irgend- welcher Bedeutung gewesen. Man muss bis zur Mitte des jetzigen Jahrhunderts vorschreiten, um neue Culturen von einiger Wichtigkeit in Bezug auf Nützlichkeit nach- weisen zu können. Ich erinnere an Eucalyptus glo- bulus, den Blaugummibaum Australiens, und die Cin- chonen oder Chinabäume Südamerikas.

Die Einführungsweise dieser letzten Arten zeigt den ungeheueren Wechsel, welcher sich in Bezug auf die Beförderungswege eingestellt hat. Vor zeiten fing die Cultur einer Pflanze in dem Lande an, wo sie ursprüng- lich vorkam, während der australische Eucalyptus zu- erst in Algerien gepflanzt und ausgesäet wurde, und die Cinchonen Amerikas in Südasien. Bis zur gegen- wärtigen Epoche hatten die botanischen Gärten oder Liebhaber schon anderswo angebaute Pflanzen verbreitet. Jetzt werden durch sie ganz und gar neue Culturen eingeführt. Hierin steht der königl. botanische Garten zu Kew obenan, und von andern botanischen Gärten und Acclimatisationsgesellschaften in England und an- derwärts werden ähnliche Versuche gemacht. Wahrschein- lich werden die tropischen Länder innerhalb eines Jahr- hunderts grossen Nutzen daraus ziehen. Auch die andern werden ihren Vortheil dabei finden infolge der sich immer steigernden Erleichterung der Beförderung von Materialwaaren.

Wenn eine Art einmal in den Culturen Verbreitung gefunden hat, so geschieht es selten man kann vielleicht kaum ein Beispiel hierfür nennen —, dass man sie gänzlich wieder aufgibt. Man fährt vielmehr hier und da fort mit ihrem Anbau in den Ländern, die etwas zurück- geblieben sind oder deren Klima ihr besonders zusagt. Bei meinen Untersuchungen habe ich einige dieser fast aufgegebenen Arten, wie den Färberwaid (Isatis tinc- toria), die Waldmalve (Malva sylvestris), ein bei den Römern gebräuchliches Gemüse, einige früher sehr viel gebrauchte medicinische Pflanzen, wie den Fenchel, den

574 Dritter Theil. Zweites Kapitel.

Kümmel, den Schwarzkümmel u. s. w. unberücksichtigt gelassen, theilweise baut man sie aber gewiss noch an.

Der Wettstreit der Arten bewirkt, dass die Cultur einer jeden zu- oder abnimmt. Ausserdem werden die Färbe- und medicinischen Pflanzen durch neuere Ent- deckungen in der Chemie bedroht. Der Färberwaid, der Krapp, der Indigo, die Minze und mehrere ein- fache Heilmittel müssen vor der Invasion chemischer Producte zurückweichen. Es ist immerhin möglich, dass man noch dahin gelangen wird, Oel, Zucker, Stärke- mehl anzufertigen, wie man bereits ohne Hinzuziehung von organischen Stoffen Honig, Butter und Gelees gewonnen hat. Nichts würde die Ackerbauverhältnisse der Welt mehr verändern, als beispielsweise die Fabri- kation des Stärkemehls vermittelst seiner bekannten und anorganischen Bestandtheile.

Bei dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaften gibt es noch Producte, welche man vermuthlich immer mehr und mehr dem Pflanzenreiche abzugewinnen versuchen wird, dies sind die textilen, die Gerbmaterialien, der Kautschuk, Guttapercha und gewisse Gewürze. Je mehr die dieselben liefernden Wälder zerstört werden und die

Nachfrage nach diesen Substanzen gleichzeitig zunehmen

wird, um so viel mehr wird man sich versucht fühlen, die Cultur gewisser Arten zu betreiben.

Meistens gehören sie den Floren tropischer Länder an. In diesen Regionen, besonders in Südamerika, wird man auch auf den Gedanken verfallen, gewisse Frucht- bäume, z. B. aus der Familie der Anonaceen, anzu- bauen, deren Vorzüge den Eingeborenen und den Bo- tanikern bereits bekannt sind. Wahrscheinlich wird man die Futterpflanzen und die Waldbäume vermehren, welche in den heissen und trockenen Ländern ihr Fort- kommen finden. In den gemässigten und ganz insbe- sondere in den kalten Regionen wird diese Zunahme keine beträchtliche sein.

Nach solchen Anschauungen und Betrachtungen scheint es wahrscheinlich, dass der Mensch gegen Ende des

ru PURE ER Pe

Allgemeine Bemerkungen. 570

19. Jahrhunderts etwa 300 Arten im grossen und zu einem Nutzen anbauen wird. Dies ist ein geringes Verhältniss zu den 120000 oder 140000 Arten des Pflanzenreichs; in dem andern Reiche ist aber das Ver- hältniss der dem Menschen nützlich gemachten Wesen ein bedeutend schwächeres. Es gibt vielleicht nicht mehr als 200 Arten von Hausthieren oder solchen, die einfach für unsern Nutzen aufgezogen werden, und doch zählt das Thierreich Millionen von Arten. Aus der grossen Klasse der Mollusken zieht man die Auster, und aus jener der Gliederthiere, welche zehnmal so viele Arten enthält wie das gesammte Pflanzenreich, kann man die Biene anführen und noch zwei oder drei Insekten, welche Seide liefern. Zweifelsohne ist die Zahl der Thier- und Pflanzenarten, welche man zu seinem Vergnügen oder auch aus Wissbegier heranziehen, cultiviren kann, eine ausserordentlich grosse, wie dies die Menagerien, die zoologischen und botanischen Gärten zur Genüge be- weisen; ich spreche hier aber nur von solchen nütz- lichen Pflanzen und Thieren, die eine weite und allge- mein gebräuchliche Verwendung finden.

Dritter Abschnitt. (ulturpflanzen, die man im wildwachsenden Zustande kennt oder nicht kennt.

Der Wissenschaft ist es gelungen, den geographischen Ursprung fast aller angebauten Arten festzustellen; weniger Fortschritte hat sie aber gemacht in der Kennt- niss dieser Arten im spontanen Zustande, d. h. als wildwachsende, von Culturen und Wohnplätzen ent- fernte Pflanzen. Es gibt Arten, welche in diesem Zu- stande überhaupt nicht angetroffen worden sind, an- dere, bei denen die Bedingungen specifischer Ueber- einstimmung oder wirklicher Spontaneität zweifelhaft sind.

In der nachfolgenden Aufzählung habe ich die Arten in Kategorien eingetheilt, und zwar nach dem Grade der

576 Dritter Theil. Zweites Kapitel.

Gewissheit über die spontane Beschaffenheit und die Natur der etwa vorhandenen Zweifel.!

I.

IL.

TIL

IV.

Spontane, d. h. wildwachsende Arten, welche von meh- reren Botanikern fern von Wohnplätzen und Culturen, mit allen Anzeichen einheimischer Pflanzen und unter einer mit einer der angebauten Varietäten übereinstim- menden Form gesehen wurden. Das sind die Arten, welche hier unten nicht aufgezählt sind. Ihre Zahl BOWapE =. ur on re a EE Lite SH T

Unter diesen 169 Arten gehören 31 zu don ni me oder D bezeich- neten Kategorien, sind also von einer sehr alten Cultur; 56 werden seit weniger als 2000 Jahren angebaut (C) und die andern sind von einem mittlern oder unbekannten Zeitalter. Unter denselben Bedingungen gesehen und gesammelt, aber nur von einem einzigen Botaniker und in einer einzigen Localität .S . ..:”. ... 2 2 ae a Cucurbita maxima, Faba vulgaris, Nicotiana Tabacum.

Unter denselben Bedingungen gesehen und erwähnt von einem oder zwei mehr oder weniger alten Autoren, die keine Botaniker waren und sich geirrt haben können. Ihre Zahl’ beläuft sich auf: 7. > SEE

Carthamus tinctorius, Triticum vulgare.

Von Botanikern in mehreren Localitäten als wildwach- sende gesammelt, aber unter einer etwas verschiedenen Form von denen, welche man anbaut, die aber die meisten Botaniker ohne Bedenken der Art zuzählen. 4 Olea europaea, Oryza sativa, Solanum tuberosum, Vüitis vinifera.

Wildwachsende, in mehreren Localitäten von Botanikern gesammelt unter Formen, die einigen Autoren zufolge verschiedene Arten ausmachen müssen, während sie von andern als Varietäten angesehen werden . . . . . 16

Allium Ampeloprasum Porrum, Chenopodium Quinoa, Cichorium Endivia var.*, Crocus sativus var., Cucumis Melo*, Cucurbita Pepo, Helianthus tuberosus, Lactuca Scariola sativa, Zinum usi- tatissimum annuum, Lycopersicum esculentum, Papaver somni- ferum, Pyrus nivalis var., Ribes Grossularia*, "Solanum Melon- gena, Spinacia oleracea var.*, Triticum monococeum.

Subspontane, d. h. fast wildwach einer der an- gebauten Formen ähnliche, aber möglicherweise je nach localen Umständen den Culturen entsprungene Arten 'n.. „2 MEL Sn 2 ee DE RE

1 Die Arten in Cursivschrift sind von einer sehr alten Cultur (A

oder D); die mit * bezeichneten werden seit weniger als 2000 Jahren an- gebaut (C oder F).

di dinde ti. er

POS SE TS TS DS ET TA

Vo.

vo.

IX.

/

Allgemeine Bemerkungen. 577

Agave americana, Amarantus gangeticus, Amygdalus Persica, Areca Catechu, Avena orientalis*, Avena sativa, Cajanus in- dicus*, Cicer arietinum, Citrus decumana, Cucurbita moschata, Dioscorea japonica, Ervum Ervilia, Areum Lens, Fagopyrum emarginatum, Gossypium barbadense, Holcus saccharatus, Hol- cus Sorghum, Indigofera tinctoria, Lepidium sativum, Maranta arundinacea, Nicotiana rustica, Panicum miliaceum, Raphanus sativus, Spergula arvensis.

Subspontane, wie die vorhergehenden, die aber eine ‘von den angebauten Varietäten genügend verschiedene Form aufweisen, um von der Mehrzahl der Autoren als verschiedene Arten angesehen zu werden... 3

Allium ascalonicum* (Form von A. Cepa?), Allium Scorodo- prasum* (Form von A. sativum?), Secale cereale (Form einer der ausdauernden Secale-Arten?).

Nicht in einem wildwachsenden, nicht einmal sub- spontanen Zustande entdeckt, vielleicht seit Beginn der Culturen aus angebauten Arten hervorgegangen, aber zu verschieden, um nicht gemeiniglich Arten ge- nannt zu werden D RN 3

Hordeum hexastichon (ihren Ursprung ableitend von H. distichon 2), Hordeum vulgare (ihren Ursprung ableitend von M. distichon ?), Triticum Spelta (ihren Ursprung ableitend von 7. vulgare?).

Nicht in einem wildwachsenden, nicht einmal sub- spontanen Zustande entdeckt, aber aus Ländern stam- mend, welche noch nicht genügend erforscht worden sind, und die später vermuthlich mit wildwachsen- den noch schlecht bekannten Arten dieser Länder vereinigt sein müssen . . N D SENTE

Arachis hypogaea, Caryophyllus aromaticus, Convolvulus Batatas,

Dolichos Lubia*, Manihot utilissima, Phaseolus vulgaris. Nicht in einem wildwachsenden, nicht einmal sub- spontanen Zustande entdeckt, aber aus Ländern stam- mend, welche noch nicht genügend erforscht worden sind, oder aus ebensolchen Ländern, die man nicht genauer feststellen kann, verschiedenartiger als die vorhergehenden der bekannten Arten . . . . . . 17

Amorphophallus Konjak, Arracacha esculenta, Brassica chinen- sis, Capsicum annuum, Citrus nobilis, Cucurbita ficifolia, Dios- corea alata, Dioscorea Batatas, Dioscorea sativa, Eleusine Coracana, Lucuma mammosa, Nephelium Litchi, Pisum sati- vum*, Saecharum offieinarum, Sechium edule, Trichosanthes anguina*, Zea Mans.

In Summa.. 247.

Diesen Ziffern zufolge gibt es 194 Arten, die als wildwachsende erkannt wurden, 27 zweifelhafte oder subspontane, und 26, die wildwachsend nicht gefunden wurden.

D& CASDOLLE, 37

J

578 Dritter Theil. Zweites Kapitel.

Es ist anzunehmen, dass man früher oder später diese letztern entdecken wird, wenn auch nicht unter einer der angebauten Formen, so doch wenigstens unter einer: verwandten Form, die je nach der Ansicht der Autoren bald Art, bald Varietät genannt wird. Um dahin zu Selanpen, müssen die tropischen Länder besser erforscht werden, müssen die Sammler mehr Aufmerk- samkeit auf die Standorte verwenden, müssen viele Floren über die Länder veröffentlicht werden, die gegen- wärtig noch schlecht bekannt sind, muss man auch gute Monographien von gewissen Gattungen besitzen und sich dabei auf die Charaktere stützen, welche‘ in der Cultur am wenigsten varlıren.

Einige aus ziemlich gut erforschten Ländern stammende Arten, welche mit andern nicht - verwechselt werden können, weil sie Gattungen für sich ausmachen, sind im wildwachsenden Zustande nicht gefunden worden, oder nur ein einziges mal, was zu der Vermuthung führen kann, dass sie in der Natur ausgestorben oder im Aussterben begriffen sind. Ich meine den Mais und die Pferdebohne (vgl. S. 490 und 397). In dem Ab- schnitt 4 verweise ich auch auf andere Pflanzen, : welche seit einigen Tausend Jahren auf dem Wege des Aus- sterbens zu sein scheinen. Diese letztern gehören zu artenreichen Gattungen, was die Hypothese weniger wahrscheinlich macht!; andererseits zeigen sie sich aber von Culturen selten weit entfernt und man sieht sie sich selten naturalisiren, d. h. verwildern, was eine gewisse Schwäche nr oder auch eine zu grosse Leichtigkeit. Thieren und Schmarotzern zur. Beute zu fallen.

Die 67, seit wenigstens 2000 Jahren (C, p der Cul- tur unterworfenen Arten finden sich alle im wildwach- senden Zustande, mit Ausnahme von 11, die mit * bezeichnet sind, und welche man nicht angetroffen

1 Aus Gründen, auf welche ich hier nicht näher eingehen kann, sind die monotypischen "Gattungen meistens im Aussterben begriffen. -

x

1A

Allgemeine’ Bemerkungen. 579

hat, oder über welche man Zweifel hegt. Dies ist ein ‘Verhältniss von 83 Procent.

Auffallender ist es, dass die grössere Mehrzahl der ‘seit mehr als 4000 Jahren (A), oder in Amerika seit 3000 oder 4000 Jahren (D) angebauten Arten noch wildwaéhsend vorkommen, und zwar in einem mit einer ‘der angebauten Formen übereinstimmenden Zustande. Ihre Zahl beläuft sich auf 31 von 49, d.h. 63 Procent. Fügt man die der Kategorien Il, III, IV und V hinzu, so ergibt dies ein Verhältniss von 81—82 Procent. In den Kategorien IX und X findet man nicht mehr als 2 dieser sehr alten angebauten Arten, oder 4 Pro- cent, und dies sind 2 Arten, welche als wildwachsende Pflanzen vielleicht nicht mehr vorkommen.

Von vornherein glaubte ich, dass eine viel grössere Anzahl der seit mehr als 4000 Jahren angebauten Arten ‚sich in einem solchen Grade von ihrem ehemaligen Zu- stande entfernt haben würde, dass man sie unter den ‚spontanen Pflanzen nicht mehr erkennen konnte. Es scheint aber im Gegentheil, als ob die der Cultur vor- ‘hergehenden Formen sich gewöhnlich an der Seite von denen, welche die Züchter erzielten und von Jahrhun- dert zu Jahrhundert vermehrten, erhalten haben. Dies lässt sich durch zwei Gründe erklären: 1) Die Periode von 4000 Jahren ist im Verhältniss zu der Dauer der meisten specifischen Formen unter den phanerogamischen Pflanzen eine kurze. 2) Die angebauten Arten er- halten ausserhalb der Culturen beständig Verstärkung durch die Samen, welche durch den Menschen, die Vögel, und verschiedene natürliche Agentien in vielerlei Weise 'ausgestreut und weitergeführt werden können. Die auf diese Weise erzielten Naturalisationen vermengen ‘häufig aus wildwachsenden Pflanzen hervorgegangene Individuen mit solchen, die angebauten Pflanzen ihr Dasein verdanken; es geschieht dies um so leichter, weil sie sich gegenseitig befruchten, indem sie zu ein und derselben Art. gehören. Diese Thatsache ist deut- lich nachgewiesen N sobald es. sich uni eine in

ae

580 Dritter "Theil. Zweites Kapitel.

Amerika in den Gärten angebaute Art der Alten Welt handelt, und welche sich später massenhaft auf den Feldern oder im den Wäldern niederlässt, wie z. B. die Kardunkel-Artischoke in Buenos-Ayres und die Orangenbäume in mehreren amerikanischen Ländern. Die Cultur breitet die Wohnsitze aus; sie bietet Ersatz für den Ausfall, welchen die natürliche Reproduction der Arten. zuweilen aufweist. Einige Arten machen hiervon eine Ausnahme, und es verlohnt sich der Mühe, sie in einem besondern Abschnitt zu behandeln. =

E |

Vierter Abschnitt. Culturpflanzen, welche im Aussterben begriffen oder ausserhalb des Culturbereichs

ausgestorben sind. \

da Lui. à D: 7: 4,

Die Arten, auf welche ich soeben hingewiesen habe, bieten drei bemerkenswerthe Merkmale dar:

1) Sie sind nicht im wildwachsenden Zustande ent- deckt worden, oder dies ist nur ein- oder zweimal, oft sogar in zweifelhafter Weise geschehen, obgleich die Regionen, aus welchen sie hervorgegangen sind. von mehreren Botanikern bereist wurden.

2) Ihnen ist nicht die Fähigkeit verliehen worden, ausserhalb der angebauten Ländereien sich auszusäen und ins Unendliche zu vermehren. Mit andern Worten, man kann von ihnen sagen, dass sie in einem ähn- lichen Falle die Bedingung von zufällig auftretenden Arten nicht überschreiten. |

3) Es lässt sich nicht annehmen, dass sie seit der h historischen Epoche aus gewissen verwandten Arten | hervorgegangen sind. |

Diese drei Merkmale finden sich in den folgenden Arten vereinigt:

Pferdebohne (Faba vulgaris). Taback (Nicotiana Tabacum). Kichererbse(Cicer arietinum). Weizen (Triticum vulgare). Erve (Ervum Ervila). Mais (Zea Mays).

Linse (Ervum Lens).

Allgemeine Bemerkungen. 581

Hinzuzufügen wären noch die süsse Batate (Convol- vulus Batatas), wenn die verwandten Arten besser als verschieden bekannt wären, und der Färber-Saflor, wenn das Innere Arabiens erforscht worden wäre und man diese Pflanze nicht dort als eine vor Zeiten von einem arabischen Schriftsteller angegebene gefunden hätte.

Alle diese Arten, wahrscheinlich auch noch andere von wenig bekannten Ländern, scheinen im Aussterben begriffen zu sein oder sind es bereits. Sie würden ver- schwinden, vorausgesetzt, dass es mit der Cultur auf der Erde ein Ende nähme, während die meisten der andern angebauten Pflanzen sich irgendwo naturalisirt haben würden uhd im wildwachsenden Zustande ver- harren würden.

Die vorerwähnten sieben Arten haben mit Aus- nahme des Tabacks stärkemehlhaltige Samen, die von den Vögeln, den Nagethieren und verschiedenen In- sekten gesucht werden, aber nicht unversehrt durch ihre Verdauungsorgane hindurchgehen können. Dies ist wahrscheinlich die einzige oder wichtigste Ursache ihres Zurückstehens in.dem Kampf ums Dasein.

Somit liefern meine Untersuchungen über die ange- bauten Arten den Beweis, dass sich gewisse Pflanzen- arten seit der historischen Epoche auf dem Wege des Aussterbens befanden oder ausgestorben sind, und dies hat nicht auf kleinen Inseln, sondern auf grossen Continenten stattgefunden, ohne dass man Abänderungen im Klima nachgewiesen hätte. Dies ist ein wichtiges Ergebniss für die Geschichte der organischen Reiche zu allen Epochen.

Fünfter Abschnitt. Verschiedene Betrachtungen.

Ich will hier auf Folgendes kurzgefasst hinweisen:

1) Die der Cultur unterworfenen Arten gehören nicht zu einer besondern Kategorie, denn sie klassificiren sich in 51 verschiedene Familien. Mit Ausnahme des ge-

582 Dritter Theil. Zweites Kapitel. +

meinen essbaren Champignons (Agaricus campestris) ge- hören sie indessen alle zu den Phanerogamen. |

2) Die Charaktere, auf welche die Cultur am meisten einwirkt, welche sie am wirksamsten umgestaltet, sind: a. die Er ‚Gestalt und Farbe der fleischigen Theile der Pflanze, gleichviel welcher Stellung. immer (Wurzel, Zwiebel, Knolle, Frucht oder Same), der mehr oder minder reiche Stärkemehl- oder Zuckergehalt, oder auch anderer Substanzen, welche sich in diesen Theilen ab- lagern; db. der Ueberfluss an Samen, welcher oft um- gekehrt proportionell ist der Entfaltung der fleischigen Pflanzentheile; c. die Form, Grösse, Behaarung der persistenten Blütentheile um die Früchte oder Samen; d. Raschheit der verschiedenen Phasen des Wachsthums, durch welche die holzige oder krautige, ausdauernde, bisannuelle oder annuelle Beschaffenheit einer Pflanze oft bedingt wird.

Die ‚Stengel, Blätter und Blumen verändern sich wenig in den dieser Theile wegen angebauten Pflanzen. Es sind die letzten Bildungen jedes einjährigen oder zweijährigen Triebes, welche am meisten variiren, mit andern Worten, die, Ergebnisse der Vegetation sind grössern Veränderungen unterworfen, als die dieselben hervorrufenden Organe.

3) Ich habe in keiner Weise eines dass die Cul- tur einen Einfluss auf Anpassung an die Kälte ausübt. Wenn der Anbau einer Art nach Norden zu vorrückt (Mais, Flachs, Taback u. s. w.), so erklärt sich das durch die Erzeugung frühzeitiger Varietäten, welche vor der kalten Jahreszeit zur Reife gelangen können, oder durch das Verfahren, im Norden während des Sommers Arten anzubauen, welche im Süden zur Win- terszeit ausgesäet werden. Das Studium der- für die spontanen Arten nördlichen Grenzen hatte mich einst zu demselben Resultat geführt, denn seit den histori- schen Zeiten sind dieselben keinen Veränderungen unter- Arten gewesen,. wenn. auch die. Samen rn ja be-

‚Allgemeine Bemerkungen. 583

Für eine derartige Veränderung, welche höhere Kälte- grade zu ertragen im Stande wäre, oder sich auf Form und Dauer bezöge, bedürfte es dem Anscheine nach viel längerer Perioden als eines Zeitraums von 4000 oder 5000 Jahren. '

4) Die Klassifikationen von Varietäten, welche durch Landwirthe und Gärtner erzielt wurden, stützen sich . gemeiniglich auf Charaktere, welche sich am meisten verändern (Form, Grösse, Farbe, Geschmack der fleischi- gen Theile, Grannen der Aehren u. s. w.). Die Bota- niker irren sich, wenn sie diesem Wege folgen. Sie müssten die Charaktere zu Rathe ziehen, die unver- änderlicher sind, diejenigen Organe, wegen deren man die Arten nicht anbaut.

. 5) Indem eine nicht angebaute Art eine Gruppe von mehr oder minder analogen Formen ausmacht, bei wel- chen sich häufig Untergruppen (Rassen, Varietäten, Untervarietäten) unterscheiden lassen, hat es vorkommen können, dass zwei oder mehrere dieser etwas verschie denen Formen dem Anbau unterworfen wurden. Dies hat besonders dann eintreten müssen, wenn der Wohn- sitz einer Art ein weiter ist, und noch mehr, sobald der- selbe ein getrennter ist. Der erste Fall ist wahrscheinlich der des Kohls (Brassica), des Flachses, der Süsskirsche (Prunus avium), des gemeinen Birnbaums u. s. w.; der zweite Fall hat sich wahrscheinlich bei dem Flaschen- kürbis, der Melone, der dreiblätterigen Bohne gezeigt, welche vor dem Beginn der Cultur zu gleicher Zeit in Indien und in Afrika vorkamen.

6) Die unterscheidenden Merkmale zwischen solchen Pflanzen, welche seit Generationen verwildert sind und von cultivirten Individuen abstammen, und solchen der- selben Art, die seit alters wild wachsen, kennt man noch nicht. Bei der Rückbildung einer. cultivirten in eine wilde Pflanze sind die besondern Eigenschaften, welche sich in den Culturen durch Pfropfen fortpflanzen, bei der Aussaat von keinem Bestand. Beispielsweise befindet sich der verwilderte Oelbaum im Zustande des

584 Dritter Theil. Zweites Kapitel.

Oleaster, hat der Birnbaum weniger grosse Früchte, gibt der Maronenbaum eine ganz gemeine Frucht. Uebrigens sind die naturalisirten Formen von ange- bauten Arten noch nicht genügend von Generation auf Generation beobachtet worden. Sagot! hat dies bei der Weinrebe gethan. Es dürfte von Interesse sein, in derselben Weise die Citrusarten, die Persica und die in Amerika naturalisirte Kardunkel-Artischoke mit ihren angebauten Formen, fern von ihrem Heimatlande zu vergleichen, desgleichen die in Amerika wildwach- senden Arten der Agave und des Feigencactus mit ihren in der Alten Welt naturalisirten Varietäten. Da- durch liesse sich genau in Erfahrung bringen, was nach einem zeitweiligen Culturzustande von Dauer ist.

7) Eine Art kann, bevor man sie dem Joche der Cultur unterwarf, auf eine dem Raume nach sehr be- schränkte Zone angewiesen gewesen sein, und dann als angebaute und zuweilen naturalisirte Pflanze einen ungeheueren Flächenraum einnehmen.

8) In der Geschichte der Culturpflanzen spricht nichts dafür, dass zwischen den Völkern der Alten und jenen der Neuen Welt vor der Entdeckung des Columbus ein Verkehr stattgefunden hätte. Die Skan- dinavier, welche bis in die nördlichen Vereinigten Staa- ten vorgedrungen waren, und die Basken des Mittel- alters, welche auf der Walfischjagd vielleicht bis Amerika gelangten, scheinen keine einzige Culturpflanze ver- breitet zu haben. Auch der Golfstrom hat im dieser Hinsicht gar keine Wirkung gehabt. Zwischen Amerika und Asien hat vielleicht ein Austausch von zwei nütz- lichen Gewächsen stattgefunden, dies sind die Batate, welche durch den Menschen,‘ die Kokosnuss, welche ebenfalls durch den Menschen oder durch Meeresströ- mungen fortgeführt wurden.

1 Sagot, Sur une vigne sauvage croissant en abondance dans les bois autour de Belley.

Register.

Acajoubaum 245. 564.

Ackerspark, gemeiner 141. 557.

Advogatobaum 366. 564.

Agaricus campestris 565.

Agave americana 1%. 563.

Agrume 220.

Aguacatebaum 366.

Alkanna, echte 171.

Allium Ampeloprasum, Porrum 126. 556.

Allium Ascalonicum 86. 554.

Cepa 82. 554.

/fistulosum 85. 554.

sativum 79. 554. L

Schoenoprasum 9%. 554.

Scorodoprasum 89. 554.

Alocasia macrorrhiza 94. 554.

Amarantus frumentaceus 445. 561.

gangeticus 125. 556.

Amelkorn 461.

Amorphophallus Konjak 95. 554.

Rivieri 9.

Amygdalus communis 271. 558.

Persica 273. 559.

Anacardium occidentale 245. 564.

Ananassa sativa, Ananas 390. 565.

Andropogon saccharatus 483.

Sorghum 480.

Anguriagurke 333. 559.

Anona Cherimolia 214. 564.

muricata 213. 564.

reticulata 214. 564.

squamosa 207. 564.

Anthriscus Cerefolium 112. 553.

Apfelbaum, gemeiner 290. 559.

Apfelsinenbaum 228. 558.

Apium graveolens 111. 555.

Aprikose von San-Domingo 233.

Aprikosenbaum 266. 558.

Arachis hypogaea 520. 565.

Areca Catechu 542. 563.

Armeniaca vulgaris 266.

Arracacha Arracatscha 50. 563. Arrowroot 101. 563. Artischoke, grosse 115. 555. spanische 115. 555. Artocarpus incisa 374. 560. integrifolia 376. 560. Arum esculentum 91. macrorrhizum 94. Asparagus oficinalis 556. Atriplex hortensis 556. Avena orientalis 471. 562. sativa 471. 562.

esculent« ,

WBaldrian, gemeiner 555.

Balsamapfel, cylinderförmiger 337. Banane 381. 560.

Bastardsafran 203.

Batatas edulis, Batate 67. 563. Baumwollpflanze, baumart. 513. 562, von Barbadoes 517. 665. Baumwollstaude 509. 562. Beissbeere 363.

Benincasa hispida 336. 559.

Beta maritima 73.

vulgaris 73. 554. Betelnusspalme 542. 563. Betelpfeffer 563.

Birnbaum, chinesischer 290. 559. gemeiner 285. 599.

Bixa Orellana 508. Blaugummibaum 557.

Blutklee 131. 556.

Bocksbart 55. 554.

Boehmeria nivea 182. 557. Bohne, aconitblätterige 435. 561. dreiblätterige 435.

gekrümmte 565.

mondförmige 433.

türkische 425.

586 Register.

Bohnenbaum, indischer 561. Bohnenwicke 397.

Borstengras 478. 562.

Brassica campestris 45.

chinensis 555.

Napus 45. 554.

oleracea 45. 105. 155.

Rapa 45. 554.

Breiapfel, gemeiner 359.

Bromelia Ananas 3%.

Brotbaum, echter 374. 560.

ganzblätteriger 376. 560. Brunnenkresse 555. Brustbeerenbaum, afrikan. 242. 558. Buchweizen, ausgerandeter 443. 561. gemeiner 440. 561.

tatarischer 442. 561.

Cacaobaum 393. 565.

Caimito 564.

LCojanus indicus, Cajanstrauch 417. 561.

Caju 564.

Calebasse 305.

Camelina sativa 562.

Campanula Rapunculus, Rapunzel 554. s

Cannabis sativa 185. 531.

Capsicum annuum 363. 564.

frutescens 363. 564.

Carica Papaya 561.

Carthamus tinctorius 203. 558.

Caryophyllus aromaticus 199. 557.

Cassavestrauch 74.

Castanea vulgaris 446. 561.

Catha edulis 166.

Cayennepfefter 361. 564.

Cedratbaum 220.

Celastrus edulis 166. 531.

Cerasus vulgaris 256. .

Ceratonia Siliqua 421. 561.

Chaerophyllum bulbosum 554.

Champignon, gemeiner 565.

Chayota 564.

Chenopodium Quinoa 444. 565.

Chinagras 182.

Chochokürbis 342.

Chrysophyllum Cainito 357. 564.

Cicer arietinum 406. 560.

Cichorie, gemeine 120. 555:

Cichorium Endivia 120. 555,

Intybus 120. 555.

Cinchona Calisaya 563.

officinalis 565.

succirubra 563.

Cinnamomum zeylanicum 181. 557.

Citrone 220. 558.

Citrullus vulgaris 328. 559.

Citrus Aurantium 224. 558.

decumana 218. 558.

medica 220. 558.

nobilis 232. 558.

Cocastrauch 167. 563. Cochlearia Armoracia 42. 553. Cocos nucifera 544. 563. Cofea arabica 525. 562.

liberica 529. 562.

Colocasia antiquorum 91. 554. Convolvulus Batatas 67. 565. Coracan 562.

Corchorus capsularis 161. 557. olitorius 161. 557.

Crambe maritima 559.

Crocus sativus 205. 558. Cucumis Anguria 333. 559. Melo 322. 559.

sativus 331. 559.

Cucurbita Citrullus 328.

ficifolia 322. 565.

Lagenaria 305. 559.

maxima 311. 559.

melanosperma 322.

Melopepo 316. 564.

moschata 320: 569. :

Pepo 316. 564. . Cydonia vulgaris 294. 559. Cynara Cardunculus 115. 555. Scolymus 115.: Cytisus Cajan AUT.

Dattelpalme 377. 560. Dattelpflaume, italienische 560. Daucus Carota 554. Dinkel 458. 561.

Dioscorea alata 96. 555.

Batatas 96. 555.

japonica 96. 559.

sativa 96. 554.

Diospyros Kaki 560.

Lotus 560.

virginica 564.

Dolichos Lablab 456.

Lubia 437.

Soja 415.; 561.

Durragras 493.

Eierpflanze 359. 560. Einkorn 462. 561. - Elaeis guineensis 543. 560. Eleusine Coracana 485. 562. Emmer 461. :

Endivien 120. 155.

Erbse, gemeine 561. Erdapfel 53. 563. Erdbeere, chilenische 253. Riesen- 255.

Scharlach- 255.

virginische 253.. :

Wald- 251.

Erdbohrer, kriechender 439. 561.

Erdnuss 520. 565.

Ei

ze à. à

Register. 587

Eriobotrya japonica 559, ur Guineagras 143. 557. Erve 133. 556. Guineapfeffer 363. Ervenwicke 133. Gurke, gemeine 331. 559.

Ervum Ereilia 133. 556. Lens 404. 560.

Erythroxylon Coca 167. 563. : äarblumie. schlan ren eu Line Esparsette 129. 556. er as s POHANERn EM ENS Essigbaum 165. 2 Hafer, gemeiner 471. 562 Eucalyptus globulus. 557. türkischer 471. 569,

Eugenia Jambos 299. Haferschlehe 265.

malaccensis 300. Hanf, chinesischer 182,

gemeiner 183. 557, Hedysarum coronarium 130. 556. Onobrychis 129.

Kaba vulgaris 397. 560. Heidekorn 440.

Fagopyrum emarginatum 443. 561. Helianthus tuberosus 53. 563. esculentum 440. 561. Hennastrauch 171. 557.

tataricum 442. 561. Heu, griechisches 138. 556. Färberindigo, gemeiner 169. 557. Hibiscus esculentus 234. 558. Färberröthe 52. j Himbeere 558.

Färbersaflor 203. Hirse, echte 475. 562. Feigbohne 409. 560. Holcus Sorghum 480. 562. Feigenbaum 370. 560. saccharatus 483. 562. Feigencactus, indianischer 348. 564, Hopfen 201. 557.

Ficus Carica 370. 560. | Hopfenluzerne 556. Fieberrinde, rothe 563. Hordeum distichon 464. 561. Flachs, gemeiner 148. 557. hexastichon 466. 562. Flachsdotter, 562. vulgare 466. 561. Flaschenbaum. netzförmiger 214. Humulus Forge 201. 557

stacheliger 213. 564.

Flaschenkürbis, gemeiner 305. 559.

Fragaria Chiloensis 253. 564.

ms Pesca 351. 558. Br [lex paraguariensis 167.563.

virginica 253. 564. Indigo-Arten, amerikanische 170. Fuchsschwanz vom Ganges 125. 556. Indigofera argentea 170. 557. mehlreicher 445. 561. - tinctoria 169. 557. Futterwicke 134. 556.

Jackfrucht 560. Jambosa malaccensis 300, 559.

@arcinia Mangostana 233. 558. vulgaris 299. 559. Gartenerbse: 413. Jatropha Manihot 74, Gartenkohl 103. 558. ; Johannisbeere, rothe 559 Gartenkörbel 112. 553. : schwarze 560. Gartenkresse, gemeine 106. 555. Johannisbrotbaum 421. 561. Gartenlattich, gemeiner 118. Joliffia 559.

Gartenmelde 556. Judendorn, echter 243. 558, Gartenmohn 503. gemeiner 240. 558. SE Gartensellerie 111. 555. Juglans regia 539. 562. Gemüseampfer 556. ; Jute 557.

Gerber-Sumach 163. : Gerste, gemeine 466. 561.

sechszeilige 466. 561. MKaffeebaum 525. 529. 562.

zweizeilige 464. 561. Kaffernhirse 480. 562, Gewürznelkenbaum 199. 557. Kakipflaume 560.

Glycine .Sôja 415. . Karobenbaum 421.

subterranea 439. : Kartoffel 57. 563. Se Gombo 234. Kaschubaum 245. - Gi Gossypium arboreum 513. 562. Kastanie, echte 446. 561. barbadense 517. 565. | Katstrauch 166. 557.

herbaceum 509. 562. Kicher, deutsche 136.

Granatbaum 296. 559. rothe 135. 556

Guajavenbaum 301. 564. Kichererbse 406. 560.

538° Register.

Klee, ägyptischer 155. 556. Medicago lupulina 556.

ewiger 127. sativa 127. 556.

Knoblauch 79. 554. Meerkohl, gemeiner 555. Knollenkörbel 554. Meerrettig 42. 553.

Kohl, chinesischer 555. Melone 322. 559.

Kokospalme 544. Melonenbaum, gemeiner 367. 564. Königsrinde, braune 565. Melonenkürbis 316. 564.

gelbe 565. Mispel, japanische 559. Konjak 95. 554. Mohnpflanze 562.

Krapp 52. 554. Mohrrübe 554. Kronen-Hahnenkopf 130. 556. Momordica eylindriea 331. Kuhhornklee, gemeiner 158. Mombinpflaume, süsse 250. 558. Kürbis, feigenblätteriger 322. 562. Moorhirse 483. 562.

gemeiner 516. 564. Morus alba 185. 557.

weisser 559. \ nigra 188. 557.

Moschuskürbis 520. 565. Mungobohne 456. 561.

Lablabbohne 561. u

Lactuca Scariola var. 118. 555 PO

PS ed oliane Alle ; Muskatnussbaum 530. 562. Lo : er d 135. 536 Myristica fragrans 530. 562.

ii D C 9), 90, = - = Ochrus 138. 556. Myrrhenkraut, gemeines 113. 555.

satirus 136. 556. Lattich, wilder 553.

à Eu Nachtschatten, essbarer 359. ns rn Ber 126. Nasturtium offieinale 555. as, Re Nephelium Lit-chi 395. 560.

Lens esculenta 404. > en

Lepidium sativum 106. 555. Kets Er: 339 559 ;

Liebesapfel 364. 564. N; L Re us 175. 176. 1

Linse, gemeine 4U4. 560. 1 er er 20. 175. 176. 177. = - . = zu. rustı 209.

Linum angustifohum 154. 557, =: ERS Er

usitatissimum 148. 557. Tata eu

Litschibaum 39. 560. Lubiabohne 561.

are DR 38. 556 Lucuma Caimito 558. 564. er 36 --,mammosa 358. 564. Oelpalme, afrikanische 543. 560. Luffa acutangula 539. 559. Okra 231, 558 cylindrica 337. 559. Re

4 : Ber Olea europaea 350. 560.

L 1 5 $ de ed ), É . ae A ep 2 en 409. 56 Onobruchis sativa 129. 556. re 127 Ber? : 4 Opuntia Ficus indica 343. 4 . +) . Lucopersicum esculentum 364. 564. Orangenbaum Zi

Orleansbaum 508. Ornithopus ren 140. satirus 140. 556. Media sativa 550, 565. Oryza sativa 487. 562. Mais 490. 565. Mammea americana 254. 564.

Mammeyapfel 564. Ponicum itaticum 478. 562. Mandarine 252. 558. maximum 143. 557. 562. Mandelbaum, gemeiner 271. 558. miliaceum 475.

Mangifera indica 248. 558. Papaver somniferum 503. 562. Mangobaum 248. 558. Papaya vulgaris 361. 564. Mangold 75. 554. Paradiesapfel 218. 364. $ Mangostane 253. 558. Pastinaca sativa, Pastinak 554. Manihot utilissima 74. 563. Persea gratissima 366. 564. Maniokstrauch 74. 569. Persica vulgaris 273.

Maranta arundinacea 101. 565. Persimonpflaume 564. Maronenbaum 446. Petersilie 112. 555. Mate-Pflanze 167. 563. Petroselinum sativum 112. 553.

Maulbeerbaum, schwarzer 188. 557. Pfeffer, indischer 263. weisser 135. 557. langer 552.

Pfoffer, officineller 565 spanischer 361.

schwarzer 565.

türkischer 563. Pfeilwurzel 101. Pferdebohne 397. 560. Pfirsichbaum 273. 559.

Pflaumenbaum, angebauter 260. Phaseolus aconitifolius 435. 561.

Lablab 561.

Lubia 561.

lunatus 455. 565. Mungo 436. 561. trilobus 455. 561. vulgaris 425. 565. Phoenix dactylifera 5717. 560. Pimpernussbaum 3%. Piper Betle 563.

longum 563.

nigrum 563.

officinarum 563. Pisang 381.

Pistacia vera, Pistacie 596. 560.

Pisum arvense A411. 561. Ochrus 138. sativum 415. 561. Platterbse, essbare 136. 556. rothe 155. Polygonum emarginatum 445. Fagopyrum 440. tataricum 442. Pomeranzenbaum 226. 558. Pompelmus 218. 558. Porré 126. Portulaca oleracea, Portulak

Dh ; Prunus Anıygdalus 271. armeniaca 260. 558. avium 254. 558. Cerasus 256. 558. domestica 262. 558 insititia 264. 558.

Persica 275. Pardrum Guayava 301. 564. Punica Granatum 296. 559. Purus communis 285. 559. Malus 290. 559. nivalis 239. sinensis 290. 359.

@uinoapflanze 565. Quittenbaum 294. 559

MRadies 56. 553.

Rahmapfel 564.

Rambutan 560.

Ramie 557.

Raphanus Raphanistrum A1. sativus 36. 553.

Rapunzel 114. 554.

Reis 487. 562.

A

LE |

Register.

Reisgerste 465.

Repskohl 554.

Rhus Coriaria 165. 551. Ribes Grossularia 545. 559. nigrum 348. 560.

rubrum 347. 559

Uva crispa 545.

Ricinus communis 535. 562. Riesenerdbeere 504. Riesenkürbis 311. 559. - Rokambollen-Lauch 39: 554. Roggen 468. 562.

Rosenapfel 299. 559.

Rubia tinctorum 52. 554. Rubus Idaeus 558.

Rüben 45. Rübe, rothe 73. Rübenkoht 554. Rucubaum 508. Rumex acetosa 5: Patientia 556. Runkelrübe 73. 554.

Saccharum oficinarum 191. 557. Safran, echter 205. 558. Sapota Achras 359. 564. Sapotillbaum 559. 564. Saubohne 397.

Sauerampfer 556. Sauerkirschenbaum 256. 558. Scandix Cerefolium 112. Schalotte 86. 554. Scharlacherdbeere 255. 564. Schminkbohne, gemeine 425. 565 Schneebirne 289. Schneidebohne 425. 565 Schnittlauch 90. 554. Schotenpfeffer 563. Schwabenkorn 462. Schwarzwurzel 56. 554. Scorzonera hispanica 56. 554. Secale cereale 468. 562. Sechium edule 542, 564. Serradella 140. 556.

Senf, schwarzer 562.

weisser 562.

Sesamum indicum 531. 562. Setaria italica ATS. Simbibohne 561.

Sinapis alba 562.

nigra 562.

Sium Sisarum 48. 554. Smyrnium Olus-atrum 113. 555. Sojabohne 415. 561.

Solanum esculentum 359.

Melongena 359. 560.

Spec. div. 62.

tuberosum 57. 563. Sommerlauch 556. Sommerzwiebel 82. 554. Sorghum vulgare 480.

5%

Sorghum saccharatum 483. Spargel 556.

Spelz 458. 561.

Spelzreis 462.

Spergula arvensis 141. 557. Spinacia oleracea, Spinat 122. 556. Spinat, neuseeländischer 555. Spondias dulcis 250. 558. Stachelbeere 539,

Steckrüben 45.

Sternapfel 357. 564. Stockerbse 411. 561.

Sumach, gelber 557. Süsskirschenbaum 254. 558, Süssklee, gemeiner 129.

Taback 173. 563.

Tangerine 232.

Taro 91.

Telfairia 559.

Tetragonia expansa 110. 555. Thea sinensis 145. 557.

Theestrauch, chinesischer 145. 557.

Theobroma Cacao 393.

Tomate 364.

Tragopogon porrifolium 55. 554, Trichosanthes anguina 341. 559. Trifolium alexandrinum.133. 556. hybridum 556.

incarnatum 131. 556.

pratense 130. 556.

Trigonella Foenum graecum 138. 566.

Triticum compositum 453. dicoccum 460.

durum 455.

monococcum 462. 561. polonicum 456.

Spelta 458. 561.

turgidum 453.

vulgare 447. 561. Tschirimajabaum 214. 564.

Walerianella olitoria 114. 555. Vicia Ervilia 133.

Register.

Vicia Faba 397.

satica 134. 556.

Vitis einifera 236. 558. Voandzeia subterranea 439. 561. Vogelpfeffer 363.

Walderdbeere 251. 558. Walnussbaum, gemeiner 539. 562. Wassermelone 328. 559. Weichselkirschenbaum 256. Weinrebe 236. 558.

Weizen, Bart- 455.

englischer 453.

gemeiner 447. 561.

Glocken- 453.

polnischer 456.

Sommer- 447.

türkischer 490.

Winter- 447.

Weischkorn 490.

Wicke, gemeine 134. Wiesenklee, gemeiner 130. 556. weisser 556.

Winterzwiebel $5. 554. Wolfsbohne 409.

ägyptische 410, 561.

Wamswurzeln 9,6. 554.

Zea Mays 490. 565. Zimmtapfel 207. 564. Zimmtlorbeer 181. 557. Zizyphus Jujuba 243. 558, Lotus 242. 558.

vulgaris 240. 558, Zuckerapfel 207. Zuckerrohr 191. 557.

chinesisches 483, Zuckerwurz 48. 554. Zwetschenbaum 262. 558. Zwillingspflaume 395. 396.

Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.

. x U le

A

À A Â A Ä N À f Ar ar ap ap af Al af

ANA A À A À 1e 24 A ANF \ AN AAAA An AA AN AA AA AA

N N

A

N

A a AnNAnA AGE AT A

AA AAA"

N

À

N

A

ca < ac CE. I. CCE CC ES m ı@ EFT" E rar

Œ

A An N

N à N à A N N En ! NA N Ban AA Any AM A À à Nah

al an A N À IN N DON An AN AN ANA

ann

Gr!

AN la A A A AA N à À N A A A

7 4 J - _ = u 7 > < < SIERT EST DIT u

EU IE. Te. CEE COR OT MS EE

N À

A

A

AN

A AAALTA AN

N ER | } NES AN \':!l ,

N ann N A

1 N AN À

A

A À :

An

N

N

N

À. à

AA A ANAN MANN

er N À AN AN À À A

A A A À A

N

FA AAA m

A AN AR AR

A

À AR A AAA Alala AnAnA ANA

N N

RE TEE I > Fra CCE €. <_ re CCC LE a Ce OU ET re LC

er ICE. arc Cc ec EC <: CEE. C <. «can a «e x < sx

AM N N n

PAM SANAM Al

EIER BEE er

An AAN A A N À à N ANA 5 A FA N N A A N N N

RR RSS A sc EI Fr - Ce CA I ECC. : F z < - a 7 RK EC ©: un « LC TRES >: = : re Re a BE Sn ken ce : TE CIE <<< <<“ UE CCE <_« = 2 EA er EL SCC CCC ai €: Ve eu BE une CR | —E re oc re cc: CS OX CE Le GS = Lx GES CCE a: man ui

Pin

fi, NA AIN 2 \ \! À | N

| \

In, | AA

\ an \A A AN A N À A À

| | A

Na \ À a

N

EL RN > D CRU OS. = c er PU. CR LS Re ER er ce DE ct Æ EST

ERTL

Ai A À A A A À Ÿ Er r EN Aa À N N N A N À

A À A AA AAN x ai À A A Am à À A \ AN AA MAMA ANA AAA NAN à AAA A À n à

\ N A N NA A A N N N An N A IN AMAMN ANASABA ANA EE AAAAA

A] N N N A A N nnAAAA AAA \N A A | fi N A N A

À. AA N: x À A\ AA AN ANA à À À AASAA nA À A A Ana A a A

A À À

à IA N N al

N

THEORIE ° CC > 77 - DE TE - | _@ x N CE < h Te Ca c New York Botanical Garden Library TC EEE: OR a SB71.C3 18849 2 ge ee Pe Bere Candolle, Alphonse/Der Ursprung der Cu a Gr ces AC, Es: NTI {ALL EI | | || : > « CRE TC CA | Ne <a salllll) | | | ASS Le CAE rc UK CC BP PTS - e— m = = er ce = SE ZT ne: = RS EC CLR CE CAE D LENS <= PR ee D Re ee. « £

LE ee Ce ee Cm er TEE EEE ET EEE ae

RE KL ELL CET % i ai FE = En Ge CE CR CE EEE LC ed de: & a < ae = - - 7.

CET NT, EL nn za

CT LARG EC GT C - CE TEST Kar a = S; ELLE CL exc: cc D: «se CET REC CE ac CC CE “a CIE CE. oo KLICK €. A LU LLC ÇA <=: MEET IT EEE ek << EEE ac Sr ee le ec:

COLE À CCE» RUE ce <<

AANAA

An Ann ah AAN N VE A

TE CC ETC SEELE CE, > LC GMT. CRE CC ©, <a er een, ET RER EL RIED E aim ae C< NS RS ELLE. .cL_<\ CC K_ «cc CC ECKE EXC Œ: < IE CR EU EEE ET EI CC COR a GET ere. = Le S FE A CNE COTE RE CT EE: | CC ERA. ACT ET EC ECC EE A ns ee DICKE. CE «x. <

ey. date Se a ET z K - Ks. €: CE KETTE EEE EL CT EC Mr RC LE CT MC. CCE ER ACC REIT KK 10 LC CG a DC CORÉEN TEE M ner EL r EC D RE art IE CE ET. CRETE ERET | CL CE CL CCR RCI CUT <; ET CRC LLC ŒECCELCE. EL LCL ET. EC LR RL | REC CE EEE us ACH MT) Ge) Écoute ares dt : Fa « Le « x GC CK L_ "1 KT dés ex CE a 77 EC QT EL. M CE CR LC Cr CC CE EE: - x DER ESEL << ERST ET Er RG Ce EC GRR TE LES

N

AR a Ja TA y {< ' Ah, AN A AN

À

£

IR Fa N ANA MSAR

A AA, IAA A

ee ; ca _ < | rau u TE x Ge < Ces < —<_

AA . NAAR,

ANA AA rAraNn

3 SEE Ce ic KT CE ETC ARS, MUR, CN CE SL N, KT CE CC ee EC cc Ce = «Ci ET ES, CEE CC < < u Ci CCE Er ALLE ELITE CC RS, EEE CCM ICS Er) Cie Cl | ŒCCENET PES, MX, CC Le «_ < « KA CE QC EL. EC. Ci «Ku cd Œr ET :< ET CT EC EL EL ET «ic CE «= «= Ci. C1 EME << LL < ME, RR EC: GEL æ < «ci «K ul CE Er ce FLE. DES. CS. CURE EEE Œiit, SEE GER | RE CON ET AI TC ACTOR EC Ç : CT OC CT CC cet MM EL CT CCE WET, GE « dE CE u ESC EC t : C1 vaio TE Œ& « CE OH Dr EATE RE En TSG IE ei TE MN ET 7 u DR V ad et 7 1 PP u >

7e > | cc“ 4 < | en «a x pn a < { ax « LK - ic . < [LG

Ra

A AAA

!

l

au AARA

A } y\

N

AN AN

AA

Di» -Z=

ANA

Ananın in: eV AA PNA VS Anar

ANA) N „Au A A À

ANA A À

ee PS: | LC COR ZU << &: = sr j

CL me cc Nil

CA |

ex

= CE .< >> = = © > , CCC: & (EM Ce CRE Dec & É